ec er ; ? zur er ee DR Vie eher” nen ; Ben ee RS er ws gt N a . Sun Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von Max Schultze, Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Institute in Bonn. Vierter Band. Mit 26 Tafeln. Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn. 1868. ER, Kai IKFR ? Aa: Bi: y ii “ Inhalt. Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfen. Von Prof. Dr. Hubert v. Luschka. Hierzu Tafel I. Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. Von Dr. W. Steinlin. Hierzu Tafel II. j E : : B } s ; J Bemerkungen zu dem Aufsatze des Dr. W. Steinlin. Von Max Schultze. . i R 2 - R . ß & ’ Ueber die Purkinje’schen Fäden. Von Dr. Max Lehnert. Hierzu Tafel II. Ueber den Bau der Sohalsanblien Bet Bemerkungen über die sym- pathischen Ganglienzellen. Von Dr. G. Schwalbe. Hierzu Tafel IV. 5 ; ; k i - : i 3 Untersuchungen über die Zahnpulpa.. Von Franz Boll, stud. med. Hierzu Tafel V. . Ä e ; ; : R : Das Gehörorgan des Hirschkäfers. (Lucanus cervus.) Von Dr. H. Lan- dois. Hierzu Tafel VI. ; : Beiträge zur Kenntniss vom Bau der erchimselenaihhen de Zunge. Von Dr. Christian Loven. Hierzu Tafel VI. i Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. Von Dr. V. Hensen in Kiel. Hierzu Tafel VIII u. IX. ; Ueber die Zellen der Spinalganglien, sowie des Syrabatlniehe Bi F en Von L. G. Courvoisier. Hierzu Tafel X. R 2 Ueber den Bau der Thränendrüse. Von Franz Boll. Hierzu Ta- fel XI. h . 3 h s Ueber die Geschmacksorgane der Eiugethiere und a ke Von Dr. G. Schwalbe. Hierzu Tafel XII u. XII. Ueber die invaginirte Zellen. Von Dr. F. Steudener, DE atdosank in Halle. Hierzu Tafel XIV. } , h Ueber den Bau, insbesondere die Vaterschen Körbe des an bele der Schnepfe. Von Fr. Leydig in Tübingen. Hierzu Tafel XV. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. Von €. Kupffer, Professor in Kiel. Hierzu Tafel XVI, XVII u. XVIH. Zur Morphologie der Haare. Von Dr. A. Goette in Tübingen. Hierzu Tafel XIX und XX. Seite. 10 125 146 154 188 195 209 273 Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. Von Dr. E. Neu- mann, a. o. Prof. d. pathol. Anatomie zu Königsberg i. Pr. Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. Von Dr. Th. Engelmann in Utrecht. 3 - 5 Ä 5 5 4 ; : ; Ein neuer heizbarer Öbjecttischh Von Dr. Alexis Schlarewski. Hierzu ein . Holzschnitt. Die Hämatoxylinfärbung. Eine Notiz von a a. ey. Bemerkungen zu W. Krause, die Membrana fenestrata der er Von Hensen. i 5 5 ; ß Ueber Noctiluca miliaris Sur. Von J. Vietor Carus. : Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. Von W. Flemming, cand. med. Hierzu Tafel XXI u. XXI. | ; } Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. Von Franz Boll. stud. med. Hierzu Tafel XXIH. NÄRRRSE R Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. Von Dr. G. Schwalbe. Hierzu Tafel XXIV. : : : 5 : : 5 Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. HI. Von Dr. Rudolf Arndt, Privatdocenten in Greifswald. Hierzu Tafel XXV u. XXVI. Druckfehler. Seite 148 Zeile 6 v. o. lies platten statt glatten. — 29 a 772 plate siatt Blatt. — 14 Een Ort state "Art. — 2507 — 10 —ı. — den statt der. a Io enthalt statt. erhalt. — 59607107 7 ES tmomiesstattsStroma: — 260 — 13 v.u. — welchen statt welcher. — 263 — 13v.0. — je statt ja. — 270— 3 — -— Haut statt Haupt. Seite. 323 334 342 345 347 351 353 407 Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des mensch- iichen Schlundkopfes. Vor dem Gebrauche gefälligst zu corrigiren : Pag. 111 Zeile 5 von oben muss heissen: Tafel VIII u. IX. c 2 >) 124 ” 0) „ „ ” „ > ” „ ”„ ”„ ‘ < Y „ 125 „ „ ” „ „ „ X. „ 145 „ 3 „ „ „ „ ’ ’ WEIULG UIG LUALUL YULLLIWILILIODU MUULVILUL) Viral V Um Va Vanansuaaanannnn n nicht erzielt werden. Aber auch die gröbere Configuration der Ober- fläche des Schlundkopfgewölbes hat in den meisten Hand- und Lehr- büchern entweder gar keine oder jedenfalls eine höchst unzulängliche Berücksichtigung gefunden, indem man sich meist blos im Anschlusse an Rosenmüller mit der Bemerkung begnügte, dass hinter dem ÖOstium pharyngeum der Ohrtrompete die Schleimhaut zu einer mehr oder weniger tiefen Bucht eingesunken sei. Bei der Verborgenheit' der Lage dieser Gegend kann es nicht befremden, dass auch über die pathologischen Veränderungen nur wenig Thatsächliches bekannt ist. In gewissen Krankheiten, nament- lich bei diphtheritischen Processen, welche die Rachengebilde be- treffen und von hier aus so gerne auf die Nasenhöhle übergreifen, kann man aber wohl voraussetzen, dass die adenoide Substanz des M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 4. 1 4 Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. Von Dr. E. Neu- mann, a. o. Prof. d. pathol. Anatomie zu Königsberg i. Pr. Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. Von Dr. Th. Engelmann in Utrecht. R - 5 ; x \ : 3 Ein neuer heizbarer Ohjecttisch. Von Dr. Alexis Schlarewski. Hierzu ein . Holzschnitt. Die Hämatoxylinfärbung. Eine Notiz von H. Fr ey. E Bemerkungen zu W. Kr ByLBE, die Membrana fenestrata der Ba Von Hensen. OR Ueber Noctiluca miliaris Sur. Von 3. Ticker r Carus. Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. Von W. Flemming, cand. med. Hierzu Tafel XXI u. XXI. r Ä : Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. Von Franz Boll. stud. rn re WEN SSCIER Seite 148 Zeile 6 v. o. lies platten statt glatten. Ze — — platt statt glatt. — 2A — 5 v. ou. — Ort statt Art. — 3503 — 10: = den statt’ der. 955 —. Io enthaltsstatszerhält. — 360° — 197777 ZStEome statt Stroma. — 260 — 13v.u — welchen statt welcher. — 263 — 13v.0. — je statt ja. — 270— 3 — -— Haut statt Haupt. Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des mensch- lichen Schlundkopfes. Von Prof. Dr. Hubert v. Luschka in Tübingen. Hierzu Tafel 1. Seitdem man im Stande ist den Nasentheil des Schlundkopfes am lebenden Menschen der Ocularinspection zugänglich zu machen, ist eine genaue Kenntniss des normalen Zustandes der Wände des Cavum pharyngo-nasale zur unabweislichen Nothwendigkeit geworden. Bisher ist man diesem Bedürfnisse nicht blos in nur beschränktem Umfange nachgekommen, sondern es konnte auch über die wenigen in der Literatur niedergelegten Angaben, namentlich über diejenigen, welche die Texturverhältnisse betreffen, eine Uebereinstimmung noch nicht erzielt werden. Aber auch die gröbere Configuration der Ober- fläche des Schlundkopfgewölbes hat in den meisten Hand- und Lehr- büchern entweder gar keine oder jedenfalls eine höchst unzulängliche Berücksichtigung gefunden, indem man sich meist blos im Anschlusse an Rosenmüller mit der Bemerkung begnügte, dass hinter dem Ostium pharyngeum der Ohrtrompete die Schleimhaut zu einer mehr oder weniger tiefen Bucht eingesunken sei. Bei der Verborgenheit’der Lage dieser Gegend kann es nicht befremden, dass auch über die pathologischen Veränderungen nur wenig Thatsächliches bekannt ist. In gewissen Krankheiten, nament- lich bei diphtheritischen Processen, welche die Rachengebilde be- treffen und von hier aus so gerne auf die Nasenhöhle übergreifen, kann man aber wohl voraussetzen, dass die adenoide Substanz des M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 4. 1 . 2 Hubert v. Luschka, Schlundkopfgewölbes mitunter nicht weniger als jene der Tonsillen ergriffen sein werde. Es wird sich zur künftigen Ermittelung solcher und anderer Verhältnisse ganz besonders um eine zweckmässige Me- thode handeln, das Schlundkopfgewölbe zur vollständigen Ansicht frei zu legen, ohne eine zu eingreifende, in der Privatpraxis meist gar nicht zulässige Verstümmelung der Leiche vorzunehmen. Das für Sectionen expediteste Verfahren, nach dessen Beendigung man die Leiche am besten wieder in einen präsentablen Zustand versetzen kann, besteht meines Erachtens darin, dass man die beiden Ohrläpp- chen durch einen unter der Kinnlade geführten Schnitt verbindet, die Weichtheile über den Unterkiefer hinaus losschält, dann von diesem die Gebilde des Bodens der Mundhöhle trennt und nach Exarticulation der unteren Kinnlade den harten Gaumen nebst dem angrenzenden Segmente der Nasenscheidewand mit dem Stemmeisen entfernt. Die auf solche Weise frei gelegte Innenseite des Schlundkopf- gewölbes pflegt an den meisten Leichen von einem glutinösen Schleime so überzogen zu sein, dass erst nach dessen Entfernung die wahre Beschaffenheit derselben zur Ansicht kommt. Obwohl man sich schon Jetzt von der Unebenheit der grau- oder braunröthlichen Fläche über- zeugen kann, wird man doch erst nach einiger Erhärtung der Theile durch längeres Aufbewahren in Weingeist oder verdünnter Chromsäure diejenigen Eigenthümlichkeiten der äusseren Gestaltung in allen ihren Einzelnheiten so vollständig wahrnehmen können, dass darnach eine gründliche Beurtheilung auch des frischen Zustandes möglich ist. An so vorbereiteten Objecten wird zunächst die scharfe Grenze bemerkbar, welche das hintere glatte Ende des Daches der Nasen- höhle vom Gewölbe des Schlundkopfes trennt. Die dem letzteren angehörige Substanz ist vom Dache der Nasenhöhle meist durch eine deutliche Querfurche getrennt und überragt die Schleimhaut der Nase nach abwärts in wechselnder Höhe, welche sich im Maximum bis auf 4 Mm. belaufen kann, so dass zwischen den beiden an- einander grenzenden Höhlen eine Art von Wall errichtet ist. In einer sich wesentlich gleich bleibenden äusseren Beschaffenheit erstreckt sich die adenoide Substanz der Pars nasalis des Schlundkopfes bis zum Rande des Foramen oceipitale magnum, ja bis in die Gegend des Arcus atlantis anticus herab, wo sie in unregelmässig gebrochener Linie über das.Niveau der Umgebung mehr oder weniger vorspringt, oder auch, sich in vereinzelte Balgdrüsen auflösend, unmerklich in Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfes. 3 dieselbe übergeht. Nach beiden Seiten hin breitet sich die adenoide Substanz gegen die Mündung der Ohrtrompeten aus, mit deren hin- terem wulstigem Umfange sie eine mehr oder minder tiefe Spalte — recessuss.lacuna pharyngis s. fossa Rosenmülleri — bildet, welche nach oben gegen jenen Wall schmal ausläuft, nach unten aber in die Rinne sich fortsetzt, die aus dem Zusammenstosse der hinteren Wand des Schlundkopfes mit der seitlichen hervorgeht. Insofern der Recessus pharyngis durch das Hereinragen der Ohrtrompete in die Höhle des Schlundkopfes bedingt ist, entspricht seine grösste, nach oben und nach unten allmälig abnehmende, höchstens 1!/, Cent. betragende Tiefe der Länge der hier von der Schleimhaut des Pharynx überkleideten Abtheilung des Knorpels der Eustachi’schen Röhre. Häufig ist dieser Recessus nicht in seiner ganzen Länge ununter- brochen, sondern durch Schleimhautbrücken zerklüftet, welche die hintere Wand der Pars nasalis des Schlundkopfes mit dem ihr zu- gekehrten Wulste des Ostium pharyngeum der Ohrtrompete verbinden. Je reichlicher dies stattfindet, um so mehr greift das adenoide Ge- webe auf den genannten Umfang jener Mündung über, wodurch seine Glätte und die gewöhnliche scharfe Abgrenzung von der Nachbar- schaft verloren gehen und ein Recessus pharyngis selbst gänzlich fehlen kann. Die freie Oberfläche des sich zwischen den Mündungen der beiden Öhrtrompeten ausbreitenden, vom hinteren Ende des Daches der Nasenhöhle bis herab gegen den vorderen Rand des Foramen occi- pitale magnum reichenden Gebietes der Pars nasalis des Schlund- kopfes bietet auch unter normalen Verhältnissen nicht immer die gleiche Beschaffenheit dar. In der Minderzahl der Leichen findet eine exquisite Zerklüftung in longitudinaler Richtung statt, wodurch von tiefen Spalten getrennte Blätter oder leistenartige Vorsprünge entstehen, die theilweise unter Bildung eines netzartigen Gefüges wieder untereinander zusammenfliessen. Häufiger aber macht sich eine flach-hügelige Oberfläche bemerklich, die in wechselnder Anzahl und Stellung von kürzeren oft unregelmässig verzogenen Spalten durchbrochen ist. Mag nun aber der eine oder der andere Typus ob- walten, sowohl an der ganzen freien Seite als auch an den die Spal- ten begrenzenden Flächen springen unzählige weissliche, kaum mohnsamen grosse Knötchen, die Follikel der adenoiden Substanz hervor, welche ein fein drusiges Aussehen bedingen. Ausserdem sieht man eine sehr bedeutende Menge rundlicher Poren, welche 4 4 Hubert v. Luschka, theils als Ausbuchtungen der Schleimhaut in vereinzelte Balgdrüsen, theils und zwar überwiegend als Mündung eben so vieler acinöser Drüsen erkennbar sind. Eine jedoch nicht ausnahmslos vorkommende grössere Mün- dung ist in der Region des adenoiden Gewebes an der unteren Grenze ihrer Mittellinie angebracht. Sie ist bald kreisrund und vom Umfange eines Stecknadelkopfes, bald erscheint sie grösser und wird öfters nur nach oben von einem mehr oder minder scharfen Rande begrenzt. Diese Oefinung stellt den Eingang -in einen oblongen, höchstens 1!/; Cent. langen und im Maximum 6 Mm. breiten beutel- förmigen Anhang des Schlundkopfgewölbes dar, welcher hinter der adenoiden Substanz, mit ihr durch eine lockere Zellstoffschichte ver- löthet, zum Körper des Hinterhauptbeines emporsteigt, um sich hier mit seinem verjüngten, bisweilen spitz auslaufenden Ende in die äussere fibröse Umhüllung dieses Knochenstückes förmlich einzubohren. An der hinteren Seite ist der Beutel an seinem Umkreise gewöhnlich unmittelbar von acinösen Drüsen umlagert, bisweilen aber auch zu den Seiten von einem Muskel umgeben, der mit platter Sehne vom fibrösen Gewebe der unteren Fläche des Hinterhauptzapfens ent- springt. Dieser Muskel, welcher nur sehr ausnahmsweise vorkommt, kann als oberstes, das Schlundkopigewölbe lateralwärts schleifenartig umgebendes Bündel des M. cephalopharyngeus angesehen : werden, dessen seitliches Ende sich einwärts von der Ohrtrompete zur Wur- zel der Lamina interna des Processus pterygoideus erhebt. Wie es scheint hat F. J. C. Mayer!) diesen auch bei einigen Säugethieren - nicht fehlenden Anhang des Schlundkopfgewölbes zuerst kennen ge- lernt und denselben als »Bursa pharyngea« in die Literatur eingeführt. Seinem oberen Ende entspricht an manchen Schädeln ein Grübchen an der Aussenseite vom Körper des Hinterhauptbeines, das vor dem Tuberculum pharyngeum liegt und in einem mir vor- liegenden Schädel eines Buschweibes etliche Millimeter tief ist und nach vorn in eine Rinne ausläuft. Auch an einem von C. Th. Tour- tual?) untersuchten Schädel eines Buschmannes und eines Kaffern hat jene »Fovea bursae« eine ungewöhnlich starke Ausprägung dar- geboten. 1) Neue Untersuchungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie. Bonn 1842. S. 8. 2) Neue Untersuchungen über den Bau des menschlichen Schlund- us Kehlkopfes. Leipzig 1846. $. 43. Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfes. 5 Die überwiegend aus adenoider Substanz bestehende Wandung der Bursa pharyngea hat eine zwischen "/s und 1!/; Mm. schwan- kende Dicke und besitzt in der Regel keine glatte Schleimhauttläche, sondern diese ist mit unregelmässig höckerigen Vorsprüngen ver- sehen und auch wohl in longitudinale Falten gelegt. Bisweilen kommt es vor, dass das obere verjüngte Ende sich abschnürt und eine Um- bildung zu einer Cyste erfährt. In einem von mir beobachteten Falle hat sich diese Abschnürung mehrmals wiederholt, wodurch die Bursa pharyngea ein knotiges Aussehen erlangte. Diese Veränderung ge- mahnt sehr an die stellenweise unterbrochene Obliteration des Processus vaginalis peritonei, wodurch die sogenannte Hydrocele cystica funiculi spermatiei entstehen kann, sowie an die blasigen Auf- treibungen des auch unter normalen Verhältnissen bis zu einer ge- wissen Länge offen bleibenden Axengebildes des Lig. vesicae medium, das einen im Wachsthum fortgeschrittenen Rest des Urachus dar- stellt. Es ist kaum zweifelhaft, dass auch jenes Appendieulargebilde des Schlundkopfes nur die Dignität eines fötalen, functionell be- deutungslosen Restes hat, womit denn auch sowohl seine nicht ganz constante Persistenz, als auch die wechselnden Verhältnisse seiner Grösse völlig im Einklange stehen. Nachdem sich die zuerst von Rathke!) ausgesprochene Ansicht bestätiget hat, dass der vordere elandulöse Lappen des Hirnanhanges wesentlich aus einer Abschnü- rung der Rachenschleimhaut hervorgegangen ist, kann unserer An- nahme der genetischen Beziehung des sog. Schlundkopfbeutels zur Hypophyse die Berechtigung um so weniger abgesprochen werden, als die später durch Wachsthum vergrösserte Aussackung von mir?) am menschlichen Fötus wirklich nachgewiesen worden ist. Damit findet aber die von Tourtual aufgeworfene Frage ihre verneinende Er- ledigung, ob nämlich die Bursa pharyngea mit der Entwickelung der Keilbeinhöhle in Verbindung stehe. Ueber die Structur der Wandung des Schlundkopf- sewölbes sind die in der Literatur niedergelegten Angaben inso- fern sehr getheilt, als derselben conglobirte Drüsensubstanz bald zuge- schrieben bald gänzlich abgesprochen wird. Während Kölliker’°) in Uebereinstimmung mit Lacauchie *) da, wo der Schlundkopf 1) J.-Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie etc. 1838. S. 482. 2) Der Hirnanhang und die Steissdrüse. Berlin 1860. S. 38. 3) Handbuch der Gewebelehre. Vierte Aufl. S. 424. 4) Trait& d’hydrotomie 1853. Tab. U, Fig. 10. 6 Hubert v. Luschka, an die Schädelbasis befestigt ist, eine Drüsenmasse vom Baue der Tonsillen findet, behauptet Henle !), im oberen Theile des Pharynx nur zuweilen flache Grübchen gesehen zu haben, welche den Resi- duen zerstörter Follikel des Darmes gleichsahen. Conglobirte Drü- sensubstanz aber vermochte dieser Forscher weder in der Wand jener Grübchen noch in der Umgebung der Ausbuchtungen zu finden, welche dem Gewölbe des Pharynx eigen sind. Im Angesichte dieser von hervorragenden Männern des Faches getragenen Controverse habe ich es bei der praktischen Bedeutsam- keit des in Rede stehenden Gegenstandes richt unterlassen, die Unter- suchung in Erinnerung an den auch in anderen Körperregionen statt- findenden ungemeinen Wechsel der Ausbildung dieser Substanz auf zahlreiche Leichname aus verschiedenen Altersstufen auszudehnen. Dabei gelangte ich immer zu einem wesentlich gleichen und zwar mit Henle’s Angabe in grellem Widerspruche stehenden Resultate, indem ich ohne Ausnahme eine mächtige, im Maximum 8 Mm. dicke conglobirte Drüsenmasse fand, welche sich zwischen den Mündungen der Ohrtrompeten vom hinteren Ende des Daches der Nasenhöhle an in einer durchschnittlichen Länge von 3 Cent. ausgedehnt hat. Mit dem knorpelartig festen Gewebe, welches die Verbindung des Schlundkopfes mit dem Schädelgrunde vermittelt, hängt die schwamm- artig weiche Drüsensubstanz so innig zusammen, dass eine reinliche Trennung beider kaum ausführbar ist. Auch ihr Zusammenhang mit der Schleimhaut gestattet keine Isolirung, indem das Gewebe der letzteren ohne Unterbrechung in die reticuläre Bindesubstanz übergeht und bis nahean die Oberfläche von den Lymphkörperchen ähn- lichen Zellen so sehr infiltrirt ist, dass sie als eine nur dünne, in kaum angedeutete flache Papillen erhobene, von langgestreckten Wimperzellen besetzte Grenzschichte erscheint. Das Drüsengewebe ist entweder grösstentheils in Blätter ge- sondert, welche durch tiefe Spalten geschieden sind, oder es ist vor- wiegend mehr oder weniger deutlich in rundliche Bälge angeordnet, deren durchsehnittlich 1 Mm. dicke Wände von Flimmerepithelium ausgekleidete Höhlen umschliessen, in welche sich die Schleimhaut durch verhältnissmässig enge Mündungen fortsetzt. Die rundlichen, bis erbsengrossen, aus Schleimhauteinstülpungen hervorgegangenen 1) Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen. Braunschweig 1866. S. 146, Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfes. 7 > Bälge sind theils durch dünne Schichten gewöhnlichen, fibrillären Bindegewebes getrennt, so dass sie sich einigermaassen isoliren lassen, theils gehen dieselben, namentlich gegen die Oberfläche hin so ohne alle Unterbrechung ineinander über, dass die ihrer Wandung ange- hörige conglobirte Drüsensubstanz ceontinuirlich und von einem Höh- lensystem unregelmässig durchbrochen erscheint, das mit zahlreichen Mündungen an der freien Schleimhautfläche endet. Mag die eine oder die andere Anordnung stattfinden, die Grundlage ist immer ein aus zarten, netzförmig zusammenhängenden Strängen bestehendes Balkenwerk, in dessen Maschenräume den Lymphkörperchen ähnliche Elemente in so grosser Menge eingelagert sind, dass durch sie alles Andere verdeckt wird. In der so beschaffenen Substanz, welche man wie die ihr analoge der lymphatischen Apparate nach dem Vorgange von W. His!) »adenoides Gewebe« oder mit Henle ?) »conglobirte Drüsensubstanz« nennen kann, machen sich rundliche Knötchen von wesentlich glei- cher Natur bemerklich, welche in jeder Beziehung mit den solitären Follikeln des Darmes identisch sind. Die, wenn auch in wechselnder Menge vorkommenden, doch niemals gänzlich fehlenden Knötchen sind weicher als die übrige Substanz und zeichnen sich im frischen Zustande von ihr durch eine weissliche Farbe aus. Sie haben eine wandelbare, normalmässig. den Umfang eines Mohnsamens kaum überschreitende Grösse, welche aber unter anomalen Einflüssen eine nicht unbedeutende Zunahme erfahren kann. Schon am unzerlegten Gewölbe des Schlundkopfes treten dieselben an der Oberfläche her- vor und können ihr, wenn sie zahlreich sind, ein exquisit granulirtes Aussehen verleihen. An Durchschnitten solcher zweckmässig erhär- teter Objecte, welche sich durch eine deutlichere Sonderung in ein- zelne Bälge auszeichnen, überzeugt man sich leicht von der Ein- lagerung dieser Knötchen in die Wände der Bälge sowie davon, dass manche so stark gegen die Höhlen der letzteren prominiren, dass sie als rundliche Vorsprünge mehr oder weniger tief hineinragen. Gleich wie die solitären Drüsen des Darmes sind auch diese Knötchen von dem sie umgebenden Gewebe nur für das blosse Auge 1) Untersuchungen über den Bau der Peyer’schen Drüsen. Leipzig 1862. S. 10. 2) Zur Anatomie der geschlossenen Drüsen oder Follikel und der Lymphdrüsen. Zeitschr. für rationelle Mediein. 3. R. Bd. VIII, 8 . Hubert v. Luschka, scharf abgegrenzt. In Wahrheit find in ihrem Umkreise nur einige Verdichtung des netzförmigen Zellstoffgerüstes statt, von welchem sie aufgenommen erscheinen. Ihre Grundlage besteht aber nicht weniger als die Umgebung aus einem mit der letzteren - continuir- lichen Reticulum, welches jedoch um so zarter wird und um so weitere Maschenräume umschliesst, je mehr es sich dem Centrum nähert. Gegen die Mitte hin verliert sich sogar das Reticulum meistens gänzlich, so dass eine Art gemeinsamen centralen Rau- mes entsteht. In der Regel erstrecken sich die vom Netze getra- genen Blutgefässchen nur so weit als ihr Stroma reicht, so dass sie also centralwärts meist schlingenförmig umbiegen; doch kommt es auch nicht selten vor, dass netzförmig unter sich zusammenhängende Capillaren den vom Reticulum frei gelassenen Raum durchsetzen. Dieses Netz besteht aus gröberen und feineren, mit der Adventitia der Gefässe theilweise continuirlichen, im Zusammenhange nur an ausgepinselten in Alconol absolutus erhärteten Präparaten erkennbaren Bälkchen, von welchen manche unter Bildung eines bisweilen aufge- triebenen Knotenpunctes unter sich zusammenfliessen. Wenn man auch zugeben muss, dass ein aus Zellstofffädchen: bestehendes Gerüste die wesentliche Grundlage jener Knötchen darstellt, so darf es doch nicht unerwähnt bleiben, dass es nicht an zellenartigen Gebilden fehlt, deren Ausläufer in den Context des Reticulum eingreifen. Ob und in wie weit die erste Anlage des Reticulum der adenoiden Sub- stanz des Schlundkopfes ein reines Zellennetz darstellt, wie dies auch nach den neuesten von E. Sertoli!) über die Entwickelung der Lymphdrüsen angestellten Untersuchungen bei diesen Organen der Fall zu sein scheint, muss ich bis auf Weiteres unbeantwortet lassen. Das Reticulum der Follikel in den Wänden der Balgdrüsen des Schlundkopfes ist von Elementen infiltrirt, welche in Grösse, Form und Reactionen den Körperchen der Lymphe vollkommen gleichen. Durch ihre Wucherung können bei gleichzeitigem Untergange des Fasergerüstes Bälge von grösserem Umfange entstehen, deren Inhalt bald eine käsige Consistenz und Farbe darbietet, bald aber auch eine colloide Degeneration erfährt. Der Untergang der conglobirten Drü- sensubstanz ist nicht selten mit Erosion der Schleimhaut verknüpft, was die Bildung von Gruben zur Folge hat, welche eine sehr wech- selnde Grösse und Tiefe erreichen können. Nicht blos durch diese 1) Sitzungsberichte der k.k. Akademie der Wissenschaften. Wien 1866. & Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfes. 9 und ähnliche Metamorphosen nimmt das adenoide Gewebe der Pars nasalis des Schlundkopfes ein bedeutendes- praktisches Interesse in Anspruch, sondern auch dadurch, dass Wucherungen desselben in grösserem Maassstabe zur Entwickelung einer besonderen Art von Rachenpolypen Anlass geben. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I. Fig. I. Frontalansicht der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfes in natürlicher Grösse. 1.1. Processus pterygoideus. 2. Durchschnitt der Pflugschar. 3. 3.Hinteres Ende des Daches der Nasenhöhle. 4. 4. Ostium pharyngeum der Ohrtrompete, 5. Mündung der Bursa pharyngea. 6.6. Recessus pharyngeus. 7. In Blätter zerfallene adenoide Substanz der Pars nasalis des Schlundkopfes. Fig. II. Sagittaler Durchschnitt des Schlundkopfgewölbes in natürlicher Grösse. 1. Körper des Hinterhauptbeines. 2. Körper des Keilbeines. 3. Hirn- anhang. 4. Adenoide Substanz des Schlundkopfgewölbes. 5. Bursa pharyngea. Fig. Il. Adenoide Substanz des Schlundkopfgewölbes in senkrecht auf die Fläche des letzteren geführtem Durchschnitte in l5maliger Vergrös- serung. 1. 1. Von Schleimhaut ausgekeidete Höhlen der Balgdrüsenmasse. 2. Stroma der Balgdrüsenwände. 3. 3. 3. In die Wände eingeschlossene Follikel. Fig. IV. Reticulum eines Follikels mit einem gabelig getheilten Capillarge- fässe. 500fache Vergrösserung. Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina von Dr. W. Steinlin. Hierzu Tafel II. Mit Hülfe einer anderen Präparationsmethode ist esM.Schultze gelungen den Zusammenhang der Stäbchen mit den Zellen der äus- sern Körnerschichte aufs deutlichste darzustellen !) und ©. Hasse?) bestätigt diese Befunde bis ins Einzelne, sodass an diesem Zusammen- hange der Stäbchen mit den äussern Körnern nicht mehr gezweifelt werden kann. Ich hätte mich gerne selbst davon überzeugt, leider aber fehlte mir bis jetzt die Ueberosmiumsäure. Damit wäre nun allerdings ein Theil meines Angriffes gegen die Stäbchen abgeschlagen, aber keineswegs, wie Hasse glaubt, die ganze Darstellung über den Haufen geworfen. Durch den Nachweis des Zusammenhanges der Stäbchen mit den Körnern ist die Stäb_ chenfrage noch gar nicht erledigt und ich möchte auf’s neue den Zweifel aufwerfen, ob alle die Gebilde auch wirklich Stäbchen seien, welche für solche ausgegeben werden. Ich habe in meiner ersten Arbeit ?) viele stäbchenartige Gebilde als Zapfen beschrieben, wie Hasse ganz richtig bemerkt, aber nicht 1) M.Schultze, zur Anatomie und Physiologie der Retina. Bonn 1866. Separatabdruck aus dem zweiten Bande des Archiv für mikrosk. Anatomie. 2) C. Hasse, Beiträge zur Anatomie der menschlichen Retina. Zeit- schrift für rat. Medicin. Bd. XXIX, 1867. 3) W. Steinlin, Beiträge zur Anatomie der Retina. Verhandlungen der St. Gallischen naturf. Gesellschaft 1865/66. Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. 11 nur weil sie mit den äussern Körnern im Zusammenhang gesehen wurden, sondern weil sie die gleiche Structur zeigten wie die ge- wöhnlichen Zapfen. So habe ich die Stäbchen der Vögel, Amphibien und Knorpelfische als fetttropfenlose Zapfen beschrieben und bin heute noch nicht überzeugt, dass diese Anschauung eine irrthüm- liche ist. Da M. Schultze bereits schon begonnen hat, den einzelnen Gebilden auch gewisse Functionen zuzutheilen, ja auf das Vorkom- men und die Farbe der Fetttropfen in den Zapfen physiologische Schlüsse baut, so scheint es mir nicht unnöthig, sich vor allem gerade darüber zu verständigen, was man Zapfen und was man Stäbchen nennen müsse, auch ob es vielleicht schon an der Zeit sei, für die verschiedenen Gebilde neue Namen einzuführen. Jedes Gebilde der Stäbchenschichte der Retina, welches aus drei deutlich von eirander unterscheidbaren Theilen besteht, nenne ich Zapfen und habe diese beschrieben als zusammengesetzt aus Zapfen- spitze, Zapfenkörper und Zapfenfortsatz. Die Benennung dieser Theile habe ich H. Müller entlehnt, der jedoch die Trennung in Körper und Fortsatz für Kunstproduct oder Zersetzungserscheinung hielt, während ich gezeigt habe, dass sie schon im frischen Zustande, aller- dings weniger scharf ausgeprägt, regelmässig angetroffen wird. In neuerer Zeit wird nun immer nur von Aussen- und Innenglied der Zapfen und Stäbchen gesprochen und demgemäss auch in den Zeich- nungen verfahren. So ist mit Ausnahme der Fig. 2 und 3 auf Taf. VI der angeführten Arbeit von M. Schultze in keiner einzigen Figur die Dreitheilung der Zapfen angedeutet; denn damit dass Schultze die Zapfen an ihrer Basis weniger granulirt zeichnete, wollte er nichts Besonderes andeuten, da seine Hauptfigur der Zapfen, die Fig. 8 auf Taf. III, nur Aussen- und Innenglied darstellt. — Auch Hasse spricht nur von Aussen- und Innenglied der Zapfen und fand, dass letzteres, welches er auch Körper nennt, keine besondere Structur zeige, also auch keine Scheidung in zwei deutlich abgegrenzte Theile. Es war mir sehr auffallend, dass von den neueren Forschern diese Dreitheilung der Zapfen ignorirt wurde, und doch finde ich sie heute noch bei fast allen Thieren; selbst die menschlichen Zapfen machen keine Ausnahme, wie ich letzten Winter zu beobachten Gelegenheit hatte. Leider konnte ich die Zapfen der Macula lutea nicht genauer untersuchen, da diese Partie bei der Exstirpation des Auges gelitten hatte. 12 Dr. W. Steinlin, Diese Dreitheilung der Zapfen habe ich gesehen: beim Menschen (Fig. 1), dem Rind (Fig. 2), Schaaf, Ziege, Schwein, Huhn (3), Trut- hahn, Ente, Taube (4), Eule (5), Schildkröte (6 und 7), Eidechse (8), Natter (9), Frosch (10). Bei den Kaninchen und übrigen Nagethieren ist es nicht immer deutlich, ich zweifle aber gar nicht, dass genauere Untersuchungen sie auch für diese Thiere bestätigen werden, dagegen konnte ich bei den Zapfen der Knochenfische nie etwas Aehnliches auffinden; sie bestehen immer nur aus zweiGliedern. Wenn nun aber diese Dreitheilung der Zapfen durch fast alle Wirbelthierelassen hin- durch regelmässig angetroffen wird, so ist sie doch gewiss der Berück- sichtigung werth, ja ich glaube sogar, dass sie als charakteristisch für die Zapfen angesehen werden muss. Nun wird mir auch die Freude, dass M. Schultze in seiner neuesten Arbeit !) sich schon bedeutend meiner Darstellung nähert; er spricht zwar immer noch nur von Aussen- und Innenglied der Zapfen, zeichnet und beschreibt aber in diesem Innengliede. einen linsenförmigen Körper, der am Ende des Innengliedes gegen das Aussenglied gelegen sei. Vergleicht man auf Taf. XIII seine Figu- ren 2d, 5e, 8, 9, 10 und 13 mit meinen Abbildungen der Zapfen, so kann kein Zweifel sein, dass sein linsenförmiger Körper nichts An- deres ist, als mein Zapfenkörper und diese Bestätigung ermuntert mich um so mehr die Dreitheilung der Zapfen für typisch zu er- klären und also auch die bis jetzt für Stäbchen erklärten Gebilde, welche’ diese Dreitheilung zeigen, für Zapfen auszugeben. Ich musste dies vorausschicken, bevor ich auf die Stäbchen des Nähern eingehen konnte. Beginnen wir bei den grossen Stäbchen der Amphibien (Fig. 16, 17,18, 19), welche ich für fetttropfenlose Zapfen halte, so zeichnet auch M. Schultze in Fig.11ah, 14a und 15a von Fröschen, Tritonen und Salamandern den linsenförmigen Körper aufs deutlichste und ist bei Vergleichung dieser Figuren mit den meinigen kein Zweifel möglich, dass wir ganz dasselbe gesehen haben. Stellen wir diesen die Abbildungen der Stäbchen von Haien (Fig. 12) und Rochen (Fig. 13) an die Seite, so wird auch gewiss jedermann sie für ganz dieselben Gebilde halten. Warum sollen nun aber diese sogenannten Stäbchen der Amphibien und Plagiostomen keine Zapfen sein? Desswegen, weil ihnen der Fetttropfen fehlt? Bei den Zapfen 1) M. Schultze, Ueber Stäbchen und Zapfen der Retina. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. III, 1867, p. 215. Taf. XII. Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. 13 der Säugethiere fehlt er ja auch. Oder weil bei ihnen der Körper weniger stark vorspringt, so dass das Ganze allerdings dem Namen getreu mehr einem Stäbchen gleichsieht? Dies kann kein Grund sein, da die Zapfen in der Macula lutea ebenfalls sich stäbchenartig verschmälern, keinen Fetttropfen haben und doch zu den Zapfen ge- rechnet werden. Oder weil die Spitze resp. das Aussenglied weit stärker und länger ist, als bei den gewöhnlichen fetttropfenhaltigen Zapfen? Verhalten sich denn nicht die Aussenglieder der Zapfen der Fovea centralis beim Menschen und Ochsen wenigstens in Bezug auf beträchtlichere Länge ganz ähnlich ? Auch bei den Stäbchen der Vögel finden wir dasselbe. Ich gebe zu, dass es Stäbchen gibt, in denen die genannte Dreitheilung nicht zu beobachten ist; aber weitaus die Mehrzahl derselben zeigt sie auf’s deutlichstee Auch M. Schultze bildet sie ab in Taf. XIII Fig. 5d und S von den Stäbchen des Huhns und Falco buteo. Dass der mittlere Theil, z. B. der Stäbchen des Huhns (meine Fig. 14) wirklich ein selbständiger Körper und nicht nur eine Aufblähung des Innengliedes ist, sieht man ganz deutlich an seiner scharfen Abgren- zung, die bei stärkerer Vergrösserung gerade so sich darstellt, wie seine Abgrenzung von dem Aussengliede.e Es nimmt auch dieser mittlere Theil an den Quellungserscheinungen, welche der Fortsatz so häufig zeigt, nicht im mindesten Antheil und verhält sich also auch in dieser Beziehung genau wie der Zapfenkörper und der Stäb- chenfortsatz genau wie der Zapfenfortsatz. Diese Quellungserscheinun- gen bestehen darin, dass die umhüllende Membran sich partiell oder über die ganze Länge des Fortsatzes abhebt, der Inhalt dagegen sich zusammenzieht und so vielleicht das vorstellt, was man den Ritter’schen Faden nennt. Ob in dem zusammengezogenen Inhalt noch eine eigentliche Nervenfaser versteckt liegt, konnte ich hier nicht nachweisen, es ist mir aber nach dem, was ich bei Rochen ge- sehen habe, nicht unwahrscheinlich. Beim Huhn (14) stellt sich die Abhebung der Membran mehr über den ganzen Fortsatz ein, wäh- rend ich bei einer jungen Eule (Surnia passerina) diese Quellungs- erscheinung, öfters nur partiell unmittelbar unter dem mittleren Stücke, dem Zapfenkörper, auftreten sah (Fig. 15) in Form einer blasigen Auftreibung, in welche der zusammengezogene Inhalt des Fortsatzes wie ein abgebrochener Stift hineinragte. Zuweilen fand sich auch in diesem blasigen Raume noch ein freies, bald ganz rundes, bald mehr eckiges Körperchen, das ich für nichts Anderes erklären kann, . 14 Dr. W. Steinlin, als ein abgebrochenes Stückchen des Fortsatz-Inhaltes, das der Stütze beraubt wurde. M. Schultze bildet in Taf. XII 5b und c etwas ab, was offenbar das Gleiche bedeutet; auch Fig. 6e kann darauf bezogen werden. Ich ersuche ihn wirklich, der Sache noch mehr Auf- merksamkeit zu schenken. Also auch bei den Vögeln müssen die sogenannten Stäbchen für Zapfen erklärt werden, weil sie aus drei deut- lich unterscheidbaren Theilen zusammengesetzt sind, die sich voll- kommen so verhalten, wie die entsprechenden Theile der gewöhnlichen Zapfen. Beim Huhn ist der Fortsatz öfters länger, als derjenige der fetttropfenhaltigen Zapfen, sodass in Schnitten die Stäbchen über die Zapfen hervorragen und zwar nicht nur mit ihren dickeren Spitzen, son- dern auch mit dem Körper. Ich bin nicht ganz sicher, ob das Aussen- glied der Stäbchen wirklich länger ist, als dasjenige der Zapfen, oder ob letztere viel dünner, auch leichter Verletzungen ausgesetzt sind und desswegen kürzer getroffen werden. In letzterer Zeit habe ich nämlich öfters Zapfenspitzen angetroffen, die durchaus dieselbe Länge zeigten. Bei der Eule zeigt der Fortsatz der Stäbchen dieselbe Länge, wie derjenige der Zapfen und sogar dieselbe Dicke; dagegen ist das Aussenglied resp. die Spitze enorm lang, fast so lang als die Spitzen der grossen Stäbchen von Rana esculenta. @b bei der Eule die Zapfen gegenüber den Stäbchen wirklich an Zahl weit mehr zurücktreten, als bei andern Vögeln, wieM.Schultze sagt, weiss ich nicht genau anzugeben; jedenfalls verstecken sie sich so zwischen den langen Stäbchen, dass dem Anschein nach die Stäbchen weit überwiegen. M. Schultze hebt noch eine dritte Form der Zapfen hervor, die sogenannten Zwillingszapfen der Vögel, Reptilien und Amphibien. Es sind dies zwei dicht nebeneinander liegende Zapfen, der eine vom gewöhnlichen Bau der fetttropfenhaltigen Zapfen mit schlankem Fortsatz, der andere dagegen ohne Fetttropfen oder nur leiser An- deutung desselben und meist dickem bauchigem Fortsatz. Oefters scheint es, als ob beide Fortsätze nur ein gemeinschaftliches Korn hätten, andere Male als ob die Körner noch innig miteinander ver- bunden wären, endlich aber zeigen sie sich auch vollkommen getrennt selbst. isolirt. Ich habe diese Zwillingszapfen bei jungen Exemplaren von Testudo graeca (Fig. 7 b) in so grosser Zahl angetroffen, dass ich mir nicht erklären konnte, wie ich sie seinerzeit bei Chelonia übersehen konnte, wenn sie dort wirklich auch vorkamen; ebenso beim Huhn (Fig.3c). Es hat sich mir aber die Frage aufgedrängt, ob wir es nicht mit einer Mauser der Retina resp. einer Neu- Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. 15 bildung von Zapfen zu thun haben, wobei der noch fetttropfenlose Zapfen der junge Nachschub wäre, herausgewachsen aus durch en- dogene Bildung vermehrtem Zapfenkorn. Auch a priori ist. anzu- nehmen, dass die Gebilde der Stäbchenschichte nur eine geringe Lebensdauer besitzen, folglich einen Ersatz verlangen und dass also die Retina, ähnlich wie die Haut etc. eine Mauserung resp. Wechsel ihrer Elemente zeigen müsse. Es dürfte dies nicht schwer heraus- zufinden sein durch vergleichende Untersuchungen alter und junger Thiere und zu verschiedenen Jahreszeiten. Seien es nun ausgebildete oder unausgebildete Zapfen, so bilden sie doch eine dritte Form, welche in Bezug auf Mangel der Fetttropfen und relative Kleinheit des Zapfenkörpers sich den Stäbchen nähern, während der ganzen Form und Schlankheit des Aussengliedes nach sie den eigentlichen Zapfen näher stehen ; sie repräsentiren also eine Zwischenform der Zapfen. ObM. Schultze die Verschiedenheit der Stäbchen- und Zapfen- faser hinlänglich hoch anschlägt, um meiner Anschauung entgegen- zutreten, muss ich seinem Entscheide überlassen, da ich noch nicht Gelegenheit hatte, mir nach Osmiumsäure-Präparaten ein eigenes Urtheil zu bilden. Ich.möchte aber darauf aufmerksam machen, dass dieser Unterschied bei den Vögeln, Reptilien und Amphibien ganz fehlt, da ihre Fasern gleich dick sind und ihre Endigung in einem kegelförmigen Körperchen von gleicher Grösse und Gestalt stattfindet. Ferner, dass ich bemerkt habe, dass bei nur schwacher Einwirkung der erhärtenden Flüssigkeiten die Zapfenfaser des Kalbes z. B. ganz fein, sehr zart und varikös erscheint (Fig. 2a), während dieselbe nach langer Einwirkung von Oxalsäure oder Schwefelsäure - weit dicker erscheint, keine Varicositäten mehr zeigt und dem ge- wöhnlichen Aussehen der Zapfenfasern entspricht (Fig. 2b). Es führt mich dies auf meine frühere Behauptung zurück, dass das weiche interstitielle Bindegewebe durch die Reagentien zur Gerinnung ge- führt werde und dass diese Gerinnung zuerst dicht um die eingela- gerten festern Theile geschieht, also auch um die Fasern, ähnlich wie die Krystallisation aus einer Flüssigkeit auch zuerst um einen eingelegten Faden geschieht. Diese Gerinnungen bilden nun um die Fasern einen Ueberzug, der, wenn er etwas dicker ist, das charakte- ristische Aussehen der eingehüllten Faser wesentlich modificiren oder ganz aufheben kann, sodass aus diesem Grunde die Zapfenfaser nicht mehr varikös erscheint. Ich will damit jedoch nicht sagen, dass die e 16 Dr. W. Steinlin, grössere Dicke der Zapfenfaser einzig auf Rechnung dieser Umhül- lung komme, sondern nur das veränderte Aussehen, und dass ursprüng- lich auch die Zapfenfaser sich deutlicher als nervöse Faser zeige, bevor die Gerinnung um dieselbe in höherem Maasse geschehen. Kehren wir übrigens wieder zu den Zapfen und Stäbchen selbst zurück, so habe ich bisher das Aussenglied oder die Spitze nur vor- übergehend angeführt. Es ist ausser allem Zweifel, dass da, wo die Fetttropfen fehlen, das Aussenglied sich etwas anders gestaltet, als bei den fetttropfenhaltigen Zapfen, es ist verhältnissmässig viel dicker und meist auch ziemlich länger ; im Uebrigen verhalten sie sich aber gleich. Die von M. Schultze in seiner neuesten Schrift her- vorgehobene Plättchenstructur des Aussengliedes ist von grösster physiologischer Bedeutung. Wenn auch schon frühere Forscher, wie Hannover, dieselbe angeführt und abgebildet haben, so sind sie doch weit entfernt gewesen, ihre Bedeutung zu erkennen, daher M.Schultze das Verdienst allein gebührt, den wahren Sachverhalt erkannt zu haben. Auch ich hatte die Sache früher schon häufig bemerkt, aber wie andere nicht verstanden und als Kunstproduct ignorirt. Nur das ist mir entschieden aufgefallen, dass die Aussen- glieder immer nur quer, nie schief abbrechen, wie ich auch auf pag. 5 meiner Arbeit angeführt habe; ferner, dass bei Krebsen die spindelförmigen Körper, die ich den Zapfen gleich stellte, die Quer- streifung oft so markirt zeigten, dass ich bei diesen sogleich an eine Zusammensetzung aus kleinen Platten dachte. Dies führte mich ja auch auf die Aehnlichkeit des Aussehens dieser Theile mit einer Gal- vanischen Säule und daher die Bemerkung am Schlusse (pag. 97), dass diese Gebilde mehr elektrischen, als optischen Apparaten gleich sehen. i Die Plättchenstructur der Aussenglieder nun sah ich früher beim Huhn, Truthahn, Frosch, Triton, namentlich aber sehr schön bei einigen Krebsen. Da bei Squilla mantis diese Plättchenstruetur der spindelförmigen Körper besonders leicht zu erkennen ist und auch die einzelnen Plättchen isolirt dargestellt werden können, so dürften sie sich besonders dazu eignen, um physiologische Unter- suchungen über diese Plättchen anzustellen. Ich lasse die Beschrei- bung derselben unten folgen und füge hier nur die Bemerkung bei, dass demnach die spindelförmigen Körper der Krebse den Aussen- gliedern der Stäbchen und Zapfen gleichgestellt werden müssen ; ich hoffe, dassM. Schultze mir darin vollkommen beistimmen werde. Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. 17 Der Krystallkörper von Squilla mantis (Fig. 19 a) ist verhält- nissmässig gross, mit einem kurzen und dünnen Verbindungsstiel (19 b), der entsprechend der Zusammensetzung des Krystallkörpers aus vier Stücken auch in vier Zipfeln endigt, welche wieder in vier feine Fasern auslaufen. Diese Fasern sind so lang als der ganze spindelförmige Körper (Fig. 18) und verlaufen in den vier Furchen desselben. Ich kann kaum glauben, dass diese Fasern nervöser Natur sind, wenigstens ist nichts Charakteristisches an ihnen zu entdecken. Der spin- delförmige Körper misst 0,1083—0,1383“ und ist aus einer Menge kleiner Plättehen aufgebaut, welche, je nachdem sie von verschiedenen Stellen des spindelförmigen Körpers entnommen sind, auch einen verschie- denen Durchmesser und verschiedene Dieke zeigen. An der dicksten Stelle sind diese Plättchen 0,0158 im Quadrat und zeigen eine Dicke von 0,0017 —0,0026'. Es ist jedoch zu bemerken, dass diese Plättchen nicht gleichmässig dick sind, sondern gegen die Mitte dicker als nach Aussen (20 b). Alle diese Plättchen sind entweder aus vier gleich grossen Stücken von 0,0078 Durchmesser zusammengesetzt oder spalten sich wenigstens mit grösster Leichtigkeit in diese vier Stücke, was auch deutlicher oder weniger deutlich durch eine kreuz- förmige Zeichnung angedeutet ist (20a). Aber nicht nur die ein- zelnen Platten spalten sich leicht in vier Stücke, sondern der ganze spindelförmige Körper zerfällt gerne in vier Säulchen (21), die ganz den Anschein von übereinander gelegten Ziegelsteinen darbieten, abgegrenzt durch die vier Fasern (19c). Auf welche Weise diese Körper mit den Nervenfäsern in Verbindung stehen, konnte ich noch nicht er- mitteln; es grenzen alle in einer scharfen Linie ab, wie wenn sie auf einer durchlöcherten Membran aufsässen, wie bei den übrigen Krebsen ;; ich konnte aber von einer solchen Membran Nichts entdecken. Bei Peneus caramote sind diese Körper nicht spindelförmig, sondern cylindrisch und bestehen nicht aus zusammengesetzten, son- dern einfachen Säulchen. Sie zeigen daher, keine Längsfurchen, nur Querfurchen, welche die Plättchenstruetur sogleich anzeigen. Diese Körper sind gewöhnlich 0,0485°—0,0550‘“ lang und 0,0063“ dick und aus Plättchen zusammengesetzt vom gleichen Durchmesser und 0,0024 Höhe. Isolirt konnte ich sie jedoch nicht zur Anschauung bringen, so dass ich nicht weiss, wie diese Plättchen auf der Fläche aussehen und ob sie wie bei Squilla ungleich dick sind. Ich zweifle übrigens nicht, dass leicht Präparationsmethoden gefunden werden, mittelst deren man die Plättchen vollständig isoliren kann. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 2) 4 18 Dr. W. Steinlin, Bei Seyllarus bestehen die spindelförmigen Körper wieder aus vier 0,0035‘ dicken Säulchen, die aus kleinen cylindrischen 0,0026— 0,0035‘ hohen Stücken aufgebaut sind. Auf dem Längsschnitt sind diese Stücke also fast quadratisch, auf dem Querschnitte konnte ich dieselben noch nicht zur Ansicht bekommen, da ich sie ebenfalls noch nicht zu isoliren verstand. In Bezug auf die Nerven ist das Ver- halten der spindelförmigen Körper ähnlich wie ich es von Palinurus beschrieben habe. Bei der ansehnlichen Grösse der Plättchen von Squilla mantis und der Leichtigkeit sie einzeln oder in Gruppen von 5, 10, 15 Stücken zur Beobachtung zu bringen, ist die Möglichkeit gegeben an ihnen optische und andere Untersuchungen anzustellen, die an den Aussen- gliedern der Stäbchen der Wirbelthiere wegen ihrer Kleinheit auf unbesiegbare Hindernisse stossen würden; auch Peneus und Seyllarus dürften gute Präparate liefern, sobald sie vollständiger zerlegt wer- den können. Sollte es aber gelingen, die spindelförmigen Körper aller Krebse in ihre Plättchen zu zerlegen, so dürften bei den grossen Meerkrebsen Präparate zu finden sein, die für alle möglichen Ex- perimente geeignet wären. Kehren wir nach dieser Abweichung wieder zur Anatomie der Wirbelthierretina zurück. Ueber die kegelförmigen Körperchen am Ende der Zapfenfasern bin ich noch nicht ins Klare gekommen, und wenn M. Schultze und C. Hasse dieselben für nervös halten, weil sie sich in Osmiumsäure schwarz färben, so kann ich Nichts dagegen einwenden. Darf ich aber aus den Abbildungen Schultze’s emen - Schluss ziehen, so möchte ich annehmen, dass diese Körperchen aus Nerven- und Bindesubstanz in Form von Inhalt und Hülle zusammen- gesetzt wären. Meine Ansicht, dass die kegelförmigen Körperchen theilweise wenigstens aus dem herbeigezogenen Bindegewebe der Zwischenkörnerschicht bestehen, dürfte sich doch bestätigen. Das Zerfallen dieser Körper in eine Menge feinster Fäserchen, die sich in der frischen Körnerschicht in horizontaler Richtung verlieren, konnte ich mit meiner Präparationsmethode und den stärksten Ver- grösserungen nie zur Anschauung bringen, ebenso wenig ihre Endi- gung in drei Fortsätze, wie Hasse angibt. Auch die Angabe, dass die Zwischenkörnerschicht aus feinsten horizontal verlaufenden Fä- serchen bestehe, vermag ich nicht zu bestätigen; eine gewisse hori- zontale oder flächenhafte Faserung erscheint allerdings zuweilen mehr oder weniger deutlich, sie kommt aber durch andere Elemente dieser Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. 19 Schicht zu Stande, nämlich durch die grossen verästelten Zellen, welche H. Müller von den Fischen beschrieben hat und ich eben- falls von Fischen und Reptilien angeführt habe. So habe ich diese Zellen neuerdings bei Testudo graeca sehr schön in Form ver- ästelter Faserzellen angetroffen und auch Andeutungen davon in der Zwischenkörnerschicht des Huhns gefunden. Nebst diesen grö- bern faserigen Einlagerungen kann ich keine feine Horizontalfaserung wahrnehmen, finde im Gegentheil die übrige Masse der Schichte stets fein gekörnt. Was ich von den Radialfasern gesagt habe, möchte ich auch heute noch aufrecht erhalten und glaube, dass sich M. Schultze irrt, wenn er meint, sie seien rein nur bindegewebiger Natur. Man sieht zu häufig, dass ihr etwas verbreitertes äusseres Ende ein oder auch zwei Zapfenkörner kelchartig umschliesst und nicht selten gelingt es bei günstigen Erhärtungsgraden, wo das Ende noch hinreichend durchscheinend ist, in demselben die Zapfenfaser, aller- dings nur eine sehr kurze Strecke weit zu verfolgen. Zwar ist es mitunter schwer zu entscheiden ob das Korn ausserhalb oder innerhalb dieses Kelches sitzt und kann dies nur durch Rollenlassen isolirter Präparate zu voller Gewissheit ermittelt werden. Oefters aber, wenn es auch den Anschein hat, dass das Korn ausserhalb sitzt, so scheint dies das benachbarte, nicht das zugehörige Zapfenkorn zu sein. Die Fig. 17 auf Taf. IV des Separatabdrucks der Sch ultze’schen Abhandlung, eine Radialfaser von Falco buteo darstellend, erinnert mich ganz an die Radialfasern des Hai, die auch in der innern Körnerschicht ein ganz anderes Ansehen und bedeutendere Dicke zeigen, als in der granulösen Schicht; nur zeichnet Schultze diese Fasern in einem Stadium der Erhärtung der Retina, wo die Interzellular- substanz fest an den Fasern hängen bleibt und als Vorsprünge und Zacken derselben figurirt. Bei geringerer Erhärtung sind sie ganz glatt und auch bei Embryonen zeigen alle diese Fasern nichts von Ausläufern und Zacken, weil eben auch die Interzel- lularsubstanz bei Embryonen nicht in dieser Weise erhärtet. Das trichterförmige innere Ende der Radialfaser ist eigentlich nur im peripheren Theile der Retina so gestaltet, im Grunde des Auges endigt die Radialfaser nur mit einem leicht verdickten Ende, ähnlich wie Schultze das Ende seiner Stäbchenfasern abbildet. Auch sind die Radialfasern des Hai z. B. so ausserordentlich zart und fein, dass sie weit eher an Nervenfasern als an Bindegewebsfasern erinnern, 20 Dr. W. Steinlin, Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. und auch bei Testudo graeca wird man aus Präparaten aus dem Augengrunde, wo die Nervenschicht schon etwas dicker ist, die Ueberzeugung gewinnen, dass diese Fasern mehr als nur Stützfasern sind. Auch in Bezug auf die spindelförmige Zelle oder M. Schultze’s Kern der Radialfaser, kann ich meine Meinung nicht ändern, gegen- theils habe ich bei der Schildkröte und dem Huhn alles Gesagte wieder bestätigt gefunden. C. Hasse glaubt, dass die von mir beschitiehenin Epithelium- Zellen Täuschung seien, entstanden durch die Abdrücke der Radial- faserenden auf der Hyaloidea. Es ist dies keineswegs der Fall; ich bitte ihn, nur ganz frische Augen, dem eben geschlachteten Thiere entnommen, nur einige Stunden der Oxalsäure oder Schwefelsäure- lösung zur Erhärtung zu überlassen und dann den Glaskörper mit einem Ruck aus dem aufgeschnittenen Auge herauszuheben, so wird er auf demselben die schönsten Zellen finden, die je nach der Ein- wirkung der Reagentien noch polygonal oder schon etwas aufge- quollen rund sind. Oder bei zarter Entfernung des Glaskörpers werden diese Zellen theilweise auf der Retina liegen bleiben und auf Schnitten Bilder zeigen, wie ich sie in den Fig. 3 und 4 Taf. I und Taf. II Fig. 24 und 25 abgebildet habe, die doch kaum anders gedeutet werden können. In meinen Notizen finde ich aufgezeichnet, dass diese Zellen beim Meeraal besonders schön zu sehen seien, ich wiederhole aber, dass ich sie bei fast allen Thieren nachge- wiesen habe. Die Angaben M. Schultze’s über Richtung und Verlauf der - Zapfen- und Stäbchenfasern in der Umgebung der Macula lutea und in derselben selbst, kann ich bestätigen, ohne dass ich die Stäbchen- fasern als solche erkannt habe. Die Fig. 1.b. c. d. wird zeigen, dass ich diese Stellen der Retina vor mir hatte und den Verlauf der Fasern richtig. gedeutet habe. Aber gerade die Zeichnung 1b er- innert mich an das eigenthümliche Verhalten der äussern Körner- schicht bei Scomber und andern Fischen, wie ich es 1. c. auf Taf. II Fig. 13 abgebildet hatte. Sollte dies etwas Aehnliches sein und also die Retina dieser Fische mehr oder weniger den Bau der Macula lutea des Menschen und einiger Wirbelthiere nachahmen? Es wäre vielleicht der Mühe werth der Sache einige Aufmerksamkeit zu schenken. Erklärung der Tafel Il. Die Zeichnungen sind nach Oxalsäure und Schwefelsäure-Präparaten ausgeführt und die einzelnen Zapfen und Stäbchen so dargestellt, dass sie die gegenseitigen Grössenverhältnisse veranschaulichen nach dem Massstabe 1 Mm. = 0,001 Wiener Linie. Fig. 1. » 2 » 8 „18. „19. „20. „21. a. Zapfen des Menschen, b. Beginn der macula lutea, c. aus der macula lutea, d. ebenfalls. Zapfen des Kalbes, a. nur leichte Erhärtung, b. nach langem Lie- gen in Oxalsäure. | a. Zapfen des Huhns, b. mit Abhebung der Membran des Zapfen- fortsatzes, c. Zwillingszapfen. Zapfen der Taube, a. b. mit rothem Pigment, c. ohne Pigment. Zapfen der Eule, a. b. wie beim Huhn. a. Zapfen von Chelonia imbricata, b. abnorme Form. Zapfen von Testudo graeca, a. gewöhnliche, b. Zwillingszapfen. Zapfen der Eidechse. Zapfen der Natter. ep des Frosches. 5 der Knochenfische. Sogenannte Stäbchen der Haie. 4 e der Rochen. „ % des Huhns. E) PR der Eule. ) ” Rana esculenta. Dasselbe vom Laubfrosch, 18. von der Kröte, 19. vom Triton. a. stellt die Zapfenspitze dar, b. ,, den Zapfenkörper, © ; „ Zapfenfortsatz, d. ,, das Zapfenkorn. Spindelförmiger Körper von Squilla mantis. a. Krystallkörper, b. Stiel desselben, c. Einlagerung der Plättchen zwischen die vier Fasern. Plättchen des spindelförmigen Körpers, a. Querschnitt, b, Höhen- schnitt (?). Zerfallen des spindelförmigen Körpers in vier Säulen. Bemerkungen zu dem Aufsatze des Dr. W. Steinlin von Max Schultze. Da mir schien, dass ein Theil der im Vorstehenden besprochenen Differenzen zwischen den Ansichten des Dr. Steinlin und den meini- gen durch meinen im 3. Bande dieses Archivs p. 215 ff. veröffent- lichten Aufsatz bereits ausgeglichen sei, schrieb ich gleich nach Em- pfang des Manuseriptes im October v. J. an Dr. Steinlin und forderte ihn zu einer theilweisen Umarbeitung desselben auf. Ich machte ihn zugleich darauf aufmerksam, dass das schon im Sommer ausgegebene 3. Heft des 3. Bandes meines Archivs eine vorläufige Mittheilung von mir über die Plättchenstructur der Sehstäbe der . Krebse enthalte, welche ihm unbekannt geblieben sei, und dass ich auch aus diesem Grunde seinen Aufsatz in der vorliegenden Form nicht ohne eine nachträgliche Bemerkung veröffentlichen könne. Dr. Steinlin musste, wie er mir antwortete, aus Rücksicht auf Seine Gesundheit auf eine Umarbeitung verzichten. Ich habe demzufolge den Aufsatz mit Ausnahme einer Stelle, welche, auf meine Arbeit im 2. Bande dieses Archivs bezüglich durch die folgende im 3. Bande vollständig erledigt war, und die ich streichen zu dürfen glaubte, unverändert zum Abdruck gebracht, sowenig ich auch mit einem Theile der in demselben ausgesprochenen Ansichten übereinstimmen kann. Steinlin eilt in gewissem Sinne seiner Zeit voraus, wenn er den Unterschied zwischen Stäbchen und Zapfen aufgehoben wissen will. Wenn wir Betrachtungen über die phylogenetische Entwickelung der Retina anstellen, kommen wir allerdings, wie ich Band III, p. 238 auseinandergesetzt habe, zu dem Resultate, dass ursprünglich wahrscheinlich nur eine Art pereipiren- Bemerkungen zu dem Aufsatze des Dr. W. Steinlin. 23 der Elemente in der Retina der Wirbelthiere vorhanden gewesen sei, und dass sich aus dieser, welche wahrscheinlich dem, was wir Stäbchen zu nennen gewohnt sind, glich, allmählig die zweite Form, die der Zapfen hervorgebildet habe. In diesem Sinne kann ich die ursprüngliche Einheit der percipirenden Elemente zugeben. Die Unterschiede zwischen Stäbchen und Zapfen, wie sie sich jetzt vorfinden, sind aber Thatsache‘ und desshalb zu berücksichtigen. Je tiefer wir in die Kenntniss des feineren Baues dieser Endorgane des Sehnerven eingedrungen sind, um so schärfer haben sich die Merkmale für beide Arten fixiren lassen. Es hiesse einen Rück- schritt thun, wollten wir diese Unterscheidung wieder aufgeben. Zu den bedeutenden Verschiedenheiten, welche zwischen Stäbchen und Zapfen bestehen, gehört unter Anderem die Form des Aussen- gliedes, welche konisch bei den Zapfen, eylindrisch bei den Stäbchen ist. Legen wir diesen im frischen Zustande immer leicht zu constatirenden Unterschied zu Grunde, so ist es nicht zu billigen, dass Steinlin die percipirenden Elemente der Retina der Pla- giostomen, welche cylindrische Aussenglieder haben und bisher den Stäbchen zugerechnet wurden, jetzt Zapfen nennen will. Der Unterschied zwischen beiderlei Elementen kann kaum schärfer aus- geprägt sein als es bei den Knochenfischen der Fall ist (vergl. Bd. II d. A., Tai. XII, Fig. 16 a. Stäbchen, b. c. Zapfen; Fig. 18 a. Stäbchen, f. Zapfen). Die percipirenden Elemente der Plagio- stomen-Retina gleichen in jeder Beziehung den hier angeführten Ab- bildungen der Stäbchen, und weichen gänzlich von denen der Zapfen ab. Ebenso charakteristisch ist der Unterschied in der Form der Aussenglieder bei den Stäbchen und Zapfen der Vögel; hier kom- men noch die Fetttropfen in den Innengliedern dazu. Die Existenz des linsenförmigen Körpers (die Dreitheilung von Steinlin), auf welche dieser Forscher ein so grosses Gewicht legt, kann diese Unter- schiede in ihrer Bedeutung nicht schwächen. Wollen wir auf diesem Gebiete fortarbeiten, so dürfen wir uns meines Erachtens der bisher festgestellten mannigfachen Unterschiede zwischen Stäbchen und Zapfen nicht entledigen, wenn auch ein gemeinschaft- licher Ausgangspunct für beide Formen nachzuweisen ist. Es geht hier wie bei jeder Eintheilung, welche der Mensch in die Natur hineinträgt. Die Grenzen verwischen sich, je mehr wir auf die Phylogenese eingehen. Aber gerade um die grossen Gesetze dieser letzteren zu erkennen und um den Operationen des menschlichen 24 Max Schultze, Geistes zu Hülfe zu kommen, ist die systematische Gliederung der Detailwahrnehmungen unabweisliches Erforderniss. Bei der unleugbaren grossen Verwandtschaft von Stäbchen und Zapfen kann es natürlich nicht Wunder nehmen, wenn in einzelnen Fällen Meinungsverschiedenheiten über die Deutung derselben auf- getaucht sind. Was nach meinen Erfahrungen mit diesem und jenem Namen zu belegen sei, glaube ich in meinen letzten Arbeiten genügend ins Klare gesetzt zu haben. Wenn daher ein bekannter neuerer Forscher mit mehr Rücksichtslosigkeit als zur Feststellung der Wahrheit noth- wendig ist, die Behauptung wiederholt, die Eidechsen hätten nicht bloss Zapfen, wie ich angegeben habe, sondern auch Stäbchen in der Retina, die ich übersehen haben soll, so hätte derselbe sich nicht auf Leydig und Hulke stützen dürfen, deren ersterer nur solche Elemente beschreibt, die nach meinen Auseinandersetzungen unter den Begriff der Zapfen gehören, nämlich mit gelbem Fetttropfen oder diffusem gelben Pigment), während Hulke bei den Eidech- sen ausdrücklich nur einer Art von Elementen in der Stäb- chenschicht gedenkt?). Ich kann unter diesen Umständen mein, Krause zuliebe, gegebenes Versprechen, die Retina der Eidechsen noch einmal auf Stäbchen zu untersuchen, mit gutem Gewissen zurück- nehmen, indem mein Vertrauen in die Richtigkeit meiner Beobach- tungen, dass die Eidechsen wie die Schlangen nur Zapfen und keine Stäbchen in ihrer Retina besitzen, vollkommen wiederherge- stellt ist. Für die Unterscheidung der nervösen Elemente der Retina von der Bindesubstanz, welche Steinlin nicht gelungen ist, vermag ich ihm neue Gesichtspuncte nicht anzugeben. Seiner Annahme, dass die Rauhigkeiten der Oberfläche der radialen Stützfasern nur von anhängender erhärteter Intercellularsubstanz herrühren, muss ich entgegenhalten, dass ein solches Gewebe als etwas den stützen- den Fasern und Netzen Gegenüberstehendes, von ihm Verschiedenes in der Retina nicht existirt. Wenn der geehrte Herr Verfasser über diesen Punct ins Klare gekommen sein wird, ist voraussichtlich eine Verständigung zwischen uns über das was, nervös in der Retina ist und was dem Stützgewebe angehört, nicht schwer. 1) Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien 1855, pag. 97. 2) Brown-Söquard Journal de la physiologie, Tom. VI, 1863, pag. 536: „Chez le gecko comme chez les autres lezards ete.‘ Bemerkungen zu dem Aufsatze des Dr. W. Steinlin. 25 Steinlin’s Beiträge zur Kenntniss des Auges von Squilla man- tis stehen in erfreulichem Einklange mit meinen kürzlich publieirten »Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insecten, Bonn 1868«, über welche ich eine vorläufige Mitthei- lung im Sommer vorigen Jahres veröffentlichte und auf der Natur- forscher-Versammlung zu Frankfurt ausfürlich berichtete. Die scharfe Grenze von Krystallkegel und Sehstab, die Plättchenstructur des letz- teren, die vier Fasern, welche sich aus demKrystallkegel entwickeln und den Sehstab äusserlich umfassen, kommen ebenso beim Fluss- krebs, bei Palaemon und anderen Krebsen vor. Zur Entscheidung der meines Erachtens jetzt im Vordergrunde stehenden Frage, ob die in Plättchen zerfallenden Aussenglieder der Seh- stäbe der Krebse ausser ihrer Zusammensetzung aus vier trennbaren Säulen noch eine innere Längsfaserung besitzen, was der Feinheit der im sogenannten Ganglion opticum vorkommenden Ner- venfibrillen zufolge und aus physiologischen Gründen nicht unwahr- scheinlich genannt werden muss, bringt obiger Aufsatz Keine weite- ren Aufschlüsse. Schliesslich benutze ich die Gelegenheit einen Fehler zu ver- bessern, welcher sich durch ein Versehen des Kupferstechers auf meiner letzten Retina-Tafel, es ist Taf. XIII im vorigen Bande des Archivs, eingeschlichen hat und in der Erklärung zu dieser Tafel nicht be- richtigt worden. In dieser heisst es: »Figur 5 Stäbchen vom Huhn.« Die Einzelfiguren sind unter a—d erklärt. Auf der Tafel folgt aber Fig. e und f, diese sind, wie Jeder sieht, Zapfen ent nommen. Weiter heisst es: »Fig. 6 Zapfen vom Huhn.« Die Tafel zeigt hier Einzelfiguren a—e, in der Erklärung sind aber zwei Figuren mehr erläutert, nämlich die beiden bei Fig. 5 über- flüssigen Zapfenfiguren. Ein wohlmeinender Kritiker benutzt diese »unentwirrbare Confusion,« dieses »Chaos« wie er sich ausdrückt, um sich einen »Leitstern« zu construiren, geeignet, ihn und Andere auf Abwege zu führen. Ueber die Purkinje’schen Fäden. Von Dr. Wax Lehnert, Assistenz-Arzt an der medicinischen Poliklinik zu Marburg. Hierzu Tafel II. Purkinje beschrieb im Jahre 1845 (M üller’s Archiv für Ana- tomie und Physiologie 1845 p. 294) ein unter dem Endocardium des Schafes, Rindes, Schweines und Rehes befindliches und dem- selben in seinem Verlaufe folgendes Netz grauer, platter, gallert- artiger Fäden, die nach ihm benannten Purkinje’schen Fäden. Die- selben sollen zusammengesetzt sein aus Ganglienzellen ähnlichen Körnern und einem sich zwischen diesen hinziehenden, elastischen Gewebe quergestreifter Doppelfasern. Diese Fasern hielt Purkinje für die musculösen Wände genannter Körner und erklärte darauf- hin die Gebilde für einen eignen motorischen Apparat. Sieben Jahre später erklärte Kölliker (Mikroskop. Anat. II p. 494 und Gewebelehre 1852, p. 67) die Purkinje’schen Fäden als bestehend aus quergestreiften Muskelzellen, deren Contractionen er beobachtet hätte. Es folgte dann 1854 eine ausführlichere Abhandlung über diesen Gegenstand von von Hessling (von Siebold und Kölliker, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, 1854, p. 189). Hessling unterscheidet auch die Körner von der Zwischensubstanz und beob- achtete ein Uebergehen der Purkinje’schen Fäden in gewöhnliche Muskelzüge. Die Zwischensubstanz erklärt er für die musculösen Dr. Max Lehnert, Ueber die Purkinje’schen Fäden. 27 Hüllen der Körner. Diesen spricht er auch die musculöse Natur zu, lässt es aber unentschieden, ob sie wirkliche Zellen sind. Er entscheidet sich schliesslich, indem er die Kerne dieser Körner für embryonale Muskelkerne erklärt, dahin, die Körner als neben ein- ander liegende Stücke getrennter Muskelsubstanz aufzufassen. Anknüpfend an die in dem betreffenden Jahresbericht gegebene Mittheilung über die Hessling’sche Arbeit veröffentlichte dann Reichert (Müller’s Archiv 1855, p. 51) seine Untersuchungen und Ansichten über. die Purkinje’schen Fäden. Reichert spricht den Körnern die zellige Natur ab und erklärt sie für kurze, quer- gestreifte, primitive Muskelbündel, die senkrecht zum Endocardium gerichtet sind. Dass die Zwischensubstanz eine solche sei, bestreitet Reichert; dieselbe ist nach seiner Ansicht zurückzuführen auf die spiegelnden, quer- oder auch längsgestreiften Seitenwände der Kör- ner selbst; sie ist also nichts weiter als die Primitivscheiden der genannten Muskeleylinder. Dieser Apparat soll nach Reichert bei seiner Contraction das Endocardium spannen; es wäre also ein Ten- sor Endocardii. Demnächst erschien eine Notiz vonRemak (Müller’s Archiv 1862, p. 231) über die Purkinje’schen Fäden. Derselbe erklärte sie für quergestreifte Muskelfasern, deren Kerne aber nicht direct zwi- schen Cylinder und Sarkolemma an der Oberfläche, sondern im Innern grosser, gallertiger Kugeln liegen, welche von Stelle zu Stelle die Continuität der Faser unterbrechen, sonst aber mit dem Sarkolemma in Berührung oder Verbindung stehen. Dieser Apparat sollte nach Remak die Leistungsfähigkeit der Muskelfasern des Endocardium soweit modificiren, dass keine völlige Entleerung der Ventrikel statt- findet. Diese Annahme hält Remak wenigstens für die mit Pur- kinje’schen Fäden versehenen Thiere für gerechtfertigt. Ferner gab schon im folgenden Jahre, 1863, Aeby (Henle und Pfeufer’s Zeitschrift für rationelle Mediein (3.) XVIL. p. 195) eine neue Erklärung für die Purkinje’schen Fäden ab. Er erklärte die- selben nämlich für musculöse Organe, die aus einzelnen Zellen zu- sammengesetzt seien, in deren Verschmelzungsnaht sich häufig Hohl- räume oder Vacuolen vorfänden. Die Existenz einer Zwischensub- stanz leugnet Aeby; er hält dieselbe für normales, den betreffenden Präparaten fest anhaftendes Gewebe von Muskelfasern. Aeby hält die Purkinje’schen Fäden für eine Entwicklungsstufe oder Entwick- lungs-Form der Herzmuskelfasern; ja er gibt sogar dem Gedanken 28 Dr. Max Lehnert, Raum, dass alle Herzmuskelfasern aus Purkinje’schen Fäden ent- stehen. Der Uebergang soll durch allmähliges Verschwinden der Scheidewände zwischen den einzelnen Zellen stattfinden. Die letzten, bis jetzt veröffentlichten Untersuchungen über die Purkinje’schen Fäden sind. endlich die von Obermeier (De fila- mentis Purkinianis, Diss. inaug. Berolini 1866; und Reichert’s Archiv 1867, p. 245 und p. 358), der dieselben ausser bei den Thie- ren, wo sie bereits bekannt waren, auch noch beim Hund, bei der Gans, dem Huhn und der Taube gefunden haben will. Derselbe er- klärt die Fäden, denen er als mehr bezeichnend den Namen »Pur- kinje’sche Muskelketten« zu geben vorschlägt, als besonders in der elastischen Faserschicht des Endocardium’s vorkommende und von einem lamellösen Bindegewebsgerüst umgebene Gebilde, die zuweilen stumpfe Enden, aber auch Uebergänge in gewöhnliche Herzmuskel- fasern zeigen. Dieselben sollen zusammengesetzt sein aus kurzen, cylindrischen Muskelbündeln, deren Richtung parallel zum Endocar- dium ist. Diese Bündel beschreibt Obermeier als 'ovoide oder cylindrische Körner, die aus einer hyalinen' Masse mit Kernen, und einer meist nur peripherischen Lage quergestreifter Muskelfibrilien bestehen. Er unterscheidet ferner je nach der mehr musculösen, kernlosen, und der mehr hyalinen, kernhaltigen Beschaffenheit der Körner drei verschiedene Arten derselben. Die Zwischensubstanz führt Obermeier auf eine optische Täuschung zurück, die dem Auge die durch verschiedene Verhältnisse, z. B. Abblendung des Lichts etc., deutlicher gemachten Fibrillen der Körner selbst als gesonderte, quergestreifte Fasern erscheinen lässt. In Bezug auf die Function und die Bedeutung dieser Gebilde äussert Obermeier keine be- stimmte Ansicht. - So weit der Bericht über die bisher veröffentlichte Literatur über die Purkinje’schen Fäden. In der vorliegenden Arbeit nun gebe ich eine Reihe von Untersuchungen und Beobachtungen über den- selben Gegenstand, welche ich zum Theil schon, als die Berliner Universität im Jahre 1865—66 die Untersuchungen der Purkinje’- schen Fäden zum Gegenstand einer Preis-Goncurrenz gemacht hatte, in meiner damaligen Bewerbungsschrift und dann in meiner Inau- gural-Dissertation (Berlin 1866) veröffentlicht habe. Um die Purkinje’schen Fäden zu finden, habe ich zunächst das Herz des Kalbes und des Rindes, des Schaafes, Schweines, Pferdes, des Rehes und der Ziege untersucht und habe bei diesen Thieren Ueber die Purkinje’schen Fäden. 29 die Purkinje’schen Fäden als constant vorkommende Gebilde gefunden. Dabei habe ich mich stets frischer Präparate bedient, da meiner An- sicht nach mit Reagentien behandelte, namentlich Spiritus-Präparate, besonders für die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte gar kei- nen Werth haben, indem sie den Theilen ihre charakteristische Form nehmen. Im mensehlichen Herzen, das ich aus verschiedenen, auch embryonalen, Lebensaltern untersuchte, konnte ich die Purkinje’schen Fäden nicht finden. Auch in den Herzen vom Hund, Hasen, Kanin- chen, Fuchs, Maulwurf, von der Katze, der Ratte, dem Frosch, der Maus, ferner unter den Vögeln vom Reiher, der Gans, dem Huhn, der Taube und dem Hänfling, und schliesslich unter den Fischen vom Karpfen und vom Hecht, war es mir unmöglich, Purkinje’sche Fäden zu sehen. Das Herz vom Igel und vom Marder, bei denen Aeby bis jetzt als der einzige die Fäden beobachtet haben will, war mir unmöglich zu beschaffen. Wenn aber mein verehrter und lieber Freund Obermeier das Vorkommen der Purkinje’schen Fäden im Herzen vom Hunde, von der Gans, dem Huhn und der Taube be- hauptet, und durch Abbildungen diese Behauptung erhärtet, so muss ich darauf erwidern, dass ich die betreffenden Objeete der Abbil- dungen ebenso wenig für Purkinje’schen Fäden halten kann, wie jene in den mir durch seine Freundlichkeit zugekommenen Präpa- raten. Ich habe die Dinge, die Obermeier als Purkinje’sche Fäden des Hundes ete. beschrieben hat, wohl gesehen, doch kann ich die- selben nicht als Purkinje’sche Fäden auffassen. Denn zu dem Be- griff eines solchen gehört meiner Ansicht nach das Bestehen aus ein- zelnen, von einander isolirbaren Körnern. Ein solches findet sich aber im frischen und unversehrten Zustande an den vonObermeier beschriebenen Fäden nicht; dieselben sind nichts weiter als gesondert von den übrigen Herzmuskelbündeln verlaufende, als abirrend zu bezeichnende Faserzüge, die sich stets in der Nähe des Endocardium halten. Wohl aber tritt eine derartige Spaltung des Bündels in ein- zelne sog. Körner, die sich namentlich am Rande durch Einschnitte markirt, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, auf Druck solcher Präparate, zumal nach vorhergehender Behandlung mit Reagen- tien, besonders Chromsäure, hervor. Diese Erscheinung lässt sich daher an homogenen Bündeln künstlich hervorrufen. Danach muss ich meine, bereits in meiner Dissertation ausgesprochene Behauptung festhalten, dass nach den bisherigen Untersuchungen die Purkinje’- schen Fäden nur bei dem Rindvieh, dem Schaf und der Ziege, sowie 30 Dr. Max Lehnert. beim Pferd, dem Schwein und dem Reh vorkommen. In dem ver- schiedenen Bau des Endocardium bei den verschiedenen Thieren ist, abgesehen von individuellen Unterschieden, die verschiedene makro- skopische Deutlichkeit der Fäden erklärt; so habe ich dieselben am Deutlichsten gefunden im Schafherzen und im Ochsenherzen, die daher auch hauptsächlich zu den Untersuchungen gewählt wurden. Fig. 1. Oefinet man die Herzkammern eines der genannten Thiere, so erscheinen die Purkinje’schen Fäden als ein Netz, welches einem Gefässnetz nicht unähnlich ist, grauer oder rothbrauner, bald gal- lertiger bald mehr muskelartiger Fäden von unregelmässiger Breite, die am frischen Präparat etwas über das Niveau des Endocardium erhöht, am älteren und getrockneten dagegen mehr als Furchen erscheinen, die zu beiden Seiten von Fett oder eingetrocknetem Bindegewebe begrenzt sind. Sie sind stets vom Endocardium bedeckt und folgen demselben auch im Allgemeinen in seinem Verlaufe. Sie dringen mit ihm in die zwischen den Trabeculae carneae liegenden Vertiefungen ein oder setzen mit ihm über dieselben hinweg. Sie begleiten jene grösseren Faserzüge, die das Endocardium zwischen die gröberen Muskelbündel der Herzmusculatur hineinschickt; daher Querschnitte auch häufig in der Tiefe des Herzmuskels Purkinje’sche Fäden zeigen. Sie finden sich ferner sowohl in den feinen zwischen den einzelnen Trabeculae ausgespannten Fäden des Endocardium, als auch in jenen starken, festen, oft plattenförmigen Fäden zwischen den einzelnen Trabeculae und zwischen den Ventrikelwandungen selbst ; in den grösseren dieser balkenartigen Züge finden sie sich neben der gewöhnlichen Herz- musculatur, in den kleineren dagegen fehlt dieselbe ganz und besteht der Inhalt nur aus Purkinje’schen Fäden. Dagegen gelang es mir nicht, die Fäden in den äusseren Faserlagen. des Herzens unter dem Pericardium zu finden, wo sie Hessling — freilich bis jetzt allein — beim Kalbe gesehen haben will. Die Purkinje’schen Fäden finden sich in beiden Ventrikeln, doch im linken zahlreicher, d. h. ein dichteres Netz bildend. In den Atrien sowie in den Herzohren fehlen sie. Am zahlreichsten sind sie im Allgemeinen an der Spitze der Kammern, am deutlichsten auf den Musculi papillares. Von der Spitze, wo sie aber noch undeutlich sind und dem beobachtenden Auge bald entgehen, gewissermassen gegen den Annulus fibrocarti- lagineus ausstrahlend, nehmen sie auch hier an Deutlichkeit ab und entziehen sich schliesslich der makroskopischen wie der mikroskopischen Beobachtung. Stumpfe Enden der Purkinje’schen Fäden, wie sie Ueber die Purkinje’schen Fäden. 31 Obermeier namentlich an diesen Stellen in der Gegend des Annu- lus fibrocartilagineus gefunden haben will, habe ich weder hier noch anderswo je beobachtet. Ich muss daher annehmen, dass Ober- meier Bruch- oder Rissenden der Purkinje’schen Fäden, die man allerdings häufig zu sehen erhält, für stumpfe Enden genommen hat. Im Annulus selbst, sowie in den Semilunar- und Atrioventricular- Klappen kommen sie nicht vor, ebenso wenig in den Chordis tendi- neis. Ein Hineintreten der Fäden in die Chordae, wie esObermeier angibt, kommt vor, aber es bezieht sich nur auf jenen kleinen An- fangstheil der Chordae, in welchem dieselben noch Muskelbündel ent- halten. In Bezug auf das Alter der Thiere lässt sich über das ma- kroskopische Auftreten der Fäden nichts Besonderes sagen. Bei ganz jungen, embryonalen Herzen sind sie mit unbewaffnetem Auge ab- solut nicht zu sehen, doch weist das Mikroskop in diesen Fällen sicher ihr Vorkommen nach. Ich komme hierauf noch einmal zurück. Zieht man nun vorsichtig, von einem gemachten Einschnitte beginnend, mit der Pincette bei einem der betreffenden Thiere ein Stück des Endocardiums ab, so zeigen sich an demselben die Pur- kinje’schen Fäden als deutlich über das Niveau der Fläche, d. h. der untern Endocardium-Fläche hervorragende Stränge; dieselben stechen, wenn das Präparat gegen das Licht gehalten wird, durch ihre hellere, gelbliche, durchsichtige Färbung gegen das meist sehr fettreiche, undurchsichtige Endocardium ab. Versucht man es jetzt, die Fäden einzeln von dem Endocardium abzuziehen, oder bemüht man sich, aus einem der oben erwähnten derben Stränge die Fäden herauszupräpariren, so bemerkt man, dass dieselben dem Endo- cardium ziemlich fest adhäriren, sich schwer abtrennen lassen und daher gewöhnlich dabei zerreissen. Bei schwacher Vergrösserung eines auf die oben beschriebene Weise abgelösten Präparates erschei- nen (Fig. 2) nun die Purkinje’schen Fäden als schwach gelblich ge- färbte Züge oder Streifen, die netzförmig über das ganze Bild ziehen. Die Maschen dieses Netzes sind ausgefüllt mit Fett oder Herzmus- culatur, oder man sieht in den Maschen das Endocardium selber. Liegt das Präparat mit dem Endocardiam dem Auge zugekehrt, so sieht man die Fäden unklarer, weil vom Endocardium bedeckt. Die Breite der Fäden ist verschieden; bald hat man ganz schmale Fä- den im Bilde, bald nimmt ein einziger Faden das ganze Gesichtsfeld ein. Die Fäden selbst erscheinen zusammengesetzt aus runden, ova- len oder polygonalen Körnern oder Zellen ähnlichen Elementen, die 32 Dr. Max Lehnert, ich Körner nennen will, und die durch dunkle, oft scharf contourirte Streifen begrenzt sind. Diese Streifen haben Purkinje und Hess- ling als Zwischensubstanz beschrieben. Die Ränder der Fäden haben deutliche Grenzen, die meist von dieser Zwischensubstanz gebildet werden. Zuweilen sieht man auch schon bei dieser schwachen Ver- grösserung eine dicke, die Fäden beiderseits begrenzende Bindege- webslage, die wir später als Scheide der Fäden kennen lernen wer- den. In jedem der Körner bemerkt man einen dunkleren Punct, den ich den Kern nennen will, obwohl die schwache Vergrösserung die kernartige Natur desselben noch nicht mit Sicherheit erkennen lässt. Ferner sieht man, namentlich bei Veränderung des Focus, dass häufig dicht unter dem beschriebenen Bilde noch eins von gleicher Beschaffenheit auftritt, darunter wieder ein neues u.s. w. bis zu drei, vier Bildern, d. h. also, man sieht, dass der Faden aus mehreren gleich- gebauten Lagen besteht. Auch sah ich zuweilen schon jetzt Gefässe in den Fäden, die dann in jener streifenförmig erscheinenden Zwischen- substanz verliefen. Nerven sah ich überhaupt nicht. Fig. 3. Unterzieht man nun das Bild einer stärkeren Vergrös- serung, SO zeigen die Körner allerdings grosse Aehnlichkeit mit Zelien, deren Wände von musculösen Belegungsmassen, der sog. Zwischen- substanz umgeben sind, welche Obermeier für durch optische Täuschung entstehend erklärt hat. In dieser, sowie in den Körnern selbst, bemerkt man aber jetzt deutliche Querstreifung, ganz wie in der gewöhnlichen, quergestreiften Musculatur. Bei genauerer Unter- suchung bemerkt man ausserdem zunächst in der sog. Zwischensub- stanz noch fibrilläre Längsstreifung; diese ist an einzelnen Stellen so deutlich ausgesprochen, dass es scheint, als ob hier einzelne Züge der quergestreiften Substanz von den andern abgingen und in einiger Entfernung von ihnen verliefen. Ferner sieht man, dass diese Sub- stanz nicht in der Art um und zwischen die Körner gelagert ist, dass um je ein Korn herum eine solche Streifen-Partie bestimmt abge- grenzt in circulärer Richtung dasselbe umgibt, sondern dass diese Muskelfibrillen-Züge — denn als solehe muss man schon jetzt die Zwischensubstanz ansehen — zwischen ‚mehrere Körner hindurch zu verfolgen sind. Bei künstlichen Verdauungsversuchen, die ich an den Purkinje’schen Fäden mit Magensaft vom Hecht anstellte, und bei Behandlung der Fäden mit verdünnter Salzsäure erhielt ich auch deutliche Sarcous elements, die dann durch die Art ihrer Anordnung noch klar den Verlauf der Fibrillen zwischen mehrere Körner hin- Ueber die Purkinje’schen Fäden. 33 durch zeigten. Die Breite dieser Züge ist sehr verschieden, ebenso die Schärfe ihrer Contouren, sowie ihrer fibrillären Streifung, Dass meist grade in der Mitte solcher Fibrillenzüge die Längsstreifung durch eine schärfer gezeichnete, dunkle Linie angedeutet sei, wie dies Obermeier angibt, habe ich nicht gefunden. Diese Fibrillen- züge nun, die ich, mit Rücksicht auf die von ihnen eingeschlossenen Körner, peripherische nennen will, sind es, die durch zahlreiche, ziemlich regelmässige Durchkreuzungen und Durchflechtungen diese merkwürdigen Bilder zu Stande bringen, die Kölliker zur Annahme contractiler Muskelzellen veranlassten. Indessen kommen diese Ma- schenbildungen nicht nur durch Durchkreuzung solcher feiner Züge zu Stande, sondern man sieht auch häufig, dass breite und starke Lagen dieser peripherischen Fibrillen über einander wegziehen und so durch Kreuzung Maschen bilden, wobei natürlich die Hülle der Kölliker’schen Muskelzelle, resp. die Wand des Reichert’schen Muskelcylinders, dicker erscheint. Oder man sieht, dass die Fibrillen- züge Anfangs neben einander her laufen, dann plötzlich durch Aus- einanderweichen eine Masche — für ein Korn — bilden und sich darauf wieder vereinigen, oder dass ein Gleiches durch Auseinander- treten der aus einem Fibrillenzuge sich abzweigenden Aeste geschieht. Oder aber, man sieht, jedoch nur selten, dass ein Fibrillenzug sich kreisförmig umbiegt, auf diese Weise ein Korn einschliesst, und da- durch ein Bild erzeugt, welches allerdings sehr verlockend ist zu der Annahme, man habe es hier nur mit den musculösen Belegungs- massen der sog. Körner zu thun. Indessen fällt diese Annahme weg, wenn man dann weiter sieht, wie dieses umgebogene Ende des Fi- brillenzuges noch weitere Verzweigungen eingeht und noch andere Maschen zu Stande bringt. Die Zahl dieser Maschen variirt in den einzelnen Fäden zwischen zwei und zehn und noch mehr. Sie bedingt eben die Breite der Fäden. Ebenso ist ihre Gestalt verschieden, bald rund, bald oval, bald polygonal. Fortsätze der Maschen, wie sie Hessling beschreibt, habe ich nie gesehen. Auch die Grösse der Maschen ist verschieden: in Bezug auf die specielleren Maasse verweise ich auf meine Dissertation. Noch sei erwähnt, dass zuweilen mehrere solcher Fibrillenzüge eine Strecke weit neben einander her- laufen, ohne sich zu durchkreuzen oder zu durchflechten. Diese bilden also gleichsam eine feine, musculöse Platte, deren einzelne Bündel sich aber nachher auch verzweigen. Dieselben sind jedoch nicht zu verwechseln mit ähnlichen Bündeln oder Platten gewöhn- M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 3 . 34 ’ Dr. Max Lehnert, licher Herzmusculatur, die den Präparaten häufig noch anhaften und über die Purkinje’schen Fäden hinweg oder auf ihnen entlang ziehen. Diese peripherischen Fibrillenzüge bilden nun aber dieses Netz- werk nicht an allen Stellen nur durch Durchkreuzung und Maschen- bildung in horizontaler Richtung, d. h. in die Breite und Länge, also in einer Ebene mit dem Endocardium, sondern sie durchkreuzen und durchflechten sich auch an den meisten Stellen der Fäden in verti- ealer Richtung, d. h. in die Tiefe. Schon oben wurde erwähnt, dass in den Fäden mehrere Lagen sog. Körner, wenigstens an den. meisten Stellen, wenn auch nicht überall, vorhanden sind. Dass mehrere Lagen, bis drei, vier, fünf und darüber, in den Fäden existiren, be- weist ausser der oben erwähnten Veränderung des Bildes durch Ver- schiebung des Focus noch eclatanter der Querschnitt. Derselbe ist von einem eingetrockneten Stück der innern Herzoberfläche leicht herzustellen. Man sieht dann sowohl bei Querschnitten in der Rich- tung der Fäden, als bei solchen, die auch die Richtung der Fäden quer durchschneiden, die die Zwischensubstanz bildenden, peripheri- schen Fibrillen sowohl zwischen den einzelnen Körnern, als zwischen den — übrigens nicht regelmässig inne gehaltenen — Lagen der Körner als deutliche, helle Streifen, an denen noch Längs- und Quer- streifung, sowie auch Querschnitte von Fibrillenzügen zu erkennen sind. Die Körner selber liegen mithin ganz und gar eingebettet in jene peripherischen Fibrillenzüge, die bisher unter dem Namen »Zwischensubstanz« beschrieben sind. Nur selten, trotz wiederholter, darauf gerichteter Versuche, sah ich, was auch Hessling beschrie- ben hat, wie ein Theil der Körner (Fig. 4), welche die Maschen des Fibrillennetzes ausfüllten, auf Druck und Zerrung herausgefallen war. Das Bild zeigte in diesem Falle an einzelnen Stellen des Pur- kinje’schen Fadens ein leeres Maschennetz quergestreifter Muskel- fibrillenzüge, an dem nun die Anordnung dieser Züge über und neben einander klar vor Augen lag. Wir kommen also zu dem Schlusse, dass in den Purkinje’schen Fäden zahlreiche, netzförmig angeordnete, sich vielfach durchkreu- zende und durchflechtende Züge quergestreifter Muskelfibrillen vor- handen sind, deren Maschen von den Purkinje’schen oder Hessling’- schen Körnern ausgefüllt sind. Solcher Körner nun finden sich je nach der Anzahl der von den peri- pherischen Fibrillenzügen gebildeten Maschen zwei bis zehn in einer Lage neben einander, und je nach der Anzahl der Lagen drei bis sechs über Ueber die Purkinje’schen Fäden. 35 einander. Sie erscheinen als membramlose, runde oder ovale, oder unregelmässige, bald kugelförmige, bald elliptische oder ganz platte Körper. Diese Formen sieht man am besten am Querschnitt. Ihre Grösse varlirt vielfach je nach der Weite der von den peripherischen - Fibrillenzügen gebildeten Maschen, indem sie, in dieselben eingebettet, diese ganz ausfüllen. Im Innern zeigen die Körner zunächst sehr deutliche, mit Kernkörperchen versehene Kerne, die auf Zusatz von Essigsäure noch mehr hervortreten. Diese Kerne, bald rund oder oval, bald sichelförmig oder unregelmässig geformt, finden sich zu ein oder zwei in jedem Korn, selten in noch grösserer Anzahl. Die- selben sind im Embryo dieselben, ‚wie die Kerne gewöhnlicher, em- bryonaler Musculatur; im erwachsenen Herzen unterscheiden sie sich durch ihre mehr rundliche Gestalt von den mehr ovalen oder läng- lichen, gewöhnlichen Muskelkernen. Wie diese häufig, so sind die Kerne der Purkinje’schen Fäden fast immer auch noch umgeben von zahlreichen gelben oder gelbbraunen Pigmentkörnchen, unter denen man zuweilen auch einzelne Fetttröpfchen sieht. Das Plasma der Körner bietet im Allgemeinen ganz den Anschein einer hyalinen, eiweissartigen Gallertmasse, in der mitunter auch Körnchen sus- pendirt sind. Einen Hauptpunct in der Untersuchung dieser Körner bildet jedoch ihre Streifung. Wir bemerken nämlich an ihnen ebenfalls fibrilläre und Quer-Streifung. Diese Streifung ist bedingt durch zahl- reiche Bündel von kleinen, quergestreiften Muskelfibrillen, die ich, im Gegensatz zu den peripherischen Fibrillen der Zwischensubstanz centrale nennen will. Dieselben durchziehen die Körner entweder nur an der Oberfläche und Peripherie, oder total. Sie halten ent- weder eine bestimmte, meist dem Längsdurchmesser des Kornes und somit gewöhnlich der Richtung der Fäden parallele Richtung inne, oder sie sind, ebenso wie in grösserem Maassstabe die peripherischen Fibrillen in der mannigfaltigsten Art in, mit, und durch einander verschlungen und verflochten, so dass man gar nicht mehr von einer bestimmten Richtung der Fibrillen sprechen kann. Zuweilen gehen dieselben auch senkrecht zu dem beobachtenden Auge durch die Körner hindurch, was man namentlich an Querschnitten deutlich sehen kann. Dann scheinen die an der Oberfläche des Kornes zum Vorschein kommenden Fibrillen hier erst zu entspringen. Zuweilen bestehen auch ganze Körner nur aus derartigen zusammengeballten, oder schichtenweise übereinander liegenden Fibrillenbündeln, so dass 36 Dr. Max Lehnert, von einer hyalinen Substanz kaum etwas zu sehen ist, und die be- schriebenen Kerne im Innern der Fibrillenzüge liegen. Ferner kann man auch beobachten, dass in einzelnen Körnern die Züge von einem Puncte der Peripherie ausstrahlen nnd radiär in- das Korn hineinziehen. Wie schon angedeutet, varürt die Menge der im einzelnen Korn vor- handenen Fibrillenzüge in der Art, dass einige Körner ganz aus den- selben zu bestehen scheinen, während andere nur von einzelnen spär- lichen Fibrillen durchzogen werden. Es fragt sich nun, ob ein Zusammenhang zwischen den peri- pherischen und den centralen Fibrillen nachzuweisen ist. In der That besteht ein solcher in der Art, dass die centralen Fibrillen die Fortsetzung der peripherischen sind. Dies bemerkt man einmal schon, bei Betrachtung der Körner in situ, d. h. im Faden, und zwar be- sonders an denen, wo die centralen Fibrillen die Substanz der Kör- ner radiär durchsetzen, indem sie sämmtlich von einem Puncte der Peripherie ausgehen. Jedoch sei erwähnt, dass man sich hier nicht durch Bilder täuschen lassen darf, in denen kleinere Fibrillenzüge radiär von den peripherischen ausgehen, ohne in ein Korn einzu- treten, sondern über dasselbe hinweg noch weiter ziehend ihren Charakter als Zwischensubstanz, d. h. als peripherische Fibrillen noch weiter bewahren. An oben genannten Körnern (Fig. 5) bemerkt man also bei genauer Beobachtung, dass in der Nähe (Fig. 6) der- selben eines der peripherischen Fibrillenbündel besonders hervortritt, zu dem Korn hinüberzieht und sich in mehrere Aeste spaltet, die nun in dem Korne als centrale Fibrillen erscheinen. Weiter aber gelingt es durch Druck oder Zerrung eine Zerreissung des Fadens hervorzubringen, wodurch alle oder einzelne Körner aus ihrer Lage im Faden herausgebracht werden und frei daliegen, entweder einzeln oder in Haufen zu mehreren. Die Zwischensubstanz wird dabei dann entweder ganz. zerquetscht, oder man sieht sie an den Körnern haften, oder in seltneren Fällen sieht man sie eben als ein Netz mit leeren Maschen. Ich habe nun an den herausgedrückten Körnern beob- achtet, wie ein’ peripherischer Fibrillenzug, von jenen noch in Masse zusammenliegenden Körnern ausgehend, sich von der übrigen Zwi- schensubstanz frei machte und zu einem der isolirt daliegenden Kör- ner hinzog. In demselben sah ich dann entweder noch die Theilung dieses Bündels in verschiedene Aeste, die dann im Korn die cen- tralen Fibrillen ‚bildeten, oder das Bündel trat in das Korn hinein und nun erschienen an der Oberfläche desselben jene centralen Ueber die Purkinje’schen Fäden. 7 Fibrillenzüge, die, wie erwähnt, die Körner von unten nach oben durchsetzen. N Fig. 5. An solchen, auf Druck aus dem Faden herausgetre- tenen Körnern sieht man mitunter noch ausser der anhaftenden Zwischensubstanz eine besondere Art von Streifung, die sich wie ein um den Rand des Kornes gelegter, denselben ganz oder theilweise bedeckender Zug von quergestreiften Muskelfibrillen zeigt. Dasselbe beschreibt Hessling, wenn er angibt, er habe Körner mit wulsti- gem, erhabenem Rande und eingedrücktem Centrum gesehen, die diese Eigenthümlichkeit erst nach angewandtem Druck erkennen liessen. Bei dieser Art von Streifung bemerkt man jedoch bald eine entschiedene Unregelmässigkeit in den Querstreifen, indem die Ele- mente des vermeintlichen Fibrillenbündels nicht in einer Richtung bleiben, sondern durch ihre Lage mehr eine Wellenlinie bilden. Ueber- haupt bietet das ganze Bild mehr den Anschein eines abgerissenen und stellenweise umgebogenen Muskelbündels. Daher halte ich auch dieses Bild, welches das einzelne Korn hier von einem an der Peripherie verlaufenden Fibrillenbündel umlagert erscheinen lässt, einfach für die Trennungsstelle zwischen den peripherischen und den centralen Fibrillen. Diese Trennung wird der Wahrscheinlichkeit nach stets an der Theilungsstelle des peripherischen Bündels in die centralen, also unmittelbar am Rande der Körner vor sich gehen, und durch den Widerstand, den die centralen Fibrillen bei der Trennung leisten, können sie leicht ihre bisherige Lage so ändern, dass sie nun mit ihrem scheinbaren Querschnitt am Rande der Körner nach oben ge- richtet, also im Ganzen an der Rissstelle etwas aufgerichtet resp. bei umgekehrter Lage des Kornes nach“unten gerichtet wären. Eine Reihe solcher nach oben blickender Muskelfibrillen kann dann leicht bei oberflächlicher Betrachtung zu der Meinung verleiten, dass man es hier mit einem das Korn nur an einer kleineren oder grösseren Stelle der Peripherie umgebenden Fibrillenbündel zu thun habe. Was die mikrochemischen Reactionen der Purkinje’schen Fäden betrifft, so hat Hessling dieselben eingehender beschrieben. Meine Versuche bestätigen dieselben in allen Puncten; es sind eben die Reactionen gewöhnlicher Muskeln. Eine sehr wichtige Erscheinung, die sich an den Purkinje’schen Fäden wahrnehmen lässt, ist nun ihr Uebergang (Fig.7) in gewöhn- liche, quergestreifte Muskelbündel, den Hessling als ein Abwechseln mit gewöhnlicher Musculatur beschrieben hat. Einen solchen Ueber- e 38 Dr. Max Lehnert, gang habe ich zwar auch in Fäden, die einer beliebigen Stelle der Ventrikelwand entnommen waren, gefunden, am häufigsten jedoch an den ganz an der Herzspitze oder dicht am Annulus fibrocartila- sineus auftretenden Purkinje’schen Fäden, die makroskopisch gewis- sermassen das Ende des Netzes zu repräsentiren scheinen, sowie in jenen starken, schon mehrfach angeführten Zügen zwischen den Tra- beculae carneae und zwischen den Ventrikelwandungen beobachtet. Dieses Uebergehen des Purkinje’schen Fadens in gewöhnliche, quer- gestreifte Muskelfasern geschieht in der Art, dass zunächst die regel- mässige Gestalt der Maschen sich ändert ; dieselben werden meist langge- streckt und hören schliesslich ganz auf. Dabei bemerkt man, dass grade an diesen Stellen hauptsächlich solche Körner vorkommen, die ganz aus zusammengeballten Strängen von Muskelfibrillen bestehen. Nur noch hin und wieder lassen sich peripherische Fibrillenbündel da- durch erkennen, dass sie quer über die in der Längsaxe verlaufen- den Stränge centraler Fibrillen hinziehen, und so noch einmal in dem Beobachter - die Erinnerung an den körner- oder zellenartigen Bau der Fäden zurückrufen. Diese sich quer umbiegenden Fibrillenbündel geben. bei schwacher Vergrösserung dem Faden den Anschein, als sei er an diesen Stellen etwas eingerissen. Darauf ist es wohl auch zu beziehen, wenn Hessling von Fäden spricht, die, besonders beim Schwein, oft nur Einknickungen und Einkerbungen nach Form der Körner, aber ohne bestimmt ausgesprochene Trennung, haben. Fig. 8. Ueber die Scheide, von der die Purkinje’schen Fäden in ihrem ganzen Verlaufe umgeben sind, ist nicht viel zu sagen. Wie schon oben gesagt, folgen die Fäden streng dem Endocardium, resp. den von ihm in die Tiefe der Herzmusculatur geschickten Fort- sätzen in ihrem Verlaufe. Vom Endocardium aus und zwar von seiner untersten, bindegewebigen Schicht ausgehend, zieht sich eine Bindegewebshülle um die Fäden herum. Dieselbe hat im Allgemeinen einen lamellösen Bau, zeigt zuweilen zahlreiche Bindegewebskörper und ist, wie ich an injieirten Präparaten gesehen habe, hier und da von einzelnen Capillargefässen durchzogen. Sie ist im Allgemeinen ziemlich stark und erreicht eine Dicke bis zu 0,05“. Die Verbindung zwischen der Scheide und den Fäden ist sehr locker, so dass die Fäden oft spontan herausfallen. Nur in jenen schon viel erwähnten strangartigen Zügen zwischen den Trabeculae und zwischen den Ventrikelwandungen, aber nur in denen, die neben den Purkinje’- schen Fäden gar keine gewöhnliche Herzmusculatur enthalten, findet Ueber die Purkinje’schen Fäden. 39 sich keine eigentliche Scheide oder Hülle mehr, sondern eine solche wird, von dem hier schon an und für sich sehr starken Endocardium gebildet. Dies zeigen sehr klar die Präparate vom Querschnitt, die überhaupt zur Untersuchung der Hülle sehr geeignet sind. An jenen Stellen, wo die Fäden schon makroskopisch undeutlicher werden, nimmt die Scheide an Stärke und Klarheit ab, an den Uebergangsstellen in gewöhnliche Musculatur stimmt diese Scheide überein mit der Scheide der gewöhnlichen Muskelbündel oder Muskelbündelgruppen. Nach dem bisher Gesagten sind also die Hauptbestandtheile der Purkinje’schen Fäden jene quergestreiften Muskelfibrillen, die im Verhältniss zu den Körnern theils peripherisch, theils central verlaufen, und zwar in der Art, dass die centralen Fibrillen die Fort- setzung, resp. das Ende der peripherischen sind. Es fragt sich nun, wo Ursprung und Ende dieser Fibrillenzüge zu suchen sind. Sichere, d. h. auf directe Beobachtung und Anschauung gestützte Angaben bin ich hierüber zu geben leider trotz vielfacher Untersuchungen nicht im Stande. Doch geht meine Ansicht üher diesen Punct dahin, dass die in den Purkinje’schen Fäden verlaufenden Fibrillen aus der übri- gen Herzmusculatur entspringen, sich gewissermassen von den übrigen Herzmuskelbündeln abzweigen, und nachdem sie im den Purkinje’- schen Fäden durch ihren auffallenden Verlauf jene merkwürdigen Bilder zu Stande gebracht haben, wieder als gewöhnliche Muskel- bündel weiter ziehen. Ich stütze diese Meinung auf die vorerwähnte Thatsache, dass man jene Uebergangsstellen der Fäden in gewöhn- liche Muskelbündel hauptsächlich an jenen Ausläufern der Fäden findet, die makroskopisch kaum noch erkannt werden können, wo also die Purkinje’schen Fäden als solche dem Anscheine nach endigen. Es ist dies, wie oben bemerkt, namentlich an den dem Annulus fibro- cartilagineus zueilenden Aesten der Fäden der Fall, sowie auch an den in der Nähe der Herzspitze gelegenen Fäden. Auch von den mehr in die Tiefe sich abzweigenden Fäden muss ich annehmen, dass sie schliesslich in gewöhnliche Muskelzüge übergehen; denn an Quer- schnitten kann man dieselben nur eine Strecke weit als Purkinje’sche Fäden verfolgen, später sieht man sie gar nicht mehr. Eine weitere Stütze dieser Ansicht, dass die in Purkinje’schen Fäden enthaltenen Fibrillenzüge aus der Herzmusculatur stammen, bietet das Verhalten der Bindegewebsscheide der Fäden. Dieselbe umgibt die Fäden selbst als dicke, feste Hülle, wird an den Ausläufern derselben, wo bald der Uebergang in gewöhnliche Muskelbündel stattfindet, allmählig dünner 40 Dr. Max Lehnert, und zarter und verschwindet schliesslich an den Uebergangsstellen ganz. Dasselbe, was hier vom Ursprung der Fibrillenzüge gesagt ist, würde natürlich für das Ende der Purkinje’schen Fäden Geltung haben, d. h. die in den Purkinje’schen Fäden verlaufenden Muskel- fibrillen entspringen aus der gewöhnlichen Herzmusculatur und er- reichen durch Uebergehen in dieselbe auch wieder ihr Ende. Es bleibt mir nun nur noch übrig, über die Entwicklungs- geschichte der Purkinje’schen Fäden Mittheilung zu machen. Es ist mir gelungen, durch die Untersuchung embryonaler Herzen, namentlich vom Schaf, die in Hinsicht auf die Seltenheit des Materials freilich nur langsam von Statten gingen, die verschie- densten Stadien der Entwicklung zu beobachten. Zunächst lehrt der einfache Vergleich der Purkinje’schen Fäden, wie wir sie im Herzen des Kalbes und in dem des erwachsenen Rindes sehen, dass hier mit dem Wachsen und der Entwicklung der übrigen Herz- musculatur auch ein Wachsen der Purkinje’schen Fäden in der Art vor sich geht, dass die beim Kalbe nur spärlichen und zarten Fibrillen beim Ochsen zu starken, breiten Bündeln geworden sind, und durch Grösserwerden der Maschen auch die im Kalbherzen ziemlich klein erscheinenden Körner im Ochsenherzen bedeutend an Grösse und Stärke gewonnen haben. Untersuchen wir dann ferner die Purkinje’- schen Fäden in verschiedenen Stadien des Embryo-Lebens, so finden wir sie in ganz frühen Perioden — bei einem Schaf-Embryo (Fig. 9) von etwa 6 Centimeter Länge — als gesondert verlaufende, ver- zweigte Fäden (Fig. 10), deren charakteristische Art von Verzwei- - gung einer Verwechslung mit Gefässen vorbeugt. Diese Fäden be- stehen aus einer Grundsubstanz, die homogen oder mit feinsten Körn- chen versehen, schwach hyalin und zart erscheint, und in die in unregelmässiger Anordnung zahlreiche Kerne mit Kernkörperchen eingebettet sind. Diese Kerne, die constant als Ausdruck der sie umgebenden Membran doppelte Contouren zeigen, sind, wie ich bereits oben erwähnte, dieselben, wie die in der übrigen Herzmusculatur des Embryo massenhaft sichtbaren Muskelkerne. In diesem frühesten Stadium ist noch absolut Nichts von einer Trennung in einzelne so- genannte Maschen oder Körner zu sehen. In einem weiteren Sta- dium — bei einem Schaf-Embryo (Fig. 12) von etwa 9 Centimeter Länge — sieht man dann in den Purkinje’schen Fäden eine in der bisher homogenen Grundsubstanz auftretende Abgrenzung rhombi- scher oder vieleckiger, seltener runder, den später sog. Körnern ent- Ueber die Purkinje’schen Fäden. 41 sprechender Abtheilungen. An der Berührungsstelle dieser Ab- theilungen sieht man entweder nur eine dunkle Contour, oder an vielen Stellen auch hier doppelte Gontouren. Diese doppelten Con- touren sind der Ausdruck von Muskelfibrillen, die in diesem Stadium noch keine Querstreifung haben. In Bezug auf diesen Punct ver- weise ich auf die kürzlich über Entwicklung der Muskeln von Pro- fessor Wagener gemachten Mittheilungen (Sitzungsberichte der Ge- sellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg, Nro. 10, August 1867), weicher in den frühesten Stadien der Entwicklungszustände der quergestreiften Muskeln ebenfalls die Querstreifung nicht vorfand. Die Kerne zeigen ebenfalls noch immer doppelte Grenzen. Namentlich aber sieht man in diesem Stadium deutlich die Identität der Kerne (Fig. 13) mit den gewöhnlichen, embryonalen Muskelkernen der gleichzeitigen Herzmusculatur. Ferner bemerkt man auch, dass zu dieser Zeit bei der übrigen Herzmus- eulatur schon Querstreifung vorhanden ist. In einem höheren Stadium ferner — bei einem Schaf-Embryo (Fig. 14) von etwa 12 CGentimeter Länge — sind die einzelnen Abtheilungen grösser geworden und haben eine mehr unregelmässige polyedrische Gestalt angenommen. Jetzt zeigt sich anch über die ganzen Fäden verbreitet eine Längs- streifung, die die Grundlage für die spätere, fibrilläre Streifung der Fäden bildet. Weiter bemerkt man jetzt überall zwischen den ein- zelnen Abtheilungen doppelt contourirte Linien, die bereits stellenweise deutliche Querstreifung haben. In dem nun folgenden Entwicklungs- stadium schliesslich haben wir bereits den vollständig ausgebildeten Purkinje’schen Faden als solchen vor uns. Die bis jetzt nur als dünne, quergestreifte Bündel zwischen den einzelnen Abtheilungen aufgetretene Zwischensubstanz hat sich zu starken, quergestreiften Fibrillenzügen entwickelt; jene oben erwähnte, fibrilläre Streifung des Fadens hat überall Querstreifung angenommen und erscheint nun auf die deutlich von einander geschiedenen und aus einander gerückten Körner beschränkt; sie gibt so das Bild von querge- streiften, über die Körner hinwegziehenden oder sie durchsetzenden Muskelfibrillen. Um die Kerne herum haben sich reichliche Pig- ınentkörnchen und einzelne Fetttrönfchen angehäuft, und von der im ersten Stadium beschriebenen Grundsubstanz finden wir nur noch wenige Ueberreste als jene hyaline Masse, die noch einen Be- standtheil der Körner bildet. Und auch jetzt erst, also am ganz ausgebildeten Purkinje’schen Faden, gelingt es, die beschriebene 42 Dr. Max Lehnert, bindegewebige Scheide oder Hülle der Fäden mit Sicherheit nach- zuweisen. Fassen wir nun die durch die Untersuchungen gewonnenen Re- sultate zusammen, so haben wir also Folgendes gefunden: Die Purkinje’schen Fäden finden sich nur im Herzen einiger weniger Säugethiere, nämlich, soweit bis jetzt die Beobachtungen reichen, des Schafes, des Rindes, der Ziege, des Schweines, Pferdes und Rehes. Sie liegen direct unter dem Endocardium und schicken mit demselben auch Aeste in die Tiefe der Herzmusculatur. Sie bestehen aus Zügen quergestreifter Muskelfibrillen, die aus der Herz- muskelsubstanz entspringen und in ihrem Verlaufe die mannigfaltig- sten Verflechtungen und Durchkreuzungen, zuweilen nur in der Breiten- richtung, meist aber auch in die Tiefe hinein, mit einander eingehen, durch die im Allgemeinen ein Netz von Maschen gebildet wird, das dem Faden den Anschein eines zelligen Baues gibt. Andere Fibril- lenzüge oder die Fortsetzungen der früheren durchsetzen diese Ma- schen nach den verschiedensten Richtungen hin, und füllen dieselben entweder ganz aus, oder es findet sich in den Lücken noch eine hyaline, gallertige Substanz. Ausserdem finden sich in den Maschen constant Muskelkerne nebst Pigmentkörnchen und einzelnen Fett- tröpfchen. Diese hyaline Masse mit den Muskelkernen ist, wie uns die Entwicklungsgeschichte gezeigt hat, nichts weiter, als der Ueber- rest des zur Anlage der Purkinje’schen Fäden verwandten Bildungs- materials. Die Endigung dieser Fibrillenzüge und damit der Fäden selbst, die übrigens von einer bindegewebigen Scheide umgeben sind, kommt durch Uebergang in gewöhnliche, quergestreifte Muskelbündel zu Stande. Wir haben also bei einigen Säugethieren diesen eigenthümlichen Verlauf einzelner Muskelfibrillenzüge der Herzsubstanz. ‘Dass die Fäden wirklich nur als eine auf diese Weise zu Stande gekommene Bildung, und nicht als ein selbständiges, besonderes Organ aufzu- fassen sind, geht einmal daraus hervor, dass in den Herzen anderer Thiere, die die Purkinje’schen Fäden nicht besitzen, die Stelle und damit auch die Function derselben vollständig von gewöhnlichen Muskelbündeln ausgefüllt wird. Man sieht das am deutlichsten in jenen bereits oft erwähnten, über die Trabeculae carneae hinüber- ziehenden, sehnig-musculösen Fadenzügen. Diese bestehen abgesehen von dem Endocardium, welches die äussere, dicke Bindegewebshülle bildet, bei den Thieren, die keine Purkinje’schen Fäden besitzen, aus Ueber die Purkinje’schen Fäden. 43 gewöhnlichen, quergestreiften Muskelzügen; bei den Thieren, welche Purkinje’sche Fäden besitzen, enthalten die gröberen Züge auch ge- wöhnliche Museculatur neben den Fäden, die feineren dagegen statt aller gewöhnlichen Musculatur nur Purkinje’sche Fäden. Hier ver- treten die Fäden also vollkommen die Stelle gewöhnlicher Muskel- züge, deren Function sie mithin auch zu übernehmen haben. Dass die Fäden nur durch den ungewöhnlichen Verlauf der Muskelfibrillen zu Stande kommen, sonst aber nichts weiter repräsentiren, als quer- gestreifte Muskelfasern, zeigt ferner ihr häufiger Uebergang in solche Fasern. Dafür spricht ferner, dass man diesen Uebergang grade sehr oft an den Fäden sieht, die eben jenen besprochenen Zwischen- zügen als Stellvertreter der Muskelsubstanz beigegeben sind. Es liegen fernere Beweise dafür in dem Umstande, dass die Verhältnisse der Klappen und der Chordae tendineae, sowie der Bau des Endo- cardiums bei den Thieren, die die Fäden besitzen, dieselben sind, wie bei denen, die sie nicht haben, so dass also anzunehmen ist, dass die Fäden irgend welche, im Klappen-Apparat oder in der : Function des Endocardiums bedingte Unterschiede bei den Thieren mit und denen ohne die Fäden, zu compensiren und zu ergänzen bestimmt wären. Dass die Fäden ein der gewöhnlichen Herzmuseulatur ana- loges Gebilde, ja, wie gesagt, einfach eine auffallende, specifische Gruppirung der Muskelfibrillen sind, dem widersprechen auch die in ihnen allerdings zahlreicher wie sonst vorkommenden Muskelkerne, und die vom Embryo-Leben herrührende, eiweissartige, mit Körnchen versehene Substanz, in keiner Weise. Fassen wir nun also die Purkinje’schen Fäden von diesem Stand- puncte auf, dass sie eben nichts weiter sind, als Züge gewöhnlicher Muskelsubstanz, bei denen die sonst übliche Anordnung in Bündel ganz verschwindet und die sich nach allen Richtungen hin durch- kreuzen und durchflechten, die ferner zahlreiche Muskelkerne, und fast überall noch Ueberreste der im embryonalen Zustande reich- licher vorhanden gewesenen, eiweissartigen Substanz haben, — be- trachten wir die Purkinje’schen Fäden von diesem Gesichtspuncte, so sind dieselben für uns auch gar nichts Auffallendes, gar keine besondere Erscheinung mehr. Wir sehen ja als Analogon zu ihnen dieselben Durchkreuzungen und Verflechtungen von Muskelsträngen an manchen Stellen des Herzens in grösserem Maassstabe an den Herz- muskelzügen selber, die, auch in den allerverschiedensten Richtungen und Anordnungen verlaufend, ein derartiges Netzwerk bilden, wie es uns im Kleinen die Purkinje’schen Fäden zeigen. . Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Ein Stück von der inneren Herz-Oberfläche (von Bos taurus). Nat. Gr. Purkinje’schen Fäden (von Ovis aries) bei schwacher Vergrösserung. Obh. 5. Oe. 1. Ein Stück von einem Purkinje’schen Faden (von Ovis aries) bei starker Vergrösserung. Obh. 8 1. Oe. 4. Ein von den peripherischen Fibrillen 'gebildetes, leeres Netz, aus dessen Maschen die Körner herausgedrückt sind (von Ovis aries). Obh. 7. Oe. 1. Zusammenhang der peripherischen und centralen Fibrillen (von Ovis aries), Obh. 7. Oc. 1. Derselbe (von Bos taurus) bei stärkerer Vergrösserung. Obh. 8. Oe. 4. Uebergang der Purkinje’schen Fäden in gewöhnliche Museculatur (von Ovis aries). Obh. 7. Oc. 1. Querschnitt durch die Purkinje’schen Fäden (von Ovis aries). Die bindegewebige Scheide der Fäden. Obh. 6. Oe. 1. Erstes Stadium der Entwicklung der Purkinje’schen Fäden. Obh.11.0c.2. Verästlung der Fäden in diesem Stadium. Obh. 11. Oc. 2. Ein Stück gleichzeitigen Herzepithels zum Vergleich mit Fig. 9. Obh. 11. Oe. 2. Zweites Stadium der Entwicklung. Obh. 11. Oec. 2. Ein Stück gleichzeitiger Herzmusculatur zum Vergleich der Kerne. Obh. 11. Oe. 2. Drittes Stadium der Entwicklung. Obh. 11. Oc. 2. Die Abbildungen aus der Entwicklungs-Geschichte der Purkinje’schen Fäden sind aus dem Herzen von Ovis aries. Ueber den Bau der Spinalganglien nebstBemerkungen über die sympathischen Ganglienzellen. Von . Dr. &. Schwalbe. Hierzu Tafel IV. Vorliegende Untersuchungen gingen zunächst davon aus, über die Anordnung der Ganglienzellen und Nervenfasern innerhalb der Spinalganglien, sowie über den Verlauf der letzteren und die Be- ziehung der sensibeln Wurzel zum Ganglion Klarheit zu erhalten, da gerade diese Verhältnisse bei den meisten früheren Untersuchungen wenig berücksichtigt waren. Natürlich konnte es dabei nicht aus- bleiben, dass ich auch auf die feineren Structurverhältnisse der Gang- lienzellen, auf die Art ihrer Verbindung mit den Nervenfasern und andere hierher gehörige Puncte meine Aufmerksamkeit richtete. Zugleich machte dies nöthig, auch die sympathischen Ganglienzellen zur Vergleichung heranzuziehen, da manche der streitigen Beobach- tungen gerade an diesen zuerst gemacht worden waren. Immerhin blieb aber die Untersuchung des Faserverlaufs"in den Spinalganglien meine Hauptaufgabe. Ich werde demnach mit meinen hierauf bezüg- lichen Untersuchungen beginnen und sodann Beobachtungen über die feinere Structur der Ganglienzellen, über ihren Zusammenhang mit den Nervenfasern und dergleichen folgen lassen. Als Untersuchungsmaterial dienten mir Kalb, Schaf, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Maus, Maulwurf, Taube, Eidechse und Frosch (sowohl Rana temporaria als Rana esculenta). Was die 46 Dr. G. Schwalbe, Spinalganglien der Fische betrifft, so habe ich auf eine eingehendere Untersuchung wegen der grossen Schwierigkeit hier in Bonn grössere Fische frisch in genügender Zahl zu erhalten, verzichtet. An grösseren Spinalganglien vermögen wir die Structur nicht anders zu ermitteln, als durch in verschiedenen Richtungen durch das erhärtete Ganglion angelegte Schnitte. Zur Erhärtung kann man sich der bekannten Lösungen von Chromsäure und Kali bichro- mieum !) bedienen uml die Schnitte mit Vortheil nachträglich mit Carmin färben. Allein diese Methode leistet hier nicht soviel, wie beim Rückenmark, indem das zähe Bindegewebe, welches in reich- lichem Maasse die Ganglienzellenmassen durchsetzt, eine gleichmässige Erhärtung hindert: Anstatt durch Garmin habe ich nachträglich die Schnitte durch Ueberosmiumsäure gefärbt, indem eine 12—24- stündige Einwirkung einer Ueberosmiumsäurelösung von 1°/, die so charakteristische blau-schwarze Färbung der markhaltigen Nerven- fasern auch an Präparaten hervorruft, die mit Kali bichromieum be- handelt waren. Es ist dies ein gutes Mittel, um den Faserverlauf innerhalb eines Spinalganglions zu erkennen. Noch besser eignet sich aber dazu das von F. E. Schulze empfohlene Chlor-Palladium 2), dessen wässrige Lösung bekanntlich fast ebenso wie Ueberosmiumsäure die markhaltigen Nervenfasern schwarz färbt, während es zugleich das Bindegewebe aufhellt und die Bindegewebskerne sowie die des Neurilemms gelb tingirt. Ich habe es mit grossem Vortheil zur Er- härtung von Spinalganglien des Kalbes benutzt, musste dabei aber bis zu einer Concentration von 1 auf 500 Theile Wasser hinaufgehen. Öefterer Wechsel der Flüssigkeit, in der sich immer flockige Nieder- schläge bilden, ist nöthig, um eine vollständige Erhärtung und Fär- bung zu erzielen. Wenn das Spinalganglion eine schwarzgraue Fär- bung angenommen hat, was nach den ersten 24 Stunden einzutreten pflegt, ist es gewöhnlich zur Anfertigung von Schnitten geeignet. Sollte die Schnittfläche noch gelb gefärbt sein, so lasse man das Präparat noch einen Tag in der Lösung liegen und man wird nun sehr schöne Bilder erhalten, in denen das helle Bindegewebe sich 1) Vgl. Deiter’s Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark, heraus- gegeben von M. Schultze, pag. 21. 2) Eine neue Methode der Erhärtung und Färbung thierischer Gewebe. Medic. Centralblatt 1867. Nr. 13. p. 193 und Der Ciliarmuskel des Menschen. Dieses Archiv Bd. III. 1867. p. 477 ft. Ueb.d. Bau d. Spinalganglien u. Bemerk. üb. d. sympathischen Ganglienzellen. 47 scharf von den schwarzen Nervenfasern und gelbbraunen Nerven- zellen abhebt. Ebenso deutliche, aber weniger elegante Präparate gibt die einfache Erhärtung der Spinalganglien erst in concentrirtem reinem Holzessig und nachher in Alkohol von 90°/,. Man kann von so behandelten Ganglien mit Leichtigkeit die feinsten Schnitte machen und erkennt den Verlauf der Nervenfasern im hellen Bindegewebe aufs Deutlichste. Kleinere in Holzessig und Alkohol erhärtete Spinal- ganglien z. B. die des Kaninchens oder des Frosches legte ich be- hufs der Anfertigung von Schnitten zunächst in eine dickflüssige Gummizuckerlösung und entzog dieser das Wasser durch absoluten Alkohol. Frische Spiralganglien kleinerer Thiere werden durch die Behandlung mit ganz dünner Kali- oder Natronlauge soweit auf- gehellt, dass man den Faserverlauf in denselben in toto bei schwa- chen Vergrösserungen übersehen kann, da die markhaltigen Fasern und die Ganglienzellen lange Zeit der Einwirkung dieses Reagens widerstehen. Diese Methode gibt über manche Verhältnisse Auf- schluss, die an Schnitten gar nicht zu ermitteln sind. Die Gestalt eines Spinalganglions der Säugethiere ist nahezu halbmondförmig mit abgerundeten Spitzen, die Convexität nach der Peripherie kehrend, und platt. Der kleinste Durchmesser liegt in dorsoventraler Richtung, der grösste in der Richtung der Longitu- dinalaxe des Körpers, der dritte endlich in der Richtung von rechts nach links, also in transversaler Richtung. Den ersteren kann man als Dickendurchmesser, den zweiten, obgleich der grösste, als Breiten- durchmesser und den letzteren als Längendurchmesser bezeichnen, indem dieser in der Richtung der ein- und austretenden Nerven- fasern verläuft. Centralwärts ist die Ganglienmasse scharf von den eintretenden Nervenstämmchen abgesetzt, peripherisch dagegen findet ein allmähliger Uebergang der Ganglienmasse in den austretenden Nervenstamm Statt. Die eben beschriebenen Verhältnisse finden sich im Wesentlichen bei allen Säugethieren; bei anderen Wirbelthieren aber erleiden sie einige Modificationen. Wichtig ist in dieser Be- ziehung das Verhalten der Spinalganglien des Frosches. Ein solches bildet unter Zunahme des Dickendurchmessers und Abnahme des Breitendurchmessers eine kugelige Anschwellung auf der hinteren Seite der sensibeln Wurzel. Aber auch diese Anschwellung dacht sich in peripherischer Richtung sanfter ab. Betrachten wir die sensible Wurzel, so ergibt sich hier zunächst darin ein grosser Unterschied von der motorischen, dass wir dieselbe 48 Dr. G. Schwalbe, nicht mehr von der Ganglienmasse ohne Zerstörung des Ganglions trennen können, dass dieselbe äusserlich wenigstens mit jener ein Ganzes bildet. Bei den Säugethieren geht dies soweit, dass hier die sensible Wurzel ganz von Ganglienmasse umgeben wird. Zwar findet sich immer noch auch "hier der Haupttheil derselben hinten, aber auch vorn bedecken sich nach und nach die einzelnen eintretenden Faserbündel mit derselben, was man schon mit unbewaffnetem Auge constatiren kann. Eine solche Betrachtung ergibt dann auch, dass sich an dieser vorderen Seite die einzelnen Faserbündel nicht alle in derselben Entfernung vom Rückenmark mit Ganglienmasse be- decken, sondern die einen früher, die anderen später ; dem entspre- chend sieht man denn auch an dieser Seite einige Faserbündel früher, andere später aus dem Ganglion austreten. Wesentlich einfacher sind dagegen die Verhältnisse beim Frosch. Hier liegt die Ganglienmasse, obwohl mit der sensibeln Wurzel auch fest verbunden, doch nur dem hinteren Theile derselben an, während nach der Seite der motorischen Wurzel zu die Nervenfasern während ihres ganzen Verlaufes frei bleiben. Soviel über die schon mit unbewaffnetem Auge erkennbaren Verhältnisse. : Ueber den Faserverlauf und die Natur der Ganglienzellen in den Spinalganglien sind bisher besonders drei verschiedene Ansichten aufgestellt worden. Nach der einen, die besonders von R. Wagner!) vertheidigt wurde, kommen in denselben nur bipolare Ganglienzellen vor, die einen Fortsatz central, den anderen periphe- risch entsenden, so zwar, dass sich eine dieser Zellen in den Verlauf jeder sensibeln Faser einschaltet und gar keine sensible Faser ohne bipolare Ganglienzelle vorkommt, während die motorischen Fasern sich nicht an der Bildung des Spinalganglions betheiligen. Ewas modi- fieirt wurde diese Ansicht durch Bidder ?), welcher wieR. Wagner vorzugsweise Fische untersuchte. Auch er nimmt nur bipolare Gang- lienzellen in den Spinalganglien an mit der Modification jedoch, dass beide Fortsätze dicht neben einander entspringen und beide periphe- risch verlaufen können. 1) Handwörterbuch der Physiologie. Bd. 3. Artikel: Sympathischer Nerv, Ganglienstructur und Nervenendigungen. p. 361 ff. und Neurologische Beob- achtungen. Göttingen 1854. p. 8 ff. 2) Zur Lehre von dem Verhältniss der Ganglienkörper zu den Nerven- fasern. Leipzig 1847. Ueb.d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü.d. sympathischen Ganglienzellen. 49 Eine wesentlich andere Ansicht stellte Axmann!) auf, der sich auf Grund seiner Untersuchungen am Frosch von der überwie- genden Existenz unipolarer Ganglienzellen in den Spinalganglien über- zeust hielt. Nach ihm gibt es einmal einfach durchtretende sensible und motorische Fasern, die innerhalb des Ganglions mit keinen Gang- lienzellen in Verbindung stehen, sodann aus den Zellen der Spinal- ganglien entspringende Fasern, von ihm »gangliospinale« genannt. Diese verlaufen theils central sowohl in die motorischen als in die sensibeln Wurzeln, theils schliessen sie sich bündelweise den durch- tretenden Fasern in peripherischer Richtung an. Axmann statuirt also eine gewisse Betheiligung auch der motorischen Wurzel an der Bildung des Spinalganglions. Die dritte Ansicht und zugleich die einfachste ist die von Kölliker?). Nach ihm hat einmal die motorische Wurzel gar nichts mit dem Spinalganglion zu thun; aber auch die sensibeln Fasern ziehen einfach durch das Ganglion hindurch, ohne hier mit Ganglienzellen in Verbindung zu stehen. Letztere, die auch Köl- liker für überwiegend unipolar hält, entsenden ihre Nervenfasern, von Kölliker »Ganglienfasern« genannt, »in überwiegender Mehr- zahl, vielleicht alle, peripherisch,« und schliessen sich diese dann den durchtretenden sensibeln Fasern an. Ganz ähnlich, nur noch ent- schiedener äussert sich v. Baerensprung?) in einer den Anato- men wenig bekannt gewordenen Arbeit über den Zoster nach Unter- suchungen an den Spinalganglien des Kindes. Er vergleicht den Bau eines Spinalganglions mit dem einer Drüse. Die einzelnen Ganglien- kugeln gruppiren sich zu Läppchen, in deren Centrum sich die aus den einzelnen Zellen entspringenden Fasern zu einem Stämmchen sammeln, dem Ausführungsgange eines Drüsenläppchens vergleichbar, welches sich den durchtretenden Fasern in peripherischer Richtung anschliesst. Man sieht also, dass es bei der Erörterung dieser Verhältnisse sich zunächst darum handelt, die Frage zu entscheiden: Kommen in den Spinalganglien der Wirbelthiere vorwiegend unipolare oder bi- 1) De gangliorum systematis structura penitiori eiusque functionibus. Berolini 1847. 2) Gewebelehre. 4. Auflage. p. 344. 3) Beiträge zur Kenntniss des Zoster. Annalen des Charite-Kranken- hauses. XI. p. 96. M. Schultze, Archiv #. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 4 . 50 ‚Dr. G. Schwalbe, polare Zellen vor? Bei den Fischen ist das Vorkommen bipolarer Zellen sicher constatirt. Dieselben scheinen hier den grössten Theil des Spinalganglions zu bilden. Anders ist es bei den übrigen Wir- belthieren. Nach den übereinstimmenden Untersuchungen aller neueren Forscher sind bei letztgenannten Thieren die Spinalganglienzellen unipolar. Mit diesem Resultate sind auch meine Beobachtungen im Einklang. Mir sind während einer langen Reihe von Untersuchungen nur zwei spinale Ganglienzellen von Säugethieren mit zwei Fort- sätzen vorgekommen, die eine in einem Spinalganglion des Schafes, die andere im Ganglion Gasseri des Kalbes. In diesen beiden Fällen waren die Fortsätze nach einer Seite gerichtet und entsprangen dicht neben einander, etwa in der Weise, wie Bidder in seiner schon oben eitirten Abhandlung dies auf Tafel I, Fig. 3 abbildet. Alle Zellen, die mir sonst bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Am- phibien zur Beobachtung kamen, zeigten nur einen Fortsatz. Ich muss also die Unipolarität der Spinalganglien bei den genannten Thie- ren für das Gewöhnliche halten. Die Unipolarität der Zellen vorausgesetzt sind nun in Betreff des Faserverlaufs innerhalb der Spinalganglien drei Möglichkeiten denkbar: Entweder ziehen alle Ganglienzellenfortsätze nach der Peripherie oder 2) sie verlaufen alle central oder 5) es ver- laufen nur einige central, während die anderen nach der Peripherie streben. In der Entscheidung dieser Frage beruht die Hauptschwierig- keit der Erkenntniss des Baues der Spinalganglien. Gehen wir auf jeden der möglichen Fälle genauer ein, so kön- nen wir sogleich den zweiten als unhaltbar ausschliessen. In der That ist nichts leichter zu zeigen, als dass nicht alle aus Ganglienzellen entspringenden Fasern central verlaufen können. Dies wurde schon vor mehr als zwanzig Jahren durch die genauen Zählungen der Fasern und durch die Messungen von Bidder und Volkmann!) widerlegt, indem diese Forscher zu dem Resultate- kamen, dass viel mehr Nervenfasern aus dem Spinalganglion aus- treten, als mit der sensibeln Wurzel eintreten, ferner dass der aus- tretende Nervenstamm sich dicker zeigt, als der eintretende. Auch ich kann die Richtigkeit dieser Thatsache bestätigen; natürlich sind Säugethiere, wenigstens die grösseren, ungeeignete Objecte zur Ent- 1) Die Selbständigkeit des sympathischen Nervensystems durch anato- mische Untersuchungen nachgewiesen. Leipzig 1842. Ueb.d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 51 scheidung dieser Frage; so haben denn auch Bidder und V olk- mann ihre Zählungen und Messungen am Frosch vorgenommen. Ausser dem Frosch habe ich namentlich bei der Eidechse dieses Ver- halten sehr deutlich ausgesprochen gefunden, und war hier die ein- tretende sensible Wurzel 0,149 Mm. breit, während der austretende Stamm beinahe das Doppelte maass, nämlich 0,249 Mm. Wenn man noch hinzurechnet, dass der letztere auch dicker, als der eintretende Stamm ist, so tritt der Unterschied noch schärfer hervor. Bei Säugethieren lassen sich leider keine auch nur a genauen Messungen anstellen, da die sensible Wurzel hier in mehrere Stämmchen zerspalten in das Ganglion eintritt. Dass nun die Dicken- zunahme des austretenden Stammes nicht etwa auf einer reichlicheren Ansammlung von Bindegewebe, sondern nur auf Vermehrung der Nervenfasern beruht, lässt sich ebenfalls überall leicht constatiren, Es folgt demnach hieraus, dass in jedem Spinalganglion eine sehr beträchtliche Anzahl von Nervenfasern ihren Ursprung nimmt und peripherisch verlaufen muss. Damit ist denn auch die eine der drei oben aufgestellten Möglichkeiten, es möchten alle Fasern central verlaufen, widerlegt. Es bleibt also nur noch übrig, darüber zu entscheiden, ob alle aus den Ganglienzellen entspringenden Fasern peripherisch oder ob auch einige centräl verlaufen. Letzteres ist, wie erwähnt, die An- sicht Axmann’s.. Wenn nun wirklich aus den Spinalganglienzellen entspringende Fasern central verlaufen sollten, so könnten dies offen- bar nach den oben angeführten Thatsachen nur sehr wenige sein. Meiner Meinung nach verlaufen aber alle »gangliospinalen« Fasern peripherisch, und stütze ich mich dabei auf folgende Thatsachen. Macht man durch ein Spinalganglion des Frosches einen Längs- schnitt, so sieht man, wie Fig. 16, Taf. IV zeigt, die Ganglienzellenmasse an der sensibeln Wurzel einseitig anliegen; die Fasern der letzteren ziehen an jener vorbei und lassen nur hier und da einige versprengte‘ Nervenzellen erkennen. Die Hauptganglienmasse setzt sich anfangs sehr scharf vom sensibeln Stamme ab und verschmilzt erst weiter peripherisch mit diesem zu einem einheitlichen Ganzen. Dies geschieht aber, wie man an ‚dem Schnitte sehr gut sehen kann, nicht etwa dadurch, dass die gangliospinalen Fasern in die durchtretenden Fa- serbündel eintreten und zwischen diesen central verlaufen, sondern, wie man sieht, strahlen sämmtliche Nervenfasern in peripherischer Richtung aus und schliessen sich einfach in ihrem weiteren Verlauf 59 Dr. G. Sehwalbe, ‘ dem austretenden Stamme an. Noch überzeugender lässt sich der ausschliesslich peripherische Verlauf der gangliospinalen Fasern an den Spinalganglien der Eidechse nachweisen, welche man, nachdem man sie durch verdünnte Natronlauge aufgehellt hat, in toto unter dem Mikroskop betrachtet (Fig. 17). Auch hier ist der austretende Stamm viel breiter, auch hier schliessen- sich die gangliospinalen Fasern in ausschliesslich peripherischer Richtung dem sensibeln Stamme an. Der Verlauf dieser Fasern ist nun aber ein nicht so einfacher, wie er, um die Deutlichkeit des Bildes nicht zu stören, in den bei- den Figuren dargestellt ist. Es lassen sich im Verlauf derselben vielmehr zwei Abschnitte unterscheiden. Jede Faser ist von ihrem Ursprung aus der Ganglienzelle an, bis sie durch die Hauptmasse der anliegenden Nervenzellen hindurchgedrungen ist, zunächst eine sogenannte umwindende Faser, d. h. sie biegt sich in mannig- fachen Krümmungen um die einzelnen Ganglienzellen herum, um- windet dieselben theilweise. Dies ist auch der Grund, wesshalb es so schwer hält, die Nervenzellen mit ihren Fasern auf weite Strecken zu isoliren; die mannigfach gekrümmten Fasern brechen sehr leicht ab. Auf dem zweiten Abschnitte ihres Weges kann man die Faser als gerade bezeichnen; sie geht dann in ziemlich gerader Richtung peripherisch, um sich den durchtretenden sensibeln Fasern anzu- schliessen. Eine Folge des anfangs so mannigfach gewundenen Verlaufs der gangliospinalen Fasern ist es nun auch, dass man an den Spinal- ganglien der meisten Thiere Mühe hat, sich über ihren weiteren Ver- - lauf zu orientiren. In dieser Beziehung ist gerade die Eidechse ein besonders günstiges Objeet. Die Kleinheit des Ganglions gestattet es hier, alle Verhältnisse mit genügender Klarheit zu übersehen. Man überzeugt sich, dass die umwindenden Fasern, soweit man sie überblicken kann, alle nach der Peripherie umbiegen. Ich habe mir die sorgfältigste Mühe gegeben, auch einmal eine central verlaufende Faser aufzufinden, aber nie ist mir dies gelungen. Immer stellte es sich heraus, wenn wirklich einmal eine Faser anfangs central verlief, dass sie bald umbog, also einen mit der Convexität nach dem Cen- trum gerichteten Bogen bildete und peripherisch den übrigen Fasern sich anschloss. Dies ist besonders deutlich zu sehen an den Spinal- sanglien des Meerschweinchens, die man nach Behandlung mit ver- dünnter Kalilauge ebenfalls noch ganz unter dem Mikroskop be- trachten kann. Ueb. d. Bau d. Ganglienzellen n. Bemerk. ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 53 Wenn schon aus den oben angeführten Thatsachen mit grosser Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass alle gangliospinalen Fasern peripherisch verlaufen, so wird diese Wahrscheinlichkeit fast zur Ge- wissheit erhoben durch ein Experiment, dass man beim Frosch an dem grossen Spinalganglion des für die vordere Extremität bestimm- ten dicken Nervenstammes leicht ausführen kann. Fasst man diesen Nervenstamm mit einer fest schliessenden Pincette und zieht ihn stark an in der Richtung nach der Peripherie, so gelingt es oft, denselben aus dem Rückenmark herauszuziehen, und, was das Wichtigste in diesem Falle ist, es sitzt das Spinalganglion ganz intact, nur von seiner bindegewebigen Hülle entblösst, noch dem Nervenstamme an. Wenn von den Spinalganglienzellen aus ein Theil der Fasern central verliefe, so würde bei jenem Verfahren offenbar das Ganglion ver- letzt werden müssen. Es geht nun gewiss so viel aus dem Angeführten hervor, dass es jedenfalls eine gewungene, sich auf keine positive Beobachtungen stützende Annahme ist, zu behaupten, es verliefen gangliospinale Fasern central. Die einzig natürliche und durch alle Beobachtungen gestützte Annahme ist die, dass man im Spinalganglion zwei völlig getrennte Fasersysteme zu unterscheiden hat: 1) das System der durchtretenden sensibeln Fasern, 2) das System der aus den Spinal- ganglienzellen entspringenden Fasern, die ich nach dem Vorgange vonAxmann als gangliospinale bezeichne, und dass letztere sämmt- lich in peripherischer Richtung sich den ersteren anschliessen und früher oder später mit ihnen innig mischen zu einem gemeinsamen Nervenstamm. Hiermit haben wir zugleich den Grundriss des Baues sämmt- licher Spinalganglien der Wirbelthiere von den Amphibien an auf- wärts gegeben, und es bleibt uns nun noch übrig, zu zeigen, wie sich diese so einfachen Verhältnisse namentlich bei den grösseren Säugethieren zu so verworrenen Bildern compliciren, wie wir dies z.B. auf Längsschnitten der Spinalganglien des Kalbes sehen. Man kann drei Grade der Complication annehmen. Die einfachsten Ver- hältnisse finden sich bei den Amphibien und Reptilien. Frosch und Eidechse sind Beispiele dafür. Hier liegt die Ganglienmasse nur einseitig den sensiblen Fasern an; letztere weichen kaum von der geraden Richtung ab und nehmen desshalb nur sehr spärliche Gang- lienzellen zwischen sich. Fig. 16 vom Frosch und Fig. 17 von der Eidechse veranschaulichen diese Verhältnisse. Die Ganglien der . 54 Dr. G. Schwalbe, Eidechse unterscheiden sich nur darin von denen des Frosches, dass bei jenen der Breitendurchmesser die übrigen Durchmesser an Grösse übertrifft, während beim Frosch alle drei Durchmesser wesentlich gleich sind. Der einfache sensible Stamm bildet bei beiden Thieren eine Masse und zerfällt nicht in mehrere gesondert eintretende sen- sible Bündel. Wesentlich complicirter sind die Verhältnisse bei den kleineren Säugern. Hier treten immer mehrere (bis acht) gesonderte sensible Stämmchen ein. Zugleich liegen dieselben aber nicht bloss der einen Seite der Ganglienmasse an, sondern werden von allen Seiten von derselben umgeben, wie man auf Querschnitten z. B. von Spinal- ganglien des Kaninchens leicht erkennen kann. Doch liegen auf der hinteren oder dorsalen Seite immer mehr Ganglienzellen, als auf der vorderen oder ventralen. Sodann bleiben die durchtretenden Bündel innerhalb des Ganzlions auch nicht zu einem Stamme vereinigt, sondern viele Fasern weichen seitwärts von der geraden Richtung ab, nehmen Ganglienzellen zwischen sich und vereinigen sich in ihrem weiteren peripherischen Verlauf entweder wieder mit dem Bündel, mit welchem sie eintraten, oder sie schliessen sich, um auszutreten, einem benachbarten Bündel an. Es kommen dadurch schon vielfach sich kreuzende Faserrichtungen zu Stande. Dazu kommt dann noch, dass auch die gangliospinalen Fasern hier einen complicirteren Ver- lauf haben und sich z. B. nicht immer dem benachbarten durch- tretenden Bündel anschliessen, sondern ein entfernter liegendes auf- suchen, um mit diesem in peripherischer Richtung weiter zu ver- laufen. Auf dem Querschnitt erscheint ein solches Ganglion jedoch noch sehr einfach. Derselbe ist elliptisch, und man erkennt längs einer Linie innerhalb desselben, welche mit der grossen Axe parallel verläuft, die Querschnitte der durchtretenden Nervenbündel, während die peripherischen Theile des Querschnitts überwiegend aus Gang- lienzellen bestehen, zwischen denen man natürlich die zahlreichen umwindenden Fasern bemerkt. Die höchste Complication erreichen die Verhältnisse bei den grösseren Säugethieren, von denen ich Kalb und Schaf unter- suchte. Es begegnet uns hier namentlich auf dem Längsschnitt ein solches Fasergewirr, dass wir uns in der That gar nicht zurecht finden würden, hätten wir uns nicht zuvor an kleineren Spinalganglien orientirt. Man betrachte nur Fig. 20, welche einen Längs-Dicken- schnitt durch ein Spinalganglion des Kalbes vorstellt. Man findet - Ueb. d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 55 hier sowohl quer und schief durchschnittene Faserzüge, als solche, ‘welche innerhalb der Ebene des Schnittes in allen möglichen Rich- tungen verlaufen ; die Ganglienzellen liegen bald haufenweise zu- sammen, bald zwischen die Faserzüge eingesprengt. Hier orientirt uns allein der Querschnitt. Er zeigt uns, dass ein solches Spinal- ganglion als ein Complex von Ganglien der zweiten vorhin beschrie- benen Kategorie aufzufassen ist. Auch hier treten mehrere sensible Nervenstämmchen ein. Ich zählte z. B. beim Kalb sieben solcher grösse- rer Bündel. Aber jedes derselben zeigte sich schon vor dem Eintritt in das Ganglion auf dem Querschnitt als aus drei bis vier secundären -Bündeln bestehend, die nun innerhalb des Ganglions ein jedes für sich die Verhältnisse wiederholen, die wir bei den Ganglien der zweiten Kategorie fanden. Ein jedes dieser Bündel umgibt sich ge- sondert mit Ganglienzellen, kann aber auch Fasern zu benachbarten oder entfernteren Bündeln schicken. Ebenso können die ganglio- spinalen Fasern entsprechend den oben geschilderten Verhältnissen den mannigfachsten Verlauf zeigen. Fig. 19 habe ich ein solches quer- durchschnittenes Bündel mit seinen umgebenden Ganglienzellen mög- lichst getreu abgebildet. Man erkennt, dass hier ein solches Bündel wesentlich so gebaut ist, wie ein ganzes Spinalganglion der kleineren Säugethiere. Solcher »secundärer Ganglien«, wie man sie nennen könnte, findet man nun auf dem Querschnitt gegen zwanzig; da- zwischen kommen noch grössere oder kleinere Nervenbündel vor, die nur wenige oder keine Nervenzellen führen. Dies kommt daher, dass nicht alle Nervenstämmchen sich gleichzeitig mit Ganglienzellen mischen, sondern die einen früher, die anderen später; erstere zeigen sich dann auch wieder früher vollkommen frei von denselben. Bei einem solchen Gewirr von Ganglienzellen und Nervenfasern scheint es fast unmöglich, sich zu überzeugen, dass auch hier die sangliospinalen Fasern peripherisch ziehen. Indessen gelingt es doch zuweilen durch Abschälen einiger besonders hervorspringender Gang- lienkörnchen Bilder zu erhalten, wie Fig. 18. Es stammt dies Prä- parat vom Kalbe und wurde, um den Faserverlauf besser zu erkennen, wieder mit verdünnter Kalilauge behandelt. Man nimmt auch hier ohne Mühe denselben Bau wahr, wie er sich bei kleineren Thieren so leicht erkennen lässt; a ist ein durchtretendes Stämmchen, b das- selbe weiter nach der Peripherie zu, nachdem es sich durch die aus den anliegenden Ganglienzellen entspringenden Fasern verstärkt hat. Der verschlungene Verlauf der gangliospinalen Fasern ist hier angedeutet. 56 Dr. G. Schwalbe, Indem ich nunmehr zum zweiten Theil meiner Aufgabe, näm- lich zur Anführung meiner auf die feinere Structur der Ganglien- zellen bezüglichen Beobachtungen übergehe, hätte ich zuerst des von Fraentzel!) kürzlich beschriebenen »Epithels der Ganglien- zellen« zu gedenken. Ich kann hier, was die Thatsachen anbetrifft, einfach auf die vollkommen richtige Beschreibung von Fraentzel verweisen. Auch mir ist es gelungen, durch Anwendung der von Fraentzel empfohlenen Methoden mich von der Existenz einer epithelartigen Auskleidung der Ganglienzellenscheiden zu überzeugen, und muss ich noch besonders hervorheben, dass schon die Kerne derselben sich anders verhalten, als die des umgebenden Bindege- webes; denn während letztere eliiptisch sind, zeigen sich erstere immer als runde Scheiben und stehen viel dichter, als die des inter- stitiellen Bindegewebes. Besonders deutliche Bilder erhielt ich bei Anwendung der kürzlich von Gerlach angegebenen modificirten Cohnheim’schen Goldchlorid-Methode. Bei allen diesen Methoden muss man sich aber davor hüten, dass man nicht die Zeichnungen, welche durch das zackige Ein- schrumpfen der Ganglienzellen entstehen, mit dem epithelialen Belag verwechselt. Es können dadurch oft täuschend zellenähnliche Zeich- nungen vorgespiegelt werden, in denen dann auch runde Kerne er- scheinen können. Bei genauer Einstellung überzeugt man sich aber davon, dass die Kerne nur scheinbar innerhalb dieser Zeichnungen liegen, dass sie in Wahrheit zum wirklichen epithelartigen Belag gehören. Während nämlich in Folge der Einwirkung des doppelt- chromsauren Kalis die Ganglienzellen schrumpfen, bleibt der Zellen- belag an der Scheide unmittelbar anliegen, und dies entspricht auch vollkommen den Verhältnissen im frischen Zustande. Denn niemals gelingt es, eine Ganglienzelle aus einem Spinalganglion eines Säuge- thiers mit Fortsatz und Scheide zugleich glatt zu isoliren. Immer erhält man hüllenlose Nervenzellen, auf denen freilich noch Reste der Scheide und des anstossenden Bindegewebes haften können. Im Ganzen ist Letzteres jedoch selten. Wenn ich mich somit in allen wesentlichen Puncten der Be- schreibung von Fraentzel anschliesse, so kann ich ihm doch nicht darin beistimmen, dass er diese Bildungen als »Epithel der Gang- 1) Beitrag zur Kenntniss von der Structur der spinalen und sympathi- schen Ganglienzellen. Virchow’s Archiv. Bd. 38. Ueb.d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü.d. sympathischen Ganglienzellen, 57 lienzellen« bezeichnet. Meiner Meinung nach ist dies sogenannte Epithel in eine Kategorie zu bringen mit dem »Epithel« der Blut- capillaren und Lymphgefässe, welches von His mit Recht von den eigentlichen Epithelien unterschieden und mit dem besonderen Namen des Endothels belegt wird. Ich verweise in dieser Beziehung auf die Auseinandersetzungen in der bezüglichen Arbeit von His !). Wir haben es hier also mit wesentlich endothelialen Bildungen zu thun. Die Scheide der Ganglienkugel besteht lediglich aus endothelialen Plätt- chen, die sich aber innig dem begrenzenden Bindegewebe anlegen, da sie nur eine Grenzschicht desselben darstellen. Diese Auffassung scheint auch Kölliker ?) zu theilen, indem er die betreffenden Zel- len ebenfalls mit denen der Capillaren vergleicht. Auch ihm gelang es, an den Ganglienzellen der Spinalganglien der Säugethiere sich vom Vorhandensein dieses zelligen Belags zu überzeugen. Die eben besprochenen Verhältnisse liessen sich nun bei allen Säugethieren, die ich untersuchte, und auch bei den Vögeln, von denen ich freilich nur die Taube mit in den Kreis meiner Unter- suchung gezogen habe, sowohl an den sympathischen, als spinalen Ganglienzellen mit Leichtigkeit nachweisen. Nur in der Zahl und Grösse der_ runden Endothelkerne im Umkreise einer Ganglienzelle fanden sich Unterschiede, wie sie eben durch die ungleiche Grösse der Nervenzellen bei den verschiedenen Thieren bedingt sein mussten. Wesentlich anders verhält sich aber die Sache beim Frosch. Wäh- rend sich nämlich, wie schon erwähnt, bei den höheren Wirbelthieren die Ganglienzellen sowohl des Sympathicus als der Spinalganglien stets nur ohne Hülle isoliren lassen, isoliren sich die des Frosches wenigstens eben so leicht mit Hülle, als ohne dieselbe. Es scheint hier also der Zusammenhang der innersten Ganglienzellenscheide mit dem anstossenden Bindegewebe ein nicht so inniger zu sein, als bei den Vögeln und Säugethieren. Dies ist jedoch nicht der einzige Unterschied. Die zarte Hülle lässt beim Frosch keinen Zer- fall in epithelähnliche Plättchen erkennen und enthält nur sparsame Kerne, die zuweilen, und zwar an den sympathischen Zellen häufiger, als an den spinalen, ganz fehlen können. Dies gilt jedoch für die Scheide nur so weit, als sie die Ganglienzelle selbst überzieht. Beim Uebergang in die Scheide der Nervenfaser finden sich auch hier 1) Ueber die Häute und Höhlen des Körpers. Basel 1865. 2) Gewebelehre. 5. Aufl. 1867. p. 251. 58 i Dr. G. Schwalbe Bilder, die vielleicht auf eine endotheliale Bildung zu deuten sind. Kollmann und Arnstein!) erwähnen bei Besprechung der Art und Weise des Abgangs der Spiralfaser vom Körper der Ganglien- zelle eine feinkörnige Masse mit Kernen am Grunde der Zelle, da wo die gerade Faser eintritt, und bilden dieselbe auch an einigen Zellen ab. Sie glauben aber, dass diese Kerne der sich hier ent- wickelnden und zahlreiche Touren beschreibenden Spiralfaser zukom- men. Wenn nun auch in der That öfter nur wenige quergestellte Kerne hier vorkommen, sodass man sich an jene Forscher anschlies- sen könnte, so findet man doch andererseits nicht selten eine reich- liche Kernbildung, die ziemlich weit den Stiel herabreichen kann, wie Fig. 8 zeigt, welche eine derartige sympathische Ganglienzelle vom Frosch darstellt. Die Kerne stehen hier ziemlich regelmässig und dicht beisammen, so dicht, dass man in diesem Falle kaum die Art und Weise des Eintritts der geraden Nervenfaser in die Gang- lienzelle erkennen konnte. Die Kerne sind zugleich etwas eckig, was aber möglichenfalls der Einwirkung einer dünnen Chromsäure- lösung, womit die Zelle behandelt wurde, zuzuschreiben ist. Wenn man solche Bilder sieht, ist man in der That versucht, sie mit dem Befunde der Ganglienzellenscheiden bei den Säugethieren zu paralle- lisiren. Nur ist es mir nicht gelungen, deutliche Zellengrenzen zwischen den Kernen nachzuweisen. Allein dies gelingt bei manchen Säugethieren auch nicht mehr, trotzdem dass die Anordnung der Kerne sonst vollständig der beim Kalbe und Schafe gleicht. Wir können demnach nicht anstehen, diese Bildungen für Andeutungen eines Epithels zu halten, wie dies auch schon Fraentzel?) andeutet. Schliesslich muss ich noch anführen, dass ausser Robin und R. Wagner, die Fraentzel citirt, auchnochRemak°) in seinen Schriften ein »Ganglienzellenepithel« erwähnt. Er sagt nämlich von der Scheide der sympathischen Ganglienzellen: »Die Scheide der letzteren besteht, wie in den Spinalganglien, aus einer weichen Zellenschicht und einer festen Membran.« Deutliche Abbildungen der runden endothelialen Kerne finden sich sodann in einer älteren Abhandlung von Valentin *) und in der allgemeinen Anatomie von 1) Die Ganglienzellen des Sympathieus. Zeitschr. f. Biologie. Bd. II. p. 285. 2) 1. c. p. 9 des Separatabdrucks. 3) Ueber multipolare Ganglienzellen. p. 3. des Separatabdrucks. 4) Ueber die Scheiden der Ganglienkugeln und deren Fortsetzungen. Müller’s Archiv 1839. p. 145. Ueb. d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 59 Henle !. Endlich finden sich sogar über die Entwicklung dieser Gebilde schon Angaben in der Dissertation von Schramm ?), der die innere Ganglienzellenscheide aus spindelförmigen Zellen entstehen lässt, die später zu Plattenzellen auswachsen. Ich kann jetzt zur Besprechung der Ganglienzellen selbst über- gehen, die ich meist frisch in Jodserum untersuchte; doch habe ich auch die verschiedensten anderen Isolationsmethoden versucht, ohne dabei wesentliche Vortheile zu erzielen. Nur an Schnitten, die frisch in Ueberosmiumsäure von !/4-—!/s °/o gelegt wurden, lassen sich die einzelnen Zellen ebenso intact erhalten, wie in Jodserum und dabei leicht isoliren. Eine fibrilläre Structur, wie sie M. Schultze?°) und Deiterst) von den centralen Ganglienzellen beschreiben, lässt sich auch an manchen spinalen und sympathischen gegen den Austritt der Nervenfasern hin erkennen, am besten an den multipolaren Zellen des Säugethier-Sympathicus. In einer kürzlich erschienenen Arbeit bespricht Jolly °) diese fibrilläre Structur der centralen Ganglien- zellen und glaubt, dass sie eine Folge der Einwirkung der dünnen Chromsäure-Lösungen sei. Alles, was.im frischen Zustande körnig oder gestrichelt erscheint, will er lieber auf eine Unregelmässigkeit der Oberfläche, als auf eine weitere Differenzirung des Inhalts deuten. Diese Deutung ist wohl etwas künstlich ; auch lässt sich sehr leicht nachweisen, dass jene körnigen und gestrichelten Partieen in der That in der Substanz der Ganglienzelle liegen. Wenn die Striche- lung durch die Einwirkung dünner Chromsäure-Lösungen deutlicher wird, so liegt hier dieselbe Wirkung vor, wie z. B. bei der Behand- lung der marklosen Nervenfasern mit demselben Reagens, in Folge dessen bekanntlich hier die fibrilläre Structur sehr deutlich wird. Meiner Meinung nach müssen wir also auch in jener feinen Stri- chelung eine eigenthümliche Anordnung der Ganglienzellsubstanz erkennen. Während nun diese fibrilläre Strichelung am Abgang der Fort- 1) Tafel IV Fig. 7A. 2) Neue Untersuchungen über den Bau der Spinalganglien. Würzburg 1864. p. 12. Siiksc: P. XV. 4)... c. p..58. 5) Ueber die Ganglienzellen des Rückenmarks. Zeitschr. f. wissensch, Zoologie 1867. 04 60 Dr. G. Schwalbe, sätze in den multipolaren Zellen die gewöhnlichste ist, findet sich eine andere Art der Differenzirung der Substanz besonders in den Zellen der Spinalganglien. Dieselbe ist hier nämlich mehr oder weniger deutlich concentrisch um den Kern angeordnet. Von Wich- tigkeit ist, dass sich dies Verhältniss auch im ganz frischen Zustande nachweisen lässt ; doch zeigen nicht alle Zellen dasselbe gleich deut- lich. Am deutlichsten zeigt sich diese Anordnung bei gewissen wir- bellosen Thieren. So erwähnt Leydig!) dieselbe von den Ganglien- kugeln des Dytieus, der Loeusta, des Blutegels; Walter?) beschreibt sie vom Flusskrebs und Limnaeus stagnalis. Auch ich habe bei den wirbellosen Thieren diese Verhältnisse am deutlichsten gefunden und kann in dieser Beziehung namentlich die grossen Zellen des unteren Schlundganglions von Limax empiricorum empfehlen, von denen ich in Fig. 15 eine Abbildung gebe, an welcher man die concentrische Strichelung sehr deutlich erkennt. Das Ganglion wurde frisch in Jodserum untersucht. Es sei mir hier gestattet, noch kurz einer auffallenden Erschei- nung zu gedenken, die ich einmal an einigen Spinalganglienzellen des Maulwurfs fand. Ich bemerkte nämlich in denselben mehrere helle elliptische Räume, die neben dem deutlich sichtbaren Kern in der Zelle lagen und sich bei genauerer Betrachtung als Vacuolen zu erkennen gaben, wofür der helle wasserklare Inhalt mit dem für Vacuolen so charakteristischen mattröthlichen Aussehen sprachen. In Fig. 4 B ist eine solche Zelle mit drei Vacuolen abgebildet. Ob dieselben in den Ganglienzellen beim Maulwurf eine weitere Ver- breitung haben, muss ich unentschieden lassen. Möglich ist es auch, dass ich es hier mit einer Leichenerscheinung zu thun hatte, da das betreffende Thier nicht mehr ganz frisch war. Aber selbst dann bleibt diese Vacuolen-Bildung eine eigenthümliche Erscheinung, die meines Wissens sonst noch nicht beobachtet ist. Was ferner den Kern der Ganglienzelle betrifft, so habe auch ich öfter eine radiäre Anordnung seiner Substanz, wie sie Kölliker?) beschreibt, constatiren können, und zwar nimmt dieselbe hier das Kernkörperchen zum Mittelpuncte. Dass aber diese Streifung nicht 1) Vom Bau des thierischen Körpers. p. 85. 2) Mikroskopische Studien über das Centralnervensystem wirbelloser Thiere. Bonn 1863. 8) 1. c. p. 254. eb. d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk, ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 61 in Zusammenhang zu bringen ist mit Fasern, die vom Kernkörper- chen ausgehend zu Nervenfasern werden, wie dies Frommann!) annimmt, muss ich schon hier ausdrücklich betonen. Das Vorkommen zweier Kerne ist, abgesehen von den sym- pathischen Zellen des Kaninchens und Meerschweinchens, die ich so- gleich besprechen werde, wohl äusserst selten. Zwar sagt Kölliker?), Nervenzellen mit mehrfachen Kernen seien bei jungen Thieren häufig, bei erwachsenen dagegen sehr selten; allein meiner Meinung nach sind dieselben auch bei jungen Thieren selten genug. Ich habe gerade das Kalb auf diese Verhältnisse genau untersucht und habe nie das Glück gehabt, eine zweikernige Zelle zu finden. Auch Rindsembryo- nen, die mir von verschiedenen Entwicklungsstadien zu Gebote stan- den, zeigten in ihren Ganglienzellen immer nur einen Kern. Es ist desshalb wohl auch noch etwas verfrüht, Theilungen der Gang- lienzellen wegen des öfteren Vorkommens zweier Kerne anzunehmen, zumal die Verhältnisse beim Kaninchen, auf die ich nunmehr über- gehe, auf einen wesentlich anderen Entwicklungsmodus hinweisen. Das Vorkommen dieser zweikernigen Zellen im Sympathicus des Kaninchens wurde neuerdings von Guye?°) besonders hervor- gehoben, obgleich derselbe nicht der erste ist, welcher dieselben be- schreibt. Dies ist vielmehr Remak, der auf Tafel II Fig. 15 seiner Observationes anatomicae et microscopicae de systematis nervosi structura (Berolini 1838) von den Zellen des Kaninchensympathicus schon sehr deutliche, freilich bei schwacher Vergrösserung entworfene Abbildungen gibt und in seiner Beschreibung auch des Vorkommens zweier Kerne gedenkt. Während nun Remak die betreffenden Zellen mit mehreren Fortsätzen zeichnet, spricht Guye nur von bipolaren Zellen. Ich kann mich nur Remak anschliessen, indem ich gefunden habe, dass man bei sorgfältiger Isolirung hier immer schöne multipolare Zellen erhält, deren Fortsätze jedoch leider nur auf kurze Strecken zu erhalten sind und auch leicht schon am Zel- lenkörper selbst abreissen. Es gibt kaum ein zierlicheres Bild, als diese feinkörnigen vielstrahligen, mit je zwei grossen klaren runden oder ellipsoidischen Kernen ausgestatteten Ganglienzellen. Jeder 1) Virchow’s Archiv. Bd. 31. 2) 1. e. p.-255. 3) Die Ganglienzellen des Sympathicus beim Kaninchen. Med. Central - blatt 1866. N. 56. p. 881. 62 Dr. G. Schwalbe, Kern kann zwei oder mehr Kernkörperchen enthalten. Eine grössere Zahl derselben ist hier ziemlich häufig. Nicht richtig ist es, wenn Guye immer nur von bipolaren Ganglienzellen analog denen der Fische redet. Man erhält bei der Isolation zwar oft nur zwei Fort- sätze, ebenso oft aber mehr, bis sechs, und in ersterem Falle sieht man immer deutlich, dass Fortsätze abgerissen sind. Ich gebe in Fig. 10, 11 und 12 Abbildungen mehr oder weniger intact erhaltener Zellen, die die betreffenden Verhältnisse erläutern. _ Guye lässt fer- ner jeden seiner Forsätze mit einem Kern zusammenhängen und be- zeichnet demgemäss letztere als »Kernplatten«. Ich habe nie trotz der sorgfältigsten darauf verwendeten Untersuchung sowohl im fri- schen Zustande, als nach Anwendung der verschiedensten Reagentien etwas Derartiges finden können. Bei erwachsenen Kaninchen finden sich im Sympathieus nur zweikernige Zellen mit Ausnahme einiger weniger einkerniger wirk- lich bipolarer Zellen im Stamm des Grenzstranges, die mit Remak’- schen Fasern in Verbindung stehen. Diese Zellen sind äusserst blass und zart, sehr vergänglich und entgehen leicht der Beobachtung, zumal sie auch bedeutend kleiner sind, als die zweikernigen. Es gelang mir einmal, sie gut zu isoliren und ihren Zusammenhang an ‘ beiden Polen mit Remak’schen Fasern unzweifelhaft nachzuweisen. Am Uebergang einer solchen Faser in die Zelle findet sich immer eine feinkörnige, mehrere dunkle, scharf contourirte, runde Kerne ent- haltende Anschwellung (Fig. 13). Wöhrend dies nun die einzigen einkernigen Zellen sind, die im Sympathicus erwachsener Kaninchen vorkommen, und diese noch dazu auf den Stamm beschränkt sind, finden sich in den sympathischen Ganglien junger Thiere ausser den gewöhnlichen zweikernigen multipolaren Zellen noch zahlreiche ein- kernige, welche sich aber nur durch den Mangel des zweiten Kernes von . jenen unterscheiden ; nur sind sie etwas zarter und lassen sich schwerer isoliren. Ich habe desshalb auch noch nicht die Anzahl ihrer Fort- sätze sicher ermitteln können, glaube aber, dass auch diese Zellen multipolar sind. Soviel scheint nun aber aus diesen allerdings un- vollständigen Angaben hervorzugehen, dass sich im Sympathicus des Kaninchens zweikernige Zellen erst aus einkernigen entwickeln und dass also erstere hier nicht auf beginnende Zellentheilung zu deuten sind. Was die Art der Entstehung der zweikernigen aus den ein- kernigen Nervenzellen betrifft, so könnten dieselben entweder durch einfache Theilung des ursprünglich einfachen Kernes entstehen, oder ° Ueb.d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 63 es könnten zwei einkernige Zellen zu einer zweikernigen verschmelzen. Welche von diesen Annahmen die richtige ist, müssen künftige Unter- suchungen lehren. Ich habe nun im Sympathicus der verschiedensten Thiere nach zweikernigen Zellen gesucht und habe bis jetzt nur noch beim Meer- schweinchen deren gefunden. In der That gleichen hier die Ver- hältnisse ganz den beim Kaninchen beschriebenen. In Fig. 14 gebe ich eine Abbildung von einer multipolaren zweikernigen Zeile aus dem Sympathicus des Meerschweinchens, deren Kerne resp. drei und zwei Kernkörperchen enthalten. Möglich ist es, dass man noch bei anderen Nagern Aehnliches beobachtet. Was endlich das Kernkörperchen betrifft, so will ich nur darauf aufmerksam machen, dass dasselbe öfter, als man wohl bisher annahm, zu zweien in einem Kerne vorkommt. So findet man nament- lich bei jungen Kälbern oft die Hälfte der Zellen mit zwei Kern- körperchen. Auch mehr als zwei derselben sind keine Seltenheit (Fig. 3 und Fig. 14). In diesem Falle findet man öfter, dass die Kernkörperchen keine kugelrunde, sondern eine eckige Gestalt be- sitzen und sich sehr in ihrer Grösse unterscheiden. Körner im Kern- körperchen sind nicht selten. Ich kann denselben aber keine weitere Bedeutung zuschreiben, am wenigsten, wie Frommann, dieselben für optische Querschnitte feinster Kernkörperchenfäden halten. Ich erkläre sie einfach für dichtere Stellen innerhalb der compacten Kernkörperchensubstanz; wenigstens konnte ich bei den von mir untersuchten Wirbelthieren darin keine Vacuolen erkennen, was je- doch im unteren Schlundganglion von Arion empiricorum sehr leicht gelang. Hier besitzen die Ganglienzellen sehr grosse feingranulirte Kerne, die bis gegen acht ausgebildete runde Kernkörperchen ent- halten können, deren jedes in seinem Centrum eine helle Vacuole birgt (Fig. 15). Die Vacuole wächst mit der Grösse der Kernkör- perchen. Letztere scheinen hier durch partielle Verdichtung der Kernsubstanz zu entstehen. Wenigstens sieht man ausser den deut- lich als solche zu erkennenden Nucleolis mehrere dunkle Puncete in der Substanz des Nucleus und zwar von verschiedener Grösse, sodass man von den kleinsten Körnern bis zum kleinsten deutlich ausge- prästen Nucleolus alle Uebergänge beobachten kann. Die Vacuolen- bildung findet dann im Laufe des Wachsthums dieser Gebilde statt. Eine eingehendere Besprechung verdienen die zuerst von Har- 64 Dr. @. Schwalbe, less!), Lieberkühn?), Axmann?) und G. Wagener), so- dann neuerdings wieder von Arnold 5) gemachten Angaben über den Zusammenhang des Axencylinders der »geraden Faser« mit dem Kernkörperchen der Ganglienzelle, für welche in neuester Zeit Koll- mann und Arnstein®), Guye”), Bidder®) und Jolly?) sich günstig aussprachen. Hieran muss sich dann die Besprechung des von Arnold und Gourvoisier !P) beschriebenen Netzes vom Kern- körperchen ausgehender feiner Fasern, sdwie der von Arnold und Beale!!) entdeckten Spiralfasern schliessen. Ueber die hierher gehörigen Angaben Guye’s habe ich schon oben mein Urtheil abgegeben. Was die Angaben Jolly’s betrifft, so bestätigt derselbe im Wesentlichen die Beobachtungen von Dei- ters, während er die von Frommann beschriebenen Kernröhren - und Kernkörperchenfasern, ebenso wie M. Schultze, nicht finden konnte. Dagegen hat er in einigen wenigen Fällen einen Fortsatz des Kernkörperchens gesehen; doch gelang es ihm nie, denselben durch die Zellensubstanz hindurch bis zum Axencylinderfortsatz zu verfolgen. Jolly’s Angaben sind demnach ebenfalls nicht dazu an- gethan, den Zusammenhang zwischen Axencylinderfortsatz und Kern- körperchen zu beweisen, abgesehen davon, dass die hierher bezüg- lichen Bilder nur in sehr seltenen Fällen erhalten wurden. G. Wagener hat seine Beobachtungen hauptsächlich an wir- bellosen Thieren angestellt. Ich habe in dieser Beziehung die grossen Ganglienzellen des unteren Schlundganglions von Arion empiricorum geprüft, habe aber nie dergleichen sehen können, trotzdem dass ich - 1) Briefliche Mittheilung über die Ganglienkugeln der Lobi electriei von Torpedo Galvanii. Müller’s Archiv 1846. p. 283. 2) De structura gangliorum penitiori. Berolini 1849. 3) LG, 4) Ueber den Zusammenhang des Kernes und Kernkörpers der Gang- lienzelle mit dem Nervenfaden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Bd. VIH. p. 455. 5) Virchow’s Archiv. Bd. 32. p. 6. - 7): Lie: 8) Weitere Untersuchungen über die Glandula submaxillaris des Hun- des. Archiv von Reichert und du Bois-Reymond 1867. p. 1. 91. c. 10) Dieses Archiv. Bd. II 1866. p. 13 ff. 11) Philosophical Transactions 1863. Part. I. Ueb.d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. üb. d. sympathischen Ganglienzellen. 65 die Theile in ganz frischem Zustande und möglichst vor Druck ge- schützt untersuchte. Ich konnte vielmehr immer einen directen Uebergang der Substanz der eintretenden platten breiten Nerven- faser in die eigentliche concentrisch geschichtete Substanz der Gang- lienzelle constatiren. Ebenso äussert sich auch Buchholz !), der höchst sorgfältige Untersuchungen an Limnaeus stagnalis und Pla- norbis corneus anstellte.e Er hält die Substanz der Nervenfaser für vollkommen identisch mit der der Ganglienzelle. Die meisten der genannten Beobachter haben nun aber die sympathischen und spinalen Zellen der Wirbelthiere und namentlich die des Frosches untersucht. Gerade hier finden sich aber die wider- sprechendsten Angaben. Während nämlich einige Forscher , wie Axmann, Frommann (Virchow’s Archiv, Band 31, Taf. VI Fig. 10) und Bidder ?) die gerade Faser mit dem Kern sich ver- binden lassen, so dass ihre Contouren unmittelbar in die des Kernes übergehen, beschreiben die anderen einen Zusammenhang derselben mit dem Kernkörperchen. Was die wenigen Beobachtungen über den Zusammenhang des Kernes mit dem Axencylinder betrifft, so glaube ich Einiges zur Erklärung derselben beitragen zu können. Bei der Untersuchung von Spinalganglien, die einen Tag in Jodserum gelegen hatten, fand ich oft auffallend stark seitlich comprimirte Kerne, deren Contour an dem einen Pole des elliptischen Umrisses fehlte. Es schien in diesen Fällen vom Kern ein Fortsatz auszu- gehen, der aber nicht weiter durch die Substanz der Zelle hindurch verfolgt werden konnte. Noch überraschender wurde das Bild, wenn in der Richtung dieses Kernzipfels eine Nervenfaser von der Zelle abging. In manchen Fällen war auch wohl der Kern zu einer feinen Spitze ausgezogen, die sich in der Zellsubstanz verlor. In diesen Fällen fehlte aber das Kernkörperchen, das sonst immer noch als scharf umschriebenes Gebilde innerhalb des Kerns sichtbar war. So sehr ich nun anfangs gewünscht hatte, die Angaben der genannten Forscher wenigstens in Betreff des Zusammenhanges der Nervenfaser mit dem Kern bestätigen zu können, so konnte icn doch bei sorg- fältiger Prüfung dieser Bilder nicht umhin, dieselben auf andere 1) Bemerkungen über den histologischen Bau des Centralnervensystems der Süsswassermollusken. Archiv v. Reichert u. du Bois-Reymond 1863. p. 248. 2) 1. c. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4 5 . 66 Dr. 6. Schwalbe, Weise zu erklären. Ich fand in anderen Zellen Kerne, die ebenfalls an einer Seite ihren scharfen Contour verloren hatten. Es lag hier aber vor der Oefinung eine zusammengeballte Masse ungefähr von der Grösse des Kerninhalts, die sich deutlich von der Ganglienzell- substanz unterschied. Es war hier offenbar der Kern geplatzt und hatte einen Theil seines Inhalts entleert, der hier noch am Kerne liegen geblieben war. Dies gab nun auch den Schlüssel für die Er- klärung der eben beschriebenen Bilder. Der Kern war auch dort geplatzt; nur war der herausgetretene Theil des Inhalts hier ganz durch die Zellsubstanz hindurchgetreten und nicht mehr zu sehen (Fig. 5). In einigen Fällen war sogar das Kernkörperchen auf diese Weise verschwunden. (Fig. 4A vom Maulwurf). Man sieht also, dass Gründe genug vorliegen, an der Deutung jener Bilder als Kern- fortsätze zu zweifeln, und bin ich nicht der Einzige, der in der vor- liegenden Frage zu negativen Resultaten gekommen ist. So sagt Kölliker, was auf überraschende Weise mit meinen Befunden über- einstimmt, in der neuesten Auflage seiner Gewebelehre p. 331: »Die nähere Prüfung ergab, dass der Nucleus geplatzt war und dass der Nucleolus durch die Substanz der Zelle bis zur Oberfläche sich eine Bahn gegraben hatte, die wie eine vom Kern ausgehende Faser er- schien.« In gleicher Weise vorsichtig muss man nun meiner Ansicht nach die Bilder, welche einen Zusammenhang zwischen Axencylinder und Kernkörperchen demonstriren sollen, auffassen. Haben sich doch auch schon Forscher wie M. Schultze, Leydig, Deiters und Beale in dieser Hinsicht verneinend geäussert. Auch Kölliker, der sich früher nach einigen Beobachtungen am Ganglion Gasseri des Kalbes, woselbst der Nucleolus sich in eine Faser verlängerte, die sich aber nicht in den Fortsatz der Zelle verfolgen liess, dahin zu neigen schien, einen Zusammenhang des Axencylinders mit dem Kernkörperchen für wahrscheinlich zu halten, konnte bei neu auf- genommener Prüfung der Frosch -Ganglienzellen nie wieder etwas Aehnliches sehen !). Auffallend ist es auch, dass Courvoisier, der doch sonst so genaue Angaben über das Fasernetz der Gang- lienzellen macht, die Nervenfaser nur bis an den Kern verfolgen konnte. Ebenso vorsichtig äussert sich Fraentzel. Ich will end- lich noch anführen, dass ich keineswegs Zellen vor mir hatte, in denen der Inhalt des Kernes getrübt oder durch untergelagerte Zell- 1) 1. c. p. 258. Ueb. d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü. d.sympathischen Ganglienzellen. 67 substanz undeutlich zu erkennen gewesen wäre; ich hatte im Gegen- theil zahlreiche Zellen vor mir, bei denen sich die Substanz des Kernes sehr klar und deutlich zeigte, so dass hindurchziehende Gebilde nicht hätten übersehen werden können. Ueber die Art und Weise der Verbindung des Axencylinders mit der Ganglienzelle habe ich nun Folgendes beobachtet. Der Axen- eylinder geht direct in die Substanz derselben über. Wie dies bei den Wirbellosen nicht schwer zu constatiren ist, so auch bei den Wirbelthieren. Der bisher gleichmässig dicke Axencylinder verbrei- tert sich plötzlich beim Uebergang in die Zellsubstanz kegelförmig, und dieser Kegel geht direct in die feingranulirte Masse der Gang- lienzelle über. Man sieht dabei die feine Strichelung des Axencylin- ders im Kegel divergirend in die Strichelung der Zelle ausstrahlen. Man könnte von einem pinselförmigen Ausstrahlen reden, und scheint es mir, dass die Beobachtung von Sander (Archiv von Reichert und du Bois-Reymond 1866. p. 401) hierauf zu beziehen ist; nur ist es mir auffallend, dass er dieselbe nur einmal gemacht hat, während diese Verhältnisse doch überall leicht zu constatiren sind. Sehr zu empfehlen sind in dieser Beziehung die Zellen der Spinal- ganglien der Katze, die sich leicht mit beträchtlich langen Fortsätzen isoliren lassen. Ich gebe in Fig. 3 eine Abbildung einer solchen Zelle, an der namentlich die kegelförmige Verbreiterung der Nerven- faser gut zu erkennen ist. Fig. 1 zeigt dasselbe vom Kalbe (Ueber- osmiumsäure-Präparat). Hier ist namentlich die divergirende Striche- lung deutlich ausgesprochen. Eine andere wichtige Frage, die bisher verschieden beantwortet wurde, ist die, wie sich das Nervenmark der zutretenden Faser beim Uebergange in die Ganglienzelle verhält, ob dasselbe, wie Arnold will, in die Zelle hinein zu verfolgen ist und sein Ende im Kern erreicht, ob es bloss bis an die Zelle heranreicht, oder schon früher aufhört. Was zunächst die Angaben Arnold’s über eine lichte Markmasse, die in die Zelle hineindringen soll, betrifft, so haben schon andere Forscher genügend ihre Gründe dagegen angeführt. Ich kann noch hinzufügen, dass bei Behandlung der Ganglienzellen mit Ueberosmiumsäure an keiner Stelle der gleichmässig braun er- scheinenden Zelle die so charakteristische Färbung des Nervenmarks zu erkennen ist. Courvoisier ist der Ansicht, dass bloss blasse Fasern mit einer Ganglienzelle in Verbindung treten, und sah nie ein directes . 68 Dr. G. Schwalbe, Uebergehen markhaltiger Fasern in Zellen !). Aus seinen Degene- rationsversuchen schliesst er sodann, dass die blassen Fasern nicht sanz marklos, sondern nur »markarm« seien. Gerade in diesem Puncte bin ich nun zu ganz positiven Re- sultaten gekommen. Ich sah bald, dass sich zur Entscheidung die- ser Frage die Ganglienzellen der Säugethiere und Vögel nicht eig- neten, da dieselben sich immer ohne Hülle isoliren und dabei vielen Insulten ausgesetzt sind, die zunächst immer auf die Markscheide zerstörend einwirken werden. Ich musste mich desshalb an die Gang- lienzellen des Frosches wenden und fand hier in den Zellen der Spinalganglien vorzügliche Objecte, die betreffenden Verhältnisse zu demonstriren, während mir dasselbe an den sympathischen Ganglien- zellen nicht gelang. An ersteren, die sich im frischen Zustande leicht mit Hülle isoliren lassen, gelingt es nun häufig, Präparate zu erhalten, an denen man das Nervenmark bis dicht an die Zell- substanz herantreten sieht. Es hört hier die Marksubstanz plötzlich scharf auf, während der Axencylinder auf die oben beschriebene Weise in die Ganglienzelle übergeht. Der Axencylinder wird also gleich bei seinem Hervortreten aus der Zelle von einer vollständigen Mark- scheide umgeben, so dass man hier direct dunkelrandige Fasern in Ganglienzellen übergehen sieht. Fig. 6 und 7 erläutern die betref- fenden Verhältnisse; nur hat sich in Fig. 6 bei der Präparation die Markscheide etwas von der Zelle zurückgezogen. Nachdem so das Herantreten der Markscheide bis unmittelbar an die Ganglienzelle unzweifelhaft nachgewiesen worden war, wurden mir auch Bilder verständlich, die ich zuweilen an isolirten Ganglien- zellen des Kalbes wahrnahm. Es wird nämlich der Zellfortsatz oft in ganz geringer Entfernung von der Ganglienzelle von einem ellip- tischen, dunkel und scharf eontourirten, stark lichtbrechenden Korn unterbrochen, aus dem dann der Axencylinder unverändert wieder hervortritt. Die Bedeutung dieses Kornes, das nur zuweilen beob- achtet wurde, war mir anfangs unklar. Nach dem oben Angeführten kann es aber wohl keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier mit einem zurückgebliebenen Rest der Markscheide zu thun haben. So wird es denn auch bei den Säugethieren höchst wahrscheinlich, dass die Marksubstanz bis an die Zelle herantritt (vgl. Fig. 2 und 9). Kürzer kann ich mich über den zweiten Theil der Angaben von 11. 6:49.28. Ueb. d. Bau d. Spinalganglien n. Bemerk. ü. d. sympathischen Ganglienzellen. 69 Arnold fassen, die namentlich durch Courvoisier noch weiter specialisirt sind, nämlich über das die Zelle umgebende mit mehreren Fäserchen vom Nucleolus entspringende Fasernetz und über die Spiralfasern, welche sich aus demselben entwickeln. Es wollte mir hier ebenso wenig, wie Kölliker, Fraentzel und Sander ge- lingen, Fäserchen vom Kernkörperchen ausgehen zu sehen. Was das Fasernetz betrifft, so muss ich entschieden in Abrede stellen, dass ein solches an isolirten Ganglienzellen der Säuger sich findet, seien es spinale oder sympathische Zellen. Es wollte mir hier auch nicht gelingen, Spiralfasern wahrzunehmen. Dagegen erscheinen an den mit Hülle isolirten Nervenzellen des Sympathicus des Frosches da, wo die gerade Nervenfaser abgeht, feine Fäserchen, die dann in eine “ oder mehrere Spiralfasern übergehen. Ich habe aber in Betreff des Fasernetzes immer nur solche Bilder erhalten, wie sie Kölliker') abbildet. Was die Natur der Spiralfasern betrifft, so bin ich geneigt, zweierlei Arten derselben anzunehmen: 1) nervöse, die un- mittelbar aus der Substanz der Zelle entspringen, keine oder nur einige wenige Touren um die gerade Faser machen und sich von dieser nicht wesentlich an Dicke unterscheiden, und 2) Fasern, die als Verdiekungen der Scheide aufzufassen sind und sich aus jenem Fasernetz am Grunde der Zelle entwickeln. Im ersteren Falle haben wir es dann mit einer wahren bipolaren Zelle zu thun, deren beide Fortsätze aber nach einer Seite hin verlaufen (vgl. Fig. 182 von Kölliker). Im anderen Falle haben wir dagegen nur wahre uni- polare Zellen vor uns, und dieser Fall ist nach meinen Beobachtungen der häufigere. Erwähnen will ich endlich noch, dass Sander die Netze an der Oberfläche der Ganglienzellen für Zerklüftungen der, Ganglien- zellsubstanz, bedingt durch die Einwirkung der Chromsäure hält und Spiralfasern nie gesehen hat. Allein nach seinen Abbildungen würde wohl Niemand auf die Idee gekommen sein, von Netzen an der Oberfläche der Ganglienzelle zu sprechen. Auch Fraentzel’s Erklärung, dass durch das Fpithel der Ganglienzelle Fasernetze vorgetäuscht würden, passt nur auf die Säugethiere und Vögel, und will ich auch nicht läugnen, dass ein Theil der Bilder Courvoisier’s sich hierauf zurückführen lässt. Allein auf die Zellen des Frosch- sympathicus passt jene Erklärung nicht, da wir ja hier von keinem 1) 1. ce. Fig. 181 p. 254. 4 70 Dr. G. Schwalbe, Ueber den Bau der Spinalganglien ete. epithelialen Belag sprechen können. Worauf hier die Angaben von einem vollständigen Fasernetz beruhen, wage ich nicht zu entschei- den, betone aber nochmals, dass ich, wie Kölliker, nur an der Stelle, wo die gerade Faser sich aus der Zelle entwickelt, Faserge- bilde erkennen konnte. Schliesslich noch einige Bemerkungen über die multipolaren sympathischen Ganglienzellen der Säugethiere. Die Zellen des Sym- pathicus der Säugethiere unterscheiden sich von denen der Spinal- ganglien constant durch ihre Multipolarität. So leicht, wie man sich nun hier von überzeugen kann, so schwierig ist es, die Fortsätze der Zellen weiter zu verfolgen, um etwa eine Verschiedenheit zwischen denselben, entsprechend den von Deiters an den Zellen des Rücken- marks beschriebenen Verhältnissen, zu constatiren. Nur in einem Falle gelang es mir, eine solche sicher nachzuweisen. Aus dem Sympathicus der Katze isolirte ich die Zelle, welche Fig. 9 abgebildet ist. Man bemerkt, dass alle Fortsätze, mit Ausnahme eines einzigen, fein granulirt sind und sich bald weiter theilen. Sie würden also den »Protoplasmafortsätzen« von Deiters entsprechen, während der Fort- satz a, welcher sich durch seine geringere gleichmässige Breite und seinen ungetheilten Verlauf von den übrigen wesentlich unterscheidet als Axencylinderfortsatz aufzufassen wäre. Man bemerkt an ihm überdies ein elliptisches, dunkel und scharf contourirtes Korn, wie ich es schon oben beschrieben und alsRest einer Markscheide gedeutet habe. Schliesslich sei es mir noch gestattet, an diesem Orte Herrn Professor M. Schultze, der mir bei diesen Untersuchungen stets den freundlichsten Rath und die liberalste Unterstützung mit lite- rarischen Hülfsmitteln zu Theil werden liess, meinen besten Dank auszusprechen. } Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Sämmtliche Figuren von 1bis 15 sind bei der Vergrösserung System F, Ocular II eines Zeis’schen Mikroskopes, Fig. 16 bis20 bei System C, Ocular II desselben Mikroskopes gezeichnet. Fig. 1. Ganglienzelle aus einem Spinalganglion des Kalbes. Ueberos- miumsäurepräparat. Man erkennt bei a noch Reste des Nervenmarks, bei b die kegelförmige Verbreiterung des Axencylinders. Fig. 2. Ganglienzelle aus einem Spinalganglion des Kaninchens. In Jodserum frisch untersucht. a Rest des Nervenmarks als scharf contourirtes elliptisches Korn; b wie vorhin. Fig. 3. Ganglienzelle aus einem Spinalganglion der Katze. Mit zwei Kernkörperchen. Frisch in Jodserum. Fig. 4. Ganglienzellen aus einem Spinalganglion des Maulwurfs. A mit geplatztem Kern ohne Kernkörperchen; B mit drei Vacuolen: a Kern b b b Vacuolen. In Jodserum untersucht. Fig. 5. Ganglienzelle aus einem Spinalganglion des Kaninchens mit scheinbarem Kernfortsatz. Jodserum. Fig. 6 und 7. Ganglienzellen aus einem Spinalganglion des Frosches (Rana esculenta.) a Kerne der Scheide, b Pigment. Das Nervenmark tritt in Fig. 7 bis unmittelbar an die Zellsubstanz heran. Jodserum. Fig. 8. Zelle aus dem Sympathicus von Rana temporaria mit reich- lichem Kernlager am Abgang der Nervenfaser. Mittelst der Arnold’schen Methode gewonnen. Fig. 9. Multipolare Zelle aus dem Sympathicus der Katze. Der Fort- satz a (mit Rest von Nervenmark) unterscheidet sich wesentlich von den übrigen Fortsätzen b b. Fig. 10, 11 und 12. Multipolare zweikernige Ganglienzellen aus den Ganglien des Grenzstranges vom Kaninchen. Fig. 13. Bipolare einkernige blasse Nervenzellen aus dem Grenzstrange des Kaninchens, welche mit marklosen Nervenfasern in Verbindung stehen. Beim Uebergange einer solchen in die Zelle findet sich immer eine kernhaltige Anschwellung a. Fig. 14. Multipolare zweikernige Ganglienzelle aus dem Sympathicus des Meerschweinchens. Die Fortsätze sind hier fast alle dicht an der Zelle abgerissen. e 72 Erklärung der Abbildungen. Fig. 15. Ganglienzelle aus dem unteren Schlundganglion von Arion empiricorum mit concentrisch geschichteter Zellsubstanz, grossem Nucleus und acht ausgebildeten Nucleolis, deren jeder eine Vacuole enthält. Fig. 9 bis 15 frisch in Jodserum untersucht. Fig. 16. Längsschnitt aus einem Spinalganglion von Rana esculenta. a eintretende sensible Wurzel, b dieselbe, nachdem sie sich am Austritt aus dem Ganglion mit den gangliospinalen Fasern vereinigt hat; c motorische Wurzel. Holzessig-Alkohol-Präparat. Fig. 17. Spinalganglion von Lacerta agilis mit verdünnter Kalilauge behandelt. a centraler Theil der sensiblen Wurzel, b dieselbe nach ihrer Vereinigung mit den gangliospinalen Fasern. Fig. 18. Stückchen eines Spinalganglions vom Kalb mit verdünnter Kalilauge behandelt. a sensible Fasern, die sich nach der Peripherie zu (b) an die gangliospinalen anlegen. Fig. 19. Theil eines Querschnitts durch ein Spinalganglion des Kalbes. Holzessig-Alkohol-Präparat. Man erkennt die Vertheilung der durchtretenden Nervenbündel in der Ganglienzellenmasse. Fig. 20. Dicken-Längsschnitt cines Spinalganglions vom Kalb. Holz- essig-Alkohol-Präparat. Es verlaufen hier Nervenfasern in ‚allen Richtungen innerhalb der Schnittebene; ferner sieht man zahlreiche schräg oder quer- durchschnittene Nervenfaserbündel. Bindegewebe sehr reichlich entwickelt. Untersuchungen über die Zahnpulpa. Von Franz Boll, stud. med. Hierzu Tafel V. Es sind hauptsächlich zwei Puncte in der Histiologie der Zahn- gewebe, denen ich meine Aufmerksamkeit zugewandt habe. Der eine ist noch wenig, ja fast noch gar nicht studirt, ich meine den Verbleib und die Endigungsweise der zahlreichen in jeden Zahn ein- tretenden Nervenfasern. Der zweite Punct, welcher bereits eine äusserst reiche Literatur aufzuweisen hat, betrifft das Verhältniss .der Zahngrundsubstanz zur Zahnpulpa und der Entstehung der erste- ren aus der letzteren. Diese beiden, theils noch gänzlich unbearbeiteten theils noch streitigen Puncte aufzuklären, war die Aufgabe einer in den Som- mermonaten -1867 auf der Bonner Anatomie unter der Leitung mei- nes verehrten Lehrers, M.Schultze, unternommenen Untersuchung, deren Resultate ich mir hier vorzulegen erlaube. I. Die Endigungsweise der Zahnnerven. Als die passendsten Objecte für das Studium der Nervenen- digung kann ich die langen Schneidezähne der Nager (Meerschwein- chen, Kaninchen) empfehlen. Die Pulpahöhle derselben ist, nament- lich wenn die betreffenden Thiere nicht allzu alt waren, ziemlich gross, und das allerdings auch hier noch recht stark entwickelte Netz von Gefässen und Capillaren stört die Untersuchung doch nicht . 74 Franz Boll, so sehr, wie z.B. bei Kälbern und Schafen. Die hier berichteten Resultate sind, wenn nicht etwa das Gegentheil ‘ausdrücklich er- wähnt ist, stets an diesen Objecten gewonnen worden. Bricht man einen aus dem eben getödteten Thiere genomme- nen Zahn im Schraubstock auf und nimmt die Pulpa heraus, so gelingt es leicht bei Anwendung einer etwa 200fachen Vergrösserung, über die gröberen anatomischen Verhältnisse ins Klare zu kommen. Man sieht ein reich verästeltes Gefässnetz, theils einfache Capillaren, theils stärkere, mit einer Schicht von glatten Muskelfasern versehene Ar- terienstämmchen, und eine grosse Menge starker, dunkelrandiger mark- haltiger Nervenfasern, welche in Bündeln von sechs bis acht und noch mehr, meist mit der Längsaxe der Pulpa parallel aufsteigen. Die grösseren Gefässchen sowohl wie die Nervenbündel sind in zarte Adventitialzüge faserigen Bindegewebes eingebettet. Ausser diesen Gefässen und Nerven enthält die Pulpa keine weiteren differenzirten (Gewebe, wohl aber sieht man in den von ihnen freigelassenen Zwi- schenräumen die zum Aufbau derselben nicht verbrauchten Zellen der embryonalen Pulpa persistiren, — allerdings indem sie ihre für das embryonale Bindegewebe so charakteristische spindel- und stern- förmige Gestalt eingebüsst haben. Das erste Reagens, welches ich bei der Untersuchung der Ner- ven anwandte, war die Ueberosmiumsäure, deren schwächere Lösun- gen ausgezeichnet geeignet sind, den enormen Reichthum der Pulpa an markhaltigen Nervenfasern , sowie die parallele Anordnung der stärkeren Stämmchen hervorzuheben. In Bezug auf die feinere Ver- ästelung der markhaltigen Nervenfasern und ihren etwaigen Ueber- gang in marklose, leistet jedoch dieselbe Nichts. Weit mehr versprach ich mir von jenem Reagens, durch wel- ches Cohnheim seine schöne Entdeckung der freien Endigung der Cornealnerven gemacht hat, — von dem Goldchlorid. Dasselbe leistet auch wie ich aus eigener Erfahrung bezeugen kann, in der Cornea ganz Ausserordentliches, wo es selbst die feinsten marklosen Ner- venverzweigungen scharf gegen das umgebende Gewebe hervorhebt, so dass ich zuerst nicht anders glaubte, als dass in diesem Reagens ein wahres Specificum für die marklosen Nervenfasern gefunden worden sei. Leider ist dies nicht der Fall: Durch Einlegung der Pulpa selbst kleiner Zähne erreicht man keine Färbung der mark- losen Nervenfasern. Ich habe demnach nach mehrfach modifieirten vergeblichen Versuchen keinen weiteren Gebrauch von dieser Me- Untersuchungen über die Zahnpulpa. 75 thode gemacht, sondern bin zur Chromsäure zurückgekehrt, welcher ich immer noch «den ersten Rang bei der Untersuchung der feinsten Nervenverästelungen zuschreiben muss. Ich lege die dem frisch ge- tödteten Thiere entnommene Pulpa in eine geringe Quantität einer sehr schwachen (c. !/3g °/0) Lösung, lasse sie ungefähr eine Stunde darin und untersuche dann, indem ich das Präparat in einem Tro- pfen derselben Lösung zerzupfe. Untersucht man das auf diese Weise erhaltene Präparat bei circa 500facher Vergrösserung, so erblickt man neben den zahlrei- chen markhaltigen Nervenfasern, die durch diese Methode prächtig hervortreten, eine ganz enorme Anzahl äusserst feiner, eigenthüm- lich seidig glänzender Fasern, die man auf den ersten Blick für elastische Fasern feinster Art halten könnte, wenn sie sich uns nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit als feine marklose Nervenfasern zu erkennen gäben. Der Uebergang markhaltiger in marklose Fasern geschieht ganz allmählich : Zuerst ist der Axencylinder noch mit einer ihn allseitig umhüllenden, verhältnissmässig starken Mark- scheide umgeben, welche die deutlichsten doppelten Contouren zeigt. Bald aber nimmt die Menge des Nervenmarks ab, die Gerinnungsfor- men des Myelins concentriren sich nur noch an einzelnen Stellen, wo sie die so charakteristischen Varicositäten bilden. Dieselben sind noch doppelt contourirt, während die äusserst dünne Schicht des Nervenmarks, welche zwischen je zwei Varicositäten den Axencylin- der umgiebt, nur noch einfache Contouren zeigt. Zuerst folgen die Varicositäten noch schnell auf einander und die Zwischenräume sind noch klein. Bald werden die letzteren grösser, während erstere immer seltener werden und bald ganz aufhören. Die Fasern sind dann schon sehr zart, lassen aber immer noch einen wechselnden Durchmesser erkennen. Bald verlieren sie auch noch dieses Merk- mal und erscheinen als einfache nackte homogene Axencylinder. Wie schon oben erwähnt, zeigen diese feinsten Nervenfibrillen eine gewisse Aehnlichkeit mit elastischen Fasern. Ihre äusserste Zart- heit und geringe Resistenz gegen Reagentien lässt sie jedoch nicht mit ihnen verwechseln. Beim Zusatz von Wasser oder concentrirter Essigsäure quellen sie sofort auf und verschwinden. Mit kalt con- centrirter Oxalsäure-Lösung behandelt, treten sie eine Zeit lang sehr schön hervor ; doch beginnen auch diese nackten Axencylinder bald schwache aber deutliche Varicositäten zu zeigen, und nach 1—2mal 24 Stunden sind sie ebenfalls gequollen und verschwunden. Ferner 76 Franz Boll, spricht mir für ihre nervöse Natur die äusserst reichliche, stets dichotomische Theilung, während eine anastomotische Verbindung zweier Stämmchen, wie sie bei den feinsten elastischen Fasern so häufig ist, nie beobachtet wurde. Ihr Verlauf ist endlich meist ge- radlinig, sehr selten, wie bei den elastischen Fasern, wellenförmig oder geschwungen. Schickt man sich nun an, dem Verbleib und der Endigungs- weise dieser feinen marklosen Nervenfasern nachzuforschen, so stösst man auf eine ganz eigenthümliche Schwierigkeit. Es stellt sich näm- lich heraus, dass man bei der gewöhnlichen Methode, d.h. Aufbre- chen des frischen Zahns im Schraubstock und Herausnahme der Pulpa mit einer feinen Pincette, nie die ganze Pulpa, d. h. sämmt- liche in der Pulpahöhle enthaltenen Weichtheile erhält. Die äus- serste Schichte der Pulpa, welche die Gränze gegen die von der Substantia eburnea dargestellten Wände der Zahnhöhle bildet, be- steht nämlich aus einer continuirlichen einfachen Schichte länglicher Zellen, welche durch lange Fortsätze, die sie in die Canäle der Sub- stantia eburnea hineinsenden, förmlich an derselben festgehalten wer- den. Verfährt man beim Herausnehmen der Pulpa aus dem frisch aufgebrochenen Zahn auch noch so vorsichtig, so wird man doch nur in den seltensten Fällen eine Spur jener eigenthümlichen ober- flächlichen Schicht noch auf der Pulpa sitzend finden. Durch ihre in die Zahnbeincanäle eingesenkten Fortsätze werden sie an der in- neren Oberfläche des Zahnbeins festgehalten, wo sie dem unbewaff- neten Auge als ein dünner schleimiger Belag erscheinen. Schabt man denselben mit einem feinen Messer sorgfältig ab, und bringt ihn unter das Mikroskop, so findet man, dass derselbe meist ausser der ober- flächlichsten Schicht auch noch aus den den Uebergang in das eigent- liche Pulpagewebe vermittelnden Zellenlagen besteht. Um daher die ganze unversehrte Pulpa zu erhalten, verfahre ich folgendermas- sen: Ich breche den frischen Zahn einmal im Schraubstock auf, und lege ihn dann — Pulpa und Zahnsubstanz noch in Zusammenhang — in die chromsaure Lösung. Nach einer Stunde hebe ich einen Theil der gesprengten Zahnstückchen vorsichtig ab, und gehe dann mit einem sehr scharfen und feinen Messer zwischen Pulpa und Zahnsubstanz hart an der Gränze der letzteren ein. So gelingt es bei einiger Uebung und Glück auch die obersten Schichten mit der ganzen Pulpa in continuo zu erhalten. Die peripheren, in die Röhr- chen der Zahngrundsubstanz eingesenkten Fortsätze der obersten Untersuchungen über die Zahnpulpa. 77 Zellenlage reissen gewöhnlich dicht am Zellenleik ab ; mitunter gelingt es jedoch, dieselben durch den Zug des Messers schon in beträcht- licher Länge aus den Zahnbeincanälen herauszuheben. An den auf diese Weise gewonnenen Präparaten fällt vor Al- lem auf der gegen die Peripherie der Pulpa hin durch dichotomische Theilung sich enorm vergrössernde Reichthum markloser Fasern. Bei der Zerzupfung mit den feinsten Nadeln wird man kaum ein Stück Gewebe ohne Beimischung dieser zarten Nervenfibrillen erhalten. Gerade an der Gränze zwischen dem eigentlichen gefäss- reichen Pulpagewebe und den oberflächlichen Zellenschichten, welche bei der Herausnahme der Pulpa auf die gewöhnliche Weise von der Wand der Pulpahöhle haften bleiben, befindet sich ein besonders dichtes Netz. Bei einiger Ausdauer wird man unter seinen Zer- zupfungspräparaten bald einige erhalten, wo die oberflächliche Schicht der Pulpa in situ wie an einem Längsschnitte erhalten sind. Die Lagerungsverhältnisse der oberflächlichen Pulpaschich- ten und die Nervenendigung liegen hier im reinsten Profile vor. Man sieht aus dem dichten, unterhalb der oberflächlichen Zell- schichten gelegenen Netz einzelne zarte Nervenfasern sich senk- recht erheben und durch die, zuletzt fast bis zum unmittelbaren Contact aneinander rückenden Zellen sich ihren Weg bis auf die freie Fläche der Pulpa bahnen, wo sie noch eine ziemliche Strecke über die Fläche der oberflächlichen Pulpazellen frei empor- ragend aufhören. Ich habe zwei solcher Bilder gezeichnet. Beson- ders instructiv ist das erstere (Fig. 18). Dort sind zwar die in die Zahnröhrchen eingesenkten Fortsätze der obersten Zellenlage stets hart am Zellenleib abgerissen, dafür aber die frei über die Fläche emporragenden Nervenenden erhalten geblieben, welche deshalb um so besser hervortreten. An dem zweiten Präparate (Fig. 19) waren die peripheren in den Zahnröhrchen steckenden Fortsätze noeh alle erhalten, doch gelang es auch noch, die zwischen ihnen frei empor- ragenden Nervenendigungen nachzuweisen, wenn auch nicht so gut wie im ersten Fall. Es bleibt uns noch die Frage zu erörtern, ob diese frei em- porragenden Nervenenden in Canäle der Zahnsubstanz eindringen oder nicht. Ich habe viele Mühe darauf verwandt, den directen Be- weis zu führen, derselbe ist mir jedoch nicht gelungen. Ich legte die frischen Zähne in Chromsäure von circa !/ss %0 und liess dann täglich die Concentration der Lösung allmählich sich steigern, bis 4 78 Franz Boll, nach einigen Wochen dieselbe 2 °/, und noch darüber betrug. Nach 5—6 Wochen hatten diese starken Chromsäurelösungen doch so weit entkalkend gewirkt, dass ich mikroskopisch feine Schnittchen anfertigen konnte. Doch gelang es mir nicht, zweifellos beweisende Präparate herzustellen. Gerade an der Grenze zwischen Substantia eburnea und Pulpa lagerte immer eine trübe körnige Substanz, welche jede definitive Entscheidung unmöglich machte. Fast noch schlechter bewährte sich eine zweite Methode: Entkalkung durch dünne Salz- oder Salpetersäure-Lösungen nach vorheriger Erhärtung in Kali bichromieum. Hier wurden die zarten Nervenfibrillen stets zerstört. Trotz des mangelnden directen Beweises halte ich den- noch das Eindringen der Nervenfasern in Zahnbeinröhrchen für ganz sicher. Abgesehen von dem rein physiologischen Grunde, der fast von allen Autoren über Zahnheilkunde angenommenen Sensibilität des Zahnbeins, Kann ich auch rein anatomische Gründe für diese Behauptung anführen. Die äussere Fläche der oberflächlichen Pulpa- Zellenschicht und die innere Wand der Zahnhöhle stehen in so un- mittelbarem Contact, dass für die frei emporragenden Nervenenden kein Platz sein würde. Auch ist die Richtung der Nervenenden mit der der Zahnröhrchen so durchaus parallel, dass kaum etwas anderes übrig bleibt, als sich dieselben aus den Zahnbeincanälen — ebenso wie die Fortsätze der Pulpazellen — herausgehoben zu den- ken. Man muss also wohl in dem der Pulpa zugekehrten Theil der Substantia eburnea zwei verschiedene Arten von Zahncanälchen annehmen, solche, welche im frischen Zustande Fortsätze der ober- flächlichen Pulpazellen und solche, welche die zwischen denselben hervorragenden feinsten Nervenfasern aufnehmen. U. Die Bildung des Zahnbeins. Kurz nach dem Erscheinen Waldeyer’s trefflicher „Unter- suchungen über die Entwickelung der Zähne“ !), welche diese so com- plieirte Lehre zu einem definitiven Abschluss gebracht zu haben scheinen, brachte Virchow’s Archiv ?) eine Abhandlung von H. Hertz ‚Untersuchungen über den feineren Bau und die Entwicke- lung der Zähne,“ in welcher der Verfasser über manche Puncte der Zahn- 1) Erste Abtheilung in den Königsberger med. Jahrbüchern 1864, zweite in der Zeitschr. f. rationelle Mediein 1865, Bd. XXIV. 2) Bd. XXXVII, 1866. f Untersuchungen über die Zahnpulpa. 79 entwickelung eine entgegengesetzte Ansicht zu begründen sucht. Zu einer von der Waldeyer’schen durchaus verschiedenen Ansicht gelangt er bei der Untersuchung über die Entwickelung der Sub- stantia eburnea. Während nach Waldeyer ‚die Dentinbildung besteht in einer Umwandlung eines Theils des Protoplasmas der Elfenbeinzellen in leimgebende Sustanz mit nachfolgender Verkal- kung der letzteren, wobei der andere Theil des Zellprotoplasmas in Form weicher Fasern in der erhärtenden Masse unverändert zu- rückbleibt, ist nach Hertz „die Grundsubstanz des Zahnbeins die chemisch umgewandelte und verkalkte Intercellularsubstanz der Pul- pazellen.“ Ich würde die schon so reiche Literatur über die Zahnentwicke- lung nicht noch vermehrt haben, wenn ich nicht bei Gelegenheit meiner Untersuchung über die Endigungsweise der Zahnnerven die Entwickelung des Zahnes und zwar ganz besonders die des Zahn- beins hätte in Betracht ziehen müssen. Hier musste ich auch die der von Waldeyer begründeten und allgemein reeipirten Ansicht direct gegenüberstenende von Hertz berücksichtigen, die Wider- sprüche beider Forscher aufzuklären und mir eine eigene, selbststän- dige Ansicht zu bilden versuchen. Ich habe die Revision der ein- ander widersprechenden Angaben beider Forscher an einer Reihe von Rindsembryonen möglichst genau und gewissenhaft angestellt und gebe hier die Resultate. Ich bemerke vorher noch kurz die ange- wandten Methoden: die embryonalen Kiefer mit schon mehr oder weniger vorgeschrittener Ossification wurden in Holzessig und in dünne Chromsäurelösungen gelegt. Besonders gute Resultate erhielt ich mit 5 und 10procentigen Lösungen der officinellen Salpetersäure. Namentlich erstere Concentration erhält bei der Entkalkung die fein- sten histiologischen Details. Noch ehe die erste Spur der Substantia eburnea auftritt, dif- ferenziren sich die mehr’ oberflächlichen Zellen der embryonalen Pulpa in ganz characteristischer Weise. Gegen die Peripherie der Pulpa hin schwindet die sonst so reichlich vorhandene schleimige Intercellularsubstanz immer mehr und mehr, die Zellen rücken nä- her an einander, und kurz vor dem Auftreten der ersten Zahnbein- bildung findet man an der Peripherie der Pnlpa eine continuirliche einfache Schicht länglicher Zellen, die nach der treffenden Beschrei- bung von Hertz ‚durch ziemlich ebenso gestaltete, jedoch etwas kürzere, oft auch mehr rundliche, etwas unregelmässig neben einan- 80 Franz Boll, der gelegene Zelleu in das eigentliche innere Pulpagewebe über- geht.“ Kölliker hat dieser oberflächlichen Zellenschicht den Na- men Membrana eboris beigelegt. Allen Beobachtern ist die Aehnlich- keit derselben mit einem Cylinderepithelium aufgefallen, und ist die- selbe in der That auch sehr gross. Die länglichen Zellen liegen, durch keine Spur von Intercellularsubstanz getrennt, hart neben einander, und scheinen auch bei der ersten Untersuchung, namentlich an Holz- essigpräparaten, sich scharf gegen das darunterliegende Pulpage- webe abzusetzen. Nach der Entdeckung dieser oberflächlichen Zellenschicht durch Schwann ist ihre hohe Wichtigkeit für den Process der Zahnbein- bildung zuerst von Lent!) dargelegt worden, und es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, dass wir in ihr die matrix für die Bildung des Zahnbeins vor uns haben. Waldeyer hat in einer späteren Schrift ?2) für diese Zellen, als Analoga der von ihm und Gegen- baur entdeckten Dstenhlastens den Namen Odantoblassen vorge- schlagen, welchen ich hiermit acceptire, Die Odontoblasten zeigen die verschiedensten Formen. Das einzige, allgemein gültige Kennzeichen ist das Ueberwiegen des Längs- über den Breitendurchmesser ; ersterer übertrifft letzteren meist um _ mehr als das Doppelte. Die häufigste Form ist die unregelmässig prismatische, doch sind die spindel-, ei- und birnförmigen Odonto- blasten, sowie alle möglichen Zwischenformen zwischen den genann- ten, keineswegs selten. Figg. 1—9 stellen einige der characteristische sten Zellenformen dar. Constant ist ferner der eine ovale, dunkle Kern, der stets am Pulpaende liegt, mit seinen ein bis zwei erst bei Zusatz von Salzsäure sichtbar werdenden Kernkörperchen. In directem Widerspruch stehen die Angaben von Waldeyer und Hertz in Bezug auf die Membran der Odontoblasten. Wal- deyer spricht sie ihnen durchaus ab, während Hertz ihr Vorhan- densein behauptet. Ich muss hier Waldeyer ganz entschieden Recht geben. Ganz abgesehen davon, dass man an den frisch unter- suchten Zellen nie eine von dem feinkörnigen Protoplasma differen- zirte Aussenschicht wahrnimmt, spricht mir vor Allem die eigen- thümliche Beschaffenheit der vom Zellenleib ausgehenden Fortsätze für die Abwesenheit einer Membran. In Bezug auf die Fortsätze be- 1) Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. VI, 1855, p. 121. 2) Ueber den Össificationsprocess. M. Schultze’s Archiv I, 357. Untersuchungen über die Zahnpulpa. 8 finden sich Waldeyer und Hertz in nicht minder directem Wi- derspruch. Ersterer beschreibt an den Odontoblasten ganz kurze seitliche Fortsätze, durch welche die einzelnen Zellen unter sich zu- sammenhängen. Nach Hertz’s Untersuchungen kommen diese seitlichen Fortsätze nur spärlich vor, und ich selbst muss gestehen, dass mir beim Beginn meiner Untersuchung ihre Existenz sehr pa- radox vorkam. Auf Schnitten durch Holzessigpraeparate sieht man Zelle an Zelle scharf contourirt hart neben einander liegen, und man begreift nicht, wie für etwaige seitliche Ausläufer noch der Platz vor- handen sein soll. Jetzt besitze ich in der fünfprocentigen Salpetersäure ein Mittel, wodurch es mir ein Leichtes ist, dieselben zu demon- striren, und stehe ich daher nicht an, dieselben als ein constantes Vorkommniss zu bezeichnen, wie ich sie denn auch an Figg. 1 bis 9 sämmtlich gezeichnet habe. Sie stellen ganz zarte Protoplasmacommis- suren dar, deren sich oft eine bis drei zwischen je zwei Zellen befinden, während im Uebrigen Zelle gegen Zelle scharf abgesetzt erscheint. Diesen feinen Protoplasmafortsätzen wird Niemand, der sie einmal gesehen hat, eine Membran zuschreiben wollen, und hieraus ergibt sich mit Nothwendigkeit die Membranlosigkeit der Zellen, aus de- ren Substanz dieselben hervorgehen. Ebenso differiren die Angaben beider Forscher in Bezug auf das Vorkommen nach der Pulpa hin gelegener Fortsätze. Wal- deyer erklärt den Pulpafortsatz für constant; Hertz findet die Mehrzahl der Zellen nach dem Pulpaende zu abgerundet. Allerdings sind diese nach der Pulpa zu gerichteten Verbindungen nur sehr zarter Natur, so dass sie bei den meisten Untersuchungsmethoden abreissen. Nach vorheriger Erhärtung in zweiprocentiger Lösung von Kali bichromieum überzeugt man sich jedoch leicht, dass alle Odon- toblasten einen, ja mitunter auch zwei centrale Fortsätze entsenden, deren directe Communication mit tiefer gelegenen Zellen mir einige Male nachzuweisen gelang. Von den seitlichen Fortsätzen unter- scheiden sich diese centralen nur durch ein etwas stärkeres Kaliber. Ausser den seitlichen und den Pulpafortsätzen erstrecken sich von den Odontoklasten aus auch noch Fortsätze in die Röhren des Zahn- beins. Die Anzahl derselben ist sehr verschieden. Während einige Zellen nur einen einzigen besitzen, zeigen andere drei bis vier; ja ich habe an einzelnen sogar fünf oder gar sechs Zahnbeinfortsätze zählen können, was den betreffenden Zellen ganz das Aussehen von Wimperepithe- lien gab. Von den beiden andern Arten von Fortsätzen unterschei- M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4 6 832 Franz Boll, den sie sich durch ein weniger körniges Protoplasma und durch grösseren Glanz. Sie verästeln sich und communiciren vielfach mit einander. Das ganze complicirte Canalsystem mit seinen vielfachen Anastomosen, welches das ganze Zahnbein durchzieht, wird von die- sen Fortsätzen ausgefüllt. Dass die Zahnbeincanälchen, die man bis dahin nur von einer Flüssigkeit hatte erfüllt sein lassen, in ihrem Inneren eine weiche Faser bergen, wurde zuerst von Tomes') ent- deckt, und von Beale wurde der Nachweis geführt, dass diese wei- chen „Zahnfasern‘ als Fortsätze der Odontoblasten angesehen wer- den müssten. Nach den Beobachtungen von Hertz finden sich diese Zahnfasern nur in dem innersten, der Zahnhöhle zunächst gelege- nen Theile des Zahnbeins, kommen jedoch weiter nach dem Schmelz und Cement zu den feineren Röhrenendigungen nicht mehr vor. Hertz ist hier im Widerspruch nicht nur mit Waldeyer, sondern auch mit Tomes undNeumann?), und ich selbst habe wenigstens an den Schneidezähnen junger Nagethiere die weichen Zahnfasern auch in den mehr peripheren Theilen des Zahnröhrchensystems nach- weisen können. Doch kann dies auch wohl sehr leicht Verschieden- heiten und Schwankungen je nach der untersuchten Species und der individuellen Eigenthümlichkeit unterliegen. Es gehört hierher eine Beobachtung von Neumann?°), dass die Zahnfasern in den Zähnen Erwachsener häufig von der Peripherie aus verkümmern. . Ebenso wie ihre peripheren Fortsätze persistiren auch die Odon- toblasten in dem bereits entwickelten Zahn. Ich habe (Figg. 10 bis 14) einige aus dem bereits entwickelten Schneidezahn des Kaninchens gezeichnet. Die Unterschiede zwischen diesen und den embryonalen Formen springen bald in die Augen. Der Längendurchmesser über- wiegt jetzt die Breite meist um ein Vielfaches. Während der Pulpa- fortsatz fast noch stets vorhanden ist, und sich auch die peripheren Fortsätze, mit Leichtigkeit, mitunter sogar in ganz enormer Länge aus den Zahnröhrchen herausziehen lassen, ist es mir in diesem Sta- dium nie gelungen, noch eine seitliche Protoplasma-Anastomose nach- zuweisen. 1) Philosophical Transactions, vol. 146, 1856. 2) E. Neumann, Beitrag zur Kenntniss des normalen Zahnbein- und Knochengewebes. Leipzig 1863. 3) Das Wesen der Zahncaries. Archiv für klinische Chirurgie heraus- gegeben von Langenbeck Bd. VI, 123. Untersuchungen über die Zahnpulpa. 83 Ich wende mich jetzt zu einer Eigenthümlichkeit des bereits gebildeten fertigen Zahnbeins, zu den von Neumann sogenannten Zahnscheiden. Nachdem es lange streitig gewesen, ob die Zahnröhr- chen einfache wandungslose Lücken in der Grundsubstanz darstell- ten oder ob sie eigene präformirte Wände besässen, ist diese Frage endlich von Neumann zu Gunsten letzterer Ansicht entschieden worden. Durch die verschiedensten Methoden gelang es ihm stets ganz zweifellose Röhrchen um die Zahnbeincanälchen zu isoliren. In- nerhalb dieser Zahnröhrchen lagern erst die eigentlichen weichen Zahnfasern, die Fortsätze der Odontoblasten. W aldeyer bestätigt die Angaben Neumann’s durchaus und schliesst sich im Wesent- lichen den Ansichten desselben vollständig an. Hertz hat sich dagegen von der Röhrennatur der fraglichen Gebilde nicht zu über- zeugen vermocht. Er hält sie für selbstständige, mit der Grund- substanz nichts Gemeinsames habende, solide, sehr resistente Fasern und vermag auch keinen Unterschied zwischen den Zahnscheiden und den in denselben lagernden zarten, weichen Zahnfasern zu sta- tuiren. Letztere sind ihm nur die noch weich und weniger wider- standsfähig gebliebenen Centra der ersteren. Beide gehen direct aus den Dentinzellen hervor, indem die Membran derselben zu dem peripherischen festen Theile der Zahnfasern wird, das Protoplasma der Zellen die centralen weicheren Theile bildet. Ich kann mich dieser Ansicht Hertz’s nicht anschliessen. Viel- mehr scheint mir Alles für die Richtigkeit der von Neumann be- gründeten und auch von Waldeyer getheilten Auffassung zu spre- chen. Legt man einen frischen Zahn in eine ziemlich dünne Chrom- säure-Lösung und steigert die Concentration von Tag zu Tag bis zu 2°, und noch darüber und setzt endlich noch einige Tropfen Salzsäure hinzu, so löst sich die Grundsubstanz in eine sehr weiche, fast breiige Masse auf, und man erhält durch Zerzupfen sehr leicht Präparate, wie das Fig. 15 gezeichnete, wo über die Ränder des Präparats die diekeren Zahnscheiden und aus diesen wiederum — scharf abgesetzt — die feinen Zahnfasern hervorragen. Nie war an den Stellen, wo erstere aus den letzteren hervortreten, ein all- mählicher Uebergang nachzuweisen. Ferner spricht mir gegen die Ansicht von Hertz die Thatsache, dass man auch noch an dem bereits ausgebildeten Zahn mit den persistirenden Odontoblasten die zarten Zahnfasern oft in beträchtlicher Länge aus ihren Zahncanäl- chen herausziehen kann. Besonders nach mehrtägiger Behandlung . 84 Franz Boll, der frischen Zähne mit ein- bis zweiprocentigen Lösungen von Kali bi- chromicum- erhielt ich oft Odontoblasten mit Fortsätzen, deren Länge den Längendurchmesser der Zellen um das Sechs- ja um das Achtfache übertraf. Der Durchmesser und die äusserst zarte Beschaffenheit der auf diese Weise mit den Odontoblasten herausgezogenen Zahnfasern entspricht vollständig den vonNeumann und Waldeyer gesehenen und beschriebenen Zahnfasern, keineswegs aber den beträchtlich dicke- ren, derberen Neumann schen Zahnscheiden. Wäre die Ansicht von Hertz die richtige, so müsste man annehmen, dass mit den Odon- toblasten wohl die Fortsätze des Protoplasma’s derselben aus den Zahncanälchen herausgezogen, die Fortsätze der Membran der- selben jedoch stets abgerissen würden und so in den Canälchen sitzen blieben. Dazu kommt noch, dass es weder Waldeyer noch mir gelungen ist, überhaupt eine Membran an den Odontoblasten wahrzunehmen. Die wesentlichste Bestätigung der von Neumann aufgestellten und von Waldeyer getheilten Ansicht über die Na- tur der Zahnscheiden finde ich in dem pathologischen Verhalten des Zahngewebes in der Caries. Schabt man mit einem feinen Messer über die kranke Fläche eines menschlichen cariösen Zahnes und bringt die so erhaltene Masse unter das Mikroskop, so erblickt man nur starre, gerade, hohle Röhren. Es sind dies die isolirten N eu- mann’schen Zahnscheiden. Die Grundsubstanz des Zahnbeins ist aufgelöst, die zarten Zahnfasern sind vergangen, nur die resisten- ten Zahnscheiden sind geblieben und zwar in einer so exquisiten Weise, dass an ihrer Röhrenform kein Zweifel mehr sein kann. Und doch sieht man an trocken aufbewahrten Zahnschliffen von den eige- nen Wandungen der Zahncanälchen keine Spur. Es bleibt nach meiner Meinung hier keine andere als die bereits von Neumann gegebene Erklärung, dass die dem Lumen der Zahnbeincanälchen zunächst liegenden Schichten der Grundsubstanz sich durch ein ganz besonderes Widerstandsvermögen gegen äussere Einflüsse auszeich- nen. Wir vermögen — nach dem Vorgange von Neumann — diese von der Grundsubstanz gegen das Lumen der Canälchen ge- bildeten Grenzsäume durch starke Mineralsäuren, welche die Grund- substanz auflösen, isolirt darzustellen, und ganz dasselbe leistet an dem noch lebenden Zahn die Caries. Mag man nun mit Wal- deyer die Zahnscheiden als „elastische Begränzungsschichten der Intertubularsubstanz gegen die Zahnfasern“ oder mit Neu- mann als „verdichtete Theile der verkalkten Zahnbeingrundsubstanz“ Untersuchungen über die Zahnpulpa. 85 auffassen, das bleibt sich in der Hauptsache gleich. Jedenfalls wird von beiden Forschern der organische Zusammenhang der Zahnschei- den mit der Grundsubstanz und ihre gleichsinnige Entwickelung fest- gehalten. Ich selber neige mich mehr der Ansicht von Neumann zu. Die eigenthümlich harte, starre Beschaffenheit der bei der Ca- ries isolirten Zahnscheiden scheint mir für die Imprägnation der Be- gränzungsschichten mit Kalksalzen zu sprechen. Wenden wir uns jetzt zu den fraglichen Entwicklungsvorgängen selber. Nach Hertz ist die Grundsubstanz des Zahnbeins die che- misch umgewandelte und verkalkte Intercellularsubstanz der Pulpa- zellen. Es steht diese seine Ansicht im engsten Zusammenhang mit der soeben erörterten über die Natur der Zahnscheiden, deren Be- gründung wir jedoch nicht anerkennen konnten. Nach der Beschrei- bung von Hertz tritt an der Verzahnungsgränze zwischen den Zel- len der oberflächlichen Schicht eine leicht streifige Intercellularsub- stanz auf, welche auf Kosten des Volums der Odontoblasten , die sich in eigenthümlicher Weise nach dem Zahnbein zu zuspitzen und verjüngen, sich vermehrt. Diese Intercellularsubstanz eben verkalkt und bildet so die Grundsubstanz des Zahnbeins. Die Odontoblasten selbst betheiligen sich direct bei der Bildung des Zahnbeins gar nicht. Ihre Membran bildet den äusseren, starken, sehr resistenten Theil (Zahnscheide Neumann’s), ihr Protoplasma den centralen weiche- ren Theil (Zahnfaser Neumann’s) der soliden Zahnfasern, unter welchem Namen Hertz diese beiden Gebilde als ein einziges zu- sammenfasst. Ich kann dieser Erklärung des fraglichen Entwicke- lungsvorganges nicht beistimmen, da ich fast keine der anatomischen Thatsachen, auf welche Hertz seine Erklärung der Genese des Zahnbeins stützt, zu bestätigen vermochte. Ich sah nie auch nur eine Spur von Intercellularsubstanz an der Verzahnungsgränze auf- treten. Die einzelnen Zellen liegen hart und auf den ersten Blick auch ganz scharf contourirt neben einander. Um die seitlichen Aus- läufer und Protoplasmacommissuren neben einander liegender Zellen zur Anschauung zu bringen, bedarf es eben ganz besonderer Me- thoden, die ich oben schon erwähnt habe. Auch habe ich die Ver- jüngung und Zuspitzung der Odontoblasten, den allmäligen Ueber- gang in die Zahnfasern nur sehr selten sehen können. Fast immer sind erstere von letzteren scharf abgesetzt. Ein Umstand, den die Theorie von Hertz nicht erklärt, ist ferner der, dass bei Weitem 86 Franz Boll, die Mehrzahl der Odontoblasten nicht einen, sondern meist bedeu- tend mehr Fortsätze in das Zahnbein entsendet. Ganz anders ist es mit der Theorie von Waldeyer. Beim Be- ginn meiner Untersuchung war ich oft geneigt, die Einwürfe von Hertz gegen die Beobachtungen von Waldeyer für begründet zu erachten. Je weiter ich jedoch meine Untersuchungen fortsetzte und je mehr ich meine Untersuchungsmethoden vervollkommnete, desto mehr überzeugte ich mich von der ausserordentlichen Sorgfalt und Genauigkeit der Beobachtungen Waldeyer’s bis in’s kleinste Detail. Nach diesen stellt sich der Verlauf des Verzahnungsproces- ses folgendermassen dar. Kurz vorher hat sich die Membrana eboris gebildet und die Odontoblasten bilden einen besonders markirten continuirlichen Ueberzug der Zahnpulpa. Die Odontoblasten gehen nun fast mit ihrer ganzen Masse in die harte Zahnbeinsubstanz über; nur einzelne in der Längenaxe der Odontoblasten. übrig bleibende sehr feine Stränge verkalken nicht, sondern persistiren als weiche Zahn- fasern in der Grundsubstanz. Die Zahl derselben kann, wie wir oben gesehen haben, von ein bis vier ja noch mehr schwanken. Die Sub- stantia eburnea constituirt sich einzig und allein aus den chemisch und formell umgewandelten Odontoblasten. Abgesehen von einigen rein theoretischen, die allgemeine Auf- fassung histiologischer Vorgänge betreffenden Meinungsverschieden- heiten, auf welche ich hier nicht eingehen will, muss ich der Dar- stellung Waldeyer’s vollständig beitreten. Ich habe Fig. 16 und 17 zwei Durchschnitte durch die Verzahnungsgränze gezeichnet. An beiden erscheint die Gränze zwischen Zahnbein und Membrana eboris scharf ausgeprägt. Von der nach Hertz zwischen den einzelnen Odontoblasten auftretenden Zwischensubstanz sieht man keine Spur. Ebenso wenig sieht man die Odontoblasten sich zuspitzen und so allmälig in die Zahnfasern übergehen; dieselben erscheinen vielmehr stets scharf abgesetzt. Besonders instructiv ist das letzte Präparat. Bei Anfertigung des Schnittes hat sich das junge Elfenbein von den Odontoblasten abgehoben und erscheint ausserdem noch seitlich ver- schoben. Trotzdem aber sind die von den Odontoblasten ausgehen- den Zahnfasern in situ erhalten geblieben. Untersuchungen über die Zahnpulpa. 87 Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Figg. 1—9. Verschiedene Formen der Odontoblasten aus einem ca. 24 cm. langen Rindsembryo, mit fünfprocentiger Salpetersäure behandelt. Figg. 10-14. Verschiedene Formen der Odontoblasten aus dem Schnei- dezahn eines jungen Kaninchen, mit Kali bichromieum behandelt. Fig. 15. Ein Stück vom Schneidezahn eines Kaninchen, mehrere Wo- chen lang mit starken Chromsäure-Lösungen behandelt. Die Zahnscheiden und innerhalb derselben die Zahnfasern treten deutlich über den Rand des Präparats hervor. Fig. 16. Durchschnitt durch die Verzahnungsgränze von einem ca. 30 cm. langen Rindsembryo. Mit fünfprocentiger Salpetersäure behandelt. Fig. 17. Dasselbe ; das bereits gebildete Elfenbein hat sich abgehoben und seitlich verschoben. Fig. 18. Nervenendigung in der Pulpa des Schneidezahns eines jungen Kaninchen. Die peripheren Fortsätze der Odontoblasten sind abgerissen. Fig. 19. Dasselbe; die Zahnröhrchenfortsätze sind erhalten. Das Gehörorgan des Hirschkäfers (Lucanus cervus). Von Dr. H. Landois. Hierzu Tafel VI. Es gibt wohl kein Insect, bei welchem sich die Kopfnerven schöner und anschaulicher präpariren lassen, als beim Hirschkäfer. Nachdem man die breite obere Kopfplatte entfernt, gelingt es bei einiger Uebung die mächtige Musculatur des Kopfes und namentlich der Mundtheile zu entfernen ohne die Nerven zu verletzen. + Nimmt man die Präparation unter verdünntem Alkohol vor, so können die starken Nerven auch mit freien Augen nicht übersehen werden. Ich besitze mehrere derartige Präparate, welche in Standgefässen auf- bewahrt zur Demonstration der Inseetennerven ausserordentlich in- structiv sind. Es war mir schon längst aufgefallen, dass die Nerven, welche aus dem relativ winzigen Gehirn dieses Käfers entspringen, sehr dick sind; namentlich gilt dieses von den Sehnerven und den Fühlernerven. Da sowohl die Augen, als auch die Fühler weit vom grossen Gehirn entfernt liegen, so sind die Nerven auch von ent- sprechender Länge. Bei der Spaltung der Antennen in der Längs- richtung lassen sich die Nerven bis in die Endlamelle des Fühlers leicht verfolgen ; ja sie erreichen in der letzteren im Verhältnisse zu dem dortigen kleinen Hohlraume eine ganz bedeutende Enwicke- lung und ausserdem eine besondere Ausbildung, welche später noch genauer gezeichnet und beschrieben werden soll. In der Fig. 1 Taf. VI habe ich ein gelungenes Nervenpräparat vom Hirschkäfer gezeichnet. In den Umrissen des Kopfes fällt zuerst das grosse Gehirn (cr) auf. Landois, Das Gehörorgan des Hirschkäfers (Lucanus cervus.. 89 Dasselbe besteht aus zwei deutlich getrennten Hälften. Aus dem- selben tritt seitlich der Sehnerv (no). Derselbe ist sowohl an seiner Ursprungsstelle, als auch in der Nähe des Auges kolbig verdickt. Auf der Unterseite des grossen Gehirns entspringen die beiden An- tennennerven (na), welche in gerader Richtung zu den Fühlern ver- laufen. Betrachtet man die Endlamelle des Fühlers beim Hirsch- käfer genauer, so gewahrt man schon mit unbewaffneten Augen sowohl auf der oberen als auch auf der unteren Fläche ein kleines punctförmiges Grübchen (Vgl. Fig. 1,1). Die Grübchen finden sich sowohl beim Männchen, als auch beim Weibchen in gleicher Grösse ausgebildet, obwohl die Antennen der Männchen grösser, als die der Weibchen sind. Die Endlamellen sind die grössten Fühlerblättchen, und sie haben die Grübchen ganz allein. Die Endlamellen haben eine eigenthümliche Form, die sich nicht besser, als mit der Ge- stalt einer trivialen Schuhsohle vergleichen lässt. Die Grübchen liegen auf den beiden Lamellenflächen nicht ganz an derselben Stelle, sondern rücken auf der inneren Fläche etwas mehr nach der äusseren Kante, und auf der Aussenfläche ein wenig nach dem inneren Rande. Mit Hülfe der Loupe sieht man, dass die Grübchen sich in das Innere des Fühlerblattes einsenken. Den Bau der Gruben er- kennt man am besten an gut geführten Querschnitten des Blattes. Wenn es auch gelingt die Fühlerblättchen in einer Mischung con- centrirter NO; und KOCIO, glashell zu machen, so ziehe ich die Un- tersuchung der Schnitte doch vor. Am zweckmässigsten zerlegt man das ganze Fühlerblatt in eine grosse Anzahl Querschnitte und sucht aus ihnen diejenigen aus, welche die Theile der Gruben enthalten. In der Figur 3 habe ich drei aufeimanderfolgende Schnitte a, b, e in sechsfacher Vergrösserung photographirt. Ringsherum befindet sich die Chitinhaut der Lamelle und in diese hinein senken sich die Gru- ben (gs) als kleine Kegelchen. Dieselben ragen in die Höhlung der Lamelle frei hinein. Jedes Grübchen hat oben eine kreisförmige Begrenzung (Vgl. Fig.2 gg) von 0,1 Mm. Durchmesser. Die innere Einsenkung oder Höhlung der Grube hat eine krugförmige Gestalt; ihre Tiefe beträgt 0,34 Mm. An der äusseren Fläche wird die ganze Lamelle von einer Unzahl Haaren bedeckt (Vgl. Fig. 2). Man unterscheidet unter ihnen beim ersten Anblick leicht zweierlei: grössere und kleinere. 90 Dr. H. Landois, Die grösseren (Fig. 2 gh) sind viel spärlicher und stehen durch- schnittlich 0,15 Mm. von einander; ihre Länge beträgt 0,11 Mm. Die kleineren Haare (Fig. 2 kh) stehen sehr dicht gedrängt ohne merklichen (0,02 Mm.) Abstand; sie sind viel dünner und meist nur 0,04 Mm. lang. Während man bei den grösseren Haaren ein deut- liches inneres Lumen wahrnimmt, scheinen die kleinen solid zu sein. Sämmtliche Haare sind mit einem KUBEIEE Be in der Chitinhaut beweglich. Die Chitinhaut der Fühlerlamelle ist tiefbraun und nur in sehr dünnen Schnittschichten durchsichtig genug, um ihren feineren Bau erkennen zu lassen. Die oberste Schicht ist von eigenthümlichen Canälen durch- setzt. Unter einem jeden Haare befindet sich nämlich eine kleine krugförmige Höhlung (Fig. 4k). Die obere Oeffnung derselben ist dazy bestimmt, das in eine Kugel endigende Haar aufzunehmen und articuliren zu lassen. Die Grösse dieser krugförmigen Canäle richtet sich nach den Haaren, indem den grösseren Haaren auch grössere Canäle entsprechen. Die Länge der Canäle beträgt 0,0467 Mm., sie durchsetzen die ebenso dicke Chitinhaut senkrecht. Die zweite Chitinlage lässt sich nur durch Behandlung mit NO; und KOCIO; als zusammenhängende Haut isoliren. Sie be- steht aus einer Menge 0,0083 Mm. dicker Fasern, welche sich wenig verflechten und meist in der Längsrichtung neben einander verlaufen. Sie anastomosiren jedoch ziemlich häufig und lassen dann jedesmal einen offenen Raum da übrig, wo ein Porencanal der überliegenden Schicht gelegen ist. Diese Fasern bilden eine zusammenhängende Haut, und es hat beim erstem Anblick den Schein, als wenn sie homogen wäre und mit Knochenkörperchen durchsetzt sei !); Jedoch eine Tinetion mit Anilinfarben lehrt sie als wirkliche Hohlräume resp. Lücken zwischen jenen Fasern ganz unzweifelhaft erkennen. Am Grunde des Fühlerblattes, wo die Haare spärlich stehen, ist diese Haut fast homogen. Unter dieser Faserschicht liegt die Hibsdermie oder Matrix, aus einzelnen dicht gedrängten 0,0083 Mm. grossen Zellen bestehend (Vgl. Fig. 4 h). Die Tracheen des Fühlerendblattes nehmen ihren Ursprung 1) Es sind auch wirklich von einigen Forschern diese Hohlräume für Knochenkörperchen gehalten worden. L. Das Gehörorgan des Hirschkäfers (Lucanus cervus). 91 aus einem einzigen Tracheenrohre, welches aus dem gemeinschaft- lichen Antennenstiele in jede Lamelle einen Zweig absendet. In dem Endblatte selbst verzweigt sich die Trachee und erweitert sich zu mehreren grösseren Blasen (Vgl. Fig. 2 tr). Ich habe in dem Lumen der Endlamelle meistens vier Tracheenblasen gefunden, abgesehen von kleineren und dünneren Verzweigungen. Die Dicke dieser Blasen beträgt 0,1 Mm. und ihre Länge 0,6 Mm. Während die feinen Tracheenröhrchen den sog. Spiralfaden. deutlich entwickelt zeigen, ist die Zeichnung dieser Blasen mehr oder weniger verworren, wie wir es in den Tracheenblasen der Insecten auch sonst zu sehen ge- wohnt sind. Die Organe, auf welche wir ganz vorzüglich unsere Aufmerk- samkeit richten müssen, sind die Nerven (Fig. 2 na). Ich habe schon vorhin den gröberen Verlauf derselben von dem Gehirn aus bis zu dem Fühlerendblatte beschrieben und an der beigefügten Zeichnung in Fig. 1 demonstrirt; ich brauche hier nur noch beizu- fügen, dass der Antennennerv auf der unteren Seite des grossen Gehirns dicht unter der Ursprungsstelle des Sehnerven beiderseits entspringt, und sich in gerader Richtung zu den Antennen begibt. Beim Eintritt in das Fühlerendblatt durch die untere Oeffnung desselben ist der Nerv einfach, aber im Verhältnisse zu dem obli- gaten Organ ausserordentlich dick. Während der ganze Durchmesser der Lamelle in der Querrichtung mit Einschluss der Chitinwandungen kaum 1 Mm. beträgt, ist der Nerv 0,1 Mm. dick und füllt einen bedeutenden Theil des Lumens aus. Kurz nach dem Eintritte in die Fühlerlamelle verzweigt er sich in mehrere Aeste — ich zählte deren drei grössere — und diese verzweigen sich alsbald wieder in eine grosse Anzahl feinerer Stämm- chen. Von zweien secundären Stämmen habe ich die Dicke gemessen ; sie betrug noch in der Mitte der Lamelle bei dem einen 0,075 Mm., bei dem andern 0,0916 Mm. Die gröberen Nervenverzweigungen haben ein deutlich entwickeltes Neurilemm, in welchem die Kerne dicht gedrängt liegen. Die Kerne dieser Nervenhülle haben eine längliche Gestalt, und da ihre Länge 0,02 Mm. und ihre Dicke 0,016 Mm. beträgt, so lässt dieses auf die bedeutende Dicke der Nervenhülle selbst schliessen. Die Nervenendigungen sind von höchst eigenthümlichem Baue. Nachdem sich die Nerven stark verästelt, wenden sich ihre letzten Fasern (meist noch 0,0184 Mm. dick) sämmtlich gegen die 04 92 Dr. H. Landois, Hypodermis. In derselben schwillt ein jedes Fädchen in eine Gang- lienzelle an (Vgl. Fig. 4 g). Die Ganglienzellen selbst sind von länglicher Gestalt. Von zweien habe ich die Dimensionen genau festgestellt und wählte dazu eine grössere und eine kleinere; aus den erhaltenen Zahlen ergibt sich jedoch, dass ihre Grösse nicht viel differirt. Die Länge betrug bei der einen 0,0367 Mm., bei der anderen 0,0316 Mm. Die Dicke der ersteren bestimmte ich auf 0,025 Mm., die der zweiten auf 0,0183 Mm. Im Innern enthalten die Ganglienzellen einen deutlichen Kern von 0,0134 Mm. Durchmesser; manchmal sind die Kerne kleiner, enthalten aber ohne Ausnahme ein deutliches Kernkörperchen. Die Entfernung der Ganglienzellen von der oberen Chitinschicht beträgt 0,0116 Mm., da die zwischenliegende faserige Chitinschicht eine grössere Annäherung verhindert. Ich deutete schon oben an, dass die zweite Chitinschicht (innere) ihre Fasern in der Weise verflechtet, dass sie unter den inneren Öeffnungen der Porencanäle jedesmal eine Lücke lassen. Durch eben diese Lücke sendet jede zugehörige Ganglienzelle einen Fort- satz, welcher sich in den krugförmigen Porencanal begibt und bis zu der knopfförmigen Einlenkung der Haare reicht. Bei der Präparation feiner Schnitte gelingt es nicht selten, diese Fortsätze der Ganglien- zellen in Verbindung der Zellen selbst aus jenen Höhlungen heraus- zuziehen. Man erkennt dann ihre deutlich ausgesprochene Stäb- chenform (Fig. 4 s. a.), in denen sich durch verschiedene Licht- brechung eine Zusammensetzung aus einem inneren Axenkörper und einer Hülle kenntlich macht. Der innere Axenkörper ist 0,0316 Mm. lang und meist nur 0,005 Mm. dick. Unter den grös- seren Haaren verdickt sich der innere Axenkörper am Ende zu einem kleinen Knopfe !). Während wir so den gröberen, wie den feineren Bau der End- lamelle des Fühlhornes gegeben, erübrigt uns noch, einzelne wenige abweichende Verhältnisse, welche die Untersuchung der Fühlergruben darbieten, anzuführen. Im Ganzen ist der. Bau der Haut dieser 1) Aehnliche Nervengebilde fand Leydig bei Dipteren und einigen Wasserkäfern, welche er ebenfalls für Gehörorgane anspricht. Vgl. Ueber Geruchs- und Gehörorgane der Krebse und Insecten. Archiv für Anat. von Dubois-Reymond und Reichert 1860. pag. 265. Das Gehörorgan des Hirschkäfers (Lucanus cervus). 93 Gruben gleicher Art, wie an den übrigen Theilen der Lamelle. Die Dicke der Chitinschichten bestimmte ich hier auf 0,043 Mm. Die Entfernung der einzelnen Haare in den Höhlen beträgt 0,013 Mm.; dieselbe ist also geringer als die der kleineren Haare auf der sonstigen Oberfläche der Lamelle. Soweit der anatomische Befund. Suchen wir aus den objectiven Thatsachen eine gegründete Ansicht festzustellen, zu welchem Zwecke die erwähnten nervenreichen Organe, die Antennen, angelegt sind, so gerathen wir in nicht geringe Verlegenheit; halten wir uns vor- läufig einzig und allein an unseren Hirschkäfer, so kann hier ihre Bedeutung wohl weniger zweifelhaft sein. Was zuerst die beiden Antennengruben des Fühlhornes betrifft, so glaube ich, dass meine Ansicht, es seien Gehörorgane, viele Wahrscheinlichkeit für sich hat. Zunächst finden wir in den Hörhaaren der Krebse nach der classischen Arbeit Hensen’s ana- loge Gebilde. Dort wie hier existiren nicht allein solche nerven- reichen Haare, sondern sie liegen auch sehr häufig in eingesenkten Gruben. Als Geruchsorgane können sie sicher nicht aufgefasst wer- den, weil auch nirgends in den Gruben eine weichere Hautstelle vorhanden ist, welche die duftenden Stoffe auflösend den Nerven übermittelte. Zum Fühlen sind diese Haare ebenfalls durchaus un- tauglich, da sie in ihrer verborgenen und geschützten Lage mit keinem zu betastenden Körper in Berührung gebracht werden können. Dahingegen gelangen die Schallwellen der Luft leicht in die Gruben, ja die Vertiefung fängt sie um so besser auf und kann die Vibration der Hörhaare nur befördern. Machen wir hier noch geltend, dass die mächtigen Tracheenblasen der Lamelle ganz in der Nähe der Ganglienzellen gelegen sind, so gewinnt unter Berücksichtigung der Analogie der Gehörorgane der Grylliden die Ansicht ihre feste Stütze, dass die beiden Gruben in der Endlamelle des Hirschkäfers als Gehörgruben aufgefasst werden müssen, und dass die darin befindlichen Haare zur Function des Hörens vorhanden sind. DieGehörorgane des Hirschkäfers befinden sich demnach an den End- lamellen der Antennen. Die Antennen dienen dem Hirschkäfer auch sicherlich zum Ge- fühl, denn er zieht dieselben bei der leisesten Berührung ein. Da nun auf der Oberfläche der Fühlhörner zweierlei Haare vorhanden sind, zunächst längere und kräftigere, in weiterem Abstande von . 94 Dr. H. Landois, einander entfernt, so glaube ich, dass eben diese der Gefühlsfunction wegen vorhanden sind. Die kleineren Haare können mit fremden Körpern kaum in Berührung kommen, weil sie von den kräftigeren Haaren bedeutend überragt werden. Die kleineren Haare auf der Lamellenoberfläche werden höchst wahrscheinlich wohl ebenfalls, wie die der Gehörgruben zum Hören benutzt werden. Dass der Hirschkäfer riechen kann, unterliegt wohl keinem Zweifel. Bringt man ihn in die Nähe unangenehmer Dämpfe wie z.B. von schweflicher Säure, Ammoniak, Tabaksdampf etc., so zieht er lebhaft seine Fühler ein. Er wird sich aber dieser Stoffe sicher- lich nicht durch die Lamellen der Fühler bewusst. Schneidet man nämlich die Enden der Fühlhörner völlig ab, so zieht er auch noch die verstümmelten Organe ein und zwar mit derselben Lebhaftigkeit, wie bei unlädirten Antenuen. Der Geruch wird ihm also sicher durch irgend ein anderes Organ vermittelt, und das Einziehen seiner Fühler ist das Resultat anderweitiger Nervenreize. | An trockenen Exemplaren von Dorcus parallelipipedus hatte ich bereits bemerkt, dass an der letzten Lamelle des Fühlers eben- falls zwei Gehörgruben vorkommen. Anfangs Juli erhielt ich einige lebendige Exemplare, welche sogleich auf das Gehörorgan untersucht wurden. Ich fand hier ganz ähnliche Verhältnisse, wie ich sie eben beim Hirschkäfer eingehender erörtert habe. Dass hier die Dimen- sionen durchschnittlich kleiner sind, als beim Hirschkäfer, liess sich bei der geringeren Körpergrösse schon erwarten. Um Wiederholungen zu vermeiden, gebe ich hier nur die Messungen von den einzelnen Theilen des Gehörorgans: Aeussere Gehöröffnung . . . 2 2.2... 0,046 Mm. Tiefe: dex)/Gehörgrube sie Sara; 2 ar 190220 17; Durchmesser derselben . . . . EL) 5; Oeffnung der zugehörigen anderen Giube »< 0,040: „ Tiefe, derselben; 1.9 1.1.2 ad get Un 2102500, Durchmesser derselben . „1.7... 2. ..0,175 Länge der Haare auf der Lamelle . . . . 0,0300, 055 Mm. Länge der Haare in der Gehörgrube . . . 0,0067—0,0167 „, Grösse der Nervenzellen . . . .. 22.2: 0,0167. Mm. Münster, den 3. August 1867. Das Gehörorgan des Hirschkäfers (Lucanus cervus). 95 Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Fig. 1. Der Hirschkäfer im Umriss; &; natürliche Grösse. Im Kopfe sind eingezeichnet: er. das grosse Gehirn, no. der Sehnerv, na. der Antennennerv, l. Endlamelle des Fühlers mit dem punetförmigen Grübchen. Fig. 2. Die letzte und grösste Lamelle der Antenne. Die grössere untere Hälfte der Lamellenhaut ist abgeschnitten, um die Lage der inneren Organe zu zeigen. Vergrösserung 50. gh. grössere Haare, kh. kleinere Haare, gg. Gehörgrube der inneren Lamellenfläche, tr. Tracheenblasen, von denen in jeder Endlamelle 4—5 vorhanden, na. Gehörnerv mit seinen Verästelangen. Die Nerven endigen in g. Ganglienzellen, h. Hypodermiszellen, k- die krug- oder flaschenförmigen Canäle unter den Haaren der Chitinhaut. Fig. 3. Diese Figur wurde ursprünglich nach einem Präparate in sechsfacher Vergrösserung photographirt und ist hier durch den Stich nachgeahmt. a.b.c. drei Schnitte der Fühlerlamelle, welche aufeinander folgen, a. in dem ersten Schnitte ist nur Chitinhaut (ch) sichtbar, b. in dem folgenden Schnitte sind die Anfänge der Gruben zu sehen, e. in dem dritten Schnitte sieht man die beiden fast gegenüber- liegenden Gehörgruben als zwei in das Innere der Lamelle hineinragende Kegelchen (gg). Fig. 4. Theil einesDurchschnittes durch die Fühlerlamelle. Vergrösserung 600. gh. grösseres Haar, | kh. kleinere Haare, [ k. krugförmige Porencanäle unter den Haaren, fh. die untere chitinöse Schicht, aus Fasern bestehend, g. Ganglienzellen, s. stäbchenartige Fortsätze der Ganglienzellen, a. markirte Nervenaxencylinder, h. Hypodermiszellen. sämmtlich mit einem Kugelgelenk inserirt, Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmacks- wärzchen der Zunge von Dr. Christian Loven, Prosector am Carolinischen Institute zu Stolkholm. Vom Verfasser aus dem Schwedischen übersetzt u. am 16. N ov. 1867 eingesandt. Hierzu Tafel VI. Durch die Untersuchungen von Billroth und A. Key ist, wie bekannt, dargethan, dass diejenigen Papillen der Froschzunge, in welche Nerven eintreten, in der Mitte ihrer oberen abgeplatteten Fläche ein Epithel besitzen, welches der Form, Farbe und dem Zu- sammenhange nach von dem die Seiten dieser Papillen sowie die Zungenschleimhaut überhaupt bekleidenden Flimmerepithel bedeu- tend abweicht. Key, der dieses Epithel näher beschrieb, hat ge zeigt, dass die Nerven mit besonderen darin vorkommenden Zellen in directem Zusammenhange stehen. »Es zeichnet sich, ausserdem dass es cilienlos ist, durch seine gelbliche Färbung und feinkörnigeren eine geringere Durchsichtigkeit bedingenden Zelleninhalt mit zer- streuten gröberen glänzenden Körnern aus« !) und verdient als ein Nervenepithel bezeichnet zu werden, da es unmittelbar auf einer schalenförmigen Erweiterung des in der Mitte der Papille empor- 1) E. A. Key: Ueber die Endigungsweise der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. Reichert’s und du Bois Reymonds Archiv 1861, S. 336. Beiträge zur Kenntniss vom Bau derGeschmackswärzchen der Zunge. 97 steigenden Nervenstammes sitzt. Bei Zerzupfung nach Maceration in dünnen Lösungen von Chromsäure oder Kali bichromicum zer- fällt es in zwei verschiedene Arten von Elementen, nämlich modi- fieirte Epithelialzellen und eigenthümliche Nervengebilde.. Die Zel- lenkörper jener sind cylindrisch und gehen nach einwärts d.h. gegen die Schleimhaut hin, in feine verzweigte Ausläufer über, die miteinander in Verbindung treten; die letzteren dagegen »be- stehen aus einem rundlichen oder mehr elliptischen Zellenkörper mit einem peripherischen und einem centralen Ausläufer. Der glän- zende Zellenkörper selbst wird fast völlig von einem rundlichen Kern mit einem glänzenden Kernkörper eingenommen« !), »von den beiden Ausläufern ist der peripherische stäbchenförmig, glänzend und läuft zwischen den Körpern der Epithelialzellen gegen die freie Oberfläche des Epithels«, der centrale dagegen »ist ein äusserst feiner Faden, der gegen die Nervenschale verläuft und mit regelmässigen Varico- sitäten versehen ist« 2). Durch diesen Faden steht jede solche Zelle mit einem von den zahlreichen gleich beschaffenen Fäden in Zusam- menhang, in welche die Axencylinder der Nervenröhren in der Nervenschale sich auflösen. Als Resultat seiner Untersuchungen gibt Key an, »dass die Nerven in den breiten Papillen der Frosch- zunge schliesslich in feinste variköse Fäden übergehen, die als End- bildungen eigenthümliche celluläre Bildungen, die wohl denNamen Geschmackszellen verdienen, zwischen den Epithelialzellen an ihrem Ende tragen« 3). Indessen sah der genannte Forscher auch Axen- cylinder ziemlich zahlreich in das Epithel hereintreten ohne früher in variköse Fäden zerfallen zu sein und fand sogar einmal eine Ge- schmackszelle unmittelbar aufdem Ende eines solchen Axencylinders sitzend (siehe Taf. VIII Fig. 7a). Obwohl also beim Frosche der Bau der Geschmackswärzchen und besonders diejenigen Gebilde, welche aller Analogie nach als die Endorgane der Geschmacksnerven angesehen werden müssen, ziemlich vollständig bekannt zu sein scheinen, sind wir jedoch bis jetzt ohne die geringste Andeutung darüber, wie die entsprechenden Theile bei den höheren Vertebraten sich verhalten, so dass Kölliker in der vierten Auflage seines Handbuches der Gewebelehre hier- 1) A. a. 0. S. 339. 2) A. a. O. S. 342. 3) A. a. 0. $. 346, 4 98 Dr. Christian Lov6n, über bemerkt (S. 383): »dass bei höheren Thieren das Epithel der eigentlichen Geschmackswärzchen nach dem, was bis jetzt bekannt ist, keine Eigenthümlichkeiten darbietet, welche auf ähnliche Ver- hältnisse wie beim Frosche schliessen lassen«. Um zum Ausfüllen dieser Lücke unseres Wissens einigermassen beizutragen, habe ich die schon von Alters her als Geschmacksorgane betrachteten Papillae vallatae und fungiformes einiger Säugethiere einer näheren Untersuchung unterworfen, und da diese, wenn sie auch nicht die Frage zum Abschluss gebracht, doch einige Structurver- hältnisse, die, wir mir scheint, von grossem Interesse sind, an den Tag gelegt hat, so habe ich es für zweckmässig gehalten die we- sentlichsten Resultate davon schon jetzt mitzutheilen, obwohl die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Auch muss ich hier bemerken, dass meine Aufmerksamkeit bis jetzt fast ausschliesslich den Papill. vallat. der Kalbszunge zugewandt gewesen ist, wogegen die Zunge vom Menschen und die Papill. fungiformes des Kalbes nur ziemlich oberflächlich untersucht worden sind. Die Papillae vallatae des Kalbes sind in zwei durch einen be- trächtlichen Zwischenraum von einander getrennten Haufen, einer auf jeder Seite der oberen Fläche der Zungenwurzel gesammelt. Die Zahl der Papillen in jedem Haufen ist ziemlich wechselnd und hat in den Fällen, wo ich sie gezählt habe, zwischen acht und fünfzehn variirt. Dem Aeusseren nach haben sie wesentlich diesel- ben Charaktere, wie beim Menschen, und bestehen also aus einer centralen Papille und einer die letztere umgebenden ringförmigen Erhe- bung oder einem Walle, der von jener durch einen mehr oder weniger tiefen Graben getrennt ist. Die Papille selbst wechselt bedeutend nach Form und Grösse, aber fast stets ist sie nach oben etwas breiter, so dass sie mit einem schmäleren Halse in die Schleim- haut übergeht. Die obere Fläche, welche mit einem abgerundeten Rande in den Hals übergeht, ist bei den kleinsten Papillen etwas gewölbt, sonst zuweilen platt, öfter aber, und stets bei den grösseren, in der Mitte vertieft, nicht selten sogar durch Furchen, welche von der centralen Vertiefung ausstrahlen, in mehrere Abtheilungen zer- spalten. | Auch der umgebende Wall bietet grosse Variationen dar. Mei- stens gut ausgeprägt, wird er zuweilen so niedrig und undeutlich, dass die Papille nur ganz einfach in eine Vertiefung der Schleimhaut eingesenkt zu sein scheint; ausserdem findet man fast bei jedem Beiträge zur Kenntniss von Bau der Geschmackswurzeln der Zunge. 99 Individuum ein oder mehrere Beispiele von zwei mit einem ge- meinsamen Walle umgebenen Papillen, in welchem Falle ihre gegen einander gekehrten Seiten meistens mehr oder weniger abgeplattet sind. Im Graben zwischen der Papille und dem Walle münden constant die Ausführungsgänge einer grossen Menge von Schleimdrüsen aus sowie bei den grösseren Papillen meistens einer in die erwähnte centrale Vertiefung ihrer oberen Fläche. Bei jeder Papille ist der Körper oder das bindegewebige Stroma von dem Epithel zu unterscheiden. Der Papillenkörper ist nach oben mit einer grossen Zahl konischer oder mehr ausgezogener, mit- unter gabelförmig gespaltener secundären Papillen besetzt, welche am Rande der oberen Fläche und an der Seite durch senkrechte d. i. mit der Axe der Papille parallele niedrige Leistchen oder Kämme mit dazwischen liegenden rinnenförmigen Vertiefungen er- setzt werden. In Folge dessen erscheint die Grenze zwischen Stroma und Epithel an dieser Stelle fast eben und geradlinig, falls der Schnitt den erwähnten Leistchen vollkommen paraiell ausgefallen ist, in anderen Fällen dagegen und besonders bei Horizontalschnitten zeigt dieselbe niedrige Zacken, welche die secundären Papillen der oberen Fläche vortäuschen können, aber bei näherer Untersuchung sich meist als die erwähnten quer oder schief durchgeschnittenen Leistchen erweisen. Das Epithel füllt die Vertiefungen zwischen allen diesen Erhabenheiten vollständig aus, so dass die Oberfläche der Papille überall vollkommen glatt wird und keine Spur der unterliegenden Unebenheiten zeigt. Dieses Epithel ist eine unmittelbare Fortsetzung des die Schleimhaut der Zunge überall bekleidenden mehrschichtigen Plattenepithels, weicht aber durch mehrere wichtige Eigenthümlich- keiten, deren einige schon bei oberflächlicher Untersuchung auffallen, davon ab. So ist es bedeutend dünner und zeichnet sich durch etwas grössere Festigkeit und Zusammenhang sowie durch seine etwas geringere Durchsichtigkeit, die von der körnigeren Beschaf- fenheit seiner Elemente bedingt ist, aus. Mehrere von diesen letz- teren sind äusserst veränderlich, und kann das fragliche Epithel dem- zufolge an Schnitten von gehärteten oder getrockneten Präparaten nur ganz unvollkommen studirt werden. Von den verschiedenen Methoden, die ich in dieser Beziehung versucht habe, dürfte vor- sichtige Härtung in verdünntem Holzessig die beste sein, und kann man von Zungen, die in dieser Weise behandelt worden sind, oft . 100 Dr. Christian Loven, Präparate erhalten, welche eine gute Uebersicht über die eigen- thümliche Anordnung des Epithels gestatten (Fig. 1). Alle solche Methoden sind jedoch ganz unzureichend um die feineren Einzelheiten zur Erkennung zu bringen; das Einzige, welches in dieser Beziehung zum Ziele führt, ist die Maceration in Jodse- rum oder in einer sehr verdünnten Lösung von Chromsäure (!/so %/o) oder von Bichrom. Kal. (!/s °/,) mit nachfolgender Zerzupfung von kleinen mit einer feinen Scheere abgetragenen Stückchen. Die Wir- kung der genannten Lösungen ist jedoch nicht stets vollkommen gleichförmig ; die Temperatur, die Menge der angewandten Flüssig- keit in Vergleich zur Grösse des Präparats, die ursprüngliche Be- schaffenheit dieses letzteren — alle diese und wahrscheinlich mehrere andere Umstände scheinen in dieser Beziehung einen Einfluss aus- zuüben, der selten im Voraus berechnet werden kann. Die fragli- chen Theile erfordern überhaupt eine Maceration von mehreren Tagen, einer Woche, ja noch mehr um ohne bedeutendere Gewalt zerzupft werden zu können; in einigen Fällen kommt man jedoch viel schneller zum Ziele. Freilich verändert stets eine langdauern- de Maceration die empfindlichsten Elemente nicht unbedeutend, aber noch schädlicher wirken concentrirtere Lösungen. Hier, wie überhaupt bei allen Untersuchungen dieser Art, muss man sich nicht nur mit einer Methode begnügen, sondern mehrere versuchen, welche einander gegenseitig vervollständigen oder controliren. Nach aussen besteht das Epithel hier, wie auf der Zunge über- haupt aus polygonalen, dünnen, platten Zellen, welche mit runden oder ovalen Kernen versehen sind, aber diese Zellen sind hier be- trächtlich kleiner und bilden nur ganz wenige Schichten. Insbeson- dere ist letzteres der Fall am seitlichen Abhange oder am Halse der Papille; an der oberen freien Fläche dagegen, vor allem aber in der hier, wie schon bemerkt, oft vorkommenden Einsenkung nimmt diese äussere Abtheilung des Epithels etwas grössere Dicke an. Bei der näheren Untersuchung macht sich jedoch bald ein noch wichtigerer Un- terschied zwischen dem die obere Fläche überziehenden und dem den seitlichen Abhang bekleidenden Epithel bemerklich. Wenn man nämlich dasselbe von der äusseren Fläche betrachtet, so zeigt diese, falls das Präparat dem Papillenhalse entnommen war, eine grosse Zahl runder, scharf begrenzter Löcher, welche an der oberen Fläche der Papille, ausser etwa in der unmittelbaren Nähe des Randes vollkom- men fehlen. Von der Existenz dieser Löcher kann man auch an Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmackswärzchen der Zunge. 101 ganz frischen in Humor aqueus untersuchten Präparaten sehr leicht sich überzeugen. Bei der Behandlung mit einer Lösung von salpe- tersaurem Silberoxyd (!/, °/,) werden sie sehr rasch imtensiv schwarz gefärbt, und nach der Einwirkung von Chlorgold (nach den Vor- schriften von Cohnheim) nehmen sie oft eine violette Farbe an, bevor noch andere Elemente davon gefärbt werden. Am besten wer- den sie jedoch an dünnen Epithelialplatten studirt, welche nach längerer Maceration gewöhnlich sehr leicht von den unterliegenden Schichten sich ablösen. Es erweist sich dann jedes solche Loch als von einer Areola umgeben, die sich durch grössere Durchsich- tigkeit von der Umgebung auszeichnet und etwas uhrglasförmig über dem Niveau derselben gewölbt ist (Fig. 2 a). Der Durchmesser der Löcher wechselt nicht unbeträchtlich ; die Minima und Maxima mei- ner Messungen sind resp. 0,0064 und 0,0198 Mm. Die Löcher sind meistens, wie bei der Untersuchung macerirter und zerzupfter Prä- parate bald erhellt, zwischen je zwei Epithelialzeller gelegen, de- ren einander zugekehrte Ränder dann Einschnitte besitzen, welche einem grösseren oder kleineren Theile des Loches entsprechen (Fig. 2b), nicht selten aber gehört letzteres nur einer einzigen Zelle an, durch welche es wie ausgehauen ist. Bei der Untersuchung frischer oder macerirter Präparate oder dünner Verticalschnitte von Zungen, die in Holzessig gehärtet waren, erweisen sich diese Löcher bald als den Spitzen eigenthüm- licher Gebilde entsprechend, deren Form, Bau und vermuthete physiologische Bedeutung mich bewegen für sie den Namen „Ge- schmackszwiebel“ oder „Geschmacksknospen‘“ vorzuschla- gen. Fig. 1, die nach einem Holzessigpräparate gezeichnet ist, zeigt ihre gewöhnliche Anordnung beim Kalbe. Sie nehmen, in so weit ich bis jetzt gesehen habe, in den Pap. vallat. stets nur den Hals der Papille bis an den Rand der oberen Fläche ein und Kom- men also in derselben Gegend vor, wo die oben erwähnten Leistchen auftreten. Innerhalb der oberflächlichsten Schichten platter Zellen besteht das Epithel auf der oberen Fläche der Papille sowie am Halse zwi- schen den Geschmackszwiebeln aus Zellen, die im allgemeinen po- lygonal oder würfelförmig gestaltet, feinkörnig und mit einem oder zwei runden oder ovalen Kernen, welche ein oder mehrere Kern- körperchen bergen, versehen sind. Die Umrisse dieser Zellen sind sehr fein, so dass die Gränzen der einzelnen Zellen nur mit Schwie- . 102 Dr. Christian Loven, rigkeit erkannt werden können. Es nehmen diese Zellen oft sehr sonderbare Formen an mit hervorragenden Vorsprüngen und schar- fen Ecken oder mit feinen Stacheln und Riffen (,„Stachel-“ und „Riffzel- len“ M.Schultze). Fig.2fg hi stellt einige solcher dar, und dieselbe Fig. de zwei andere den äusseren Schichten angehörende Formen, wahrscheinlich aus der unmittelbaren Umgebung der Geschmacks- zwiebeln. Diejenigen Zellen, welche die tiefste Schicht des Epithels bilden und unmittelbar auf der Schleimhaut selbst stehen, sind überall ausgezogen cylindrisch oder Kolbenförmig. Die Geschmackszwiebeln. Diese Gebilde werden, wie schon oben erwähnt, nur am Halse d. i. an demjenigen Theile der Papille, welcher am Ringgraben unmittelbar angrenzt, gefunden und scheinen dort in den zwischen den Leistchen vorkommenden rinnenförmigen Vertiefungen ihren eigentlichen Platz zu haben. Sie sitzen mit einem schmäleren Halse unmittelbar auf der Schleimhaut selbst, schwellen in dem äusseren Theile des Epithels kolbenförmig an um rasch zugespitzt in oder dicht innerhalb der an der Ober- fläche des letzteren vorkommenden Löcher zu endigen. Es sind diese Gebilde von ziemlich complicirtem Bau und bestehen aus we- nigstens zwei verschiedenen Arten von Elementen, nämlich theils aus modificirten Epithelialzellen theils aus eigenthümlichen stäbchen- förmigen Organen, welche aller Wahrscheinlichkeit nach als Nerven- endgebilde aufzufassen sind. Jene, die man „Stütz-‘“ oder „Deckzellen‘‘ nennen könnte sind länglich, platt und machen, einander dachziegelförmig deckend, den äusseren und grössten Theil jeder Geschmackszwiebel aus (siehe Fig.5a, Präparat aus der Zunge des Menschen mit Jodserum be- handelt). Nach oben laufen diese Zellen in schmale Spitzen aus, welche gegen das in der äussersten Schichte des Epithels befind- liche Loch convergiren ; nach unten dagegen werden sie zu langen feinen oft verästelten Fäden verjüngt, die, in macerirten und zer- zupften Präparaten untersucht, bald mit anderen cellulären Ele- menten sich verbindend, bald in die Schleimhaut eindringend , wo sie dem weiteren Verfolgen sich entziehen, gesehen werden (Fig. 5 b) vom Menschen und Fig. 6 vom Kalbe). In verhältnissmässig fri- schem Zustande untersucht erscheinen sie sehr blass, mit äusserst schwachem Umrisse und gewöhnlich mit einem ovalen Kerne ver- sehen ; nach längerer Maceration dagegen werden sie wie geschrumpft, meistens mehr oder weniger gebogen, mitunter fast eingerollt und die Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmackswärzchen der Zunge. 103 Umrisse nehmen an Schärfe zu. In diesem Zustande ist oft von dem Kerne Nichts zu sehen, dagegen sieht man zuweilen in seiner Stelle eine grössere, runde oder ovale scharf begrenzte Höhle oder Vacuole (blasenförmig degenerirter Kern ?) Es umgeben und bekleiden nun diese Zellen, ganz wie die Kelchblätter einer Blumenknospe, das Innere der Geschmackszwie- bel, so dass letztere dadurch vollkommen gedeckt wird; nur mit Schwierigkeit und nur durch eine viel Geduld in Anspruch nehmende Präparation mit Nadeln ist man im Stande sich eine Vorstellung da- von zu verschaffen. Bei dieser Behandlung werden die Geschmacks- zwiebeln nicht selten in ihrem Zusammenhange isolirt; öfter jedoch findet man mehrere von den erwähnten „Deckzellen‘ mit ihren Spitzen oder mit den centralen fadenförmigen Fortsätzen quasten- förmig zusammenhängend, und die von ihnen umgebenen Theile werden dann meistens isolirt in der Nähe angetroffen. Diese letz- teren bestehen theils aus blass feinkörnigen, sehr schwach be- grenzten, kernführenden Zellen, welche rund, oval oder spindel- förmig sind, theils aus eigenthümlichen Organen, die ich als die Homologa der von Key beim Frosche beschriebenen „Geschmacks- zellen“ betrachten muss. Diese zeichnen sich von den umgebenden Gebilden durch ihren eigenthümlichen, matten Glanz aus und bestehen aus einem dicke- ren, ovalen, kernförmigen Theil (Zellenkörper) und aus zwei da- von entspringenden Ausläufern, deren der eine nach aussen gegen die Spitze der Geschmackszwiebel läuft und beim Kalbe cylindrisch, stäbchenförmig ist, der zweite in der Gestalt eines langen feinen Fadens in die unterliegende Schleimhaut eindringt (Fig. 3). Bei der Untersuchung im frischen Zustande oder nach einer kurzen Ma- ceration in Jodserum erscheint das ganze Gebilde fast vollkommen homogen aber nach längerer Maceration wird der peripherische, stäbchenförmige Fortsatz durch eine deutliche Linie von dem jetzt stärker lichtbrechenden und glänzenden Zellenkörper abgegrenzt. Es scheint übrigens der erwähnte Fortsatz von den angewandten Flüs- sigkeiten sehr leicht angegriften zu werden, so dass er nach länge- rer Einwirkung nicht selten mehr oder weniger verändert, aufgebläht (Fig. 3 b) oder theilweise zerfallen angetroffen wird, und nimmt dann die Zersetzung anscheinend stets in dem peripherischen Ende der- selben ihren Anfang, von wo sie allmählig nach dem mehr wider- standsfähigen Zellenkörper oder Kerne fortschreitet. Diesen letzteren 4 104 Dr. Christian Loven, habe ich stets homogen gefunden ohne Spur von Körnern oder an- deren Gebilden, welche als dem von Key in den Geschmackszellen des Frosches beobachteten glänzenden Kernkörperchen entsprechend gedeutet werden konnten. In einem Präparate, welches nach Ma- ceration in der !/;o °/o Chromsäurelösung mit sehr verdünnter Kali- lauge behandelt war, konnte ich um den stark lichtbrechenden Kern eine dünne, sehr blasse Schicht beobachten (wahrscheinlich die Spur einer in geringer Menge vorkommenden Zellensubstanz); ausserdem war hier auch der Kern gegen den centralen Ausläufer deutlich ab- gegrenzt, was sonst nicht der Fall zu sein scheint (Fig. 3 c). Die Länge des peripherischen Ausläufers habe ich zwischen 0,012 und 0,025 Mm. variirend gefunden. i Der centrale Fortsatz ist ein feiner Faden, der gewöhnlich hie und da, ohne jedoch regelmässig varikös zu sein, mit kleinen stark lichtbrechenden Anschwellungen besetzt ist, und oft, wenn er in be- deutenderer Länge erhalten wird, schliesslich in einen dickeren (bis 0,0015 Mm.) gleichfalls stark lichtbrechenden und glänzenden Theil übergeht, welcher allen Anschein abgerissen zu sein trägt. Es hat dieser Faden in frischen Präparaten denselben matten Glanz wie die oben beschriebenen Theile der Geschmackszelle und gleicht voll- kommen dem Axencylinder eines Nervenfadens; die soeben erwähn- ten Anschwellungen dagegen erinnern durch ihre optischen Eigenschaf- ten schr lebhaft an Nervenmark. Nicht selten trifft man solche cen- trale Ausläufer mit kurzen deutlich abgerissenen Zweigchen versehen, welche nach aussen gerichtet sind: In so weit ich nach den unvollständigen Untersuchungen, die ich bis jetzt über diesen Gegenstand bei Menschen angestellt habe, urtheilen kann, so sind diese Gebilde bei ihm wesentlich derselben Natur; doch scheint hier der peripherische Ausläufer, mit der ge- ringeren Länge der Geschmackszwiebeln übereinstimmend, kürzer und am Ende etwas zugespitzt zu sein (Fig. 4 a b). Es durfte wohl, in Betracht der eigenthümlichen Form, des Aussehens und des Fundortes der soeben beschriebenen Organe, kaum ein Zweifel darüber obwalten können, dass sie den stäbchen- förmigen Elementen, welche an anderen Orten als die Endorgane der specifischen Sinnesnerven aufgefunden worden sind, entspre- chen; dagegen begegnet die Erforschung ihrer näheren Anordnung in den Geschmackszwiebeln sowie die Darlegung ihres Zusammenhangs mit den in der unterliegenden Schleimhaut reichlich vorkommenden Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmackswärzchen derZunge. 105 Nerven sehr grosse Schwierigkeiten. Die erste Frage betreffend kann ich jetzt nur so viel sagen, dass die Geschmackszellen in den oben beschriebenen Geschmackszwiebeln einge- schlossen sind. Dies wird einerseits durch solche Präparate bewiesen wie dasjenige, welches Fig. 7 darstellt, andererseits aber auch durch dünne Verticalschnitte von Holzessigzungen, wo es zuweilen gelingt, in der Mitte der Geschmackszwiebeln das frag- liche, zwar etwas veränderte, jedoch durch seinen Glanz leicht erkenntliche Gebilde aufzufinden. Das sie ferner in jenen eine solche Stellung einnehmen, dass die Enden ihrer stäbchenförmigen Ausläufer den Löchern des Epithels entsprechen, wird dadurch dar- gethan, dass man in macerirten Präparaten nicht selten solche Stäb- chen aus den Löchern etwas herausragend findet, was jedoch im vollkommen frischen und unveränderten Zustande nicht der Fall zu sein scheint. Die Zahl der in jeder Geschmackszwiebel eingeschlossenen Ge- schmackszellen betreffend wage ich mich nicht bestimmt auszuspre- chen. In einigen Fällen hat es mir ziemlich bestimmt erscheinen wollen, dass nur eine da war, aber in anderen habe ich ganz deut- lich wenigstens zwei Stäbchen aus demselben Loche im Plattenepi- thel herausragen gesehen. Es dürfte also wohl als wahrscheinlich an- gesehen werden können, dass die Zahl etwas wechselt, wofür auch spricht, dass sowohl die Geschmackszwiebeln wie die entsprechenden Löcher von ziemlich wechselnder Grösse sind. Es ist schon oben bemerkt worden, dass die centralen Aus- läufer in frischen Präparaten durch ihren eigenthümlichen matten Glanz an nackte Axencylinder lebhaft erinnern, ferner dass sie oft mit Anschwellungen (Varicositäten) von derselben lichtbrechen- den Eigenschaft wie Myelin versehen sind, und schliesslich dass sie nicht selten in einen dickeren Theil von derselben Beschaffenheit übergehen. Aus dem Grunde aller dieser Thatsachen scheint es mir wenigstens in dem höchsten Masse wahrscheinlich, dass die Ge- schmackszellen als die directen Fortsetzungen derin dem unmittelbar unterliegenden Theile der Schleim- haut reichlich vorkommenden Nerven anzusehen sind, .. obwohl es, trotz wiederholter Versuche mit Zerzupfung von macerir- ten Präparaten, mir noch nicht gelungen ist, diesen Zusammenhang ganz unzweideutig zu demonstriren. Eine solche Untersuchung be- gegnet hier sehr grossen Schwierigkeiten, welche durch die bedeu- . 106 Dr. Christian Loven, tende Festigkeit des Gewebes sowie durch die reichlich vorkommende Menge von zweifelsohne dem Bindegewebe angehörenden Zellen und Kernen, welche die Nerven verdecken, bedingt wird. Die Nerven. Die gröbere Anordnung der Nerven in den Papill. vallat. ist an Holzessigpräparaten ziemlich leicht zu studiren noch besser aber an dünnen, frischen Zungen entnommenen Verticalschnitten, die mit Chlorgold hehandelt worden sind. Bei der Anwendung dieser Me- thode muss man jedoch früh untersuchen (am zweiten oder dritten Tage), weil nach längerer Zeit auch bei nur kurzem (5 — 10 Min.) Verweilen in der gehörig verdünnten (!/, höchstens "/s°/o) Chlorid- lösung und nachheriger Aufbewahrung in essigsäurehaltigem Wasser — andere Gebilde als die Nerven, z. B. Bindegewebskörperchen, Epi- thelien und Blutgefässe gefärbt werden. Auch dünne, mit verdünn- ter Kalilauge behandelte Schnitte zeigen viele Einzelheiten sehr deutlich. In jede Papille treten gewöhnlich mehrere getrennte Nerven- stämme ein, deren einer von grösserer Dicke in der Mitte und mehrere feinere näher der Peripherie. Diese Stämme lösen sich sogleich in eine grosse Zahl von Aesten auf, die mit einander ein sehr reiches Geflecht bilden, von welchem einfache Nervenröhren oder feinere aus nur wenigen solchen bestehende Stämmchen theils nach den Seiten ausstrahlen und als markhaltigen Fasern bis in die äusserste Schichte der Schleimhaut verfolgt werden können. Theilungen von Primitivfasern sind hierbei nicht selten. Zuweilen sieht man ein- zelne Nervenfäden anfangs nach oben gegen den Rand der oberen Fläche gehen um sich dann plötzlich schlingenförmig umzubiegen und nach unten der Seite des Halses entlang zu verlaufen. An die- ser Stelle findet man oft an frischen mit Kali behandelten Vertical- schnitten eine grosse Menge von quer abgeschnittenen Nervenfasern zwischen den senkrecht verlaufenden, und zwar scheint hier ein zwei- tes dicht unterhalb des Epithels gelegenes Geflecht zu entstehen von welchem schliesslich die feinsten Fäden nach den Geschmacks- zwiebeln ausgehen. Bei der Zerzupfung dünner, mit einer feinen Scheere diesem Theile der Papille entnommener Stückchen werden so- . wohl zahlreiche Nervenprimitivfasern (von 0,0024 — 0,0032 Mm. Durchmesser) deutlich doppelt contourirt und mit ovalen Kernen ver- sehen, angetroffen, als auch feinere aus zwei bis vier Primitivröhren be- Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmackswärzchen der Zunge. 107 stehende Stämmchen. In den wenigen Fällen, wo ich ihren am meisten peripherischen Theil isolirt zu haben glaube, sah ich sie allmählig etwas dünner werden, schliesslich in einen einfachen oder gabelförmig getheilten Faden von demselben Aussehen wie die cen- tralen Ausläufer der Geschmackszellen übergehen. (Fig.8ab) '). Auf dem Grunde des oben mitgetheilten muss ich als das Wahr- scheinlichste annehmen, dass in den Papillis vallatis des Kalbes (und des Menschen) die Geschmacksnerven, nachdem sie in den äussersten Schichten der Schleimhaut ihre Markscheide verloren, als nackte Axen- cylinder sich bis in die Geschmackszwiebeln hinauf fortsetzen, und dabei in eine kleinere Zahl von Arten, welche in die Geschmackszellen direct übergehen, zerfallen. Ob nun diejenigen Geschmackszellen welche in dieser Weise von demselben Nervenfaden getragen werden, einem oder mehreren Geschmackszwiebeln angehören, oder ob beide Fälle stattfinden können, das wage ich noch nicht zu entscheiden. Bei einem Vergleiche mit denjenigen Resultaten, zu welchen Key bei seiner Untersuchung von den Geschmackswärzchen der Frosch- zunge gekommen ist, muss man in der oben beschriebenen Anord- nung vieles Uebereinstimmende aber auch einigesAbweichende finden. Insbesondere gilt letzteres vom Zusammenhange zwischen den Ner- ven und den centralen Ausläufen der Geschmackszellen. Beim Frosche nämlich lösen sich die Axencylinder, nachdem sie aus ihrer Mark- scheide ausgetreten sind, in eine grossen Zahl „feinster variköser Fäden“ auf, welche an ihren Enden die Geschmackszellen tragen ; beim Kalbe dagegen scheint die Verbindung der Nerven mit den Geschmackszellen — nach den centralen Ausläufern dieser zu urthei- len — durch etwas dickere nur spärlich und unregelmässig varikö- sen Fäden von demselben Aussehen wie Axencylinder vermittelt zu werden. Die Papillae fungiformes des Kalbes betreffend, so haben die unvollständigen Untersuchungen, welche ich darüber angestellt habe, wenigstens soviel ergeben, dass auch an diesen Papillen — obwohl 1) In einem Falle sah ich einen deutlich doppelteontourirten, kernhal- tigen Nervenfaden durch eine sehr körnige Masse, in welcher zahlreiche Kerne eingebettet waren, mit drei von der Umgebung isolirten Geschmackszwie- beln zusammenhängen, aber das Präparat wurde leider zerstört bei einem unvorsichtigen Versuche, dasselbe in eine für genauere Beobachtung und Ab- zeichnung vortheilhaftere Lage zu bringen. . 108 Dr. Christian Loven, viel spärlicher und unregelmässiger — Geschmackszwiebeln und Ge- schmackszellen vorkommen können, mit dem sonderbaren Unterschiede jedoch, dass, da diese Gebilde an dem Pap. vallat. eine bestimmte gut begrenzte Zone — die dem Ringgraben zugekehrten und von dem Walle gewissermassen geschützten seitlichen Abhänge der Pa- pille — einnehmen, so werden sie an den pilzförmigen Wärzchen ohne Ordnung zwischen den secundären Papillen der oberen freien Fläche zerstreut gefunden, wie es schon aus dem Betrachten eines dünnen dem Scheitel einer solchen Papille entnommenen Horizon- talschnittes, welcher die den Geschmackszwiebeln entsprechenden Löcher des Epithels zeigt, bald erhellt. Vorstehender Aufsatz, zu welchem die Untersuchungen in der Mitte des Monats Juni d. J. beendet waren, ist die Uebersetzung einer Mittheilung in schwedischer Sprache, die im September ge- druckt wurde. Später habe ich Gelegenheit gehabt eine vorläu- fige Mittheilung über denselben Gegenstand aus dem Anatomi- schen Institute zu Bonn von Dr. G. Schwalbe zu sehen!) und finde daraus zu meiner Freude, dass der genannte Forscher im Wesent- lichen zu denselben Resultaten gekommen ist. Die Untersuchungen welche für den ganzen Sommer unterbrochen werden mussten, habe ich seit September wieder aufgenommen und erlaube mir hier nach- träglich die hauptsächlichsten Ergebnisse davon ganz kurz mitzu- theilen. Die oben beschriebenen Geschmackszwiebeln und Geschmacks- zellen kommen bei allen von mir untersuchten Säugethieren — Schaaf, Schwein, Hund, Pferd, Kaninchen, Ratte — vor, und zwar nicht nur 1) Dieses Archiv Bd. III, p. 504. Zur Feststellung der vollkommenen Gleichzeitigkeit der Untersuchungen der Herren Dr. Lov&n und Dr. G. Schwalbe und ihrer Unabhängigkeit von einander bemerke ich hier, dass die Separatabdrücke der schwedischen Abhandlung von Dr. Lov&n nach Bonn abgesandt wurden als die vorläufige Mittheilung von Dr. Schwalbe, welche Mitte October 1867 gedruckt worden , bereits versandt und in den Händen des Herrn Prof. Axel Key in Stockholm war. Früher hatten wir hier keinerlei Kenntniss von der Arbeit des Dr. Loven. Die ausführliche Abhandlung von Dr. Schwalbe wird im nächsten Hefte des Archivs er- scheinen. M. Schultze. Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmackswärzchen der Zunge 109 in den Papillis vallatis sondern auch in den pilzförmigen Papillen, in den letzteren stets an der oberen freien Fläche. Es scheint je- doch ein ziemlich ausgeprägter Unterschied zwischen den einzelnen Thierarten zu herrschen, indem bei einigen, z.B. dem Schaaf, Kalb, Mensch, bei weitem nicht alle pilzförmigen Papillen mit Geschmacks- zwiebeln versehen , dagegen bei anderen — Kaninchen, Ratte, die genannten Gebilde auf jeder von mir untersuchten Pap. fungiformis gesehen worden sind. Besonders schön ist die Anordnung bei der Ratte, wo jede von den kleinen und niedrigen Papill. fungiformes in der Mitte der oberen Fläche eine Einsenkung trägt, in welcher das Loch für eine verhältnissmässig grosse, fast runde Geschmacks- zwiebel sich befindet. Die beiden letztgenannten Thiere — Ratte und Kaninchen — weichen auch darin von den übrigen ab, dass die Geschmackszwie- beln in den Papill. vallat. nicht nur an dem seitlichen Abhange der Papille selbst, sondern auch an der entsprechenden Fläche des Wal- les vorkommen, und zwar scheinen sie, wenigstens beim Kaninchen, um die im Grunde des Ringgrabens vorfindlichen Oeffnungen der grossen Schleimdrüsen besonders dicht gehäuft zu sein. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch eine mittelgrosse Papilla vallata vom Kalbe die Anordnung der „Geschmackszwiebeln“ an den Seiten der Pa- pille zeigend. Die Nerven halb schematisch nach Holzessig und Chlorgold- präparaten eingezeichnet. Fig. 2a. Dünne Platte von dem äusseren Theile des Epithels mit den Löchern, welche den Spitzen der Geschmackszwiebeln entsprechen; b c iso- lirte Epithelialzellen, welche diese Löcher begrenzten oder von denselben durchbohrt werden; d bis i verschiedene Zellenformen des Epithels. Kalb. Fig: 3. Geschmackszellen von den Papill. vallat. des Kalbes. Fig. 4. Eben solche Zellen von denselben Papillen des Menschen. Fig. 5 a. Geschmackszwiebel von einer Papilla vallata des Menschen; b „Deckzellen“. Fig. 6. Deckzellen verschiedener Form von den Papill. vallat. des Kalbes. Fig. 7. Deckzellen mit einer Geschmackszelle unvollkommen isolirt ; vom Kalbe. Fig. 8. Nerven in nackte Axencylinder auslaufend von den Pap. val- lat. des Kalbes. Die Figuren sind mit Ausnahme von Nr. 1 im Allgemeinen mit An- wendung von Hartnack’s Ocular Nr. 1 und Objectiv Nr. 9 gezeichnet ; Fig.3a mit Ocular Nr. 1 und Immersionslinse Nr. 10. Berichtigung. In dem Aufsatz von F. E. Schulze über den Ciliarmuskel des Men- schen in dem letzten Hefte dieses Archivs soll der vorletzte Satz auf pag. 498 Z. 7-11 von oben, welcher in der vorliegenden Fassung einen fehler- haften Sinn geben würde, nach dem Sinne des Verfassers heissen: ‚.Die Verengerung der Pupille bei der Accommodation für die Nähe kann meiner Ansicht nach — bei der Compression der durch den Ciliarmuskel selbst verlaufenden zuführenden Arterien der Iris, während der Abfluss des Blutes durch die Venen nicht gehemmt ist — nicht durch eine Blutstauung sondern nur aus einer gleichzeitigen Wirkung des Sphincter pupillae erklärt werden.“ Bonn, Druck von Carl Georgi. Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. Von Dr. V. Mensen in Kiel. Hierzu Taf. VII. Die vorliegende Arbeit, welche sich mit dem Schwanz der Frosch- und Kröten-Larven !) im Stadium nach dem Verlust der äusseren Kiemen bis zur Gliederung der hinteren Extremitäten beschäftigt, bildet die Fortsetzung und Vervollkommnung einer früher von mir veröffentlichten Abhandlung ?). Wie einzugestehen ist, greifen die zu erörternden Fragen kaum in die Richtung der gegenwärtigen Forschungen ein; im Gegentheil hat man unser Object auffallend vernachlässigt ; wie ich glaube dess- halb, weil manche Dinge, die dort zu sehen sind, sich nicht den Anschauungen fügen wollen. Da aber kein histologisches Präpa- rat ohne Misshandlung so klare Bilder giebt wie der Schwanz von jungen Froschlarven oder von Kröten durch die ganze Larvenpe- riode, vorausgesetzt, dass das Epithel nach einstündigem Liegen in Müller’scher 3) Flüssigkeit, abgespült ist, so bin ich überzeugt, dass die dort sichtbaren Objecte doch noch wieder ihr Gewicht in die Wagschaale der unser Urtheil bestimmenden Erfahrungen legen werden. 1) Rana temporaria und Bufo cinereus. 2) Virchow’s Archiv Bd.31. S.51. 3) Ich wende allerdings statt des schwefelsauren — salpetersaures Kali (1"/,°/,) an. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 8 “ 112 Heusen: - Ich denke dabei beispielsweise an die Frage über Ende und Ausbreitung der Lymphcapillaren. Nirgends im frischen Gewebe sieht man ihren, von den Blutgefässen ganz unabhängigen Verlauf, ihre Membran, ihr Ende so scharf, wie an diesem Orte; und doch zeigt sich hier, wo die Klarheit des Gewebes das zarteste Object zu sehen erlaubt, gar Nichts von jenen eigenthümlichen Räumen, die z. B. von Recklinghausen anderweitig entdeckt worden sind. Ebensowenig zeigen die Bindesubstanzzellen auch nur die geringste Communication mit den Lymphcapillaren. Im Gegentheil wachsen diese mit eignem Blastem selbständig ihren isolirten Weg. Ich habe Fig. 8 eine Abbildung eines Lymphgefässendes gegeben, nur um auf den Gegenstand von Neuem aufmerksam zu machen. Es war nicht meine Absicht hierüber Untersuchungen anzu- stellen, aber ich kann doch die Bemerkung nicht unterlassen, dass es Jedem, der das Object kennt, sehr schwer wird, der Darstellung des Lymphgefässsystems, wie sie namentlich die Versilberungsmethode ergiebt, sich zu fügen. Diese Schwierigkeit wird bestehen bleiben so lange man die (durch Kölliker) am längsten bekannten und nach Entfernung des Epithels so überaus klar sichtbaren Lymphgefässen- den dieses Objectes nicht in das System einzufügen vermag. Ein anderer Punet von Interesse sind die Blutgefässe. Es wachsen diese entschieden ganz unabhängig von den Bindegewebs- körpern aus, wobei es freilich völlig räthselhaft ist, dass die feinen Ausläufer der sich neu bildenden Capillaren richtig aufeinander treffen. Wenn es ferner gewiss ist, dass die Capillarwandungen durch röhrenförmig zusammengebogene Zellen gebildet werden, so ist doch andererseits das Bild, welches die werdenden Capillaren darbieten, wie auch Stricker schon hervorgehoben hat, nicht wohl auf solche Structurverhältnisse zurückzuführen. Ich kann keine anatomische Darstellung für gesichert halten, ehe durch die Entwik- kelungsgeschichte ihre Richtigkeit erwiesen ist und glaube demge- mäss, dass auch für die Gefässlehre unser Object noch wieder wird dienen müssen. Der Grund, weicher mich vor Allem bewogen hat, die Nervenvertheilung von Neuem zu untersuchen, liegt in einer Bd. I. Heft 5 dieses Archives erschienenen Arbeit von Eberth be- titelt: »Zur Entwickelung der Gewebe im Schwanze der Frosch- Jarven.« Diese Arbeit weicht in manchen Stücken erheblich von meinen früher gemachten Angaben ab und wenn gleich Eberth ein Object untersuchte, welches mir nicht zugänglich ist, nämlich die Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. 113 Larven der Feuerkröte, und wenn er auch die Richtigkeit meiner Angaben für die früheren Larvenstadien im Allgemeinen nicht be- streitet, so haben die Arbeiten dieses so verdienten Forschers doch eine zu grosse Wichtigkeit, als dass ich nicht versuchen sollte ein volles Einvernehmen mit ihm zu erzielen. Ich glaube übrigens, dass ich in manchen Dingen missverstanden worden bin und gestehe, dass ich selbst jene neue Arbeit nicht überall verstehen konnte. Deshalb werde ich jetzt die beanstandeten Puncte der früheren Darstellung näher ausführen, indem ich zu meinen Abbildungen und Worten den späteren Untersucher jedesmal die Frage hinzuzudenken bitte: Verhält sich die Sache nicht so? und wenn nicht, wo, in welchem Punct, liegt dann der Fehler oder Irrthum in der Zeichnung und in der Darstellung? Es dürften die Abbildungen jetzt zahlreich und genau genug sein, um diesen, doch gewiss exacten Modus einer weiteren Verständigung zu gestatten. Eberth legt ein gewisses Gewicht darauf, dass er mit neuen und besseren Methoden, nämlich mit Hülfe der Versilberung und Vergoldung untersucht habe. Wenn auch sehr widerstrebend, habe ich mich entschliessen müssen, dieselben Substanzen, so wie Chlor- palladium und Osmiumsäure anzuwenden. Letztere trübt das Gewebe fast nicht und empfiehlt sich für manche Präparationen, von erste- ren habe ich einen Vortheil nicht gehabt. Im Allgemeinen gestehe ich sehr gerne die grosse Bedeutung dieser Reagentien für eine zukünftige Mikrochomie ein, ferner auch für den Fall, dass durch sie die morphologische Form gut erhalten bleibt oder die Zergliederung erleichtert werde. Dagegen kann ich mich noch nicht mit der Idee befreunden, die entstehenden Färbun- sen und Niederschläge als -ein wissenschaftliches Diagnosticon für die Morphologie benutzen zu wollen. Es handelt sich eben um un- bekannte Substanzen, die nur empirisch bekannte Reactionen, noch dazu nur quantitativ oder zeitlich sich hervorhebende Reductio- nen geben, Nichts beweist, dass die betreffenden chemischen Kör- per für das Organ essentielle Bedeutung haben. Unter diesen Um- ständen dürfte vorerst erlaubt sein gegen diesen Untersuchungsmo- dus eine gewisse Abneigung zu äussern. Können diese Tinctionen dazu dienen, uns auf gewisse Struc- turverhältnisse aufmerksam zu machen, die alsdann auch ohne die- selben erkennbar werden, so liegt der Fall natürlich anders, sieht man aber in durchaus durchsichtigen Geweben nachher das nicht, 4 114 Hensen: was die Niederschläge andeuteten, und das war der Fall bei Versil- berung meiner Krötenlarven, so glaube ich lagen Trugbilder vor. Das Gewebe der Schwanzplatten «. Abgesehen von Epithel, Nerven und Gefässen, bestehen die Schwanzplatten aus einer sie überziehenden Membran Fig. 1b, Zel- len und Grundsubstanz. Ich hatte früher die Membran geleugnet und wollte sie als ober- flächlichste verdichtete Schicht der Grundsubstanz aufgefasst wissen. Eberth hat mit Recht diese Ansicht für falsch erklärt. Ich bin ° durch zwei Umstände zu der früheren Ansicht verleitet worden. Einmal hatte ich vorwiegend den hellen zellenlosen Saum des Schwanzes im Auge, den ich als Vorstadium der eigentlichen Schwanz- platte betrachtete. Dieser besteht nun factisch nur aus einer gleich- mässigen Masse, lässt sich nicht in zwei Membranen spalten oder auch eine Membran von sich abziehen. Ebenso wird am Umschlags- rande nur durch totale Reflexion des Lichtes ein Gränzcontour der eine Membran vortäuschen könnte, erzeugt. Nun zeigte sich ferner, dass bei Spaltung von Querschnitten junger Schwänze stets die Bindegewebszellen an der Membran hän- gen bleiben; dies, vereint mit theoretischen Betrachtungen, führte mich dazu, anzunehmen, dass die Membran nach innen continuirlich in die Gallerte übergehe. Dass man sie später von der Gallerte trennen kann, war deshalb irrelevant, weil für die Entwickelungs- geschichte es auf die erste Entstehung ankam. Es liegt nun aber der eigentliche Grund des Irrthums darin, dass ich, wie bisher noch Jeder der Meinung war, dass die jungen Zellen schon in einer, wenn gleich sehr schwer sichtbaren, Gallerte lägen. Allerdings ist später eine solche sogar sehr resistente Grund- substanz da, zur Zeit‘ des Vorhandenseins der äusseren Kiemen lässt sich aber factisch eine Gallerte nicht nachweisen, sondern der In- halt der Schwanzplatten ist eine, nicht einmal dickflüssige Flüssig- keit, in der die Zellen, durch ihre Ausläufer sich haltend und stüt- zend, gelegen sind, respective hineinwandern. Dass ich eine Gallerte zu haben meinte, wo doch keine war, hat mich lange auch anderwärts in die Irre geführt. Der Ueberzug des Schwanzes ist nämlich identisch mit meiner Membrana prima der Embryonen höherer Thiere, und da hielt ich es für wahrscheinlich, Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. 115 dass sich auch bei diesen eine Gallerte unter ihr bilden müsse, was sich nun nicht ergeben wollte. Eberth hat nun gefunden, dass diese Membran zur eigentli- chen Haut werde. Ich kann ihm hierin nicht ganz beistimmen, kann aber auch nicht widersprechen; in der That verstehe ich seine Darstellung nicht ganz. Was ich darüber sehe ist Folgendes. Sehr bald nach Einwan- derung und Verbreitung der Zellen in der Schwanzplatte kann man zwei Arten von Bindesubstanzzellen unterscheiden. Die einen, Gal- lertsubstanzzellen, lagern in ein oder zwei Reihen in der Sagittal- ebene der Schwanzplatten Fig. 1f und senden Ausläufer an die Basalmembran. Die anderen, die ich Cutiszellen nennen möchte Fig. 1e, schmiegen sich mit ihren Körpern an die Basalmembran an und verzweigen sich auf ihrer inneren Fläche. Mit dem Wachsthum vermehren sich die Fortsätze der Gal- lertsubstanzzellen und bekommen zugleich eine gewisse Starrheit und starken Glanz, erscheinen aueh im Querschnitt wie Kreise Fig.5c, so dass man ihnen wohl eine feste Membran zuerkennen muss, die sich aber nicht in derselben Weise auf den Zellenkörpern nachweisen lässt. Ihre Enden liegen in der Basalmembran, lassen sich aber hier nicht in den Einzelheiten erkennen Fig. 7A c. Die Cutiszellen treiben eine sehr grosse Zahl feiner körniger Ausläufer, welche, wie die Zellen selbst, leicht einen etwas verwa- schenen Contour zeigen. Sie liegen stets aufs engste dem Basalsaum an Fig. 5 b, Fig.7 Ab, aber ein wirkliches Einwachsen der Zellen- körper in denselben kommt nicht vor. Von diesen Zellen werden manche voluminöser und pigmentiren sich schwarz und gelb, je nach der Thier-Species in verschiedener Menge, Zahl und Anordnung. Die Basalmembran selbst verdickt sich, ist aber schon bei Larven mit äusseren Kiemen insofern nicht rein darzustellen, als die Zellenausläufer ihr zu enge anhaften. Später wird sie so sehr durchwachsen, dass nur der oberflächlichste Saum mit Bestimmtheit ihr allein zuzurechnen ist. Zugleich nimmt sie, vieileicht in Folge dieser Durchwachsung (bei Rana vor, bei Bufo erst nach vollende- tem Wachsthum des Schwanzes) die Tendenz an, in Fibrillen sich spalten zu lassen, wie es Eberth schon hervorgehoben hat. Diese Fibrillen sind weit resistenter gegen Kali und Essigsäure wie ge- wöhnliches Bindegewebe, so dass ich sie nicht damit zu identificiren vermag. Während der Atrophie des Schwanzes (der nicht abgewor- . 116 Hensen: fen wird, sondern ins Os coceygis und Bedeckung aufgeht), entwickelt sich das Pigment reichlicher, die Gallerte wird trockner, härter und adhärirt fester, stets bleibt aber als oberste homogene Schicht die erste Grundlage der Cutis die primäre Basalmembran kenntlich. Das Studium der Hautentwicklung an anderen Stellen habe ich nicht weit getrieben. Das Homologon des Gallertgewebes der Schwanz- platten scheint, so weit ich sehe, an den Beinen wenig entwickelt und wird zum subceutanen Gewebe oder richtiger zu einem Faserfilz, der die Innenfläche der festeren Haut überzieht. Die Drüsen treten für die weitere Verfolgung sehr störend in den Weg. Meine Befunde sind nicht befriedigend, denn die Entstehung der Grundsubstanz der Cutis bleibt ganz unklar. Eberth schildert regelmässige Netze und Zellen verschiedener Art, die ich an meinen Präparaten nicht finden konnte. Es würde die Verständigung meines Erachtens sehr erleichtern, wenn wir eine Darstellung dieser Verhältnisse am Saum des Schwanzes und an der Schwanzspitze erhielten. Die Epidermis liegt zu allen Zeiten in doppelter Schicht, es ist jedoch bei jüngeren Larven schwierig dies Verhalten richtig zu erkennen; an nicht ganz feinen Schnitten erscheinen die Zellen als continuirlich verschmolzene Masse, während man sie doch von der Fläche sehr gut einzeln unterscheiden kann. Die späteren Metamor- phosen dieser Zellen, die Eberth genau untersucht hat, berühren zunächst unseren Gegenstand nicht. Die Nerven. Es sind namentlich drei Verhältnisse zu besprechen, hinsicht- lich deren zwischen Eberth und mir sich keine Uebereinstimmung erzielen liess; die Anastomosen, Zahl und Verlauf der Nerven und ihr peripherisches Ende. Ueber die Anastomosen habe ich neue Untersuchungen nicht gemacht, weil, wie mir schien, der Angriff gegen meine Angaben zunächst wohl auf einem Missverständniss beruhte. Eberth erklärt, dass wahre Vereinigungen der oberflächlichen Nerven stattfänden, während ich angegeben habe, dass hier sich Nerven kreuzten ohne zu verschmelzen. Ich haltean dieser Angabe fest, glaube aber auch nicht, dass Eberth dies Verhalten gänzlich hat leugnen wollen. An- dererseits finden gewiss noch wahre Vereinigungen feinerer Nerven statt, über diese aber muss ich aufrecht halten, was ich über die Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. 117 Plexus überhaupt gesagt habe. Das Aussehen an älteren Frosch- larven entscheidet eben über die Dignität dieser Anastomosen gar nicht, weil in frühen Stadien, ehe noch eine Scheide da ist, die embryonalen Nerven sich in Schlingen aneinander legen und dann -sich optisch untrennbar mit einander vereinen. Ich bin nun der Meinung, dass die späteren Axencylinder mehrere embryonale Ner- ven in sich vereinen; darüber kann aber eine Untersuchung späte- . rer Stadien, welche Eberth vorwiegend berücksichtigte, eben nicht mehr entscheiden. Den Verlauf und das Verhalten der Nerven sieht Eberth, wenn er mein Präparationsverfahren befolgt, im Ganzen so wie ich es geschildert habe ; auf Grund aber seiner Resultate bei der Ver- goldungsmethode leugnet er, dass die Nerven wirklich so fein und so zahlreich werden wie ich es darstellte. Zunächst will ich bemerken, dass es sich bei meiner früheren Präparationsmethode um das völlig frische und durch Reagentien nicht veränderte Gewebe handelte. Durch einige Secunden dauern- des Eintauchen in 5%, Chromsäurelösung brachte ich das Epithel zum Absterben, es lösste sich dann leicht nach halbstündigem Lie- gen ab und das Gewebe zeigte nicht die geringste Spur der Wirkung des Reagenz. Es handelt sich also um die Richtigkeit der Bilder, welche das kaum einmal durch den Tod veränderte Gewebe ergab. Dass in einem Fall mein Zeichner vielleicht nicht genau genug Zel- lenfortsätze von Nerven unterschieden hat, habe ich seiner Zeit an- gemerkt (S.50). Es entsteht nun die Frage, ob die Goldreaction ein besseres Kriterium für Nerven ist, als die Verfolgung der Continuität bis zu unzweifelhaften Nervenstämmen oder vielmehr ob letzteres Kriterium gar durch ersteres hinfällig gemacht werden kann. Dies haben wir zu prüfen. Zahlreiche Vergoldungsversuche ergaben, selbst wenn sie mit Hülfe meines in diesen Methoden erfahrenen Freundes Prof. Col- berg ausgeführt wurden, nicht so gute Resultate wie die waren, welche Eberth erhalten hat. Constant war die Chorda stark ge- färbt ebenso das Rückenmark und ferner dessen Häute, die letzte- ren wahrscheinlich nur in Folge der Diosmose des reducirenden Stoffs. Ferner färbten sich die Nervenstämme verschieden vollständig, na- mentlich bei älteren Larven ging die Färbung auf die Verästelungen über, hörte jedoch stets weit vor den Endverzweigungen der Nerven . 118 Hensen: auf. Zu gleicher Zeit hatten sich erhebliche und störende Nieder- schläge in der Schwanzplatte entwickelt. Nach diesen Resultaten kann ich nicht die Brauchbarkeit der Vergoldungsmethode für unser Object anerkennen. l Um nun über die Nerven möglichst genau Rechenschaft zu geben, betrachten wir zunächst das Rückenmark. Ein Durchschnitt des Schwanzes von Thieren, deren Zellen noch voll von Dotterkör- ' nem waren, giebt die Fig.1. Hier besteht das Rückenmark aus einer Lage von Zellen, welche den Centralcanal umschliessen, an dessen Oberfläche stark pigmentirt sind, im Uebrigen aber noch voll von Dotterkörnern stecken. Es ist eingehüllt von einer ganz feinen Membran (Membr. prima) mit der die Bindegewebszellen der Gal- lerte eng verwachsen sind, neben ihm liegt des Spinalganglion i zu und von dem die sehr feinen Nervenwurzeln h gehen. Am Rücken- mark selbst, dessen Erforschung übrigens in diesem Stadium höchst unbequem ist, scheint sich ein Vorderstrang q zu markiren. Die übrigen Theile interessiren uns weniger, weshalb auf die Figuren- erklärung zu verweisen ist. Doch will ich noch auf die beiden Zellen m unter der Chorda aufmerksam machen, die nach späteren Stadien zu schliessen, kaum etwas anderes wie die Anlage des Sym- pathicus sein können. Präparirt man nun an etwas älteren in Osmiumsäure mace- rirten Schwänzen das Rückenmark mit Hülfe von Längsschnitten und Zerzupfungsnadeln heraus, ohne jedoch den Versuch zu machen es aus seiner Hülle zu nehmen, so erhält man die Fig. 2 u. 3. Der obere Theil des Rückenmarks zeigt deutlich die Längsstränge, so wie neben sich die Spinalganglien und doppelt contourirte Nerven. Weiter nach abwärts werden aber die Ganglienzellen in immer klei- neren Gruppen, dann nur noch einzeln getroffen, und endlich ver- lieren sie mehr und mehr den Habitus der Ganglienzellen, während zugleich die Nervenfasern immer feiner und marklos werden. Trotz vieler Bemühungen habe ich mir daher kein sicheres Urtheil bilden können, ob bis ans Ende des Rückenmarks hinunter von Strecke zu Strecke noch Nerven abgehen, oder ob das letzte Drittel nervenfrei ist, doch neige ich mich ersterer Ansicht zu. Das Rückenmark selbst verliert allmählig die Längsstränge; der äussere Contour der Zellen zeigt sich zwar ein wenig streifig, die isolirten Zellen geben auch stets noch feine Ausläufer ab, aber einen deutlichen Nachweis über das Vorhandensein oder Fehlen von Nerven in dem Filum - Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. 119 terminale habe ich mir hier nicht verschaffen können. Das Ende selbst, welches stets ganz in der Spitze des Schwanzes liegt, ist ein wenig verbreitert und zeigt einzelne feine Zellenausläufer ; es liegen um dasselbe zerstreut stets einzelne kuglige und pigmentirte Zellen, die ihrem Ansehen nach noch zum Rückenmark gerechnet werden müs- sen. Später verdickt sich der vordere Abschnitt des Schwanzrücken- marks beträchtlich und es entsteht hier die Lendenanschwellung, der übrige Theil wird, so weit ich sehe, vom Knochen des Steissbeins aufgenommen, falls er nicht, was im Freien fast Regel zu sein scheint, von anderen Thieren abgebissen worden ist. Ich gestehe jedoch, dass ich das Studium des Rückenmarks nur in Bezug auf die abgehenden Nerven betrieben habe. Dasselbe dürfte an diesem Orte vielleicht lohnend aber gewiss auch mit ent- sprechenden Schwierigkeiten verknüpft sein. Von den Ganglien, die je zwei Wurzeln empfangen haben, geht ein Ast zur Musculatur, ein zweiter schräg durch diese zur Haut. Hier sondert sich ein Theil als Nerv für die becherförmigen Organe ab, und läuft als starker Stamm an der Seitenlinie des Schwanzes nach abwärts, die übrigen vertheilen sich an den Flächen jeder oberen und unteren Schwanzplatte. Es ist nun von Eberth, wenn ich richtig verstehe, angege- ben worden, dass die Nerven nicht so zahlreich seien, wie meine Be- hauptung, ihre Zahl sei ausreichend um die Epithelzellen mit Ner- venenden zu versehen, erfordert. Die Figg. 4u.5 geben nun genaue Copieen sowohl der Nerven wie der Epithelzellen in entsprechender Grösse, wobei noch zu bemerken ist, dass manche Nervenzweige fehlen, aber keiner zu viel eingezeichnet worden ist. Diese Bilder, auf denen jede Faser bis zu einem unzweifelhaften Nervenstamm zu verfolgen ist, ergeben meines Erachtens zur Genüge, dass der Nerven für die Bindesubstanz oder Cutiszellen viel zu viele sind, dass die- selben aber wohl ausreichen um je einer’Zelle des unteren Epithel- lagers einen Zweig abzugeben. Ferner erklärt Eberth, dass die Nerven nicht so fein würden, wie ich es schilderte. Die Nerven lassen sich jedoch von dem dicken Stamm aus continuirlich zu solcher Feinheit verfolgen, dass es nur mit Hülfe der Continuität selbst gelingt, sie noch aufzufinden. Ich habe z.B. die Fig. 5 und das dazugehörige Präparat Mikroskopikern von Fach vorgelegt; es zeigte sich, dass manche der feineren Nerven von ihnen nur dann erkannt wurden, wenn ich die Abzweigungsstelle 120 Hensen selbst vorlegte, worauf sie dann sogleich von dem Vorhandensein und der nervösen Natur dieser Fasern sich überzeugten. Die Fa- sern werden in der That so fein, dass eine Goldtinetion kaum noch eine Färbung zur Geltung bringen könnte. So habe ich Fig.7B einen der feinsten Nerven von einem Präparat abgebildet, an dem die eine Fläche der Schwanzplatte abgezogen und so gefaltet worden - war, dass die Innenfläche des Saums frei zu Tage trat. Hier war der Nerv e so fein, dass ich mit den stärksten Linsen zwar von den kleinen Knotenstellen Fasern zum Saum abgehen sah, aber doch eine vollständige Sicherheit über sie nicht mehr gewinnen konnte. Kurz ich habe weder in der Schnecke oder in der Retina noch an andern Orten so feine Fasern getroffen, wie hier. Ich meine nun, dass dieser Befund auch theoretisch nichts Auffallendes hat; denn das einzelne Ende der Hautnerven wird meines Erachtens immerhin weniger Bedeutung haben und weniger leistungsfähig zu sein brau- chen, also auch dünner sein können, wie das Ende eines Nerven der höheren Sinnesorgane. Es hat sich nun ferner herausgestellt, dass Eberth meiner Beschreibung der Lagerung der Nerven nicht zustimmen konnte. Ich hatte angegeben, dass “die Nerven in und dicht unter der Ba- salmembran des Schwanzes verlaufen. Allerdings habe ich früher die Gränze dieser Membran nicht exact gezogen, jedoch liegen in der That in dem homogenen Saum des Schwanzes, der nur aus jener Membran besteht, Nerven Fig.6A,B,c. An den übrigen Stellen halten sich die Nerven dicht unter dem Basalsaum Fig. 7 A und ich möchte fragen, ob meine frühere Fig. 10, die dies Verhätniss deut- lich erkennen lässt, denn nicht richtig ist? Bei ausgewachsenen Lar- ven sinken die starken Nervenstämme ein wenig in die Gallerte hinein, wie ich schon früher angab, dann folgen die kleineren und am engsten mit dem Basalsaum hängen die feinsten Nerven zu- sammen. Zuweilen geht allerdings ein gröberer Ast zwischen einem feineren Zweig und dem Basalsaum hin, ein Verhalten, welches mei- nen Anschauungen über die Entstehungweise der Nerven zu wider- sprechen scheint, jedoch hat sich hier meistens eine Nervenschlinge gelildet, die den feinen Ast von der Membran abgedrängt hat. Ein tieferes Nervennetz, welche Eberth beschreibt, kann ich nicht fin- den, ebenso wenig wie die eigenthümlichen quadratischen Netze die er zeichnet. Jedoch meine ich, dass eine meiner früheren Figuren 13 A von Rana esculenta, deren Larven ich diesmal nicht bekam, ein Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. 121 ähnliches Verhalten zeigt, so dass die Vertheilungsweise bei den verschiedenen Species verschieden sein mag. Vor Allem dürfte nun aber das Nervenende interessiren. Eberth giebt an, dass die Nerven in den Bindesubstanzzellen endeten, ohne jedoch eine Zeichnung davon zu geben; ich kann dies Verhalten durchaus nicht einräumen. Häufig genug glaubt man den Ueber- gang in Outiszellen zu sehen, aber jedesmal wird man entweder den Nerven doch noch weiter verfolgen können, oder man wird ein Hinderniss treffen — Pigment, Blutgefässe u. s. w., welche es erklä- ren, dass man den Nerven nicht weiter verfolgen kann. Wenn die Nerven wirklich an Cutiszellen gingen, müsste sich ferner doch irgend ein Typus herausstellen ; sie würden entweder an den Körper oder den Kern der Zelle herangehen oder an einen Ausläufer, der sich in diesem Falle aber doch irgendwie auszeichnen dürfte. Von die- sen Verhältnissen giebt Eberth durchaus Nichts an und ich habe Nichts der Art entdecken können, so dass ich vorläufig meinen Un- glauben bekennen muss. In meiner früheren Arbeit habe ich angegeben, dass die Ner- ven in den Kernkörperchen der Epithelzellen enden und diese An- gabe, die übrigens auch nicht bekämpft worden ist, halte ich auf- recht. Ich habe jedoch zu dem dort angegebenen wenig hinzuzufü- gen. Wenn ich auch zuweilen die Continuität zwischen dem Kern der Epithelzelle und dem Nerven zu sehen meine, die ich z. B. Fig. 6 d abgebildet habe, so gelingt es mir doch nicht, die Continuität zwischen Fortsätzen der Epithelkerne, die ich früher abbildete, und den darunter liegenden Nerven bei unverletztem Schwanz ausreichend zu demonstriren, weil, wie ich glaube, die Nerven zu fein werden. Schliesslich will ich noch einmal das weitgreifende Interesse, welches sich an die Verbreitungs- und Endweise der Nerven hier knüpfte, erwähnen. Auf Grund verschiedener Untersuchungen habe ich (l. ce.) aus- gesprochen, dass die Nerven, mit vorläufiger Ausnahme jedoch des Sympathieus, ein dem Hornblatt des Embryo ausschliesslich angehö- riges Gewebe seien, dass sie deshalb, wenn nicht durch Atrophie eine Abänderung eintrete, überall in Zellen oder Zellenderivaten des Hornblattes, zu denen meiner Erfahrung nach die quergestreif- ten Muskeln auch gehören, enden müssten, und dass die Nerven nicht ins Gewebe hineinwachsen, sondern durch die allmählige Entfernung der einzelnen Zellen und Gewebe von einander, aus- . 122 Hensen: gezogen würden. Diese Hypothese wird keine genau zutreffende sein können, denn es ist einmal unserem Verstande nicht möglich, die natürlichen Vorgänge fehlerfrei zu construiren. Sie ist aber zur Zeit die einzig consequente Erklärung für die gesetzmässige Ver- theilung der Nerven, vorausgesetzt, dass man nicht den gegebenen Boden der materiellen Verhältnisse verlassen und auf,einen Spiritus rector recurriren will, der die Bahnen wachsender Nervenfasern vor- zeichnen und ebenen müsste. Auswachsende Nervenspitzen sind noch niemals demonstrirt worden, wenn nicht eben im Larvenschwanz, wo ich solche zu leugnen gezwungen bin. Dass meiner Annahme eine Menge gewichtiger Bedenken ent- gegenstehen, ist unverkennbar, jedoch wird anderntheils nicht zu leugnen sein, dass sich die Thatsachen zu ihrem Gunsten gestalten. Ich bin zum Theil von den Befunden M. Schultze’s ausgegan- gen, dessen vortreffliche Untersuchungen zuerst das Epithel eines Sinnesorganes als Ort der Nervenendigung nachwiesen. Dass hier die Nervenenden als modificirte Epithelzellen gedeutet werden kön- nen, kann, wie ich glaube, nicht zweifelhaft sein. Diese Befunde haben sich neuerdings erheblich vermehrt. Ferner ist das Nerven- ende in den Speichelzellen und, merkwürdig genug, in den Kernen ‚derselben, nachgewiesen worden; auch diese Zellen gehören zum Hornblatt. Dann sind Nervenenden zwischen (!) den Epithelzellen der Cornea entdeckt, während die Nerven der Bindegewebszellen in jener Membran wieder in Abrede gestellt werden. Auch sind jetzt die Nerven der Retina bis zu den Zapfen (und Stäbchen) ver- folgt, diese entsprechen unzweifelhaft dem Epithel des Centralcanals, d. h. der primären Oberfläche des Körpers. Ein Punct endlich, den ich als einen besonders hinderlichen eigens hervorgehoben hatte, beginnt sich zu klären. Nach meiner Hypothese konnten auch die Nerven der Zahnpapille nur in Epidermiszellen enden, aber bei der Untersuchung fand ich es unmöglich, die Zellen der Membrana ebur- nea von solchen abzuleiten. Nun hat Leydig neuerdings erwie- sen !), dass bei Salamandern die Zähne zunächst ganz und gar in der Epidermis liegen und die Zahnpapille auch von Zellen derselben Lage ausgefüllt wird; erst später tritt die Verbindung mit der Cu- tis ein. Da ich nicht glauben kann, dass ein und dasselbe Gewebe 1) Troschels Archiv 1867: Ueber die Molche der würtembergischen Fauna. Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. 123 bei Amphibien aus dem äusseren, bei Säugethieren aus dem mittle- ren Keimblatt entsteht, baue ich darauf, dass auch bei letzteren die Membrana eburnea vom Hornblatte direct abstamme. Dann dürf- ten sich auch wohl die Befunde über die Nervenenden in dieser Membran bestätigen. . Man verzeihe meine zu kühnen Schlüsse ; ich bin überzeugt, dass nur mit Hülfe der Entwicklungsvorgänge der Bau der nervö- sen Centralorgane genügend erforscht werden kann und glaube, dass es an der Zeit ist, die Aufmerksamkeit der Forscher auf die be- sprochene Angelegenheit zu lenken. Nachträglich ist noch zu erwähnen, dass Kowalevsky (Ent- wicklungsgeschichte von Amphionus lanceolatus, M&moire de l’Aca- d&mie de St. Petersbourg Tom.XI. No. 4) in die Epidermiszellen der Haut dieses Fisches als Ende der Hautnerven erkannt hat. : 124 Hensen: Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. Erklärung der Abbildungen auf Taf. VIIL Fig. 1. Querschnitt des Schwanzes einer Froschlarve mit Kiemen. 350mal vergr. a geschichtete Epidermis; b Basalsaum (Membr. prima); e Muskelplatten, eBindegewebszellen der Cutis, f Bindegewebszellen der Gal- lertsubstanz, & Gefäss, h Nerv, i Ganglion spinale, k Rückenmark, an dem die vorderen Längsstränge sich schon markiren ; 1 äussere Umhüllungszellen (Gallertsubstanzzellen) der Chorda; auf diese folgt die Chordascheide, dann eine Lage kleinerer Chordazellen und nach innen die grossen Zellen. Letz- tere beiden Schichten sind noch nicht so scharf getrennt, wie dies später der Fall wird, m Sympathicus ? o -Längsgefässe des Schwanzes. Fig. 2. Rückenmark des oberen Schwanztheils einer halbausgewachse- nen Krötenlarve. a Chordascheide, b Rückenmark, ce Ganglion 100mal ver- grössert. Fig. 3. Rückermark desselben Thieres in der Nähe des Schwanzendes. a Rückenmark; man erkennt den Centralcanal so wie die Zellenlage, welche das Rückenmark bildet; b eine abgehende marklose Nervenfaser, e Mus- eulatur. Fig. 4. Genaue Copie des Nervenverlaufs am Schwanzende einer halb- ausgewachsenen Larve von Bufo, namentlich auf der linken Seite ausgeführt. a Rückenmarksende, b Chordaende, ce Epithel, d Nervenstämme 150mal ver- grössert. Fig. 5. Oberfläche eines Theils der Schwanzplatte von Bufo 650mal vergrössert, um die feinen Nerven zu zeigen. a Epithel, b Cutiszellen dicht unter der Basalmembran, welche durch sehr feine Ausläufer mit einander anastomosiren, c bei tiefer Einstellung die Zellen der Gallertsubstanz ; die kreisförmigen Puncte gehören überall zu diesen und sind die aufsteigenden Ausläufer derselben; d Nerven. Fig. 6, A u. B. Nerven im zellenlosen Saum des Schwanzes; a Zellen des Gallertgewebes, b Saum, c Nervenverästelung in diesem, d Epithelzel- len, zu welchen der Nerv geht. 900mal vergrössert. Fig. 7, Au.B. Präparate von einer abgespaltenen Fläche des Schwan- zes, welche so umgeschlagen ward, dass die innere Fläche der Grundmem- bran frei vorliegt. a Grundmembran, b Cutiszellen dicht in der vorigen ein- gelagert, c Zellen des Gallertgewebes und ihre Ausläufer, d feine Nerven dicht an der Basalmembran verlaufend, B, e ein feinster Nerv, dessen Ver- zweigungen kaum noch sich wahrnehmen liessen. A 500mal, B 900mal ver- grössert. Fig. 8. Lymphgefässende aus dem Schwanz der Larve von Bufo. a Stamm, b das Ende, c Gallertsubstanzzellen. Ueber die Zellen der Spinalganglien, sowie des Sympathicus beim Frosch. Von L. &. Courvoisier. Hierzu Tafel IX. Seitdem durch Helmholtz !) und Kölliker °) die vorher oft geleugnete Zugehörigkeit der Ganglienkugeln zum Nervensystem auf ganz untrügliche Weise dargethan worden (indem jene Forscher den Ursprung der Nervenröhren aus den Ganglienkugeln nachwie- sen), ist es auch gelungen, verschiedene Arten des Faserursprungs und damit — ich möchte sagen — verschiedene Specien von Gang- lienkugeln festzustellen. Bereits ist also der Weg angebahnt, an dessen erwünschtem Ziele man im Stande sein wird, nicht nur für bestimmte Nervendistricte specifische Charaktere der Faserzellen- verbindung zu statuiren, sondern endlich auch umgekehrt aus sol- chen Merkmalen auf bestimmte Function zu schliessen. Ich glaube, dass einzig oder doch fast ausschliesslich diejenige Eintheilung des Nervensystems zu erspriesslichen und der Physiolo- gie wahrhaft nützlichen Resultaten führen kann, welche sich auf die Differenzen der Faser-Zellenverbindung gründet. Mehrere ältere, höchst mühevolle und in anderer Beziehung höchst werthvolle Ar- beiten haben die Wissenschaft eben in Hinsicht auf die Classification deshalb wenig gefördert, weil die betreffenden Autoren — noch un- 1) De fabrica syst. nervosi evertebror. Diss. Berolin. 1842. 2) Die Selbständigkeit und Abhängigkeit des sympathischen Nerven- systems. Zürich 1844. . 126 Courvoisier: bekannt mit der Rolle der Ganglienkörper —- dem optischen Charakter der Fasern alizuviel Uebereinstimmung mit den Func- tionen der untersuchten Nervengegenden zutrauten. Ich will nun — entsprechend dem Titel meiner Arbeit — einen kurzen Ueberblick der Resultate zu geben versuchen, welche bisher bei der Untersuchung der gangliospinalen !) und der sympa- thischen Nervenzellen des Frosches erzielt worden sind. Auf Structurunterschiede zwischen solchen Zellen — zwar nicht beim Frosch, sondern bei Rochen — wurde zuerst im Jahr 1847 von R. Wagner ?) aufmerksam gemacht °).- Es genügt von seinen Befunden folgende zu erwähnen: die gangliospinalen Zellen sind im Allgemeinen grösser als die sympathischen; auch sind im Allgemeinen die von jenen abgehenden Fasern breiter, als die von diesen entspringenden; sodann geschieht der Uebergang bei jenen meist so, dass die Fasern dunkelrandig (markhaltig) sind, während bei diesen die Fasern anfangs blass und erst in einiger Entfernung von der Zelle doppelrandig sind. — Das meiste Gewicht legt Wag- ner jedoch darauf, dass beiderlei Zellen stets mit zwei an ent- segengesetzten Enden entspringenden Fasern verbun- den *) seien. Ja er geht so weit, ganz unbedenklich anzunehmen, dass dieses Verhältniss bei allen peripheren Ganglienkörpern aller Wirbelthiere (also auch des Frosches) das gleiche sein werde 5). Bidder’s Abhandlung ®$) vom gleichen Jahr (1847) berichtete dagegen von der Untersuchung des Frosches Dinge, die mit Wag- ner’s Hypothese durchaus nicht stimmen. Erstens nämlich waren die Spinalganglien der einzige Ort, wo es ihm nie gelang den Abgang zweier Fasern von einer Zelle zu sehen’). — Zweitens fand er n sympathischen Ganglien häufig, dass die Zellen in der von einer Nervenröhre gebildeten Schlinge einge- 1) So will ich die Spinalganglien-Zellen nennen. 2) Handwörterbuch der Physiologie. Artikel: Sympath. Nerven u.s.w. 3) Mit Wagner stimmt Robin völlig überein. Vide l’institut. 1847. N0.687 et 699. 4) Der Bequemlichkeit wegen will ich Zellen mit zwei entgegengesetz- ten Fasern im Verlaufe meiner Arbeit »oppositipol« nennen (dem Wort »op- positifolius« der Botaniker nachgebildet). 5) 2e.7B8. 7071. 6) Zur Lehre vom Verhalten der Ganglienkörper u. s. w. Leipzig 1847. de. B.,29: Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 127 » bettet lagen, und die beiden gleichwerthigen Faserschen- kel nach der gleichen Richtung verliefen '). Dieses Verhältniss sieht er selber als Eigenthümlichkeit sympathischer Zel- len an ?). Im Anhang zu Bidder’s Werk bestätigt Volkmann dessen Angaben 3); auch spricht er sich nachdrücklich dahin aus, dass oppositipole Zellen in den Ganglien des Frosches »überaus sel- ten« seien. Trotz dieser merkwürdigen Befunde auffälliger Differenzen zwischen Sympathicus- und Spinalganglien-Zellen halten Bidder und an der von ihnen im Jahr 1842 geschaffenen Eintheilung des Nervensystems nach der Dicke der Fasern fest und rechnen in allen peripheren Ganglien diejenigen Zellen zum Sympathicus, welche mit feinen Fasern verbunden sind. Einige Zeit später wurde von R. Wagner *) zugegeben, dass im Froschherzen unipolare Zellen vorkämen, dagegen in Betreff aller andern Localitäten die frühere Hypothese vertheidist. (Lud- wig °) hatte längst im Froschherzen Aehnliches gesehen.) Lieberkühn ) erwähnt zwar der überwiegenden Grösse der gangliospinalen gegenüber den sympathischen Zellen, so wie des Umstandes, dass grosse Zellen meist mit dicken, kleine mit feinen Nervenfasern, verbunden seien. Allein er bemerkt selber dazu: »Magnitudo rerum qualis est ratio dividendi?« — Endlich bezeichnet er die beiden Arten von Ganglienkörpern als unipolar; bipolare (und zwar oppositipole) hat er nur zwei Mal im Sympathi- cus getroffen. Axmann’?) ist bemüht, die histologische Identität der beiden Zellenarten darzuthun. Nach ihm hat der Frosch so gut wie 28 1) Solche Zellen mit zwei an derselben Stelle entspringenden Fasern will ich »geminip ol« nennen. 2)LD.e z.B. 8.41. Ss). ce. 8:67 u. 68. 4) Handwörterbuch der Physiologie. Bd. III. Artikel: Sympathische Ganglien des Herzens. S. 461. 5) Müll. Arch. 1844. Nerven des Froschherzens. 6) De ganglior. struct. penit. Diss. 1849. 7) Beiträge zur mikr. Anat. und Physiol. des Gangliennervensystems. 1853. S. 20 u. s. w. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 1) 128 Courvoisier: andere von ihm citirte Thiere unipolare Zellen; als seltene Aus- nahme finden sich in beiderlei Ganglien opponirte Pole. Küttner !) rechnet wieder, wie Bidder, die Spinalganglien zum sympathischen System. Und doch hatte bisher Niemand so scharf, wie er, die Unterschiede im Habitus der beiderlei Ganglien- körper betont. Denn während er als Merkmal gangliospinaler Körper hinstellt, dass sie zwei opponirte Pole haben ?), giebt er an, dass die sympathischen einen einzigen blassen Fortsatz entsenden, der in einiger Entfernung sich in zwei Fasern theilt °). Die zwei verschiedenen Verhältnisse wer- den durch gute Abbildungen veranschaulicht und doch nicht zur Classification benutzt ! *) Remak’) erklärt die sympathischen Zellen der Batrachier für unipolar, während er für die Wirbelthiere im Allgemeinen (ob auch für den Frosch?) erklärt, dass die gangliospinalen Zellen oppositipol seien. Bosse’s Angaben *) sind allzu unbestimmt, als dass man bei ihm eine Unterscheidung der beiden Zellenarten finden könnte. Er ist übrigens der Erste und Einzige, der auch multipolare Gang- lienkörper in beiden Gangliensystemen gesehen zu haben behauptet. Eine Reihe neuer Untersuchungen mit ganz eigenthümlichen Ergebnissen wurde durch J. Arnold ?) eröffnet. Derselbe hatte in den Lungen, später auch ®) im Herzen und im Gränzstrang des Frosches merkwürdige Körper beobachtet; die — im Ganzen den bisher bekannten Nervenzellen ähnlich — doch von ihnen durch ihre »Glockenform« mit weiter Zugangsöffnung abwichen. Letztere enthielt ausserdem die knopfartige Endigung des Axencylinders einer zutretenden Nervenfaser, während vom Glockenrand ein feiner Faden entsprang und in Spiralen jene Faser um- spann. 1) De orig..nervi symp. ranarum. Diss. 1854. 2) L. ec: 8:13: 3). L. e. 8.14, 4) L. c. Taf. I. Fıg. 8, 9, 10; Fig. 5, 6. 5) Berliner Monatsberichte 1854: Multipolare Ganglienzellen. 6) De ganglior. spinal. vi in nutr. radic. poster. nervor. spinal. Diss. 1859. S. 14. 7) Virch. Arch. Bd. 28. Zur Histol. der Lunge des Frosches. 8) Ibid. Anhang S. 471. Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 129 Fortgesetzte Untersuchungen führten Arnold zu dem Schluss, dass wohl die geschilderten Verhältnisse für den Sympathicus cha- rakteristisch seien !). Allein zu gleicher Zeit mit seiner zweiten Veröffentlichung er- schien auch eine Abhandlung von L. Beale ?), worin das Verbun- densein einer »geraden« und einer »spiraligen« Nervenfaser mit einer Zelle als Eigenthümlichkeit aller peripheren Ganglien des Frosches angesprochen wurde. So schien man also — freilich auf einem ganz neuen Wege — wiederum zu dem Puncte gelangt zu sein, zu dem man von ver- schiedenen Seiten und trotz verschiedener Entdeckungen immer wieder zurückgekehrt war — zu der Annahme nämlich, dass gang- liospinale und sympathische Zellen im Grunde doch histologisch nicht different seien. — Es war in der That, als ob ein böses Ge- schick die Entscheidung dieser doch so brennenden Frage recht lange hinausschieben wolle. Freilich — die »Spiralfasern« forderten an und für sich schon zu weitern Untersuchungen auf. Schramm 3) war, (so viel ich weiss) der Erste, der im Allgemeinen Arnold’s Beschreibung der »Glocken« wenigstens für die Froschlunge bestätigte, ferner aber Beale gegenüber die Richtigkeit von Arnold’s Schlüssen erwies, indem er in den Spinalganglien des Frosches nie »Spiralen« traf. Frommann’s *) Ergebnisse sind in Betreff des Vorkommens von »Spiralfasern« in Spinalganglien des Frosches auch negativ. Fräntzel °) hat leider seine Untersuchungen nicht auf den Frosch ausgedehnt, ist übrigens den »Spiralfasern«< nicht eben geneigt. Kölliker ®) »wird es schwer,« über die Spiralfasern »ein be- stimmtes Urtheil abzugeben,« indem er sie mit Ausnahme eines Fal- 1) Virch. Arch. Bd. 32. Beiträge zur Kenntniss des feinern histologi- schen Verhältnisses der Ganglienkörper im Sympathicus des Frosches. 2) New observ. upon the struct. etc. of certain nervous centres. 1864. 3) Neue Untersuchungen über den‘Bau der Spinalganglien. Diss. Würzburg 1864. 4) Virch. Arch. Bd.31. Ueber Structur der Nervenzellen. 5) Virch. Arch. Bd. 38. Beiträge zur Kenntniss der Structur der spi- nalen und sympath. Ganglienzellen. 6) Handbuch der Gewebelehre 1867. S. 254 u. 255. . 130 Courvoisier: les !) nie in ächte Nervenfasern hat übergehen sehen (während dies Andern gelungen war), und er selber ihnen doch nur im Sympathicus begegnete. — Directe Angaben über die Spinalganglien des Frosches macht er nicht. Aber ich darf wohl die Bemerkung 2) auch auf dieses Thier beziehen, dass nur die Fische bipolare Spinalganglien- körper besitzen, »in den Spinalganglien der höhern Thiere auch oder vorwiegend unipolare sich finden.« Was ich selber im Jahr 1866°) über den Bau der sympathi- schen Zellen des Frosches mitgetheilt habe, war eigentlich nur eine Bestätigung von Arnold’s und Beale’s Resultaten und stand ziemlich im Einklang mit der zu gleicher Zeit von Kollmann und Arnstein *) veröffentlichten Arbeit. Ich werde darauf unten zu- rückkommen und vorerst eine Schilderung der Verhältnisse geben, wie ich sie in den Spinalganglien von Rana esculenta gefunden habe >). Die Spinalganglien des Frosches. Ich würde kaum nöthig haben, die Anordnung des Bindege- webes hier besonders zu besprechen, könnte vielmehr einfach auf das verweisen, was ich früher ©) von dem ganz ähnlich beschaffenen Stroma der Gränzstrangganglien gesagt habe — hätte ich mich nicht damals eines Irrthums schuldig gemacht, den ich jetzt verbes- sern will. Ich beschrieb das Bindegewebe als ein zusammenhängendes maschiges Gerüst, in dessen Lücken die nervösen Theile ganz nackt eingebettet lägen. Ich hielt also im Widerspruch mit Arnold ?) die an isolirten Elementen vorhandenen bindegewebigen Hüllen nur für eine künstlich abgelöste Schicht des Stroma. In neuerer Zeit 1) Ibid. Fig. 182. S. 255. 2) Ibid. S. 320. (vgl. auch $.318.) 3) Dieses Archiv Bd. II. Heft. I. Beobacht. über den sympathischen Gränzstrang. 4) Zeitschr. f. Biologie 1866. Die sympath. Ganglienzellen d. Frosches. 5) Vgl. meine vorläufige Mittheilung im Centralblatt f. & med. Wiss. 1867. No. 57. | 6) L. c. 8.18 u. s. w. 7) Virch. Arch. Bd. 32. Bau der sympathischen Zellen. 8.8. Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 131 haben mich Sander !) und Fräntzel ?) belehrt, dass dies nicht der Fall ist, dass vielmehr die Nervengebilde mit ihrer Bindege- websscheide in den Stromamaschen liegen; ich muss ihnen auch in der That Recht geben. Was die Nervenfasern betrifit, so ist darüber wenig zu sagen. Sogenannte »blasse« (Remak’sche) Fasern habe ich hier nie getroffen. Im Gegentheil zeigten die Nervenröhren stets dunkle Doppelränder und bestanden, wie alle andern ähnlich aussehenden aus Axencylinder, Markinhalt und bindegewebiger, gekernter Scheide (Neurilemm). Einer innern Primitivscheide (Schwann) entbehren sie. [Vgl. auch Kölliker).] Im Durchmesser fand ich Variationen jeder Art zwischen 0” 00357 und 0”",0196. Auch dienach Bidder und Volkmann *) in den Spinalnerven fehlenden Durchmesser von 0"®,0069 bis Or"",0129 (0',00023 bis 0°,00043) habe ich häufig an frischen Fasern gemessen. Dagegen fehlen hier die von mir im Gränzstrang beschriebe- nen »Uebergangsfasern«). Die Nervenzellen. Ihre Grundform ist die Birne (pear — shaped Beale) oder Keule (Ehrenberg) °), also eines rund- lichen, nach einer Seite zugespitzten Körpers, dessen Längsaxe eben durch diese Spitze geht. Modificationen dieser Form sind »Becher- zellen« °), nierenförmige, querelliptische, polygonale u.s. w. Manch- mal trifft man auch kreisrunde Körper — ich würde sagen Kugeln — wenn nicht, wie schon Bidder ®) hervorgehoben hat, ganz ge- wöhnlich an den Zellen eine Abplattung zu bemerken wäre, die nicht selten derjenigen mancher Plattenepithelien gleichkommt. Die Grösse der Körper wechselt von 0” ,025 bis 0"”,082, wäh- rend ich sympathische Zellen höchstens O"m,46 lang fand. Die Bestandtheile der Zellen sind die gewöhnlichen: Kapsel, Protoplasma, Kern, Kernkörperchen. 1) Arch. von Dubois-Reymond 1866. 8.399. 2). L. 0.8.3. 3) Handbuch der Gewebelehre 1867. S. 336. 4) Die Selbständigkeit u. s. w. 1842. S. 24 (oben). 5) L. e.. 8:1 6) Structur der Seelenorgane. 1836. S. 56. 7) DrerS. 1& 8) Zur Lehre von dem Verhältn. der Ganglienkörper u. s. w. 1847. 8.23. . 132 Courvoisier: Die Kapsel ist eine bindegewebige, concentrisch geschichtete, und enthält ovale Kerne oft in ziemlicher Zahl. — Ausserdem habe ich nie ein membranöses Gebilde wahrnehmen können !), so dass also auch in diesem Punct die Spinalganglienzellen vor anderen Nervenkörpern Nichts voraus haben. — Endlich habe ich das in diesem Jahr von Fräntzel?) bei Säugethieren in den Spinalgang- lien beschriebene und von Friedländer?) — wie es scheint — an den Ganglienzellen des Froschherzens ebenfalls beobachtete ein- schichtige, kleinzellige, grosskernige Plattenepithel auf der Innen- seite der Kapsel auch stets vermisst — wenigstens in der exquisi- ten Form, wie es von Fräntzel ‘) bei Säugern dargestellt ist. Eine Beobachtung freilich muss ich erwähnen, welche ich an fast allen Zellen machte, ohne über ihre Bedeutung klar zu werden: Gegen den Fortsatz hin sah ich längs des Protoplasmarandes eigen- thümliche Gebilde liegen von der Grösse, aber nicht von dem Glanz der Kapselkerne, mit ein bis zwei hellen Pünctcehen (Nucleoli), aber ohne einen Saum, der als Zellsubstanz hätte gedeutet werden müssen. Ihre Form war meist eckig, ihre Zahl wechselnd : ein bis zwölf. Mit Goldchlorid färbten sie sich eben so wenig, als andere Kerne. — Ob ich es hier vielleicht doch mit einem Analogon des Fräntzel'- schen Epithels zu thun hatte, weiss ich nicht; von Wichtigkeit scheint mir, dass diese Gebilde um die Abgangsstelle der Nerven- faser herum angehäuft lagen (weshalb ich sie»Polarkerne« nen- nen will). Die Zellsubstanz hat in möglichst frischem Zustand (d. h. in Hühnereiweiss oder sehr dünnem Glycerin unmittelbar nach dem Tode des Thiers untersucht) einen eigenthümlichen Glanz, nicht unähnlich dem bei totaler Reflexion der Flüssigkeiten entste- henden. Zugleich ist sie undurchsichtig und erscheint homogen; die{Farbe ist ein mehr gleichmässig verbreitetes helleres Gelb oder Orange. Schon wenige Minuten nachher hat sich das Bild verändert: der Glanz nimmt ab, die Homogenität schwindet, alles wird durch- sichtiger. Das Pigment sammelt sich an einer Stelle zu einem 1) Vgl. Kölliker Handbuch der Gewebel. 1867. S. 248. 2), Ir. .e. 3) Würzburger physiolog. Untersuch. 1867. II. S. 163. 4) L. c. Fig. 1-3, 6. Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 133 sichelförmigen Haufen gelber Körner, während im Uebrigen die Sub- stanz ein sehr fein granulirtes Ansehen bekömmt. Am gewölbten Ende (»Fundus«) der Zelle taucht ein glänzendes rundes Körper- chen auf, um welches sich bald auch ein heller Hof (Kern) bildet; zwischen Zellsubstanz und Kapsel erscheinen ölähnliche, tief gelbe grosse Tropfen. In diesen Zustand der »Gerinnung« (wie man sich ausdrückt, obschon gewiss die flüssige Natur der Zelle höchst fraglich ist!) kann man die Ganglienkörper auch durch andere Reagentien, namentlich diluirte Säuren, versetzen, welche zugleich die Kapsel zum Quellen bringen und so diein ihr enthaltenen Gebilde besser erkennen lassen. Untersucht man nun solche im Beginn der Gerinnung befind- liche Zellen genauer, so findet man zunächst in Betreff des Nucleus Folgendes: Derselbe ist gewöhnlich in der Einzahl, selten doppelt vorhan- den; ein einziges Mal konnte ich mit aller Sicherheit drei Kerne in einer Zelle beobachten, deren jeder an der letztern eine beson- dere Hervorragung bildete. Siehe Figur. Die Form des Nucleus ist die des Kreises oder der Ellipse; in polygonalen Zellen sind auch die Nuclei eckig. — Zwei Umstände | machen einem das Auffinden der Kerne häufig schwer: erstlich sind dieselben oft ganz flache Scheiben, welche mit ihrer Ebene senkrecht zum Längsdurchmesser der Zelle stehen !). Zweitens ist ihre Lage eine excentrische ; sie befinden sich im Fundus der Zelle; und nicht selten geht die Excentricität so weit, dass der Kern fast ausserhalb, wenigstens ganz an der Oberfläche des Fundus sitzt. So sind die bereits erwähnten »Becherzellen« beschaffen ?). Förmliche Abschnü- rung des Kerns, welche der Zelle die Gestalt eines Mohnkopfs ver- leiht, habe ich hier nie getroffen 3). Siehe Figur. In Betreff der Bläschennatur des Nucleus ist zu bemerken, dass gewisse Facta den Vertheidigern derselben willkommen sein können. Es zeigt sich nämlich, dass die durch Goldchloridlösung entstehende violette Tinction bloss die Zellsubstanz ergreift, sich aber scharf am Kernrand abgränzt, wie wenn hier eine Membran ihr weiteres Eindringen verhinderte. — Von der verdünnten Ä habe 1) Siehe Axmann I. i. ce. S. 24, 31. 2) Siehe meine Arbeit dieses Archiv 1866. S. 14. 3) Ebend. S. 14. . 134 . Courvoisier: _ ich dagegen bereits in meiner frühern Arbeit angegeben !), dass sie die Gränzen des Protoplasmas und des Nucleus verwische (Lösung einer Membran ?) Damit stimmt meine neuere Erfahrung, dass vorhergehende Behandlung mit A (0,2°/, — einen halben bis einen Tag lang) gleichsam der nachfolgenden Einwirkung des Goldes einen Weg bahnt; denn unter solchen Umständen färbt sich der Kern wie das Protoplasma. Sternzeichnungen im Kern, Fortsätze des Nucleolus konnte ich nicht sicher nachweisen. Jetzt noch Einiges über die Beziehungen zwischen Zel- len und Fasern in den Spinalganglien. Es erheben sich hier eine Anzahl Fragen, welche zu beantworten sind. 1. Sind die Spinalganglienkörper nach Küttner’s Behauptung oppositipol? 2). 2. Ist Bealc’s Beobachtung von zwei an einem Pole ent- springenden Fasern — einer »geraden« und einer »spiraligen« — die richtige ? 3). 3. Hat Bidder Recht, wenn er sie für unipolar hält? ®). 4. Giebt es auch auch apolare Zellen? Obschon ich nun keineswegs beweisen kann, dass der eine oder der andere jener Forscher Irriges behaupte, dass er sich getäuscht habe, muss ich doch, gestützt auf meine Beobachtungen, mit aller Entschiedenheit die obigen zwei ersten Fragen zu Gunsten der dritten beantworten und die Spinalganglienkörper für unipolar erklären. Nie sind mir oppositipole oder überhaupt Zellen mit zwei Fortsätzen vorgekommen. Der (einzige) Fortsatz bietet nun mehrfaches Interesse. Zu- nächst geschieht seine Insertion an das Protoplasma fast ausnahmslos an der dem Fundus und dem Kern entgegengesetzten Stelle, und zwar gewöhnlich so, dass seine Längsaxe verlängert das Kernkör- perchen treffen würde. Selten ist der Kern dem Pol sehr genähert. — Siehe Figur. Wichtig ist ferner die Thatsache, dass der Fortsatz immer eine 1) Ebend. S. 25. 2) De orig. nervi sympath. ranar. p. 13. 3) New observations etc. Fig. 26. 4) Zur Lehre von dem Verhältn. der Ganglienkörper u. s. w. 8. 29. Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathieus beim Frosch. 135 »dunkelrandige« Nervenröhre ist, niemals (wie im Sympathi- cus) eine marklose, blasse !). Allein man kann nicht nur meist die Markränder der Faser bis an den Rand der Zellenkapsel verfolgen, sondern oft begegnen einem auch die seit 1847 2) bekannten Bilder eines Eindringens von Mark in jene Kapsel und einer Ausbreitung desseiben längs des Zel- lenrandes. — Siehe Figur. Noch mehr! Ich habe einmal — aber eben nur dieses eine Mal — ein Präparat unter den Händen gehabt, worin ich an einer grossen Zahl von Zellen eine seltsame Beobachtung machte. Das Präparat war mit Goldchlorid (1%) behandelt, welches bekanntlich die Kapselkerne ungefärbt lässt. Die meisten Zellen jenes Präpa- rates zeigten innerhalb der Kapsel über die Oberfläche des Proto- plasma zerstreut eine Menge kleiner, tief violetter Körner, während die Kerne der Kapsel völlig farblos erschienen. Auch die oben be- schriebenen »Polarkerne« liessen sich in ganz ungefärbtem Zustand gegen den Pol hin noch unterscheiden. Oft sah ich diese Körner in radienartigen Streifen vom Pol aus über die Zelle hin zerstreut. Da ausserdem der Farbenton der Körner mit dem des Fasermarks ganz übereinstimmte, lag es nahe, daran zu denken, ob nicht viel- leicht die Körner Reste einer ursprünglich die Zelle überzie- henden Schicht von Nervenmark seien. — Siehe Figur. Zur Unterstützung dieser Ansicht führe ich M. Schultze °) an, der in seltenen Fällen die Ganglienkörper mit einem feinen Mantel von Nervenmark bekleidet fand. An ganz frischen Zellen scheint das Protoplasma direct in die Markscheide der abtretenden Nervenröhre überzugehen. Mit dem Anfang der Gerinnung jedoch tritt zwischen beiden eine Gränze auf, welche deutlich zeigt, dass wir es da mit zwei verschiedenen Sub- stanzen zu thun haben [gegen Axmann #)]. Ist die Gerinnung be- endet, so findet sich zwischen den beiden Substanzen ein Raum, der 52) Siehe meine Arbeit in diesem Archiv 1866. S. 17. 2) Siehe Wagner Handwörterbuch d. Physiologie; Artikel: Sympathi- sche Nerven u.s. w. Fig.31. $.11. Bidder: Zur Lehre u.s.w. Fig.1,5,8. 3) De retin. struct. penit. 1859. p. 22. 4) L.. e. p. 31. . 136 . Vourvoisier: neben den »Polarkernen< noch eine äusserst fein granulirte Masse enthält. — Siehe Figur. Einige Male sah ich den Axencylinder der Faser weit in jenen Raum, endlich durch die Zelle hindurch zum Kern vordringen. — Siehe Figur. — Ob hier eine wirkliche Endigung im Kern oder bloss eine Einstülpung des Protoplasma (eine Art von »Glocken- höhle«e (Arnold !) vorlag, konnte ich nicht entscheiden. — Aus- serordentlich selten kam es mir vor, als ob der Axencylinder sich am Zellenrand verästle. Es bleibt mir noch übrig, die obige vierte Frage nach apo- laren Zellen zu beantworten. Es kommen in der That in kleiner Zahl neben den beschriebe- nen wohlgebildeten unipolaren Zellen auch solche vor, die einem von vorn herein den Eindruck von verkümmerten oder noch unent- wickelten Elementen machen, die fast immer kleinere Dimensionen, unregelmässigere Formen und eben vor allem den Mangel eines Fortsatzes darbieten. Ausserdem gelingt es manchmal nur mit Hülfe der Goldtinction, an ihnen einen Protoplasmasaum nachzuweisen, der sie vor blossen Kernen kennzeichnet. — Sie finden sich fast immer einzeln den unipolaren Zellen beigegeben und zwar in der Weise, dass sie in deren Kapsel Platz nehmen und mit ihnen zusammenstossen. Ich will sie daher »Beizellen« nennen. Siehe Figur. Ihre Be- deutung ist mir nicht klar geworden; doch erinnere ich hier an die vonBeale?) beschriebenen und als frühere Entwickelungsstadien wohlgebildeter (»fully formed«) Zellen gedeuteten ähnlichen Kör- per. — Sicher ist, dass die »Beizellen«, wenn ihnen überhaupt eine Funetion zukömmt, eine ganz andere Function haben müssen, als die unipolaren Zellen. Aber es könnten ja eben functionslose, nicht mehr functionirende, abgelebte Ganglienkörper sein [»a matter, thas has lived,« Beale °)]! Ich würde hier schon einen Vergleich der Spinalganglienzellen mit denen des Sympathicus (wie ich sie in meiner früheren Arbeit 1) Virch. Arch. Bd. 32. 1. ce. 2) L. c. 8.6. — Fig. 5, 11, 12, 8) 1.0.85, Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathieus beim Frosch. 137 beschrieben) anstellen können. Allein ich muss zuerst auf einige gegen die Beschreibung der sympathischen Zellen gemachte Einwürfe antworten. Diese Einwürfe geschehen besonders gegen folgende Haupt- puncte meiner Arbeit: 1. Die Bidder-Volkmann’sche Eintheilung der Nerven- fasern in feine sympathische und dicke cerebrospinale erscheint nicht gerechtfertigt, insofern als es im Gränzstrang Fasern giebt, welche an der einen Stelle »fein,« an der andern »dick« sind: »Ueber- gangsfasern«!). 2. Die sympathischen Ganglienzellen sind mem branlos ?). 3. Apolare Ganglienzellen fehlen °). 4. Die Zahl der Fortsätze ist mindestens zwei. Von diesen beiden geht der eine (eine ursprünglich dunkelrandige, in der Nähe der Zelle aber blass werdende Nervenfaser) gestreckten Laufs durch das Protoplasma zum Nucleus: »gerade Faser« *). — Der andere hat einen complieirteren Zusammenhang mit der Zelle: es gehen vom Nucleolus feine Fäden aus, die sich in und auf der Zell- substanz netzartig verbinden. Aus dem Netz (»Wurzel- oder Fa- dennetz«) treten an der Abgangsstelle der »geraden Faser« einige Fäden zu einer feinen, oft kernhaltigen Fibrille zusammen, welche spiralig die »gerade Faser« umkreist und sich mit ihr von der Zelle entfernt. Zuweilen sind zwei bis drei solcher »Spiralfasern« vor- handen 5). — Auch die »Spiralen« hängen mit unzweifelhaften dun- kelrandigen Nervenröhren zusammen ®). -— In einiger Entfernung von der Zelle trennen sich beide Arten von Fasern und folgen verschie- denen Richtungen ?). — Nicht immer beschreibt die »Spiralfaser« wirklich Windungen um die »gerade« herum; sie kann auch mit letzterer parallel laufen °). 5. Aus dem »Wurzelnetz« entspringen auch feine blasse, kern- führende Fäden, die hie und da auch vom Nucleolus direct nach Aussen treten und zur Verbindung von Ganglienzellen unter einan- der dienen: »Commissurfasern« ?). 6. Bei Fischen, Vögeln und Säugern bestehen analoge Ver- 1)L.ce.8. 15. 2) Ibid. S. 17. 3) Ibid. S. 21. 4) Ibid. 8.21. 5) Ibid. $. 24. 6) Ibid. S. 28. 7) Idid. $. 28. 8) Ibid. S. 30, 9).Ibid. 8. 26. . 138 Courvoisier: hältnisse, wie beim Frosch. Nur sind ihre Zellen multipolar: an jedem Pol entspringt je eine »gerade« und eine »Spiralfaser« !). Zu diesen Resultate stehe ich der Hauptsache nach auch jetzt noch, wenn sich mir auch in einzelnen Puncten bei erneuten Unter- suchungen gewisse Abweichungen ergaben. Ad. 1. Wenn z. B. Sander ?) die Existenz meiner »Ue- bergangsfasern« bestreitet und sie für artefact erklärt, so fällt doch dagegen viel mehr ins Gewicht eine Angabe Bidders (Bid- ders, der ja das Vorhandensein mittlerer Durchmesser so entschie- den geleugnet und mit Volkmann auf ihr Fehlen die bereits eitirte Eintheilung begründet hat). Derselbe sieht sich nämlich ®) durch gewisse Beobachtungen »zu dem Schluss gedrängt,« dass es Fasern gebe, welche »Uebergangsfasern im Sinne Courvoisiers dar- stellen.« Ad. 2. Sander*) vertheidigt auch Arnold und mir gegen über die Zellmembran. In dieser Sache halte ich ihm die Autorität Kölliker’s °) entgegen, welcher sich »nach neu aufge- nommenen Untersuchungen veranlasst findet« den Satz aufzustellen: »die Nervenzellen entbehren einer Hülle, die als Zellmembran an- zusehen wäre, oder lassen wenigstens nirgends eine solche mit Be- stimmtheit erkennen.« Ad. 3. Beim Lesen von Kölliker’s neuer Auflage der Ge- webelehre (1867. S. 255) bin ich darauf aufmerksam geworden, dass ich früher meinen Satz von den »apolaren« Zellen etwas präciser hätte formuliren und nur von fertig gebildeten Zellen hätte spre- chen sollen. — Ich habe in neuerer Zeit auch im Sympathicus des Frosches Zellen gefunden, welche gewiss nicht auf gleicher functio- neller Stufe stehen, wie die mit »gerader« und »spiraliger« Faser versehenen. Es sind Zellen ähnlich den in Spinalganglien beschrie- benen »Beizellen.« Auch sie sind kleiner, unregelmässiger ge- formt und weit seltener als die ausgebildeten Zellen. Oft sind sie zu kleinen Gruppen mit gemeinschaftlicher Kapsel vereinigt [siehe 1) Ibid. S. 29. 2) Reichert’s und Dubois-Reymond’s Archiv 1866. Die sympathischen Ganglienzellen. S. 403. 3) Ibid. 1867. Heft I. Nerven d. Gandula submaxill. d. Hundes. 8.9. 4) L. c. S. 392. 5) Handbuch der Gewebel. 1867. S.248 (unten). Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 139 Beale !)]. Aber auch einzeln oder zu zwei und drei trifft man die sympathischen »Beizellen,« und zwar (wie in den Spinalganglien) mit einem ausgebildeten Ganglienkörper in dessen Kapsel liegend. Ja nicht ganz’ selten stehen sie mit dessen »Spiralfasernetz« durch feine Fäden in Verbindung ?). — Ueber ihre etwaige Bedeutung genüge das oben bei den Spinalganglien Gesagte. Ad 4. Die wohlgebildeten, functionirenden sympathischen Körper stehen mit zwei Fasern in Verbindung. Was die »gerade Faser« betrifit, so sah ich sie auch in neuerer Zeit nie im Nucleolus endigen, wie ausser Arnold auch Koll- mann und Arnstein ?), sowie Sander *) angeben. Auch von einer Endigung der Markscheide der »geraden Fa- ser« im Kern konnte ich Nichts wahrnehmen °), schliesse mich also hierin Kollmann und Arnstein 9), Sander °) und Friedlän- der ®) an. Ich sah »gerade« und »Spiralfaser« stets blass an die Zelle herantreten. Die »Spiralfasern« haben ihren ersten Gegner inKrause’°) gefunden, der zwar nicht ihr Vorkommen, sondern ihre Nervosität leugnet und sie für »elastische Fasern« und für »Faltungen des Neurilemms« ansieht. Gegen den ersten Einwand möchte ich geltend machen, dass die von Arnold, Beale und mir beschriebenen »Spiralen« Kerne enthalten; in elastischen Fasern kommen aber Kerne nie vor. — Der zweite Einwand verliert seine Kraft durch die That- sache, dass auch an völlig nackten, von ihrem Neurilemm befreiten Zellen die »Spiralfasern« vorhanden sind. Als zweiter Gegner der »Spiralfasern« ist wieder Sander !°) zu nennen. Es sieht aber wie Ironie aus, wenn derselbe versichert, die Carricaturen von Zellen, welche er seiner Abhandlung beifügt, 1) L. e. Fig. 5, 7, 8, 11, 12. Vgl. Kölliker Gewebel. 1867. 5. 255. 2) Siehe in meiner ersten Arbeit Fig. 13. 3) Zeitschr. f. Biologie 1866. Die Ganglienzellen des Sympathicus. 4) L. c. 8. 401. 5) Siehe Arnold in Virch. Arch. Bd. 32. 6) L. ce. 7) E..e. 8400: 8) L. c. S. 164. 9) Zeitschr. f. ration. Med. 1865. Bd. 23. 10) L. c. S. 398. 140 Courvoisier: seien die Bilder, durch welche Arnold und ich getäuscht worden seien. An solchen verkrüppelten Zellendingern, wie sie Sander andern Forschern zur Warnung hinstellt, ernsthafte Studien anstel- len zu wollen, wäre Verwegenheit gewesen. — Ebenso wenig Zu- trauen könnten Beobachtungen erwecken, wobei die Zellenfortsätze nur auf so kurze Strecken verfolgt worden wären, wie bei San- der !). Arnold’s, Beale’s und meine?) Figuren zeigen deutlich, dass wir den Fasern bis zu ihrem (von Sander geleugneten) Ue- bergang in dunkelrandige Nervenröhren nachgegangen sind. Sander °) nimmt ferner die Zellenmembran an und behauptet, Falten und Risse in derselben hätten uns »Spiralfasern« vorgetäuscht. Wie reimt sich aber die Kernhaltigkeit unserer Spiralen mit der Kernlosigkeit, die er selber als Merkmal der Zellmembran hin- stellt ? ®) Sander scheint sodann unter »Isolation« etwas ganz Anderes zu verstehen, als ich, wenn er einmal 5) von Bindegewebe spricht, das »namentlich« mehr isolirt liegende Ganglienzellen umgiebt.« Meine Ansicht ist: je mehr eine Zelle isolirt ist, um so freier ist sie von Bindegewebe, und ganz isolirte Zellen sind auch frei von Neurilemm. — Bei derartigen Meinungsdifferenzen über so wichtige Puncte dürfte eine Vergleichung unserer beiderseitigen Befunde kaum gerechtfertigt erscheinen. Wenn endlich Sander fortwährend damit ficht, an frischen Ganglienzellen seien »Spiralfasern u.s.w. nicht zu sehen, so ist das gewiss kein vollgültiges Argument. Er glaubt doch selber an die Präexistenz des Axencylinders! ja er ist sogar Einer von denen, welche den Axencylinder bis in den Nucleolus der Zelle vordringen lassen ! — Ist er aber je im Stande gewesen an frischen Fasern einen 1) Siehe Sander’s vier Figuren |. c. 2) Friedländer (l. c.S.163) traut mir eine Geschicklichkeit im Präpa- riren der Fortsätze zu, auf die ich nie Anspruch erhoben habe; im Gegentheil hebe ich (l. c. S.45) deutlich hervor, wie sehr man bei jenen Präparationen auf das Glück angewiesen sei. Ich habe ihm übrigens bereits mündlich mit- getheilt, dass die Fortsätze, welche er bei jener Aeusserung speciell im Sinn hat, nicht präparirt, sondern in der Vagina eines Ganglions gefunden wur- den (siehe meine erste Arbeit Fig. 19). 3) L. c. S. 402. 4) L. c. S. 398. 5) L. c. S. 403. Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 141 Axencylinder , geschweige an frischen Zellen eine Endigung des Axencylinders im Nucleolus wahrzunehmen? Was Kölliker !) die Nervosität der Spiralfasern besonders zweifelhaft erscheinen lässt, ist der Umstand, dass sie in ihren blassen. Ursprungsfibrillen Kerne enthalten, die doch sonst in keinen Zellfortsätzen bekannt seien. Aber ist nicht der ganze Habitus der sympathischen Zellen ein so einziger, dass sie eigentlich — auch ab- gesehen von der Nervosität der Spiralen — mit keinen bekannten Nervenzellen zu vergleichen sind? Wo findet sich an Ganglien- - körpern ein ähnlich Netzgebilde um einen Fortsatz herum, wie hier? — Warum soll nicht Etwas von dem Ungewöhnlichen der sympa- thischen Zellen eben in der Kernhaltigkeit der Fortsätze liegen dür- fen? — Und wenn man, wie es doch auch Kölliker ?) in einem Fall gelang, die Spiralfasern in »unzweifelhafte Nervenfasern« über- gehen sieht, was bleibt dann übrig, als anzunehmen, dass sie eben trotz der Kerne nervös seien ? Diesen Uebergang haben Kollmann und Arnstein auch constatirt. Friedländer °) aber hat für die Nervosität der Spi- ralen noch einen durchaus schlagenden Beweis mit dem Goldchlorid geliefert. Auch ich habe *) zahlreiche Präparate der Goldbehandlung un- terworfen, und folgende Methode bisher als die beste erkannt: Ein seiner äussern Hüllen entledigtes Ganglion wird einen halben bis einen Tag lang in A von 0,2°%/, gebracht, dann fein auf einem Objectträger zerzupft, bis man hier und dort Zellen mit ihren zwei Fortsätzen frei liegen sieht. Nun setzt man einen Tropfen Goldchloridlö- sung (0,1°/,) hinzu und exponirt das Präparat dem Sonnenlicht, indem man bei beginnender Verdunstung den Tropfen beständig erneuert. — Von Zeit zu Zeit beobachtet man die Fortschritte der Goldreduction. Endlich — zu einer Zeit, die sich nicht genau be- stimmen lässt, die vielmehr sehr verschieden ist — findet man die Zellen, die »geraden« und die »Spiralfasern« violett gefärbt. So viel über die Spiralen als solche. Nun nach einige Worte 1) L. c. S. 254. 2) L. c. Fig. 182. 3); @. 8. 162: 4) Seitdem ich Herrn Friedländer’s persönliche Bekanntschaft in Zürich (Juli 1867) gemacht hatte. . 142 Courvoisier: über das »Fadennetz,« aus dem dieselben nach Arnold’s !) und meinen ?) Angaben ihren Ursprung nehmen sollten. Arnold und ich sind bisher die Einzigen, welche das Netz in optima forma wollen gesehen haben. Die meisten Autoren aber, welche über diesen Gegenstand geschrieben haben, fanden wenigstens Stücke desselben. Die feinen, starren Nucleolarfäden zunächst beobachteten Kollmann und Arnstein °), Friedländer ®), selbst Sander’). Bidder °) »kann (allerdings nach Beobachtungen am Hund) nicht anstehen, den Angaben Arnolds und Courvoisiers über ein..... umspinnendes Fadennetz sich anzuschliessen.«e -— Fräntzel’) vermuthet, dass das »Fadennetz« mit seinem »Epithelnetz« ver- wechselt worden sei. — Kölliker °) leugnet vollständig die »Fä- den, die Arnold von den Nucleolis ausgehen lässt. « Dass ferner die »Spiralfasern« am Pol der Zelle durch Verei- nigung blasser Fäden entständen, geben Beale (zum Theil), Koll- mann und Arnstein, Friedländer und Kölliker zu. Letz- terer hat sogar »an der Oberfläche der Zelle und zwar meist nur an dem Pol, wo die Nervenfaser abging, in einzelnen Fällen die Hälfte, ja selbst die ganze Zelle bedeckend (!)« Fasernetze getroffen, welche mit den Spiralfasern zusammenhingen. Der Punct, worin alle diese Autoren übereinstimmen, ist: das Fehlen desjenigen Netztheils, welchen man den »intermediären« nennen könnte (des Theils, der nach Arnold und mir die Nucleo- larfäden und die Anfangsfibrillen der Spirale verbinden sollte). Ich habe nun, etwas stutzig gemacht durch jene Uebereinstim- mung der Forscher, (namentlich Derer, welche nur das »intermediäre Netz,« nicht aber die »Spiralen« leugnen), und eingedenk meiner eigenen frühern Zweifel über den Zusammenhang der Spirale mit den Nucleolarfäden °), mit um so grösserer Vorsicht (vielleicht mit 1) Virch. Arch. Bd. 32. 2) L. ce. S. 24 ff. 3) Zeitschr. f. Biologie 1866. 4) L. ce. S. 163. 5) L. ce. 8.400. 6) Reichert’s und Dubois-Reymond’s Arch, 1867. S. 14. 7) Virch. Arch. Bd. 38. S. 4. 8) L. ec. 8. 254. 9) L. c, 8.26. Ueb. d. Zellen d, Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 143 allzugrosser!) diese Verhältnisse neuer Beobachtung unterworfen — und ich muss gestehen, dass ich jetzt das »Netz« nicht mehr finden konnte. Worauf es beruhte, dass ich es früher so bestimmt zu se- hen glaubte, weiss ich allerdings nicht. Das Auseinanderweichen von »gerader« und »Spiralfaser« habe ich ziemlich oft wieder gesehen, am schönsten einmal in der Blase des Frosches, wo überhaupt die Zellen vollständig sympathische Charaktere darbieten. Was nun die »>Gommissurfasern« anbelangt, so haben die- selben gleichfalls Angriffe zu erdulden gehabt. Wenn Sander sie sammt Fasernetz und Spiralen leugnet, so ist das nur consequent gehandelt. Minder logisch verfährt Friedländer ?), der sie »nicht anerkennen kann,« weil sie aus dem nicht existirenden Fadennetz entspringen sollten. Und doch erkennt er die nach meiner Ansicht auch aus jenem Fadennetz entspringenden »Spiralfasern« an?! — Allein ich will mich nicht mit theoretischen Erörterungen herauszu- winden suchen. Meine Angaben 1)über ein nicht seltenes Entsprin- gen von »Commissurfäden« direct aus dem Nucleolus, 2) über ein Entspringen aus den von Friedländer selber anerkannten An- fangsfibrillen (»Theilungen«) der Spiralfasern — sind zwei Puncte, die denn doch nicht ohne Weiteres auf »indirecte« Weise über die »Commissurfasern« abzuurtheilen erlauben dürften. Sehr willkommen war mir übrigens in dieser Beziehung noch die Auffindung folgender Stelle bei Schramm °): »Einmal trat die Spirale nach einigen Windungen auf die nächstliegende Axen- faser und schien so eine Verbindung zweier Spiralen dar- zustellen.« Ad 6. Die einzige Bestätigung meiner Angaben über die dem Frosch analogen Verhältnisse der sympathischen Zellen bei andern Wirbelthierclassen hat bisher Bidder *) für den Hund gegeben. Die Schwierigkeiten der Untersuchung sind allerdings bei an- dern Wirbelthieren viel grösser, Täuschungen viel leichter möglich, als bei »dem den Mikroskopikern so holden Thier, dem Frosch.« Wahrscheinlich danke ich es diesen Umständen, dass meine Resul- 1) L. ce. S. 403. 2) L. ce 8. 168. 3) Bau der Spinalganglien. Diss. Würzburg 1864. S. 17. 4) L. c. Nerven der Submaxillardrüse des Hundes. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 10 . 144 Courvoisier: tate bei jenen andern Thierclassen noch nicht sind angefochten wor- den und dass mir zugleich Zeit gelassen ist, dieselben einer Revision zu unterwerfen, die ich mir vorbehalte. Wenn ich schliesslich zwischen sympathischen und gangliospi- nalen Zellen einen Vergleich anstelle, so ergeben sich eine Anzahl wichtiger Differenzen. Das hervorstechende Merkmal der erstern ist ihre Verbindung mit zwei Fasern, das der letztern die Unipolarität. — Während ferner die zwei sympathischen Ausläufer blosse Fäden darstellen, ist die gangliospinale Faser eine ziemlich dicke dunkelrandige (die ausserdem aus ihrer Markscheide hie und da einen Ueberzug für die Zellsubstanz liefert). — Aus dem Nucleolus der sympathischen Zelle treten feine starre Fäden in die Zellsubstanz; an ganglio- spinalen Zellen fehlen sie. — In den sympathischen »Spiralfasern« sind eigenthümliche Kerne enthalten, welche sowohl der »geraden« . Faser, als dem gangliospinalen Ausläufer abgehen. Dagegen sind um den letztern eine Anzahl »Polarkerne« herumgruppirt, die ich an den »geraden Fasern« vermisste. — Endlich ist die Gestalt der sympathischen Körper eine ballonähnliche (bedingt durch die eigen- thümliche Anordnung der Spirale), die der gangliospinalen eine Birne. Anm. Der letzte Theil dieser Arbeit (über die sympathischen Zellen) war vollendet, als ich (am 8. December 1867) von Hrn. Prof. Arnold in Heidelberg seine neuste Abhandlung aus Virchov’s Arch. Bd. XLI. p. 178 zugesandt erhielt. Es fand sich — wovon sich auch Herr Prof. His überzeugt hat — dass seine und meine Anga- ben hie und da fast wörtlich übereinstimmten. Ich veröffentliche jetzt trotzdem meine Arbeit in der vorliegenden (ursprünglichen) Verfassung, da Herr Prof. Arnold (welchem ich am 12. December 1867 darüber schrieb) mich selbst hiezu aufgemuntert hat. Ueb. d. Zellen d. Spinalganglien, sowie d. Sympathicus beim Frosch. 145 Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Figg. 6 Fig. 8. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Spinalganglienzellen mit seitlicher Insertion der dunkelrandigen Fa- ser. Viel »feinkörnige Masse« und »Polarkerne.« — Behandlung mit A und CrO? (nach Arnold’s Methode). Yz..- Frische Zelle im Anfang der Gerinnung. Axencylinder der dunkel- randigen Faser innerhalb der Markscheide bis an den Zellenrand verfolgbar. Zwei »Polarkerne« in feinkörniger Masse. Y,,o- Fortsetzung des Axencylinders bis zum Kern der nackten Zelle. — A und CrO®, Y,... Zelle mit drei Nucleis. — A et OrO8. Yıso- »Becherzelles (s. S. 15). - A und CrO®. Hase und 7. Zwei Zellen, welche mit Gold behandelt waren; Fig. 7. Eine Zelle, welehe ziemlich dunkel — mit einer Faser, welche intensiv violett gefärbt war; das Mark dieser Faser setzt sich weit in die Kapsel hinein über die Zellenoberfläche hin fort. — Fig. 6. Eine zwar mit Gold behandelte Zelle, deren Substanz aber ungefärbt ge- blieben war, während ihre Faser sich violett zeigte, und ausserdem über ihre Oberfläche hin reichliche, tief violette Körner (Mark- masse?) zerstreut waren, Drei ungefärbt gebliebene »Polarkerne« sind sichtbar. — Figg. 6 und 7. Yggo- Spinalganglienzelle mit einer in ihre Kapsel eingeschlossenen »Bei- zelle.«e — A und CrO?. Yıso: () Ueber den Bau der Thränendrüse. Von Franz Boll, stud. med. Hierzu Tafel XI. In der neuesten Zeit ist in der Histiologie der acinösen Drüsen häufig eigenthümlicher, sternförmiger Zellen Erwähnung gethan wor- den. Krause !) war der erste, welcher dieselben aus der Parotis der Katze mittelst Maceration in Essig isolirte. Er ist geneigt, die- selben für nervös zu halten. Henle ?) beschreibt ebenfalls stern- förmige Zellen aus der Wand der Labdrüsen sowie aus der Parotis und Mamma. Auch ihm erscheint ihre nervöse Natur am wahr- scheinlichsten, obwohl er nie einen Zusammenhang mit Nervenfasern gesehen hat. Pflueger°) beschreibt aus den Speicheldrüsen des Kaninchens multipolare Zellen. Er hält dieselben entschieden für multipolare Ganglienzellen und beobachtete einerseits den Zusam- menhang derselben mit Fasern, andererseits mit den secernirenden Epithelzellen selbst. Kölliker *) endlich hat die fraglichen Zellen in den Speicheldrüsen näher untersucht. Er hält sie für indifferente Umhüllungsgebilde der Alveolen, welche ihm eine Art Reticulum darzustellen scheinen. . 1) W. Krause, Ueber die Drüsennerven, Zeitschr. f. rat. Medicin IH. XXI. p. 51. 2) Handbuch der syst. Anatomie des Menschen II. p. 46. Fig. 28. 3) Pflueger, die Endigungen der Absonderungsnerven in den Spei- cheldrüsen 1866. ' 4) Gewebelehre, 5te Aufl. p. 357. Fig. 240. Boli: Ueber den Bau der Thränendrüse, 147 Ich begann den fraglichen Gebilden meine Aufmerksamkeit bei Gelegenheit einer Untersuchung der Thränendrüse zuzuwenden, welche ich in den Sommerferien 1867 anfıng und später in Bonn fortsetzte. Als Untersuchungsobjeete dienten mir die Thränendrüse von Schwein, Schaf, Kalb und Hund, die Submaxillaris von Kaninchen, Kalb und Hund und die Parotis der Katze und des Kaninchens. Als Methoden zur Isolation dieser Zellen werden angegeben: Maceration in Essig (Krause), Behandlung mit Kali bichromicum (Henle), mit 33%, Kalilauge (Pflueger) und mehrtägiges Einlegen in Jod- serum, später 24 Stunden in Chromsäure von !/3°/, resp. Kali bi- chromicum von 1/j0°/o (Pflueger). Ich habe die letzte der beiden Pflueger’schen Methoden am brauchbarsten befunden und sind die hier niedergelegten Resultate alle an der Hand derselben ge- wonnen worden. Untersucht man die Drüsen mit anderen als Ma- cerationsmethoden , so sieht man diese sternförmigen Zellen nur theilweise oder gar nicht. Was nun zunächst an den mittelst der Maceration in Jodserum erhaltenen Isolationspräparaten auffällt, ist die eigenthümliche Ge- stalt der Epithelien, welche entweder einzeln oder zu zwei und drei zusammenliegend in der Flüssigkeit herumschwimmen. Wie ich mit Pflueger gegen Giannuzzi ') behaupten muss, zeigen alle einen deutlichen Kern. Derselbe ist selten einfach rund, meist von un- regelmässiger Form und zeigt häufig einen spitzen Fortsatz. Auch die Zelle selbst ist in den seltensten Fällen einfach rund oder poly- gonal, sondern entsendet meist einen oder mehrere Fortsätze. Die vorkommenden Formen sind ausserordentlich mannichfaltig. Ich verweise daher hier nur auf die Abbildungen (Fig. 1), wo ich keines- wegs die besonders auffallenden Formen, sondern nur die gewöhn- lichsten Typen darzustellen mich bemüht habe. Ausser den Epithelien lassen sich mittelst dieser Methode aus allen den von mir untersuchten Drüsen auch die sternförmigen Zel- len darstellen, so dass ich sie als ein ganz constantes Vorkommniss bezeichnen muss. Dieselben zeigen ganz allgemein einen, besonders nach Zusatz von Essigsäure deutlich hervortretenden, körnigen Kern 1) G. Giannuzzi, Von den Folgen des beschleunigten Blutstroms für die Absonderung des Speichels. Ber. d. K. Sächs. Ges. d. Wiss, Math. Phys. Classe. Sitzung v. 27. Nov. 1865. 4 148 Boll: ohne Kernkörperchen. Die Zellsubstanz ist kein eigentliches körniges Protoplasma, sondern erscheint mehr homogen, zart, blass und zeigt in der Richtung der abgehenden Fortsätze eine zarte aber deutliche Streifung. Nur in der unmittelbaren Umgebung des Kerns ist mit- unter eine feine Granulirung der Su)stanz erkennbar. Die zarten, fast durchgängig glatten Fortsätze zeigen die Längsstreifung am deutlichsten. Die Form der Zellen kann eine ganz ausserordentlich verschiedene sein. Die Gestalt und Grösse des eigentlichen Zellen- leibes, die Zahl der Fortsätze, ihre mehr oder minder reiche secun- däre Theilung und Verästelung, alles dies unterliegt zahlreichen Va- riationen. Ich verweise nur auf die, Fig.8 aus der Thränendrüse des Kalbes dargestellten, verschiedenen Formen. Auch die Thier- species bedingen Verschiedenheiten. So zeigen z. B. in den Drüsen des Kalbes und Hundes die Zellen selbst grössere Dimensionen und eine bedeutend reichlich entwickelte Zeilsubstanz. Die Fortsätze ge- hen durch allmählige Verschmälerung aus dem Zellenleib hervor und verästeln sich sehr reichlich meist unter sehr spitzen Winkeln. Die Zellen des Kaninchens und der Katze sind sehr dünn und klein; die scharf vom Zellenleib sich absetzenden Fortsätze verästeln sich viel weniger (Fig. 11). In der Mitte zwischen diesen beiden Formen stehen die aus der Thränendrüse des Schafes isolirten Zellen. Verfolgt man nun mittelst der genannten Methode — am be- sten in der Thränendrüse des Kalbes — diese interessanten Zellen noch weiter, so wird man bald finden, dass dieselben nicht einzeln vorkommen, sondern stets eigenthümliche Netze bilden mit baum- förmig verzweigten Ausläufern und vielfach verästelten Anastomo- sen (Fig. 10); ja es gelingt sehr oft Netze zu erhalten, welche die Form des Alveolus noch beibehalten haben, förmliche Körbe, in denen das Drüsenträubchen lagerte (Fig. 10f). In den durchbro- chenen Räumen des Netzes, an Balken, die von der Peripherie aus in das Innere der vom Netz umschlossenen Höhlung entsendet wer- den und oft ein förmliches Gerüste bilden, haften, wie Fig. 12, dbisg zeigt, die Epithelien an. Bei der innigen Verbindung des umhül- lenden Zellenkorbes mit den secernirenden Zellen des Alveolus, ge- winnt es häufig den Anschein, als wenn eine directe Verbindung beider Zellenarten bestände. Andererseits können auch die verästel- ten Zellen des ersteren denen des Alveolus täuschend ähnlich sehen, für den Fall nämlich, dass ihre Fortsätze bis auf einen oder wenige abgestossen sind. Ueber den Bau der Thränendrüse. 149 Die strahligen, vielfach verästelten Ausläufer der Zellen sind, wie oben schon erwähnt, bei allen untersuchten Drüsen glatt und bandförmig. Beim Kaninchen und Schaf sind es auch die Zellen selbst. In den Drüsen des Kalbes und besonders des Hundes zeigen jedoch die Stellen des Netzes, wo ein Kern liegt, also die Zellenkör- per, eine beträchtliche Verdickung. Es eröffnet sich uns hier eine nach meiner Meinung ganz zweifellose Deutung des eigenthümlichen Gebildes, welches vor einigen Jahren von Giannuzzi aus der Sub- maxillaris des Hundes als Möndchen (lunula) beschrieben und ab- gebildet wurde!). Die in Fig. 9, a bis f gezeichneten sichelförmi- gen Gebilde lassen sich mittelst der Macerationsmethode nament- lich aus der Thränendrüse des Kalbes ganz ausserordentlich zahl- reich darstellen. Es sind im Profil gesehene, die Wölbung des Alveolus noch conservirende multipolare Zellen, deren Fortsätze in der Profilebene liegen. Lässt man ein solches Gebilde unter dem Mikroskop rollen, so vollzieht sich unter den Augen des Beob- achters der Uebergang dieser eigenthümlichen Sichelform in eine multipolare Zelle. Fig. 9, g bis k sind auch einige nicht selten vorkom- mende Bilder gezeichnet, wo einer oder mehrere Fortsätze sich um die Sichel herumschlagen, aus der Profilebene heraustreten und so sichtbar werden. Adoptirt man diese Erklärung, so ergiebt sich auch ganz zwanglos das Fehlen der Lunula in der Submaxillaris des Ka- ninchens, wo sowohl Pflueger wie Kölliker dieselbe vermissten. Der ausserordentlich geringe Dickendurchmesser der multipolaren Zellen beim Kaninchen lässt die Profilansicht derselben nicht als Halbmond erscheinen. Doch findet sich auch in dieser Drüse die eigenthümliche Netzbildung, wenn auch lange nicht so mächtig ent- wickelt wie beim Kalbe. Fig. 11 ist derselben entnommen. Alle die oben schon genannten Drüsen wurden auch auf die Nervenendigung mit der von Pflueger so sehr ausgebildeten An- wendung sehr verdünnter Chromsäurelösungen untersucht. In Be- zug auf die Methode verweise ich nur auf die Pflueger’sche Schrift?) und wiederhole hier nur den dringenden Rath keine der ' auf den ersten Blick unwesentlich erscheinenden specielleren Anga- ben und Vorsichtsmaassregeln ausser Acht zu lassen. An den mittelst dieser Methode erhaltenen Präparaten erschei- 1) L. c. p. 69. 2) L. c. p. 14. PL 150 Boll: nen die in einem Alveolus neben einander liegenden Zellen unregel- mässig polygonal, von, wie Pflueger hervorhebt, nahezu gleicher Grösse. Wenn auch nicht auf einem einzigen Bilde, so doch bei verschiedenen Einstellungen des Tubus zeigen alle einen selten ein- fach runden, meist excentrisch gelegenen unregelmässigen Kern, wel- cher häufig einen spitzen Fortsatz entsendet. Von den multipola- ren Zellen sehen wir keine Spur und nur in den Drüsen des Kal- bes und Hundes geben uns eigenthümliche, sichelförmige Gebilde (Giannuzzis Möndchen), welche meist das stumpfe Ende der Al- veolen umgreifen, von ihrem Dasein Kunde. Die Alveolen erscheinen von Bindegewebe umgeben. Beim Kaninchep ist dasselbe am sparsamsten, die Fibrillen am feinsten und haftet es den Alveolen nur sehr lose an. Bei den anderen Thieren, namentlich älteren, ist es reichlicher, derber, mit stärkeren Fibrillen und elastischen Fasern untermischt und lässt sich nicht immer leicht von den Alveolen lösen. Es ist der Träger der Blut- gefässe und der Nerven. Als eine besondere Eigenthümlichkeit der Thränendrüse des Schafes will ich hier noch den enormen Reich- thum an sternförmigen Pigmentzellen, welche die Nervenstämmchen begleiten, hervorheben. Wenden wir uns jetzt dazu, den Verbleib und die Endigung der Nervenfasern zu erforschen. Ich beginne mit der Thränendrüse, wo sich die Verhältnisse insofern einfacher gestalten, als ein einzi- ger mit blossem Auge sichtbarer Nerv, der N. lacrymalis, die Ver-- sorgung der Drüse übernimmt, während bei den Speicheldrüsen die die Secretion regulirenden nervösen Elemente der gröberen anato- mischen Präparation schwieriger zugänglich sind. | Untersucht man den ganz frisch herauspräparirten N. lacryma- lis des Schafes in einem Tropfen Jodserum oder sehr verdünnter Chromsäure, so findet man, dass der bei Weitem grösste Theil der Nervenfasern, nach meiner allerdings nur ungefähren Schätzung über Vierfünftel, gewöhnliche markhaltige Nervenfasern sind. Be- “ merkenswerth ist nur, dass sich alle denkbaren Abstufungen von der gröbsten bis zur feinsten Art neben einander vorfinden. Neben die- sen Fasern kommen jedoch auch noch andere vor. Ihr Durch- messer ist ein sehr wechselnder. Sie bestehen aus einer äusserst zarten, sehr leicht platzenden bindegewebigen Hülle, an welcher öfter Kerne sichtbar sind, und aus einem eigenthümlichen, schwach glänzenden feinkörnigen Inhalt. Im Innern der Hülle erscheint er Ueber den Bau der Thränendrüse. 151 feinkörnig, blass, an einzelnen Stellen ganz ausserordentlich fein längsstreifig. Ist er jedoch aus derselben herausgetreten, was z. B. schon bei einem nicht ganz vorsichtigen Auflegen des Deckgläschens zu geschehen pflegt, so bildet er eigenthümliche dunkle Ballen und Formen, die sich von den so charakteristischen Gerinnungsformen des Nervenmarks durch ihre mehr feinkörnige Beschaffenheit und ein dadurch bedingtes trübes Aussehen sowie durch den Mangel doppel- ter Contouren unterscheiden. Bekanntlich beobachtete P flueger in den Speicheldrüsen, dass die Nervenfasern an den Alveolus herantreten, in denselben eindrin- gen, zwischen den einzelnen Zellen sich verästeln und endlich mit den Epithelien selbst in Verbindung treten. Ich kann diese Beobachtungen Pilueger’s nur bestätigen. Die Figg. 2 bis7 gezeichneten Bilder sind alle der Thränendrüse des Schafes entnommen. Man sieht Figg. 2bis6, ganz wie an denP flueger’- schen Abbildungen Taf. I, 1 bis4, die uns schon aus dem Stamme des Thränennerven bekannten Fasern an das stumpfe Ende der Alveo- len treten, wo sie in eine körnige, trübe Masse übergehen, die sich von den angränzenden Epithelien meist nur undeutlich scheidet. In Fig. 2 ist vor dem Eintritt in den Alveolus ein Theil der In- haltsmasse aus der zarten Hülle herausgetreten und bildet eigen- thümliche, trübkörnige Ballen. Während nun einige dieser Fasern keine weitere Differenzirung zeigen und sich also in Nichts von den gewöhnlichen Rem ak’schen Fasern, wie sie M. Schultze aus den Milznerven des Ochsen abgebildet hat !), unterscheiden, finden wir bei andern das merkwürdige Verhalten, dass sie in ihrem Innern eingebettet ein, zwei, drei ja vier eigenthümlich glänzende, zarte Fa- sern bergen, welche wohl als Axencylinder aufzufassen sind. Pflue- ger ?) hat diese Fasern zuerst im Parenchym der Submaxillaris des Kaninchens aufgefunden, wo auch ich ihr verhältnissmässig rei- ches Vorkommen bestätigen kann. Fälle, wie Pflueger sie Taf. I, Figg. 5 bis 9 abbildet, sind in der Thränendrüse des Schafes sowohl wie des Kalbes verhältnissmässig sehr selten. Doch habe ich zwei- mal unzweifelhaft den Eintritt eines mächtigen markhaltigen Ner- ven in den Alveolus beobachtet, und mich von dem häufigeren Vorkommen dieser Bilder in der Submaxillaris des Kaninchens, welche 1) Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut. Taf. III. Fig. 17. 2) Iv’e. p. 2} 39. [4 152 Boll: von allen Drüsen entschieden das geeignetste Object für das Stu- dium der Nervenendigung ist, öfters überzeugen können. Häufiger sind dagegen in der Thränendrüse des Schafes Bilder, wie Fig. 7, wo ein unzweifelhafter, feiner, markhaltiger Nerv in den Alveolus ein- dringt und sich zwischen den Epithelien verästelt. Den Verbleib der in den Remak’schen Fasern eingeschlossenen Axencylinder über die feinkörnige Masse der Eintrittsstelle hinaus zu verfolgen, hat seine grossen Schwierigkeiten. Doch zeigen Fig. 5 und 6 eine unzwei- felhafte zwischen den Epithelien sich verästelnde zarte Faser, deren Zusammenhang mit den Axeneylindern an der Eintrittsstelle nicht mit Sicherheit nachgewiesen war. Endlich will ich noch kurz der von Pflueger entdeekten eigenthümlichen Organe erwähnen, denen derselbe in der Subma- xillaris den Namen Speichelröhren beigelegt hat. Dieselben sind mit Cylinderepithe! ausgekleidet und dürfen um keinen Preis mit den mit Plattenepithel versehenen Ausführungsgängen der Speichel- drüsen verwechselt werden. Sie scheinen mir Gebilde von hoher functioneller Wichtigkeit zu sein, denn an der Submaxillaris des Kaninchens, wo sienach Behandlung mit einprocentiger Ueberosmium- säure sehr schön hervortreten, nehmen sie ein Viertel des Volums der ganzen Drüse ein. Dass sie nicht bloss als Leitapparate, als Wege für den secernirten Speichel gelten dürfen, dagegen spricht der Umstand, dass einige von ihnen ganz sicher blind endigen, also für sich Drü- senschläuche sui generis darstellen. Bei der oben erwähnten Methode tritt an dem dem Lumen abgewandten Ende der Cylinderepithelien eine Streifung sehr deutlich hervor, welche der Ausdruck einer feinen Faserung, eines Zerfalls in Fibrillen sein dürfte. Auch in der Thrä- nendrüse der untersuchten Thiere kommen diese »Thränenröhren« vor, jedoch lange nicht in der Menge wie in der Submaxillaris des Kaninchens. Bonn den 21. Januar 1868. Ueber den Bau der Thränendrüse. 153 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Sämmtliche Abbildungen sind bei etwa 440facher Vergrösserung (Hart- nack’s Objeetiv 9. Ocular 2) gezeichnet. Fig. 1. Aus der Thränendrüse des Kalbes. Durch Maceration in Jod- serum isolirte einzelne Epithelien und Epithelgruppen. Fig. 2. Aus der Thränendrüse des Schafes. Einmündung einer Re- mak’schen Faser in den Alveolus. Im Innern zeigt dieselbe weiter keine differenzirten Fibrillen. An einer Stelle ist die zarte Hülle geplatzt und etwas von dem Inhalt ist in Gestalt dunkler, trüber Ballen herausgetreten. Figg.3 und 4. Ebendaher. Die in den Alveolus einmündende Remak’- sche Faser birgt bei Fig. 2 eine, bei Fig. 3 in ihrem Innern zwei zarte Fi- brillen. Figg. 5 und 6. Ebendaher. Eintritt zweier Remak’scher Fasern in die Alveolen, bei Fig.5 mit zwei, bei Fig.6 mit einer Fibrille in ihrem Innern. Zwischen den Epithelien !ässt sich die Verästelung zarter Fasern weiter verfolgen. Fig.7. ‚Ebendaher. Eintritt einer markhaltigen Nervenfaser und Ver- ästelung derselben zwischen den Epithelien. Fig. 8. Aus der Thränendrüse des Kalbes. Verschiedene Formen iso- lirter, multipolarer Zellen. Fig. 9. Ebendaher. Verschiedene Formen in Profil gesehener multi- polarer Zellen, welche eigenthümlich sichelförmig erscheinen (Möndchenform). a bis f, einfache Sichelformen. An den Figg. g bisk sieht man einzelne Fort- sätze aus der Profilebene heraustreten und so den Uebergang zu den gewöhn- lichen multipolaren Formen vermitteln. Fig. 10. Ebendaher. Verschiedene Formen des aus den multipolaren Zellen zusammengesetzten bindegewebigen Netzes. Bei f hat dasselbe noch die Form des umschlossenen Alveolus beibehalten. Fig. 11. Aus der Submaxillaris des Kaninchens. Zu einem Netz ver- einigte multipolare Zellen. Fig. 12. Aus der Thränendrüse des Kalbes. Jodserum - Präparate. Verschiedene Formen des bindegewebigen Gerüstes mit ansitzenden Epithe- lien. Beiabisc erscheinen die multipolaren Zellen in der Möndchenform, bei d bis g als Netze. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere und des Menschen. Von Dr. 6. Schwalbe. Hierzu Taf. XII u. XIU. In einer vorläufigen Mittheilung im vorigen Bande dieses Ar- “ chivs „über das Epithel der Papillae vallatae‘“ habe ich eigenthüm- liche Gebilde im Epithel der Seitenwände jener Papillen beschrieben, die man nach Allem für die Endorgane der Geschmacksnerven bei den Säugethieren halten muss. Sie wurden dort wegen der ihnen zugeschriebenen Function und wegen ihrer grossen Aehnlichkeit mit den „becherförmigen Organen‘ der Fische als „Schmeckbecher“ bezeichnet. Sehr erfreulich ist es, dass diese Beobachtungen zu der- selben Zeit, als meine vorläufige Mittheilung publieirt wurde, eine auffallende Bestätigung erhielten, indem Chr. Loven in Stockholm in einer Arbeit: „‚Bidrag till kännedomen om tungans smakpapiller,‘ die sodann auch in deutscher Sprache und zwar im vorigen Hefte dieses Archivs erschien, im Wesentlichen zu ganz denselben Resul- taten gekommen ist. Ich habe mich seitdem anhaltend und einge- hend mit diesem Gegenstande weiter beschäftigt. Meine Beob- achtungen betreffen jetzt die Zunge vom Schaf, Rind, Reh, Schwein, Pferd, Katze, Hund, Kaninchen, Hase und Meerschweinchen. Ue- berdies hatte ich das Glück, menschliche Zungen schon zwei bis fünf Stunden nach dem Tode, also in hinreichend frischem Zu- stande, in genügender Zahl untersuchen zu können. Schwalbe: Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 155 Die eben genannten Säugethiere lassen sich je nach der Zahl und Anordnung ihrer immer nur auf dem hinteren Theile der Zunge befindlichen Papillae vallatae in drei Abtheilungen scheiden. Zur ersten gehören die Wiederkäuer: Schaf, Rind und Reh. Bei diesen ist das Vorkommen der Wallpapillen auf zwei seitlich vom hinteren Theile des Zungenrückens gelegene längliche Stellen beschränkt, innerhalb welcher je zehn bis fünfzehn Papillen von verschiedener Grösse und in verschiedenem Abstande von ‘einander ihren Platz finden. Anders verhält sich die Zunge der zweiten Gruppe, zu welcher wir Pferd, Schwein und die Nagethiere (Hase, Kaninchen, Meer- schweinchen) rechnen müssen. Bei allen diesen Thieren finden sich nur zwei Papillen von gleicher Grösse, auf jeder Zungenhälfte eine, und zwar ungefähr an der Stelle, welche beim Menschen Papillae vallatae trägt. Dieselben zeigen meist einen beträchtlichen Durch- messer. Sehr gross sind sie beim Pferd, wo sie fast einen halben Zoll im Durchmesser erreichen und eine mannigfach zerklüftete Ober- fläche, so wie einen nur mangelhaft entwickelten Ringwall erkennen lassen. Zuweilen findet sich etwas hinter diesen beiden Papillen in der Medianlinie der Zunge, also genau an der Stelle, welche dem Foramen coecum der menschlichen Zunge entspricht, noch eine klei- nere, die ebenfalls eine zerklüftete Oberfläche und niedrigen Wall besitzt. Die beiden Geschmackswarzen des Schweines dagegen zei- gen einen Ringwulst, der vollkommen die Höhe der von ihm ein- geschlossenen breiten und oben abgeplatteten, aber mit kleinen Furchen versehenen Papille erreicht, während die der Nager klein sind und nichts Besonderes darbieten. Zur dritten Gruppe endlich gehört die Zunge der Raubthiere (Hund, Katze) und die des Menschen. Hier finden sich immer mehr als zwei Papillen, beim Hund und bei der Katze jederseits gewöhnlich drei (bei letzterer manchmal auch nur zwei auf jeder Seite der Zunge); beim Menschen ist bekanntlich die gewöhnliche Zahl auf der ganzen Zunge sieben bis neun. Das Gemeinsame der mensch- lichen und Raubthier - Zunge liegt also weniger in der Anzahl als in der Anordnung der Geschmackspapillen. Letztere bilden nämlich bei allen zur dritten Gruppe gehörigen Thieren einen nach hinten &pitzen Winkel, in dessen Scheitel beim Menschen das Foramen coecum sich befindet, das aber auch durch eine Papille ausgefüllt sein kann. Bei Hund und Katze habe ich dagegen nie ein Foramen 156 Schwalbe: coecum gefunden, aber auch hier bilden die drei Papillen der lin- ken Zungenhälfte mit den dreien der rechten einen nach vorn offe- nen Winkel. Was dieselben ferner von denen der zweiten Abthei- lung unterscheidet, ist, dass sie meist von ungleicher Grösse sind, wie dies Verhalten ja beim Menschen sehr deutlich ausgesprochen ist. Beim Hund und der Katze sind meist die entsprechenden Papillen verschiedener Hälften einander gleich, während die derselben Zun- genhälfte unter sich ungleich sind. Beim Hunde kommen ferner dadurch Unregelmässigkeiten zu Stande, dass zuweilen eine Papille auf einer Seite verkümmert, so dass auf dieser Seite sich nur deren zwei vorfinden. In Betreff der ausserorentlich grossen Schwankungen, welche die Papillae vallatae in ihrer Form und in der Entwickelung des Ringwalls erleiden, kann ich für die des Menschen auf Henle ver- weisen, der diese Verhältnisse genau beschreibt !). Diese grossen Ver- schiedenheiten in der Gestalt kommen aber nicht den menschlichen Geschmackswärzchen allein zu. Auch bei den Wiederkäuern findet man zahlreiche Abweichungen von der gewöhnlichen Form. Die gewöhnlichsten derselben erwähnt Lov&n beim Kalbe; ich brauche deshalb auf diese nicht noch einmal einzugehen. Gedenken muss ich jedoch einer interessanten Complication der Gestalt der um- wallten Papillen beim Reh (Fig.5). Es kommt nämlich hier vor, dass auf die obere Fläche einer regelmässig gebildeten Papilla vallata gleichsam noch eine fungiformis von kleinerem Durchmes- ser aufgesetzt ist, die also ihrerseits durch keinen Wall mehr ge- schützt wird. Andererseits findet man beim Ochsen Papillen, von denen nur ein kleines warzenförmiges Stück .der Oberfläche sich frei der Mundhöhle zuwendet, während der grösste Theil durch den mächtig entwickelten und verdickten, stark überhängenden Ring- wall geschützt wird (Fig. 7). Bei den Wiederkäuern und beim Schweine ist ferner der centrale Theil der der Mundhöhle zuge- wendeten Papillenseite oft dellenförmig eingedrückt (Fig. 6). Beim Hunde finden sich nicht selten mehrere solcher Eindrücke auf einem Geschmackswärzchen. Auch beim Menschen kommen Eindrücke der genannten Stellen vor. Ferner sieht man öfter schon mit unbewafi- netem Auge auf der Oberfläche menschlicher Papillae vallatae wirk- liche feine Poren. Es entsprechen dieselben den Ausführungsgän+ 1) Eingeweidelehre p. 126. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 157 gen acinöser Drüsen, welche das bindegewebige Stroma und Ober- flächenepithel mancher umwallter Papillen durchsetzen. An einem Durchschnitt, senkrecht auf die Oberfläche der Zunge durch eine solche Papille geführt, überzeugt man sich schon bei schwacher Ver- grösserung leicht von diesem Verhalten (Fig. 4). Das Vorkommen acinöser Drüsen im Bereich der Papillae val- latae ist nun aber nicht etwa auf diese Fälle beschränkt; es finden sich deren vielmehr ohne Ausnahme bei allen von mir untersuch- ten Säugethieren. Nur ist in dem beschriebenen Falle die Ausmün- dungsstelle eine abnorme. Gewöhnlich münden sie in den Wallgra- ben und zwar in den meisten Fällen am Grunde desselben in ziem- lich reichlicher Zahl. Die Ausführungsgänge zeigen ein regelmässi- ges einschichtiges Cylinderepithel und können auch weiter oben am Walle, aber immer im Bereich des Ringthals ausmünden, wie beim Ochsen (Fig. 7), beim Schwein (Fig. 6) und beim Menschen. Die eigentliche Drüsenmasse zeigt auf dem Flächenschnitt einen kreis- förmigen Contour und erstreckt sich seitlich um ein bis anderthalb Papillendurchmesser über den Umriss der umwallten Papille hinaus. Letztere sind also an ihrer Basis von einem regelmässigen Kranze acinöser Drüschen umgeben, deren Umfang und Anordnung man schon ohne Mikroskop erkennt. Interessant war es mir, zu consta- tiren, dass während eine jede Papilla circumvallata von vielen der beschriebenen Drüschen umkränzt wird, solche in der Umgebung echter Papillae fungiformes gänzlich fehlen. Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden Papillenarten besteht in der Art der Vertheilung der secundären Papillen. Wäh- rend dieselben bei den pilzförmigen über die ganze Oberfläche ver- breitet sind, finden wir sie bei den umwallten nur auf der freien der Mundhöhle zugekehrten Seite. An den Seitenflächen dagegen fehlen sie gänzlich, soweit dieselben einen capillaren Wallgraben be- grenzen und durch einen Ringwall geschützt sind. Da es nun aber unvollständig umwallte Papillen giebt, so dürfen wir erwarten, an den freien Seitenflächen auch secundäre Papillen zu finden; und dem ist in der That so. Instructiv ist in dieser Beziehung ein schon oben erwähntes Präparat vom Reh (Fig. 5). Hier besitzt der untere umwallte Theil keine secundären Papillen, während der obere ab- geschnürte Knopf deren aufweist (vgl. ferner Fig. 4 vom Menschen). Begreiflicher Weise ist diese Verschiedenheit in der Verthei- lung der secundären Papillen auf einem Geschmackswärzchen von - 158 Schwalbe: wesentlichem Einfluss auf die Configuration des Epithels. Während dasselbe an den Seitenwänden auf dem senkrechten Schnitt beider- seits durch eine gerade Linie begrenzt wird, ist der innere Contour des Oberflächenepithels durch die eindringenden secundären Papillen tief eingekerbt; der äussere Contour dagegen zieht glatt über die Spitzen der letzteren hinweg, und zwar pflegt im Allgemeinen zwi- schen den Spitzen der secundären Papillen und der Oberfläche des Epithels noch ein Zwischenraum von 0,1 Mm. zu bleiben. Auf Flächen- schnitten durch eine umwallte Papille erscheint dagegen die innere Begrenzung des Epithels gegen das Bindegewebe leicht zackig (Fig. 8). Man muss diese Zeichnung ableiten von senkrecht geschnit- tenen niedrigen Bindegewebsleisten, die auf der Oberfläche des bin- degewebigen Stroma’s senkrecht oder schief zur Zungenfläche ver- laufen. Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit dem Epithel selbst näher zu, so fällt zunächst auf, dass es auf der ganzen Oberfläche eines Geschmackswärzchens von weit geringerer Mächtigkeit ist, als auf anderen Theilen der Zunge. Besonders auffallend ist der Dickenunterschied bei Vergleichung mit dem sehr verdickten Epi- thel der äusseren Fläche des Ringwalls. Bei manchen Thieren ist diese Verdickung schon makroskopisch zu erkennen. So findet sich z. B. beim Ochsen um jede Papilla vallata herum ein grauweisser Ring, entsprechend dem verdickten Wallepithel (vgl. Fig. 7). Wenn man ferner die Dicke des Epithels der freien Oberfläche und des Papillen-Abhangs mit einander vergleicht, so stellt sich heraus, dass letzteres im Allgemeinen eine dünnere Lage bildet ‘und zuweilen selbst von geringerer Mächtigkeit ist, als der kleinste Abstand zwischen Spitze der secundären Papillen und freier Öber- Häche. Dies Verhalten ist besonders auffallend an senkrechten Schnitten durch die Papillae vallatae des Schafes, wo das Epithel der Wallseite 0,08 Mm. dick ist, während der Abstand zwischen Spitze der secundären Papillen und Oberfläche meist 0,11 Mm. be- trägt. DBei anderen Thieren ist dieser Diekenunterschied nicht so deutlich und kann hier auch das umgekehrte Verhältniss eintreten. Es kommt hierbei offenbar sehr auf die Richtung der Schnitte an. An Schnitten, die nicht durch den Mittelpunet der Papille gehen und besonders an solchen, die nicht ganz senkrecht zu ihrer Oberfläche geführt sind, wird man das Epithel der dem Walle zugekehrten Seite meist dicker erhalten, als dem wirklichen Verhalten entspricht. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 159 Wie auf der ganzen Zungenoberfläche, so kommt auch auf den Papillis vallatis, wenn auch in viel geringerer Mächtigkeit, eine Schicht stark abgeplatteter hornartiger, aber noch kernführender Epithelzellen vor. Diese Schicht ist am dicksten auf der freien Oberfläche der Papille, um auf die Seiten übergehend nach dem Grunde des Ringthals zu allmählich zu verschwinden. Zuweilen scheinen an diesen Zellen noch Kerntheilungen vorzukommen. Wenig- stens deutet wohl- der biscuitförmig eingeschnürte Kern der Zelle Fig. 17 e auf einen analogen Process. Die oben beschriebene Schicht von Epithelialplättchen, die man als Hornschicht bezeichnen kann, setzt sich meist ziemlich scharf von den darunter gelegenen Straten vollsaftiger Pflasterpithelien ab. Letztere erscheinen hier meist als Stachel- oder Bürstenzellen, die nichts Erwähnenswerthes darbieten. Dagegen finden sich an den dem Walle zugekehrten Seiten der Papillae vallatae eigenthümliche kleine Bürstenzellen mit relativ sehr grossem Kern und kleinem Zellkörper, welch’ letzterer oft an einem Ende in eine lange Spitze ausgezogen ist (Fig. 17a und b). Auf andere Weise modifieirt ist die unterste Zellschicht, welche unmittelbar dem Bindegewebe aufsitzt. Sie besteht aus eigenthüm- lichen cylindrischen Zellen, die in ihrem der Peripherie zugewandten abgerundeten Kopfe den Zellkern bergen, während die dem Binde- gewebe zugekehrte Basis in feine Spitzen und Zacken ausläuft, die einen innigen Zusammenhang mit dem Stroma zu vermitteln schei- nen (Fig. 17 ce undd, Fig. 14, 21). Dafür spricht auch der Umstand, dass diese Zellschicht an Präparaten, welche durch Maceration in Lösungen von Kali bichromicum gewonnen sind, oft fest auf der bindegewebigen Unterlage haften bleibt, während alle anderen Zel- len abfallen. Wir wollen sie als Basalzellen bezeichnen. Sie sind besonders charakteristisch an den Seitenwänden der Geschmacks- wärzchen, während sie sich auf und zwischen den secundären Pa- pillen kaum noch von den anderen Zellen unterscheiden. Es sei mir hier gestattet, noch eines Befundes zu gedenken, der bei der Untersuchung verschiedener Schafzungen sich mir nicht selten ergeben hat. Es ist dies das Vorkommen verästelter Pigment- zellen innerhalb der tiefen Schichten des Epithels der Papillae vallatae und fungiformes. Schon makroskopisch zeichnen sich solche Zungen durch eine dunklere Färbung aus; besonders treten die umwallten sowohl, als pilzförmigen Papillen als schwarze Warzen M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. un 160 Schwalbe: hervor. Macht man nun senkrechte Schnitte durch eine solche schwarze Papille, so erkennt man alsbald schon bei schwacher Ver- grösserung, dass in den tiefsten Lagen des Epithels zahlreiche schwarze grobkörnige Pigmentzellen liegen, die nach den verschie- densten Richtungen hin lange Ausläufer mit eben solchen Pigment- körnchen senden. Besonders ausgezeichnet sind die schwarzen Fä- den, welche vom Zellkörper aus unter zeitweiliger Abgabe von Sei- tenästchen und stellenweisen Knickungen gerade zur Oberfläche hin- streben und auf diese Weise oft zwei Dritttheile des ganzen Epi- thels durchsetzen. Fig. 2 A und B erläutern die betreffenden Ver- hältnisse. Fig. A ist nach einer Zeichnung des Herrn Prof. Max Schultze gestochen, der schon früher dieselbe Beobachtung ge- macht hatte und so gütig war, mir die Zeichnung zur Publication zu übergeben. Der Schnitt ist einer Papilla fungiformis entnom- men, während die ähnliche von mir angefertigte Zeichnung Fig. 2 B einem Präparate von einer Papilla vallata entnommen ist. Max Schultze theilte mir mit, dass er schon bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über die Geruchsschleimhaut beobachtet habe, wie eine Pigmentirung in dieser zuweilen von einer ähnlichen in der Zunge begleitet werde. Die Pigmentzellen finden sich nun nicht etwa bloss zwischen den secundären Papillen, sondern auch im Epi- thel der Seitenwände zwischen den unten zu beschreibenden Schmeck- bechern. Erwähnt muss noch werden, dass ausser den Ausläufern, die mit dem Zellkörper, welcher gewöhnlich einen hellen Kern durch- scheinen lässt, zusammenhängen, noch kleine Fäden und Haufen von Pigmentkörnchen zwischen den tiefsten Epithelzellen vorkommen, die nicht mit einer Pigmentzelle in Continuität stehen, wie dies besonders Fig. 2 A erkennen lässt. Offenbar sind dies jedoch nur abgelöste Zellfortsätze, und hat man den Grund zu dieser Lostren- nung am Wahrscheinlichsten in der Contractitität der farblosen Grundsubstanz unserer verästelten Zellen zu suchen, die ich freilich nicht direct beobachtet habe !). 1) Die beschriebenen Pigmentzellen gleichen also ganz denen, welche nach den Untersuchungen von Max Schultze in der obersten Binde- gewebsschicht einer schwarz gefärbten Regio olfactoria sich vorfinden. Vergl. M. Schultze, Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut. Halle 1862. p. 56 u. 57. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 161 Wenden wir uns nun wieder zum Epithel der gewöhnlichen umwallten Papillen, so sehen wir, dass dasselbe überall da, wo es durch einen Wall beschirmt wird,-wo keine secundären Papillen ste- hen, in seiner ganzen Dicke von eigenthümlichen knospenförmigen Gebilden durchsetzt wird, die ich in meiner ersten Mittheilung Schmeckbecher genannt habe. Loven bezeichnet dieselben als »Geschmacksknospen,« und werde ich mich in der Folge abwechselnd beider Namen bedienen. Zur ersten Orientirung sind hier am geeignetsten senkrechte Schnitte durch die Papillae vallatae, nachdem man dieselben zuvor in Ueberosmiumsäure von ein Procent erhärtet hat. Kleine dünne Zun- genstückchen werden durch dies mit Recht von Max Schultze so gerühmte Reagens so vorzüglich und gleichmässig und dabei mit Erhaltung der feinsten Structurverhältnisse erhärtet, wie dies durch keine andere Flüssigkeit in gleichem Maasse erzielt wird. Nur muss man sich hüten, zu dicke Stücke einzulegen, da die Ueberosmium- säure bekanntlich nicht tief in die Gewebe hineindringt. Sodann rathe ich die Präparate nicht länger als 24 Stunden in der Flüssigkeit liegen zu lassen und dann gleich Schnitte anzufertigen, die man zweckmässig durch Glycerin durchsichtiger macht. Später werden auch bei Aufbewahrung in starkem Alkohol die eingelegten Stücke brüchig, und, was besonders die Anfertigung feiner Schnitte hindert, sie dunkeln sehr nach, so dass sie schon nach wenigen Tagen eine kohlschwarze Farbe angenommen haben. Die gleich angefertigten Schnitte dagegen sind braun gefärbt und werden, in Glycerin einge- legt, kaum dunkler. Andere Erhärtungsmethoden leisten hier nicht viel, am wenig- sten die Erhärtung in Alkohol, da dieser gerade die Theile, worauf es ankommt, schrumpfen macht, so dass man sie von dem gewöhn- lichen Epithel nicht gut unterscheiden kann. Etwas zweckmässiger ist schon die Erhärtung in Kali bichromicum von drei Procent oder in Holzessig; jedoch erreichen die betreffenden Schnitte nicht die Klar- heit, wie Ueberosmiumsäure-Präparate. Betrachtet man nun an letzteren das dem Ringwall zugekehrte Epithel, welches durch Ueberosmiumsäure eine braune Farbe ange- nommen hat, genauer, so findet man in ihm längs der ganzen Wall- seite knospenförmige Gebilde, die sich durch ihr helles Aussehen deut- lich von dem dunkler gefärbten Epithel abgrenzen. Sie erscheinen bei oberflächlicher Betrachtung als Lücken in demselben; und in der . 162 Schwalbe: That sieht man an vielen Stellen wirklich nur Epithellücken, da bei der angegebenen Behandlung die fraglichen Körper leicht herausfallen. Man überzeugt sich ferner leicht, dass diese hellen Knospen das Seitenepithel in seiner ganzen Dicke vom bindegewebigen Stroma an bis zu der das Ringthal begrenzenden Oberfläche durchsetzen (vgl. Fig. 1, 3 bis 7; Fig. 21). Wenn man nun auch im Allgemeinen schon an gut gelungenen Schnitten die Gestalt dieser Gebilde erkennen kann, so ist es doch vortheilhafter, dieselbe an isolirten Objecten zu studiren, und zu diesem Zweck empfiehlt sich wiederum eine höchstens 24stündige Behandlung der Papillen mit Ueberosmiumsäure-Lösung von ein halb bis ein Procent. Will man dünnere anwenden, so ist es nöthig, die Papil- len isolirt hineinzulegen, weil schwache Solutionen der Säure schwer bis in den capillaren Wallgraben hinein ihre Wirkung äussern können, indem sie schon vorher vollständig reducirt werden. Uebrigens habe ich keinen Vortheil durch Anwendung 1/;- bis !/ıs-procentiger Ue- berosmiumsäure erhalten. Schneidet man nun ein Stückchen der Seitenwand einer so behandelten Papilla vallata ab und zerzupft es fein auf dem Objectträger unter Zusatz von Wasser, so erhält man mit Leichtigkeit zahlreiche isolirte Schmeckbecher und gewinnt einen klaren Ueberblick über ihre Gestalt. Es sind dies, wie ich schon in meiner früheren Mittheilung angeführt habe, im Allgemei- nen knospenförmige Gebilde. Sie sitzen mit ziemlich breiter kreis- runder Basis dem Bindegewebe auf, sind also anfangs cylindrisch, um sich dann nach der Peripherie zu allmählich zu verbreitern, ihre grösste Dicke nicht weit unter der äusseren Oberfläche zu erreichen und sich dann schneller, als sie an Dicke zunehmen, wieder zu verschmälern und gleichsam knospenförmig zu schliessen (vgl. Fig. 1; besonders Fig. 11 und 21). Sie sitzen also breit dem Bindegewebe auf und enden spitz an der Oberfläche des Epithels. Dass ihre natürliche Lage nicht etwa umgekehrt ist, lehren die Schnittpräpa- rate (Fig. 1 und 21). Die eben gegebene Beschreibung wurde wesentlich nach den beim Schaf gefundenen Verhältnissen entworfen. Es passt dieselbe aber der Hauptsache nach auf die Gestalt der Schmeckbecher aller von mir untersuchten Säugethiere. Es bestehen hier nur geringe Verschie- denheiten, die sich besonders auf die bald mehr peripherische, bald mehr centrale (basale) Lage des grössten Dickendurchmessers und auf die bald schlanke, bald plumpe Configuration derselben Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 163 beziehen. Bei den schlankeren Formen liegt die dickste Stelle des Schmeckbechers meist weiter von der Peripherie ab, als bei den dicken gedrungenen. Zu den schlanksten gehören die betreffenden Gebilde des Schweines und Ochsen (Fig. 6 und 7). Bei den meisten anderen und beim Menschen finden sich mittlere Verhältnisse, wäh- rend mir die Schmeckbecher des Rehs besonders gedrungen erschie- nen sind. Hier verhält sich nämlich der grösste Dickendurchmes- ser zum Längendurchmesser wie fünf zu sieben, beim Menschen wie eins zu zwei, beim Schwein dagegen wie fünf zu dreizehn. Die schlanksten Schmeckbecher sind zugleich die längsten mir bekann- ten und erreichen z. B. die des Ochsen die Länge von 0,172 Mm., während die des Menschen zwischen 0,077 und 0,081 Mm. schwan- ken. Die kleinsten Geschmacksknospen finden sich beim Hund, Reh und Hasen. Bei allen dreien beträgt die Länge im Durchschnitt 0,072 Mm. '). An isolirten Schmeckbechern erkennt man ferner, dass aus der Basis derselben viele feine, zum Theil knopfförmig angeschwol- lene Fäserchen hervorstehen. Ich werde auf letztere bei der Betrach- tung der feineren Zusammensetzung der Schmeckbecher zurückkom- men. Sodann bemerkt man an den in unversehrtem Zustande isolirten Gebilden eine Streifung, von der Spitze zur Basis ziehend. Die Streifen convergiren nach der Spitze zu (Fig. 11). Auch zahlreiche elliptische Kerne, mit ihrem Längsdurchmesser pa- rallel dem Längsdurchmesser des Schmeckbechers gestellt, zeigen sich jetzt schon deutlich. Es hält jedoch schwer, die dazu gehöri- gen Zellenkörper abzugrenzen, da dieselben zu einer compacten Masse verschmolzen erscheinen, deren feinere Zusammensetzung nur noch durch die Längsstreifen und die Kerne angedeutet ist. 1) Der grösste Dickendurchmesser der Schmeckbecher beträgt: beim Menschen . . 0,0396 beim Hunde . . . 0,0306 bei der Katze. . . 0,0324 beim Hasen . . . 0,0324 beim Rehiu:I# .n 3 10,0468 beim Ochsen . . . 0,048 beim Schwein . . 0,020 bis 0,0521 beim Schaf >... 0,0386 bis 0,054 Derselbe ist übrigens keine constante Grösse, und zeigen sich namentlich die Schmeckbecher des Schweins sehr verschieden dick (vgl. Fig. 9). 04 164 Schwalbe: Eine genauere Besprechung verdient die Spitze der Knospen. Schon an Schnittpräparaten erhält man die Gewissheit, dass die- selbe nach dem Ringthale zu frei endigt, von keinen Epithel- zellen bedeckt, dass sich über ihr also ein Loch im Epithel be- finden muss. An manchen Schnitten durch frisch in Ueberosmium- säure gelegte Papillen sieht man nun durch dieses Loch hindurch von der Spitze des entsprechenden Schmeckbechers aus ein Bündel feiner Stiftchen über die Oberfläche des Epithels in den Wallgraben hineinragen. Solche Präparate erhielt ich besonders leicht von der Zunge des Ochsen. Man erkennt an ihnen deutlich, dass die Stift- chen aus dem Centrum des Schmeckbechers ihren Ursprung neh- men und gleichsam wie Staubfäden aus einer Knospe hervorragen. Noch besser nimmt man diese Verhältnisse an Geschmacksknospen ‘ wahr, die man auf die oben beschriebene Weise isolirt hat. Beim Schafe findet man die Spitze derselben in drei verschiedenen Zu- ständen. Die meisten Schmeckbecher gleichen einer vollständig ge- schlossenen Knospe, an deren Spitze keine besonderen Structurver- hältnisse auffallen. Bei anderen hat sich die Knospe etwas geöffnet, ohne dass man jedoch aus ihr Stiftchen hervorragen sähe. Wohl aber erkennt man rings um den Rand der Oefinung herum einen Kranz von feinen Härchen, die mit ihren Spitzen convergirend nach innen gerichtet und so gleichsam den Eingang zum Innern der Knospe schirmen (Fig. 13). Bei genauerer Untersuchung sieht man ferner innerhalb dieses Härchenkranzes aus der Tiefe des Schmeck- bechers einige feine Stiftchen hervorragen, deren peripherisches Ende sich nicht über das Niveau, in dem die Härchenspitzen liegen, er- hebt. Die Stifte entsprechen vollständig den oben erwähnten frei in das Ringthal hineinragenden. Endlich erhält man die Knospen in einem dritten Zustande, der dem vorhin vom Ochsen beschrie- benen vollständig entspricht, nämlich mit ganz hervorragenden Stiftehen (Fig. 11 und 12). Letztere können ziemlich weit über die Spitze des Schmeckbechers hervorstehen, nach einigen Messun- gen bis 0,0072 Mm. Man sieht gewöhnlich zwei oder drei neben einander, in’ seltenen Fällen nur einen. Auch trifft man sie meist von ungleicher Grösse, so dass ein Stiftchen das andere um das Doppelte überragen kann. Sie erscheinen nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure als ziemlich starre, glänzende, scharf contourirte Gebilde mit gerade abgestutztem Ende und homogenem Inhalt. Aus dieser Beschreibung erhellt, dass man die convergirenden, Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 165 den Zugang zum Innern des Schmeckbechers schützenden Härchen wohl zu unterscheiden hat von den aus der Tiefe derselben her- vorstehenden Stiftchen, die entweder noch über die Härchen hervorragen können oder auch gänzlich von diesen geschützt zur Beobachtung kommen. Dass in diesem letzteren Falle die äusser- sten Enden der Stiftechen abgebrochen seien, ist nicht wohl anzu- nehmen, da sonst schwerlich die Härchen ganz intact geblieben wären. Andererseits zeigen sich die Enden der eingezogenen Stift- chen unter dem Härchenkranz von ganz derselben .Beschaffenheit, wie die der hervorgestreckten. Wir müssen also als das Wahr- scheinlichste annehmen, dass die Stiftchen bald durch das Loch im Epithel hervortreten, bald sich unter den Härchenkranz zurückzie- hen können. Durch welchen Mechanismus dies hervorgebracht werde, ob etwa durch Contractilität gewisser unten zu beschreibender zelli- egr Elemente des Schmeckbechers selbst, ist für jetzt noch nicht zu entscheiden, ebenso, ob jene beiden Phasen in einer gewissen Be- ziehung zum Schmeckact stehen. Von dem Vorhandensein der Härchen und Stiftchen kann man sich auch an ganz frischen Präparaten überzeugen. Sehr geeignet ist dazu eine Flächenansicht der Seitenwand einer Papilla vallata, die man am besten durch Abtragen einer dünnen Lamelle mittelst eines schar- fen Rasirmessers erhält. Man bringe dieselbe in verdünntem Jodserum mit ihrer freier Fläche nach oben gewendet und möglichst vor dem Drucke des Deckgläschens geschützt unter das Mikroskop. Bei Ein- stellung auf die äusserste Oberfläche sieht man dann ohne Anwen- dung von Reagentien’zahlreiche kleine helle, scharf contourirte Kreise in mehr oder weniger regelmässigem Abstande von einander. Diese Kreise stehen auf dem Gipfel je einer äusserst sanft anschwellenden uhrglasförmigen Erhebung der freien Fläche des Epithels (Fig. 10a). Ein jeder derselben ist von einem breiten hellen Hofe umgeben, der an frischen Präparaten mit einer gleichfalls kreisförmigen, aber ver- wischten Begrenzung aufhört. Was uns jedoch an diesen Oberflä- chenansichten am meisten interessirt, ist der kleine Kreis und seine nächste Umgebung. Er ist der Ausdruck einer scharf begrenzten Oefinung im Pflasterepithel, welche den Zugang zu je einem Schmeck- becher vermittelt. Die an diese Oefinung grenzenden abgeplatteten Pflasterepithezellen zeigen an einem ihrer Ränder einen mehr oder weniger tiefen Ausschnitt, der aber der Form des Loches gemäss immer einem mehr oder weniger grossen Kreisabschnitt entspricht. . 166 . Schwalbe: Meist nehmen in dieser Weise drei Zellen an der Begrenzung der Oefinung Theil (Fig. 10a). Es genügen aber oft zu demselben Zweck schon zwei solcher Zellen, die dann je einen halbkreisförmi- gen Ausschnitt erkennen lassen (Fig. 10 b). Sehr tiefe Einbuchtun- _ gen kommen beim Kalb vor (Fig. 18a). Hier genügt aber in vielen Fällen schon eine Zelle zur Begrenzung einer Oeffnung und zeigt dann dem entsprechend ein scharf contourirtes kreisrundes Loch ge- wöhnlich nicht weit von einem ihrer Ränder (Fig. 18b). Die an die Schmeckbecher stossenden tieferen Epithelzellen lassen ebenfalls Ausschnitte entsprechend der Form der anstossenden Geschmacks- knospe erkennen (Fig. 18 ce). Wenden wir uns nun nach der Betrachtung dieser Zellformen wieder zu unserer Oberflächenansicht zurück, so sehen wir schon ohne Anwendung von Reagentien, noch besser aber nach Zusatz von dünner Kalilauge, um eine jede Oeffnung herum einen Kranz nach dem Centrum derselben zu convergirender und sich zuspitzender Härchen, die höchst wahrscheinlich identisch sind mit denen, welche oben von isolirten Schmeckbechern beschrieben wurden. Die Här- chen sind einigermassen resistent gegen Kalilauge, da sie sich auch nach längerer Einwirkung derselben noch deutlich zeigten. Weniger gut halten sie sich dagegen in Lösungen von Chromsäure oder Kali bichromicum. In letzteren Flüssigkeiten scheinen sie bis auf einen geringen Rest zusammenzuschrumpfen. Ausser diesen Härchen erkennt man nun bei genauer Betrach- tung der kleinen Kreise im Innern derselben vier bis sechs helle stark glänzende Puncte. Um dieselben jedoch scharf zu sehen, muss man den Tubus meist ein wenig tiefer senken, als zur scharfen Wahr- nehmung der Härchen nöthig ist. Diese hellen Puncte halten sich genau innerhalb der Oeffnungsgrenzen im Epithel. Da ihr Glanz und ihr Durchmesser überdies vollständig mit dem der oben beschrie- benen Stiftchen übereinstimmt, so stehe ich nicht an, zu behaupten, dass die betreffenden Puncte als die natürlichen Enden der Stiftchen aufzufassen sind. Dass man an isolirten Präparaten deren meist nur drei, bei Flächenansichten dagegen vier bis sechs wahrnimmt, darf uns nicht wundern, wenn wir bedenken, wie leicht an isolirten Schmeckbechern ein solches Stiftchen abbrechen kann. Alle diese Verhältnisse sind besonders leicht beim Schaf zu con- statiren. Aber auch bei den übrigen von mir untersuchten Säuge- thieren war es nicht schwer, sich von der Existenz der kleinen Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 167 Löcher im Epithel zu überzeugen. Nicht ganz so befriedigend waren die Ergebnisse in Betreff der Härchen und Stiftchen. Es gelang mir nicht, sie bei allen nachzuweisen. ‘Beim Menschen konnte ich mich wohl von der Existenz der letzteren überzeugen, aber nicht von dem Vorhandensein eines Härchenkranzes. Die Zahl der Stift- chen ist, nach der Flächenansicht zu urtheilen, hier grösser, als beim Schaf. Es tauchen bei verschiedener Einstellung gegen zehn helle glänzende Puncte auf. Der Durchmesser der kleinen hellen Kreise ist: bei demselben Thiere meist eine constante Grösse. Er ist beim Schweine sehr klein und misst nur 0,0027 Mm.; beim Hunde beträgt er 0,0045 Mm., beim Schafe 0,0054 Mm. Auch beim Menschen schwankt er nur zwischen 0,0027 und 0,0045 Mm. Ungleich beträchtlicher sind die Verschiedenheiten beim Kalb, bei welchem äusserst kleine Löcher (0,002 Mm.) neben relativ grossen vorkommen (von 0,009 Mm. Durchmesser). Dazwischen finden sich aber die allerverschiedensten Maasse. Soviel über die Bilder, welche man bei Einstellung auf die äusserste Oberfläche des Seitenwand -Epithels erhält. Stellt man nun den Tubus etwas tiefer ein, so verschwinden die kleinen Kreise sammt Härchen und Stiften aus dem Gesichtsfeld; dafür treten aber ihre grossen hellen Höfe, die optischen Querschnitte der Schmeck- becher deutlicher und schärfer hervor. Sie erscheinen jetzt wie scharf begrenzte Löcher in einem dunkeln Maschenwerk, welches durch das gewöhnliche Pflasterepithel der Seitenwand gebildet wird. In Fig. 9 habe ich eine solche Flächenansicht bei tiefer Einstellung abgebildet. Die Umrisse der hellen Schmeckbecher grenzen sich hier scharf von dem dunkeln Epithel ab. Links sind in fünf derselben die kleinen Kreise hineingezeichnet. Noch. deutlicher werden diese Verhältnisse an Papillen, die in einer Lösung von doppelt-chrom- saurem Kali von zwei bis drei Procent einige Tage lang gelegen haben. An solchen lässt sich oft die Epitheldecke der Seitenwand mit Leichtig- keit vom bindegewebigen Stroma abheben, während die Schmeck- becher meist aus ihren Epithelmaschen herausiallen. Solche Flächen- ansichten eignen sich auch sehr gut dazu, über die Stellungsverhält- nisse der letzteren Klarheit zu erhalten (vergl. Fig. 22). Wo die äussere Fläche der Papille nicht mehr durch den Ringwall geschützt wird, finden sich keine Schmeckbecher mehr, andrerseits bildet der Boden des Wallgrabens die untere Grenze der Schmeckbecher- 04 168 Schwalbe: zone. Nicht bei allen von mir untersuchten Thieren nehmen nun aber die Geschmacksknospen einen so breiten Ringgürtel ein, wie .dies z. B. beim Schaf und Schwein der Fall ist. So findet sich beim Pferde ganz entsprechend dem niedrigen Ringsaum um jede der grossen Papillen nur eine schmale Schmeckbecherzone nahe am Grunde des Wallgrabens, während die ganze übrige zerklüftete Oberfläche zahlreiche sehr lange und dünne secundäre Papillen er- kennen lässt. Beim Menschen beschränkt sich das Vorkommen der Geschmacksknospen nur auf die untere Hälfte oder höchstens auf zwei Dritttheile der Seitenwand einer Papilla vallata, sodass das obere Dritttheil fast immer frei von diesen Gebilden ist (Fig. 3 und 4). Andrerseits fehlen hier Schmeckbecher gänzlich an ge- wissen Stellen der Seitenwand der oben erwähnten unvollständigen Papillae vallatae, an denjenigen Stellen nämlich, welche secundäre Papillen tragen und nicht mehr durch Wall und Graben beschirmt sind (Fig. 4). Dagegen finden sie sich beim Menschen, wenn auch nur vereinzelt, so doch ziemlich constant, an der dem Wallgraben zugekehrten Seite des Ringwalls, welche ein eben- so dünnes Epithel trägt, wie die gegenüberliegende Seite der Papille selbst und keine secundären Papillen erkennen lässt (Fig. 3 und 4). Auch beim Hunde kommen an den entsprechenden Stellen vereinzelte Schmeckbecher vor. Bei den übrigen Säugethieren habe ich deren nur innerhalb der oben näher bezeichneten Ringzone ge- funden. Nur beim Schwein bin ich noch mit einer anderen- Becher tragenden Stelle bekannt geworden. Bei diesem Thiere findet sich nämlich an jeder Seite der Zunge etwa je einen Zoll lateralwärts von der grossen Geschmackspapille eine glatte mit tiefen unregelmässigen Furchen versehene Stelle auf der Oberfläche der- Zunge, ungefähr einen halben Zoll im Durchmesser haltend. Macht man durch dieselbe einen senkrechten Schnitt, so sieht man, dass die meisten dieser tiefen Rinnen von gewöhnlichem Pflasterepithel aus- gekleidet sind, das glatt über secundäre Papillen hinwegzieht. In einigen besonders tiefen-und engen Spalten lässt dagegen das Epithel einzelne Schmeckbecher erkennen, während zugleich die secundären Papillen fehlen. Bei anderen Thieren war ich nicht so glücklich, ausserhalb des Bereichs der Geschmackswärzchen Schmeckbecher aufzufinden. Ich habe die Gaumenschleimhaut und den Arcus glos- sopalatinus vergeblich zu diesem Zwecke durchsucht. Auch an ech- ten Papillae fungiformes gelang es mir nicht, die fraglichen Gebilde Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 169 wahrzunehmen. Ich glaube daher, dass die Angabe Loven’s, dass er in seltenen Fällen auch an pilzförmigen Papillen vom Kalb Schmeckbecher gefunden habe, auf solche zu beziehen ist, welche Uebergangsformen zwischen den fungiformes und vallatae bilden, wie sie sich fast auf jeder Zunge .eines Wiederkäuers finden. Das Vorkommen von seeundären Papillen und Schmeckbechern scheint sich immer auszuschliessen. Letztere finden sich nur, wo genügender Schutz gegen äussere Insulte durch einen dicht anliegenden, wohl entwickelten Wall gewährt ist, während secundäre Papillen sich überall da einstellen, wo der Wall niedrig ist oder weit absteht, also der Graben breit ist. Betrachten wir nun noch kurz die Vertheilung der Schmeck- becher innerhalb des erwähnten Ringgürtels einer Papilla vallata, so finden wir, dass dieselbe im Allgemeinen eine ziemlich gleich- mässige ist (vergl. Fig. 22). Doch lässt sich eine reihenförmige Anordnung dieser Gebilde von dem Gipfel der Papille zum Boden des Wallgrabens bei manchen Thieren, z. B. beim Schwein, nicht verkennen, sodass in dieser Richtung der Abstand zweier Schmeck- becher von einander oft bedeutend geringer ist, als in der darauf senkrechten. Man sieht ferner, dass sie innerhalb ihres Verbrei- tungsbezirkes sehr dicht neben einander stehen. Am dichtesten stehen sie beim Menschen und nächst diesem beim Hunde, bei ersterem oft so dicht, dass ihre äusseren Grenzen, die bei Ober- flächenansicht nach den obigen Auseinandersetzungen als Kreise erscheinen, sich berühren. Durchgehends ist beim Menschen der Zwischenraum zwischen zwei Schmeckbechern kleiner, als ihr grösster Durchmesser. Aehnlich ist es beim Hunde. Bei beiden ist auch die erwähnte reihenweise Anordnung weniger deutlich zu er- kennen. Weiter auseinander stehen im Allgemeinen die betreffen- den Gebilde der Wiederkäuer und des Schweins, wo der Abstand zweier derselben von einander ein sehr verschiedener sein kann (0,0072—0,036 Mm.). Um die Gesammtzahl der Schmeckbecher auf einer Papilla vallata und annähernd auf der ganzen Zunge zu bestimmen, zählte ich an senkrecht durch die Mitte einer umwallten Papille ge- führten Schnitten die Becher, welche in einer Reihe vom Grunde des Wallgrabens bis zur Oberfläche stehen. Ebenso findet man ohne Mühe an Schnitten, parallel der Zungenoberfläche geführt, die An- 170 Schwalbe: zahl derselben Gebilde im Umkreise der Papille. Multiplicirt man dann beide Ziffern mit einander, so hat man offenbar annähernd die Zahl sämmtlicher Schmeckbecher eines Geschmackswärzchens, und diese wieder mit der Zahl der Papillae vallatae multiplicirt, gibt die Gesammtzahl der Schmeckbecher auf der Zunge. Auf diese Weise findet man beim Schaf auf dem Längsschnitt acht, auf dem Flächen- schnitt 60 Geschmacksknospen, im Ganzen also deren 480 auf einer Papille mittlerer Grösse. Rechnen wir nun 20 der letzteren auf eine Schafzunge, was eher zu niedrig, als zu hoch angeschlagen ist, so ist die Gesammtzahl der Schmeckbecher hier 9600. Eine analoge Berechnung ergibt für das Rind die hohe Summe von 35200 Ge- schmacksknospen, indem hier 22 auf dem Längsschnitt, 80 auf dem Querschnitt gezählt werden und die Anzahl der Papillen durch- schnittlich ebenfalls 20 beträgt. Beim Schwein, wo sich nur zwei umwallte Papillen finden, trägt jede derselben allein 4760, also beide zusammen 9520 Schmeckbecher !), die ganze Zunge also jedenfalls noch mehr, da sich hier, wie oben erwähnt, deren auch an anderen Stellen finden, wo sich keine ähnliche Schätzung durchführen lässt. Für den Menschen eine gleiche Berechnung vorzunehmen, habe ich für werthlos gehalten, da wegen der so grossen Verschiedenheit der einzelnen Papillae vallatae die an einer derselben gefundenen Zahlen unmöglich für alle Geltung haben können. Man müsste also, um wenigstens für eine Zunge eine Zahl zu finden, die dem wirklichen Verhalten einigermassen entspricht, die Schmeckbecher einer jeden Papille für sich berechnen. Aber die so erhaltenen Resultate würden ebenfalls keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit machen können, da gerade beim Menschen die Papillae vallatae ausserordentlich grossen individuellen Schwankungen unterworfen sind. Ueberdies macht das Vorkommen vereinzelter Geschmacksknospen am Ring- walle selbst eine genaue Berechnung unmöglich. Um die Schmeckbecher in ihre einzelnen Bestandtheile zu zer- legen, bediente ich mich anfangs sehr dünner Lösungen von Ueberos- miumsäure. Ich habe die verschiedensten Concentrationen von ein achtel bis ein Procent durchprobirt bei verschiedener Dauer der Einwirkung und bin doch zu keinem befriedigenden Resultat damit gekommen. Es gelingt beim Zerzupfen der so behandelten Präparate höchstens, 1) Auf den Längsschnitt kommen 17, auf den Querschnitt 280 dieser Gebilde. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 171 einige peripherische Spindelzellen vom Schmeckbecher abzutrennen. Auch mittelst der concentrirten Oxalsäure und nach Anwendung der 35procentigen Kalilauge gelang eine befriedigende Isolirung der Ele- mente nicht. Die Geschmacksknospen zerfielen zwar leicht in ihre einzelnen Bestandtheile, allein letztere zeigten sich dann meistens so verändert, dass an ein genaues Studium derselben gar nicht zu den- ken war. Ich sah mich desshalb genöthigt, zum genannten Zwecke Lösungen von Chromsäure oder doppelt-chromsaurem Kali zu be- nutzen. Erstere, in der Concentration von !/so bis !/ss %/, angewandt, zeigt sich hier nicht besonders vortheilhaft. Zu einer vollständigen Maceration braucht man damit sehr lange Zeit. Oft sind die einge- legten Stücke noch nach 14 Tagen nicht brauchbar. Wenn endlich das Epithel sich ablöst, erscheinen die Elemente der Schmeckbecher oft so verändert, dass man keinen sicheren Aufschluss über ihre Natur erhält. Besser erwiesen sich mir dünne Lösungen von Kali bichromicum (!/, bis 1%). Sehr oft gelingt es, nach Behandlung mit einer solchen Flüssigkeit gute Präparate zu bekommen; manch- mal jedoch lässt die Methode in Stich, ohne dass man den Grund dafür anzugeben weiss: man wartet Wochen lang und schliesslich erhält man keine brauchbaren Präparate, sondern nur massenhaft Pilze. Auch durch häufigen Wechsel der Flüssigkeit lässt sich dieser Uebelstand nicht vermeiden. Ich habe desshalb stärkere Lösungen des doppelt-chromsauren Kali versucht (1!/; bis 2%/,) und dieselben nur wenige Tage einwirken lassen. Der Erfolg war ein weit besse- rer, als nach Anwendung der dünnen Solutionen, da einmal der Zer- fall der Elemente rascher eintrat, andrerseits sich letztere viel weni- ger verändert zeigten. Noch günstigere Resultate erzielt man in vielen Fällen durch Maceration in Jodserum, dessen ich mich eben- falls vielfach bediente. Doch verhalten sich auch gegen diese Flüssig- keit die Papillen verschiedener Thiere verschieden; oft erhält man rasch brauchbare Präparate; andererseits tritt in vielen Fällen eher Vibrionenbildung und Fäulniss auf, als Zerfall des Epithels in seine Bestandtheile. Durch Anwendung der genannten Methoden lassen sich nun die Schmeckbecher, wie ich schon in meiner ersten Mittheilung über diesen Gegenstand erwähnte, in spindelförmige Zellen zerlegen. L o- ven, der sich ebenfalls vorzugsweise des Jodserums und dünner Lösungen von Chromsäure und Kali bichromieum bediente, unter- scheidet zwei Arten dieser Spindelzellen, die er als Stütz- oder Deck- . 172 Schwalbe: zellen und als Geschmackszellen bezeichnet. Erstere bilden die Hülle der Knospe und schliessen in jedem Schmeckbecher nur ein bis zwei der letzteren ein. Im Wesentlichen stimmen auch hier meine Beobach- tungen mit denen Loven’s überein. Auch ich unterscheide die äusse- ren Zellen mit grösserem Zellkörper und dickerem centralen Fort- satz als Deckzellen von den central gelegenen Geschmackszellen. Eine genauere Untersuchung lehrt Folgendes. Die Deckzellen (Fig. 14, 15a und b, 16a und b), welche gleichsam die Kelch- und Blumenblätter der Knospe darstellen und sich also an der Peripherie derselben befinden, haben einen im All- gemeinen spindelförmigen Zeilkörper mit ovalem Kern ohne Kern- körperchen ). Sie spitzen sich nach der Peripherie, also nach der Spitze des Schmeckbechers hin gewöhnlich fein zu und tragen hier im ganz frischen Zustande wahrscheinlich die feinen Härchen, die oben von Ueberosmiumsäure-Präparaten beschrieben wurden. Mit Sicherheit lässt sich jedoch dies nicht feststellen, da ich an Zellen, die nach Einwirkung von Chromsäure oder doppeltchromsaurem Kali isolirt waren, nie einen haarartigen Aufsatz auf der Spitze gefunden habe. Da nun aber die Härchen im frischen Zustande existiren und, wie wir unten sehen werden, mit den Geschmackszellen Nichts zu thun haben können, so müssen wir sie wohl mit den Deckzellen in Zusammenhang bringen und annehmen, dass sie in den genannten Lösungen so verändert werden, dass sie sich der Beobachtung ent- ziehen. Wahrscheinlich haben wir in den zugespitzten Enden der Deckzellen noch Reste der Härchen vor uns. Der Zellkörper selbst zeigt sich besonders an den äussersten Zellen entsprechend der Con- figuration des Schmeckbechers leicht bogenförmig gekrümmt, mit der Concavität nach der idealen Achse der Geschmacksknospe gewendet. Der Kern liegt gewöhnlich in der Mitte der spindelförmigen Zelle; jedoch kann er auch der Spitze derselben sehr nahe rücken, beim Schaf z. B. bis auf 0,0036 Mm. Hinter dem Kern nach dem binde- gewebigen Stroma zu behält nun die Deckzelle anfangs noch ihre durchschnittliche Breite und ihr feinkörniges Aussehen, um sich dann 1) Die Länge des Kerns beträgt beim Menschen 0,0108 Mm., die Breite 0,0072 Mm. Bei den Säugetieren schwankt die Länge desselben zwischen 0,0072 und 0,018 Mm., die Breite zwischen 0,0072 und 0,008 Mm. Besondere Maasse für die Länge einer Deckzelle zu geben, halte ich für überflüssig, da dieselbe annähernd mit der des betrefienden Schmeckbechers übereinstimmt. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 173 fast constant in feinere Aeste zu zerspalten, von denen wenigstens einer die bindegewebige Grundlage erreicht, die anderen sich nach weiteren Theilungen zwischen den Ausläufern benachbarter Zellen und den schon oben beschriebenen Basalzellen verlieren. Oft er- reichen auch mehrere Fortsätze die Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe. Es können demnach die centralen Enden der Deck- zellen die mannigfachsten Formen darbieten. Besonders leicht ge- lang es mir beim Menschen dieselben zu isoliren (Fig. 16a undb), und sind hier ihre centralen Enden zuweilen knopfförmig ange- schwollen. Auch war oft ein inniger Zusammenhang derselben mit dem Bindegewebe zu constatiren, indem ich nicht selten Bilder er- hielt, wo die gewöhnlicher Epithelzellen der Seitenwand einer Pa- pille abgefallen waren, nur noch Basalzellen und Schmeckbecher fest auf dem Stroma hafteten. Beim Schaf ist dieser Connex ein wenig inniger; dagegen haften hier die Deckzellen an ihren centralen En- den, welche unter sich dicht verfilzt und verklebt sind, fest an ein- ander, so dass man in den meisten Fällen nur geöffnete Kelche iso- lirt, aus denen die Schmeckzellen herausgefallen sind (Fig. 14). Auch kommen hier Deckzellen mit unverästeltem centralem Fortsatz vor, wie Fig. 15 a und b zeigt. Variköse Anschwellungen an den cen- tralen Ausläufern der Deckzellen habe ich bei keinem Thier beob- achtet. Wesentlich anders verhalten sich die Geschmackszellen (Fig. 15 c bis h, 16c bis f), die das Centrum eines jeden Schmeck- bechers einnehmen. Ihr Kern liegt in der Mitte zwischen periphe- rischem und centralem Ende, zeigt aber im Wesentlichen dieselbe Beschaffenheit, wie in den Deckzellen. Nur in sehr wenigen Fällen wurde im Innern desselben ein kleines Kernkörperchen beobachtet (Fig. 16d). Sehen wir von diesen Fällen vorläufig ab, so liegt das Charakteristische der Geschmackszellen darin, dass ihr breiter peri- pherischer Fortsatz sich allmählig in der Richtung nach dem Epi- thel zu verschmälert, aber hier nicht spitz mit einem Härchen, sondern abgestutzt endigt, während der centrale Fortsatz schon dicht hinter dem Kerne als dünner glänzender, oft unregel- mässige Varicositäten zeigender Faden erscheint, der am cen- tralen Ende gewöhnlich noch eine knopfförmige Anschwellung er- kennen lässt. So beschaffen zeigt sich der bei weitem grösste Theil der ziemlich leicht aus dem Innern des Schmeckbechers heraus- fallenden Geschmackszellen. Der peripherische Fortsatz ist äusserst . 174 Schwalbe: _ feinkörnig und zart contourirt. An besonders gut conservirten Zellen sieht man jedoch das Ende desselben in ein schmales hellglänzendes, oben scharf abgeschnitten endendes Stiftchen übergehen, das offenbar identisch ist mit denen, welche wir aus den durch Ueberosmium- säurelösung isolirten Geschmacksknospen hervorragen sahen (Fig. 15 £, Fig 16 e). Dass man dasselbe nicht an allen Schmeckzellen wahrnimmt, ist jedenfalls der Einwirkung der Reagentien zuzu- schreiben, die besonders auf das peripherische Ende mannigfach ver- ändernd einwirken können. Man betrachte nur die Reihe der in Fig. 15 dargestellten Zellen vom Schaf. Während g eine intacte, nech mit Stiftchenaufsatz versehene Zelle darstellt, zeigt der peri- pherische Fortsatz anderer unregelmässige Varicositäten (c und e); bei noch anderen ist er schlangenförmig gekrümmt und dünn (g), bei anderen (h) kommt er abgebrochen zur Beobachtung. Die erwähnten Varicositäten zeigen sich immer scharf contourirt und glänzend. Was ferner den Kern betrifft, so habe ich ihn nur in weni- gen Fällen undeutlich gefunden (Fig. 16 f), und in diesen Fällen zeichnete sich die spindelförmige Anschwellung, in welcher man den Kern vermuthen musste, durch hellen Glanz aus. Vom centralen Fortsatz hebt auch Lov&n hervor, dass die Varicositäten äusserst unregelmässig seien. Es kommen auch solche Fortsätze ohne jegliche Varicosität vor, während andere nur wenige, aber dicke er- kennen lassen. Das an das bindegewebige Stroma stossende Ende dieses Ausläufers zeigt jedoch fast immer eine knopfförmige oder knollige Anschwellung. Nur einmal, und zwar beim Schafe (Fig. 15 ce), erhielt ich eine Geschmackszelle mit regelmässig varikösem centralen Faden. Loven vergleicht die knotigen dickeren Anschwellungen der letzteren, wie sie gewöhnlich vorkommen, mit Myelin-Gerinnseln. Ich kann mich dieser Ansicht nicht anschliessen. Zwar stehen diese Va- ricositäten und Knollen dem Myelin in ihrem starken Lichtbre- chungsvermögen sehr nahe, allein andere Reactionen widersprechen dieser Auffassung, vor Allem der Umstand, dass nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure keine blauschwarze Färbung der betreffenden Fortsätze, sondern nur eine lichtbraune Farbe eintritt. Ich bin ge- neigt, die betreffenden Varicositäten von der Gerinnung einer Eiweiss- substanz abzuleiten und mehr der Substanz eines Axencylinders gleich zu setzen. Lov&n beschreibt endlich noch am centralen Faden kleine Seitenäste von derselben Beschaffenheit wie der Hauptfaden (siehe Lov&n’s Figur 3c und e, 4b). Ich habe bei einer langen Reihe von Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 175 Untersuchungen dieselben nicht zu Gesicht bekommen, kann mich also nicht über ihre etwaige Bedeutung aussprechen. Soviel über die gewöhnliche Form der Geschmackszellen. Ich habe schon oben erwähnt, dass in ihnen zuweilen ein Kernkörper- chen gefunden wird (Fig. 16.d). Diese Zellen zeigen eine etwas an- dere Beschaffenheit. Ihr peripherischer Fortsatz ist kürzer, gleich- mässig breit und vorn abgestutzt, ohne Stift. Der centrale Faden dagegen unterscheidet sich kaum von dem der gewöhnlichen Geschmackszellen. Nur ist fast nie eine Andeutung von Varicositäten an ihm zu sehen, wenn man nicht die knopfförmige Endanschwel- lung als solche bezeichnen will. Doch kann auch diese fehlen, sowie ich auch das Kernkörperchen keineswegs als charakteristisch für diese Art von Zellen ansehe (vergl. Fig. 15 d). Vergleicht man die- seiben mit den erstbeschriebenen Stiftchenzellen, so wird man wohl kaum daran denken können, sie als durch Einwirkung der Reagen- tien veränderte Stiftchenzellen aufzufassen, zumal da beide neben ein- ander in demselben Präparat gefunden werden. Man hat also eine gewisse Berechtigung, dieselben als Stabzellen von den Stift- chenzellen zu trennen und beide als zwei verschiedene Arten von Geschmackszellen, die möglichenfalls verschiedene Geschmacksempfin- dungen vermitteln, aufzufassen. Die Stabzellen erinnern sehr an die von A. Key!) beschriebenen und abgebildeten Geschmackszellen des Frosches. Es bleibt nun noch eine wichtige Frage zu beantworten, näm- lich die nach der Beziehung der eben als Geschmackszellen beschrie- benen Elemente zu den in das bindegewebige Stroma der umwallten Papillen eintretenden zahlreichen Nervenfasern. Was zunächst das letztere betrifft, so zeigt es eine wesentlich fibrilläre Strucetur. Die Fibrillenbündel kreuzen sich in den verschiedensten Richtungen und enthalten zahlreiche elastische Fasern. Dem entsprechend finden wir denn auch das Stroma sehr fest und zähe; es lässt sich sehr schwer durch Nadeln fein zerzupfen. Elastische Fasern finden sich in be- sonders reichlicher Menge beim Pferd, wo auch in jede der sehr lan- gen secundären Papillen mehrere derselben hinaufsteigen. Von be- sonders festem und dichtem Gefüge ist das Bindegewebe der Papillae 1) Ueber die Endigungsweise der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. Reichert’s und du Bois-Reymond’s Archiv 1861. M. Schultze. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 12 4 176 Schwalbe vallatae des Schweines, so dass sich durch diese schon an ganz fri- schen Präparaten leicht dünne Schnitte anfertigen lassen. Begreiflicher Weise erschwert nun diese zähe Beschaffenheit des Papillenkörpers sehr die Erforschung des feineren Verlaufs der Ner- venfasern, während die gröbere Vertheilung derselben schon an Holz- essigpräparaten verhältnissmässig leicht zu überblicken ist. In Be- treff der feineren Anordnung der Nervenfasern lässt uns aber die letztere Methode vollständig im Stich. Auch frische feine Schnitte durch Papillae vallatae vom Schwein, durch Glycerin aufgehellt, lassen nicht mehr erkennen. Ich bediente mich auch vielfach der Gold- chloridmethode und zwar sowohl der ursprünglich von Cohnheim angegebenen, als der modificirten Gerlach’schen ; aber auch durch diese Methode, die für die Cornea so vorzügliche Dienste leistet, er- hielt ich hier keine befriedigenden Aufschlüsse. In manchen Fällen zeigten sich allerdings nicht allein die Nervenfasern, sondern auch die Schmeckbecher violett gefärbt, wie dies auch Loven anführt; allein gerade das Verhalten der Nervenfasern unmittelbar unter i jenen blieb unaufgeklärt, obwohl ich, um zu starkes Nachdun- keln zu verhüten, auch sehr dünner Lösungen (bis 1: 1000) mich bediente. In vielen Fällen aber trat die Reaction nach dem Ueber- tragen der durch Chlorgold gelb gefärbten Schnitte in schwach angesäuertes Wasser gar nicht ein, ohne dass ich einen Grund da- für anzugeben wüsste. Setzte ich dagegen einige Tropfen Kreosot hinzu, so erhielt ich zugleich mit der Aufhellung des Präparats lebhafte blauviolette Färbung; fast immer betraf dieselbe aber nicht Nerven und Schmeckbecher, sondern vorzüglich die stärkeren Binde- gewebszüge und Gefässe. Manchmal wurde auch das gewöhnliche Epithel der Papillen dunkelblau tingirt; von Nervenfärbung war an solchen Präparaten nichts zu sehen. Interessant ist noch die That- sache, dass auch an Schnitten, die nach Erhärtung in Ueberosmium- säurelösung angefertigt sind, zuweilen noch Goldfärbung der schon dunkel gefärbten markhaltigen Nervenfasern eintritt. Letztere neh- men dann ein dunkelviolettes Aussehen an. Behufs der Erforschung ‘des Verhaltens der Nervenfasern un- mittelbar unter den Schmeckbechern sah ich mich somit genöthigt, mich der dünnen Chromsäurelösungen zu bedienen, die für die Ge- ruchsschleimhaut so Vorzügliches leisten. In den umwallten Papil- len setzt dagegen die ausserordentliche Zähigkeit des Bindegewebes einem in gleicher Weise befriedigenden Resultat unüberwindliche Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 177 ch wierigkeiten entgegen. Dennoch gewährt auch hier eine mchr- tägige Maceration in Chromsäure von "/;so°/» über Manches Auf- schluss, was mittelst anderer Methoden nicht erkannt werden konnte. Die Anwendung aller genannten Methoden ergibt nun Folgen- des. Die Nervenfasern des Glossopharyngeus-Stammes, der sich auch bei den Säugethieren leicht bis in die Gegend der Papillae vallatae verfolgen lässt und sich hier in feinere Aeste für die einzelnen Ge- schmackswärzchen theilt, sind zum grössten Theil markhaltig und zeichnen sich durch ihre Feinheit vor anderen markhaltigen Nerven- fasern aus. Beim Schaf besitzen sie durchschnittlich eine Dicke von 0,0045 mm.; einige messen nur 0,0036 mm., während andrerseits dickere vorkommen bis zu 0,0062 im Durchmesser. Ausser diesen feinen markhaltigen Fasern habe ich aber schon im Stamm des Glossopharyngeus mit Sicherheit Remak’sche Fasern gefunden, die nach der Peripherie zu zahlreicher zu werden scheinen. In manchen Fällen gelang es mir, den Zusammenhang einiger derselben mit den nach Remak’s Entdeckung constant im Stamme des Zungen-Schlund- kopfnerven vorkommenden Ganglienzellen nachzuweisen. Beim Schaf findet man bis acht der letzteren zu einem kleinen Ganglion zusam- mengruppirt;; sie sind hier von elliptischer Gestalt, oft durch Druck gegen einander abgeplattet, feinkörnig, gelb pigmentirt, mit kugel- rundem relativ kleinen Kern und Kernkörperchen. Nach der Peri- pherie zu scheinen die kleinen Ganglien immer zahlreicher in den Verlauf des Glossopharyngeus-Stämmchen sich einzuschieben und oft erst unmittelbar unter den umwallten Papillen aufzuhören. Wenig- stens sah ich beim Schwein noch unmittelbar unter der Basis der grossen Papillae vallatae die Nervenstämme von Ganglienkugeln be- . gleitet und stimmen hierin meine Beobachtungen mit denen Szabad- földy’s!) überein. In der Papille selbst dagegen habe ich deren niemals gefunden. Bei der weiteren Schilderung des Verlaufs der Nerven unter und in einer Papilla vallata ist es zweckmässig, markhaltige und marklose Nervenfasern besonders zu betrachten. Ueber erstere orien- tirt man sich am besten an Schnitten durch Zungenstückchen, die in Ueberosmiumsäure erhärtet wurden. Es zeigen, was den Reich- thum an markhaltigen Fasern betrifit, die Geschmackspapillen der 1) Beiträge zur Histologie der Zungenschleimhaut. Virchow’s Archiv Bd. 38. 1867. p. 182. . 178 Schwalbe: verschiedenen Säugethiere sehr grosse Verschiedenheiten. So habe ich z. B. beim Schwein nur sehr wenige derselben am Grund der Papille gefunden; zahlreicher sind sie bei Hund und Mensch. Am reichlichsten damit versehen sind die Papillae vallatae des Schafes (vergl. Fig. 1). Hier erkennt man unter jeder derselben und zwar noch unter dem Niveau des Wallgrabengrundes einen reichlichen Plexus markhaltiger Nervenfasern, die sich hier in den verschieden- sten Richtungen und in der mannigfachsten Weise durchschlingen und denen des Glossopharyngeus-Stammes, was ihre Dicke anbe- trifft, vollständig gleichen. Sie sind ebenfalls meistens sehr dünn; nur wenige dickere bis 0,007 mm. im Durchmesser kommen zur Beobachtung. Begreiflich ist es, dass man an Schnittpräparaten zahlreiche Bruchstücke markhaltiger Nervenfasern erhält, da diesel- ben ja in den verschiedensten Ebenen verlaufen. Aus dem eben beschriebenen Plexus entwickelt sich nun ein an- sehnliches Bündel dunkelcontourirter Nervenfasern, welche nach der Oberfläche der betreffenden Papille zu divergirend ausstrahlen. Dem- gemäss steigen einige derselben direct zur Oberfläche in die Höhe, wieder andere wenden sich mehr seitlich, jedoch alle unter mannig- fachen Schlängelungen, so dass nur selten eine Faser in ihrem gan- zen Verlauf in derselben Schnittebene bleibt. Oft sieht man auch schlingenförmige Umbiegungen einzelner Fasern, ohne dass jedoch irgendwo eine besondere Beziehung markhaltiger Nervenfasern zu den Schmeckbechern zu constatiren wäre. Ganz ähnlich verhalten sich in dieser Beziehung Mensch und Hund. Wie man auf Fig. 1 ferner sieht, treten einige wenige markhaltige Fasern auch seitlich dicht neben dem Grunde des Wallgrabens in die Papille ein, deren Verbreitungsbezirk aber nicht über die Nachbarschaft der Seiten- wände hinauszugehen scheint. . Viel reicher sind die Papillae vallatae an marklosen Fasern, und zwar finden sich die meisten derselben bei den Thieren, die am meisten markhaltige zeigen, z. B. beim Schwein. Während wir nun letztere in den allerverschiedensten Richtungen eine Papilla vallata durchkreuzen sehen, ohne dass gerade zu der Schmeckbecher-Region hin auffallend viele derselben verlaufen, zeigen die eintretenden Stämme markloser Nervenfasern, soviel man an Holzessig-Präpara- ten erkennen kann, ein etwas anderes Verhalten. Für das Studium ihres Verlaufs eignen sich besonders Schnitte durch Papillen vom Schwein, die vorher zwei Tage in gereinigtem Holzessig gelegen Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 179 hatten. Man erkennt dann, dass der dicke eintretende Nervenstamm sich alsbald in zwei grössere Bündel theilt, die nach den beiden Seiten des Schnittes auseinander weichen und zur Region der Schmeck- becher hinstreben (Fig. 6), während nur wenige Faserzüge zur freien Oberfläche der Papille hin zu verfolgen sind. Im Ganzen betrachtet findet also in einer umwallten Papille vom Schwein ein wirtelförmi- ges Ausstrahlen zahlreicher Nervenbündel von einem Puncte aus Statt, der unter der Mitte des Geschmackswärzchens liegt. Dass in der That dieselben zur Region der Schmeckbecher verlaufen, er- kennt man an denselben Präparaten bei stärkerer, etwa 350facher Ver- grösserung sehr deutlich (Fig. 21). Es verlieren sich hier die betreffen- den Faserzüge in einem auch nach langer Holzessig-Einwirkung immer noch dunkel erscheinendem sehr kernreichen Stratum, auf dem die Schmeckbecher unmittelbar aufsitzen. Wo diese fehlen, fehlt auch das dunkle Stratum, so dass man eine enge Beziehung beider Bildungen zu einander mit Sicherheit annehmen kann. Hier haben wir offenbar die letzten Enden der Geschmacksnerven zu suchen; hier beginnen aber auch die Schwierigkeiten, die sich einer. weiteren Verfolgung der feinen Nervenfasern uns in den Weg stellen. Dass Holzessig, Chlorgold und Ueberosmiumsäure uns im Stich lassen, habe ich schon erwähnt. Letztere ermöglicht es nur noch einzelne markhaltige Fa- sern von grosser Feinheit (0,0018 bis 0,0027 mm.) dicht unter den Schmeckbechern wahrzunehmen, die hier in den mannigfachsten Richtungen und Krümmungen verlaufen. Deren sind aber im Ganzen nur wenige und von mir bis jetzt nur beim Schaf mit Sicherheit constatirt, so dass wir offenbar in ihnen allein nicht die Fasern des Glossopharyngeus suchen können, welche die Geschmacksempfindun- gen vermitteln. Vielmehr scheinen sich die marklosen Remak’schen Fasern dabei inniger zu betheiligen, wie aus folgenden der Schwie- rigkeit des Gegenstands entsprechend allerdings lückenhaften Beo- bachtungen hervorgeht. Zerzupft man das oben beschriebene kernreiche Stratum nach mehrtägiger Maceration in Lösungen von Chromsäure (1/s0°/. oder) Kali bichromicum (!/s bis 1°/,) möglichst fein, was hier allerdings nur mit grosser Geduld auszuführen ist, so findet man ausser elasti- schen Fasern und feinen Bindegewebsfibrillen noch eigenthümliche mit elliptischen Kernen besetzte Faserzüge, die in ihrem weiteren Verlauf sich bald wiederholt dichotomisch theilen und so in immer 180 Schwalbe: feinere Bündel spalten. Betrachtet man eins der dünneren Bündel (Fig. 19), so erkennt man zunächst mehrere, im abgebildeten Falle z. B. zwei, secundäre Bündel. Letztere machen an gewissen Stellen bei oberflächlicher Betrachtung ganz den Eindruck von markhaltigen Fasern mit Kernen in der Scheide. Gegen diese Deutung spricht je- doch schon der Umstand, dass an anderen Stellen ihres Verlaufs das vermeintliche Mark nur noch undeutlich zu erkennen ist, wäh- rend im Innern der Faser fibrilläre Streifung auftritt. Am abgeris- senen Ende sieht man meist mehrere feine Fibrillen hervorstehen. Diese eben beschriebenen Fasern sind nun höchst wahrscheinlich identisch mit den von Lov&n beschriebenen und in Fig. 8a und b abgebildeten kernreichen markhaltigen Nervenfasern, die er mittelst derselben Methode, wie ich, aus dem zähen Stroma isolirte. Loven gibt an, dass das Mark ziemlich plötzlich verschwinde und der Axencylinder frei werde, den er sich einmal dichotomisch theilen sah. Offenbar entsprechen die Figuren Lov&n’s ziemlich genau meiner Fig. 19. Ich stimme nur darin Lov&n vollkommen bei, dass die frag- lichen Gebilde Nervenfasern sind, kann sie aber nicht für mark- haltig halten. Dagegen spricht einmal der stellenweise Mangel der vermeintlichen Markscheide, ohne dass man an diesen Stellen eine Verschmälerung der Faser bemerkt, vor Allem aber ihr Verhalten gegen gewisse Reagentien. Setzt man nämlich einen Tropfen Essig- säure zum Präparat, so sieht man die dunkeln Contouren der Faser verblassen, während das Innere derselben in seinem Aussehen sich . kaum verändert. Es werden jetzt die Fibrillen im ganzen Verlauf des Faserstranges deutlich, auch da, wo man früher keine erkannte (Fig. 20). Von besonders abgegrenzten Nervenfasern ist nichts mehr zu sehen. Man erkennt einen dickeren Fibrillenstamm, der sich peripherisch in immer feinere Fibrillenästchen spaltet. An letzteren sitzen die nach Essigsäurezusatz deutlicher gewordenen elliptischen Kerne in reichlicher Menge. Stellenweise sieht man aber (Fig. 20 a) dem Fibrillenstrange eine feinkörnige Masse mit ganz ähnlichen Ker- nen anliegen; und dies gibt uns den Schlüssel für die Auffassung der fraglichen Bildungen. Wir erkennen in der feinkörnigen Masse den Rest einer Scheide, die durch Essigsäurezusatz verblasst ist. Diese Scheide umgibt an unveränderten Präparaten die einzelnen Bündel und scheidet stellenweise secundäre Bündelchen ab; zugleich birgt sie die Kerne. Durch Faltungen und Runzelungen der Scheide Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 181 in Folge der Einwirkung der angewandten Reagentien kommt dann ein Aussehen zu Stande, wie es manche markhaltige Fasern zeigen. Zum Ueberfluss will ich noch hinzufügen, dass die wirklichen feinen markhaltigen Fasern dicht unter den Schmeckbechern keine Kerne erkennen lassen. Es bleibt also, da das Verhalten gegen Essigsäure die Annahme,, dass man es im vorliegenden Falle mit Bindegewebs- bündeln zu thün habe, ausschliesst, an elastische Fasern aber nach Allem nicht zu denken ist, nur noch die einzige Möglichkeit, dass hier Bündel feiner Nervenfibrillen vorliegen, etwa der Art, wie sie M. Schultze aus der Geruchsschleimhaut der verschiedensten Wir- belthiere beschreibt. Welches ist nun aber das Endschicksal dieser in eine kernreiche Scheide eingeschlossenen Nervenfibrillen? Die Entscheidung dieser Frage bietet begreiflicher Weise sehr grosse Schwierigkeiten dar, und ist es mir trotz der grössten darauf verwandten Mühe nicht gelun- gen, zu einem befriedigenden Resultat zu gelangen. Was sich dar- über sicher aussagen lässt, ist Folgendes: Beim Zerzupien des kern- reichen festen Stratums unmittelbar unter den Schmeckbechern erhält man zahlreiche feine blasse l'asern, die den Ausläufern der Ge- schmackszellen sehr ähnlich sehen und gegen Essigsäure resistent sind. Von elastischen Fasern unterscheiden sie sich sofort durch ihre blassen Contouren. Sie sind also für feinste Nervenfasern zu halten und verlaufen hier in den allerverschiedensten Richtungen, einen subepithelialen Plexus bildend. Höchst wahrscheinlich stammen sie grösstentheils von den oben beschriebenen blassen Nervenfaserzügen ab, deren Schicksal wir direct nicht weiter verfolgen konnten. Wenigstens gleichen sie den Fibrillen derselben vollständig. Für die Frage nach der schliesslichen Endigung der beschrie- benen Fäserchen wird nun aber eine Beobachtung entscheidend, der zufolge man annehmen muss, dass dieselben die Grenze zwischen Bindegewebe und Epithel überschreiten, also in letzteres eindringen. Man sieht nämlich zuweilen nach dem Abpinseln des Epithels in dünnen Chromsäurelösungen macerirter Präparate ganz ähnliche Fä- serchen frei über die Grenzfläche des Bindegewebes hervorstehen. Dieselben sehen wie abgerissen aus und gleichen sehr den centralen Ausläufern der Geschmackszellen. Da ich nun zwischen den Ele- menten der Schmeckbecher nie Fäserchen wahrgenommen habe, die etwa als Nervenfibrillen zu deuten wären, so halte ich esnach Allem für das Wahrscheinlichste, dass jene feinen Nervenfasern direct mit 182 Schwalbe: . den centralen Fortsätzen der Geschmackszellen in Zusammenhang stehen, obwohl ich nicht so glücklich gewesen bin, eine solche Ver- bindung zu beobachten. { Von den eigenthümlichen birnförmigen Gebilden, in’ welche nach Szabadföldy!) die Nervenfasern der Papillae vallatae auslaufen sol- len und die er desshalb für die peripherischen Endorgane der Ge- schmacksnerven hält, habe ich, obgleich ich die verschiedensten Methoden in Anwendung. gebracht habe, nie etwas gesehen. Auch Terminalkörperchen, wie sie W. Krause?), als Endigungen der sensibeln Nervenfasern in den umwallten Papillen des Menschen be- schreibt, sind mir beim Schaf und Schwein, die ich besonders genau auf diese Verhältnisse untersucht habe, nicht zu Gesicht gekommen. Sehen wir uns nun, nachdem wir die Geschmacksorgane der Säugethiere kennen gelernt haben, nach analogen Bildungen in der Wirbelthierreihe um, so fällt zunächst die grosse Uebereinstimmung der Schmeckbecher mit den von Leydig?) entdeckten „becherförmi- gen Organen“ der Fische auf, über deren wahre Natur uns Fr. E. Schulze?) aufgeklärt hat. Er erklärte dieselben, gestützt auf seine histologischen Untersuchungen, zuerst mit Entschiedenheit für Ge- schmacksorgane. Nach der Auffmndung ganz ähnlicher Gebilde an der Stelle der Zunge der Säugethiere und des Menschen, welche von allen Physiologen als schmeckend anerkannt ist, kann wohl über die Bedeutung der „becherförmigen Organe‘ der Fische auch nicht mehr der leiseste Zweifel herrschen. Sogar die frei hervor- ragenden Stiftchen der Geschmackszellen finden bei den Fischen ihre Analoga, wie eine Beobachtung von F. E. Schulze?) lehrt. Ganz anders scheinen sich auf den ersten Blick die Geschmacks- organe der Frösche zu verhalten. Meiner Meinung nach verschwindet aber die grosse Verschiedenheit, wenn man das ganze Nerven- epithel einer Papilla fungiformis als einem Schmeckbecher gleich- werthig ansieht. Auch die zelligen Elemente der letzteren haben in 1) 1. cc. p. 184. 2) Ueber die Nervenendigung in den Papillae circumvallatae der mensch- lichen Zunge. Göttinger Nachrichten, 1863. 3) Ueber die Haut einiger Süsswasserfische. Zeitschrift für wissenschaft- liche Zoologie. Band II. p. 3. 4) Ueber die becherförmigen Organe der Fische. Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie. Band XII. p. 218. 5) Epithel- und Drüsen-Zellen. Dieses Archiv. Bd. II. p. 153. . ‘ Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 183 den modifieirten Epithelialzellen und Geschmackszellen A. Key’s ihre Analoga. Freilich scheint nach den kürzlich publieirten interessanten Beobachtungen Engelmann’s!) über denselben Gegenstand das Ner- venepithel der Pap. fungiformes der Froschzunge noch complieirter zusammengesetzt zu sein, und lässt sich desshalb eine genaue Ver- gleichung der Bestandtheile desselben mit denen eines Schmeckbechers für jetzt nicht durchführen. Bei den Repitilien und Vögeln endlich sind die Geschmacks- organe noch gänzlich unbekannt. Die wenigen Untersuchungen, die ich bis jetzt an der Zunge und Pharynxschleimhaut einiger Vögel (Ente, Huhn, Taube) anstellen konnte, haben. noch zu keinem posi- tiven Resultat geführt. Wahrscheinlich sind gerade die Zungen der körnerfressenden Vögel die ungünstigsten Objeete zur Entscheidung. Schliesslich habe ich noch dankbar anzuerkennen, dass ich auch bei dieser Arbeit, die im anatomischen Institut zu Bonn begonnen wurde, mich vielfach des freundlichsten Rathes des Herrn Professor Max Schultze zu erfreuen hatte. Nachtrag. Vorstehende Zeilen waren schon niedergeschrie- ben, als mir die deutsche Uebersetzung der Arbeit Lov&n’s im vorigen Hefte dieses Archivs bekannt wurde. Verfasser hat ihr einige Zeilen als Nachschrift hinzugefügt, in welchen er einige neue Beo- bachtungen über die Verbreitung der Geschmacksknospen auf der Zunge anführt. Auch Lov&n fand deren, wie ich, vereinzelt an der Wallseite des Ringthals, so dass über diesen Punct wohl kein Zweifel herrschen kann. Es sind ja überdies die Bedingungen hier ebenso günstig, als an der Papillenseite. Anders steht es mit den Angaben Lov&n’s, er habe auch auf der freien Oberfläche der Papillae fungiformes Geschmacksknospen gefunden. Es würde dann die versteckte - Lage derselben durchaus nicht charakteristisch sein, und man würde nicht einsehen, wesshalb nicht auch auf der freien Oberfläche der umwallten Papillen Schmeckbecher vor- kommen sollten. Hier hat aber auch Love&n deren nicht beob- achtet. Meine früheren Untersuchungen an Schaf und Rind haben, wie ich oben ausführte, ergeben, dass an den Papillae fungiformes 1) Ueber die Endigungsweise der Geschmacksnerven des Frosches. Me- dieinisches Centralblatt. 1867. Nr. 50. p. 785 und Zeitschrift für wissenschaft- liche Zoologie. 1868. 184 Schwalbe: dieser Thiere keine Schmeckbecher vorkommen. Lov&n empfiehlt jetzt, um sich davon zu überzeugen, die pilzförmigen Papillen des Kaninchens und der Ratte. Mir stand augenblicklich nur ersteres zu Gebote. Die wenigen Untersuchungen, die mir die Kürze der Zeit noch gestattete vorzunehmen, ergaben, dass allerdings eine Flächenansicht, der freien Oberfläche der genannten Papillen ganz ähnlich aussieht, wie die der Schmeckbecher-Region der Papillae vallatae. Man erkennt grös- sere Kreise in einem Maschenwerk gewöhnlich angeordneten Epithels. Allein von der Existenz von Oeffnungen im Epithel konnte ich mich nicht überzeugen, wohl aber von der Anwesenheit langer schmaler secundärer Papillen, die das sehr dicke Epithel bis dicht unter die Oberfläche durchsetzten. Sodann gelang es mir nicht, 'Schmeck- becher durch die oben genannten Methoden von dieser Stelle zu iso- liren. Dies Verfahren ist aber meiner Ansicht nach immer zur Con- trole anzuwenden, da Öberflächenansichten zur Entscheidung der Frage nicht genügen und zwar aus folgenden Gründen. Um die Spitze der secundären Papillen herum ist das Epithel concentrisch angeordnet. Stehen nun zahlreiche derselben dicht neben einander, so wird eine Flächenansicht ebenfalls Kreise zeigen, welche dicht neben einander in einem Maschenwerk gewöhnlich angeordneten Epithels liegen. So scheinen mir denn in der That sich die Papillae fungi- formes des Kaninchens zu verhalten. Doch gestehe ich gern zu, dass meine Beobachtungen noch nicht genügend zahlreich waren, um mich mit voller Sicherheit negirend aussprechen zu können. Von acinösen Drüschen, die sonst immer in der Umgebung der Schmeckbecher sich finden, sah ich an jenen Papillen nichts. Uebrigens hätte das Vor- kommen von Schmeckbechern auf den Papillae fungiformes an sich nichts Auffälliges, da ja nach Rüdinger der Glossopharyngeus beim Menschen makroskopisch ziemlich weit über das Gebiet der Papillae vallatae hinaus nach vorn zu verfolgen ist. Das Auffallende in Lo- ven’s Angaben liegt vielmehr darin, dass die Geschmacksknospen in einzelnen Fällen an der freien Oberfläche der Papillen vorkom- men, wo sie offenbar den verschiedensten mechanischen Insulten aus- gesetzt sind, während für den grössten Theil derselben als Gesetz gilt, dass sie immer an möglichst geschützten Stellen der Zungen- schleimhaut gefunden werden. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 185 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XI. Fig. 1, Fig. 3 bis 9 und Fig. 22 sind bei der Vergrösserung System C Ocular II eines Zeis’schen Mikroskopes, Fig. 2 und 21 bei D Ocular II, Fig. 10 bis 20 bei System F Ocular II desselben Mikroskopes gezeichnet. Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch eine Papilla vallata vom Schaf nach Erhärtung in Ueberosmiumsäure von 1°|,. Man erkennt an der dem Walle zu- gekehrten Seite der Papille jederseits sieben Schmeckbecher, welche die ganze Dicke des Epithels vom bindegewebigen Stroma an bis zu der den Wallgra- ben begrenzenden Oberfläche durchsetzen. In den Grund des Ringthales mün- den links zwei, rechts ein Ausführungsgang acinöser Drüschen. Am Grunde der Papille ein Plexus markhaltiger Nervenfasern, aus welchem sich mehrere der- selben bis in die Nähe des Epithels erheben und hier theilweise schlingen- förmig umbiegen. Seitlich von dem Plexus treten noch einzelne markhaltige Fasern ein. Fig. 2 A. Schnitt durch das Epithel einer schwarz pigmentirten Papilla fungiformis vom Schaf mit verästelten Pigmentzellen in den untersten Schich- ten. des Epithels zwischen den langen spitzen secundären Papillen. Mehrere lange dünne Pigmentfäden dringen in gerader Richtung nach aussen weit durch das Epithel hindurch. Zeichnung des Herrn Prof. M. Schultze. Fig. 2 B. Schnitt durch das Epithel der freien Oberfläche einer schwarz pigmentirten Papilla vallata vom Schaf. Ueberosmiumsäure-Präparat. Zeigt im Wesentlichen dieselben Verhältnisse wie 2 A. Fig. 3. Schnitt durch eine Papilla vallata des Menschen. Ueberosmium- säure-Präparat. Die Papille ist etwas nach links überhängend. Auch im Epithel des Walles stecken jederseits drei Schmeckbecher. a Ausführungsgang einer acinösen Drüse. Fig. 4. Schnitt durch eine umwallte Papille des Menschen. Ringwall rechts nicht entwickelt. Es fehlen desshalb hier auch die Schmeckbecher im Epithel, während links, wo der Wallgraben sehr tief und schmal ist, deren vorkommen. Auf der Mitte der Papille öffnet sich der Ausführungsgang einer acinösen Drüse (b). a Ausführungsgänge solcher Drüschen. Ueberosmium- säure-Präparat. Fig. 5. Schnitt durch eine Papilla vallata vom Reh. Ueberosmiumsäure- Präparat. Auf einer vollständig umwallten Papille sitzt eine kleinere pilz- förmige auf, letztere ohne Schmeckbecher. a wie vorhin. Fig. 6. Schnitt durch eine Papilla vallata des Schweines. Dieselbe ist sehr breit, mit dellenförmig eingedrückter Oberfläche. a wie vorhin; b ein- tretender Nervenstamm, der sich in zwei divergirende Aeste theilt. Ueberos- miumsäure-Präparat. 186 Schwalbe: Fig. 7. Schnitt durch eine umwallte Papille des Ochsen. Stark ent- wickelter überhängender Ringwall mit sehr verdicktem Epithel. a wie vor- hin. Ueberosmiumsäure-Präparat. i Fig. 8. Flächenschnitt durch eine Papilla vallata vom Schaf. Man er- kennt ringsum im Epithel Schmeckbecher. Fig. 9. Oberflächenansicht eines Theils der Seitenwand einer Papilla vallata vom Schwein, bei tiefer Einstellung. Man erkennt in dem dunkeln Maschenwerk des gewöhnlichen Epithels helle Kreise. Dieselben entsprechen den optischen Querschnitten der Schmeckbecher und sind beim Schwein un- regelmässig gestellt und von verschiedener Grösse. Links sind im Centrum von fünf derselben kleine Kreise eingezeichnet, die aber erst bei Einstellung auf die äusserste Oberfläche deutlich sind; sie entsprechen Löchern im Epithel. Präparat nach Maceration in Kali bichromicum von 2°, gewonnen. Fig. 10 a. Aeusserste Oberfläche der Seitenwand einer umwallten Pa- pille vom Schwein, nach Maceration in Jodserum abgehoben. Man erkennt drei kleine helle Kreise als Ausdruck dreier Oeffnungen im Epithel, die beim Schwein sehr klein sind; dieselben stehen je auf einer sanften uhrglasförmi- gen Erhabenheit. An der Bildung des Epithelloches betheiligen sich meist drei Zellen. b. Zwei Zellen bilden ein solches Loch. Fig. 11. Durch Ueberosmiumsäure von 1°/, isolirter Schmeckbecher vom Schaf. Aus der geschlossenen Knospe sehen drei kleine Stifte hervor. Ausser- dem erkennt man viele elliptische, mit ihrem Längsdurchmesser parallel dem Längsdurchmesser des Schmeckbechers gestellte Kerne ohne deutliche Zellen- grenzen. Die dem Bindegewebe aufsitzende Basis ist ausgefasert. Fig. 12. Peripherisches Ende eines anderen Schmeckbechers vom Schaf (Ueberosmiumsäure 12). Drei lange Stiftehen von ungleicher Grösse ragen daraus hervor. Fig. 13. Ebenso von einem anderen Schmeckbecher des Schafes. An der Spitze ein Härchenkranz; aus der Tiefe des Schmeckbechers sieht man zwei Stiftchen unter dem Härchenkranze hervorragen. Ueberosmiumsäure 13. Fig. 14. Geöffnete Geschmacksknospe des Schafes nach Behandlung mit Kali bichromicum von 22. Die Geschmackszellen sind herausgefallen. Man sieht einen von Deckzellen gebildeten offenen Kelch und am Grunde drei Basalzellen. Fig.15. a und b Deckzellen eines Schmeckbechers vom Schaf mit unver- ästelten centralen Fortsätzen. c bis h Geschmackszellen des Schafes, sämmt- lich mit dickerem peripherischen und dünnem meist unregelmässig oder gar nicht varikösen centralen Fortsatz. In c zeigt die linke Zelle einen centralen Fortsatz mit regelmässigen Varicositäten. f Stiftchenzelle: der allmählig sich verschmälernde peripherische Fortsatz geht in ein dünnes hellglänzendes Stift- chen über. d Stäbchenzelle: der peripherische Fortsatz ist durch ein überall gleich breites Stäbchen ersetzt. Die anderen Zellen sind Stiftchenzellen, welche durch das Reagens (Kali bichr. 29) mehr oder weniger verändert sind. Fig. 16. Mensch. Kali bichromicum 2%. a und b Deckzellen mit ver- ästeltem centralen Fortsatz. ce bis f Geschmackszellen. d Stäbchenzelle mit Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere. 137 Kernkörperchen. c, e und f Stiftchenzellen; das Stiftehen aber nur bei e er- halten. Die centralen Enden des dem Bindegewebe zugekehrten Ausläufers meist knopfförmig oder knollig. r Fig. 17. Schaf. Kali bichromicum 22. a und b kleine Bürstenzellen des Seitenwandepithels der Papillae vallatae. e und d Basalzellen mit ausge- fasertem peripherischen Ende. e Oberflächenzelle einer umwallten Papille mit bisquitförmigem Nucleus. Fig. 18. Oberflächenzellen der Seitenwand der Papillae vallatae vom Kalb. Kali bichromieum 29. a Zelle mit tiefem kreisförmigen Ausschnitt entsprechend einer Oeffnung im Epithel. b Liochzelle. c etwas tiefer gele- gene Epithelzeile mit Ausschnitt an der Seite, wo sie an einen Schmeck- becher grenzte. Fig. 19. Zwei marklose Nervenfasern aus dem Bindegewebe unmittelbar unter den Schmeckbechern vom Schaf (Kali bichromieum ",2). Aus den ab- gerissenen Enden schauen einzelne Fibrillen hervor. Fig. 20. Ein Bündel eben solcher markloser Fasern vom Schaf nach Be- handlung mit Essigsäure. Die Grenzen der einzelnen Nervenfasern sind nicht mehr zu erkennen; die fibrilläre Structur ist deutlicher geworden Zahlreiche Kerne liegen dem Bündel an. Bei a Scheidenrest mit vielen Kernen. Fig. 21. Schnitt durch die Schmeckbecher-Region einer umwallten Pa- pille des Schweines. Holzessig-Präparat Man sieht ein Bündel Nervenfasern zu der Gegend der Schmeckbecher ziehen und sich hier in einem dunkeln kernreichen Stratum unmittelbar unter den Geschmacksknospen verlieren. a Ausführungsgang einer Drüse. Fig. °2. Oberflächenansicht eines Stücks der durch Maceration in Kali bichromicum von 22 abgehobenen Epithelialdecke einer Papilla vallata vom Schaf. a Schmeckbechergegend. Man erkennt zahlreiche grössere helle Kreise, die optischen Querschnitte der Schmeckbecher und innerhalb eines jeden der- selben einen kleinen Kreis, entsprechend einem Loch im Epithel. b Epithel der freien Oberfläche der Papille ohne Schmeckbecher. Ueber invaginirte Zellen Von Dr. F, Steudener, Privatdocent in Halle. Hierzu Tafel XIV. Vor einiger Zeit machte mich Herr Professor Richard Volk- mann auf das Vorkommen eigenthümlicher Zellenformen aufmerk- sam, welche er vor mehreren Jahren bei der Untersuchung eines Falles von multiplen Careinomen in den entarteten Lymphdrüsen ge- funden hatte. Kurze Zeit nach dieser Mittheilung bekam ich einen Fall von Lebercareinom zur Section und bei der Untersuchung der Neubildung zeigten sich genau dieselben eigenthümlichen Zellen- formen, welche sich damals in den Lymphdrüsen vorgefunden hatten. Herr Professor Volkmann hatte die Güte mir zur Veröffentlichung dieser Beobachtung seine Notizen über den damals von ihm beobach- teten Fall nebst einer Zeichnung jener Zellen zur Disposition zu stellen. Ich benutze hier die Gelegenheit für diese Freundlichkeit nochmals meinen Dank auszusprechen. Zugleich hoffe ich, dass dieser Beitrag zur Kenntniss der pathologischen Zelle nicht ohne Interesse sein wird, um so mehr, da die-eigenthümlichen Zellenformen, welche den Gegenstand dieser Arbeit bilden, leicht falsch gedeutet werden und zu irrthümlichen Folgerungen Veranlassung geben können. Wie schon erwähnt stammten die von mir untersuchten Zellen von einem Fall von Lebercareinom. Die Leber war von einer mässi- gen Zahl gelblicher Knoten von der-Grösse einer Erbse bis einer Dr. F. Steudener: Ueber invaginirte Zellen. 189 Haselnuss durchsetzt. Dieselben waren ziemlich weich und entleerten auf Druck reichlich einen gelblichen, rahmigen Saft. Der Klinische Verlauf des Falles machte ein schnelles Wachsthum der Knoten im höchsten Grade wahrscheinlich. Der aus dem Krebsknoten entnom- mene Saft wurde unter Zusatz von Jodserum untersucht. Hierbei zeigte sich, dass die Zellen im höchsten Grade polymorph und im Allgemeinen sehr gross waren; der grösste Durchmesser, den ich gemessen habe, betrug 0,15 Mm. Neben diesen grossen Zellen fan- den sich jedoch auch kleinere bis zu 0,019 Mm. im Durchmesser herab. Die Kerne der Zellen waren, diesem Befunde entsprechend, ebenfalls sehr gross, meist oval, im Mittel 0,009 Mm. im Durchmesser haltend und einfach oder zu mehreren in das Protoplasma der Zelle, welches ein schwach granulirtes Aussehen zeigte, eingebettet; eine Zellmembran konnte von mir in keiner Weise nachgewiesen werden. In vielen Zellen, namentlich den grösseren, fanden sich zahlreiche feine Fettmoleküle in das Protoplasma eingebettet. Eine grosse Zahl der also gestalteten Zellen boten nun das Aussehen dar als ob sie im Inneren eine oder mehrere Tochterzellen, durch endogene Zellenbildung erzeugt, enthielten (Taf. XIV Fig. 2 d); in anderen fand sich dies so modifieirt, dass diese anscheinend endo- gen entstandenen Zellen im Innern eines Hohlraumes der Mutterzelle zu liegen schienen, so dass man den Anschein der von Virchow beschriebenen !') Bruträume mit Tochterzellen hatte (Taf. XIV Fig.2 c und f). Endlich kamen noch Zellen vor, welche scheinbar im Innern einen blasenartigen mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum, Physalide?), beherbersten (Taf. XIV Fig. 2 d). Eine genauere Untersuchung und Betrachtung dieser Formen ergab jedoch, dass diese mit der bisher gültigen Zellenlehre ganz vortrefilich in Uebereinstimmung stehende Deutung doch nicht die richtige war. Denn die anscheinend im In- nern einer grösseren Zelle gelegenen kleineren, lagen nicht voll- kommen umschlossen von der Mutterzelle in derselben und ebenso wenig bildeten die oben erwähnten Physaliden geschlos- sene Hohlräume im Innern einer Zelle. Es fanden sich nämlich weiter Zellen, aus denen ein Stück glatt herausgeschnitten zu sein schien oder als wenn ein rundlicher Körper in das weiche Proto- 1) Virchow Arch. f. pathol. Anat. III, 217. 2) Virchow Arch. f. path. Anat. I, 130. vergl. auch Virchow Ent- wickelung des Schädelgrundes. 58. 4 190 "F. Steudener: plasma der Zelle einen seiner Form entsprechenden Eindruck hin- terlassen hätte (Taf. XIV Fig. 2b). Dass diese Ausschnitte oder Ein- drücke von Zellen, welche in ihnen gelegen hatten, herstammten, machten weitere Beobachtungen gewiss. In verschiedenen Zellen hatten sich nämlich die in solchen Eindrücken gelegenen Zellen um ein Weniges seitlich verschoben und man sah nun dicht neben ein- ander, sich zum Theil noch deckend die verschobenen Zellen und den von ihnen vorher ausgefüllten genau ihrer Form entsprechen- den Eindruck sehr deutlich vor sich (Taf. XIV Fig.2g). Dieser Befund machte es mir sehr wahrscheinlich, dass auch die anscheinend endo- gen oder in Bruträumen entstandenen Zellen sich ebenfalls nur in das Protoplasma grösserer Zellen eingestülpt oder eingedrückt hat- ten. War dies nun wirklich der Fall, so musste es sich durch Be- wegungen mit dem Deckgläschen möglich machen lassen, dieselben ' aus ihrem Lager zu entfernen und so den von ihnen erzeugten Ein- druck sichtbar zu machen. Wie vorauszusehen, gelang das Experi- ment; nach zahlreichen vergeblichen Versuchen glückte es mir die anscheinend im Innern einer grösseren Zelle gelegene kleinere ohne Zerstörung der ersteren herauszulösen. Eben .dasselbe gilt auch von den in Bruträumen liegenden Zellen, auch sie konnten durch die genannten Manipulationen aus ihrem Lager entfernt werden ohne Zerstörung der scheinbaren Mutterzelle. Die von solchen falschen Tochterzellen hinterlassenen Eindrücke konnte man leicht für eine Physalidenbildung innerhalb der Zelle an- - sprechen. Dass dies jedoch nicht der Fall war zeigten rollende Be- wegungen derartiger Zellen, wo dann die angeblichen Physaliden in der Seitenansicht erschienen und sich als Eindrücke in das Proto- plasma documentirten. Hiermit will ich jedoch keineswegs die Exi- stenz wirklicher Physaliden in Frage stellen, vielmehr habe ich mich anderweitig vollkommen von ihrer Existenz überzeugt. Fanden sich an einer Zelle mehrfach die oben beschriebenen Eindrücke vor, so entstanden dadurch bisweilen höchst eigenthüm- liche und bizarre Formen (Figur 2 h, k, 1), welche an ähnliche sonderbare Zellenformen erinnerten, welche E. Wagener ı) als fibrinöse Degeneration der Epithelialzellen beim Croup beschrieben hat. Einmal glaube ich mich mit Bestimmtheit überzeugt zu haben, dass durch eine solche eingedrückte Zelle eine andere vollkommen 1) E. Wagener Arch. f. Heilk. VII. 486, 1866. ' Ueber invaginirte Zellen. 191 durchlöchert war, so dass die letztere ungefähr die Gestalt eines Siegelringes bekommen hatte (Fig. 2c). Ganz ähnlich war das Verhalten der Zellen in dem von Pro- fessor Volkmann bereits vor zehn Jahren beobachteten Falle, wie sich aus der mir gütigst mitgetheilten Abbildung (Figur 1) leicht ersehen lässt. Aus den dazu gehörigen Notizen über diesen Fall entnehme ich Folgendes. Es fanden sich in dem rahmigen Saft der entarteten Lymphdrüse Zellen von der Grösse eines farblosen Blut- körperchens bis zu 0,1 Mm. Durchmesser vor. Unter diesen liessen sich jedoch vier verschiedene Formen unter- scheiden. Es fanden sich Zellen mit einem oder mehreren Kernen von sehr verschiedener unregelmässiger Gestalt und bis zu 0,06 Mm. Durchmesser. Die Kerne zeigten ebenfalls verschiedene Grösse und hatten meistens die ovale Form (Figur 1a). Weiter fanden sich Zellen, welche das Aussehen von Mutterzellen mit einer oder meh- reren Tochterzellen darboten (Figur 1b und ec). Dieselben waren grösser wie die vorher geschilderten Formen, zeigten aber sonst das gleiche Verhalten. Dann fanden sich Zellen, welche anscheinend im Innern Hohlräume enthielten, sich im Uebrigen aber in Bezug auf Grösse und Aussehen, wie die vorher beschriebenen verhielten. Das Grössenverhältniss der Hohlräume zu den Zellen war aber sehr ver- schieden, bisweilen nahm einer fast den ganzen Zellenraum ein, in- dem der Kern mit dem grössten Theil des Protoplasma zur Seite gedrängt war (Figur 1 d), oder es waren mehrere Hohlräume, die gelegentlich confluirten, vorhanden (Figur 1 k). Niemals je- doch gelang es einen solchen Hohlraum zum Platzen zu bringen und den etwaigen Inhalt zu entleeren. Endlich fanden sich noch Zellen vor, welche den Anschein von Bruträumen darboten; es war also in einer grösseren Zelle eine kleinere eingebettet, welche, mit einem breiten hellen Saum umgeben, so den Anschein gewährte, als wenn sie in einem mit klarer Flüssigkeit gefüllten Hohlraum läge. Auch hier konnte niemals ein Platzen der Hohlräume und Austreten der Tochterzellen beobachtet werden. Bei weiterer sorgfältiger Beobachtung gelang es nun durch her- beigeführte Lagenveränderungen jene scheinbaren Hohlräume als Ein- drücke in das Zellprotoplasma sicher zu erkennen. Ebenso gelang es durch Rütteln am Deckglas die angeblichen Tochterzellen aus den grösseren Zellen ohne Verletzung derselben herauszulösen und den von ihnen zurückgelassenen Eindruck sichtbar zu machen. Beson- M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 13 192 F. Steudener: ders überzeugend waren die Bilder, wo sich die Tochterzellen nur wenig aus ihrer Lage verschoben hatten (Figur 1, e, h, i, 8). Dasselbe liess sich auch bei den scheinbar Brutraum tragenden Zellen constatiren. Es waren demnach in den beiden beschriebenen Fällen überall nur kleinere Zellen, welche in grössere eingedrückt den Anschein von Mutterzellen mit Tochterzeilen und Brutraumbildungen hervorgerufen hatten, während die von solchen angeblichen Tochterzellen hinterlassenen Eindrücke Hohl- raum- oder Physaliden-Bildungen simulirten. Ausser dem ersteren dieser zwei Fälle habe ich ähnliche Formen in einem Fall von weichem Epithelialcareinom von exquisit papillärem Bau (Förster’s destruirende Papillargeschwulst), und noch jüngst in einem anderen Falle von Lebercareinom beobachtet, nur waren sie hier nicht so ausgebildet, wie in jenen beiden Fällen. Herr Professor Volkmann bezeichnete die kleineren Zellen, welche sich in grössere hineingedrückt hatten, als invaginirte Zellen und ich stehe nicht an, diesen Namen für sie zu adoptiren, da durch denselben zugleich der Entwicklungsvorgang dieser eigen- thümlichen Formen angedeutet wird. Es drängt sich nun hier die Frage auf, ob diesen invae Zellen überhaupt ein häufigeres Vorkommen zukommt und ob nicht viele der früheren Beobachtungen von Mutterzellen mit Tochterzellen oder Bruträumen mit diesen invaginirten Zellen verwechselt worden sind. Die Entscheidung darüber ist bis jetzt noch nicht möglich, da das vorliegende Material dazu zu klein ist. Mir persönlich ist die endogene Zellenbildung, wenigstens bei Careinomen und ganz beson- ders die Brutraumbildung einigermassen problematisch geworden. Ich habe mich seit der Beobachtung dieser invaginirten Zellen nie- mals mit Sicherheit überzeugen können, dass die sogenannten Mut- terzellen wirklich im Innern Tochterzellen oder Bruträume beher- bergten. Hiermit will ich jedoch durchaus nicht die Möglichkeit endogener Zellenbildung überhaupt bezweifeln, um so weniger, da ich über diesen Punct bei anderen pathologischen Processen (z. B bei der Eiterbildung auf Schleimhäuten) bis jetzt noch keine genü- genden Erfahrungen gemacht habe. Anders verhält es sich mit den Physaliden; dass dieselben exi- stiren und auch in Careinomen ziemlich häufig vorkommen, davon habe ich mich wiederholt sehr bestimmt überzeugt. Indessen mögen Ueber invaginirte Zellen. 193 auch wohl die von invaginirten Zellen hinterlassenen Eindrücke ge- legentlich als Physaliden angesehen worden seien. | Für die Entstehung dieser eigenthümlichen invaginirten Zellen scheint mir nun der Umstand von Bedeutung zu sein, dass in den beiden beschriebenen Fällen sehr schnell wachsende Carcinome vor- lagen. In beiden Fällen hatten sich die Tumoren im Innern drüsi- ger Organe, welche mit einer festen bindegewebigen Kapsel umgeben sind, entwickelt. Die neugebildeten Zellen standen daher unter einem ziemlich hohen Druck und so war es natürlich, dass sich die klei- neren unter Umständen in die grösseren hineindrückten und weiter die grösseren die kleineren gewissermassen umwuchsen. Hätte man diese Zellen noch lebend isoliren können, so würden vielleicht manche von ihnen mehr oder weniger die Kugelform angenommen und die in ihnen vorhandenen Eindrücke ausgeglichen haben. Andere, nament- lich die älteren und grösseren, würden auch wohl unter diesen Um- ständen ihre eigenthümlichen Formen behalten haben, weil sie theils stark erhärtet, ja fast verhornt, theils in regressiver Metamorphose (fettigem Zerfall) begriffen waren. Da aber die Zeilen bei der Un- tersuchung bereits abgestorben waren, so behielten sie auch nach ihrer Isolirung die Form, die sie innerhalb des Tumor gehabt hat- ten, bei. Schliesslich muss ich übrigens noch hervorheben, dass bereits vor siebzehn Jahren Virchow') ähnliche Invaginationen von Zellen beschrieben hat, welche jedoch nicht so ausgebildet wie in den hier beschriebenen Fällen sind. Sie bilden gewissermassen das physiolo- gische Paradigma zu diesen pathologischen Formen. Es betrifft dies das Epithel der Harnblase und Ureteren, welches Henle als Ueber- gangsepithel bezeichnet. Da aber hier die Zelleindrücke immer nur sehr flach sind und die invaginirten Zellen meist als keulenförmige Elemente bedeutend nach aussen hervorragen, so werden letztere nicht leicht mit endogen gebildeten Zellen und erstere mit Physali- den verwechselt werden können. 1) Virchow Arch. f. path. Anat. III. Taf. I. Fig. 8. 194 Fig. 2. b. Fig. a. c. d. e. F. Steudener: Ueber invaginirte Zellen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. 1. Zellen aus einer carcinomatös entarteten Lymphdrüse Vergr. 300. Zellen mit einem oder mehreren Kernen. c. Zellen, in welche sich eine oder mehrere kleinere Zellen invaginirt haben, so dass dieselben für Mutterzellen mit Tochterzellen gehalten werden können. . Zellen, aus denen die invaginirten Zellen ausgelöst sind, wodurch der Anschein von Physalidenbildungen hervorgerufen wird. . Zellen mit invaginirten kleineren, welche den Anschein von’ Blutraum- bildungen gewähren. . g. h. Zellen mit invaginirten kleineren Zellen, welche sich zum Theil etwas aus ihrem Lager verschoben haben. 2. Zellen aus einem Lebercarcinom. Vergr. 300. b. 1. Zellen mit Eindrücken, welche von ausgelösten invaginirten Zellen hinterlassen worden sind. Eine invaginirte Zelle von der Seite gesehen. h. k. Grössere Zellen, in welche eine oder mehrere kleinere Zellen (als scheinbare Tochterzellen) invaginirt sind. f. Zellen mit scheinbaren Brutraumbildungen. g. i. Zellen, bei denen sich die invaginirten Zellen etwas verschoben haben. Ueber den Bau, insbesondere die Vater’schen Körper, des Schnabels der Schnepfe. Von Fr. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. XV. Die Beschaffenheit, welche am gereinigten und getrockneten Schädel der Schnepfen das freie Ende des Schnabels darbietet, ist eine so eigenthümliche, dass ich schon öfters den Wunsch hatte, diesen Theil im frischen Zustand zu untersuchen. Da sich jetzt hierzu Gelegenheit fand, erlaube ich mir über das, was ich gesehen um so eher zu berichten, als der- Bau dieses Organs in der That nicht ohne Interesse ist. An frischen Waldschnepfen (Scolopax rusticola L.) sieht man den Schnabel von einer weichen Haut überzogen, welche nach dem Tode runzelig, nach Andern „höckerig‘“ wird. Nachdem die Haut durch Maceration entfernt ist, erscheint der Schnabel gegen seine Spitze zu mit „eigenthümlichen zelligen Bildungen.“ Fügen wir noch bei, dass man seit Cuvier das wabige Wesen des Schna- bels und seinen Nervenreichthum mit ‚einem feineren Gefühl‘, des- sen die Schnepfen an diesem Ort bedürfen, in Verbindung bringt, so möchte wohl Alles gesagt sein, was man bis jetzt über die Zu- sammensetzung des Organs wusste. Mein Hauptaugenmerk richtete ich zunächst auf das zu erwar- tende Vorkommen der unter dem Namen der Vater’schen Körper be- 196 Fr. Leydig: kannten Endkolben der Nerven. Es zeigte sich auch schnell, dass dieselben nicht nur in überraschender Menge und bemerkenswerther Lagerung zugegen seien, sondern auch ihr Bau etwas Eigenes an sich habe. Bekanntlich hat vor nunmehr zwanzig Jahren Herbst nach- gewiesen, dass Vater’sche Körperchen auch in der Classe der Vögel vorhanden seien und zeigte nach und nach ihre grosse Verbreitung auf!); insbesondere fand er auch, dass bei den verschiedensten Vö- geln das vordere Ende des Ober- und Unterschnabels eine Haupt- lagerstätte dieser Gebilde sei. Unsere Kenntnisse über die Verbreitung besagter Organe im Körper der Vögel wurden dann vermehrt zufolge sehr ausgedehnter Forschungen Will’s2), wodurch wir namentlich erfuhren, dass die Organe über die ganze Oberfläche des Leibes, in der Haut, sich er- strecken. In der Darlegung des feineren Baues waren die beiden genannten Beobachter weniger glücklich, wesshalb ich seiner Zeit nach Studien an der Taube und dem Auerhahn, wie ich glaube zum erstenmale, einer richtigeren Vorstellung vom Bau dieser Theile Eingang verschaffte). Gleich nach mir untersuchte die Organe Kölliker‘), später Keferstein®), W. Krause‘), dann Engelmann”) und jüngst Rauber°), woraus hervorgeht, dass die Gebilde durch das noch immer ihnen anklebende räthselhafte Wesen eine gewisse Anziehung auf den Anatomen und Physiologen ausüben. ; ‘Ueber die bindegewebige Natur der umhüllenden Theile sind alle Genannten einig, aber eine Meinungsverschiedenheit besteht noch darin, dass die Einen, mit mir, den ganzen Innenkolben für Ner- 1) Göttinger Gelehrte Anzeigen, 1848, 1850, 1851. 2) Sitzungsber. d. Akad. in Wien, 1850. 3) Zeitschrift f. wiss. Zoolog. 1853.' Mit Abbildungen; ausserdem zeich- nete ich die Körperchen auch noch in ihrer Lage aus der Haut und dem Schnabel der Vögel in m. Histol. S. 83. und S. 299. 4) Zeitschrift f. wiss. Zool. 1853. 5) Göttinger gelehrte Anzeigen (Nachrichten), 1858. 6) Die Terminalkörperchen d. einfach sensibl. Nerven. 1860. Anat. Unter- suchungen, 1861. 7) Zeitschrift f. wiss. Zool. 1863. 8) Untersuch. über das Vorkommen und die Bedeutung der Vater’schen Körper, 1867. Ueber d. Bau, insbesondere d. Vater’schen Körper, d. Schnabels d. Schnepfe. 197 vensubstanz halten; die Anderen aber der Ansicht sind, dass nur der innerste Streifen, jener nämlich, den ich als einen Canal, im frischen Zustand mit einer wasserklaren Flüssigkeit erfüllt, beschrie- ben habe, nervöser Natur sei, der übrige Theil des Innenkolbens aber ebenfalls zum Bindegewebe gehöre. — Ich selber finde, wie ich auch noch jüngst!) erklärt, keinen Grund von meiner früheren Auffassung abzugehen; ich halte auch jetzt noch dafür, dass es sich um einen Nervenkolben oder um eine cylindrisch verdickte Nerven- faser handle, und bezüglich der fein granulären Substanz dieses Kolbens sprach ich mich dahin aus, dass dieselbe der fein granu- lären Zellsubstanz (Protoplasma) entspreche, wie sie bei Wirbellosen durch Zusammenschmelzen terminaler Ganglienkugeln zu Wege kommt. Was ich jetzt über die Vater’schen Körperchen aus dem Schna- bel der Schnepfe mitzutheilen habe, wird zeigen, dass am Innen- kolben noch eine Bildung vorhanden ist, über welche voraussichtlich die Beobachter auch nicht sofort eines Sinnes sein werden. Bezüglich der äusseren Schicht oder Capsel wäre zu bemer- ken, dass sie nach ihrem ganzen Umfang unmittelbar in das Binde- gewebe der Lederhaut übergeht. Sie erscheint als scharfe Abgren- zung von Hohlräumen, in denen die Endkolben liegen; von welchem Verhalten man sich sehr gut an Querschnitten, durch die Schnabel- haut) geführt, überzeugt. Der Zusammenhang mit dem umgebenden Bindegewebe hindert natürlich keineswegs, dass an den Körperchen, welche mit Nadeln isolirt wurden, die Hülle den Anschein einer selbstständigen Haut (Tunica propria) oder Capsel hat. In (oder unter?) ihr bemerkt man längliche Kerne. — Zwischen der Capsel und dem Innenkolben dehnt sich ein ziemlicher Raum aus, der wahrscheinlich im Leben mit Flüssigkeit erfüllt ist. Das zarte Fasersystem, welches den Innenkolben bei Vögeln zu umhüllen pflegt, war in äusserst geringer Menge zugegen. Man findet nur ein fein und querstreifiges Wesen zunächst am Innen- kolben; ein andermal, besonders wenn zuvor Weingeist eingewirkt hat, erhält der Innenkolben dadurch ein wie längs gedrilltes Aussehen. Der bedeutsamste Theil des ganzen Organs, der Innenkolben, lässt mich, wie schon angedeutet, Einiges wahrnehmen, was weder 1) Vom Bau des thierischen Körpers. 1864, S. 99. 2) Vergl. Fig. 4. 198 Fr. Leydig: von Andern noch von mir an den seiner Zeit untersuchten Körper- chen, wenigstens nicht in dieser Weise, gesehen wurde; möglich wäre es hierbei allerdings, dass nach der Stelle, wo sich die Vater’- schen Körper im Organismus finden, vielleicht selbst nach den Arten der Vögel, es gewisse Besonderheiten gebe. Auf dem Querschnitt des Innenkolbens bemerkt man nämlich zwei sich gegenüberstehende, dem Rande angehörige Flecken; indem von jedem ein zarter Strich, fast wie ein Schatten, sich in’s Innere des Kolbens zieht, bekommt dieser gewissermassen eine Theilungs- linie, von welcher das erwähnte Fleckenpaar die beiderseitigen En- den sind. Hat man hingegen den Kolben in seiner ganzen Länge zur Ansicht,‘ so gewahren wir, dass über seine Oberfläche her, an zwei Stellen eine Längsreihe dicker, aber kurzer Querstriche zieht. Bei der ersten Besichtigung, und ohne dass man weiter sich dabei aufhält, kann es scheinen, als ob die kurzen Querstreifen ein- fach Querkerne wären, etwa vergleichbar den Muskelkernen, wie sie sich am optischen Längsschnitt einer kleinen Arterie in bekannter Weise darstellen. | Wenn ich auf meine. erste Arbeit über die Vater’schen Körper- chen der Taube zurückblicke, so vermuthe ich, dass die Angaben über gewisse Kerne am Rande des Innenkolbens hierher gehören mögen. Bei dieser Gelegenheit habe ich aber alsdann anzuerkennen, dass Hofrath Kölliker die Gebilde richtiger beschreibt, wenn er sagt, die Kerne lägen quer, und liessen Bilder entstehen, wie sie die Ringfaserhaut kleiner Arterien darbiete. Es sind ferner dieselben Elemente, welche auch W. Krause!) auf dem optischen Querschnitt eines Vater’schen Körperchens aus dem Oberschnabel der Ente zeich- net und umhüllende quere Kerne des Innenkolbens nennt. Da ich in neuerer Zeit keine anderen Vögel auf die besagten Organe geprüft habe, so lasse ich einstweilen die Verschiedenheit der Angaben auf sich beruhen und halte mich nur an das, was ich eben an den Körperchen im Schnabel der Schnepfe wahrgenommen; es wird sich in Zukunft bald ergeben, wie die früheren Beobachtun- gen zu meinen jetzigen stehen. Ich will somit bezüglich des Thieres, welches Gegenstand des Aufsatzes ist, ausdrücklich hervorheben, dass die kernähnlichen Ge- bilde einmal weder gewöhnliche Kerne sind, ferner nicht rings um 1) Anat. Untersuchungen, Taf. I, Fig. 6, c. Ueber d. Bau, insbesondere d. Vater’schen Körper, d. Schnabels d. Schnepfe. 199 den Kolben stehen, sondern im Gegentheil zu zwei deutlich aus- gesprochenen Längsreihen an dem Kolben herabziehen. Im fri- schen Zustande und gehörig vergrössert ist das Bild, wie es in Fig. 4, bb gezeichnet erscheint‘). Die „Kerne“ haben von aussen die Form von dunkeln viereckigen Theilchen, eines vom anderen durch einen hellen Zwischenraum geschieden; zu beiden Seiten folgt die feine, den Kolben umhüllende Fasermasse, und in letzterer sind einzelne zarte Längskerne sichtbar. Auch der Querschnitt lässt dar- über gar keinen Zweifel aufkommen, dass die anscheinenden Wür- felchen, von denen jetzt das einzelne mehr dreiseitig sich ausnimmt, in der That nur zu zwei Reihen vorhanden sind. Natürlich habe ich mich auch nach dem Achsencanal des Kol- bens umgesehen. Derselbe zeigt sich im Stiel des Kolbens mit voll- kommener Rlarheit?), ist aber nach oben zu, soweit der Bereich der zwei Längsreihen der viereckigen Körperchen sich erstreckt, nicht mehr vorhanden, oder ist wenigstens für mich dort unsichtbar gewesen. Nach Anwendung von Reagentien, namentlich von Essigsäure und Glycerin, wodurch der Innenkolben aufquillt, wird die Zeichnung des Querschnittes wieder gerne so, als ob von jedem der zwei nach aussen viereckig erscheinenden Theilchen eine feine Linie sich in’s Innere des Kolbens zöge, die, indem sie sich von beiden Seiten be- gegnet, einen eigenthümlichen zarten Theilungsstrich hervorruft, während zugleich äuch rechts und links von letzterem einige schwache gekrümmte Linien auftauchen. Durch Einwirkung von Essigsäure lässt sich auch noch wahrnehmen, dass nach aussen und nach in- nen ein Contour über die Würfelchen weggeht?). Aus dem Mitgetheilten ist wenigstens so viel ersichtlich, dass die uns beschäftigenden Organe eine zusammengesetztere Bildung besitzen, als man bisher wusste. Was mögen insbesondere die zwei Reihen der nach aussen vier- eckigen Körper bedeuten? Wenn wir uns plötzlich vor etwas Neuem und Unbekannten in der Organisation eines Thieres finden, ist es wohl gerathener zu versuchen, ob nicht das Neue als Abänderung eines schon Bekannten aufzufassen sei, ehe wir uns entschliessen 1) Vergl. auch die zahlreichen, geringer vergrösserten Körperchen auf Fig. 3. 2) Fig. 4, c. 3) Vergl. auf Figur 4 das Vater’sche Körperchen oben und links. 200 Fr. Leydig: anzunehmen, es handle sich um etwas ganz Abweichendes, um eine Bildung eigener Art. Ueberlegt man sich daher, dass der Endkolben im Vater’schen Körperchen mit den Nervenstäben im Auge der Arthropoden in Vergleich gezogen werden darf, so lässt sich vielleicht auf diesem Wege auch etwas Verwandtschaftliches für die zwei quergerippten Streifen, wie man die Reihen der viereckigen Gebilde auch nennen könnte, an den riesigen Nervenstäben im Auge der Gliederthiere antreffen. Und so stelle ich die Vermuthung auf, dass die Längsrippen, welche an den Nervenstäben des Auges zum Theil sehr stark her- vortreten und regelmässig durch Querfurchen sich eingekerbt zeigen, das Entsprechende der quergerippten Streifen sein mögen. Dass die Theile im Auge der Arthropoden in der Zahl vier, am Endkolben der Vater’schen Körper zu zwei sich finden, thut offenbar Nichts zur Sache. Doch steht freilich auch gar Vieles meiner Vergleichung ent- gegen. Da vor Kurzem Max Schultze in einem sehr schönen Werke!) gezeigt hat, dass er sein Interesse auch dem Auge der Krebse und Insecten zuwendet und darlegt, dass die Querwürfelung der Nerven- stäbe durch eine merkwürdige Zusammensetzung von Plättchen zu Stande kommt, so kann ich den Wunsch nicht unterdrücken, es möge diesem in’s Feinste dringenden Beobachter gefallen, auch den Endkolben im Vater’schen Körper des Volgelschnabels zur Unter- suchung heranzuziehen. Haben wir im Bisherigen das Histologische der Vater’schen Körper vor Allem berücksichtigt, so mag jetzt auch erörtert wer- den, wie und wo die Organe im Näheren untergebracht sind und welches überhaupt der Bau des Schnabels sei. Wir beginnen mit dem Knochengerüste. An den gut gerei- nigten Kiefern erscheint auf ihrer Oberfläche die schon Eingangs er- wähnte zierliche Wabenbildung, wie eine Art Sculptur, welche an die Aussenseite eines Fingerhutes erinnern könnte. Man sieht kleine Vertiefungen von theils rundlichem, theils gestrecktem, vieleckigen Umriss; ‚wie die Form wechselt auch die Grösse der Wabe. Diese 1) Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insecten. Zur Feier des 50jährigen Doctorjubiläums des Geh. Med.-Raths Carl August Sigmund Schultze. 1868. Ueber d. Bau, insbesondere d. Vater’schen Körper, d. Schnabels d. Schnepfe. 201 zellige Bildung entwickelt sich besonders nach der Spitze des Schna- bels zu, und erstreckt sich von da an der Oberkinnlade etwa einen Zoll rückwärts; ähnlich ist die Ausdehnung des zelligen Wesens am Unterkiefer. Bemerkt darf auch werden, dass am frisch getrock- neten Schnabel die Grübchen durch den Hornüberzug oder die Kie- ferscheide hindurchschimmern. Legt man scharfe Schnitte senkrecht dureh den Schnabel, so erscheinen die knöchernen Wände der Waben da und dort unter der Form von Knochenspangen mit rauhen zackigen Rändern '). Ihre Knochenkörperchen sind klein, von verschiedener Form, rund- lich, länglich, zackig und stehen sehr dicht. Bei genauer Einstel- lung haben sie das Aussehen heller Lücken. Die Züge, nach denen sie gelagert sind, schliessen sich den Linien des Knochens an; sie verlaufen daher auch kreisförmig um die Gefäss- und Nervencanäle herum. Betrachten wir den Längsschnitt?) durch die ganze Schnabel- spitze, um zu vergleichen, in welchem Maas Knochen, Lederhaut und Epidermis den Schnabel zusammensetzen, so muss auffallen, dass das knöcherne Gestell des Schnabels durch die, wie wir sehen werden, zur Beherbergung der Vater’schen Körperchen nothwendig gewordenen Aushöhlungen, in seiner Substanz sehr zurückgedrängt ist. Ueber das Skelet herum schlägt sich die Lederhaut, welche die Endverbreitung der Blutgefässe und der Nerven, sammt den Vater’schen Körpern, in sich schliesst. Wie Schnitte deutlich darthun, so ist die Lederhaut nach ihrer grössten Ausdehnung an der Oberfläche glatt oder leicht wellig; hin- gegen an der Spitze des Oberschnabels entwickelt sie Reihen von Papillen, welche von unten und oben klein anfangen, allmählig an Grösse zunehmen und gerade an dem etwas hakigen Ende des Schnabels am grössten werden. Im Wesentlichen gleiche Verhältnisse zeigen sich am Unterschnabel, nur in geringerer Entwickelung. Man kann an der Lederhaut ferner unterscheiden: die eigent- liche derbe Cutis, und das weichere, darunter folgende Unter- hautbindegewebe. Die erste?) besteht aus fester Bindesubstanz, dessen bündelförmige Abgrenzungen durch die ästigen Bindegewebs- 1) Vergl. Fig. 3, a. 2) Fig. 2 3) Fig. 3, d. 202 Fr. Leydig: körperchen bedingt sind; auf dem Querschnitt liefert dies feste Bindegewebe eine Zeichnung, wie wenn in einer hellen homogenen Substanz kleine Strahlenzellen sich verbreiteten. Da, wo in Rede stehende Schicht an die oberen Ränder der Knochenwaben stösst, macht sich eine dunkle Zone von elastischen Fasern!) sehr bemerklich. Man sieht nämlich das Kopfende der Knochenspangen wie von einem dichten Gestrüpp feiner Fäserchen umgeben, die sich durch dunkle Farbe, verästeltes Wesen, Verhalten gegen Kalilauge, als elastische ausweisen. Und was noch besonders bemerkenswerth ist, nach Behandlung des Präparates mit der zu- letzt genannten Flüssigkeit lässt sich sicher wahrnehmen, dass das Netzwerk elastischer Fasern in ununterbrochenem Zusammenhang mit der Knochensubstanz steht; die Fasern sind mit andern Worten unmittelbare Ausläufer der Grundsubstanz des Knochens. Am meisten sind die Fasern angehäuft an den Kuppen der Knochenwände, doch ziehen sie sich auch etwas herab in die Wabe, soweit eben die eigentliche derbe Lederhaut sich einsenkt; anderer- seits habe icn aber auch Stellen vor mir gehabt, wo sie in der Tiefe fehlten. In dem weichen Unterhautbindegewebe, welches die Knochen- waben bis auf den Grund erfüllt, liegen die Vater’schen Körperchen, und zwar, wie schon oben gesagt, in allergrösster Menge und so gruppirt, dass sie zunächst der Knochenwand ruhen und im Ganzen gewissermassen einen umgekehrt kegelförmigen Pfropf bilden, in dessen Mitte das Nervenstämmchen, die Arterien und Venen auf- steigen. Am ganzen Schnabel mögen mehr als tausend Vater’sche Körperchen zugegen sein. Wenn man von Beobachtern der Thierwelt im Freien erfährt, dass die Schnepfe den Schnabel in die feuchte Erde, in thierische Excremente und dergl. bohrt, um die Anwesenheit von Würmern und Insecten zu erwittern, so darf man wohl den Schluss machen, dass die Vater’schen Körper in ihrer Eigenschaft als Endorgane der Nerven hierbei ganz besonders behülflich sein werden. Es scheint sich somit ihre Leistung nicht auf ein blosses Tasten zu beschränken, sondern der Schnabel mag mit seinem grossen Reichthum an Vater’- schen Körperchen die Gegenwart von Nahrungsmitteln „schmecken.“ Mit Rücksicht auf die beiden Durchschnitte, welche ich in Fig. 2 1) Fig. 3, ce. Ueber d. Bau, insbesondere d. Vater’schen Körper, d. Schnabels.d. Schnepfe. 203 und Fig. 3 vorlege, sei bemerkt, dass ich bei Fig. 2 die Körper- chen mit Absicht, der Deutlichkeit halber, im Verhältniss zu den übrigen Theilen grösser gezeichnet habe, als sie es sein sollten. Es sind nämlich diese Organe hier am Schnabel in Wirklichkeit sehr klein und gegenüber von denjenigen ‚des Menschen, z. B. aus den Fingerspitzen, oder von denen aus dem Gekröse der Katze geradezu winzig zu nennen. Das Verhalten der Nerven ist unschwer kennen zu lernen. Man sieht starke Aeste, welche im Innern des Knochen nach vorn ziehen und dabei sich verästigen. Die Zweige treten durch Löcher, welche sich auf dem Boden der Knochenzellen finden, in letztere ein und indem sie in die Höhe steigen, lösen sich ihre Fasern ausein- ander, um mit ihrem Ende schliesslich zum Kolben von Vater’schen Körpern zu werden !). Auch zu einer Uebersicht über den Lauf der Blutgefässe vermag man leicht zu gelangen, wenn wir den frischen Schnabel in starken Weingeist werfen und so das Blut zurückhalten; es lassen sich dadurch schöne natürliche Injectionen gewinnen. Man unterscheidet Arterien und Venen, welche in Gemeinschaft der Nerven aus der Tiefe der Knochenzellen in die Höhe steigen; hierbei geben sie seitwärts zahlreiche Zweige ab, welche die Vater’- schen Körperchen umspinnend sich zu einem dichten Netz auflösen. Dann weiter nach aussen in die Lederhaut vorgedrungen, zerfallen die Stämmchen büschelförmig; die Büschel treten in Verbindung unter einander und entwickeln ein Capillarnetz im obersten Theil der Lederhaut unmittelbar unter der Epidermis. Wo an der Schna- belspitze die Lederhaut sich zu Papillen erhebt, steigen die Blut- capillaren unter Schlingenbildung auch in diese auf. Es erscheint mir bemerkenswerth nicht bloss, dass die ganze Gefässausbreitung etwas sehr Zierliches an sich hat, sondern dass die Haut des Schnabels, in der Eigenschaft als Träger zahlreicher ner- vöser Organe, einen grossen Reichthum von Blutcapillaren aufzeigt, was mich lebhaft an das gleiche Verhalten in den Nervenausbrei- tungen der Sinnesorgane erinnert. Endlich wäre noch der Epidermis zu gedenken. Quer- und Längsschnitte belehren uns, dass die Dicke der Oberhaut auf der Rückseite des Oberschnabels, namentlich an der gewölbten Spitze, 1) Fig. 2, Fig. 3, b. e 204 Fr. Leydig: am grössten ist; sie wird dünner nach unten und innen zu. Ihre Trennung in Hornschicht und Schleimschicht durch eine scharfe Grenzlinie erscheint sehr ausgeprägt). Die Hornschicht am Rücken des Schnabels hat eigentlich in ihrer Härte und histologischen Beschaffenheit eine gewisse Aehn- lichkeit mit jenen Horngebilden, welche als Nägel und Krallen an- gesprochen werden. Die Zellen besitzen ein streifiges Innere und der Kern, von Gestalt länglich und am einen oder den beiden Enden zweizackig, nimmt sich aus wie eine Lücke; selbst mit der Tauch- linse betrachtet, ist die Lichtbrechung nicht die eines soliden Kör- pers, sondern die eines spaltförmigen Hohlraumes. Die Schleim- schicht besteht in der Tiefe aus länglichen, weiter nach oben aus rundlichen Zellen. Von Farbstoffen enthält die Horn- oder Nagelschicht nach aussen an vielen Stellen etwas braunkörniges (schwarzes) Pigment; in der Schleimschicht, zunächst der Lederhaut, wiederholt sich die- selbe Pigmentart; während man, nach oben zu, noch eine gelbliche Zone bemerkt, welche auf der Anwesenheit gelbgefärbter Fettkörper- chen beruht und in Glycerinpräparaten verschwindet. 1) Vergl. Fig. 2, e, f. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Fig. 1. Ende des skeletirten Oberschnabels der Waldschnepfe, Scolopax rusticola. L. Mit der Loupe vergrössert. Man sieht die wabige Oberfläche. Fig. 2. Längsdurchschnitt durch den noch mit seiner Haut bekleideten Oberschnabel. Gering vergrössert. a. Knochengerüst; b. Epidermisüberzug (Kieferscheide); ce Lederhaut. Fig. 3. Stück eines Querdurchschnittes, unter starker Vergrösserung. a. Knochengerüst (Wände der Waben); b. Nerv und Vater’sche Körperchen; in den beiden andern Waben sind ausser dem Vater’schen Körper und durchschnittenen Nerven noch vor- zugsweise die Blutgefässe zu sehen; . elastische Netze; . eigentliche Lederhaut; . Schleimschicht der Epidermis; . Hornschicht (Kieferscheide). Fig. 4. Aus dem Inhalte der Knochenwaben bei sehr starker Vergrös- mo mc serung. a. Das Bindegewebe, in welches Blutgefässe, Nerven und Vater’sche Kör- perchen gebettet sind; bbb. die Vater'schen Körperchen; zwei nach ihrer Länge, eines im Quer- schnitt dargestellt; c: durchschnittene Stiele von -Vater’schen Körpern; d. Nerven. j j BR Y Kö Rh, un Hau) Kr Mk: ad ugd Ya a a, oh, u Mr ML F EL sah | } i Ir N Fe Ri dorhgt Bird Fly ar ns E RB, iB: het Te TR Fr RR $ ME Fe 7a Y Kir! dr) re ’ L Ye fi BEE tz RBRn: wer e N al Mahl BEFREIEN 201717, 5 © Er Y % Ö ; ‘; 2 , h a 2 HN; j A WR hi Rt h FD EHER DET PAD Ye Mr isbre ve ’ BIN er me ER ah ., e Fo Ww DESTE FELL end Wa ‚ ER ha Dh er nis ? w is ch Bi 5 e Ras Kar a ru ee A IT ab Vreslk s x . Pr! L D R w' Ei ” Er “ WIR #37 Br Fr Pe Pr ITN, + a in ir en D -. N, " { I Br > u DR ; a re" NA 2 ei, int Er vorn, wfhs Kr BUT, gt lt, an Aa 4 ia er malf ur f i r A 4 y r PA PT: iR fs { ar Ken oA Pi N Y Au u. 2 ‚ Wr PITıH OR 4“ ei Au Wh I RE ; } i Se Aare an un I e ' = Wa Bir. sh i Aa Bel, he Ban (A Haken ya ihr a Kar J ; IR VRRCHER ara u : eh 4 Da n we‘ fan RR ki u mi 7 or wid Na Bo ee sch | ff ERS el Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. Von ©. Kupffer, Professor in Kiel. Hierzu Tafel XVI, XVII und XVII. Die vorliegenden Untersuchungen hatten vorzugsweise die Er- mittelung der ersten, grundlegenden Vorgänge bei der Entwicklung der Knochenfische zum Gegenstande und die Anregung war gegeben durch die vortreffliche Gelegenheit, die der Kieler Hafen bietet. In den Monaten Juni und Juli kann man täglich frische Eier von vier Arten haben, nämlich von Gasterosteus aculeatus, Spinachia vul- garis, Gobius minutus und Gobius niger. Und gerade diese Eier sind in vielen Stücken ganz ausgezeichnete Objecte, besonders inter- essant noch dadurch, dass dieselben innerhalb der mannichfachen Variationen, die die Knochenfische in den ersten Entwicklungsphasen zeigen, gleichsam Extreme repräsentiren. Dadurch bieten die über- einstimmenden Erscheinungen eine Gewähr allgemeiner Gültigkeit. — So denke ich, dass man in den mitgetheilten Resultaten einen merk- lichen Schritt vorwärts zur Erkenntniss des Bildungsgesetzes dieser Thierclasse finden wird. Sehr muss ich bedauern, dass eine empfind- liche Lücke unausgefüllt bleiben musste, die Entwicklung des Darmes. In diesem Puncte liess mein Material mich im Stiche. Das Ver- hältniss des Darms zum Dottersack kann nicht anders, als am pla- nen Querschnitt studirt werden, und gerade dazu waren diese Em- bryonen nicht geeignet. Eine Aussicht, die sich im Herbste bot, M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 14 . 210 C. Kupffer: durch die Gefälligkeit der Begründer einer Anstalt für künstliche Fischzucht in Lübeck Lachseier zu erhalten, wurde nicht realisirt, da sich die Sendungen aus dem Süden, von Hüningen und München, so verspäteten, dass die eintreffenden Embryonen bereits den ge- schlossenen Darm besassen. Mit Genugthuung aber kann ich auf eine Arbeit hinweisen, die in diesem und andern Stücken eine er- freuliche Ergänzung bietet, auf die Inauguraldissertation des Dr. Alexander Rosenberg!) aus Dorpat, die die Entwicklung der Niere der Teleostier zum Gegenstande hat und dabei auch über die erste Anlage des Darms Aufschluss bietet. Trotzdem bleibt noch Manches in dieser Sache zu klären und ich denke das kom- mende Frühjahr nach Möglichkeit auszubeuten, um einen befriedi- genden Abschluss bieten zu können. Der Keim. Ich muss leider diese Mittheilungen mit dem Geständniss einer Lücke in meinen Beobachtungen beginnen, die sich auf den Ur- sprung des Keimhügels bezieht, worüber mein nächster Vorgänger, Lereboullet, sich mit grosser Bestimmtheit ausspricht. Seine aus- gedehnten Arbeiten über die Entwicklung des Hechtes, des Bar- sches?) und der Forelle?) geben ihm übereinstimmend das Resultat, in dem Keimbläschen den Bildungsheerd der Substanz des Keim- hügels zu erblicken. — Es ist bekannt, dass C. Vogt zuerst dem Keimbläschen im Ei der Fische die Rolle zuschrieb, durch endogene Zellenbildung die Elemente zum Aufbau des Embryo zu liefern ®); diese sollten, durch das Platzen des Keimbläschens, ihrer Mutter- zelle, befreit, direct zur Bildung des Keims (germe primitif) zu- sammentreten und der Furchungsprocess war damals für Vogt nur 1) Untersuchungen über die Entwicklung der Teleostier-Niere. Dor- pat 1867. 2) Recherches d’Embryol. comparee sur le developpement du brochet, de la perche et de l’ecrevisse. Paris 1862. 3) Recherches sur le developp. de la truite. Ann. des sc. natur. 4me serie Tome XVI 1861. 4) Embryologie des Salmones. pag. 305. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 211 der Ausdruck einer gruppenweisen Vermehrung der schon vorhan- denen Zellen des Keims!). Seitdem war ein durchgreifender Um- schwung der Anschauungen eingetreten und Lereboullet ist dem- selben nicht fremd geblieben. Er schildert die Vorgänge daher in einem wesentlichen Puncte abweichend von Vogt. Er lässt näm- lich die endogen in dem Keimbläschen gebildeten Zellen, die Träger des »plastischen Stoffes« (substance plastique), gleichzeitig mit dem Keimbläschen bersten und ihren Inhalt, bestehend aus einer granu- lirten, feine glänzende Körnchen enthaltenden Substanz sich im ganzen Dotter verbreiten. Alle diese Körnchen und fein granulirten Massen sollen sich dann beim Hecht und Barsch?) schon vor der Befruchtung, bei der Forelle?) erst nach diesem Acte zu der mehr oder weniger erhöhten Scheibe an einem Pol des Eies sammeln und so den Keim (germe) bilden. Vogt sah bei Coregonus Palaea den Keim auch erst nach der Befruchtung auftreten, während K. E. von Baer?) beim Güster (Cyprinus blicca) denselben am un- gelegten Ei vorfand. Ich kann über alle der Befruchtung vorhergehenden Verhält- nisse nicht aus eigener Anschauung urtheilen und verzichte daher* auch auf eine Kritik der Angaben Lereboullet’s. Die jüngsten Eier, die ich erhielt, stammten von Spinachia vulgaris und wurden eine Stunde nach der Befruchtung untersucht. Ich kann diesen Termin so genau angeben, weil ich das Legen und die Befruchtung im Neste vom Boot aus verfolgte. Hier war die Keimscheibe bereits deutlich vorhanden, allein sie verdünnte sich nach der Peripherie hin zu so durchsichtiger Schicht, dass ihre Grenze auf der Dotter- kugel nicht wohl unterscheidbar war. Die erste Furchungsrinne trat zwei Stunden nach der Befruchtung auf. Gleicherweise habe ich von Gasterosteus aculeatus und zwei Gobiusarten (G. minutus und niger) Eier erhalten, an denen die Furchung noch nicht begonnen hatte, ohne aber über den Zeitpunct der Befruchtung hier eine An- gabe machen zu können. In allen diesen Fällen war es mir nicht möglich, sicher zu bestimmen, ob die Keimscheibe in der Zeit bis zum Auftreten der ersten Furchungsrinne noch an Masse zunahm, 1) Embryol. des Salmones pag, 36. 2) 1. c. pag. 28 8. 12. 3) Ann. des sc. nat. 1861. pag. 122. 4) Entwicklungsgeschichte der Fische. Leipzig 1835. pag. 4. . 212 C. Kupffer: d. h. ob noch aus dem Innern der Dotterkugel , wie Lereboullet will, Masse anschoss, oder ob die ganze Portion bereits auf der Oberfläche abgelagert war. Dagegen lässt sich mit voller Klarheit an jedem Ei beobachten, dass bis zur Furchung die Substanz der Keimscheibe sich stetig gegen den Pol hin, in den ihr Centrum fällt, — ich will denselben Keimpol nennen — concentrirt. Am schönsten war es an einigen Eiern von Belone vulgaris zu sehen, die ich ausserhalb der Kieler Bucht mit dem Schleppnetz erlangt hatte. Bis ich nach Hause kam verflossen sechs Stunden, nichtsdesto- weniger. bedeckte um die Zeit die Substanz der Keimscheibe in dünner Lage etwa die Hälfte der grossen pelluciden Dotterkugel. Die Substanz war sehr fein granulirt und leicht röthlich-gelb ge- färbt, durchaus ohne gröbere feste Partikeln. Am Keimpol war die Schicht am stärksten, immerhin aber nur !/su des Durchmessers der Dotterkugel einnehmend und lief dann gegen den Aequator der Dotterkugel so dünn aus, dass die Grenze nicht wahrzunehmen war. In den nächsten zwölf Stunden hatte sie sich zu einer Scheibe concentrirt, deren Durchmesser etwa 25° auf der Peripherie der »Dotterkugel einnahm. Um die Zeit trat die erste Furche auf und gleich darauf die zweite, rechtwinklig darauf. Leider gingen mir diese schönen Eier zu Grunde, ehe die Furchung ganz abgelaufen war. — Aehnliches gewahrt man an den Eiern von Syngnathus, Spinachia, Gasterosteus, nur dass der Vorgang der Concentration sich bei den beiden letztern viel rascher, in ein bis zwei Stunden vollzieht. Diese vier Fische stimmen ferner darin überein, dass selbst beim Auftreten der ersten Furche der Rand der Keimscheibe sich noch nicht scharf abgrenzt. Erst nachdem durch die Kreuzfurche vier Furchungskugeln entstanden sind, rundet sich der Rand einer jeden bestimmt ab. — Anders ist es bei den Fischen, die einen im Ver- hältniss zur Dotterkugel grossen Keimhügel zeigen, wie bei Gobius und Perca. Die Fig. 15 zeigt das Ei von Gob. minutus, anderthalb Stunden vor Beginn der Furchung. Man sieht, der Keimhügel kommt der Dotterkugel an Ausdehnung mindestens gleich, ist fast kuglig con- centrirt und umfasst nur ein vergleichsweise geringes Segment der Dotterkugel, auf der sein Rand sich deutlich abzeichnet. Die Ver- jüngung seiner Basis erfolgte, während ich das Ei beobachtete, es fand eine Zusammenziehung der Masse gegen den Mittelpunct des Hügels statt. Ich wäre darnach geneigt, diese Concentration als eine Wirkung Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 213 der Befruchtung anzusehen, indessen Lereboullet behauptet, dass beim Ei des Hechtes der Vorgang in ganz gleicher Weise erfolge, mag das Ei befruchtet sein oder nicht. Auch in letzterm Falle sah er, und zwar innerhalb derselben Zeit, einen Hügel sich erheben und sich sphärisch abrunden !). Da er ein reiches Material zu künstlicher Befruchtung besass, so lässt sich an dieser Angabe nicht zweifeln und es wird wahrscheinlich, dass die Einwirkung des Was- sers auf das Ei ein wesentliches Moment hierbei abgiebt. Der Zusammensetzung nach unterscheidet sich die Substanz des Keims bei Gobius und Perca von der der vorher genannten Fische dadurch, dass sich zahlreiche grössere feste Partikeln von rundlicher und eckiger Form darin finden, die den Hügel undurchscheinend machen und Zellen vortäuschen können, so dass man Eier vor der Furchung und nach vollständigem Ablauf derselben kaum zu unter- scheiden vermag (ef. Fig. 15 und 17). Ueber den Furchungsprocess gehe ich ebenfalls rasch hinweg, da ich zu dem Bekannten nichts hinzuzufügen habe, was neue Ge- sichtspunete zur Beurtheilung des Processes eröffnete. Bei den Fischen der ersten Gruppe kreuzen sich die beiden ersten Furchen in der Regel im Centrum der Scheibe, aber doch nicht immer, bis- weilen tritt die zweite excentrisch auf. In seltenen Fällen erschei- nen zuerst zwei Parallelfurchen. Trotz der gleichmässigen, durch- scheinenden feingranulirten Beschaffenheit der Keimscheibe konnte ich bei diesen Fischen an den Furchungskugeln erst spät, am Ende des Processes, die Kerne entdecken. Bei Gobius dagegen sind schon an den ersten vier Kugeln die Kerne nicht zu übersehen (ef. Fig. 16, die ein etwas späteres Stadium darstellt). Sie lassen sich auch unschwer mit der Nadel isoliren und sind im frischen Zu- stande ganz wasserklare kuglige Blasen, mit meist zwei Kernkör- perchen; in grösserer Zahl fand ich die letzteren nicht. Ein Umstand ist bei jenen Fischen der ersten Gruppe constant zu beobachten, der auf eine directe Antheilnahme des Fettes im Dotter an dem Furchungsprocesse hindeutet. Dieses Fett bildet einen Haufen von Tropfen verschiedener Grösse, die bei Syngnathus die Keimscheibe unten und seitlich umgeben, wie Vogt es auch von Coregonus, Lereboullet vom Hecht schildert (disque huileux). Bei Gasterosteus und Spinachia flottiren die Tropfen lose an einander 1) 1. c. pag. 32. e 214 C. Kupffer: haftend ziemlich frei im Dotter und nehmen deshalb stets den höchsten Punct ein. Ein Theil des Fettes bleibt aber, wie man auch das Ei drehen mag, stets an der Unterfläche der Keimscheibe haften und zertheilt sich da staubartig in äusserst feine Partikeln, die man von unten her in-die Substanz der Keimscheibe eindringen sieht. Da bildet es eine den untern Theil der Scheibe einnehmende Wolke, die bei der Furchung gleichmässig zerlegt wird, so dass jeder Furchungskugel ein Antheil zufällt. Sehr schön ist es bei Gasterosteus und Spinachia zu sehen, an denen bei acht vorhan- denen Furchungskugeln diese sämmtlich noch in einfacher Lage neben einander geordnet sind; jede Kugel zeigt dann einen dunklern feinpunctirten Fleck in ihrer untern Hälfte, von diesem Fett gebildet. Eine "derartige Absonderung eines Theils des Dotterfettes und in- time Anlagerung an einen eben in lebhafterer Entwicklung begrif- fenen Theil des Embryo sieht man auch später mehrfach constant an dem Hinterende, wenn dasselbe sich abgrenzt und aus der Keim- haut hervorzutreten beginnt; ein directes Eindringen der feinen Fettpartikeln wie hier in die Keimscheibe habe ich aber sonst nicht mit Bestimmtheit beobachten können. Ich vermag Lereboullet nicht zu folgen, wenn er, wie mehr- fach in seinen vorher citirten Arbeiten, so noch zuletzt in einer besondern Abhandlung !) einen complieirten Modus der Entstehung der Embryonalzellen vertritt, wonach sie nicht direct aus den Furchungskugeln herstammten. Die Fische, an denen ich die Fur-. chung von Anfang bis zum Ende verfolgte, Gasterosteus, Spinachia, Gobius, boten mir keinen Anhaltspunct zu solcher Auffassung, be- stätigten vielmehr die herrschende Ansicht, dass die Zellen, aus denen die Keimhaut sich bildet, die directen Endglieder des Fur- chungsvorganges sind, mit Ausnahme einer besondern Schicht, von der weiter unten die Rede ist. Hinsichtlich eines andern Verhältnisses, das Lereboulletin sei- ner Darstellung besonders betont, muss ich zögern, ein bestimmtes Urtheil abzugeben Es betrifft das Erscheinen einer Höhle in dem Keimhügel nach beendeter Furchung. Er schildert es beim Hechte?) derart, als sei es ganz leicht, den durch angesäuertes Wasser coa- 1) Nouvelles recherches sur la formation des premieres cellules embryo- naires. Ann. des sc. nat. Zool. II. 1864. pag. 5. 2) 1. c. pag. 41. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 215 gulirten Keim ohne Beschädigung von der Dotterkugel abzuheben und dann durch Zerreissen mittels Nadeln die Existenz eines spalt- förmigen Hohlraums darzuthun. An einem spätern Stadium, nach- dem sich der Keim bereits kappenartig über die Dotterkugel aus- gebreitet hat, will er es dennoch erreicht haben, die Kappe nach erfolgter Coagulation intact von der Dotterkugel zu lösen, indem er das Ei anstach, es im Aequator halbirte und einen leichten Druck auf die Hälfte ausübte, die den Keim enthielt. Darnach liess sich das isolirte Object mit der Scheere der Dicke nach spalten und zeigte eine Zusammensetzung aus zwei durch einen Spalt ge- trennten, an dem Rande in einander umbiegenden Blättern !). Die dieses Verhältniss illustrirende Abbildung?) lässt an Deutlichkeit des Spalts wenig zu wünschen übrig. Dieselbe Angabe hält er auch beim Barsch und der Forelle aufrecht und sieht demnach in der Keimhaut von Anbeginn zwei separirte Blätter. Vogt hat bekannt- lich bei Coregonus distinete Keimblätter nicht wahrgenommen und erwähnt auch mit keiner Sylbe einer etwa zeitweilig vorhandenen Furchungshöhle. Es bedarf nicht vieler Worte, um ein gewisses Misstrauen ‚gegenüber der Angabe zu rechtfertigen, dass sich mit solcher Leichtigkeit ein so präcises Resultat erlangen lasse. Die mir zugänglichen Eier boten bei Prüfung dieser Frage Hindernisse dar, die ich bisher nicht zu überwinden vermochte. Solche lagen theils in der Kleinheit der Eier, wie bei Gobius, theils in der Festigkeit und Prallheit der äussern Eihaut, wie bei den Gasterostei, die eine behutsame Eröffnung nicht gestattet. Direct von aussen her an dem in normaler Lage befindlichen Keim habe ich eine Höhle nicht wahrgenommen. Der gefurchte Keim von Gobius niger liess sich durch mit Schwefelsäure leicht angesäuertes Wasser in eine Consistenz versetzen, dass eine Halbirung mittels der Schneide einer Staarnadel unter dem Mikroskope möglich war, ohne dass das Object zerbröckelte oder gequetscht wurde, und einige Mal sah ich da allerdings einen Hohlraum in der Mitte. Indessen gewährt das keine Sicherheit dafür, dass man es mit einer präformirten Höhle zu thun hat. Denn das Ansäuern des Keims schafft leicht die mannichfachsten Difformitäten, partielle Hervortreibungen,, Spal- tungen etc., besonders ist Chromsäure hier gefährlich. Sicherheit 1) 1. e. pag. 43. 2). pl. 1. 27. . 216 C. Kupffer: 'böte in dieser Hinsicht nur der Nachweis einer regelmässigen An- ordnung der Furchungselemente um die Höhle. Natürlich bin ich weit entfernt, diesen Misserfolg als Argument gegen Lereboullet zu verwenden, ich bin im Gegentheil der Meinung, dass seine Angabe der sorgfältigsten Prüfung werth ist, nachdem durch die wichtige Arbeit vonKowalewsky über die Entwicklung des Amphioxus eine Furchungshöhle bei diesem Thiere nachgewiesen ist, die eine hohe Bedeutung für die fernere Entwicklung hat, indem sie sich zur Lei- beshöhle umgestaltet ). Lereboullet’s zweiblättrige Keimhaut des Hechteies, die aus einer Hohlkugel hervorgehend in Becherform den Dotter umspannt, hat grosse Analogie mit dem ebenfalls aus der Hohlkugel durch Einstülpung entstehenden zweiblättrigen Becher, wie der Embryo von Amphioxus zuerst erscheint. Eine wesentliche Störung erwächst für diese Vergleichung indessen daraus, dass nach Lereboullet’s bestimmter Versicherung das innere Blatt des Bechers nicht als Darmblatt (feuillet muqueux) aufzufassen ist, sondern dem mittleren Keimblatte der höhern Thiere zu vergleichen wäre?2), während das eingestülpte Blatt bei Amphioxus zum Darm wird. Damit würden die beiderlei Furchungshöhlen incomparabel, die von Lereboullet beschriebene hätte dann keine andere Bedeu- tung, als die des Spalts zwischen Hornblatt und mittlerem Blatte der höhern Thiere. Allein die Acten sind darüber wohl noch nicht geschlossen. Auch mit der vergänglichen und ihrer Bedeutung nach räthselhaften Furchungshöhle der Batrachier und Cyelostomen ?) würde sich, soweit die beiderseitigen Angaben reichen, eine directe Vergleichung nicht durchführen lassen. Die Keimhaut. Ich habe hier damit zu beginnen, die Aufmerksamkeit auf einen Vorgang hinzulenken, der beim Ei der Stichlinge in sehr klarer Weise der Beobachtung sich darbietet und mir von höherer Bedeu- tung zu sein scheint. Die zu besprechende Phase wird ungefähr durch Fig. 1 re- präsentirt. Der Keimhügel prominirt halbkuglig, die Furchung ist 1) Ztschr. f. rat. Med. Jahresb. f. 1865. pag. 208. 2) Recherches d’Embr. comp. pag. 44. 3) Max Schultze, Entwickl. von Petromyzon Planeri. Natuurk. Ver- handel. 12 Deel. 1856. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 217 so weit vorgeschritten, dass die Oberfläche des Hügels ein glattes Aussehen hat, die Basis des Hügels ist aber nicht ausgedehnter als am Beginn der Furchung, die Furchungszellen haben Membranen erhalten, zeigen deutliche, etwas glänzende Kerne, theilen sich aber noch fortwährend. Um diese Zeit nun sieht man sowohl bei Ga- sterosteus, als bei Spinachia, besonders schön bei letzterm Fisch, auf der Oberfläche der Dotterkugel, rngs um den Rand des Keimhügels Kerne auftreten, die in ganz regelmässiger Weise angeordnet sind. Es sind wasserklare, runde Bläschen, ohne irgend welche Körnchen im Innern, die in concentrischen Kreislinien, auf. das Centrum des Keimhügels bezogen, sich gruppiren. Der Abstand der einzelnen Bläschen von einander ist durchaus ein gleicher in allen einzelnen Reihen und beträgt etwa das Dreifache des Durchmessers der Bläs- chen selbst; um eben so viel stehen die einzelnen Reihen von ein- ander ab. Die Stellung in den Reihen ist eine derartige, dass für je zwei benachbarte Reihen sie regelmässig alterniren (cf. Fig. 1). Es wird zunächst die dem Rande des Keimhügels nächste Reihe sichtbar, dann successive die folgenden. Mehr als fünf Reihen konnte ich nicht zählen, denn dann begann die Ausbreitung des Keimhügels und es wälzte sich die Masse seiner Zellen über diese Bildungen hinweg, die von da an verdeckt blieben. Bevor aber diese Zone der Beobachtung entzogen wird, vermag man noch einen weitern Fortgang des Processes bestimmt zu constatiren. Man sieht näm- lichezwischen den bläschenartigen Kernen zarte Contouren auftreten, die genau an einander schliessende polygonale Felder umgrenzen, deren Mittelpuncte die Kerne einnehmen, kurz es entsteht eine Lage eines regelmässigen, aus hexagonalen Zellen gebildeten Platten- epitheliums. Da die Zellecontouren sehr zart sind und in derselben Reihenfolge hervortreten, als es bei dem Erscheinen der Kerne der Fall war, nämlich zuerst an der dem Rande des Keimhügels näch- sten Reihe und successive an den folgenden, so übersieht man die- selben leicht und es ereignet sich auch, dass die Zellen des Keim- hügels darüber hingehen, sobald eben an der ersten Reihe die Con- touren auftreten. Untersucht man mehrere Eier desselben Stadiums, so wird man die Contouren nicht vermissen. — Die erste Vermu- thung hinsichtlich dieser Bildungen, die sich dem Leser aufdrängen dürfte, bevor ihm die Gelegenheit zu eigener Beobachtung darge- boten ist, wäre wohl die, dass es die ersten die Ausbreitung begin- nenden Zellen des Keimhügels seien. Dem widerspricht einmal die . 218 C. Kupffer: Genese, und dann Differenzen in Grösse und Aussehen dieser Zellen und der des Keimhügels vor und nach Beginn der Ausbreitung. Auf den Ursprung muss ich hier das Hauptgewicht legen, es treten ganz entschieden zuerst nur die Kerne auf und diese sind grösser, als die in den Zellen des Keimhügels zur selben Zeit. Das Er- scheinen der Kerne gleicht demselben Vorgange in der flüssigen Blastemschicht der Insecteneier (@Musca, Chironomus), aus der die Keimhaut dort entsteht. In eine solche flüssige oder halbflüssige Substanzschicht müssen natürlich auch hier die Kerne eingebettet sein, die Lage ist aber zu dünn, als dass sie an der Peripherie des Dotters wahrgenommen werden könnte. Wenn die Zellcontouren um die Kerne auftreten, zeigt sich, dass die einzelnen Zellen um ein Beträchtliches, um das Doppelte und Mehrfache grösser sind, als die später am Rande der Keimhaut vorhandenen, von denen weiter unten die Rede ist, — Ich muss nach Allem annehmen, dass diese besonderen Zellen nicht aus den Furchungszellen herzuleiten sind und kann dieselben, so weit meine Beobachtung reicht, nur auf einen Vorgang zurückführen, der in die ec der »freien Zellenbildung« fällt. Nachdem ich diese Beobachtung gemacht, gewann eine Angabe von Lereboullet, die ich vorher als vage und unsicher glaubte igno- riren zu müssen, einiges Gewicht. Ich will seine betreffenden Mit- theilungen, die sich zerstreut finden, gedrängt zusammenstellen: Als ersten Effect der künstlich ausgeführten Befruchtung »des Hechteies schildert er eine Scheidung der Elemente des Keims in zwei Gruppen; die obere Portion bildet den sich furchenden Theil des Keims und wird durch diese Scheidung klar und durchsichtig, die untere Portion wird von Dotterkügelchen (globules vitellins) ge- bildet, die vorher als feste Partikeln von verschiedener Grösse in der Substanz des Keims suspendirt waren und nun an der untern Fläche desselben sich sammelnd eine besondere Lage zwischen dem sich furchenden Keim und dem Dotter herstellen ). Weiterhin heisst es?), diese Dotterkügelchen bildeten sich zu Zellen um, die als dünne Membran unter der aus den Furchungszellen gebildeten Keimhaut, gleichmässig mit dieser fortschreitend, das Ei umwächst. 1) Embryol. compar. pag. 34. Ann. sc. natur. IV. Ser. zool. T. XX. 1863. pag. 180 segg. 2) l. c. pag. 44. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 219 Und an einer andern Stelle!): Die Zellen dieses innersten Blattes sind rund oder oval und stehen von einander ab, indem eine amorphe Masse die Zwischenräume ausfüllt. Den Nachweis will Lereboullet dadurch geführt haben, dass er an dem mit Säure be- handelten Ei die coagulirte Keimhaut mit Nadeln abhob, dann blieb angeblich jene Membran noch intact an der Dotterkugel haften. — Von der Forelle wird gar gesagt?), die unter dem Keim gelegene Membran sei homogen, granulirt, die Mitte derselben sehr zart und durchsichtig, der Rand dagegen beträchtlich stärker und ausgezeich- net durch die Menge und Grösse der darin enthaltenen Tropfen flüssigen Fettes. Beim weitern Wachsthum schreite der Rand dieser Membran (membrane sousjacente, ou feuillet muqueux) der Keim- haut immer voraus), und zeige in seiner Zusammensetzung grosse granulirte Zellen, untermischt mit zahlreichen Fetttropfen. Etwas weiter ist aber von Zellen in dieser Schicht nicht mehr die Rede, sondern es heisst, die Fetttropfen seien in die granulirte Masse ®) eingebettet, aus welcher diese Schicht zu dieser Epoche bestehe. Ich finde nun zwar in dieser Beschreibung meine regelmässig gestellten Kerne nicht wieder und vermag auch in der erläuternden Abbildung, die Lereboullet giebt, nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem Bilde, das mir vorlag, zu entdecken. Seine Zeichnung giebt, entsprechend der Beschreibung, von einander abstehende Zel- len wieder, die nach Gestalt und Anordnung nicht regelmässig sind. Kurz, wir haben nicht dasselbe gesehen. Es ist mir ferner eine so gebaute Membran, wie er sie zeichnet und schildert, verdächtig, denn in den ersten Bildungen schliesst sich doch stets Zelle an Zelle und es liegt nahe, daran zu denken, dass solche zerstreute Zellen, die durch eine granulirte Zwischenmasse zusammengehalten werden, Reste des coagulirten und mechanisch vom Dotter abgelösten Keims sind, die bei dieser Procedur auf dem Dotter zurückblieben und durch Gerinnungsproducte zu einer continuirlichen Schicht verbun- den werden. — Indessen andererseits kann ich das besprochene Phänomen doch auch nur dahin deuten, dass unter dem sich fur- chenden Keime, respect. der Keimhaut, ein besonderes Blatt sich 1) 1. ce. pag. 48. 2) Developp. de la truite etc. 1. c. pag. 134. 3) l. ec. pag. 136. 7 4) l. c. pag. 139. . 220 C. Kupffer: bilde, das nicht aus den Furchungszellen herzuleiten ist, denn die “ Zellen desselben entstehen frei in einer den Dotter bekleidenden dünnen Blastemschicht, indem als Erstes die Kerne derselben erschei- nen. Es scheint mir ganz zweifellos, dass diese Bildung nicht auf die Zone beschränkt bleiben kann, in der ich sie erblickte, sondern über die ganze Oberfläche des Eies sich ausbreiten muss, denn jene Zone hat für die weitere Entwicklung gar keine besondere Bedeu- tung; die Ausdehnung wird aber verhüllt durch den sich darüber ausbreitenden Keim. Ob dieses Blatt wirklich zum Darmdrüsenblatt wird, muss da- hingestellt bleiben, vielleicht ist es nur eine vorübergehende Bildung, was aber wohl unwahrscheinlich. Lereboullet hat natürlich auch keinen andern Grund für diese Deutung als den, dass es die in- nerste, dem Dotter unmittelbar aufliegende Lage abgiebt. So werde ich genöthigt, eine Angabe zu stützen, gegen die ich von vornherein widerstrebte und die mir in den Einzelheiten von Seiten ihres Urhebers mangelhaft begründet erschien. Allein die Bilder, die ich in häufiger Wiederkehr zur Beobachtung erhielt, waren so deutlich, als man irgend zum Beweise wünschen kann, so dass ich ohne Rückhalt aussprechen muss: ein innerstes, unmittel- bar den Dotter überziehendes Blatt entsteht anders als die übrige Keimhaut; während diese letztere aus den Furchungszellen sich zu- sammensetzt, entsteht jenes aus Zellen, die nicht unmittelbare De- rivate der Furchungszellen sind, sondern »frei« in besonderer Blastem- schicht auftreten. Der nächstfolgende Vorgang ist die Abflachung und Ausbreitung des Keimhügels über die Dotterkugel. Im Wesentlichen ist dieser Vorgang von allen frühern Beobachtern übereinstimmend geschildert worden und man kann denselben kurz dahin resumiren: die aus der Furchung hervorgegangene Zellenmasse, die hügelartig an dem einen Pol des Eies — Keimpol — angesammelt ist, umwächst gleich- sam ausfliessend als membranartige Lage — Keimhaut — die Dotter- kugel und zwar vollständig, so dass sie am entgegengesetzten Pol zum Schlusse kommt. Der letzte Act der Umwachsung vollzieht sich bei den Einen (Gobii) rascher, bei den Andern (Gasterostei) langsamer, so dass bei den letzteren am Schwanzpol längere Zeit hindurch eine kreisrunde, von einem Wall der Keimhaut umgebene Oeffnung zu sehen ist, in deren Grunde man die noch unbedeckte Dotterkugel erblickt. C. Vogt nannte diese Oeffnung trou vitellaire Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 221 und ich will daher die Bezeichnung Dotterloch wählen. Ich befinde mich mitK.E.von Baer, Vogt und Lereboullet in Uebereinstim- mung, wenn ich dieser Lücke keine besondere Bedeutung beilege. Danach Max Schultze!) bei Petromyzon der Schluss nicht erfolgt, ‚sondern das Loch zum After sich gestaltet, Rusconi’s Lehre vom primordialen After der Batrachier damit eine Stütze erhält, so be- tone ich es noch besonders, dass auch bei den von mir beobachteten Knochenfischen jedenfalls ein primordialer After sich nicht bildet. Während diese Umwachsung des Dotters durch die Keimhaut erfolgt, treten in der letztern Sonderungen und Neubildungen auf, die den Grund zur Bildung des Embryo legen. Ich freue mich, constatiren zu können, dass ich mich hinsichtlich der Elementarvor- gänge, die jetzt zur Besprechung kommen sollen, mit Lereboullet in Uebereinstimmung finde. Um den Gang der Darstellung nicht zu unterbrechen, werde ich die Vorgänge im Zusammenhange be- schreiben, wie ich sie an den beiden Fischgattungen, die mir zu Gebote standen, beobachtet habe, am Schlusse des Abschnittes dann Coineidenz und Abweichung unserer beiderseitigen Wahrnehmungen hervorhebend. Bei den Gasterostei erfolgt die Anlage des Embryo im engern Sinne, bevor die Keimhaut die halbe Dotterkugel überzogen hat. Der Vorgang wird folgendermassen eingeleitet: Sobald die Keimhaut soweit ausgedehnt ist, dass ihr freier Rand etwa 45° vom Keimpol absteht, tritt ein Unterschied hervor zwischen den Zellen des Ran- des und denen der mittlern Region. Die letztern flachen sich ab, werden durchsichtig, fügen sich nach Art eines Pflasterepitheliums in polygonal umgrenzten Contouren an einander, die Randzellen bleiben rund, locker über einander geschichtet und haben, wenn auch nicht gleich anfangs, doch späterhin einen merklich geringern Durchmesser. Sehr bald grenzt sich so eine Randzone gegen ein helleres Mittelfeld deutlich ab, es erhält die Keimhaut einen Saum, den ich den Keimsaum (bourrelet blastodermique Lereb.) nennen will. Derselbe tritt nicht allein durch die Gestalt und Besonderheit seiner Zellen hervor, sondern durch eine merkliche, anfangs rings- um gleiche Wulstung (Fig. 2 und 3). — Während an den Zellen des Keimhügels selbst, nachdem derselbe bereits sich abzuflachen 1) a. a. O. 222 C. Kupffer: begonnen hat, deutlich eine Nachfurchung zu beobachten ist, hört dieser Process, sobald die Scheidung in Keimsaum und Mittelfeld erfolgt ist, an den polygonalen epithelartigen Zellen des letztern auf, an den Zellen des Saumes dagegen hält eine rege Vermehrung durch Theilung noch lange an, man gewahrt vielfach eingeschnürte und doppelte Kerne und bisquitförmig eingeschnürte Zellen. Vom Keimsaume geht die Embryonalanlage aus: An einer Stelle beginnt der Saum sich zungenförmig gegen den Pol vorzuschieben, in das helle Mittelfeld hinein (Fig. 2 von der Fläche aus, Fig. 3 im Profil) und dieser Fortsatz wächst bis zum Pol vor, so dass die Axe des- selben in einem Meridian des Eies liegt. Gleichzeitig wulstet sich der Keimsaum stärker in dem Abschnitte, von dem jener Fortsatz seinen Ausgang nimmt, während am entgegengesetzten Umfange die Wulstung abnimmt; die Hauptmasse der Zellen des Saumes zieht sich nach der Stelle hin, wo die neue Bildung ihren Ausgang nimmt. Diese werde ich als Embryonalschild bezeichnen (bandelette embryonaire Lereb.). Wie die Fig. 4 lehrt, die den Embryonalschild in der Profilan- - sicht vorführt, ist die Basis desselben, nachdem die Spitze den Pol erreicht hat, seitlich nicht scharf abgesetzt gegen den Keimsaum, sondern geht ausgeschweift allmälig in den obern Ranıd desselben über; in der Axe ist die Anlage am stärksten gewölbt, gegen die Seitenränder hin allmälig abfallend. Dieselben runden Zellen des Keimsaumes setzen auch den Schild zusammen, nur dass sie gegen die Axe desselben hin allmälig an Durchmesser abnehmen. Es hebt sich dadurch die Anlage gegen das helle Epithelialfeld der Keim- haut eben so scharf ab, als gegen den Keimsaum hin die Grenze verschwimmt. Zu derselben Zeit, wo die Keimhaut weiter wachsend mit dem freien Rande ihres Saumes an den Aequator des Eies gelangt, hat der Embryonalschild den Pol erreicht, der nicht überschritten wird. Das Längenwachsthum der Anlage ist nunmehr blos von dem wei- tern Vorrücken der Keimhaut gegen den entgegengesetzten Pol hin abhängig. Gleichzeitig indessen beginnen innerhalb des Embryonal- schildes selbst die Vorgänge, die die Differenzirung der einzelnen Organanlagen einleiten. — So gestalten sich diese vorbereitenden Processe bei Gasterosteus und Spinachia; nur geringe Abweichungen lassen sich zwischen beiden Gattungen wahrnehmen; der Keimsaum ist bei Gasterosteus etwas stärker gewulstet, als bei Spinachia, die Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 223 Ausdehnung der Keimhaut erfolgt bei dem erstern Fisch etwas rascher, wobei aber die Ausbildung des Embryonalschildes im Ver- hältniss dazu ein wenig gegenüber Spinachia zurücksteht. Indessen die Differenz ist so unwesentlich, dass man von beiden aussagen kann: Sobald die halbe Dotterkugel umwachsen ist, der Keimsaum mit dem Aequator zusammenfällt, tritt m der Axe des Embryonal- schildes die Andeutung weitergehender Processe auf. Diese darzu- stellen verschiebe ich, um zunächst die den bisher geschilderten analogen Vorgänge an dem Ei der Gattung Gobius zu erläutern. Die Entwicklung verläuft hier bis zur Bildung des Embryonal- schildes dem äussern Anschein nach so abweichend von dem oben auseinandergesetzten Gange, dass man Mühe hat, das gemeinschaft- liche Grundgesetz zu ermitteln. Ein solches ist aber, wie ich mich bestimmt überzeugen konnte, vorhanden. Die zwei Arten, die ich untersuchte, Gobius niger und minutus, weichen in der äussern Eiform, in der Gestalt des Chorion ab. Bei G. minutus ist es birnförmig und trägt am dicken Ende den Strang, mittels welchem es beim Legen angeheftet wird (Fig. 15). Das Ei des G. niger ist lang, fast walzenförmig, an beiden Enden sich gleichmässig zuspitzend. Im Eiinhalte ist dagegen keine Differenz, abgesehen von der verschiedenen absoluten Grösse. Das Verhältniss von Keimhügel und Dotterkugel ist übereinstimmend und dem ent- sprechend harmoniren auch die ersten Phasen der Entwicklung. Ich beschränke mich deshalb in der Beschreibung auf G. minutus, dem auch die Abbildungen entnommen sind. Der Keimhügel hat vor und nach der Furchung fast dasselbe Aussehen, die grossen dunkeln Dotterpartikeln machen denselben fast undurchsichtig und man muss ihn nach der Furchung zerklei- nern, um die Zellen wahrnehmen zu können. Die Ausbreitung des Keims beginnt nicht mit gewulstetem Rande, sondern in dünner Schicht (Fig. 17). Sobald aber der Rand dem Aequator der Dotterkugel sich nähert, ändert sich das Ver- hältniss rasch: die bisher in der Polgegend angehäufte Hauptmasse der Zellen drängt zum Rande hin, verdickt denselben beträchtlich, während die Keimhaut am Pol von nun an bis zur vollendeten Umwachsung sich stetig verdünnt. Der gewulstete Rand schnürt die Dotterkugel in der Mitte beträchtlich ein, so dass sie fast bis- quitförmig erscheint (Fig. 18). Gleichmässig rücken nun der Rand der Keimhaut und die Einschnürung dem entgegengesetzten Pole 224 C. Kupffer: näher, es gleicht sich die Einschnürung aber, jemehr von der Dot- terkugel umspannt wird, um so mehr aus, die Bisquitform des Dot- ters geht in eine Birnform über (Fig. 19), und wenn ein, eben noch _ wahrnehmbares, kleines Segment der Dotterkugel aus der Oeffnung der Keimhaut, dem Dotterloch, hervorsieht, erscheint auf dem Rande der Keimsaum (Fig. 19) als eine von der übrigen Fläche der Keim- haut unterschiedene Zone von Zellen. Indessen ist dieses Object zur Wahrnehmung des Saumes lange nicht so günstig, als das Ei der Stichlinge. — Diese Erscheinung tritt also hier am Schlusse des Processes der Umwachsung auf, dort gleich am Beginn. Im wesentlichen Puncte tritt aber die Uebereinstimmung wieder her- vor: hier wie dort leitet das Auftreten des Saumes die Bildung des Embryonalschildes ein. Nach dem abweichenden Verhältnisse von Keimhaut und Keimsaum zur Dotterkugel vollzieht sich hier der Process auch eigenthümlich. Unmittelbar nachdem der Saum sichtbar geworden ist, beginnt eine Verschiebung der Zellen desselben; bis dahin ringsum in glei- cher Mächtigkeit rücken sie nach der einen Seite zusammen, ver- dicken aber nicht blos den Rand bei entsprechender Verdüunung der entgegengesetzten Seite, sondern die Anhäufung beginnt sofort sich gegen den Keimpol vorzuschieben: die Bildung des Embryonal- schildes ist eingeleitet (Fig. 20). Um dieselbe Zeit bedeckt sich das noch freie Segment des Dotters; die Zellenanhäufung ist dort aber noch eine so beträchtliche, dass nachdem die innern Lagen den Dotter schon vollständig überzogen haben, äusserlich noch eine kraterförmige Vertiefung eine Zeit lang wahrnehmbar bleiben kann. Auch diese verstreicht indessen, ehe der Embryonalschild bis zum Pol vorgerückt ist und damit verschwindet denn auch der Keimsaum. | Das Bild der analogen Vorgänge bei beiden besprochenen Grup- pen gewinnt dadurch namentlich ein so verschiedenes Ansehen, dass die als Embryonalschild bezeichnete Wucherung nach Zeit und Art so abweichend auftritt: In der ersten Gruppe am Beginn, in der zweiten am Schlusse der Umwachsung, dort mithin in der Nähe des Kopfpols des Eies, hier vom entgegengesetzten Pol aus. Hat man nicht die Gelegenheit, die letztern Eier continuirlich von Stunde zu Stunde zu beobachten, so kann man leicht hinsichtlich des Ausgangs- punctes der Bildung sich täuschen, denn die Vorgänge drängen sich hier beim Schlusse des Dotterloches so rasch auf einander, dass, Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 225 während man zuletzt noch:den gleichmässigen, ringförmigen Wulst um das Dotterloch erblickte, nach zwei bis drei Stunden bereits jede Spur der Stelle, wo die Schliessung erfolgte, verwischt ist und man statt des gewulsteten Ringes, der einen Parallelkreis einnahm, jetzt einen nur das halbe Ei umgreifenden Wulst in einem Meridian wahr- nimmt, an dem man nicht zu entscheiden vermag, von welcher Stelle aus seine Bildung begonnen hat. — Eine weitere Differenz, die zu Irrthümern Veranlassung geben kann, liegt in der flüchtigen Existenz des Keimsaumes bei Gobius. Man sieht denselben nur ein Paar Stunden lang, in der letzten Phase der Umwachsung, trotz- dem dass die Keimhaut schon lange vorher den stark gewulsteten Rand hat; aber Keimsaum und Randwulst dürfen nicht identificirt werden, erst wenn die Zellen des Randwulstes sich von denen der übrigen Keimhaut mit scharfer Grenze absetzen, nenne ich die Bil- dung »Saum«, und das ist es, was hier so spät auftritt. Es möge nun hervorgehoben werden, was von meinen Vor- gängern über die eben geschilderten Verhältnisse beobachtet und mitgetheilt, ist. Den älteren Autoren sind die: Einzelheiten der Vorgänge an der Keimhaut entgangen, die die Bildung des Embryonalschildes einleiten. K.E. vonBaer') schildert die Umwachsung der Dotter- kugel durch den Keim bei Cyprinus blicca ganz ähnlich dem Vor- gange, wie er bei Gobius stattfindet. Er hat die Einschnürung der Dotterkugel durch einen Randwulst deutlich gesehen, aber nicht die erste Anlage des Embryo. Er sagt nur, die Embryobildung be- ginne, nachdem die Keimhaut den Dotter umwachsen habe und das Erste, was man vom Embryo sehe, sei die Rückenfurche ?). — C. Vogt bringt in diesem Stücke auch keinen Fortschritt, im Gegen- theil, er verwirrt meiner Meinung nach die Anschauungen, indem er in einem gewissen Gegensatze zum Embryo eine Bildung auftre- ten lässt, von der weder ich selbst etwas gesehen, noch auch in den Angaben der übrigen Bearbeiter des Gegenstandes eine Spur zu entdecken vermag. Das Erste, was nach ihm die beginnende Bildung des Embryo andeutet, ist die Scheidung des Keims in zwei Abtheilungen, den Embryo und die Dotterblase (vessie vitellaire)°). 1) l. c. pag. 10. 2) 1. c. pag. 12. 3) l. c. pag. 39. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 15 226 ©. Kupffer: Unter dieser »Dotterblase« ist aber nicht etwa der Dottersack zu verstehen, d. h. die die Dotterkugel sackförmig umkleidende Keim- haut, so weit sie nicht zum Embryo im engern Sinne wird, sondern eine besondere abgegrenzte Blase, die sich aus der im Uebrigen flachen Keimhaut hügelartig, wie der Embryo, erheben und mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt sein soll. Vogt hebt es ausdrücklich hervor!), erst mit dieser Scheidung beginne die Entwicklung des Embryo und das trete ein, wenn der Keim den Dotter zur Hälfte überzogen habe. Diese sogenannte Dotterblase soll aber in keiner Verbindung mit dem Embryo stehen, sondern sich genau auf der entgegengesetzten Seite des Eies befinden, d. h. wenn der Embryo einen Halbkreis einnimmt, so liegt die Dotterblase am entgegenge- setzten Ende des Durchmessers des Eies, der durch die Mitte des Embryo gezogen wird. Beim ersten Auftreten sollen beide Bildun- gen sich fast im Keimpol berühren, dann aber auseinanderrücken. Bevor diese Scheidung im Keime erfolge, soll bereits die eine Hälfte des Keims dicker sein, als die andere?), ohne dass aber gesagt wird, aus dieser Verdickung ginge der Embryo hervor, indessen kann man das aus den Figg. 116 bis 120 schliessen. Es wird nicht gesagt, wie sich diese »Dotterblase« gegen den membranösen Theil der Keimhaut abgrenzt, noch auch, was denn eigentlich aus dersel- ben wird und welche Bestimmung sie hat. Nach den Abbildungen zu urtheilen, würde sie erst spät verschwinden. Die Abbildungen aber, die dieses Verhältniss illustriren, sind auf zwei Tafeln ver- theilt. Die Figg. 116 bis 120 auf Tab. 5 betreffen frühere Stadien und entsprechen ungefähr meinen Figg. 3 bis 5. Nach diesen würde ich die blasenartige Erhebung auf der dem Embryo entgegengesetz- ten Seite allenfalls zu erklären vermögen. Ich habe nehmlich auch an den von mir beobachteten Eiern nicht selten bemerkt, dass auf diesen Entwicklungsstadien, wo der freie Rand der Keimhaut die Dotterkugel fest umspannt, der von der Keimhaut bekleidete Theil des Dotters etwas seröse Flüssigkeit abscheidet, die den dünnern, d. h. den dem Embryonalschilde entgegengesetzten Abschnitt der Haut blasig hervorhebt; namentlich ist das der Fall, sobald man Kälte auf das Ei einwirken lässt. Immerhin aber kann von einer bestimmt abgegrenzten, ringsum geschlossenen Blase nicht die Rede 1) l. c. pag. 42. 2) 1. c. pag. 38, 39. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 227 sein. — Ganz unverständlich aber sind mir die Figg. 20 bis 31 auf Tab. 1 des Vogt’schen Werkes. Sie stellen spätere Stadien vor, der Embryo ist an einigen schon geschwänzt und die »Dotterblase« sitzt wie ein kegelförmiger Pfropf dem Dotter auf, umgeben von einem Kranz von Zelien (Fettbläschen?). Man könnte an eine Ver- wechslung mit dem Dotterloch kurz vor der Schliessung desselben denken, wo der Dotter aus der Oeffnung pfropfartig hervorragt, wenn nicht Vogt selbst mit Schärfe beobachtet hätte, dass das Dot- terloch mit dem Hinterende des Embryo zusammenfällt und er als der Erste dieses Verhältniss deutlich beschrieben hätte. So fehlt mir durchaus der Schlüssel zur Deutung dieser Bilder. — Jeden- falls hat Vogt einen besonders gestalteten Saum der Keimhaut nicht beobachtet. Der Erste, der es hervorhob, dass die Bildung des Embryo vom Rande der Keimhaut ausgehe, ist Lereboullet; seine Schrift!) wurde bereits im Januar 1854 gekrönt. Coste veröffentlichte Ab- bildungen zur Entwicklung des Stichlings in dem grossen Atlas zu seiner vergleichenden Entwicklungsgeschichte?), ohne in dem Texte bis zur Behandlung des Gegenstandes zu gelangen. Das Werk trägt die Jahreszahl 1847—1859 und ich vermuthe daher, dass der die er- wähnten Abbildungen enthaltende Fascikel nach Lereboullet’s vor- läufiger Publication seiner Untersuchungen) erschienen ist. — Die Abbildungen zeigen den Saum sehr deutlich und den Zusammenhang des Embryo mit demselben. Dabei ist auch die Besonderheit der Zellen des Saumes hervorgehoben. — Allein gerade auf diesen Punct, der mir von besonderer Bedeutung zu sein scheint, legt Lereboullet kein Gewicht, er betont nur den Wulst am Rande der Keimhaut beim Hecht, von dem die Bildung des Embryonalschildes (bande- lette embryonnaire Ler.) ausgehe®). Deshalb findet er denn auch, dass beim Barsch ein »anneau embryonnaire« fehle’), weil die Bildung des Embryonalschildes da erst erfolgt, nachdem die Um- wachsung vollendet und der starke Randwulst verstrichen ist. — 1) Recherches d’Embryol. compar. ete. 2) Hist. gener. et partic. du Developp. des corps organises. Paris 1847 — 1859. 3) Ann. des sc. nat. 1854. 4) Ann. des sc. natur. IV Serie Zool. Tme I, 1854 pag. 248. 5) I. c. pag. 260. 228 C. Kupffer: _ Mir. scheint nun gerade das Ei des Barsches ein Object zu sein, an dem die Bedeutung des Saumes in dem oben definirten Sinne besonders hervortritt. Denn auch hier erscheint der Saum, d.h. eine scharf begrenzte Randzone besonderer Zellen im letzten Augen- blieke, wie bei Gobius, während vorher, wo die Wulstung des Ran- des viel beträchtlicher war, derselbe vermisst wird. Lereboullet scheint die intacten Eier unter zu geringer Vergrösserung betrach- tet zu haben, davon zeugen auch seine Abbildungen, die alles Detail vermissen lassen. — Im Uebrigen, was die Form und das Hervor- wachsen des Embryonalschildes aus dem .Rande der Keimhaut gegen. den Keimpol anlangt, so habe ich in meiner Beschreibung nur die Darstellungen Lereboullet’s bestätigt. Man muss erst ein so deutliches, klares Object vor Augen ge- habt haben, wie das Stichlingsei, um dann auch an minder günstigen Eiern den Saum nicht zu übersehen. — Es fragt sich aber, wodurch ist das Bild des Saumes morphologisch bedingt? Dass es nicht die Wulstung des Randes ist, die der Erscheinung im Wesentlichen zu Grunde liegt, geht deutlich aus Verhältnissen hervor, wie die Fig. 13 sie darstellt: der Saum hat eine bestimmte obere Grenze, der Wulst aber verstreicht ganz allmälig. — Beim Ei der Stichlinge bietet die Scheidung der Keimhaut in Keimsaum und Epithelialfeld keine Schwierigkeit für die Erklärung des morphologischen Vorganges, der dieselbe verursacht. Hier verhält es sich folgendermassen: die Zellen vom Charakter des Plattenepithels leiten den Fortschritt in der Entwicklung ein, indem sie sich abplatten und polygonal an einander fügen, während die Zellen des Saumes in dem bisherigen Zustande verharren und als rundliche Elemente locker neben und über einander gelagert bleiben. Und diese locker vereinigten und deshalb eben leicht an einander verschiebbaren Elemente sind es, die zur Bildung des Embryonalschildes sich gruppiren. — Wahr- scheinlich findet bei letzterm Vorgange zweierlei statt, eine rapidere Vermehrung der Zellen in loco und eine Wanderung derselben aus dem ganzen Bereiche des Keimsaumes nach der Stelle der neuen Bildung. Dass das Wandern aber die Hauptrolle dabei spielt, ist mir gar nicht zweifelhaft. Die Massenverschiebung, wie die Figg. 19 und 20 vom Gobius es darstellen, findet nehmlich nicht selten in der kurzen Zeit von einer Stunde statt und es lässt sich die Ab- nahme der Masse auf der entgegengesetzten Seite des Saumes nicht anders als durch ein Verschieben erklären. Der. gleichmässigen Ent- Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 229 fernung der Elemente vom Centrum, wie es bei der Ausbreitung des Hügels zur Keimhaut vor sich geht, folgt eine Attraction gegen ein neues Centrum, das in dem entstehenden Embryonalschilde liegt. Bei Gobius ist es viel schwerer zu sagen, wodurch sich eigent- lich die Grenze des Saumes ausprägt, denn der Unterschied in der Form der Zellen, wie er bei den Stichlingen sich zeigt, rundliche Zellen im Saum, platte, polygonale im Epithelialfelde, ist hier lange nicht so in die Augen fallend, dass dadurch die Abgrenzung sich erklären würde. Der Form, Grösse und Durchsichtigkeit nach wird man sie schwerlich unterscheiden. Ich habe nur gefunden, dass die Saumzellen entschieden bestimmtere Contouren hatten und deshalb wie eine aufgelagerte Zone erschienen. Es ist mir wahrscheinlich, dass auch hier dasselbe statt hat, dass nehmlich die Abgrenzung der Saumzellen nicht sowohl auf das Auftreten neuer Elemente zu beziehen ist, als vielmehr darauf, dass die übrigen Zellen sich dich- ter an einander schliessen und dadurch ihre Contouren unbestimm- ter werden. Ehe ich mich dem weitern Fortgange der Entwicklung zuwende, habe ich noch eine Differenz hervorzuheben, die zwischen der Form des Embryonalschildes bei den Stichlingen und der Gattung Gobius hervortritt. Bei den erstern bleibt derselbe gleichmässig gewölbt und lässt in der Profilansicht wie im optischen Querschnitt betrach- tet keine Abtheilungen oder secundäre Unebenheiten gewahren, da- gegen nimmt man bei Gobius bald nach dem Erscheinen des Schil- des einen prominirenden Scheitel daran wahr, der einen vordern Kopftheil von einem hintern Rumpftheil trennt. Dieser Scheitel nähert sich bei der Vergrösserung der Anlage dem Pol, bleibt aber in einiger Entfernung von dem letztern stehen und verursacht durch seine Prominenz, dass der Kopftheil sich fast rechtwinklig gegen den Rumpftheil absetzt (vergl. Fig. 20, 21). So früh also, ehe noch irgend welche weitere Differenzirung eingeleitet ist, prägt sich hier bereits die Sonderung beider .Abtheilungen des Embryonalkörpers aus. Und doch ist jedenfalls diese Bildung dem in Fig. 4 darge- stellten Schilde des .‚Stichlings, dem der Kopfhöcker vollkommen fehlt, genetisch gleichwerthig, denn die weiteren Vorgänge verlaufen ganz parallel in beiden Fällen. 230 C. Kupffer: Entwicklung innerhalb des Embryonalschildes. Vor Allem wäre hier die Bezeichnung Embryonalschild zu rechtfertigen, die ich auf die beschriebene, vom Keimsaume aus- gehende Bildung angewandt habe. Vogt!) und Lereboullet?) wäh- len eine andere Bezeichnung; der Erstere nennt den Theil »bande primitive«, der Zweite »bandelette embryonnaire« und fügt zur Er- läuterung hinzu: bande primitive de Baer. Also Beide denken da- bei an den Primitivstreif des Hühnchens und gehen zugleich von der “ Voraussetzung aus, dass im Primitivstreif nach Baer die erste Spur des Embryo gegeben sei, was nicht zutrifft, indem bekanntlich Baer?) die schildförmig verdickte Mitte der Area pellucida als An- lage des Embryo bezeichnet (»der innerste Hof ist der Embryo«). Dieser Anschauung haben sich von den späteren Embryologen Re- mak, Bischoff, Kölliker und neuerdings Dursy im Wesentlichen angeschlossen. Es würde sich also bei der Vergleichung von Fisch und Hühnchen darum handeln, zu ermitteln, ob bei den erstern auch eine mehr flächenhaft ausgebreitete Verdickung das Haupt- material für die Anlage des Embryo bietet, worin dann nachher eine lineäre Bildung — Primitivstreif — die Lage der Axe des Em- bryo markirt. Mir scheint, dass das unzweifelhaft bejaht werden muss. Schon beim Stichling ist es eine Bildung von beträchtlicher Flächenausdehnung, deren Basis fast den halben Umfang des Eies beträgt, bei Gobius und bei Perca nimmt die Verdickung geradezu die halbe Keimhaut ein. Von andern Fischen kenne ich dies Sta- dium nicht aus eigner Anschauung; allen was Lereboullet vom Hecht sagt, stimmt ganz damit überein. Nur von der Forelle heisst es®), die bandelette embryonnaire entwickle sich aus dem Wulst der Keimhaut als schmaler Cylinder. Das kann aber eine abwei- chende Anschauung nicht bedingen, wenn, wie aus dem weitern Verlaufe ersichtlich, diese cylindrische Zellenanhäufung der flächen- haft ausgebreiteten ganz gleichwerthig ist und beide darin nament- lich übereinstimmen, das Material zur vorläufigen Anlage der we- sentlichsten Theile des Embryo zu enthalten. So weit ich sehe, 1) l. ce. pag. 44. \ 2) Ann. sc. nat. IV Serie. Zool. Tome I pag. 255. 3) Entwicklungsgeschichte der Tbiere. I. Thl. pag. 69. 4) l. c. pag. 147. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 231 werden daraus alle Organe mit Ausnahme des Darms entwickelt. Ein Unterschied ist allerdings vorhanden, der bezieht sich auf die Stelle der Bildung: der Schild des Hühnchens liegt in der Mitte der Keimscheibe, beim Fische geht die Bildung vom Rande aus, wächst gegen die Mitte, d. h. den Keimpol vor und überschreitet. denselben nicht merklich. Das wäre die Eigenthümlichkeit der lasse. Bevor dann die weiteren Vorgänge besprochen werden, die an dem Embryonalschilde und zwar in beiden Gruppen parallel und übereinstimmend vor sich gehen, sei es gestattet, einen Blick auf die Beschaffenheit des Eies zu werfen zu dem Zeitpuncte, bis zu welchem die Entwicklung bisher verfolgt war. Das Stichlingsei ist noch nicht ganz bis zum Aequator von der Keimhaut überzogen, der Keimsaum erscheint auf der einen Hälfte als regelmässige Zone, die andere Hälfte des Saumes trägt den als seine unmittelbare Fortsetzung erscheinenden, zungenförmig gegen den Pol hin sich verjüngenden Embryonalschild, der gleichmässig der Quere und Länge nach gewölbt erscheint. Das Ei des Gobius ist vollständig überzogen, die Stelle, wo das Dotterloch sich schloss, ist verstrichen, von einem Keimsaume daher nichts mehr zu er- blicken, die eine Hälfte des Eies zeigt die Keimhaut beträchtlich mächtiger als die andere, d. h. sie trägt den nicht durch deutliche Grenzen bezeichneten Embryonalschild, der, im Profil gesehen, von einem Pol zum andern reicht, am Kopfpol die stärkste Massenan- häufung enthält und bereits Kopf- und Rumpftheil unterscheiden lässt. Die Zellen sind wegen eines feinkörnigen Inhalts undurch- siehtig, von undeutlichen Contouren, erscheinen in den beiden Hälf- ten nicht so verschieden, als es beim Stichling der Fall. — Soweit verschieden nach der äussern Erscheinung befinden sich die Kier doch auf derselben 'Entwicklungsstufe hinsichtlich der nunmehr an dem Embryonalschilde auftretenden Vorgänge. Das nächste nehmlich, was den weitern Fortschritt einleitet, ist das Auftreten eines kielartigen Vorsprungs an der untern, dem Dot- ter zugewandten Fläche des Embryonalschildes, wodurch an der Dotterkugel eine Furche eingedrückt wird. Am Stichlingsei verräth sich das Erscheinen des Kiels zuerst bei der Ansicht des Embryonalschildes von oben (von der Fläche her). Es treten da zwei dunkle Linien auf, die parallel der Mittel- linie des Schildes verlaufend einen hellen Mittelstrich begrenzen 232 C. Kupffer: (ef. Fig. 6). Vorn gehen beide bogenförmig in einander über, so dass der Mittelstreif ein deutlich umschriebenes, von der vordern Grenze des Schildes ein wenig abstehendes, abgerundetes Vorderende zeigt, während nach hinten zu, gegen den freien Rand des Keimsaumes hin, die Erscheinung verschwimmt. — Das ist also der Primitivstreif des Stichlingeies, wenn man diesen Namen in allgemeinem Sinne als Bezeichnung für die erste. Bildung anwenden darf, die die Lage der Axe des Embryo angiebt. Man vermag hier nun bald die optische Erscheinung auf ihre Ursache zu beziehen. Durch Heben und Sen- ken des Tubus überzeugt man sich, dass dieselbe nicht an der Ober- fläche des Schildes zu suchen ist, die Linien erscheinen erst bei etwas tieferer Einstellung; senkt man dann den Tubus noch weiter, so treten sie stets näher zusammen und verschmelzen schliesslich zu einer. Giebt man aber dem Ei eine Stellung, wie sie sich in der Fig. 6 ausspricht, wobei man das vordere Ende des Embryonal- schildes von der Fläche aus sieht, also den Primitivstreif erblickt, an der Peripherie des Eies aber bei Senkung des Tubus einen wei- ter zurückgelegenen Theil des Embryonalschildes im optischen Quer- schnitt betrachten kann, so überzeugt man sich einmal von dem Vorhandensein des Kiels und ferner davon, dass die dunklen Linien, die den Primitivstreif begrenzen, auf die Seitenflächen des Kiels zu- rückzuführen sind. Der von beiden dunklen Linien eingefasste Mit- telstreif bedeutet also nicht eine Verdünnung des Axentheils, son- dern ihm correspondirt im Gegentheil die durch den Kiel verur- sachte Verdickung. Die begrenzenden Linien aber lassen sich- nur aus einer Ablenkung des von unten her durchfallenden Lichtes an den Seitenflächen des Kiels herleiten. Sehr bald kann der Kiel auch in der Profilansicht zur Wahrnehmung gebracht werden; die Durch- sichtigkeit des Dotters gestattet ihn vollkommen zu übersehen. Es zeigt sich, dass derselbe nicht in der ganzen Länge des Embryonal- schildes, der jetzt mehr als einen Viertelkreis bedeckt, vorhanden | ist, sondern nur in der vordern Hälfte (Fig. 5, die übrigens ein späteres Stadium zeigt). Das Auftreten des Kiels vollzieht sich bei’ Gobius in ganz ent- sprechender Weise. Die Erscheinung, die am Stichlingsei bei der Ansicht von der Oberfläche her als Primitivstreif sich bemerklich macht, ist hier allerdings kaum wahrnehmbar. Die Ursache davon liegt in der relativ viel beträchtlichern Mächtigkeit der Masse des Schildes und der geringern Durchsichtigkeit von Keimhaut und Beobachtungen über die Entwieklung der Knochenfische. 233 Dotter. Am deutlichsten erblickt man den Kiel hier, wenn man das Ei so stellt, dass das Vorderende des Embryonalschildes in die Axe des Mikroskops fällt. Man sieht ihn dann so, wie die Fig. 24 es zeigt, fast ebenso deutlich auch im Profil (Fig. 22). Wie beim Stichling ist er auch bei Gobius nur in der vordern Hälfte des Schildes vorhanden. Gegen den Schwanzpol des Eies tritt er gar nicht hervor. Diesen Kiel haben nur K. E. von Baer und Coste so früh beobachtet, denn ich finde bei Vogt und Lereboullet erst später Andeutung desselben. Coste zeichnet denselben beim Stichlingsei in der oben citirten Tafel, die ohne Text geblieben ist, ganz deutlich. Baer sagt, nachdem die Rückenfurche aufgetreten sei, dränge in ihrer Mitte ein schärferer Kiel gegen den Dotter hinein. Der Kiel ist aber das Erste und wird nur stärker, sobald die Furche er- scheint. Beim Barsch tritt die Bildung noch ausgeprägter auf, als es bei Gobius der Fall ist. Wenn dieser Kiel bei der Ansicht des Embryonalschildes von oben her nicht durchschimmerte, so würde ich nicht auf eine Vergleichung desselben mit dem Primitiv- streif des Hühnchens geleitet sein, bei dem Bilde aber, das das Ei des Stichlings bietet, drängt sich die Vergleichung auf und es er- giebt sich bei genauerer Untersuchung, dass eine Parallele sehr wohl statthaft ist. Es ist also hier wie dort eine lineäre Verdickung in. der Mitte des flächenhaft ausgebreiteten Schildes, die die Lage der Axe des Embryo andeutet. Und wie im Primitivstreif des Hühn- chens (Axenplatte, Remak) das obere und mittlere Keimblatt ver- wachsen sind, so zeigt sich auch hier, wie das Folgende lehren wird, dass an der untern Kante des Kiels die beiden analogen Blätter des Fischeies verwachsen sind, während sie seitlich davon deutlich getrennt erscheinen. Allerdings scheint hierbei eine Differenz obzu- walten, denn während beim Hühnchen nach Remak !), Hensen?) und Dursy?°) die ursprünglich getrennten Keimblätter erst im Primitiv- streif verwachsen, scheint beim Fisch erst nach Bildung des Kiels die Trennung beider Blätter von einander zu erfolgen und nur in der Mittellinie die Verbindung erhalten zu bleiben. Ich muss aber ausdrücklich bemerken, dass ich nicht mit der Schärfe, die allein 1) Untersuchungen etc. 2) Arch. f. pathol. Anat. Bd. XXX pag. 179. 3) Der Primitivstreif des Hühnchens. Lahr 1867. pag. 26. 234 C. Kupffer: der feine Querschnitt bietet, davon mich habe überzeugen können und dass bei meinem Verfahren, der Betrachtung des Embryonal- schildes in situ vom Vorderende her, eine feine Trennungslinie bei festem Aneinanderliegen der Blätter immerhin sich der Wahrneh- mung entziehen kann. Eine weitere Uebereinstimmung würde sich ergeben, wenn die bisherige Lehre vom Primitivstreif ihre Geltung behielte, wonach daraus die Axenorgane des Embryo thatsächlich hervorgingen. Beim Fisch ist das der Fall. Allein die alte Lehre wird durch Dursy’s!) überraschende Mittheilungen stark erschüttert. Nach seinen eingehenden Untersuchungen wäre der Primitivstreif ein räthselhaftes Gebilde, das etwa nur die Bedeutung einer Richtungs- linie hätte und mit den Organanlagen des Embryo nicht in directer Beziehung stände. Es versteht sich von selbst, dass die fernern Schicksale des Kiels nicht als eine Stütze für die bisherige An- schauung von der Bedeutung des Primitivstreifs herangezogen wer- den können, denn es handelt sich hier nicht um verschiedene Deu- tungen derselben Beobachtung, sondern um ganz disparate Wahr- nehmungen und die Angelegenheit muss an demselben Objecte, das die Veranlassung zur Differenz gab, auch zum Austrag kommen. Die nächste Erscheinung besteht in einer muldenförmigen Ein- senkung der Oberfläche des Embryonalschildes im Verlaufe der Mittellinie, die ebenfalls vorn am deutlichsten ist, sowohl in Bezug auf Breite als Tiefe. In dem Maasse, als die Mulde sich vertieft, senkt sich der Kiel tiefer in den Dotter ein (ef. Figg. 5 und 25). Dieselbe ist von allen Beobachtern gesehen worden, Baer nennt sie Rückenfurche, Vogt und Lereboullet bezeichnen sie als sillon dorsal. Mit dem Auftreten dieser Furche complieirt sich die Entwick- lung mehr und mehr. Es beginnen vom Kopfende aus Vorgänge, die einerseits eine Sonderung im Embryonalschilde der Quere nach einleiten, indem die in der Axe auftretende Anlage des Centralner- vensystems sich von den seitlichen Wirbelanlagen scheidet, anderer- seits aber gleichzeitig eine Sonderung der Tiefe nach sich vollzieht, wodurch drei deutlich getrennte Blätter erst nur im Bereich des Embryonalschildes, weiterhin in der ganzen Ausdehnung der Keimhaut sichtbar werden. Mit diesen Vorgängen im engsten Zu- sammenhange steht das sehr frühzeitige Auftreten der Augenan- lagen. Dann erscheinen noch zwei andere Organe um dieselbe Zeit, 1) a. a. O. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 235 die isolirt entstehen und nach der Art und Weise ihres Auftretens von jenen allgemeinen Sonderungsvorgängen weniger abhängig zu sein scheinen, als die Augenanlagen. Aber es schlagen zugleich die Processe jetzt einen Weg ein, der die Entwicklung der Knochen- fische in wesentlichem Grade von der der höhern Wirbelthiere un- terscheidet, während bis dahin, in den fundamentalen Processen, ich eine grössere Uebereinstimmung angetroffen hatte, als sich nach den frühern Arbeiten voraussetzen liess. Von diesem Stadium an, das mit dem Erscheinen der Furche eingeleitet wird, divergiren meine Beobachtungen in wichtigen Stücken, vornehmlich hinsichtlich der Weise der Bildung des Öen- tralnervensystems und seiner Adnexa, von denen der mehrfach ci- tirten Autoren. Wenn diese selbst auch vielfältig unter einander abweichende Darstellungen geben, so stimmen sie doch darin über- ein, dass sie die erwähnte Furche sich schliessen lassen. Ich muss aber glauben, dass sie zu dieser Auffassung nicht sowohl durch die klare und bestimmte Wahrnehmung des Vorganges bewogen sind, als vielmehr durch die vorgefasste Meinung, dass, nachdem bis hierher den Hauptzügen nach ein analoger Gang der Entwicklung eingehalten war, diese Furche der Rückenfurche des Hühnchens im Sinne von Baer gleich zu achten sei und sich übereinstimmend ver- halten müsse. Dass diese Auffassung ihre Berechtigung hatte, ist nicht zu bestreiten und ich habe selbst mit Hartnäckigkeit die gleiche Ueberzeugung festgehalten, bis mich zwingende Thatsachen dahin führten, sie, wenn auch mit Widerstreben, aufzugeben. Ich werde voranstellen, was meine Vorgänger darüber aus- sagen, ehe ich im Zusammenhange meine Beobachtungen wiedergebe. Baer!) sagt, »das Erste, was er vom Embryo sehe, sei eine breite und flache Furche, die von niedrigen Rückenwülsten begrenzt sei. Allmälig würden die Wülste schmäler und höher, im Grunde der dadurch vertieften Furche trete die Wirbelsaite auf. Dann er- scheine an der Spitze des Kopfes die Furche als überdeckter Canal; aber auch weiter nach hinten gehe ein sehr dünnes Häutchen dar- über weg. Unter diesem Häutchen glitten die Ränder der Rücken- wülste einander entgegen und verschmölzen, den Canal schliessend.« Von dem Häutchen heisst es, bei Cyprinus erythrophthalmus wäre deutlich zu erkennen gewesen, dass es die imnere Auskleidung der 1) 1. c. pag. 12. 236 C. Kupffer: Rückenfurche sei, die sich abhebe und nun sich über die Ränder der Furche hinspanne. Dann folgt aber eine Deutung des Häut- chens, die mir unverständlich ist, denn es wird als analog der Dot- terhaut des Vogeleies hingestellt und gleichsam zur Stütze dieser Deutung wird dann hervorgehoben, dass nicht hier allein sich schon eine Oberhaut abhebe, sondern sie sei auch schon an der entgegen- gesetzten Seite des Eies, der Bauchseite des werdenden Thieres zu sehen. Baer hat also die Epidermis (Hornblatt) gesehen, fasst sie aber als Dotterhaut auf. — Jene Angabe, dass sich über die noch offene Furche eine Oberhaut brückenartig hinspanne, ist für mich von grossem Interesse. Es giebt ein Stadium, in dem dieses Ver- hältniss zu beobachten ist, wo über die klaffende Medullarfurche die Epidermis straff gespannt hingeht. Nur ist hier ein Versehen vor- gekommen: diese überbrückte Furche darf mit der primären nicht identifieirt werden, sie entsteht ganz spontan, nachdem die erste verstrichen ist. — Die Eier, an denen Baer arbeitete, haben sich ungemein rasch entwickelt und es konnte das Versehen dem schar- fen Blicke des Altmeisters nur dadurch unterlaufen, dass er nicht ein und dasselbe Ei in fixirter Stellung zusammenhängend beopach- tete und so bei den. rasch sich drängenden Veränderungen zwei nicht unmittelbar auf einander folgende ähnliche Erscheinungen für eine und dieselbe nahm. — Es heisst dann weiter, dass, nachdem der »Rücken« sich geschlossen, die Wirbeltheilung beginnt und es wird vermuthet, dass an dem geschlossenen Canal die innere Schicht als Rückenmark sich abblättere, während ‘die äussere zu Wirbel- schenkeln und Muskeln werde. Auge und Ohr sollen dann aus dem Canal durch Ausstülpung hervorgehen. C. Vogt!) schildert diese Vorgänge im Ganzen übereinstim- mend mit Baer, namentlich das Auftreten der Rückenwülste und das erste Erscheinen der Furche. Von dieser sagt er, dass sie erst flach sei und allmälig sich verenge und vertiefe, indem die Rücken- wülste sich erheben und gleichzeitig mit den Basen sich einander näherten. Wenn die Furche bereits tief und schmal erscheint, hat auch Vogt eine Haut brückenartig darüber gespannt gesehen und erklärt die Erscheinung derselben abweichend von Baer folgender- massen: zweierlei Zellen setzen die gesammt& Keimhaut, die Em- bryonalanlage mit inbegriffen, zusammen, epidermoidale Zellen vom 1) 1. ec. pag. 45 segg. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. « 237 Charakter des Plattenepitheliums, ohne Kerne, und zweitens embryo- nale Zellen, kaum halb so gross, wie jene, nicht abgeplattet und mit deutlichem Kern, aber ohne Kernkörperchen '). Anfänglich sind beiderlei Zellen gleichmässig in der ganzen Keimhaut vertheilt, die erstern in mehrfacher Lage zu oberst, die andern darunter; dann sammelten sich aber die embryonalen Zellen, unter der Epidermis zusammenrückend, zur Embryonalanlage (bande primitive) und aus diesen entständen dann die Rückenwülste. Die Epidermis soll an- fänglich den Erhöhungen und Vertiefungen folgen, aber wenn die Wülste sich stärker erhoben haben, löst sich die dadurch gezerrte Epidermis vom Boden der Furche ab und spannt sich als freie Decke darüber hin, den obern Rändern der Rückenwülste auf- ruhend ?2). Unter der Epidermis sollen dann die Rückenwülste zur Vereinigung streben, was aber erst spät geschieht; vorher grenzen sich an der noch offenen Röhre die drei Hirnabtheilungen deutlich von einander ab und es. treten die Sinnesorgane hervor, die Augen aus den Seiten des Mittelhirns als nach oben offene Schalen (gout- tiere), die Gehöranlagen als geschlossene Bläschen, die aus der Seitenwand des Hinterhirns sich hervordrängen. Die Haut soll sich an der Bildung des Ohrs gar nicht betheiligen. — Die Epidermis- lage, wie Vogt sie auffasst und schildert, darf also durchaus nicht mit dem obern Keimblatt der höhern Wirbelthiere im Sinne Re- mak’s verglichen werden, sie hat mit der Bildung des Centralner- vensystems nach Vogt gar nichts zu thun. Ich will hier gelegent- lich bemerken, dass wenn Vogt als bestimmten Charakter der Epi- dermiszellen hervorhebt, sie wären kernlos, dies natürlich nur dahin zu verstehen ist, dass bei jenem Fisch die Kerne blass und undeut- lich waren; beim Stichling sind sie an den Epidermiszellen deutlich zu sehen. Lereboullet giebt die detaillirtesten Angaben vom Hechte?): Die Rückenfurche trete mehr in der Mitte auf und schreite dann nach vorn und hinten fort. Vorn existire sie nicht lange, sondern erscheine bald als Blase, wobei die Art und Weise des Verschlusses von L. nicht mit Bestimmtheit angegeben wird, entweder erfolge es durch Aneinanderlegen der Ränder oder durch Bildung einer 1) 1. e. pag. 40. 2) 1. c. pag. 54. öl. 238 C. Kupffer: neuen Masse darüber. Darnach bekomme der Embryo einen Kiel an der Unterfläche gegen den Dotter. Jederseits sollen nun zwei Blätter erscheinen, die an den Kiel befestigt sind, nach aussen aber freie Ränder haben; das obere dieser beiden Blätter, das sich an die Keimhaut (!) (blastoderme) anlehnt, sei im Kopftheil doppelt, das untere schmälere sei hinten an die Peripherie des Dotterloches (anneau caudal) befestigt. Später, heisst es weiter, verschmolzen diese beiden Blätter in einiger Entfernung vom Embryo; die Rücken- wülste, d. h. die erhabenen Ränder der Furche werden durch quere Spalten, die bis zu ihrer Basis durchschneiden, in die Urwirbel zerlegt. Ganz absonderlich wird die Bildung der Augen geschildert: die mittlere Hirnblase theile sich durch Längsscheidewände in drei Regionen, die beiden seitlichen schnüren sich von der mittlern ab und werden zu der Augen. Darnach sollen die Hirnblasen anfan- gen, sich von aussen nach innen durch neue Zellen zu füllen, die durch Kleinheit und röthliche Tinction sich von den Zellen unter- scheiden, die die Wände bilden. Später soll dieselbe Masse auch im Rumpftheil der Rückenfurche auftreten und da zwei am Boden der Furche verlaufende parallele Stränge oder Röhren (tubes) bil- den, das seien die zwei Hälften des Rückenmarks; die Rücken- wülste legten sich darüber und verschmölzen mit einander, sie bil- deten mithin ein Rohr, das die Stränge im Innern enthalte. Die Rückenwülste sind nicht die Anlage des Rückenmarks, sondern die Vorläufer der Museulatur der Wirbelsäule. — Die Angaben über den Bahrsch und die späteren über die Forelle lauten fast wörtlich ebenso, nur dass bei diesen Fischen blos von zwei Blättern die Rede ist, dem »blastoderme« und dem »feuillet muqueux«; von dem letz- ten heisst es aber, dass es nicht aus Zellen bestehe, sondern aus einer amorphen granulirten Masse, die einzelne fetthaltige Zellen eingeschlossen enthalte !). Ueberhaupt sind Lereboullet’s Angaben über die Blätter höchst unklar und widersprechend.. Am Anfange unterscheidet er drei Blätter, von denen zwei die Keimhaut zusam- mensetzten, das dritte sich besonders hinzubilde. Bald darauf heisst es, die Zellen der Keimhaut schieden sich in zweierlei Art, Epider- miszellen, die eine continuirliche Membran bildeten, und Embryonal- zellen, die die beiden Blätter darunter zusammensetzten, dazu käme 1) Ann. sc. natur. IV Ser. Zool. Tme XVI. 1861. pag. 141. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 239 dann noch das feuillet muqueux !). Also ehe noch eine Spur vom Embryo gebildet ist, wären so schon vier Blätter vorhanden, über deren Verhältniss zu den Rückenwülsten etc. nichts gesagt wird. Endlich ist dann, wie eben erwähnt, von den zwei Blättern, die am Kiel angeheftet sind, die Rede und die vom »blastoderme« unter- schieden worden, ohne dass aber irgend zu ersehen wäre, wie und ob diese von den früher erwähnten herzuleiten sind. — Die Anlage des Ohrs ist nach L. erst eine solide Kugel, die sich unabhängig von der dritten Hirnblase zur Seite derselben bilde; später wird die Masse im Innern hohl; so entstehen die Gehörbläschen. Nach meinen Beobachtungen geht die Entwicklung in folgen- der Weise vor sich: Wenn die Furche erscheint, indem die Mittellinie des Embryo- nalschildes sich einsenkt und gleichzeitig der Kiel um ein Ent- sprechendes tiefer in den Dotter eindringt, treten die ersten Andeu- tungen zweier Organe auf. Das eine zeigt sich im Kiel, ganz nahe dem untern Rande desselben in der Gegend seiner stärksten Por- minenz, also im vordern Theile des Embryonalschildes (ef. Figg. 5 und 22), das andere hinten, am Ende des Kiels und nicht inner- halb der Substanz desselben, sondern zwischen diesem und dem Dotter, scheinbar dem letztern unmittelbar aufliegend. Beide er- scheinen als kleine Blasen, der Lichtbrechung nach zu urthei- len mit einer mehr wässerigen Flüssigkeit gefüllt. Beim Stichling jetzt nur erst in der Profilansicht, die zweite dagegen am Beginn deutlicher von der Oberfläche her, wo sie durch die mässigere Lage der Zellen des Keimsaumes durchschimmert (Fig. 7). Später än- dert sich das Lageverhältniss, der Kiel flacht sich ab, es tritt daher die erste Blase der Oberfläche näher und lässt sich ebenfalls von oben her durch die Dicke des Embryo erblicken, während nunmehr das Hinterende an Mächtigkeit zugenommen hat, die zweite Blase tiefer in den Dotter hineingedrängt wird und so auch von der Seite her vollständiger übersehen werden kann (Fig. 9). Unter allen Umständen kann man beide Organe bei sorgfältiger Beobachtung durch die folgenden Stadien continuirlich so lange verfolgen, bis über die endliche Bestimmung derselben kein Zweifel mehr bleibt. Es ergiebt sich, dass die vordere die Anlage des Herzbeutels ist, die hintere diejenige Blase ist, die ich in einer frühern Publica- 1) Ann. sc. nat. 1854. pag. 248. 240 C. Kupffer: tion als Vorläufer der Harnblase beschrieben und als Allantois benannt habe !). Beide. Blasen trifft man der Zeit und Lage nach entsprechend bei Gobius an, deutlicher die Anlage des Herzbeutels als die Al- lantois, weil in der Gegend der letztern sich ganz beständig. Fett- tropfen ansammeln, die sie von der Seite her verdecken und zu- gleich Verwechslungen veranlassen können, die Mächtigkeit und Undurchsichtigkeit der Embryonalanlage aber ein Durchschimmern für den Blick von oben her nicht erlaubt. Ich untersuchte die Eier von Gobius, nachdem ich mich am Stichling über diese Ver- hältnisse vollkommen orientirt hatte, so vermochte ich bald die Allantois auch da zu unterscheiden; deutlicher sieht man sie bei Perca, am schönsten immer bei Gasterosteus und Spinachia. Wer an weniger günstigem Objecte die Arbeit beginnt, wird es schwerer haben, Sicherheit zu erlangen. Die Herzbeutelanlage aber kann man bei Gobius und Perca nicht minder leicht am Rande des Kiels auffinden, als beim Stichling. Ueber diese Verhältnisse berichtet keiner der bisherigen Be- arbeiter des Gegenstandes, der Blase am Hinterende geschieht über- haupt nicht Erwähnung und die Herzanlage hat Keiner so früh erblickt, d. h. bevor noch das Centralnervensystem sich abgrenzt. Goste?) giebt eine Abbildung aus einem späteren Stadium als dem hier in Rede stehenden, wo der Embryo fast schon einen Halbkreis einnimmt. Da sieht man zwei Blasen in den Kiel hineingezeichnet, von der vordern sagt die Erläuterung zur Tafel, es sei das Herz, die zweite wird vermuthungsweise als Schwimmblase gedeutet. Diese ist jedenfalls nicht die von mir als Allantois beschriebene, denn sie liegt nach der Zeichnung ungefähr in der Mitte des Embryo, während die Allantois sich, so lange nicht der Schwanz des Embryo über die Dotterkugel hinausgewachsen ist, am Hinterende der An- lage findet. Die letzte Figur der Tafel, eine noch ältere Entwick- lungsstufe darstellend, zeigt auch die Allantois ziemlich richtig in ihrer Lage, aber sonderbarerweise findet sich in der Figur selbst kein Zeichen bei diesem Organ und die Erläuterung zur Tafel schweigt auch davon. Ich vermag nicht zu entscheiden, ob Coste dieser Blase eine bestimmte Deutung beilegte. Es ist auffallend, dass er 1) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. II. 1866. 2) a.a. 0. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 241 sie nicht in der Figur darstellte, in der er zuerst die Herzanlage zeichnet, denn die ist einer Altersstufe entnommen, wo die Allan- tois nieht wohl übersehen werden durfte, da sie zu der Zeit schon eine Epithelialwand enthält. Ich vermuthe, ‚dass die Zeichnung nicht unmittelbar nach dem Gbject angefertigt ist, sondern nach einer Skizze späterhin ausgeführt sein mag, dabei kann denn die zweite Blase, die am Hinterende liegt, zu weit nach vorn gerückt sein. Denn ich habe, obgleich ich mir in Würdigung des scharfen Blickes, den Coste überall zeigt, grosse Mühe darum gab, eine dritte Blase zwischen den beiden ersten nicht finden können. Es treten bis- weilen zwischen Embryonalanlage und Dotterkugel im Laufe der Entwicklung zeitweilig Zwischenräume auf, möglich auch, dass ein solcher zu dem Irrthum Veranlassung gab. Was die Deutung der- selben als Schwimmblase anlangt, so könnte sie wohl der Lage nach, die sie in der Zeichnung einnimmt, dafür genommen werden. Ich habe aber in Bezug auf die Entstehung dieser die Richtigkeit der frühern Angaben bestätigen können, sie geht secundär aus dem Darmeanal hervor. Von einem Darm ist aber in den Stadien, um die es sich hier handelt, noch lange nicht die Rede. Diese Bildungen treten also jedenfalls so früh auf, dass ich bestimmt sagen kann: die beiden Blasen, von denen ich die vordere als Anlage des Herzbeutels, die hintere als Allantois deute, sind die ersten überhaupt andem Em- bryonalschilde zur Wahrnehmung kommenden Organe. Ich wende mich zu den Erscheinungen, die, am Kopfende be- ginnend, die Sonderung des Embryonalschildes in Blätter, die Ab- grenzung des Centralnervensystems von den Wirbelanlagen und die Entstehung der Augen bedingen. Sieht man den Embryonalschild von der Fläche an, so be- merkt man, dass das Bild, welches die Fig. 6 bietet, allmälig in dasjenige übergeht, das in der Fig. 7 dargestellt ist: der von pa- rallelen Linien begrenzte, vorn abgerundete Mittelstreifen verändert sich wesentlich am Kopfende, die beiden dunklen Linien weichen vorn auseinander und umschreiben ein rundliches Feld. Dann än- dert sich weiterhin der optische Charakter dieser Linien, sie er- scheinen nicht mehr als Schattenlinien, sondern als durchsichtigere Streifen, als ob ihnen entsprechend die Substanz dünner geworden wäre, namentlich ist das zu beiden Seiten des Kopfendes der Fall. Man vermag nun zu constatiren, dass diese Linien mit den obern M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 16 242 C. Kupffer: Kanten der Rückenwülste zusammenfallen. — Das zuerst gleich- mässig rundliche Feld des Kopfendes gliedert sich darauf in die zwei Abschnitte, die in der Fig. 7 wiedergegeben sind; der vordere Abschnitt ist von einem hellern Hofe umgeben, seine Seiten wölben sich in den Hof hinein vor, der hintere, inehr dreieckige Abschnitt seht weiter in den unveränderten schmalen Mittelstreif continuirlich über. Jener vordere Abschnitt entspricht der Anlage der beiden vordern Hirnabtheilungen (Prosencephale und Mesencephale C, Vogt) sammt den ‚Augenanlagen, der dreieckige Abschnitt dem -Hinter- hirn (Epencephale F‘.) der hinterste schmale Streifen dem Rücken- mark. Der Hirnabschnitt der Anlage hat also beim Stichling zunächst zwei Abtheilungen und nicht drei. So prägen sich die Vorgänge am Stichlingsei bei der Ansicht von der Fläche her aus. Klarer vermag man dieselben zu durch- schauen, wenn man das Kopfende im optischen Querschnitt be- trachtet, während diese Processe sich vollziehen. Das gelingt, wenn man die Eier derart unter dem Mikroskope fixirt, .dass das Kopf- ende eben über den Horizont !) des Eies vorragend mit der Axe des Mikroskops zusammenfällt. In einem Uhrglase mit Seewasser, das einen kleinen Fetzen von Ulva lactuca enthielt, vermochte ich mehr- mals ein und dasselbe Ei continuirlich durch zwei Tage zu beob- achten, ohne dass die Entwicklung gestört wurde, wie der Vergleich mit andern Eiern derselben Portion lehrte. Während der Beob- achtung musste durch vorsichtiges Nachfüllen von destillirtem Was- ser aus der Spritzflasche die Concentration des Seewassers conser- virt werden, in den Pausen der Beobachtung genügte das Aufheben im feuchten Raum unter der Glocke. Die Fixirung in derselben gewünschten Stellung ergiebt sich bei den Eiern von Gasterosteus und Spinachia durch die Verklebung derselben unter einander beim Le- gen. Man löst aus dem ganzen Klumpen eine zusammenhängende Lage von fünf, sechs und mehr Eiern ab und kann sich aus den mannich- fachen Lagerungen, die eine solche Gruppe bietet, jede gewünschte Stellung aussuchen, die dann, da das Ei innerhalb des Chorion durchaus keine Bewegungen ausführt, so lange unverändert bleibt, bis der Embryo sich zu bewegen beginnt. Die Eier vom Gobius machen es dem Beobachter nicht so leicht, da sie nur locker durch 1) Unter »Horizont« ist der bei der jeweiligen Lage des Eies horizon- tale Umfang desselben zu verstehen. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 243 netzförmig verfilzte Fäden an dem einen Ende an einander geheftet sind; hier ist aber der raschere Verlauf der Entwicklung förderlich und wenn man eine Nacht opfert, kann man in Zeit von 24 Stunden die ganze Reihe der Vorgänge, die gleich besprochen werden sollen, vom Beginn bis zum Schluss an demselben günstig liegenden Eie überschauen. Da diese Vorgänge übereinstimmend beim Stichling und Gobius verlaufen, so kann ich mich in der Beschreibung auf die Reihe von Abbildungen der Figg. 24—29, die dem Gob. minutus entnommen sind, beziehen. Man hat also zunächst, noch vor dem Auftreten der schon besprochenen Furche, das Vorderende des Embryonalschildes vor sich als einen dicken, an der Oberfläche etwas abgeplatteten Körper, der seitlich ziemlich steil abfällt und von dessen unterer Mittellinie der Kiel gegen den Dotter vorspringt. Dann vertieft sich die Ober- fläche des Schildes muldenförmig, der Kiel senkt sich noch tiefer abwärts, zugleich aber hebt sich die Portion zu beiden Seiten des Kiels leicht gewölbt vom Dotter ab, so dass daselbst freiere Räume entstehen. Das gewölbte, vom Dotter abgehobene Blatt ist aber nicht die gesammte Keimhaut, sondern es bleibt hierbei ein tieferes Blatt auf der Dotterkugel zurück, das mit dem untern Rande des Kiels in Verbindung steht. Die Spaltung der Keimhaut in Blätter geht also von der untern Mittellinie des Schildes, vom Kiel aus. Aber nur unmittelbar zur Seite des Kiels klaffen beide Blätter aus- einander, in der übrigen Ausdehnung der Keimhaut erfolgt die Spaltung ohne Auseinanderweichen. Man sieht also, dass der Kiel gegenwärtig als eine Verdickung des obern Blattes erscheint, die nur in der untern Mittellinie den Zusammenhang mit dem zweiten Blatte bewahrt. — Dies ist das Verhältniss, auf welches ich oben hinwies, wo ich den Kiel mit dem Primitifstreif des Hühnchens verglich. Da aus dem verdickten Theil des obern Blattes, resp. dem Schilde, der zwischen den beiden die obere Furche seitlich begren- zenden Wülsten liegt, das Centralnervensystem hervorgeht, so kann dieser Theil der Medullarplatte des Hühnchens gleichgeachtet wer- den, wenn auch die weitere Umbildung einen abweichenden Gang einhält. Das gesammte übrige obere Blatt, die Seitentheile des Schildes einbegriffen, werde ich als Hornblatt bezeichnen. Das zweite Blatt entspricht nicht, wie ich in einer vorläufigen 244 C. Kupffer: Mittheilung vermuthungsweise aussprach, dem untern, sondern dem mittlern Blatt der höhern Wirbelthiere. Jetzt wachsen, ehe die Furche verschwunden ist, von den Sei- ten des Kiels aus gewölbte Körper in den intermediären Raum zwischen Hornblatt und mittlerm Blatte hinein: die Anlagen der Augen. Sie sind also beim ersten Erscheinen schon vom Horn- blatte an der äussern Seite bekleidet und ruhen nach unten dem mittlern Blatte auf (Fig. 26). In dem Maasse, als die Augenan- lagen stärker werden, sich der Halbkugelform nähern, wird der ganze Kopftheil des Embryonalschildes höher, das bis jetzt schräg zur Seite abfallende Hornblatt schmiegt sich der Wölbung der Au- gen an, der Kiel hebt sich mehr aus dem Dotter hervor, die Furche an der Oberfläche gleicht sich dadurch nicht allein aus, sondern es erhebt sich der Boden der Furche, also die Medullarplatte, zu einem nach der Oberfläche gewölbten Strange, die Gestaltung des Kopf- endes, die Fig. 26 zeigt, geht in die der Fig. 27-über. Dieser Pro- cess schreitet nun continuirlich vom Kopfende zum Schwanzende hin weiter, aus der Medullarplatte wird ein Medullarstrang, der so- wohl nach oben, als nach unten (Kiel) prominirt. Noch hängt aber das Hornblatt, das als gesonderter Ueberzug die Augen bekleidet, mit diesem Medullarstrange an der Oberfläche innig zusammen, der also nichts Anderes, als eine strangförmige Verdickung des obern Keimblattes darstellt. Nachdem sich während dieser Processe die gesammte Embryo- nalanlage aus dem Dotter mehr emporgehoben hat, vermag man bei dieser Ansicht vom Vorderende her, noch deutlicher aber in der Profilansicht kurz vor dem Kopfe, ein drittes den Dotter unmittel- bar überziehendes Blatt unter lem mittlern Keimblatt zu unter- scheiden. Später, nachdem durch die vorgeschrittene Entwicklung des Herzens und die Vergrösserung der Höhle des Herzbeutels das Kopfende noch höher gehoben ist und die Entwicklung des Blutes an der Oberfläche des Dottersackes eingeleitet worden, ist das dritte Blatt sowohl bei den Stichlingen, als bei Gobius und Perca gar nicht zu übersehen. Wenn ich in der erwähnten vorläufigen Mittheilung !) nur von zwei Blättern sprach und das zweite dem Darmdrüsenblatt ver- glich, so geschah das nicht, weil ich dies dritte Blatt übersehen 1) Götting. Nachrichten. Juli 1867. pag. 317. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 245 hatte, sondern ich glaubte damals den schwierig zu ermittelnden Ursprung des Darmes nicht aus dem dritten Blatte herleiten zu dürfen. Dasselbe schien mir vielmehr ein den Fischen eigenthüm- liches zu sein und eine besondere Bestimmung zu haben; ich ver- muthete, dass die Bildung der Peritonealhöhle hier abweichend vor sich gehe und das dritte Blatt zum Epithelium des Peritoneums sich gestalte, daher erschien es mir wahrscheinlicher, dass der Darm aus dem zweiten Blatte seinen Ursprung nehme. Seitdem habe ich mich aber überzeugen können, dass das letztere nur als mittleres Keimblatt aufgefasst werden kann. So bestimmt ich nun von dem mittlern Blatte aussagen kann, dass es bei diesen Fischen in der oben geschilderten Weise durch Spaltung von dem Hornblatte entsteht, so zurückhaltend muss ich mich hinsichtlich der Entstehung des dritten Blattes äussern. Ich habe oben bei Schilderung der Vorgänge, die der Ausbreitung des Keimhügels unmittelbar vorausgehen, die Gründe angegeben, die mir für die Ansicht Lereboullet’s zu sprechen schienen, dass dies dritte Blatt auf ganz abweichendem Wege sich bilde und un- terhalb der Keimhaut, aus der die beiden obern Blätter hervor- gehen, als eine von Anbeginn separirte einfache Zellenlage den Dotter überkleide. Meine Beobachtungen genügten aber nicht, diese Anschauung über allen Zweifel zu erheben, da das Phänomen, worauf ich dieselbe stützte, nicht lange genug beobachtet werden konnte und bisher auch nur bei Gasterosteus und Spinachia sich erblicken liess. Dass man dies Blatt bei den Eiern, die mir vor- lagen, erst so spät erblickt, spricht noch nicht für seine späte Ent- stehung, denn bei Gobius wird erst um diese Zeit das Hornblatt so durchsichtig, dass es den Durchblick gestattet und bei den Stich- lingen liegt die Keimhaut so prall dem Dotter an, dass nur in der nächsten Umgebung des Eınbryo, nachdem der sich zu dem eben besprochenen Zeitpuncte von dem Dotter emporgehoben hat, die Lagen unterschieden werden können. — Ich muss diesen Punct un- entschieden lassen. Ich werfe jetzt noch einen Blick auf die Embryonalanlage, wie dieselbe bei der Flächenansicht erscheint. Zuerst die schon be- sprochene Fig. 7 vom Stichlinge, die jetzt verständlicher wird. Aus dem, was die Betrachtung des Kopfendes im optischen Querschnitt gelehrt hatte, geht also hervor, dass die Anlage des Centralnerven- systems, die auf diesem Stadium noch muldenförmig gestaltete 246 ©. Kupffer: Medullarplatte, mit dem Hornblatte noch ein Continuum bildet, der Streifen aber, der die Platte vorn und seitlich begrenzt, ist der Ausdruck des Zwischenraums, der dadurch entsteht, dass sich an der Grenze der Medullarplatte das Hornblatt vom mittlern Blatte abhebt. Vorn bildet sich so ein breiterer heller Hof, entsprechend der beträchtlichern Weite des Raumes, in den die Augenanlagen hineinwachsen, die im Bilde eben als mässige Hervorwölbungen sich andeuten. Während all’ dieser Processe hat sich das Gefüge der Zellen innerhalb der Medullarplatte so consolidirt, dass bei der Flächen- ansicht die einzelnen Elemente nicht mehr deutlich unterschieden werden können, .dagegen erscheint der peripherische Theil des Em- bryonalschildes noch in der bisherigen Verfassung, zeigt locker neben einander gelagerte rundliche Zellen und sticht dadurch sehr deutlich von dem in der Ertwicklung mehr vorgeschrittenen Axentheile ab. Da dieser Abschnitt des Schildes noch mehrfach zur Berücksichti- gung kommen muss und seine weitern Schicksale nicht eine Be- zeichnung gestatten, die sich in der embryologischen Terminologie bereits eingebürgert hat, so wähle ich für denselben den Namen Embryonalsaum. Derselbe erscheint als eine direete Fortsetzung des Keimsaumes rings um den Embryo. Der weitern Entwicklungsstufe, die die Fig. 23 im optischen Querschnitt des Kopfendes wiedergiebt, correspondirt bei der Flächenansicht die Fig. 8 vom Stichling. Die Anlage des Central- nervensystems präsentirt sich als convexer Medullarstrang, der, wie die Vergleichung mit Fig. 7 lehrt, im Hirntheil beträchtlich schmäler geworden ist, während er sich emporhob. Die Augenan- lagen treten als selbstständige Körper hervor und beginnen sich zu- nächst hinten an ihrer Basis vom Medullarstrange abzuschnüren, das Hornblatt schmiegt sich den Augen an und dadurch verschwin- det der helle Hof des Kopfendes, den die Fig. 7 zeigte. Nur vom hintern Ende der, von oben gesehen, länglichen Augenanlagen spannt sich das Hornblatt straffer hinüber zu den Seiten des Me- dullarstranges und es entsteht so ein von oben dreieckig erschei- nender freierer Raum hinter den Augen, den man längere Zeit hindurch vorfindet. Der Embryonalsaum ist merklich schmäler ge- worden, indem die ganze Anlage in die Länge gewachsen ist. Noch ist indessen der Schluss des Dotterloches nicht erfolgt, aber nahe bevorstehend. In der hintern Hälfte der Anlage erscheinen jetzt Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 247 seitlich vom Medullarstrange, hart nach aussen von dem durch- sichtigern Streifen, der denselben begrenzt, die Segmente der Ur- wirbel unterhalb des Hornblattes. Gleichzeitig wird die Chorda sichtbar. Der mit dem Keimsaume zusammenhängende Embryonalsaum, der jetzt noch sichtbar ist, aber allmälig verschwindet, ist eine Er- scheinung, die eine Erörterung verlangt. Es war erwähnt, dass diese Region dadurch sich bemerklich macht, dass im Bereich der- selben rundliche Zellen locker neben einander gestellt vorhanden sind, wie in dem Keimsaume auch. Nachdem nun drei Keimblätter sich gesondert haben, fragt es sich, welchem dieser Blätter, oder ob allen dreien oder zweien derselben jene Zellen angehören. Aus dem Gange, den die Entwicklung genommen hat, geht hervor, dass dieselben Reste derjenigen Zellen sind, aus denen ursprünglich der ganze Schild sich zusammensetzte. Diese allein sind in einem Zu- stande losern Zusammenhangs verblieben. Es lässt sich nun leicht constatiren, dass die drei Keimblätter im Bereich des Embryonal- saums ebenso deutlich gesondert sind, als ausserhalb desselben. Man braucht nur einen Embryo aus der Altersstufe, die Fig. 8 darstellt, in der Profillage zu betrachten, so sieht man, wenn der- selbe die Stellung einnimmt, wie der ältere Embryo in Fig. 9, hart vor dem Kopfe das mittlere Blatt, das von der untern Fläche her- rührt, sich an das Hornblatt anfügen und von da an weiter zwei Blätter innig an einander liegend verlaufen, indem zugleich das dritte Blatt hart auf der Dotteroberfläche verbleibt und gerade an jener Stelle, hart vor dem Kopfe, wo sich ja ebenfalls der Embryo- nalsaum zeigt, geben sich mittleres und drittes Blatt mehr von ein- ander, so dass an eine etwaige Verschmelzung der. Blätter speciell in der Breite jenes Saumes nicht zu denken ist. Man vermag nun, wenn an einem Ei der Zwischenraum zwischen mittlerm und drittem Blatte sich etwas geräumiger gestaltet, was wechselnd ist, bei dem einen Individuum früher, bei dem andern sich später einstellt, mit befriedigender Sicherheit sich zu überzeugen, dass die fraglichen Zellen in diesem Intervall, also an der untern Fläche des mittlern Blattes liegen. Die Fig. 11 giebt das Verhältniss im optischen Querschnitt des Kopfendes, also von vorn gesehen, getreu wieder. So stellen sie gewissermassen eine selbstständige Schicht dar, es ist mir aber wahrscheinlich, dass sie bei der ursprünglichen Spaltung des Keimblattes innig mit dem zweiten Blatte verbunden sind und 248 C. Kupffer: erst nachträglich, indem sich zugleich etwas Flüssigkeit zwischen jenem und dem dritten Blatte einfindet, von demselben sich lösen und dem letztern sich auflagern. Dabei ist aber natürlich nicht an die Spaltung des mittlern Blattes in Hautplatten und Darmfaser- platten zu denken, denn sie finden sich eben auch rings um den Kopf herum, also auch unter dem Theil des mittlern Blattes, der mit Remak’s Kopfplatten zu vergleichen ist. Wenn nun auch bei der Flächenansicht dieser Embryonalsaum der also durch die zwei obern Blätter hindurch erblickt wird, mit dem Keimsaume am freien Rande der Keimhaut continuirlich zu- sammenhängt, so verhält es sich mit dem letztern doch nicht ebenso, da liegen dieselben Zellen in mehrfacher Schichtung über einander und sind in der ganzen Dicke zu gleichartig, als dass ich irgend einen Anhalt für die Entscheidung gewinnen konnte, ob die Son- derung in Blätter auch hier durchgeht. Der günstige Umstand, der am Kopfende die Blätter isolirt zur Wahrnehmung bringt, das Auf- treten von Intervallen zwischen denselben, fällt hier fort. So hat sich der ursprünglich gleichartige Schild der Dicke und Breite nach gegliedert. Die einzelnen Abschnitte können jetzt in bestimmter Bezeichnung unterschieden werden und es ist weiterhin von dem Embryonalschilde im Ganzen nicht mehr die Rede. Entwicklung einzelner Organe. Centralnervensystem. Die Entwicklungsstufe, bis zu wel- cher das Centralnervensystem verfolgt war, zeigt dasselbe als einen gewölbten Strang durch die ganze Länge der Anlage reichen, der vom Hornblatte gedeckt war, das an der obern Mittellinie noch con- tinuirlich mit der Masse des Stranges zusammen hing. Mit der Unterfläche ruht der Strang am Kopftheil dem mittlern Keimblatte (Kopfplatte Kemak), am Rumpftheil der Chorda dorsalis auf. Beim Stichling lassen sich am Hirnabschnitt weder im Profil, noch von oben deutliche Abtheilungen gewahren, die beträchtlichere Breite des Hirntheils, so lange die ganze Anlage noch als vertiefte Platte sich darbot, hat sich verloren, der Strang ist fast walzenförmig, jedenfalls sitzen die Augen, wenn man nach einer schwachen, hinter denselben auftretenden Auftreibung, zwei Abtheilungen unterscheiden will, der vordern an. Ausgeprägter zeigen sich bei Gobius drei Ab- theilungen (Fig. 23 und 30); die mittlere entspricht dem schon so früh am Embryonalschilde auftretenden Kopfhöcker, davor liegt das - Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 249 durch eine leichte Einsenkung geschiedene Vorderhirn, das Hinter- kirn ist ebenfalls durch eine mässigere Einsenkung vom Mittelhirn abgegrenzt. Die Augen sitzen dem Vorderhirn an. Es hiesse ‘ den Verhältnissen Gewalt anthun, wollte man mit C. Vogt das kurze Stück, um welches der Hirnstrang die Augen nach vorn überragt, als Vorderhirn auffassen. Wenn nun die Augen die schon angedeu- tete Abschnürung beginnen, wobei sie sich von hinten her von ihrer breiten Basis ablösen, so tritt ihre Beziehung zum Vorderhirn noch deutlicher hervor. Die Abschnürung schreitet nämlich so weit vor, dass sie vorn nur durch einen schmalen Stiel dem Hirn verbunden bleiben, dabei rückt dann das Auge bei Gobius noch im Ganzen etwas vorwärts, so dass der Stiel sich fast an das äusserste Vorder- ende inserirt. (Fig. 30.) Die Augen leiten nun die weitere Entwicklung des Central- nervensystems ein, werden hohl und die Linsenbildung nimmt ihren Anfang. Das Hohlwerden beginnt am Stiel der Augen und hat ganz den Anschein eines von aussen eindringenden Spalts (Fig. 30); aber‘ dieser anscheinende Spalt geht nicht über den Stiel hinaus, er verschwindet vielmehr bald und betrachtet man dann die Augen von oben, so gewahrt man im Innern des Organs einen der Länge nach hingehenden engen Hohlraum, der sich nicht etwa erweitert, sondern stets so eng bleibt. Unmittelbar darnach zeigt sich die erste Spur der Linse. Man erblickt sie zunächst bei der Ansicht von der Seite als einen zart angedeuteten Kreis in der Mitte des Auges, bald kann man dann auch von oben (Fig. 10) und von vorn (Fig. 29) die Verdickung des Hornblattes, die den Kreis bedingt, bemerken. Diese Erscheinungen sind ganz dieselben beim Stich- ling, bei Gobius und bei Perca. Ich muss auf diesen Zeitpunct besonders hinweisen, da der erste Beginn der Linsenbildung zusammenfällt mit einem Vorgange am Medullarstrange, durch welchen das bisher solide Organ die Ver- änderung zur Röhre einleitet. Diese Coincidenz scheint allgemein zu sein, wenigstens fand ich sie ganz übereinstimmend bei fünf Arten aus drei Familien. Der Verlauf besteht darin, dass sich erst am Vorderhirn, dann gleichmässig nach hinten fortschreitend das Horn- blatt von dem Medullarstrange an der obern Mittellinie ganz löst und nun unter dem als Epidermis erhobenen Blatte eine Furche sich bildet, die von oben her in den Strang ein- dringt. Sieht man von der Rückseite her darauf, so vermag man 250 C. Kupffer: die Epidermis nicht zu unterscheiden und es hat den Anschein, als wenn die Furche nach oben ganz offen wäre, veränderte Stellung des Eies überzeugt aber leicht, dass die Epidermis als Brücke hin- übergeht. Die Ablösung der Epidermis schreitet der Furchenbil- dung so nahe voraus, dass wenn man eine Lage des Embryo zur Beobachtung wählt, wie die Fig. 10 darstellt, man am Hinterhirn noch den Zusammenhang erblickt, während am Vorderhirn die Furche schon sichtbar ist. Am schärfsten kann man diese Vorgänge beob- achten, wenn man dem Ei die Stellung giebt, dass man das den Dot- ter etwas überragende Vorderende von oben (der Rückseite) her ins Auge fasst. Man wird dann die Stadien, die in Fig. 13 und 14 wieder- gegeben sind, in Zeit von fünf bis sechs Stunden allmälig auseinander hervorgehn sehn. — Die Furchenbildung streicht rasch über den Hirntheil des Stranges hin, langsamer über das Rückenmark; dann schliesst sich die Furche bald am Vorder- und Mittelhirn, indem die obern Ränder sich einander zuneigen und verschmelzen, weiter- hin bleibt sie längere Zeit offen. | 3 Nimmt man tiefere Einstellung, so findet man im Vorderhirn eine rhombische Erweiterung, das vordere Hirnbläschen (Fig. 14). An den seitlichen Ecken dieses Rhombus stellt sich die Communi- cation zwischen der Hirnblase und den spaltförmig engen Augen- blasen her. (Fig. 31.) Die Entwicklungsstufen des Auges, die leicht wahrnehmbar sind, geben den besten Anhalt für die entsprechende Ausbildung des Cen- tralnervensystems: das erste Auftreten der Augenhügel erfolgt bei muldenförmig vertiefter Medullarplatte. Beginnt die Abschnürung der Augen von ihrer Basis, so ist der gewölbte solide Medullarstrang vorhanden ; wird das Auge hohl, so beginnt das Hornblatt sich vom Medullarstrange abzulösen, die Linsenbildung fällt mit dem Erschei- nen der medianen Furche zusammen, deren Schluss der Central- canal bildet. Das ist die Bildung des Centralcanals nach meinen Beobach- tungen. K. E. von Baer und Vogt haben beide die in den Figg. 12, 14, 31 dargestellten Verhältnisse gesehn, eine über die Furche brückenartig hingespannte Lamelle, und deuten den Spalt als die durch Erhebung der Ränder verengte primäre Rückenfurche, haben dabei aber übersehn, dass das nächst vorhergehende Stadium nicht eine weitere Furche zeigt, sondern den soliden Strang, an dem diese Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 251 Furche erst ganz schmal beginnt und nur in dem Maasse, als sie in die Tiefe dringt, an der Oberfläche weiter auseinander klafft. Lereboullet’s Angaben sind zu unklar, als dass sie hier in Be- tracht kämen. Mit der auftretenden Linsenbildung fällt ziemlich genau auch das Erscheinen des Gehörbläschens zusammen. Es tritt zur Seite des Mittelhirns, nicht, wie Vogt meint, als Ausstülpung des dritten Hirnbläschens, sondern als solide Wucherung des Hornblattes, die erst nachträglich hohl wird, wie Lereboullet schon angiebt. So- bald die Höhlung erscheint, ordnen sich die Zellen der Wand als einfach geschichtetes Cylinderepithelium und das Hornblatt trennt sich von der äussern Fläche desselben (Figg. 10 und 31). Das Hohlwerden der Augen möchte ich ebenso auffassen, das heisst, als ein Auseinanderweichen der Zellen in der Axe des läng- lichen Organs. Dabei bleibt mir aber der erste Spalt an der Aussen- seite des Augenstiels räthselhaft, besonders da derselbe auf eine so kurze Strecke beschränkt bleibt und weder auf das Auge selbst, noch auf das Hirn sich fortpflanzt. Ich habe versucht, denselben in den Fig.9 und 31 möglichst getreu wiederzugeben, wie er durch das darüber hinstreichende Hornblatt hindurch erblickt wird. Nach dem Verstreichen desselben, oder, richtiger gesagt, nach dem Ver- schluss erscheint die Axe des Stiels hohl. Ueber die nächst folgende Entwicklung des Auges kann ich das schon Bekannte bestätigen: Die an Stärke zunehmende Linse drängt die secundäre Augenblase ein, wobei die Wand derselben an Mäch- tigkeit stark wächst, während die der primären dahinter sich gleich- mässig verdünnt. Wenn die Linse im Wachsthum die Form der Halbkugel schon überschritten hat, dann erblickt man im Centrum der äussern Fläche derselben eine kleine nabelförmige Vertiefung (Fig. 31), in welche die Epidermis gleichsam hineingezogen erscheint — das Loch der Linse. An dieser Stelle währt der Zusammenhang mit der Epidermis am längsten und bei der schliesslichen Trennung ist auch das Loch gefüllt. Die Anlagen der Riechgruben zeigen sich, wie die Linse, als convexe Verdickungen der Innenfläche des Hornblattes zu beiden Seiten des als kurzer Schnabel die Augen nach vorn überragenden Hirnendes. 252 C. Kupffer: Urwirbel una Chorda dorsalis. Ueber diese Theile kann ich leider nur so viel aussagen, als sich bei der Flächenansicht wahrnehmen lässt und das ist nicht viel. Man kann eben nur feststellen, dass die Chorda bei ihrem Auftreten gleich unter der Medullarplatte liegt und dass die feinen Spalten, die die Urwirbel trennen, nicht bis zur Oberfläche reichen, sondern vom Hornblatte gedeckt werden. Ueber das Verhältniss beider Ge- bilde zu den Keimblättern konnte ich nicht zu befriedigender Klar- heit gelangen. Denn obgleich der Stichlingsembryo dieser Epoche so durchsichtig ist, dass man an dem aufrecht gestellten von jeder Querebene desselben, die sich im Horizont des Eies befindet, ein überraschend deutliches Bild erhält, so will ich solche Bilder, die aus der Mitte des Leibes gewonnen werden, doch nicht planen Querschnitten an Beweiskraft gleichstellen und vermisste hierbei ganz besonders die Gelegenheit, Querschnitte anfertigen zu können. Das Bild zeigt nur so viel mit Deutlichkeit, dass die Chorda in der Berührungslinie des mittlern Blattes und der Medullarplatte entstand, ob aus dem erstern selbst, konnte ich nicht mit Sicherheit ergründen, ich halte es aber für wahrscheinlich. Die Urwirbel erscheinen in dem Interstitium zwischen dem Horn- blatte und mittlern Blatte. Bevor das erstere von der Oberfläche des Medullarstranges sich löst, bemerkt man schon deutlich eine Trennungslinie zwischen demselben Blatte und den Urwirbeln, vor- her scheint Continuität da zu sein, deshalb neige ich zu der An- sicht, das Hornblatt als Ausgangspunct anzusehn. Herz und Herzbeutel. Die Blase, die im vordern Theil des Embryonalschildes inner- halb des Kiels, aber hart an seinem untern Rande so früh schon erscheint, habe ich als Anlage des Herzbeutels bezeichnet. In meiner vorläufigen Mittheilung sah ich sie als Anlage des Herzens selbst an. Die erstere Bezeichnung ist correcter, obgleich damit zugleich die Anlage des Herzens gegeben ist. — Ich hatte anfänglich nur constatirt, dass diese Blase an der Stelle sich befindet, an welcher, wenn man die Entwicklung Schritt für Schritt verfolgt, um die Zeit der beginnenden Linsenbildung das Herz seine Pulsationen einleitet und ich schloss daher darauf, dass die Blase zum Herzen selbst sich gestaltet. Würde der Kiel stets in der Lage verharren, die er am Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 253 Anfange zeigt und so tief nach unten vorragend seine Seitenfläche dem Blicke frei darbieten, wie in den Figg. 5 und 22, so wäre es ein leichtes, die weitern Veränderungen im Detail zu ermitteln. Das ist nicht der Fall, sondern indem die Medullarplatte sich zum ge- wölbten Strange erhebt, steigt auch der Kiel aus dem Dotter her- vor und es kommt sein unterer Rand und damit jene Blase auf der Oberfläche des Dotters zu liegen, so dass sie bei der Profilansicht durch die Ablenkung des Lichtes an der Peripherie des Dotters in Schatten gestellt wird. Bevor man so die deutliche Ansicht verliert, lässt sich noch erkennen, dass das erst rundliche Bläschen sich der Axe entlang in die Länge zieht, mehr spaltförmig wird. Aber es beginnt bald der Embryo mit dem Theil des Vorder- endes, unter welchem die Blase liegt — beim Stichling ist es das Hinterhirn, die Gegend, in der das Gehörbläschen erscheint, bei Gobius liegt die Stelle mehr nach vorn zu, unter dem Mittelhirn, in dem Winkel, den der Kopftheil mit dem Rumpfe bildet — der Theil also beginnt sich über den Dotter zu erheben und man nimmt wahr, dass die Ursache der Erhebung in der Vergrösserung dessel- ben Organs liegt, das noch jetzt als eine in die Länge gezogene, nach vorn und hinten sich zuschärfende Blase erscheint, von deren oberer Wand aber ein stumpf konischer Körper in die Höhle hin- einragt (Fig. 9). Dieser Körper zeigt, bald nachdem man seiner . ansichtig wurde, einen centralen Hohlraum und an den Pulsationen, die später beginnen, erkennt man denselben als Herz. Der geschlos- sene Raum, in dem er liegt, ist also der Herzbeutel. Da aber, wie erwähnt, eine Zeit lang diese Gegend in Schatten gestellt ist, der- art, dass man nur erkennen kann, es liegt da ein hohles Organ zwischen Medullarstrang und Dotter, so wäre es immerhin denk- bar, dass die erst erscheinende Blase zum Herzen selbst wird und der Herzbeutel sich zu jener Zeit in irgend welcher Weise um das Herz herum bildet, wenn nicht das Verhältniss des Herzbeutels zum mittlern Keimblatte, wie ich es erst an ältern Entwicklungsstufen erkannte, die Entscheidung zu Gunsten der ersten Auffassung gäbe. Dies Verhältniss ist ausgedrückt in den getreu nach der Natur ent- worfenen Figg. 32 und 33; die erstere ist vom Barsch entnommen und zeigt den Herzbeutel in der Seitenansicht, die zweite von Gobius niger und stellt eine Ansicht von der Bauchseite dar. Beide Fische lassen auf dieser Entwicklungsstufe an Klarheit nichts zu wünschen übrig, besonders beim Barsch, wo der geräumige Herzbeutel so weit 254 C. Kupffer: nach vorn zu liegt, dass er noch über den Kopf des Embryo hinaus- ragt, sieht man aufs Schönste, dass die obere und untere Wand des Herzbeutels sich direct in das mittlere Blatt fortsetzen, d. h. die Höhle des Herzbeutels muss aus einer Spaltung des mittlern Blattes hergeleitet werden. Ja man kann beim Barsch das Fortschreiten dieser Spaltung direct beobachten, wenn man an jüngern Stadien, -als dem abgebildeten, beginnt. Da liegt der Herzbeutel noch etwas weiter zurück, so dass vor dem Auge das ungetheiite Blatt verläuft und sich am äussersten Kopfende an die Unterfläche des Hornblattes anlegt. Nun vergrössert sich der Herzbeutel nach vorn, indem seine Höhle in den bisher ungetheilten Abschnitt vordringt, so dass nun Auge und Kopfende direct auf der obern Wand des Herzbeutels zu liegen kommen. Diese Wand be- steht zur Zeit aus einer einfachen Lage platter, etwas in die Länge gezogener kernhaltiger Zellen. Die Spaltung betrifft also den Theil des mittlern Keimblattes, der als Kopfplatte zu bezeichnen wäre. Für die Untersuchung der frühern Stadien eignet sich der Embryo von Gobius nicht, weil der Herzbeutel erst sehr eng ist; die abge- bildete Entwicklungsstufe fällt der Zeit nach zusammen mit der Abschnürung der Linse von der Epidermis. Bei Gasterosteus liegt das Organ weiter zurück, reicht nicht bis in die Gegend der Augen, man kann also nicht so frei vor dem Kopfe die Continuität mit dem mittlern Keimblatte wahrnehmen. Nun wird man sich erinnern, dass die erste Erscheinung des hohlen Organs in die Zeit der beginnenden Bildung der Rücken- furche und der Lösung des mittlern Blattes vom Hornblatte fiel; da der Kiel dann tief vorspringt, kann man bei dem pelluciden, von festen Partikeln völlig freien Dotter des Stichlings denselben deut- lich von der Seite sehn, kann ferner die Trennungslinie zwischen Kiel und mittlerm Blatte erblicken und sieht zugleich diese Tren- nungslinie hart über der Blase hinziehn, d. h. die Blase liegt im Bereich des mittlern Blattes. Die Entstehung derselben ist nicht anders aufzufassen, als dass in beschränkter Ausdehnung Flüssigkeit zwischen den Zellen des Blattes ausgeschieden wird und einen Hohl- raum bildet. Da dieser nun noch länglich wird, ehe die Hebung des Kiels ihn der Beobachtung entzieht, so stimmt auch die Form mit der spätern des Herzbeutels überein. — Das sind die Gründe, die mich veranlassen, die, primäre Blase als Herzbeutel anzusehn. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 255 Bietet derselbe sich dann später beim Stichling wieder dem Blicke frei dar (Fig. 9), so erhält er, wie erwähnt, im Innern die Anlage des Herzens. Die Masse hängt mit breiter Basis der obern Wand an. Ich kann die Bildung nur auffassen als eine Wucherung der Zellen eben dieser Wand. Es wäre ausser dieser Auffassung nur noch eine Möglichkeit a priori denkbar, dass nämlich Zellen des Medullarstranges von oben her sich einstülpten, denn andere Ele- mente giebt es da nicht. Aber, abgesehn von der innern Unwahr- scheinlichkeit, bietet auch die Beobachtung gar keinen Anhalt dafür und eine Einstülpung müsste sich in der veränderten Stellung der obern Wand kundgeben. Das ist nicht der Fall, die Membran liegt eng dem Medullarstrange an. — Wenn die Spitze der Herzanlage die untere Wand der Perikardialhöhle erreicht, zeigt sie schon eine enge Höhle. Contractionen sah ich erst auftreten, nachdem die An- heftung an die untere Wand erfolgt war. Es wird bei den Con- tractionen die dünne Lamelle erst unmerklich, dann immer deut- licher gehoben. — Wie die Eröffnung der Herzhöhle in den Raum unter dem Perikardium zu Stande kommt, d.h. in dem Raum, der später zum Sinus venarum communis wird, das habe ich nicht erui- ren können. Es ist ja nur die Alternative denkbar, dass entweder an der Verwachsungsstelle durch Lösung der Zellen von einander der Herzbeutel perforirt wird, oder dass derselbe sich von unten her beutelförmig in die Herzhöhle einstülpt. Ich muss aber die Ent- scheidung offen lassen. Ueber diese Vorgänge liegen von den frühern Beobachtern ab- weichende Angaben vor. Baer erwähnt der ersten Bildung des Herzens nicht. Vogt spricht ausführlich darüber, aber aus seinen Angaben erhellt, dass die Palea ein sehr ungünstiges Object abgiebt. Er sagt, dass man zwischen dem Embryo und dem Dotter, in der Mitte zwischen Auge und Gehörbläschen, — zu einer Zeit, wo die Linse bereits abge- schnürt ist und der Embryo einen beträchtlichen Schwanz hat — eine Ansammlung wahrnimmt, die aus embryonalen und Epidermis- zellen gemischt ist. Diese scheiden sich darauf von einander, aus den innern, embryonalen werde das Herz, die Epidermiszellen bil- deten später einen Sack darum, das Perikardium. Das Herz ruhe als solider Körper mit seiner Basis dem Dotter auf und beginne die Contractionen lange bevor es hohl werde. Auf der Oberfläche des Dotters befinde sich eine besondere Schicht von Zellen, couche 256 C. Kupffer: hematogene, die unter der Epidermis liegt; daraus bildeten sich die Gefässe und das Blut an der Dotteroberfläche; das Blut entstehe indessen nicht blos da, sondern überall, wo Gefässe gebildet würden, ebenso im Innern des Herzens, überall da lösten sich Zellen von der Wand ab und gelangten in den Strom. Erst nachdem die Herz- wand und die Gefässe eonsolidirt sind, fände nur noch in der couche hematogene in besondern Heerden Neubildung von Blutkörperchen statt, indem die Zellen der Schicht direct als Blutzellen sich in Be- wegung setzten, oder diese erst endogen erzeugten. Lereboullet sagt vom Hechte, dass die Bildung des Herz- beutels der des Herzens vorausgehe, beim Barsch dagegen soll das Herz vorher da sein (eine Angabe, die sich daraus erklärt, dass beim Barsch, ähnlich wie bei Gobius (Fig. 30) zur Zeit des Erschei- nens des Herzens der Herzbeutel sehr eng ist). Dann heisst es vom Hechte, der Herzbeutel bilde sich durch eine Depression des Dotters unter dem Kopfe und durch Verdoppelung eines der beiden embryo- nalen Blätter (par d&doublement de l’un des deux feuillets embryo- naires). Der Zeit nach würde das spät geschehn, erst soll die Linse das Auge einstülpen und das Gehörbläschen entstehn, also zu einer Zeit, die der Entwicklungsstufe des Stichlings in Fig. 9 entspräche. Lereboullet ist erst durch das Erscheinen des Hohlraums zwischen Embryo und Dotter auf diese Bildung aufmerksam geworden. Vom Herzen sagt er, dass es als solider Konus an der Unterfläche des Kopfes durch Zellenvermehrung entstehe. Dann wird überraschender Weise angegeben, das Herz löse sich von seiner Basis am Kopfe ab und steige in den Herzbeutel hinab, der zur Aufnahme vorbereitet ist (se detache de la base de la tete et descend dans la poche, preparee pour le recevoir). Und vom Barsch wird gar gesagt, das in gleicher Weise, wie beim Hecht gebildete Herz schlage, erhalte eine Höhle und diese eröffne sich an dem untern Ende, Alles bevor das Herz in den Herzbeutel gelangt ist. — Ich war erst geneigt, unter dem Ausdrucke »dedoublement« eine Spaltung des Blattes zu verstehn — die Abbildungen geben keine Aufklärung —, aber die folgende Beschreibung des Herabsteigens in die zur Aufnahme vor- bereitete Tasche machen es wahrscheinlich, dass mit dem Ausdruck eine Duplicatur durch Faltung gemeint ist, die Bildung eines nach oben offenen Sackes, dessen erst geschlossener Grund dem Dotter aufruht. Wahrscheinlicher wird dies noch durch jene Angabe, dass bein Barsch das fertige Herz” dies Hinabsteigen bewerkstellige. | Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 25 Lereboullet hat die obere Wand des Perikardiums nicht gesehn, überhaupt das Verhältniss des Kopftheils zum mittlern Keimblatte nicht erkannt. Bei der Forelle verzichtet Lereboullet ganz auf Ergründung dieser Bildungen wegen Ungunst des Objects. Für kaum günstiger muss ich indessen den Hecht halten, wenn es darauf ankommt, die ersten Anlagen zu ermitteln, nach dem, was Aubert!) berichtet. Er findet die gemeinsame Anlage von Herzbeutel und Herz in einer Zellenmasse, die sich an der bezeichneten Stelle zwischen Embryo und Dotter ansammelt und rasch vergrössert. Es sollen runde, durchsichtige Zellen sein, grösser als die übrigen Embryonalzellen, zwischen denen sich eine Intercellularsubstanz ansammle, die im Centrum massenhafter und vielleicht flüssig sei, so dass derart ein innerer heller Raum gebildet werde, in welchen von hinten und oben ein dunkler dreieckiger massiver Körper hineinrage, das Herz. Das- selbe werde bald ceylindrisch, stelle sich aufrecht und es entwickle sich darin eine Höhle, in derselben Weise, wie im Herzbeutel, in- dem eine im Centrum abgeschiedene Flüssigkeit die Zellen ausein- ander dränge. Da diese Zellen in der Mitte zwischen Embryo und Dotter auf- treten, so meint Aubert, es spräche das für die Existenz eines be- sondern Gefässblattes. Die Präexistenz des Herzbeutels ist ihm also entgangen. Was er über die Bildungsweise der Höhle im Herzen mittheilt, muss ich durchaus bestätigen, ein centraler Spalt entsteht da, indem die Zellen auseinanderweichen und die durch- sichtige Masse in dem Cavum ist aller Wahrscheinlichkeit nach gleich, jedenfalls später, flüssig. Ein specielles Erörtern der Frage, ob die Contractionen des Herzens beginnen, ehe dieser Hohlraum auftritt, oder erst nachher — das Erstere behaupten Vogt und Lereboullet, das Andere Aubert — scheint mir ganz müssig, da man ja nicht entscheiden kann, ob die Höhle nicht bereits da ist, ehe sie erblickt wird und da andererseits bei Embryonen derselben Art sehr beträchtliche Unterschiede bestehn. Beim Stichling habe ich in der Regel die Bewegung eintreten sehn gleich nachdem ich die Höhle wahrgenommen, aber es konnte dieselbe auch 24 und mehr Stunden lang vorhanden sein, ohne dass 1) Ztschrft. f. w. Zool. Bd. VII. 1856. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4, 17 258 C. Kupffer: sich Pulsationen zeigten, obgleich die Entwicklung im Uebrigen ste- tig fortschritt. Jedenfalls kann ich die Angaben aller drei Forscher, Vogt’s, Lereboullet’s und Aubert’s, darin durchaus bestätigen, dass die regelmässige Pulsation in Gang komnit, bevor noch irgend von cireulirenden Blutkörperchen die Rede sein kann. Darüber noch Näheres im folgenden Abschnitt. Sehr eingehend hat sich nach allen den bisher eitirten Autoren Reichert!) über die Bildung des Blutsystems bei den Fischen ge- äussert und dabei einen durchaus abweichenden Standpunct ein- genommen, dem ich indessen in den wenigsten Stücken mich an- schliessen kann. Doch freut es mich, dass ich für seine theoretisch abstrahirte Ansicht von der Bildungsweise des Perikardiums die Be- stätigung zu bieten vermag, wenn auch vielleicht nicht ganz in sei- nem Sinne. Er sagt, das Perikardium sei ihm niemals anders, als in Form einer schon fertigen, mit Liquor pericardii gefüllten Höhle vorge- kommen, die ersten Anfänge entzögen sich der Beobachtung, indessen könne aus allgemeinen Gründen nicht daran gezweifelt werden, dass es sich damit ebenso verhalte, wie bei den höhern Thieren. Das Perikardium sei da ein Theil der Rumpfhöhle, die sich erst nach- träglich in Perikardium, Pleurahöhle und Peritonealhöhle scheide und in der Weise entstehe, dass sich das Amnios (Cutis und Um- hüllungshaut) vom Stratum intermedium spalte. In Remak’s Sprache übersetzt bedeutet das die Spaltung der Hautplatte von der Darmfaserplatte, also Spaltung des mittlern Keimblattes. Schwie- rig, meint Reichert, sei die Entscheidung, wie sich das Perikardium von der Rumpfhöhle abkammere, es spielten dabei wohl, wie bei dem Diapkragma, die Bauchplatten eine Rolle. Nun, eine Abkammerung ist bei den Fischen nicht erforderlich, denn es erfolgt zunächst die Spaltung hier nur im Bereich des Pe- rikardiums; es ist ein ganz partieller Vorgang, auf dem diese Bildung beruht, aber im Grunde übereinstimmend mit der Bildungsweise der Peritonealhöhle. Dass die letztere bei den Fischen auch so entstehe, habe ich zwar selbst nicht beobachtet, aber Alexander Rosen- berg?) giebt in einer trefflichen Abhandlung über die Bildung der 1) Studien des physiol. Instituts zu Breslau. Leipzig 1858. pag. 11. 2) Untersuchungen über die Entwicklung der Teleostier-Niere. Inaugu- ral-Dissertation. Dorpat 1867. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 259 Niere der Teleostier eine Darstellung des Vorganges, die die Ueber- einstimmung mit den höhern Thieren darthut. Allein diese ausge- dehntere Spaltung, die sich von der erstern getrennt vollzieht, erfolgt viel später. Das Herz selbst erblickt Reichert auch gleich im Perikardial- sack, hat die ersten Anfänge nicht beobachtet, zweifelt aber nicht daran, dass dasselbe zugleich mit den Organen der Bauchhöhle (!) aus einer Schicht übrig gebliebener Bildungsdotterzellen hervorgehe, die sich zwischen Wirbelsystem und Nahrungsdotter fände. Es scheint darnach, dass Reichert ein Darmdrüsenblatt bei den Fischen nicht statuirt, denn unter den Organen der Bauchhöhle muss doch zunächst an den Darm gedacht werden. Diese Vorstel- lung hat deshalb keine Schwierigkeit für ihn, weil die Form der abgeschlossenen Höhle, als welche das Perikardium erscheint, sobald es über dem Dotter sichtbar wird, nach seiner Meinung eine secun- däre ist und ein Theil des supponirten allgemeinen Bildungsmate- rials für sämmtliche Organe der Rumpfhöhle bei der Abkammerung mit abgetheilt werden könnte. Wenn sich aber das Perikardium als selbständige Höhle durch beschränkte Spaltung einer bestimmten membranösen Lage bildet, in welcher anfänglich eine Spur des Herzens nicht erblickt wird, dann bleibt nichts Anderes übrig, als entweder die von Reichert selbst mit Recht perhorrescirte Annahme einer Einstülpung von oben her, oder aber die, dass die Wand des Perikardiums selbst durch Zellenvermehrung an ihrer Innenfläche das Bildungsmaterial für das Herz liefere. Ich erwähnte bereits, dass ich nach meinen Beobach- tungen am Stichlinge mich für den letztern Bildungsmodus er- klären muss. Was dies restirende Material an Bildungsdotterzellen anlangt, auf das Reichert sich beruft, so könnte davon nur in: der Region hinter dem Perikardium die Rede sein, im Bereiche der Chorda und der Urwirbel. Ueber dem Perikardium findet sich — ich spreche hier natürlich nur von einem bestimmten Zeitpuncte, dem, wo das Herz als Konus in der Perikardialhöhle erscheint (Fig. 9) — nur das Centralnervensystem. 260 C. Kupffer: Blutbildung und Beginn der Circulation. In dieser delicaten Frage nach dem Orte und der Art der Ent- stehung der ersten Blutkörperchen herrschen in den bisherigen Mit- theilungen mannichfache Widersprüche und Unklarheiten, während sich hinsichtlich der andern Puncte, nämlich der Einleitung der Cir- culation, der Bildung der ersten Gefässe in der weitern Entwicklung des Systems, eine ebenso überraschende, als erfreuliche Ueberein- stimmung kund giebt. K. E. von Baer, Vogt, Lereboullet, Aubertsind darin einig, dass als Erstes ein von Blutkörperchen freies Plasma in Bewegung gesetzt wird und dass Blutkörperchen erst »später, zunächst vereinzelt, dann immer zahlreicher im Stroma auf- treten, darin ferner, dass dieselben kleine sphärische Körperchen ohne Kern sind, von der Grösse der späteren Kerne entwickelter Blutzellen, dass diese Körperchen nach dem Ausschlüpfen des Em- bryo allmälig sich abplatten, elliptisch werden und einen Kern er- halten, und endlich darin, dass die ersten Blutbahnen keine eigenen Wände besitzen, die sich erst nachträglich von der Umgebung dif- ferenziren. In allen diesen Stücken muss ich beistimmen. Hinsichtlich der Gefässwände beschränke ich mich Vorsichts halber nur auf das an der Dotteroberfläche auftretende Canalsystem, denn nur hier bot sich mir die genügende Klarheit der Beobachtung, um positiv behaupten zu können, dass erst die Strömung in freien weiten Räumen vor sich geht, aus welcher dann in besonderer Weise, die Aubert richtig angegeben hat, sich netzförmig verbundene Bahnen herstellen, an denen schliesslich die eigene Wand erscheint. Dabei muss beachtet werden, dass dieser Dotterkreislauf, der bei einigen Fischen so reich sich entwickelt, bei andern fast gar nicht zur Ausbildung kommt. Reichert!) hat zuerst darauf hingewiesen. In die erste Gruppe gehören Fische mit relativ grossem Nahrungs- dotter, der noch nach dem Ausschlüpfen als grosser, sogenannter äusserer Dottersack vorhanden ist, auf dem der Eınbryo abgeschnürt aufsitzt. Dahin sind zu rechnen: Esox, Perca, Coregonus, Salmo, Blennius, Gasterosteus, Spinachia, Syngnathus. Bei der andern Gruppe ist der Dotter klein, wird bis zum Ausschlüpfen fast ganz aufgezehrt, der Rest liegt in der mässig erweiterten Bauchhöhle, 1) 1. c. pag. 3. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 261 deren Form er sich aeceomodirt; man hat in diesem Falle von innerm Dottersack gesprochen. Ein Repräsentant des letztern ist Gobius, auch die Cyprinoiden gehören dahin. — Es liegen diesen Differenzen keine wesentlichen Abweichungen in den Grundzügen der Entwick- lung zu Grunde, sondern nur quantitative; da beim Gobius zur Zeit der Gefässbildung schon der grössere Theil der Dottermasse consumirt ist, kommt es nicht mehr zur Bildung des Gefässnetzes an der Oberfläche desselben. Für die Beobachtung der Blutbildung jedoch sind die Differenzen sehr wichtig. — Die Unterscheidung von äusserm und innerm Dottersack ist, wie ich hier gelegentlich be- merken will, eine ganz haltlose, so lange nicht bei der Entwicklung ‚des Darms Unterschiede in dem Verhältniss desselben zum Dotter nachgewiesen sind, was bisher nicht der Fall. K. E. von Baer lässt die Blutkörperchen aus dem Plasma entstehn. Vogt nimmt eigentlich zweierlei Entstehungsweisen an, die Ablösung von der Innenwand des Herzens und der in Bildung begriffenen Gefässe und dann die Entstehung in besondern Heerden der Couche hematogene auf der Dotteroberfläche. Von dieser Schicht heisst es, sie cohärire mit der Epidermis, ihre Elemente seien grosse, durchsichtige, kernhaltige Zellen und die Kerne, vielleicht auch Tochterzellen derselben, würden zu den Blutkörperchen. Wenn diese letztere Vermehrungsweise energisch vor sich gehe, so sammelten sich Haufen neugebildeter Körperchen an, besonders in der Nähe des Sinus Öuvieri. Lereboullet giebt eigentlich keine positive Auskunft, er stellt nur in Abrede, dass die Blutkörperchen aus besondern präformirten Zellen entständen. Sie sollen zuerst im Herzen erscheinen, ohne aber von den Wänden desselben zu stammen. Am nächsten schliessen sich meine Beobachtungen an diejenigen Aubert’s!) an. Für die Entscheidung der Frage sind die auf der Dotteroberfläche vor sich gehenden Bildungen die wichtigsten, die er vom Hecht folgendermassen beschreibt. Um die Zeit der Herz- bildung (nach meiner Darstellung des Sichtbarwerdens der Herzbeu- telhöhle über dem Dotter) erscheinen an der Dotterkugel unter der Epidermis zwei Arten kleiner Körper von der Grösse des Kerns der Embryonalzellen, die einen sind unregelmässig, die andern rund und etwas kleiner. Die Couche hematogene von Vogt deutet Aubert 1) a. a. ©. 262 C. Kupffer: als Substanz der Bauchplatten, da sitzen nun die unregelmässigen Körperchen in der Schicht, die runden darunter, zwischen den Bauchplatten und der Dotterkugel; aus den erstern werden Pigment- zellen, aus den andern die ersten Blutkörperchen. Vorzugsweise erscheinen diese auf der rechten (unter dem Mikroskope linken) Oberfläche des Dotters. Das Herz hat unterdessen seine Pulsationen eröffnet, man sieht die auf der Dotteroberfläche dem Herzen zu- nächst gelegenen Blutkörperchen als die ersten in das Herz eintre- ten und nun etablirt sich der Kreislauf derart, dass die untere Schwanzvene (vena caudalis inferior) das Blut am hintern Ende des Dotters in den Raum zwischen den Bauchplatten und dem Dotter ergiesst, wo dasselbe frei über die ganze rechte Dotterhälfte ausge- breitet bis zum Vorhof gelangt. Diese freie Blutbahn wird dadurch zu einem Net% von Canälen umgestaltet, dass sich innerhalb des strömenden Blutes helle Inseln bilden, deren Herkunft und histio- logischer Charakter unermittelt blieb. Jedenfalls war aber auch nach dem Erscheinen der Inseln eine die Canäle begrenzende Wandschicht nicht nachweisbar. # Aber Aubert will doch nicht annehmen, dass sich auf dem Dotter allein die Blutkörperchen bildeten, er schliesst sich darin an Vogt an, dass sich von der Innenwand des Herzens und überhaupt von den Grenzflächen der in Entstehung begriffenen Gefässe überall Zellen lösten. Das Letztere stützt er damit, dass die Innenwand des Herzens erst höckerig erscheint, nachher aber glatt, mithin die erst hervorragenden Zellen fortgerissen sein müssten, und ferner dadurch, dass er, wie Vogt auch, an der Stelle der zweiten Kiemenarterie (Vogt sah es an der siebenten) eine Reihe ruhender Blutkörperchen wahrnahm, während durch das erste Paar der Strom mit den Kör- perchen bereits frei passirte, allmälig kam die ruhende Reihe auch in Bewegung und Aubert sieht darin einen Beleg dafür, dass sie sich dort gebildet. Beide Beobachtungen sind als Stützen seiner Ansicht wohl nicht stichhaltig. Die erste Erscheinung beruht darauf, wie bei continuir- licher Beobachtung sehr leicht zu constatiren ist, dass sich die Zel- len des Endokardiums allmälig abplatten, und was die zweite Er- scheinung betrifft, so ist doch zu erwägen, dass die Kiemenarterien sich successive bilden, dass, während die ersten Bögen bereits seit längerer Zeit Blutkörperchen passiren lassen, die folgenden, wie alle neu hinzutretenden Gefässe erst nur Plasma führen, also am An- Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 263 fange der Eröffnung entschieden zu eng sind, um den Körperchen den ungehemmten Durchgang zu gestatten; zweifellos wird darauf das Kaliber nur allmälig zunehmen und es ist daher wahrscheinlich, dass unter den ersten Blutzellen, die sich hindurchzwängen, eine oder die andere stecken bleibt und hinter sich mehrere nachfolgenden zum Stocken bringt, bis dann zunehmende Erweiterung die Lösung giebt. Mir scheint die Deutung, dass die stockende Reihe herge- führt ist, viel näher zu liegen, als dass sie sich in loco gebildet. Wäre das Letztere die Regel, so könnte sich bei der Beschaffenheit der ersten Blutkörperchen, ihrem stärkern Lichtbrechungsvermögen, diese der Eröffnung des Gefässes voraufgehende Aufreihung bei Ge- fässen, die der Beobachtung so zugänglich sind, wie die Kiemen- arterien, nicht entgehn. Allein Vogt und Aubert haben es ja ein- mal beobachtet, ich habe es nie gesehn. Wenn ich daher Alles zusammenfasse, was an sicherer Beob- achtung in dieser Frage vorliegt, so muss ich sagen: bestimmt fest- gestellt ist nur die Bildung der Blutkörperchen in der Wand des Dottersackes, alle Angaben über anderweite Entstehung beruhn auf vagen Wahrnehmungen oder vorgefasster Ansicht. Die Eier von Gasterosteus und Spinachia sind für diese Beob- achtungen sehr geeignet, die von Gobius sehr ungünstig. An den erstern sah ich zu der von Aubert angegebenen Zeit, die ziemlich genau mit der in Fig. 9 dargestellten Entwicklungs- stufe zusammenfällt, die von ihm beschriebenen kleinen runden, stark lichtbrechenden, kernähnlichen Körperchen auftreten, aus de- nen, wie ich bestätige, sowohl die Blutkörperchen als auch Pigment- zellen der Haut entstehn.. Am Anfang sind sie alle ganz gleich- mässig rund, dann fangen die Einen an kleine Spitzen zu treiben, platten sich dabei etwas ab, werden allmälig sternförmig, verlieren den Glanz, lassen ihre Kerne dann hervortreten und entwickeln noch vor dem Ausschlüpfen Pigment. Die Andern bewahren ihre erste Beschaffenheit, bis sie in Circulation gesetzt werden. Dann beginnt allmälig die Röthung; die Gestaltveränderung, wodurch sie sich den entwickelten nähern, tritt nicht gleichzeitig, sondern später ein. Die erste Form ist die kugelrunder, kleiner Körper, die prall und glän- zend aussehn, einen Kern nicht erblicken lassen. Wenn Aubert die beiderlei Gebilde der Tiefe nach verschieden gelagert sein lässt, die Pigmentzellen in der Substanz der Bauchplatten, die Blutzellen dar- unter, so trifft das später wohl zu, am ersten Anfange liegen sie 264 C. Kupffer: aber bei diesen Fischen in gleichem Niveau, nämlich zwischen dem mittlern und dem dritten Blatte, auf beiden Dotter- hälften; die Vermehrung erfolgt dann lebhafter auf der rechten. Das mittlere Keimblatt, so weit es die Dotterkugel überzieht (Cutis und Stratum intermedium Keichert, Bauchplatten Axbert, Couche hematogene Vogt), besteht um die Zeit grösstentheils aus einer doppelten Lage abgeplatteter, sehr durchsichtiger, einen Kern zeigender Zellen, die jetzt noch wie ein Pflasterepithelium sich an einander fügen und keine Intercellularsubstanz zeigen. Die Epidermis- zellen sind im Allgemeinen höher, als die des zweiten Blattes. Die Kerne in den Zellen beider Blätter sind viel blasser, will sagen schwächer lichtbrechend, als die Blutkörperchen und etwas platter, eine Verwechselung beider ist nicht wohl möglich. Mehrfach geschichtet ist das zweite Blatt in der Umgebung des Schwanzpols, im Keimsaume, wo eben um diese Zeit der Schluss des Dotterloches erfolgt (Fig. 9). Ich sagte bereits, dass mir die Mittel gefehlt haben zu entscheiden, ob innerhalb des Keimsaumes die Blätter sich überhaupt getrennt haben; wahrscheinlich ist es mir, aber die Elemente der beiden obern sind so gleichartig, dass man beim Durchblick von oben Schichten nicht unterscheiden kann. Kurz vor dem Schlusse werden die erst rundlichen Zellen des Saumes länglich gestreckt, ordnen sich radiär um das Centrum der Oeffnung und verdicken durch Zusammenrücken den umgebenden Wall. Das Schwanzende des Embryo ragt dann in diesen Wall hinein und die Schlussstelle fällt meist auf die Rückseite des Schwanzendes, selten in das hintere Axenende. Nach dem Schlusse verschwindet der Kranz besonderer Zellen, den der Keimsaum bis zuletzt um das Dotterloch gebildet hatte. Zum Theil dadurch, dass die Zellen die Beschaffenheit der Epider- miszellen und Zellen des mittlern Blattes annehmen, platter, daher in der Fläche grösser werden, an Glanz und Lichtbrechungsvermögen einbüssen, zum Theil aber auch durch Zerstreuung. Das- selbe gilt von dem den Embryo umgebenden Embryonalsaume. Wir hatten schon gesehn, dass die oberflächlichen Zellen desselben bei der Spaltung des Schildes in die Blätter die ursprüngliche Beschaf- fenheit aufgaben, nur eine tiefere Lage blieb noch in der frühern Verfassung übrig, fügte sich dem mittlern Keimblatte nicht ein, sondern lagerte zwischen diesem und dem dritten. Anfangs erblickt man sie nun noch durch die oberflächlichen Lagen hindurch, je näher Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 265 es aber dem Zeitpunete kommt, von dem eben die Rede ist, verliert sich auch dieser Rest, indem die Zellen sich in dem Raume zwischen mittlerm und drittem Blatte zerstreuen. Die beiden Keimblätter liegen nämlich ganz locker auf einander und stehn an einzelnen Stellen, namentlich zu beiden Seiten des Herzbeutels merklich von einander ab. Diese Interstitien enthalten eine geringe Menge Flüs- sigkeit, das zuerst eirceulirende Plasma. Ich kann nun nicht sagen, dass es mir gelungen wäre, an der einzelnen Zelle die Locomotion zu beobachten, durch welche sie von der bisherigen Lagerstätte sich entfernt. Aber man sieht im Ver- lauf eines Tages sie undichter werden, die äussersten jetzt weiter von der Grenze des Embryo und von der Schlussstelle des Dotter- loches abstehn, als vorher. Hierbei erfolgt zugleich eine eigenthüm- liche Vermehrung, die namentlich bei Spinachia gut zu sehn ist, aber auch bei Gasterosteus, dem die Fig. 9 entnommen wurde: Von den länglichen Zellen des Keimsaumes geht eine Vegetation aus, die durch unvollständige Theilung reihenweis geordnete Glieder vor- schiebt, ein Knospungsprocess, durch den, wie bei Algen und Pilzen, aus einer Zelle einfache, oder selbst verästelte Reihen entstehn (Fig. 9). Hat das Gebilde eine gewisse Länge erreicht, so lösen sich die Glieder von einander und es bleiben nun die gelösten Zellen zurück; aber auch diese müssen sich nun noch weiter bewegen, denn wenige Stunden nach dem Schluss des Dotterloches ist die Verthei- lung über die Dotterfläche gleichmässig erfolgt und es ist an der Stelle des Schwanzpols nichts mehr von einer Anhäufung zu be- merken. Auch von einzelnen Zellen des Embryonalsaumes aus ge- wahrt man durch Knospung gegliederte Reihen sich biklen,, aber seltener, die Reihen sind hier kürzer, erzeugen nur drei bis vier Glieder. Die so zerstreuten und vermehrten Zellen sind es, die Aubert bereits bemerkte, aus ihnen werden die Pigmentzellen und Blutkörperchen. Das Hechtei aber, das ich nicht kenne, muss ein vergleichs- weise ungünstiges Object abgeben, da Aubert gar nicht vom Keim- saume spricht, obgleich er Eier beobachtete, die noch nicht voll- ständig umwachsen waren. Ich muss Alle, die sich von diesem interessanten Factum aus eigener Anschauung überzeugen wollen, auf die von mir benutzten Eier hinweisen. Unterschiede existiren allerdings zwischen einzelnen Eiern hinsichtlich der Lebhaftigkeit 266 C. Kupffer: jener Vermehrung, wie ja auch in Bezug auf die Blutmenge am Be- ginne der Circulation beträchtliche individuelle Abweichungen beob- - achtet werden. Wer aber eine grössere Zahl untersucht und na- mentlich den richtigen Moment, die Schliessung des Dotterloches nicht versäumt, wird die eben geschilderten Vorgänge nicht ver- missen. Die Einleitung der Circulation vollzieht sich, wie Vogt es von der Palea, Aubert von Hecht beschreibt, und ich finde da wenig zu ergänzen, wenn ich von unwesentlichen Differenzen absehe. Das Herz des Stichlings pulsirt also bereits, wenn die vereinzelten Blut- körperchen gleichmässig vertheilt vorhanden sind, ist an die Unter- wand des Herzbeutels befestigt und hebt diese bei jeder Contraction vom dritten Blatte etwas ab. Je lebhafter die Pulsationen werden, um so energischer gestaltet sich dies Heben, und es muss so eine Saugwirkung, die alles Bewegliche hierher zieht, ausgeübt werden. Bald sieht man dann die Herzhöhle an der Unterfläche des Herz- beutels geöffnet und es vermehrt sich die Flüssigkeit zwischen mitt- lerm und drittem Blatte in der Nähe des Herzbeutels. Aber die einzelnen Blutkörperchen gerathen nicht alle gleich ins Flottiren, sondern die dem Herzen nächsten zuerst, gelangen in den Raum an der Unterfläche des Perikardium, der durch Erhebung des letztern bei jeder Systole erweitert wird, schwanken da eine Zeit lang hin und her, die Excursionen werden stets ausgedehnter, plötzlich schiesst dann eins in die Herzhöhle hinein, passirt entweder das Herz gleich oder wird noch mehrfach zurückgeworfen, bis endlich die Bahn oberhalb des Herzens frei geworden ist und die Körper- chen einzeln durchgehn. Ebenso einzeln treten sie dann wieder durch die Venae caudales inferiores vor dem After auf die Dotter- kugel über und treiben nun in dem freien Raume langsam dahin, dem Herzen sich wieder nähernd, indem sie in gewundenem, hie und da stockendem Verlaufe sich ihre Bahn suchen. Man sieht so einige, während die grössere Zahl noch festsitzt, sich langsam durch- winden und nur im Allgemeinen die Richtung zum Herzen einhal- ten. Viel weniger lässt sich darüber vom Gobius berichten. Ver- gleichsweise spät, nachdem .das Herz schon längere Zeit in voller Action war, sah ich die ersten, übrigens ganz wie beim Stichling gestalteten Blutkörperchen zwischen den beiden Keimblättern auf- treten, ohne irgend etwas über ihre Herkunft ermitteln zu können. Die Undurchsichtigkeit des Dotters verhinderte es, zu erblicken, Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 267 was auf der Oberfläche desselben vor sich ging. Da hier der Keim- saum schon sehr früh verschwindet, so müssen grosse Differenzen zwischen diesem und den Stichlingen obwalten. Das Herz lässt bei Beginn der Circulation deutlich ein äusseres und inneres Epithel und ein zwischen beiden gelagertes Gewebe er- blicken, das in einer durchsichtigen Intercellularsubstanz runde Zel- len eingebettet zeigt, es sind die Bildungszellen der Muskelsubstanz. Die Zellen des Endokardiums und äussern Epithels sind ebenfalls rund und ragen daher erhaben über die Fläche vor (Fig. 32. 33). Die Wand des Perikardialsackes besteht aus einer einfachen Lage glatter Zellen, die von der Kante gesehn länglich spindelförmig er- scheinen, so ist der Uebergang zwischen diesen und denen des äus- sern Herzepithels ein ziemlich schroffer. Die Bildung begrenzter canalartiger Bahnen für den Blutlauf auf der Dotterkugel wird durch eine Vermehrung der Zellen des mittlern Keimblattes eingeleitet, das dritte Blatt,partieipirt daran nicht, was übrigens von vornherein wahrscheinlich. Man kann, nachdem schon ein vollständiges Gefäss- netz entwickelt ist, mit der Präparirnadel alle drei Blätter von ein- ander sondern. Die Epidermis, hier aus einfacher Zellenlage be- stehend, löst sich nicht so leicht von dem mittlern Keimblatte, als dieses von dem dritten, das ganze Gefässnetz sammt dem Blute hebt sich mit dem mittlern Blatte zugleich ab. Da nun zuerst das Blut auf der Oberfläche des dritten Blattes sich befand, so müssen sich Zellen, die aus dem mittlern Blatte stammen, dazwischen lagern und dieser Vorgang beginnt durch die von Aubert schon beschrie- bene Inselbildung. Diese hellen Inseln sind nichts Anderes, als par- tielle Wucherungen des mittlern Blattes gegen das dritte hin, durch die der Blutbahn die ersten seitlichen Grenzen gesetzt werden. Von diesen aus muss sich dann die Wand unten ergänzen. — Specielles darüber anzugeben verschiebe ich, bis ich die Schicksale des dritten Blattes und die Darmbildung klarer zu übersehn vermag, als es mir bisher möglich war. Allantois. Ich habe die Blase, die so früh bereits am hin- tern Ende des Embryonalschildes sichtbar wird, in meiner ersten Mittheilung !) als rudimentäre Allantois bezeichnet, verschwieg mir aber nicht, dass diese Parallele ihre bedenkliche Seite hat. Was 1) Archiv f. mikrosk. Anat. 1867. 268 C. Kupffer: mich zu der Bezeichnung veranlasst, war die endliche Bestimmung dieses Organs, es gestaltet sich zur Harnblase. Das Missliche für die Deutung lag aber in der Entwicklungs- weise, denn diese anscheinend freie Bildung des Organs, lange bevor beim Fischembryo der Darm entsteht, harmonirt nicht mit dem’ vom Hühnchen bekannten Ursprunge der Allantois. Neuerdings hat Ale- xander Rosenberg!) aus Dorpat die Allantois der Fische ge- leugnet. Er hatte an Hechtembryonen seine Untersuchungen ange- stellt, sah das von mir beschriebene Organ nicht, hatte dann durch gleichzeitige Untersuchungen am Hühnchen Remak’s Darstellung durchaus bestätigen können, dass der Epithelialsack der Allantois als eine Ausstülpung des Epitheliums des Hinterdarms entsteht und schloss daher, wenn jene Blase beim Stichling auch wirklich sich findet, so kann sie doch um deswillen nicht als Allantois betrachtet werden, weil sie nicht aus dem Darm entsteht. Was dieser Zurück- weisung meiner Deutung noch ein besonderes Gewicht verlieh, war Folgendes: Ich sah beim Stichling an dieser Blase, nachdem die- selbe ein deutliches scharf gezeichnetes Epithel als Auskleidung er- halten hatte, eine Spitze nach vorn auftreten und dann einen Canal, der sich weiterhin daran schloss. Ich deutete diesen Canal als zu- nächst unpaaren Urnierengang und sprach die Ansicht aus, dass derselbe, an die Allantois sich anlehnend, nach vorn hin sich ver- längere und so möglicherweise diese der Ausgangspunct der Bildung des ganzen uropoötischen Systems sei. Ausdrücklich aber hob ich hervor, dass es nicht so aufzufassen sei, als verlängerte sich die Blase selbst zum Canal, sondern derart, dass die Bildung des Canals sich an die Blase anschloss. Rosenberg ist nun der Erste, der gelungene Querschnitte von Fischembryonen angefertigt hat und zwar von solchen, die bereits einen kurzen Schwanz hatten. Aus seinen Präparaten bewies er einmal die Existenz dreier Keimblätter auf jener Entwicklungsstufe, dann die Bildung des Darms durch eine rinnenförmige Abschnürung vom dritten Blatte und endlich die Entstehung paariger Urmierengänge durch Rinnenbildung in den _Hauptplatten (obere Lage der Seitenplatten), ähnlich der Weise, wie Remak es vom Hühnchen beschreibt. Diese Urnierengänge konnte er zu der Zeit ihrer Bildung nicht bis zum hintern Ende verfolgen und blieb im Unklaren darüber, wie sich ihre Vereinigung 28.8. VD, Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 269 gestaltet. Später, an Embryonen, die ein 1,5 bis 2Mm. langes freies Hinterende besassen, fand er beide hinten zu einem unpaaren Canal vereinigt, der eine Erweiterung besass, die Harnblase, und schliesst daraus, dass diese, eben wie Rathke es angab, als einfache Er- weiterung des unpaaren Stücks entsteht. Meine Angabe von der Bildung eines unpaaren Urnierenganges von der Allantois aus er- schien somit irrthümlich. Ich glaube nun, dass unsere Beobachtungen nicht so unverein- bar sind, als es auf den ersten Blick das Ansehn hat. Zunächst erkläre ich, dass ich gar nicht daran zweifle, es ver- halte sich mit der Bildung der Urnierengänge, wie Rosenberg es schildert, allein meine Beobachtung bleibt trotzdem bestehn, dass zu einer Zeit, die mit derjenigen, von welcher aus Rosenberg zu arbeiten begann, ungefähr zusammenfällt, der am Hinterende gele- genen Blase nach vorn zu ein unpaarer Canal ansitzt, meine Deutung aber, dass dieses unpaare Stück von hinten nach vorn wachsend möglicherweise durch Spaltung zu den zwei Urnierengängen wird, war voreilig. Ich sah damals die Keimblätter am Stichlinge nicht klar und war in der von Vogt vertretenen Vorstellung der freien Bildung der Niere befangen. Andererseits aber ist es eben so positiv, dass am Hinterende in einer viel frühern Zeit, als die, zu welcher nach Rosenberg die Bildung der Urnierengänge sich einleitet, eine Blase isolirt entsteht, welche wächst, ein Cylinderepithelium erhält und schliesslich zur Harnblase wird. Ich habe diese bei Gasterosteus, Spinachia, Perca Nluviatilis deutlich gesehn; der erste Blick auf ein Stichlingsei ge- nügt sie aufzufinden, denn es ist in früher Zeit das entwickeltste Organ. Bei Gobius sieht man sie schwer, findet sie aber doch. Ich glaube daher, dass sie allgemein vorhanden, wenn auch nicht gleich deutlich nachweisbar ist. — In letzter Zeit habe ich Eier von Pla- tessa vulgaris durch Samen von Platessa flesus befruchtet. Die Eier waren schön klar, die ersten Bildungen etwas blass, so dass man mit schiefer Beleuchtung arbeiten musste, die Entwicklung ging genau, wie beim Stichling vor sich, Bildung des Keim- saumes, des Embryonalschildes, Alles, wie ich es oben beschrieben und gezeichnet, so dass man dieselben Figuren gelten lassen könnte. Leider dauerte die Freude nicht lange, auf dem Stadium, das der Fig. 5 entspricht, starben die Eier alle ab, ich konnte nur 270 C. Kupffer: noch die Bildung der in Rede stehenden Blase con- statiren. Mit dieser Blase müssen die durch Abschnürung von den Haupt- platten sich bildenden Urnierengänge nachträglich in Communication treten, wie? — das bleibt noch zu ermitteln. Es fragt sich also nur, soll man die — Vorsichts halber will ich sagen — bei einem Theil der Fische auftretende Blase als rudi- mentäre Allantois, oder als isolirt sich bildende Harnblase bezeich- nen. Alle zur Entscheidung der Frage erforderlichen Daten liegen noch nicht vor. Erstens wissen wir ja nur vom Hühnchen be- stimmter, wie der Vorgang der Allantoisbildung sich vollzieht, über Amphibien und Säugethiere nichts Genaues, dann sind auch meine Beobachtungen noch lückenhaft. Ich kann zu meiner ersten Mittheilung nur so viel hinzufügen: Nachdem die Blase ein deutliches Epithel erhalten und bei ihrer Vergrösserung so weit gegen den Dotter hervorgetreten ist, dass man sie in der Profillage zu übersehn vermag, zeigt sich, dass sie über dem dritten Keimblatte liegt, zwischen diesem und dem mitt- lern Blatte dagegen habe ich über die speciellen Beziehungen zu dem einen oder andern nichts ermitteln können. Die Möglichkeit muss offen bleiben, dass dieselbe aus dem dritten Blatte durch Aus- stülpung und nachträgliche Abschnürung entsteht. Wäre das der Fall, dann würde sich die Bildungsweise sehr wesentlich derjenigen der Allantois nähern. Weiterer Beobachtung bleibt die Entscheidung überlassen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI, XVII und XVII. Alle Figg. sind bei 60facher Vergrösserung gezeichnet, nur Fig. 33 bei 80facher. Die Figg. 1bis14 und 31 sind von Gasterosteus aculeatus, die Figg. 15 bis 29 von Gobiüs minutus, Fig. 30 und 33 von Gobius niger, Fig. 32 von Perca fluviatilis. In allen Figuren bedeutet: a. Das helle Epithelialfeld der Keim- d5. Keimsaum. haut des Stichlings. e. Embryonalschild. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. 271 d. Rückenfurche. Urwirbel. p- .e. Augenanlagen. g. Hornblatt. f. Kiel. r. Mittleres Keimblatt. y. Anlage des Herzbeutels. s. Bildungszellen des Blutes und Pig- h. Allantois. mentes. ‘. Embryonalsaum. ti. Centralnervenspalt. ch. Chorda dorsalis. u. Drittes Keimblatt. k. Linse. v. Anlage der Riechgruben. n. Herz. w. Höhle des Vorderhirns. o. Gehörbläschen. Fig. 1. Keim am Ausgange des Furchungsprocesses. An der Peripherie desselben auf dem Dotter eine Zone von Kernen und eigenthüm- lich sich bildender Zellen (drittes Keimblatt?). » 2. Keimhaut am Beginn der Ausbreitung von oben gesehn. » 3. Dasselbe in der Profilansicht. » 4. Dasselbe bei weiter vorgeschrittener Bildung. 1, 3 und 4 zeigen die Fetttropfen im Dotter den höchsten Punct einnehmend. » 5. Dasselbe nach Umwachsung der grössern Hälfte der Dotterku- gel, die Zellen des hellen Feldes sind weggelassen. Die Anlage des Embryo tritt hervor. » 6. Vorderes Ende des Embryonalschildes (e.) vor Beginn der Augen- bildung, von oben gesehn. An der Peripherie des Dotters sieht man die Masse des Schildes im optischen Querschnitt und ge- wahrt den Kiel f, als dessen Ausdruck bei der Ansicht von oben der mittlere helle Streif erscheint, den die beiden dunklern Li- nien begrenzen (Primitifstreif). » 7. Embryonalschild von oben gesehn, in der Entwicklung Fig. 5 entsprechend. Die Mitte zeigt die vorn breitere, hinten schmälere Medullarplatte, die muldenförmig vertieft ist; der helle Hof am Vorderende ist ein freier Raum unter dem Hornblatte, in den die Augen hineinwachsen. » 8. Späteres Stadium bei derselben Stellung, wie in 7; das bereits enge Dotterloch liegt unter dem Horizont. Am Hinterende ist die Chorda dorsalis im Querschnitt durchschimmernd zu sehn. » 9. Embryo in der Profillage zur Zeit der Schliessung des Dotter- loches. dl. Dotterloch sich schliessend. &. Spalt im Augenstiel. » 10. Kopfende eines Embryo von oben, etwas jünger als der in Fig. 9. » 11. Dasselbe von vorn gesehn, kurz vor dem Erscheinen des Cen- tralnervenspalts. Die eben beginnende Verdickung des Horn- blattes zur Linse liegt etwas weiter zurück, als dass sie erblickt werden könnte. 272 C. Kupffer: Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. Fig. 12. Kopfende von vorn und oben gesehn; der Scheitel des Mittel- 13 15. hirns liegt auf der Peripherie des Dotters und zeigt den Cen- tralnervenspalt klaffend; Einstülpung der secundären Augenblase durch die Linse. und 14. Vorderende, schräg von hinten und oben her gezeich- net, um das Verhältniss des Hornblattes zum ÜOentralnerven- strange vor und nach dem Erscheinen des Spalts auszudrücken. Ganzes Ei von Gobius minutus vor der Furchung. «. Keim. ß. Dotter mit Fetttropfen. y. Eihaut. d. Stiel, durch den das Ei beim Legen angeheftet wird. 16 bis 20. Aufeinander folgende Stadien der Umwachsung des Dotters durch die Keimhaut bis zum Beginn der Bildung des Embryo- nalschildes. . Grosse Furchungskugeln mit durchschimmernden Kernen. . Glatter Keimhügel nach Ablauf der Furchung. . Die Keımhaut mit gewulstetem Rande schnürt den Dotter bis- quitförmig ein. . Der Keimsaum tritt auf. . Der Embryonalschild ce. bildet sich. x. Kopfhöcker, dem Mittelhirn entsprechend. . Embryonalschild im Profil, nach geschlossenem Dotterloch. . Derselbe nach Bildung des Kiels. . Embryo, nach dem Auftreten der Augenanlagen in der Pro- fillage. 24 bis 29. Serie aufeinander folgender Entwicklungsstufen, Kopfende 30. 31. 32. 33. von vorn im optischen Querschnitt gesehn, um die Bildung des Centralnervensystems und der Augen, sowie die Spaltung in die Keimblätter zu zeigen. Siehe Text. Embryo von Gobius niger. &. Spalt im Augenstiel. Stichlingembryo, Kopfende von oben, wie in Fig. 10 gelagert, bei tiefer Einstellung gezeichnet, vorgerücktes Stadium. Perca fluviatilis. Herz und Herzbeutel von der Seite, nach Be- ginn der Pulsationen. «'. Wand des Herzbeutels. Gobius niger, von der Bauchseite gesehn. «. Wand des Herzbeutels. y. Leber. Zur Morphologie der Haare. Von Dr. A. Goette in Tübingen. Hierzu Tafel XIX und XX. Ueber den fortlaufenden Bildungsprocess der Haare und den damit verbundenen Wechsel der Formen und der zusammensetzen- den Theile sind bisher keine ausreichenden und umfassenden Beob- achtungen veröffentlicht worden. Wenn die Erforschung der voll- endeten Form des Haares lange Zeit hindurch hinreichende Beschäf- tigung bot, so lag es daran, dass man oft unbewusst in einem Ge- wirr entstehender, wachsender und ausfallender Haare nach einer Norm, im steten Wechsel nur das Beständige suchte. Freilich wurde daneben auch die Entwickelungsgeschichte der Haare studirt; aber nur am Embryo geschah dies umfassend, während einige isolirte Beobachtungen über den Ersatz ausfallender Haare sich so leicht einer einfachen Lehre fügten, dass man dieses nicht gerade fesselndste Capitel der Gewebelehre für abgethan hielt und die etwa vorhande- nen Zweifel todtschwieg. Meine Mittheilungen sollen ein Versuch sein, die Mannigfaltig- keit in der Form und der Zusammensetzung aller Haargebilde auf die Entwickelungsgeschichte derselben zurückzuführen, in der letztern aber ein bisher vermisstes einheitliches Gesetz aufzufinden. Wenn es mir nicht gelang, auch die Stacheln in den Kreis meiner Unter- suchungen zu ziehen, so bin ich nach den bisherigen Arbeiten über diese Haarform überzeugt, dass dieselbe sich leicht wird in das natür- M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 18 274 A. Goette: liche System der übrigen einreihen lassen. — Aus der reichen Lit- teratur habe ich nur eine Auswahl von Citaten benutzt, weil be- reits werthvolle Zusammenstellungen des angehäuften Materials vor- handen sind. Die erste Haarbildung im Embryo. In diesem Abschnitte habe ich die Kritik der früheren Arbeiten auf zwei derselben beschränkt: Kölliker, zur Entwickelungsge- schichte der äussern Haut, in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, II, S. 71 u. flg.; und Reissner, Beiträge zur Kenntniss der Haare des Menschen und der Thiere, S. 91 u. flg. Denn diese beiden Autoren haben die ältern Forschungen genügend verglichen, stehen aber selbst noch in manchen Puncten ohne Ausgleich eiman- der gegenüber, da Kölliker auch nach dem Erscheinen der Reiss- ner ’schen Abhandlung seine frühern Mittheilungen.in den neuesten Auflagen der ‚‚Gewebelehre“ und in dem Lehrbuch der „Entwicke- lungsgeschichte‘‘ unverändert wiederholt. : Ich habe die ersten Haaranlagen an Embryonen von Kaninchen und Schafen auf verschiedenen Entwickelungsstufen der Oberhaut untersucht und verdanke diesem Umstande manche neue Aufschlüsse über Einzelnheiten der Reissner’schen Lehre. —- Die ersten Zeichen einer beginnenden Haarbildung sind an den Körperstellen, wo die- selbe bekanntlich zuerst erscheint (am Auge und am Maul, vgl. Reissner a.a. 0. S. 97), schon dem unbewaffneten Auge als weisse Pünetchen erkennbar. An diesen Stellen ausgeführte senkrechte Hautdurchschnitte lassen unter dem Mikroskop Folgendes unter- scheiden. Jenen Pünctchen entsprechen kleine Höckerchen der Ober- fläche, welche aus runden oder kegelförmigen Erhebungen der Cutis und der gleichmässig darüber sich hinziehenden Oberhaut bestehen. (Fig.1.) Je jünger der Embryo ist, desto spitzer erscheinen die Er- hebungen der Cutis und daher die ganzen Höckerchen; in einzelnen Fällen bemerkt man am Scheitel der letztern eine geringe Verdün- nung der Oberhaut. Gehören die untersuchten Höckerchen über- haupt zu den allerersten des Embryo, dann ist dort das Gewebe der Cutis nur in soweit verändert, als zum Scheitel hinauf die Zel- len sich mehren und die helle Zwischensubstanz in demselben Maasse abnimmt, so dass das Höckerchen dichter und undurchsichtiger er- Zur Morphologie der Haare. 275 scheint, als die übrige Lederhaut. Eine bestimmte Grenze besteht aber zwischen dem Ganzen und seinen Theilen noch nicht. Die Oberhaut ist zu dieser Zeit gleichmässig aus ähnlichen runden Zel- len zusammengesetzt und durch eine scharfe Linie von der Cutis geschieden. Noch während des eben geschilderten Zustandes bemerkt man eine zarte horizontale Linie, welche den Gipfel des Höckerchens der Cutis von der Basis zu trennen scheint (Fig. 1). Diese Linie rückt allmälig tiefer und krümmt sich concav gegen die Oberfläche, indess unter ihr die Basis des Höckerchens durch festeres Zusammenrücken der Zellen nunmehr in Form einer Halbkugel sich von der übrigen Cutis deutlich absondert (Fig.2). — Die bisherige Beschreibung stimmt mit Reissner’s Angaben überein, und es würde nach seiner Ansicht jene krumme Linie der Ausdruck sein für eine Vertiefung der Leder- haut am Scheitel des Höckerchens, worin ein zweiter kleinerer Ke- gel, Reissner’s eigentliche Haarpapille, sich gebildet hatte (a. a. O. S. 99). Untersucht man aber diese ersten Entwickelungsstufen des Haares an etwas ältern Embryonen, wo die histiologische Sonderung der Haut weiter gediehen ist, so erkennt man leicht einen andern Zusammenhang der Erscheinungen. An solchen Embryonen besteht die tiefste Lage der Oberhaut bereits aus Oylinderzellen, welche mit ihrer Längsachse senkrecht auf der Lederhaut stehen (Fig. 3). Zu dieser Sonderung gesellt sich sehr bald die zwischen beiden Häuten gelegene structurlose Membran. Endlich besitzt die Lederhaut schon spindelförmige (Bindegewebs-) Zellen; daher grenzen sich die Höcker- chen, welche aus runden Zellen bestehen, relativ früher ab als in jüngern Embryonen. Am Durchschnitte solcher Haaranlagen, deren Erhebung aber geringer ist als bei den früher geschilderten, offen- bart sich nun das Bild, als wenn jene structurlose ‘Membran mit den darüberstehenden Oylinderzellen der Oberhaut am Fusse des Höckerchens sich verdoppele, indem eine derartige Lage über den Scheitel der Cutiserhebung, die andere dagegen an der Seite der- Selben sich hinzieht (Fig. 3). Offenbar ist die letztere Grenzlinie zwi- schen Leder- und Oberhaut auf die Schnittfläche zu beziehen, welche den Abhang des Höckerchens traf. Diese Erklärung muss aber auch für jene früher bezeichnete krumme Linie gelten, deren Be- deutung nur durch die Abwesenheit der charakteristischen Merkmale der Oberhaut verkannt wurde. Wenn der Durchschnitt der tiefsten Epidermisschichte am Höckerchen über dem Niveau seiner horizon- talen Fortsetzung liegt, so entspricht er der passiven Erhebung der 276 A. Goette: Oberhaut,- auf einer ältern Entwickelungsstufe beschreibt er aber einen von jenem Niveau nach unten abweichenden Bogen und be- zeichnet alsdann ein über die Seitenflächen der Papille abwärts ge- hendes Wachsthum der tieferen Schichten der Oberhaut (Fig. 3). — Die Papille wird dabei zu einem ovalen, mit der Spitze nach oben gerichteten Körperchen und sinkt in demselben Maasse, als die Ober- haut auf die angegebene Weise in die Tiefe wächst, in die Masse der Lederhaut zurück, was ein Verschwinden der Höckerchen auf der Hautoberfläche zur natürlichen Eolge hat. Wenn die Oberhaut bei diesem Vorgange zunächst halbkugelig in die Cutis vorgewölbt erscheint, so wird daraus im Verlaufe der Entwickelung ein cylin- drischer Fortsatz, dessen unteres etwas angeschwollenes Ende die Papille beiläufig zur Hälfte umschliesst !) (Fig. 4. 5). Dabei kann man verfolgen, wie die schon erwähnten Cylinderzellen, weil sie die tiefste Epidermisschichte sind, am Fortsatze zur äussersten Lage werden, welche durch Einstülpung und durch das Auswachsen der Einstülpungsränder allein an der Umschliessung der Papille bethei- ligt erscheint ?). Innerhalb der durch die Cylinderzellen gebildeten Röhre liegen runde Zellen, welche durchaus mit denen der Schleim- schichte übereinstimmen (Fig. 5. 22). Ebenso lässt sich eine Fort- setzung der structurlosen Membran an der Haaranlage nachweisen und wird nur über der Papille unsichtbar. Das Ergebniss des Mitgetheilten ist folgendes. Den ersten Anstoss zur Bildung einer Haaranlage giebt eine beschränkte Zellenwucherung der Cutis unmittelbar unter der Epidermis. Diese Wucherung erhebt die letztere zu einem kleinen Höckerchen, wel- 1) Da Reissner die Grenze der hinabwachsenden Oberhaut für den Ausdruck einer Theilung der ursprünglichen Lederhautpapille hält, so ist es erklärlich, dass er das aus dem Fortsatze vorragende Stück der Haarpapille übersieht. Daher rührt auch der Unterschied in der Bezeichnung solcher Papillen: kegelförmig (Reissner) — oval (ich). 2) Kölliker, welcher noch immer (vergl. die neuesten Auflagen der Gewebelehre) solide, papillenlose Fortsätze der Epidermis für die ersten wahr- nehmbaren Haaranlagen ausgiebt, will beobachtet haben, dass die Cylinder- zellen sich erst viel später bilden (Zeitschrift a. a. O. S. 73), während Reiss- ner die Querstreifung der Ränder an dem Fortsatze überhaupt nur für die Folge einer optischen Täuschung hält (a. a. O. S. 100, 109). Die Cylinder- zellen lassen sich besonders an Kaninchenembryonen sowohl in Längs- als Querschnitten der Haaranlagen leicht nachweisen. Fig. 22. Zur Morphologie der Haare. 277 ches dem unbewaffneten Auge als weisses Pünetchen erscheint. Wäh- rend die dichtstehenden Zellen der Lederhautpapille sich gegen das Bindegewebe zu einem runden Körperchen absondern, wird dasselbe von oben her durch die Schleimschichte der Oberhaut umwachsen und durch den Fortgang dieses Waehsthumes in die Tiefe gedrängt. Durch diese Entwiekelungsvorgänge verliert sich die Unebenheit der Hautoberfläche und entsteht ein von der Epidermis ausgehender, zuerst kugelig, später eylindrisch in die Lederhaut hineinwuchernr- der Fortsatz, welcher an seinem Ende durch die ovale Papille ein- gestülpt und daher etwas dicker erscheint. Die structurlose Mem- bran, die daran stossenden eylindrischen und die runden Zellen der Schleimschichte setzen sich in die Haaranlage fort. Die nächsten Veränderungen an dem beschriebenen Fortsatze der Oberhaut betreffen die Entstehung des Haars und seiner Schei- den in demselben. Indem er länger wird, verlässt er die von der Oberfläche her senkrecht verfolgte Richtung und geht in eine schräge über. Dabei erfährt er dicht über der Papille eine leichte Einschnü- rung, welche dadurch entsteht, dass der darüber befindliche Theil, gleichsam der Körper des Fortsatzes, ein wenig spindelförmig anschwillt (Fig. 6.7.8). Im Zusammenhange mit dieser Anschwellung verän- dert sich der von der Cylinderzellenschichte eingeschlossene Inhalt; während die Zellen in der Schleimschichte der Oberhaut fortschrei- tend grösser und klarer werden, gehen sie dort in ein unklares Ge- webe von entschieden kleineren Elementen über. Diese Veränderung in den Haaranlagen ist aber vor dem Erscheinen des Haars nur in Schafsembryonen sichtbar (Fig. 6. 7). Denn an Kaninchenembryonen tritt sowohl die Anschwellung als die Trübung der Anlagen später auf. — Zu den geschilderten Vorgängen gesellt sich an Schafsem- bryonen noch eine eigenthümliche Bildung als Vorläufer des eigent- lichen Haars ). Es ist offenbar dieselbe Erscheinung, welche Simon (Müller’s Archiv für Physiologie 1841. S. 374) an Schweinsembryo- nen beobachtete, und worauf ich später noch in ausführlicherer Weise zurückkomme. In der Axe des obern Dritttheils der Anlage bemerkt man zunächst ein oder zwei, sodann mehrere runde Körper- chen, welche wie Fett aussehen und in einer Reihe hinter einander 1) Wenn ich sie an Kaninchenembryonen nicht fand, so mag es vielleicht daran liegen, dass sie dort, wie die ihr unmittelbar vorangehende Sonde- rung später und undeutlich erscheint. 278 A. Goette: aufsteigen (Fig. 6). An der Basis dieser kurzen Säule bildet sich eine Anhäufung von dunkleren Kügelchen, welche entweder einseitig oder mit zwei Schenkeln sich gegen die Cylinderzellenschichte er- streckt (Fig. 7). Dies bewirkt unmittelbar unterhalb der Oberhaut eine Ausdehnung des Fortsatzes, ähnlich wie sie in späterer Zeit den Talgdrüsenanlagen vorausgeht. Die obersten jener Körperchen verschmelzen oft zu einem kurzen, klardurchscheinenden , eylindri- schen oder varikösen Stämmehen, während die tiefern Theile, welche durch die traubenförmigen Ausläufer so sehr eine Aehnlichkeit mit wirklichen Talgdrüsen besitzen, in kleinere Körner zerfallen. Dieses ganze Gebilde, dessen weitere Schicksale später bespro- chen werden, verlässt den von ihm eingenommenen obern Theil des Fortsatzes erst, nachdem die besondern Anlagen für den Haarschaft und die innere Scheide kenntlich geworden sind. Dieselben werden eingeleitet durch gewisse Veränderungen am Ende des Fortsatzes, welche an Kaninchenembryonen der grösseren und markirteren Zel- len wegen leichter zu verfolgen sind. Jenes Ende verharrt so lange in seinem früheren Zustande, bis die übrige Anlage eine gewisse Länge erreicht hat !). Dann beginnt in der um die Papille ver- laufenden Falte der Cylinderzellenschichte eine auffallende Thätig- keit, die bis dahin geschlossene Faltentasche beginnt sich mit Zel- len zu füllen und der Faltenrand erstreckt sich allmälig tiefer über die Papille (Fig. 8). Die äussere Lage der Cylinderzellen atrophirt vom Rande der schwellenden Falte aus zu einer deutlichen dünnen Membran, deren scharfe Grenzen in der Höhe der Papillenspitze, also an der Stelle der Einschnürung, allmälig wieder zu den Um- rissen der unversehrten Schichte sich erweitern (Fig. 9. 10). Da die innere Lage der Cylinderzellen, welche die Papille unmittelbar deckt, auf dieser Entwickelungsstufe hie und da unkenntlich wird, ein wenig später aber noch deutlicher als früher hervortritt, so er- hellt daraus, dass sie entweder schnell wechselt oder blos verdeckt 1) Doch bemerkte ich an Schafsembryonen, dass die structurlose Mem- bran am Rande der die Papille umschliessenden Falte, wo die nächsten Ver- änderungen auftreten, besonders mächtig werde (Fig. 7). Dies könnte die Vermuthung erregen, dass die structurlose Membran überhaupt nur der von der Cutis abgesetzte Bildungsstoff sei, in und aus welchem sich die neuen Zellen der Oberhaut bilden, dass also der Ausdruck »Membran« dem Wesen des damit bezeichneten Theiles nicht entspreche. rg Zur Morphologie der Haare 279 wird. In jedem Falle ist sie stets der jüngste Nachwuchs, während die atrophische äussere Lage offenbar ganz passiv geworden ist. Die neu entstehenden Zellen sind spindelförmig und steigen mit ihrer Längsaxe der Oberfläche der Papille entsprechend empor, so dass sie an der Spitze der letztern von allen Seiten zusammenstossen. Zunächst erheben sie sich einzeln und unzusammenhängend in der Axe des Fortsatzes, welche dadurch längsgestreift erscheint !). Aber der gedrängtere Nachschub gewinnt über der Papille, gleichsam als Abguss derselben, die Form eines Kegels, dessen Spitze sich in der obern Hälfte des Fortsatzes zerfasert verliert (Fig. 9. 10). Da die Grenzen des Kegels Anfangs sehr zart sind, so ist er alsdann we- niger deutlich, als etwas später, wenn der Haarschaft eben sich zu sondern begonnen. Dann erkennt man aber leicht, dass er durch- aus nicht identisch ist mit dem ganzen Inhalte des Fortsatzes in- nerhalb der Rinde von Cylinderzellen, sondern dass zwischen ihm und den letztern noch das ursprüngliche aus kleinen runden Zellen bestehende Gewebe der Haaranlage besteht, welches über der Kegel- spitze in die Schleimschichte übergeht und ebendaselbst die Fett- kügelchen enthält, nach unten aber gegen die Einschnürung hin, wo der Kegel breiter wird, mit einem scharfen Rande aufhört. Das beschriebene kegelförmige Gebilde ist, wie die Folge lehrt, die gemeinsame Anlage für den Haarschaft und die innere Scheide: daher kann ich den Angaben Köllikers (a. a. 0. S. 73) und Reissners (a.a. 0. S. 102.) nicht vollständig beistimmen. Erstens betonen beide Forscher, dass die genannte Anlage von Anfang an bis zur Grenze der Oberhaut reiche, also »erst nachträglich zu wach- sen« anfange (vergl. Kölliker a.a.0. S.82). Dies ist aber schon desshalb nicht möglich, weil die früher beschriebene Fettbildung bei Schafsembryonen das obere Drittheil, ja an Schweinsembryonen (Si- mona. a. 0. Fig. 7) die obere Hälfte der ganzen Haaranlage in Anspruch nimmt. Die später zu betrachtenden analogen Erschei- nungen an erwachsenen Thieren sind in dieser Hinsicht noch viel beweiskräftiger. Ferner identifieiren beide Autoren die Anlage des Schaftes und der innern Scheide mit dem ganzen innerhalb der quergestreiften Rindenschichte gelegenen Gewebe und übersehen den zwischen beiden Theilen noch bestehenden, aus runden Zellen zu- 1) Reissner spricht diese Längsstreifung für die ganze Haaranlage innerhalb der quergestreiften Rinde an (a. a. O. S. 102). 2380 A. Goette: samınengesetzten ursprünglichen Inhalt des Fortsatzes !); so zwar, dass nach Reissner, welcher die Rinde überall in gleicher Mächtig- keit sieht (a. a. O. S. 109), die fragliche Anlage gleich dem ganzen Fortsatze‘cylindrisch sein, nach Kölliker aber die ganze Umgebung des Kegels aus quergestellten länglichen Zellen bestehen müsste. — Alle diese theils unter sich und von den meinigen wesentlich ab- weichenden Angaben finden ihren Stützpunct in der Behauptung der genannten Forscher, dass die innern Theile der ganzen Haarbildung (Schaft und innere Scheide) nicht vom Grunde aufwachsen, sondern durch locale Umbildung der ursprünglichen Zellen des Fortsatzes in der ganzen Länge desselben gleichzeitig entstehen (Kölliker a. a. 0. S. 74, Reissner a. a. O. S. 106, 109) 2). . Dieser Behauptung stelle ich nun das Resume der von mir angeführten Thatsachen gegenüber. Der cylindrische Fortsatz der Oberhaut erhält zunächst eine spindelförmige Gestalt, welche über dem runden Ende sich zu einer leichten Einschnürung verjüngt. Dann breitet er sich am obern, an die Oberhaut stossenden Theile durch eine vergängliche Fettabsonderung aus. Mit diesen Formver- änderungen scheint die histiologische Veränderung des Innern, ein Austausch gegen kleinere Zellen, im Zusammenhange zu stehen. Unterdess entfaltet sich auch eine sichtbare Thätigkeit der Papille. Während die letztere von der umgebenden Falte bis auf ein kleines Segment umwachsen wird, entsteht an ihrer Peripherie eine Wuche- rung von länglichen Zellen, welche zunächst das Ende der Anlage stark auftreiben und dann in Form eines Kegels in das Innere der- selben aufsteigen. Wenn dieser Kegel bis zum Fett vorgedrungen und alsdann deutlich geworden, unterscheidet man: 1. die beiden ursprünglichen Lagen des Fortsatzes als Anlage der äussern Scheide; 1) In der Figur 10 der Tafel II seines Werkes hat Reissner denselben zwischen der quergestreiften Rinde und der innern Scheide sehr deutlich angegeben, aber im Texte sich nirgends darüber geäussert. 2) Reissner führt freilich ausdrücklich an (a. a. O. S. 108), dass diese Zellen höchst wahrscheinlich eine Ablagerung der abwärtssteigenden Papille während der Bildung des Fortsatzes und daher von vornherein länglich und nach oben gerichtet seien; aber dem widerspricht die Thatsache, dass sie zuerst vollständig denen der Schleimschichte gleichen, d. h. rund sind, wie es auch Kölliker angiebt (a. a. 0. S. 72), und ferner die Anschwellung des Fortsatzes, welche offenbar durch Zellenerzeugung an der nächstliegenden Lederhaut entsteht (vgl. die Entwickelung des Balges). u ne Zur Morphologie der Haare. 281 -2) innerhalb dieser die kegelförmige von der Papille stammende Anlage des Haares und der innern Scheide. Die Mächtigkeit beider Anlagen nimmt in entgegengesetzter Richtung zu und ab, so dass die äussere Scheide an der breiten Kegelbasis zur dünnen Membran wird, über der Kegelspitze aber noch mit dem ganzen Fortsatze identisch ist. Bevor ich die weitere Entwickelung der Haaranlage verfolge, trage ich hier noch in Kürze die Bildungsgeschichte des Haarbalges nach. Schon um die Zeit, wenn die Papille sich von der übrigen Cutis absondert und ihre Umwachsung durch die Oberhaut eben begonnen hat, ordnen sich die benachbarten Bindegewebszellen so an, dass ihre Längsaxen den Flächen des untern Theils der Papille und des hervorwachsenden Fortsatzes entsprechen (vergl. Reissner a. a. O. S. 102) (Fig. 3). Von da an nimmt die Verdichtung der Cutis rund um die Haaranlage zu und kurz bevor die Zellenwuche- rung der Papille beginnt, sah ich in einzelnen Fällen eine innigere Verbindung der letztern mit dem jungen Balge durch Gefässe sich bilden. Die Allgemeinheit dieser Beobachtung scheint mir um so wahrscheinlicher, als dadurch sowohl der darauf folgende Aufschwung in der productiven Thätigkeit der Papille, als auch der Umstand sich erklären liesse, warum das gleichzeitige rasche Wachsthum des Fortsatzes über den noch freien Theil der Papille an ihrer unter- sten Fläche eine Grenze findet. Im Querdurchschnitte noch ganz junger Haaranlagen, wo der Kegel noch zu fehlen schien, Konnte ich bereits die Querfaserschichte des Balges rund um die Cylinder- zellen deutlich sehen, nach aussen davon aber einen schmalen Strich ' eines weniger klaren Gewebes, offenbar die Längsfaserschichte (Fig. 22). — Hieran knüpfe ich die Bemerkung, dass der Balg, wo er besonders stark ausgeprägt und daher in seinen Umrissen deut- licher war, um die obere erweiterte Partie der Haaranlage die grösste Mächtigkeit besass, nach unten aber bedeutend abnahm (Fig. 11.12). Die ersten feinern Gefässverzweigungen der Cutis ver- laufen aber zwischen den Haaranlagen in die Höhe, sodass wie bei der Papille, so auch hier der feinern Ausbildung .der Blutbahnen die Zunahme der nächsten Theile folgt, also des Balges und der Schleimschichte am obern Abschnitte der Haaranlage, während der untere in jeder Beziehung noch zurücksteht. Jedenfalls dürfte es zweifelhaft sein, dass die Anschwellung der Fortsätze von der zu- nächst liegenden Cutis veranlasst wird. 282 A. Goette: Indem ich die Beschreibung des wachsenden Kegels oder der Haaranlage im engern Sinne wieder aufnehme, mache ich zunächst darauf aufmerksam, dass gegen seine Spitze hin die centralen Zel- len sich strecken, zu Fasern werden (Fig. 9). Und in der dem Wachsthume entgegengesetzten Richtung beginnt darauf eine be- stimmte Differenzirung des Kegels: es wird zuerst die Spitze klar durchscheinend, hornartig, dann abwärts fortschreitend der ganze Mantel, so dass der Kegel in der Seitenansicht weiss gerändert, im Centrum aber noch trübe und streifig erscheint. An den scharfen Grenzen jener weissen Ränder erkennt man aber erst, dass das Profil des Kegels nicht von einer geraden, sondern von einer wellen- förmigen Linie gezeichnet wird, so dass der ganze Verticaldurch- schnitt flammenschwertähnlich aussieht (Fig. 11.12). — Wenn schon vorher in der Kegelaxe unmittelbar über den Cylinderzellen an der Papillenspitze bisweilen ein kurzer heller Streifen als erstes Zeichen des sich bildenden Schaftes bemerkbar war (Fig. 10), so tritt der letztere doch erst durch die Verhornung vollständig zu Tage, welche wie beim Kegelmantel, ebenfalls von oben ausgeht. Innerhalb der nicht immer bestimmt abgeschlossenen Kegelspitze erscheint inmitten der trüben Axentheile ein helles, fadenförmiges und geschlängeltes Gebilde, dessen Umrisse sich nach unten fortsetzen und endlich in diejenigen des hellen Streifens über der Papille übergehen und den- selben kolbig abgrenzen (Fig. 11). Wenngleich die Verhornung dem Laufe der Umrisse oder der deutlichen Sonderung des Schaftes nach abwärts folgt, so bleibt doch zwischen beiden hellen Enden eine trübe undurchsichtige Stelle bestehen (vgl. Reissner a.a.0.S. 106). — Eine genauere Untersuchung lässt auch die Elemente dieser Sonderungen erkennen: der helle Kolben über der Papille, welcher um ein Mehrfaches breiter ist, als die fadenförmige Spitze, enthält grössere runde und klare Zellen, welche beim Aufsteigen länglich werden und jenseits der Trübung, in deren Verlaufe die Textur un- - kenntlich ist, zu der hornigen Schaftspitze verschmelzen. An dieser erkennt man schon sehr frühe das Profil des Oberhäutchens, näm- lich eine aufwärts gerichtete Zähnelung der Schaftränder, während dasselbe Häutchen an dem weichen Wurzeltheile erst viel später in einer schräg verlaufenden Schraffirung des Randes kenntlich wird (Fig. 13). Mit dem Erscheinen des Haarschaftes erhält auch die in- nere Scheide eine feste Grenze und besteht alsdann aus einer dunkle- ren, unklaren Lage, welche dem Haare zunächst liegt, und aus einer Zur Morphologie der Haare. 283 äussern glashellen Schichte !) (Fig. 11. 12). Die Deutung beider Theile als die Huxley’sche und die Henle’sche Schichte liegt auf der Hand. Nach dem Gesagten giebt es also eine Periode in der Entwicke- lung des Haares, wo dasselbe erst an der Papillenspitze anfängt, d. h. wo ein Schaft ohne Zwiebel vorhanden ist. Kölliker betont freilich (a. a. O. S. 74), dass die Haare >»gleich in ihrer ganzen Länge mit Spitze, Schaft und Zwiebel« entstehen, und Reissner scheint auch derselben Ansicht zu sein (a. a. O. S. 105, 109); aber _ den positiven Beweis für meine Behauptung liefert der Umstand, dass man die nachträgliche Bildung der Haarzwiebel oder des Haar- knopfs genau verfolgen kann. Der erwähnte Schaftkolben erstreckt sich nämlich ganz allmälig über die Papille abwärts, wobei häufig (an Kaninchenembryonen) eine Pigmentablagerung in seinen tiefsten Zellen die Grenze seines Vorrückens deutlich bezeichnet (Fig. 13). Dabei bleibt die unmittelbar die Papille bedeckende Lage von Cylin- derzellen bestehen. Der Haarknopf erreicht jedoch nicht den Boden des Balges, und wenn Reissner (a. a.0. S. 116) die um die Basis der Papille gelegenen Zellen als das gemeinsame »Keimlager« für das Haar und seine Scheide bezeichnet, so werde ich in den folgen- den Abschnitten Gelegenheit haben, auf die vollständige Trennung beider Gebilde auch auf ältern Entwickelungsstufen aufmerksam zu machen. Eine solche Scheidung im dem scheinbar homogenen und gleichmässig aufwachsenden »Keimlager« wird weniger auffallend, wenn man auf die sie begleitenden Erscheinungen merkt. Die Bil- dung des Haarknopfs fällt nämlich zusammen mit der Ausbildung der Papille. Diese ist zuerst konisch, an ihrem Fusse entstehen als- dann die Zellen der Scheide, an ihrer Spitze diejenigen des noch unkenntlichen Schaftes; nach ihrer Umwachsung schwillt ihr oberer Theil und verändert sich die Production desselben: es entstehen die grösseren klareren Zellen des Kolbens, deren Gebiet eben nach unten zunimmt und dadurch den Haarknopf bildet. Dadurch wird es auch erklärlich, warum das Pigment nicht vom Boden des Balges, sondern von der Grenze des Haarknopfs, als eines unter besondern Bedingungen entstehenden Gebildes, aufsteigt. 1) Die erste der genannten Lagen wird von den andern Autoren nicht angeführt; sie findet aber eine weitere Bestätigung in den analogen Erschei- nungen des erwachsenen Menschen und Thieres (vgl. den folgenden Abschnitt). 284 A. Goette: Die Vorgänge des bei der Differenzirung von der Papille aufwachsenden Kegels sind in kurzen Worten folgende. Sein Mantel wird zuerst durchscheinend, dann erscheint in seinem trüben Centrum der Haarschaft, welcher von der Spitze aus abwärts ver- hornt, unterhalb der Verhornungsgrenze eine bleibende trübe Stelle besitzt und dann zunächst in einem hellen Kolben am Gipfel der Papille seinen Abschluss findet. Dieser Kolben erweitert sich bald zum Haarknopfe, dessen runde Zellen alsdann beim Aufsteigen in den Schaft länglich werden und jenseits der Trübung verhornen. Da zwischen dem Schafte und dem klaren Kegelmantel noch eine trübe Lage bestehen bleibt, so wird die innere Scheide aus zwei bereits ursprünglich gesonderten Schichten zusammengesetzt sein. Nachträglich füge ich noch Einiges über die Textur der Scheiden hinzu. Kölliker hat (a. a. O. S. 73) in der äussern Scheide nur längliche und zur Haaraxe senkrecht gestellte Zellen beobachtet, Reissner dagegen gibt an (a.a. 0. S. 109), dass dieselben »rund- lich und von innen nach aussen (mit Bezug auf das Haar als cen- trale Axe der Anlage) zusammengedrückt« seien. — Ich habe zu- nächst zu keiner Zeit die oftgenannte einfache Lage von relativ grossen Oylinderzellen vermisst, welche gleichsam die Rinde des Fortsatzes bilden. Aber allerdings wird die von mir beschriebene zweite Schichte der äussern Scheide, welche als der ursprüngliche Inhalt des Fortsatzes aus kleinern runden Zellen bestand, im Ver- laufe der Entwickelung verändert, d. h. die Zellen werden, wahr- scheinlich durch die sich ausdehrenden innern Theile, zusammenge- drückt, genau so, wie es Reissner beschreibt und abbildet. — Für die innere Scheide ist von mir schon hervorgehoben worden, dass der Umriss ihres Längsschnittes flammenschwertähnlich sei. Da nun diese Erscheinung bei keiner Seitenansicht fehlt, in welcher Richtung auch jener Schnitt geführt wurde, so folgt daraus, dass die innere Scheide spindelförmig verläuft. Erinnert man sich aber, dass sie wachsend entsteht, so liegt der Schluss nahe, dass auch die Elemente spiralförmig angeordnet seien. Dafür lassen sich auch _ Thatsachen anführen. Einmal hat Reissner gefunden (a. a. O. S. 113. 114), dass, wenn man die innere Scheide nach drei auf einander senkrechten Richtungen beobachtet, immer Spindel- oder Cylinderzellen zur Ansicht kommen; was er dadurch zu erklären sucht, dass wenigstens in einer dieser Richtungen (der queren) eine optische Täuschung obwalte. Ich halte nun die Annahme der letz- Zur Morphologie der Haare. 285 tern insofern für entbehrlich, als die Beobachtung Reissn ers der Voraussetzung, dass die Zellen der innern Scheide in Spiraltouren um das Haar verlaufen , thatsächlichen Ausdruck verleiht. Ferner “ habe ich an Querschnitten der innern Scheide noch vor dem Durch- bruche der zugehörenden Haare und namentlich an der äussern ein- fachen Lage von grossen, opalisirenden Zellen immer bemerkt, dass die Längsaxen derselben mehr oder weniger schräg auf der Peri- pherie der Scheide standen, was bei einer der Haaraxe parallelen Wachsthumsbewegung nicht recht erklärlich wäre. Endlich führe ich noch Donders an (Archiv für Ophthalmologie IV, 1. S. 290), welcher zwar merkwürdigerweise nur von der Spiraldrehung der dem Haare zunächst liegenden Schichten der äussern Scheide spricht; dieses glaube ich aber blos als natürliche Folge der gleichen Rich- tung in der anstossenden innern Scheide deuten zu dürfen. Es bleibt mir jetzt übrig, den Durchbruch der Haare nach aus- sen zu beschreiben (vgl. Reissner a. a. O. S. 105, 111). Sobald die Kegelspitze die Schleimschichte der Oberhaut erreicht hat, er- hebt sich das darüberliegende Gewebe zu einem Längswulste, des- sen Richtung mit derjenigen der schräg niedersteigenden Haaranlage in einer Ebene liegt (Fig. 11). Je weiter die Haarspitze gegen die Hornschichte und in dieselbe dringt, desto jäher erhebt sich der Wulst über dem stumpfen Winkel, den er mit der Haaranlage be- schreibt, während er am entgegengesetzten Ende sich ganz allmälig in die Häutoberfläche verliert (Fig. 14). Wenn man nun überlegt, dass das aufwärtsdringende Haar eben auch über dem stumpfen Winkel sich beugt oder aufwickelt, weil es zum Durchbruche noch zu schwach ist, und dass daselbst immer gewisse andere Producte der Haaranlage (s. weiter unten) sich ansammeln, so erscheint ein solcher Längswulst, ebenso wie der Höcker der jüngsten Entwicke- lungsstufe, der reine Ausdruck des von unten wirkenden Druckes. Dass während des Aufenthalts im Wulste ein Theil der innern Scheide sowohl, wie auch des Haares selbst zerfallen kann (vgl. Reissner a.2.0. S.111, 113), dürfte keinem Zweifel unterliegen. Aber auch nach dem Durchbruche halte ich ein theilweises Abfallen der ur- sprünglichen Spitze für sehr wahrscheinlich, denn dieselbe ist einmal bedeutend dünner als bei weiter ausgewachsenen Haaren, und dann findet man sie häufig unmittelbar über der Oberhaut vielfach ge- bogen und geknickt, während sie später nicht weniger straff ist als der übrige Schaft (Fig. 12). — Gelegentlich sei bemerkt, dass bis- 286 A. Goette: weilen auch an Kaninchenembryonen der aus der Haut heraustretende Schaft von einem solchen Fortsatze der Oberhaut begleitet wird, wie sie Reissner (a. a. O. S. 111) an Coelogenys Paca beschrieb. Vor der andringenden Spitze des Haars und der innern Scheide erheben sich die früher erwähnten Fettkörperchen in die Oberhaut (Fig. 10). Da aber von jetzt ab die Zahl derselben abnimmt und in jener obern Ausbuchtung des Fortsatzes, wo die Fettbildung begann, eine Zone sehr kleiner, aber klarer Zellen erscheint, so halte ich dafür, dass diese die metamorphosirten Reste eines Theils des Fettes darstellen. An Kaninchenembryonen, wo mir die Fettbildung nicht zu Gesichte kam, bemerkte ich nichtsdestoweniger eine Ausbuchtung des obern Theils der Haaranlage, wie bei Schafsembryonen ; und überall wurde ihr Inhalt noch vor dem Durchbruche der Haare der Schleimschichte gleich, sodass diese in den Fortsatz einzudringen schien (Fig. 11. 12. 14). — In dem Längswulste findet man oft noch Reste jener Fettkügelchen, welche alsdann die geschlängelte oder umgebogene Haarspitze umgeben, sodass man die zerfallende innere Scheide von ihnen nicht zu unterscheiden vermag (Fig. 14). Zur Zeit des Durchbruchs der Haare erhält die Papille die vollständige Zwiebelform, indem ihre Spitze sich zu einer kleinen Fortsetzung auszieht, während der wulstartige tiefste Theil der innern Scheide, den Haarknopf umgreifend, ihre Basis einschnürt (Fig. 12). Ueber die Entwickelung der Talgdrüsen haben Kölliker (a.a. 0. S. 90 u. folg.) und Reissner (a. a. O. S. 112) so ausführlich be- richtet, dass ich, um eine Wiederholung zu vermeiden, darüber glaube hinweggehen zu dürfen. Ich will nur darauf hinweisen, dass die von mir beschriebene vergängliche Fettbildung, wo sie vorkommt, mit der Ausbuchtung des obern Theils der Haaranlagen im Zusam- menhange steht und so eine indirecte Betheiligung an der Bildung der eigentlichen Talgdrüsen zu haben scheint. Gleichsam eine Aus- führung dieser Andeutung findet sich bei vielen, vielleicht bei allen behaarten Geschöpfen im extrauterinen Leben, zu dem ich jetzt übergehe. Die Haarbildung im extrauterinen Leben. Ich habe dieselbe an mehreren Thierarten und am Menschen untersucht. Die Besonderheiten der einzelnen Arten in Hinsicht auf Zur Morphologie der Haare. 287 jenen Vorgang veranlassen mich, dieselben getrennt zu betrachten. Jedoch schicke ich als allen ‚gemeinsam voraus, dass die Ent- wickelung überall von der Oberhaut ausgeht, wie es im vorigen Abschnitte beschrieben wurde, dass ich aber ihre ersten Stadien, nämlich die Bildung der Höckerchen und ihren Uebergang in die Fortsätze nicht beobachtet habe. Dies hat wohl seinen Grund darin, dass die Höckerchen, welche schon an ältern Embryonen kaum er- kennbar sind, bei der ausgebildeten dickeren und festeren Oberhaut gar nicht zur Entwickelung kommen; und dass ferner das meist unregelmässige Relief, welches der ausgebildeten Lederhaut eigen- thümlich ist, es nicht gestattet, eine der kleineren Erhebungen nebst dem umgebenden Mantel der Oberhaut als Haaranlage zu bezeich- nen, ehe ein solches Gebide nicht ganz zweifellos die unsichere Grenze der blossen Hautbildung überschritten, d. h. ganz auffallend in die Cutis hineingewuchert ist. Schaf. Ich betrachte hier blos die wolletragenden Theile der Haut; die zum Theil mit strafferen Haaren bedeckten Partien (Gesicht, End- glieder der Extremitäten) werden bei der Beschreibung einer ähn- lichen Behaarung berücksichtigt werden. Es ist bekannt, dass die Wolle des Schafs, wie das Haar vieler anderen Thiere, bündelweise in der Haut steckt. Da diese Bündel Haare von verschiedenem Alter enthalten, — von der jungen An- lage, in welcher noch keine Spur eines Haares vorhanden, bis zu den atrophischen Resten eines bereits ausgefallenen —, so lässt sich annehmen, dass sie nicht in toto erneuert werden, sondern die ein- zeln verloren gegangenen anch einzeln ersetzt werden. — Ueberein- stimmend mit den Angaben, dass der Haarwechsel des gezüchteten Schafes ein träger sei und die ungeschorene Wolle jahrelang fort- wachse (vgl. Nathusius, das Wollhaar des Schafes u. s. w. S. 42), konnte ich am ungeschorenen Balge eines Landschafes durchaus keine Spur von jungen Haaranlagen oder überhaupt von noch nicht aus der Haut hervorgebrochenen Haaren entdecken. Ich liess daher einige Wochen vor dem Schlachten eines Schafes demselben eine thalergrosse Stelle am Bauche bis auf die Haut rasiren. Die Unter- suchung dieses Hautstückes lieferte mir freilich nur spärliche Re- sultate, die aber dennoch wesentliche Schlüsse zu ziehen gestatteten. An der Aussenseite eines Haarbündels lag ein cylindrischer, relativ 288 A. Goette: dünner Fortsatz der Oberhaut; in seinem Verlaufe erschienen zwei Stellen, in der Mitte und dicht über dem runden Ende eingeschnürt (Fig. 28). Unterhalb der ersteren hing durch einen breiten Stiel eine mit Fetttröpfchen gefüllte Blase mit dem Fortsatze zusammen; von ihrer Mündung an zog sich durch die Axe der Haaranlage eine Säule von Talgklümpchen, welche eine wirkliche Höhle ausfüllten. Wo die letztere an der Hautoberfläche trichterförmig auslief, erschien ihre Wand der Hornschichte ähnlich. Unterhalb der Mündungsstelle der offenbar als Talgdrüse zu deutenden Blase war der Fortsatz etwas aufgetrieben; in seinem kugeligen Ende erkannte ich die zar- ten Umrisse eines niedrigen Kegels, vermochte aber eine Abgrenzung der Papille gegen die Lederhaut nicht zu unterscheiden. — Von der Textur des Fortsatzes konnte ich nur einzelne runde Zellen im Cen- trum des untern Theils und hie und da ein Stück einer Rinde er- kennen, deren Zellen aber sehr niedrig waren. Eine andere weiter entwickelte Haaranlage war geschlängelt, im obern Viertel von Talgklümpchen, in dem darunter befindlichen Theile schon von einem jungen Haare ausgefüllt; an der Grenze beider Abschnitte hing eine Talgdrüse mit der Haaranlage zusam- men (Fig. 41). Blos die Haarspitze drang bis in das Fett vor; die innere Scheide, welche im ganzen Verlaufe zwei unterscheidbare Lagen, eine äussere helle und dem Schafte zunächst eine dunklere gekörnte besass, hörte unterhalb der Haarspitze, ungefähr an der Drüsenmündung auf. Dagegen überragte sie das Haar am Wurzel- ende, da der Haarknopf nur die obere Hälfte der schmächtigen, einer Lanzenspitze ähnlichen Papille umschloss. In der dünnen, äussern Scheide waren die wandständigen Cylinderzellen grössten- theils sichtbar. — Das sägeförmige Profil des Oberhäutchens reichte bis zur Mitte des Schaftes, wo die Verhornung ihre Grenze fand und der undurchsichtige Wurzeltheil des Haares begann. Fasst man alle diese Thatsachen zusammen, so ergiebt sich, dass auch beim erwachsenen Schafe ein mit einer Papille versehener Fortsatz der Oberhaut die Neubildung eines Haares begründet. Dar- auf erscheint in dem grössern obern Abschnitte eine Fettabsonderung, welche mit einer Drüse zusammenhängt und durch eine trichterför- mige Aushöhlung der Anlage an die Hautoberfläche gelangt. In dem untern, ursprünglich kleinern Abschnitte entwickeln sich Haar und innere Scheide und wachsen erst nachträglich durch das Fett bis zur Haut empor. Die Ausbildung des Haares (Verhornung, Zur Morphologie der Haare. 289 Sonderung des Oberhäutchens) geht von der Spitze aus abwärts. — Sowie diese morphologischen, entsprechen auch die Texturverhält- nisse des entstehenden Haares im erwachsenen Schafe denen des Embryo. N Eine andere Art einer Neubildung von Haaren habe ich an den mit Wolle bedeckten Hautstellen nicht gefunden. Kaninchen. Was mir beim Schafe aufzufinden nicht gelang, — wie die aller- ersten Spuren des Fettes und des Haares mit seiner Scheide auf- treten, konnte ich am Augenlide des Kaninchens nachweisen. — Die jüngsten Fortsätze der Oberhaut entspringen mit breiter Basis und verjüngen sich nach unten, wo die Spitze durch eine runde Papille eingedrückt ist (Fig. 26). Die Rindenzellen sind bei der geringen Klarheit des ganzen Gewebes noch nicht überall deutlich, aber durch die radiäre Streifung an der Peripherie des Fortsatzes angedeutet. In der Axe einer solchen umgekehrt konischen Haaranlage erscheinen sehr bald zwei neben einander liegende wurmähnliche Gebilde, welche klar durchscheinend und hie und da eingeschnürt, selbst unterbrochen, dazwischen aber leicht aufgetrieben sind, so dass ihre Entstehung aus zusammengeflossenen Fettkügelchen, wie es bei den Embryonen beschrieben wurde, mir sehr wahrscheinlich dünkt. Mitunter sind jene Gebilde punctirt und dunkler, gewöhnlich aber opalisirend und stark lichtbrechend;; in Aether lösen sie sich leicht auf. Beim weitern Wachsthume der Haaranlage, deren Richtung dabei mehrfach wech- selt, bildet sich ein deutlicher Gegensatz zwischen einem grössern obern und einem kleinern untern Abschnitte. Dort entwickelt sich Fett, hier das eigentliche Haar. Das Ende der Haaranlage zieht sich nämlich in einen schmalen Cylinder aus, dessen Zartheit die Rindenzellen gewöhnlich deutlich erkennen lässt. Wo dieser Cylinder in die breitere Anlage übergeht, bilden sich zwei seitliche runde Auswüchse derselben, theils vorgedrängt durch eine Anhäufung von Fett am Ende der ursprünglichen Stränge, theils unabhängig davon (Fig. 43). Im ersteren Falle setzt sich die Fettentwicklung von den Strängen bis in die Auswüchse fort, wobei die im Innern der letz- tern entstehenden kleinern Fettpartikeln beim Aufsteigen zu grös- seren Tropfen zusammenfliessen. Im anderen Falle wird die Conti- nuität zwischen der Fettproduction im Auswuchse und derjenigen in der Axe der Haaranlage erst nachträglich hergestellt. Sobald M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 19 290 A. Goette: das Fett bis zur Hautoberfläche vorgedrungen, ist die Bildung der Talgdrüsen und ihres Ausführungsganges vollendet. Unterdess hat sich der untere schmale Anhang der Haaranlage, welcher die Papille enthält, wenig verändert; das Gewebe ist blos fester und undurchsichtiger geworden. Erst in einer gewissen Tiefe der Lederhaut wird die früher runde und flache Papille spitz, schmal und länger, d. h. sie wird weiter umwachsen. Darauf hellt sich das sie umgebende Gewebe auf und zieht sich über ihr in eine Spitze aus (Fig. 39). Da aber jetzt das äusserste Ende der Haar- anlage nicht kugelig schwillt, sondern spitz ausläuft, so wird auch jene helle Anlage von Schaft und innerer Scheide keinen Kegel mit breiter Basis, sondern eine Spindel bilden. Da die weitere Entwicklung der geschilderten Haaranlagen durchaus der beim Embryo beschriebenen entspricht, so beschränke ich mich nur auf Einzelheiten. Viel deutlicher als beim Embryo erkennt man am erwachsenen Kaninchen, dass das Haar längere Zeit nur in dem ursprünglich kleineren Anhange der ganzen Haar- anlage sich entwickelt, indem derselbe rasch nach unten auswächst, so dass das Haar durchaus nicht gleich Anfangs in der ganzen, vor dem Durchbruche erreichbaren Länge entsteht, sondern vielmehr von einer Stelle unterhalb der schon gebildeten Talgdrüsen sehr langsam nach oben und sehr schnell nach unten zunimmt. Sobald der Man- tel der Haaranlage im engeren Sinne klar geworden, tritt auch dort die spirale Windung deutlich zu Tage. Viel früher jedoch erscheint das Pigment auf der Papille, welches aber an den von mir unter- suchten hellgefärbten Thieren nicht über den ganzen Haarknopf sich ausbreitete, sondern auf die Papillenspitze beschränkt blieb, um blos in das Mark überzugehen. Dieses letztere, entsteht aus den Cylinder- zellen der Papillenspitze, deren früher schon oft Erwähnung geschah, welche aber an erwachsenen Kaninchen erst bei einer gewissen Länge des jungen Haares sichtbar werden. Dann sieht man die helle Papille sehr schmal ausgewachsen und mit einer fadenförmigen, spi- ral verlaufenden Verlängerung versehen, — dem atrophischen Reste der aufwärts wachsenden Papillenspitze (Fig. 30). Die Papille ist von schräg auf- und auswärts gerichteten, zarten Cylinderzellen um- geben, von denen die obersten mit ihr aufsteigen und an der spi- ralen Verlängerung, wie die Blätter an einem Stengel von einer Seite zur andern abwechselnd, also in Abständen aufsitzen. Wo der Papil- lenrest schwindet, schieben sich die Zellen allmälig über einander, Zur Morphologie der Haare. 291 so dass sie eine Säule bilden, und indem sie austrocknen und in kleine Hohlräume sich verwandeln, stellen sie die wesentlichen Be- standtheile des ausgebildeten Markes dar. Je nachdem die Hohl- räume schmal und lang oder niedrig und breit sind, je nachdem sie zusammenhängen wie eine Perlenschnur, oder durch feste Zwischen- räume getrennt werden, entstehen die wechselnden Bilder, welche am Marke des Kaninchenhaares oft gar nicht derselben Bildungs- ursache zu entsprechen scheinen. Dazu kommt, dass der Mark- strang in stärkeren Haaren sich oft streckenweise verdoppelt oder verdreifacht. Ist Pigment vorhanden, so gelangt es entweder in un- regelmässigen Stücken in das Mark, wenn das letztere unregelmäs- sig ist, oder es wird — und dies ist die Regel — in einer gewissen Ordnung in den wachsenden Markstrang aufgenommen. An der Papillenspitze, wo das Pigment sich bildet, deckt und überragt es in grösseren Flecken die Cylinderzellen; weiter hinauf wird es in kleineren Partikeln zwischen dieselben gedrängt, so dass es Anfangs ebenfalls von einer Seite zur andern abwechselnd in kurze Streifen vertheilt, endlich aber in den Zwischenräumen der Markzellen als dunkle Querbinden erscheint (Fig. 30). Im natürlichen Zustande eines solchen Markstranges wechseln also darin Luftperlen mit schwarzen Scheiben; wird die Luft durch Flüssigkeit ausgetrieben, so hat man das Bild einer quergestreiften Muskelfaser. Schwein. Ich habe bei der Untersuchung eines nur wenige Wochen alten Schweines für die Bildungsgeschichte der Haare wesentlich dieselben Resultate erhalten, wie Simon, welcher Schweinsembryonen unter- suchte, (Müller’s Archiv für Physiologie 1841 S. 361 u. flg.). — Die jüngsten von mir beobachteten Haaranlagen waren sehr schmal, nach unten etwas verjüngt, die ovale Papille halb umschliessend (Fig. 34). Die Rindenzellen waren nur an der untern Hälfte, wo das Haar sich entwickelt, und namentlich an der Papille eylindrisch. In dem obern Theile des Fortsatzes erscheint sehr bald ein spindelförmiges oder länglich-ovales, mit der Spitze nach oben gerichtetes helles Fettkörperchen. An dasselbe schliesst sich unten ein zweites rundes oder eckiges an, dann ein drittes und so fort, bis diese kleine Säule ungefähr die obern zwei Drittheile der Anlage erfüllt. An der Ba- sis erscheint dann, ähnlich wie beim Kaninchen, eine Anhäufung von kleinern Fettklümpchen, welche zur Seite neigend einen abwärts 293 A. Goette: gerichteten Auswuchs der Anlage veranlassen. Bald nach dem Auf- treten der ersten Körperchen zieht sich die darüber liegende Ober- haut trichterförmig ein, und sowie diese Vertiefung die Spitze der Säule erreicht hat, bildet sie mit dem Raume, in welchem das Fett liegt, eine zusammenhängende Röhre, in der jene oft streckenweise verschmelzenden Körperchen zur Hautoberfläche aufsteigen. Diese Röhre hat also entsprechend der grössern Fettanhäufung am Ur- sprunge der Talgdrüsenanlage unten eine kolbenförmige, oben aber eine trichterförmige Erweiterung (Fig. 27). Es erhellt aus Allem, dass die Fettbildung beim Schweine wesentlich mit jener beim Ka- ninchen und Schafe geschilderten übereinstimmt. Ebenso bildet sich auch die junge Borste in dem ursprünglich kleineren untern Theile der Anlage, welcher aber beim Erscheinen des Schaftes den fettbil- denden obern Abschnitt bereits an Länge übertrifft. Durch Messung und Vergleichung einer grössern Reihe von Haaranlagen ist es mir gelungen, die Aufeinanderfolge der Formveränderungen an jenem haarbildenden Anhange genauer festzustellen. Von dem Zeitpuncte an, wo derselbe durch die Talgdrüsenanlage zuerst begrenzt wird, wächst er bis zum Doppelten des ursprünglichen Maasses in die Länge, während die Breite beinahe überall die frühere bleibt. Jetzt schwillt sein Körper allmälig, das die Papille umwachsende Ende stärker, so dass zwischen beiden Theilen eine Stelle unverändert bleibt, also eine Einschnürung darstellt. Indem darauf die letztere schwindet und der ganze Anhang etwas in der Breite zunimmt, hebt sich in seiner Axe ein schmaler, an der frühern Einschnürungs- stelle breiter werdender Kegel ab, welcher längsgestreift ist, -—— die Anlage des Haares und der innern Scheide (Fig. 27). — Ich habe beim Schweine diese Messungen vorgenommen, weil die Blässe und Durchsichtigkeit der Theile das Aufwachsen des Kegels von der Papille aus durch unmittelbare Beobachtung nicht erkennen lassen, und man hier leicht eine Bestätigung der Lehre, dass jener Kegel in loco sich differenzire, zu finden glauben könnte. Aber auch der Umstand, welcher am meisten für das letztere zu sprechen scheint, nämlich die Anfangs sehr rasche Breitenzunahme des Kegels an einer und derselben Stelle bei gleichzeitig abnehmender Dicke der äussern Scheide, erklärt sich einfach dadurch, dass die ursprünglich runden innern Zellen der letztern sehr bald ganz flach gedrückt er- scheinen, so dass sie im Querdurchschnitte der Querfaserschichte des Balges gleichen (vgl. das im vorigen Abschnitte über die äussere Zur Morphologie der Haare. 293 Scheide Gesagte). Es muss also wohl die an einer bestimmten Stelle beobachtete Verdickung der innern Scheide, welche dabei ununter- brochen, wenn auch langsam, nach oben fortwächst, auf einem stär- keren Zellennachwuchs von unten her beruhen. Während die Kegelspitze sich dem Ausführungsgange der Talg- drüse nähert, drängt sie den Boden jener kolbenförmigen Erwei- terung desselben kegelförmig vor (Fig. 42). Aber nur die Spitze des unterdess gebildeten Haarschaftes durchbohrt diesen Kegel; die in- nere Scheide bleibt zurück und zerfällt wahrscheinlich successiv. — Die Haarwurzel und der Haarknopf sind von der Scheide längere Zeit nicht zu unterscheiden. Später sind aber die Papille mit ihren Cylinderzellen, der Schaft mit dem Oberhäutchen, die zwei Lagen der innern und die relativ sehr dünne äussere Scheide in seltener Deutlichkeit und Klarheit zu erkennen (Fig. 3). Die bekannte Papillenverlängerung bildet die Axe, an der jene Cylinderzellen nunmehr als Markzellen in die Höhe wachsen. In einzelnen Fällen kann man die abgeplatteten Zellen der membranartigen äussern Scheide bis zur Papille verfolgen. — Die Entwicklung des Oberhäut- chens aus einer einfachen zusammenhängenden Zellenlage an der Peripherie des Haarknopfes, sowie es schon Kohlrausch (Müller’s Archiv 1846. S. 308) beschrieben, ist besonders leicht zu erforschen, da jene Zellen bis zur Einschnürungsstelle der Papille durch ihre grossen Kerne kenntlich bleiben. — Solche Kerne sind auch bei andern Thieren und beim Menschen für das Oberhäutchen charak- teristisch. Mensch. Die jüngsten Haaranlagen kommen beim erwachsenen Menschen selten zur Ansicht; wahrscheinlich dauert das erste Stadium der Entwicklung nur sehr kurze Zeit'). Ich sah welche an der Fläche des Augenlids und an der Stirne: es waren kolbige Fortsätze der Oberhaut mit einer halbumwachsenen Papille (wesshalb sie in der Anlage als konisch imponirt) und grössern Rindenzellen, welche, wenn auch häufig im Anfange der Entwicklung nicht cylindrisch, 1) Wertheim empfiehlt für die Untersuchung der sich entwickelnden Haare des Menschen den mons veneris und die Bartgegend zur Zeit der Pu- bertät. In Ermangelung solcher Objecte haben mir die Grenzen des stär- keren Haarwuchses zu dem genannten Zwecke am meisten geeignet geschienen. 294 N A. Goette: sondern unregelmässig, doch immer eine zusammenhängende Lage bildeten (Fig. 15). Bald verändert sich dieses Bild auffallend: der obere Theil der Anlage wird breiter, als das früher in dem Quer- durchmesser überwiegende Ende und setzt sich deutlich gegen das- selbe ab, welches auch in der Längenausdehnung gegen den andern Abschnitt zurückbleibt (Fig. 16). Zugleich erscheinen die Rinden- zellen auffallend cylindrisch und dort, wo die Haaranlage sich ver- jüngt, mit ihren innern Enden schräg nach oben gerichtet. Dies bewirkt ein streifiges Aussehen auch in der Fläche; dass dasselbe aber noch nicht auf das Innere des Fortsatzes bezogen werden dürfe, beweist einmal der Umstand, dass es nur an den Stellen auftritt, wo die Rindenzellen schräg stehen, dann aber eine geringe Verän- derung in der Einstellung des Mikroskops, wobei die runden’Zellen des Innern unter den schwindenden Streifen deutlich hervortreten. Von dieser Entwicklungsstufe an, wo die Haaranlage aus einem breitern obern Theile und einem viel schmächtigeren cylindrischen Anhange besteht, kann sich das Haar des Menschen auf zweierlei Art bilden. Die erste stimmt mit den bisher gelieferten Beschrei- bungen, scheint aber vorherrschend an den flaumbedeckten Körper- theilen, überhaupt aber verhältnissmässig selten vorzukommen. Da- her habe ich auch nicht die vollständige Entwicklungsfolge auffinden können; da aber durch glücklichen Zufall mir einige der wichtigsten Stadien zu Gesichte kamen, so kann ich die Lücken der Beobach- tung um so leichter verschmerzen, als ich dieselben durch die gül- tigsten Analogien auszufüllen Gelegenheit hatte (siehe weiter unten). Ueber jener Stelle, wo die schräg gestellten Rindenzellen der Fläche ein streifiges Ansehen verleihen, zeichnen sich einige Zellen durch grössere Klarheit aus; dann erscheinen runde Fettklümpchen, welche sich ähnlich wie beim Schweine in einer Reihe vermehren und ab- wärts bis in einen sackförmigen Auswuchs der Haaranlage hinein- reichen (Fig. 17). Später tritt das Fett durch eine trichterförmige Vertiefung der Oberhaut an die Körperoberfläche. Dicht unterhalb jenes Auswuchses befindet sich die streifige Stelle; während sie aber spindelförmig schwillt, verlieren ihre Rindenzellen das faserige Aus- sehen und behalten nur die frühere Richtung des Wachsthums bei, so dass eine leichte Streifung der Fläche bestehen bleibt. An diese Anschwellung schliesst sich das noch kurze, cylindrische Ende des Fortsatzes mit der halb umwachsenen ovalen Papille an. In diesem untern Anhange entsteht die Haaranlage im engern Sinne; das Detail Zur Morphologie der Haare. 295 der Entwicklung folgt weiter unten. — Nachdem sich der Haar- schaft bereits gesondert, unterscheidet man noch immer jene drei Theile, den fettbildenden, den spindelförmigen und den haarbildenden (Fig. 35). Alsdann hat der letztere allein an Länge zugenommen und wächst immer weiter in die Tiefe; die Papille ist vollständig umwachsen und die äussere Scheide um den Haarknopf membran- artig verdünnt. Die zwei Lagen der innern Scheide und die nach- trägliche Bildung des Haarknopfes habe ich ganz ebenso wie an den früher beschriebenen Embryonen gefunden. Bemerkenswerth ist, dass auch die Fettbildung der in Rede stehenden Haaranlagen den- selben Verlauf hat, wie bei den Embryonen. Das Fett steigt mit der Haarspitze in die Höhe, während die Neubildung desselben unterbleibt; auch schwindet jene Ausdehnung der Haaranlage, welche die Quelle der fortschreitenden Fettbildung zu sein schien, während die darunter gelegene spindelförmige Anschwellung des Fortsatzes den Anlass zur Entwicklung der bleibenden Talgdrüsen giebt. Schon aus dieser unvollständigen Beschreibung konnte man, abgesehen von weitern Analogien beim Menschen selbst, darauf schliessen, dass die in Rede stehende Art der Neubildung von Haa- ren bei dem Menschen wesentlich ebenso verläuft wie beim Schwein, bei dem Kaninchen und dem Schafe. Aber wenn dieselbe in der Wolle und Borsten tragenden Haut freilich die allein herrschende zu sein scheint, sonst aber (Kaninchen, Kalb u. s. w.) je nach der zartern oder gröbern Behaarung häufiger oder seltener, beim .Men- schen endlich nur vereinzelt vorkommt, so habe ich daneben noch eine andere, davon durchaus verschiedene Art von Haarbildung ge- funden, welche also die erstere ergänzt oder ersetzt. Ich erwähne dieselbe erst beim Menschen, weil ich sie bei die- sem am vollständigsten erforscht habe, und weil ihre lückenhafte Beschreibung beim Schafe und Kaninchen nicht überzeugend, für die einheitliche Uebersicht der ersten Art aber störend gewesen wäre. Die letztgenannte, bisher allein betrachtete unterscheide ich als primäre Haarbildung (mit Primärhaaren) von der andern, der Schalthaarbildung (mit Schalt- und Secundärhaaren), indem ich es besseren Terminologen überlasse, bei der Wahl einer andern Benennung zum Bequemen das Treffende hinzuzufügen. Die Schalt- haarbildung hat beim Menschen, wie ich schon früher bemerkte, die gleichen ursprünglichen Entwicklungsstufen wie die primäre Haar- bildung: die Haaranlage besteht aus einem breiteren obern Theile 2396 A. Goette: und einm schmäleren untern, welcher die Papille halb umschliesst (Fig. 16). Die nächste Abweichung von der primären Haarbildung besteht darin, dass vor dem Erscheinen eines Haares kein Fett sich bildet, wohl aber die von der Hautoberfläche in die Haaranlage ein- dringende trichterförmige Vertiefung. Die wichtigste Stelle ist die- jenige, wo die verlängerten Rindenzellen schräg nach innen aufwach- sen: indem sie anschwillt, entsteht über ihr eine leichte Einschnü- rung, welche nach oben bisweilen von einem oder zwei kugeligen Auswüchsen, ähnlich den früher geschilderten, begrenzt wird (Fig. 18). Doch fehlen dieselben häufig ganz oder erscheinen erst später. Wenn aber bei der primären Haarbildung blos die Rindenzellen jener Stelle verlängert erschienen, oder mit andern Worten, gleich wie die entsprechenden Cylinderzellen der Oberhaut beim weitern Wachs- thum in die runden Zellen des Centrums übergehen, so ist die Schalthaarbildung durch eine andere Entwickelung jener Elemente bedingt. Je weiter sie gegen die Axe der Haaranlage vordringen, desto mehr strecken sie sich, und bogenförmig in die Axenrichtung übergehend, vereinigen sie sich von allen Seiten zu einem faserigen Strange, welcher bald die Vertiefung der Oberfläche erreicht (Fig. 18). Färbt man solche Objecte mit Carmin, so bleibt der Faserstrang ungefärbt, wie die Hornschichte der Oberhaut. Nach kurzer Zeit verschmelzen seine Elemente und verhornen vollends, von oben nach unten fortschreitend, zu einem erst spiral gewundenen und noch ungleichmässigen, endlich aber geraden cylindrischen Schafte (Fig. 19). Dort, wo der unmittelbare bogenförmige Uebergang der Rindenzellen in dieses Axengebilde stattfindet, in dem Keimbette, hat sich indessen gleichsam als Wurzel des Faserstranges ein helles aber unklares Centrum geschieden, in welches die solide Verschmelzung der aufsteigenden Fasern zunächst mit einer dünnen Spitze hinein- ragt, bald aber über jenes ganze Centrum sich erstreckt, so dass es zu einem gleichfalls hornigen Kolben wird, dessen Gestalt durch die Verhornungsgrenze der hineingreifenden Rindenzellen gebildet ist. Da aber dieselben schon verhornen, wenn sie erst mit einer Hälfte der Masse des Kolbens angehören, so wird die Peripherie des letztern mit radiären Ausläufern besetzt sein, welche entsprechend der nach beiden Enden sich verjüngenden Gestalt des Kolbens in der Nähe des Schaftes bogenförmig nach oben, in der Mitte beiläufig horizontal und weiter abwärts allmälig in die senkrechte Richtung übergehend verlaufen (Fig. 44). — Die Entstehung eines solchen Zur Morphologie der Haare. 297 Haares beruht also wesentlich darauf, dass ein beschränkter Theil der Haaranlage (das Keimbett) vor den andern in eine gesteigerte Bildungsthätigkeit geräth. Durch die Richtung des Ernährungsstro- mes und daher des Wachsthumes von der Cutis aus zur Hautober- fläche gelangen die Rindenzellen des Keimbettes in die Axe der Haar- anlage und durchwachsen dieselbe in Spiraltouren. Denkt man sich dazu die Verhornung der Zellen zu einem soliden Schafte, so ist es erklärlich, dass die Continuität zwischen dem letzteren und den ihn umgebenden relativ passiven Theilen der Haaranlage gelöst wird und er zuletzt in einer Röhre steckt. Die Wand dieser Röhre ver- hornt auch in einer dünnen, oft undeutlichen Schichte, welche spä- ter beim Uebergange in das Keimbett etwas breiter wird und rings um den Schaft sich etwas ausbauscht, als wenn sie hier rascher wüchse als weiter oben (Fig. 44). Die Analogie dieser Schichte mit der innern Scheide anderer Haare scheint mir mehr äusserlich als thatsächlich zu sein. — Die Gestaltsveränderung der Haaranlage beim ferneren Wachsthum bezieht sich wesentlich auf die Ausdeh- nung der unmittelbar über dem Keimbette gelegenen Einschnürungs- stelle; die Form der letzteren wechselt bei den verschiedenen Haa- ren, setzt sich aber gewöhnlich nach oben schärfer ab als nach unten, wo sie sich allmälig verschmälert. Endlich wäre noch zu bemerken, dass, so wie Odenius (vgl. dieses Archivs Bd. I. S. 443) Riffzellen in der äussern Scheide bemerkt hat, das ganze Keimbett der Schalthaare, wenn das Bild ein klares ist, aus solchen Zellen zu bestehen scheint. Die schon besprochenen Auswüchse des obern Theils der Haaranlage entwickeln sich zu Talgdrüsen; doch sind dieselben bei der in Rede stehenden Art von Haaren durchaus nicht constant und scheinen sogar in den häufigeren Fällen zu fehlen (Fig. 21). Man überblicke den Gesammtvorgang: in einer Haaranlage entsteht, unabhängig und entfernt von der Papille, aus den zur Axe vorrückenden und verhornenden Rindenzellen, ein Haar mit einem fortwachsenden Ende, dem Kolben, welcher in einer Anschwel- lung der Haaranlage, dem Keimbette liegt; an dieses schliesst sich unten der schon vor dem Erscheinen des Haares existirende, die Papille umschliessende Zipfel der Haaranlage an. Da er nun früher oder später ganz ebenso wie der untere Anhang bei der primären Bildung ein vollkommenes Haar erzeugt, so nenne ich jenes erstere, durch den Mangel einer Papille und einer ausgebildeten innern 298 A. Goette: Scheide unvollkommene und gleichsam in den sonstigen Entwick- lungsverlauf eingeschobene, ein Schalthaar. Das darunter ent- stehende Secundärhaar entspricht also allein dem Typus, wie er im Embryo und in der primären Haarbildung überhaupt herrscht und wahrscheinlich bei der Mehrzahl der Thiere überwiegend ist. Die Schalthaare des Menschen haben sicherlich keine typische Länge, denn die Secundärhaare, welche sie verdrängen, können zu jeder Zeit auftreten, selbst wenn jene die Hautoberfläche kaum über- ragen; gewöhnlich aber erreichen die Schalthaare keine bedeutende Stärke und Länge. Sie können schon sehr frühe pigmentirt er- scheinen, doch kann es als Regel gelten, dass sie selbst beim pig- mentreichsten Menschenstamme, bei den Negern, ungefärbt !) bleiben, bis sie eine gewisse Grösse erreicht haben, während an den gleichen Stellen die Secundärhaare gleich bei ihrer Entstehung reichliches Pigment aufnehmen (Fig. 45). Im ersten selteneren Falle, bei den sehr frühe pigmentirten Schalthaaren stammt der Farbstoff aus dem Keimbette, wo seine Entwicklung an der Grenze der Cutis, ganz ebenso wie in der Oberhaut, erfolgt. Da aber diese Fortsetzung der Hautfärbung nur eine kurze Strecke in die Haaranlage hinein- reicht, und namentlich der die Papille einschliessende, überhaupt zartere Anhang durchaus farblos ist, so ist das in die Tiefe fort- wachsende Keimbett sehr bald pigmentfrei. Der viel häufigere Fall ist aber derjenige, dass selbst bei Negern das Pigment kaum bis zu den Talgdrüsen reicht und dass die eigentliche Färbung der Schalt- haare erst in einer gewissen Tiefe der Cutis beginnt. Auf der Papille bildet sich nämlich eine Pigmentkappe, aus der ein gefärbter Strang durch den schmalen Anhang der Haaranlage bis zum Kolben des Schalthaares auf- und endlich in denselben hineinwächst. Und zwar wird das Pigment in und zwischen Zellen in die Höhe gehoben, deren Bestimmung es zu sein scheint, in Markzellen überzugehen. Da ein solcher Pigmentstrang aber stets ein Vorbote eines entste- henden Secundärhaares ist, so wird er bei der sich steigernden Pro- duction an der Papille schneller vom Grunde aufwachsen, als er in das Schalthaar aufgenommen wird, und dann zieht er sich seitlich vom Kolben in eine spitz endende Schlinge aus (Fig. 44). Auf diese 1) Ich spreche hier vom körnigen, nicht vom gelösten Pigment; der Ausdruck »ungefärbt« schliesst also blos die zerstreuten Flocken und die stärkere, nicht aber die gewöhnliche gelbliche Färbung aus. Zur Morphologie der Haare. 299 Weise sehen wir die Papille nachträglich, freilich aber mehr zufäl- lig, zur Bildung des Schalthaares etwas beitragen. Ihre volle Thätigkeit entwickelt sie erst bei der Entstehung des Secundärhaares, welches sowohl darin wie in allen übrigen Be- ziehungen durchaus dem Typus der primären Haarbildung folgt, so dass ich für die bezügliche Entwicklungsgeschichte mich zum Theil darauf beschränken zu dürfen glaube, dass ich auf die zugehörigen Abbildungen verweise. Da die relative Häufigkeit der Secundär- haare mir die Erforschung ihrer sämmtlichen Entwicklungsstufen ermöglichte, so finde ich zugleich darin jene von mir versprochenen gültigen Analogien für die primäre Haarbildung des erwachsenen Menschen, wodurch die Lücken in der Beobachtung der letzteren ausgefüllt werden können. — Der Zeitpunct, wann die Bildung des Secundärhaares beginnt, ist weder durch eine bestimmte Länge, noch durch die Ablösung des Schalthaares bestimmt, scheint vielmehr allein von der Papille abzuhängen, wobei ich auf das verweise, was ich im ersten Abschnitte über die vermuthlichen Ursachen der ge- steigerten Thätigkeit der Papille anführte. Der kürzere oder längere Anhang der Haaranlage besitzt cylindrische Rindenzellen, und da er allmälig in das Keimbett übergeht, so wachsen jene im obern Theile schräg aufwärts und betheiligen sich offenbar in gewissem Maasse an der Schalthaarbildung, während sie weiter unten horizon- tal liegen und nach innen in runde Zellen übergehen (Fig. 20). — Sowie bei der primären Haarbildung steckt die Papille nur zur Hälfte in dem Anhange und erst kurz bevor der kleine helle Kegel ° von länglichen Zellen über der Papille sichtbar wird, erstrecken sich die Einstülpungsränder des Anhangs auch über die untere Hälfte derselben (Fig. 20). Jener Kegel verlängert sich und es folgen dann die bekannten Sonderungen in ihm, welche das Haar mit seiner Scheide und dem Haarknopfe bilden (Fig. 21. Fig. 45). War ein Pig- mentstrang schon vor dem Erscheinen des Haares vorhanden, wie es bei Negern gewöhnlich ist, so wächst dasselbe an jenem hinauf, ist also von Anfang an pigmentirt; das Oberhäutchen erscheint je- doch auch in ganz schwarzen Haaren farblos und durchsichtig. — Hat das Secundärhaar den Kolben des Schalthaares erreicht, so gleitet es an letzterem hinauf und hat also mit ihm dieselbe äussere Scheide. Dabei verschiebt sich oft der haarbildende Anhang unter dem Keimbette an die Seite desselben, so dass der Kolben des 300 A. Goette:* Schalthaares in einer Ausstülpung der äussern Scheide zu sitzen scheint (vgl. die analoge Bildung beim Kalbe, Fig. 29). Wenn schon an der eben deutlich gewordenen innern Scheide der Secundärhaare des Menschen ein spirales Wachsthum ebenso her- vortritt, wie es am Kaninchen beschrieben wurde, so trifft man die- selbe Erscheinung oft noch viel ausgeprägter an der weichen Wurzel grösserer Secundärhaare, deren Haarknopf alsdann gewöhnlich haken- förmig zur Seite gekrümmt ist oder doch auf einer Seite weit tiefer herabreicht, als auf der andern (Fig. 21.24. 25). In dieser Unregel- mässigkeit, wodurch die Spiraltouren der einzelnen Zellenreihen mit | ungleichen Bögen anheben, scheint mir eine Hauptursache der dar- auf folgenden Spiralwindungen des Schaftes zu liegen, welche an der Verhornungsgrenze freilich sich zu blossen Drehungen zusammen- ziehen, nichts destoweniger aber dadurch die weitern Bögen des Haares in der Kräuselung bedingen. Nathusius (a. a. 0. 8.89, 90) glaubt in der relativ weiten Krümmung des Balges gekräuselter Haare den Grund gefunden zu haben für ein regelmässig spirales Wachsthum, welches aber durch äussere Einflüsse (Fettschweiss u. s.w.), namentlich an der Schafswolle, mannigfache Abänderungen erfahre. Wenn ich die Kräuselung überhaupt auf das spirale Wachsthum der Elemente in der weichen Wurzel zurückführe, so möchte ich auch jene Abweichungen nicht erst ausserhalb der Haut, sondern gleich- fails in der Wurzel begründet sehen. Dafür lässt sich nun Folgen- des anführen. Das feine Haar eines Buschweibes (Bajesman, Busch- man aut.), welches ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, besass innerhalb der Haut eine viel stärkere Krümmung, als die von Na- thusius abgebildete Schafswolle und ferner reichlichen Fettschweiss; dennoch zeigte es eine viel gröbere Kräuselung als die Wolle eines Landschafs, welche in der Haut nicht stärker gekrümmt erschien, als gewöhnliches straffes Menschenhaar es oft ist (Figg. 59. 41). Dagegen war sie in ihrem Verlaufe durch die Cutis durch viele Einschnürungen ausgezeichnet, welche sich als stärkere Umdrehun- gen des Schaftes um seine Axe erwiesen. Diese entstehen aber offenbar nicht erst am verhornten, sondern am noch weichen Schafte durch Unregelmässigkeiten im spiralen Wachsthume und werden dort, wo der Druck der Cutis nicht mehr wirkt, zu den Knickun- gen Veranlassung geben, welche die Kräuselung der Schafswolle characterisiren. Dass eine solche sogar schon innerhalb der Haut sich ausbilden könne, lehrte mich die Untersuchung einer von Favus Zur Morphologie der Haare. 301 ergriffenen Menschenhaut (Fig. 24). Das Wachsthum der meisten Haare war nicht unterbrochen, sondern blos ihr Vorrücken aus der Haut gehindert, so dass der stetig an Länge zunehmende Schaft in- nerhalb der äussern Scheide (die innere ging bald verloren) sich in der angegebenen Weise zusammenwand, ohne dass von einzelnen Verklebungen an den Knickungsstellen (Nathusius.a. a. O.S. 97) hätte die Rede sein Können. An mässig gefärbten Haaren, deren Haarknopf allein dunkel ist, sieht man das Pigment an seinem Grunde zwischen den unge- färbten Zellen wie eine schwarze Flüssigkeit aufsteigen und daher ein netzförmiges Bild entwerfen (Fig. 50). Dieses flüssige Pigment verbreitet sich weiter oben offenbar durch die ganze Masse des Haares und dadurch geht dann die intensive Farbe verloren. An intensiv schwarz gefärbten Haaren dagegen ist das Pigment schon in den jüngsten Zellen eingeschlossen. Ueberall kann man aber an der Grenze des Pigments erkennen, dass der Haarknopf den Boden des Balges nicht erreicht, sondern an der Einschnürungsstelle- der Papille von dem wulstartigen Rande der innern Scheide umgriffen wird. — Am Haarknopfe sind auch meistens die grosskernigen Zellen des Oberhäutchens sichtbar, welches weiter oben oft fünf- bis sechsfach geschichtet ist, indem der untere Rand jedes Zellenplättchens von den obern Rändern der fünf abwärts folgenden überragt wird (Fig. 50). Die eigenthümliche Erscheinung eines das Haar umspinnenden Netzes hat bereits Henle (a.a.O. S. 24), der Entdecker desselben, richtig gedeutet: es sind die gewaltsam umgeschlagenen freien Ränder der Epidermisschüppchen. Doch kommen auch ganz freie Netze mit weiten Maschen vor, welche dadurch entstehen, dass das Oberhäut- chen beim Ausreissen eines Haares in queren Streifen abgeschalt und losgelöst wird. Da sich diese losen Ringe oder Netze über die noch intacten tiefern Theile des Schaftes verschieben können, so sieht man alsdann nach innen von den Bändern die zarten Linien der Schuppenränder, deren Zwischenräume an Breite oft jenen Bändern nachstehen. — Was endlich die Papille anbetrifft, so konnte ich die Behauptung Reissner’s (a.a.O. S. 84, 85), dass auch beim Menschen ein Papillenrest im Markstrange sei, in einigen Fällen be- stätigen (Fig. 23. 25). Es liess sich, freilich nur auf eine kurze Strecke, eine spiral verlaufende Fortsetzung der Papillenspitze von 0,005 Mll. Dicke unterscheiden; aus dem Früheren geht aber hervor, dass die Gegenwart des Papillenrestes im Markstrange nicht als 302 A. Goette: Regel für alle Haare aufgestellt werden kann, da es eben auch papillenlose Haare giebt. Zum Schlusse der Erörterung über die Schalthaarbildung des Menschen erwähne ich noch, dass, wenn es mir auch zweifelhaft geblieben ist, ob nicht unter den Wimpern des Neugebornen, also schon vor der Geburt, Schalthaare vorkommen, ich ein massen- haftes Entstehen derselben mit dem bekannten Haarwechsel des Säuglings in Verbindung setzen möchte. Ferner habe ich öfter _ mehrere Schalthaare in einem Balge angetroffen. In dem einen Präparate aber, welches vollständig war, besass jedes derselben seinen eigenen Anhang und darin ein Secundärhaar; das eine war aber durch die Talgdrüse so sehr zur Seite geschoben, dass die Mög- lichkeit durchaus nahe gelegt war, es bei einer andern Schnitt- führung spurlos zu verlieren. Damit will ich jedoch die Mittheilung Wertheim’s (Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. zu Wien, mathem.- naturwiss. Classe, 1864. S. 313), dass zu mehreren kolbig endigenden und in einem Balge neben einander wachsenden Haaren nur ein einziges mit einer Papille versehenes gehörte, nicht in Zweifel ge- zogen haben. Denn ich selbst habe solche Bündel von Schalthaaren mit einem Papillenhaare aus einem beginnenden Barte ausgezogen; da ich aber keine Gelegenheit fand, solche Haare innerhalb der Haut zu untersuchen, so kann ich auf den obigen Befund auch noch kein Urtheil fällen. Ueber das Ausfallen der Haare überhaupt und insbesondere beim Menschen ist in den früheren Arbeiten nur kurz berichtet worden. Im Allgemeinen galt die Lehre, dass dem Ausfallen eines Haares die Verwandlung seines weichen Haarknopfes in einen hor- nigen Kolben vorangehe und dass jede solche Kolbenbildung die Neubildung eines Haares in demselben Balge einleite. Diese Lehre findet nur beim periodischen Haarwechsel (s. w. u.) eine theilweise, beim Menschen jedoch keine Bestätigung. — Zunächst folgt hier die Beschreibung der Vorgänge, welche das Ausfallen ausgewachsener Haare des Menschen bewirken. An ausgewachsenen Papillenhaaren schrumpfen zunächst der Haarknopf und der ihn umgebende Theil der innern Scheide, lösen sich von der Oberfläche der Papille und vom Grunde der Falte, welche um die letztere verläuft und rücken nun in die Höhe, indem unter ihnen die membranartige äussere Scheide sich an die Papille Zur Morphologie der Haare. 303 anlegt (Fig. 47). Auf dieser bleiben stets einige Reste des Haar- knopfes sitzen, was man am deutlichsten an dem Pigmente erkennen kann, welches in der Papille niemals vorkommt, an der verlassenen aber gewöhnlich angetroffen wird. Beinahe ausnahmslos sah ich einen gewissen Abstand zwischen der die Papille umschliessenden äussern Scheide und dem Balge eintreten, was ich für ein Zeichen halte, dass die äussere Scheide wohl auch in Folge von Atrophie selbstständig sich zusammenziehe und das Haar dadurch in die Höhe gehoben werde (Fig. 47. 48). — So lange der Haarknopf noch über die Papille gleitet, besitzt er natürlich noch ein stumpfes Ende, ist aber schon längsgestreift, bräunlich und undurchsichtig; ein Be- weis, dass die Verhornungsgrenze, welche in wachsenden Haaren etwas über der Papille durch jene Merkmale am Schafte gekenn- zeichnet wird, in Folge des mangelnden Nachschubes frischer Zellen bis zum Grunde des Haarknopfes hinabgestiegen ist. — Sobald dieser sich über die Papille erhoben hat, spitzt er sich, offenbar durch das Zusammenfallen der früher von der Papille ausgefüllten Vertiefung, nach unten zu und geht auf diese Weise in die bekannte Form des Haarkolbens über. — Wenn dies die gröberen Verhält- nisse der Kolbenbildung sind, so gestattet eine genauere Beobach- tung auch den Einblick in die Entwicklung des Details am Kolben. Im Beginne der Atrophie hört zuerst das Oberhäutchen und die äusserste concentrische Hornschichte des Schaftes auf zu wachsen, so dass die Hornfasern an der Peripherie des Schaftes frei enden, bei dem Fehlen des zusammenhaltenden Oberhäutchens ihren Verband lockern und endlich gegen die innere Scheide auseinander fahren. Dies wiederholt sich darauf ziemlich rasch je an der nächsten in- nern Lage des Haarknopfes, so dass er bei seiner Ablösung von der Papille ein besenartiges Aussehen hat. — Die innere Scheide trübt sich im Bereiche des Haarknopfes gleich zu Anfang der beginnenden Ablösung und muss, da sie schon den Haarknopf überragte, auch eine vollständige Hülle des Kolbens bilden. Da sie aber durch keine Scheidewand (Oberhäutchen) mehr von ihm gesondert ist, so ragen die faserigen Ausläufer in die innere Scheide hinein, und sobald die Verhornung vollendet ist, kann man auch die Reste der innern Scheide kaum mehr erkennen. An der Grenze von Schaft und Kol- ben hört aber die Verschmelzung von Haar und Scheide auf und setzt sich der glashelle obere Theil der letztern sehr scharf gegen die trübe Fortsetzung ab (Fig. 49). Die Papille schrumpft früher 304 A. Goette: oder später und löst sich bisweilen an der Einschnürungsstelle vom Balge. — Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dass die Möglichkeit einer Verwechselung von Schalthaaren und ausfallenden Papillen- haaren erst einige Zeit nach der Ablösung der letztern vom Grunde des Balges Platz greifen kann; und selbst dann wird jene Möglich- keit durch die charakteristisch ausgeprägten Bilder beider Arten auf die geringere Zahl der undeutlich gezeichneten beschränkt. In den meisten Fällen wird wohl die Papille die Zweifel entscheiden können, je nachdem sie von wulstigen Rändern halb umwachsen oder mit einer Einschnürung versehen und von einer dünnen Membran voll- ständig eingehüllt erscheint (Figg. 44. und 49). Nach der Ablösung hebt sich das Haar stetig aus den zusammenschrumpienden Scheiden- theilen, in denen bisweilen ein dunkler Streifen (Pigment, Detritus) die Spuren der Wanderung bezeichnet; das endliche Ausfallen wird offenbar durch äussere mechanische Ursachen befördert. — Ueber das Ausfallen der Schalthaare bemerke ich nur, dass es nicht in jedem Falle durch die Erscheinung des Secundärhaares eingeleitet wird; denn der Kolben sitzt oft noch fest in seinem Keimbette, wenn die Spitze des jungen Haares schon über ihn hinausgewachsen ist. Weicht endlich das Schalthaar von seinem Platze und verläuft das Junge Secundärhaar nunmehr durch das alte Keimbett, so täuscht die Auftreibung des letztern eine neue Talgdrüsenanlage vor. Aber sie erscheint noch ebenso beim Ausfallen des Secundärhaares, wo dann der Kolben sich ihr nähert, und endlich in sie hinein gelangt. Reh. Wenn ich beim Menschen die bisher gültige Lehre über die Erzeugung neuer Haare nicht bestätigen konnte, so begegnete mir dasselbe bei der Untersuchung des periodischen Haarwechsels der Thiere. Da ich denselben am genauesten beim Reh verfolgte, so gebe ich zunächst die ausführliche Beschreibung des Härungspro- cesses dieses Thieres. Im Herbste fand ich in einem Balge, dessen Sommerhaar eben auszufallen begann, Folgendes. Die dicken Schäfte der Sommer- haare (0,3 Mil.) nahmen den grössten Raum in der Cutis ein; ihr Mark, welches aus einem trocknen, lufthaltigen Zellengefüge be- stand, nahm unter Ausschluss einer hornigen Rindensubstanz den ganzen Raum innerhalb des Oberhäutchens ein. Gegen die Papille verschmälerte sich der Schaft gewöhnlich, indem das Mark, welches Zur Morphologie der Haare. 305 dort noch nicht durch Aufnahme von Luft ausgedehnt war, in den pigmentirten, gewöhnlich länglichen Haarknopf überging (Fig. 40). Dieser wurde unten von dem wulstigen Rande der innern Scheide umgriffen, welcher also den Stiel der lang ausgezogenen Papille um- schloss. Soweit der Schaft noch weich war, erschien er meist in wechselnder Dicke und unregelmässig gekrümmt. Der Uebergang in den obern ausgedehnteren und vertrockneten Theil geschah bald sanz allmälig, bald ziemlich jäh. — Ein Theil der Sommerhaare bereitete sich aber schon zum Ausfallen vor und besass dann andere Wurzelenden. Bei einzelnen derselben konnte man eine stetige Ab- nahme in der Mächtigkeit des Markes zu Gunsten der wieder- erscheinenden Hornmasse beobachten. Nachdem das Mark alsdann in einer Spitze seinen Abschluss gefunden, dringt die Verhornungs- grenze bis zum Haarknopfe vor, dieser wird bräunlich, faserig und hebt sich endlich von der Papille ab, um einen Kolben zu bilden (Fig. 51. 52). Die offenbar atrophische Papille wird alsdann von der membranartigen äussern Scheide umschlossen, deren Fortsetzung unter dem aufsteigenden Kolben zu einem dünnen Strange zusammen- fällt, welcher sich theilweise vom Balge löst. Diese Art des Aus- fallens stimmt also überein mit der vom Menschen beschriebenen. Der andere Theil der Sommerhaare des Rehes lässt aber in der Bildung des Markes nicht nach, bis die Atrophie der Papille eine Ablösung des Haarknopfes herbeiführt, welcher alsdann in unver- änderter Form, d. h. unverhornt und mit dem klaffenden Ende, worin früher die Papille steckte, hinaufsteigt (Fig. 53). Die zurück- bleibende Papille lässt zuweilen eine kurze, fadenförmige Fortsetzung sehen (Fig. 54). — Da die innere Scheide mit dem Haarknopfe in- nig zusammenhängt, oberhalb desselben aber mit dem Schafte in keiner Verbindung steht, so wurzelt und faltet sie sich beim Auf- steigen des Haares und wird bei seinem endlichen Ausfallen von unten nach oben eingestülpt. Daher sieht man den verlassenen Balg noch einige Zeit in seinem obern Theile mit den dichten Falten einer Haut gefüllt, bis endlich alle noch übrigen Reste des frühern Haargebildes verschwinden (Fig. 54). — Hier und da scheint auch ein Stück des Schaftes selbst innerhalb der Haut zurückzubleiben, um dort einem schnellen Zerfall entgegenzugehen. — Nirgends sah ich über den verlassenen Papillen der Sommerhaare unseres Thieres auch nur die geringste Spur eines neu entstehenden Haares. Vielmehr geht die Bildung des neuen Winterhaares allein von M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4, 20 306 ß A. Goette: der Oberhaut aus. An dem schon bezeichneten und einem andern in der Härung weiter vorgeschrittenen Balge fand ich eine vollstän- dige Entwicklungsreihe jenes Winterhaares. — In den spärlichen Zwischenräumen, welche das Sommerhaar in dem obern Theile der Cutis übrig liess, befanden sich die neuen Haaranlagen und Härchen, deren geringe Mächtigkeit (0,01 bis 0,02 Mil.) es ihnen gestattete, an Zahl die Sommerhaare zu überwiegen. Die jüngsten Entwick- lungsstufen, welche ich fand, erinnerten mich lebhaft an die Schalt- haarbildung, wie ich sie vom Menschen beschrieben. - Die fettlosen Haaranlagen erzeugten in ihrem obern Theile kleine Härchen, welche von einem scharf begrenzten, von der Papille entfernten Wurzelende ausgingen und keine Scheide besassen (Fig. 36. 37). Doch konnte ich den Ursprung des Haares von der Peripherie eines Keimbettes aus nicht feststellen. Die Länge des Schaftes betrug dann innerhalb des Balges ce. 0,1 MN., ausserhalb 0,05 MIl., und der untere schmälere Anhang mit der halbumwachsenen runden Papille mass 0,05 Mll. Von dieser Stufe aus konnte ich die weitere Ausbildung bis zu aus- gesprochenen Schalthaaren verfolgen. Das Wurzelende wächst sehr langsam in die Tiefe und bildet sich ce. 0,2 Mll. unter der Hautober- fläche zu einem Kolben aus, weleher alsdann in einer Anschwellung der Haaranlage (Keimbett) liegt; dabei erscheint der untere Anhang völlig passiv, indem der Kolben der Papille viel näher rückt, diese aber nicht weiter umwachsen wird, sondern nur mit dem obern halb- kugeligen und mit Pigment bedeckten Theile der Haaranlage ange- hört (Fig. 37). — Solche Schalthaare wachsen, wenn sie nicht vor- her durch Secundärhaare verdrängt wurden, zum Winter hin ziem- lich bedeutend in die Länge aus, werden aber nicht in demselben Masse dicker, sondern bleiben dünn und marklos. Sie vermehren sich, sowie die Sommerhaare mehr und mehr schwinden; doch . scheint eine Neubildung derselben, wenigstens im Anfange des Win- ters, noch fortzudauern. Neben den Schalthaaren fand ich neuentstandene Papillenhaare in allen Grössen. Einige davon waren in einer Länge von nur !/s bis 1 Mll. noch in dem untern Theile des Haarsackes von kurzen Schalt- härchen eingeschlossen, also offenbar Secundärhaare in der bisher erläuterten Weise!). Einzelne Papillenhaare mögen auch beim Reh 1) Für die Leser meiner »vorläufigen Mittheilung« im Centralblatt 1867. No. 49, bemerke ich, dass die daselbst gemachte Angabe über das Fort- Zur Morphologie der Haare. 307 primär entstehen, doch habe ich keine unzweifelhaften Beweise da- für und muss nach Allem annehmen, dass die Masse der winter- lichen Papillenhaare secundär unter Schalthaaren entsteht. — Diese Secundärhaare wachsen sehr schnell bis zu 1,4 Mll. in die Tiefe der Cutis und erhalten dabei sehr bald das charakteristische Mark, welches aus den Zellen des ganzen pigmentirten Haarknopfes durch Luftaufnahme und Vertrocknen sich bildet. Die Wurzel ist gewöhn- lich gewunden und die innere Scheide beginnt an den jungen Haaren mit einem verhältnissmässig hohen Wulste, welcher später vor dem sich ausbreitenden Haarknopfe abnimmt (Fig. 38). — Gegen das Ende der Wachsthumsperiode, d. h. beim Eintritte des Winters, nimmt die Zellenbildung an der Papille ab, die Wurzel wird dünner, die Bildung des Markes hört auf und an seine Stelle tritt wiederum eine solide Hornmasse. Die Abnahme der Zeilenbildung an der Papille beginnt an den Seiten der-letztern und schreitet gegen die Spitze fort, so dass Haarknopf und Scheidenwurzel alsbald nicht mehr die Papille umschliessen, sondern nur noch auf ihrem Gipfel aufsitzen (Fig. 57). Endlich geht noch während der Längenzunahme des Schaftes der Ursprung der innern Scheide verloren, indem die aufrückenden Theile keinen Ersatz erhalten; und wenn jetzt in der früher (vom Menschen) beschriebenen Weise ein Kolben entsteht, geschieht es so allmälig, dass von einer vollständigen Atrophie der Papille und einer darauf folgenden Abhebung des Haarknopfes von derselben nicht die Rede sein kann. — Indem der Kolben langsam in die Höhe rückt, verschmilzt die Röhre der äussern Scheide unter ihm zu einem dünneren Zipfel, welcher in seinem Ende die Papilie enthält, aber niemals eine Schrumpfung, wie sie bei Atrophie vor- kommt, wahrnehmen lässt. Durch wiederholte Messungen hahe ich mich überzeugt, dass die Papillen weder während der Kolbenbildung, noch gleich darauf in die Tiefe rücken. Hiermit ist die Bildung des Winterhaares vollendet und man kann alsdann nachweisen, dass die dünnen, marklosen Schalthaare, welche nicht von Secundärhaaren verdrängt wurden, zum Winterflaum, die markhaltigen, dicken, nach der Beendigung des Wachsthums gleichfalls kolbig endigenden Se- cundärhaare aber zum Oberhaar geworden sind. wachsen einiger Schaithaare bis zur Papille ein Irrthum war, welcher sich daraus erklärt, dass ich an dem damals noch sehr mangelhaften Material für jene Papillenhaare weder eine primäre noch secundäre Bildung auffinden konnte. 308 A. Goette: Bereits während des Winters schienen mir die Fortsätze der Flaumhaare zu atrophiren; gegen das Frühjahr und in demselben werden sie zu ganz dünnen Strängen, welche oft pigmentirt sind und becherförmig enden, indem die Papillen sich der Beobachtung durchaus entziehen. — Eine Neubildung innerhalb dieser Fortsätze habe ich niemals gefunden. Die Fortsätze des Oberhaares dagegen atrophiren nicht, sondern fangen im Frühlinge an zu wachsen; sie werden an ihrem Ende rund um die Papille dicker, verlängern sich in die Tiefe und bilden endlich stark pigmentirte Secundär- haare. Die Entwicklung der letzteren weicht in nichts von der- jenigen anderer Haare ab, welche von Papillen aufwachsen. : Ich habe ausser dem Reh noch das Kalb, das Kaninchen, den Hasen, die Katze und die mit straffen Haaren bedeckten Theile des Schafes der Untersuchung unterzogen. Beim Kaninchen, beim Hasen und bei der Katze fand ich Bilder, welche durchaus an die beim Reh gesehenen erinnerten, so dass ich glaube, dass der periodische Haarwechsel am Rumpfe der genannten Thiere in derselben Art vor sich gehe, wie ich ihn eben beschrieben. Bei den Nagern ist blos die Anordnung der Haare in einzelne Bündel mehr ausgesprochen, als bei andern Thieren; im Herbste sah ich mitten im Bündel ein bis zwei längere und stärkere Secundärhaare, welche sich oben von ihren Papillen lösten, rund herum aber die viel kürzeren Bälge der feinen Schalthaare. — An den übrigen Objecten: Gesichtstheile incl. Wimpern und Spürhaare, Ohren, Füsse u. s. w. aller genannten Thiere, fand ich überall junge, unmittelbar unter der Haut spros- sende Primärhaare, deren Entwicklung ich vom Kaninchen schon näher beschrieben, und ferner alle Stufen wachsender Secundärhaare (Fig. 29). Ob die letztern aber unter Schalthaaren oder auf den Papillen ausfallender Papillenhaare entstehen, ist im einzelnen Falle nicht möglich zu entscheiden, da sichere Kennzeichen dafür fehlen. In Bezug auf die Entwicklung der Papillenhaare möchte ich nament- lich auf die Wimpern des Kalbes aufmerksam machen, an denen ich die deutlichsten und klarsten Bilder von der ersten Anlage der Se- cundärhaare traf. Der längsgestreifte spitze Kegel durchzog erst die Hälfte des Anhangs, und um die epitheliale Papillenkappe lag in der bekannten Falte nur eine ganz dünne Lage junger, spindelförmi- ser Zellen, deren Anzahl gegen die Papillenspitze zunahm (Fig. 31). — Zur Morphologie der Haare. 309 Eine besondere Erwähnung verdient noch das Mark der Papillenhaare des Schafes. Wenn man ganz allgemein die nicht verhornte, gewöhnlich lufthaltige Axensubstanz der Haare »Mark« nennt, so kann man beim Schafe (und wohl ebenso bei manchen andern Säugethieren) mehr als eine Art von Haarmark unterscheiden. An der Bildung desselben betheiligen sich überhaupt die Papille und die an ihrer Spitze gelegenen meist eylindrischen Zellen; doch kann der eine oder der andere dieser Bestandtheile fehlen. Speciell beim Schafe ist sehr oft, namentlich in der Wolle, blos eine Verlängerung der Papille mit spärlichem, aussen anhängenden Pigment in den Haarschaft hinein zu verfolgen ; dann findet man auf Durchschnitten eine kleine zackige Oefinung in der Hornsubstanz (Fig. 46). Im andern Falle begleiten die unverhornten, lufthaltigen Cylinderzellen der Papille die Verlängerung derselben, können dabei mannigfache Lagerungsordnungen befolgen, pigmentirt sein oder körniges Pig- ment zwischen sich fassen u. s. w. (Figg. 32. 58). — Offenbar hat nun die erste Art Nathusius (a. a. 0. S. 17) bewogen, das Mark überhaupt für eine blosse Modification der auswachsenden Papille zu nehmen, so dass also consequenter Weise auch die Markzellen sich aus der atrophischen Papille bilden sollten !). Ueber den Verlust der Haare habe ich die beim Reh gemachten Erfahrungen bei andern Thieren wiederholt gesehen. Unter der Schafswolle kommt freilich neben emer Kolbenbildung auch Schrum- pfung der weichen Wurzel vor, so dass der Haarknopf in situ zu Grunde geht, während der obere Schafttheil sich davon ablöst und ausfällt (Fig. 59). In den übrigen Geschöpfen fand sich dagegen vorherrschend die Kolbenbildung, welche entweder an diejenige des Sommerhaares oder die des Winterhaares vom Reh erinnert :Figg. 55. 56). Die Kolben haben in einzelnen Fällen eine Vertiefung an ihrem Grunde, was darauf zu deuten scheint, dass sie aus den abgehobenen Haarknöpfen entstanden (Fig. 58). Ebenso dürfte ein regelmässiges (Kaninchen) oder besonders breites’ Mark (Kalb, Reh) stets auf ein 1) Im Jahresberichte der Zeitschrift für rationelle Mediein XXX. Bd. S. 95 heisst es: »v. Nathusius adoptirt Reissner’s Ansicht, dass die Marksubstanz der Haare und Stacheln eine Fortsetzung der Haarpapille sei.« Da aber Reissner sagt (a. a. O. S., 65): »Das Mark besteht aus den sogen. Markzellen und aus der vertrockneten Papille«, und Nathusius dem wider- spricht, so beruht jene Notiz offenbar auf einem Irrthum, 310 A. Goette: Papillenhaar schliessen lassen, während ein gewöhnlicher Markstrang ebenso wie am Menschen die Bedeutung des betreffenden Haares als eines Schalthaares durchaus nicht ausschliesst. Ergebnisse und Kritik derselben. Ich werde zunächst den Wechsel der Erscheinungen im Haar- wuchse der einzelnen Geschöpfe betrachten und später die verschie- denen Arten der Haarbildung vergleichen und ihr Verhältniss zum Organismus prüfen. Ueberblickt man die Vorgänge, welche die Erhaltung des Haar- wuchses im extrauterinen Leben bedingen,‘ so vermisst man eine Uebereinstimmung der Erscheinungen. In der Wolle und Borsten erzeugenden Haut scheinen einfach die embryonalen Vorgänge sich zu wiederholen, so dass der Verlust durch neue Primärhaare ersetzt wird. Beim Menschen könnte unter Umständen Aehnliches statt- finden: wenigstens vermochte ich in der Kopfhaut eines Individuums der Buschmannsrace keine wesentlichen Abweichungen von der Schafs- wolle zu finden. Sonst freilich fand ich beim Neger und Europäer übereinstimmend, dass der Nachwuchs nur zum geringen Theile aus einer primären, meistens aus der Schalthaarbildung hervorgehe, wo- bei m einem Haarsacke nach einander zwei Haare, eines im obern Theile ohne Papille, das andere über der Papille, entstehen. Endlich muss der periodische Haarwechsel als besondere Art einer Erneuerung der Behaarung angesehen werden. Da ich nach umfassender Untersuchung desselben beim Reh bei einer Reihe anderer Geschöpfe nichts fand, was die Annahme einer möglichen Ausnahme rechtfertigte, so stelle ich folgendes Resume des perio- dischen Haarwechsels auf. Im Herbste fällt das alte (Sommer-) Haar aus und bildet sich neues von der Oberhaut aus. Dieses letztere scheint blos aus Schalthaaren zu bestehen, wovon ein Theil unter allmäliger Atrophie der untern Anhänge zum Winterflaum aus- wächst, während der andere Theil von den nachwachsenden Secun- därhaaren verdrängt wird. Indem diese (das Oberhaar) bald ihre typische Länge erreichen und alsdann ihr Wachsthum mit der Kol- benbildung beschliessen, besteht das ganze Winterkleid der periodisch härenden Thiere aus kolbig endigenden Haaren. Die verlassenen Papillen des Oberhaares gehen aber nicht gleich denen des Flaumes zu Grunde, sondern machen blos mit dem Eintritte des Winters eine Pause in ihrer Bildungsthätigkeit, ohne jedoch die eigene Ernährung Zur Morphologie der Haare. 3ıl einzubüssen. Da mit dem Beginn der wärmeren Jahreszeit wiederum ein Ueberschuss an Bildungsstoff von ihnen in neue Haare (Sommer- haar) umgesetzt wird, so kann der Wechsel der Witterung und ihrer Folgen als Hauptgrund für die Härung nicht wohl beanstandet werden. Höchst wahrscheinlich erscheint es mir, dass zwischen dem all- jährlich periodisch wiederkehrenden und dem durchaus unregelmässig über den ganzen Körper zerstreuten Haarwechsel Uebergangsstufen existiren und daher auch die Arten der Haarbildung mannigfach ge- mischt vorkommen. Da aber unter solchen Umständen ein Urtheil über die letztere begreiflich nicht mit unumstösslicher Sicherheit gefällt werden kann, so ist es nur möglich, sich über die Extreme bestimmt auszusprechen: über die wilden und jene Hausthiere, welche keinem periodischen Haarwechsel unterliegen (Schaf, Schwein). Dazu käme dann noch der Mensch (vgl. weiter unten). Nach dieser Uebersicht der Ergebnisse meiner Untersuchungen über den Haarwuchs im extrauterinen Leben, wende ich mich zur Litteratur. — Wenn die primäre Haarbildung nach der Geburt bis- her unbekannt geblieben war, bald überhaupt bezweifelt (Henle, Handbuch d: systematischen Anat. I. S. 24 und Stieda, Archiv für Anat. und Physiol. von Reichert und Du Bois-Reymond 1867. Heft IV. S. 539), bald für möglich gehalten wurde (Kölliker, Gewebelehre 1863. S. 163), so beziehen sich alle über den Haarnach- wuchs veröffentlichten Mittheilungen auf Secundärhaare. — Heu- singer (Meckel’s deutsches Archiv 1822. S. 555 —561) lehrt, dass im Grunde der Bälge alter ausfallender Haare die neuen selbständig entstehen, so dass »die Matrix des neuen Haares gleich- sam ein neuer Auswuchs des productiven Bodens des Balges, und nicht der alte Keim ist« (J. Müller, Handbuch d. Physiol. I. 4. Aufl. S. 322). Die Heusingersche Lehre hält Steinlin (Zeitschrift für rationelle Mediein von Henle und Pfeuffer, Bd. IX. S.:288 u. flg.) und neuerdings Stieda (a. a. 0. S. 517 u. flg.). Kohlrausch (J. Müller’s Archiv für Anat. und Physiol. 1846. S. 311-312), Langer (Denkschriften der kaiserl. Acad. zu Wien, mathem.-naturwiss. Classe, Bd. I. Abth. 2. S. 1-7) und Kölliker Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie Bd. II. S. 78—84) behaupten dagegen, dass die neuen Haare auf den alten Papillen, nachdem die zugehörigen Haare sich von denselben abgelöst, entstehen. Abweichend von allen Vorgängern hat endlich Wertheim (a.a. 0. 5.310 u. flg.) 312 A. Goette: die Theorie aufgestellt, dass die unabhängig von der Ober- haut und den alten Haaren innerhalb der Cutis entstehenden neuen nur zufällig in alte Bälge hineinwachsen. — Nach meinen Erfah- rungen kann ich mit keiner der drei Anschauungen übereinstimmen. Die beiden ersten irren darin gemeinsam, dass sie neue Haare nur aus alten Bälgen hervorgehen lassen und die Entstehung neuer Haar- anlagen (Haarsäcke) von der Oberhaut aus weder kennen, noch über- haupt voraussetzen. Ferner müssen sie nothwendigerweise alle Schalt- haare für abgehobene Papillenhaare gehalten haben. Der neueste Vertreter der ersten Richtung, Stieda, behauptet, dass der Haar- knopf sich niemals von der Papille ablöse, sondern dass sie inner- halb jenes atrophire und schwinde (a.a. 0. S. 527). Dann soll durch Wucherung des Restes vom früheren Keimlager und durch Bildung einer neuen Papille jn jener Wucherung ein neuer Haarsack und darin ein neues Haar sich bilden (S. 528, 531). Offenbar hat Stieda gar nicht den ganzen Cyclus des periodischen Haarwechsels beim Rennthiere, an dem er seine genaueren Studien machte, verfolgt; denn er hat nicht einmal die Kolbenbildung vollständig beobachten können (S. 526). Trotzdem überträgt er die aus den isolirten Beob- achtungen gebildeten Vorstellungen auf die übrigen Thiere und den Menschen. Was Stieda von dem letztern für seine Lehre anführt, erklärt sich leicht aus der Schalthaarbildung. Daher muss ich seine Beobachtungen und Schlüsse in Betreff des Menschen ais unrichtig bezeichnen und zweifle, dass die von ihm untersuchten Thiere eine Ausnahme machen werden. Langer hat die richtigste Methode befolgt und daher auch Resultate erzielt, welche der Wahrheit am nächsten kommen. Er untersuchte den periodischen Haarwechsel und was er von der Kolbenbildung der Winterhaare und den darauf folgenden Secundärhaaren erzählt, ist durchaus begründet. Nament- lich ist er der einzige Forscher, welcher die Bildung des Haares durch Aufwachsen von der Papille beschrieb (a.a.O. S.5), während die Andern es durch locale Umbildung entstehen lassen (vgl. den ersten Abschnitt). Langer nimmt nun aber offenbar an, dass die geschilderten Vorgänge sich in ununterbrochenem Wechsel wieder- holen. Dass die Härung im Herbste auf durchaus andern Verhält- nissen des Haarwuchses beruht, als im Frühling, hat er nicht er- kannt und ferner vom periodischen Haarwechsel auf denjenigen des Menschen geschlossen. Ich bemerke hier noch, dass Langer (sowie Kölliker und Stieda) bei seinen Schlüssen ausser Acht gelassen Zur Morphologie der Haare. 313 hat, dass, wenn eine Papille bei jeder Neubildung eines Haares in die Tiefe rückt, sie schon bei der dritten und vierten Generation in den subeutanen Theilen stecken müsste. Wenn z. B. beim Reh (vgl. weiter oben) die Haarbälge des Sommers diejenigen vom Winter um 0,6 Mll. übertreffen, so erscheint die unbegrenzte Fortdauer des Haarnachwuchses im alten Balge selbst für die Hypothese unmög- lich. — Dasselbe, was Langer beim periodischen Haarwechsel fand, will Kölliker beim Menschen beobachtet haben. Aber beim Men- schen fehlt gerade der bei den Thieren leicht nachweisbare Grund eines zeitweiligen Stillstandes in der Production der Papillen, näm- lich der Einfluss des Witterungswechsels auf den Haarwuchs, und abgesehen vom Mangel anderer zwingender Gründe für die Annahme jenes Stillstandes im Allgemeinen bleiben dagegen die Bedenken gegen die Möglichkeit einer wiederholten Neubildung von Haaren auf derselben Papillee Ferner verdient der Umstand Berücksichti- . gung, dass ich beim Menschen die Kolbenbildung nur nach einer vollständigen Abhebung des Haarknopfes von der Papille und unter Ablösung der äussern Scheide vom Balge eintreten sah, also offen- bare Zeichen der Atrophie, wie sie beim blossen Stillstande der Bildungsthätigkeit der Papillen nicht wahrgenommen werden. Wenn Kölliker »als das primum movens des Absterbens und Herauf- rückens des alten Haares die Entstehung der geschilderten Fort- sätze der Haarzwiebeln und äussern Wurzelscheiden im Grunde der Bälge« betrachtet (Gewebelehre 1863. S. 161), eine Kolbenbildung unter andern Umständen aber nicht kennt, so glaube ich die nach- weisbare Schalthaarbildung zur Erklärung der obigen Mittheilungen anziehen zu dürfen. Mögen hier und da unter besondern Umständen, z. B. durch die neuen Einflüsse auf den Organismus in Folge der Geburt und dergl. ausnahmsweise zwei Haare nach einander auf der- selben Papille gebildet werden, so muss ich doch nach allen meinen Erfahrungen jene Köllikersche Auffassung bestreiten und als Regel - festhalten, dass das menschliche Haar von der Öberhaut erneut wird, sei’s durch primäre oder durch Schalthaarbildung mit nach- folgenden Secundärhaaren. Denn daneben konnte ich die Anwesen- heit eines Haarnachwuchses, wie ich ihn bei wilden Thieren fand, nicht nachweisen; die blosse Annahme derselben wäre aber unter den vorliegenden Umständen durchaus überflüssig. — In Betreff Wertheim’s schliesse ich mich der abweisenden Kritik Stieda’s an, kann aber natürlicherweise dem Letzteren nicht beistimmen, 314 A. Goette: wenn er Wertheim’s Angabe von jungen Härchen, welche selbstän- dig in einem Haarsacke entstehen (offenbar Secundärhaare), den andern Irrthümern Wertheim’s gleich zu achten scheint (Wert- heim a. a. O0. 8. 313; Stieda a. a. O0. S. 539). Wenn ich im Voranstehenden die Ergebnisse der anatomischen Beschreibung zusammenfasste, so versuche ich jetzt aus denselben die Gesichtspuncte abzuleiten, welche ein Urtheil über den a logischen Werth der Horngebilde herbeiführen sollen. Beim Menschen und wahrscheinlich bei allen Haarthieren giebt es zwei durch ihre Entwicklung und während des Wachs- thums auch durch ihre Form unterschiedene Arten von Haaren: Die allgemein bekannten, mit einem Haarknopfe und einer innern Scheide versehenen und die unabhängig von einer Papille wachsenden, stets kolbig endigenden und scheidenlosen, welche letz- teren früher mit der rückschreitenden Metamorphose der ersteren identifieirt wurden. Die Bildungsgesetze jeder Art sind, unabhängig von Species, Alter u. s. w., überall im Wesentlichen dieselben und können daher ohne Rücksicht auf die Abweichungen von geringerer Bedeutung betrachtet werden. Die offenbar vollkommeneren Papillenhaare entwickeln sich am Grunde von ÖOberhautfortsätzen über den Lederhautpapillen der- selben; die papillenlosen Haare (Schalthaare) besitzen keine ihnen eigenthümliche Anlagen, sondern entstehen im obern Theile jener Fortsätze, aber nur unter gewissen Umständen, indem dort ebenso gut eine Fettbildung auftreten kann, welche die Haarbildung an der- selben Stelle auszuschliessen scheint. Da diese Bildungen (Fett oder Schalthaare) stets den Papillenhaaren vorangehen und an dem gleichen Orte entstehen, so können sie in Rücksicht auf die ganze Haaranlage als Analoga gelten; je nachdem sie aber gegenüber dem folgenden Papillenhaare bedeutungslos (vergängliches Fett) oder demselben gleichartig (Schalthaare) erscheinen, unterscheide ich die Papillenhaare als primäre und secundäre, welche aber sonst durch- aus übereinstimmen. Die charakteristischen Züge dieser Uebereinstimmung im Ent- stehen und Wachsen verdienen um so mehr eine kurze Wieder- holung, weil dadurch die Sonderstellung der Schalthaare klar her- vortritt. Die durch Lederhautpapillen hervorgerufenen Fortsätze der Oberhaut sondern sich in zwei Abschnitte: der obere breitere kommt für die Primär- und Secundärhaare nicht in Betracht, der untere Zur Morphologie der Haare. 315 allein ist die Bildungsstätte derselben. So lange die Papille unver- ändert bleibt, behält auch der mit ihr verbundene Anhang der Haar- anlage seinen frühern, der Oberhaut entsprechenden Bau; mit dem Erscheinen der Gefässe in der Papille entsteht daselbst ein Ueber- fluss von Ernährungsstoff, welcher in eine Zellenbildung rund um die Papille umgesetzt wird. Am Umfange der Papille steigt diese Wucherung bogenförmig nach oben, breitet sich aber auch nach unten aus, so dass das Ende des Anhangs von ihr erfüllt die noch freie Hälfte der Papille bis zu ihrer schmächtigeren Basis umwächst. Vom Gipfel der Papille wachsen die neuen Zellen in gerader Rich- tung aufwärts und strecken sich dabei in die Länge; an diese Axe schliessen sich die peripherischen Zellenlagen,, welche aber offenbar langsamer in die Höhe steigen, denn der unten breite Kegel der Wucherung zieht sich immer je länger desto schmäler aus. Dass er wenigstens nach der Umwachsung der Papille nur von ihrer Oberfläche aus wächst, beweisen die Fälle (Schwein, Reh), wo ich die aus einer Lage plattgedrückter Zellen bestehende tiefste Partie der äussern Scheide in deutlichster Abgrenzung gegen die innere bis zur Papille verfolgen konnte (Figg. 27. 31). So scheinen mir,die nächsten Ursachen der Haarbildung nicht sehr versteckt zu liegen: so lange sich kein neuer Einfluss auf die Haaranlage bemerkbar macht, behält sie den früheren Bau, sobald ein beschränkter Theil ihrer Peripherie einem kräftigeren Stoffan- drange unterliegt, entsteht daselbst ein neues Gebilde Da der Druck seines schnellen Wachsthuns auf die alten relativ passiven Theile wirkt, so werden dieselben je nach den Umständen atrophiren (am Ende des Anhangs) oder auseinandergedrängt werden, so dass die Sonderung des Neuen vom Alten zunächst nicht durch unerklär- liche Difterenzirung, sondern durch mechanische Verhältnisse, wozu auch der spirale Verlauf des Wachsthums gehört, bedingt wird. — Aehnliche Resultate finde ich bei der Untersuchung, wie die Axe der Neubildung (Schaft) von ihrer peripherischen Hülle (innere Scheide) sich sondere. Dass die Papillenspitze eine grössere Bil- dungsthätigkeit besitze, als die tieferen Theile, ist schon vor der Bildung des Kegels dadurch angedeutet, dass bei einer Pigmentab- sonderung auf der Papille (Neger, Kalb) die ersten in die Höhe aufsteigenden Zellen und später die dichtere Axe des Pigment- stranges von der Papillenspitze stammen'). In derselben Weise 1) Wollte man aber einwenden, dass sie nur von den Seiten zur Spitze 316 A. Goette: zeichnet sich die letztere bei der Bildung des Kegels aus: Die Axen- zellen der Neubildung steigen offenbar am schnellsten in die Höhe, bald wird auch ihr Ursprung markirt durch den hellen Streifen über der Papillenspitze, endlich lässt der schon verhornte Schaft an der überwiegenden Zellenbildung dieses Theils der Matrix nicht mehr zweifeln, indem seine Spitze bald aus der innern Scheide vor- ragt (Schwein), bald sich in derselben zusammenkrümmt. Dass dieses letztere aber nicht schon im ersten Anfange der Sonderung ge- schieht, findet seine Erklärung darin, dass die vordersten Axenzellen noch zu spärlich sind, um sich im Widerstande gegen die Umgebung zu consolidiren. Erst dem stärkeren Nachschub gelingt es, durch die mechanischen Momente des schnelleren spiralen Wachsthums innerhalb der trägeren Scheide sich als Schaft auszusondern. — Die ganze Neubildung erreicht ihre fortschreitende Vollendung in der Verhornung, welche von oben abwärts vordringt. So lange’ der- selben von unten her stets neuer Stoff geboten wird, d. h. so lange das Haar fortwächst, kann es auch nicht bis ans Ende verhornen; sobald die Ernährung aufhört, dringt die Verhornungsgrenze bis zum Haarknopfe, dieser löst sich von der atrophischen Papille und wird zum durchweg verhornten Kolben. Die Entwicklung des Schalthaares kann sehr kurz zusammenge- fasst werden. Indem ein beschränkter Theil der Haaranlage stärker ernährt wird, sich aufbläht, wachsen seine Rindenzellen nicht in all- mäliger Umwandlung zu den runden Elementen der übrigen Schleim- schichte aus, sondern offenbar rascher und daher in ihrer ursprüng- lichen länglichen Gestalt in die Axe des Fortsatzes bogenförmig hinauf. Die Sonderung dieser faserigen Zellen zu einem verhornenden Strange und endlich zum cylindrischen Schafte geht so vor sich, wie es beim Papillenhaar beschrieben wurde, also durch mechanische Momente unterstützt. Verfolgt man die Verhornung, wie sie abwärts dringt und im Kolben durch die ihr ununterbrochen von der Cutis her entgegenwachsenden Zellen "ihre Grenze findet, so muss man gestehen, dass der Unterschied zwischen der Oberhaut und ihrem mit einem Schalthaare versehenen Fortsatze auf die ungleichmässige Ernährung der Cutis am letztern redueirt wird. Denn die Form zusammengeschoben würden, so wäre die nachweisbare Zellenbildung an der letztern überhaupt in Frage gestellt. Ausserdem ist die Pigmentkappe oft wirklich nur auf die Spitze beschränkt und breitet sich erst später mit dem Haarknopfe aus. vw Zur Morphologie der Haare. 317 des Oberhautfortsatzes und die Lagerung seiner Zellen können gar nicht in Betracht kommen, da zwischen den Hautpapillen dieselben Verhältnisse ohne besondere Folgen anzutreffen sind. — Während jene local beschleunigte Ernährung bei der Bildung des Schalthaares in derselben Art, wie sie anfıng, unverändert bestehen bleibt, so ist eine bestimmte Modification einer solchen local gesteigerten Ernäh- rung der Grund zur Entwicklung des Papillenhaares mit seiner Scheide. Der Haarknopf mit der ganzen weichen Wurzel ist näm- lich offenbar dem Keimblatte gleichwerthig, und die innere Scheide tritt als in der Ernährung der Matrix begründete Zwischenstufe der Wachsthumsenergie zwischen das Haar und die ursprüngliche Haar- anlage, so dass die wechselnden Durchschnitte der Papille gleichsam das Maass der Abstufung offenbaren. Also beruht jene Modification der einfachen Steigerung der Ernährung lediglich in einer Abstu- fung derselben und einer mechanisch erfolgenden Abgrenzung dieser Stufen. Bezüglich der Form der Haarschäfte sei noch bemerkt, dass sie im Allgemeinen der Haaranlage nachgebildet, also cylindrisch ist; die Abplattung der Haare hat ihren Grund in der ähnlichen Form der Haarwurzel, welche von der Umgebung gekrümmt und zusammengedrückt wird (Fig. 25). Dass die Kräuselung, deren Ent- stehung schon besprochen ist, davon nicht unberührt bleibt, ist klar. Aber ein bestimmtes Verhältniss zwischen Abplattung und Kräuse- lung der Haare findet nicht statt; die plattesten von mir unter- suchten Haare (Breite und Dicke = 2:1) stammten aus einem sehr wenig gekräuselten Barte, hatten aber durchgängig platte haken- förmige Wurzelenden, während die kürzeste und längste Queraxe in den höchst fein gekräuselten Wollhaaren eines Rembouillet-Bockes sich zu einander verhielten wie 5:7. Aus allen diesen Ergebnissen glaube ich folgende Schlüsse ziehen zu dürfen. Die Haare sind keine anatomischen Individuen, auch nicht Producte der Oberhaut, sondern nur besondere Theile derselben. Diese Besonderheit wird zunächst begründet durch lo- cale Steigerungen der Ernährung der Cutis (Papille, Haarbalg) ; unter den weitern Bedingungen zur Haarbildung sind die mechanischen Momente obenan zu stellen, welche aus der localen Zellenwucherung den eylindrischen Schaft formen. Auf diese Weise erscheint die Haar- anlage oder äussere Scheide als blosse Einstülpung der Oberhaut, deren Wachsthum von den Seiten aus eine bogenförmige, vom Grunde 318 A. Goette: -aus eine gerade Richtung hat und daher bei localer Beschleunigung dort ein Haar mit zerfaserter, hier eines mit knopfförmiger Wurzel erzeugt. Mit der Richtung des Wachsthums stimmt die histiolo- gische Sonderung der betreffenden Oberhauttheile überein; daher erscheint die innere Scheide, auch abgesehen von der Genese, dem Haarschafte verwandter, als der äussern Scheide. Wenn nun die besondere Gestalt der Hornbildung in den Haaren zumeist aus einer Anpassung in äussere Umstände hervor- geht, so stehen andererseits die eigentlichen Ursachen der Haarbil- dung, die localen Einflüsse der Cutis, in so innigem Zusammenhange mit dem Stoffwechsel, dass die geringsten, von äusseren oder inneren Ursachen herrührenden Schwankungen und Veränderungen desselben den Haarwuchs wesentlich modificiren können. Die bekannten Er- fahrungen darüber gestatten die Auffassung, dass die Haare in ähn- licher Weise wie das Fett casuelle Producte des Körpers seien. Dieser Vergleich gewinnt noch eine gewisse Bedeutung dadurch, dass in den Haaranlagen Fett und Haare unter gewissen Umständen ein- ander zu vertreten scheinen. Erklärlich ist zunächst, dass die eine Bildung die atadre aus- schliesst, indem sie ihr Raum und Stoff entzieht. Die Fettbildung beginnt aber auf einer jüngeren Entwicklungsstufe als die Bildung des Schalthaares; denn die halbkugeligen Auswüchse der Haaran- lage an der Grenze ihrer beiden Abschnitte und die Hauttrichter sind niemals beim ersten Erscheinen des Fettes, wohl aber im ersten Beginne der Schalthaarbildung zu sehen (Figg. 6, 26, 19, 34 u. S. W.). Jene Auswüchse werden bei der primären Haarbildung zu vergäng- lichen oder bleibenden Talgdrüsen; wenn sie bei der Schalthaarbil- dung überhaupt angetroffen werden, so ist ein Fortgang ihrer Ent- wicklung doch nicht constant (Fig. 20). Der aufzuklärende Punet betrifft also die Ursachen, welche jene Fettbildung unterdrücken und dadurch die Entstehung von Schalthaaren ermöglichen. — Von hier- auf bezüglichen Thatsachen kann ich folgende anführen. Einmal bilden die embryonalen Haaranlagen durchweg nur Primärhaare, denen vielleicht ausnahmslos eine Fettbildung vorausgeht!). In spä- 1) Nur bei Kaninchenembryonen vermisste ich das Fett in den Fort- sätzen; nachgewiesen ist dasselbe in den Embryonen des Rindes (Heusinger, Meckel’s deutsches Archiv 1822. S. 561), des Schweines (Simon, a. a. O.), des Schafes (ich). Ferner wird diese Regel durch den von mir gelieferten Zur Morphologie der Haare. 319 terer Zeit, wahrscheinlich bald nach der Geburt, tritt die Schalt- haarbildung dazu. Hier ist also die Entwicklungsstufe des ganzen Thieres bestimmend. Dabei treten aber auch je nach den Körper- theilen Unterschiede ein, so dass gewisse Regionen (Wimpern, Spür- haare) durchweg Schalthaare, andere gemischtes Haar zeigen. End- lieh wirkt die Lebensweise bestimmend, indem die wilden und die gezüchteten Arten gewisser Thiergeschlechter sich in Betreff ihres Haarkleides durchaus abweichend verhalten. Die wilden Schafe und die Wildschweine z. B. hären periodisch und besitzen dabei einen vergänglichen Winterflaum (vgl. Nathusiusa.a. 0. S. 62—66 und Darwin, das Variiren der Thiere und Pflanzen, übersetzt von V. Carus, S. 97, 123-—124); nach der Analogie und einzelnen Beob- achtungen !) zu schliessen, dürfte jener Haarwechsel in der bekann- ten Weise vor sich gehen, der Flaum also aus Schalthaaren bestehen.- Das zur Wollproduction gezüchtete Schaf und das fettreiche Haus- schwein tragen aber am Rumpfe nur Primärhaare; also ist an Stelle des immerhin mannigfaltigen Details des periodischen Haarwechsels die einfachste Art der Haarbildung getreten. Hierher gehört auch eine von Heusinger mitgetheilte interessante Notiz (a. a. O.), dass castrirte Böcke mehr Fett, aber viel weniger Flaum bildeten, nicht castrirte umgekehrt; woran sich alle Erfahrungen über die Steige- rung der Fettproduction und Verfeinerung des Haarwuchses in ca- strirten Geschöpfen überhaupt anschliessen lassen könnten. Schon aus diesen noch unvollständigen Mittheilungen geht her- vor, dass die Bildungsthätigkeit der Oberhaut keine specifische ist, sondern unter gewissen Verhältnissen (welche keinesfalls patholo- gische zu nennen sind) wesentlich abgeändert werden kann, ohne dass diese Veränderung auf den Organismus anders zurückwirkt, als durch die physikalischen Verhältnisse der darauf folgenden dich- tern oder schwächern Behaarung. Gestützt auf diese Erfahrungen, möchte ich zum Schlusse noch den Versuch wagen, die praktisch erzielten Resultate der Wollzucht wis- Nachweis des ausnahmslosen Vorkommens von Fett bei der primären Haar- bildung erwachsener Geschöpfe wesentlich unterstützt. 1) Nathusius erwähnt a. a. O., dass der Flaum stets kolbige, das Ober- haar weiche Wurzelenden habe. Nach Darwin erhält das wilde nordame- rikanische Bergschaf zum Sommer statt des wolligen Winterkleides ein Haar, ähnlich dem des Elenns. 320 A. Goette: senschaftlich zu erläutern. Da die Bedeutung der Wolle im Stapelbau beruht (Nathusius a.a. 0. S.86), dieser aber von der charakteristi- schen Kräuselung abhängt (ebendas. S. 91), welche nur bei einer ge- wissen Feinheit der Haare möglich ist, so erscheint es auf den ersten Blick natürlich, dass der einer Wolle am nächsten stehende Theil der Behaarung wilder Schafe, der Flaum, auch der unter Ausmerzung der andern stärkeren Haare zu züchtende sein müsse. — Aber der Flaum oder das Unterhaar besteht bei einigen Thieren nachweislich (Reh, Rind, Hase, Kaninchen), bei andern in Folge dessen höchst wahrscheinlich aus Schalthaaren, wie es schon namentlich von Schweinen und Schafen bemerkt wurde. Einmal neigen aber die Schalthaare wenig zu jener Kräuselung und bedingen ferner die Se- cundärhaare, welche unter allen Haaren gerade die stärksten sind. Danach müsste gerade der Flaum ausgerottet, folglich Fettbildung befördert werden. Mit dieser Forderung stimmen nun die durch die Wollzucht hervorgebrachten anatomischen Verhältnisse des Haar- wuchses überein: Das Hausschaf erzeugt viel Fett in der Haut und (daher Primärhaare. Worin das Wesen einer solchen Zucht bestehen müsse, deutet uns die Thatsache der durch Castration bewirkten Um- stimmung der Hautthätigkeit an. Somit scheint auch hier, wo des Menschen kunstreiche Hand die Natur zu seinen Zwecken ausbeutet und zwingt, sein Vortheil mit der Schwächung der natürlichen Be- schatfenheit Hand in Hand zu gehen. » © pP wm DD D > m _o© 28 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX und XX. . Erste Entwicklungsstufe einer Haaranlage in der Nähe des Auges (Schafsembryo). . Etwas vorgerücktere Haaranlage vom Kaninchenembryo. . Dsgl. vom Schafsembryo. 5. Die darauf folgenden Stufen (Kan.). . 7. Die Entwicklung des Fettes in den Haaranlagen des Schafs- embryo. . Die an der Papille beginnende Neubildung: Anlage des Schaftes und der Scheide (Kan.). . Oberhautfortsatz mit einer solchen kegelförmig ausgewachsenen Anlage (Kan.). . Dsgl. vom Schafsembryo. . 12. Die letzten Entwicklungsstadien: Sonderung des Schaftes, der Scheiden, Bildung des Haarkuopfes u. s. w. (Kan.). . Die Bildung des Haarknopfes. . Die Haarspitze im Hautwulste vor dem Durchbruche (Schafs- embryo). . Jüngste Haaranlage vom Augenlide eines erwachsenen Menschen. . Junge Haaranlage aus dem Gesichte eines erwachsenen Menschen. . Dsgl. mit beginnender Fettbildung. . 19. Bildung des Schalthaares beim Menschen. . 21. Entwicklung des menschlichen Secundärhaares. . Querdurchschnitt einer jungen Haaranlage vom Kaninchenembryo. . Die Papillenverlängerung in einem starken Secundärhaare des Menschen. . In Folge von Favus aufgewundenes menschliches Haar. . Hackenförmig gekrümmtes Wurzelende eines menschlichen Bart- haares; Papillenverlängerung. . Junge Haaranlage mit Fettbildung aus dem Gesichte des er- erwachsenen Kaninchens. . Haaranlage vom Schweine mit Fett und den Anlagen des Pri- märhaares. . Haaranlage vom Schafe mit der Fettbildung. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 21 . 29. 30. 31. 32. 33. 54. 35. 36. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 46. 47. 50. 51. 55. 57. 58. 59. A. Goette: Zur Morphologie der Haare. Kolben eines Schalthaares und junges Secundärhaar vom Ohre des Kalbes. Der Ursprung des Markes im Secundärhaare des Kaninchens (Schnauze). Beginn des Secundärhaares (Kegel) im Augenlide des Kalbes. Wurzel eines Secundärhaares vom Fusse des Schafes. Wurzel einer Schweinsborste. Junge Haaranlage vom Schweine. Primärhaar des Menschen (Gesicht). 37. Entwicklung der Schalthaare beim Reh (Winterflaum). Junges Papillenhaar vom Reh, welches im Winter zum Ober- haar wird. Der Kegel eines Primärhaares vom Augenlide des Kaninchens. Schrumpfende Wurzel des Sommerhaares vom Reh. Junges Primärhaar des Schafes (Wollhaar). Junge Schweinsborste. Fettbildung in einer Haaranlage am Augenlide des Kaninchen». 45. Bildung des Secundärhaares unter dem Schalthaare in der Augenbraune des Negers. Gewundene Haarwurzel vom Schafe. 48. 49. Die Ablösung der Haare von der Papille und Verwand- lung des Haarknopfes in einen Kolben (Neger). Weiche Wurzel eines bräunlichen Haares vom Menschen. 52. 53. 54. Die verschiedenen Arten des Ausfallens der Sommer- haare beim Reh. 56. Ablösung von der Papille aus Kolberbildung des Karinchen- haares (Gesicht). ; Ablösung eines winterlichen Oberhaares (Reh). Kolbenbildung eines Haares vom Fusse des Schafes. Der in der Haut zurückgebliebene, geschrumpfte Rest eines Wollhaares vom Schafe. Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. Von Dr. E, Neumann, a. o. Prof. d. pathol. Anatomie zu Königsberg i. Pr. Eine Reihe von Experimenten, in welchen ich bei Kaninchen theils einfache Incisionen der Muskeln (Gastrocnemius und Tibialis anticus) machte, theils Muskelstücke exeidirte und die Untersuchung der verletzten Muskeln alsdann in verschiedenen Zeiträumen nach der Operation (vom 1. bis zum 75. Tage) vornahm, hat mir das Resul- tat ergeben, dass der Heilungsvorgang bei Muskelwunden im We- sentlichen in einem allmählig erfolgenden Hineinwachsen der durch- schnittenen Muskelfasern in das Narbengewebe hinein und durch dasselbe hindurch besteht, so dass schliesslich die von beiden Seiten hier vorgeschobenen Enden der Fasern ineinander greifen, wie die Zacken einer Knochennaht oder wie die ineinander geschobenen Finger zweier Hände. Da dieses Resultat mit den Angaben mehrerer anderer Forscher, die sich in neuerer Zeit mit demselben Gegen- stande beschäftigt haben, namentlich mit denen C. ©. Weber’s!) und Waldeyer’s?), die eine nach dem Typus der embryonalen Ent- 1) C. ©. Weber, Centralblatt für d. medic. Wissensch. 1863. No. 31. — Virchow’s Archiv Bd. XXXIV. Heft 2. 2) Waldeyer, Virchow’s Archiv Bd. XXXIV. Heft 4 — Auf die neueste hieher gehörige, aus Recklinghausen’s Laboratorium hervorge- 324 E. Neumann: wicklung vor sich gehende Neubildung von Muskelfasern aus neu auftretenden zelligen Elementen innerhalb der Narbe annehmen, im Widerspruche steht, ‚so gebe ich hier eine kurze Darstellung des von mir Beobachteten. Dass im Verlaufe der Heilung von Muskelwunden mit oder ohne Substanzverlust eine Neubildung von Muskelsubstanz stattfin- det, darüber kann, wir scheint, schon eine genauere Verfogung des | makroskopischen Verhaltens verletzter Muskeln kaum einen Zweifel bestehen lassen. Weber hat darauf aufmerksam gemacht, dass im Umfange alter verheilter complieirter Knochenfracturen die Musku- latur in der Regel, trotz der hier stattgehabten Zerreissungen, ein völlig intaktes, glattes Aussehen hat. Maslowsky beobachtete, dass subeutane Muskelwunden nach 30 Tagen keine sichtbare Spur hinterliessen und ich selbst habe bei meinen Experimenten, wo die Muskeln mit der bedeckenden Haut incidirt wurden, gefunden, dass, nachdem das an der Stelle der Verletzung entstandene Granulations- gewebe sich zu einem festen Bindegewebe condensirt hatte zunächst zwar eine narbige Einziehung im Muskel bestand, dass diese allmäh- lig jedoch immer mehr verstrich und in den spätesten Terminen ganz unkenntlich wurde. Die alte Ansicht, wonach die Narbenbil- dung im Muskel auf einer einfachen Bindegewebsproduktion beruhe, eine Ansicht, die noch neuerdings an einem so gewiegten Beobachter, wie Billroth!), einen Vertreter findet, bedarf hiernach zu ihrer Widerlegung kaum der mikroskopischen Untersuchung und die Frage, gangene (vorläufige) Mittheilung Maslowsky’s (Wiener Medicin. Wochen- schrift 1868. No. 12) will ich im Folgenden nicht näher eingehen, da die aphoristische Kürze derselben noch kein Urtheil gestattet. Erwähnt sei nur, dass Maslowsky mit Weber und Waldeyer darin übereinstimmt, dass er, wie diese, eine Entwicklung von Muskelfasern aus zelligen Elementen in Muskelwunden beobachtet haben will, letztere jedoch nicht als Abkömmlinge der Zellen des Perimysium oder der Muskelkerne, sondern vielmehr als aus- getretene farblose Blutzellen betrachtet. Zwei ältere Arbeiten, die gleichfalls die Muskelregeneration nach Traumen behandeln, nämlich die von Deiters (Archiv f. Anat. u. Physiol. 1861.) und Peremeschko (Virchow’s Archiv Bd. XXVII. Heft 1) können hier auch nicht weiter in Betracht kommen, da sich die Untersuchungen des Ersteren nur auf verletzte Froschlarvenschwänze beziehen, die des Letzteren aber, wie bereits von anderer Seite hervorgehoben worden, keinen Anspruch auf Vertrauen machen köunen. 1) Billroth, Allgem. chirurgische Pathol. u. Therapie. 2. Aufl. p. 113. ‚Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. 325 die wir an diese zu richten haben, wird nicht die sein, ob, sondern wie die Reproduction des Muskelgewebes erfolgt. Die für die Beantwortung dieser Frage wichtigsten Aufschlüsse giebt die Betrachtung der an den durchschnittenen Muskelprimitiv- bündeln selbst zu beobachtenden Veränderungen. Die unmittelbare Wirkung des Schnittes äussert sich in einer faltigen Zusammenschie- bung des vermöge seiner Elastieität sich retrahirenden Sarcolemms. Es entstehen dadurch vielfache ringförmige Einschnürungen, öfter in gewissen regelmässigen Abständen, und die Fasern nehmen eine variköse Form an. Damit verbindet sich ein Hervorquellen der con- tractilen Substanz aus den Schnittenden und, wie es scheint, meistens auch eine völlige Ablösung einzelner Theile derselben, die man später als zerstreute, die Spuren des Zerfalls an sich tragende Schollen inmitten der Granulationsgewebe findet!) Auch eine Zer- klüftung der contractilen Substanz der Muskelfasern ist öfter bald nach der Verletzung zu beobachten und dieselbe kann in ihren höheren Graden vollständig das Bild der sog. »wachsartigen Degeneration« darbieten, wie auch Weber und Waldeyer angegeben haben. An diese direkten Folgen des mechanischen Eingriffs schliesst sich zunächst eine Necrose der Schnittenden der Muskelfasern an, es tritt eine dunkelkörnige Infiltration derselben ein, die alsbald zu einem vollständigen molekulären Auseinanderfallen, einer Abstossung derselben führt. Die Ausdehnung, in der diese Necrose erfolgt, hängt offenbar von den mehr oder weniger günstigen Bedingungen der Wundheilung ab und sie dürfte wohl unter Umständen auf ein Minimum sich redueciren. Erst mit dem dritten, vierten Tage scheint eine vitale Reaction in den Muskelfasern rege zu werden, dieselbe beginnt mit der viel- fach beschriebenen Kernwucherung. Man sieht anfänglich kleine Grup- pen von zwei, drei dicht aneinander gelagerten Muskelkernen auftre- ten, später bilden sie grössere lineare Reihen oder unregelmässige Haufen, in den am meisten ausgebildeten Fällen sind schliesslich die Faserenden »wie vollgepfropft« mit den Kernen, die übrigens auch an Grösse zunehmen. Wenn Weber (bei Kaninchen) und Waldeyer (bei Fröschen) beobachtet haben, dass die gewucherten 1) Vgl. Thiersch, über die feineren Vorgänge bei der Wundheilung in dem Handb. d. allgem. u. speciellen Chirurgie, herausgeg. von Pitha und Billroth. 326 E. Neumann: Muskelkerne sich mit einem deutlichen Protoplasmahofe umgeben und auf diese Weise innerhalb der Primitivbündel zellige Elemente (»Muskelzellen«) entstehen, so kann ich ihnen nach meinen Beobach- tungen nicht beipflichten und ich stimme in dieser Beziehung mit Maslowsky überein, der zwar bei intensiven Eiterungsprocessen öfter in den Muskelfasern Eiterzellen sah, die von dem Perimysium aus in dieselben eingedrungen waren, nicht aber Zellen, die von den Muskelkernen abzuleiten gewesen wären. Ich habe übrigens bereits an einem anderen Orte!) darauf hingewiesen, dass die Beschreibungen, die Weber und Waldeyer von ihren »Muskelzellen« geben, in hohem Grade von einander abweichen, indem Ersterer dieselben als zierliche spindelförmige Zellen mit quergestreiftem Protoplasma, Letzter als rundlich-eckige Zellen mit dunkelgekörntem oder auch homogenem Protoplasma schildert, und dass demnach den Beschrei- bungen Beider Gebilde von ganz verschiedener Bedeutung zu Grunde liegen. Während ick Weber’s »Muskelzellen« als keine wirklichen Zellen anerkennen kann und in ihnen vielmehr einfache Muskelkerne erblicke, die sich in Verbindung mit kleinen Theilen der contractilen quergestreiften Substanz von den alten Fasern abgelöst haben, glaube ich, dass es sich bei Waldeyer’s Beobachtungen um jene ausnahmsweisen Fälle handelt, wo, wie es Maslowsky sah, Zel- len von aussen her in die Muskelfasern hineingelangt waren. 1 Ungefähr am 5. bis 7. Tage nach der Verletzung, also kurze Zeit nach eingetretener Kernwucherung, zeigt sich an den Muskel- fasern eine Veränderung, die, obwohl sie meinen Beobachtungen zu Folge die wesentlichste Rolle bei dem Regenerationsprocesse spielt, von den bisherigen Untersuchern fast vollständig übersehen ist. Ich möchte dieselbe ais Knospenbildung bezeichnen. Die einzigen Angaben, die ich auf diesen Vorgang beziehen zu müssen glaube, finde ich bei Billroth und Weber. Billroth?) fand bei der Unter- suchung von Muskelwunden in dem oben genannten Zeitraume die Faserenden theils kolbig angeschwollen, theils zugespitzt, scheint aber anzunehmen, dass es sich hier nur um einfache Formverände- rungen von Abschnitten der alten Fasern handelt. Weber (l. cc. p. 236) erwähnt beiläufig, dass sich »zuweilen aus dem abgerissenen Ende 1) E. Neumann, über die von Zenker beschriebenen Veränderungen der willkürlichen Muskeln bei Typhusleiden. Archiv d. Heilkunde 1868. Heft 4. 2) Billroth, Beiträge zur pathol. Histiologie p. 46. u Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. 327 eines Bündels innerhalb des conisch zulaufenden Sarcolemmaschlauches oder vor dasselbe hervortretend, ein schmaler, blasser, fein quer- gestreifter Streifen contractilen Protoplasmas vorschiebt, den man als neugebildet ansehen muss, da er von der alten quergestreiften Substanz sich deutlich abgrenzt.« Eine gute Darstellung dieses Ver- haltens giebt Taf. IV. Fig. 6b und 4c. Die Constanz und die Be- deutung desselben ist jedoch Weber entgangen. Um sich in die hier in Betracht kommenden Bildungen eine Ein- sicht zu verschaffen, bedarfes einer sorgfältigen Isolirung der Faser- enden aus dem inzwischen gebildeten Granulations- oder Narbengewebe. Die besten Dienste leistete mir einfaches mechanisches Zerzupfen der Muskeln, nachdem sie 24 bis 48 Stunden in dünnen Chromsäurelö- sungen gelegen hatten, doch führen auch die bekannten chemischen Isolirungsmittel (Kalilauge, Salzsäure, chlorsaures Kali und Salpeter- säure) zum Ziele. Man findet auf diese Weise, dass die Enden der Fa- sern nunmehr gewisse, ihrem allgemeinen Charakter nach übereinstim- mende, im Einzelnen jedoch äusserst variable Formen darbieten, die in ihren Eigenthümlichkeiten den Beweis liefern, dass es sich hier nicht um veränderte Theile der alten Fasern, sondern vielmehr um neugebildete Verlängerungen,, gewissermassen um Ansatzstücke der- selben handelt. Die am häufigsten und leichtesten zur Beobachtung kommende Form ist die eines einfachen schmalen Fortsatzes, der sich gegen den alten breiten Theil der Faser mehr oder weniger .scharf abgrenzt und dessen Ende bald stumpf abgebrochen erscheint, bald kolbig verdickt, bald spitz zugeschärft ist, oder wohl auch in einen feinen fadenförmigen Anhang ausläuft. An anderen Fasern sieht man den von ihnen ausgehenden Fortsatz sich gabelförmig in zwei oder wohl auch mehrere Aeste zerspalten, die entweder unter spitzem oder nahezu rechtem Winkel auseinanderweichen. Die En- digung dieser Aeste bietet übrigens dieselben Verschiedenheiten dar, wie die der einfachen ungetheilten Fortsätze. An diese gabelför- mige Endspaltung schliessen sich drittens ohne bestimmte Grenze solche Fälle an, wo man entweder an dem alten breiten Theile der Faser oder an dem schmalen Fortsatz derselben seitlich Auswüchse sich entwickeln sieht. Dieselben sind bald nur klein und von abge- rundeter Form, bald in längere Spitzen oder Kolben ausgezogen; öfter sieht man sie an ein und derselben Faser in grösserer Zahl und alsdann ist eine gewisse Aehnlichkeit mit einem mit Knospen besetzten Zweige nicht zu verkennen. Man kann diese letzteren 328 E. Neumann: Formen den zuerst beschriebenen, einfachen oder mehrfachen terminalen Knospenbildungen als laterale Knospenbildungen gegenüberstellen. Achten wir nun näher auf die Beschaffenheit dieser in ihren, wichtigsten Formverschiedenheiten soeben geschilderten knospenar- tigen Auswüchse, so bieten sich durchgreifende Unterschiede in dem Verhalten derselben je nach ihrem Alter dar. Es lassen sich füg- lich zwei Entwicklungsperioden derselben unterscheiden und als un- getähre Grenze zwischen beiden möchte ich etwa die dritte Woche bezeichnen. Die erste Periode lässt sich als die eines irregulären, ungebundenen Wachsthums, die zweite als der Uebergang in einen stationären Zustand auffassen. In jener fällt uns zunächst ein grosser Kernreichthum auf, die Kerne erscheinen häufig in so grosser Zahl von den alten Fasertheilen aus in die Fortsätze derselben vorge- schoben, dass diese von ihnen bisweileu fast bis zur Spitze hin er- füllt sind. Die Fortsätze zeichnen sich ausserdem durch ihre platte Form und ihre sehr ungleiche, wechselnde Durchmesser aus, so dass breitere, Myeloplaxen- ähnliche Anschwellungen mit schmäleren, bandförmigen Theilen wechseln. Eine deutliche Querstreifung ihrer eontractilen Substanz ist nicht vorhanden, dieselbe erscheint vielmehr entweder ganz homogen oder feinkörnig, endlich fehlen die scharfen, das Sarcolemna verrathenden Contouren normaler Fasern, der Rand erscheint vielmehr feinzackig, sägeförmig, öfter mit feinen faden- förmigen Anhängen besetzt. Ganz anders nun ist das Verhalten der Muskelknospen in späteren Stadien. Ihr Kernreichthum hat ab-. genommen, die Kerne zeigen eine ziemlich regelmässige alternirende Anordnung, die platte Form hat sich in eine cylindrische umge- wandelt, die Querstreifung ist deutlich hervorgetreten, die Contouren eines Sarcolemms deutlich sichtbar. Füge ich noch hinzu, dass nun- mehr der Uebergang zwischen alter Faser und neugebildetem Fort- satz ein ganz unmerklicher ist und dass die Fortsätze selost gegen ihre Spitze hin gleichmässig verjüngt erscheinen, so haben wir voll- ständig das Bild, welches normale Fasern an ihrer Sehneninsertion darbieten, oder dasjenige der freien Faserenden, wie sie Rollett im Innern der Muskeln auffand. Es liest nun nahe zu vermuthen, dass die Muskelknospen, die sich von den beiden Schnittenden her entgegenwachsen , schliesslich miteinander verschmelzen, und auf diese Weise die Continuität der Fasern wiederherstellen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass eine solche Verschmelzung bisweilen eintritt, als Regel kann ich sie jedoch ri Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. 329 nicht gelten lassen. Es ist mir selbst in den Fällen, wo die Rege- neration am weitesten vorgeschritten war, nicht gelungen, Fasern zu isoliren, inmitten deren ein schmales, als neugebildet zu betrachtendes Verbindungsstück eingeschaltet gewesen wäre, und ausserdem wird ein solcher Vorgang auch dadurch unwahrscheinlich, dass die Rich- tung der Fasern durch die inzwischen eingetretene Contraction des Narbengewebes bedeutend verändert ist, so dass die ursprünglich in einer Richtung gelegenen Faserenden nunmehr in einem mehr oder weniger bedeutenden Winkel, dessen Oeffnung nach aussen gekehrt ist, aufeinander stossen. Die Faserenden werden demnach beieinander vorbeiwachsen und ineinander greifen, wenn ihr Wachsthum über- haupt so weit gedeiht, dass sie nicht für immer durch eine Binde- gewebsbrücke von einander getrennt bleiben, welcher letztere Fall nur bei bedeutenderen, mit Substanzverlust verbundenen Wunden oder bei völliger Durchschneidung eines Muskelbauches und starker Retraction der Schnittflächen vorkommen dürfte. Hier sei nnn noch eines anderen pathologischen Vorganges in den durchschnittenen Muskelfasern erwähnt. Es besteht derselbe in einer Zerspaltung einzelner derselben, welche hier ganz in der- selben Weise, wie ich es am angeführten Orte für die Typhusmus- keln dargestellt habe, dadurch zu Stande kommt, dass das wuchernde Perimysium die Fasern nach Verlust des Sarcolemma’s durchwächst und Scheidewände bildet, durch welche das früher einfache Primitiv- bündel in zwei oder mehrere, pinselartig auseinander weichende schmälere Bündel, von denen jedes für sich in eine Muskelknospe auswächst, getheilt wird. Der Nachweis für diese Veränderung lässt sich theils aus den Spaltungsformen der Fasern, die man häufig durch Isolirung erhält, führen, theils namentlich aus Querschnitten dieht oberhalb der Narbe, die in der früher geschilderten Weise den Zerfall einer einfachen breiten Muskelfaser in eine Gruppe kleinerer zeigen. Was «das Verhalten des Sarcolemma’s hierbei betrifft, so kann ich mich auch hier nur dahfh aussprechen, dass dasselbe, ehe die Zerspaltung beginnt, zu Gründe geht, indem es mit dem wu- chernden Perimysium verschmilzt und seine gesonderte Existenz auf- hört. Tritt später ein stationärer Zustand ein, so liefert, wie ich annehme, das Bindegewebe des Perimysium resp. der Narbe sowohl für die abgespaltenen Theile der alten Faser, als für die jungen Muskelknospen ein neues Sarcolemma, in dem nunmehr eine besonders differenzirte Grenzschicht desselben sich ausbildet. 330 E. Neumann: Die Veränderungen des Perimysium, welche die geschilderten Vorgänge in den Muskelfasern begleiten, bedürfen schliesslich nur einer kurzen Erwähnung. Sie beschränken sich meinen Beobach- tungen zu Folge auf die bekannten Erscheinungen der Narbenbildung in bindegewebigen Theilen: Umwandlung in ein an kleinen rund- lichen Zellen äusserst reiches Granulationsgewebe mit homogener, schleimig weicher Intercellularsubstanz, alsdann Bildung eines festeren, fibrillären Bindegewebes mit vorherrschend spindel- und sternförmigen Elementen, das zuletzt immer zellenarmer, derber und spärlicher wird. Dass in diesem Granulations- resp. Narbengewebe eine Neu- bildung von Muskelfasern aus zelligen Elementen nach Art der embryonalen Entwicklung stattfindet, davon habe ich mich in keinem Falle überzeugen können, da ich glaube, allen in demselben zu beob- achtenden musculösen Elementen die Bedeutung der soeben beschrie- benen Muskelknospen beilegen zu dürfen. Ein positiver Beweis für Letzteres lässt sich natürlich deshalb nicht geben, weil es bei den uns zu Gebote stekenden Präparationsmitteln unmöglich ist, in jedem Falle den Zusammenhang mit den alten Fasern nachzu- weisen und immer viele musculöse Elemente zur Beobachtung kom- men, von denen es zweifelhaft sein muss, ob sie durch die Präpa- ration aus ihrer Verbindung mit den alten Fasern abgelöst sind, oder,ob sie ursprünglich keinen Zusammenhang mit diesen hatten. Dennoch scheinen mir folgende Umstände auf mehr indirecte Weise für die Richtigkeit meiner Ansicht zu sprechen: 1. Ich finde, dass die musculösen Elemente neuer Bildung stets zunächst in denjenigen Theilen des Narbengewebes vorhanden sind, welche an die Schnittenden der alten Fasern anstossen, während sie in der Mitte der Narbe noch fehlen. 2. Die von mir beobachteten, nicht im Zusammenhange mit den alten Fasern befindlichen musculösen Elemente der Narbe hatten stets dieselbe Beschaffenheit, wie diejenigen, bei denen ein Zusam- menhang mit diesen vorhanden war, sie konnten daher sehr wohl als durch die Präparation abgelöst betrachtet werden. 3. Uebergangsstufen zwischen den zelligen Elementen des Narbengewebes und den musculösen Bestandtheilen desselben habe - ich nicht auffinden können. - Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. 331 Aus der gegebenen Darstellung des Regenerationsprocesses er- giebt sich leicht, in welchem Sinne ich einen Theil derjenigen Bil- dungen auffasse, welche Weber und Waldeyer als Entwicklungs- formen neuer selbständiger Muskelfasern beschrieben haben. Weber’s »zungenförmige«, »bandartige«, »ästige Elemente«, sowie seine »Ele- mente vom bekannten Aussehen der Riesenzellen oder Myeloplaxes« halte ich für Muskelknospen, die durch die Präparation von ihren Stammfasern abgerissen sind. Wie gross die Aehnlichkeit mit diesen ist, geht am besten aus Weber’s Fig. 4 hervor, wo man bei ce. und f. neben einer Muskelknospe (von Weber selbst als neugebil- deter Fortsatz einer alten Faser gedeutet) mehrere angeblich neue und selbständige, in der Entwicklung begriffene Muskelfasern sieht, die jenem Fortsatz durchaus gleichen, und wenn Weber bei Be- schreibung der Muskelnarbe in seinem Experimente III. (l. c. p. 230) sagt: »hie und da sieht es täuschend so aus, als seien die jungen Muskelfasern aus einer Spaltung (der alten) hervorgegangen«, somit also zugiebt, wie schwierig es ist, die Selbständigkeit jener zu er- weisen, so vermisst man jedenfalls in seiner Darstellung sehr eine Angabe darüber, auf welche Weise er sich vor einer Verwechslung der neuen Fasern mit den neuen Fortsätzen der alten geschützt hat. Ebenso möchte ich auch die von Waldeyer (l.c. p. 504) erwähnten »ganz schmalen langen Fasern, die deutlich quergestreift sind und in sehr feine Spitzen verlaufen« für abgelöste Muskelknospen halten, die von ihm deshalb verkannt sind, weil er den Veränderungen der Faserenden überhaupt nicht näher nachgegangen zu sein scheint. Seine Angabe, dass jene Fasern an der Spitze bisweilen mit »spindel- oder sternförmigen Zellen zusammenhängen«, lässt sich füglich auf spitze kernhaltige Ausläufer derselben ohne zellige Qualität beziehen, wie ich dergleichen auch öfter gesehen habe. Schwieriger ist es, die von dem genannten Autoren als Ausgangs- punkte für die Entwicklung neuer Fasern angenommenen »quer- gestreiften spindelförmigen Zellen« mit der von mir gegebenen Dar- stellung in Einklang zu bringen. Wären derartige, den embryonalen Bildungszellen der Muskelfasern entsprechende Zellen in der Mus- -kelnarbe mit Sicherheit constatirt, so würde allerdings die Annahme, dass sich aus diesen neue Muskelfasern neben den alten bilden, kaum abzuweisen sein. Abgesehen jedoch von meinen negativen Befunden, kann ich nicht zugeben, dass die Existenz solcher Zellen durch Weber’s und Waldeyer’s Untersuchungen sichergestellt ist. 332 E. Neumann: Ich muss zunächst hervorheben , dass die Angaben beider Autoren über diese ersten Entwicklungsstufen der neuen Fasern sehr bedeu- tend divergiren. Weber findet schon am zweiten, dritten Tage nach der Verletzung die Jungen Bildungszellen der Muskelfasern, theils innerhalb der Sarcolemnaschläuche der alten Fasern, theils zwischen ihnen im Perimysium, und zwar in Gestalt schlanker kleiner Spin- delzellen mit quergestreiftem Protoplasma. Waldeyer hat diese Weber’schen in Sturm und Drang gebornen Zellen nicht gesehen und bildet vielmehr aus einer Muskelnarbe der dritten Woche spin- delförmige Zellen ab, die er gleichfalls für die Anlagen neuer Fasern erklärt, die aber selbst jetzt noch keine Querstreifung zeigen. Hier- nach wird es kaum zweifelhaft sein, dass die Beobachtungen beider Forscher weit entfernt davon sind, sich gegenseitig zu unterstützen, obwohl Weber versichert, dass er »in vielen Punkten mit Wal- deyer völlig übereinstimmt«!). ’ Prüfen wir nun Weber’s Angaben näher, so kann ich nur die bereits oben erwähnte und am angeführten Orte näher begründete Vermuthung aufstellen, dass derselbe abgelöste, mit Theilen der quergestreiften Substanz in Verbindung gebliebene Muskelkerne der alten Fasern für »quergestreifte Zellen« genommen hat. Anders verhält es sich mit Waldeyer’s Bildungszellen der Muskelfasern, aber auch seine Angaben liefern, wie mir scheint, nicht einen voll- gültigen Beweis für seine Auffassung. Seine Beschreibung sowohl als seine Abbildungen machen es mir nämlich wahrscheinlich, dass er an den spindelförmigen Zellen, die er als Bildungszellen (der Muskelfasern betrachtet, keine Querstreifung beobachtet hat, sondern vielmehr nnr an denjenigen grösseren Bildungen, von denen er an- nimmt, dass sie durch eine Verschmelzung jener entständen. Wenn dem so ist, so muss man Waldeyer gegenüber fragen, ob nicht jene 1) Wenn Weber (p. 245) die Vermuthung ausspricht, dass die diffe- renten Zeitangaben Waldeyer’s darauf beruhen möchten, dass derselbe Beob- achtungen an Fröschen mit hineingezogen hat, so genügt dies nicht, um den Widerspruch zu lösen, denn auch diejenigen Angaben Waldeyer's, die sich auf Kaninchen und Meerschweinchen beziehen, stehen in grellem Contrast zu denen Weber’s. Man vergleiche z. B. die kleinen spindelförmigen, nicht quergestreiften Zellen, die Waleyer Taf. X. Fig. 10 und 11 aus einer Narbe der dritten Woche vom Kaninchen abbildet, mit den grossen bandförmigen, quergestreiften Elementen Weber’s auf Taf. IV Fig. 10 und 13 vom fünf- ten Tage. Ueber den Heilungsprocess nach Muskelverletzungen. 335 einfachen, nicht quergestreiften, spindelförmigen Zellen spindelförmige Bindegewebszellen, ohne alle Aussicht, jemals zu Muskelfasern zu wer- den, waren, und ob nicht die grösseren quergestreiften Bildungen, wie ich es bereits oben ausgesprochen habe, abgerissene Muskelknospen darstellten. Waldeyer giebt freilich von den spindelförmigen Zellen zum Beweise für ihre musculöse Natur an, dass sie durch concen- trirte Kalilauge und durch Kali chloricum mit Salpetersäure fast gar nicht verändert werden, während die kleinen Bindegewebszellen bedeutend zusammenschrumpfen und ihrer normalen Form gar nicht mehr ähnlich bleiben. Mich hat jedoch dieses Criterium, obwohl ich es sehr häufig versuchte, immer 'im Stiche gelassen; ich habe einen Unterschied in der Resistenz der spindelförmigen Zellen in der Narbe gegenüber den mehr rundlichen Zellen derselben nicht finden können, wohl aber einen sehr merklichen gegenüber den unzweifel- haft musculösen Theilen. — Was endlich Maslowsky’s Behaup- tung betrifft, dass sich in der Muskelnarbe aus emigrirten farblosen Blutzellen neue Fasern bilden, so wird deren nähere Begründung erst abzuwarten sein. STE? \ Ich führe zum Schlusse noch beiläufig eine Beobachtung an, die sich auf den Heilungsprocess bei Muskeln im Zustande der so- genannten paralytischen Atrophie bezieht. Bei einem Kaninchen, dem 7 Wochen zuvor der Nervus peroneus durchschnitten war, in- eidirte ich den Musc. tibialis anticus und untersuchte die Narbe 6!/; Woche später. Der Muskel zeigte sich in hohem Grade ver- dünnt, von blass gelber Farbe und schwer zu zerzupfen. Die Narbe stellte eine ziemlich breite sehnige Inscription dar, die auf eine be- deutende Hemmung des Regenerationsprocesses hinzudeuten schien. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte sich das interstitielle Bindegewebe des Muskels sehr entwickelt, von Fettzellen durchsetzt, die Fasern selbst waren schmal, ihre contractile Substanz körnig, ohne deutliche Querstreifung, die Ränder öfter wie ausgezackt und ohne die scharfen Linien des Sarcolemma, die Kerne reichlich ge- wuchert (welches Letztere unter gleichen Bedingungen neuerdings auch Erb!) beobachtet hat). Die Endigungen der Muskelfasern in der Narbe boten jedoch nichts von der oben gegebenen Beschrei- bung Abweichendes dar. 1) Erb, zur Pathologie und pathologischen Anatomie peripherischer Paralysen. Centralblatt für d. medicin. Wissenschaften 1868. No. 8. Ueber Wärmemessungen am Mikroskop, Von Dr. Th. W. Engelmann in Utrecht. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über den Einfluss höherer Wärmegrade auf die Flimmerbewegung war ich oft genöthigt, den heizbaren Objecttisch von Max Schultze zu gebrauchen. Es ergab sich dabei die Veranlassung, die Genauigkeit der Thermometer- angaben dieses Instrumentes unter verschiedenen Umständen zu prüfen. Bei dieser Prüfung ward ich auf einige Fehlerquellen auf- merksam, welche nicht nur dem Schultze’schen Instrument, son- dern allen bisher construirten heizbaren Objecttischen in mehr oder minder hohem Grade anhaiten. Da ich nicht sehe, dass in den bis- her erschienenen Untersuchungen auf diese Fehlerquellen Rücksicht genommen ist und durch mehrfache persönliche Mittheilungen weiss, dass sie vielen, die mit dem heizbaren Tisch arbeiteten, entgangen sind, halte ich es für der Mühe werth, hier auf dieselben aufmerk- sam zu machen. Diess scheint um so nothwendiger, als die Fehler in der Temperaturbestimmung, um die es sich hier handelt, keines- wegs klein sind, sondern unter Umständen 20 bis 30° C. betragen können. Ein heizbarer Tisch, der, wie der Schultze’sche, bestimmt war, die Beobachtung mikroskopischer Objecte ‚‚bei beliebigen, mess- baren, zu- und abnehmenden, so wie auch constant zu erhaltenden Temperaturgraden‘‘ zu gestatten, musste, wenn er vollkommen war, offenbar so gebaut sein, dass die am Instrument gemessene Tempe- Th. W. Engelmann: Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. 335 ratur in jedem Falle der gleichzeitigen Temperatur des beobachteten Objectes entsprach. In wie weit diese Forderung bei dem Schultze- schen Tisch erfüllt sei, hat schon der Erfinder desselben durch Controlversuche zu ermitteln gesucht. Er bestimmte den Schmelz- punkt von Fetten (Paraffin und Stearin) unter dem Mikroskop und verglich ihn mit dem wahren Schmelzpunkt derselben Stoffe. Unter Anwendung gewisser Vorsichtsmassregeln zeigte sich nun bekannt- lich, dass in dem Augenblicke, wo die im Gesichtsfeld des Mikros- kops befindlichen krystallinischen Fettkügelchen flüssig wurden, der Thermometer des heizbaren Tisches den wahren Schmelzpunkt an- gab, nämlich 51° bis 52° bei Paraffin. Die Vorsichtsmassregeln be- standen vor Allem in langsamem Heizen des Apparats. Auf die Steigerung von 40° auf 50° wurden mindestens fünf Minuten ge- rechnet. Das Präparat war durch eine auf den Objectträger auf- gesetzte und die Mikroskophülse umfassende Glaskammer vor Luft- strömungen geschützt. Nicht alle von Schultze untersuchten Exemplare des heizbaren Objecttisches zeigten aber den Schmelz- punkt richtig. „Der häufigere Fall war, dass das Thermometer die Temperatur etwas früher anzeigte, als das Präparat, so zu sagen vorging.“ Umgekehrt kam es auch vor, dass das Paraffin schon geschmolzen war, während der Thermometer erst 45° anzeigte. Diese Differenzen konnten, wie man sich erinnert, dadurch beseitigt werden, dass die im Innern des Tischs in einem Messingkästchen befindliche Thermometerspirale von der Wand des Kästchens durch ein zwischengeschobenes Stück Papier etwas entfernt oder ihr näher angelagert wurde. Auch die Grösse der Blendungsöffnung im Tisch zeigte sich von Einfluss; je grösser sie war, desto höher lag der Thermometerstand, bei dem das Fett im Gesichtsfeld schmolz über dem wahren Schmelzpunkt. Sie wurde darum möglichst klein ge- wählt. Nach alledem, meint Schultze, werde man in den meisten Fällen im Stande sein, die etwaigen Mängel des heizbaren Object- tisches zu corrigiren. So wichtig nun auch die Berücksichtigung dieser von Schultze empfohlenen Vorsichtsmassregeln ist, schützt sie doch in vielen Fällen nicht vor erheblichen Irrthümern. Ausser den genannten Umständen ist nämlich von grösstem Einfluss auf die Temperatur des Objectes das Objectivsystem des Mikroskops. Dieses wirkt als eine, mit der grossen kühlen Metallmasse des Mikroskops in ausgezeichnet leiten- der Verbindung stehende Metallmasse abkühlend auf das erwärmte - 336 Th. W. Engelmann: Präparat. Es ist leicht vorauszusehen, dass, alles Uebrige gleich- gesetzt, diese Abkühlung um so stärker sein muss, je näher das Objectiv sich dem Präparat befindet, je grösser der metallische Theil seiner Masse und je kühler das Stativ des Mikroskops ist. Der Einfluss, den der Abstand des Objectivs vom Object auf die Temperatur des Letzteren ausübt, erhellt aus folgenden Ver- suchen. Ich bestimmte den Schmelzpunkt emulsionirten Stearins auf dem heizbaren Öbjecttisch. Dieser, dessen Blendungsöffnung oben nur 1 Millimeter weit war, war auf dem Tisch eines kleineren Hufeisenmikroskops von Hartnack befestigt; der Tropfen der Emulsion lag auf einem gewöhnlichen Glasobjectträger von 1.2 Mm. Dicke, war mit einem Deckglas von 0.1 Mm. bedeckt und wurde mit Objectiv No. 7 der neuen Construction beobachtet. Als der Thermometer 52° zeigte, wurde das Fett flüssig. Ich liess nun durch Weiterhinäusschieben der Spirituslampen die Temperatur auf 50° sinken und erhielt sie hier constant. Das Fett war wieder er- starrt. Wurde nun der Tubus mit dem Objectiv um etwa 2 Mm. oder mehr gehoben und nach einer Viertelminute, oder noch etwas früher, schnell wieder gesenkt, so zeigte sich, dass alles Fett wieder flüssig geworden war. Nach wenigen Secunden erstarrte. es dann, um bei neuem Heben des Tubus wieder flüssig zu werden. Um- gekehrt konnte das Fett, das bei richtigem Fokalabstand eben flüssig blieb, durch Senken des Objeetivs 7 zur Krystallisation gebracht werden, während der Thermometer unverändert auf 52° bis 53° stand. — Hiernach liess sich erwarten, dass bei Anwendung ver- schiedener Objectivsysteme, von ungleichem Fokalabstand, der Ther- mometer verschiedene Schmelzpunkte angeben würde, und der Unter- schied dieser Angaben musste noch durch den Umstand vergrössert werden, dass die Objective mit kürzerer Brennweite auch breitere metallische Fassungen besassen. Bei den stärksten Objectivsystemen musste demnach die Abkühlung des Präparats am stärksten sein. Versuche, die alle in genau gleicher Weise und mit Beachtung aller der von Schultze empfohlenen Vorsichtsmassregeln angestellt wurden, ergaben für. verschiedene Objective folgende Thermometer- stände beim Schmelzen von Stearin: Öbjectiv Thermometerstand 4 46%.5—47° 5 48°.5 7 54°—550 we u nn een u N Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. 337 Objectiv Thermometerstand 8 60°,5 10. (Immersion) 659; Bei den Systemen mit Correctionsapparat erhält man sogar für verschiedene Einstellungen der Correctionsschraube bei demselben System verschiedene Thermometerangaben. So beispielsweise für ÖObjectiv No. 10 von Hartnack, welches in diesen Versuchen trocken gebraucht wurde, bei tiefstem Stand des Schiebers (grösste Fokaldistanz) 60°—61°, bei höchstem Stand des Schiebers (kleinste Fokaldistanz) 69°—70° als angeblichen Schmelzpunkt des Stearins. — Aber auch bei verschiedenen Exemplaren desselben Objectivsystenig erhält man verschiedene Thermometerangaben, wenn die metallischen Fassungen nicht gleich sind. So zeigte in mehreren Versuchen der Thermometer für ein neues Objectiv 7, dessen untere Linse eine breitere metallische Fassung besass, den Schmelzpunkt des Stearins bei 510°—52°, für ein älteres, das nur durch etwas schmälere Fas- sung der untersten Linse sich unterschied, den Schmelzpunkt bei 490—50°. Der Fokalabstand beider Systeme war gleich. Wie erwähnt, muss die Temperatur des Präparates ferner sehr wesentlich abhängen von der Temperatur des Öbjectivs, und, da Letzteres nur einen Theil der grossen Metallmasse des Mikroskops bildet, von der Temperatur des ganzen Mikroskops. Die Temperatur des Mikroskops ist aber im Allgemeinen die des Zimmers. Obschon nun in einem kälteren Zimmer alle Theile des geheizten Tischs, also auch das Kästchen, in dem die Thermometerspirale liegt, stär- kerer Abkühlung ausgesetzt sind, erleidet doch das Präparat durch die ihm genäherte Metallmasse des Objectivs den verhältnissmässig ‚grössten Wärmeverlust. In einem kalten Zimmer ist desshalb bei einem bestimmten Thermometerstand des heizbaren Tischs die Tempe- ratur des Präparats niedriger als in einem warmen Zimmer bei dem. gleichen Thermometerstand. n Das Objectiv wird, während der Beobachtung auf dem heiz- baren Öbjecttisch, von unten her beständig erwärmt. Der Einfluss dieser allmählichen Erwärmung muss sich im Anfang jedes Versuchs geltend machen. Heizt man z. B. den Tisch bei gehobenem Tubus so weit, dass das auf dem ÖObjectträger befindliche Stearin eben ge- schmolzen bleibt, und senkt man nun den Tubus mit dem Öbjectiv, die beide Zimmertemperatur haben, schnell herab in Fokaldistanz, so erstarrt in wenigen Secunden das Fett. Es bedarf nun einer be- M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 29 338 Th. W. Engelmann: trächtlicheren Wärmesteigerung, um es wieder zum Schmelzen zu bringen. Allmählich aber sinkt, mit fortschreitender Erwärmung des Objectivs, der vom Thermometer angezeigte Schmelzpunkt, und bleibt dann, wenn die Wärmezufuhr zum Tisch möglichst wenig ver- ändert wird, auf einer bestimmten Höhe stehen. Bei Objectiv 7 von Hartnack fand ich so in einem Falle der Schmelzpunkt bei der ersten Probe bei 56% nach 10 Minuten bei 52°, nach weiteren 10 Mi- nuten bei 50°, auf welcher Höhe er sich dann erhielt; bei Objectiv 8 waren die entsprechenden Temperaturen 59.05—60°, später constant 57.05. Aehnlich bei andern Öbjectiven. Auf der Abkühlung durch das Objectiv beruht auch der von Schultze gefundene Einfluss, den die Grösse der Blendungs- öffnung auf die Temperatur des Objectes ausübt. Nicht kalte, von unten her an das Objectglas dringende Luftströme sind es, welche die Abkühlung des Präparats bewirken, sondern umgekehrt: das durch das Objectiv erkältete Präparat kühlt die Luft in der Blen- dung ab. Man begreift, dass das Präparat stärker abgekühlt wer- den muss, wenn es, wie bei grosser, oberer Blendungsöffnung an seiner Unterfläche in grosser Ausdehnung mit der schlecht wärme- leitenden Luft in Berührung steht, als wenn es, wie bei kleinerer Blendungsöffnung, zum grossen Theil auf einer heissen Metallmasse aufliegt. Im letzteren Falle wird die deın Glas entzogene Wärme viel rascher ersetzt als im ersteren. Ausser von dem Öbjectiv hängt die Temperatur des Präparats auch in sehr merklicher Weise von den Dimensionen und dem Ma- terial des Objectträgers ab, auf dem das Präparat liegt. Zwei gläserne Objectträger von verschiedenen Dimensionen, vor Allem von verschiedener Dicke geben verschiedene Resultate. Bei Gebrauch eines metallischen Objectträgers erhält man andere Temperatur- angaben als bei Anwendung eines gläsernen. — Hierfür mögen als Beispiel folgende Versuche dienen, bei denen Objectiv 7 von Hart- nack gebraucht und der Tisch so langsam geheizt wurde, dass bei Temperaturen über 40° auf die Steigerung um je einen Grad wenig- stens eine halbe Minute verwendet ward. Der Thermometer stand beim Schmelzen des Stearins (mit Gummi emulsionirt) auf 55—56°, wenn ein gläserner Objectträger von 2 Mm. Dicke, 76 Mm. Länge und 25 Mm. Breite, auf 53°, wenn einer von 1.3 Mm. Dicke, übri- gens aber gleichen Dimensionen, auf 52°, wenn ein ebensolcher von 1 Mm. Dicke benutzt ward. War der Öbjectträger nur 25 Mm. Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. 339 lang, 17 breit, aber in dem einen Falle 2, in den beiden andern 1 und 0.2 Mm. dick, so waren die entsprechenden Thermometerstände 54%, 51.05 und 47%. — Der Einfluss der Objective äussert sich bei verschieden dicken Objectträgern verschieden. Bei sehr dünnen Ob- jeetträgern sind die Differenzen zwischen den Thermometerangaben bei verschiedenen Objectiven nicht so gross wie bei dicken, da ein sehr dünnes Glasplättchen von der darunter liegenden heissen Metall- masse des Objecttischs schnell wieder erwärmt wird, durch eine dickere Glasplatte aber die Ausgleichung der Wärme nur sehr lang- sam erfolgen kaın. Doch sind die Differenzen für verschiedene Ob- jeetive selbst bei dünnen Glasplättchen noch sehr ansehnlich. So schmolz das Stearin auf einem 0.2 Mm. dicken Deckgläschen bei folgenden Thermometerständen : Objectiv 4 bei 45° r 7 bei 50° ® 10 (grösste Fokaldistanz) bei 52—53° a 10 (kleinste ,, 0.) bei 60%. Aus diesen Proben wird man zur Genüge ersehen, dass der heizbare Objecttisch, so wie er bisher angewendet wurde, den an ihn gestellten Anforderungen nicht entspricht. Dasselbe gilt ohne Zweifel von den Apparaten, die Thom& und Naegeli und Schwendener angegeben haben. Bej diesen ist, wie aus den gegebenen Beschreibungen erhellt, keine Rücksicht auf die Ab- kühlung durch das Objeetiv genommen. — Es fragt sich, ob und wie die hier aufgedeckten Fehler zu beseitigen seien. Die Ab- kühlung durch das Objeetiv kann seibstverständlich nur durch Er- wärmung desselben vermieden werden. Dies thut in einem merk- baren, doch noch viel zu geringen Grade die von dem geheizten Objeetträger auf das Objectiv übertragene Wärme. Die Anwendung einer feuchten gläsernen Kammer, welche sorgt, dass das Objectiv beständig von geheizter Luft umgeben sei, ist von nur geringem Vortheil. Ich habe für entsprechende Objective nur sehr wenig ver- schiedene Thermometerstände beim Schmelzen des Stearins gefunden, mochte nun das ÖObjectiv von einer gläsernen Kammer umgeben, oder frei sein. Am Richtigsten wäre es natürlich, Objeetträger und Objeetivsystem immer auf gleiche Temperatur zu bringen. Das zwischen beiden befindliche Präparat müsste dann denselben Wärme- grad annehmen. Diess würde indessen, abgesehen von der Gefahr, in welche die Linsen durch höher steigende Erwärmung gebracht 340 "Th. W. Engelmann: würden, zur vollkommenen Ausführung einen ganz neuen Apparat nöthig machen. Von grossem Vortheil würde es schon sein, die Linsen des Objectivs in einen schlechten Wärmeleiter, z. B. Elfen- bein zu fassen. In Ermangelung so gefasster Systeme habe ich ver- sucht, mit Beibehaltung des heizbaren Tischs, dasselbe Ziel zu er- reichen, indem ich zwischen Objectiv und Tubus des Mikroskops eine 30 Mm. lange Eilfenbeinröhre einschraubte. Hierdurch werden die aus der Abkühlung durch das Objectiv entstehenden Fehler bedeu- tend ermässigt, vor Allem, wenn zugleich eine gläserne Kammer das Objecetiv umgiebt. Das Objectiv nimmt dann ziemlich rasch eine höhere Temperatur an und behält sie, da es durch das schlecht lei- tende Elfenbeinstück von der übrigen Metallmasse des Mikroskops getrennt ist. Man gewinnt Zeit, wenn man das Elfenbeinröhrchen unmittelbar vor dem Versuch erwärmt. Der Schmelzpunkt des Stearins betrug so in mehreren Versuchen, bei denen ein grosser, 2 Mm. dicker, gläserner Objectträger gebraucht wurde, für Objectiv 10 von Hartnack (trocken, mittlerer Stand der Correctionsschraube) 50—52°, unter denselben Umständen, ohne Elfenbeinstück 65°. Für Objectiv 4 waren die entsprechenden Thermometerstände 45° und 47°. Durch Anwendung sehr dünner Deckgläser als Objectträger konnten keine weitere Vortheile erreicht werden. Die kleinsten Differenzen der Thermometerstände beim Stearinschmelzen betrugen für Ob- jectiv 4 und Objectiv 10 immer noch 5°. Hiermit waren wenigstens die gröbsten Fehler beseitigt. | Man könnte den genannten Uebelständen auch dadurch zu ent- gehen suchen, dass man für jedes Objectivsystem eine besondere Thermometerscale anfertigte. Diese Scalen würden aber, abgesehen von der grossen Schwierigkeit, die ihre genaue Herstellung kosten würde, auch nur unter bestimmten Bedingungen (eine gewisse Zimmer- temperatur, bestimmte Beschaffenheit des Objectträgers u. s. f.) ganz zuverlässige Temperaturmessungen gestatten. Nach alledem wird man sich vorläufig in weitaus den meisten Fällen mit Näherungswerthen begnügen müssen. Wo es nur auf solche ankommt, ist der heizbare Objecttisch von Schultze, auch in seiner jetzigen Form, von grösstem Werthe, und anderen ähn- lichen Apparaten überlegen. Bei der Construction neuer Wärme- tische aber, welche zu genauen Messungen brauchbar sein sollen, wird es die Aufgabe sein, die hier aufgedeckten Fehlerquellen, dar- unter vor Allem die Abkühlung durch das Objectiv, zu vermeiden Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. 341 oder unschädlich zu machen. Das Letztere würde der Fall sein, wenn es gelänge, eine Reihe von indifferenten Körpern zusammen zu stellen, deren Schmelzpunkte je um etwa einen Grad von einander verschieden, constant und — was am Wünschenswerthesten — zwi- schen 35—50° C. gelegen wären. Indem man diese Körper gleich- zeitig mit dem physiologischen Object unter dem Mikroskop beob- achtete, würde man ohne weitere Messapparate innerhalb der ange- gebenen Grenzen stets genau wissen können, welches die Temperatur des Präparates sei. Doch bietet sich zur vollständigen Erfüllung dieses Wunsches für jetzt nur wenig Aussicht. Utrecht, im Juni 1868. Ein neuer heizbarer Objecttisch. “ Von Dr. Alexis Schklarewski. Hierzu ein Holzschnitt. In Nr. 98 der Wiener Med. Wochenschrift v. J. habe ich die ‘ Beschreibung eines heizbaren Objecttisches!) veröffentlicht. Da aber \ die dazu gehörige Zeichnung leider nicht abgedruckt wurde, so halte ich es nicht für unangemessen, dieselbe hier nachträglich noch bei- 1) Ausgeführt vom Spenglermeister ©. Mayer in Würzburg. Preis 4 Thlr. Ein neuer heizbarer Objecttisch. 343 zubringen. Bei der Einfachheit des Apparats werden ein Paar Worte zur Erläuterung derselben genügen. a ist ein geschlossener, 1 Ct. hoher, messingner Kasten von der Grösse des gewöhnlichen Mikroskoptisches, welcher i in der Mitte durchbohrt und durch senkrechte Scheidewände — deren Anordnung die punktirte Linie andeutet — in ein System communicirender Räume umgewandelt ist. Die Röhren 5 und ec setzen denselben mit einem cylindrischen Wasserbehälter d in Verbindung, derart, dass das eine Rohr in die obere, das andere in die untere Region des- selben mündet. Der Wasserbehälter ist durch eine Schraube luft- dicht verschliessbar und trägt ausserdem über derselben eine Schaale angelöthet. Eine Ecke des Kastens ist verlängert und dient zur Auf- nahme des Thermometers e, aus der anderen tritt ein verticales Ablaufsrohr f aus, welches durch einen Kautschukschlauch mit einem beliebigen Wasserreeipienten g in Verbindung gebracht wer- den kann. Bei der Füllung von d ist zugleich durch die Verbindungs- röhren 5 und e auch a gefüllt und im Ablaufsrohr f steigt die Flüs- sigkeit zu dem gleichen Niveau wie im Wasserbehälter d. Durch die Schraube wird nun letzterer verschlossen und mittelst in die Schaale eingegossenen Wassers der luftdichte Verschluss gesichert. Erwärmen wir jetzt durch eine Spiritusflamme das in d befindliche Wasser, so wird die erwärmte Flüssigkeit aufsteigen und durch das obere Rohr 5 zum Kasten, die in letzterem befindliche Flüssigkeit durch das untere ce zum Wasserbehälter strömen, so lange, bis in dem ganzen Apparat eine gleiche Temperatur herrscht. Die beim Erwärmen ausgedehnte Flüssigkeit steigt im Ablaufsrohr f in die Höhe, wo sie durch den Kautschukschlauch in g abgeleitet wird. Beim Abkühlen tritt sie in entgegengesetzter Richtung aus dem Gefäss in den Apparat zurück. Durch die Anordnung der Scheide- wände ist die strömende Flüssigkeit gezwungen, stets nur in der durch die Pfeile angedeuteten Richtung alle Theile des Kastens zu durchlaufen und zuletzt die Thermometerkugel zu umspülen. So- mit ist die Möglichkeit gegeben, 1) den Kasten überall auf eine gleiche Temperatur zu erwärmen und 2) mit grosser Genauigkeit den wirklichen Temperaturstand des Kastens durch das Thermometer zu messen. Hierüber gaben leicht anzustellende Controlversuche — die bekannte M. Schultze’sche Probe, Anwendung kleiner Fett- tröpfchen von bestimmtem Schmelzpunkte — vollkommen befriedi- gende Resultate. Um die bei erhöhter Temperatur um so schneller 344 A. Schklarewski: Ein neuer heizbarer Objecttisch. eintretende Verdunstung der frischen Präparate zu verhindern, be- nutze ich die in der Mitte des Kastens befindliche Oeffnung auf folgende Weise. Dieselbe hat 1 Ct. Durchmesser und wird bei gewöhnlichen Untersuchungen durch eine Blendung Ah gedeckt, welche oben eine dünne, glattgeschliffene Blechplatte von grösserem Durch- messer (siehe Profilansicht derselben bei 4) trägt, auf der für ge- wöhnlich der Öbjectträger besser, wie auf der nicht geschliffenen Oberfläche des Kastens ruht. Handelt es sich aber darum, die Vor- theile der feuchten Kammer bei der Untersuchung zu benutzen, so wird die Blendung abgenommen und in die so entstandene Höhlung ein schmaler Korkring eingesetzt, mit einer Spur destillirten Wassers benetzt, und dann die Höhle mit dem Deckgläschen zugedeckt, auf dessen unterer Seite das Präparat ausgebreitet ist. Auf diese Weise werden wir dasselbe in einem warmen feuchten Raum und zugleich druckfrei untersuchen. — Für die Untersuchungen des Mesenterium des lebenden Thieres ist der beschriebene desswegen besonders ge- eignet, da alle hervorragenden Theile des Apparats sich auf einer (der linken) Seite des Tischchens befinden, welches daher von drei Seiten frei zugänglich ist. Zum Schluss will ich noch erwähnen, dass die Zeichnung in !/; der natürlichen Grösse ausgeführt ist. Die Hämatoxylinfärbung. Eine Notiz von H. Frey. Ich habe in der dritten Auflage des »Mikroskops« (8. 83) der Gewebe-Tinetion mit Hämatoxylin und Alaun gedacht, einer Me- thode, welche mir durch meinen Collegen, Herrn Eberth, bekannt wurde und eine Vorschrift gegeben, welche allerdings nicht das reine Präparat, sondern die leichter zugängliche wässerige Lösung des Blauholzextraktes betrifft. Ich erfuhr durch eine briefliche Mittheilung des Herrn Dr. med. F. Boehmer in Würzburg, dass er der Erfinder jener Tinctions- methode sei. Dieselbe hat er veröffentlicht in dem ärztlichen Intel- ligenzblatt, herausgegeben vom ständigen Ausschuss bayerischer Aerzte, No. 39 des Jahrgangs 1865. Die betreffende Stelle S. 549 lautet aber: Zur Tinetion empfiehlt sich ausser den bekannten Methoden hier auch die bisher nicht angegebene, aber von mir an einer grossen Zahl sehr verschiedener Gewebe und pathologischer Präparate aus- geprobte, mit besonderer Vorliebe an den Kernen haftende violette bis blaue Färbung durch Haematoxylin-Alaun. Von einer Lösung des reinen Haematoxylin in Alcohol absolutus (z. B. Si in 3ß) wer- den 2 bis 3 Tropfen in ein Uhrgläschen gethan, das mit einer Lö- sung von Alumen depuratum in destillirtem Wasser (z.B. Gr. jiin zI) gefüllt ist; es entsteht sofort eine violette Farbe, in welche die 346 H. Frey: Die Hämatoxylinfärbung. Schnitte für einen halben, einen Tag u. s. w. gelegt werden. Hierauf lässt man z. B. folgen: die Behandlung mit Alcohol absolutus, mit Acidum tartaricum in Alkohol — Letzteres wesentlich aus den Rück- sichten, welche Thiersch (»Der Epitelialkrebs u. s. w.« S. 91) sehr ‘ treffend zu Gunsten der Oxalsäure erörtert — wiederum mit Alco- hol absolutus, dann mit Benzin oder Terpenthin-Oel, und untersucht das Präparat etwa in Ricinus-Oel, in welchem es einen hohen Grad von Durchsichtigkeit erreicht, bezüglich durch einen hierzu geeig- neten Kitt eingeschlossen werden kann. Uebrigens mag man natür- lich auch andere Wege dabei wählen, wenn man nur wasserhaltige Säuren und die gebräuchlichen Harz-Lösungen in Chloroform ver- meidet, welche Beide jener Farbe nachtheilig sind. Dieses berück- sichtiget lassen sich solche hämatoxylin-gefärbte Präparate ebenso in Glyzerin gut conserviren. Ich benutzte Hämatoxylin aus der che- mischen Fabrik von Dr. Marquart in Bonn. Alkoholischer Cam- pecheholz-Auszug vertritt die Stelle der alkoholischen Hämatoxylin- Lösung nur unsauber und mangelhaft. Vorher in -Chromsäure oder doppelt-chromsaurem Kali gelegene, oder mit Kupfer-Vitriol oder gewissen anderen Metallsalz-Lösungen behandelte Präparate werden auch durch einfach in Wasser (statt in Alaun-Lösung) geträufelte alkoholische Hämatoxylin-Lösung blau. Die Färbung beruht, soweit Chrom-Präparate in Betracht kommen, hier wohl wesentlich auf dem Principe der seiner Zeit von Leykauf in Nürnberg angegebenen Schreibtinte (Wagner, chemische Technologie, 3. Aufl. S. 532), zeigt sich aber diffuser und viel weniger an die Kerne gebunden als die Tinetion durch Hämatoxylin-Alaun.« In den letzten Wochen lernte ich in dem sogenannten Parme soluble ein neues sehr schönes und leicht verwendbares Färbemittel kennen. Diese Substanz, welche durch Behandlung des Diphenyl rosanilin mit Schwefelsäure gewonnen wird, gibt in Wasser, etwa in dem Verhältnisse von 1:1000 gelöst, ein prachtvolles ins Violette gehendes Blau und färbt nach wenigen Minuten die verschiedenen Gewebe. Man spühlt hinterher in Wasser ab, benutzt Glyzerin als Untersuchungstflüssigkeit oder verwendet nach vorhergegangener Ent- wässerung durch absoluten Alkohol .den Einschluss in Canadabalsam. Zürich, 30. April 1868. Je respecte trop la nature, pour vouloir lui attribuer quelque chose qui peutetre ne serait qu’un jeu d'imagination. Chladni, Traits d’Acoustique Pg. II. Bemerkungen zu W. Krause, die Membrana fenestrata der Retina. Von V. Hensen., In einer vor Kurzem unter obigem Titel erschienenen Abhand- lung wird der Bau der Retina und die Lehre vom Sehen in einer von den bisherigen Anschauungen ganz abweichenden Weise darge- stellt. Da bei dieser Gelegenheit einige von mir!) gemachte An- gaben als Irrthümer bezeichnet werden, glaube ich berechtigt und in gewissem Sinne verpflichtet zu sein, meine, von derjenigen Krause’s vollständig abweichende Ueberzeugung geltend zu machen. Doch beschränke ich mich auf die mich näher betreffenden Einzel- heiten. . Krause läugnet den Ritterschen Faden im Aussengliede des Stäbchens und erklärt den Querschnitt desselben, den auch er im frischen Stäbchen gesehen zu haben angiebt, für ein Bild des Spiegels. Was er damit meint und wie er sich die Sache denkt, bleibt völlig unklar. Er zeichnet dies Bild des Spiegels als schwarzen Punkt, ohne über diese sonderbare Umkehrung von Hell und Dunkel ein Wort zu verlieren. Ob er ferner unter dem »Bild des Spiegels« ein Bild der Diaphragma-Oeffnung versteht, oder den Brennpunkt seiner hypothetischen Brechungsapparate der Retina, wird nicht er- sichtlich. Krause äussert S. 23: Das Erscheinen des Spiegelbildes be- weist, »dass die Stäbchen für sich allein oder mit den übrigen Schichten der Retina deutliche Bilder äusserer Gegenstände auf die Choroidea zu werfen vermögen« und diese sollen dann von der Pigmentschicht, dem schlechtesten Spiegel den es giebt, reflectirt werden. Ferner sagt er S. 48: »Dass aber in Wahrheit Lichtwellen den ganzen Apparat so zu passiren vermögen, dass ein kleineres 1) Archiv f. patholog. Anatomie 1867. 348 V. Hensen: _ aber scharfes Bild jenseits des Stäbchens entsteht, zeigen die bei der Stäbchenschicht mitgetheilten Versuche bei schiefer Beleuchtung.« Er zeichnet aber jenen schwarzen Punkt im Stäbchen, giebt an, seine Verschiebung im Stäbchen gemessen zu haben und bekämpft den Ritterschen Faden, der nur im, niemals nach aussen vom frischen Stäbchen gesehen worden ist. Statt nun die mannichfachen Schwierigkeiten seiner Deutung zu überwinden, statt uns zu sagen wie es komme, dass an isolirten Stäbchen, ja an Stäbchenbruchstücken mit beiderseits planen Enden »Bilder des Spiegels« durch die ganze Länge des Stäbchens sich zeigen, begnügt er sich einzig anzuführen, dass der fragliche Punkt (der nebenbei gesagt, als eine recht schöne Kreisfläche er- scheint) sich scheinbar mit dem Spiegel verschiebe. Dies Verhalten würde in der That ein Brennpunkt zeigen, es kann jedoch auch durch die totale Reflexion des durchfallenden Lichts, welche an der Gränze zwischen Ritterschem Faden und Stäbchensubstanz eintritt, erklärt werden, auch hierdurch wird bei schräger Beleuch- tung an der Seite des Spiegels die Substanz des Stäbchens schein- bar verbreitert. So stark, wie Krause es zeichnet, ist übrigens die Verschiebung nicht, vorausgesetzt, dass er wirklich den Faden und nicht den Lichtschein, welcher über der Kuppe des intacten Stäb- chens erscheint, beobachtet hat. Ich hatte mich nun bemüht, diesen Faden unter verschiedener Bedingung darzustellen, ihn zu isoliren, kurz, ihn näher zu unter- suchen. Krause begnügt sich, derartige Versuche von vornherein zu verwerfen und zu fordern, dass »die cylindrische Gestalt des Stäbchens sich nicht merklich ändere.« Hätte er versucht nachzu- _ weisen, wie denn dadurch die Ritterschen Fäden erzeugt werden können oder in welche Irrthümer ich denn durch die Reagenzien verfallen bin, wie dies eine wissenschaftliche Widerlegung erfordert, würde er wenigstens haben bemerken können, dass sein Bild des Spiegels auch noch, mit der Eigenschaft durch schräge Beleuchtung sich zu verschieben, da ist, wenn die isolirten Stäbchen durch Trü- bungen behindert sind, ihre Function als Linse zu erfüllen. Was den Fetttropfen im Zapfen der Vögel betrifft, so lässt sich mit den vor- handenen optischen Mitteln durchaus noch nicht entscheiden, ob feine Fäden sei es an ihm sei es durch ihn verlaufen, oder nicht. Krause leugnet ferner die Fasern auf der Oberfläche, der frischen Stäbchen des Frosches. Er hat dieselben jedoch schwerlich Bemerkungen zu W. Krause, die Membrana fenestrata der Retina. 349 überhaupt gesehen, da er in Bezug darauf S. 24 von einer Spaltung deı. Aussengliedersubstanz bald in der Quer- bald in der Längsrichtung spricht. Ich habe in der That nicht geglaubt, dass eine solche Verwechs- lung der Dinge eintreten könnte, sonst würde ich der später auftreten- den Längsspalten besonders erwähnt haben. Wenn übrigens Krause frische Präparate ohne Zusatz, »ausser der mit der Stäbchensubstanz in endosmotischem Gleichgewicht befindlichen Glaskörperflüssigkeit des zugehörigen Auges« empfiehlt, so liegt darin ein doppelter Irr- thum. Die Flüssigkeit, welche die Stäbchen umspült, stammt in näherer Instanz von dem Blute der Choroidea, bei Säugern viel- leicht auch aus dem Blute der Retina, die Stäbchensubstanz be- findet sich daher noch weniger in endosmotischem Gleichgewicht mit dem Glaskörper, als z. B. die Linse mit diesem und dem Humor aqueus; hier nicht einmal existirt ein Gleichgewicht im Sinne Krause’s, denn die Linsenfasern quellen in beiden Substanzen des zugehörigen lebendigen Auges. Factisch ist es ferner ein Irrthum, wenn behauptet wird, dass der Humor vitreus die Stäbchen gut er- halte, er umwallt mit seiner gallertigen Masse die in der Parenchym- flüssigkeit der Retina liegenden Stäbchen und schützt diese gegen Verdunstung, gerathen sie aber in den Humor vitreus selbst hinein, so gehen sie viel rascher zu Grunde, als in !/2°/o Kochsalz- lösung, Kali bichromicum u. s. w. Krause beruft sich für seine weiteren Anschauungen auf die negative Wirksamkeit der Durchschneidung des Opticus. Darin sehe ich, und da die Sache schon bekannt war, offenbar Mehrere mit mir, durchaus nichts Beweisendes. Die Nervendurchschneidungen in den Centralorganen, und ein solches ist auch die Retina, führen leider nicht zu einer Atrophie der zugehörigen Nervenbahnen, und selbst wenn in den Ganglienzellen Fett auftritt, ist dies noch kein Beweis dafür, dass diese auch nur eine ihrer Functionen eingebüsst haben. Was nun Krause’s Befunde über die Entwicklung der Stäbchen betrifft, habe ich zu bemerken), dass mir zur Zeit M. Schultze’s Ergebnisse die richtigsten zu sein scheinen und ich daher meine Be- funde, die mich zu anderen Anschauungen führten, jetzt demge- mäss deute. Wenn Krause die Fovea centralis, deren Structur und phy- siologische Function ja ohne Weiteres seine Theorie über das Sehen 1) Wie schon in Canstatt’s Jahresbericht für Embryologie 1867 ge- sagt ward. 350 V. Hensen: widerlegt, als Rest der fötalen Augenspalte deuten will, so haben bereits Schöler und Kölliker eine solche Annahme für unhalt- bar erklärt und auch meine Erfahrungen ergeben mir, dass stets der Augenspalt der Fovea diametral gegenübersteht und sich beim Menschen vollständig schliesst, ehe die Fovea entsteht. Krause hat direct geprüft, ob in dem todten Auge durch das Sonnenlicht nachweisbare Aenderungen in den Stäbchen entstehen !). Der Weg ist gewiss richtig, nur wirkt das Sonnenbild so intensiv, .dass überall eine Erregung der Retina ad maximum eintritt. Nach- bilder der Sonne, wie Krause meint, würde das Thier nicht gehabt haben, sondern wenn nicht Blindheit, so doch ein Feuermeer im ganzen Gesichtsfeld. Noch eins will ich hervorheben. Krause beruft sich darauf dass man nach Czermak’s Versuchen?) das Mosaik der Zapfen der Macula lutea des eigenen Auges wahrnehmen könne. »Es leuch- tet aber von selbsi ein, dass ein lichtempfindender Nerv sich nicht selber sehen kann.« Ganz so liegt die Sache doch wohl nicht. Czermak sieht unter gewissen Umständen in der Luft ein Bild, wie es die Flächenansicht der Fovea »bei Ecker« zeigt. Wie das Bild entsteht, ist bis jetzt überhaupt nicht erklärt, dass es von den Zapfen herrühre ist eine Annahme, die durchaus noch nicht er- wiesen ist, und daher kaun diese Erfahrung als Beweis für andere Dinge nicht dienen. Schliesslich möchte ich einen, vielleicht nicht allein von mir gehegten, Wunsch äussern. Es war vorauszusehen, dass die Quer- streifung der äusseren Körner einmal zu einem Versuch in solcher Richtung, wie sie jetzt vorliegt, führen werde. Wir haben aber eine so grosse Reihe nicht glücklicher aber sehr gewagter Versuche zu registriren, dass man eine so weit über alles Frühere sich hinweg- setzende Untersuchung nicht mehr für förderlich halten kann. Man darf daher wohl den Wunsch aussprechen, dass die Untersuchungen und Schlüsse, aus denen sich allgemein acceptirte An- schauungen entwickelt haben, eingehender gewürdigt werden möchten, als wie dies unter anderen in dem vorliegenden Versuch von Krause geschehen ist. 1) Ich glaube nicht, dass man in dieser Beziehung nur an die akti- nischen Strahlen zu denken hat, da im Chlorophyl die rothen und gelben’ Strahlen vorzugsweise die chemisch wirksamen ‚sind. 2) Wiener Sitzungsber. 1860. Bd. XII. S. 644. Ueber Noctiluca miliaris Sur. Von J. Vietor Carus. Im Jahrgang 1868, Heft II des Archivs für Anatomie, Phy- siologie u. s. w. von Reichert und Du-Bois, welches, obschon im Mai ausgegeben, durch einen Zufall mir erst jetzt zu Händen kam, findet sich ein Aufsatz über Noctiluca von Herrn Dr. W. Dö- nitz. Dort heisst es S. 145, dass sich in dem von mir bearbeiteten Theile des Handbuchs der Zoologie ein Herrn Dr. Dönitz unerklär- licher Irrthum vorfinde, indem ich in der Diagnose der Noctiluken denselben ein gallertiges, dem Schleimgewebe höherer Thiere ver- gleichbares Parenchym zuschriebe. So dankbar ich jederzeit für die Berichtigung von Irrthümern sein werde, von denen ich meine Ar- beiten ebensowenig wie die des Herrn Dr. W. Dönitz frei weiss, so entschieden muss ich mir derartige Entstellungen verbitten, wie sie in den Bemerkungen des Herrn Dr. Dönitz enthalten sind. Ich sage S. 568 des Handbuchs: »Das Parenchym des Körpers (der Noc- tiluken) welches keine contractile Blasen zeigt, besteht aus einer homogenen Gallerte, durch welche sich wie ein Gerüst zahlreiche vom Kern und dem Magen ausgehende nach der Peripherie hin sich vielfach verästelnde feine Parenchymstränge erstrecken, auf denen sich kleine, nach dem Innern des Körpers zu grössere Körperchen finden, welche dieselben Bewegungen zeigen, wie die Körnchen an den Pseudopodien der Rhizopoden. Die Fäden werden nach der Oberfläche des Thieres zu immer feiner und bilden endlich unter der äussern Haut ein Maschenwerk, welches durch eine fein granulirte, deutlich zellige Schicht an jene geheftet ist.« Für Jeden, der lesen will, ist dies, dächte ich, deutlich genug. Die Differenz zwischen meiner 352 J. Vieter Carus: Ueber Noctiluca miliaris Sur. _ Ansicht und der des Herrn Dr. Dönitz ist die, dass ich zwischen ‘dem Sarcodegerüst eine organische Substanz, letzterer Seewasser annimmt. Wenn ich in der kurz zu fassenden Diagnose, welche differentiell die eine Gruppe der andern gegenüber scharf charac- terisiren soll, einen Ausdruck aufnehme, welcher an die Vielzelligkeit erinnert, so mag dieser zu tadeln sein; es darf mir aber daraus nicht imputirt werden, als dächte ich, im Widerspruch mit meiner gar nicht erwähnten ausführlicheren Beschrei- bung, an eine wirkliche Parallelisirung der Noctilukensubstanz mit Bindesubstanzen der Wirbelthiere. Herr Dr. W. Dönitz sagt ferner S. 146: »Diese Zellen (der oben von mir erwähnten »deutlich zelligen Schicht« der äussern Haut) sind nichts anders als die Maschen selbst, die allerdings bei ober- Hlächlicher Betrachtung für eine epithelartige Zellenschicht genommen werden könnten. Um hier Zellen annehmen zu können, müsste man doch vor allen Dingen deren Kerne nachweisen, was in diesem Falle seine Schwierigkeiten haben dürfte.« Dass Herr: Dr. W. Dönitz die Kerne nicht gesehen hat, mag sich durch die Schwierigkeit der Untersuchung erklären. Mir aber, welcher sie trotzdem gesehen hat, eine Oberflächlichkeit der Beobachtung vorzuwerfen, ist von Seiten des Herrn Dr. Dönitz um so ungehöriger, als dieser sich nicht einmal die Mühe genommen hat nachzusehen, ob ausser mir noch Andern die Kerne bekannt geworden sind. Nun findet sich im 12. Bande der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, S. 564, ein Aufsatz von W. Engelmann, der geradezu »über die Vielzelligkeit der Noctiluken« überschrieben Herrn Dr. Dönitz hätte bekannt sein sollen, wenn er über dasselbe Thier Bemerkungen zu machen für nöthig hielt. Dort sind die Kerne erwähnt und werden be- schrieben und gemessen. Da Engelmann und ich unabhängig von einander zu gleichen Ansichten über den Bau der Noctiluken kamen, durften wir unsre fast gleichzeitig erschienenen Arbeiten als sich gegenseitig bestätigend ansehen. Auf welcher Seite die Oberfläch- lichkeit wenn nicht der Beobachtung, so doch jedenfalls der Kritik liegt, überlasse ich dem Leser zur Entscheidung. Leipzig, den 15. September. Bonn, Druck von Carl Georgi. wor ” Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. Von ww. Flemming, cand. med. Hierzu Tafel XXI u. XXII Während die Frage nach der Struktur des menschlichen Ciliar- muskels Stoff zu einer sehr reichhaltigen Literatur gegeben hat, bis sie durch die letzte Arbeit über den Gegenstand (F. E. Schulze, der Ciliarmuskel des Menschen, ds. Arch. Bd. III. Heft 4) zu einem Abschluss gebracht wurde; ist die vergleichende Histiologie des Muskels, namentlich so weit sie die Säugethiere betrifft, bisher we- niger eingehend berücksichtigt worden. Zwar hatte schon einer der früheren und bedeutendsten Forscher auf diesem Gebiet, H. Müller, vergleichend anatomische Untersuchungen hier als einen Weg zur besseren Erkenntniss der Verhältnisse beim Menschen empfohlen; doch es hat sich, namentlich durch die eben eitirte Arbeit, inzwischen gezeigt, dass auch ohne solche Beihülfe die menschliche Anatomie hier bis in sehr feines Detail ausgebildet werden konnte. In anderer Hinsicht scheint es jedoch nicht ganz überflüssig, die Histiologie des Ciliarmuskels zunächst bei den Säugern einer eingehenden Prüfung zu unterwerfen. Einmal kann es nicht gleich- gültig sein, über das Accommodationsorgan von Thieren sichere ana- tomische Kenntniss zu haben, welche die Physiologie heute vielfach zu Experimenten über Accommodation heranzieht, und gewiss noch ausgedehnter benutzen wird; und andererseits sind die bisherigen M. Schultze. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 93 354 W. Flemming: Angaben über die Sache theils fragmentarisch, theils, wo sie es nicht sind, widersprechen sie einander in den wesentlichsten Puncten, ohne dass bis jetzt eine Verständigung erfolgt wäre; ja die letzte und ausführlichste Arbeit. spricht einer grossen Anzahl von Thieren den Muskel ganz ab. Demnach habe ich, auf Veranlassung und vielfach gefördert durch die Güte des Hrn. Prof. F. E. Schulze, in dessen histio- logischem Institut eine Revision der Anatomie des fraglichen Organs, zunächst bei den zugänglicheren Säugethieren angestellt. Ehe ich die Resultate mittheile, wird es passend sein, durch einen Rückblick auf die Literatur!), soweit sie die Säuger betrifft, den Stand der Frage zu beleuchten. — Es wird sich dabei zeigen, dass sehr Vieles von dem, was ich als meinen Befund mittheilen will, in irgend- welcher Form und von irgendwelcher Seite schon gesehen oder be- hauptet worden ist; da diese Angaben jedoch immer wieder, und gerade durch die letzten Arbeiten Widerspruch erfuhren, so wage ich zu hoifen, dass dieser Aufsatz nicht als eine blosse Wiederholung betrachtet werden wird. Der Entdecker des menschlichen Ciliarmuskels, Brücke, macht in seiner ersten Arbeit über denselben (Ueber den Musc. Gramp- tonianus und den Spannmuskel der Chorioidea, Müll. Arch. 46, p. 370) bereits einige Bemerkungen über den Giliarmuskel der Säugethiere?). Während er die muskulösen Elemente beim Menschen und Affen denen des Darmes analog fand, gleichen sie nach ihm bei anderen Thieren, z. B. den Wiederkäuern, Bündeln von Bindegewebsfibrillen, die regelmässig mit Kernen besetzt sind; er glaubte aber um so 1) Eine solche Uebersicht, zugleich den Menschen einschliessend, findet sich kurz doch fast vollständig auch in der unten besprochenen Arbeit von Meyer l. c. Der Verfasser wird entschuldigen, wenn ich sie, dem Gegenstand entsprechend, theilweise wiederholen musste. Entsprechend der Bestimmung dieser Schrift, führe ich wesentlich nur die histiologische, nicht die physiologische Literatur an. — Die ausserdeutsche ist mir nicht zugänglich gewesen. 2) Schon lange vor Brücke und Bowman, i. J. 1823, ist allerdings von Sir Everard Home ein Accommodationsmuskel im Auge des Menschen, des Ochsen und der Vögel beschrieben worden (Lectures of comparative Ana- tomy, vol. III, p. 207); nach dieser Beschreibung aber scheint es, als ob der- selbe nicht den Ciliarmuskel gefunden, sondern andere Theile, vielleicht die Zonula Zinnii, für muskulös gehalten hat. Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 355 mehr, diese als muskulös ansprechen zu müssen, als auch die glatten Muskeln der Iris bei denselben Thieren von gleicher Beschaffenheit seien. — Brücke kannte damals bei allen Thieren nur die Längs- (meridionalen) Fasern. Als Ansatzpuncte derselben giebt er vorn »das starke fibröse Fasernetz, das beim Menschen die Innenwand des Uanalis Schlemmii bilden hilft,« hinten, in einer ziemlich breiten Zone, den vordern Theil der Chorioidea an. Kölliker (Zeitschr. für wissensch. Z00l. Bd. I, 1848) bestätigte Brücke’s Angaben, erklärte das Vorkommen des Muskels im Ciliar- band aller Säuger für constant und gab an, dass die Faserzellen desselben breiter und mehr granulirt seien und kürzere Kerne be- sitzen, als die anderer Gegenden. Ueberhaupt sei zu bemerken, dass die Kerne der drei inneren Augenmuskeln die Stäbchenform nicht exquisit zeigen. Beim Menschen sei die Isolation von Faser- zellen schwierig, leichter beim Schafe, wo dieselben im Mittel 0,02 Lim. lang und 0,005—0,004 Lin. breit seien. Nachdem Bochdalek dann noch einmal, wohl als Letzter, dem Giliarband überall die muskulöse Natur abgesprochen und es für ein Ganglion erklärt hatte (Prag. Vierteljahrsschr. Bd. I, 1553), trat Kölliker abermals (Mikr, Anat. Bd. II, 1554) für den Muskel ein; nur in einem Punet widerrief er seine früheren Angaben, indem er sagte, dass er beim Ochsen, Schaf und Pferd statt der Muskeln nur die Elemente des Chorioidealstromas finde; — doch, wie er selbst bemerkt, auf Grund nur flüchtiger Untersuchungen. Er glaubte hiernach, Brücke’s Ansicht, dass bei jedem Thiere die Muskelelemente der Iris und des Giliarringes einander analog seien, entgegentreten zu müssen, da er bei allen Säugern einen evident muskulösen Sphincter Iridis finde. Mayer (üb. das Auge der Cetaceen, Bonn 1852), welcher im Wal-Auge im Lig. ciliare einen Ringmuskel beschreibt, der bei einigen Getaceen aus quergestreiften Fasern bestehen, und mit den Fasern des Dilatator Iridis anastomosiren soll, giebt auch einige Notizen über die Säuger im Allgemeinen, die etwas frappirender Art sind: nach ihm besteht der Muskel beim Menschen, den Vögeln, Amphibien und einigen Säugethieren aus Längenbündeln, bei mehreren Säugern aus Cirkelbündeln; im ersteren Fall besteht er aus zwei Portionen, deren eine vordere an der Iris, die innere, breitere an der Lamina fusca Seleroticae sich ansetzt. Zwischen beiden liege der Sinus Fontanae. Die letztere Portion wirke als Constrietor 356 W. Flemming: corporis ciliaris; die erstere »fixire die Iris und ziehe sie nach vor- wärts.« (?) Dann lehrte H. Müller (Arch. f. Ophthalm. Bd. III, 1 und IV, 2, 1857) die Ringfasern im menschlichen Auge genauer kennen, die von ihm ihren Namen tragen und die er nahezu als einen ge- sonderten Muskel auffasste. Ausserdem machte er nur Mittheilungen über den Ciliarmuskel der Vögel, wies aber auf das Erspriessliche vergleichend anatomischer Untersuchungen auch bei anderen Wirbel- thieren hin. Einer der nächsten Forscher, Mannhardt (Arch. f. Ophthalm. IV, 1, 1858) brachte denn auch neue Angaben über den Ciliarmuskel der Vögel und, freilich kurze, über den der Säuger und Amphibien. Er giebt von den Ersteren (Säugern) an, dass sich bei ihnen alle Uebergänge finden zwischen der Struktur des Muskels beim Men- schen, — den er aus zwei von der Chorioidea entspringenden Köpfen bestehen lässt, einen äusseren, der sich an die Innenwand des Can. Schlemmii, und einen inneren, der sich an die Peripherie der Iris inseriren soll — und zwischen jenen Formen, »wo aus starken, aus der Descemet’schen Haut entspringenden elastischen Netzen ein Muskel hervorgeht, der sich an die Innenwand der Sclera anlegt und hier wieder in elastische Membranen übergeht, wie z. B. beim Kän- guruh.« Den Canalis Fontanae findet M. immer, auch beim Men- schen, angedeutet, bei einigen Thieren enorm entwiekelt. — Er betont ausserdem, dass bei den Säugern der Muskel in »Züge elastischer Fasern« eingeschaltet sei, welche von der hinteren Fläche der Cornea, und der vorderen der Iris theils an die Chorioidea, theils und oft ausschliesslich an die Sclera gehen.« Bei manchen Thieren konnte M. darin keine muskulösen Fasern auffinden, zwei- felt aber nicht, dass dies einer sorgfältigeren Untersuchung gelin- sen werde. Etwa gleichzeitig, oder noch etwas vor Mannhardt, befolgte ein anderer Forscher, A. Levy, gleichfalls Müller’s Fingerzeig, indem er in seiner Dissertation (De musc. ciliaris in oculo mammal. struct. et funct., Berol. 1857) den Säugern neben dem Menschen mehr Aufmerksamkeit zuwandte. L. berichtet über den Muskel des Menschen, des Pferdes, Rindes, Schafes, der Ziege, des Affen, Schweines, des Hundes und der Katze. Er sagt, dass besonders beim Rind und Pferd der Muskel schwer zu finden sei, wegen der starken Pigmenteinlagerung und deshalb, weil er weiter hinten liege Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 357 als beim Menschen. Vor dem Muskel liege, besonders stark ausge- bildet bei Ziege und Schaf, ein weisslicher Ring, der aus elastischen Fasern bestehe; diese bilden ein förmliches Lig. ciliare elasticum, das besonders bei Hund, Schaf und Ziege entwickelt, theils von der Iris, theils vom Ciliarmuskel entstehe und gemischt mit dessen Fa- sern zum Can. Schlemmii und zur Cornea ziehe, wo es sich hinter der Membr. Descemeti anhefte. — Es ist hier offenbar das Lig. pectinatum in seiner ganzen Ausdehnung gemeint. L. weist die Auffassung zurück, als sei sein Lig. elasticum ein Spaltungsproduet der Membrana Descemetii selbst; führt aber zum Beweis unbegreif- licher Weise gerade das Pferd an, wo die Descemet’sche Haut sich in der That dreifach in das Band hinein zerfasert (s. unten). — Die Form des Muskels variirt nach L. bei verschiedenen Thieren; beim Menschen vorn am dicksten, habe er bei andern Säugern die grösste Dicke in der Mitte. — Ueber die Faserung giebt L. an, ddass bei allen Thieren vorwiegend Längsfasern vorkommen; Trans- versalfasern — im Radius bulbi verlaufende — nur beim Menschen und Affen; Müller’sche Ringfasern bei allen Thieren, besonders bei der Katze, doch nicht wie beim Menschen an der vordern inneren Ecke, sondern durch den ganzen Muskel vertheilt. Er hält es aber für möglich, dass dies nicht reine Querfasern, sondern Gabelungen von Längsfasern seien. Die Anordnung der Letzteren sei netzartig, die Lücken werden von Pigment und Bindegewebe gefüllt. Als An- satzpuncte werden angegeben: 1) Die Chorioidea, doch nur die äussere Lamelle derselben. 2) Das Corpus ciliare — diese Verbindung hält L. für sehr wichtig. 3) Die Cornea. Doch scheint L. diese Verbindung keine feste, sondern eine »elastische« zu sein, indem »Muskelfasern hinter nnd mit dem elastischen Bande zur Cornea gehen und von dort auf die Scelera hinüberschreitend sich ansetzen.« Dabei sollen zugleich »M us- kelfasern rings um den Schlemm’schen Canal sich ansetzen, so dass dieser von ihnen ganz umgeben wird.«e Wie L. letzteres mit seiner »elastischen« Verbindung in Harmonie bringt, wird nicht klar. Einmal hat er auch Muskel- (?) Fasern an die Membr. Descemetii treten sehen. Soviel über Levy’s Arbeit; abgesehen von seinen hieraus ge- zogenen Schlüssen — die ich unten kurz berühre — und von manchen Einzelheiten, stimme ich in so vielen Puncten mit ihm 358 W. Flemming: überein, dass ich diesen meinen Aufsatz fast für überflüssig halten würde, wenn nicht L.s Angaben leider in histiologischer Beziehung allzu kurz, ohne Abbildung und ohne jede sichere Rechenschaft über seine Methoden wären; und wenn nicht ferner die letzte, jetzt zu besprechende, weit sorgfältigere Arbeit jener in den Hauptpuncten widerspräche und sie, scheint es, nahezu in Vegessenheit ge- drängt hätte. G. Meyer (Virch. Arch. Bd. 34, p. 380. Ueber die Struktur- verhältnisse der Annulus ciliaris bei Menschen und Säugethieren. Gekrönte Preisschrift der Heidelberger ıned. Facultät) untersuchte den Ciliarmuskel des Menschen, eines Affen, vieler reissenden Thiere, Wiederkäuer, des Pferdes, Schweines, verschiedener Nager. Er kommt zu dem Schluss, dass die Affen und Raubthiere einen Ciliarmus- kel besitzen, dass aber die Ringfasern des Menschen ihnen allen fehlen. Die Muskelzüge der Raubthiere laufen nach ihm alle ge- streckt, der Sclera parallel, ohne irgend Lücken zwischen sich zu lassen. (In die Lücken des menschlichen Muskels verlegte M. die Ringfasern, ist aber darin durch F. E. Schulze widerlegt.) — Dem Ciliarband der Wiederkäuer, der Dickhäuter, Einhufer und Nager dagegen spricht M. die muskulösen Elemente völlig ab. Es bestehe bei allen nur aus Bindegewebe; bei den Wiederkäuern sei es eine graue keilfürmige Masse, eingeschoben zwischen Sclera und Aderhaut, deren Faserzüge wiederum dicht, gestreckt aneinander liegen. Aehnlich sei es beim Schweine. Beim Pferde bestehe es aus feinen bindegewebigen Netzen, die zwischen Sclera und Aderhaut ausgespannt seien, keine compacte Masse sei vorhanden. Bei den Nagern sei der Ciliarring aus subskleralem oder Bindegewebe constituirt. Es ist nur das Wesentlichste der Arbeit citirt worden, da ich auf die meisten Puncte derselben doch noch entgegnend werde zu- rückkommen müssen. Ich habe bisher genauer untersucht das Ciliarband der Katze, des Hundes, des Schweines, des Rindes, des Schafes, .des Pferdes, des Kaninchens und der Ratte. Ich theile zunächst mit, was ich als allgemeinen Befund angeben kann: Bei den Raubthieren, Wiederkäuern, Dickhäutern, Einhufern und Nagern, soweit ich sie bisher untersuchte, finde ich überall im Annulus ciliaris einen organischen Muskel, der vorwiegend aus me- ridional verlaufenden Faserzügen besteht, die jedoch vielfach anders ee Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 359 ziehende Anastomosen mit einander tauschen. Der hintere Ansatz- punet ist überall die Chorioidea, und zwar nicht blos die Lamina fusca; die Muskelzüge beginnen unregelmässig vertheilt in der Nähe und oft zwischen den Gefässen selbst, des Plexus venosus Hovii, den ich hier bei allen untersuchten Thieren finde. Der vordere Insertionspunct des Muskels ist theils, und bei Einigen fast aus- schliesslich, die Sclera hinter dem Canalis Schlemmii, theils ausser- dem, und bei Einigen hauptsächlich, die Cornea durch Vermittlung des Lig. pectinatum; bei den Raubthieren kann man, durch eben die letztere Vermittlung, auch die Iris als einen Neben-Ansatzpunct bezeichnen. Mit dem Corpus ciliare steht der Muskel natürlich in so fern in Verbindung, als er einen Theil desselben bildet; als eine Insertion, wie Levy, kann man diese Verbindung aber schon nach dem Verlauf der Muskelzüge nicht betrachten. Die Anordnung der Muskelfaserzüge finde ich nirgends, wie Meyer es thut, der Art, dass alle Züge dichtgedrängt in meridio- naler Richtung, parallel der Sclera, ohne Lücke aneinander liegen; sondern überall ist die Anordnung geflechtartig, wie es schon Levy (l. e. p. 22) andeutet. Die Längszüge, welche immer die Mehrzahl bilden, laufen gebogen, wellig, vielfach anastomosirend. Die Ana- stomosen ziehen in verschiedener Richtung, schräg, auch quer gegen die Längsfasern, also stellenweise auch ringförmig, — Die quer verlaufenden Balken sind aber an Zahl, Länge und Mächtigkeit zu gering, um sie als Müller’sche Ringfasern zu bezeichnen; auch finden sie sich nicht, wie diese, auf eine Stelle des Muskels locali- sirt, sondern überall verstreut. Die schräg verlaufenden Anasto- mosen — »Uebergangsfasern« (Meyer), welche dieser den Thieren abspricht, sind aber sehr vielfach. Die von pigmentirtem Bindege- webe erfüllten Maschen des Muskelnetzes sind so gross und zahl- reich, dass im Allgemeinen mehr als ?/,; des Annulus ciliaris aus Bindegewebe besteht. — Es mag im Ganzen nicht sehr wichtig sein, ob die Muskelzüge gestreckt und lückenlos, oder ob sie geflechtartig verlaufen; da aber Meyer jenen seinen Befund grade mehrfach be- tont, so wollte ich den Punct nicht unerwähnt lassen. Ich kann Meyer’s Auffassung nur seinen Methoden zuschreiben, worüber unten. Beweisend für das zahlreiche Vorhandensein der Uebergangs- fasern ist, dass man an meridionalen Schnitten durch den Muskel neben Längszügen immer schräg durchschnittene, und öfters quer durchschnittene Muskelbündel trifft; und dass man an Querschnitten, 360 W. Flemming: welche genau senkrecht gegen die meridionale Längsaxe des Mus- kels geführt sind, fast stets eine Anzahl von Bündeln findet, welche schräg oder, auf eine Strecke weit, ihrer Längsrichtung nach in den Schnitt gefallen sind. Die Elemente des Muskels sind überall einkernige Faserzellen, im Allgemeinen von 0,05—0,075 Mm. Länge und, in der Nähe des Kerns, bis 0,006 Mm. Breite. Sie unterscheiden sich, gleich den Faserzellen des menschlichen Ciliarmuskels, von denen des Darms sonst nur durch ihre grosse Vergänglichkeit, ihre geringe Resistenz gegen Fäulniss und Reagentien, was ihre schwierige Isolirbarkeit be- dingt. Brücke’s Angabe (l. e.), dass sie darin sich den glatten Muskeln der Iris analog verhalten, finde ich mehrfach bestätigt. Hiernach können mit weniger Wiederholungen die Eigenthüm- lichkeiten bei den einzelnen Thieren besprochen werden. Bei den Fleischfressern ist der Muskel unter all diesen Thieren verhältnissmässig am stärksten. Seine meridionale Länge beträgt, vom Anfang am Plexus Hovii bis zum Ende der am weitesten nach vorn ziehenden Fasern gemessen, bei der erwachsenen Katze zwischen ‘4,5 und 5,2 Mm., bei mittelgrossen Hunden 3—4,8 Mm. Diese Maasse sind überall an mindestens 3—4 verschiedenen Thieren der betr. Art genommen und die weitesten Grenzen, zwischen denen sie standen, angegeben. Bei der Katze ist die Anordnung sehr ausgesprochen geflecht- artig. Die stärkste Längsfasermasse findet sich hier, wie fast bei allen Thieren, nach Innen, also dem Glaskörper anliegend. Von dieser aus erstreckt sich, und dies nur bei der Katze allein, eine Partie des Muskels nach Innen vom Lig. pectinatum gegen die Pe- ripherie der Iris zu; dieselbe zeigt besonders viele verflochtene, schräg und quer verlaufende Faserzüge, wie man an den Durch- schnitten der Kerne erkennt; und sendet hie und da querlaufende Muskelbalken zwischen die Gefässe hinein, welche am vorderen inneren Winkel des Ciliarkörpers, den Ciliarfortsätzen zunächst liegend und in deren Gefässe übergehend, getroffen werden; diese Gefässe sind bei der Katze so zahlreich, dass man fast von einem Corpus cavernosum reden könnte. Vielleicht hat Levy jene Mus- kelzüge gemeint, wenn er (l.c. p. 22) sagt, dass besonders bei der Katze Müller’sche Ringfasern vorkommen. Nach compacten und localisirten Ringzügen habe ich aber vergebens gesucht. — Das Lig. pectinatum, das hier sehr zierlich entwickelt ist, bildet entschieden Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 361 die vordere Hauptsehne des Muskels; doch inseriren sich auch Mus- kelzüge schon weiter hinten an die Sclera, etwas hinter dem Ganalis Schlemmii oder Plexus ciliaris (Leber), den ich, beiläufig gesagt, bei allen Thieren, doch minder bedeutend wie beim Menschen finde. Die vielfach verflochtenen Fasern des Lig. pectinatum senden aller- dings viele weitmaschige Netze nach der Iris hinüber, die Haupt- richtung ihrer stärkeren Züge geht aber vom Muskel gegen die Cornea zu, so dass man das Band eigentlich nicht passend Lig. iridis pectinatum nennt. Ich will dies gleich im Voraus für alle untersuchten Thiere bemerkt haben. — Die Fasern des Bandes heften sich vorn an die inneren Lamellen der Hornhaut und an die Membrana Descemetii; die letztere Insertion ist bei den Raubthieren der Art, dass die Descemet’sche Haut sich am Fornix der vorderen Kammer mit einer stärkeren, inneren Lamelle gegen die Iris über- schlägt und hier endet; ihre äusseren Lamellen zerfasern sich in das Ligamentum peectinatum hinein!). Man kann diese Verhältnisse sehr schön an Chlorpalladium-Garminpräparaten studiren, an welchen die Membr. Descemetii sich, im Gegensatz zu dem rosarothen Binde- gewebe, eigenthümlich goldroth färbt. — Da ich jenen Umschlag der Descemet’schen Haut gegen die Iris zu so gut wie an jedem Meridionalschnitt, bei allen Thieren gesehen habe, halte ich es für wahrscheinlich, dass die vordere Kammer mit den Maschen des Lig. pectinatum in keiner offenen Communication steht. Ueber den Menschen habe ich in dieser Hinsicht keine hinreichende Erfahrung. Es mögen hier zugleich einige Worte über den Canalis Fon- tanae erlaubt sein, welcher nach Einigen (z. B. Mannhardtl. ec.) vor dem Muskel liegend bei allen Thieren angedeutet sein soll. Bei den hier untersuchten scheint er mir nie etwas anderes zu sein, als eine Lücke, die zufällig durch Zerreissung des Lig. pectinatum ent- stand. (Aehnlich spricht sich schon Brücke aus l. c. p. 53.) Beim Hunde finden sich verhältnissmässig wenige, aber starke Längsfaserzüge, welche grosse Lücken zwischen sich lassen, sonst aber, hier am meisten Meyer’s Darstellung entsprechend, einen ziemlich gestreckten Verlauf mit weniger Verflechtungen haben. Die- 1) Nach Haase (Ueb. d. Lig. pectinatum, Arch. f. Ophth. XIV, Abth. 1, 1868) hört die Descemet’sche Haut beim Menschen mit einem scharfen Rande auf, um welchen sich die Fasern des Bandes an sie ansetzen. Bei den Thieren habe ich diese Art der Verbindung nicht beobachtet. 362 W. Flemming: jenigen, welche dem Glaskörper zunächst ziehen, reichen etwas weiter nach vorn als die der Sclera benachbarteu, treten aber nicht wie bei der Katze bis in die vordere innere Ecke des Corpus ciliare hin- ab. — Sonst verhält sich alles ähnlich wie bei jenem Thier; bei beiden ist noch bemerkenswerth die starke Einlagerung von Pigment- zellen in das intermuskuläre Bindegewebe, welche oft einen grossen Theil des Muskels ganz verdeckt. Ehe die übrigen Thiere besprochen werden, will ich angeben, dass bei ihnen allen erstens der Muskel verhältnissmässig schwächer entwickelt, ferner überall die Pigmentirung stark ist. Ausserdem aber sind die Muskelzüge hier besonders stark mit Bindegewebe durchsetzt, und selbst zwar zahlreich, aber im Vergleich zu den Raubthieren dünner; und auch in diese dünnen Züge noch hinein flicht sich Bindegewebe. Viele Muskelbalken sind so zart und dünn, dass sie nur aus wenigen aneinanderliegenden Faserzellen zu be- stehen scheinen; und da man so, besonders an nicht sehr dünnen Schnitten, die Fasern, Kerne, Zellen des Bindegewebes über, unter und zwischen den Muskelfasern und ihren Kernen liegen sieht, so ist es zu verstehen, dass die Fasern oft überhaupt für bindegewebig gehalten wurden, und dass auch Brücke sie mit »Bindegewebs- bündeln« vergleicht, »die regelmässig mit Kernen besetzt sind.« Dann erwähne ich vorher noch eine weitere Eigenthümlichkeit, über die mir bisher noch keine Angaben bekannt geworden sind. Die Pupille der Wiederkäuer, des Schweines, in Etwas auch des Pferdes, ist bekanntlich in die Quere oval, die Iris oben und unten breiter, als seitlich. Dem entsprechend ist auch der Annulus ciliaris im verticalen Meridian weit länger von vorn nach hinten, als im horizontalen; und ebenso verhält es sich mit dem Ciliarmuskel, welcher oben und unten nahezu die «doppelte meridionale Länge be- sitzt, als an den Seiten; wo er aus wenigeren, kürzeren, dafür aber etwas dickeren und nicht so grosse Lücken lassenden Zügen besteht. Ehe ich dieser Eigenheit nachgeforscht hatte, wunderte es mich oft sehr, vom selben Auge Muskeldurchschnitte von sehr verschiedener Länge und Form zu erhalten. — Bei der Katze, deren Pupille ver- tikal steht, könnte man eine ähnliche Verschiedenheit in umgekehrter Art erwarten, ich habe sie aber bis jetzt nicht mit grosser Deutlich- keit finden können; sicher ist sie gering. Der Giliarmuskel des Schweines besteht oben und Br aus einem sehr zierlichen weitmaschigen Geflecht, an den Seiten aus * ee Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 363 mehreren kürzeren und dickeren Zügen; er ist dabei keineswegs schwach zu nennen, namentlich die stärkste Muskellage, an der Glas- körperseite, ist recht massig und die Länge im Meridian beträgt oben und unten 3,5-—4,4 Mm., seitlich nur 2—2,5 Mm. Keiner seiner Züge greift nach vorn bis an die Wurzel der Oiliarfortsätze, wie bei der Katze; auch an den innern Theil des Lig. pectinatum, der sich mit der Iris verbindet, inseriren sich kaum Muskelfasern; sondern einige treten schon weit hinten an die Sclera, die meisten verlieren sich in die Züge festen Bindegewebes, welche vom äussern Theil des Lig. pectinatum, und vom Schlemm’schen Plexus her — der hier sehr schwach angedeutet ist — gegen den Muskel hinaufziehen und seine Sehne bilden. Meyer, — der hier, wie bei den folgenden Thieren, keine Muskeln, sondern »dicht aneinanderliegende feste ;indegewebszüge« findet — giebt an, dass der Annulus ciliaris des Schweines sehr stark pigmentirt, fast schwarz erseheine. Ich finde srade hier unter allen Thieren am wenigsten Pigment, obwohl ich sechs bis sieben verschiedene Schweine untersuchte. Doch ist es wohl möglich, dass auch bei dieser Thierspecies die Pigmentirung nach der Nationalität Verschiedenheiten zeigt. Beim Pferde ist der Oiliarmuskel, im Verhältniss zur Grösse des Bulbus, sehr klein; auch die Länge des ganzen Giliarringes misst im Meridian höchstens 5,5 Mm., der Muskel aber macht auch von dem Oiliarring nur einen sehr kleinen Theil aus. Er liegt sehr weit hinten, wie überall in der Gegend des Plexus Hovii entspringend und besteht: vorwiegend aus meridional laufenden Zügen, die sehr wenig verflochten sind. Er nimmt wenig mehr als das hintere Vier- theil des Ciliarkörpers ein; die drei vorderen werden fast ganz ge- bildet durch das colossal entwickelte Lig. pectinatum. Dasselbe zeigt zwei auffallend verschieden gebaute Portionen: die eine, vordere, bildet ein sehr grossbalkiges, pigmentirtes, zwischen dem Ciliarkör- per, der Iris, Sclera und Membr. Descemetii ausgespanntes Netzwerk; die letztere Membran, hier enorm dick, (bis 0,2 Mm.!) theilt sich in drei Lamellen, deren eine, stärkste sich gegen die Iris umschlägt, deren zweite sich mit den Balken jenes ‘groben Netzwerks verflicht; die dritte, dünnste, zieht weiter an der Sclera hinauf und reicht bis zum Ansatz der hinteren Portion des Lig. pectinatum. Diese, pig- mentlos und feinbalkig, zieht von ihrem Ansatz an der Sclera mit nahezu parallelen Fasern nach hinten gegen den Muskel, dessen eigentliche Sehne sie bildet. 364 W. Flemming: Meyer findet beim Pferd »nur einen einzigen dichten binde- gewebigen Faserzug als Anfang des Annulus ciliaris, dicht hinter dem Lig. pectinatum, das schräg von Aussen nach Innen läuft. Hinter ıhm liegen noch einzelne, weitmaschige, ebenfalls querüber ge- spannte Fasernetze.« Hinter denselben hat M. nichts Muskulöses finden können. — Mit dem gen. Faserzug ist offenbar jene hintere Portion des Lig. pectinatum, vielleicht zugleich der Muskel selbst gemeint. Dieser ist freilich sehr pigmentirt, nicht immer leicht in voller Ausdehnung zu sehen. — Seine Länge beträgt oben und unten höchstens 2, seitlich 1,5 — 1,6 Mm.; hier liegen die Züge ge- drängt, wenig verflochten, oben und unten bilden sie ein weit- maschiges Geflecht. Bei den Wiederkäuern ist der Giliarring, wie Meyer richtig bemerkt, sehr massig und von weisslicher Farbe. Doch be- trifft letzteres nur seinen vorderen Theil; der hintere ist stark pigmentirt. M. findet das Ganze: »bestehend aus dichtgedrängten Faserzügen, die in gegenseitigem Austausch mit‘ denen des Lig. pectinatum stehen. Sie liegen als feste, zusammenhängende Masse der Scelera dicht an, von Lücken und Spalten ist wenig darin zu sehen.« Er findet sie auch hier überall bindegewebiger Natur. — M.’s Zeichnung von dem Giliarring der Kuhantilope, so schema- tisch ‚sie ist, scheint mir zu beweisen, dass er den Muskel selbst gesehen, aber eben nicht für muskulös gehalten habe. Folgendes sind meine Befunde. Der vordere Theil des Ciliar- ringes der Wiederkäuer, zwischen dem Lig. pectinatum, dem Muskel und den Ciliarfortsätzen, besteht aus wenig pigmentirtem Binde- gewebe. Der innere, dem Glaskörper zugewandte Theil des Lig. pectinatum ist sehr locker, weitmaschig, zerreisslich; deshalb wurde auch wohl der Canalis Fontanae hier gerade häufig beschrieben. Im hinteren, pigmentirten Theil des Ciliarrings liegt der ziemlich starke Muskel; er ist sehr verflochten und seine Züge zum Theil sehr dünn, aber desto zahlreicher; die Hauptmasse liegt der Glas- körperseite an. Sein vorderer Ansatz ist so gut wie ausschliess- lich die Sclera und die Gegend des Sinus Schlemmii; nur wenige Fasern verlaufen gegen das Lig. pectinatum. Vorne an dieses Band grenzend findet sich hier die zuerst von Meyer beschriebene (l. c. p. 384) »buckelförmige Anschwellung der Iris«, welche er als der vordern Kammer zugewandt schildert. Sie springt eigentlich nicht gerade in die vordere Kammer vor, Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 365 sondern bildet die vorspringende Ecke zwischen vorderer Kammer einerseits und dem Maschenwerk des Lig. pectinatum andererseits ; an die Spitze dieses Buckels setzt sich die umgeschlagene Desce- met’sche Haut; und man kann das Gebilde eher als Theil des Corp. ciliare, wie als Theil der Iris auffassen, da die Ciliarfortsätze auf gleicher Höhe "mit ihm, oder selbst noch weiter pupillarwärts, ab- gehen. Nach »Meyer gleicht das Gewebe des Buckels völlig dem erectilen.« Ich konnte beim Rind und Schaf — andere unter- suchte ich nicht — nichts Anderes darin finden als gewöhnliches pigmentirtes Bindegewebe, mit elastischen Fasern darin und nicht auffallend zahlreichen Gefässen. Noch ist zu bemerken, dass die Iris der Wiederkäuer, wie auch der besprochene Buckel, im horizontalen Meridian weit dicker ist als oben und unten; und dass die Unterschiede in der Muskellänge nach den verschiedenen Meridianen hier sehr stark hervortreten. Beim Rind ist der Muskel oben und unten 2,5 —3 Mm. lang, innen und aussen 1,5 — 1,8 Mm. Der vordere bindegewe-. bige Theil des Ciliarringes ist sehr umfangreich. Das Lig. pecti- natum ist gegen die Ciliarfortsätze zu und gegen den buckelförmi- sen Vorsprung durch einen scharfen, rechtwinklig geformten Pig- mentstreif abgegrenzt. Beim Schaf ist der Muskel stärker, misst im vertikalen Meridian 4,0 — 4,4 Mm., im horizontalen nur 1,7— 2,5 Mm. Der binde- gewebige Theil des Ringes ist kleiner, namentlich an den Seiten. — Bei beiden Thieren ist der Plexus Hovii sehr stark entwickelt, seine Gefässe namentlich beim Rınd von enormer Grösse, Schliesslich sind die Nagethiere zu besprechen. Beim Ka- ninchen — ich untersuchte besonders Albino’s — beträgt die merid. Länge des Ciliarringes nur 1,2 — 1,6 Mm. Meyer fand in demselben statt des Muskels »nur subsklerales oder Bindegewebe.« Ich finde auch hier einen Muskel, der zwar nur aus wenigen zarten Zügen besteht, aber im Verhältniss zur Kleinheit und Zartheit der übrigen Theile des Bulbus nicht eben schwach zu nennen ist. Die Länge beträgt kaum 1 Mm.; die Züge sind wenig verflochten, laufen nahe der Sclera, dieser fast parallel, und inseriren sich auch hier an ein kurzes Lig. pectinatum, das sich an die Grenze zwischen Sclera und Cornea heftet. Von der Ratte gestehe ich, nur ungenügende Resultate be- 366 W. Flemming: kommen zu haben; die Pigmentirung ist hier so stark, und gute Schnitte bei der Kleinheit der Objecte so schwer zu gewinnen, dass ich nie ein recht befriedigendes topographisches Bild erhielt. Doch lassen Combinationen aus Schnitten und Zerzupfungspräparaten mich annehmen, dass auch hier ein Muskel vorhanden ist, der in seiner Anordnung dem des Kaninchens nahe steht. Nebenbei wurde mir Gelegenheit, das Auge eines Affen (Cer- copithecus) kurz zu untersuchen. Der starke Muskel hat die drei- eckige Gestalt des menschlichen, fast noch ausgesprochener wie dieser, und ähnelt ihm durchaus; auch hatte ich mich von dem Vor- kommen einer starken Ringfaserparthie an seinem vordern innern Winkel überzeugt, obschon ich hier nicht mehr mit den sichreren Methoden prüfen konnte. Meyer untersuchte nach seinen Angaben nur Macacus nemestrinus, bei dem er keine Ringfasern fand, und spricht sie darauf hin, sämmtlichen Affen ab. Zu diesem Schluss ist gewiss kein Grund, ob es sich auch bei Macacus so verhalten mag. Ich bin es nun, namentlich der sorgfältigen Arbeit Meyer’s gegenüber, wohl schuldig auch etwas über die Methoden anzugeben, die mir bei dieser Untersuchung Hülfe leisteten. Zuerst und hauptsächlich arbeitete ich mit dem von F. E. Schulze empfohlenen Ghlorpalladium, dessen Anwendung und Wirkung von demselben (Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867, 13 und ds. Archiv 1. ec.) erläutert sind. Für die sehr bindegewebshaltigen Muskeln mancher Thiere ist es vortheilhaft, die Präparate etwas lange — mindestens S Tage, — in der Palladiumlösung von 1: 600— 800 zu lassen, um ihnen die zum Schneiden nöthige Härte zu geben; manchmal fand ich es hiefür gut und sonst ohne Nachtheil, Palladiumpräparate nachträglich in Alkohol zu härten. Ferner darf die Palladiumlösung nur wenig überflüssige Salzsäure ent- halten, weil sonst das Bindegewebe leicht quillt und die topogra- phischen Verhältnisse verschiebt. Zur Ermittlung der letzteren habe ich deshalb nur solche Präparate verwandt, an welchen, ma- kroskopisch und mit der Lupe betrachtet, der Durchschnitt des Ciliarrings die gleiche Dicke zeigte wie am frischen Auge. — Färbt man Schnitte von solchen Präparaten mit Carminlösung, so zeigen sich überall die schönen Farbenunterschiede, wie sie F. E. Schulze l. c. angiebt: die Muskeln gelb in verschiedenen Nuancen, alles Bindegewebige geröthet, die Nerven braun bis schwarz, hya- line und einige andere Membranen, z. B. die Zonula Zinnii, die aa Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 367 Membr. Descemeti, rosig orange bis goldroth. Zur Erkennung der Muskeln trägt ausser der Färbung bei, dass auch die Kerne recht deutlich hervortreten. Nachdem mir diese Methode die Existenz des Muskels überall wahrscheinlich gemacht hatte, versuchte ich zur Gontrolirung auch durch andere Behandlungsweisen den Muskel gegen das Binde- gewebe zu kennzeichnen; zunächst durch einfache Carminfär- bung. Es wird manchem Histiologen bekannt sein, wie ungleiche Resultate oft diese Tincetionsmethode in Bezug auf Bindegewebe gegenüber glatten Muskeln liefert. Bald färbt sich das Erstere, und die Letzteren nicht; bald werden beide gleichmässig geröthet; bald der Muskel sogar stärker wie jenes. Ich versuchte die Be- dingungen zu ermitteln, unter denen die eme oder andere Färbung eintritt, indem Schnitte von Alkoholpräparaten theils direet, theils in verschieden starker Essigsäure macerirt, in wiederum verschieden starke ammoniakalische Garminlösungen gelegt wurden. Aus zahl- reichen Versuchen resultirte Folgendes: Wird der Schnitt ausge- wässert und direct m beliebig starkes Carmin gelegt, so färbt sich Muskel und Bindegewebe gleichmässig. Dasselbe erfolgt unter allen Umständen, wenn die Carminlösung sehr concentrirt ist. Dasselbe erfolgt auch, wenn der Schnitt vorher in stärkerer, oder selbst bis 5; %/ verdünter Essigsäure gelegen hatte. Legt man ihn dagegen in sehr verdünnte — am Besten schien mir solehe von !/ıo — "/ı50/o — belässt ihn darin 1 bis mehrere Stunden, und bringt ihn dann in eine schwache, etwa rosenroth gefärbte, Carminlösung, in der. er selbst 24 Stunden bleiben kann: so färbt sich jetzt nur das Bindegewebe, der Muskel nicht. — So sehr mir das Warum einst- weilen räthselhaft ist, möchte ich diese Methode doch für recht brauchbar halten; sie hat mir, exact befolgt, fast immer gleiche Resultate geliefert; der Muskel zeigt sich, nach ihrer Anwendung, bei verschiedenen Thieren (z. B. Hund, Katze, Schwein) gerade in derselben Gestalt und Ausdehnung ungefärbt, als er sich nach Palladiumbehandlung gelh gefärbt zeigt. So scharfe und schöne Bilder, wie letztere, liefert sie freilich nicht. — Die Muskeln allein roth zu färben, habe ich bis jetzt. vergeblich versucht. — Meyer arbeitete an Chromsäurepräparaten und solchen aus Müller’scher Lösung, die mit Carmin gefärbt wurden; ausserdem an solchen, die mit Gummilösung bestrichen getrocknet waren. — Diese Methoden habe ich zur Controlirung vielfach angewandt, und 368 W. Flemming: finde sie hier wenig geeignet. — An Chromsäurepräparaten färbt das Carmin Muskel wie Bindegewebe so intensiv, dass sie oft schwer zu unterscheiden sind, und das Gewebe schrumpft stark zusammen. Die Trockenmethode ist vollends, wie schon H. Müller |. c. be- merkt, für feinere topographische Verhältnisse nicht gut. — Diesen Methoden mag Meyer die Bilder verdanken, nach denen er die Faserzüge überall gestreckt und lückenlos darstellte, Eine weitere sehr gute Methode, organische Muskeln hervor- treten zu machen, lernte ich in der Behandlung mit Holzessig kennen. In demselben muss das Gewebe, besonders wenn von Natur weich, reichlich 3 Wochen verweilt haben, bis es zum Schneiden geeignet ist. Legt man dann die Schnitte direet in Carminlösung von mittlerer Stärke, auf 2 bis selbst 6 Stunden lang, so färbt sich das Bindegewebige roth, die Muskeln bleiben scharf abstechend von braungelber Farbe. Für topographische Studien ist aber das Verfahren weniger geeignet, weil das Bindegewebe ziemlich stark aufquillt. | Ferner habe ich noch mit der von Merckei (in Henle’s und Pfeuffer’s Ztsch., letzt. Jg.) empfohlenen Oxalsäure Versuche gemacht. Der Ciliarring ist für sie kein so günstiges Object wie die Iris, da man ihn nicht gut in toto mikroskopisch untersuchen kann, und die Oxalsäurepräparate sich schlecht schneiden; doch ist die pigmentzerstörende Eigenschaft dieser Säure auch hier vor- theilhaft. Stücke des Ciliarrings, etwa 3 Wochen in Oxalsäure macerirt, lassen recht deutlich die Muskelzüge erkennen. Bei alledem war zum directen Beweis, dass der Muskel überall vorkommt, die Isolation seiner Elemente nöthig. Zu diesem Zweck habe ich mit den meisten der gangbaren Isolationsmethoden gearbeitet und fast alle, in ihrer gebräuchlichen Form, für das fragliche Gewebe wenig geeignet gefunden. Schon Kölliker (l. c.) bemerkt, dass auch beim Menschen die Faserzellen des Ciliarmuskels schwer isolirbar sind; Meyer giebt an, mit ver- dünnter Essigsäure und Kali von 35 %/, nur beim Menschen, dem Affen, Marder und der Katze oft gute Resultate erzielt zu haben; beim Hund, der doch einen zweifellosen Ciliarmuskel hat, gelang ihm dies schwer und selten, bei anderen Thieren gar nicht. Dies kann ich grossen Theils bestätigen. Die verdünnte Essigsäure muss ich freilich etwas in Schutz nehmen; zwar werden damit — etwa ein- procentiger — die Muskelfasern selbst sehr blass, aber die längs- Ueber den Ciliarmuskel der HMaussäugethiere. 369 gestellten Kerne zwischen denen des Bindegewebes so deutlich, dass die Muskeln bei guten Vergrösserungen kaum zu verkennen sind. Uebrigens aber sind die Muskelzellen hier, — und, setze ich hinzu, in der Iris — mit den gewöhnlichen Methoden schlecht darzustellen. Die 20 procentige Salpetersäure hat mir für sie fast gar nichts ge- leistet; das Gemisch aus chlorsaurem Kali und Salpetersäure, welches von Prof. Schulze sen. als Isolationsmittel für Pflanzen- zellen empfohlen, von Budge mit Erfolg für quergestreifte Muskeln angewandt ist, und welches ich für die Muskeln des Darms ausge- zeichnet fand, ist hier ebenso wenig geeignet; ich konnte zuweilen bei verschiedenen Thieren, nach 5 — 6tägiger Einwirkung, Faser- zellen damit isoliren, doch immer in sehr desolatem Zustand. Die besten Erfolge am frischen Gewebe hatte ich mit der 35 procentigen Kalilauge. Mit ihr gelang es öfter, am besten stets bei der Katze, selten beim Hund, Schwein und Wiederkäuern, nach verschieden langer Einwirkung Faserzellen zu sondern, die aber an Schönheit immer weit hinter denen zurückblieben, welche sich mit all jenen Rea- eentien aus der Muskularis des Darms oder dem Uterus herstellen lassen. Die Faserzellen der inneren Augenmuskeln werden in dem Kali blass, körnig, brüchig, verlieren ihre scharfen Spitzen, Con- touren und ihre eigen lichtbrechende Beschaffenheit, und die Kerne werden undeutlich; — sie mögen sich vielleicht chemisch von an- deren glatten Muskeln unterscheiden. Es liegt nahe, dass dieselben sich vielleicht besser sondern lassen werden, wenn man ihnen vorher durch irgend ein Mittel mehr Resistenzfähigkeit giebt. Ich finde dies sehr einfach erreicht, indem man nicht am frischen, sondern an in Chlorpalladium gehärtetem Gewebe isolirt. Die Härtung durch Alkohol u. A. scheint hiefür weniger passend. Durch das Palladium erhalten die Muskel- fasern, ausser der sehr haftenden gelben Färbung, eine eigene Starr- heit und die Kerne werden dadurch ziemlich dauerhaft fixirt. Freilich wird auch die bindende Zwischensubstanz der Muskeln etwas gefestigt; man muss, wenn man ein solches muskelhaltiges Stück- chen in KO, HO 35 °/, legt, bis zur Isolation länger warten und öfter probiren, da der Zeitpunct der besten Kaliwirkung sehr varlirt — vielleicht nach dem Grade der vorhergegangenen Härtung. Im Durchschnitt gab mir eine 12—24 stündige Maceration in dem Kali die besten Erfolge; nicht immer waren sie gleich gut, manch- mal sehr dürftig, doch nie so schlecht wie am frischen Gewebe. — 24 370 W. Flemmine: Natürlich habe ich eine grosse Anzahl derartiger Versuche gemacht, bis ich jetzt auszusprechen unternehme, dass mir. diese Art der Iso- lation bei allen 'Thieren, denen ich den Muskel zuspreche, überzeu- gende Resultate lieferte. Am Besten waren sie auch hier bei der Katze; nicht immer so leicht zu erzielen, aber völlig befriedigend, beim Menschen, Hund, Schwein und den Wiederkäuern ; seltener wurden sie beim Pferd erreicht, am Schlechtesten blieben sie bei den Nagethieren. — Um eine Verwechselung mit Muskelfasern aus Gefässwänden zu vermeiden, habe ich immer nur solche Stücke ver- wendet, die ihrer Hauptmasse nach Muskel sein mussten, wenn es hier überhaupt solehen gab. Es wurden dazu an Meridionalschvitten aus Pailadiumpräparaten die Ciliarfortsätze, die Aderhaut, das Lig. pectinatum und das gefässhaltige Bindegewebe des Corp. eiliare, auch noch die Umrisse des Muskels selbst, sorgfältig unter der Lupe abgetrennt und nur das Mittelstück des Muskels in das Kali gelegt; nachdem vorher die Menge und Stärke der Faserzüge unter dem Mikroskop geprüft war. Wurde dann nach hinreichender Kali- wirkung das Gewebe oberilächlich zerfasert und bei schwacher Ver- grösserung betrachtet, so sah man (die Bruchstücke jener Faserzüge, in einer Masse wie sie jener Schätzung entsprach, als gelbe, grob- faserige Fragmente, aus denen hie und da Fasern hervorstarrten, zwischen den helleren Massen des elastischen Gewebes und Binde- gewebes. Wenn man ein solches gelbes Fragment sich markirt, unter der Lupe mit feinen Nadeln schonend zerlegt — denn die- Muskeln werden mürbe und leicht zerbrechlich — so bekommt man bei stärkerer Vergrösserung jetzt, neben einer Masse zerbrochener, immer eine Anzahl erhaltener isolirter Faserzellen zu Gesicht, an denen die Kerne noch wohl kemntlich sind. Die anderen Sonderungsmittel, NO; ete., haben mir auch für Palladiumpräparate wenig geleistet. Ueberblicken und vergleichen wir nochmals die Befunde, so lässt sich Folgendes aufstellen: Der Ciliarmuskel fand sich bei Repräsentanten aller Haupt- klassen der Säuger, kommt also wahrscheinlich bei allen Säugern vor. Die Anordnung seiner Fasern ist bei den hier untersuchten Thieren überall geflechtartig, mit starkem Vorwiegen der meridio- nalen Längsfaserzüge. Der hintere Ansatzpunkt ist überall die Aderhaut. Zwei getrennte Längsbäuche, oder auch nur Längs- faserpartieen, wie sie Mannhardt (l. ec.) u. A. fanden, konnte Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. 371 ich nirgends constatiren. Die Lücken des Geflechts enthalten Binde- sewebe und einzelne Gefässe. Vergleicht man den Muskel bei verschiedenen Säugethieren, so spricht sich deutlich eine Abstufung in der Entwicklung seiner Struktur von einer Thierklasse zur anderen aus, welche — soweit der Ausdruck zulässig ist — ihren Gipfel erreicht in den Verhält- nissen bei Affen und Menschen. Dieser Gipfel scheint zu liegen in der Ausbildung der vorderen innern Ecke des Muskels. Beim Men- schen und mänchen Affen springt diese Ecke stark nach innen vor, so dass der Muskelbauch dreieckig ist, und es finden sich in ihr Ringfaserzüge. — Bei den Katzen fehlen letztere, die vordere innere Ecke des Corpus ciliare springt nicht mehr soweit vor, doch zieht sich noch Muskel in sie hinein, bis gegen den Umfang der Iris herab. Bei anderen Raubthieren (Hund) ist dies in noch schwächerm Maasse der Fall. Bei den Diekhäutern reichen die innern Längsfaserzüge noch bis an das Lig. pectinatum herab, doch ist der eigentliche Ansatz des Muskels hier durchaus die Selera, nahe ihrem Uebergang in die Hornhaut. Ebenso ist Letzteres bei den Wiederkäuern, hier reichen die inneren Fasern sogar weniger weit nach vorn wie die äusseren. Bei den Einhufern ist der Muskel sehr kurz und setzt sich schon weit hinten an die Sclera. Bei den Nagern besteht er aus wenigen Längszügen, die der Sclera dicht anliegen und gar nicht in den inneren Theil des Corp. ciliare hineingreifen. In physiologischer Hinsicht will ich nur das kurz anfügen, was sich aus den Befunden zweifellos zu ergeben scheint. — Bei allen untersuchten Säugethieren — den Menschen und Affen bespreche ich hier nicht mit — sind die wesentlichen Ansatzpunete: hinten die Aderhaut, vorn die Sclera und Cornea, bei Einigen und weniger wesentlich auch die Iris. Die vordere Verbindung ist zunächst keineswegs eine »elastische«, wie Levy annimmt, sondern eine feste; denn theils setzen sich ja Muskelfasern selbst an die Sclera, theils an den starken äusseren Theil des Lig. pectinatum, der aus festem Bindegewebe besteht!). Diesen vorderen Ansatzpunct muss ich durchaus als das Punctum fixum des Muskels ansehen und also an- 1) Ueberhaupt weist Haase (l. s.c.) nach, dass das ganze Band aus einer Art resistenten Bindegewebes, nicht aus elastischem bestehe. 372 W. Flemming: nehmen, dass derselbe den Namen eines Tensor Chorioideae mit vollem Recht verdient. Die Behauptung, dass die Aderhaut nicht sedehnt werden könne (Levy), bedarf wohl keiner Widerlegung ; auch ist ja durch Hensen und Völckers (Experimentalunter- suchung über den Mechanismus der Accommod., Kiel 1868) direct bewiesen, dass bei Reizung des Giliarganglion beim Hunde die Cho- rioidea nach vorn rückt. Auf die Theorie, der Muskel habe sein einziges Punetum fixum hinten an der Aderhaut und presse bei seiner Action die Ciliarfortsätze von vorn nach hinten zusammen, vorn hänge er lose am elastischen Lig. pectinatum (Levy) — braucht also wohl nicht eingegangen zu werden: Die Iris kann bei der Katze und beim Hunde durch den Muskel bewegt werden, der Art, dass ihr Umfang nach hinten an- gezogen wird. Bei den übrigen Säugethieren ist dies nach Lage, Ansatz und Faserverlauf des Muskels wenig wahrscheinlich. Eine Sphincterwirkung, von Seiten der quer und halbquer gegen die Längszüge laufenden Anastomosenbündel, kann wohl aus- geübt werden, wird aber wegen der Schwäche dieser Bündel nicht bedeutend sein. Ob und wie endlich der Muskel auf die Ciliarfortsätze wirkt, ist durch rein anatomische Betrachtung kaum zu ermitteln. Dass er dieselben beim Hund und der Katze, wo nicht bewegen, doch in ihrer Form alteriren kann, ist nicht abzuweisen. Bei den Wieder- käuern, Einhufern etc. liegt er dagegen so weit hinter den Ciliar- fortsätzen und hat einen solchen Faserverlauf, dass an eine directe Bewegung der Fortsätze jedenfalls nicht zu denken ist!). Das Eine aber gilt überall, dass durch die Action des Mus- kels der Ansatz der Zonula am Corpus ciliare nach vorn und innen verschoben werden kann. Rostock, im Juni 1868. 1) Schumann (Ueb. d. Mech. d. Accommodation, Dresden 1868, p. 14) giebt an, »sich an Durchschnitten von frischen Thieraugen überzeugt zu haben, dass die Kreisfaserlage des Muskels noch vor der Zonula, ja noch vor der Vorderfläche der Linse liege.«e — Dies ist wohl ein kleines Versehen: einmal kommt, wie gesagt, wenigstens an den hier untersuchten Thieraugen keine Kreisfaserlage vor; und dann liegt der Muskel bei den meisten Thieren viel weiter hinten, bei den Raubthieren liegt mindestens kein Theil desselben vor dem Linsenrand. u 1 Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI u. XXI. Fig. 1—7 sind mit der Camera clara. mit Ausnahme von Fig. 4 bei etwa 30facher Vergrösserung. gezeichnet; sämmtliche nach Palladium-Carmin- Präparaten. Die Farben sind natürlich ein wenig schematisirt, um die Wieder- gabe zu erleichtern; denn die Nuancen, besonders das Gelb, wechseln sehr. In den Figuren 1, 2, 3. 5, 6, 7 bedeuten die Buchstaben: Ch — Chorioidea. C — Cornea. S — Seclerotica. M — Ciliarmuskel. IT — Gefässdurchschnitte des Plexus Hovn. Cit — Ciliarfortsätze. L. p. — Ligamentum pectinatum. €. S. — Canalis Schlemmi. D — Membrana Descemetu. I. — Iris: B — Buckelförmige Anschwellung (Meyer). L. ec. r. — Lamina ciliaris Retinae (Henle). Z — Reste der Zonula Zinnii. Bei Fig. 5 und 6: Bd — Bindegewebiger Theil des Annulus ciliaris. Bei Fig. 7: L. p. 1: Feinbalkiger hinterer Theil L. p. 2: Grobbalkiger vorderer Theil dı d, 7 erste, zweite und dritte Lamelle der Membrana Descemeti. „| Fig. 1. Meridionalschnitt durch den Ciliarmuskel des Kätzchens. | des Lig. pectinatum. » 2. Ciliarmuskel eines mittelgrossen Hundes, Meridionalschnitt. » 3. Ciliarmuskel des Schweines, ebenso. Bei n ein 2mal längs durch- schnittener Ciliarnerv. » 4. Feines Flechtwerk aus dem Muskel des Schweines, Vergr. etwa 200, mit der Camera clara angegeben. 374 W. Flemming: Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere. Fig. 5. Ciliarmuskel des Hammels, im verticalen Meridian durchschnitten. Mit der Camera clara w. o. gezeichnet und auf ?/, verkleinert. Derselbe, im horizontalen Meridian durchschnitten, sonst ebenso. Ciliarmuskel des Pferdes, Meridionalschnitt, ebenso. Isolirte Faserzellen (mit KO, HO 35°/, aus Palladiumpräparaten) aus dem Ciliarmuskel 1. des Kalbes, 2. des Schafes, 3. des Schweines. u om Von den Pigmentzellen, welche zwischen den Muskelzügen liegen, sind, namentlich beim Hund und Pferd, ein grosser Teil fortgelassen, da sie das Bild zu sehr verwirren würden. — Auch die Kerne ete. des Bindegewebes sind deshalb nicht überall angedeutet. Fig. 9. Horizontaldurchschnitt eines Ochsenauges, zur Demonstration der Lage des Muskels. L: Linse, @: Glaskörper, Z: Zonula, A: Aufhängeband der Linse; die übrigen Bezeichnungen wie oben. ee a — Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. Von Franz Boll, stud. med. Hierzu Taf. XXI. Das für die ganze Klasse der Fische so durchaus characte- ristische Schleimkanalsystem erfreut sich in der Ordnung der Selachier einer ganz besonderen Entwickelung und Individualisirung. Nicht nur dass das System der eigentlichen Seitenlinie mit ihren Verästelungen eine hohe Entwickelung und starke Dimensionen’ zeigt, sondern es kommen auch noch ausserdem in dieser Ordnung allge- mein verbreitete ganz specifische Gebilde vor, welche wir functionell wie morphologeisch diesem System anzureihen die meisten Gründe haben, ebenfalls Sinnesorgane, ebenfalls wahrscheinlich dazu be- stimmt die Thiere über die Natur und die Bewegung des umge- benden Mediums zu unterrichten. Es sind dies m der Haut gelegene, mit einer eigenthümlich consistenten Gallerte angefüllte, nicht ver- zweigte Röhren, welche mit einer Erweiterung blind geschlossen beginnen und sich auf der äusseren Haut öffnen. Sie finden sich stets am vordern Körperende; bei einigen Haien sind sie sogar nur auf die Schnauze beschränkt, während bei den Rochen die Röhren oft eine colossale Länge erreichen und die Hautmündungen also sehr weit nach hinten zu fallen können, wobei jedoch das blind geschlossene Ende stets am Kopfe liegt. Gewöhnlich ‚liegen die blinden Enden zu 50 und noch. mehr — namentlich bei den Rochen — zusammen und sind zu einzelnen Packeten vereinigt, welche von 376 Franz Boll: einer gemeinsamen fibrösen Kapsel umschlossen werden. Innerhalb der Kapsel findet man die blinden Enden in gallertiges Bindegewebe eingebettet. Bei den einzelnen Species differirt die Anzahl und Grösse dieser Centralmassen bedeutend. Man hat diese Gebilde als »Gallertröhren« und als »Ampullen« bezeichnet. Eben diese hohe Entwickelung war die Ursache, dass die Ent- deckung des Schleimkanalsystems zuerst an den Plagiostomen ge- macht wurde. Nils. Stenson!) gebührt das Verdienst der ersten Entdeckung. Er fand am Rochen die Hautmündungen des Schleim- kanalsystemes auf, scheint jedoch die Kanäle selbst gar nicht un- tersucht oder doch wenigstens nicht gekannt zu haben. Einige Jahre später ?) beschreibt er dieselben Oeffnungen an den Köpfen einiger „Haifische, ohne jedoch auch hier auf die Kanäle selbst näher einzu- gehen. Bedeutend vermehrt, um nicht zu sagen begründet, werden unsere Kenntnisse über diese Organe bei den Plagiostomen jedoch erst durch Stephau Lorenzini, den Leibarzt des Grossherzogs von Florenz, einen Schüler des grossen Redi, welcher 1678 eine Anatomie des Zitterrochen mit Abbildungen herausgab?®). Leider ist mir das Original nicht zugänglich gewesen und kenne ich seine Ab- handlung nur aus dem recht ausführlichen Auszuge, der bald darauf in lateinischer Sprache — leider jedoch ohne Abbildungen — er- schien *) und dem ich folgende Stelle entnehme: . Cutis torpedinis infinitis foraminibus maioribus et minoribus pertusa est, quibus totidem canalieuli diversae item magnitudinis, humore viscoso pellemque lubricante referti annectuntur. Separata pelle canaliculi maiores in dorso in duos fasciculos collecti, obser- vantur altera sua extremitate omnes coniunctim terminari inter oculos et anteriorem extremitatem capitis, ubi quivis canaliculorum seorsim affıxus est exiguo globulo erystallino simili semini coriandri, 1) Nicolai Stenonis, De muscenlis et glandulis Observationum Spe- cimen cum epistolis duabus anatomieis. Amstelod. 1664. pag. 54. 2) Elemertorum Myologiae Specimen, cui accedunt Canis Carchariae dissectum caput et dissectus piscis e Canum genere. Amstelod. 1669. pag. 93 und 139. 3) Osservazioni intonso alle Torpedini. Florenz 1678. 4) Miscellanea curiosa s. Ephemeridum medico-physicarum annus IX et X, 1680 pag. 389. Abgedruckt in Valentini Amphitheatrum zootomieum. Frankf. a. M. 1720. II. 110. © 1 1 Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. natanti in humore quodam albo glutinoso. Minores vero sunt ramuli alterius cuiusdam canalis gemini productaque per totam pellis longitudinem ramificatione in caudam terminantis. Wie man sieht, hat Lorenzini ganz ausgezeichnet beobachtet. Seine Beschreibung ist noch jetzt durchweg richtig. Er unterscheidet zwei Arten von Kanälen, von denen die ersteren nach längerem oder kürzerem Verlauf alle am Kopfe in kleinen hellen Bläschen endigen, welche in dem gallertartigen Bindegewebe — Lorenzini’s humor albus glutinosus — suspendirt sind und durch ihren Glanz leicht auffallen. Die letzteren sind die Ramificationen des eigentlichen Schleimkanalsystems. Lorenzini ist also, wenn auch nicht als der erste Entdecker des Schleimkanalsystems, so doch als der erste gründliche Untersucher desselben und jedenfalls als der Entdecker der Gallertröhren oder Ampullen zu betrachten. Ohne von seinem Vorgänger zu wissen, beschreibt 100 Jahre später Alexander Monro') das Schleimkanalsystem einer Raja- Art und giebt zwei recht gute Abbildungen des Verlaufs der Gal- lertröhren und der Schleimkanäle und der Lagerung der von den blinden Enden der ersteren gebildeten Oentralmassen. Der berühmte schottische Anatom ist jedoch in der Auffassung dieser Verhältnisse lange nicht so glücklich gewesen, wie Lorenzini. Die centrale Endigung der einzelnen Gallertröhren in den hellen runden Bläschen hat Monro gar nicht gesehen, und der von seinem Vorgänger schon so richtig erkannte und scharf präzisirte Unterschied zwischen Gallertröhren und Schleimkanälen existirt daher für ihn gar nicht. Dagegen beschreibt er, was ich m dem Auszuge von Lorenzini’s Abhandlung noch vermisse, dass ein mächtiger weisser Hirnnerv in den Üentralmassen endigt. Während alle Forscher die Schleimkanäle der Fische und speciell die bis dahin nur an den Rochen nachgewiesenen Organe unbedenklich als Secretionsorgane auffassen, dazu bestimmt Schleim auf die Hautoberfläche der Fische zu ergiessen, macht sich mit dem Anfange dieses Jahrhundertes eine durchaus andere Auffassung geltend. Etienne Geoffroy St. Hilaire?), unbekannt mit dem von 1) The structure and Physiology of fishes. Edinburg 1785. Uebersetzt und mit eigenen Anmerkungen sowie Zusätzen von P. Camper vermehrt von J. G. Schneider. 2) Memoire sur l’anatomie comparde des Organes &lectriques, in den Annales du Museum national I, 1802. pag. 392, 378 Franz Boll: ‘Lorenzini entdeckten Vorkommen dieser Organe bei Torpedo, stellte die Ansicht auf, dass die von denselben gebildeten Central- massen in der Gattung Raja, den electrischen Organen der Gattung Torpedo homolog seien. Doch scheint diese Deutung nicht auf eigenen Untersuchungen dieser Organe zu beruhen, wie er denn auch über ihre Anatomie durchaus nichts Neues beibringt. Sowohl gegen die ältere Auffassung dieser Gebilde als Secretionsorgane, wie gegen die Auffassung St. Hilaire’s, tritt Jacobson auf, in einer Abhandlung !), die ich leider nur aus einem sehr dürftigen Auszuge?) kenne. Nachdem er die gröbere Anatomie und die Lagerungsver- hältnisse der einzelnen Uentralmassen erörtert, zeigt er, dass diese Organe Sinnesorgane sind, eine diesen Fischen eigenthümliche Form der Empfindungswerkzeuge, an denen er schon scharf den Ausfüh- rungsgang und den wesentlichen Oentraltheil, eine für die Nerven- ausbreitung und Endigung bestimmte Kapsel unterscheidet. Einige Jahre später tritt auch GR. Treviranus?), der diese Organe ebenfalls sehr sorgfältig untersuchte und sie zuerst- auch an den Haien nachwies, Jacobson’s Ansicht bei. Nachdem auch Blain- ville *#) sich gegen Geoffroy St. Hilaire ausgesprochen, neigte man sich allgemein der von den beiden letzten Forschern vertre- tenen Ansicht zu. Ohne, wie es scheint, die Arbeiten derselben zu kennen, be- schreibt Delle Chiaje?) diese Organe als Organi mucipari. Ich kenne seine Abhandlung nur aus einer ganz kurzen Erwähnung in Oken’s Isis 6), doch scheint mir aus der Bezeichnung hervorzugehen, dass er sie als schleimbereitende Organe im Sinne der alten Forscher vor St. Hilaire und Jacobson auffasst. Ebenso Savi, der in einer mir ebenfalls nur aus der Isis‘) bekannten früheren Mit- theilung”?) Delle Chiaje’s Ansicht verworfen und sich der von 1) Nouveau Bulletin des Sciences, par la Societ& philomatique de Paris Vol VI, 1813. pag. 332. 2) Froriep Notizen, Bd. V, pag. 53, 1848. 3) Verm. Schriften anat. und phys. Inhaltes IH, 141. 1820. 4) Prineipes d’Anatomie comparee I, 250. 1822. 5) Anatomiche disamine sulle Torpedini im den Atti del Real Istituto d’Incorragiamento alle Scienze naturali di Napoli VI, 1840. pag. 291. 6) Jahrgang 1843. pag. 406. 7) Atti della terza Riunione degli Scienzati Italiani tenute in Firenze. 1841. pag. 334. Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. 379 Jacobson zugeneigt hatte, in einem grösseren Werke!) aber die Bezeichnung und die Ansicht des Neapolitaner Gelehrten ganz zu der seinigen macht. Er liefert eine ausgezeichnete Beschreibung dieser Organe bei Torpedo, sah die Nerven in das Innere der Am- pullen eintreten, liess sich aber durch die in die Höhlung der letz- leren vorspringenden Leisten bei Anwendung des Compressoriums verleiten zur Annahme geschlossener, in jeder Ampulle gelegener innerer Blasen, welche nicht existiren. Noch einmal werden die von den Ampullen gebildeten Central- massen der Rochen als den electrischen Organen homologe Bildungen beansprucht von C. Mayer ?), welcher diese Theorie ganz unab- hängig von Geoffroy St. Hilaire und gänzlich unbekannt mit dessen sowie Jacobson’s und Treviranus’ Arbeiten aufzustellen scheint. Es scheint mir nach den Arbeiten der beiden letzten For- scher diese auf’s Neue wieder aufgetauchte Hypothese die gründ- liche Widerlegung kaum verdient zu haben, welche Charles Robin) ihr angedeihen liess, ohne jedoch selbst wesentlich neue Thatsachen über die Anatomie der Ampullen beizubringen. Eine schon früher veröffentlichte kleinere Abhandlung) desselben For- schers über diese Organe beschäftigt sich ebenfalls nur mit den gröberen Verhältnissen der Gentralmassen. Eine 1845 erschienene Arbeit von Retzius?°) lehnt sich im Allgemeinen an die Darstellung von Jacobson an und bringt noch einige weitere Details, ohne jedoch die Frage nach der En- digungsweise der Nervenfasern in den als Sinnesorgane bean- spruchten Ampullen ihrer Lösung näher zu bringen. Ebenso blieben 1) Etudes anatomiques sur la Torpille. In Matteucei Traite des Phenomenes &lectro-physiologiques des animaux. Paris 1844, 2) Spieilegium observationum anatomicarum de organo electrico. Bonn 1843. Akad. Progr. 3) Recherches sur un appareil, qui se trouve sur les Raies. Annales des Sciences naturelles, 3 me. Serie VII. pag. 193 1847. 4) Bulletins de la Societ& philomatique 1846. 5) Oefversigt af Kongl. Vetenskaps Akad. Förhardlingar. Stockholm 1845. Mir nur aus dem ziemlich ausführlichen Auszuge im Frorieps Notizen V, 53. 1848 bekannt. 380 Franz Boll: auch Stannius!) darauf gerichtete zahlreiche Untersuchungen resultatlos. Die neuesten Arbeiten über diesen Gegenstand haben die Natur der Ampullen als Sinnesorgane unumstösslich sichergestellt. Ich brauche dieselben nicht näher zu characterisiren; es genügt, wenn ich nur die Namen Heinrich Müller und Leydig nenne, deren fast gleichzeitig erschienene grössere Arbeiten über diesen Gegen- _ stand späteren Untersuchern nur noch wenig zu thun übrig gelassen haben. Ersterer ?2) hat die Ampullen nur an den kochen, Letzterer nicht nur an einer sehr grossen Anzahl von Plagiostomen ?), sondern auch an Chimaera monstrosa *) untersucht und so diese Organe als in der ganzen Ordnung der Selachier allgemein verbreitet nachgewiesen. Ich habe in dem Vorigen alle mir bekannt gewordene Litera- tur über diesen Gegenstand zusammengestellt. Ich finde aber noch bei anderen Autoren 5) ©) gelegentlich erwähnt, dass ausser den oben aufgezählten Forschern noch folgende Schriftsteller über diese Organe geschrieben haben: Guvier°), Desmoulins) 6), Duvernoy?), Magendie’) und Miescher), deren Arbeiten ich jedoch nicht auf- zufinden vermochte. Guvier wird diese Organe wahrscheinlich in seiner mir unzugänglichen Histoire naturelle des poissons abge- handelt haben. Noch eine Bemerkung über den Namen dieser Organe. Die ursprünglich bei den älteren Autoren sich findende Bezeichnung »Schleimröhren« und »Gallertröhren« ist mamentlich durch die. Arbeiten von H. Müller und Leydig verdrängt und durch die Bezeichnung » Ampullen« ersetzt worden. Diese in der That sehr pas- sende Bezeichnung möchte ich weder zu Gunsten der alten »Schleim- röhren« noch irgend eines neuen noch zu erfindenden Namens aufge- geben wissen, wenn sie auch bereits schon, und zwar in der ganzen Wirbelthierreihe ganz allgemein an die Erweiterungen der halbzirkel- 1) Stannius, das peripherische Nervensystem der Fische. Rostock 1849. pag. 45. 2) Verhandlungen der Phys. Med. Ges. zu Würzburg II. 134. 1852. 3) Franz Leydig, Beiträge zur mikroskop. Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte der Rochen und Haie. 1852. pag. 36—47. 4) Müller’s Archiv. 1851. pag. 249. 5) cf. Charles Robin in den Annales des Sciences naturelles 1847. pag. 195. 6) ef. Frorieps Notizen. 1848. V. pag. 53. Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. 381 förmigen Kanäle des Gehörorgans vergeben ist. Es würde sich nur darum handeln, unsere Organe vor den letzteren durch ein charac- teristisches Beiwort zu unterscheiden, zumal da bei den Plagiostomen die Ampullen des Gehörorgans — durch M. Schultze’s Unter- suchungen — ebenfalls eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Ich möchte daher an dieser Stelle vorschlagen, unsern Organen den Namen der »Lorenzini’schen Ampullen« beizulegen und so einem mittlerweile dringend werdenden Bedürfniss unserer anatomischen Nomenclatur abzuhelfen und zugleich den Namen ihres ersten Ent- deckers, der uns eine für seine Zeit wirklich tadellose Beschreibung derselben geliefert hat, in unserer Wissenschaft zu erhalten. Während unseres gemeinsamen Aufenthaltes in Nizza im Frühling d. J. empfahl mir M. Schultze — was er schon ein- mal in Ostende versuchte — die Ueberosmiumsäure bei der Un- tersuchung dieser Organe anzuwenden. Ich fertigte von einer frischen Haischnauze — die Species konnte damals wegen Mangel litera- rarischer Hülfsmittel nicht bestimmt werden — Schnitte von etwa i/, Dicke an und legte dieselben auf 1— 2 Stunden in Ueberos- miumsäure von !/4°/.. Darauf nahm ich sie heraus und bewahrte sie von da ab in reinem Wasser auf. Das Wasser wurde öfter er- neuert und die Präparate hielten sich über vier Wochen völlig unverändert. Die aus der Osmiumlösung genommenen Schnitte entfalteten schon dem blossen Auge ein wirklich prachtvolles Bild. In dem gänzlich ungefärbten glashellen gallertartigen Bindegewebe der Schnauze traten die tiefschwarzen Nervenstämme bis in ihre feinsten Verästelungen scharf hervor, ebenso erschienen. die blinden Enden der Röhren prächtig dunkelbraun gefärbt, welche Tinetion jedoch nach dem wieder ungefärbten Ausführungsgange zu plötzlich auf- hörte. Ich beschloss an der Hand dieser für diese Organe auf den ersten Blick schon so viel versprechenden Methode die Anatomie derselben noch weiter zu verfolgen und bin denn auch in der That zu einigen Resultaten gelangt, welche ich hier niederlege. Zugleich muss ‚ch bemerken, dass die Kürze der Zeit und anderweitige Beschäftigun- gen mir nicht erlaubten, meine Untersuchungen auch auf andere Species als diese eine unbestimmte, auszudehnen. Nur an Torpedo marmorata habe ich später noch eine Nachuntersuchung angestellt und wesentlich dieselben Verhältnisse vorgefunden. Das gallertige Bindegewebe der Schnauze verleugnet auch 382 Franz Boll: in der nächsten Nähe der Ampulle seinen embryonalen Character nicht, es liefert keine Gewebselemente zum Aufbau der Ampulle, sondern dieselben erscheinen als durchaus fremde Einlagerungen, die sich mit grosser Leichtigkeit beim Zerzupfen mit Nadeln völlig isolirt darstellen lassen. . Doch lässt ein in dem Bindegewebe in der nächsten Nähe der Ampullen sehr reich entwickeltes Capillarnetz die hohe Wichtigkeit der gallertigen Grundlage für die Ernährung der rein aus Epithelien und spärlichem feinfaserigen Bindegewebe sich aufbauenden Ampullen erkennen. Die Ampulle ist eine mit einem einschichtigen Epithel überall gleichmässig überzogene blind geschlossen endigende Einstülpung von der äussern Haut aus. Das Epithel ist überall einschichtig, tritt jedoch unter zwei verschiedenen streng zu trennenden Formen auf, deren Grenze an mit Osmiumsäure behandelten Präparaten, wie die nur mässig vergrösserte Fig. 1 zeigt, fast schon mit blossem Auge sichtbar ist. Das Epithel der der äusseren Haut zunächst liegenden Theile der Röhre, oder wie man auch sagen kann, das Epithel des Ausführungsganges (siehe Fig. 7) besteht aus sehr grossen hellen abgeplatteten mit einem Kern versehenen polygonalen Zel- len, die in einfacher dünner Lage die ebenfalls nicht viel stärkere bindegewebige Grundlage der Röhre überziehen. Die Faserung der letzteren geht grösstentheils der Länge nach, doch kommen auch Andeutungen querer Faserung vor. In der eigentlichen binde- gewebigen Grundlage selbst sowohl des Ausführungsganges wie des. blinden Endes finden sich niemals Capillaren. Die Epithelien des Ausführungsganges bleiben auch bei Behandlung mit Osmium blass und unverändert, wogegen sich bei diesen Präparaten gegen das blinde Ende zu die dunkel gefärbte eigentliche Ampulle ganz scharf absetzt. Ihr ebenfalls nur einschichtiges Epithel ist nicht plattge- drückt, die Zellen sind kleiner, kugelig, erscheinen im optischen Querschnitte also meist rundlich polygonal und sehr Protoplasma reich. Von Natur schon wohl etwas pigmentirt, färben sie sich bei Behandlung mit Osmium dunkel. Sie zeigen runde Kerne mit meist einem einzigen deutlichen Kernkörperchen. Was sie aber ganz be- sonders vor den Zellen des Ausführungsganges auszeichnet, ist, dass sie alle auf der freien, dem Lumen der Ampulle zugekehrten Seite je einen hellen, das Licht ziemlich stark brechenden, stift- oder stachelförmigen Fortsatz tragen, dessen Länge dem Durch- messer der Zelle, von welcher er ausgeht, fast gleichkommt. Im Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. 383 Grunde der Ampulle, unterhalb der durch das Osmium sehr scharf gezogenen Demarcationslinie gegen den Ausführungsgang hin, habe ich diese Fortsätze an keiner Epithelzelle vermisst, wie überhaupt in den beiden so scharf geschiedenen Partieen der Röhre die Epithelien unter sich eine hohe Gleichartigkeit zeigen. Schon Leydig'!) hat diese Zellen gesehen; er beschreibt jedoch diese »lichten, stachel- förmigen Fortsätze«, wie er sie sehr passend nennt, nur als eine besondere Eigenthümlichkeit von Hexanchus. Ich glaube, dass diese stachelförmigen Zellfortsätze ein constantes Vorkommniss in den Ampullen aller Selachier sind. Die von mir untersuchte Species war, wie ein Vergleich meiner Fig. 1 mit Leydig’s Taf. I, Fig. 14 zeigt, sicher kein Hexanchus, und bei Untersuchung eines ganz frischen Exemplares von Torpedo marmorata fand ieh ebenfalls diese Stachelzellen vor. Sie sind also bis jetzt an drei Species wirklich nachgewiesen worden. Während der mit abgeplatteten Epithelzellen bekleidete Aus- führungsgang nur als ein einfaches eylindrisches Rohr von stets gleichen Dimensionen erscheint, gestalten sich die Verhältnisse des nit den Stachelzellen ausgekleideten blinden Endes, der eigentichen Ampulle, wie wir von nun an mit Ausschluss des indifferenten Ausführungsganges das morphologisch sowohl wie functionell bedeu- -tend mehr differenzirte geschlossene Ende allein bezeichnen wollen, viel eomplieirter. Nach Leydig’s über eine ganze Reihe von Sela- chierspeeies ausgedehnten Untersuchungen findet sich bei allen con- stant die Ampulle erweitert und zeigt einen grösseren Durchmesser wie der Ausführungsgang. Auch bei der von mir untersuchten Species ist dies, wie ein Blick auf Fig. 1 lehrt, der Fall. Ferner erscheint bei allen von Leydig untersuchten Haifischen die Wand der Am- pulle nie einfach glatt, sondern zeigt bei allen mit Ausnahme von Acanthias vulgaris und Hexanchus, stets acht mehr oder we- niger bauchige Hervortreibungen, so dass — nach Leydig’s tref- fendem Vergleich — das Bild einer sorgfältig abgeschälten Pome- ranze entsteht. Leydig fand ferner eben so wie H. Müller bei allen von ihm untersuchten Species von der Wand aus nach innen acht Scheidewände abgehen, die sich im Centrum vereinigen, so- dass« ein Querschnitt der Ampulle sich wie ein Querschnitt einer Pomeranze ausnimmt.« 1) Beiträge. pag. 43 u. Histologie p. 202 Holzschnitt. 384 Franz Boll: Auch bei der von mir untersuchten Species, deren Ampullen mit den von Leydig Taf. Il, Fig. 6 abgebildeten von .Sphyrna malleus die meiste Aehnlichkeit haben, lassen sich von aussen eben- falls leicht, fast schon mit blossem Auge, die acht bauchig hervor- tretenden Stellen, die blindsackartigen Erweiterungen wahrnehmen. Der Bodeu der Ampulle ist keineswegs eben, vielmehr ist das Centrum desselben (siehe Fig. 1, wo ich es durch die Aussenwand hindurchschimmernd gezeichnet habe) emporgewölbt wie der Boden einer Weintlasche. Zerzupft man vorsichtig eine Ampulle mit feinen Nadeln, so gelingt es meist leicht, dieses emporgewölbte Centrum des Bodens zu isoliren. Man erhält bei einiger Ausdauer leicht Bilder, wie Fig. 4; die Hervorwölbung des Bodens bildet nämlich eine centrale regelmässige sternförmige Platte, welche in gleichen Abständen acht Strahlen oder Arme entsendet. Die Grundlage der Centralplatte bildet ein sehr straffes, feinfaseriges Bindegewebe, welches sich in acht starke Stränge zusammenlegt und so vom Mit- telpuncte ausstrahlend die festen Axen für die mit Stachelzellen bekleideten acht Arme hergiebt. Durch das Epithel hindurch und be- sonders an den vom Epithel entblössten Enden der Arme auf Fig. 4, ist die Faserung der bindegewebigen Axe sehr gut zu erkennen. Auf dieser Fig. erscheint die Platte bei ziemlich starker Vergrösse- rung von oben gesehen. Man sieht gleichsam auf den Grund eines Bechers oder Kelches. Ich habe die stachelförmigen Fortsätze der Epithelien, wie sie von oben, also sehr verkürzt, erscheinen, hier nicht dargestellt. Fig. 5 mag an einer kleineren Epithelgruppe eine Vorstellung von dem Anblick geben, welchen man hat, wenn man von oben auf die Stachelzellen herabsieht. Fig. 6 stellt dieselbe Zellengruppe bei etwas tieferer Einstellung des Tubus dar. Es verschwinden die verkürzt erscheinenden stiftförmigen Fortsätze gänzlich und man sieht in den Zellen die mit einem Nucleolus ver- sehenen Kerne auftreten. Nur an den Seiten einiger Arme kommen auf Fig. 4 die stiftförmigen Fortsätze im Profil zur Ansicht, jedenfalls da- durch, dass durch den Druck des Deckgläschens die Zellenreihen längs des Randes der Arme verschoben und auf die Seite gedrückt wurden. Die acht bauchig hervortretenden Stellen der Ampulle kommen nach meinen Untersuchungen auf folgende Weise zu Stande. Die Hervortreibung des centralen Theils des Ampullenbodens, die wir oben mit dem aufgetriebenen Boden einer Weinflasche verglichen, bleibt nicht so einfach glatt und konisch wie dieser. Vielmehr Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. 385 lest sich, wie wir oben schon erwähnt haben, das die Grund- lage der Centralplatte bildende straffe Bindegewebe in acht Stränge zusammen, welche dann von Epithel bekleidet, sternförmig von der Centralplatte ausstrahlend, als ebensoviele kammartige Hervor- ragungen (Cristae) auf dem Boden der Ampulle von der centralen Platte zu der äusseren Wand herüberlaufen. Eigentliche selbststän- dige Scheidewände kommen an der von mir untersuchten Species nicht zu Stande. Die acht Arme erscheinen sehr stark gegen das Lumen der Ampulle zugeschärft und springen in das Innere der- selben nicht unbeträchtlich vor. Wenn sie auch auf Fig. 4 ganz wage- recht von der Centralplatte auszugehen scheinen, so ist dies eben nur durch den abplattenden Druck des Deckgläschens hervorgebracht ; vielmehr schlagen auch sie, gleich der ganzen epithelialen Auskleidung der Ampulle von der Hervortreibung in der Mitte aus den Weg im die Tiefe ein, allerdings lange nicht so plötzlich und fast rechtwinklig wie die erstere. Auf Fig.2 habe ich ein Bild dieser complieirten Ver- hältnisse zu geben versucht. Dieselbe stellt einen Blick von oben herab auf den Grund der Ampulle dar. Alle Theile der Ampulle über dem Niveau der Öentralplatte sind durch einen in der Höhe derselben angelegten Querschnitt abgetragen. Man sieht in der Mitte den Stern der Centralplatte mit seinen acht Armen, die nach kurzem Verlauf sich ebenfalls wie die ganze epitheliale Aus- kleidung in die Tiefe herumbiegen, wo sie auf dem Boden, zwischen centraler Hervorragung und Ampullenwand als in das Lumen der Ampulle hineinragende Gristae erscheinen. Zwischen je zwei solcher Cristae befindet sich stets eine gewöhnlich ziemlich tiefe blindsack- artige Vertiefung des Bodens, sodass der Grund der Ampulle, der breite Ring zwischen Centralplatte und Wand, durch die Arme in acht Fächer getheilt erscheint und allerdings eine derartige Ansicht wie Fig. 4 grosse Aehnlichkeit mit dem Querschnitt einer Pomeranze oder mit einer Rosette (H. Müller) zeigt. In der grössten Tiefe zwischen Centralplatte und Wand angelangt, theilen sich alle acht Arme gleichzeitig gabelförmig in zwei Aeste, welche nun plötzlich die Richtung ändern und nach aufwärts streben. Die bindegewebige Grundlage setzt sich ebenfalls in die beiden aus der Theilung eines Armes hervorgehenden Aeste fort, wie namentlich an Osmiumpräpa- raten, wo dieses ganze System der Arme glänzend tiefbraun gefärbt wird, während die zwischen den Armen gelegenen ebenfalls mit Stachein bewaffneten Epithelstrecken ein eigenthümlich dunkelgelbes M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 25 386 Franz Böll: Aussehen zeigen, besonders gut zu sehen ist. Die zwischen den beiden Gabelästen eines Armes befindliche Partie der Ampullenwand baucht sich stets ziemlich stark nach aussen hervor. Von den durch die Theilung entstandenen Aesten legen sich stets die zwei benach- barten zweier Arme an einander und verschmelzen gewöhnlich. Auf diese Weise ist es erklärlich, dass in der Aussenwand der Ampulle acht bauchig hervortretende Stellen, blindsackartige Erweiterungen zu Stande kommen müssen, deren jede zwischen je zwei aus der Theilung eines Armes hervorgegangenen Aesten liegt. Ich habe diese Verhältnisse auf Fig. 1 wenn auch nicht ausgezeichnet, so doch wenigstens angedeutet, wie man sie auch mitunter an besonders günstigen Präparaten durch die Aussenwand der Ampulle hindurch erkennen kann. Man sieht von der Gentralplatte aus ganz deutlich die Arme herabsteigen, sich theilen und so gleichsam das an Osmium- präparaten noch durch seine viel dunklere braune Farbe besonders auffallende Gerüst der Ampulle bilden, zwischen dessen Balken wie zwischen Längsrippen die Wand derselben stets bauchig vorgetrieben erscheint. Diese bauchigen Erweiterungen der Seitenwand der Am- pulle sind viel grösser wie die, welche aın Boden derselben zwischen je zwei ursprünglichen von der Centralplatte ausgehenden Armen liegen; auch lässt ihre Richtung nach innen und unten letztere viel weniger in die Augen fallen, wie die ersteren. Die Grenze zwischen den Stachelzellen und dem Epithel des Ausführungsganges ist eine sehr scharfe. Sie ist nicht gerade ab- geschnitten, sondern, wie Fig. 1 zeigt, in eigenthümlicher Weise ausgezackt. Am höchsten gehen die Stachelzellen an den durch die Verschmelzung je zweier benachbarter Gabeläste entstandenen acht Längsrippen der Ampulle herauf. Je zwei solcher Höhepunkte, die oberen Enden zweier benachbarter Längsrippen, erscheinen an Osmium- präparaten durch eine bogenförmig gesenkte Linie verbunden, die stets den hervorgetriebenen Stellen der Ampullenwand entspricht, wo die Stachelzellen nicht so hoch emporreichen wie an den Längs- rippen mit der feinfaserigen bindegewebigen Grundlage. Der ganze Hohlraum sowohl der Ampulle wie des Ausführungs- ganges ist ausgefüllt mit einer homogenen Gallerte, deren Uonsistenz im frischen Zustande eine sehr starke ist. Erst durch starkes Quet- schen gelingt es, den ganzen soliden Propf aus der Hautöffnung hervorzupressen. Durch keinerlei Mittel oder Reagentien konnte an der Gallerte irgend eine feinere Structur nachgewiesen werden. Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. 387 Ich habe oben gesagt, dass das umgebende gallertige Binde- gewebe mit der Substanz der Ampulle keinerlei nähere Verbindungen eingeht, sondern derselben nur lose anhaftet. Das dichte feinfaserige Bindegewebe, welches die Grundlage des gesammten Epithelialbe- lags des ganzen Organes bildet und nur als Stütze der centralen Platte und der von ihr ausgehenden Arme in grösserer, sonst stets nur in sehr spärlicher Menge vorhanden ist, hat in der That eine ganz andere Ursprungsstätte. Wie schon H. Müller gefunden hat, stammt es von dem dichten und verhältnissmässig recht mächtigen Adventitialzuge feinfaserigen Bindegewebes, welches den zum Centrum jeder Ampulle aufsteigenden Nervenstamm umgiebt. Die Ampullen werden bei allen Plagiostomen vom Ramus bucealis Trigemini ver- sorgt, dessen bis zur Nasenspitze sich fortsetzender Stamm nach Stannius!) treffendem Vergleich gleich einer Feder von beiden Seiten zahlreiche Fäden abgiebt, welche in die Ampullen eintreten. Stannius giebt die Anzahl der Primitivfasern auf acht bis zehn, H. Müller auf etwa zwölf, Leydig auf Zehn bis zwölf an. Bei der von mir untersuchten Species war die Anzahl gewöhnlich noch geringer, fünf bis acht. Alle Autoren stimmen jedoch darin überein, dass sie die einzelnen Nervenprimitivfasern als ungewöhnlich mäch- tig bezeichnen. Die Nervenfasern steigen senkrecht innerhalb «der hoch empor- gewölbten Hervorragung des Bodens der Ampulle in die Höhe und lassen sich, wie Fig. 3 zeigt, bis fast unmittelbar unter das Epithel als dicke Stränge verfolgen. Das Präparat ist mit Osmium be- handelt und durch Zerzupfen mit feinen Nadeln gewonnen worden. Die Centralplatte mit ihrem einfachen Stachelzellenbelag erscheint im Durchschnitt. Senkrecht treten die fünf Nervenfasern darauf los, in eine dichte Scheide festen feinfibrillären Bindegewebes gehüllt, welches Gewebe nach der Platte zu viel reichlicher wird, auch einige wenige sternförmige Bindegewebskörperchen zeigt und endlich in sehr festen engverwebten Faserzügen die Grundlage für das Epi- thel der Gentralplatte abgiebt. Die Nerven selbst zeigen ein ganz eigenthümliches Verhalten. Bis kurz vor der Ampulle gewähren sie ganz das bekannte schöne Bild einer mit Osmium behandelten ge- wöhnlichen, mit Schwann’scher Scheide versehenen markhaltigen Nervenfaser. Die Markscheide scheint sehr dick, denn die Farbe 1) 1. e. pag. 45. 388 Franz Boll: des Nerven ist eine tiefschwarze, die Gerinnungsformen sind ver- hältnissmässig starke mächtige Ballen. Bald aber treten im weiteren Verlauf der Nervenfaser Erscheinungen auf, die auf eine Abnahme der ursprünglich so mächtigen Markscheide hindeuten. So ver- schwindet vor allem weiter nach der Ampulle zu die prachtvolle tiefschwarze Färbung des Nerven und derselbe nimmt erst eine dunkelbraune, dann eime dunkelgelbe Farbe an; die mächtigen Ge- rinnungsballen des Nervenmarks hören auf und werden durch kleinere krümelige, erst dunkelbraune, dann noch hellere Gerinnungen ersetzt. Noch weiter hören auch die Gerinnungen auf oder schwinden zu ganz minimalen Körnchen zusammen. Die Farbe, welche von dieser minimalen Schicht des Nervenmarks ausgeht, unterscheidet sich schon nicht mehr von der Farbe der Umgebung, jenem eigen- thümlichen dunkeln Gelb, welches das derbe feinfibrilläre Bindege- webe gewöhnlich bei Osmiumbehandlung annimmt. Obwohl durch die Färbung schon nicht mehr von dem umgebenden Gewebe aus- gezeichnet, lassen sich’ doch die Nervenfasern bis dicht unter das Epithel verfolgen. Man sieht durch die dünne feinkörnige Schicht des Nervenmarks hindurch eine äusserst feine zarte Längsstreifung in der Faser auftreten, den breiten fibrillären Axencylinder. Der Durchmesser der Nervenfasern bleibt jedoch derselbe, trotz der Ab- nahme der erst so mächtigen Markschicht, bis dicht unter dem Epithel die Primitivfasern, die jetzt weder durch ihre Farbe noch durch die Gerinnungen des Marks, die zuletzt nur noch als eine leichte körnige Trübung auf dem feinfibrillären breiten Axencylinder erscheinen, von den sie allseitig umgebenden feinen Bindegewebs- zügen unterschieden werden können, sich dem sie verfolgenden Auge gewöhnlich spurlos entziehen. An den meisten Präparaten verlieren sich die letzten Enden der breiten Nervenfasern derartig zwischen den in allen Richtungen verlaufenden Bindegewebszügen, dass man weder das Aufhören noch das Weitergehen der Faser mit Sicher- heit behaupten kann. Es ist klar, dass unter diesen Umständen die Untersuchung über den weiteren Verbleib der Nervenfasern auf grosse Schwierig- keiten stossen muss, und man bedarf in der That ziemlicher Aus- dauer, dieselben zu überwinden. Man muss mit feinen Nadeln unter einem stark vergrössernden einfachen Mikroskop sehr allmälıg und vorsichtig das störende, unglaublich dichte und zähe Binde- gewebe möglichst abzutragen und die äussersten noch unterscheid- Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. 389 baren breiten Enden der Nervenfasern freizulegen suchen. Die auf diese Weise hergestellten Präparate untersuchte ich in einem Tropfen 32 procentiger Kalilauge mittelst sehr starker Vergrösserungen. Erst nach zahllosen vergeblichen Versuchen bin ich so glücklich gewesen, wenigstens an zwei Präparaten (siehe Fig. 8) eine Zu- spitzung der Nervenfaser und jenseits der Zuspitzung einen Zerfall des breiten fibrillären Axencylinders in mehrere stärkere und auch schwächere Fasern wahrzunehmen, die sich dann zwischen den dichten benachbarten Bindegewebszügen verloren. Was den endlichen Verbleib der letzten feinsten Nervenfasern anbetrifft, so ist es mir zur hohen Wahrscheinlichkeit, ja zur Gewissheit geworden, dass die- selben mit den durch den Besitz der eigenthümlichen stachelförmigen Fortsätze schon ausgezeichneten Epithelien der Ampulle in Ver- bindung treten, dass letztere also ein reines Nervenepithel, ohne gleichzeitiges Vorhandensein indifferenter Epithelien darstellen. Seit M. Schultze’s Untersuchungen über den Bau der Ge- ruchsschleimhaut hat sich in der Methode unserer anatomischen Forschung in Bezug auf die Cardinalfrage nach dem Zusammenhang der Nerven mit ihren Endapparaten ein mächtiger Umschwung voll- zogen. Es ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, an die Stelle des directen Augenzeugenbeweises der Indicienbeweis getreten und in unserer Wissenschaft heimisch geworden. Die weitaus überwiegende Majorität der Forscher erkennt ihn als ebenso zwingend an, wie den direeten Beweis und stellt nicht mehr die allerdings ideale Auf- gabe, womöglich an einem einzigen Präparat den Zusammenhang der Nervenfaser mit dem Endorgan durch die oft so äusserst com- plieirten Modificationen des Verlaufs zu demonstriren, eine Aufgabe, die vielleicht für immer ausserhalb unserer anatomischen Methoden liegen wird. Auch ich bin glücklicherweise in der Lage, nachdem ich die markhaltigen Nervenfasern bis zum Zerfall des Axencylinders in mehrere Fibrillen verfolgt habe, auch den zweiten Theil des Be- weises liefern zu können, — leider jedoch nicht an derselben Species, welche, als ich die darauf bezüglichen Untersuchungen anstellen wollte, von dem Nizzaer Fischmarkt verschwunden war, auf welchem sie Anfang April zu den häufigsten gehört hatte. Ich wählte also eine andere Plagiostomenspecies und zwar Torpedo marmorata, welcher, wie oben schon erwähnt, ganz dieselben Stachelzellen zeigte. Bei der Behandlung mit den bekannten verdünnten Chromsäure- 390 Franz Boll: lösungen sowie bei der Maceration in Jodserum, wurden in grosser Menge Präparate erhalten, wie Fig. 9, wo an das dem stachelartigen Zellfortsatz abgekehrte Ende eine zarte varicöse Faser herantrat. Bemerkenswerth erscheint der so gänzlich unvermittelte Ansatz des äusserst feinen Fortsatzes an die rundliche, polygonale Zelle. Ich will noch erwähnen, dass von den beiden soeben erwähnten Methoden die Maceration in Jodserum bei Weitem den Vorzug verdient. Sorgt man nur dafür, — am Besten durch sehr vorsichtiges Zutröpfeln eines sehr stark Jod haltigen Serums, — dass das Jodserum, worin man die Präparate aufbewahrt, stets einen schwachen Stich ins Gelbliche behält, so kann man noch nach drei Wochen und länger die schönsten Stachelzeillen mit langen varicösen Ausläufern isoliren. Ich verfehle nicht hier noch der eigenthümlichen unter dem Namen der Savi'schen Bläschen bekannten nervenreichen Organe von Torpedo zu gedenken, an denen M. Schultze die Ausklei- dung mit einem kurze, unbewegliche Stacheln tragenden Epithel nachwies !), und welche hiernach mit den Lorenzini’schen Am- pullen in nächste Verwandtschaft treten, sowie auf die-Untersuchun- gen F. E. Schulze’s?) hinzuweisen, welcher für die Nervenknöpfe im sogenannten Schleimkanalsystem der Knochenfische und für ähnliche Organe in der Haut nackter Amphibien die Nervenendigung in Form frei hervorstehender Haare beschrieb, so dass hier ein ge- meinsamer Grundplan nicht zu verkennen ist. Zum Schlusse sage ich noch meinem verehrten Lehrer M. Schultze für seinen mir bei der Untersuchung in so reichem Maasse gewährten Rath und Beistand meinen besten Dank. Heidelberg, den 20. Juni 1868. 1) Unters. über d. Bau der Nasenshleimhaut p. 11. 2) Reichert u. du Bois Reymond’s Archiv f. Anatomie und Phy- sıologie 1861, p. 759. Die Lorenzin’’schen Ampullen der Selachier. 391 Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXIII. Die römischen Ziffern geben die Nummern der Hartnak’schen Ob- jective, die arabischen die der Oculare an. Figg. 1—8 Osmiumpräparate. Fig. 1. » IS) © I 9. II. 2. Ampulle vom Hai, mit Osmiumsäure behandelt, wodurch die Grenze zwischen Ampulle und Ausführungsgang besonders scharf hervortritt. Durch die Anssenwände sieht man eine An- deutung der inneren Configuration: die Centralplatte mit den von ihr ausgehenden Cristae. Von unten steigt der Nerv zur Central- platte empor. IV, 2. Man sieht von oben auf den Grund der Ampulle, die sternförmige Centralplatte und die von ihr in dem breiten Ringe zwischen der centralen Hervorragung und äusseren Ampullen- wand strahlenförmig auslaufenden Arme. Besonders deutlich fallen bei dieser Ansicht die bauchigen Hervortreibungen der Aussenwand in die Augen. IX, 3. Durchschnitt der Centralplatte mit ihrem Epithel. Man sieht fünf Nervenprimitivfasern von beträchtlicher Stärke fast senkrecht aufsteigen, welche sich erst dicht unter dem einfachen Epithelbelag dem Auge entziehen. Das die Nerven begleitende feinfaserige Bindegewebe geht in die Centralplatte über. IX, 2. Die Centralplatte von oben gesehen. Man sieht in regel- mässigen Abständen acht Arme abtreten, an deren Spitze das Epithel abgestossen ist und die bindegewebige Grundlage bloss daliegt. An einigen Armen sind durch den Druck des Deck- gläschens die dem Rande zunächst liegenden Zellenreihen seit- wärts geschoben und es erscheinen daher ihre stachelförmigen Fortsätze im Profil. IX, 4. Nervenepithel von oben gesehen. Die stiftförmigen Fort- sätze erscheinen bei dieser Ansicht natürlich sehr verkürzt. IX, 4. Dieselbe Zellengruppe bei einer etwas tieferen Einstellung des Tubus. Man sieht jetzt Kerne in den Epithelien auftreten. IX, 2. Epithelien vom Ausführungsgang. IX, 2. Zuspitzung zweier markhaltigen Nervenprimitivfasern und Zerfall des Axeneylinders. IX, 3. Von Torpedo marmorata. Drei durch Maceration in Jod- serum isolirte Nervenzellen mit stiftförmigen Fortsätzen und varicösen Faserenden am entgegengesetzten Ende. Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. Von Dr. &. Schwalbe. Hierzu Taf. XXIV. Seit Kölliker’s!) Entdeckung der Zusammensetzung der contractilen Häute aus spindelförmigen Zellen, den glatten Muskel- fasern, hat man sich zur Isolirnng dieser Elemente der verschieden- sten chemischen Agentien bedient. Eines allgemeinen Rufes haben sich besonders die durch Reichert empfohlene 20prozentige Sal- petersäure und die zuerst von Moleschott?) für diese Zwecke gebrauchte Kalilauge von 32 bis 35 °/, zu erfreuen gehabt, welche letztere sodann namentlich von Weissmann) bei der Untersu- chung des Muskelgewebes der verschiedensten wirbellosen Thiere vorzugsweise in Anwendung gezogen wurde Dass diese Mit- tel in der That Vorzügliches leisten, um uns über die Länge und Breite, sowie über die Gestalt der glatten Muskelfasern mit Leichtigkeit Auskunft zu geben, wird wohl Niemand leugnen. Es 1) Mittheilungen der naturf. Gesellschaft in Zürich 1847 u. Ztschrft. f. wissensch. Zoologie Bd. I, 1849. 2) Ein Beitrag zur Kenntniss der glatten Muskeln. Untersuch. zur Naturlehre Bd. VI 3) Zeitschrift f. rationelle Mediein 3. Reihe, XV. 1862, XXIH. 1864. G. Sehwalbe: Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 393 fragt sich nur, ob dabei ihre feineren Strukturverhältnisse genügend erhalten bleiben, und dies muss ich entschieden in Abrede stellen. Eben so wenig, wie man sich bei der Untersuchung der feineren Zusammensetzung einer quergestreiften Muskelfaser der 35procen- tigen Kalilauge bedienen kann, obwohl dieselbe die einzelnen Mus- kelcylinder sehr schön isolirt, ebensowenig ist es beim Studium des feineren Baues der glatten Muskelfasern gestattet, sich so eingrei- fender Reagentien zu bedienen. Auch Isolation mittelst anderer Mit- tel, wie Essigsäure von 1%, (Moleschott'!) und dünner Schwefel- säure, oder mit Hülfe des von Meissner?) dazu benutzten Holz- essigs lässt nur mangelhaft die wahren Verhältnisse erkennen. An- drerseits ist aber eine Untersuchung im ganz frischen Zustande kaum genügend auszuführen, weil jene Muskelfasern sich ja bekanntlich in diesem Zustande nicht gut isoliren lassen. Zuweilen gelingt es jedoch, Bruchstücke davon im Präparat zu erhalten. Wie man leicht sieht, liegt die wesentlichste Schwierigkeit bei der Untersuchung des glatten Muskelgewebes darin, ein Mittel zu finden, welches die Kittsubstanz zwischen den einzelnen Spindelzellen auflöst, ohne letztere selbst zu verändern. Osmiumsäure von den verschiedensten Concentrationen erwies sich als unbrauchbar, da in stärkeren Lösungen von !/, °/o an die Kittsubstanz erhärtet und dann die Isolation der Muskelfasern fast noch schwieriger gelingt, als im frischen Zustande. Dünne Lösungen wirken dagegen nur auf die Oberfläche der eingelegten kleinen Gewebsstückchen; die inneren Theile verhalten sich dabei so, als wenn sie in reinem Wasser ge- legen hätten, d. h. sie quellen beträchtlich. Dabei löst sich die Kitt- substanz etwas, sodass dadurch der Zusammenhang der glatten Mus- kelfasern ein lockerer wird, und man zuweilen viele isolirte Zellen ohne grosse Mühe durch Zerzupfen des Präparates erhält. Die auf diese Weise isolirten Elemente sind aber durch die Wassereinwirkung zu verändert, um als geeignete Objekte zur Untersuchung dienen zu können. Ich habe mich deshalb vorzugsweise eines Mittels be- dient, welches auf die Kittsubstanz ganz ähnlich wie Wasser wirkt, also einen mässigen Grad von Lockerung der Elemente herbeiführt, dabei aber die feineren Strukturverhältnisse der Muskelfasern selbst Tj1.re. 2) Ueber das Verhalten der muskulösen Faserzellen im coutrahirten Zustande, Zeitschr. f. rationelle Mediein. 3. Reihe. Bd. II, 1858. 394 G. Schwalbe: so vollkommen erhält, wie kein anderes der genannten Reagentien. Ich meine die schon von Frankenhäuser!) bei seinen Untersu- chungen über die Nervenendigung in den glatten Muskelfasern in Anwendung gezogenen dünnen Chromsäurelösungen. Als eine sehr zweckmässige Uoncentration hat sich mir die von 0,02 %/, herausge- stellt; doch muss ich bemerken, dass die glatten Muskelfasern ver- schiedener Thiere sich hierin verschieden verhalten, so dass dieselbe Lösung nicht für alle gleich geeignet ist. Als ein ausgezeichnetes Objekt zum Studium der weiter unten zu beschreibenden feineren Strukturverhältnisse kann ich besonders die glatten Muskelfasern der Harnblase des Hundes empfehlen, die sich nicht nur durch ihre Grösse, sondern auch durch ihre leichte Isolirbarkeit in dünnen Chromsäurelösungen auszeichnen. Nach ein- bis zweitägiger Einwirkung der genannten Flüssigkeit erhält man beim Zerzupfen kleiner Stückchen der dicken Muskelwand der Hun- deblase mit Leichtigkeit viele Zellen mehr oder weniger vollkom- men isolirt. Durchmustert man nun ein so gewonnenes Präparat unter dem Mikroskop, so fällt zunächst auf, dass die isolirten glatten Muskel- fasern sich von den noch zu Bündeln vereinigten meist auflallend durch ihr Lichtbrechungsvermögen unterscheiden. Letztere sind dunk- ler conturirt und glänzender, zugleich aher auch schmaler, als die meisten der isolirt liegenden Zellen. Nur selten findet man unter diesen eine scharf conturirte hellglänzende. Häufiger ist es, dass ein- zelne derselben an einer Stelle scharf begrenzt und glänzend er- scheinen, während andere Theile derselben Faser ein blasses Aus- sehen besitzen. Letztere Stellen sind dann die breiteren. Die stär- ker lichtbrechenden schmaleren Zellen sind offenbar die weniger ver- änderten, während die Entstehung der blassen auf leichte Quellung der aus ihrem schützenden Zusammenhange mit Nachbarfasern ge- lösten Elemente zurückzuführen ist. An allen diesen isolirten Muskelfasern, mögen sie nun blass oder glänzend sein, unterscheidet man leicht drei Hauptbestandtheile: 1). einen oder zwei Kerne, je mit einem oder zwei Körperchen, 1) Die Nervenendigungen in den glatten Muskelfasern. Med. Central- blatt 1866. Nr. 55 p. 865 und die Nerven der Gebärmutter und ihre Endi- gung in den glatten Muskelfasern. Jena 1867. Letzteres Werk war mir leider hier in Amsterdam im Original nicht zugänglich. Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 395 2) eine nicht unbeträchtliche Menge um den Kern herum angehäuf- ten Protoplasmas und 3) die contractile Substanz. Beginnen wir mit dem Kern. Was zunächst bei der Betrach- tung unseres Objektes auffällt, ist das sehr häufige Vorkommen zweier Kerne in einer glatten Muskelfaser. Ich konnte solche zweikernigen Zellen bei allen von mir untersuchten Hunden an die- ser Stelle stets in reichlicher Menge beobachten. Gewöhnlich be- sitzen beide Kerne einen elliptischen Contur und liegen mit ihrem Längsdurchmesser in der Längenachse der Muskelfaser. Doch können sie in diesem Falle zu einander eine verschiedene Lagerung zeigen, indem sie nämlich entweder mit ihren Längsseiten neben einander liegen, sich zuweilen etwas abplattend (vergl. Fig. 2), oder sie liegen hinter einander in der Längenachse der Muskelfaser, jedoch meist etwas neben einander verschoben und sich mit ihren Enden theilweise deckend (Fig. 3). In nicht seltenen Fällen findet aber eine wesentlich andere Einlagerung der Kerne Statt. Ihr Längsdurchmesser bildet nämlich dann mit der Längenachse der dazu gehörigen Faserzelle einen mehr oder weniger grossen Winkel, der bis zu einem rechten anwachsen kann. In Fig.4 ist eine solche Muskelfaser abgebildet. Da die betreffende Zelle sehr gequollen ist, so könnte man anneh- men, dass hier die Kerne erst durch die Präparation in die quere Stellung gebracht seien; allein man überzeugt sich bald davon, dass auch an ganz gut erhaltenen Faserzeilen eine solche Querstellung der Kerne vorkommen kann. Es geht daraus hervor, dass die Stel- lung derselben zur Längsachse der glatten Muskelfaser durchaus keine constante ist. Die angeführten Thatsachen auf eine bevorstehende Theilung der betreffenden Gebilde zu beziehen, halte ich nicht für gerechtfer- tigt. Dagegen spricht einmal die inconstante Lage der Kerne, aus welcher hervorgehen würde, dass die contractilen Faserzellen sich in den verschiedensten Richtungen theilen könnten, ferner der Umstand, dass man nie auch die geringste Andeutung einer Theilung der übrigen Bestandtheile dieser glatten Muskelfasern wahrnimmt, dass _ dieselben vielmehr sich in nichts von den daneben vorkommenden einkernigen unterscheiden. Eben so wenig lässt sich nachweisen, dass die beiden Kerne durch Theilung aus einem entstanden seien, da nie Kerntheilungsformen zur Beobachtung kommen. Meiner An- sicht nach stellen diese zweikernigen Zellen num ein neues Glied in der langen Reihe von Uebergangsformen zwischen glatten und quer- 396 G. Schwalbe: gestreiften Muskelfasern dar und beweisen, dass das Vorkommen nur eines Kernes nicht als charakteristisch für die glatten Muskel- fasern angeführt werden kann. Die Gestalt der Kerne der eontractilen Faserzellen wird ge- wöhnlich als eine stäbchenförmige bezeichnet. Ich muss bestimmt behaupten, dass dies für ganz frische glatte Muskelfasern nicht rich- tig ist. Untersucht man z. B. die Harnblase des Frosches, ohne ihr Epithel zu entfernen, in Jodserum oder auch im Froschharn selbst, so kann man recht wohl bei genauer Betrachtung die Kerne der glat- ten Muskelfasern erkennen. Dieselben erscheinen dann als sehr blass conturirfe klare, ellipsoidische Gebilde ohne körnigen Inhalt. Wirkt die Flüssigkeit länger ein, ist sie erst durch das Blasenepithel gedrungen, so schrumpfen die Muskelkerne. Diese Schrumpfung findet aber grösstentheils in einer Richtung senkrecht zur Längenachse des Kerns Statt, und so erhalten wir dann die bekannten Stäbchenformen. Auch in dünnen Chromsäurelösungen erhält sich die ursprüng- liche Gestalt sehr gut (vergl. besonders Fig. 3). Stärkere Lösungen dagegen machen den Kern wieder vorzugsweise im der Richtung seiner (Juerachse schrumpfen und bewirken darin körnige Nieder- schläge. Reines Wasser hat auf den Kern keine auffallende Wir- kung; derselbe quillt nur ein wenig in seinem Querdurchmesser. An frischen Präparaten der Harnblase des Frosches erkennt man innerhalb des blassen, ganz homogenen Kernes keine weiteren- Differenzirungen. Anders verhalten sich die Kerne der glatten Mus- keln der Hundeblase. Hier ist es sehr leicht, die zuerst von Fran- kenhäuser!) gemachte Beobachtung von der Existenz eines oder zweier Kernkörperchen innerhalb des Kerns zu bestätigen. Es erscheinen dieselben als stark lichtbrechende Körner, die je nach der Einstellung des Mikroskops bald sich dunkel ausnehmen, bald als helle, scharf begrenzte Flecke im Gesichtsfeld aufleuchten. Viele Kerne zeigen nur ein Kernkörperchen (Fig. 2 und 4), andere da- gegen lassen deren zwei erkennen (Fig. 5). Für die zweikernigen Muskelfasern gilt die Regel, dass meist beide Kerne die gleiche Zahl von Kernkörperchen besitzen. Doch kommen auch Fälle vor (Fig. 3), wo der eine Kern ein, der andere zwei dieser Gebilde ent- hält; meist ist im letzteren Falle ein Kernkörperchen kleiner, als 1: 6: - Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 397 das andere. Ueber ihre Lage innerhalb der Kernsubstanz kann ich nur anführen, dass dieselbe keine constante ist, indem das Kern- körperchen bald mehr im Innern des Kerns, bald mehr der Ober- fläche genähert zur Beobachtung kommt, und kann ich Franken- häuser nicht beistimmen, der gerade die letztere Lage für die gewöhnliche hält. Auch feine Fäserchen, wie sie der genannte Forscher als Nervenenden beschreibt, habe ich nie vom Kernkör- perchen abgehen sehen; immer erschienen mir die Umrisse desselben scharf begrenzt. In Betreff des chemischen Verhaltens des Kern- körperchens haben wir gesehen, dass es gegen Wasser und dünne Chromsäurelösungen resistent ist. Da es nun an der frisch unter- suchten Harnblase des Frosches nicht sichtbar ist, so könnte man meinen, dass es überhaupt im frischen Zustande nicht existire, dass es erst durch Einwirkung der genannten Reagentien entstehe. Da- gegen spricht jedoch der Umstand, dass man an anderen ganz frischen glatten Muskelfasern ein solches Gebilde nachweisen kann, z. B. an den Darmmuskeln von Lacerta viridis. Das Kernkörperchen ist deshalb als ein präformirtes Gebilde anzusehen, das jedoch nicht allen glatten Muskelfasern zukommt. Was die Einwirkung einiger anderer Flüssigkeiten auf dasselbe betrifft, so kann ich die Angabe von Frankenhäuser, dass es sich in Essigsäure löse, vollkommen bestätigen; löslich ist es ferner in Kalilauge. Wenden wir uns nun zur Betrachtung des Kernes selbst zurück, so wäre noch anzuführen, dass an den Chromsäurepräparaten der Hundeblase die Kerne der glatten Muskelfasern nicht alle einen regelmässigen elliptischen Contur erkennen lassen. Es kommen Ge- bilde vor, die an den beiden Polen einen Eindruck zeigen; andere sind in der Mitte eingeschnürt oder an einer der Längsseiten ein- gedrückt, ohne dass sich dabei das Innere des Kernes wesentlich von dem rein elliptischen unterschiede. Auch bemerkt man solche Einkerbungen oft als erste Veränderung des Kernes nach Einwirkung von Essigsäure oder Oxalsäure, wovon man sich besonders leicht an der Harnblase des Frosches überzeugen kann. Bei längerer Ein- wirkung der genannten Säuren scheinen diese Einkerbungen sich wieder auszugleichen. Es wäre nun am Ort, das Verhalten der Kernsubstanz zu chemischen Agentien zu schildern, um daraus vielleicht Aufschluss über den feineren Aufbau derselben zu gewinnen; allein viele der hierher gehörigen Thatsachen sind nicht gut zu verstehen, wenn 398 G. Schwalbe: man sich nicht zuvor von dem Vorhandensein eines zweiten Bestand- theiles der glatten Muskelfasern überzeugt hat, nämlich einer fein- körnigen Substanz um den Kern herum, wahrscheinlich die Reste des embryonalen Bildungsmaterials der contractilen Substanz. Um sich von der Existenz dieses Protoplasma’s zu überzeugen, sind gerade wieder die glatten Muskelfasern der Hundeblase ein besonders geeignetes Objekt. Betrachten wir zunächst eine einkernige Zelle, wie sie Fig. 5 dargestellt ist. Der Kern ist in diesem Falle nicht regelmässig ellipsoidisch, sondern mehr stäbchenförmig. Es scheint dies auf einer Schrumpfung der Kernsubstanz in der Richtung der kleineren Axe zu beruhen. Der Umriss des Kernes, wie er im nor- malen Zustande war, wird hier noch durch einen elliptischen Con- tur angedeutet, der den Kern an seinen beiden Polen dicht berührt, an den Seiten jedoch sich streckenweise von seiner Oberfläche ab- hebt. Der Theil des so umschriebenen elliptischen Raumes, welchen der Kern frei lässt, zeigt das eigenthümliche mattröthliche Aussehen, welches allgemein als der optische Ausdruck in Höhlen eingeschlos- sener Flüssigkeit angesehen wird. Der Kern liegt hier also in einer mit Flüssigkeit erfüllten Vacuole, indem erstere von aussen ein- dringend den Raum ausfüllte, der durch das Schrumpfen des Kernes sich bildete. Im frischen Zustande dagegen grenzt letzterer dicht an die contractile Substanz, gewöhnlich noch durch eine dünne Schicht Protoplasma davon getrennt. An den beiden Polen des eben beschriebenen ellipsoidischen Raumes bemerkt man nun eine. Ansammlung feinkörniger Masse, welche sich wesentlich von der an- grenzenden contractilen Substanz unterscheidet. Diese feinkörnige Masse erstreckt sich von den Polen des Kernes an mehr oder we- niger weit in der Längenaxe der Muskelfaser. Gewöhnlich findet man sie höchstens um eine Kernlänge weit sich in dieser Richtung erstreckend. In anderen Fällen dagegen, an besonders gut erhal- tenen, noch wenig gequollenen, scharfbegrenzten Zellen, bildet sie einen wahren Axenstrang. Man betrachte z. B. Fig. 1. Hier hat sich der Kern innerhalb der weichen Axensubstanz verschoben; man erkennt neben ihm noch die Stelle, wo er gelegen, als Vacuole. Von den Polen des Kernes resp. der Vacuole sieht man sodann einen Strang feinkörniger Substanz sich weit in der Axe entlang erstrecken, allmählig schmaler werdend und am unversehrten Ende der Faser erst in relativ geringer Entfernung von der Spitze auf- hörend. In Essigsäure sind die feinen Körnchen löslich, ebenso in Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 399 Schwefelsäure und anderen Mineralsäuren, sowie in Kalilauge, und dies ist wohl der Grund, weshalb ein feinkörniges Protoplasma von der beschriebenen Ausdehnung bisher nicht in glatten Muskelfasern beobachtet wurde. Zuweilen kommen noch innerhalb dieser feinkör- nigen Marksubstanz gröbere dunklere Körnchen vor, die in Essig- säure nicht löslich sind (vergl. Fig. 2 und 3). Ganz ähnlich verhalten sich die zweikernigen Muskelfasern und brauche ich in dieser Beziehung nur auf die Figuren 2 bis 4 zu verweisen. Morphologisch ist dies feinkörnige Protoplasma wohl der Mark- substanz der Muskelfasern vieler wirbellosen Thiere, z. B. des Blut- egels gleich zu setzen, und wir werden uns um so eher zu dieser Ansicht hinneigen können, als dasselbe, wie wir eben gesehen, auch bei den Wirbelthieren einen wirklichen Axenstrang darstellen kann. Die Rindensubstanz der Blutegelmuskeln dagegen ist bekanntlich eontractile Substanz!) und entspricht der contractilen Substanz der glatten Muskelfasern der Wirbelthiere. Das Protoplasma oder die Marksubstanz, wie wir sie so eben an den glatten Muskelfasern der Hundeblase kennen gelernt haben, ist nun aber nicht überall mit solcher Leichtigkeit nachzuweisen, ja sie scheint als feinkörnige Substanz in der That vielen contrac- tilen Faserzellen zu fehlen. So sieht man z. B. an der ganz frisch und mit aller Vorsicht untersuchten Froschharnblase um den Kern der glatten Muskelfasern herum keme Körnchen. Dennoch ist auch hier eine von der contractilen Rindensubstanz verschiedene Masse um den Kern herum vorhanden, wie die Anwendung gewisser Rea- gentien deutlich erkennen lässt. Schon lange bekannt sind die Ver- änderungen, welche die Kerne der glatten Muskelfasern unter der Einwirkung von Essigsäure oder von Mineralsäuren erieiden. Im Allgemeinen kann man diese Veränderungen dahin zusammenfassen, 1) Heidenhain (Stud. d. phys. Inst. zu Breslau. I. 1861) erklärt die Marksubstanz für contractil, gestützt auf seine Beobachtungen an sich con- trahirender Blutegelmuskeln, und äussert sich über die Natur der Rindensub- stanz nicht bestimmt. Ich habe oft die Contractionen der Muskelfasern von Hirudo unter dem Mikroskop beobachtet und keinen Grund für die Annahme Heidenhain’s gefunden. Die von ihm beobachtete Querreihenbildung der Körnchen der Marksubstanz während der Contraction kommt auch an ruhenden Muskeln zur Beobachtung. 400 G. Schwalbe: dass die Kerne schmaler und länger, also stäbchenförmig werden und eine körnige Beschaffenheit annehmen. Je nach der Concen- tration und der Art der angewandten Säure ist die eine oder andere Veränderung vorwiegend. Betrachtet man solche z. B. durch Ein- tauchen der Blase in - concentrirte Essigsäure körnig gewordene Kerne näher, so fällt auf, dass ihre Conturen nicht mehr glatt sind, wie im frischen Zustande, sondern rauh von hervorstehenden Körn- chen, welche die eigentlichen Kerngrenzen verdecken. Eigenthüm- lich ist ferner eine gewisse quere Anordnung der Körnchen auf der Kernoberfläche, während im Innern desselben gleichfalls Körnchen abgelagert werden. Die abgerundeten Kernpole sind nun ebenfalls nicht mehr als solche zu erkennen, sondern man sieht an ihrer Stelle zugespitzte Enden, sodass daraus ein spindelförmiger Körper resultirt, dessen Spitzen wesentlich aus körnigen Niederschlägen ge- bildet erscheinen und wohl nur wenig von der eigentlichen Kern- substanz einschliessen. Man kann nun die geschilderten Verhält- nisse kaum anders deuten, als dass sich bei den Muskelfasern der Froschblase um den Kern herum eine Masse vorfindet, verschieden von der contractilen und der Kern-Substanz, die bei Einwirkung von Essigsäure sich auf der Oberfläche des Kernes niederschlägt, sich also dieser Säure gegenüber gerade umgekehrt verhält, wie das kör- nige Protoplasma der glatten Muskelfasern der Hundeblase. Macht man dasselbe Experiment mit diesen, so stellt sich ein anderes Ver- halten heraus. Ihre Kerne verändern sich nämlich nur wenig; sie bekommen schärfere Conturen und schrumpfen etwas, während ihr Inhalt sehr blass feinkörnig wird. Von einem körnigen Niederschlag auf die Oberfläche des Kernes ist kaum etwas zu sehen. Sehr instructiv ist folgender Versuch. Es wurden zwei Stück- chen derselben Froschharnblase genommen und das eine gleich in Acidum aceticum glaciale gelegt, das andere erst 24 Stunden mit destillirtem Wasser behandelt und darauf ebenfalls der Einwirkung der starken Essigsäure ausgesetzt. Die Präparate zeigten bei der mikroskopischen Betrachtung auffallende Differenzen im Aussehen der Kerne. Während die Kerne des gleich mit Essigsäure behan- delten Präparats der oben gegebenen Beschreibung vollkommen ent- sprachen, also spindelförmig und mit Körnchen bedeckt erschienen, zeigten sich die des zweiten zuvor der Wasser-Einwirkung ausge- setzten Harnblasenstückchen langgezogen, stäbchenförmig, mit ab- gerundeten Polen, scharf conturirt, homogen, ohne jede Spur Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 401 von Körnchen. Es findet diese Frscheinung leicht ihre Erklä- rung in der Annahme, dass die auf Essigsäurezusatz sich körnig abscheidende Substanz durch Wasser aus den glatten Muskelfasern extrahirt wird. Dasselbe Experiment lässt sich auch mittelst der concentrirten Oxalsäure anstellen. Wirkt dieselbe sofort auf die frische Harnblase des Frosches ein, so werden die Kerne ebenfalls spindelförmig und bedecken sich mit Körnchen. Letztere erscheinen aber in diesem Falle viel dunkler, als nach Essigsäurebehandlung und zeigen noch weit deutlicher eine quere Anordnung zur Längs- axe des in diesem Falle viel länger gewordenen Kerns. Hat man jedoch die Blase zuvor 24 Stunden in Wasser gelegt, so erscheinen nun die Kerne mit glatten, blassen Conturen und ohne Körner, aber kürzer, als bei sofortiger Einwirkung der Oxalsäure. Worauf es beruht, dass in dem einen Falle (Essigsäure) der direct mit der Säure behandelte Kern kürzer, im andern (Oxalsäure) länger er- scheint, als der zuvor der Wasser-Einwirkung ausgesetzte, ist mir nicht klar geworden. Auch über die Ursachen der bekannten Ver- änderungen der Kerne durch Mineralsäuren, über die vorwiegend der Länge nach stattfindende Ausdehnung derselben und über die 3ildung von schlangenförmigen Krümmungen, wie man dies be- sonders nach Behandlung mit Sehwefelsäure wahrnimmt, kann ich noch nichts Positives beibringen und verzichte daher lieber auf einen Erklärungs-Versuch. Soviel jedoch scheint sich aus den bis jetzt bekannten Thatsachen über die Veränderung des Kerns in Folge der Einwirkung der verschiedensten Reagentien folgern zu lassen, dass eine distinkte Membran dem Kerne abgeht, dass er kein mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen vorstellt, sondern einen solideren Körper, der namentlich für Säuren ein starkes Quellungsvermögen in der Längsrichtung erkennen lässt. Hervorzuheben ist endlich noch, dass nach direkter Einwirkung von Salzsäure oder Schwefel- säure auf die glatten Muskelfasern der Froschharnbiase die Kerne keinen körnigen Niederschlag zeigen, wie dies bei Behandlung mit Essigsäure oder Oxalsäure der Fall ist. Sie werden stab- oder schlangenförmig, scharf conturirt, behalten dabei aber ein homogenes Ansehen bei. Aus allen den angeführten Thatsachen ist es nun wohl gestattet, den Schluss zu ziehen, dass auch glatte Muskelfasern, die kein körniges Protoplasma erkennen lassen, in ihrer Axe oder wenigstens um den Kern herum eine Substanz enthalten, verschieden von der M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 26 402 G. Schwalbe: contractilen Substanz, löslich in Wasser, in concentrirten: Mineral- säuren und, wie ich noch hinzufügen kann, in Alkalien, fällbar dagegen durch Essigsäure und Oxalsäure, die also am meisten Aehnlichkeit mit dem Mucin hat. Weitere Untersuchungen haben festzustellen, ob diese mucinähnliche Substanz sich nicht erst im Laufe der Entwicklung als ein Umwandlungsprodukt des Protoplasma bildet, ob nicht junge Muskelfasern der Froschharnblase noch eine körnige Substanz um den Kern herum erkennen lassen. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der contractilen Substanz. Bei der Untersuchung der glatten Muskelfasern im ganz frischen Zustande erscheint dieselbe bekanntlich durchaus homogen und mit eigenthümlichem Glanze. Weitere Stukturver- hältnisse sind an solchen Präparaten nicht wahrzunehmen. Es tritt nun zunächst die Frage an uns heran, wie (die contractile Substanz nach aussen hin begrenzt sei, ob zwischen ihr und der Kittsubstanz noch eine besondere dem Sarcolemma vergleichbare Membran existire. Ich muss mich nach meinen Beobachtungen gegen die Existenz einer solchen Membran aussprechen. Niemals bei Anwendung der aller- verschiedensten Methoden habe ich mich mit Sicherheit von ihrer Existenz überzeugen können. Andererseits kann ich aber nicht in Abrede stellen, dass die glatten Muskelfasern wirbelloser Thiere wirklich eine Art Sarcolemma besitzen können, und kann ich die hierhergehörige Beobachtung Heidenhain’s!) an Blutegelmuskeln nur bestätigen. Es lässt sich hier mit aller Deutlichkeit eine distinkte Membran erkennen, sowohl als doppelter Kontur auf dem Querschnitt, als besonders schön als ein sich in Querfalten legendes dünnes Häutchen bei der Kontraction der betreffenden Muskelfasern. Wenn nun auch die Faserzellen der Wirbelthiere kein Sarco- lemma besitzen, so scheint doch die äusserste Schicht ihrer eontractilen Substanz sich abweichend von central gelegenen Partieen derselben zu verhalten. Es wurde bereits im Anfang der blassen gequollenen Fasern der Hundeblase gedacht. Dieselben zeigen deutlich ihrer ganzen Länge nach: eine feine Längsstrichelung. Man: könnte fast an eine Zusammensetzung der contractilen Substanz aus Fibrillen denken, und dies scheint auch G. Wagner?) in einer unlängst 1) Ie. 2) Ueber die Entwiekelung und den Bau der quergestreiften und glatten Muskelfasern. Sitzungsb. der Marburg. Gesellsch. zur Beförderung der Na- turw. N. 10. Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 403 publieirten Arbeit. die mir leider nur im Referat zugänglich ist, angenommen zn haben. Allein dagegen spricht die Kürze der feinen Strichelehen und ihre Lage ausschliesslich an der Oberfläche der glatten Muskelfasern. Oft gelingt es nämlich, den optischen _ Querschnitt solcher Zellen zu gewinnen und dann zeigt sich das ganze Querschnittsfeld blass; nur an der Peripherie bemerkt man einen Kranz dunkler Puncte, offenbar die optischen Querschnitte der feinen Strichelchen. Was letztere bedeuten, muss ich unentschieden lassen, der Ausdruck einer Zusammensetzuug der contractilen Sub- stanz aus Fibrillen sind sie aber gewiss nicht. G. Wagner führt als Beweis für die fibrilläre Struktur der glatten Muskelfasern noch die Bilder an, welche er von Querschnitten getrockneter Darmmuskeln erhielt. Er beobachtete hier feine Punkte über das Querschnittsfeld einer jeden glätten Muskelfaser vertheilt und deutet dieselben als Fibrillen-Querschnitte. Nun hat aber Cohnheim!) für die quer- gestreiften Muskeleylinder gezeigt, wie wenig das Aussehen der Querschnitte getrockneter Muskeln dem wahren Verhalten ent- spricht. Dasselbe gilt auch für die glatten Muskelfasern. Ich habe mich, um möglichst frische unversehrte Querschnitte zu ge- winnen, derselben Methode wie Gohnheim, nämlich der Gefrier- methode bedient, indem ich Stücke einer ganz frischen sich noch eontrahirenden Hundeblase in einer Kältemischung gefrieren liess und nun mittelst eines abgekühlten Rasirmessers feine Schnitte davon anfertigte, die vor Druck geschützt in einer halbprozentigen Koch- salzlösung untersucht wurden. Es zeigt sich nun, dass der frische Querschnitt durchaus homogen aussieht, von quergeschnittenen Fibril- len ist nichts zu sehen. Erst nach einiger Zeit treten zahlreiche kleine Kreise mit mattröthlichem Inhalt in der contractilen Substanz auf, offenbar kleinen querdurchschnittenen, mit Flüssigkeit gefüllten Spalt- räumen entsprechend. Es würde daraus folgen, dass diese Substanz nieht überall ein gleich dichtes Gefüge besitzt, sondern von linienför- migen Spalten durchsetzt wird, die, da man am ganz frischen Quer- schnitt keine Differenzirung erkennt, von geringen Mengen einer das Licht gleich stark brechenden Flüssigkeit ausgefüllt sind. Erst wenn die Kochsalzlösung in den Querschnitt hineindringt und jene Sub- stanz verdrängt hat, erscheinen die kleinen hellen Kreise. 1) Ueber den feineren Bau der quergestreiften Muskelfaser. Virchow’s Archiv Bd. 34. 404 G. Schwalbe: Eine weitere Differenzirung der contractilen Substanz lässt sich an Querschnitten nicht erkennen. Bekanntlich hat E. Brücke gezeigt, dass auch die glatten Muskelfasern innerhalb einer einfach lichtbrechenden Substanz doppeltbrechende Theilchen enthalten; jedoch sind diese Disdiaklasten nicht so regelmässig angeordnet, wie in den quergestreiften Muskeleylindern, sie haben sich nicht zu Fleichprismen zusammengruppirt. Eine Querstreifung geht des- halb den glatten Muskelfasern der Wirbelthiere für gewöhnlich ab. Es ist nun schon öfter die Frage aufgeworfen worden, ob nicht auch hier unter Umständen die Disdiaklasten zu regelmässigen Gruppen zusammentreten könnten, sodass daraus eine Querstreifung resul- tire. Beispiele einer solchen sind denn auch in der That für die Muskeln mancher Mollusken bekannt geworden. Bei den Wirbel- thieren ist jedoch, so viel mir bekannt ist, dergleichen noch nie mit Sicherheit nachgewiesen. Denn die Querstreifung sowohl, welche Meissner!) beschrieb, als die von Heidenhain?) erwähnte, sind nach dem Urtheil dieser Autoren selbst nichts weiter, als einseitige Faltungen der Oberfläche oder es sind ziekzackförmige Knickungen der glatt gewordenen Muskelfasern. Mir ist es nun gelungen, in einem Falle sicher eine partielle Querstreifung einer glatten Muskelfaser aus der Blase des Hundes zu beobachten. Ich habe diesen Fall in Fig. 1 abgebildet. Die betreffende Zelle zeigt zugleich sehr exquisit den körnigen Axenstrang. Man erkennt auf jeder Seite des letzteren und zwar besonders schön auf der linken im oberen Theil der Muskelfaser eine deutliche Sonderung der contractilen Substanz in hellere und dunklere Partien, sodass dadurch eine regelmässige Querstreifung zu Stande kommt. Doch scheinen die Streifen der einen Seite nicht genau in ihrer Lage denen der anderen zu entsprechen. Ob diese quergestreifte Stelle als in Öontraction begriffen aufzufassen ist, kann ich nicht entschei- den. Leider gestattete mir die Unzulänglichkeit der mir zu Gebote stehenden Nicol’s nicht, diese Erscheinungen weiter zu verfolgen, und so muss ich mich denn begnügen, darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass auch an den glatten Muskelfasern der Wirbel- thiere zuweilen eine Gruppirung der Disdiaklasten zu Fleisch- prismen Statt findet. 1)ul.r €: 2) re. Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. 405 Endlich sei es mir noch gestattet, einige die äussere Form der glatten Muskelfasern betreffende Verhältnisse kurz zu berühren. Bekanntlich erkennt man mit Hülfe von Querschnitten leicht, dass die contractilen Faserzellen im frischen, unversehrten Zustande runde oder unregelmässig polygonale Spindeln darstellen. Um so auffal- lender ist es, dass man so häufig, namentlich nach Anwendung der beliebtesten Isolationsmethoden (35procentige Kalilauge ete.) Fasern erhält, die als platte an den Enden zugespitzte Bänder sich zeigen und denen oft der Kern fehlt, oft nur lose anzuliegen scheint. Genauere Beobachtung ergiebt, dass Uebergangsformen zwischen den runden und platten vorkommen, indem solche Fasern an der einen Stelle rund erscheinen können, während sie an einer andern platt geworden sind, und diese sind es gerade, welche uns Aufschluss über jene Formveränderung geben. Man betrachte Fig. 6. Der untere Theil der Faser ist blass und von platter bandförmiger Ge- stalt, der oberste dagegen dunkel conturirt, glänzend und rund. Dazwischen liegt ein Stück, welches durch eine scharfe Längslinie ausgezeichnet ist, die beim Uebergang in den platten Theil sich spaltet. Die beiden seitlich von dieser Linie gelegenen Wülste ver- dünnen sich beim Uebergang in den platten Theil nach und nach, bekommen mattere Conturen und gehen so allmählig in den letzteren über. Die Deutung dieses Bildes kann nun wohl nicht mehr zwei- felhaft sein. Die betreffende glatte Muskelfaser hat der Länge nach eine Spalte bekommen, welche bis ins Centrum der Faser hineinge- drungen ist, und nun haben sich an einer Stelle die die Spalte begrenzenden Wülste auseinander gelegt, woraus dann die platte bandfömige Gestalt dieses Theiles resultirt. Gewöhnlich scheint diese Spaltung von der Gegend des Kermes aus zu beginnen. Ist sie der ganzen Länge nach erfolgt und sind die Spaltenränder überall auseinandergewichen, so erhalten wir eine platte bandförmige Mus- kelfaser. Der Kern wird dann begreiflicher Weise leicht herausfallen, sodass wir nun eine kernlose Muskelfaser vor uns haben, oder er wird noch oberflächlich liegen bleiben, und bei flüchtiger Betrachtung könnte es so scheinen, als ob dies seme normale Lage sei. Dass dem wenigstens bei den glatten Muskelfasern der Hundeblase nicht so ist, lehren ganz frische Quersehnitte, an denen man mit Leich- tigkeit die Querschnitte des einen oder der zwei Kerne im Centrum des Muskelfeldes erblickt. In wie weit daher Frankenhäuser mit der Annahme einer oberflächlichen Lage des Kernes Recht hat, 406 G. Schwalbe: Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. muss ich dahin gestellt sein lassen, da ich meine Untersuchungen nicht auf die verschiedensten glatten Muskelfasern ausgedehnt habe. Ich muss indessen gestehen, dass ich anfangs, ehe ich die Quer- schnittsbilder kannte, gestützt auf Beobachtungen an den glatten Muskelfasern des Froschdarms, ebenfalls sehr geneigt war, eine oberflächliche Lage des Kernes für die gewöhnliche zu halten. Jetzt kann ich ähnliche Beobachtungen nur dann für beweisend halten, wenn sie die Probe des Querschnitts bestanden haben. Amsterdam, im Juli 1868. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXIV. Sämmtliche Figuren stellen glatte Muskelfasern aus der Harnblase des Hundes dar und sind Fig. 1, 2, 4 und 5 bei einer Vergrösserung System N. 10 mit Immersion, Ocular I. eines Hartnack schen Instrumentes, Fig. 3 und 6 bei System F Ocular II eines Zeis’schen Mikroskopes gezeichnet. Fig. 1 bis 3 und Fig. 5 stellen mittelst dünner Chromsäurelösung iso- lirte Muskelfasern dar. Fig. 1. Muskelfasev mit glänzender contractiler Rindensubstanz, die an einer Stelle deutlich Querstreifung zeigt. Kern in der Längs- axe der Muskelfaser aus seiner natürlichen Stelle verschoben, sodass an dieser eine Vacuole erscheint. Marksubstanz stellt einen langen aus feinkörniger Masse bestehenden Axenstrang dar. » 2. Zweikernige Muskelfaser. Die Kerne liegen mit ihren Längs- seiten an einander und bergen je ein Kernkörperchen. Proto- plasma in ziemlich reichlicher Menge um die Kerne herum, be- sonders an den Spitzen derselben, vorhanden. Oberfläche der eontractilen Substanz fein gestrichelt. » 3. Zweikernige Muskelfaserkerne resp. mit 1 oder 2 Kernkörperchen, hinter einander in der Axe der Muskelfaser liegend. Proto- plasma nur in geringer Menge vorhanden. » 4. Zweikernige Muskelfaser mittelst ganz dünner (!/,, °,) Osmium- säure isolirt. Zeigt starke Quellungserscheinungen. Kerne quer zur Längsaxe der Muskelfaser gestellt. Protoplasma deutlich sichtbar. » 5. Muskelfaser mit einem etwas geschrumpften Kerne, der in einer Vacuole liegt, 2 Kernkörperchen, reichlichem Protoplasma mit feineren und gröberen Körnchen. Oberfläche der contrac- tilen Substanz fein gestrichelt. » 6. Muskelfaser mittelst Kali chloricum und concentrirter Salpeter- säure isolirt. Lässt deutlich die Entstehung der platten Mus- kelfaserform aus der runden erkennen. Kern sehr verändert, Studien über die Architektonik der Grosshirn- rinde des Menschen. IE. Von Dr. Rudolf Arndt, Privatdocenten in Greifswald. Hierzu Taf. XXV und XXVI. Im dritten Bande dieses Archivs veröffentlichte ich unter gleichlautendem Titel einen Theil meiner Untersuchungen über die Grosshirnrinde des Menschen. Es war mir damals blos darauf ange- kommen die Lageverhältnisse der einzelnen Gebilde derselben dar- zuthun und ihren im Aligemeinen gleichmässigen Bau nachzuweisen. Die Resultate, zu denen ich gekommen, waren Folgende: Die Hirnrinde lässt überall fünf resp. sechs Schichten erkennen, deren Unterschied durch den Reichthum und die Natur der ner- vösen, besonders der ganglionären Elemente bedingt wird. Nur in den beiden ersten, d. i. den obersten oder äussersten Schichten kom- men Zellen vor, welche nicht nervöser Art sind. Die anscheinend zelligen Elemente der anderen Schichten dagegen sind, bis auf eine verschwindend kleine Anzahl, Ganglienkörper. Ein Theil derselben wird als solche erst nach erhärtender Behandlung anerkannt, alle aber zeichnen sich durch einen sehr gleichmässigen Bau und eine sehr gleichmässige Lagerung aus. Sie haben durchweg eine pyramidale Gestalt, wenn letztere auch hier und da eine Abänderung zeigt, und liegen so, dass ihre Basis nach dem Marklager, ihre Spitze nach der Peripherie gerichtet ist, dass die kleinsten den peripherischen, 403 Dr. RudolfArndt: die grössten den centralen Theil einnehmen. Von den Fortsätzen, welche sie aussenden, ist der von der Spitze abgehende der grösste, der Hauptfortsatz des Gangliengkörpers. Derselbe ist ausgenom- men an Körpern im Ammonshorn stets unverästelt, verläuft bald gerade, bald im Bogen, und scheint immer in eine Nervenfaser überzugehen, so dass er als das dem Axencylinderfortsatze Deiter’s homologe Gebilde angesehen werden kann. Die von der Basis aus- gehenden Fortsätze sind dünn und zart und verbreiten sich dichotom. Wenn in Anbetracht dessen zwischen dem Hauptfortsatze der Gang- lienkörper und den Nervenfasern der Hirnrinde ein Zusammenhang stattfindet, so kann dieser mit den aus dem Marklager eintretenden Fasern nicht ohne Weiteres zu Stande kommen, sondern er ist allein durch die schlingenförmige Umbiegung der Fasern zu erklären, welche von Valentin und Kölliker zuerst beobachtet worden ist. Ueber die Endigungsweise der Basalfortsätze hatte ich indessen noch nichts zu ermitteln vermocht. In Betreff der Blutgefässe, die aus der pia mater stammen, glaubte ich gefunden zu haben, dass sie die Hirnrinde immer senkrecht durchdringen und dabei ein drei- faches Verhalten an den Tag legten. Man könne nämlich unter- scheiden: 1. solche, welche die Hirnrinde durchsetzen ohne für sie Aeste abzugeben’um erst im Marklager sich zu verzweigen, 2. solche, die sich in der gelblich -röthlichen Schicht Kölikers verbreiten, ohne vorher die weisse und rein graue Schicht desselben Autors mit Zweigen versehen zu haben und 3. solche, welche diese letztge- nannten Schichten allein versorgen. Ferner hatte ich mitgetheilt, dass die Verzweigung der Gefässe der zweiten und dritten Gattung meist rechtwinklig und bald reicher bald ärmer sei, ohne dass dafür auch nur im Entferntesten eine Regelmässigkeit aufgefunden werden könnte, und dass in Folge dessen die einzelnen Rindenbezirke in sehr verschiedener Weise mit Ernährungsmaterial versehen würden. Inzwischen sind einige Arbeiten von Dr. Meynert!) erschienen, welche den nämlichen Gegenstand behandeln und bei mancher Be- stätigung der obigen Angaben, doch auch mannigfach Abweichendes enthalten. Um eine gehörige Würdigung dieser Verhältnisse her- 1) Th. Meynert. Der Bau der Grosshirnrinde und seine örtlichen Verschiedenheiten, nebst einem pathol. anatom. Corollarium. Vierteljahr- schrift für Psychiatrie ete. I. 1. u. 2. Heft, und Studien über das patholog.- anatom. Material d. Wiener Irren-Anstalt. ibid. 3. u. 4. Heft. a Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 409 beizuführen, gebe ich eine vergleichende Uebersicht unser beider- seitiger Erforschungen, halte mich aber der Kürze wegen nur an die differenten Puncte. | Meynert unterscheidet ebenfalls im Allgemeinen fünf Schichten, welche er von aussen nach innen zählt. Allein in ihrer Umgrenzung weichen dieselben sehr von denen ab, welche ich geglaubt habe unter- scheiden zu können. Seine erste Schicht umfasst den ganzen Raum, welcher sich durch seine Armuth an zelligen oder zellenähnlichen Gebilden auffällig macht, und den ich wegen der Verschiedenheit in der Anordnung seiner Elemente in zwei Schichten eingetheilt habe. Seine zweite Schicht entspricht der von.mir als dritten be- zeichneten, jener bei schwacher Vergrösserung anscheinend nur aus dichtgedrängten Kernen zusammengesetzten Zone, die sich sehr scharf von dem eben angegebenen Raume absetzt. Die von mir als vierte Schicht bezeichnete Gegend umfasst die oberste Partie seiner dritten Schicht, eine Zone, die auch bei schwacher Vergrösserung schon als aus Ganglienkörpern zusammengesetzt erkannt und nach unten durch einen Zug horizontaler Fasern, mehr noch durch eine stärkere Entwickelung des Gefässnetzes abgemarkt wird. Die von mir als fünfte abgegrenztte Schicht, von der ich gezeigt, dass man sie recht gut als aus zweien bestehend ansehen könne, indem in ihrem oberen und mittleren Theile grosse Ganglienkörper, in ihrem unteren, an das Marklager grenzenden Theile kleine, bei schwacher Vergrösserung oft nur als Kerne erscheinende Ganglienkörper vor- herrschen, entspricht dem Gebiete, auf das Meynert den mittleren und unteren Theil seiner dritten, sowie seine vierte und fünfte Schicht verlegt. Meynert’s dritte Schicht in ihrem mittleren und unteren Theile umgreift also den oberen Theil meiner fünften, seine vierte und fünfte Schicht den unteren Theil derselben. Seine vierte Schicht besteht aus kleinen dichtgedrängten kernähnlichen Gang- lienkörpern, seine fünfte wird wieder von grösseren, aber unre- gelmässig gestalteten eingenommen. Trotz der anscheinenden Ver- schiedenheit besteht also doch eine grosse Uebereinstimmung in der Beurtheilung der beiderseitigen Befunde, und nachdem ich mich überzeugt habe, dass die beiden letzten Schichten Meynert’s an hinreichend dünnen und mit Carmin gefärbten Schnitten, selbst wenn sie blos mit Glycerin aufgehellt wurden, sich sehr wohl unterscheiden lassen, nehme ich keinen Anstand, ihr Vorhandensein hiermit zu constatiren. 410 Dr. Rudolf Arndt: Was die von mir angenommene vierte Schicht betrifft, so unter- scheidet sich dieselbe durch ihre ganglionären Elemente nur sehr wenig von der nachfolgenden fünften Schicht. Ihre Ganglienkörper sind allerdings kleiner, dichter gedrängt und regelmässiger gestellt, als die der nächsten Schicht, was ein Blick auf die sowohl von Meynert als auch von mir gegebenen Abbildungen bezeugen wird; indessen der Uebergang zwischen beiden ist ein so allmähliger, dass danach allein die Unterscheidung zu treffen sehr misslich sein würde. Was mich bestimmte, ‘diese Schicht als eine besondere aufzufassen, war 1. ihre grössere Deutlichkeit im Hirne des Neugeborenen, 2. der schon erwähnte stärkere Zug horizontaler Fasern, der sie nach innen begrenzt, 3. die geringere Anzahl von Nervenfasern, welche sie in vertikaler Richtung durchsetzt, und deren grössere Feinheit, 4. die hier beginnende Verästelung der grösseren Gefässe zu jenem eigenthümlich verflochtenen Netzwerk, dem in seiner Ausbreitung die graue Substanz- ihren Stich in das röthliche verdankt, und die wohl danach oben von Kölliker '!) als gelblich-röthliche bezeichnet worden ist. Ich lege kein besonderes Gewicht darauf, wenn es gilt, eine Uebereinstimmung zu erzielen und dadurch die Kenntniss der so lange vergeblich untersuchten Hirnrinde zu fördern, diese Schieht als eine in der Natur begründete festzuhalten. Dennoch dürfte unter gegebenen Verhältnissen, besonders wenn es sich darum handelt, über den Sitz feinerer pathologischer Veränderungen eine rasche Verständigung herbeizuführen, es nicht unzweckmässig sein, sie als besondere zu unterscheiden, und ich werde deshalb nach wie vor an ihr festhalten und sie als vierte weiter zählen. Ausserdem wird aber dadurch die Uebereinstimmung mit der allgemein adoptirten Eintheilung Kölliker’s in die bekannten drei Schichten vollkommen, und das kann meiner Meinung nach dem Ganzen nur förderlich sein. Was noch speciell den horizontalen Faserzug anlangt, der sich an der centralen Grenze der vierten Schicht befindet, so wird seine Existenz zwar von Meynert bestritten. Auch Berlin?) behauptet, nichts von ihm gesehen zu haben, wie denn überhaupt diesem Autor niemals eine streifen- oder lagerförmige Admassirung von horizon- talen Fasern in der Hinrinde zu Gesicht gekommen ist; allein ich 1) Kölliker. Gewebelehre 5. Auflage. S. 303. 2) Berlin. Beitrag zur Structurlehre der Grosshirnwindungen. Inaug. Dissert. Erlangen 1858, Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 411 befinde mich in der Lage nicht blos das Gegentheil behaupten zu können, sondern mit Kölliker die Anwesenheit jenes Faserzuges aufrecht erhalten zu müssen. Uebrigens ist derselbe auch von andern Beob- achtern gesehen worden. Remak!) beschreibt ihn schon im Jahre 1841, und neuerdings wird seiner von Luys?) gedacht. Wenigstens glaube ich die certaine serie des fibres transversales formant comme un liser& blanchätre, au milieu m&me de la substance corticale et servant de limite entre les deux zones de substance grise, deren Luys erwähnt, nur auf ihn beziehen zu können, da der genannte Autor die beiden Schichten als eine d’une teinte grisätre lögerement transparente (weisse und rein graue) und eine d’un aspect rougeätre (gelblich-röthlich) beschreibt. Ganz anders dagegen verhält es sich mit den beiden ersten Schichten. Bei diesen kann ich die Gleichmässigkeit im Bau bis zur Peripherie hin Meynert nicht zugeben. Der obere Theil mar- kirt sich in der von mir beschriebenen Weise ganz deutlich von dem unteren, wenn auch nicht so auffallend, wie Fig. 2. der Taf. XXIH d. 3. Bandes d. Arch. es darstellt. Nur darf man nicht Lack- und Balsampräparate zu ihrer Untersuchung benutzen, obschon auch bei ihnen der Unterschied sich einigermassen erkennen lässt, sondern man muss die betreffenden Objeete mit Glycerin, verdünnt oder un- verdünnt, mit Lauge oder mit Oxalsäure behandeln. Dann aber wird man das Fasergewebe, das der Hirnoberfläche parallel verläuft und die erste Schicht bildet, sehr deutlich — und von dem mehr molekulären Gewebe, das darunter liegt und die zweite Schicht ausmacht, ziem- lich scharf abgehoben sehen. Zugleich wird man in der fraglichen Schicht Fasern erkennen, die offenbar nervöser Natur sind, oder man müsste an der nervösen Natur aller feineren Fasern der Hirn- rinde überhaupt verzweifeln. Remak?°) hat sogar ziemlich breite Nervenfasern zwischen ihnen wahrgenommen, welche denen des Rückenmarks gleichkamen und wie die meisten andern varicös waren. Ob dieselben mit den tiefer liegenden Gebilden zusam- 1) Remak. Anatom. Beobachtungen über das Gehirn d. Rückenm. u. d. Nervenwurzeln. Müller’s Archiv. 1841. page. 506 und ff. 2) J. Luys. Recherches sur le systeme nerveux cerebro-spin. ete. Paris 1865. p. 162. 3) Remak. Anatom. Beobachtungen u. s. w. Müller’s Archiv 1841, pag. 507—508, 412 Dr. Rudolf Arndt.: menhingen, konnte er nicht bestimmen, doch sah er sie zuweilen, wie auch ich, unter einem rechten Winkel in die graue Substanz ein- treten. Berlin!) hat die feinen Fasern, welche aus den unteren Schichten in seine sechste eintreten, in derselben die Richtung ändern und einen horizontalen Verlauf annehmen sehen. Ein Gleiches hat Kölliker?) beobachtet. Dies geschieht aber, wie man sich überzeugen kann, nur an der äusseren Grenze der weissen Schicht und das ist eben die Region, welche ich als erste bezeichnet habe. Demzufolge kann ich denn auch den alten Namen stratum nerveum involvens, gegen den Meynert eifert, durchaus nicht für ungerecht- fertigt halten; ıch kann aber auch in diesem stratum nichts als die grössere Dünnheit finden, was es von der substantia reticularis alba Arnoldi des gyrus fornicatus unterschiede, die beiläufig gesagt zuweilen auch so schwach entwickelt ist, dass man Mühe hat, sie zu sehen, die aber dennoch auch nach Meynert stets mit unzwei- felhaften Nervenfasern ausgestattet ist. — Diese erste Schicht, welche sich also über die ganze Hirnrinde ausgebreitet findet, aber wie Remak schon ganz richtig angegeben, auf der Scheitelhöhe schwächer als an der Basis ist, und deren nervöse Elemente nach demselben Autor vom Balken und den hintern Schenkeln des fornix stammen, aus welchem letzteren sie im pes hippocampi in die Rinde übertreten, diese erste Schicht also ist bisweilen so deutlich von der zweiten abgesetzt, dass sie sich hlättrig von ihr abheben lässt. Pathologische Vorgänge, die zu einer Atrophie des Gehirns führten, sind die Ursache davon. Am häufigsten findet diese blättrige Ab- hebung an Präparaten statt, welche in Chromsäure gehärtet wor- den sind. Doch habe ich sie auch an frisch der Leiche entnommenen Gehirnen gesehen, und dürften sie somit nicht lediglich als Kunst- produet aufzufassen sen. Am Auffallendsten und Ausgedehntesten sah ich diese Eigenschaft an dem Hirn eines Mannes, der in Folge von Öysticerceen im subarachnoidalen Raume zu Grunde gegangen war, und dessen Gehirn 7 Stunden p. m. zur Autopsie kam °). Die im Allgemeinen keineswegs geringe Uebereinstimmung meiner Befunde mit denen von Meynert gilt indessen bloss von 1) Berlin. Beitrag z. Strukturlehre d. Grossbirnwindungen. 2) Kölliker. Gewebelehre. 5. Auflage. pag. 305. 3) Vergl. Cysticercen in der Schädelhöhle. Zeitschrift für Psychiatrie RAVe DOT. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen, 413 dem zweischichtigen Rindentypus dieses Autors, d. i. von jenem Theile der Hirnrinde, an dem mit unbewaffnetem Auge nur die drei Schichten Kölliker’s ohne die bekannten Zwischenstreifen zu erkennen sind, oder wie Meynert es will, wo ausser dem weissen, dicht unter der pia mater gelegenen Saume nur die eigentliche graue Substanz zu sehen ist. In Betreff des vierschichtigen Typus der Rinde, den Meynert aufgestellt hat, den er auf die Gegend des Zwickels, der Spindelwindung, des unteren Zwischenscheitel- läppchens und die hintere Spitze der Hemisphäre beschränkt, und der dadurch zu Stande kommt, dass sich ein weisser, der Oberfläche paralleler Streif im die graue Subbtanz einlagert, kann ich dem sonst so scharfen Beobachter nicht beistimmen. Was dieser Streif sei, sagt Meynert dazu gar nicht. Er scheint anzunehmen, dass derselbe nichts anderes, als der optische Ausdruck einer an Gaäng- lienkörpern, resp. an Pigment armen Gegend sei ') und trägt somit den Beobachtungen der früheren Forscher wenig oder gar nicht Rechnung. Auch ich habe dieses Streifens, der übrigens, wie bekannt, oft gedoppelt erscheint, gehörigen Orts gedacht. Auch habe ich seine besondere Entwickelung ebenfalls für dle Hinterhauptslappen betont; ich kann aber nicht ihn mit Meynert ganz allein auf dieselben beschränken. Dieser Streif kommt auch in anderen Gyris vor, wenngleich weniger deutlich und selten, vielleicht niemals dop- pelt. So habe ich ihn sehr häufig in der Gentralwindung, einige Male in den beiden ersten Frontalwindungen, einmal in den Schlä- fenwindungen gesehen und zu wiederholten Malen Gelegenheit ge- nommen, andere auf dieses Vorkommen aufmerksam zu machen. Noch während meines Aufenthaltes in Halle habe ich die Herren Dr. Dr. Koeppe und von Gellhorn gebeten, darauf zu achten. Hier in Greifswald habe ich Studirende auf ihn hingewiesen und erst vor kurzem habe ich ihn mir von den Herren Prof. Grohe und Dr. Roth in anderen als Hinterhauptswindungen bestätigen lassen. Ausser Kölliker und Luys erwähnen dieses Streifens in grösserer Ausdehnung als Meynert auch noch Vicq d’Azyr?), Remak?°) und Reichert‘). JaRemak räumt ihm in dieser l) a. a. O. pag. 212 u. 213. 2) Vergl. Luys a. a. O. pag. 162 u. 166 Anm. 3) Remak a.a. O.pag. 611. 4) Reichert. Bau des menschlichen Gehirns. II. Taf. VII. 414 Dr. Rudolf Arndt: Ausdehnung sogar eine grosse Ständigkeit ein und beschreibt ihn deshalb als »weissliche Zwischenschicht,« welche in die graue Sub- stanz eingeschoben ist und sie in zwei Abtheilungen spaltet. Da Remak ausserdem noch die schon bekannte weisse Randschicht als besondere Schicht annimmt, so sind nach ihm vier Schichten der Hirnrinde vorhanden. Da jedoch noch in die innere graue Schicht, die er substantia gelatinosa nennt, und zwar hauptsächlich in den dem corpus callosum benachbarten Windungen sich öfters eine zweite weisse Schicht einschiebt, so sind an manchen Stellen der Hirnrinde auch sechs Schichten zu zählen. Der weisse, einfache oder gedoppelte Streif entspricht aber, wie wir gesehen haben, hori- zontalen Faserzügen der Hirnrinde. Der zuerst erwähnte, sich weit- hin erstreckende, ist der auf der Grenze zwischen der rein grauen und der gelblich-röthlichen Schicht liegende, der zweite, nur stel- lenweise vorhandene ist der, welcher im unteren Drittheil der letzteren angetroffen wird. z Die stärkere oder geringere Entwickelung dieses Streifens resp. der beiden Streifen halte ich für durchaus individuell. Sie können selbst im Hinterhauptslappen so schwach angelegt sein, dass sie unter Umständen nur als dünne Linien erscheinen und bei patholo- gischer Veränderung der Rinde, z. B. in Folge von Anämie, geradezu unkenntlich werden ; während ein ander Mal sie sich in weiter Ver- breitung auffınden lassen, in noch anderen Fällen nur theilweise vorhanden sind und zwar so, dass die einzelnen Theile gar nicht miteinander zusammenzuhängen scheinen. Um den letzten Zweifel über ihr Zustandekommen durch An- häufung von Nervenfasern zu beseitigen, empfehle ich zur Unter- suchung des betreffenden Präparates seine Behandlung mit Kali- oder Natron-Lauge (Kali oder Natron hydric. solut. ph. boruss.) oder mit einer gesättigten Oxalsäure-Lösung. Es tritt danach bei einer Ver- grösserung von 250 Mal am obern Rande und im untern Drittheil der von mir bezeichneten fünften Schicht, also im oberen Drittheil der dritten Schicht Meynert’s und in der Gegend seiner vierten Schicht bald mehr bald weniger breit und abgegrenzt ein dunkler Streif hervor, in dem sich Fasern von jeder Länge, oft weit über das Gesichtsfeld zu verfolgen, und Querschnitte von Fasern in ver- schiedener Grösse und Form, bald mehr kreisförmig, bald mehr elliptisch erkennen lassen. Das Verhältniss der in dem jedes Mal Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 415 vorliegenden Schnitte längs verlaufenden Fasern zu den quer durchschnittenen ist nicht überall gieich. Hier prävaliren diese, dort jene. Wo Ersteres der Fall ist, sieht der Streif wie eine moleku- läre, unregelmässig granulirte Masse aus, wo letzteres stattfindet, bald mehr geradlinig, bald mehr unregelmässig wellenförmig ge- streift. Einige der Fasern sind ausserordentlich breit, doppelt kon- tourirt, andere sind schmal, haben nur einfache Kontouren und zeigen nicht einmal Varikositäten. Hin und wieder sieht man die eine oder die andere unter einem bald grösseren bald kleineren, bis- weilen unter einem vollkommen rechten Winkel abbiegen und in direkter Richtung dem Marklager entgegenlaufen. Andere aus dem Marklager aufsteigende sieht man dagegen hier scharf abgesetzt und wie abgebrochen endigen. Um aber sich davon wirklich über- zeugen zu können, dürfen die Schnitte nicht zu dünn sein, denn es können nur diejenigen Umbiegungen zur Wahrnehmung kommen, welche in die Schnittebene fallen, und selbstverständlich werden das immer nur sehr wenige sein. Niemals indessen, wie ich glaube, wird man über die vorliegenden Verhältnisse sich zu unterrichten vermögen, wenn man dazu Präparate wählt, die erst in Alkohol, dann in Terpentin, endlich in Canada-Balsam oder Damarlack zu einer fast glasigen Masse umgewandelt worden sind. Die beiden Fasermassen werden demgemäss aus Fasern ge- bildet, welche wie die der ersten Schicht der Hirnoberfläche zwar im Allgemeinen parallel verlaufen, unter sich jedoch die verschie- densten Richtungen einschlagen, sich kreuzen und verflechten, mit den Fasern des Marklagers in Verbindung treten und auf diese Weise ein System von Leitungsdrähten darstellen, das einmal ver- schiedene Provinzen der Hirnrinde verbindet, das andere Mal diese mit tiefer gelegenen Theilen in Zusammenhang bringt. Wo die beiden Fasermassen makroskopisch fehlen, oder nur theilweise vorhanden sind, oder eine nur schwache Entwickelung zeigen, wo mikroskopisch sie nur in geringem Maasse sich auffin- .den lassen, fehlt das Leitungssystem, das durch sie gebildet wird, natürlich doch nicht. Es ist nur anders angeordnet. Anstatt dass die Fasern nämlich zu einem oder zu zwei grösseren Bündeln zu- sammengedrängt sind, die an den bezeichneten Orten liegen, sind sie, wie Berlin und Meynert es angeben, mehr gleichmässig in den unteren Partien der Hirnrinde aneinander gelagert, doch so, dass 416 Dr. Rudolf Arndt: je näher dem Markager, sie um so dichter liegen '). Das mikro- skopische Bild zeigt alsdann in allen Theilen der gelb-röthlichen Schicht die horizontalen Fasern, die Querschnitte derselben, ihre Umbiegungen, es ist zugleich aber auch so unklar und verschwom- men, dass man nur mit Mühe die Lagerungsverhältnisse der übrigen Gebilde, der Ganglienkörper und Gefässe, zu erkennen im Stande ist. Während die Anordnung dieses Leitungssystems zu zwei Bün- deln in den Hinterhauptslappen das Gesetzmässige ist, ist die zuletzt besprochene Lagerungsweise desselben die für die Stirnlappen und den Schläfenlappen geltende. Im Scheitelhirn ist bald diese, bald jene Anordnung zu sehen, obschon die der Stirnlappen häufiger ist. Sie ist, wie schon erwähnt, jedenfalls ganz individuell und wahrscheinlich auch vollständig gleichgültig in Bezug auf functio- nelle Verhältnisse, und die Bedeutung des zweischichtigen und vier- schichtigen Typus nach Meynert erledigt sich damit von selbst. Kann ich schon in Bezug auf das makroskopische BildM eynert nicht beipflichten, so kann ich dies noch weniger in Betreff des mikroskopischen. Meynert unterscheidet nämlich im Bereich seines vierschichtigen Typus acht besondare Schichten. Die beiden ersten und die beiden letzten sind den nämlichen Schichten des ersten Typus gleich. Die vier mittelsten Schichten hingegen entstehen da- durch, dass zwischen die zweite und dritte und in der Breite der dritten selbst, welche hier sehr arm an grössern Ganglienkörpern ist, sich sogenannte Körnerschichten einschieben. Das aber sind Verhältnisse, welche zu sehen mir bis jetzt nicht vergönnt war. Die Hirnrinde, ausgenommen die beiden obersten Schichten, ist nirgend frei von diesen sogenannten Körnern, d. h. kleinen Ganglienkörpern. Ueberall, in allen Schichten finden sich dieselben eingesprengt, bald dichter bald dünner gesät, bald wie in der dritten Schicht und in den untersten Partien — der vierten Schicht Meynert’s, vorherr- schend und den Charakter bestimmend, bald, wie in den mittleren Regionen, den grösseren Gebilden nur beigemengt. Aber so scharf 1) Berlin (a. a. O.) giebt dagegen an, dass die horizontalen Fasern vom Marklager bis zur Mitte der Hirnrinde stetig an Zahl und Häufigkeit zu-, von da jedoch wieder abnehmen, so dass sie an der Peripherie nur noch sehr spärlich vorhanden sind. Ich habe diese Art von Anordnung nicht beobachtet, bezweifle aber keineswegs ihr Vorkommen, da mir in Betreff des Ganzen sehr viel Zufälliges zu herrschen scheint. Studien über. die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 417 geschieden, wie Meynert angiebt und abbildet, sind die betreffen- den Gebilde nirgends. Die Trennung in zwei so deutlich gesonderte Reihen von Ganglienkörpern, die wegen ihres weiten Abstandes von einander Meynert »Solidärzellen« nennt, ist eine nur mehr zu- fällige und durchaus nicht specifische. Meynert selbst hat dies schon eingesehen. Aus den Seite 210 gegebenen Vorbemerkungen scheint mir hervorzugehen, dass er kein besonderes Gewicht darauf legt, und nur aus einer gewissen Neigung diese acht Schichten auf- recht zu erhalten sucht. Er giebt selbst an (8. 112), dass die beiden Zonen von Solidärzellen sich stellenweise sehr nähern und nur stellenweise weiter entfernen. »Die Annäherung gedeiht strecken- weise zur Verschmelzung mit entsprechend dichterer Uebereinander- stellung der sonst einreihigen Körper.« Ein klares Erkennen dieses Typus sei öfter erst die Frucht des Vergleiches mannigfacher Ab- schnitte. Was ist da aber das Charakteristische? — Was meiner Meinung nach die dritte Schicht Meynert’s in dem sogenannten vierschichtigen Typus von der im zweischichtigen unterscheidet, ist allein die geringe Menge an grösseren Ganglienkörpern. Dadurch herrschen die kleinen, die sogenannten Körner vor, und wo sie dann auf grössere Strecken allein und mehr oder weniger dicht liegen, erscheinen sie als obere und mittlere Körnerschicht, als dritte und fünfte Schicht des zuletzt besprochenen Typus. Niemand wird Meynert bestreiten können genau beobachtet zu haben; aber ich bin der Meinung, dass er in seinen Deutungen zu weit gegangen. Er hat etwas ganz Anderes annehmen zu müssen geglaubt, wo nur eine verhältnissmässig geringe Abweichung von dem Gewöhnlichen vorlag. Der vierschichtige Typus dürfte danach auch des mikroskopischen Befundes halber nicht als ein besonderer, dem vorigen coordinirter, aufrecht zu erhalten sein. Wenigstens kann ich in ihm nichts Anderes als eine Modification des im Allge- meinen herrschenden finden; aber von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet hat seine Fixirung gewiss ihre Bedeutung. Die letztere wird um so höher anzuschlagen sein, als jetzt, nachdem der Bau der Grosshirnrinde im grossen Ganzen erkannt worden ist, die Auf- gabe herantritt, in den besondern Bezirken seine besondern Modi- ficationen zu erforschen. Lassen vom Gehirn des Erwachsenen die einzelnen Präparate in Betreff der geschilderten Verhältnisse auch immer noch Zweifel und Puncte übrig, die einer verschiedenen Deutung fähig sind und M. Schultze. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 27 418 Dr. Rudolf Arndt: parum Gegenstand der Controverse werden können, so werden diesel- ben doch rasch beseitigt, wenn es vergönnt ist, controllirende Untersu- chungen am Gehirn des Neugeborenen zu machen. In diesem giebt es noch keine sich kreuzenden und verflechtenden Nervenfasern, die den Einblick in jene Verhältnisse trüben. Es sind auch noch keine Gan- glienkörper vorhanden, welche gross und klein über einander, neben und durcheinander liegen und das Verständniss des Baues erschweren. Hier haben wir es nur noch mit Kernen und den ersten Bildungs- stufen der Ganglienkörper zu thun, welche nichts verwirren, wohl aber wegen ihrer eigenen Distinetion und wegen der Zartheit der Grundsubstanz, in der sie liegen, gestatten mit ausserordentlicher Klarheit und Sicherheit die Verhälnisse zu beurtheilen. Betrachten wir einen Schnitt aus dem Gehirn eines Neugeborenen, welcher in der von mir früher angegebenen Weise hergerichtet ist, bei einer Vergrösserung von 250—300 Mal, so unterscheiden wir leicht 1. eine schmale Schicht ziemlich dicht gedrängter, kleiner blasser Kerne, die drei- und vierfach über einander liegen, 2. eine breitere Schicht mit sehr zerstreuten kleinen, blassen und grösseren, dunkler gefärbten Kernen, 3. eine Schicht, welche von der vorigen scharf abgesetzt ist und aus dicht gedrängten, grösseren und dunkler gefärbten Kernen besteht. Darauf folgt 4. eine Schicht, in der ganz ähnliche, oder noch grössere Kerne enthalten sind, die aber zerstreuter liegen, hierauf 5. ein breiter Raum, in dem sich zerstreute grössere Kerne und die ersten Andeutungen von Ganglienkörpern finden. Als 6. schliesst sich daran eine der dritten ähnliche, scharf abgesetzte Schicht, die aus dicht gedrängten, dunkel gefärbten Kernen besteht, und auf diese folgt unmittelbar vor der Markleiste als 7. eine schmale Schicht, welche wieder eine gewisse Aehnlichkeit mit der vierten hat, da sie ebenfalls durch zerstreute grössere und dunkel gefärbte Kerne gebildet wird. Aus den dunklen Kernen werden Ganglienkörper, wie später gezeigt werden soll. Die blassen Kerne gehören zum Bindegewebe. Und vergleiche ich nun den dargelegten Befund mit dem von mir schon früher am Gehirn des Erwachsenen gemachten, so haben wir die erste, zweite, dritte, vierte und fünfte Schicht vollständig ver- treten. Daran reilien sich aber als neue, von der fünften ausgeson- derte, eine sechste und siebente an, welche den beiden letzten von Meynert aufgestellten entsprechen. Zwar geht die vierte Schicht allmählig in die fünfte Schicht über und zeigt überhaupt nur wenig: Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 419 Verschiedenheit von ihr; allem es gelten für ihre Beibehaltung die Gründe, welche ich oben auseinandergesetzt habe, und so wären es nicht fünf, nicht sechs, sondern sieben Schichten, welche wir zu adoptiren hätten. Der in Fig. 1. gezeichnete Schnitt ist der dritten Frontalwindung eines zwei Tage alten Neugeborenen entnommen. In der zweiten Frontalwindung des Gehirnes fand ich in der Mitte der fünften Schicht eine etwas stärkere streifenförmige Anhäufung von Kernen. Noch mehr trat dieselbe in der Gentralwindung hervor und am ausgeprägtesten kam sie in den Windungen des Hinterhaupts- lappens zum Vorschein. Durch die Einschaltung dieses Körner- streifens wurden damit neun Schichten und zugleich der achtschich- tige Typus Meynert’s erzeugt, ohne dass andere Abweichungen ich hätte wahrnehmen können. Hiernach kämen denn die sanftesten Uebergänge von dem zweischichtigen zu dem ausgeprägtesten vier- schichtigen Typus in demsesben Gehirn schon in der Anlage vor, und es wäre damit wieder ein neuer Grund gegeben, auf die strenge Sonderung der beiden Typen kein allzu grosses Gewicht zu legen. Bevor ich mich von den Schichtungsverhältnissen abwende, habe ich noch zur vollen Klärung derselben ein Missverständniss zu berichtigen, zu dem ich in meinem ersten Aufsatze über die Hirnrinde durch Berlin’s Arbeit veranlasst worden bin. Obgleich Berlin nämlich die sechs Schichten, welche er nach dem Grade der Carminfärbung in der Hirnrinde unterscheidet, nur in sehr wager, ja sogar zweifelhafter Weise den Kölliker’schen anpasst, — er selbst giebt an, die letzteren bis dahin nie gesehen zu haben — so hatte ich mich dennoch verleiten lassen, dieselben mit denen, welche ich geglaubt hatte unterscheiden zu können, zu vergleichen. Es waren allerdings Differenzen geblieben, die ich nicht auszugleichen vermocht hatte; allein dergleichen kommt öfters vor, wenn man sich nicht direet verständigen kann, und ich liess sie darum vorläufig auf sich beruhen ). Der Fehler, den ich begangen hatte, lag darin, dass ich allein die Fig. 2 der Berlin’schen Taf. I, die schematisch und auch etwas undeutlich gezeichnet ist, der Vergleichung zu Grunde legte, und die Fig. 1 derselben Taf., welche bei einer nur geringen Vergrösserung lediglich die Farbennuancen darstellt, unbe- rücksichtigt liess. Ich that es, weil ich nichts mit der letzteren anzufangen wusste. Heute glaube ich das besser zu können. Berlin 1) Vergl. d. Arch. Bd. III. pag. 448. 420 Dr. Rudolf Arndt: hat in derselben den vier- resp. achtschichtigen Typus Meynert’s wiedergegeben, und alle seine einschlägigen Angaben beziehen sich auf diesen, finden in ihm auch ihre Erklärung. Die Vermuthungen aber, welche Berlin in Bezug auf die Kölliker’schen Schichten ausspricht, halte ich für ganz richtig. Seine erste, zweite und dritte Schicht entspricht der gelbblich-röthlichen Kölliker’s, seine vierte und fünfte der rein grauen, seine sechste der ganzen weissen dieses Autors, und nicht blos dem obersten faserigen Theile derselben, wie ich geglaubt hatte. Berlin hat sich vorzugsweise der Harz- präparate bedient, und bei diesen sind, wie ich schon wiederholent- lich hervorgehoben habe, die zwei Abtheilungen jener Schicht nicht leicht zu erkennen. Aus diesem Versehen mussten darum noth- wendiger Weise Missverständnisse entspringen. Ich hoffe indessen, dass dieselben jetzt werden erledigt werden, und dass eine völlige Uebereinstimmung herbeizuführen sein wird. Die Verhältnisse liegen nämlich nach meinem Dafürhalten folgendermassen: Es entsprechen sich: 6te Schicht Berlin’s = Iter Schicht Meynert’s, = Iter und 2ter Schicht nach meiner Auffassung, = weisser Schicht Köl- liker’s, = weisser Schicht Remak’s. 5te Schicht B. = 2ter Schicht M. (im 4 resp. Sschichtigen Typus — 2ter und ter, d. i. — 2ter und äusserer Körnerschicht), = 3ter und 4ter nach meiner Auffassung, = reingrauer Schicht K., — grauer Schicht R. ‘ 4te Schicht B. fehlt im 2- resp. 5-schichtigen Typus M. als be- sondere Schicht und ist ein Theil seiner 3ten Schicht (im 4- resp. S-schichtigen Typus = 4ter), = 1tem stärker entwickeltem horizontalen Faserzuge nach K. und mir, = weisser Zwischenschicht R. 3te Schicht B. fehlt im 2- resp. 5-schichtigen Typus M. als be- sondere Schicht und ist wie die vorige ein Theil der 3ten (im 4- resp. 8-schichtigen = Öter, d. i. mittleren Körnerschicht), = einem Theil der 5ten nach meiner Auffassung, = einem Theil der gelblich-röthlichen K. und der Substantia gelatinosa R. 2te Schicht B. = im 2- resp. 5-schichtigen Typus M. dem unteren Theile seiner 3ten Schicht (im 4- resp. S-schichtigen Ty- Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 421 pus = der 6ten), = dem 2ten stärker entwickelten horizontalen Faserzuge nach K., R. und mir. lte Schicht B. = 4ter und öter Schicht M. (im 4- resp. 8-schichtigen Typus = Tter und Ster), = 6ter und 7ter nach meiner Auffassung, = unterstem an die Markleiste grenzendem Theile der gelblich-röthlichen Schicht K. und der Sub- stantia gelatinosa R. Haben die Differenzen, welche in Bezug auf die Schichtungs- verhältnisse der Hirnrinde zwischen Meynert und mir zu bestehen schienen, sich im Ganzen leicht heben lassen, so vermag ich das in Bezug auf die Elemente, welche die Schichtung bedingen, also in Bezug auf die Ganglienkörper, nicht. Meynert sieht dieselben eben- falls für durchgehends pyramidale Körper an. Zwar erwähnt er auch spindelförmiger Gestalten unter ihnen, die vorzugsweise, oder gar allein in seiner fünften Schicht vorkommen sollen !), und erklärt an anderen Orten?), dass, wenn ich diese Formen nicht gesehen habe, es daran liege, dass ich bis zu diesen Tiefen nicht hinabge- stiegen sei; allein S. 209 weist er nach, dass diese Spindelform nur scheinbar sei, dass durch den Abgang von wenigstens einem Seitenfortsatze eine den Pyramiden ähnliche Form in der That her- gestellt werde und nennt sie darum »Trugpyramiden«. Ich kann mehr nicht verlangen, um meine ausgesprochene Ansicht, dass die Pyramidenform für die Ganglienkörper der Hirnrinde die gesetz- mässige sei, trotz jenes Angriffes bestätigt zu sehen und muss mich freuen, auch hierin nur Uebereinstimmung constatiren zu Können. Denn wer jenen Aufsatz gelesen hat, in dem ich mich darüber aus- gesprochen habe, wird sich erinnern, dass ich sehr wohl scheinbar spindelförmige Körper beschrieben und abgebildet, ihre Spindelform aber durch die einseitige Entwicklung eines Basalfortsatzes auf Kosten der übrigen zu erklären gesucht habe. Ich bin auch heute noch dieser Ansicht, und dies um so mehr, als ich seitdem wirklich einmal eine ächte Spindelform unter den grossen Körpern der fünften Schicht gesehen habe, und diese denn doch etwas anders sich prä- sentirte, als die spindelförmigen Meynert’schen Trugpyramiden. 1) a. a. OÖ. pag. 207 u. ff. 2) ıbid. pag. 382. Anm, 422 Dr. Rudolf Arndt: Wie Meynert in Betreff der Pyramidenform der Ganglien- körper mit mir im grossen Ganzen übereinstimmt, so auch in Be- treff der Lagerung derselben. Auch er findet entgegengesetzt einigen neueren Angaben !), dass die Pyramiden ihre Basis dem Marklager, ihre Spitze der Peripherie zukehren?), dass der von der Spitze ab- gehende Fortsatz der am stärksten entwickelte ist, weicht aber in Betreff des weiteren Verlaufes dieses Fortsatzes von mir vollständig ab. Ich habe betont, dass dieser Fortsatz immer unverästelt sei, ausgenommen an den Ganglienkörpern des Ammonshornes. Meynert findet dies um so wunderbarer, als die reiche Verästelung des in Rede stehenden Fortsatzes in der gesammten Hirnrinde zu den auf- fälligsten Thatsachen gehöre. Ich muss rund heraus erklären, dass mich dies nicht weniger Wunder nimmt. Zwar finden sich ähnliche Angaben auch bei Berlin°), dennoch muss ich sagen, dass die unzweifelhafte 'Theilung des Spitzenfortsatzes, oder wie ich ihn genannt hatte, des Hauptfortsatzes, ich nie gesehen habe, weder vor dem Erscheinen der Meynert’schen Abhandlungen noch nach demselben, obwohl ich gerade nachher sehr eifrig auf sie gefahndet habe. Ich habe den ungetheilten Verlauf dieses Fortsatzes sowohl an isolirten Körpern, als auch in Schnitten in Hunderten, ja ich kann wohl sagen in Tausenden von Fällen constatiren können, ich habe ihn zu wiederholten Malen weit über das Gesichtsfeld ohne jede Spur von Verästelung hinziehen sehen und glaube mich daher zu der kategorischen Erklärung berechtigt, dass es ist, wie ich an- gegeben habe. Der Hauptfortsatz der Ganglienkörper der Hirnrinde, ihr Spitzenfortsatz, ist stets unverästelt. Meynert hat nicht angegeben, auf welchem Wege er dazu gekommen, sich die betreffende Ansicht über den Spitzenfortsatz zu 1) Besser, L. Eine Anastomose zwischen centralen Ganglienzellen. Arch. f. pathologische Anat. ete. Bd. XXXVI. p. 136. u. 138. 2) Nur um die Windungsfurche herum, in dem zwischen zwei -Gyris gelegenen Theile der Hirnrinde, den ich der schnelleren Verständigung wegen Intergyrium genannt habe, liegen nach Meynert die Körper seiner fünften Schicht, die Trugpyramiden, parallel den bogenförmigen Fasern dieser Ge- gend, also mit ihrem Längsdurchmesser der Hirnoberfläche parallel, ein Ver- halten, das ich bestätigen kann. 3) Doch giebt Berlin anderweitig wieder an, dass er nicht selten die Hauptfortsätze der Ganglienkörper durch die ganze Dicke der grauen Substanz verfolgen konnte, bis sie sich, äusserst fein geworden, trotz der Färbung den Blicken entzogen. Hier ist also von keiner Theilung die Rede. — a. a. 0. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 425 bilden. Er giebt nicht die Präparations-, nicht die Untersuchungs- Methode an. Nur ganz allgemein erfährt man, dass er wahrschein- lich die Schnitte des gehärteten Gehirns mit Garmin imbibirt und mit Terpentin aufgehellt habe, dass er gelegentlich wohl auch von der Maceration in sehr dünner Chromsäure-Lösung Gebrauch ge- macht habe. Doch muss man mehr davon errathen und aus den Abbildungen, die nach bestimmten Präparaten gezeichnet sein sollen, erschliessen, als dass man direete Aufklärungen erhält. Wie wichtig aber zur Beurtheilung des Werthes einer Beobachtung es ist, dass man den Weg kenne, auf welchem sie gemacht worden, ist allge- mein bekannt. Es ist darum an der sonst so inhaltreichen und wichtigen Arbeit Meynert’s in hohem Grade zu beklagen, dass er über sein Verfahren nichts mitgetheilt hat, dass in Folge dessen er uns auch nicht sowohl auf dem Wege der Induction zu den Resul- taten seiner Forschung führt, als vielmehr dieselben uns als fertige Dogmata vorträgt. In meinem ersten Aufsatz über die Architektonik der Gross- hirnrinde hatte ich mich gegen die Präparation der gehärteten und imbibirten Schnitte mit Terpentin und Balsamen ausgesprochen. Die feineren Gewebe würden in eine fast homogene, glasig durchschei- nende Masse verwandelt, die gröberen Elemente durch Schrumpfung in ihrer Form verändert und unkenntlich gemacht. Eine ähnliche, wie wohl etwas bessere Reaction, bewirke auch die Behandlung mit Kreosot und Balsamen. Zu derselben Ansicht ist auch Stilling!) gekommen und fordert deshalb, dass man die Untersuchungsobjekte so dünn anfertige, dass man sie ohne weitere Aufhellungsmittel blos mit Glycerin zu untersuchen vermöchte, und Stilling arbeitete mit dem für solche Behandlungsweise doch ungleich günstigeren Rücken- marke und kleinen Gehirn. Trotzdem habe ich auch in solchen mit Terpentin oder Kreosot angefertigten Harzpräparaten nichts von den auffallenden Theilungen des Spitzenfortsatzes der Ganglienkörper wahrnehmen können. Wohl aber bin ich dadurch auf Fehlerquellen aufmerksam geworden, welche möglicher Weise zur Verspiegelung dieser Theilungen Veranlassung gegeben haben. Ebenfalls in jenem Aufsatze hatte ich darauf hingewiesen, dass män bei Bestimmung von Nervenfasern, abgebrochenen Ganglienkörperfortsätzen in Schnit- l) Stilling, Untersuchungen über den Bau d. kleinen Gehirns. I. 1865. II. 1867. 424 Dr. Rudolf Arndt: ten sich in Acht zu nehmen habe vor einer Verwechselung mit Ca- pillaren. Ich hatte aufmerksam gemacht auf die vielfachen netz- förmigen Verbindungen von Fasern, welche sich nach der Behandlung mit Alkalien und Oxalsäure in der als zweiten beschriebenen Schicht erkennen liessen, hatte jedoch zugleich auch die Möglichkeit einer derartigen Verwechselung angedeutet. Wenn die Capillaren frei daliegen, ihre beiden parallel ver- laufenden, doppelt, contourirten Ränder, ihre Kerne, ihre Theilungen präsentiren, dann ist es unmöglich, sie misszudeuten. Allein in Schnitten, besonders wenn sie mit stark lichthrechenden Reagentien behandelt worden sind, ist das anders. Sehr häufig wird da nur der eine Rand des Gefässes wahrgenommen. Er erscheint als dünnes, schmales, mehr oder weniger glänzendes, dunkel contourirtes, leicht varicoses, kernloses Band, das einer breiten Nervenfaser täuschend ähnlich sieht; und ist das Präparat imbibirt, die Capillarwand unter dem Einflusse des Alcohol. absolutus, des Terpentinöls geschrumpft, so erscheint dies Band schwach gefärbt, schmal, ziemlich scharf con- tourirt- und einem Ganglienkörperfortsatz durchaus nicht unähnlich. Die vielfachen Anastomosen der CGapillaren sind deshalb unter den angegebenen Bedingungen im Stande, die engsten Nervenfaserge- flechte, die ausgebreitetsten Theilungen von Ganglienkörperfortsätzen vorzutäuschen, und was ich gleichfalls damals schon andeutete, glaube ich nunmehr bestimmt aussprechen zu dürfen: Die auch jetzt wieder berührten Netze in der zweiten Schicht sind Capillarnetze. Durch Verschieben des Tubus wird man gewöhnlich im Stande sein, den zweiten Rand des Capillarrohres aufzufinden und aus dem Pa- rallelismus der beiden Ränder ihre gegenseitigen Beziehungen zu erkennen. Die Verbindung der beiden Ränder, die Capillarmembran, wird man unter den angegebenen Verhältnissen wenigstens bei den kleinsten Gefässen vergeblich suchen, oft nicht einmal die Kerne finden; und so ist es ersichtlich, warum hier so leicht eine Täuschung vorkommen kann. Ich bitte den Leser, nicht ohne Weiteres darüber zu lächeln, dass ich diesen anscheinend so groben Verhältnissen so viel Zeit zur Besprechung gewidmet habe. Die Sache ist wirklich nicht so einfach. Auch Owsjannikow warnt vor den besprochenen Ver- wechselungen, ja selbst vor solchen zwischen Gefässen und Nerven- zellen. Ich bitte den Leser vielmehr, die Präparate nach den von mir beschriebenen Methoden anzufertigen, sie bei den angegebenen Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 425 Vergrösserungen zu besichtigen, und wenn er dann noch über die allzu grosse Besorgniss meinerseits lächelt, so will ich es mir gern gefallen lassen. Eine zweite Fehlerquelle liegt in den Veränderungen, welche die interganglionäre, körnig-schwammige Substanz, die sogenannte Neuroglia, Reticula, oder wie man sie sonst nennen will, erleidet. Besser!) beschreibt in seiner Abhandlung: »Zur Histogenese der nervösenElementartheileindenÜentralorganendesneu- geborenen Menschen« Lücken, Hohlräume, welche nicht im ganz frischen, aber ausnahmslos im etwas coagulirten, d. h. gehärteten Hirne vorkommen und in der Hirnrinde die Lagerstätten herausgerissener Ganglienkörper, im Marklager Höhlungen seien, welche durch das Auseinanderweichen der Fasern um einen Kern herum entständen. Je nachdem sie dort oder hier sich fänden, Neuroglia oder Nerven- fasern ihre Wände bildeten, erschienen sie so oder anders. Besser nennt sie ausgesparte Räume und die scharfen, dunkel contourirten Säume derselben, namentlich in der Rinde, äusserst charakteristisch. Eine Erklärung für ihr Zustandekommen giebt er indessen nicht an. Mir will jedoch scheinen, als ob dieselbe um so nothwendiger sei, als nicht alle Beobachter diese Räume für blosse Räume an- gesehen haben, sondern manche in ihnen arge pathologische Ver- änderungen erblickt haben. Einige hielten dieselben für die ge- schwollenen Bäuche wassersüchtiger Ganglienkörper! Hubrich?) hat nun nachgewiesen, dass sie durch Einwirkung von Wasser auf das Gehirn entständen und Öödematöse Erweiterungen desselben dar- stellten. In gleicher Weise fasst sie auch Westphal?) auf. Er nennt sie ganz unschuldige Producte und schenkt ihnen keine weitere Beachtung. Auch ich halte sie für Kunstproducte und zwar in Folge der Quellung der Hirnsubstanz, aber doch nicht für so einfach zu erklären, als man vielleicht zu meinen gewillt ist, und für die Deutung mancher Befunde erscheinen sie mir nicht ganz unschuldig. Man sieht an ihnen keine Einrisse in die umgebende Substanz sich fortpflanzen, was doch bei einfachen Ausdehnungen geschehen müsste; man sieht 1) Besser, L., Arch. f. patholog. Anat. u. s. w. Bd. XXXV1. 3. 2) Hubrich, Ueber ein eigenthümliches Verhalten der. grauen Hirn- substanz gegen Wasser. Zeitschr. f. Biolog. II. 3. p. 391. 3) Westphal, C.. Allgem. progressive Paralyse d. Irren. Arch. für Psychiatr. I. 1. p. 71. 426 Dr. Rudolf Arndt: auch sonst keine Spalten und Zerklüftungen. Ihre Contouren sind sehr regelmässige Curven, meist rundlich, elliptisch oder oval, und nur da, wo mehrere dicht zusammenliegen, eingebogen oder geschlängelt. (Vergl. Fig.2 u. 3.) Es müssen deshalb bei ihrer Entstehung Ver- hältnisse verschiedener Art zusammenwirken, und diese wollen wir vorerst berücksichtigen. In der ersten Zeit der Härtung des Gehirns, wo noch ganz dünne Lösungen der Chromsäure oder des doppelt chromsaueren Kalıs an- gewandt werden, quellen die eingelegten Stücke, je nachdem die Flüssigkeit langsamer oder rascher sie durchdrinst, in 24—48 Stunden oft bis auf das Doppelte ihres ursprünglichen Volumens auf. Die Rindensubstanz quillt dabei stärker, als die Marksubstanz, so dass sie die letztere an der Uebergangsstelle leicht überwallt. Die Kerne und kernhaltigen Gebilde, die Ganglienkörper, Bindegewebs- körperchen, Gefässe nehmen an der Quellung keinen Theil; sie sind im aufgequollenen Hirnstücke nicht grösser als im frischen; in Folge dessen füllen sie auch nicht mehr die Räume aus, in denen sie liegen, und die bei der allgemeinen Quellung sich mit vergrössert haben. Zwischen ihnen und den Wänden ihrer Lagerstätte hat sich ein leerer Raum gebildet, ihre Verbindung mit den übrigen Hirn- theilen ist dadurch gestört, oder doch mindestens so gelockert wor- den, dass sie bei jeder Gelegenheit aus derselben vollständig herausge- rissen werden und ihr Nest leer zurücklassen. Dass bei der Quellung der Hirnsubstanz diese Räume nicht verquellen, kleiner werden und die Körper einzwängen, wie man von vornherein erwarten sollte, sondern sich vergrössern, muss wohl von ihrer Form und gegensei- tigen Beziehung herrühren. Es ist das um so wahrscheinlicher, als neben den erweiterten Räumen viele vorkommen, die in der That enger geworden zu sein scheinen und die Ganglienkörper und Ge- fässe knapp umschliessen. Wenn darum Räume nicht verquellen, so kann dies nur geschehen, weil die Elemente ihrer Wandungen so liegen, dass durch sie selbst das Hinderniss gesetzt ist. Dies geschieht jedoch stets bei möglichst regelmässigen Krümmungsver- hältnissen, wenn sphärische oder sphäroide Aushöhlungen, mit einem Worte, wenn Gewölbe gebildet werden. Zu gleicher Zeit ist indessen auch ersichtlich, dass, wenn auch eine Ausdehnung der Räume durch Quellung ihrer Wandmassen erfolgen kann, diese nichts_ desto weniger einem Druck von aussen her ausgesetzt sind. In Folge dieses Druckes aber muss es zu einer Verdichtung der Wandtheile 4 ‘ Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 427 kommen, und diese Verdichtung findet ihren Ausdruck in den scharfen und dunkel contourirten Rändern, welche von Besser beschrieben und von mir stets gefunden worden sind. Die scharfen dunklen Ränder nun in ihren unregelmässigen Lagerungsverhältnissen, in ihrem Nebeneinander und Uebereinander, geben dadurch, dass sie ein zusammenhängendes Netz dunkler Linien zu bilden scheinen, zu Verwechselungen mit Theilungen eines Gan- glienkörperfortsatzes sehr leicht Veranlassung. Ganz besonders leicht geschieht dies, wenn ein Ganglienkörperfortsatz sich in einem solchen Rande verliert, sei es, dass er hier abgebrochen endet, sei es, dass er durch eine stärkere oder schwächere Biegung von seiner bisherigen Richtung abweicht. Allen eine aufmerksame Beobach- tung wird doch nur selten das Räthsel ungelöst lassen. Durch Ver- schieben des Tubus, durch Abblenden des zu hellen, Formen schaf- fenden Lichtes, durch Anwendung der schiefen Beleuchtung, welche durch dunkle Schatten da noch Distanzen zeigt, wo sonst nur Zu- sammenhang zu herrschen schien, wird man die wahren Verhält- nisse unschwer erkennen. Die dritte Fehlerquelle wird bedingt durch die Lagerungsver- hältnisse der Ganglienkörper und ihrer Fortsätze. Dadurch nämlich, dass die Ganglienkörper nm einem Hirnrindenschnitt hundertfach über einander geschichtet und stellenweise ganz dicht an einander gedrängt liegen, werden 1. die Spitzenfortsätze derselben Schicht schon nahe an einander gerückt, 2. aber noch die der tieferen Re- gionen mit denen der höheren untermengt. Da diese Fortsätze aber, wenn auch im Allgemeinen nach derselben Richtung ziehend, den- noch nicht parallel verlaufen, sondern bald hierhin bald dahin ab- biegen, so kommen auch zahlreiche Kreuzungen unter ihnen vor. Es ist blos nöthig, dass an einer Kreuzungsstelle zweier Fortsätze der eine von seinem Ganglienkörper abgebrochen ist, und das voll- ständigste Bild der Theilung des andern, nicht abgebrochenen ist gegeben. Ein solcher Fall ist gar nicht so selten — man glaube das ja nicht; er ist mir wiederholt vorgekommen, und Andeutungen davon habe ich schon in Fig. 1 der Taf. XXIU. Bd. III. d. Arch. ab- gebildet — und wer da nicht genau zusieht, wird mit gutem Grunde eine T'heilung wahrgenommen zu haben glauben. Das einseitige Verfolgen eines einzigen Fortsatzes von einem Ende bis zum andern, unter stetem Heben und Senken des Tubus, und vor allem wieder die schiefe Beleuchtung, werden am ehesten vor dem drohenden Irr- 428 Dr. Rudolf Arndt: thum bewahren. Man wird in beiden Fällen die etwaige Lücke entdecken, die zwischen den Fortsätzen vorhanden ist, oder unter Anwendung der letzteren nicht leicht den Schlagschatten vermissen, welchen der abgebrochene Fortsatz auf den intact gebliebenen wirft. Doch muss man auch hier genau zusehen und darf sich nicht die Mühe verdriessen lassen, ähnliche Verhältnisse aufzusuchen und immer wieder nach allen Richtungen hin zu untersuchen. Was die Spitzenfortsätze schon unter sich allein zu leisten ver- mögen, das thun sie in viel höherem Grade noch in Gesellschaft der Basalfortsätze und der Nervenfasern. Und dadurch ist eine vierte Fehlerquelle gegeben. Die Basalfortsätze, welche sich dicho- tom verzweigen, sind, wie ich im dritten Bande dieses Archivs nach- gewiesen habe, bisweilen stärker entwickelt und dann weiter als sonst zu verfolgen. Da sie für gewöhnlich einen mehr horizontalen oder schrägen Verlauf haben, so kommen die Kreuzungen mit den Spitzenfortsätzen noch häufiger vor und Theilungen dieser werden darum noch öfter vorgespiegelt. Was aber die Nervenfasern an- langt, so ist es wohl leicht, die breiten, dunkelrandigen der tieferen Regionen von Ganglienkörperfortsätzen zu unterscheiden, doch mit den feineren der oberen Partien gelingt das nicht so leicht; ja es ist unter Umständen, wie ich es z. B. schon früher für die Behandlung mit Oxalsäure angegeben habe, geradezu unmöglich. Ich glaube heute sogar aussprechen zu dürfen, dass auch nach allen andern Präparationsmethoden die Unterscheidung zwischen feinen Nerven- fasern, die vielleicht blos zarte Axencylinder sind, und dünnen Spitzen- fortsätzen der Ganglienkörper zu den Unmöglichkeiten gehört, und dass beide Gebilde daher wohl ein und dasselbe sein dürften. Auch Besser!) ist, wenn ich ihn recht verstanden habe, zu dieser An- sicht gelangt, ohne jedoch eine bestimmte Erklärung abzugeben. Da nun die Nervenfasern die verschiedensten Richtungen haben, in nicht unerheblicher Menge senkrecht auf der Richtung der Spitzen- fortsätze verlaufen, zum Theil die vielfachsten Kreuzungen eingehen, zum Theil unter Bogenbildungen wieder rückläufig werden, so ist es klar, dass man den bedeutendsten Täuschungen verfallen muss, wenn man nicht durch alle Cautelen der Präparation und Unter- suchung sich dagegen geschützt hat. Es giebt gewiss noch andere Fehlerquellen, durch welche die l) a. a. O. pag. 138. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 429 anscheinende Theilung der Spitzenfortsätze ins Dasein gerufen wird; doch bin ich bis jetzt auf weitere nicht aufmerksam geworden. Denn die Pilzfäden, welche sich vorzugsweise auf Chromsäure-Präpa- raten entwickeln und bis in die obersten Schichten derselben hinein- dringen, dürften wohl kaum zu ihnen gerechnet werden. Ich verlasse deshalb diesen Gegenstand und erlaube mir nur noch einmal zu be- merken, dass es mir auch an gut isolirten Ganglienkörpern nie ge- lungen ist, eine Theilung des fraglichen Fortsatzes zu sehen, ob- gleich es zu den Alltäglichkeiten gehört, vermittelst des Deiters- schen Macerations-Verfahrens, oder der Maceration in Jodserum die Verzweigungen desselben an den Körpern des Ammonshornes auf das Ueberzeugendste darzuthun. Und wenn mir dies gelungen, wenn es mir gelungen ist, die Theilung der viel zarteren Basalfortsätze der Hirnrindenkörper an isolirten Körpern zu sehen, dann ist es in der That wunderbar, dass die von Meynert behauptete gesetz- mässige Theilung des Spitzenfortsatzes, existirte sie, mir nie zu Gesicht gekommen ist. Ich habe erst neuerdings alle meine Prä- parate wieder darauf hin untersucht, habe neue zu demselben Zwecke angefertigt, allein immer dasselbe negative Resultat. Zwar kommt ab und zu— aber wirklich nur verhältnissmässig selten — so etwas vor, das wie Theilung des Spitzenfortsatzes aussieht; ich habe im dritten Bande dieses Arch. schon darauf hingewiesen und unter Fig. 5a und e der Taf. XXIII solche scheinbare Theilungen abge- bildet; allein ich habe mich immer und immer wieder überzeugt, dass es Schein war. Es kann einmal ein Basalfortsatz, wie ich da- mals schon sagte, so hoch an der Spitze entspringen, dass er erst aus dem Spitzenfortsatz abzugehen scheint — in solchem Falle kann über Theilung oder Nichttheilung nur die Natur der beiden Fort- sätze entscheiden — es können aber auch anhängende Theilchen der körnigfaserigen Grundsubstanz eine Theilung vortäuschen, und dann giebt abermals die schiefe Beleuchtung den besten Aufschluss. Und wenn zu dem Allen nichtsdestoweniger doch einmal eine un- zweifelhafte Theilung des Spitzenfortsatzes vorkäme, was wäre da- durch bewiesen? Vorläufig nicht mehr und nicht weniger, als dass der alte Satz: »nulla regula sine exceptione« auch hier seine Gül- tigkeit hat, dass die gewöhnlichen Verbindungen dies Mal auf dop- peltem oder vielleicht auch mehrfachem Wege bewerkstelligt würden. Immer jedoch hätten wir noch nach wie vor die Aufgabe, nachzu- spüren, wo und wie diese Verbindungen vor sich gehen, nicht aber 430 Dr. Rudolf Arndt: schon das Recht, aprioristisch diese Verbindungen in Regionen zu verlegen und an Gebilde zu knüpfen, welche uns gerade zweckent- sprechend scheinen. Muss ich nach dem Gesagten auf der Richtigkeit meiner Beob- achtung bestehen, dass.der Spitzenfortsatz der Ganglienkörper der Hirnrinde stets unverästelt sei, so ist es natürlich auch nicht mög- lich, Meynert darin beizustimmen, dass die Spitzenfortsätze mit den Fortsätzen der obersten Rindenkörper, welche in der ersten und zweiten Schicht zerstreut liegen und durch ihre Unregelmässig- keit und Kleinheit von den übrigen Rindenkörpern sich auffallend unterscheiden, sich zu einem Ursprungsgeflecht verbinden, in welchem die Körper gewissermassen als Knotenpunkte eingeschaltet sind. Nicht eine einzige Thatsache spricht dafür, und vergebens habe ich bei Meynert nach den objectiven Gründen, nach den Befunden ge- sucht, auf die hin er zu seiner Ansicht gekommen ist. Ausge- nommen in der Anmerkung auf Seite 382 zu seinen Studien über daspathologisch-anatomische Material der Wiener Irren- Anstalt!) hat er sich auch nicht ein einziges Mal darüber bestimmt ausgesprochen, dass man die Theilung des Spitzenfortsatzes zu sehen bekomme, und in keiner seiner zahlreichen Abbildungen liefert er den thatsächlichen Beweis dafür. Denn die vereinzelten Andeutungen der- selben, welche sich in seinen schematischen Darstellungen des Hirn- rindendurchschnitts finden, können dabei doch nicht von Belang sein? Meynert erschliesst alles durch Wahrscheinlichkeits-Rech- nung?). Weil vorläufig mit den kleinen Rindenkörpern noch nicht viel anzufangen ist, sie aber in sein System untergebracht sein sollen, so macht er sie zu Sammelpunkten der Theilungen der Spitzen- fortsätze der tiefer gelegenen Ganglienkörpergruppen. Ich halte indessen diese kleinen Rindenkörper für bindegewebiger Natur und zwar 1. wegen ihrer wandelbaren Form, wegen ihrer Zartheit und Kleinheit, und der Kleinheit und Blässe ihrer Kerne?®), 2. wegen ihres von den Ganglienkörpern verschiedenen Verhaltens gegen Che- mikalien*) und endlich 3. wegen ihrer hie und da nachweisbaren 1) Vierteljahrsschrift für Psychiatrie ete. I. Hft. 3—4. 2) Vergl. ibid. Hft. 2. pag. 200. 3) Vergl. OÖ. Deiters, Untersuchung. über Gehirn und Rückenmark ete. Cap. II. und Kölliker, Gewebelehre, 5. Auflage. p. 303. 4) Vergl. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde etc. in dies. Arch. Bd. III. p. 441. und in diesem Artikel p. s. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 431 Verbindung mit Bindegewebsfasern. Meynert hat von diesen Ver- hältnissen auch nicht ein einziges gewürdigt, und er wird es mir deshalb nicht übel nehmen, wenn ich bei meiner Auffassung beharre, so lange er mich nicht eines Besseren belehrt und die Gründe an- giebt, um deretwillen er jene Körper zu nervösen stempelt. — Welche Bedeutung indessen die Bindegewebskörperchen in der Hirnrinde haben, das ist eine andere Frage. Sie kommen nachweisbar nur in den obersten Schichten vor und liegen in der ersten derselben, also dicht unter der pia mater, am gedrängtesten!). Ich kenne ihren Zweck nicht. Um als sogenannte Stützsubstanz zu dienen sind die Bindegewebselemente in der Hirnrinde überhaupt zu spärlich ver- treten und gerade da, wo sie liegen, haben sie am wenigsten zu stützen. Um sie.als pathologische Bildungen anzusehen, dazu kom- men sie zu allgemein vor, finden sich auch und zwar sehr zahlreich bei geschlachteten Thieren. Nach den wenigen Beobachtungen, welche ich in dieser Hinsicht habe anstellen können, bin ich geneigt, sie für Reste fötaler Bildungsvorgänge zu halten. Sie scheinen mir danach aus einer Zeit zu stammen, in welcher die Differenzirung zwischen Hirnrinde und pia mater stattfand, und scheinen die Summe der Elemente darzustellen, welche nicht mehr zum Aufbau dieser Membran verwandt wurden. Bei dem Wachsthum der Hirnrinde aber, das, wie wir sehen werden, vornehmlich, wenn nicht ganz aus- schliesslich, durch die Massenzunahme der schwammigen Grundsub- stanz vor sich geht, kamen sie mehr oder weniger in diese selbst zu liegen, am wenigsten am äussersten Saum, wo sie darum uns am concretesten entgegentreten. Der Vorgang wäre mithin ganz ähnlich dem, wie ihn Kölliker?) für die Bindesubstanzzellen der weissen Markmasse als wahrscheinlich angiebt. Dass übrigens neben den Bindegewebskörperchen auch vereinzelte Ganglienkörper in der zweiten Schicht vorkommen können, will ich keinesweges bestreiten, es ist mir das sogar sehr wahrscheinlich; nur typisch sind sie für dieselben nicht. Wie mit den äussersten Hirnrindenkörpern, so verhält es sich auch 1) Vergl. dies. Arch. Bd. II. Taf. XXIL Fig. 2, ferner Taf. II. Fig. 1 u. 2 zu Meynert’s Abhandlg. in Vierteljahrsschrift f. Psychiatrie I. Heft 1, ferner Taf. I. Fig. 2 zu Berlin’s Beiträgen zur Strukturlehre d. Grosshirn- rinde. Erlang. 1858. 2) Kölliker, Gewebelehre. 5. Aufl. p. 334. 432 Dr. Rudolf Arndt: mit den kleinen Ganglienkörpern, aus denen Meynert seine Körner- schichten zusammensetzt. Sie sollen durch ihre Basalfortsätze mit den sich theilenden Spitzenfortsätzen der tiefer gelegenen Ganglien- körper in Zusammenhang stehen und so die Centren letzter und höchster Ordnung im Bau des Gehirns darstellen. Da Meynert zum mindesten zwei, stellenweise sogar drei Körnerschichten nach- gewiesen hat, so wären danach verschiedene Ursprungsregionen vor- handen. Das könnte nun freilich auch sein, und wem es seinen bisherigen Anschauungen nicht gemäss wäre, der hätte dieselben den T'hatsachen anzubequemen; allein es fehlt gerade das Funda- ment für diese These. Die nothwendige Theilung der Spitzenfort- sätze ist nicht vorhanden. Dazu kommt, dass Meynert auch hier wieder keinen Grund angiebt, warum er die kleinen Ganglienkörper für Ursprungscentren hält, und warum er nicht die grossen dafür ansieht. Nicht ein einziger dahin leitender Gedanke wird uns be- kannt gegeben, nicht eine einzige Thatsache, die dafür spräche, mit- getheilt. Sie werden dafür erklärt, und folglich sollen sie es auch sein. Es ist das ungefähr die Art, wie Jacobowitsch die Ein- theilung der Ganglienkörper in sensible, motorische und sympathische blos nach der Grösse traf und sich dafür eine ziemlich energische Zurechtweisung von Owsjannikow!) zuzog. Für den Augenblick besticht so Etwas und imponirt jedem, der die Verhältnisse nicht genauer kennt; im Allgemeinen jedoch kann es nur verwirrend ein- wirken und den Fortschritt in der Entwicklung der ganzen Disei- plin hemmen. Wir sind noch nicht so weit, bestimmte Ursprungssysteme höchster und letzter Ordnung aus der Ganglienkörpermasse der Grosshirnrinde heraus fixiren zu können. Am allerwenigsten aber können wir dies auf dem von Meynert betretenen Wege, da jeder positive Anhalt uns fehlt. Wie die Sache sich schliesslich verhält, vermag ich natürlich auch nieht anzugeben. Es ist eben da noch Manches aufzufinden, und Vermuthung ist vorläufig Alles. Doch glaube ich für die Annahme, dass der ungetheilte Spitzenfortsatz in eine Nervenfaser übergehe und dann nach der Peripherie der Hirnrinde verlaufe oder nach schlingenförmiger Umbiegung in das Marklager hinabsteige, neue Anhaltepunkte gefunden zu haben. 1) Owsjannikow, Einige Worte über d. Mittheilungen d. IIrm. Dr. Jacubowitsch. ‘Arch. f. pathol. Anat. etc. XV. p. 150. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 433 Dass dem indessen nur so und nicht anders sei, kann ich nicht be- haupten, wie ich es auch nie behauptet habe, da manche meiner Beobachtungen geradezu dem widersprachen. Nur bedingungsweise habe ich die vorstehende Ansicht in meiner früheren Arbeit geäussert. Ich sagte: wenn wegen der obwaltenden Verhältnisse zwischen dem Hauptfortsatz der Ganglienkörper und den Nervenfasern ein Zu- sammenhang stattfinde, so könne er mit den aus dem Marklager eintretenden Fasern nicht ohne Weiteres zu Stande kommen; er sei vielmehr allein durch die vielfachen Umbiegungen der Nervenfasern, d. h. durch die Valentin-Köllikerschen Schlingen denkbar. Noch weiter! Ich habe sogar Ganglienkörper beschrieben und abgebildet!), bei denen dies nicht der Fall zu sein schien, weil der sich allmählig verjüngende Fortsatz in der körnig-schwammigen Masse verschwand ohne abgebrochen zu sein, sondern vielmehr den Anschein erweckte, als ob er sich in die Masse oder in feine, von der Masse eingehüllte Fäserchen auflöste und damit ein Verhalten offenbarte, wie es Leydig?), G. Walter?) von den Ganglienkörperfortsätzen wirbel- loser Thiere beschrieben haben. Da ich indessen nichts Weiteres darüber habe eruiren können, so habe ich ohne alle Glossen einfach das Factum registrirt; und da sich seitdem in dieser Beziehung nichts geklärt hat, so vermag ich auch heute nur bedingungsweise die obige Ansicht zu wiederholen, obschon neuere Beobachtungen mich so oft auf sie zurückgeführt haben, dass ich mich mehr denn je zu ihr hinneige. Die Umbiegungen des Spitzenfortsatzes bekommt man in Zer- zupfungspräparaten gar nicht selten im grosser Vollständigkeit zu sehen; mehr oder weniger bestimmte Andeutungen für dieselbe findet man jedoch auch in jedem Schnitt. Nur muss man auf der einen Seite nicht erwarten, vollstündige Halbkreise oder noch engere Gur- ven zu finden und auf der andern Seite sich hüten, auch hier die dunklen Ränder der ausgesperrten Räume dafür zu nehmen. Am deutlichsten glaube ich die Umbiegung des Spitzenfortsatzes in Schnitten an den Körpern der aritten und vierten Schicht gesehen zu haben und zwar in Präparaten, welche nach vorgängiger Carmin- 1) Dies. Arch. Bd. III. p. 462 u. Taf. XXIII. Fig. 5e. u. e. 2) Leydig, Vom Bau d. thierisch. Körpers. Tübing. 1864. p. 90. 3) G. Walter, Mikroskop. Studien über das Centralnervensyst. wirbel- loser Thiere. Bonn 1863. M. Schultze. Archiv f, mikrosk,. Anatomie. Bd. 4. 28 434 Dr. Rudolf Arndt: tinetion mit Kreosot aufgehellt und dann in Canadabalsam eingelegt worden waren, die im grossen Ganzen also für die Beurtheilung solcher zarten Verhältnisse nicht gerade günstig waren. Die be- treffenden Fortsätze erschienen bei Anwendung von Hartnack’s System 7 etwas stärker lichtbrechend als das sie umgebende Gewebe. Sie hoben sich von dem ziemlich gleichmässigen, matten Perlgrau desselben durch einen etwas stärkeren Glanz und ein etwas reineres Weiss, wenn auch nur schwach, so doch ziemlich deutlich ab. Besser und ungleich bestimmter kann man sich jedoch meinem Dafürhalten nach von diesem Verhältniss an den gewöhnlichen Carminpräparaten, die mit Glycerin behandelt worden sind, überzeugen, besonders wenn man die schiefe Beleuchtung zu Hülfe nimmt und den Vortheil der Schattenbildung hat. An frei gelegten Ganglienkörpern aus Stücken, welche in Lösungen der Chromsäure oder des chromsauren Kalis macerirt worden, findet die Umbiegung sehr häufig dicht nach dem Abgange des Fortsatzes aus dem Ganglienkörper statt. Der Fort- satz biegt dann in einem kurzen Bogen, oft dicht am Körper um und verläuft neben ihm in der seiner Ursprungsrichtung gerade ent- gegengesetzten Richtung. (Fig. M.) Dieser Umstand erklärt, warum wir in Schnitten, in denen ganz natürlich die Spitzenfortsätze an der Umbiegungsstelle abgebrochen sein müssen, wenn die Umbie- gung nicht in die Schnittebene fällt, — warum wir in Schnitten also so ausserordentlich viele Ganglienkörper ohne Spitzenfortsatz finden. Und da ich die kurzen Umbiegungen vorzugsweise bei den kleineren Körpern beobachtet habe, so erklärt sich ferner, warum diese in den Durchschnitten so oft eine mehr rundliche, oder un- regelmässig-eckige Form zeigen und .bei schwachen, ja selbst noch mittleren Vergrösserungen für sogenannte Körner gehalten werden können. Ich hatte in dem schen mehrfach erwähnten früheren Artikel den Uebergang des Spitzenfortsatzes in eine dunkelrandige Nerven- faser beschrieben und abgebildet‘). Es betraf dieses Verhalten in- dessen nur die geradläufigen Spitzenfortsätze, beiden bogenförmigen hatte ich Aehnliches nicht gesehen und nur erschlossen. Ich kann jetzt nicht blos den früheren Befund bestätigen, da mir zu öfterem der Uebergang eines Spitzenfortsatzes unter dem früher entworfenen Bilde zu Gesicht gekommen ist, sondern ich kann auch von den 1) Dies. Arch. Bd. III. pag. 463 u. Taf. XXIII. Fig. 5a u. f. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 435 bogenförmig verlaufenden Spitzenfortsätzen dasselbe Verhalten be- haupten. In Fig. M. habe ich einen solchen Fall abgebildet. Er stellt einen Ganglienkörper aus den tieferen Schichten der Gross- hirnrinde dar und ist nach der durch Hartnack’s System 9. ge- gebenen Vergrösserung gezeichnet. Ich glaube darum aber auch nach wie vor festhalten zu dürfen, dass der Spitzenfortsatz der Ganglienkörper dem Axencylinderfortsatze anderer Ganglienkörper entspricht und meine, hinzufügen zu können, dass die Verbindung jener Körper mit Nervenfasern im Allgemeinen nur durch ihn vor sich gehe, während die Basalfortsätze einem ganz anderen Zwecke dienen. Da indessen bei den Basalfortsätzen mannigfache Abwei- chungen vorkommen, sie, wie bei den seltenen aber doch existirenden ächten Spindelformen, zu einem einzigen Fortsatze vereinigt sind, bei den Meynert’schen Trugpyramiden zu einem grösseren und einem oder zwei kleineren, öfters rudimentär erscheinenden sich entwickelt haben, so ist es mir nicht unwahrscheinlich, dass sie hie und da auch noch weiteren Zwecken dienen, und dass sie darum auch einmal in Nervenfasern übergehen können. Gesehen habe ich das allerdings noch nicht, ich vermuthe es nur, halte es aber, wenn es vorkommt, für durchaus untypisch, für eine Abweichung von dem Allgemeinen, Gesetzmässigen. Man möge sich dadurch nicht beirren lassen, dass hier wieder eine Abnormität, eine Ausnahme angenommen wird. Die Natur der Ganglienkörper, die eine durchaus andere ist, als man bisher zu glauben gewohnt war, gestattet, diese Ausnahme wieder in eine Regel aufzunehmen und allgemein Gesetzmässiges wiederherzustellen. Die Ausnahme erstreckt sich nämlich blos auf die äussere Erschei- nung, das gewöhnliche Bild. Die wahren histiologischen Verhältnisse, wie sie sich aus der Entwicklungsgeschichte ergeben, werden durch sie kaum berührt. Für das Regelmässige also halte ich, dass der Spitzenfortsatz der Hirnrindenganglien allein in eine Nervenfaser übergehe, während die Basalfortsätze sich zu immer feiner und feineren Verzweigungen entfaiten. Die kurzen Umbiegungen des Spitzenfortsatzes einestheils, die Bogenbildungen der Nervenfasern anderntheils geben den Weg an, auf welchem der Uebergang auch in die ganz entgegengesetzt ver- laufenden Fasern des Marklagers ermöglicht wird. Dass bei der- artigen Verhältnissen in den oberen Schichten die wenigsten Nerven- fasern zu liegen kommen, ihre stärkste Anhäufung vielmehr erst in 436 Dr. Rudolf Arndt: den tieferen Schichten, der fünften, sechsten und siebenten statt- findet, erhält dadurch seine volle Erklärung. Dass dies sich in sehr auffälliger Weise bemerkbar macht, hat jedoch noch seinen weiteren Grund darin, dass in den oberen Schichten, den räumlich weiteren, die Fasern zerstreuter liegen, und dass sie erst in den tieferen von einer deutlichen Markscheide umgeben werden, durch welche sie schärfer und auffallender in die Erscheinung treten. Ich habe bisher nur auf die Lagerungsverhältnisse und die gröberen Verbindungen der nervösen Gebilde Rücksicht genom- men und dabei nicht viel mehr gegeben, als ich das schon in meinem ersten Aufsatz gethan hatte. Die Wichtigkeit des Gegen- standes indessen, welcher in der ganzen Histiologie noch am we- nigsten gekannt ist, und der Umstand, dass eine weit grössere An- zahl von Differenzen in seiner Beurtheilung zwischen den neuesten Bearbeitern desselben zu bestehen scheinen, als in der That vor- handen sind, veranlasste mich, ihn noch einmal durchzusprechen und manche Verhältnisse genauer als früher geschehen war, zu er- örtern. Ich wende mich nunmehr zu den feineren Verhältnissen, die ich in der ersten Arbeit über den vorliegenden Gegenstand nur beiläufig berührt hatte und deren Natur ich erst später eingehender habe untersuchen können. Das Wesen der körmnig-schwammigen Grundsubstanz der Hirnrinde, der sogenannten Neuroglia, Retieula, der Schwammmasse Deiters, die Ganglienkörper und Nervenfasern, so weit als ich sie erkannt zu haben glaube, sollen den Gegenstand der nachfolgenden Auseinandersetzungen bilden. Wie in allen derartigen heiklen Fragen giebt die Entwicklungs- geschichte den besten Aufschluss, und meinem Dafürhalten nach hat sie das zum "Theil auch schon gethan, seit L. Besser an ihrer Hand den Bau der Hirnrinde zu erforschen gestrebt hat. Die Untersuchungen dieses Forschers über die Entstehung der ner- vösen Elementartheile in den Gentralorganen des neu- geborenen Menschen sind, so viel mir bekannt geworden, die ersten dieser Art, welche von wirklichem Erfolge gekrönt sind, und wenn ich mit ihm auch nicht in allen seinen Auffassungen überein- stimme, im grossen Ganzen muss ich ihm doch Recht geben. Im Sachlichen, d. i. in der Beobachtung, weiche ich nur wenig von Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 437 ihm ab, in der Deutung der einzelnen Befunde stellen sich dagegen, wie das auch nicht anders sein kann, Differenzen heraus. Zu den Untersuchungen stand mir das Gehirn eines zwei Tage alten, ausgetragenen Kindes, das eines acht Tage alten, allein acht bis vierzehn Tage zu früh geborenen, und das eines angeblich vier und ein halb bis fünf monatlichen Foetus zu Gebote. Die drei Ge- hirne wurden theilweise in Chromsäure und doppelt chromsaurem Kali gehärtet, theilweise in der von Deiters angegebenen dünnen Lösung dieses Salzes aufbewahrt, theilweise in das Schultzesche Jodserum gelegt. Ich muss in Bezug auf die beiden ersten Ver- fahren indessen mittheilen, dass die sehr weichen Gehirne — das fötale war fast zerfliessend, ohne irgend eine Spur von Fäulniss zu zeigen — ein durchaus anderes Verhalten gegen die Präparations- flüssigkeiten zeigten, als das die viel derberen Gehirne Erwachsener thun. Während diese in der dünnen Lösung von "/a—1 Gran. dop- pelt chromsauren Kalis auf die Unze Wasser ein bis zwei Tage, und in einer noch einmal so starken Lösung wieder ein bis zwei Tage ohne zu zerfallen liegen bleiben dürfen, in etwas stärkeren Lösungen hingegen sofort an der Oberfläche erhärten und Zerzupfungspräpa- rate nicht mehr gestatten, müssen die ersteren von vornherein in etwas stärkere Lösungen gebracht werden und können in solchen von 5—10 Gran des doppelt chromsauren Kalis auf die Unze Wasser an vierzehn Tage aufbewahrt werden, ohne ihre Brauchbarkeit zu verlieren. Die Objekte, welche man nach einem derartigen Verfahren unter dem Mikroskop besichtigt, unterscheiden sich kaum von denen, welche man am zweiten oder dritten Tage untersucht hat, und man kann sich deshalb alle mögliche Zeit bei der Untersuchung nehmen. Die Besser’schen Angaben !) in Betrefl dieses Umstandes, die mir nach meinen Beobachtungen am Gehirn Erwachsener unwahrschein- lich erschienen, muss ich jetzt nach alledem bestätigen. Die ausserordentliche Weichheit und die Widerstandsfähigkeit der jugendlichen Gehirne gegen die Chromsäure und das doppelt chromsaure Kali, welche für die Untersuchung zu isolirender Objekte so vortheilhaft ist, hat dagegen ihre nicht unbedeutenden Nach- theile in Bezug auf die Härtung der Präparate. Um bei dieser zum Ziele zu gelangen, musste ich ganz concentrirte Lösungen des 1) Besser, Zur Histogenese d. nervösen Elementartheile in den Cen- tralorganen ete. — Archiv f. patholog. Anat. etc. XXXVI. 3. pag. 307. 438 Dr. RadolfArndt: Salzes anwenden, und um endlich auch das fötale Gehirn schnitt- fähig zu machen, sah ich mich sogar genöthigt zu starken Lösungen der Chromsäure (15 Gran auf die Unze Wasser) zu greifen. Und dennoch gelang es mir nur eine verhältnissmässig kleine Anzahl brauchbarer Schnitte herzustellen. Noch nach sieben Wochen war das Hirn so weich, dass jeder Fingerdruck sein Mal zurückliess. Mir wurde dadurch die Hoffnung benommen ein Mehr zu erreichen, und um nicht durch allzustarkes Härten alles zu verlieren, liess ich mir mit dem gewonnenen Härtegrade genügen. Die zu untersuchenden Präparate wurden, wie ich das früher gethan, ungefärbt oder durch ammoniakhaltige Carminlösung tingirt in Glycerin mit und ohne Zusatz von Essigsäure, in Natron und Kali hydrie. solut. ph. bor. und in concentrirter Oxalsäurelösung der Besichtigung unterworfen. Doch wurde auch, ebenso wie früher, die Tinction mit Anilinfarben und die Vergoldungs- und Versilberungs- methode in Anwendung gezogen. Allein besondere Vortheile wurden durch sie nicht erreicht. Zu Controllversuchen scheinen sie mir je- doch nicht unwesentliche Hülfsmittel zu sein. Das Erste, was mir bei der Besichtigung der Präparate auf- fiel, war, dass die gewöhnlichen Vergrösserungen von 250-300 Mal nur sehr wenig leisteten. Ich war gezwungen meistentheils mit stärkeren Vergrösserungen zu arbeiten. Eine 400 malige war die geringste, die ich mit Vortheil anwenden konnte; am meisten schien mir eine 500—600malige zu leisten. Um weitere Details zu er- kennen, musste ich noch stärkere in Anwendung ziehen. (Hartnack System 9 ohne und mit Immersion.) Das Zweite, was meine Auf- merksamkeit erregte, war das von den früheren, gewohnten Er- scheinungen gänzlich verschiedene Bild. Eine grosse Menge von Kernen, dicht aneinandergedrängt und in ein überaus zartes, fein granulirtes, schwammig-gelatinöses Gewebe eingebettet, das wieder von einer Unzahl von Gefässen durchzogen ‚wurde, war namentlich ım ungefärbten Glycerinpräparate alles, was im ersten Momente ich sah, und der Ausdruck Besser’s »Neuroglia der Neugehorenen« schien mir zum Unterschiede von der sogenannten Neuroglia, wie sie das Gehirn Erwachsener zeigt, ganz vortrefflich gewählt. Ja die Nothwendigkeit, eine Unterscheidung zwischen dieser Neuroglia des Erwachsenen und des sich entwickelnden Menschen, wenn auch mit anderem Namen beizubehalten, dünkte mich um so nothwendiger zu sein, als sich dieselbe beim Fötus von der beim Neugeborenen Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 439 so wenig zu unterscheiden schien, dass diese weit eher zu jener, als zu der des erwachsenen Menschen in verwandtschaftlichem Ver- hältnisse zu stehen schien. Um mich indessen durch Nichts captiviren zu lassen und mög- lichst objektiv bei den Untersuchungen zu bleiben, hatte ich ab- sichtlich die schon mehrfach erwähnte Abhandlung Besser’s nicht wieder nachgelesen. Ich wollte mich durch dieselbe controlliren können. Nicht wenig war ich daher später überrascht, wie genau in einzelnen Punkten unsere Beobachtungen, die auf solche Weise ziemlich unabhängig von einander gemacht waren, übereinstimmten oder sich ergänzten. Allerdings machten sich, wie schon beiläufig bemerkt worden, in einigen Punkten auch Differenzen bemerkbar, doch gerade da, wo es die Entwicklung der nervösen Elemente be- traf, waren sie am wenigsten vorhanden. Bei der Darstellung der Ergebnisse meiner Untersuchungen weiche ich jedoch von dem eingehaltenen Gange ab. Des besseren Verständnisses wegen schicke ich ein Resume der Besser’schen Beobachtungen voraus und knüpfe erst daran die meinigen an. Nach Besser hat im Hirn des Neugeborenen die sogenannte Neuroglia eine so fundamentale Bedeutung, und es ist ihr formativer Charakter ein so Maass und Gestalt gebender, dass er sie zum Unter- schiede von der des Erwachsenen, welcher diese Eigenschaften fehlen, »die Neuroglia der Neugeborenen« zu nennen vorschlägt. Er unterscheidet in ihr die Gliakerne und das Glia-Reisernetz, und leitet von deren Entstehung und Entwicklung, ihren Umbildungen und gegenseitigem Verhalten die Entwicklung aller im Hirn vorkom- menden Elemente ab. Die Kerne sind das Primäre. Das feine, schwammige Reiser-Netzwerk wächst erst aus ihnen hervor. Des- halb giebt es in frischen, d. h. nicht gehärteten oder macerirten Präparaten auch keine glatten Kerne, sondern immer sind sie von diesem Netzwerk, wie von einem zarten Filz bedeckt. Die Kerne entstehen durch Theilung, aber der Theilungsprocess gehört vor- nehmlich dem Fötalleben an und ist beim Neugeborenen nur noch selten zu beobachten. Bis zur Grösse menschlicher Blutkörperchen sind die Kerne unpunktirt und erscheinen als eine homogene Masse. Mit ihrem Grösserwerden tritt indessen ihre charakteristische Punkti- rung auf und ihre Oberfläche wird uneben. Ihr Rand wird fein- körnig und treibt bald sehr kleine Fortsätze und netzförmige Aus- läufer. An kleinen Kernen sind die Ausläufer kurz, dünn und zart, 440 Dr. Rudolf Arndt: an grösseren länger und stärker. Von den grösseren Kernen lösen sich schliesslich die Ausläufer ab und werden zu neuen Gebilden. — Die Linsenform scheint im Ganzen die den Gliakernen eigenthüm- liche zu sein. Dieselben erscheinen nämlich auf der Fläche ruhend kreisrund, auf die Kante gestellt viermal schmäler als lang, auch eckig und gedrückt. Bei ihrem Wachsthum nehmen sie die Form der Kugel oder des Eies an, je nach dem Druck, welchem sie von ihrer Umgebung ausgesetzt sind. Sie färben sich sehr intensiv, und es scheint diese Eigenschaft mit ihrer Quellungsfähigkeit zusammen- zuhängen. Denn alle Gewebtheile der Nervencentren, welche reich an ihnen sind, nehmen im Wasser bedeutend an Volumen zu. Sie scheinen solide Bläschen zu sein, in denen sich ein Nucleus erst dann differenzirt, wenn der Gliakern bereits eine erkennbare Um- wandlung in ein anderes Formgebilde z. B. den Nucleus einer Gan- glienzelle erfahren hat. — Die Gliareiser sind sehr feine Fasern, welche reich verzweigt sind, aber nach dem Tode kaum mehr ihre wirkliche Gestalt zeigen. Gerinnung und Schrumpfung verändern sie bald. Sie erscheinen alsdann aus einzelnen Gliedern zusammen- gesetzt, die durch ein unmessbar feines, erst bei 600maliger Ver- grösserung sichtbares Fädchen zusammengehalten werden. Die vielen Punkte, welche zwischen dem Gliedernetz sichtbar werden, sind (Querschnitte von ihnen. Die Reiser sind elastisch. Sie dehnen sich bei Druck auf den Objektträger und nehmen ihre alte, oft gekräu- selte Lage wieder an, wenn jener nachlässt. Zerdrückt beschlagen sie den Objektträger mit einer anscheinend zähen, klebrigen Masse. Aus beider Bestandtheilen der Glia bilden sich die drei verschie- denartigen Elemente des Gehirns: die Gefässe, die Ganglienzellen und die Nervenfasern. Die Gefässbildung erfolgt immer zuerst, so dass es den Anschein gewinnt, als ob erst von der Blutzufuhr die Diffe- renzirung der nervösen Elemente abhänge. Die Gliareiser legen sich zu diesem Zwecke und zwar in Folge eines Druckes zu einem Zapfen zusammen, der bald gerade, bald hakenförmig gekrümmt ist, und treten in Reihen zu Capillaren und Gefässen kleinster Ordnung zusammen. Die Kerne strecken sich, werden längs oval und zu Kernen der Gefässwand, die Reiser zur Wand selber. Aber nicht successive legen sich der Capillarwand Kern um Kern mit ihren Netzen an, sondern gleich reihen- und massenweise und ohne dass die Längsbildung eines in die Gefässwand eingetretenen Kernes sich erst vollzöge, treten sie in parallele Schichten zusammen. Es findet Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 441 eine Gefässbildung im grössten Style statt. — Bei der Bildung der Ganglienkörper wachsen die Gliakerne und Reiser erst durch Saft- aufnahme. Dann umgeben die Kerne sich mit einer gallertigen Masse, zu welcher sich die Gliareiser zusammenlegen. Die neuen Zellkörper tragen in ihrer gestrichelten, körnigen Zeichnung deut- lich das Gepräge ihrer Entstehung aus den Reisern. Die Form der Zellen wird sedann durch Druck von aussen bedingt, durch welchen auch die Form des Kernes verändert wird. Derselbe wird nämlich- oval. — Die Entwicklung der Nervenfasern geschieht da- durch, dass die feinsten Fädchen, welche die einzelnen Glieder des Reisernetzes verbinden, zu Axencylindern werden, während die übrige Masse der Glieder zur Markscheide sich umwandelt. Die Kerne werden dabei frei, glatt, kleiner und mehr oder weniger oval. Da die Fasern um sie in leichten Bogen herum ziehen, scheinen sie nun kleiner geworden in ausgesparten Räumen zu liegen. Was aus den Kernen weiter wird, ist nur zu vermuthen. Wahrscheinlich werden sie zum Stützgerüst der heranwachsenden Nervenmasse, vielleicht auch zu dem Perineurium Robins. Die Entwickelung der einzelnen Gebilde ist dort am besten zu beob- achten, wo sie am massenhaftesten vor sich geht, die der Gefässe in den obersten Theilen der grauen Substanz, die der Nervenfasern im Marklager. Besser selbst fasst die Resultate seiner Untersuchungen in folgende Puncte zusammen: 1. Die sämmtlichen Nervenelemente der menschlichen Central- organe bilden sich aus den Theilen der Neuroglia hervor. 2. Vorläufer der nervösen Differenzirungen sind überall massen- hatte Capillarneubildungen, bedingt; durch lineares und winkliges Aneinandertreten der auf der ersten Stufe ihrer Entwicklung stehen- den Gliagebilde. 3. Die Nuclei der Nervenzellen sind Umbildungen der Glia- kerne, die Körper der Zellen solche der Gliareiser; Verlängerungen derselben werden zu den Ausläufern der Zellen. 4. Die Nervenfasern bestehen aus den lang auswachsenden Reisern der Glianetze, deren Kerne an der Weiterbildung der Nerven keinen Theil haben. Die Axencylinder sind in den feinen Fädchen der Reiser vor- gebildet. — Wenn man also ein Stückchen der Hirnrinde eines neugeborenen 442 Dr. Rudolf Arndt: Kindes, nachdem es einen Tag in einer schwachen Lösung von doppelt chromsauerem Kali gelegen in Glycerin zerzupft und einer Vergrösserung von 250— 300 Mal unterwirft, so sind Kerne und Gefässe, welche in ein zartes, gelatinös schwammiges, fein körnig und zartfaserig erscheinendes Gewebe gehüllt sind, alles, was man sieht. Denselben Befund hat man auch, wenn man das frische Ge- hirn mit Jodserum, Zuckerwasser oder einer anderen indifferenten Flüssigkeit untersucht. Nur ist das Menstruum weniger klar und erlaubt weniger scharf und deutlich die einzelnen Theile zu durch- mustern. Selbst wenn man eine 400 malige oder noch stärkere Vergrösserung anwendet, hat man noch nicht viel gewonnen. Die dichter liegenden Massen lassen nichts Bestimmtes erkennen, und die vereinzelt herumtreibenden Kerne scheinen so wenig unter ein- ander verschieden zu sein, dass alle Hoffnung Näheres zu erfah- ren, schwindet. Die körnig-schwammige Masse erscheint zwar etwas gröber, doch nicht auffallend, und ziemlich deutlich faserig, die Fasern sind aber so ausserordentlich zart und fein, dass sie keinen rechten Schluss in Bezug auf ihre Natur machen lassen. Sie scheinen vielfach verzweigt zu sein und sind stets mit den Körnchen der srundsubstanz bedeckt, welche an ihnen fest anzuhaften scheinen. Freie Körnchen habe ich ausser nach Anwendung der Oxalsäure und des salpetersauren Silbers nie gesehen, selbst nicht bei den stärksten Vergrösserungen, die mir zu Gebote standen (Hartnack System 9 a l’immersion). Auch habe ich nichts von einer amorphen Z/wischensubstanz entdecken können, die doch auf die sehr diffe- renten Zusatzflüssigkeiten, welche ich anwandte, durch irgend welche Gerinnungszeichen sich hätte bemerkbar machen müssen, und so scheint mir denn ganz allein eine Beziehung zwischen den Körnchen und den Fäserchen obzuwalten. Ich will hier gleich anführen, dass das beschriebene faserige Aussehen dieser Substanz sich auch an dem Gehirn der Erwachsenen findet. Deiters') ist zwar geneigt, dasselbe auf den Einfluss der Maceration zu schieben; allein ich habe die feinen, unmessbar dünnen Fäserchen auch in den Gehirnen eben getödteter Kaninchen gesehen, ohne dass andere Flüssigkeiten als Jodserum und Zucker- wasser zu ihrer Präparation benutzt worden waren. Sie zeigen sich 1) Deiters a. a. OÖ. pag. 40. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 443 wie die Körnchen der Substanz überall und überall, nach jeder Be- handlungsweise, nach jeder Zeit, allerdings um so schärfer, je ein- sreifender das Reagens war und je länger es einwirkte. Indem ich hierbei auf Max Schultze’s observationes de retinae structura penitiore so wie auf Deiters betreffende Anga- ben ') verweise, bemerke ich nur, dass die dort geschilderten That- sachen sich in der nämlichen Weise auch nach der Versilberung und Vergoldung zeigen, so dass man es sicherlich mit präformirten und nicht erst durch Gerinnung entstandenen Formen zu thun hat. Die Kerne erscheinen rund oder elliptisch, schwach glänzend, mit scharfem, aber doch nicht dunklem Contour, und von Theilen der körnig-faserigen Masse eingehüllt, welche bald unregelmässig ge- formt sind, bald eine dreieckige, rundliche oder längliche Gestalt haben. Sie enthalten mehrere sehr kleine Kernkörperchen, welche bei oberflächlicher Beobachtung wie blosse Unebenheiten, Vertiefungen der Kernoberfläche aussehen, und von denen eins sich sehr häufig durch seine Grösse vor den übrigen auszeichnet. Von den sämmt- lichen Autoren werden diese Kernkörperchen als hlosse Punctirung der Oberfläche beschrieben. Ich kann aber keinen rechten Grund einsehen, warum das geschieht. Die dunklen Puncte scheinen mir vielmehr im Innern der Kerne zu liegen und von der Masse der- selben differente Massen darzustellen. Namentlich deutet auf so Etwas auch die Entstehung des einen grösseren Kernkörperchens hin, von dem Besser behauptet, dass es erst spät sich zeige, was ich bestätigen kann, und das ohne solche Anlage wie ein Deus ex machina in die Erscheinung treten würde. Die Kerne gleichen daher einigermassen den Lymph- und Eiterkörperchen, mit denen sie auch sonst noch manche Aehnlichkeit haben, z. B. die, in stärkeren Lösungen der Chromsäure und ihrer Salze sehr stark zusammen- zuschrumpfen, eckig und unregelmässig zu werden, und unterscheiden sich dadurch nicht unwesentlich von Bindegewebskörperchen. Doch soll keineswegs bestritten werden, dass auch noch besondere Eigen- schaften der Kernoberfläche jener Punctirung zu Grunde liegen können. Hin und wieder finden sich neben den Kernen einige Gebilde, die wie Ganglienkörper aussehen, allein in der Grösse, Form, Textur l) Deiters a. a. O, pag. 39. 444 Dr. Rudolf Arndt: so wesentlich von ihnen abweichen, dass sie auch ebenso gut als Bindegewebskörperchen, oder als Reste der embryonalen Bildungs- zellen angesehen werden können. Die Gefässe erscheinen zum grössten Theile ausserordentlich dünnwandig und mit aufiallend viel Partikeln der körnigfaserigen Substanz, sowohl Kernen als auch Fäserchen bedeckt. Erst die grösseren, die wegen ihrer dickeren Wände zugleich die älteren zu sein scheinen, sind reiner und glatter und lassen etwas von ihrer Textur erkennen. Nervenfasern scheinen ganz und gar zu fehlen. Weit bessere Einsicht gewährt das mit Carmin gefärbte Prä- parat. Die Kerne sind sanft geröthet und heben sich daher von dem nicht gefärbten oder doch höchstens nur eine Spur von Färbung zeigenden körnig-faserigen Gewebe, zwischen dem sie liegen, scharf ab. Ihre Form, ihr Inhalt sind deutlicher zu erkennen, die körnig- fasrigen Schwammmassen, welche ihnen anhaften, wegen des Con- trastes in der Färbung besser zu durchschauen. Die Textur der Gefässe liegt klarer zu Tage und an den meisten lässt sich er- kennen, dass sie noch in der Entwicklung begriffen sind. Die wenigsten, nur einige langgestreckte und unverästelte Stämmchen, sind ihrem ganzen Aussehen nach in ihrer Bildung vollendet und älteren Datums. Ganglienkörper, Nervenfasern fehlen, oder sind nur in zweifelhaften Formen vorhanden. Wird salpetersaures Silber angewendet, so erscheinen die Kerne ziemlich dunkel, gelbbraun bis braun, aber bei einer gewissen Einstel- lung ausserordentlich glänzend. Hin und wieder kann man eine deut- liche Punctirung an ihnen erkennen; allein es ist schwer zu sagen, ob dieselbe im Innern des Kernes oder an seiner Oberfläche ihren Grund hat. Zuweilen scheint Ersteres, zuweilen Letzteres der Fall zu sein, dies würde dafür sprechen, dass ausser Kernkörperchen auch noch andere Verhältnisse die Punctirung bedingen. Um eine grössere Anzahl von Kernen sieht man die körnig-faserige Substanz zu diichteren Massen angehäuft, welche wie ein Hof den Kern umgiebt und durch ihre intensivere Färbung scharf von dem umgebenden Gewebe absticht, da dieses sich in viel geringerem Grade gefärbt hat. Ganglienkörper, ausgenommen man sieht die zuletzt beschrie- benen Kerne dafür an, sind nirgend zu gewahren, und eben so wenig lässt sich irgend etwas von ausgesprochenen Nervenfasern auffinden. Die Gefässe, welche in sehr verschiedener Stärke das Silber redueirt u Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 445 haben, erscheinen glatt d. h. frei von anhängenden Theilen der körnig-faserigen Substanz, bieten sonst aber nichts Bemerkens- werthes dar. Nach der Behandlung mit Chlorgold-Natrium kommt ein dem vorigen vielfach ähnliches Bild zum Vorschem. Die Kerne sind röthlich oder roth, ebenfalls stark glänzend, deutlich punctirt, auch scheinen die Puncte nur im Innern zu liegen, da sie am deutlichsten dann sich zeigen, wenn auf den Kerncontour eingestellt worden ist. Sie scheinen somit in der That der Ausdruck von differenten Massen der Kernsubstanz und damit wieder das zu sein, was wir Kern- körperchen nennen. Auch hier zeigen sich eine grössere Menge von Kernen von dichteren Gewebsbildungen umgeben, und auch hier unterscheiden sich die letzteren durch ihre intensivere Färbung von den Massen, zwischen denen sie ruhen. Ganglienkörper und Nervenfasern, wie sie im Gehirn des Erwachsenen angetroffen wer- den, fehlen hier ebenfalls und nur die von dunkleren Massen einge- hüllten Kerne deuten auf die Anwesenheit der ersteren hin. — Zu- weilen begegnet man sternförmigen oder spindelförmigen Zellen, welche eine sehr zarte Beschafienheit bekunden, blass sind und kaum eine Spur von Röthung besitzen. Ja selbst ihre Kerne zeigen nichts davon. Auch sie sind ganz blass, farblos und höchstens von einem schwärzlichen Rande eingefasst. Da ganz dieselben Eigenschaften auch die Kerne der sehr dünnwandigen und glatten Gefässe an den Tag legen, so besteht zwischen diesen, zu unzweifelhaften Bindege- webselementen gehörigen Kernen und denen, welche in der körnig- faserigen Substanz enthalten sind, ein wesentlicher Unterschied. Sehen wir für den Augenblick von der Natur der Kerne ab, so müssen wir sagen, dass nach allem, was wir erfahren haben, wir es in der Hirnrinde offenbar mit einem Zustande zu thun haben, in welchem sich die Elemente, die späterhin überaus reichlich in ihr vorhanden sind, erst entwickeln, und der Gedanke liegt nahe, (dass die Theile, welche wir vorfinden, die Kerne und die körnigfase- rige Substanz dazu das Material liefern. Die differentesten Körper, (Grefässe, Nervenfasern, Ganglienkörper, etwaiges Bindegewebe müssen aus demselben sich herausbilden, und die Frage: »wie geschieht das?« wirft sich somit von selbst auf. Wenn man in einem mit Carmin gefärbten Zerzupfungsprä- parate die hier und da vereinzelten Kerne, welche von rundlichen, länglichen oder dreieckig geformten Massen der körnig-faserigen 446 Dr. Rudolf Arndt: Substanz umgeben sind, genauer besichtigt, so wird man finden, dass diese Massen ein recht verschiedenes Aussehen haben. Das Gewöhnlichste ist Folgendes. Um den Kern liegt ein dichter Filz feiner und anscheinend verästelter Fäserchen, die mehr oder weniger senkrecht auf ihm fest zu sitzen scheinen, divergirend von ihm aus- strahlen, und dabei sich vielfach unter einander kreuzen und ver- flechten. Die vielen schwarzen Puncte und Körnchen, welche in diesem Geflecht sichtbar werden, sind theils die Enden und Bruch- flächen der Fäserchen, welche dem Beobachter mehr oder weniger zugewandt sind, theils Kreuzungs- und Umbiegungs-Stellen derselben; theils scheinen sie wirklich Kügelchen einer eiweissartigen Substanz, vielleicht eine Vorstufe des sogenannten Myelins zu sein. — Die körnig-faserige Masse haftet also nicht blos dem Kerne an, sondern steht, wie Besser angegeben, in einem innigen Zusammenhange mit demselben. Kern und körnig-faserige Masse bilden somit ein Ganzes, von dem das eine ohne das andere nicht gedacht werden kann, und je nachdeın, kann man aus diesem Grunde dasselbe nachher wieder gesondert als Kern und Reisernetz betrachten, oder es als Zelle mit Protoplasma auffassen. Im letzteren Falle würde man sich an Waldeyer !) anschliessen, der so verfahren ist und die vorliegenden Gebilde als »Kornzellen« beschrieben hat?). Folgerichtig müsste man dann aber auch die ganze Hirnrinde des Neugeborenen als eine Anhäufung solcher Zellen ansehen, und damit eine Auffassung vertreten, die jedenfalls ihre Berechtigung hat, zu der ich mich aber, wenigstens gegenwärtig, durchaus nicht hinneigen kann, weil mir der Begriff der Zelle auf diese Gebilde überhaupt gar nicht zu- treffend zu sein scheint. Ich werde darum im Nachstehenden auch nur der Besser’schen Auffassung folgen und öfters von Kern und Rei- sernetz, resp. Fasern sprechen, ohne aber damit den schroffen Ge- sensatz zu der andern Ansicht betonen zo wollen. Zwischen den eben beschriebenen Kernen finden sich nun bald häufiger bald weniger oft andere, bei denen die Fäserchen und Körn- chen eine ganz bestimmte anderweitige Anordnung erfahren haben. 1) Waldeyer. Untersuchungen über d. Ursprung und Verlauf des Axencylinders bei Wirbellosen u. Wirbelthieren ete. — Zeitschrift f. ration. Medic. Bd. XX. 1863. p. 221 u. 237. 2) Vergl. auch S. Stricker. Histogenetika. Wiener medic. Wochen- schrift. 1866. Nro. 93. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 447 Die ersteren strahlen nämlich nicht mehr senkrecht aus, sondern sie haben einen convergenten Verlauf angenommen. Sie haben sich zu einem kleinen Kegel oder Zapfen zusammengelegt, der mit seiner Basis dem Kerne aufsitzt, mit seiner Spitze frei endet, und in dem die Streifung noch deutlich den Ursprung aus Fasern verräth. Dieses Zusammenlegen der feinen Fäserchen zu einem Zapfen geschieht in- dessen nicht blos an einer Stelle des Kernes, sondern an mehreren, sehr gewöhnlich an dreien, öfters auch nur an zwei gegenüber liegen- den. Dabei ereignet es sich manches Mal, dass die Zapfen zweier Kerne sich miteinander verbinden, indem die Fasern des einen sich mit denen des andern verflechten (Fig. b. e. p). Einzelne dieser Zapfen haben schon eine ziemliche Länge erreicht; namentlich pflegt einer derselben sich besonders auffällig zu machen; andere zeigen eine Neigung zu Verästelungen. Die Streifung in ihnen ist deutlich sichtbar. Sie ist der Längsrichtung der Zäpfchen entsprechend, und um den Kern herum zeigt sie die Biegungen, welche nothwendig sind, um eine Vermittelung zwischen den Richtungen der verschie- denen Zapfen herbeizuführen. (Fig. e. f. g. k. @—n.) Doch sind die einzelnen Streifen nicht kontinuirliche Linien, sondern Züge, welche aus einzelnen längeren oder kürzeren, bald strich- bald punctförmigen, bald näher bald weiter auseinander gerückten Kör- perchen gebildet werden. (Fig. bD—f. k—o. «-n. A—C.) Je regelmässiger die Anordnung dieser Körperchen wird, und das findet offenbar bei der weiteren Entwicklung des vorliegenden Processes statt, d. h. je mehr die einzelnen Fäserchen sich zu einem parallelen Verlauf anordnen, und je dichter sie dabei zu liegen kommen, desto mehr verändert sich wieder das Aussehen der Zapfen. Bei einer gewissen Grösse erscheinen sie überhaupt nicht mehr als solche, sondern sie sind zu deutlichen Fortsätzen eines Körpers geworden, der sich um den Kern herum abgegrenzt hat. Dieser Körper nun und der Anfangstheil seiner Fortsätze verliert mit der gleichmässigeren Anordnung seiner Elemente wieder das streifige Aussehen. Er wird klarer und klarer und erscheint zuletzt als ein gestrecktes, zartes, fast hyalines Häutchen, das den schön rothen Kern umschliesst und sich an seinen Fortsätzen in das Reisernetz auflöst. (Fig. g. 1. m. n.) Während dieses Vorganges hat auch der Kern eine Aenderung erfahren. Auch er ist klarer geworden. Sein Contour tritt schärfer hervor und ist dunkler geworden, und da die vielen Kern- 448 Dr. Rudolf Arndt: körperchen verschwunden und zu einem einzigen grösseren zusam- mengetreten sind, so ist seine Masse homogener und darum stärker lichtbrechend als vordem. Er erscheint überaus glänzend und mit nur einem Kernkörperchen versehen. Das eine Kernkörperchen ist entstanden, nachdem sich durch das Zusammenordnen der Fäserchen schon der neue Körper gebildet hatte. Vor dem Zustandekommen desselben, also in einer früheren Zeit habe ich ein Kernkörperchen niemals gesehen. Das Grösser-Werden des einen Kernkörperchens, dessen oben schon gedacht worden ist, deutet somit vielleicht den Zeitpunct an, wo aus dem Kern des Reisernetzes der Kern jenes neuentstandenen Körpers wurde. In diesem neuentstandenen Körper aber erscheint der Kern meist rund oder leicht oval, in einigen Fällen lang gestreckt und schmal, wie spindelförmig. (Fig. a—i. k—m. «&—n.) Was sind diese Körper? Sind es Ganglienkörper? Sind es Bin- degewebskörper? Sind es die Elemente der künftigen Gefässe ? — Die Ganglienkörper der entwickelten Hirnrinde haben eine sehr bestimmte, charakteristische Gestalt, die pyramidale. Sie haben einen grossen dunkelcontourirten Kern mit nur einem Kernkörperchen und zeigen ein von den Bindegewebskörperchen verschiedenes Verhalten gegen Chemikalien. Von verdünnten Mineralsäuren und Alkalien werden sie nur langsam angegriffen, von Essigsäure gar nicht verändert. Die Bindegewebskörperchen sind in der Grosshirnrinde in unzwei- felhafter Form nur spärlich vorhanden. Sie sind blasse, unregel- mässig geformte Zellen mit kleinen hlassen, ovalen Kernen, welche ein bis drei Kernkörperchen enthalten und von Essigsäure aufge- stellt, von Mineralsäuren, Oxalsäure und verdünnten Alkalien bald aufgelöst werden. Im chemischen Verhalten zeigen die in Rede stehenden Körperchen allerdings grosse Aehnlichkeit mit ihnen, ja sie unterscheiden sich kaum von ihnen; allein sie sind 1. in zu grosser Menge vorhanden, um für Bindegewebskörperchen gelten zu können, 2. ist ihr Kern grösser, regelmässiger gerundet, dunkler con- tourirt, als es bei diesen der Fall ist, und ausserdem ist er nur mit einem einzigen stark lichtbrechenden Kernkörperchen versehen. — Da der Kern indessen schon Veränderungen erlitten hat, kann er des- halb nicht auch noch weitere erfahren? Und wie steht es nament- lich in Bezug auf die vermeintlichen Vorstufen der fertigen, ziemlich dreieckigen und fast hyalinen Körperchen, in denen der Kern noch nicht so scharf eontourirt ist, der Kernkörperchen noch mehrere Studien über die Arechitektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 449 vorhanden sind, und die Belegungsmasse noch nicht so homogen, sondern noch mehr streifig-körnig erscheint? Gehören dieselben wirklich zu ihnen? Sind sie in der That nur Vorstufen derselben, oder sind sie nur künstlich mit ihnen zusammengebracht? Alle diese Fragen entscheid mit einem Male ein Blick auf den transparenten Durchschnitt eines gehärteten Hirnrindenstückchens. Auf einer der ersten Seiten haben wir das Bild kennen gelernt, welches ein solcher Durchschnitt bei einer Vergrösserung von 250— 300 Mal darbietet. Wir hatten gesehen, dass sich sieben Schichten in ihm erkennen liessen, dass alle Schichten indesen nur Kerne besassen, allein in der fünften kamen daneben Gebilde vor, welche ich kurz als die erste Andeutung von Ganglienkörpern bezeichnet habe. Wenn man nämlich die grösseren Kerne dieser Schicht betrachtet (Fig. 1), so wird man finden, dass dieselben ein von den übrigen abweichendes Aussehen haben. Das Gewebe der Grundsubstanz ist unmittelbar um sie herum verdichtet. An etlichen kann man be- merken, besonders wenn man eine stärkere Vergrösserung (400 Mal) anwendet, dass dieser Hof sich nach einer Seite hin schweifartig verlängert. An einigen der grössten ist man sogar im Stande noch einen oder auch zwei derartige Verlängerungen, die allerdings viel schwächer sind, auch nach der entgegengesetzten Richtung hin wahr- zunehmen. Die zuerst erwähnten Verlängerungen haben an allen Kernen dieselbe Richtung. Ihr Zug ist stets nach der Hirnober- fläche, nach der Peripherie gerichtet. Diese Kerne mit den sie umgebenden eigenthümlich geformten Massen der Hirnsubstanz haben darum viel Gemeinsames mit den Ganglienkörpern der ausgewachsenen Grosshirnrinde. Und da unzweifelhafte Ganglienkörper hier fehlen, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass sie die Vorstufen derselben bilden. Besichtigt man ferner diese Körper genau bei einer Ver- grösserung von 500—600 mal (Fig. 2), so wird man an ihnen ver- schiedene Stufen der Entwickelung gewahren. Die meisten haben ein streifig körniges Gefüge, einige ein mehr gleichmässig durch- scheinendes, ohne bestimmte Texturanlage. Jene haben einen Kern mit einem oder mehreren Kernkörperchen, von denen eins sich aber doch durch seine Grösse hervorthut, diese besitzen nur ein einziges, aber stark lichtbrechendes. Die Identität dieser werdenden Gang- lienkörper mit den Körpern, weiche im Zerzupfungspräparat in allen möglichen Stufen, vom einfachen, filzbedeckten Kern bis zum fer- tigen ganglienartigen Gebilde so reichlich zu Gesicht kamen, ist M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 29 450 Dr. Rudolf Arndt: ? darum unzweifelhaft. Jene Körper sind keine Bindegewebskör- perchen, sind keine Elemente der künftigen Gefässwände, sind nur in der Entwicklung begriffene Ganglienkörper. Derselbe Process lässt sich auch in anderen Hirntheilen nach- weisen und ist namentlich schön im kleinen Gehirn und in der sub- stantia nigra pedunculi cerebri zu verfolgen. Die Entwicklung der Ganglienkörper aus der körnig-faserigen Substanz, dem Besser’schen Reisernetze, erklärt manche Eigen- schaften ihres späteren Zustandes. Die Ganglienkörper der Gross- hirnrinde sind nun allerdings nicht dazu angethan besonders leicht Aufschlüsse darüber zu geben, allein in Verbindung mit denen aus andern Theilen des Gentralnervensystems, tragen sie doch auch zur Lösung einzelner‘ Fragen wesentlich bei, so z. B. gleich zu der ersten: »Haben die Ganglienkörper eine Hülle? Sind sie Zellen in des Wortes ursprünglicher Bedeutung ?« Die Frage könnte überflüssig erscheinen, da in der letzten Zeit sich die namhaftesten Forscher gegen eine solche Annahme ausgesprochen haben, gäbe es nicht einige andere, ebenfalls gewich- tige Autoren, wie Mauthner‘), Stilling?), G. Walter), Luys®) die sie zum Theil noch im ihren jüngsten Arbeiten be- jahen und trotz aller Anfechtung aufrecht erhalten. Die älteste Notiz, in welcher ich Zweifel an der Existenz einer umhüllenden Membran gefunden habe, rührt von Valentin) her. Nach ihm 1) Mauthner. Beiträge zur näheren Kenntniss d. morphol. Elemente d. Nervensyst. Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1860. p. 587 u. Ueber d. sog. Bindegewebskörperchen d. central. Nervensystems. Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1861. p. 47. 2) Stilling. Untersuchungen über den Bau des kl. Gehirns. 1. 1865 II. 1867. 3) G. Walter. Mikroskopische Studien über d. Centralnervensystem wirbeiloser Thiere. Bonn 1863. pag. 39 u. Ueber d. feineren Ban. d. Bulb. ol- factor. Arch. f. pathol. Anat. ete. Bd. XXII pag. 245. 4) Luys. Recherches sur le systeme nerveux cerebro -spinale etc. Paris 1865. p. 163. 5) Valentin. Zur Entwicklung der Gewebe d. Muskel-, Blut- und Nervensystems. Müller’s Archiv 1839. p. 194. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 451 entwickeln sich die Ganglienkörper aus den embryonalen Zellen da- durch, dass sich um dieselben eine körnige Masse ablagert, die mehr und mehr an Mächtigkeit zunimmt und die Zelle in eine Belegungs- kugel umwandelt. In dieser ist die alte Zelle damit zum Kern, und ihr Kern zum Kernkörperchen geworden. Ein heller Saum umgiebt die neugebildete Kugel; allein da dieser Saum keinen zweiten Contour erkennen lässt, könne er wohl auch nicht durch eine Membran her- vorgerufen sein, obschon andererseits die Möglichkeit sie zu erkennen blos erschwert zu sein brauche. In der neueren Zeit ist es vor Allen Max Schultze!) gewesen, der die umhüllende strukturlose membrana propria der Nervenkörper aus der Histiologie verbannt und für einige wenige als Ersatz höchstens einen zarten, markigen Ueberzug, für andere blos die sogenannten neurilemmatischen Sehei- den, für noch andere beides zusammen gelassen hat. Fast alle Histio- logen von Bedeutung haben danach sich für dieselbe Auffassung erklärt, und so liegt denn die Sache jetzt, ohne zum’völligen Ab- schluss gekommen zu sein. Meines Erachtens kann gar kein Zweifel darüber herrschen, ob eine strukturlose Membran als Umhüllung existire oder nicht. An den fertigen Ganglienkörpern der Centralorgane erwachsener Men- schen und Thiere, an denen sie sehr häufig vorhanden zu sein scheint, kann man sie schon für gewöhnlich auf das Durchscheinen eines dünneren Saumes oder Randes zurückführen; an den in der Entwickelung stehenden Körpern der Neugeborenen jedoch wird man sich mit Berücksichtigung des dabei stattfindenden Vorganges jeder Zeit auf das Bestimmteste überzeugen können, dass eine solche Membran fehle, ja dass sie fehlen müsse. Und ist dies der Fall, wo und wie soll sie später herkommen? Alle Theile der Ganglien- körper werden durch die Zusammenfügung der bekannten Fädchen des Besser’schen Reisernetzes gebildet, die fragliche Hülle könnte also doch auch nur aus ihnen hervorgehen. Geschieht dies aber, wodurch unterscheidet sie sich dann von dem Inhalt, welcher eben daraus entstanden ist und keineswegs ein Protoplasma im gewöhn- lichen Sinne des Wortes darstellt? Eine strukturlose Membran, als Umhüllung der Ganglienkörper, und im Gegensatze zu ihrem In- 1) Max Schultze. Observat. de retinae structura penitiore, Bonnae 1859. pag. 22. 452 Dr. Rudolf Arndt: halte, ist meines Erachtens geradezu undenkbar. Es ist möglich, dass das Gefüge der Flementartheile der Ganglienkörper an ihrer Oberfläche ein anderes ist, als in ihrem Inneren, und dass dies Verhalten unter dem Mikroskop zum optischen Ausdruck kommt, das giebt uns aber noch keine Berechtigung eine umhüllende Mem- bran daraus zu machen. Ja es ist sogar möglich, dass eine Diffe- renzirung der Elemente der äusseren und inneren Lage stattgefunden hat, — wo eine Markschicht den Körper umgiebt, mag das wohl immer geschehen sen, — allein zur Bildung einer eigentlichen Membran, wie dieselbe vonSchwann angenommen worden und auch heute noch für andere Zellen festgehalten wird, im Gegensatz zu dem von ihr eingeschlossenen Inhalt kommt es nie, und kann es auch nie kommen. Wenn G. Walter daher an den grossen »sympathischen« Zellen niederer Thiere, sowie an den grossen Ganglienkörpern des bulb. olfactor. eine deutliche, feste Membran gesehen haben will, und Stilling von den grossen Ganglienkörpern des kleinen Gehirns nicht blos diese beschreibt und von ihr aussagt, dass sie sich bis über die Fortsätze hinziehe, sondern unter derselben auch noch einer von dem übrigen Protoplasma durch geringere Affinität zu Carmin sich auszeichnenden Schicht erwähnt, so braucht das noch keines- weges auf Täuschungen zu beruhen; — namentlich Stilling täuscht sich nicht so leicht — aber die Nichtberäcksichtigung der oben an- geführten Thatsachen, und vielleicht auch eine vorgefasste Meinung von der Zellennatnr der Ganglienkörper erklärt alles. Ein anderer Punct ist die Zeichnung der Ganglienkörper, welche durch die Entwickelung derselben aus dem Reisernetz ihre Erklärung findet. Schon in den vierziger Jahren hat Remak!) auf die con- centrische Streifung mancher Nervenkörper des Flusskrebses und Harless?) auf ein ähnliches Verhalten solcher Körper aus dem elektrischen Organ von Torpedo Galvanii aufmerksam gemacht. Im Jahre 1853) indessen machte der erstgenannte Autor erst aus- 1) Remak. Neurologische Erläuterungen. Müller’s Arch. 1844. pag. 463 u. f. u. Taf. XI. Fig. 9. 2) Harless. Briefliche Mittheilungen über Ganglienkugeln d. lobi electrici von Torpedo Galvani. Müller’s Arch. 1846. p. 283 u. f. Vergl. seine Fig. 2 u. 7. 3) Amtlicher Bericht d. 29. Versammlung deutscher Naturforsch. u. Aerzte Wiesbad. 1853. pag. 182. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 453 führlichere Mittheilungen über derartige Strukturverhältnisse und zwar an den Nervenkörpern von Raja batis. Er konnte nämlich, nachdem er Ganglienkörper dieses Thieres durch vier und zwanzig Stunden mit doppelt chromsaurem Kali behandelt hatte, an ihnen zwei Schichten von Faserzügen unterscheiden, eine innere, die den Kern in eoncentrischen Touren umgab, und eine äussere, deren Fäserchen nach den beiden Polen in die Fortsätze verliefen. Ein dem ähnli- ches Verhalten aber sollten auch zuweilen manche grössere Körper des Rückenmarkes von Säugethieren an den Tag legen. — Bald darauf kamen ähnliche Bemerkungen von Gerlach!) und etwas später auch von Leydig?) und G. Walter?°). Namentlich werden es die letzteren, welche deutliche concentrische Streifung in der Rindensubstanz der Nervenkörper bei mehreren wirbellosen Thieren gesehen haben wollten. Zu Anfang der sechsziger Jahre endlich be- schrieb J. Arnold *) sogar charakteristische Fasernetze, welche sich an den Ganglienkörpern des Sympathikus der Frösche finden sollten. Aber erst in der allerneuesten Zeit wurde derartiges mit Bestimmt- heit auch von Säugethieren und vom Menschen berichtet. Frommann?°), Beale°) beobachteten fast gleichzeitig an den Ganglienkörpern des Rückenmarks und der medulla oblongata des Menschen, des Hundes und der Katze Faserzüge, welche den (Granglienkörper in verschiedener Richtung, besonders nach dem Kerne hin durchsetzen und in die Fortsätze übergehen, zum Theil die- selben direet unter einander verbindend. Danach beschrieb Dei- ters”) das Aussehen von Ganglienkörpern derselben Theile eben- falls als ein mehr oder weniger deutlich körnig-streifiges und hob l) Gerlach. Mikroskopische Studien aus dem Gebiete d. menschl. Morphologie Erlang. 1858. p. 11. 2) Leydig. Vom Bau d. thierisch. Körpers. Tübingen 1864. pag. 85. 3) G. Walter. Mikrosk. Studien über d. Centralnervensyst. d. wirbel- losen Thiere. Bonn 1863. 4) J. Arnold. Ueber die feiner. histiolog. Verhältnisse im Sympathicus der Frösche. Arch. f. pathol. Anat. ete. Bd. XXXIL 1. 5) Frommann. Zur Struktur der Ganglienzellen d. Vorderhörn. Arch. f. pathol. Anat. ete. Bd. XXXII. p. 231 u. £. 6) Beale. Proceedings of the royal society of London. XIH. 387. Quarterly Journal of mikrosk. science. p. 5 u. 90. Medical Times et Gazette 1867. 7) Deiters. Untersuchung. über Gehirn und Rückenm. d. Menschen u. d. Säugethiere. Braunschweig 1865. cap. I. 454 Dr. Rudolf Arndt: hervor, dass dasselbe sich bis in die sogenannten Protoplasmafort- sätze, vornehmlich wenn sie stärker entwickelt wären, mit Leichtig- keit verfolgen lasse. Aehnliches fand um dieselbe Zeit auch Max Schultze!). Er sah an den grossen Rückenmarksganglien die vorhandenen Körnchen in besondere Reihen gestellt, war aber nicht im Stande zu entscheiden, ob diese Reihenstellung durch eine ana- loge Faserung des Ganglienkörpers, oder blos durch einfache Lagerung der Körnchen hervorgebracht wäre, bis in den letzten Tagen auch er ?) an den grossen Körpern des elektrischen Lappens von Torpedo marmorata und der vorderen Rückenmarkshörner des Rindes eine deutliche Faserung erkannte, welche sich, wie die von Remak be- schriebene verhält und sich bis in die Fortsätze, ja bisin den Axen- cylinder einer markhaltigen Nervenfaser hinein erkennen lässt. Den letzteren ziemlich ähnliche Mittheilungen hatte auch Jolly?) schon im Jahre 1867 von den Rückenmarkskörpern gewisser Säugethiere gemacht, und zu Ende ‚desselben Jahres veröffentlichte endlich noch J. Arnold) seine einschlägigen Untersuchungen über diesen Gegenstand. Dieser letztgenannte Autor lässt die Ganglienkörper gleichfalls von Faserzügen durchzogen sein, welche sich bis in die Fortsätze hinein beobachten lassen, und schliesst sich nach eigenem Ausspruch vornehmlich an Frommann an, der diese Züge als ächte Fibrille auffasst, während andere, wie z. B. Beale sie nur aus kurzen Linien und Strichen durch Verschiedenheiten in der Zu- sammensetzung des Gewebes zu Stande gekommen erklären. Von der Existenz faseriger oder körniger Elemente, die zu be- stimmten Zügen oder Gruppen angeordnet sind, kann man sich fast an allen grösseren Ganglienkörpern der Centralorgane überzeugen. Und wenn das nicht an frischen, blos mit Serum, Eiweiss .oder Zucker- wasser befeuchteten Objekten geschieht, an solchen die mit Chrom- säure oder doppeltchromsauerem Kali behandelt worden waren, ge- schieht es gewiss. Die grossen Ganglienkörper der substantia nigra 1) M. Schultze in d. Vorrede zu Deiters Untersuchungen p. XV. 2) Max Schultze. Observationes de structura cellular. fiprarumque nervear, Bonnae 1868. 3) Jolly. Ueber die Ganglienzellen d. Rückenmarks. — Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie XVII. 449. 4) J. Arnold. Ein Beitrag zu der feineren Struktur der Ganglien- zellen. Arch. f. patholog. Anat. ete. XIli. Heft 1 u. 2. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 455 pedune. cerebri jugendlicher Individuen, bei denen sie noch nicht mit Pigment erfüllt sind, die Purkynjeschen Ganglienkörper des kleinen Gehirns zeigen ausser den oben angeführten Rückenmarks- Körpern das beschriebene Verhalten oft in der überraschendsten Weise. Ja selbstan den grossen pyramidenförmigen Körpern der Hirnrinde, namentlich an solchen aus der mittleren Schicht der Frontralwindun- dungen, kann man unter günstigen Umständen und bei einiger Aufmerksamkeit dieselben oder analoge Verhältnisse erkennen. Man sieht an ihnen bestimmte, bald derbere, bald zartere Züge aus mehr oder weniger deutlichen Strichen und Puncten zusammengesetzt, welche über den Körper nach verschiedenen Richtungen hinlaufen, in Sonderheit die Fortsätze miteinander verbinden und darum nach dem Spitzenfortsatze sich zusammendrängen, um schliesslich in ihm selbst sich zu vereinigen. Dazwischen sieht man auch einige Züge nach dem Kern hin streben, oder um den Kern herum in regelmässigeren oder unregelmässigeren Touren verlaufen, (Fig. L. M. N.) oder gar in ihn hineindringen. Das in bestimmter Weise sich zeigende streifige oder körnig-streifige Aussehen einzelner Ganglienkörper ist somit jetzt schon von mehreren Beobachtern und in ganz verschiedenen Regionen des Centralnervensystems gesehen worden; ja wenn man ausser dem Kör- per auch die Fortsätze in Betracht zieht, so ist die Zahl der einschlä- gigen Beobachtungen noch viel grösser. So erwähnt z. B. Kölliker !) das Vorkommen einer sehr feinen, aber doch sehr deutlichen Streifung an den Fortsätzen der Körper des cerebellum. G. Walter ?) thut dasselbe und beschreibt ausserdem diese Streifung an den Fortsätzen der grossen Körper des bulbus olfactorius. Besser °?) endlich bestätigt das von Deiters beschriebene hierher gehörige Verhalten der Proto- plasmafortsätze motorischer Ganglienkörper des Rückenmarkes. Dass die Streifung der Ganglienkörper wirklich existirt, steht somit ausser allem Zweifel. Was aber die Streifung zu bedeuten habe, welche Be- dingungen ihr zu Grunde liegen, das ist noch Gegenstand der Con- troverse. Wie schon erwähnt halten Frommann, J. Arnold und Max Schultze sie für den Ausdruck der fibrillären Natur der Gang- lienkörper und ihrer Fortsätze. Dasselbe glaubt auch G. Walter?), 1) Kölliker. Gewebelehre 5. Auflage 1867. p. 243. 2) G. Walter. Ueber d. feineren Bau. d. bulbus olfactor, Archiv f. patholog. Anat. etc. Bd. XXXII p. 249. 3) Besser. Eine Anastomose zwischen central. Ganglienzellen. Arch. f. pathol, Anat, ete. Bd. XXXIV p. 128. 456 Dr. Rudolf Arndt: auf dessen Ansicht ich später noch speciell zurückkommen werde. Besser und Jolly dagegen halten sie für Produkte der Macera- tion oder Schrumpfung, da der erstere sie an einer grossen Anzahl vollständig frei liegender Körper nicht gesehen haben will, und der letztere die frischen d. h. nicht mit Chromsäure oder deren Salzen behandelten Körper stets glatt fand; während Deiters zum min- desten eine vermittelnde Stellung zu diesen Auffassungen einnahm. Wenn auch die Gerinnung post mortem eine Rolle bei der Erzeugung dieser Streifen spiele, so müssen dieselbe doch ihrer Regelmässigkeit wegen, mit der sie immer und immer wieder sich zeigen, während des Lebens präformirt sein; und fast in gleichem Sinne sprechen sich auch Remak und Beale aus. Nach den Beobachtungen, welche ich an den sich entwickelnden Ganglienkörpern gemacht habe, muss ich die fragliche Streifung ebenso wie die etwa vorhandene Körnung für den Ausdruck einer schon während des Lebens bestehenden eigenthümlichen Anordnung der Elementartheile des Ganglienkörpers ansehen.‘ Es sind meiner Meinung nach derbere Züge, zu denen sich die ursprünglichen Fäserchen zusammengelegt haben, als aus ihnen der Ganglieakörper sich aufbaute, ohne gerade immer Fibrillen im engeren Sinne des Wortes zu sein. Die Körnchen und Knötchen, welche zwischen ihnen liegen, oder unter anderen Verhältnissen den Ganglienkörper auch ganz zusammenzusetzen scheinen, halte ich demgemäss auch nicht immer für besondere Gebilde, sondern oft nur für den Ausdruck der Umbiegung oder Verflechtung jener faserartigen Züge: eine Auf- fassung, mit der ich mich durchaus an Arnold!) anschliesse. Dort wo die Fäserschen sich sehr regelmässig, dicht und parallel an einander legen, keine Umbiegungen machen, sich nicht kreu- zen, erscheinen die aus ihnen hervorgehenden Ganglienkörper ziem- lich homogen, halbdurchscheinend, fast hyalin, so z. B. die bei weitem grössere Anzahl aller kleineren Ganglienkörper der Hirn- rinde. Wo dagegen bei der Zusammenlagerung der Glieder des heisernetzes zu Ganglienkörpern in den Lagerungsverhältnissen es zu Differenzen kam, da entwickelten sich Faserzüge, welche durch eine Zwischensubstanz geschieden, bald dichter, bald weiter, bald regelmässiger, bald unregelmässiger angeordnet wurden. Nichts 1) J. Arnold. a, o. O. pag. 182. u. 187, Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 457 destoweniger dürften die bekannten Körnchen dennoch öfters beson- deren Gebilden entsprechen und mit den Kügelchen der körnig- faserigen Masse, welche wir weiter oben kennen gelernt haben, in genetischem Zusammenhange stehen. Was sonst die Zwischen- substanz sei, das bin ich ausser Stande zu sagen. Es ist möglich, dass sie blos durch eine andere Anordnung der ursprünglichen Fäserchen in ihrer Erscheinung bedingt wird; es ist aber auch eben so gut möglich, dass sie aus einer weiteren Umwandlung derselben hervorgegangen und eine Substanz ist, welche zur Gruppe des Myelin gehört. Wo die Fasern der Ganglienkörper entfernter liegen, da zeigen sie jene von Frommann, Beale, Deiters, Arnold, Max Schultze gezeichneten Bilder; wo sie dagegen dichter aneinander gedrängt sind, sich kreuzen und verflechten, da entsteht ein körnig- faseriges, rauhes oder knotiges Aussehen, das emem Filigrangewebe gleicht und nirgend besser und schöner gesehen werden kann, als an den Purkynjeschen Körpern des kleinen Gehirns. Der Ganglien- körper scheint unter solchen Umständen aus lauter Körnchen und Knötchen zu bestehen, von denen man nicht weiss, wie sie zusam- mengehalten werden. Nach den Ausläufern hin zerstreuen sich in- dessen diese Körnchen mehr und mehr, oft sehr rasch und in den Fortsätzen treten parallele Fasern auf. Mit andern Worten: Indem die Verflechtung der Fasern der Ganglienkörper nach den Fort- sätzen hin sich auflöst, nehmen die Fasern in diesen selbst einen mehr gleichmässigen, unter sich parallelen Verlauf an. Uebrigens will ich bei dieser Gelegenheit doch bemerken, dass ausser der filigranösen Verflechtung der Fäserchen in den Purkynje- schen Körpern sich auch ganz deutlich noch geradläufige Fasern unterscheiden lassen, welche an der Oberfläche des Körpers liegen, sich mehrfach kreuzen und schliesslich in die Fortsätze verlaufen. Ausser den Lineamenten, welche die besprochenen Faserzüge der Ganglienkörper zum Ausdruck bringen, kann man noch andere Linien und Curven bemerken, und zwar gerade an den grossen py- ramidalen Körpern der Hirnrinde, an den ihnen Ähnlich gestalteten Körpern der Substantia nigra pedunculor. cerebri und des Pons Va- rolii am deutlichsten. Bei allen diesen Körpern nämlich kann man, je nachdem das Licht benutzt wird, bald lichte bald dunkle Linien oder Streifen sehen, welche über den Körper hinziehen und in einem Fortsatz sich zu verlieren scheinen. Meistens sieht es aus, als ob 458 Dr. Rudolf Arndt: diese Streifen aus der Gegend des Kernes stammen, und als ob dies namentlich bei dem nach dem Spitzenfortsatze ausstrahlenden immer der Fall sei. Wenn man jedoch genauer zusieht und einen Wechsel in der Beleuchtung eintreten lässt, zumal wenn man die schiefe Be- leuchtung in Anwendung zieht, so wird man sich überzeugen, dass diese Züge unter sich verschiedentlich zusammenhängen. Sie gehen aus einem Fortsatz in den anderen über, doch ohne sich darin weiter verfolgen zu lassen. Sie scheinen im Gegentheil sich in die Ränder derselben zu verlieren und sind deshalb den Blicken entschwunden, sobald sie den betreffenden Fortsatz erreicht haben. Nach dem Hauptfortsatz des Körpers, dem Spitzenfortsatze streben sie von allen Seiten und derjenige, welcher aus der Gegend des Kernes her- zukommen scheint, kommt in Wahrheit von einem über dem Kerne gelegenen Basalfortsatze her. An frischen Ganglienkörpern, welche mit Serum oder Zuckerwasser untersucht werden, wird man sich schon von diesen Verhältnissen überzeugen können, an solchen, die einige Zeit in verdünnter Lösung der Chromsäure oder des doppelt chromsauren Kalis gelegen haben, doch noch viel leichter. Man könnte mir nun mit Besser und Jolly einwenden, dass aus die- sem Grunde eben die besprochenen Linien resp. Streifen Kunstpro- ducte seien, dass sie durch Gerinnung und Schrumpfung entstanden seien. Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass diese Momente auch viel zu ihrer stärkeren Ausbildung beigetragen haben, allein was Deiters an einer Stelle seines bekannten Buches sagt, gilt auch hier: Da die Linien nämlich immer und immer wieder in der- selben Weise zur Erscheinung kommen, so muss dazu der Grund in der Structur des Ganglienkörpers liegen, es müssen bestimmte Präformationen für sie vorhanden sein. Für solche Präformationen halte ich Kanten des Körpers. So lange dieser frisch und strotzend ist, sind sie nicht gerade leicht wahrzunehmen, sie treten aber um so schärfer hervor, je mehr der Körper zusammenschrumpft und einsinkt. Der Streif, welcher der Kante entspricht, die von dem Spitzenfortsatz nach einem der mitt- leren Basalfortsätze geht und über oder unter dem Kern hinzieht, kann Veranlassung werden, einen besonderen Zusammenhang des Kernes mit den beiden Fortsätzen vorzutäuschen. Durch Heben und Senken des Tubus indessen wird man sich davor hüten können. Man wird nämlich bald finden, dass der fragliche Streif früher oder später in den Fokus kommt, als der Kerncontour oder gar das Kern- Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 459 körperchen. Er kann also nicht mit dem Kerne in einer Ebene liegen, sondern muss über oder unter ihm verlaufen. Die Möglich- keit zu der erwähnten Täuschung ist um so grösser, als sich bei der Tinetion mit Carmin nicht blos der Kern färbt, sondern auch eine mehr oder weniger ausgesprochene Röthung des Körpers, der Belegungsmasse, eintritt. Für gewöhnlich ist dieselbe an isolirten Ganglienkörpern nicht sichtbar, aber bei einer gewissen Einstellung, die weiter als der Fokalabstand ist und zu einer veränderten Bre- chung der Lichtstrahlen führt, kommt sie als rother Schein zum Ausdruck. In ähnlicher Weise, wie die senkrechten Kanten, können auch diejenigen, welche zwischen den Basalfortsätzen liegen, Ursache zu Täuschungen werden. Doch genüge fürs Erste, daran erinnert zu haben; gehörigen Orts werde ich näher darauf emgehen. Hängen nun einige der Faserzüge mit dem Kern überhaupt zusammen oder nicht? — Diese Frage beschäftigt in der neuesten Zeit wohl mit am meisten die Histiologen, welche die Erforschung der Centralorgane sich zur Aufgabe gemacht haben. Schon Har- less!) hat vor mehr als zwei Decennien, als er seine Untersuchun- gen über das elektrische Organ von Torpedo Galvanii veröffent- lichte, diese Frage in Anregung gebracht und zugleich mit »ja« beant- wortet. Er sah lange Fasern von dem Kerne von Ganglienkörpern ausgehen, welche sich weit in das Gehirn verfolgen liessen, und die er wegen ihrer Feinheit und dunklen Gontouren, wegen der Gerin- nung ihres Inhalts nach Zusatz von Wasser und Weingeist für ächte Nervenfasern hielt. Nach Behandlung mit Jodtinetur färbten sich dieselben weniger, als die Masse des Ganglienkörpers, waren leicht in derselben zu sehen und bis zum Kern zu verfolgen. Hin und wieder gingen die Fasern von dem Kern aus nach zwei verschie- denen Richtungen ab, und waren in einer Zelle zwei Kerne vor- handen, so verbanden sich bisweilen die Fasern derselben zu einer einzigen, bevor sie die Ganglienkugel verliessen. — Was mir jedoch mit das Wichtigste zu sein scheint, ist seine Mittheilung über den Ansatz dieser Fasern am Kern. Er schreibt darüber wörtlich: »Die Nervenfaser tritt niemals in der Ebene des grössten Kreises der Ganglienkugel ein, sondern bildet immer einen kleinen Bogen, wodurch sie in einer Ebene, die 1) Harless. Briefliche Mittheilungen über Ganglienkörper d. lobi electrio. v. Torpedo Galvanii. Müller’s Archiv 1846. pag. 283 u. Taf. X. 460 Dr. Rudolf Arndt: mit jener einen Winkelbildet, sich an die innere Zelle begiebt; so kommt es, dass man nie die ganze Faser, so weit sie innerhalb der grossen Ganglienkugel ver- läuft, zugleich mit dem Kern der kleinen in den Fokus stellen kann, und dass, wenn man die Körper von oben beobachtet, stets auf die Durchschnittsebene der Fa- ser sieht, die dort, wo sie entspringt, alsKern der inne- ren Kugel erscheint.« Darauf kamen Axmann!) und Lieberkühn?), von denen sich insbesondere der Letztere eine Autorität erwarb, mit ähnlichen Mittheilungen. Lieberkühn glaubte sich an Fröschen überzeugt zu haben, dass Nervenfasern in die Ganglienkörper eintreten und bis zum Kern weiter verlaufen. Der Kern schien in den bezüglichen Fällen eine der Faser anhangende Kugel oder auch eine blosse An- schwellung derselben zu sein. In anderen Fällen schienen Lieber- kühn zwei Fasern aus dem Ganglienkörper herauszutreten, und zwar die eine aus dem Kern, die andere aus dem Körper selbst. In noch anderen Fällen glaubte er gesehen zu haben, dass die Nervenfaser bis zum Kern verlief, hier mit ihrer Hülle endigte, während ihr Axencylinder bis zum Kernkörperchen weiter ging. G. Wagener?) und Owsjannikow) stimmen ihm im Ganzen bei. Sehr vorsich- tig in Betreff seiner Folgerungen theilt auch Kölliker) zwei da- hin zu zählende Beobachtungen aus dem Ganglion Gasseri des Kalbes mit; doch an einer anderen Stelle erklärt er die eine davon wieder geradezu als Täuschung. Ganz Entgegengesetztes aber behaupteten R. Wagner®), Valentin’) und Stilling®). R. Wagner glaubte, dass Harless seine Beobachtungen unrichtig gedeutet habe, dass er Dinge, welche über oder unter dem Kern sich befanden, in den- 1) €. F. Axmann. De ganglior. systemat. structura penitior. Berlin 1847. 2) Lieberkühn. De structura ganglior. penitior. Berlin 1849. 3) Guido Wagener. Ueber d. Zusammenhang d. Kernkörperchens mit d. Nervenfaser. — Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. VIII. p. 455. Jahrg. 1857. 4) Owsjannikow. Recherches sur la structure intime du systeme ner- veux des crustaces et principalement du Homard. Annales des sciences. XV. 1862. 5) Kölliker. Gewebelehre. 5. Auflage. p. 253 u. 331. 6) Rud. Wagner. Handwörterb. d. Physiolog. Bd. III. p. 367. 7) Valentin. Handb. d. Physiolog. Bd. II. 701. 8) Stilling. Ueber d. Bau der Nervenprimitivfaser u. d. Nervenzelle. Frankft. a. M. 1857, I Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 461 selben hinein verlegt habe. Vollkommen in dem nämlichen Sinne sprach sich darauf auch Valentin über einige hierher gehörige Beobachtungen aus, und Stilling wollte gar nichts davon wissen. Er stellt ja bekanntlich die Ansicht auf, dass alle nervösen Ele- mente, sowohl Fasern als auch Zellen sich aus Elementarröhrchen zusammensetzen, dass durch diese wohl eine Verbindung der ein- zelnen Theile hergestellt werde, dass diese aber doch in ganz anderer Weise vor sich gehe, als jene Beobachter angenommen. Doch läug- net Stilling keinesweges an und für sich die Existenz besonderer Streifen und fadenartiger Gebilde. Im Gegentheil, er macht sehr bestimmte Angaben darüber und theilt mit, dass er gesehen habe, wie helle Streifen vom Kern bis gegen den Rand der Zelle verliefen, doch sich daselbst der Beobachtung entzogen, und wie feine Fasern vom Nucleus ausgingen, ihren weiteren Verbleib indessen nicht er- kennen liessen. Die meisten Histiologen wandten sich nunmehr der Ansicht zu, dass der Kern mit den Fasern und Fortsätzen des Ganglienkörpers direkt nichts zu thun habe. Da trat im Jahre 1364 Frommann!) mit seinen Untersuchungen an den motorischen Ganglienkörpern des Lendenmarkes auf. Er beschrieb ein System von feineren und gröberen Fasern, welche nicht blos mit dem Kern zusammenhingen, sondern auch solche, die durch denselben hindurch bis zum Kern- körperchen drängen und unter sich in einem eigenthümlichen Ver- hältniss ständen. Feine Fäden nämlich, welche vom Kernkörperchen entspringen —»Kernkörperchenfäden« — gehen nach ihm durch den Kern hindurch und verbreiten sich in dem Ganglienkörper, theils indem sie nach seinen Fortsätzen verlaufen, theils indem sie ihn direkt zu verlassen scheinen, oder nachdem sie in breitere, röhren- formige Fasern, welche vom Kern ihren Ursprung nehmen und darum »Kernröhren« heissen, eingetreten sind. Die Kernröhren verlieren sich entweder im Ganglienkörper, ohne dass das »Wie« erkannt werden könnte, oder sie treten über den Ganglienkörper hinaus und lassen sich weiter in der grauen Substanz verfolgen, wo sie sich durch den eingeschlossenen Kernkörperchenfaden von den feineren Fortsätzen und zarteren Axencylindern unterscheiden 1) Frommann. Ueber d. Färbung d. Binde- u. Nervensubstanz d. Rückenmarkes durch Argent. nitric. und über die Strukt. d. Nervenzellen. Arch. f. path. Anat. etc. Bd. XXXI. 462 Dr. Rudolf Arndt: lassen. Ausser diesen Gebilden treten in den Kern noch Fibrillen oder auch Fibrillenbündel ein, welche aus den Fortsätzen stammen, mit denen die Kernröhren nichts zu schaffen haben. Frommann hat späterhin !) seine Angaben vervollständigt, und ich werde Ge- legenheit haben, noch einmal auf sie zurückzukommen. Bald nach Frommann’s ersten Mittheilungen erschien J. Arnold’s?) Abhandlung über die Ganglienkörper in dem Sympa- thicus des Frosches, welche mit ähnlichen Entdeckungen die Histio- logie bereicherte. Nach Arnold treten aus dem Kernkörperchen, welches nichts anderes als das Ende einer Nervenfaser ist, die in den Ganglienkörper sich einsenkt, feine lichte Fäden heraus, zwei bis fünf, meistens drei, die deutlich und scharf sind, so lange sie im Kerne verlaufen, die dagegen nur schwierig zu sehen sind, so- bald sie in der Zellsubstanz angelangt sind. Bisweilen gehen diese Fäden noch im Kern Theilungen ein, und wenn zwei Kernkörperchen vorhanden sind, so verbinden sie dieselben unter einander. In dem Ganglienkörper, der Belegungsmasse des Kernes und Kernkörperchens, gehen die Fäden Verbindungen mit den feinen Fibrillen ein, welche in derselben eingebettet sind. Es würden also danach die Faser- züge des Ganglienkörpers, welche aus den Fortsätzen in ihn ein- strahlen, durch die Kernkörperchenfäden mit der aus dem Kern abgehenden Nerveniaser communiciren. In der allerjüngsten Zeit hat Arnold?) die erwähnten Befunde auch noch an andern als sympathischen Ganglienkörpern gesehen, so an den Rückenmarkskörpern von Hunden und Kaninchen, wie auch denen des Ganglion Gasseri von frisch geschlachteten Hämmeln und Kälbern. Seitdem haben sich die Beobachtungen über den Ab- gang von Fäden vom Kern und Kernkörperchen nicht allein ver- mehrt, sondern die ältern und unbestimmt gelassenen Befunde sind auch in diesem Sinne gedeutet worden. Hensen) bestätigt Lieber- 1) Frommann. Zur Struktur d. Ganglienzellen d. Vorderhirnes. Arch. f. path. Anat. ete. Bd. XXXH. 2) J. Arnold. Ueber d. feiner. histolog. Verhältnisse d. Ganglienz. in d. Sympathie. d. Frosches ibid. Bd. XXXII. | 3) J. Arnold. Ein Beitrag zur feinern Struktur d. Ganglienz. ibid. Bd. XLI. 4) Hensen. Untersuch. zur Physiolog. d. Blutkörperchen, so wie über d. Zellennatur derselben. — Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie XI pag. 271 u. Fig. VII B. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 463 kühns Beobachtungen und bildet Fäden ab, welche vom Kernkör- perchen eines aus dem Ganglion Gasseri des Kaninchens stammenden Nervenkörper ausgehen und in den Körper selbst eintreten. Koll- mann undArnstein!), Courvoisier?), Guy°), Biddert) ha- ben diese Gebilde an Ganglienkörpern des Sympathikus wahrgenom- men und bald im Sinne Arnolds bald im Sinne Frommanns ver- werthet. Jolly’) behauptet den Zusammenhang zwischen Axen- eylinderfortsatz und Kernkörperchen an Rückenmarkskörpern in un- zweifelhafter Weise gesehen zu haben. Aehnliches glaubt auch J. Sander) von sympathischen Ganglienkörpern aussprechen zu dür- fen, und Meynert?) hält sich berechtigt nicht blos Kernkörperchen- fortsätze anzunehmen, sondern auch vom Kern selbst so viel andere Fortsätze entspringen zu lassen, als der Ganglienkörper Ausläufer hat, zu dem er gehört. Andererseits sind von Neuem Stimmen laut geworden, welche die Richtigkeit dieser Beobachtungen bestreiten und auf Täuschun- gen oder Verwechselungen zurückführen. So ist Buchholz?) ge- neigt diese Fadenbildungen sammt und sonders, namentlich wie sie G. Wagener) vom Blutegel, von Mollusker und anderen niederen Thieren beschreibt, auf fadenförmig ausgezogene Strei- fen der hyalienen zähen Grundsubstanz der Ganglienkörper zurück- zuführen. Er selbst hat nur einmal einen solchen derben Kern- fortsatz an den Ganglienkörpern von Süsswassermollusken beob- achtet und das betreffende Präparat abgebildet, im Kern selbst 1) Kollmann u. Arnstein. Die Ganglienzellen d. Sympathicus. Zeit- schrift f. Biologie II, pag. 271. 2) Courvoisier. Beobachtungen über d. sympath. Grenzstrang. Archiv f. mikrosk. Anat. II. page. 13. 3) A. A. G. Guy. Die Ganglienzellen d. Sympathie. b. Kaninchen. Cen- tralblatt d. med. Wissensch. 1866. No. 56. 4) Bidder. in Reichert u. Du-Bois-Reymonds Archiv. 1867. Dr bunif. 5) Jolly. Ueber d. Ganglienzellen d. Rückenmarks. Zeitschrift f. wis- senschaftl. Zoolog. XV. p. 454—455. 6) J. Sander. Die Spiralfaser im Sympathicus des Frosches. Rei- chert und Du-Bois Reymonds Arch. 1866. p. 398. 7) Meynert. Vierteljahresschrift f. Psychiatrie ete. I. Heft 2. u. 3. 8) Buchholz. Bemerkung. über d. Bau d. Centralnervensyst. d. Süss- wassermollusken. Reichert u. Du Bois-Reymond Arch. 1863. p. 247 u. f. 9) G. Wagener. a. o. 0. 464 Dr. Rudolf Arndt, aber niemals entsprechende Gebilde wahrnehmen können. In ziem- lich gleicher Weise urtheilt auch Waldeyer!) darüber, der angiebt zu öfterem an freien Kernen ein Stückchen Protoplasma in Form eines spitz zulaufenden Läppchens ankleben, niemals aber Zusam- menhang der grossen Fortsätze der Zelle mit dem Kern oder Kern- körperchen gesehen zu haben. Sander, welcher den Zusammen- hang des Axencylinders mit dem Kernkörperchen an sympathischen Ganglienkörpern zugiebt, läugnet die Fäden des letzteren. Er hält Zerklüftungen der Ganglienkörpersubstanz für die Ursache der entsprechenden Bilder, während O0. Fraentzel?) diese letzteren wieder mit der Zeichnung der epithelialen Hülle, welche den sym- pathischen Ganglienkörpern zukömmt, in Zusammenhang bringt. Köl- liker?) und Frey) wollen von allen diesen Fäden und faden- förmigen Zeichnungen an den letztgenannten Nervenkörpern gar nichts gesehen haben. Das Einzige, was Kölliker zugiebt und ihn allen- falls an Fädchen erinnern könnte, sind radienartige Anordnungen kleiner Körnchen im Inhalte des Nucleus. Frey negirt alles und nimmt eine Täuschung durch Gerinnungsprodukte an; und ebenso negativ verhält sich auch Leydig?). Seitdem ich auf die in Rede stehenden Gebilde aufmerksam geworden bin, glaube ich sie in fast allen Verhältnissen, in denen sie vorkommen sollen, auch an den Ganglienkörpern der Hirnrinde gesehen zu haben. Schon in dem Artikel im Bd. III d. Arch. habe ich eines dunkleren Streifens gedacht, der von dem Kern vieler der grösseren Ganglienkörper ausgeht um in ihren Hauptfortsatz ein- zutreten. Ich hatte aber schon damals mitgetheilt, dass dieser Streif nicht sowohl aus dem Kerne selbst hervorzukommen scheine, als vielmehr aus dessen Umgebung, indem er sich aus zwei den Kern umschliessenden schwächeren Streifen zusammenzusetzen scheine. Die- ser Streif ist es auch wohl immer gewesen, der von den verschie- 1) Waldeyer. Untersuchungen über d. Ursprung u. d. Verlauf des Axeneylinders bei Wirbellosen u. Wirbelthieren ete. — Zeitschrift f. rat. Med. Bd. XX. p. 241. 2) O0. Fräntzel. Beitrag zur Kenntniss v. d. Struktur d. spinalen u. sympath. Ganglienz. Arch. f. pth. Anat. etc. XXXVII. 4. p. 549, 3) Kölliker. Gewebelehre. 5. Auflage p. 254. 4) Frey. Histiologie ete. 1867. p. 365. 5) Leydig. Vom Bau d. thier. Körpers. Tübing. 1864. pag. 90. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 465 denen Beobachtern gesehen worden ist, welche den Zusammenhang des Kernes mit dem Axencylinder behauptet haben. Doch wird er von den meisten derselben nicht als dunkel, sondern als licht und hell bezeichnet. Ich kann nichts dagegen sagen. Denn ob er so oder so sich zeigt, hängt ganz und gar von der Einstellung ab, und diese hatte ich mich früher gewöhnt gehabt, so zu nehmen, dass ich den betreffenden Streifen dunkel sah, was beiläufig erwähnt ihn viel schärfer und deutlicher machte, als wenn er licht und glän- zend erschien. Die meisten Beobachter haben den Streifen indessen nicht aus den den Kern umhüllenden Theilen, sondern aus dem Kerne selbst hervorgehen sehen. Nur Harless hat, soviel mir bis jetzt bekannt geworden, ähnliche Bemerkungen wie ich gemacht. In Fig. 6 und 7, welche seinem oben citirten Aufsatz beigegeben sind, entspringt der lichte Streif, der nach ihm zur Nervenfaser wird, aus einem hellen Ringe, welcher den Kern umgiebt, und nicht unmittelbar vom Kerne selbst, wie dies anderweitig gedeutet worden ist. Vielleicht sind in diesem Sinne auch die beiden Fig. 7 A und B, welche Hensen seinen Untersuchungen zur Physiologie der Blutkörper- chen etc. aus ganz anderen Gründen beigegeben hat, aufzufassen ; doch lässt sich natürlicher Weise darüber kein bestimmtes Urtheil abgeben. Darauf hingewiesen möchte ich indessen dennoch haben, weil möglicher Weise dadurch die Anregung zur weiteren Klärung dieser Angelegenheit gegeben wird. Je mehr ich nun dem vorliegenden Punkte Aufmerksamkeit schenkte, desto mehr überzeugte ich mich von der Richtigkeit des Beobachteten. Ich halte demnach heute für ganz gewiss, dass ein solcher Streif in den grossen Hirnrindenkörpern existirt, und dass derselbe aus der nächsten Umgebung des Kernes herstammt. Es fragt sich nur, welche Bedeutung er hat. Da dieser Streif in der Nähe des Kernes am deutlichsten, im dünnen Fortsatz am schwächsten ist, meistens sich sogar in ihm ganz verliert, da er dort also, wo die grösste Ganglienkörpermasse liegt, am schärfsten, dort, wo die wenigste vorhanden ist, am wenigsten ausgeprägt ist, so hatte ich ihn früher für nichts anderes als den optischen Ausdruck der Wölbung des pyramidenförmigen, an und für sich opaken und nur seiner Dünnheit wegen transparenten Ganglien- körpers gehalten. Im Allgemeinen glaube ich diese Ansicht auch ge- M. Schultze. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 30 466 Dr. Rudolf Arndt: genwärtig noch festhalten zu dürfen, wenngleich ich nach meinen weiteren Untersuchungen sie doch auch wieder modifieiren musste. So lange der Streif nur dunkel erscheint, selbst wenn er, wie das in Carminpräparaten geschieht, röthlich erscheint, ist keine an- dere als die abgegebene Erklärung für sein Zustandekommen nöthig. Meynert!) hat dagegen zwar Einwände erhoben. Soweit ich diesel- ben verstanden habe, meint er unter anderem, dass bei Carminprä- paraten, in denen nur der Kern gefärbt, das ihn umgebende soge- nannte Protoplasma aber ungefärbt sei, niemals eine rothe, vom Kern ausgehende Linie sich zeigen könne, ohne dass sie einem Fort- satze der Kernsubstanz entspräche; durch blosse Uebereinanderla- gerung einer grösseren Anzahl von Protoplasmatheilen können sie nie entstehen. Allein hat Meynert dabei nicht ausser Acht gelas- sen, dass das Protoplasma keineswegs ungefärbt ist? Ich habe mich schon einmal darüber geäussert und kann daher nur wiederholen, dass ich wenigstens es noch nie anders als gefärbt gesehen und auch keinen Autoren kennen gelernt habe, der darüber neuerdings anders berichtet hätte. Die Färbung ist allerdings viel schwächer, als die der Kernsubstanz; sie ist so schwach, dass sie zuweilen übersehen wird, z. B. an den meisten isolirten Ganglienkörpern, zumal wenn sie so dünn und zart sind, wie die der Hirnrinde: aber sie ist vorhanden und zeigt sich da sehr bestimmt, wo die Ganglienkörper dicker und massiger sind, in der Mitte des Körpers als der vielgenannte Streif, welcher vom Kern zum Hauptfortsatz geht, an den natürlichen oder durch Schrumpfung entstandenen Kanten und Unebenheiten, und in Schnitten gehärteter Präparate, wo die Körper mehrfach über ein- ander liegen. — Sobald der fragliche Streif indessen licht erscheint, dann müssen natürlich ganz .andere Bedingungen für sein Zustande- kommen vorhanden sein. Zum Theil spielen da die weiter oben er- wähnten Kanten der Ganglienkörper eine nicht unerhebliche Rolle, indem sie als Täuscher sich eindrängen. Darüber jedoch wird man sich ziemlich bald Gewissheit verschaffen können, wenn man das Licht in der öfters besprochenen Weise verwerthet und den Tubus, noch besser, wenn es geht, den Objekttisch hebt und senkt. In den bei Weitem meisten Fällen aber liegt die Sache anders. Der lichte 1) Meynert, Vierteljahrsschrift für Psychiatrie ete. I. Heft 3 u. 4. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 467 Streif lässt mit aller Gewissheit erkennen, dass er in dem Gan- glienkörper selbst gelegen ist. Er lässt sich, wie gesagt, bis an den Kern verfolgen, allwo er sich in eine Kapsel zu öffnen scheint, die den Kern umschliesst. In diesem Falle muss er der Ausdruck eines durchsichtigeren, das Licht stärker brechenden Gewebes sein, das in die übrige Masse eingebettet ist. Schon früher habe ich nachgewiesen !), dass die kleineren Gan- glienkörper der Hirnrinde bei der Maceration in eigenthümlicher Weise zerfallen. Das sogenannte Protoplasma, die Belegungsmasse , löst sich auf, der Kern wird frei, aber er bleibt mehr oder weniger mit körnig-faserigen Gewebstheilchen bedeckt, welche Partikeln des Reiser- netzes auffallend gleichen. Ich habe mich damals gesträubt eine Verwandtschaft dieser Gewebsläppchen mit den letzteren zu statuiren. Allein jetzt, wo wir erfahren haben, dass die Ganglienkörper aus dem Reisernetze sich entwickeln, lasse ich jedes Bedenken Betreffs derselben fallen. Es ist nur zu verwundern, dass das Gewebe des Gan- glienkörpers im Laufe der Zeit so wenig metamorphosirt ist, dass es später wieder durch geeignete Processe auf seine ursprüngliche, oder doch eine derselben sehr nahestehenden Form zurückgeführt werden kann. — Bei jenen Untersuchungen waren mir jedoch Macerations- Produkte entgangen, oder ich hatte sie anders gedeutet, welche ge- genwärtig ich recht häufig gesehen habe und welche auf die uns augenblicklich beschäftigende Frage viel Licht werfen. Wenn man nämlich die zahlreichen verstümmelten Ganglien- körper eines Hirnrindestückchens, das einige Tage in der Deiters- schen Macerationsflüssigkeit gelegen hat, genau besichtigt, so wird man vornehmlich an gefärbten Objekten ein eigenthümliches Verhalten derselben beobachten. Um den intensiv rothen Kern lagert ein brei- terer oder schmalerer, bald mehr bald weniger gut erhaltener Ring einer homogenen, fast hyalinen Masse, die sich nach einer, manch- mal auch nach mehreren Richtungen zapfen- oder fadenförmig ver- längert. (Fig. P. 1, 2, 5, 4, 5.) Sie haftet dem Kern dicht an und entspricht in ihrer Form und Ausdehnung so vollkommen dem lichten Streif in den erwähnten Ganglienkörpern, dass man, ohne zu irren, sie für die materielle Grundlage desselben halten kann. Uebrigens findet sich diese Masse, wie schon vorausgesetzt werden kann, auch an den 1) Siehe dies. Arch. Bd. III. pag. 467—468. 468 Dr. Rudolf Arndt: Kernen von Ganglienkörpern anderer Regionen. In ausgezeichneter Weise habe ich sie einmal an einem solchen Kerne aus der Substant. nigra pedunc. cerebri beobachten können. In Fig. P. 3 habe ich das betreffende Präparat, das ich noch aufbewahre, dargestellt und glaube, dass man sich gerade durch dieses von der Richtigkeit der früher ge- machten Angabe: Der Streif stamme nur aus der Umgebung des Kernes und nicht aus ihm selbst, mit voller Bestimmt- heit überzeugen Kann. Bisweilen hat einer der obigen Zapfen oder Fäden das Aussehen, als ob ernicht aus dem Ringe sich herausbilde, sondern als ob er in dem- selben als ein für sich bestehender fremder Körper stecke. Er sieht dann wie ein kleiner Cylinder aus, der in die Masse des Ringes ein- gelassen, mit seiner Grundfläche dem Kerne aufsitzt. (Fig. P. 1.2. 4.) Unter günstigen Verhältnissen, die aber keinesweges selten sind, sieht man denn ach die letztere als kleinen lichten Kreis der dun- kelen Kernfläche angefügt (Fig. P. 1.) Sind mehrere solcher zapfen- oder eylinderförmigen Bildungen vorhanden, so pflegt sich eine der- selben sehr gewöhnlich durch ihre stärkere Entwickelung vor den übrigen auszuzeichnen. Doch zeigt sie gerade, wie es mir vorkam, am seltensten die charakterisirte Oylinderform, sondern scheint viel- mehr blos eine einseitige Verlängerung des Ringes zu sein. Die Stel- lung indessen von all diesen Gebilden ist die der Fortsätze wohler- haltener Ganglienkörper, und man kann darum gar nicht zweifelhaft sein, dass sie die Anfänge oder aber die Centraltheile derselben aus- machen. Die kleinen Cylinder sind zuweilen so deutlich und scharf in ihrem ganzen Wesen zu untersuchen, dass über dasselbe kaum ein Zweifel übrig bleibt. Namentlich ist dies der Fall, wenn auch der Kernring schon zerfallen ist, und die Cylinder nur noch allein am Kerne festsitzen. Bis jetzt habe ich inund an ihnen keine weiteren Eigenschaften wahrnehmen können. Sie scheinen mir voll- kommen solid und ohne jede Zeichnung zu sein. Nichts desto we- niger halte ich sie für Gebilde, welche sowohl den Stilling’schen Kernfortsätzen, als auch den From mann’schen Kernröhren der mo- torischen Rückenmarksganglien entsprechen, von welchen letzte- ren ich glaube, dass ich sie mitunter auch zu sehen bekommen habe, von denen es mir aber schien, als ob sie ungleich schwächer und für die Beurtheilung schwieriger wären, als die in Rede stehenden Theile der Ganglienkörper der Hirnrinde. In Betreff der Natur dieser Kernanhänge schliesse ich mich Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 469 * deshalb mehr anJ. Arnold!) und Stilling?) an, welche sie eben- falls für solid, aber "durch die Aneinanderlagerung von Fäden be- dingt halten, als an Frommann, der, wie bekannt, sie für Röhren ausgiebt. Frommann hat seine Kernröhren niemals in den Kern eindringen sehen; ich habe dies ebenso wenig an den beschriebenen Cylindern bemerken können. Da dieselben jedoch nie von dem Kern- rande, sondern stets von der Fläche abgehen, im mikroskopischen Präparate also stets über oder unter dem Kern liegen, so kann, besonders bei sehr dünnen, flachen Kernen leicht die Täuschung ent- stehen, als ob sie in denselben eindringen, und wenn ihre Ansatz- stelle in der Nähe des Kernkörperchens ist, dass sie in diesem ihr Ende finden. Durch Verschieben des Tubus, noch besser auch hier durch Heben und Senken des Objekttisches wird man sich an den dabei erfolgenden bedeutenden Lageveränderungen des betreffen- den Gylinders unschwer überzeugen, dass er ausserhalb des Kernes und nicht innerhalb desselben liegen muss. Ich erinnere hierbei an die oben aus Harless Abhandlung eitirte Stelle, und an die Be- urtheilung derselben durch R. Wagner, sowie an Valentin’s Deutung seiner eigenen entsprechenden Befunde. Da nun die Cylinder auch nach der Richtung des Axencylinder- fortsatzes abgehen, so ist klar, dass sie Veranlassung werden können, den Zusammenhang dieses mit dem Kernkörperchen vorzutäuschen; da sie indessen nicht immer vorhanden sind, meistens statt ihrer ja nur eine einfache Abzweigung von der den Kern umhüllenden hyalinen Schicht nach den Fortsätzen hin erfolgt, so ist ferner er- sichtlich, warum es einzelnen Forschern passirt ist, dass sie den be- haupteten Zusammenhang zwischen Axeneylinder und Kernkörper- chen nur selten, an den Präparaten von hundert Fröschen nur ein- oder zweimal haben sehen können. Da endlich bei der Inconstanz der Cylinderbildung dieselbe an den Ganglienkörpern verschiedener Regionen, noch mehr wahrscheinlich verschiedener Individuen oder Spe- cies verschieden häufig ist, so ergiebt sich als Weiteres, warum die einzelnen Forscher, je nachdem sie ihre Untersuchungen mehr an diesen oder jenen Öentraltheilen, mehr an diesen oder jenen Thieren an- 1) Arch. f. path. Anat. etc. XLI. p. 192. 2) Stilling. Ueber den Bau d. Nervenprimitivfaser ete. S. d. betref- fenden Abbildungen. 470 Dr. Rudolf Arndt: stellten, zu so differenten Ansichten über den fraglichen Zusammen- hang kommen konnten, wie sie augenblicklich herrschen. Die Möglichkeit zu Täuschungen ist hier sehr oft gegeben und liegt ausserordentlich nahe. Ich kann J. Arnold darum nicht beipflichten wenn er dieselbe in Abrede stellt und als eine leicht zu vermeidende betrachtet. Uebrigens will ich dabei bemerken, dass ich seine Methode ') mit einer !/;—1prozentigen Essigsäure frische Sympathikusganglien von Fröschen zu behandeln wiederholt habe, dass ich aber nicht so glücklich gewesen bin, die Isolirung des Axencylinders im Zusam- menhange mit dem ihm knopfförmig aufsitzendem Kernkörperchen von der übrigen Ganglienkörpermasse zu bewerkstelligen. Da die besprochene lichte Masse nicht in allen Ganglienkörpern angetroffen wird, — ich habe sie bisher uur in den grösseren wahr- nehmen können — sie sich auch nicht immer bis in den Hauptfort- satz hinein, geschweige denn bis zum Axencylinder der aus letzte- rem sich entwickelnden Nervenfaser verfolgen lässt, sondern ge- wöhnlich sehr früh ein Ende findet, so folgt daraus, dass sie nicht blos zu dem etwaigen Axencylinder in keinem unbedingten Verhält- nisse steht, sondern dass sie auch nicht einmal für den betreffenden Fortsatz von sonderlicher Bedeutung ist. Ich halte sie vielmehr für ein Gebilde, das nachweislich allein dem Ganglienkörper zukommt und für denselben wahrscheinlich von sehr ungeordnetem Werthe ist. Dass man die Fortsätze dieser Masse, welche nach den Basalfortsätzen des Ganglienkörpers gerichtet sind, nur ausnahmsweise zu sehen be- kommt, rührt daher, dass dort, wo sie sich finden 1. die grösste Masse des Ganglienkörpers liegt, welche allein schon im Stande ist sie zu verdecken, 2. zahlreiche Pigmentkörnchen angehäuft sind, welche das Gewebe unkenntlich und oft geradezu undurchsichtig machen. Die Masse selbst jedoch ist niemals Sitz des Pigments: Daher ist der Kern selbst stark pigmentirter Ganglienkörper, wenn diese selbst nur nicht ungeeignet gelagert sind, stets leicht zu er- kennen. In den Körpern der Substant. nigra pedunc. cerebri, die oft nichts weiter als blosse Pigmenthäufchen zu sein scheinen, ist er, sobald die Ganglienkörpermasse nicht über ihm liegt, und er somit die unterste Stelle im Präparate einnimmt, sondern wenn er mehr seitlich zu liegen gekommen ist, von der Pigmentmasse stets durch einen lichten Hof getrennt. (Fig. O. 3.) 1) Arch. f. path. Anat. etc. Bd. XXX. p. 1u. £. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 471 Was ist nun diese Masse, was sind ihre accidentellen Gebilde, die Cylinder ? Bevor ich diese Frage beantworte, sei mir gestattet, das an- zuführen, was andere über sie gedacht und geurtheilt haben. Es wird das zugleich der beste Beweis dafür sein, dass die ringförmige Substanz schon längst existirt und nicht erst in der Neuzeit geschaf- fen worden ist. Die älteste Nachricht von ihr giebt uns, wie ich schon angeführt habe, Harless, aber blos durch das Bild. Im Texte findet sich bei ihm darüber nichts vor, und eine Deutung von Seiten des Beobachters ist uns demnach nicht überliefert worden. Dagegen spricht sich der Nächste, der dieses hellen Ringes um den Kern von Ganglienkörpern Erwähnung thut, Hensen!), recht aus- führlich über ihn aus. Er hat ihn wiederholt an den Körpern des Ganglion Gasseri und des Sympathicus vom Kalbe, Kaninchen, Schaf, Frosch gesehen und als ein von der übrigen Substanz verschiede- nes Protoplasma, als einen mit klarem Inhalt versehenen Zellenraum gedeutet. Hensen sagt wörtlich darüber: »Dieser (Raum) ist zwar nicht sehr gross, aber auch nicht so klein, dass man nicht das Protoplasma (id est Belegungsmasse) als dicke Wand- schicht deuten könnte. Der Raum ist häufig nach aussen scharf be- grenzt, zuweilen sieht man jedoch die Grenze weniger deutlich, was bei der Dieke der sehr körnigen Protoplasmaschicht kaum Wunder nehmen kann. Der Kern liegt in der Zellflüssigkeit und scheint durch Fäden mit der Wand in Verbindung zu stehen, welche als Proto- plasmafäden zu deuten ich freilich Bedenken trage. Man sieht diese Höhle in den meisten Präparaten in der einen oder anderen Zelle, wenn man jede genau «danach durchsieht.« Einige Jahre darauf machte J. Arnold?) über diesen Punkt gelegentlich Angaben, ohne indessen die früheren zu berücksichtigen. Er erzählt zwischen Axencylinder und Contour der Zellensubstanz eine lichte Ausfüllungsmasse gefunden zu haben und erklärt dieselbe für nichts anderes, als die in die Zelle sich fortsetzende und in bestimm- ter Weise modifieirte Markscheide des Axencylinders, welche sich einerseits scharf gegen den letzteren, andererseits gegen die Zelisub- ‚stanz abgrenze und bisweilen unmittelbar in die Kernsubstanz über- 1) Hensen. a. o. O.p. 271. 2) J. Arnold. Arch, f. patholog. Anat. ete Bd. XXXII. p. 24. 472 Dr. Rudolf Arndt: zugehen scheine. Aus diesem Grunde ist er denn auch geneigt den Kern selbst für die kugelige Anschwellung der Markscheide der be- treffenden Nervenfaser zu halten. Die jüngste, bestimmte Angabe über die betreffende Substanz rührt von Meynert!) her. Er charakterisirt ihr Verhalten sehr genau, sieht sie aber für eine pathologische Entartung an, für ein Symptom des molekulären Zerfalles des Protoplasma. »Hierbei -wird das Protoplasma«, sagt er, »durchwegs von einer theils stark lichtbrechender Körnung verschiedenen Kalibers, theils von matter staubartiger Masse getrübt, öfter vom Kern durch einen hya- linen Ring mit körnig verschwommener Begrenzung geschieden.« (Conf. Hensen.) Nach Meynert soll diese Ent- artung sich bei Paralytikern und Blödsinnigen finden; — bekannt- lich hat auch Meschede die progressive Paralyse durch fettige Ent- artung und Zerfall der Ganglienkörper der Hirnrinde zu erklären gesucht — doch ist wohl kaum anzunehmen, dass Harless Tor- pedo, Hensens Kaninchen, Kälber, Schafe, Arnolds Frösche sammt und senders an progressiver Paralyse gelitten haben, wenn- gleich sich nicht wird in Abrede stellen lassen, dass ein gewisser Blödsinn bei ihnen bestanden habe. Ich glaube deshalb nicht Un- recht zu thun, wenn ich die Sache etwas anders auffasse und auf normale, d. h. physiologische Verhältnisse zurückzuführen suche. Wir haben oben gesehen, dass der Ganglienkörper durch die Aneinanderlagerung der Fäserchen des Reisernetzes sich bildet; wir haben erfahren, dass er durch Maceration in ganz ähnliche Fäser- chen, vielleicht dieselben, sich wieder auflöst. Der Schluss scheint: mir darum gerechtfertigt, dass die fragliche homogene Substanz durch solche Fäserchen gebildet wird, die sich sehr dicht und gleich- mässig an einander gelagert haben, so dass sie zu einer struktur- losen Masse verschmolzen erscheinen. Lagern sich die Theile des Reisernetzes concentrisch um den Kern, so bekommen wir nachher nur den einfachen Ring zu sehen, von dem durch Abzweigung ein- fache Fortsätze abgehen, — der stärkste dahin, wohin die stärkste Entwicklung des Ganglienkörpers stattfindet ; — erfolgt aber neben der concentrischen Aneinanderlagerung noch eine radiäre, was ich auch glaube gesehen zu haben, (Fig. n.) so bilden sich die beschriebenen Cylinder aus. Es ist dieser Vorgang nicht unverständlich, wenn man bedenkt, dass die Fäserchen des Reisernetzes auf dem Kerne senkrecht aufsitzen und in den ersten Stadien der Entwicklung zum Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 473 Ganglienkörper sich am Kerne öfters zu einem Zapfen zusammen- legen. Auf diese Weise, will mich bedünken, lässt sich nicht bloss am leichtesten der von mir beschriebene Befund erklären, sondern lösen sich auch am einfachsten die anscheinend entgegengesetztesten An- gaben der Autoren. Der Zusammenhang des Axencylinders mit dem Kerne wird vermittelt durch das sogenannte Protoplasma, die Belegungsmasse, welche bald mehr bald weniger in sich differen- zirt ist, bald ganz gleichmässig erscheint. Noch haben wir der Kernkörperchenfäden zu gedenken, jener räthselhaften Gebilde, über welche die Controverse fast noch grösser ist, als über den vorigen Punkt. Um sie in ihrer Bedeutung würdigen zu können, halte ich indessen für geboten, erst soweit es für den beabsichtigten Zweck nothwendig ist, die Natur des Kernes selbst zu prüfen. Der Kern des Ganglienkörpers geht aus dem Kerne der körnig- faserigen Masse hervor, um den seine Fäserchen sich -zum Gan- glienkörper zusammenlegten. Er wird dabei grösser, praller, er wächst also. Ob indessen ein wirkliches Wachsthum stattfindet, oder ob er nicht blos aufquillt, muss vorläufig dahingestellt bleiben. Welches aber auchimmer der Vorgang sein mag, während desselben entsteht erst sein Kernkörperchen und zwar, wie ich glaube, dadurch, dass die bis dahin mehrfach vorhandenen Körperchen zu einem ein- zigen zusammentreten. Es will mir scheinen, als ob dieser Vorgang kaum anders sein könnte. Denn jenes entsteht, und diese verschwinden; und anzunehmen, dass jenes um diese Zeit überhaupt erst aus der übrigen Substanz sich heraus differenzire, und dass die Pünktchen vergehen, weil der Kern sich glätte, das hat doch auch, wie wir sehen werden, seine grossen Misslichkeiten. Aus diesem Vorgange lassen sich jedoch auch noch manche andere Fragen beantworten. Erstens, hat der Kern eine Membran oder nicht? — Die Ansichten darüber sind sehr getheilt, und weder Majorität noch Autorität sind im Stande hier eine Einigung herbei- zuführen, da die Zahl der Gegner wie der Verfechter der Membran gleich gross und gleich gewichtig ist. Ich will das Für und Wi- der, was in Bezug auf die Existenz der Membran vorgebracht wor- den ist, nicht gegenseitig abwägen; mir selbst scheint es im Ganzen nicht schwer zu sein sich davon zu überführen, dass dieselbe nicht vorhanden sei. Und selbst wenn man darüber trotz zahlreicher 474 Dr. Rudolf Arndt: Befunde am fertigen Ganglienkörper von Säugern noch zweifelhaft sein könnte, im Hinblick auf die Entwickelungsgeschichte kann man es kaum mehr sein. Zwar haben manche Kerne doppelte Contouren ; — unter anderen sah ich sie so nicht selten in den motorischen Rückenmarkskörpern vom Schaf und Kalbe; auch macht Jolly!) auf sie aufmerksam, ja es will derselbe die beiden Gontouren sogar an herausgerissenen Kernen haben fortbestehen sehen, und Köl- liker bildet in Fig. 193 seiner (sewebelehre ?) einen derartig con- tourirten Kern ab, ohne jedoch Näheres darüber anzugeben; — allein, obgleich dadurch der Beweis für eine besondere Hülle gelie- fert zu sein scheint, so ist dies doch eben nur Schein. Der äussere Contour lässt sich als die Grenzmarke einer den Kern umgebenden hyalinen Schicht der Belegungsmasse erklären, und dann ist ein einfacher Contour auch diesen Kernen wieder zu eigen. Der Um- stand, dass der eine oder der andere Contour nicht immer ganz klar und scharf ist, sondern bald mehr bald weniger verwischt er- scheint, dass ferner an gefärbten Ganglienkörpern ich den Kerncon- tour bisher immer nur einfach gefunden habe, spricht vollständig dafür und somit gegen die Anwesenheit einer Hülle um den Kern- inhalt >). Allerdings wird dagegen von einigen Beobachtern die Kern- membran auf das Strikteste behauptet, und namentlich ist es Buch- holz‘), der angiebt, sie geradezu dargestellt zu haben. Indessen Buchholz untersuchte die Ganglienkörper von Mollusken, und das scheint mir denn doch nicht gerechtfertigt zu sein, dass man ohne Weiteres die Befunde an bestimmten Thiergruppen, namentlich wir- bellosen, sofort auf alle anderen überträgt. Wenn ein solch gewis- senhafter Beobachter, wie Buchholz, sagt, er habe die Kernmembran gesehen, so verdient das alle Beachtung, denn er hat bei den von ihm untersuchten Paludina und Planorbis gewiss allen Grund ge- habt, diesen Ausspruch zu thun; jedoch beim Menschen braucht darum noch nichts Analoges vorhanden zu sein. Und dass sie hier, wie bei allen von mir untersuchten Säugethieren, Katze, Ratte, Schaf, 1) Jolly a. o. O. p. 452. 2) 5. Auflage. 3) Vergl. hierzu die Abbildungen von Deiters, besonders Fig. 4. 7.8 — 92%. 4) Buchholz a. o. O. p. 241 - 243. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 475 Rind fehlte, ist es allein, was ich behaupte. Ebensowenig wie mir gelang es auch anderen Beobachtern sie aufzufinden. Besser!) konnte sie nicht einmal an zerplatzten oder zerbrochenen Kernen wahrnehmen, wo sie doch am allerleichtesten zu erkennen sein müsste. Die Ganglienkörper des Menschen, speciell die der Hirn- rinde, haben meines Erachtens keine Hülle und sind demnach auch keine Bläschen. Es sind solide Körper einer eiweissartigen Masse von bestimmter Form. Zweitens was ist das Kernkörperchen ? Seiner Entstehung nach jedenfalls auch kein Bläschen, noch weniger auch eine lokale Verdickung der Kernwand, wie es zuweilen in anderen Kernen sein soll. Hier kann es wohl nur für ein Tröpfchen Flüssigkeit oder ein Klümpchen einer festeren Masse gelten. — Dass es ein Tröpfchen irgend eines Fluidums sei, dagegen spricht seine ausser- ordentliche Resistenz. Es trotzt der Einwirkung aller Reagentien; es wird weder von Alkalien noch von Säuren, weder von Alkohol noch von ätherischen Oelen, nicht von Aether, nicht von Chloroform oder Benzin ausgetrieben. So lange der Kern besteht, habe ich es fortbestehen sehen, und in der grauen Substanz der vorderen Rücken- markshörner sind mir Gebilde begegnet, welche ich für freigewor- dene Kernkörperchen zu halten geneigt bin. Aus diesen Gründen aber dürfte das Kernkörperchen nur für ein Klümpchen einer festeren Masse anzusehen sein, die sowohl chemisch, wie auch physikalisch von der Kernsubstanz unterschieden ist?). In verschiedenen Gang- lienkörpern zeigt es ein verschiedenes Aussehen. In denen der Hirnrinde, der Substantia nigra pedunc. cerebri, des Pons Va- rolii, des Cerebellum ist es mir immer als eine kleine einfach schwarze, oder stark glänzende, dunkel resp. bläulich-grün gerandete Scheibe vorgekommen. Ob es so oder so sich zeigte, hing, wie bei anderen Verhältnissen, ganz allein von dem Einfall des Lichtes ab. Dagegen boten: die sehr grossen Kernkörperchen der Rückenmarks- ganglienkörper ein völlig anderes Aussehen dar. Sie erschienen niemals als einfach dunkle oder hellelänzende Flächen, sondern liessen immer noch, wie das J. Arnold?) angegeben hat, in sich 1) Besser, zur Histogenese d. nervösen Elementarth. u. s. w. Arch. f. path. Anat. ete. XXXVI. p. 305. 2) Vergl. übrigens Buchholza. o. O. 245—246. 3) J. Arnold. Arch. f. path. Anat. etc. XLI. p. 178. 476 Dr. Rudoif Arndt: Gebilde erkennen, welche von ihrer Grundsubstanz verschieden waren, und die, wie mich dünkte, ganz besonders schön nach Behandlung mit Anilinroth hervortraten. Diese Gebilde waren kleinere und grössere Pünktchen, erschienen zuweilen sogar wieder als Scheiben, welche zu zwei, drei, ja sogar zu fünf bald enger bald weiter im den Kernkör- perchen eingebettet waren. Zeigte sich das Kernkörperchen dunkel, so waren sie hell und glänzend, zeigte sich dagegen jenes gijänzend, so waren sie dunkel oder geradezu schwarz. Diesen Kernkörperchen ganz gleiche Gebilde waren es auch, die mir hin und wieder bei Rückenmarksuntersuchungen des Schafes und Kalbes, welche ich unter Anwendung des Benzin und Chloroform unternommen hatte, als frei umherschwimmende Kerne vorgekommen sind. In Präpa- raten, die mit Anilinroth gefärbt waren, präsentirten sie sich als tiefgesättigte Kreisflächen mit drei bis fünf hellglänzenden Pünkt- chen. Ob es nun aber wirklich frei gewordene Kernkörperchen waren, wie ich vermuthe, oder ob es andere Gebilde waren, muss ich dahingestellt sein lassen. Von den Kernkörperchen sollen nun Fäden und Fortsätze ab- gehen, welche die Kernsubstanz durchdringen und zum Theil we- nigstens in die Belegungsmasse eintreten. Von den Kernkörper- chen der Rückenmarksganglien ist dies schon von mehreren Seiten behauptet worden. Weiter oben habe ich einige Namen genannt, durch welche in Sonderheit diese Annahme vertreten wird. Von den Kernkörperchen der Hirnrindenkörper dagegen hat dies, soweit mir bekannt geworden, bisher nur ein einziger Beobachter mitge- theilt, nämlich Meynert''). Nach der ganzen Art und Weise wie Kern und Kernkörperchen sich entwickeln, muss ich es für eine Unmöglichkeit halten, dass solche Fäden und Fortsätze existiren, und dessenungeachtet habe ich sie sehr oft gesehen, ja an grösseren Ganglienkörpern kaum je vermisst. Es fragt sich daher, was sind diese Gebilde, und wodurch werden sie wohl in die Erscheinung gerufen? Man kann meiner Meinung nach vier Arten von sogenannten Kernkörperchenfortsätzen unterscheiden: 1) feine, aus einer fasst punktförmigen Masse zusammengesetzte, spinnwebenartige, 2) mehr stielrund erscheinende, aus einer compakteren Masse bestehende Fäden, 3) lichte Bänder mit deutlichen Contouren und 4) lichte Bänder ohne deutliche Contouren. Die feinen Fädchen, welche bald l) Meynert. Vierteljahresschrift f, Psychiatrie etc. I. p. 203. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 477 deutlicher, bald weniger deutlich sind, an den motoriscken Rücken- marksganglienkörpern zuweilen mit einer Schärfe und Klarheit zur Erscheinung kommen, dass jeder Zweifel über ihre Existenz ver- schwinden muss, scheinen aus der Belegungsmasse zu stammen, und nachdem sie den Kern oft in einem Bogen durchdrungen haben, sich, wieArnold das beschreibt, in das Kernkörperchen einzusenken. Obwohl man sich von diesen Verhältnissen schon an frischen, nur init Serum oder Zuckerwasser hergestellten Präparaten überzeugen kann, so gelingt das doch noch ungleich leichter nach vorgängiger Anwendung der bekannten dünnen Chromsäurelösung, oder des doppeltchromsauren Kali. Ganz besonders schöne Bilder, welche diese Verhältnisse zur Anschauung brachten, habe ich erhalten, wenn ich das möglichst frische Rückenmark in Jodserum zerzupfte und dann mit Chloroform oder, noch besser, mit Benzin behandelte. Ich halte diese Fäden für Fäserchen der Belegungsmasse, welche, ähnlich wie die hyalinen Cylinder von der Oberfläche des Kernes‘ ausgehen, oder, was mir noch wahrscheinlicher ist, welche an ihr zu endigen scheinen, blos weil sie in ihrem weiteren Verlaufe nicht zu ver- folgen sind, welche ferner in der belegungsmasse nach allen Richtungen, öfters in deutlichem Bogen nach ihrer Peripherie hinziehen und nur darum in den Kern einzudringen und im ihm weiter zu ziehen scheinen, weil derselbe sehr dünn und flach ist. Diese geringe Wölbung des Kernes ist auch Schuld, warum man sich so wenig Aufschluss über die beregten Verhältnisse durch Heben und Senken des Tubus oder des Öbjekttisches verschaffen kann. Dort wo er stärker gewölbt ist, wie in den Ganglienkörpern der Hirnrinde und der Substantia nigra pedune. cerebri, gelingt jenes auch viel leichter. Man sieht dann immer von den fraglichen Fäserchen einige bei jeder Veränderung der Ein- stellung auch ihre Lage wechseln, bald nach links, bald nach rechts, bald weiter auseinander, bald näher zusammenrücken, sich strecken oder biegen, verschwinden oder wiederkommen, kurz Verhältnisse eingehen, welche darauf hindeuten, dass sie nicht einen geraden Verlauf nehmen, wie es doch wohl sein müsste, wenn sie in den Kern eindrängen, um zum Kernkörperchen zu gelangen, sondern dass sie in einem’Bogen hinziehen, wie er durch die Krümmung der Kernoberfläche bedingt wird. (Fig. H. 1. 2. 3.) Wenn diese Fäserchen leichter zu sehen sind, so lange sie im Kerne zu verlaufen scheinen, schwieriger, wenn sie in die Belegungs- masse eingetreten sind, so beruht das auf einfach optischen Ge- 478 Dr. Rudolf Arndt: setzen. Ueber oder auch unter dem durchscheinenden Kerne müssen sie sich stärker markiren, als in der trüben, das Licht vielfach zer- streuenden Substanz, aus der jene gebildet wird. Wenn diese Fäden immer eine radiäre Anordnung zeigen, so dürfte der Grund davon vielleicht in dem Umstande zu suchen sein, dass wir nur die Fäden, welche vom Kernkörperchen zu kommen scheinen und radiär ver- laufen — das müssen sie übrigens immer, wenn sie von einem Punkte ausgehen — als Kernkörperchenfäden ansehen, während wir alle anderen sofort dahin verlegen, wohin sie gehören, in die Bele- gungsmasse. Die mehr stielrunden Fädchen einer scheinbar compaeteren Masse dagegen gehen wirklich unmittelbar vom Kernkörperchen aus, durchdringen den Kern in den verchiedensten Richtungen, theilen sich auch, gelangen aber nur selten bis zur Peripherie. Sie gehören recht eigentlich der Kernsubstanz an und haben keine Be- ziehungen zur Belegungsmasse. Auch sie sind immer radiär angeordnet und zeigen sich leichter bei Ganglienkörpern, welche mit Chrom- säure oder deren bekanntem Salze behandelt sind, als bei frischen, obschon sie bei ihnen nicht fehlen. Oefter bekommt man sie bei den grösseren Hirn- als bei den Rückenmarksganglienkörpern zu sehen, so dass ich vermuthe, ihre Existenz hänge nicht zum kleinsten Theile von der Mächtigkeit des Kernes ab. Je dicker der Kern, desto öfter enthält er diese Fädchen. Dieselben sind nicht unähnlich kurzen Wimmperhaaren (Fig. C. und D), d.h. sie haben eine verhältnissmässig breite Basis und enden sehr bald äusserst spitz. Mitunter scheinen sie sich zu theilen; ob aber auch Verbin- dungen zwischen ihnen vorkommen, erinnere ich mich nicht ge- sehen zu haben. Von Farbe sind sie gewöhnlich dunkel, nur selten zeigen siesich hell und glänzend. Hier und da scheinen sich zwei oder mehrere solcher Fäden zu kreuzen, so dass, wenn man nicht genau hin- sieht, sie dadurch wieder den Anschein erwecken, als gehen ihrer vier und darüber von einem Punkte aus, der über oder unter dem Kern- körperchen liegt. (Fig. I.) Noch seltener treten sie blos am Kern- rande hervor, während sie vom Kernkörperchen aus bis dahin sich der Beobachtung entziehen. Diese Gebilde halte ich für den optischen Ausdruck von Sprüngen im Kerne. Da der Kern nämlich immer eine Höhlung birgt, die, in welcher das Kernkörperchen ruht, so ist es physikalischen Gesetzen gemäss, dass bei der Gleichmässigkeit‘ seiner Masse die Sprünge stets von dieser Höhlung ausgehen und Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 479 radiär verlaufen. Dass die Sprünge nur als mehr oder weniger dicke Fädchen erscheinen, hat seinen Grund darin, dass wir gemeinig- lich sie nur von oben, von der Kernfläche aus zu sehen bekommen. Wir sehen ihre Begrenzungslinien und nicht die Flächen, welche sie darstellen. Geschieht letzteres aber doch, so bekommen wir meistens nur einen kleinen Theil derselben zu Gesicht. Da wo die Fäden sich kreuzen oder von einem Punkte auszugehen scheinen, der über oder unter dem Kernkörperchen gelegen scheint, haben wir es nur mit der Kreuzung der Grenzlinien solcher Sprungflächen zu thun, und da, wo die Fädchen erst am Rande erscheinen, liegen Sprünge des Kernrandes vor. Wie sehr das wahr ist, das lehren frei gewordene Kerne, vor- züglich wenn sie nicht horizontal, sondern aus irgend welchem Grunde schief liegen. Ungleichheiten ihrer Oberfläche, ein Stückchen noch anhaftender Belegungsmasse bewirken letzteres sehr leicht. Durch das Verschieben des Tubus oder das Heben und Senken des Objekt- tisches, was ich bei diesen Untersuchungen vorziehe, kann man nach und nach die ganze Sprungfläche zu Gesicht bekommen; immer in- dessen präsentirt der gerade zu bemerkende Theil derselben sich als ein mehr oder weniger dicker Faden, der sich allmählig ver- jüngt. Nur dann, wenn der Kern :auf der Kante steht, ist auch die Sprungfläche als solche zu erkennen. Wieder ist sie es aber auch nur in dem Falle, dass sie durch die ganze Kerndicke geht, was bei Weitem nicht immer stattfindet, und dass die Dicke des Kernes selbst eine relativ grosse ist. An (den dünnen, flachen Kernen der Rückenmarksganglienkörper erschienen mir daher immer nur Fäden, erst die dicken, prallen Kerne aus den Ganglienkörpern des Gehirns gaben mir befriedigenden Aufschluss. (Fig. K. 1. 2. 3.) Aus all den Verhältnissen ergiebt sich auch, warum die Sprünge sich gemeinhin nur durch dunkle Linien verrathen. Hell und glän- zend nämlich können sie nur dann zur Anschauung kommen, wenn sie unter einem ganz bestimmten Winkel beleuchtet werden, und unter “diesen sie zu stellen, hängt natürlich vollständig vom Zufall ab. Dass man auch bei frischen Ganglienkörpern die in Rede stehenden Fäden findet, spricht nicht dagegen, dass sie durch Sprünge vorge- täuscht werden, weil wir niemals die Ganglienkörper so frisch zu untersuchen im Stande sind, dass nicht schon Veränderungen durch Abkühlung, Luftzutritt und dgl. m. hervorgerufen sein sollten. Gehen wir jetzt über zu den lichten Bändern mit deutlichem 480 Dr. Rudolf Arndt: Contour! Gewöhnlich ist deren nur eins vorhanden. Erst durch Verschieben des Tubus, Verstellen des Objekttisches kommt noch ein zweites, doch viel schwächeres in Sicht. (Fig. G. u. H. 1. 2. 3.) Das lichte Band ist, immer nach einem Fortsatz gerichtet, und ich zweifle daher nicht, dass es identisch ist mit dem Gebilde, welches Arnold als beginnenden Axencylinder beschrieben hat. Da nach meiner Auffassung die Sache anders liegt, und ich oben mich schon theilweise darüber ausgesprochen habe, so kann ich kurz sein. Das lichte Band, welches vom Kernkörperchen auszugehen und den Kern zu durchsetzen scheint, liegt nicht innerhalb, sondern ausser- halb des Kernes und entspricht einem hyalinen Cylinder der Bele- sungsmasse, der sich in der Nähe des Kernkörperchens, vielleicht serade über oder auch unter ihm an die Kernoberfläche ansetzt. Je dünner und flacher der Kern ist, desto leichter können natür- licher Weise auch hier Täuschungen eintreten, und wieder sind es die Ganglienkörper des Rückenmarkes, welche denselben mehr Vor- schub leisten, als diejenigen des Gehirns. Was endlich die lichten Bänder ohne deutlichen Contour betrifft, so hängen dieselben zwar ganz innig mit dem Kernkörperchen zu- sammen, sind jedoch ganz allein auf Brechungserscheinungen zurück- zuführen. Sie finden sich immer nach der dem Lichte zugewandten Seite und behalten diese Lage bei, auch wenn der Objekttisch ge- dreht wird. Es ist also nach dieser Seite immer nur eins vorhanden. Dann und wann liegt ihm gegenüber noch ein zweites, welches nur bei einer gewissen Einstellung zum Vorschein kommt, aber ganz dieselbe Constanz der Lage zeigt. Das Kernkörperchen sieht dann wie geflügelt aus. Mir wenigstens ist es nicht immer leicht ge- worden zu unterscheiden, ob im betreffenden Falle lediglich Brechungs- erscheinungen oder wirkliche Objekte dem geschilderten Bilde zu (Grunde lagen, und wenn ich die Abbildungen einzelner Autoren be- sehe, so kommt es mir vor, als ob auch sie mit denselben Schwie- rigkeiten zu thun gehabt haben und auf Irrwege gerathen sind. Ich halte dafür, dass nur die Drehung des Objekttisches hierbei zu einem bestimmten Resultate führt, und dass die Entscheidung ohne dieselbe nicht so leicht ist, als man von vornherein meinen möchte. In Bezug auf die Kernkörperchenfortsätze schliesse ich mich sonach den Beobachtern an, welche sie neeiren. In Bezug auf eigentliche Kernfortsätze hatte ich dasselbe gethan. Was hat da Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 481 der Kern sammt seinem Kernkörperchen für den Ganglienkörper noch für eine Bedeutung ? Ausser der Vergrösserung nimmt man am Kerne bei physio- logischem Verhalten keine Veränderungen wahr, und die patholo- gischen Zustände, die er erfahren soll, obschon sie von manchen Seiten mit grosser Bestimmtheit hingestellt worden sind, wurden von anderen wieder so stark angegriffen, dass sie noch einer strengen Kritik bedürfen. Das Einzige, was ich als pathologische Verände- rung der Kernsubstanz bisher habe wahrnehmen können, ist die fettige Infiltration. Kleine Tröpfchen Fett in geringerer oder grösserer Zahl durchsetzen seine Masse und geben ihr ein eigenthümliches, fast granulirtes Aussehen. In meiner ersten Arbeit über die Hirn- rinde!) hatte ich schon desselben Befundes nebenher erwähnt, aber ihn anders gedeutet und für normal gehalten. Ich habe mich aber überzeugt, dass der normale, gesunde Kern niemals solche Fett- tröpfehen zeigt, sondern homogen erscheint, so wie er weiter oben beschrieben worden ist. Die Beobachtung, dass die Kerne fettig entarten können, dürfte um so richtiger sein, als auch Leides- dorf?), Stricker und Meynert?) sie gemacht haben. Doch hat der letztgenannte Autor, obwohl er die pathologischen Veränderungen der Ganglienkörper neuerdings sehr eingehend bearbeitet hat, nichts weiter von dieser Metamorphose erwähnt, was mich um so mehr Wunder nimmt, als ich sie gerade bei Paralytikern, denen auch er seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, recht häufig ge- funden habe. Dagegen führt er als andere Veränderungen die bläschenförmige Umgestaltung und die Theilung (des Kernes an, zwei Processe, denen wir zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage unsere volle Beachtung zu schenken haben. Meynert ist der Ansicht, dass der normale Kern der Gan- glienkörper der Grosshirnrinde eine pyramidenförmige Gestalt besitze, gerade so, wie der Ganglienkörper selbst, in dem er eingeschlossen ist. Der pyramidenförmigen Gestalt entspreche in der Flächenan- sicht @in Dreieck, und die dreieckige Form sei darum für die ge- 1) Dies. Arch. Bd. III. p. 447. — Ausserdem die kleine Arbeit: »Cysti- cercen in der Schädelhöhle« in d. Allgem. Zeitschrift für Psychiatrie. XXIV. 2) Leidesdorf und Stricker in med. Jahrb. 1865. Sitzung d. k. k. Gesellschaft d. Aerzte v. 24. Novbr. 1865. | 3) Meynert. Ein Fall von Sprachstörung. Medic. Jahrb. 1866. p. 158. M. Schultze. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. ol 482 Dr. Rudolf Arndt: nannten Kerne im mikroskopischen Bilde die normale. Alle anderen, namentlich die ovalen, eiliptischen, runden Formen seien durch krank- hafte Processe entstanden. Dazu kommt, dass, wie schon oben mit- getheilt wurde, Meynert Fortsätze des Kernes annimmt und zwar so viele, als die Kernpyramide Ecken habe. Die Zahl der Ecken aber richte sich wieder nach der Zahl der Fortsätze des Ganglien- körpers, aus welchen eben die Kernfortsätze stammten. Bei krank- haften Vorgängen, welche zunächst in einem hyperämischen Aftluxus begründet sein dürften, vornehmlich bei Fiebern, ') verändere sich der Kern, indem er sich bläschenförmig ausdehne: dabei entständen die oben benannten Formen, die Fortsätze gmgen durch molekularen Zerfall verloren und das Kernkörperchen erführe häufig Theilungen. Ja es komme sogar zu Theilungen des Kernes selbst! Die Thei- lung könne sich sodann noch wiederholen, so dass zuletzt zehn Theilungskerne ‚innerhalb eines Rindenkörpers gefunden würden. Doch müsse bemerkt werden, dass die blosse einmalige Theilung auch ohne vorherige Aufblähung des Kernes erfolgen könne. Letztere Thatsache, die Theilung der Kerne nämlich, zuerst von Tigges beobachtet, habe nicht blos er, sondern neuestens auch Hoffmann in Meeren-Berg zu bestätigen Gelegenheit gehabt 2). So lange der Kern sein normales Aussehen habe, also unter den gewöhnlichen Bedingungen verharre, stehe er in Bezug auf die funetionellen Zwecke des Ganglienkörpers in einem diesem unter- thanen Verhältnisse; »fest gebunden an die Fortsätze des Rinden- körpers betheiligt er sich an dem Zu- und Fortleiten der Erregungs- zustände, deren Sitz das kleine Ganze wird. Er gehört als Mitarbeiter in dem Getriebe des Centralorganes zu den sterilen Kernformen, er ist das Höchste, was er als Kern für den Rindenkörper sein kann, aber er erreicht nicht die höchste Entwicklung als Kern an sich, er wird nicht der genetische Motor, der die Kerne der Elementar- organismen ihrem Wesen nach sind. Seine Befähigung zu einer solchen Kernstufe ist aber nur latent, nicht erloschen, und unter ausserordentlichen Verhältnissen, die vielleicht alle zunächst in einem hyperämischen Affluxus begründet sind, bläht er sich zu einer selbstischen Evolution auf, seine Verbindung mit den Fortsätzen löst ein molekulärer Zerfall des Verbindungsstückes, der Kern ist 1) Vierteljahrsschrift für Psychiatrie etc. p. 216. 2) ibid. p. 385. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 483 bläschenförmig geworden, häufig unter vollzogener Theilung des Kernkörperchens. Hierbei erleidet der Rindenkörper den Ausfall eines functionellen Faktors. Der Kern, der als Arbeitsbiene inner- halb der Societät der Rindenkörper steril war, ist nun für die Ner- venleistung eine Drohne, aber er ist zeugungsfähig geworden, er verdient jetzt den Namen eines nucleus proliferans. ... Wenn nicht stürmische Processe zu Stande kommen, verharren die meisten Kerne der Rindenkörper auf dieser Stufe der Entwicklungsfähigkeit als ein meist ovaler, bläschenförmiger Kern, wenngleich neben einer grossen Zahl bläschenförmig gewordener Rindenkörperkerne immer bis zur /weitheilung vorgeschrittene vereinzelt sich finden. Diese beiden Bilder des Kernes innerhalb eines mehr oder weniger veränderten Protoplasma finden sich in den Hirnrinden der in primären Stadien psychischer Erkrankung Verstorbenen, sie finden sich auch ohne ungewöhnliche Störung als Altersveränderung«"). Hiergegen lässt sich manches einwenden. Erstens was die drei- eckige Form der Kerne betrifft, so kann ich nicht läugnen, dass sie vorkommt, ja dass sie sogar häufig vorkommt. Ich habe sie früher schon gesehen und auch abgebildet, habe sie indessen für den Aus- druck von besonderen Lagerungsverhältnissen oder von Verbiegungen, Eindrücken, Schrumpfungen gehalten, welche der ursprünglich linsen- förmige Kern bei der Präparation erfahren hatte. Denn die Linsen- form hielt ich für die typische. Ich habe Letzteres auch gethan, bis ich die Meynert’sche Arbeit in die Hände bekam. Danach fühlte ich mich aufgefordert über die Kerne besondere Unter- suchungen anzustellen und kam dabei zu Resultaten, welche mich zwangen, meine Ansicht zu modifieiren. Ich hielt mich bei diesen Untersuchungen natürlich nicht einseitig an die Grosshirnrinde des Menschen, sondern zog Ganglienkörper aus allen Öentraltheilen und aus verschiedenen Thiergehirnen zur Vergleichung heran. Meine Schlüsse aber zog ich nur aus solchen Beobachtungen, welche ich an gut, isolirten und möglichst intakten Körpern machen konnte. Die Ansicht, welche ich gegenwärtig darüber hege, ist folgende: Die Linsenform des Kernes centraler Ganglienkörper ist die ursprüngliche. Denn wenn man ihre Entwicklung aus den linsen- förmigen Kernen, welche sich in vielen Gehirntheilen des Neuge- borenen ganz allein finden, verfolgt, so kann darüber kein Zweifel 1) ibid. p. 215—216. 484 Dr. Rudolf Arndt: bestehen. Die Linsenform des Kernes ist für die meisten centralen Ganglienkörper, somit auch für die der Hirnrinde auch noch im späteren Lebensalter die normale; denn bei verschiedenen Lage- rungen der Ganglienkörper gelingt es sich davon zu überzeugen, dass der auf einer Fläche ruhende runde Kern elliptisch, ja beinahe spindelförmig erscheint, wenn er auf der Kante steht. (Fig. i. e. C. D. und d. Arch. Bd. IH. Taf. XXIH. Fig. 5. 6.) Nur die grösseren, oder vielleicht durch besondere Verhältnisse, z. B. durch den Ein- Huss der Präparationsflüssigkeiten, vielleicht auch das Alter oder durch Krankheit veränderten Ganglienkörper haben einen Kern von abweichender Gestalt. Dieselbe entspricht dann aber bis auf kleine Abweichungen stets der Form des Ganglienkörpers, so dass sie birnenförmig erscheint, wo diese birnenförmig ist, dass sie eiförmig ist, wo diese eiförmig ist, dass sie dreieckig sich zeigt, wo diese ein Dreieck bildet. (Fig. F. G.H.1.u.W. 1.2.3.4.) In den grossen pyramidenförmigen Ganglienkörpern der Hirnrinde treffen wir daher, wenn keine rundliche Kernform vorliegt, immer eine dreieckige an, als Ausdruck der Pyramidenform, welche auch der Kern angenommen hat. (Vergl. d. Arch. Bd. III. Taf. XXID. Fig. 5a. e. f. g.) Zu- weilen scheinen auch kleinere Ganglienkörper der Hirnrinde einen dreieckigen Kern zu haben. Dass dieses sein kann, dazu ist die Möglichkeit vollständig gegeben; allein in den meisten Fällen wird man sehr bald dahinter kommen, dass eine Täuschung. vorliege, Kanten des Ganglienkörpers, welche von einem Fortsatz zum anderen laufen und zufällig über den Kernrand hinlaufen, stellen sich ge- meiniglich als die Ursache dieser Erscheinung heraus. Durch Ver- schiebung des Tubus, veränderte Stellung des Objekttisches, schiefe Beleuchtung wird man sich überzeugen, dass der Kern rund ist, und dass nur durch Theile der Belegungsmasse er eine scheinbare Veränderung erlitten hat. Vielleicht bedingen dieselben Theile der Belegungsmasse auch die Kernfortsätze, von denen Meynert spricht, und für deren Existenz ich keinen Grund sonst zu finden vermag. Denn durch die Fortsätze des hyalinen Kernringes können sie nicht wohl zur Erscheinung gebracht werden, da sie im unversehrten Ganglienkörper nur selten und schwach zu sehen sind, Meynert seine Kernfortsätze indessen überall gefunden haben will. Doch ab- gesehen von den dreieckigen Kernformen, welche ihr Dasein einer Täuschung zu verdanken haben, so sehen wir, dass Betreffs der wirklich vorhandenen mit Meynert ich mich in direktem Wider- Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 485 spruche befinde. Meynert hält sie für die ursprüngliche Form und ich für eine sekundäre, während er den linsenförmigen, oder wie er ihn nennt, den bläschenförmigen Kern für ein Krankheits- produkt, also eine sekundäre Form ansieht, ınd ich für die ursprüng- liche und durchaus normale halte. Es fragt sich darum, wie ist der Widerspruch zu lösen? Antwort: Gar nicht! denn auf einer Seite liegt ein Irrthum vor. Damit man die normale, gesunde Kernform zu sehen bekomme, verlangt Meynert, dass man zur Untersuchung nur die Hirnrinde eines im Blüthenalter (am sichersten unter 30 Jahren) stehenden Menschen benutze, welcher an keiner Psychose oder an Alkoholismus und an keiner chronischen Ernährungs- störung, wie etwa Tuberkulose, gelitten hat, auch kei- nen mit cerebralen Symptomen verbundenen Fiebern, hauptsächlich nicht dem Typhus erlegen war.!) — Nun aber gestorben muss doch zum wenigsten der Mensch sein, wenn man sein Gehirn untersuchen soll, und woran darf er gestorben sein, damit man es noch normal zu finden hoffen darf? An keiner akuten Krankheit; denn die ist mit Fieber verbunden, und Fieber machen cerebrale Symptome. An keiner chronischen Krankheit; denn die führt zu einer allgemeinen Ernährungsstörung und unter dieser leidet natürlich das Gehirn mit. Auch darf der Mensch nicht über 30 Jahre alt sein, auch soıl er niemals congestive Zustände gehabt haben — Meynert ist entschieden zu weit gegangen. Er schliesst 99,9 °/, aller zur Untersuchung kommenden Gehirne als anomale aus und gestattet nur von 0,1°/,, dessen Normalität auch erst festgestellt werden muss, — aber nach welchem Prinzipe? — die etwaigen Schlüsse zu ziehen. Kein Wunder, wenn nach ihm alle Autoren bis jetzt nur krankhafte Zustände gesehen und als normale be- schrieben haben; denn sie haben ja nur krankhafte Objekte unter- sucht. Kein Wunder, wenn von jetzt ab sich alle abnormen psy- chischen Processe, gleichviel ob sie anhaltend oder vorübergehend sind, Aurch die pathologische Anatomie der Ganglienkörper erklären lassen! — Doch nicht gar zu eilig! So weit sind wir noch nicht. Es spielen bei den cerebralen Vorgängen noch ganz andere Factoren mit, und die Ganglienkörper sind sicherlich weit indolenter, als man bis jetzt im Allgemeinen anzunehmen gewillt ist. 1) Vierteljahrschrift f. Psychiatr. p. 198. 486 Dr. Rudolf Arndt: Die Meynert’schen Anschauungen über die Grundform der Kerne der Hirnrindenganglien muss ich aus obigen Gründen als eine nicht zutreffende zurückweisen. Sie basirt auf Voraussetzungen, welche unerfüllbare Postulate sind, da sie mit den Vorgängen während des Lebens im Wiederspruche stehen. Es fragt sich darum nun, wie entsteht die Pyramidenform des Kernes aus der Linse oder dem Ellipsoid, das er anfänglich bildete ? Wir hatten gesehen, dass bei der Entwicklung des Ganglienkörpers der Kern unter anderem auch grösser wurde. Mit der weiteren Zunahme des Ganglienkörpers nimmt auch er zu, und in recht grossen Ganglien- körpern hat er schliesslich eine recht ansehnliche Grösse erlangt, so dass, obgleich von manchen Seiten, z.B. Lieberkühn') bestritten, dennoch im Allgemeinen der Satz Geltung hat, dass je grösser der Gang- lienkörper, um so grösser auch der Kern 2). Mit seiner Vergrösserung wurde der Ganglienkörper indessen auch fester, starrer, weniger nachgiebig. Die grossen Ganglienkörper der Hirnrinde, der Substan- tia nigra, des Cerebellum zeigen ja eine entschieden grössere Resi- stenz als die kleinen, zarten derselben Gehirntheile auch noch im späteren Leben. In Folge davon setzte der Ganglienkörper dem Kern bei dessen Zunahme einen Widerstand entgegen. Der Kern konnte sich nur ausdehnen nach den Dimensionen, welche ihm von Seiten des ihn umgebenden Gewebes gestattet waren, und diese hingen wieder ab von der Form, welche dem Ganglienkörper selbst zu eigen war. Der Kern musste pyramidenförmig werden in den Pyramiden der Hirnrinde, er musste eckig und verbogen werden in den unregelmässigen Körpern der Substantia nigra peduncul. cerebr. (Fig. E. F. G. H.), er musste keulenförmig, birnenförmig, längs- oder quergestellt werden in den Purkynjeschen Ganglienkörpern des Schafes, die ich unter Figur Q. 1. 2. 3. 4. abgebildet habe, weil. die Anordnung der Belegungsmasse ihn dazu zwang. Zu ähnlichen Anschauungen ist auch Buchholz?) gekommen. Nur glaubt er, dass die Constriktion des Kernes durch den Ganglien- körper erst nach Einwirkung der erhärtenden Chromsäure erfolgt sei, obwohl er andererseits sich überzeugt hat, dass auch bei frischen Ganglienkörpern Formabweichungen des Kernes vorkommen, welche 1) Lieberkühn. De structura ganglior. penitior. Berol. 1849. 2) Vergl. Buchholz a. o. O. p. 239 — 240. 3) Buchholz .a.o. ©. p. 241. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 487 allen durch Einschnürung von ausserhalb bedingt sind. Dass der Einwirkung der erhärtenden Medien jeder Einfluss für das Zustande- kommen solcher unregelmässiger Kernformen abgesprochen werden soll, kann mir nicht beifallen. Ich habe im Gegentheil anderen Orts schon darauf hingedeutet, habe zugleich auch solche Prozesse ins Auge gefasst, welche auf anderem Wege zu einer Erhärtung des Ganglienkörpers führen, was manche Krankheitsvorgänge offen- bar zu thun scheinen; allein dagegen muss ich Verwahrung einlegen, dass nur durch die Einwirkung bestimmter Chemikalien die Con- striktion des Kernes zu einer bestimmten Form erfolge. Ich habe (diese anweichenden Kernformen in verschiedenen Gehirntheilen ge- funden, die nur in Jodserum zerzupft waren, aber ich habe sie, wie auch Buchholz, nur in grossen Körpern gefunden, in solchen also, die eine Constriktion auszuüben vermochten. In kleinen sah ich ebenso, wie jener Forscher, sie immer nur rund oder durch Aceidentien scheinbar dreieckig. In der Hirnrinde kann man sich von der Richtigkeit dieser Beobachtung allenthalben überzeugen. Die kleinen Ganglienkörper der oberen Schichten haben runde, d. 1. linsenförmige Kerne, die allerdings auch einmal schmal elliptisch oder spindelförmig erscheinen können. (Fig. g.i.e. ec. C. D. und Bd. UI Taf. XXI. Fig. 5. b.) Die grossen Körper der mittleren Schicht hingegen haben meistentheils, doch nicht immer, dreieckige Kerne, welche einer Pyramidenform derselben ent- sprechen. Fortsätze sind dem Kern jedoch niemals ausgepresst, und können dieselben deshalb auch nie molekulär zerfallen. Ob indessen durch den Druck, welchen die innersten Theile der Bele- gungsmasse erfahren, einmal von aussen her durch den Wider- stand der äusseren Theile der Belegungsmasse selbst, das andere Mal von innen her durch den sich vergrössernden Kern, dieselben wohl zu dem homogen Gefüge zusammengedrückt worden sind, das als der oft genannte hyaline Ring den Kern umgiebt ? — Was nun weiter die Theilung des Kernkörperchens anlangt, so wird bekanntlich gegen dieselbe von vielen Seiten Einspruch er- hoben. Ich muss bekennen, dass in den Ganglienkörpern von Para- Iytikern ich ab und zu Beobachtungen gemacht habe, welche dafür zu sprechen schienen. Allein ebenso gut — und es ist mir das eigent- lich viel wahrscheinlicher, wenngleich auch ein Irrthum dabei unter- laufen mag — konnten diese Bilder blos durch die Nähe gösserer Fetttröpfchen .des infiltrirten Kernes hervorgebracht worden sein. 488 Dr. Rudolf Arndt: Denn eine unzweideutige 'Theilung des Kernkörperchens habe ich nie zu Gesicht bekommen. Kerne mit zwei vollständig getrennten Kernkörperchen sind mir indessen öfters begegnet. (Fig. E. F.) Doch sprechen diese selbstverständlich noch für keinen stattgehabten Theilungsprocess. Das Nämliche gilt endlich drittens auch von der Theilung der Kerne selbst. Wohl habe ich Ganglienkörper zu sehen bekommen, in denen zwei Kerne bald dicht aneinander, bald etwas weiter aus- einander lagen. Ich sah sie so einmal in einem Purkynjeschen Ganglienkörper des kleinen Gehirns, in einem Ganglienkörper des Rückenmarks, erst kürzlich einmal in einem solchen der Substantia nigra pedunecunl. cerebr. des Neugeborenen. (Fig. B.) Auch andern Forschern sind sie vorgekommen. Jacubowitsch!) will sie sogar häufig gefunden haben und zwar in fast allen Gehirntheilen: in der Rinde des grossen und kleinen Gehirns, in den corporibus stri- atis, in den Vierhügeln, den Wänden des Aquaductus Sylvii, an der Gehirnbasis. Ebenso herichten von ihrem Vorkommen auch Beale, Mauthner:) und Kölliker:). Doch ist letzterer, wie mir scheint, nur geneigt, sie für jugendliche Individuen in Anspruch zu nehmen, da er von einschlägigen Beobachtungen bei Erwachsenen nichts sagt. Hat man indessen ein Recht aus solchen Verhält- nissen auf einen Theilungsprocess zu schliessen, der vorher stattge- funden habe ? Gewiss eben so wenig als bei den Kernkörperchen, und so viel ich weiss, hat von den genannten Autoren mit einiger Be- stimmtheit dies auch nur Jacubowitsch gethan. Immer aber hat auch er seinen Ausspruch mehr als Hypothese, denn als unum-. stössliche Wahrheit hingestellt. Mit aller Bestimmtheit spricht erst Tigges*) von einer Kerntheilung und dadurch verursachter Kern- vermehrung. In Gehirnen von Paralytikern, welche er einige Tage mit verdünntem Alkohol (Alkohol 1, Wasser 3—5) behandelt hatte, fand er Haufen von Kernen, welche durch eine schmale, dunkelcon- tourirte Masse zusammengehalten wurden. Die Masse selbst hatte 1) Jacubowitsch. Recherches comparatives sur le systeme nerveux. Compt. rend. Aoüt 1858. 2) Mauthner. Beiträge zur näheren Kenntniss d. morpholog. Element. d. Nervensystems. Sitzungsber. d. Wien. Akadem. 1860. 3) Kölliker. Gewebelehre 5. Auflag. pag. 255. 4) Tigges. Patholog. anatomisch. u. psycholog. Untersuch. zur Dement. paralyt. progr. Allgem. Zeitsch. für Psychiatr. XX. 1863. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 489 ein fein- oder grobkörniges, öfters gestreiftes Aussehen und schien einer Ganglienzelle zu entsprechen. Späterhin will Tigges auch in der Hirnrinde von Menschen, die an tuberkuloser, eitriger Menin- sitis, an Carcinom des Gehirnes zu Grunde gegangen waren, sogar ganz unzweifelhafte Ganglienkörper mit Kernen in unbestimmter Zahl erfüllt gesehen haben, und er schloss daraus, dass die Gang- lienkörper selbst einer aktiven Ernährungsstörung mit Kernwucherung unterliegen Könnten. Schon ihm Jahre 1866 berichtete Meynert') von ähnlichen Befunden, und neuestens hält er sie nicht blos nach seinen eigenen weiteren Untersuchungen für vollständig gesichert, sondern er hebt, wie schon erwähnt, als einen Beweis für ihre Richtigkeit auch die Beobachtungen Hoffmann’s?) in Meeren-Berg hervor. Wie die Verhältnisse liegen, mag ich für jezt nicht entscheiden. Bekanntlich aber haben die Tigges’schen Auffassungen viele Gegner gefunden und in der jüngsten Zeit noch von Westphal ?) eme nicht gerade aner- kennende Kritik erfahren. Mir selbst sind in guten Zerzupfungs- präparaten von Individuen, die an progressiver Paralyse, an Cysti- cercen in den Meningen, im epileptischem Anfall, an eitriger Menin- gitis verstorben waren, nie Bilder vorgekommen, welche auch nur einige Aehnlichkeit mit den von Tigges und Meynert gezeich- neten hatten. Und was schliesslich die sehr schönen Abbildungen Hoffmanns betrifft, so liefert seine Fig. 1, welche die Kernthei- lung beweisen soll, noch keineswegs den gewünschten Beweis, son- dern spricht nur dasür, dass es Ganglienkörper mit zwei Kernen giebt. Der Kerntheilung oder gar der Kernvermehrung kann ich somit durchaus nicht das Wort reden. Sollte sie dennoch vorkom- men, so würde sie immer nur als ein sehr seltener Process anzu- sehen sein, der gelegentlich unter ganz besonderen, erst noch zu erforschenden Bedingungen sich abspielte. Da nun aber Ganglienkörper mit doppelten Kernen wiederholt zur Beobachtung gekommen sind, wie soll man nach all dem diese Thatsathe erklären? — Das Gehirn der Erwachsenen wird schwerlich 1) Meynert. Ein Fall v. Sprachstörung. Med. Jahrb. 1866. 2) Hoffmann. Eenige patholog. anatom. Waarnemingen etc. Neder- landsch Tijdschvift voor Geneeskunde. 1868. 3) Westphal. Allgem. progressiv. Paralyse d. Irren. Arch. f Psy- chiatr. 1. p. 70. 490 Dr. Rudolf Arndt: je eine befriedigende Antwort darauf geben, weder wenn es normal, noch wenn es pathologisch verändert ist. Wohl aber gestattet das Gehirn der Neugeborenen einige Einblicke in diese Verhältnisse und trägt daher zur Lösung der betreffenden Frage wesentlich bei. Wenn man nämlich einen dünnen mit Carmin gefärbten Schnitt aus der mittleren Parthie der Hirnrinde eines Neugeborenen in Glycerin einer Vergrösserung von c. 500 mal unterwirft (Fig. 2), so findet man in dem leicht streifigen Gewebe, das von zahllosen (refässen kreuz und quer durchzogen wird, einige schon ziemlich deutlich hervortretende Ganglienkörper und zahlreiche, anscheinend freie Kerne. Die letzteren sind die oben beschriebenen Kerne der körnig-faserigen Substanz, die Vorstufen künftiger Ganglienkörper. Bald liegen sie dichter, bald weiter auseinander. Wenn man in- dessen genau zusieht, liegen sie doch alle mehr oder weniger isolirt, indem ein lichter Saum sie von dem Gewebe trennt, das sie um- giebt und zwischen sie sich einschiebt. Diese lichten Säume verbreitern sich sehr häufig und offenbaren sich dann als Lücken im Gewebe, als jene ausgesparten Räume, deren ebenfalls schon weiter oben Erwähnung gethan worden ist. In jedem derartigen Raume liegt für gewöhnlich ein Kern resp. ein Ganglienkörper, wenn er nicht gerade herausgefallen ist; allen hin und wieder, doch nicht ge- rade häufig, findet man Räume, in welchen zwei Kerne lie- gen. In den ausgesparten Räumen, welche in der Markmasse liegen, kann man ‘dies Verhalten sehr häufig sehen (Fig. 3), es hat daselbst aber eine ganz andere Bedeutung, und ich weise für jetzt nur darauf hin, um einem etwaigen Einwurfe durch dasselbe von R vornherein zu begegnen. — Wir haben jedoch gesehen, dass die Ganglienkörper durch Aneinanderlagerung oder Verflechtung von Theilen des Reisernetzes sich entwickeln. In Zerzupfungspräparaten kann man gelegentlich wahrnehmen, dass dabei die Fasern zweier Kerne sich unter einander verflechten, wie dies z. B. m den Fällen stattfand, nach welchen Fig. b. o. p. gezeichnet worden sind. Es ist nun möglich, dass späterhin wieder eine Trennung der anscheinenden Verbindung erfolgt, es ist aber auch ebenso wahrscheinlich, dass auf diese Weise Ganglienkörper mit zwei Kernen sich heranbilden. Die Lagerung zweier Kerne in ein und demselben Raume spricht meines Erachtens ausserordentlich dafür, und wir hätten demnach in dem Ganglienkörper mit doppeltem Kerne nicht eine Neubildung vor uns, nicht einen Theilungsprocess, sondern eine bedeutungslose Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 491 Modification des längst abgelaufenen. ganz allgemein eültigen Bil- dungsvorganges. Statt um einen Heerd ging in solchem Falle die Bil- dung um zwei vor sich, die durch ihre Lagerung indessen dicht zusam- mengefügt und gewissermassen wieder zu einem verschmolzen waren. (Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den doppelten Kernkör- perchen in einem Kern. Auch hierbei hat kein Theilungsprocess statt- sefunden, wie ich schon angedeutet habe, sondern sie sind das Resultat eines anomalen Bildungsvorganges, welcher dadurch charak- terisirt ist, dass aus den mehrfachen Kernkörperchen des ursprüng- lichen Kernes nicht ein einziges hervorging, sondern zwei sich entwickelten. Man findet Kerne mit zwei Kernkörperchen in Gang- lienkörpern, die ganz normal aussehen und offenbar noch jüngeren Datums sind. (Fig. A. E. F.) Die Kerne der Ganglienkörper zeigen sonach keine aktiven Veränderungen. Alle Metamorphosen, welche sie erleiden, scheinen nur passiver Art zu sein. Selbst die Vergrösserung, die sie bei der Bildung des Ganglienkörpers erfahren, lässt sich auf rein physika- lische Vorgänge, auf die einfache Quellung zurückführen. Doch sei es ferne von mir, dies in vollem Sinne des Wortes zu behaupten. Für die specifische Thätigkeit des Ganglienkörpers ist der Kern deshalb auch wohl nicht von Gewicht, ja er hat mit ihr direkt wahrscheinlich gar nichts zu schaffen. Dennoch ist er kein unthä- tiger Körper, noch weniger ein den sterilen Kernformen anzureihen- des Element, das seine höchste Entwicklung, die Produktionsfähigkeit erst in besonderen pathologischen Zuständen erhält. Diese liegt vielmehr hinter ihm. Er hat sie zuletzt bethätigt, als er Mittel- punkt der Bildung des Ganglienkörpers war und hat sie eingebüsst mit dem Augenblicke, wo dieser vollendet und zu der ihm vindieirten selbstständigen Thätigkeit geschickt geworden war. Darum aber schon, ganz abgesehen von allen früher besprochenen Verhältnissen, kann er auch nıcht als blosse Anschwellung der Markscheide des Axencylinders um das Kernkörperchen herum angesehen werden, wie das J. Arnold zu thun geneigt ist, sondern er ist, wie das alle an- dern Autoren behaupten, ein in sich abgeschlossener Körper, der bestimmte andere Funktionen auszuüben hat. Wenn man in- dessen fragen sollte, welche das wären, so lassen sich da nur Ver- muthungen aussprechen. Vielleicht ist-er der Vermittler der Er- nährung des Ganglienkörpers. Die grosse Quellungsfähigkeit, welche den Kernen der Ganglienkörper eigen ist, macht sie geschickt rasch, 4923 Dr. Rudolf Arndt: so wie alle anderen Flüssigkeiten, so auch die Ernährungsflüssigkeit aufzunehmen und nach dem Gesetze der Endosmose und Exosmose einen regen Wechsel in der Durchtränkung der Belegungsmasse zu unterhalten, die viel weniger zur Aufnahme von Flüssigkeiten geeignet zu sein scheint. Nach diesen Betrachtungen über den Ganglienkörper mit seinem Inhalt wenden wir uns zu denen über seine Fortsätze. Dieselben entstehen gerade so wie er aus dem Reisernetze, indem die Fäser- chen desselben sich zu kompakteren Massen zusammenordnen. Vor- trefflich kann man am Neugeborenen diesen Process verfolgen, wenn man die Ganglienkörper der Grosshirnrinde, Kleinhirnrinde und der Substantia nigra peduncul. cerebr. mit einander vergleicht. In der Grosshirnrinde zeige sich eigentlich blos die ersten An- fänge der Fortsätze. In Zerzupfungspräparaten kann man deshalb, wie wir schon gesehen haben, über die Bedeutung der Massen, welche dem erst entstehenden Körper anhangen, vollständig im Zwei- fe] sein; in Durchschnitten durch gehärtete Präparate lassen sich jedoch diese Anhängsel schon besser deuten. Wenn man einen solchen Schnitt bei einer Vergrösserung von c. 500mal besichtigt (Fig. 2), so findet man an einzelnen Ganglienkörpern sogar schon einen verhältnissmässig langen Spitzenfortsatz. Hin und wieder hat dieser letztere selbst ein ziemlich derbes, homogenes Gefüge ange- nommen; in den meisten Fällen erscheint er indessen noch unregel- mässig körnig-streifig. Auch Basalfortsätze kommen hie und da zum Vorschein; doch lassen sie sich nur auf ganz kurze Strecken ver- folgen. Dagegen sind an den Spitzenfortsätzen bisweilen deutliche Umbiegungen zu erkennen. Täuschungen wird man in dieser Be- ziehung entgehen, wenn man blos solche Objekte ins Auge fasst, die am Rande des Präparates liegen und den Fortsatz in seinem Verlaufe überblicken lassen. Allerdings kommen dieselben nur selten vor, nicht so dicht beisammen, wie ich sie in Fig. 2 gezeichnet habe, allein zwei Mal sind sie mir doch in der Art begegnet, wie ich sie dargestellt habe, und ich glaubte deshalb um so mehr Berechtigung zu haben, gegen Meynert’s Auffassung von dem Zusammenhange der Ganglienkörper unter einander und mit den Nervenfasern ein- zutreten. (Fig. a—p.) Vie] deutlicher, als an den Ganglienkörpern der Grosshirnrinde kann man an denen des kleinen Gehirns die Bildung ihrer Fortsätze beobachten. Es sind ja’ dieselben um so viel grösser, ihre Fortsätze Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 495 sind derber und dieker. Obgleich aber die letzteren manchmal schon mehrfache Theilungen erkennen lassen. bestehen sie doch fast ganz noch aus unveränderten Partikeln des Reisernetzes. Dieselben liegen nur ein wenig dichter und regelmässiger an einander, als das sonst der Fall ist, zeigen indessen im Allgemeinen noch keine weiteren Veränderungen und verlieren sich ganz allmählig, ohne irgend eine Marke erkennen zu lassen, in die sie umgebenden Massen. Nur der Axeneylinderfortsatz,. welcher jedoch selten zu sehen ist, scheint schon etwas fester und homogener zu sein, wenigstens markirt er sich mehr, als die verzweigten Fortsätze (@e —n). Am besten jedoch lassen die Ganglienkörper der Subst. nigra peduneul. cerebr. die Entstehung der Fortsätze erkennen, weil man im Stande ist an ihnen alle Stadien der Bildung derselben genau zu verfolgen. Der Vorgang dabei ist ganz derselbe, wie bei denen der Hirnrinde. Allein eme Anzahl von Ganglienkörpern ist hier schon ganz vollendet, ihre Fortsätze sind lang und weithin zu ver- folgen, lassen auch schon deutliche Unterschiede m ihrem Gefüge erkennen, — einige_sind offenbar fester, starrer, mehr lichtbrechend, als andere — selbst aber bei ganz langen Fortsätzen gelingt es noch an ihren feinsten Vertheilungen, ihre Auflösung in das Reiser- netz zu erkennen (Fig. E. M.), so dass alle Mittelstufen von den allerersten Anfängen bis zum vollendeten, mehrfach dichotom ge- theilten Fortsatze vor Augen zu liegen kommen. Das Wesentliche bei der Entstehungsweise der Fortsätze ist, dass dieselben, in ihrer Vollendung so verschiedenartig, dennoch em und denselben Ursprung haben, dass Axencylinderfortsatz und soge- nannte Protoplasınafortsätze, gleichviel ob sie dünn und zart, oder derb und fest, ob sie gestreift oder ungestreift sind, aus den näm- lichen Eleinenten und auf dem nämlichen Wege hervorgegangen sind, und dass alle Unterschiede derselben wahrscheinlich nur auf der elementaren Anordnung ihrer Gewebstheilchen beruhen. In den mehr homogenen Fortsätzen liegen die ursprünglichen Fäserchen dichter und parallel an einander, in den dunkleren Streifen der Fortsätze der Ganglienkörper des Cerebellum, Bulbus olfactorius, der vorderen Rückenmarkshörner, sind sie mehr durcheinander geflochten. Ich habe mich beim Betrachten dieser Streifen, seit ich auf ihre Ent- stehung aufmerksam geworden bin, nie des Gedankens entschlagen können, dass sie sich ähnlich lang ausgesponnenen Wollfäden ver- hielten, die auch nur aus verhältnissmässig kurzen Faseın zusammen- 494 Dr. Rudolf Arndt: seflochten sind und doch ein einheitliches Ganze darstellen. Dass diese Streifen wirklich Faserbildungen entsprechen und nicht auf blosser Gerinnung oder auf einer veränderten Anordnung der Fle- mentartheile im Sinne Remak’s und Beale’s beruhen, davon kann man sich überzeugen, wenn man eestreifte Fortsätze mit Chloroform oder, was mir noch vortheilhafter schien, mit Benzin behandelt. /erzupft man nämlich etwas graue Substanz der vorderen Rückenmarkshörner oder des Cerebellum in Serum, sucht dann unter dem Mikroskop einen Ganglienkörper mit noch leidlich erhaltenen Fortsätzen, oder auch blos abgerissene Fortsätze auf, und setzt dann Uhloroform oder Benzin zu, — Aether wirkt wegen zu rascher Ver- dunstung weniger gut — so wird sehr rasch das Bild klarer, die Zeichnung des Ganglienkörpers und seiner Fortsätze tritt schärfer hervor, nach einiger Zeit aber fangen die letzteren an ihren Bruch- enden an sich in so viel Fibrillen aufzulösen, als sie Streifen zeigten. Die Fibrillen erscheinen unter dem Mikroskop bisweilen mehrere Linien lang und flottiren bei jedem Druck, den man auf das Deck- gläschen ausübt, in der Zusatzflüssigkeit lebhaft umher. Am vor- theilhaftesten für die Beobachtung dieses Phänomens habe ich die Ganglienkörper des Kalbes gefunden, und die des Rückenmarkes mehr als die des Gerebellum. Man darf sich indessen in keinem Falle die Mühe verdriessen lassen eine Viertelstunde lang und dar- über, Benzin auf Benzin auf den Objektträger zu bringen und durch wechselnden Druck auf das Deckgläschen die Flüssigkeit unter ihm in Strömung zu erhalten. Offenbar löst das Chloroform resp. Ben- zin die zarteren, mehr homogenen Theile der Fortsätze auf und macht die derberen Fibrillen frei. Doch widerstehen diese der Ein- wirkung der Flüssigkeiten nicht. Nach längerer oder kürzerer Zeit verschwinden auch sie, indem sie sich an ihren Enden immer mehr klären, endlich vollständig durchsichtig werden und damit der Beobachtung entschwinden. Wie das Verhältniss der Fibrillen zu der interfibrillären Masse ist, diese Frage muss ebenso wie oben, als von den Faserzügen der Ganglienkörper die Rede war, beant- wortet werden. Sie ist vielleicht, wie ich das angenommen habe, blos der Ausdruck einer regelmässigeren Anordnung der Elementar- theile, vielleicht aber auch schon eine Umwandlung derselben. Für die erstere Annahme spricht der Umstand, dass 1. alle Ganglien- körper und Fortsätze, welche ein mehr homogenes Aussehen haben, und die ich darum noch nicht gerade als substantiell verschieden Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 495 ansehen möchte, sich in den genannten Flüssigkeiten rascher auf- lösen, als diejenigen, welche eine reiche Zeichnung von Faserzügen an den Tag legen, dass 2. die Ganglienkörper des Gerebellum, welche ich durch eine sehr complieirte Verflechtung von Faserzügen entstanden erachte, erst nach sehr langer Zeit angegriffen werden. Es scheint danach also blos von der Art, wie die Verflechtung der ursprünglichen Fäserchen stattgefunden hat, deren leichtere oder weniger leichte Zerstörbarkeit abzuhängen. Die Ganglienkörper lösen sich also auch in den erwähnten Flüssigkeiten auf? Wenigstens habe ich es an denen des Rücken- markes vom Kalbe, nachdem sie nur mit Serum behandelt worden waren, mehrere Male gesehen. Und was das Interessanteste dabei war, der Axencylinderfortsatz zeigte sich entstanden durch das Zu- sammenfliessen von mehreren Faserzügen des Ganglienkörpers. Kein Zusammenhang mit dem Kern! Nicht einmal ein solcher mit dem hyalinen Kernringe! — Der Vorgang ist folgender: Der Ganglien- körper wird heller, dann quillt er deutlich auf, platzt hier und da und zerfällt in Kügelchen und Fäden, von denen einige mit dem Axencylinder in innigem Zusammenhange bleiben. Der Axencylinder- fortsatz erhält hierdurch an seinem Ursprunge die trichterförmige Erweiterung, welche von den verschiedenen Autoren ihm beigelegt worden ist. Unmittelbar nach seinem Abtreten vom Ganglienkörper ist er anscheinend stielrund, dunkel aber einfach contourirt, nachher wird er platt und erhält doppelte Gontouren. Durch Benzin und Chloroform nimmt er eine blass lila, vielleicht auch etwas grünliche " Färbung an, durch Aetber wird er weiss. Dort, wo er doppelt contourirt erscheint, tritt nach anhaltendem Zusatz der genannten Flüssigkeiten ziemlich bald ein Zerfall em. Am resistentesten er- weist er sich in der Nähe des Ganglienkörpers, wo er noch stiel- rund. und einfach contourirt ist. ” Es kann wohl kaum ein Zweifel darüber herrschen, dass der Axencylinderfortsatz, wo er doppelt contourirt sich zeigt, schon Axencylinder einer markhaltigen Faser geworden ist, und möchte ich deshalb auf die angegebene Behandlungsweise diejenigen auf- merksam machen, welche noch immer den Zusammenhang zwischen Axencylinderfortsatz und Nervenfaser für unerwiesen halten. Der Ursprung des Axencylinderfortsatzes aus Faserzügen eines Ganglienkörpers einerseits, die Entstehung des Axencylinders der Nervenfasern, die, wie wir noch sehen werden, ebenfalls aus dem 496 Dr. Rudolf Arndt: Reisernetze erfolgt, andererseits, endlich der Zerfall des Axeney- linders am peripherischen Ende in zahlreiche feine Fasern, wie dies von Max Schultze!) und G. Walter?) an den Ausbreitungen des Riechnerven wahrgenommen worden, geben ihm in der That die Bedeutung, welche für ihn in Anspruch genommen ist, näm- lich ein Bündel dicht aneinander gedrängter Fasern zu sein, die einen verschiedenen Ursprung und eine ver- schiedene Endigung haben. Der Axencylinderfortsatz eines (Ganglienkörpers unterschiede sich danach von den übrigen Fortsätzen derselben nur dadurch, dass die Fasern in ihm nicht wie bei jenen mehr oder weniger isolirt liegen, sondern zu einem derben, festen Strange zusammengedreht oder zusammengepresst sind, was dann allerdings auch sein starres, festes, homogenes, stark lichtbrechendes Aussehen erklären würde. Bevor aus den angeführten Ergebnissen ich Schlüsse zu ziehen mir erlaube, sei vorerst noch der Entstehung der centralen Nerven- fasern gedacht. Ich schliesse mich im Allgemeinen den Ansichten Besser’s darüber an, ohne jedoch ihm bis in die Subtilitäten zu folgen, welche er namentlich in Betreff der Entwicklung des Axen- cylinders aus den feinen Verbindungsfädchen seiner Neurogliaglieder glaubt entdeckt zu haben. Auch ich halte dafür, dass die Nerven- fasern sich aus den Fädchen der körnigfaserigen Masse entwickeln und nicht aus einer einfachen Aneinanderlagerung von langgestreckten spindelförmigen Zellen erfolgen, wie das von Valentin?) gelehrt und lange Zeit angenommen worden ist, glaube jedoch nicht, dass der Axen- cylinder schon in einzelnen Fäserchen vorgebildet sei, sondern dass er ganz so, wie die Fortsätze (der Ganglienkörper aus einer Menge von Fasern sich zusammensetze. Auch Remak®), Bidder’), Kupf- fer und Kölliker®) neigen sich zu einer ähnlichen Auffassung. 1) M. Schultze. Ueber d. Bau d. Nasenschleimhaut. Abhandlg. d. naturforsch. Gesellschaft in Halle 1862. Bd VI, p. 66. 2) G. Walter. Ueber d. feineren Bau d. Bulb. olfaetor. — Arch. f. path. Anat. etc. Bd. XXIII. 3) Valentin. Zur Entwickelung d. Gewebe d. Muskel-, Blutgefäss- u. d. Nervensystems. Müllers Arch. 1859 p. 218—241. 4) Vergl. Kölliker’s Entwickelungsgeschichte p. 258—259. 5) Bidder und Kupffer. Untersuchung. über d. Textur d. Rücken- marks. Leipzig 1857. 6) Kölliker. Entwicklungsgeschichte. p. 258— 259. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 497 Nach diesen Autoren nämlich entstehen die Nervenfasern des Rücken- markes von Säugern und Vögeln ebenfalls nicht aus Zellen, sondern aus einer hellen Masse, die auf dem Querschnitt punktirt erscheint und bei der Zerzupfung wohl feine Fasern, aber keine Zellen und Kerne isoliren lässt. Doch sind aus besonderen Gründen diese Forscher noch der Meinung, dass die Fasern nicht an Ort und Stelle ent- stehen, sondern dass sie ursprünglich aus den Zellen der grauen Substanz herauswachsen und sich allmählig verlängern, eine An- sicht, die ich nach Obigem für die Fasern des Gehirns wenigstens nicht zu theilen vermag. Mehr als das Gehirn des Neugeborenen, an welchem Besser seine Untersuchungen machte, eignet sich zu den letzteren das eines Foetus. Im Gehirne jenes nämlich ist der Prozess im Marklager schon zu weit gediehen, um ihn in seinen Anfängen beobachten zu können, in der Hirnrinde aber, wo er wohl noch anzutreffen ist, kom- men so verschiedene andere Vorgänge dazu, dass man im gegebenen Falle nicht weiss, wohin dieses, wohin man jenes Bild zu stellen habe. Wenn man aus den gehärteten Hemisphären-Theilen eines crec. fünfmonatlichen Foetus dünne Schnitte macht, diese mit Garmin färbt und in Glycerin bei einer Vergrösserung von 250—300mal un- tersucht, so wird man mit Leichtigkeit zwei Schichten unterscheiden können, eine sanft geröthete, nur aus dicht gedrängten, kleinen Kernen bestehende äussere, und eine schmutzig graugelbe, aus grösseren und etwas weiter stehenden Kernen zusammengesetzte innere. (Fig. 4.) Die Kerne beider Schichten sind in eine nur undeutlich erkennbare Masse eingebettet, werden durch senkrechte Faserzüge zusammen- gehalten und zeigen ein durchaus verschiedenes Verhalten. Besich- tigt man nämlich Zerzupfungspräparate, welche aus der äusseren Partie genommen sind bei einer stärkeren Vergrösserung, so findet man die Kerne fast durchweg in sehr lange, schmale, spindeltörmige, äusserst dünnwandige Zellen eingeschlossen. Sie sind rundlich oder oval und enthalten mehrere Kernkörperchen, von denen indessen eines nicht selten durch seine Grösse sich besonders bemerklich macht. Werden die Präparate mit karminsauerem Ammoniak be- handelt, wodurch die Isolirung der Zellen wesentlich erleichtert wird, so bekommt man die letzteren am besten erhalten zu Gesicht. Man sieht sie dann nach zwei Seiten in lange, dünne Fasern auslaufen, und diese wieder in ein feines, ebenfalls faserartiges Gewebe sich ver- lieren (Fig. 5 u. 6). Doch bleibt es dahingestellt, ob sie in das M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. bd. 4. 32 498 Dr. Rudolf Arndt: letztere sich auflösen, oder ob dieses ihnen nur anhaftet. Nach Be- handlung mit Natron und Kali zeigen sich im Ganzen dieselben Ver- hältnisse; die feinsten Endigungen der Zellen werden indessen sehr bald zerstört (Fig. 7). Nach Zusatz von Oxalsäure werden die Zel- len und Kerne deutlicher, die letzteren und in ihnen besonders die Kernkörperchen ziemlich stark lichtbrechend ; allein auch hier er- folgt alsbald Auflösung (Fig. 8). Nimmt man dagegen Zerzupfungs- präparate aus der innern Schicht, so findet man die Kerne bei einer Vergrösserung von ce. 500mal von durchweg rundlicher Form und ziemlich gleicher Grösse (Fig. 9). Sie smd mässig scharf eontourirt, enthalten ebenfalls mehrere Kernkörperchen und sind von einem körnigfaserigen Gewebe umgeben, das, wenn auch feiner und zarter, dennoch vollständig der körnig-faserigen Substanz gleicht, wie sie im späteren Lebensalter gefunden wird. Wenn man dieses (rewebe genauer betrachtet, so sieht"man, dass es stellenweise in längere Fädchen ausgezogen ist, die mit dünnen seitlich aufsitzenden fei- neren Fädchen besetzt sind, so dass das Ganze dadurch das Aus- sehen einer sehr feinen dendritischen Verzweigung erhält. Wir haben es inder innern Schicht, welche dem künftigen Marklager entspricht, somit schon mit einer Substanz zu thun, welche in einer Transfor- mation begriffen zu sein scheint, während die ‚äussere Schicht, aus der zum Theil wenigstens die spätere Hirnrinde hervorgeht, noch aus embryonalen Bildungszellen besteht, über deren weitere Verän- derung man wohl Vermuthungen haben kann, jedoch keine Gewissheit besitzt. Es will mir scheinen, als ob aus diesen Zellen direkt keine bleibende Formation hervorginge, sondern dass erst Umbildungen stattfinden müssten, bevor es zur Entwicklung stabiler Gewebe käme. Als solche Umbildung aber bin ich geneigt die körnig-faserige Masse sammt ihren Kernen anzusehen. Wird nun weiter ein Präparat aus der künftigen Markmasse des fötalen Gehirns einer stärkeren Vergrösserung (Hartnack Syst. 9) unterworfen, so erhält man nach Anwendung von Kali- oder Na- tronlauge, oder nach der Tinction mit Carmin, abgesehen von der Färbung, dasselbe Bild (Fig. 10). Die runden oder auch nur rund- lichen Kerne zeigen auch jetzt nur sehr geringe Grössenunterschiede ; sie sind ziemlich scharf contourirt, ohne gerade zu glänzen, und ent- halten drei bis fünf deutliche Kernkörperchen. Die Kerne sind von einem dichten Filz eines äusserst zarten Gewebes umgeben, das ihnen dicht anzuhaften scheint, und das an einer grossen Anzahl Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 499 von Kernen seitlich so stark ausgezogen ist, dass der Kern wie ge- stielt erscheint. In diesen stielartigen Verlängerungen kann man sehr deutlich einen derberen, festen, daher dunkel erscheinenden Öentraltheil erkennen und Fäserchen, welche peripherisch ihn umge- ben. Es ist danach offenbar, dass Theile der körnig-faserigen Sub- stanz sich hier zu lang ausgezogenen, faserartigen Gebilden mit einem festeren Kerntheile in ähnlicher Weise zusammengefügt haben, wie das unter anderen Verhältnissen von ihnen zur Zusammenfügung von Ganglienkörpern geschah. Da wo die neugebildeten oder noch in der Bildung begriffenen Fasern in Massen zusammenliegen, er- hält das Gewebe ein deutlich streifiges Aussehen. ° Die körnig-fase- rige Substanz erscheint von dunkelen, mehr oder weniger continuir- lichen, bald stärker, bald schwächer hervortretenden Streifen durch- zogen, und die Vermuthung, dass dieselben Vorstufen der Nervenfasern seien, welche im ausgebildeten Gehirne diesen Theil zusammensetzen, ist sehr naheliegend. Dieselbe wird aber zur Gewissheit, wenn man Präparate mit Oxalsäure behandelt (Fig. 11). Dieses Reagens greift die körnig-faserige Substanz sehr an, ver- wandelt die einzelnen Fäserchen derselben in Kügelchen resp. Tröpf- chen und bewerkstelligt dadurch eine Auflösung des Wirrwarrs, welcher sonst zu bestehen pflegt. Die Kerne treten nun scharf her- vor. Weil der feine Filz abgelöst ist, sind sie glänzend geworden; sie sind jetzt auch dunkel contourirt und lassen ihre Kernkörper- chen noch deutlicher als vorher erkennen. Die Faserzüge, welche im vorigen Bilde so eklatant waren, sind hier jedoch verschwunden. Nur wo das Gewebe massiger zusammen liegt, sind Andeutungen davon zu finden. Allein statt jener bemerkt man in der Ansamm- lung dunkler Pünktchen und Kügelchen, welche zu öfterem ge- schwänzt erscheinen, 1. vereinzelte Fasern, welche ziemlich stark lichtbrechend und so breit sind, dass man zwei Begrenzungslinien an ihnen erkennen kann, 2. äusserst feine Fädchen, die nur als einfache Linien in die Erscheinung treten und 3. zahlreiche Reihen von Pünkt- chen urfd Kügelchen, welche eine faserartige Anordnung zeigen, ohne irgend welche Verbindung zwischen sich erkennen zu lassen. Die Deu- tung dieser Gebilde ist leicht. Die Reihen von Kügelchen und Pünkt- chen sind aus entsprechend angeordneten Fädchen der körnig-fase- rigen Substanz hervorgegangen, die noch keine wesentliche Verän- derung erlitten hatten, vielleicht alse aus den noch zarten, stielar- tigen Anhängseln der Kerne oder aus solchen dünnen Verbindungs- 500 Dr. Rudolf Arndt: fäden, wie sie in Fig. 10 gezeichnet worden sind. Dort jedoch, wo in der Faserbildung sich schon ein soliderer Kerntheil herausge- bildet hatte, blieb nach Auflösung seiner Umhüllung derselbe als faserartiges Gebilde zurück, als dünner, linienartiger Faden in den Fasern jüngeren Datums, als mehr bandartiges Gebilde in denen aus früheren Perioden. Die bandartigen Gebilde sind unzweifelhaft die Primitivbänder der sich entwickelnden Nervenfasern, die linienförmigen Gebilde sind in der Entwicklung begriffene Primitivbänder, und diese letzteren entstehen somit aus der Aneinanderlagerung der körnigfaserigen Mas- sen, welche die Kerne als dichter Filz umgeben. Derselbe Ur- sprung, dieselbe Entwicklung wie bei den Ganglienkörpern, namentlich ihrem Axencylinderfortsatze ! Während des geschilderten Vorganges lösen die neugebildeten Fasern sich von ihren Kernen, verbinden sieh unter einander und wachsen der Peripherie des Gehirns entgegen. Danach umgeben sich die neugebildeten Axencylinder mit der Markscheide, welche, wie Besser angiebt, aus einer Umwandlung der Fäserchen hervor- zugehen scheint, die dem Axencylinder äusserlich anhaften. Doch erfolgt die Bildung der Markscheide erst sehr sehr spät und ist in den oberen Partien desGehirns, in der Rinde und den benachbarten Theilen des Markes selbst im Neugeborenen nur erst andeutungs- weise vorhanden. — Die Kerne liegen nunmehr frei zwischen den Fasern, zu ein, hie und da auch zu zwei oder drei zusammen, und in dem gehärteten Gehirne, bei dem es in der ersten Zeit der Be- handlung zu stärkerer Quellung und dadurch zu Raumaussparungen kam, liegen sie in grösseren oder kleineren Lücken, um welche die Nervenfasern in leichten Bogen hinziehen (Fig. 3). Ob die Kerne, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, kleiner werden, wie Besser meint, muss ich dahingestellt sein lassen ; fast scheint es so. Ob sie aber noch weitere Dienste leisten, wie er mit Robin anzuneh- men geneigt ist, möchte ich bezweifeln. Sie scheinen mir vielmehr für das ganze übrige Leben eine ruhende Masse darzustellen, die keine physiologischen Aufgaben mehr hat und nur noch pathologische Veränderungen, Verfettung, amyloide Degeneration (?) et«. eingeht. Ich wenigstens habe sie in Gehirnen alter Leute noch gerade so gefunden, wie in dem des Neugeborenen, und Bilder wie das unter Fig. 3 dar- gestellte, entsprechen abgesehen von der Deutlichkeit der Nerven- fasern, ebensowohl dem greisen wie dem kindlichen Gehirne. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 501 Da in der Hirnrinde sich ebenfalls Nervenfasern entwickeln, so müssen auch nach ihrer Vollendung freie Kerne in dersel- ben sich finden. Ich hatte in Bd. III d. Arch. nachzuweisen ge- sucht, dass es mit denselben in der Hirnrinde indessen eine eigene Sache sei, und dass sie nicht so häufig vorkommen, als man gemei- niglich annehme. Jetzt wäre dies ein Widerspruch zu dem oben Gesagten; allein einmal muss man bedenken, dass in der Hirnrinde viel weniger Nervenfasern, als im Marklager sind, und dass deshalb schon weit weniger frei Kerne vorzukommen brauchen, zweitens aber muss man im Auge behalten, dass die Bildung der Nervenfasern daselbst zum grössten Theile wohl von den Ganglienkörpern ausgeht, und dass die betreffenden Kerne dann diesen angehören. In der Zusammensetzung des Axencylinders einer Nervenfaser und des Axencylinderfortsatzes eines Ganglienkörpers besteht sonach kein Unterschied, und die von den erwähnten Autoren angenommene, fibrilläre Struktur des ersteren dürfte dadurch nur an Gewissheit gewinnen. Damit nun aber beide Theile in Verbindung treten können, muss ein Zusammentreffen erfolgen. Anders ist die Sache nicht denkbar, weil die Fasern des Marklagers viel früher fertig sind, als die Ganglienkörper der Hirnrinde. Bei diesem Vorgange indessen kann nach meinem Dafürhalten nur zweierlei geschehen. Ent- weder nämlich findet die beschriebene Nervenfaserbildung bis zum Axencylinderfortsatz eines Ganglienkörpers statt, und dann geht dieser unmittelbar in eine dunkelrandige Nervenfaser über, oder der Bil- dungsprocess hört früher auf, und dann ist zwischen Nervenfaser und Axencylinderfortsatz noch unveränderte, oder mehr weniger verän- derte körnig-faserige Substanz als »punktförmige« oder retikuläre Masse eingeschoben, wie Leydig!) es bei niederen Thieren gesehen hat und wofür zahlreiche Bilder aus der menschlichen Grosshirnrinde sprechen. Denn ich bin geneigt alle jene Ganglienkörper, deren Spitzenfortsatz nicht in eine Nervenfaser übergeht oder abgebrochen endet, sondern sich allmählig verjüngend in die körnig-faserige Substaıfz aufzulösen scheint, mit solchen Verhältnissen in Zusammen- hang zu bringen. So auffallend dieses für den ersten Augenblick erscheinen mag, so hat es doch ganz und gar nichts Unverständliches, zumal wenn man erwägt, dass 1. eine Umwandlung der ursprüng- lichen Masse recht gut eingetreten sein kann, ohne dass wir sie bis 1) Leydig. Vom Bau des thierischen Körpers. Tübing. 1864. p. 90. 502 Dr. Rudolf Arndt: jetzt nachzuweisen vermöchten; — Fasern sind ja da, ob sie aber dicker, derber, Kurz anders sind, als die der Grundsubstanz, das vermag ich nicht zu entscheiden; — dass 2. während der ersten Lebensepoche alle cerebralen Vorgänge, so weit sie die Hirnrinde anlangen, nicht durch Nervenfasern und Ganglienkörper, sondern blos durch das körnig-faserige Gewebe vermittelt werden, und dass die- sem daher die Fähigkeit der Leitung und Erregung entschieden zu- kommen muss, endlich dass 3. in Bezug auf dass Gesetz der isolirten Leitung von dem man sich vorstellt, dass zu seiner Bewerkstelligung die Markscheiden erforderlich seien, man nicht vergessen wolle, dass die letzteren in der Hirnrinde an den feinsten Nervenfasern dauernd fehlen, dass sie beim Neugeborenen selbst bis in das Marklager hinein nicht mit Bestimmtheit nachzuweisen sind, dass beim sieben- bis neun- jährigen Kinde sie nur noch schwach entwickelt sind und erst beim Er- wachsenen in aller Stärke zur Erscheinung kommen. Die Entwick- lung der Markscheide an den Gehirnfasern scheint deshalb zum grossen Theile von den Wachsthumsverhältnissen abzuhängen. Mit dem Grösser-Werden des Schädels und des Gehirns tritt keine Ver- mehrung der Hirnmasse in specie ein. Die Nervenfasern vermehren sich nicht, die Axencylinder werden kaum dicker; aber der sich erweiternde Raum wird durch die neu entstehenden oder an Umfang zunehmenden Markscheiden ausgefüllt. Es kann mir nicht beikom- men auf diese Verhältnisse allein hin den Markscheiden ihre Be- deutung für die isolirte Leitung absprechen zu wollen; aber sie blos als Guttapercha -Hüllen um Telegraphendrähte aufzufassen, das will mir auch nicht angänglich scheinen. Ob durch die er- wähnte Schaltmasse zwischen Ganglienkörperfortsatz und Nerven- faser die Zusammenwirkung mehrerer Ganglienkörper auf eine Ner- venfaser bewerkstelligt wird, indem der Axencylinder der letzteren, wie Leydig und zum Theil auch Max Schultze!) annimmt, ein Convolut von Fasern ist, welche aus verschieden Ganglien- körpern stammen, das ist noch nicht gehörig ermittelt. Es lässt sich jedoch nicht läugnen, dass sehr viel Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, und dass man bei gehörigem Nachsuchen die Ansicht von Max Schultze und Leydig am Ende bestätigt finden wird. Wenn wir gesehen haben, dass durch den Axencylinderfortsatz 1) Max Schultze. Untersuch. über den Bau der Nasenschleimhaut ete. Abhandlung. d. naturforsch. Gesellschaft zu Halle 1863. Bd. VII. p. 66. Studien über die Architektonik der Grosshirnriude des Menschen. 503 eines Ganglienkörpers die Fasern des Ganglienkörpers selbst sich zu dem Axencylinder einer Nervenfaser vereinigen, so drängt sich un- willkürlich die Frage auf: was wird aus den übrigen Fortsätzen des Ganglienkörpers, und welche Aufgabe wird ihnen möglicherweise zuertheilt? Bei Neugeborenen lösen sie sich in die körnig-faserige Substanz auf; was geschieht mit ihnen bei Erwachsenen? — Drei- erlei ist auch da nur denkbar. Entweder sie verbinden sich unter einander, indem die des einen in die des anderen übergehen, oder sie treten wie die Axencylinderfortsätze, nur nach längerem Verlaufe ınit Nervenfasern in Zusammenhang, oder endlich sie lösen auch hier sich in das körnig-faserige Gewebe, das Reisernetz, auf. Die Verbindung der Ganglienkörper unter einander, die Gang- lienkörper-Anastomose ist vielfach behauptet und vielfach bestritten worden. Sie existirt indessen ganz gewiss, wenn auch nicht in der Ausdehnung, wie dies von Schröder van der Kolk!), von Lenhossek ?), J. Daen?) und anderen angegeben wird. Und am allerwenigsten ist sie gerade da nachweisbar, wo jene Forscher sie angeblich so häufig gesehen haben‘ wollen, in Präparaten des ge- härteten Rückenmarkes und der Medulla oblongata. Auch in der Hirnrinde ist sie nicht gerade oft zu beobachten. Es ist vielmehr ein glücklicher Zufall, wenn man ihr gelegentlich begegnet, und dass man von ihrer Existenz überzeugt wird, ist noch seltener. Ich habe nur einmal sie so gefunden und diesen Fall in Bd. III d. Arch. näher beschrieben und abgebildet. Ganz ähnliche Befunde haben auch Berlin *), Besser), Meynert ®) und Jolly”) gehabt. 1) Schröder v. d. Kolk. Bau d. medul. spinal. u. oblongat. Uebers. v. Theile. Braunschw. 1859. 2) von Lenhossek. Neue Untersuch. über d. feiner. Bau d. Centr. Nervensyst. Wien. 1855 u. 1858. 3) J. Daen. The gray subst. of the medul. oblong. and trapez. Wa- shington 1864. 4) R. Berlin..a. o. O. 5) Besser. Eine Anastomose zwischen centralen Ganglienzellen. Arch. f. path. Anat. etc. Bd. XXXVI. 6) Th. Meynert. Der Bau der Grosshirnrinde ete. Vierteljahrsschrift f. Psychiatrie. I. Heft. Taf. IV Fig. XX. — Die Fig. 19, 21 und 22 möchte ich nicht hierher zählen. Fig. 19 stellt nach meiner Meinung Bindegewebskörper- chen dar. Für Fig. 20 und 22 habe ich kein Verständniss, da mir entspre- chende Bilder bis jetzt nicht vorgekommen sind. 7) Jolly. Ueber die Ganglienzellen d. Rückenmarks. Zeitschrift f. wiss. Zoolog. XV. p. 459° 504 Dr. Rudolf Arndt: Denn in allen Fällen lagen die communicirenden Ganglienkörper ganz nahe und ihre Verbindung wurde durch ein verhältnissmässig breites Band bewirkt. Berlin bestimmte in den beiden von ihm beobachteten Fällen (Zerzupfungspräparate) das letztere auf. 0,0015“ im Durchmesser, und nach den Abbildungon zu urtheilen, welche ich bei den übrigen Autoren gefunden habe, mag dasselbe in den betreffenden Fällen fast die nämliche Dicke gehabt haben. Am Besten von dem Vorkommen solcher Anastomosen, glaube ich, kann man sich an Macerationspräparaten aus der Substant. nigr. pedune. cerebr. überzeugen. Namentlich wenn sie von Indivi- duen stammt, welche an congestiven Gehirnzuständen gelitten haben, pflegen die Ganglienkörper derselben so ausserordentlich pigment- reich zu sein, dass nicht blos sie allein, sondern auch ihre Fortsätze auf längere Strecken mit den bekannten rostbraunen Körnchen dicht erfüllt sind. Diese Körnchen ersetzen dann die Versilberung und Vergoldung, welche in anderen Geweben so Bedeutendes, im Gehirne aber mir wenigstens nur Untergeordnetes geleistet hat; sie bezeichnen den Weg, welchen in der dazwischen liegenden körnig- faserigen Substanz Fortsätze nehmen, die sonst nicht mehr vor derselben zu sehen wären. In solchen Präparaten habe ich nun gar nicht selten Ganglienkörper gesehen, wie ich sie in Fig. O. 1. 2. 3 dar- gestellt habe, und vorzugsweise waren es solche, welche sich an 3. anschliessen. In Anbetracht der Entstehung bin ich geneigt, für derartige Anastomosen zwei verschiedene Entwicklungsweisen anzunehmen. Einmal nämlich wachsen die Fortsätze zweier benachbarter Gang- lienkörper in der That zusammen,! indem sie bei ihrer Bildung auf einander treffen und mit ihren Endigungen verschmelzen. Bilder, wie sie Fig. b. c. m. o darstellen, sprechen sehr bestimmt dafür, und Verhältnisse, wie ich sie unter Fig. OÖ. 2 gezeichnet habe, sind die Ergebnisse dieses Vorganges. Das andere Mal entwickelt sich um zwei Kerne ein Körper, wie ich das schon aus einander gesetzt habe, als von Ganglienkörpern mit zwei Kernen die Rede war; und wenn der Process nicht sistirt, sondern ein ferneres Wachsthum stattfindet, dann kann sich der Ganglienkörper dehnen und strecken, die Kerne rücken mehr und mehr aus einander und scheinen schliess- lich in zwei verschiedenen, aber eng und breit verbundenen Körpern zu liegen. Uebergangsstufen von Ganglienkörpern mit zwei Kernen : und Ganglienkörpern mit so breiter Brücke, wie Fig. O. 3. sie Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 505 zeigt, glaube ich mehrfach gesehen zu haben. Sie sind es gerade gewesen, welche mich zu der eben dargelegten Annahme bestimmt haben. Ob indessen Anastomosen, wie in Fig. ©. 1 auf diese oder jene Weise zu Stande gekommen sind, wird wohl schwer zu be- stimmen sein; doch möchte ich mich zu Gunsten der letzteren Auf- fassıng aussprechen. Keinesfalls aber dürfte je eine Anastomose auf einem Theilungsvorgange der Ganglienkörper beruhen, wie noch neuestens Kölliker!) anzunehmen gewillt ist, der ausser Ganglien- körpern mit zwei Kernen, bei jungen Thieren auch solche mit kurzen Anastomosen ebenso wie Remak, Valentin und Schaffner ge- sehen hat. Unzweifelhafte Anastomosen zwischen entfernter liegenden Ganglienkörpern habe ich nie auffinden können. Für die Rinde des srossen und Kleinen Gehirns möchte auch aus noch näher zu er- örternden Gründen ihr Vorkommen überhaupt anzuzweifeln sein; dagegen sprechen manche Verhältnisse für ihr Vorkommen bei Kör- pern der grossen Hirnstock-Ganglien, der Peduneuli Cerebri, des Pons, der Medulla oblongata. Hier sieht man nämlich bisweilen in sehr dünn aus einander gebreiteten Macerationspräparaten zwischen der körnig- faserigen Grundsubstanz mehr oder weniger leicht zu verfolgende Züge feinster Fasern von einem Ganglienkörper zum anderen gehen. Allein da solche Anschauungen ich nur dann erhalten hatte, wenn ich die Ausbreitung mehr durch Druck als durch die Nadel bewerk- stelligt hatte, so war die Continuität der Züge öfters unterbrochen, und es konnte nur aus der Richtung derselben der etwaige Zusam- menhang mehr vermuthet als bestimmt angenommen werden. Im Allgemeinen kann nach Alledem wohl behauptet werden, dass die anastomotische Verbindung zwischen den Ganglienkörper- fortsätzen in der bis vor wenigen Jahren ziemlich allgemein ange- nommenen Weise nicht stattfindet, sondern zumal für die Gehim- rinde als Ausnahme zu betrachten ist. Diese Ausnahme mag, wie Meynert?) glaubt, häufiger sein, als man sie nachweisen kann, und als man von gewissen Seiten sie einräumen will, dennoch+hat man kein Röcht auf sie zu bauen, so lange ihre durchgreifende Existenz nicht nachgewiesen ist. Im Gegentheil, so lange dieser Nachweis fehlt, haben wir sogar die Verpflichtung weiter nachzuspüren und die Endigungen der fraglichen Fortsätze aufzusuchen. 1) Kölliker. Gewebelehre. 5. Auflage. p. 279. 2) Meynert. Vierteljahrsschrift für Psychiatrie etc. I. Hft. 2. p. 200. 506 Dr. Rudolf Arndt: Wie steht es nun da mit dem Uebergange in Nervenfasern? — Wer am entschiedensten zu der Ansicht hinneigt, dass die feinsten Vertheilungen der Ganglienkörperfortsätze in Nervenfasern über- gehen, ist Kölliker!). Derselbe meint, dass überall, wo im Gehirn Nervenursprünge vermuthet werden dürfen, wie im Cerebellum und Öerebrum, im Streifen- und Sehhügel, die dunkelrandigen Nerven- röhren in die feinsten, blassen Fäserchen auslaufen, die mit den ebenfalls ins feinste sich verästelnden Zellenfortsätzen fast ganz übereinstimmen, so dass, wenn Nervenursprünge überhaupt vor- kommen, sie nur zwischen solchen feinsten Fäserchen sich machen. Ja in Betreff der Endplexus der Nervenfasern des kleinen Gehirns nimmt er aus dem nämlichen Grunde nicht Anstand für sehr wahr- scheinlich zu erklären, dass alle Nervenröhren mit den Ausläufern (auch den sogenannten Protoplasmafortsätzen Deiter’s) der grossen und wohl auch der kleinen Zellen verbunden sind. — Allein Kölliker spricht das alles nur als Vermuthung aus und räumt andererseits bereitwilligst ein, dass auch auf anderem Wege, nämlich durch den Axencylinderfortsatz, den er geradezu Nervenfaserfortsatz nennt, der Ursprung von Fasern vor sich gehe. Für die Grosshirnrinde möchte ich nur die letztgenannte Ursprungsform gelten lassen. Die Ver- zweigung der Basalfortsätze ist eine so rasche, und ihre letzten Endigungen sind so feine zarte Fädchen, dass sie ganz und gar zwischen den Elementen des körnig-faserigen Gewebes verschwinden und selbst mit ganz starken Systemen (Hartnak No. 9a l’immers.) nicht mehr darin zu verfolgen sind. In jedem Maverationspräparate, bei dessen Zerzupfung man nur einigermassen sorgfältig verfahren ist, wird man sich von der Richtigkeit dieser Angaben an isolirten Körpern überführen können und zu gleicher Zeit die Ueberzeugung gewinnen, dass die letzten Endigungen unserer Fortsätze denn doch noch viel feiner sind, als die feinsten Nervenfasern, welche zufällig neben ihnen verlaufen. Ein ganz gleiches Verhalten fand R. Wag- ner?) auch an den Ganglienkörpern der Kleinhirnrinde, die, wie mir es vorgekommen, viel schwieriger zu analysiren ist, als die Rinde ddes grossen Gehirns, und ein ähnliches Verhalten zeigen auch viele Körper der Substantia nigra peduncul. cerebr. sowie manche der besser erhaltenen des! Rückenmarkes. 1) Kölliker. Gewebelehre. 5. Auflage. 306. 298. 277. 2) R. Wagner. Kritisch. und experiment. Untersuch. über d. Funkt. d. Gehirns. Götting. Nachr. 1859. No. 6. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 507 Etwas anders verhält sich Deiters!) zu der Frage, der über den schliesslichen Verbleib dieser Fortsätze gar keine Ansicht äussert, dagegen aber behauptet, dass dieselben «den Boden für den Ursprung eines zweiten, sehr zarten Axencylindersystemes abgeben. Die Glieder des letzteren sollten in Form feinster Fädchen beginnen, welche senkrecht jenen Fortsätzen aufsässen und sehr bald in dunkelrandige Nervenfasern übergingen. An den Ganglienkörpern der Hirnrinde habe ich solche Fädchen den Fortsätzen nie aufsitzen sehen, obschon. ich um so fleissiger nach ihnen suchte, als Besser sie gefunden haben will. Alles was ich dahin Gehöriges etwa zu sehen bekam, waren anhaftende Partikelchen der körnig-faserigen Substanz, und wo ich die betreffenden Gebilde wirklich an den grossen Körpern anderer Regionen beobachten konnte, da wollte es mir wie Kölliker scheinen, als ob sie durch nichts, als ihre Dünnheit sich von den übrigen Fortsätzen desselben Ganglienkörpers unterschieden. Denn die rechtwinklige Stellung, welche sie zu den Fortsätzen haben sollen, denen sie entspringen, ist doch ein sehr zweifelhaftes Kri- terium, und ebenso, wenn nicht noch zweifelhafter ist das, dass sie mit breiter Basis aufsitzen sollen, da es doch bekannt ist, dass an den Theilungsstellen der Fortsätze überhaupt eine Volumenszunahme derselben zu bemerken ist?). Ich würde aus diesen Gründen die- selbe Endigung, welche die übrigen Basalfortsätze nehmen, auch für sie vermuthen, wenn ungeachtet des bisherigen, vergeblichen Suchens ihr Vorkommen an den Grosshirnganglienkörpern dennoch festge- stellt werden sollte. Uebrigens will ich durchaus nicht bestreiten, dass unter besonderen Umständen auch einmal eine Nervenfaser mit einem der Basalfortsätze sich verbinden könne — die Entwicklungs- geschichte macht dies ganz wahrscheinlich, — dass vielleicht sogar, wie bei den Axencylinderfortsätzen hie und da diese Verbindung durch eine Schaltmasse geschehen könne; nur kann ich es nicht als Regel ansehen. Ich würde ein solches Vorkommen vielmehr für einen Lusus naturae halten, der in der eigenthümlichen Entwicklung des Ceiftralnervensystems zwar seine Erklärung findet, der indessen nichtsdestoweniger seine Bedeutung vollständig dunkel lässt. 1) Deiters. a. a. O. Cap. Ill. 2) Vergl. hierüber auch Max Schultze. Observationes de structura cellular. fibrar. ete. Bonn. 1868. 508 Dr. Rudolf Arndt: In der allerneuesten Zeit hat Meynert!) von den Ganglien- körpern der Hirnrinde behauptet, dass einer ihrer Basalfortsätze, und zwar immer der mittelste mehr oder weniger direkt nach dem Marklager hinabsteige, um in eine Nervenfaser desselben überzu- gehen. Dieser »mittlereBasalfortsatz«, wieMeynertihn nennt, soll im Ganzen schwer zur Beobachtung kommen, aber wo dies der Fall ist, in einer Flucht mit dem Spitzenfortsatze liegen, in vollem Parallelismus mit den Axen der Pyramiden verlaufen, deren Spitzen- fortsätze sich als »mittelbare«, deren mittlere Basalfortsätze sich als »unmittelbare« Ursprungsfasern den Fasern anschliessen, welche namentlich in seiner dritten Schicht senkrecht gegen die Oberfläche laufen. Meynert hat diesen »mittleren Basalfortsatz« in Schnit- ten entdeckt. Ich habe ihn weder in diesen noch an isolirten Ganglien- körpern wiederfinden können. Dass Ganglienkörper vorkommen, an denen ein Basalfortsatz auf Kosten der übrigen besonders stark ent- wickelt ist, wurde von mir schon früher dargethan; — bei Thieren, z. B. dem Schaf, der Ratte, scheint dies fast Regel zu sein — ebenso habe ich nachgewiesen, dass dieser Fortsatz, der gewöhnlich seit- wärts von dem Ganglienkörper abtrete, auch einmal in der Rich- tung des Spitzenfortsatzes abgehen könne, wodurch alsdann eine Spindelform des Ganglienkörpers entstehe; allein dass immer und immer ein solcher Fortsatz in dieser Richtung nach dem Marklager hin strebe, das kann ich Meynert nicht einräumen. Der mittlere Basalfortsatz existirt nach den zahlreichen Untersuchungen, die ich nur seinetwillen vorgenommen habe, an den Ganglienkörpern der menschlichen Grosshirnrinde nicht. Auch ist Meynert den Nach- weis schuldig geblieben, dass wo dieser Fortsatz existirt, er in der That in eine Nervenfaser übergehe. Er vermuthet es nur, und wenn ich auch gerne zugebe, dass es möglich ist, dass mitunter so etwas vorkomme, so ist es doch ebenso wahrscheinlich, dass es nicht ge- schieht, sondern dass der stärker entwickelte Basalfortsatz das Schicksal der übrigen, kürzeren und schwächeren Fortsätze theilt. Welches kann dies nun noch sein? — Die Basalfortsätze lösen sich, nachdem sie feiner und feiner geworden, schliesslich in die körnig-faserige Substanz auf, aus der sie sich herausgebildet haben. Zahlreiche Bilder in Zerzupfungspräparaten haben mir alltäglich den Beweis dafür geliefert und mich damit gezwungen, mich voll- 1) Meynert. Vierteljahrsschrift f. Psychiatrie etc. I. Heft 2. pag. 202. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 509 ständig an Henle'), R. Wagner?), Leydig®), Stephanyt) und Uffelmann?) anzuschliessen, welche dieselben oder ähnliche Beob- achtungen gemacht und jene Substanz darum für nervös erklärt haben, während Virchow‘), Max Schultze?), Kölliker®) und Deiters?) sie mit grösserer oder geringerer Bestimmtheit zur Binde- substanz rechnen, eine Ansicht, welche für mich durchaus maass- gebend war, bevor ich die Entwicklung der nervösen Elemente aus ihr kennen gelernt hatte. Es tritt da unwillkürlich die Frage heran: was haben die Ganglienkörper zu bedeuten? Bisher hat man sie ganz allgemein als die Gentralpunkte der nervösen Erregung angesehen, sie für die Urheber oder Vermittler aller nervösen Vorgänge gehalten. Das können sie nach der gewonnenen Einsicht in ihre Natur aber nicht mehr sein. Sie scheinen vielmehr blos Knotenpunkte zu bilden, in welchen bestimmte Erregungszustände gesammelt oder zerstreut werden, um vereint oder zerlegt nach anderen Orten übertragen zu werden. Um kurz zu sein, die körnigfaserige Substanz der Hirn- rinde, und mit ihr wahrscheinlich die aller grauen Substanz, scheint ein reizungsfähiges Gewebe zu sein. Die in ihr hervorgebrachten Reizzustände werden durch die Basalfortsätze nach den Ganglien- körpern geleitet und zwar, wo sie vorhanden sind, aller Wahrschein- lichkeit nach durch die Fibrillen derselben. Im Ganglienkörper werden sie gesammelt und auf den verschiedenen Faserzügen des- selben, welche in den Axencylinderfortsatz münden, nach diesem selbst geleitet, um durch ihn mehr oder weniger vereinigt, nach entfernteren Provinzen weiter befördert zu werden. — Da aber das Centralnervensystem aus zwei Theilen besteht, einem centrifugal 1) Henle in Zeitschrift f. rat. Medic. VI. pag. 79. XIX. p. 58. 2) R. Wagner. Kritische u. experiment. Untersuch. über d. Funkt, d. Gehirns. Götting. Nachr. 1859. No. 6. 3) Leydig. Vom Bau d. thierisch. Körpers. Tübing. 1868. p. 89. 4) Stephany. Beiträge zur Histologie d. Rinde d. gr. Gehirns. Inaug. Dissert. Dorpat 1860. 5) Uffelmann. Untersuch. über d. graue Subst. d. Grosshirnhemi- sphären. Zeitschrift f. rat. Med. XIV. 1. u. 2. 6) Virchow. Cellularpatholog. 1. Auflg. 250—252. 7) Max Schultze. ÖObservationes de retinae structur. p. 10 8) Kölliker. Gewebelehre. 5. Aufl. 271—273 9) Deiters. a. o. O. Cap. II. 510 Dr. Rudolf Arndt: und einem centripetal leitenden, so gilt dies nur für den Theil, wel- cher centrifugal leitet. Gerade umgekehrt muss es sich für den andern verhalten, der centripetal leitet. Die von der Peripherie an- sekommenen Erregungszustände werden hier in den Ganglienkör- pern zerlegt werden, indem sie auf verschiedene Bahnen hinüberge- führt und vermittelst der Basaltfortsätze auf die körnigfaserige Sub- stanz übertragen werden. Ob diesem doppelten Verhalten der Ganglienkörper in Bezug auf ihre Leistung auch die zwiefache Bildung der Axencylinderfort- sätze entspricht, denen wir begegnet sind? Es ist möglich. Allein ob alle diejenigen Ganglienkörper , deren Spitzenfortsatz direkt in eine Nervenfaser übergeht, Coordinations-Centren sind und dem cen- trifugalen Systeme angehören, ob alle diejenigen Körper, bei denen eine Schaltmasse zwischen dem Fortsatze und der Nervenfaser liegt, welche nach Leydigs und Max Schultze’s Anschauung das Rendez-vous für mehrere Ganglienkörperfortsätze abgeben dürfte, Zerstreuungsplätze sind und dem centripetalen Systeme angehören, wer will das entscheiden ? Hierüber können erst weitere Forschun- sen Licht verbreiten, wenn überhaupt es in unserer Macht liegt, (dieses Licht herbeizuführen. So viel jedoch kann man schon jetzt sagen, dass wenn in der That es sich verhält, wie ich angegeben, die den physiologischen Erscheinungen nach erforderliche Verbindung zwischen den verschiedenen Systemen der Nervenbahnen gefunden wäre, indem die Elemente der körnig-faserigen Substanz, in welche die Ganglienkörperfortsätze sich auflösen, die betreffenden Brücken bildeten. — Man wolle nicht einwendeu, dass dergleichen sich nicht mit dem Gesetze der isolirten Leitung vertrage. Ich selbst sehe die Schwierigkeiten sehr wohl ein. Man bedenke aber nur, dass in (den ersten Lebenstagen, wo noch keine Nervenfasern, keine Gang- lienkörper existiren, wo nur die Elemente der körnigfaserigen Sub- stanz mit ihren Kernen vorhanden sind, dennoch schon isolirte Lei- tungen zu Stande kommen. Man bedenke ferner, dass die betref- fende Substanz zum Theil aus Fadenbildungen zu bestehen scheint und zum Theil aus Körnchen und Kügelchen, welche jenen anhaften. Vielleicht sind die letzteren nur Gerinnungsproducte einer Masse, welche im Leben die einzelnen Fädchen umgiebt und isolirt. Besser hat derartige Verhältnisse angedeutet, wie ınan sich erinnern wird; es lohnt der Mühe auf sie näher zu achten und sie nicht von vorn- herein einem blossen Skeptiecismus zum Opfer zu bringen. TIERE vr aNeN Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 511 Man könnte unter solchen Verhältnissen allerdings auch nicht mehr von der Neuroglia der Hirnrinde in dem bisherigen Sinne re- den und darunter die ganze körnig-faserige Masse verstehen, welche ihren Hauptantheil ausmacht; wiewohl der Name nicht gerade viel zur Sache thut. Doch kann er verwirrend einwirken, und um dies zu verhindern, habe ich geflissentlich ihn bereits vermieden und statt seiner die allgemeine Bezeichnung »Reisernetz«, »körnig-faserige Substanz« gebraucht. Eine derartige Verwirrung wird aber in un- serm Falle um so weniger ausbleiben,, als m der That in den Cen- traltheilen Elemente vorkommen, welche jenen Namen zu verdienen scheinen. Die retikuläre Substanz der Rückenmarksstränge, der Me- dulla oblongata, des pons u.s. w. scheint mir durchaus anderer Na- tur zu sein, zur Reihe der Bindegewebsbildungen zu gehören und wirklich nur eine Art Kitt, Stütz- oder Bindesubstanz zwischen den eigentlich nervösen Gebilden auszumachen. Ein anderer Name für die körnig-faserige Substanz, die überall wo graue Nervenmasse auf- tritt die gleiche ist, scheint mir deshalb sehr nothwendig zu sein. Kaum aber dürfte ein passenderer gefunden werden, als der bereits von Stephany!) angewandte: »Terminales Fasernetze«. Es ıst ja ein Fasernetz, wenn auch kein so grobfaseriges und weitmaschi- ges, als jener Autor es beschrieben und abgebildet hat, und es ist ein Endnetz, da es die Endigungen der nervösen Elemente in sich aufnimmt. Für die Hirnrinde selbst aber möchte eine noch etwas engere Bezeichnung zu wählen sein und der von R. Wagner?) gewählte Name »eentrale Deckplatte« sich empfehlen. Die Basalfortsätze der Ganglienkörper müssten dann folgerecht, wie der letztgenannte For- scher es schon gethan hat, als die Wurzeln der Ganglienkörper be- trachtet werden, und da den Basalfortsätzen der Hirnrindenkörper die Deiters’schenProtoplasmafortsätze der Ganglienkörper anderer Regionen entsprechen, so dürften auch diese als Wurzeln derselben angesehen werden, und eine Bezeichnung wie»@anglienwurzeln«, »eentrale Fortsätze« für sie entsprechender sein, als jener von Deiters gewählte und von Max Schultze, Kölliker bereits verbesserte Name »Protoplasmafortsätze«. Sollte es sich bestätigen, dass an manchen Orten, wie es von 1) Stephany.a.o. O. 2) B. Wagener. krit. u. experiment. Unters. ete, Götting. Nachricht. 1859. N. 6. 512 Dr. Rudolf Arndt: der Substantia nigra pendune. cerebr. erwähnt worden ist, die Gan- glienkörper durch längere Faserzüge unter einander in Verbindung stehen, so würde das noch keinesweges gegen die soeben dargeleg- ten Ansichten sprechen. Es würde vielmehr nur dafür Zeugniss ab- geben, dass Kölliker vollständig Recht hat, wenn er warnt alle (anglienkörper nach derselben Schablone aufzufassen, wie mir das schon für die Ganglienkörper der Hirnrinde allein nicht thunlich zu sein schien; es würde ferner beweisen, dass die betreffenden Kör- per nur Stationen seien, in denen Reizzustände zusammengefasst oder auseinander gelegt würden. Namentlich dürfte das Erstere geschehen und auf diese Weise die noch nicht recht erklärte Coordination der Bewegungen einige Aufhellung erfahren. Für das centrifugal lei- tende Nervensystem würde somit denn auch das Schema der Gang- lienkörper - Verbindung, wie es Meynert einseitig für die Hirn- rinde entworfen hat, in Bezug auf das ganze Gehirn Geltung er- halten, während in Betreff des centripetal leitenden Systems dagegen noch jeder Auhalt in dieser Beziehung fehlte. Fassen wir nunmehr das über die Ganglienkörper des Central- Nerven-Systems Erörterte kurz zusammen, so ergiebt sich: l. Die Ganglienkörper sind keine Zellen, sondern Convolute von Fasern mit centralen und peripherischen Fortsätzen. 2. Die centralen Fortsätze der Ganglienkörper der Hirnrinde wurzeln in einem reizungsfähigen Gewebe, (der centralen Deckplatte, einem’ Theile des terminalen Fasernetzes. Die centralen Fortsätze der Ganglienkörper des Hirnstockes und des Rückenmarkes wurzeln zum Theil in diesem terminalen Fasernetze, zum Theil mögen sie von den Ganglienkörpern höher gelegener Regionen abstammen. 3. Die peripherischen Fortsätze gehen in Nervenfasern über und zwar: a. direkt. b. indirekt. In letzterem Falle lösen sich die Fortsätze nach einem län- geren oder kürzeren Verlaufe in eine Schaltmasse auf, aus der erst wieder die Nervenfaser hervorgeht, wobei denn nicht blos ein Fort- satz, sondern mehrere und zwar verschiedener Körper betheiligt sein können. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die peripherischen Fortsätze von Ganglienkörpern des Hirnstockes und des Rücken- markes ohne erst einen nachweisbaren Uebergang in eine Nerven- faser durchgemacht zu haben, in einen tiefer gelegenen Ganglien- Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 513 körper übergehen, aus dem sodann erst die Nervenfaser entspringt, während in der Hirnrinde dieser Vorgang nicht existirt. 4. Die Kerne der Ganglienkörper haben für dieselben nur eine relative Bedeutung. Sie stehen in Keiner direkten Beziehung zur specifischen Leistung der Körper, sondern vermitteln — wenn überhaupt — so nur wahrscheinlich ihre Ernährung. 5. Die Ganglienkörper und ihre Fortsätze, also auch die cen- tralen Nervenfasern entwickeln sich aus einem kernhaltigen Gewebe, in dem sie später wurzeln. Die körnig-faserigen Bestandtheile dieses Gewebes gehen in die eigentlichen nervösen Elemente über, während seine Kerne zu Kernen der Ganglienkörper werden, oder als freie nackte Kerne zwischen den neugebildeten Nervenfasern eingesprengt liegen. So glücklich Besser bei seinen Beobachtungen über die Ent- stehung der Ganglienkörper und Nervenfasern gewesen ist, so wenig hold war ihm das Schicksal bei seinen Untersuchungen über die Bil- dung der Gehirngefässe. Besser glaubte nämlich, wie aus dem Citate sich ergiebt, dass aus demselben Gewebe, denselben Kernen und Fa- sern, aus welchen die nervösen Gebilde hervorgingen, auch die Ge- fässe entständen. Allein das ist ein Irrthum. Das specifische Ge- webe der Hirnsubstanz nimmt an der Bildung der Gefässe keinen Theil. Es sind ganz eigene Elemente, aus denen das Gefässnetz der Hirnrinde sich aufbaut: spindelförmige oder sternförmige Zellen, die sich reihenweise aneinander lagern, mit einander verkleben, sich strecken und quer ausdehnen, so dass das eine Mal ihre Kerne weit auseinander rücken, das zweite Mal zwischen ihnen ein Raum frei wird, der das Lumen des neugebildeten Gefässes darstellt. Zwar stösst man bei der Besichtigung von Zerzupfungspräparaten, die mit Car- min gefärbt worden sind, sehr häufig auf Bilder wie eins Fig. 12 dar- stellt. Offenbare Bestandtheile der körnig-faserigen Masse, Kerne und Fäserchen haben eine Anordnung gefunden, die darauf hindeutet, dass aus ihnen ein Gefässrohr sich entwickeln könne, und schon fertige Gefässe mit ausgedehnten Verzweigungen, an denen die kern- haltige Wand deutlich zu erkennen ist, sind derartig theils mit blo- sen Fäserchen, theils mit Kernen jener Substanz bedeckt (Fig. 13 u. 15), dass in der That der Anschein hervorgerufen wird, die kör- nig-faserige Masse sei die Matrix, aus welcher das Gefässnetz sich M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4, 33 514 Dr. Rudolf Arndt: bilde. Allein wenn man genauer zusieht, wird man finden 1. dass neben den mit jenen Gewebstheilchen bedeckten Gefässen sich solche zeigen, die ziemlich glatte Wände besitzen, indem nur hin und wieder .ein mit seinem Fasernetz versehener Kern dem Gefässe anhaftet und dasselbe rauh und zottıg macht, und 2. dass ab und an Gebilde vorkommen, die ganz und gar aus’ spindelförmigen, mit ihren zugespitzten Enden zu langen Reihen aneinander gefügten Zellen bestehen, welche hie und da scheinbar Sprossen treiben, in- dem sich eine Zelle unter spitzerem oder stumpferem Winkel von der Reihe der übrigen abhebt (Fig. 14 a), und die mehr oder weniger ausgesprochene Theilungen eingehen, indem anstatt einer Zelle sich zwei mit dem zugespitzten Ende der vorhergehenden Dritten verbin- den (Fig. 14 b). Von allen im Gehirn vorkommenden Gebilden haben aber eine Aehnlichkeit mit den beschriebenen ganz allein die Gefässe. Diese letzteren als sich entwickelnde Gefässe zu deuten, liegt darum nahe und entspricht den Beschreibungen, welche Auer- bach!), Eberth?), Aeby°) über die Struktur derselben gegeben haben. Machen schon diese Umstände es unwahrscheinlich, dass da- neben noch Gefässbildungen aus anderen Elementen vor sich gehen sollen, so wird diese Unwahrscheinlichkeit zur Gewissheit, als man im Stande ist, die Bildung der Gefässe aus spindelförmigen Zellen an den feinsten Ramificationen auch von solchen Gefässen zu beob- achten, welche ihrem sonstigen Aussehen nach noch immer aus dem Gewebe der körnig-faserigen Masse hervorgegangen sein könn- ten (Fig. 15). An ziemlich grossen Gefässstäimmehen nämlich mit grossen, ovalen Kernen, die mehrere Kernkörperchen enthalten und den anhaftenden, noch mit ihrem eigenthümlichen Filz bekleideten Kernen der körnig-faserigen Substanz ausserordentlich gleichen, ja durchaus ähnlich sehen, sieht man dünne, zarte Zweige, mehr oder weniger mit zarten Fäserchen bedeckt, welche viel kleinere Kerne besitzen und bei genauer Besichtigung ganz aus denselben spindel- förmigen Zellen bestehen, welche wir kennen gelernt haben. Die Besser’sche Annahme über die Entstehung der Hirngefässe ist 1) Auerbach. Med. Centralzeitung 1865. N. 10. 2) Eberth. Würzburg. Sitzungsber. Februar 1865. Würzburg. natur- wissenschaftl. Zeitschrift. Bd. VI. 27 u. 84. 3) Aeby. Medic. Centralzeitung. 1865. N. 14. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 515 darum unhaltbar. Wenn auch die Kerne der sich entwickelnden Gefässe eine grosse Aehnlichkeit mit den Kernen der körnig-faserigen Substanz haben, so darf man sie doch noch nicht mit ihnen iden- tifieiren ; aber man sieht, wie nahe äusserlich ein nervöser Kern einem bindegewebigen stehen kann — und wenn auch der bei wei- tem grösste Theil aller Gefässe im Hirne des Neugeborenen sich ganz und gar von T'heilen der körnig-faserigen Masse bedeckt, von ihnen zottig, ja selbst filzig zeigt, so darf man doch nicht ausser Acht lassen, dass rein mechanische Verhältnisse dies bedingt haben kön- nen, und dass von einem organischen Zusammenhange gar keine Rede zu sein braucht'). Ich halte darum auch alle faserigen Mas- sen, welche sich an den Gefässen finden, für blosse Anhängsel, welche von dem umgebenden Gewebe abgerissen worden sind. Behandelt man die Präparate mit Oxalsäure, so lösen sich die Fäserchen ab und «das Gefässrohr tritt rein und glatt in die Erscheinung, bis es selbst angegriffen und zerstört wird. Wenn man von diesen Verhältnissen sich schon am Gehirne des Neugeborenen die nöthige Ueberzeugung verschaffen kann, so vermag man es doch noch in viel höherem Grade an dem eines Foetus. Nimmt man nämlich von diesem ein Stückchen aus den obersten Partien der Hemisphären, aus jener Gegend also, von der wir gefunden, dass sie zum grössten Theile noch aus embryonalen Bildungszellen besteht, färbt es in carminsauerem Ammoniak und besichtigt es fein zerzupft bei einer Vergrösserung von c. 400mal in Glycerin, so be- kommt man Bilder zur Anschauung, wie eines davon Fig. 5. dar- stellt. Zwischen den langgestreckten embryonalen Bildungszellen, welche sich vielfach verflechten und unter einander zu verbinden scheinen, meistens jedoch eine parallele Anordnung erkennen lassen, zeigen sich Kerne der nervösen Substanz mit ihrem charakteristischen körnig-faserigen Filze, der sich öfters nach einer Richtung auffallend fadenartig verlängert, zeigen sich Capillargefässe und kleinere spin- delförmige oder sternförmige Zellen, welche vereinzelt liegen oder zu diesen Yetzteren sich zusammenzulegen im Begriffe sind. Sucht man nun gut isolirte Gefässe, die sich reichlich in jedem Präparate finden werden, so kann man den Bildungsprocess dersel- ben von ihren ersten Anfängen bis zu ihrer Vollendung verfolgen. 1) Vergl. auch 8. Stricker in Wien, medie. Wochenschrift 1866. 93 u. 94. 516 Dr. Rudolf Arndt: Man sieht die oben beschriebenen Zellenreihen, man sieht aber auch grössere Zellenhaufen, welche die Gestalt von (zefässen haben (Fig. 16). Die grösseren Gefässe scheinen demnach sich nicht aus einfachen Zellenreihen zu entwickeln, wie das zumeist angegeben wird, son- dern ganze Zellencomplexe scheinen von vornherein zu ihrer Bil- dung zusammen zu treten. Besser hat etwas Aehnliches beob- achtet, wie man sich erinnern wird; nur hat er es anders gedeu- tet, und möchte ich darum diesen Vorgang für durchaus gesichert halten. Sucht man weiter, so findet man sehr dünne, zartwandige Gefässe, mit grossen ovalen Kernen, die je nachdem sie mehr eine Flächen- oder Kanten-Ansicht gewähren, mehr rundlich oder mehr länglich, blass ro- saroth oder dunkel contourirt und intensiv gefärbt erscheinen. (Fig. 17.) Daneben aber gewahrt man wiederum andere Gefässe, welche viel dickwandiger sind, deshalb dunkler und etwas glänzend erscheinen, zudem auch dunklere und glänzendere Kerne haben. (Fig. 13.) Jene sind offenbar noch jüngeren Datums, diese gehören den älteren Pe- rioden an. Nicht selten sieht man ausserdem auch noch Gefässe, welche aus einem deutlichen, scharfeontourirten Rohre bestehen, aber von Zellenmassen und Kernen umgeben sind, diese Zellenmassen auch in unveränderter Weise beibehalten, wenn sie in der Flüssigkeit be- wegt, oder wenn sie auf einen andern Objekträger gebracht werden, die Kerne jedoch dabei verlieren. (Fig.19.) Die Zellenmassen stehen darum wohl in einem näheren Zusammenhange mit ihnen, während die Kerne ihnen nur mechanisch anhaften, und die Besser’sche Ansicht erfährt dadurch eine abermalige Widerlegung. Doch fragt es sich, wozu diese Zellen dienen? Jedenfalls zur Verdickung der Gefässwand. Nie aber habe ich beobachten können, ob sich die mitt- leren Häute daraus entwickeln, sondern stets sah ich nur Adventi- tial-Gewebe aus ihnen hervorgehen. Wie um das Anfangs einfache Rohr die Längs- und (uerfasern sich auflagern, muss ich dahinge- stellt sein lassen. Dagegen habe ich den Uebergang von diesen ein- fachen Zellenhüllen um die Gefässe, bis zu der anscheinend struk- turlosen aber kernhaltigen Membran, welche im fertigen Zustande das Gefäss oft wie ein weiter Mantel umgibt (Fig. 20), zu wieder- holten Malen verfolgen können. Somit gilt denn für die Hirngefässe die längst bekannte Entwickelung aus Zellen auch fernerhin. Meinen Beobachtungen Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 517 nach muss ich mich an Hoyer!), Auerbach, Eberth, Aeby an- schliessen, welehe die Gefässe als Intercellular-Gänge ansehen, ob- gleich nachträglich S. Stricker in seinen Untersuchungen über die capillaren Blutgefässe in der Nickhaut des Frosches diese Ansicht zu widerlegen gesucht hat, die Gefässe nach wie vor durch das Ver- schmelzen von Zellenräumen entstanden und somit als Intracellular- Räume aufgefasst wissen will. Gerade solche Bilder wie Fig. 14 b. eins darstellt. wo an der Theilungsstelle nicht eine sternförmige Zelle liegt, wie man das an den meisten anderweitigen Abbildungen zu sehen bekonmt, an deren Ausläufer sich dann andere anschliessen, sondern wo zwei Zellen so aneinander liegen, dass sie auf der einen Seite mit nur einer Zelle. auf der andern mit zweien, eine Gabel bildenden, in Verbindung treten und dadurch eine Theilung der bis dahin einfachen Zellenreihe bewirken, scheinen mir für jene Aut- fassung zu sprechen; denn sehr oft kann man an der Theilungsstelle den intercellularen Raum geradezu sehen. Allerdings kommen andern Orts auch Bilder zum Vorschein, welche viel eher für das Gegentheil sprechen dürften. In der Pia mater des Neugeborenen, in den Hämatomen der Dura mater, in pleuritischen Belägen scheinen die Zellenausläufer nur zusammenzuwachsen und durch sternförmige Zellen sich weiter zu verbinden. Allein einmal sind diese Bilder nicht beweisend, weil trotz der Zartheit und Durchsichtig- keit des Gewebes, in das sie eingebettet sind, die feinsten Endigungen der Zellen doch nicht erkannt werden können, und das andere Mal, wo das möglich ist, weil eine Isolirung stattfinden konnte, hat man an Dehnungen zu denken, auf die Welker gelegentlich der Vasa serosa hingewiesen hat, so dass man in der Beurtheilung der betref- fenden Bilder: nicht vorsichtig genug sein kann. Meines Erachtens dürften deshalb auch viele Abbildungen aus früherer Zeit nur in dieser Art anzusehen sein und von einer weiteren Verwerthung derselben Abstand zu nehmen gerathen erscheinen. Im Artikel I meiner Studien über die Architektonik der Hirn- rinde hatte ich drei Arten von Gefässen beschrieben, welche in der letzteren vorkämen und sich recht wohl nach ihrem Verbreitungs- bezirke unterscheiden liessen. Heute bin ich in der Lage noch weitere Beobachtungen darüber mittheilen zu können. 1) Hoyer. Reicherts u. du Bois-Reymonds Arch. 1865. p. 244. 518 Dr. Rudolf Arndt: Wenn man die mit Carmin gefärbten Schnitte aus der Hemi- sphäre eines fünfmonatlichen Fötus nach Zusatz von Glycerin besich- tigt, gewahrt man einzelne unverästelte Gefässe dieselben in ver- tikaler Richtung durchäringen. Man sieht diese Gefässe von der Peripherie, auf der sie entweder horizontal aufliegen, oder an der sie oberflächlich eingebettet sind, unter einem rechten Winkel in die Hemisphäre eindringen, ohne sich zu verzweigen durch die Region der embryonalen Bildungszellen durchgehen und erst in der Region sich dichotom vertheilen, welche später von dem Mark- lager eingenommen wird. Daneben sieht man in der Region der embryonalen Bildungszellen eine Menge feiner Lineamente welche zum Theil horizontal hinziehen, und bei genauer Beobachtung findet man, dass diese Linien fasst immer gedoppelt sind, dass ihrer zwei in grösserer oder geringerer Entfernung von einander auf längere oder kürzere Strecken parallel miteinander verlaufen. Man kann deshalb’ nicht lange im Zweifel sein, dass diese Linien der Ausdruck der Contouren jener erst kürzlich entstandenen dünnwandigen Gefässe sind, die wir oben kennen gelernt haben, und man muss danach weiter aus ihrer ganzen Anordnung schliessen, dass sie die Gefässe der Hirnrinde sind, welche erst später in ihrer wahren Gestalt zur Erscheinung kommt. Und da diese Gefässe fast die ganze Region der embryonalen Bildungszellen einnehmen, ist ferner der Schluss gerechtfertigt, dass die letztere fast in ihrem ganzen Umfange zur Hirnrinde, d. i. zur grauen Substanz verwandt wird. In Bezug auf die genannten Gefässe lässt sich nun sagen, dass, alle verzweigten Gefässe der Hirnrinde einer späteren Zeit, zum Theil erst der Zeit nach der Geburt angehören, dass hingegen die unverzweigten Stämmchen derselben, die durch sie hindurchgehen, um erst im Marklager sich dichotom zu vertheilen, die ältesten der Hemisphären überhaupt sind. Das anscheinend so sonderbare Verhalten der Hirngefässe beim Ewachsenen, das durch die Häufigkeit seines Vorkommens eine Gesetzmässigkeit bekundet, findet hierdurch seine einfache Erklärung. Die unverästelten Gefässchen finden sich zwar in der ganzen Hirnrinde vor, am dichtesten beisammen traf ich sie jedoch in den Intergyriis. Wenn man berücksichtigt, dass bei dem Wachsthum der Hirnoberfläche die Theile, welche sich zu Gyris ausbilden, sich auch am meisten der Fläche nach ausdehnen, so ist ersichtlich, warum dies sein muss. Die Anfangs unter sich parallelen Gefässe müssen in ihnen, je näher der Peripherie, um so Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 519 mehr auseinander weichen. Sie liegen darum entfernter von einander als in den Intergyriis, wo ein solch energisches Wachsthum nicht stattfand, und convergiren nach dem Mlttelpunkte des Gyrus zu. Da indessen in den Intergyriis auch eine Massenzunahme stattfindet, wegen der Aneinanderlagerung der einzelnen Gyri aber nicht an der Peripherie sondern am Boden der Hirnrinde, so müssen die hier vorhandenen Gefässchen auch auseinander weichen; aber sie werden divergiren. Da endlich alle grösseren Gefässe sich schon zu einer Zeit bilden, in der von einer Gyrisformation noch keine Spur sicht- bar ist, so müssen sie auch das Loos der schon längst vorhandenen älteren Gefässe theilen. Sie convergiren deshalb in den Gyris und divergiren in den Intergyriis. Zugleich ist aber auch daraus zu ent- nehmen, warum 1. alle Gefässe die Rinde senkrecht durchsetzen müssen, und warum nur ausnahmsweise einmal, in Folge von Wachs- thumsanomalien, ein den obersten Partien allen angehörendes Gefäss die Rinde in schräger Richtung durchbohren wird, 2. warum alle Verzweigungen der Rinden-Gefässe rechtwinklich sein müssen. Ich habe diesen letzteren Punkt bisher noch nicht berührt ge- habt, aber schon früher ihn ausdrücklich betont. Jetzt nur folgendes. Wenn man die Gefässe in einem Schnitte aus der Hirnrinde eines Neu- geborenen betrachtet, so sieht man dieselben sich fast durchweg spitz- winklich verästeln, was beim Erwachsenen nur sehr selten und aus- nahmsweise vorkonmt. Es ist aber ganz klar, dass bei der Zunahme und Ausdehnung der Hirnoberfläche, bei der Verbreiterung und Ver- länserung der Gyri und Intergyria, die zur Hirnoberfläche schräge 'Riehtung der Gefässe sich ändern und in eine derselben horizontale übergehen muss, was denn die rechtwinkliche Verzweigung natür- lich zur Folge hat. -Aus dem Verhalten der Gefässe der Hirnrinde, namentlich aus dem derältesten, lassen direkt sich zwei Schlüsse ziehen, 1. über die Entstehung der Pia mater, 2. über die Bindegewebskörperchen der Hirnrinde; als dritter schliesst sich daran ein solcher über das Wachsthum des terminalen Fasernetzes. Nach Reichert!) entwickelt sich die Pia mater zusammen mit der sie bedeckenden Arachnoidea aus der Rindenschicht des fötalen Gehirns und zwar in einer ziemlich späten Zeit. Reichert sieht 1) Reichert. Bau des Gehirns. II. pag. 44 und 181. 520 Dr. Rudolf Arndt: darum die beiden Häute als zum nervösen Organe gehörig an und will sie nicht mehr als selbstständige, von einander unabhängige Bildungen, sondern als Blätter einer einzigen Haut oder Hülle des Gehirns erachtet wissen. Er nennt sie dem entsprechend die äussere Hülle des Gehirns. — Damit ist dieser Autor aber nicht allein der alten Lehre von der Pia mater und Arachnoidea, wie sie namentlich von Bichat aufgestellt worden ist und heute noch Geltung hat, entgegen getreten, sondern er hat auch in Bezug auf ihre Entstehung sich mit dem Herkömmlichen in Widerspruch gesetzt. Der allgemeinen Ansicht nach entwickelt sich nämlich die Pia mater im Verein mit der Dura schon sehr früh von den Rückenplatten aus und wird der Boden, von welchem die gesammten Gefässe des Gehirns und somit auch die Adergeflechte hervorgehen. Selbst Kölliker!) ist noch ähnlicher Ansicht. Wenigstens lässt auch er die fragliche Membran schon früh vorhanden sein und aus ihr die letzterwähnten Gebilde ent- stehen, während nach Reichert dieselben lange existiren, ehe jene zum Vorschein kommt. Ich habe keine Gelegenheit gehabt einge- hende Untersuchungen über diesen Gegenstand anzustellen. So weit ich mich indessen über denselben habe informiren können, spricht Kölliker nur von der Pia mater spinalis, welche beim Hühnchen sich schon am vierten Tage sichtbar mache, und von der aus sodann, von der Gegend des vierten Ventrikels her, die Plexus chorioides hervorsprossen ?). Von der Pia mater cerebri hat Kölliker derartiges nicht berichtet. Auch habe ich auf dieselbe Bezügliches in dem neuesten Werke von His>) bis jetzt vergeblich gesucht; sie ‚allein aber geht meine Beobachtungen, die ich in Fol-' gendem kurz mittheilen will, an. Nach diesen ist die Pia mater als selbstständige Haut im fünf- monatlichen Fötus noch nicht vorhanden. Alles, was auf ihre etwaige Anwesenheit hindeutet, sind die an den Hemisphären horizontal verlaufenden ältesten Hirngefässe, sonst aber nichts. Nur Kerne und bei stärkerer Vergrösserung Zellen, Janggestreckte, embryonale Zellen sind es, welche die Zwischenräume zwischen den Gefässen aus- füllen, und esist natürlich, dass man annimmt, aus diesen Kernen — ob 1) Kölliker. Entwicklungsgeschichte pag. 263. 2) ibid. p. 245. j 3) Untersuch. über d. erste Anlage d. Wirbelthierleibes. Erste Ent-' wicklung d. Hühnchens im Ei. Leipzig 1868. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 521 aus ihnen oder von den Gefässen her, das ist für mich augenblick- lich gleichgültig — entwickele sich das Bindegewebsstroma der späteren Haut. Das für mich Wesentliche hierbei ist gegenwärtig nur, dass die Pia mater sich unmittelbar an der Peripherie der Hemisphären entwickelt. Die Bindegewebskörperchen, aus denen ihr Stroma sich zusammensetzt, liegen den eigentlichen Gehirntheilen unmittelbar und eine Zeit lang untrennbar auf. Und, wie man sich noch im Neugeborenen überzeugen kann, wo sie schon etwas in die Hirnsubstanz eingesunken sind, sie liegen ihm reichlich auf, so dass sie eine besondere Schicht bılden, die wie Fig. 1 zeigt, sogar ziem- lich breit ist, und am kleinen Gehirn eine so starke Entwicklung er- fährt, dass sie von Hess!) und F. E. Schulze?) im Gegensatz zur eigentlichen Körnerschicht desselben als äussere Körner- schicht« beschrieben worden ist. — Nicht alle der vorhandenen Binde- sewebselemente werden indessen zum Stroma der Pia mater verwandt. Ein Theil bleibt an der Peripherie liegen. Aber wie Hess das für die Rinde des kleinen Gehirns angegeben hat, mit dem Wachsthum des Gehirns, mit der Entwicklung des terminalen Fasernetzes, das sich zwischen sie hineindrängt, kommen sie mehr und mehr auseinander und tiefer in dasselbe hinein. Schliesslich erscheinen sie in der ersten und zweiten Schicht der Rinde als die zerstreuten, blassen Kerne, die vereinzelten sternförmigen, mit stielrunden Fäden zusammenhängen- den Zellen, die wir oben kennen gelernt haben, und die ich in Bd. II d. Arch. näher beschrieben habe. Dass es das terminale Fasernetz ist, durch dessen weitere Entwicklung das Wachsthum der Hemisphären bewerkstelligt wird, davon kann man sich überzeugen, wenn man das Hirn des Neuge- borenen mit dem des Erwachsenen vergleicht. Ganz davon abge- sehen, dass die zweite Schicht, welche grösstentheils aus Elementen des terminalen Fasernetzes besteht, bei letzterem breiter ist, was gleich in die Augen fällt, so liegen auch die sämmtlichen Ganglien- körper, so dicht wie sie auch immer aneinander gedrängt sein mögen, in ihm doch viel weiter auseinander, als die Kerne in jenem. Das Auseinanderrücken dieser muss bei ihrer Umbildung zu Ganglien- 1) N. Hess. De cerebelli gyrorum textur. disquisit. microscopie. Dissert. inaugur. Dorpat. 1858. 2) F. E. Schulze. Ueber den feineren Bau d. Rinde d. kl. Gehirns. Rostock 1863. 522 Dr. Rudolf Arndt: körpern also durch Massenzunahme des terminalen Fasernetzes erfolgt sein. Daraus ergiebt sich denn als Ferneres, dass wenn ich in Obigem von einer Aneinanderlagerung der Elemente der körnig- faserigen Substanz zu Ganglienkörpern und Nervenfasern gesprochen habe, ich nicht eine faktische Umlagerung der schon vorhandenen Theile gemeint haben kann, sondern den Ausdruck nur bildlich senommen habe. In der That geht die Bildung der Ganglienkörper und Nervenfasern durch Neubildung aus den schon vorhandenen lBlementen vor sich. Die Neubildung erfolgt aber, wie überall, in einer dem vollendeten Ganzen entsprechenden Weise. Physikalische Verhältnisse, Ort und Raum, Druck und Gegendruck mögen dabei eine grosse Rolle spielen, allein kaum werden sie in der ausge- sprochenen Weise sich geltend machen, wie Besser es anzunehmen scheint. Fassen wir die Resultate der zuletzt besprochenen Unter- suchungen kurz zusammen, so ergiebt sich: 1. Die Gefässe der Hirnrinde wie der ganzen Hemisphären ent- wickeln sich aus spindelförmigen Zellen, welche mit den eigentlich nervösen Elementen nichts zu schaffen haben. 2. Je nachdem die Gefässe früher oder später sich entwickelt haben, sind sie unverästelt oder verästelt. — Die einfachen dünnen Röhreken, welche die Hirnrinde des Erwachsenen durchdringen, um sich erst im Marklager zu verzweigen, sind die ältesten Gefässe der Hemisphäre, während alle verzweigten Gefässe den späteren Entwicklungsstadien, oft erst der u. nach der Geburt angehören. 3. Die Pia mater cerebri entwickelt sich erst in einer verhält- nissmässig späten Zeit (wahrscheinlich von den Gefässen aus), und von ihr stammen die Bindegewebskörperchen her, welche als solche sich sicher in der Hirnrinde nachweisen lassen. 4. Das Wachsthum der Hirnrinde selbst geschieht durch Zu- nahme der Elemente des terminalen Fasernetzes. Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 523 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV. Fig. 1. Durchschnitt durch die dritte Frontalwindung eines zwei Tage alten » ausgetragenen Kindes. Verer. 250—300 mal. a. Erste Schicht, fast nur aus Bindegewebskörperchen bestehend, zwischen denen einige Partikelchen der körnig -faserigen Substanz zum Vorschein kommen. b. Zweite Schicht. aus körnig-faseriger Masse, dem späteren termi- nalen Fasernetze bestehend, mit zerstreuten Bindegewebskernen und einigen wenigen nervösen Kernen. — Zahlreiche Capillargefässe. e. Dritte Schicht, aus dicht gedrängten nervösen Kernen. d. Vierte Schicht, aus zerstreuten, etwas grösseren nervösen Kernen bestehend, zwischen denen die körnigfaserige Substanz zum Vor- schein kommt. eo. Fünfte Schicht, zum grössten Theile aus der körnig-faserigen Sub- stanz gebildet. In derselben zerstreute nervöse Kerne und Anfänge von Ganglienkörpern. In der Mitte der Schicht eine diehtere Lage von Kernen, welche unter Umständen sich zu einem besonderen Stratum entwickeln kann. Sechste Schicht, aus dicht gedrängten kleinen Kernen, gg Siebente Schicht, aus zerstreuter stehenden, etwas grösseren Ker- nen nervöser Natur zusammengesetzt. h. Markleiste mit Kernen und Gefässen. Nervenfasern sind noch nicht sichtbar. Partie aus der Hirnrinde eines zwei Tage alten ausgetragenen Kindes. Vergr. 450—500mal. Chromsäurepräparat. Die faserige Grundsubstanz mit zahlreichen ausgesparten Räu- men lässt nur Gefässe, aber noch keine Nerven erkennen. Auch die einfachen dunkelen Linien beziehen sich nur auf Gefässcontouren. Dagegen sind schon ziemlich weit entwickelte Ganglienkörper vor- handen, von denen einige deutliche Umbiegungen ihres Spitzenfort- gl . . . “Ir . . satzes zeigen. Bei a liegen zwei Kerne in einem ausgesparten Raume. Bei b. Gefässdurchschnitt. . Partie aus dem Marklager eines zwei Tage alten ausgetragenen Kindes. Vergr. 450—500mal. Chromsäurepräparat. Das Gewebe erscheint auch hier nur leicht streifig, ohne deutliche Nervenfasern erkennen zu lassen. In demselben sind sehr weit aus- gesparte Räume mit Gefässen und ein bis drei Kernen. a. Gefäss- durchschnitte. » » » u S _ 9. 10. 12. 13. 14. 16. Dr. Rudolf Arndt: . Durchschnitt durch die Hemisphäre eines fünfmonatlichen Fötus. 250 bis 300 mal vergrössert. Chromsäurepräparat. a. Schicht der embryonalen Bildungszellen. b. Schicht aus Kernen und körnig-faseriger Substanz bestehend. Das Ganze wird von einfachen, senkrecht absteigenden Gefässen durchzogen, die der Peripherie horizontal aufliegen und erst in b sich verästeln. — Die I.incamente in a entsprechen den Contouren nengebildeter Gefässe, die in b neuentstandenen Nervenfasern. . Zerzupfungspräparat aus der Hemisphäre eines fünfmonatlichen Fötus. Carmimpräparat c. 500mal vergrössert a. Einbryonale Bildungszellen. b. Körnig-faserige Substanz mlt Kernen. c. Sternförmige Zellen, die vielleicht zu Gefässbildungen sich verbinden. d. Gapillargefässse, stellenweise schr kernreich. Embryonale Bildungszeilen mit Carmin, Embryonale Bildungszellen mit Natron, Embryonale Bilduneszellen mit Oxalsäure behandelt und Vepz durch Hartnack’s Syst. 9. Partie aus dem künftigen Marklager eines fünfmonatlichen Fötus. Zerzupfungspräparat c. 500 mal vergrössert. Dasselbe mit Garmin behandelt und vergrössert durch Hartnack’s Syst. 9. Kerne und sich bildende Nervenfasern. . Dasselbe mit Oxalsäure behandelt und ebenfalls durch Hartnack's Syst. 9. vergrössert. — Kerne und bei a. breite, stark lichtbrechende Axencylinder, bei b. sehr feine, nur erst aus einem dünnen Fädchen bestehende Axencylinder, bei c. Reihen von Kügelchen und .Körnchen. welche durch den Zerfall sehr junger Axeneylinder entstanden sind. Die Körnchen und geschwänzten Kügelchen sind aus einer Umwandung des körnig-faserigen Gewebes hervorgegangen. Partikel der körnig-faserigen Substanz, die sich mit ihren Kernen zu einem Gefäss zusammenzulegen scheinen. — Aus dem Gehirn eines Neugeborenen. Vergr. c. 400 mal. Neugebildetes Gefäss mit anhaftenden Kernen und Partikeln def körnig- faserigen Substanz. — Aus dem Gehirn eines Neugeborenen. Vergr. ce. 400 mal. Gefässneubildung aus spindelförmigen Zellen. Bei a und b Theilung des sich bildenden Gefässes. — Aus dem Gehirn eines Neugeborenen . 400 mal vergrössert. Gefäss mit zahlreichen Kernen und Partikeln anhaftenuder körnig-fa- seriger Substanz. Bei a. Weiterentwicklung desselben durch spindel- förmige Zellen. — Aus dem Gehirn eines Neugeborenen. — Vergr. e. 400 mal. Gefässneubildung aus dem Gehirn eines fünfmonatlichen Fötus (Hart- nack Syst. 9.) Fig. 17. » » Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. 525 18. 1% » 20. » » Neugebildetes, kernreiches Gefäss aus dem Gehirn eines fünfmonat- lichen Fötus. (Hartnack Syst. 9.) Aelteres Gefässstämmchen aus dem Gehirn eines fünfmonatlichen Fö- tus. (Hartnack Syst. 9.) Gefässrohr mit sich bildendem perivaskulärem Canal. — Aus dem Gehirn eines fünfmonatlichen Fötus. (Hartnack Syst. 9.) Gefäss mit perivaskulärem Canal, dessen Wand sich bei a um das Gefässrohr gedreht hat. — Aus dem Gehirn eines Neugeborenen. — c. 400 mal vergrössert. Taf. XXV1. a—p, e—n., A—D stellen verschiedene Stadien der Ganglienkörper-Ent- E 158 wicklung aus den Kernen der körnig-faserigen Substanz eines zwei Tage alten ausgetragenen Neugeborenen dar, und zwar a—i aus dem Stirnlappen, k—p aus der Centralwindung, &—n aus dem kleinen Ge- hirn, A—D aus der Substant. nigra peduneul. cerebr. (Vergr. e. 500mal.) B. Ganglienkörper aus der Substant. nigra eines Neugeborenen mit zwei Kernen. Fig. © mit spindelförmigem. D mit mehr ovalem Kern. Vergr. 500mal. A. Ganglienkörper aus der Substant. nigra eines Neugebo- renen, dessen Kern zwei Kernkörperchen zu produciren scheint. (500 mal vergrössert.) u. F. Ganglienkörper aus der Substantia nigra pedune. cerebr. eines Neugeborenen. (Hartnack Syst. 9.) Kerne von der Form des Gan- glienkörpers und mit zwei Kernkörperchen. Die feineren Fortsätze x von E lösen sich in die körnige-faserige Substanz auf. u. I. Ganglienkörper aus der Substant. nigr. pedune. cerebr. eines Neugeborenen. (Hartnack Syst. 9.) Kernkörperchen mit sogenannten Kernkörperchenfäden. Ganglienkörper aus der Subst. nigra pedune. cerebr. eines Neuge- borenen. (Hartnack Syst. 9.) Durch 1. 2. 3. sollen die verschiedenen Lageveränderungen der sogenannten Kernkörperchenfäden dargethan werden, welche durch das Heben und Senken des Tubus hervorge- bracht werden. Wenn 1. ein Bild ist, das bei einer gewissen Ein- stellung zur Anschauung kommt, so entsteht 2. durch Senken, 3. durch Heben des Tubus. . Geschrumpfter oder verbogener und frei gewordener Kern eines Ganglienkörpers der Substant. nigra pedune. cerebri eines Neuge- borenen mit Kernkörperchenfäden in 1.,. die durch Verschieben des Tubus in 2. eine ganz andere Lage angenommen haben und in 3. sich als unregelmässigen, breiten, glänzenden Streif (Sprungfläche) heraus- stellen, der die ganze Kerndicke einnimmt. (Hartnack Syst. 9.) u. M. Isolirte Ganglienkörper aus der Grosshirnrinde eines Erwach- senen mit verschiedenen Faserzügen, welche in die einzelnen Fortsätze übertreten und zum Theil vom Kern auszugehen scheinen. Die Basal- fortsätze verschwinden in der körnigfaserigen Substanz. Beide Spitzen- zı [097 Dr. Rudolf Arndt: fortsätze beschreiben Bogen. Der von M biegt sehr bald nach seinem Abgange vom Körper um und geht dem Anscheine nach in eine dun- kelrandige Nervenfaser über. (Macerationspräparat. Hartnack Syst. 9.) e. N. Isolirter aber seiner Fortsätze beraubter Ganglienkörper aus der Grosshirnrinde eines Erwachsenen mit Faserzügen und unregelmässigem Kerne, von dem scheinbar in 1. ein heller und in 2. ein dunkler Fort- satz abgeht. Hell und dunkel ist aber nur durch die Einstellung be- dingt, von der auch in 1. das Sichtbarwerden der Kernkörperchen- fäden abhängt. (Macerationspräparat. Hartnack Syst. 9.) O. Ganglienkörper-Anastomosen aus der Substant. nigra peduneul. cerebri eines an progressiver Paralyse Verstorbenen. e. 400 mal vergrössert. P. Bei der Maceration in einer diluirten Lösung von doppelt chrom- sauerem Kali frei gewordene Ganglienkörperkerne mit Fortsätzen. 1. 2. 4. 5. aus der Grosshirnrinde, 3. aus der Substant. nigr. pedune. cerebri eines Erwachsenen. Vergr. durch Hartnack’s Syst. 9. Q. Ganglienkörper aus dem Cerebellum des Schafes mit Kernen, welche die Form des Körpers angenommen haben. Zur Präparation wurde Jodserum angewandt. Vergr. e. 400 mal. Anzeige. Ich empfehle zum Ankaufe meine selbst bereiteten physiolo- l pny gisch-chemischen Präparate (die in der Pariser Ausstellung im Jahre 1867 mit einer Preismedaille gekrönt worden sind) entweder einzeln oder in ganzer Sammlung (88 Stück), je nach dem Quantum zu 60, 80 oder 100 fl. sammt den Gläsern. Preiscourant über dieselben steht zu Diensten. Auch empfehle ich meine blaue Injeetionsfarbe (nach Brücke), 100 Grammen zu 2 fl., das Pfund — 500 Grammen zu 9fl. — Ferner liefere ich die von Herrn Geh. Rath Prof. Helm- holtz angegebenen (in der betr. Abhandlung Pflüger’s Archiv der Physiologie 1. Heft erwähnten) Modelle über die Mechanik der Ge- hörknöchelchen. Heinrich Sittel Diener am physiologischen Institut der Universität Heidelberg. Druck von Carl Georgi in Bonn, Archiv f. mikroskon. Anatomie. Ba.W. Taf. I. J Fri. de gz z MHagenschneber sc —— ——— —. , Wagenschieber sc. - De Erreon Man BB e7 er x r F b e IRIGRR ui ‚ ? 777777707 u “ El UM Archiv f mikroskon. Anatomie. Ba. I . = j i Archiv f. mukroskon. Anatomie. Ba. Soimalbe da. n 4 Ari FE makteskap Anatomie. Dr Archiv f mikroskon, Landors dd Anatomie BaM. WW Taf ; [7 ah Kur Am l Kin AN Nut N nn A | N MI ÄERRENR u N Hit ! hut u, Ü Aare" Kun hir N Kun KÄNE! An ER RR KERA R LERR SS OLTRN UN HA BIN ZART A 1 \ Kir, W Kun nn ja j AN 7 BI NN RR ln er \Meet Ik Ich Magense U. k h h ueber sc BE 5 TE = ee z Er : ä 0% Archiv f. mikroskon. Ana tomie. Bd. Menfen. # Witnaach del, mikraskop: Anatomie. Bd. - lee : E Uenfen et Wittmaack del. en nik kn: Anateino, BAM sa F ee EI nr In h z al 4 I . + J EM M l . > f ! / Di 4 f Bi B “ ) h A - PURE? ; N } ‘ | R, “ N x . | E A . r “| i | D ) | j a Krilkroskon Anatomie, BEDE Nürli de. ’ ; - B Magenschieber sc, wu PIE GR Pe ME en Se Lern “ “ NE PURE RR Fu F . 3 2 Hagenschacher sc N j ı 2 e , N x x e ’ . } j) _ - = | % oN 1270) [ex uf Anatomie. Ba Par ie Archiv A BL UP naogpup "dosgoayna fl anpıp . SC. Mi Andio: Fonnleoskön. Anatomie. Ba... " mikroskon. Anatomie. Ba.IV. - ' l “ A / | | N N y ih i j j hr » 2 F Sl u I ! . u ’ Archiv vi mikroskon . Anatomie. B dl. | I _—— . Wugerschieber sc . & En u Archiw throskon. Anatı Em Zn E2 — er > DB II Ba. Archiv f mikroskon. Ana Taf XXI. Kr the Sr Fißl. Archiv f mikroskop. Anatomie,Bd. IV. Manz a Br 65... D> \ \ A \ \ AN \ Ya \ SS 2 V NN \Nh Sy Ä\N I \ N N R ya) IA f S alı k INN ‚® \\ % NA A Lieh.Anstv..Ö.Bach, Leipzig a Taf XXI. Archio f£ mikroskop. Anatomie, Bd. IV * In, a u FACE Litn.Anat.v.0.0. Bach, Leipzig Taf. KU. Archiv [. mikroskon. Anatomie. Ba chieber sc agensc Wi J N: £ mukroskon. Anatomie. BaN. CET — 200 52 2 > “ R PROZÄSNU Bremen ern. 7 EETETE BE 5 ’ r. rchiv # mikr. Anatomie Bd\l Y. = kun, Angı.v.n.6.Bach Leipzig. Arast oelin I - Se \ Er; 5 Fa 4 We | B > E* \ = 2 u \ { en .ar \ i h ” j PR - R ke f in Ir ZN 2 N he e h HS - ur < Ä D - = * ER r - er : \ N > “ i = 4 > f « in mol; \ Se Zu ' n Er s \. In 1 BE un. | j 3 Eu 2 hi = ’ u 1 a - # e [ ; r Are KORB Tune ER In r ji ; ’ j A: j ® VERNE ab Mi » , t de Ö f ia ! FE TLe v \ uk, ihr > 4 Es A .. MR 2 X * sa ni . ei REdY J F Y. 2 a n y “ v i E \ 3 1% N j.w! “ E A Ei 5 + ) F x & ni r in 3 3 nr Archiv £ mikr. Anatomie. Bd.IV. In Arndt delin. Lit. Anst.u.d.0. Bach, Leipzig. VVYVUVIIUNINANNNINININ IN AN ANANNAND Archiv für ) Mikroskopische Anatomie herausgegeben \ | | | | . Max Schultze, | | Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts in Bonn. ‘ $ ? $ 3 | Vierter Band. Erstes Heft. Mit 7 Tafeln. \ | ? Bonn, N S Verlag von Max Cohen & Sohn. a I 1868. ” f - \ Inhalt. Seite. Das adenoide Gewebe der Pars nasalis des menschlichen Schlundkopfes. Von Prof. Dr. Hubert v. Luschka. Hierzu Tafel IL. . . 1 Ueber Zapfen und Stäbchen der Retina. Von Dr. W.Steinlin. Hierzu Tafel II. 3 . 5 j e : E : . 10 Bemerkungen zu dem Kukkälne des Dr. W. Steinlin. Von Max ; Schultze . ; ; ; 5 22 Ueber die Purkinje’schen Fäden. y Dr. Maz ende Hierzu Tafel II. BR: .. 3 : - Erd 26 Ueber den Bau der Soindlranglien nebst Henerkunken über die sym- pathischen Ganglienzeller. Von Dr. G. Schwalbe. Hierzu Tafel IV. ; : re ; BE ae i - 45 Untersuchungen über die Dar anilge, Von Franz Boll, stud. med. Hierzu Tafel V. . ; ; N! R ö E ; } 73 Das Gehörorgan des Hirschkäfers. (Lucanuscervus). Von Dr. H. Lan- dois. Hierzu Tafel VI. : : ß N 5 E = 88 Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Goselltneckwarsien der Zunge. Von Dr. Christian Love&n. Hierzu Tafel VI. : . . 96 Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. Der Preis der Hefte richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag geheftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. “In der 0. F. Winter’'schen Verlagshandlung in Leipzig und Heidelberg ist soeben erschienen: Die menschlichen Parasiten und die von ihnen her- rührenden Krankheiten. Ein Hand- und Lehrbuch für Natur- forscher und Aerzte. Von Rudolf Leuckart, Dr. phil. et med., o. ö. Professor der Zoologie und vergleichenden Ana- tomie in Giessen. Zweiter Band. 2. Lieferung. Mit 124 Holz- schnitten. gr. 8. geh. Preis 1 Thr. 20 Ngr. Erster Band. Mit 268 Holzschnitten. Preis 5 Thlr. Zweiter Band. I. Lieferung. Mit 158 Holzschnitten. Preis 1 Thlr. 20 Ngr. —_— Im Verlag von Max Cohen & Sohn in Bonn sind eben erschie- nen und durch jede Buchhandlung zu beziehen : M. Schultze. Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insekten. Mit zwei colorirten Kupfer- tafeln. Folio. Elegant cartonnirt 2 Thir. 20 Sgr. W. Preyer. Die Blausäure. Physiologisch untersucht. Erster Theil 20 Segr. Inhalt: Vergiftungsversuche mit warmblütigen Thieren: I. Die Athmung. II. Die Herzthätigkeit. Vergiftungsversuche mit kaltblütigen Thieren. Wiederbelebung der Vergifteten. Gegengifte. Anhang: I. Einwirkung des Cyankalium und der Blausäure auf den Blutfarbstoff. II. Die Ursache der Giftigkeit des Cyankalium und der Blausäure. III. Notiz über die Einwirkung des Cyankalium auf Haematin. Bei August Hirschwald in Berlin sind so eben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Beiträge zur Physiologie und Therapie der Thränenorgane Dr. Ulrich Herzenstein. gr. 8. Mit 2 Tafeln. Preis: 20 Sgr. Untersuchungen über die Caries der Zähne von Dr. Th. Leber & Dr. J. B. Rottenstein. gr. 8. Mit 2 lithogr. Tafeln. Preis: 24 Sgr. Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschw eig. (Zu'beziehen durch jede Buchhandlung.) | Lehrbuch der physiologischen Chemie. Von Dr. E. F. v. 6orup-Besanez, ordentlicher Professor der Chemie und Director des chemischen Laboratoriums an der Universität zu Erlangen. Auch unter dem Titel: Lehrbuch der Chemie für den Unter- richt auf Universitäten, technischen Lehranstalten und für das Selbst- studium, in drei Bänden. Dritter Band: Physiologische Chemie. Mit einer Spectraltafel und drei Tafeln in Holzstich, den Münchener Respirations - Apparat darstellend. Zweite, vollständig umgearbeitete und verbesserte Auflage. gr. 8. Fein Velinpap. geh. Preis: 4 Thlr. Das Mikroskop und seine Anwendung. | Von Dr. Leopold Dippel. Erster Theil: Bau, Eigenschaften, gegenwärtiger Zustand, Ge- brauch (Allgemeines) u. s. w. Mit 241 in den Text eingedruckten Holzstichen und einer Tafel in Farbendruck. gr. 8. Fein Velinpap. geh. Preis: 3 Thlr. 20 Ser. Die typhoiden Krankheiten. a Da recurrirender Typhus, De und Febricula. Von Charles Murchison, M. D., Mitglied des Königl. Collegiums der Aerzte, erstem Arzt am London Fever Hospital, Assistant-Physieian und Lehrer der Pathologie am Middlesex Hospital, früher im Medicinalstabe der Armee in Bengalen, Professor der Chemie am me- dieinischen Collegium zu Caleutta, Arzt der britischen Gesandtschaft in Turin und Präsident der Königl. medieinischen Gesellschaft ‘zu Edinburg. Deutsch herausgegeben mit einem Anhange: ‘ Die Epidemie des recurirrenden Typhus in St. Petersburg 1864— 1865. Von Dr. W. Zuelzer in Berlin. Autorisirte Ausgabe. Mit zehn Tafeln und vielen Tabellen. gr. 8. Fein Velinpap. geh. Preis: 3 Thlr. g ; 3 \ h { } | Archiv für _ Mikroskopische Anatomie herausgegeben | |. 9 14-8 von IK :29 | ? 3 Be | Max Schultze, | \ Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts | ..3 in Bonn. | ! | 1:2 nn —— I $ ! R | 5 | R 13 Vierter Band. | > I > I Zweites Heft. 3 Mit 5 Tafeln. 3 ee a a se in _ 3 Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn. 1568. Inhalt. ! Seite. Ueber die Nerven im Schwanz der Froschlarven. Von Dr. V. Hensen in Kiel. Hierzu Tafel VIII u. IX. . 5 111 Ueber die Zellen der Spinalganglien, sowie des Syinsstkreug en Frosch Von L. G. Courvoisier. Hierzu Tafel X. 3 { 125 Ueber den Bau der Thränendrüse. Von Franz Boll, stud. anne Hierzu Tafel XI. A = s £ MT: ‚.146 Ueber die Geschmacksorgane der isethiere und as: Möikchen: Von- Dr. G. Schwalbe. Hierzu Tafeln XU u. XII. PR - 154 Ueber die invaginirte Zellen. Von Dr. F. Steudener, ent in Halle. Hierzu Tafel XIV. ? 3 . h 2 188° Ueber den Bau, insbesondere die Vaterschen Körder; des Schnabels 3er Schnepfe. Von Fr. Leydig in Tübingen. Hierzu TafelXV. . 19 Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. Der Preis der Hefte richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag geheftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. | Preisfrage der Fürstl. Jablonowskisschen Gesellschaft zu Leipzig für das Jahr 1869. Der Raumsinn ist in verschiedenen Theilen der Haut ungleich entwickelt, so dass er in manchen ungefähr sechzigmal feiner ist als in anderen Theilen. Diese Verschiedenheit kann dazu führen, die wesentliche Organisation der Haut für den Raumsinn zu ergründen. Man hat gefunden, dass in Theile der Haut, die sich durch einen sehr feinen Raumsinn auszeichnen, viel dickere oder zahlreichere Nervenbündel eintreten und in denselben endigen, als es in ebenso grossen Theilen der Haut der Fall ist, die einen stumpfen Raum- sinn besitzen. Man fordert, dass verschiedene Theile der Haut in dieser Hin- sicht unter sich sorgfältig verglichen, und die in “ sie eintretenden Nervenbündel gezählt und ge- messen werden. (Preis 48 Ducaten.) Die Preisbewerbungsschriften sind in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache zu verfassen, müssen deutlich ge- schrieben und paginirt, ferner mit einem Motto versehen und von einem versiegelten Zettel begleitet sein, der auswendig dasselbe Motto trägt, inwendig den Namen und Wohnort des Verfassers an- giebt. Die Zeit der Einsendung endet für das Jahr der Preis- frage mit dem Monat November; die Adresse ist an den Secretär der Gesellschaft (für das Jahr 1868 den Prof. Westermann) zu richten. Die Resultate der Prüfung der eingegangenen Schriften werden jederzeit durch die Leipziger Zeitung im März oder April bekannt gemacht. Bei August Hirscbwald in Berlin Beeren so eben und sind durch alle Buchhandlungen: zu beziehen: HAN DBUCH der a. pathologischen Anatomie. Von Dr. E. Klebs, o. ö. Professor in Bern. ERSTE LIEFERUNG: Haut, Gesichtshöhlen, Speiseröhre, Magen. er..8: Breis: „1: Thlr,.210.Sgr- e BINZ, Dr. C., Experimentelle Untersuchungen über das Wesen der ' Chininwirkung. 8. Mit 1 Tafel. Preis 16 Sgr. EIMER, Dr. Th., Zur Geschichte der Becherzellen, insbesondere der- jenigen der Schleimhaut des Darmcanals. 8. Preis 6 Sgr. SCHNEIDER, Dr. P., Topographische Anatomie des Vorderhalses beim Kaninchen und der Kehlkopf desselben. Mit 2 Tafeln. 4. Preis 28- Sgr. In unserm Verlag erschien eben: Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse u. Insekten Max Schultze, Professor der Anatomie und Director des Anatom. Museums in Bonn. Folio, gebunden. Preis 2 Thlr. 20 Sgr. Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. Sn & a Archiv S für ° s ? ? D D s Mikroskopische Anatomie herausgegeben von \ x Max Schultze, ? Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts R in Bonn. Vierter Band. Drittes Heft. Mit 5 Tafeln ININIIINZNDVN NINA TINAN NINA und 1 Holzschnitt. $ Bonn, S Verlag von Max Cohen & Sohn. 1868. Inhalt. Seite. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. Von €. Kupffer, Professor in Kiel. Hierzu TafelXVI XVII und XVII . 2... 209 ° Zur Morphologie der Haare. Von Dr. A. Goette in Tübingen. Hierzu Tatel IX an IR j ER Ra Re Ueber den Heilungsprocess nach ae: erituge Von Dr. E. Neu- mann, a. o. Prof. d. pathol. Anatom. zu Königsberg a. Pr. .. 2.7338 Ueber Wärmemessungen am Mikroskop. Von Dr. Th. En gelmann i in Utrecht, 4.45.37 a ee Ein neuer Öbjecttisch. Alan Dr. en Blaren. Hierzu ein Holzschnitt ur}. ':. AR ei > Bud Die Hämatoxylinfärbung. Eine Nölzen von HM. F DEy an . 345 Bemerkungen zu W. Krause, die Membrana fenestrata der Retina, Vor ET NEL a en. en 3 A Bee Ueber Noctiluca miliaris Sur. Von J. Vietor Carus . - ; . 351 Druckfehler. Seite -148 Zeile 6 v. o. lies platten statt glatten. — 19 — 2 — .— platt statt glatt. — 224 — 8v.u — Ort statt Art. — 250 —10 — -— den statt der. — 25 — 2v.o. — enthält statt erhält. — 260 — 11 — -— Strome statt Stroma. — 260 — 13 v.u. — welchen statt welcher. e — 265 — 13v.o. — je statt ja. — 270 — .3 — — Haut statt Haupt. Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. Der Preis der Hefte. richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag geheftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn, Ge Im Verlage von F. (. W. Vogel in Leipzig ist soeben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Untersuchungen über die Erste Anlage des Wirbelthierleibes Wilhelm His, Prof. in Basel. Die erste Entwickelung des Hühnchens im Ei. Mit 12 Tafeln. hoch 4°. 32 Bogen Text. Eleg. geheftet. Preis 12 Thlr. 15 Sgr. Bei (€. H. Reelam sen. in Leipzig ist erschienen: Weber, Dr. E.H., anatomia comparata nervi sympathici cum tabu- lis aeneis. gr. 8. (11 B.) 1817. 1 Thlr. 5 Ser. Meckel, Dr. J.F., Beiträge zur vergleichenden Anatomie. 2 Bände, . gr. 8. (41 B.) 12 Kupiertafeln. 1812. 4 Thlr. 15 Sgr. Hering, Dr. C. A., commentatio pathologico-anatomica de osteogenesi valvularum cordis praeternaturali. Cum tribus tabulis aeneis. 4. 1820. 1!/, Thlr. Nitzsch, Dr. C. L., osteographische Beiträge zur Naturgeschichte der Vögel, mit 5 Kupfern. gr.8. (SB.) 1811. 25 Ngr. Thienemann, F. A. L., und G. B. Günther, Naturhistorische Be- merkungen, gesammelt auf einer Reise im Norden von Europa, vorzüglich in Island, in den Jahren 1820 bis 1821. 2 Bände. Mit 22 illum. und schwarzen Kupfertafeln. gr. 8. 8 Thlr. Im Verlage von Quandt & Händel in Leipzig ist neu erschienen: Lehrbuch der mikroskopischen Photographie mit Rücksicht auf naturwissenschaftliche Forschungen. Von Dr. ®scear RBeichardt, Assistent am pflanzen-physiologischen Institut in Jena und Carl Stürenburg: Mit 4 mikro-photographischen Abbildungen. Preis 1 Thlr. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Die Photographie als Hilfsmittel mikroskopischer Forschung. Nach dem Französischen von Dr. A. Moitessier. Professor an der Ecole normale zu Cluny. 2 £ ie Mit Autorisation des Verfassers deutsch bearbeitet und durch zahlreiche Zusätze erweitert von Dr. Berthold Benecke, 3 , 5 in Königsberg i. Pr. z 2 Mit 88 in den Text eingedr. Hölzstichen und 2 photographischen Tafeln. gr. 8. Fein Velinpap. geh. Erste Hälfte. Preis 1 Thlr. Bei 6. Basse in Quedlinburg erschienen und in allen Buchhandl. zu haben: Die Mikroskope und ihr Gebrauch. : Oder: Vollständiges Handbuch der Mikrographie, enthaltend eine Beschreibung der Methoden n. Apparate zu mikroskopischen Beobachtungen u. eine Abhandlung über die Desmidien u. Diatomeen. ven Ch. Chevalier. : 4 Bearbeitet u. mit einer Abhandlung über die katadioptrischen Linsen versehen von E'\. S. Kerstein. Zweite Ausgabe. Mit 6 Tafeln Abbildungen. Preis 1 Thlr. 15 Sgr. In unserem Verlage erscheint und kann durch jede Buchhandlung wie durch die Postämter bezogen werden: Be Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere. Herausgegeben von Dr. E. F. W. Pflüger, ord. öffentl. Professor der Physiologie an der Universität und Director des Physiologischen Institutes in Bonn. Jährlich 12 Hefte mit zahlreichen Illustrationen. Preis pro Jahrgang 6°/; Thlr.. Bei der hohen Bedeutung. welche die fortwährenden, oft umgestaltenden neuen Kintdeckungen über die Functionen der Organe des menschlichen Kör- pers für die Einsicht und die klinische Sicherheit des Praktikers nothwendig haben müssen, wird diese Zeitschrift, welche die wichtigsten auf diesem Ge- biete erscheinenden Oiigimalarbeiten umfasst, wie wir zuversichtlich hoffen, gewiss nicht umsonst der wohlwollenden Theilnahme auch der wissenschaft- lichen Herren Aerzte empfohlen. weil alle grossen und namhaften Physiologen Deutschlands an diesem Unternehmen mitwirken. — Die bisher erschienenen Hefte enthalten: Die Mechanik der Gehörknöchelchen und- des Trommelfells. Von H. Helmholtz. Ueber die Ursache der Athembewegungen, sowie der Dispno® und Apnoe. Von E. Pflüger. Ueber den Einfluss des N. vagus auf die Athembewegungen. Von R. Burkart. Untersuchungen über die physio- logische Wirkung der Fleischbrühe. Vorläufige Mittheilung von Dr. E. Kem- merich. Untersuchungen über die physiologischen Wirkungen der compri- mirten Luft. Von Dr. med. P. L. Panum, Prof der Physiologie in Kopen- hagen. Ueber die Unempfindlichkeit der vorderen Rückenmarkstränge für die _ elektrische Reizung. Von Dr. Sigmund Mayer. Ueber den zeitlichen Ver- lauf der negativen Schwankung des Nervenstroms. Von Dr. J. Bernstein. Mit 5 Tafeln. Warum stört in den Magen gelangende Galle den Verdauungs- process? Von R. Burkart. = Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. Bei August Hirschwald in Berlin erschien so eben (durch alle Buchhand- i lungen zu beziehen): a Le cons + ‚sur la Physiologie de la Digestion, ; faites au Museum d’histoire naturelle de Florence we "= Bari % M. Maurice Schiff, 3 Professeur A l’Institut des Etudes Sup£rieures, 2 3 redigees 3 par le Dr. Emile Levier. 3 1868. 2 Bde. gr. 8. Preis: 5 Thl. 10 Sgr. 3 Anzeige. | 3 Herr Mechaniker und Optiker Bredemeyer in Frankfurt a. O., mir seit längerer Zeit als ebenso intelligenter und strebsamer, wie technisch geschickter Künstler bekannt, hat von hier aus eine ansehnliche Quantität frischer Dia- tomeenmasse erhalten, in welcher ausser anderen interessanten Formen, sich der von mir vor Kurzem hier aufgefundene Campylodiseus noricus Ehrb. (be- reits von Herrn Professor Dr. M. Braun in der Geselischaft naturforschender Freunde in Berlin, eingehend besprochen) — in grosser Menge, und versehen mit pseudopodienartigen Wimpern, — lebend vorfindet. Diejenigen geehrten Herren Naturforscher und Liebhaber, welche von dieser frischen Masse zur eigenen Prüfung und Instruktion, zu besitzen „wün- Ä schen, wollen sich deshalb baldigst schriftlich an Herrn Mechaniker Brede- meyer zu Frankfurt a.0. wenden. Derselbe versendet diese Masse gegen Post- vorschuss oder Posteinzahlung von 15 Sgr. Gleichzeitig kann ich nicht ver- f fehlen, die von Herrn Bredemeyer theils selbst angefertigten, theils direet f von Bourgogne bezogenen mikroskopischen Präparate, durch höchste Sauber- } keit und Klarheit ausgezeichnet, den sich dafür interessirenden Herren aufs Lebhafteste zu empfehlen 3 Quartschen, im Mai 1868. Dr. Hermann Itzigsohn. j Be n\... III m —— i I CR 6) Archı “) | TECEN1V > | | SR | für 4 E | E | | 1% - - ® E Mikroskopische Anatomie % RER $ ? herausgegeben | | | | ? } von $ $ 5 ? | | 2 N Max Schultze, ? Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Institut« | | S in Bonn. | 5 N ’ EEE | $ | | Vierter Band. Viertes Heft. \ t Mit 6 Tafeln. | | I: 3 En | Bonn, | Verlag von Max Üohen & Sohn. 1868. FnhaTt. Seite. Ueber den Ciliarmuskel der Haussäugethiere, Von Dr. W.Flemming. Hierzu Taf. XXl u. XXI N N Ai Die Lorenzini’schen Ampullen der Selachier. Von Franz Boll. Hier- ee BE Re N ER REN, 2.5 Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskelfasern. Von Dr.G.Schwalbe. IDEE ERIN. RB N e EE Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen. II. Von Dr. Rudolf Arndt. Privatdocenten in Greifswald. Hierzu EREBRAN URAN. 0.22 ne Be SR Rs BEE Ne Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. - Der Preis der Hefte richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag geheftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. In unserem Verlage ist erschienen und in allen Buchhandlungen vorräthig: Die Naturwissenschaften und der Materialismus. Von Dr. M. &. A. Naumann. 21 Bogen gr. 8. Eleg: geh. 1 Thlr. 24 Sgr. Der Verfasser hat sich Destrebt, den Materialismus einer kritischen Prüfung zu unterwerfen. Dabei stellte sich heraus, dass die Naturerscheinungen, in denen jener die kräftiesten Stützen wie die unwiderleglichsten Beweismittel zu besitzen wähnt, eine solche Bedeutung gar nicht beanspruchen können. Der Verfasser ist im Gegentheil, durch seine Nachforschungen über die eigent- liche und wahre Bedingung des Lebens, zu dem Er gebnisse gelangt, dass diese Bedingung, und zwar ausschliesslich, in der Einverleibung geistiger Substanzen in die Materie und in deren Wıirksamheit innerhalb der letzteren enthalten ist. Schliesslich sucht der Verfasser zu beweisen, dass lediglich von diesem das Verhältniss des Geistes zur Materie richtig erkannt werden könne und dass die wahre Bedeutung der Materie nur durch die Beziehung des Bewusst- seins zum Absoluten begreiflich gemacht werde. Max Cohen & Sohn in Bonn. er - Von der Verlagshandlung dieser Zeitschrift ist zu beziehen: - Kritik der parasitologischen Untersuchungen von Hallier, Zürn, Keber u. A., mit besonderer Be auf den Typhus abdominalis und exanthematieus und Auf die Pocken und Revaceination. Von Dr. Rudolph Weise. Preis 10 Sgr. Observationes de struetura cellularum fibrarumque nervearum seripsit Maximilianus Schultze. gr. 4°. Mit 1 Tafel. Preis 15 Sgr. ' Halle im Pfeffersehen Verlage ist kürzlich erschienen: Chemische Untersuchungen über die fälschlich ai en tet te genannten Substanzen und ihre Zersetzungsprodukte. Von Dr. Herm. Köhler, prakt. Arzt und Trivatdocent. Mit Abbildungen. Ile Bei Max Cohen & Sohn in Bonn erscheint und kann durch jede Buchhandlung wie durch die Postämter bezogen werden: Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere. Herausgegeben von Dr. E. F. W. Pflüger, ord. öffentl. Professor der Physiologie an der Universität und Direetor des Physiologischen Institutes in Bonn. Erster Jahrgang. Jährlich 12 Hefte mit zahlreichen Illustrationen. Preis pro Jahrgang 6°/; Thlr. Die bisher erschienenen acht Hefte (mit 9 lithogr. Tafeln und 19 Holz- schnitten) enthalten : Helmholtz, Die Mechanik der Gehörknöchelchen und des 'Trommelfells. — Pflüger. Ueber die Ursache der Athembewegungen, sowie der Dispno& und Apnoe. — Burkart, Ueber den Einfluss des N. vagus auf die Athembewe- gungen. — Kemmerich, Untersuchungen über die physiologische Wirkung der Fleischbrühe. — Panum, Untersuchungen über die physiologischen Wir- kungen der comprimirten Luft. — Mayer, Ueber die Unempfindlichkeit der vorderen Rückenmarkstränge für die elektrische Reizung. — Bernstein, Ueber. den zeitlichen Verlauf der negativen Schwankung des Nervenstroms. — Burkart, Warum stört in den Magen gelangende Galle den Verdauungspro- cess? — Aubert u. Röver, Ueber die vasomotorischen Wirkungen des Ner- vus vagus, laryngeus und sympathicus. — Zahn, Veber verstärkte Wirkung unipolarer Induction durch Influenz. — Jaffe, Untersuchungen über Gallen- pigmente. — Pflüger, Ueber die Geschwindigkeit der Oxydationsprocesse im arteriellen Blutstrom. — Preyer, Ueber anomale Farbenempfindungen und die physiologischen Grundfarben. — Donders, Zur Physiologie des Nervus vagus. — Pflüger u. Zuntz, Ueber den Einfluss der Säuren auf die Gase des Blutes. — Exner, Ueber einige subjective Gesichtserscheinungen. — Preyer, Ueber einige Eigenschaften des Haemoglobins und des Methämo- globins. ’ Bonn, Druck von Carl Georgi. PREIS ES. SERRE BE Be Rn 77 SE ia . De Ds Milz a br hr eg ee m. 2 Re, ie m i Dr eg Bine x ge 137 mich ee . x Prag