RR ! RR Ye er EEE, IE ER ze U IN f are N Bye RER > EN NURH N Bi a: KG, x “ Aria 17 : ER AR 00: £ SUR res 0 x BLREL NEN \ in Se Sr [ RN h, EG N 5 x i R EN er % AN Let & Ei BRUCH AR y > RE GERDRER, Ä X 4 U KR NUHROL RR KERLE EEE Rh {\ 20, af Ka | SER y Ye RT, WERTE ATATARSIRE, L f RG ® N RL Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von Max Schultze, Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts in Bonn, Neunter Band. Mit 32 Tafeln und 3 Holzschnitten. Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn. Mae! EICH TR AST 20 „onbkadad zu Ei ER ‚Ra BR DIE Se LL uk muoE IR | ar 2 bs Ihn mayl - mihndı Fıtl bug I im T RR w.; N u nee ee ehe A ‚auseanäl Kr. J as er wir 8 ala ey INLERE M f , u AR in a Inhalt. at Pi Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwicklung. Von Dr. F. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. I. i Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. Von ?. Tergast, Et med. in Göttingen. Hierzu Taf. II. : Ueber Noctiluca miliaris Sur. Von Prof. L. a Hierzu Taf. IH. IV und V. i : : Die lIymphoiden Drüsen auf der Oberfläche Be schereni, Von Dr. Richard Hertwig. Hierzu Taf. VI. : - s Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes im Netz- knorpel. Von Dr. Oscar Hertwig. Hierzu Taf. VII. Die Untersuchungsmethode des Centralnerven-Systems des Menschen. Von Prof. W. Betz in Kieff. Mit 2 Holzschnitten. = Nachträgliche Bemerkungen zur Kenntniss der Vibrioniden. Von Dass Grimm in St. Petersburg. ? \ : ; ; Eine Einbettungsmethode. Von Dr. W. Flemming, Prosector in Brig, Die Mikroskope von R. Winkel in Göttingen. Von Fr. Merkel. . Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. Von Dr. V. Graber, Privatdocent an der Universität zu Graz. Hierzu Taf. VIII—X. Ueber die Nervenendigung an den Tasthaaren der Säugethiere, sowie über die feinere Structur derselben. Von Dr. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Taf. XI und XI. , Ueber die Nerven der Hornhaut. Von Prof. H. Hifor in Mibradkan; Hierzu Taf. XII. ; - h : 1 : ; Notiz über die Ranvier’schen Sehnenkörper. Von Dr. A. Gruenhagen in Königsberg i. Pr. Hierzu Taf. XIV. . 4 ; ; Zur Frage über die Iris-Musculatur. Von Dr. A. Gruenhagen in Königsberg i. Pr. i : i ; ; h 4 i - Der quergestreifte Muskel. Von Prof. Dr. Fr. Merkel in Rostock. II. Der Contractionsvorgang im polarisirten Licht. Hierzu Taf. XV. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. Von Prof. Axel Key und Dr. Gustav Retzius in Stockholm. Hierzu Taf. XVI, XVII und XVII. Ä 2 e ‘ 8 : - h Das Verhältniss von Drüsennerven zu Drüsenzellen. Von C. Kupffer. Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. Von Dr. Alexander Goette. - — Seite 1 36 47 62 80 IV Inhalt. Seite Beiträge zur Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahr- nehmung. Von Dr. E. Abbe, ao. Professor in Jena. I. Die Construction von Mikroskopen auf Grund der Theorie. 413 II. Die dioptrischen Bedingungen der Leistung des Mikroskops. 418 III. Die physikalischen Bedingungen für die Abbildung feiner Structuren . k n : . 440 IV. Das optische ante ae en . : . 456 Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. Von Dr. E. Alle, ao. Professor in Jena. Hierzu ein Holzschnitt. \ # : . 469 . Untersuchungen über die Endigung der Nerven in den quergestreiften Muskelfasern. Von Dr. Rudolf Arndt, Privatdocenten in Greifs- wald. Hierzu Taf. XIX, XX und XXI . L . 481 Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges. (Aus de Tao Prof. Langer’s in Wien) Von Dr. V. Mihalkovics aus Pest. 591 Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Von Dr. F. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. XXII und XXI. \ i . 598 Ueber die Drüsen des Nierenbeckens. Von Th. Egli, kart am patholog. Institut in Zürich. Hierzu Taf. XXIV. . Ä . 653 Einiges über Infusorien. Von O. Bütschli. Hierzu Taf. XXV und XXVI. 657 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere.e. Von Dr. Alexander Götte. Hierzu Taf. XXVI. . ; . 679 Ein Beitrag zur Auswanderung der Blutkörperchen aus dh Gefässen des Frosches. Von Fritz Schmuziger, stud. med. Hierzu Bar RXNIIENT OT 5 . 709 Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. Von G. R. Wa generin Mia Hierzu Taf. XXIX A. Ä ö i } . 712 Ueber die hintere Begrenzungsschichte de ehe nie ic Prof. Dr. A. Gruenhagen in Königsberg in Pr. Hierzu Taf. XXIX B. 726 Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. Von Dr. Paul Langerhans, Prosector und Privatdocent in Freiburg i. B. Hierzu Taf. XXX. 730 Ueber die Haut der Larve von Salamandra maculosa. Von Dr. Paul Langerhans, Proseetor und Privatdocent in Freiburg i. B. Hierzu Taf. XXXI . : i . 745 Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien ah Ampköhign a Beiträge von Dr. Franz Leydig in Tübingen. Erster Artikel: Die Haut einheimischer Ophidier. Hierzu Tafel XXXL . ! . 753 Zur Kritik der Untersuchungen Schöbl’s über die Haare. Von Ludwig Stieda. a 4 : \ . k N . . 795 Mikrographische Mitkhoilahigen Von Prof. Dr. Leopold Dippel . 801 Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. Von Dr. F. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. 1. “ Die Bildungsgeschichte der Zähne der Säugethiere, insbeson- dere des Menschen, ist wie von lange her, so noch bis zur Gegen- wart mit einer Art Vorliebe von den Anatomen berücksichtigt und durch eine Reihe schöner Arbeiten aufgehellt worden. Dabei stellte sich für manchen Beobachter gar bald die Erfahrung heraus, dass diese Körper, obschon in den äusseren Eigenschaften der Härte und Festigkeit, sowie durch reichen Kalkgehalt, den Knochen ver- wandt, doch nicht ganz zum eigentlichen Knochensystem gezählt werden können. Vielmehr ergab sich aus der Entwickelung, dass die Zähne entfernt von den Knochen des Skelets, in der Schleim- haut der Mundhöhle ihren Ursprung nehmen. Diese Erkenntniss, sowie gewisse Aehnlichkeiten in der Art ihrer Entstehung mit der- jenigen der Nägel und Haare, endlich die Wahrnehmung, dass sie bei gewissen Formen abgestossen und wiedererzeugt werden, be- stimmte schon einzelne der früheren Schriftsteller, die Zähne dem Horngewebe oder Hornsysteme einzureihen. Und so darf man es nur als einen, das Thatsächliche zusammenfassenden, aber noch mehr ins Allgemeine sich erhebenden Ausdruck bezeichnen, wenn man aus dem Kreise der Naturphilosophen heraus die Zähne für „Nagelglieder des Kopfeingeweideskeletes“ erklären hört. M, Schultze, Archiv f, mikrosk-. Anatomie. Bd. 9, 1 2 Dr. F. Leydig: Blicken wir auf die Forschungen, welche das Herkommen der drei den Zahn zusammensetzenden Substanzen zum Gegenstand haben, so herrschte bezüglich des die Rinde der Krone bildenden Schmelzes von je ziemliche Uebereinstimmung. Man fand, dass sich diese Schicht oder die Glasur durch eine Art Absonderung, herrührend von einem schleimigen Theil des Zahnsäckchens, auf das Zahnbein niederschlage. Ueber den Ursprung des Zahnbeins selber aber standen sich in der Auslegung des Gesehenen zwei Ansichten gegenüber. Die Einen liessen das Zahnbein durch Verknöcherung des Zahnkeimes oder der Pulpa entstehen, „sowie Knochen aus Knorpel wird.“ An- dere dagegen nahmen an, dass das Zahnbein nach aussen von der Oberfläche des Keimes schichtenweise abgesetzt werde, etwa in der Weise, wie Haare und Nägel sich bilden. Der Grundzug in der Verschiedenheit dieser beiden Ansichten konnte selbst dadurch nicht verwischt werden, als mit Hilfe des Mikroskopes die Vorgänge der Zahnentwickelung in der Nähe und daher nach ihren feineren Ein- zelheiten betrachtet werden konnten. Die erstere Ansicht — Erzeugung des Zahnbeins durch Ver- knöcherung der Zahnpapille — wurde die herrschende und ich selbst habe in Schriften und Vorlesungen den Hergang so darzu- stellen gesucht, dass die Bindegewebskörperchen des Zahnkeimes, welche nach der Oberfläche hin gleich einem Cylinderepithel stehen, in sich verästelnde Röhrchen auswachsen und so, nach erfolgter Ablage- . rung von Kalk, in die röhrigen Elemente desZahnbeins sich umwandeln. Dabei fühlte ich freilich immer die höchst unbequeme Schei- dungslinie, welche man bei dieser Auffassung zwischen den Zähnen im Mund und Rachen der Wirbelthiere einerseits, und den kal- kigen Zähnen der Wirbellosen, z. B. aus dem Kaumagen der Krebse andererseits, alsdann nothgedrungen ziehen musste. Denn die Zähne der Wirbellosen erwiesen sich als verdickte und ver- kalkte Cuticularbildungen. Ich hatte bezüglich ihrer Entstehung wahrgenommen, dass durch die Thätigkeit darunter liegender zel- liger Elemente homogene Lagen einer organischen Substanz schicht- weise sich erzeugten, sodann durch Aufnahme von Kalk er- härten konnten, wobei die ursprünglich vorhandenen röhrigen Gänge oder Porenkanäle sich frei von der Kalkablagerung erhielten. Diesem sehr abweichenden Verhalten gegenüber, welches zwischen den Zähnen der Wirbellosen und jenen der Wirbelthiere Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 3 zu bestehen schien, war es für mich eine erfreuliche Beobachtung, als ich gelegentlich faunistischer Studien über unsere Molche be- merkte, dass ja bei diesen Wirbelthieren das Zahnbein ebenfalls nach seiner Entwickelung den Cuticularbildungen zugerechnet wer- den müsse !). Einmal aufmerksam geworden, achtete ich auch später bei den Eidechsen auf die mir von Bedeutung scheinende Frage und fand wieder die gleiche Entstehungsweise des Zahnbeins ?2). Es mag deshalb gerechtfertigt erscheinen, wenn ich jetzt auch über die einheimischen Schlangen, deren Sichtung und nähere Kenntniss ich mir seit Längerem angelegen sein lasse, dasjenige hier vorlege, was ich über die Entwickelung der Zähne, der undurchbohrten so- wohl, wie der durchbohrten beobachtet habe. Hierbei halte ich es für angemessen über die Zahl, Form und Bau der Zähne unserer Schlangen Einiges vorauszuschicken, da dieses nicht blos zum Verständniss des Ganzen dient, sondern ich auch schon jetzt Manches an den gangbaren Darstellungen verbes- sern zu können glaube. l. Die undurchbohrten Zähne. 1. Zahl. — Form. — Scheide. Ich habe zwar alle deutschen Arten: Tropidonotus natrix und Tr. tessellatus, Goluber viridiflavus und 0. flavescens sowie Üoro- nella laevis untersucht, beschränke mich aber an diesem Orte auf das Allgemeine mit Vermeidung dessen, was für die systematische Behandlung in Betracht gezogen werden soll. An der herkömmlichen und im Ganzen richtigen Beschreibung der Zähne unsrer Schlangen, dass sie glatt, spitzig und bogenförmig rückwärts gekehrt seien, vermisse ich den Hinweis auf eine Eigen- schaft der hinteren grösseren Zähne im Oberkiefer, wie solche be- kanntlich bei gewissen Arten regelmässig vorkommen und von Uuvier zuerst bei der Ringelnatter bemerkt worden zu sein schei- nen ®). Dieselben gehen nach rückwärts, an der hohlen Seite in eine verhältnissmässig breite, sichelförmig zugeschärfte, also 1) Ueber die Molche (Salamandrina) der Württembergischen Fauna. Arch. f. Naturgeschichte, Jahrg. 33, 1867, Separatausgabe $. 82. 2) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1972. 3) Vergleichende Anatomie. Uebersetzung, Bd. 3, S 204 (Tabelle). 4 Dr. F. Leydig: schneidende Kante aus. Schon mit der Lupe, bei schräg auffallen- dem Licht, sieht man z. B. an der Ringelnatter diese Beschaffen- heit der hinteren grösseren Zähne des Oberkiefers sehr deutlich ; auch bemerkt man beim Handthieren des ganzen Kopfes, nament- lich wenn es am lebenden Thiere geschieht, dass die Zähne nicht blos einhacken, sondern förmlich in unsere Haut oder in einen an- deren nachgiebigen Körper, in Kork z. B., scharf einschneiden. — An allen Zähnen übrigens, auch den kleinsten, zieht eine feine Kante rechts und links von der Spitze eine Strecke weit herab, welche jedoch nur mit dem Mikroskop sichtbar ist !). Hält man sich, um die Zahl der Zähne kennen zu lernen, le- diglich an Schädel, deren Weichtheile entfernt wurden, so wird man die herkömmliche Angabe, welche wohl in den Schriften von Cu- vier?) und Meckel?) zuerst genauer gefasst wurde, und wonach vier Längsreihen oben und zwei Längsreihen unten sich hinziehen, gelten lassen müssen. Anders werden wir uns aber ausdrücken, wenn wir die Kinnladen und den Gaumen des noch mit den Weich- gebilden versehenen Kopfes untersuchen, denn da zeigen sich ausser den mit den Knochen verwachsenen und daher am skeletirten Schä- del bleibenden Zähnen noch solche, welche lediglich in der Schleim- haut haften, oder sog. Ersatzzähne, und zwar in grösster Menge. Nehmen wir als Beispiel die Ringelnatter (Tropidonotus natrix), so besitzt der trockene Schädel, immer die eine Seite genommen, an der Oberkinnlade ungefähr 15, am Gaumen ungefähr 29, am Unterkiefer etwa 20 Zähne; demnach im Ganzen in runder Summe etwa 130 ®). Prüfen wir nun aber Kiefer- und Gaumenknochen, welche noch von ihrer Schleimhaut umhüllt sind, so findet sich, dass die vorhin abgezählten Zähne des trockenen Schädels gewissermassen nur die stehen gebliebenen Flügelmänner von Zahnquerreihen sind. An der Ober- und Unterkinnlade besteht die einzelne Querreihe aus 4 Zäh- nen, deren Grösse von aussen nach innen abnimmt, in der Art, dass der dem festgewachsenen Zahn nächste dem ersteren an Grösse 1) Sie erscheint auf mehren Zähnen der Figur 12 angedeutet. 2) a.a. O0. 203. 3) System der vergleichenden Anatomie, Bd. 4, S. 358. 4) Cuvier (a. a. 0.) nennt für den Oberkiefer 18, für den Gaumen 28, für den Unterkiefer 24 Zähne. Dass es individuelle Unterschiede gebe, sieht man leicht beim Durchmustern mehrerer Schädel. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 5 nur wenig nachsteht, hingegen die zwei darauffolgenden bedeutend kürzer und schmächtiger sind ; der innerste oder jüngste ist selbst- verständlich der kleinste. Am Öberkiefer nehmen die drei fest- gewachsenen Zähne der drei letzten Querreihen eine characteristische Grösse an; die drittletzte Querreihe besteht noch aus 4 Zähnen, während die zweitletzte nur noch 3 besitzt und endlich die aller- letzte auf zwei herabsinkt, welche beide indessen gleich gross sind. — An der Unterkinnlade ist ein Grössenunterschied zwischen vorn und hinten kaum bemerkbar, aber die Zahlenverhältnisse sind wie an der Oberkinnlade, also hat die drittletzte Querreihe noch die 4 Zähne, die zweitletzte 3, die allerletzte 22 — Am Gaumenbogen nimmt die Grösse der Zähne wie an der Öberkinnlade von vorn nach hinten zu, so dass die hintersten die längsten sind. Hier an den Gaumenzähnen bemerke ich aber auch, dass die einzelne Quer- reihe gar nicht selten, vielmehr ziemlich allgemein aus 5 Zähnen besteht !). Die vorletzte Reihe hat alsdann 4 und die letzte Reihe wieder nur, wie an der Oberkinnlade, 2 grosse Zähne. Darnach erscheint der Rachen unserer Schlangen mit einer ungemein grossen Zahl von Zähnen ausgerüstet, in runder Summe und wie Vorangehendes zeigt, eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, mit 520 Stücken. Wer sich mit der Untersuchung der Rachenhöhle des vom le- benden Thiere getrennten Kopfes einer Natter zu schaffen macht, begreift schnell die hohe Bedeutung nicht blos der hackenförmigen Gestalt sondern anch der Menge der Zähne. Denn bei der noch hinzutretenden äussersten Beweglichkeit der Kiefer und Gaumen- bogen fassen die Zahngarnituren unsere Finger so allseitig, dass wir, will man das Gebiss des Thieres nicht verletzen, nur ‘durch Rückwärtsbewegung unsere Haut befreien können. Es ist mir daher auffallend, dass der so ungemein zahlreichen Ersatzzähne in den Schriften über die Schlangen wenig gedacht wird. Bezüglich der durchbohrten oder der Giftzähne pflegt man längst zu erwähnen, dass hinter den feststehenden Zähnen noch mehre nicht festsitzende, demnach bewegliche, Zahnkeime zugegen seien. Aber ‘dass sich dieses auch an den undurchbohrten Zähnen, also auch bei den ungiftigen Schlangen, in ausgesprochenstem Masse wiederholt, verdiente doch mehr als es bisher geschehen, hervorge- 1) Vergl. Fig. 12. 6 Dr. F. Leydig: hoben zu werden. Cuvier in der vorhin angezogenen Tabelle führt blos von den Gaumenzähnen der „Coluber haje“ an, dass eine „parallele Reihe von kleinen“ an die 25 entwickelten sich an- schliesse. Duvernoy sagt gar nichts von den Ersatzzähnen der ungiftigen Schlangen '), selbst bei Schlegel?) lese ich nur die seit Fontana überall wiederkehrenden Angaben über die Ersatzzähne der Giftschlangen. Bei andern Zoologen wird höchstens nur einer Reihe — es sind die grösseren neben der Reihe der feststehenden -— gedacht. So z. B. in einer mir nicht bekannten, bei Milne Edwards’) angezogenen englischen Abhandlung. Wohl aber ge- schieht in dem Werke von Bibron und Dumeril®), da wo die Verfasser in der Einleitung über die Zähne der Schlangen im All- gemeinen handeln, der Ersatzzähne ausdrücklichere Erwähnung: es seien zahlreiche Zahnkeime seitwärts von den feststehenden Zähnen zugegen. Endlich gehört noch Rapp’) zu den wenigen Zoologen, welche in bestimmter Weise auf die „nur im Zahnfleisch hängenden Zähne* der ungiftigen Schlangen hindeuten. — Dagegen macht es mir beim Durchgehen der Schriften zahlreicher Faunisten den Eindruck, als ob die Autoren wirklich nur die am skeletirten Schä- del stehen bleibenden Zähne der äussersten Reihe gekannt hätten, nicht aber die lediglich in der Schleimhaut haftenden und daher mit dieser beim Aufweichen abgehenden Zähne ®). 1) Ann d. sc. nat. XXVI, p. 125. 2) Physionomie des Serpens, 1837. 3) Lecons sur la physiologie, T. VI, p. 170. 4) Erpetologie generale. 1844, T. 6, p. 129. 5) In der Dissertation Bächtold’s, Untersuchungen über die Gift- werkzeuge der Schlangen. Tübingen 1843, S. 6. 6) Wenn man z. B. in einem schwülstig geschriebeneu Buche, betitelt »Die Schlangen Deutschlands, Stuttgart 1855« liest: »Wohl zeigt der gähnende Schlangenrachen einen Besatz von Zähnen, wie ihn stattlicher und schreck- licher kein anderes Raubthier aufzuweisen hat«, so möchte man glauben, der Verfasser habe eine Ahnung gehabt, dass über 520 Zähne zugegen seien. Doch dem ist nicht so. »Denn — heisst es weiter — nicht weniger als vier Zahnreihen, in Kiefer und Gaumenbeine eingewachsen, drohen von oben her, vom Gewölbe des Rachens, ihnen entgegen, von unten die beiden nicht minder stattlichen Reihen des zwiespältigen Unterkieferse. Mit welchem Schwung der Rede würde dieser Autor sich wohl ausgelassen haben, wenn er gewusst hätte, dass nahezu fünfmal mehr Zähne vorhanden sind, als er gesehen hat? Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 7 Die Bewaffnung der Kiefer und des Gaumens der Schlangen mit so ungemein vielen Zähnen ist durchaus zu vergleichen den zahlreichen, sich wiederholenden Zahnreihen der Fische. Der Grund, warum die nicht mit den Knochen verwachsenen Zähne so wenig beachtet wurden, scheint neben dem bereits Ange- führten darin zu liegen, weil man am frischen Thier der Zähne wegen ihres Verborgenseins in den, einem Zahnfleisch ähnelnden, die Kinnladen und die Gaumenbogen umziehenden, Falten der Mundschleimhaut schwer ansichtig wird. Was vor vielen Jahren Schrank!) hierüber gesagt hat, wird gar Mancher, der keine weiteren Nachforschungen anstellt, in gleicher Weise erfahren haben. Er bemerkt: „Zähne konnte ich am frischen Kopfe (der Ringel- natter) nicht einmal durch das Suchglas wahrnehmen, sie waren ganz von dem Zahnfleisch verdeckt. Das Gefühl und sogar das Gehör belehrten mich von ihrem Dasein: denn als ich mit dem Skalpele längs der Kinnlade hinfuhr, bemerkte ich von einander getrennte kleine Widerstände und hörte ein schwaches Knistern, wie der Stahl der Schneide von Zahn zu Zahn fortrückte. Nach- dem ich aber den Kopf mehr abtrocknen liess, kamen die Zähne zum Vorschein.“ Es sehen in der That die Zähne, und wieder nur die grösseren, mit ihrer feinen rückwärts gerichteten Spitze aus dem „Zahnfleisch“ heraus; man muss selbst mit der Lupe scharf hinblicken, um sie gewahr zu werden. Die scheidenähnlichen Verlängerungen der Schleimhaut der Mundhöhle werden gewöhnlich nur im Hinblick auf die Gift- zähne erwähnt; dort sind sie wie bekannt, entsprechend der Länge der Giftzähne, ganz besonders entwickelt. Indessen hat ihrer doch auch bezüglich der undurchbohrten Zähne der ungiftigen Schlangen z. B. schon der genaue Meckel?) gedacht. Ich möchte noch beifügen, dass innerhalb des Thales, in welchem die Zahnquer- reihen stehen, die Schleimhaut sich wieder derartig in kleine Fält- chen erhebt, dass der einzelne Zahn an seiner Wurzel wie in einer besonderen niedrigen Tasche steckt. Zwischen den feststehenden grossen Zähnen und denen der nächsten Reihe, welche schon um etwas kleiner sind, sinkt die Schleimhaut zu einer Furche ein. Ueber die feinere Beschaffenheit der Zahnfleischfalten ungiftiger 1) Fauna boica 1798, Th. I. S. 290. 2) System der vergleichenden Anatomie, Bd. 4 (1829), S. 359. 8 Dr. F. Leydig: Schlangen und dass auf ihrem freien Rande besondere Sinnesorgane vorkommen, habe ich mich an einem anderen Orte ausgesprochen !). 2. Der feinere Bau. Das was ich seiner Zeit über das histologische Verhalten des fertigen Zahns von den Salamandern mittheilte ?), hat im Wesent- lichen auch Geltung für die Zähne der Schlangen. Bei den Salamandern erscheinen die Spitzen der Krone mehr oder weniger lebhaft rostbraun gefärbt. Dies tritt bei Schlangen etwas zurück, ohne aber ganz zu fehlen; ich sehe nicht blos an den grösseren Zähnen, sondern auch an den Ersatzzähnen einen unver- kennbar gelblichen Anflug der Spitze. Hervorzuheben ist, dass deutlich ein homogenes Häutchen, Guticula, den Zahn überzieht. An Zähnen, welche durch Säuren gequollen sind, löst sich dieses Häutchen mitunter in Fetzen ab oder erzeugt auch wohl durch ringförmige Faltung eine Zickzack- bildung der Oberfläche des Zahns, welche uns verleiten könnte, hier eine besondere Sculptur erblicken zu wollen. Durch diese homogene Grenzschicht oder Cuticula geschieht auch die. Verbindung des Zahns mit dem Knochengewebe der Kiefer-- und Gaumen- bogen. Senkrechte Schnitte, z. B. durch den Zahn und das zahn- tragende Stück (Dentale) des Unterkiefers lassen sehen, dass die Wand des Zahns abwärts ganz dünnzulaufend, zuletzt nur noch als homogene Haut in die Knochensubstanz des Unterkiefers übergeht. Auch an den Abbildungen, welche ich von den Zähnen der Sala- mander gab, zeigt sich die Cuticula als Brücke zwischen der Zahn- krone und dem Sockel 3). Im Zahnbein unterscheidet man zahlreiche Schichtungsstreifen, welche als Wiederholungslinien des Umrisses der Papille eine Art dutenförmige Zusammensetzung des Zahns offenbaren. Die Zahn- kanälchen, deren Oeffnungen an der Innenfläche des Zahnbeines gut zu sehen sind, verlaufen in sachten Biegungen und verästeln sich, namentlich gegen das Ende hin, in feine Ausläufer t). 1) Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 8, 1872. 2) Die Molche der württemb. Fauna. Archiv f. Naturgesch. 1867. (Separatausgabe S. 84.) 3) a. a. 0. Taf. V. fig. 20. fig. 21. 4) Oefters kamen mir in der äussersten Schicht fertiger Zähne quer- Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 9 Ein eigentlicher Sch melz mangelt auch bei den Schlangen; was man einer Glasur vergleichen könnte, ist nur eine Art festere Grenzschicht oder Rinde des Zahnbeins. Die Kiefer- und Gaumenknochen haben da, wo die Zähne der äussern Reihe sitzen, Gruben, in deren Mitte ein Gefässloch sich zeigt. Die Grube entspricht einem weiten Markraum und auf diesem steht derZahn so, dass seine Höhle sich wie eine Fortsetzung des Markraumes ausnimmt. 3. Entwickelung. Hiebei möchten, worauf ich bereits in den einleitenden Be- merkungen hingewiesen, besonders zwei Punkte der le zu empfehlen sein. Das Bindegewebe der Schleimhaut erhebt sich für die jüngsten oder kleinsten der Ersatzzähne zu fadenartigen Papillen, an deren Ende die Zähne aufsitzen. Letztere haben somit in frühester Zeit lange weiche Stiele und sind dadurch nicht blos sehr beweg- lich, sondern auch leicht von der Schleimhaut abstreifbar. Der Zahn selbst, das heisst, seine harten Substanzen sind Ab- scheidungen des die Spitze der Papille überziehenden Epithels und zwar ist es die untere, sich sehr bestimmt abhebende Lage, der Schleimschicht, welche dieses besorgt. Dieselbe sondert sich in zwei Blätter, und da das Zahnbein in den dadurch gegebenen Raum abgesetzt wird, so kommt der eine Theil des Epithels zwischen die Aussenfläche der Papille und die Innenfläche des Zahnbeins zu liegen, der andere Theil überzieht die Aussenfläche des Zahnbeins. In den jüngeren Stadien, so lange der Zahn noch die Form eines kleinen kurzen Käppchens hat, gehen dieses äussere und innere Epithel, entsprechend ihrem Ursprung, nach unten in einander über; später aber durchschneidet das Zahnbein, indem es nach hinten sich ausdehnt, die Verbindung, so dass alsdann das Epithel der Papille und das Epithel der Zahnoberfläche nicht mehr zusammen- hängen. Das innere Epithel ist es dann auch, was "sich in näherer Weise an der Ausbildung des Zahnbeins betheiligt. Seine Zellen ‘nämlich wachsen in Fäden aus und werden zu den Kanälchen des verlaufende Linien zur Ansicht, die man dem ersten Anblick nach auf Zahn- kanälchen hätte beziehen mögen. Allein ich glaube annehmen zu dürfen, dass man es mit zarten ringförmigen Quersprüngen zu thun habe. - 10 Dr. F. Leydig: Zahnbeins; während sich abscheidende homogene und Kalk aufneh- mende Lagen die Grundsubstanz des Zahnbeins liefern. — Von einer Theilnahme des äusseren Epithels an der Zubereitung der Zahnsubstanz habe ich mich noch nicht überzeugen können; und insofern auch nicht die geringste Spur eigentlicher Schmelzprismen, die ja im Hinblick auf das, was bei den Säugethieren geschieht, von dieser Lage her den Ursprung zu nehmen hätten, am Schlan- genzahn auftritt, so ist der Grund dieses Mangels vielleicht in dem angedeuteten Umstand zu suchen. Wohl aber bleibt das äussere Epithel in seiner ganzen Ausdehnung lange fort als Ueberzug des Zahnes bestehen, so dass kaum erst an jenen Zähnen, welche den feststehenden auch in der Grösse zunächst folgen, die nackte Spitze hervorsieht. Die Hornschicht des Epithels kann sogar als fadiger Kegel weit über den Zahn hinausragen, wie mir dieses z. B. an einer nur einige Monate alten Coronella laevis besonders aufgefal- len ist. Ich habe die meisten meiner Beobachtungen an der Ringel- natter gemacht und schon deshalb wäre es nothwendig, auf die An- gaben Rathke’s!) einzugehen, die aber diesmal wenig mit dem, was ich gesehen, übereinstimmen, und auf unrichtiger Auslegung des Wahrgenommenen beruhen. Er sagt: „In Hinsicht der Zähne wäre anzuführen, dass ein jeder anfangs als eine dreieckige läng- liche Platte erscheint, deren Seitenränder umsomehr einander ge- nähert und zusammengekrümmt sind, je näher nach dem Scheitel hin, bis sie in eine kurze dichte Spitze übergehen, die eben den Scheitel des Ganzen ausmacht. Nachher aber wird die Spitze län- ger, und erhält über den plattenartigen rinnenförmigen Theil das Uebergewicht. Demnach findet zwischen den Zähnen der Natter und den Giftzähnen anderer Schlangen ursprünglich eine auffallende und nicht zu verkennende Aehnlichkeit statt.“ Gerade diese letztere Angabe Rathke’s findet sich von die- sem und jenem Schriftsteller, aber offenbar ohne eigene Nachprüfung, wiederholt und sie wäre allerdings auch sehr bedeutsam. Allein sie ist irrig. Die erste Anlage des Zahns ist nicht eine rinnenförmige Platte, sondern hat die Gestalt eines den Gipfel der Papille decken- den Käppchens; und was Rathke die sich zusammenkrünmenden und einander nähernden Seitenränder nennt, ist der optische Längs- 1) Entwickelungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839, S. 205. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 11 schnitt des Käppchens. Man kann daher nicht im Entferntesten sagen, dass auch die undurchbohrten Zähne der ungiftigen Schlan- gen bei ihrem ersten Erscheinen eine der Rinne der Giftzähne ähn- liche Partie besässen. Ueber die Bildung dieser letzteren werde ich nachher das Nöthige folgen lassen. Wie man aus den Mitthei- lungen des genannten Beobachters über die Zähne der Schlangen — und ich habe sie vollständig im Obigen vorgelegt — ersieht, so hat sich derselbe um jene weiteren Fragen bezüglich des Baues und des Verhaltens zu den Geweben, welche uns jetzt angehen, noch nicht bekümmert. In dem späteren nachgelassenen Werke Rathke’s über die Krokodile !) hingegen wird die erste Gestalt der Zähne in ziemlicher Uebereinstimmung mit meinen Beobachtungen an anderen Sauriern beschrieben. Es seien kleine Scherben, die in ihrer Form eine Aehnlichkeit mit dem Gehäuse mancher Schüsselschnecken, z. B. der Patella vulgata besitzen ; andere die sich weiter entwickelt hat- ten, waren Hohlkegel mit einem scharfen Rand an ihrer Basis. In- dem Rathke den Inhalt der Zahnsäckchen — welch’ letztere hier, wenn ich die Angabe nicht falsch verstehe, eine bindegewebige Um- grenzung, ähnlich wie jene der Säugethiere haben — beschreibt, spricht er auch von einer zwischen der Wand des Säckchens und dem Zahne befindlichen weichen, aus kernhaltigen Zellen bestehen- den Substanz und vergleicht sie dem Organon adamantinae, der Bildungsstätte des Schmelzes. Dass damit die von mir besprochene Epithellage, welche bei Schlangen und den Lacerten allein das „Zahnsäckchen“* bilden, gemeint sei, steht ausser Zweifel. II. Die durchbohrten oder 6iftzähne. 1. Form. — Scheide. Das Nachfolgende bezieht sich hauptsächlich auf Untersuchun- gen, welche ich an einer frischen Vipera berus und an einem sehr wohl erhaltenen, erst kurze Zeit in Weingeist gelegenen Exemplar von Vipera ammodytes angestellt habe ?), 1) Untersuchungen üb. d. Entwickelung u. d. Körperbau der Krokodile. Braunschweig 1866. 2) Ich verdanke dasselbe Herrn Professor Gredler in Bozen, welcher im Jahre 1853 die Entdeckung machte, dass sich diese Giftschlange von Osten her aus Kärnthen bis nach Bozen erstreckt. In der Umgebung der Haselburg (Kuhbach) ist das Thier seit der Zeit fast in jedem Jahr gefangen 12 Dr. F. Leydig: Der Sack, welcher die Giftzähne birgt, ist die gleiche Bildung, welche auch um die Zähne der ungiftigen Schlangen besteht; dass die Wände des offenen Sackes sich höher erheben, hängt, wie be- reits oben bemerkt, einfach zusammen mit der bedeutenden Länge der Giftzähne. — Das Bindegewebe, welches den Hauptbestandtheil der Falten bildet und Blutgefässe sowie zahlreiche Nerven trägt, auch glatte Muskelzüge in geflechtartiger Anordnung besitzt, schliesst keine Drüsen ein; was ich bemerken möchte gegenüber einer älte- ren gebräuchlichen Bezeichnungsweise: „Follieulus glandulosus*“. Man müsste denn die Organe, von denen jetzt gleich einiges zu sa- gen ist, und welche den Früheren unbekannt waren, Drüsen nennen wollen. Ich habe nämlich zur Zeit als ich noch nicht wusste, dass auf den um die Zähne ziehenden Falten oder Scheiden der Schleimhaut eigenartige Sinnesorgane vorkommen, einen Theil des Kopfes von Trigonocephalus mit Rücksicht auf die zwischen Nase und Auge sich findende Grube in einer Zeichnung dargestellt und hatte dabei scharf hervortretende Höckerreihen auf der Schleimhaut, seitwärts vom Gaumen, anzubringen, von mir dazumal ganz unbekannter Be- deutung. Später, als ich bei ungiftigen Schlangen an Ähnlichen worden. Vergl. über Weiteres de Betta, Erpetologia delle provincie Ve- nete e del Tirolo meridionale, Verona 1857, p. 257. Was übrigens der ge- schätzte Verfasser genannten Werkes, welcher eine reiche Literatur aufführt, nicht zu wissen scheint, und ich deshalb hier beizusetzen mir erlaube, ist die Wahrnehmung, dass bereits im vorigen Jahrhundert das Vorkommen der Vipera ammodytes in Südtirol nachgewiesen wurde. Es geschah solches von Scopoli. Dieser, bekanntlich ein Südtiroler von Geburt, aus Cavalese im Fleimserthal, erzählt im Iter tyrolense (Annus hist. natur. II. 1769), dass er im Juni des Jahres 1767 die Heimath wieder aufgesucht habe, »eo animo, ut etiam illa, quae historiam naturalem et rem agrariam utilioribus locuple- tare possent in Flemnensium montibus sedulo quaererem et adnotarem.« Da lernte er auch eine Giftschlange kennen, die er für Coluber berus L. hält: »pedalis, venenatus, ex apice labii superioris educens cornieulum; litura fusca a collo ad caudae apicem usque, qui subtus rufus est.« Aus diesen Merkmalen, namentlich aus dem Hörnchen der Schnauze und dem Roth an der Unterseite des Schwanzes, wird Jeder sofort die Sandviper erkennen. Einige Jahre darnach (im Annus hist. nat. V. 1772) hat auch Scopoli sei- nen Irrthum eingestanden und erklärt, die von ihm für Coluber berus L. gehaltene Schlange sei die Vipera illyrica Laur., bekanntlich synonym der Vi- pera ammodytes. Por. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 13 Höckern den „Sinnesbechern“ verwandte Bildungen nachgewiesen, durfte ich auch bei den Giftschlangen die gleichen Organe ver- muthen !). Ich sehe denn jetzt bei Vipera ammodytes?) sehr deutlich, dass auch hier diese Sinneswerkzeuge zugegen sind und besonders entwickelt an dem Rande der Tasche vor den Giftzähnen. Auch bei Vipera berus bilden sie vorn an der Tasche für die Giftzähne zwei Reihen von Knöpfchen ; an den Falten des Unterkiefers ?) und am Gaumen sind sie kleiner. (Diese Lage, nebenbei bemerkt, spricht doch auch gegen die Ansicht derjenigen, welche in den fraglichen Bildungen Organe des Geschmacks erblicken wollen. Viel eher liesse sich die Vorstellung, dass es sich um „ein Zufühlen oder Tasten“ handelt, rechtfertigen) Es erleidet keinen Zweifel, dass der Ausdruck „callös-gekerbt* womit Brandt?) die Ränder des Sackes für die Giftzähne bezeichnet, sich auf diese Höcker mit ih- ren Epidermishügeln bezieht. Auch Fontana nennt bereits den Saum der Scheide „gezahnt“. Ueber den feineren Bau konnte ich an dem in Weingeist auf- bewahrten Exemplar blos sehen, dass in die Höcker dicke Nerven aus unterliegenden Geflechten sich erheben um dort zu enden; eine zellig-gangliöse Partie am Gipfel glaube ich immerhin unterscheiden zu können. Dem aufliegenden Epithel gehört dann wieder der Sin- nesbecher oder Epidermishügel an. — An der frischen Vipera berus liess sich feststellen, dass die Grundzüge im histologischen Bau die- selben sind, wie bei den ungiftigen Schlangen. Insbesondere sah ich auch hier die Ganglienzellen am Ende der Nerven; und nach- dem die Organe in Lösungen von Chromsäure gelegen hatten, ragte aus manchen der. Sinnesbecher sehr deutlich ein Büschel der an- derwärts von mir erwähnten stäbchenartigen Gebilde >). Die Zahl der Giftzähne betrug bei V. ammodytes jederseits fünfzehn und zwar waren sie eigentlich ebenfalls wie die undurch- bohrten in Querreihen angeordnet. Bei V. berus, var. prester, waren 1) Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 8, 1872 (zur Kenntniss der Sinnes- organe der Schlangen). 2) Nachträglich auch bei Vipera aspis. 3) Vergl. Fig. 13, welche ein Stück der Falte des Unterkiefers mit den darauf sitzenden Sinnesbechern veranschaulicht. 4) Brandt u. Ratzeburg, Medicinische Zoologie 1829, S. 176. 5) Vergl. Fig. 14, 14 Dr. F. Leydig: jederseits nur neun Zähne in drei Querreihen zugegen. Die starken stehen nach aussen, die schwachen wie im Schutze darunter. Die Ersatzzähne liegen dicht beisammen; ihre Spitzen sind gegen ein- ander geneigt. Was mir hiebei noch besonders (an V. ammodytes) auffiel, war, dass man, wenigstens an jener Gruppe von jüngeren Zähnen, welche dem feststehenden grössten Zahn zunächst folgen, noch ein gemeinsames, aus Bindegewebe und Epithel bestehendes Häutchen abheben konnte; es hatte den Anschein, als ob es eine Wiederholung der grossen Tasche in zarterer Form wäre !). Im Oberkiefer jederseits war bei beiden genannten Arten nur ein einziger Zahn mit dem Knochen verwachsen; selbst der nächst- folgende, obschon dem ersteren an Grösse wenig nachgebend, ge- hörte so gut wie alle die übrigen lediglich der Schleimhaut an. Seine Gestalt zeigt die bekannte sichelföürmige Krümmung, doch biegt die Linie der Rückenkante, gerade da, wo die vordere Oeff- nung des Zahnes beginnt, etwas ab. Diese vordere Oeffnung sel- ber stellt einen ziemlich langen Spalt oder Schlitz dar, der schon auf der Höhe des letzten Drittels des Zahnes beginnt und bis zur Spitze sich erstreckt ?). Es kann anfangs durch den Lichtreflex scheinen, als ob die Ränder der Spalte etwas wulstig wären, was aber, wie namentlich der Querschnitt deutlich lehrt, nicht der Fall ist. — Die hintere Oeffnung ?), unmittelbar von der Zahnwurzel sich herauf erstreckend, ist kürzer und wenigstens gegen das vor- dere Ende hin, weiter. Der Kanal, zu welchem diese beiden Oeft- nungen als Anfang und Ende gehören, entsteht als Furche, und es bleibt längs des Rückens des Zahns, insoweit die Ränder der Furche sich zum Kanal geschlossen haben, eine feine Naht zurück. Alle diese Verhältnisse sind zwar mit der Lupe oder dem Mikroskop leicht zu erkennen, durften aber doch hier erwähnt wer- den, weil keineswegs weder die vorhandenen Abbildungen noch die Beschreibungen ganz zutreffend sind. So sagt z. B. Lenz, dessen Buch *) an vielen Stellen Zeugniss von genauer Kenntniss der Kreuz- 1) In der Nähe der jüngsten Zähne bemerkt man noch eine Anzahl kleiner Warzen des Epithels; sollten diese vielleicht die allerersten Anfänge oder die Einleitung zur Zahnbildung sein ? 2) Fig. 1. 3) Fig. 2. 4) Schlangenkunde, Gotha 1832. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 15 otter gibt, es laufe vorn nach der Länge des Zahns eine feine, offene Rinne hin, welche beim Eingangsloch des Kanals beginne und sich mit der Rinne vereine, in welche die Mündung des Kanals auslaufe. Sie sei dazu bestimmt, das Gift, welches der Kanal nicht aufnehme, in die Wunde zu leiten. Diese irrige Auffassung der Sutur als offene Rinne ist seit der Zeit wie oft nachgeschrieben worden, obschon be- reits Brandt!) richtig von einer „Linie“ spricht, welche an der oberen Seite des Zahnes der Ueberrest der Ränder sei. Selbst Smith?) gebraucht für den Ausdruck Naht auch die Bezeichnung Schlitz, obschon die trefflichen seiner Abhandlung beigegebenen Ab- bildungen in naturgetreuer Weise nur die Suturlinie zeigen. Welche Bewandtniss es mit der Bemerkung Smith’s habe, dass „Schmelz“ die verwachsenden Ränder ausfülle, werde ich nachher berühren. Auch die uns oft begegnende Angabe, dass die Mündung des Giftkanals etwas entfernt von der Zahnspitze liege, kann missver- standen werden, wenn man nicht weiss, dass die Mündung die Form einer langen Spalte hat, welche fast bis zur Zahnspitze sich er- streckt. Dieses Verhalten hat Lenz genau und richtig ausgedrückt, indem er sagt, dass der Kanal zwar etwa '/, der Zahnlänge von der Spitze des Zahns münde, aber in eine offene, bis zur Spitze gehende feine Rinne verlaufe. Die Abbildung der Giftzähne der Viper bei Fontana) ist hierin, obschon die Rinne zu frühe auf- hört, doch noch genauer als manche der späteren Zeichnungen ; auch bei Brandt) geht die Rinne zu entfernt von der Spitze aus. Sogar die neueste mir bekannt gewordene Figur des Zahnes der Viper (Vipera aspis), welche de Betta seinem Werke über die Reptilien beigefügt 5), hat den Mangel, dass die Rinne oder Mün- dung viel zu entfernt von der Spitze des Zahns endigt. Nicht min- der weicht die Form, welche der hinteren Oeffnung oder dem An- 1) Brandt u. Ratzeburg, Medicinische Zoologie, 1829, S. 176. 2) On the structure of the poisonus fangs of serpents. Phil. Trans- act. 1818. 3) Ueber d. Viperngift. Uebersetzg. Berlin, 1787, Tab. II, Fg. 2. 4) a. a. OÖ. Taf. XX, Fig. 4, c. Es geht zwar an dieser Abbildung des Giftzahns eine Linie seitwärts von der Rinne bis zur Spitze des Zahns, allein sie soll den Schatten bedeuten und hat nichts mit der Mündung zu thun. 5) Erpetologia delle provincie venete e del Tirolo meridionale, Verona 1857. Fig. 7, Dente velenifero a forte ingrandimento. 16 Dr. F. Leydig: fang des Kanals dort gegeben ist, sehr ab von dem, was ich an Vipera ammodytes sehe. Mehr stimmt hierin die Zeichnung bei Brandt; bedeutend anders stellt die Oeffnung hingegen wieder Fontana dar, welcher sie breit dreiseitig hält. Für die besten Abbildungen der Giftzähne, allerdings nicht der Viper, sondern der Brillenschlange, muss ich die bereits im Jahre 1818 veröffentlichten Figuren bezeichnen, welche die schon genannte Abhandlung Smith’s begleiten. Sowohl die Oefinung an der Zahn- wurzel, als auch die Ausdehnung der vorderen Spaltöffnung stimmt mit meinen Beobachtungen am meisten überein. Oken hat in der Zeitschrift Isis !) nieht blos den Text der Smith’schen Abhandlung im Auszug mitgetheilt, sondern auch die sämmtlichen Figuren nach- stechen lassen, wobei aber die letzteren stark von ihrer Richtigkeit eingebüsst haben. Denn ganz abgesehen von dem Ausserachtlassen feinerer Schatten, wodurch z. B. auf Fig. A der vordere Schlitz zu kurz ausgefallen ist, hat sich ein anderer entschiedener Fehler ein- geschlichen. Abweichend nämlich von dem auch hierin sehr getreu gehaltenen Original, tritt an der Copie der Eingang zu jener Höhle, welche die Pulpe umschliesst, in der Form zweier deutlich geson- derter Oefinungen auf, indem der Boden der beginnenden Giftrinne und die Umgebung der Pulpahöhle eine Strecke weit in eins zu- sammengeschmolzen erscheinen. Später hat Oken?) denselben Fehler mit herübergenommen in seinen zoologischen Atlas, allwo er abermals mehre der Smith’schen Figuren zu seinem Gebrauch verwendete. Bei Sturm?) ist auf der Tafel, welche die Kreuzotter, dort Coluber chersea L., veranschaulicht, auch der Giftzahn vergrössert zu sehen und die vordere Oeffnung erscheint ziemlich richtig bis hart heran zur Spitze gezogen. Dasselbe wäre zu rühmen von der Tafel, welche der männlichen Vipera ammodytes gewidmet ist. Nur ist dort die Rinne im Verhältniss zum übrigen Zahn viel zu breit und lang gehalten. Sämmtliche Figuren über die Sandviper im Sturm’schen Werk sind übrigens verkleinerte Nachbildungen der 1) Jahrgang 1819. 2) Abbildungen zur allgem. Naturgesch. Stuttgart, 1843, Taf. 62. 3) Fauna Deutschlands in Abbildungen nach der Natur mit Beschrei- bungen, Nürnberg 1797, III. Abthle. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 17 sonst sehr schönen Tafeln, welche die Abhandlung Host’s: Amphi- biologica, schmücken !). Die Zahi der Ersatzzähne geben die früheren Beobachter ge- ringer an als ich fand: der Eine spricht von 1—5, der Andere von 1—6, Fontana sagt, höchstens belaufe sich ihre Zahl auf 8. Ich „glaube, dass die Art der Untersuchung die Schuld trägt, warum die ganz kleinen Zähne übersehen werden konnten. Welche Zahl ich bei Vipera ammodytes und V. berus (var. prester) antraf, wurde oben mitgetheilt. 3. Der innere Bau. a..Diebeiden.-Höhlen. Bekanntlich hat Fontana das Verdienst, allen anderen Vor- gängern gegenüber zuerst gezeigt zu haben, dass die Giftzähne „eine doppelte Höhlung“ besitzen, welche keine Gemeinschaft mit einander haben, sondern durch „eine sehr zerbrechliche knochichte Zwischen- wand von einander abgesondert“ seien. Man weiss seit dieser Zeit, dass ausser dem an der convexen Seite verlaufenden Giftkanal noch an der concaven Seite eine Höhle zur Aufnahme der Zahnpapille besteht. Den Längendurchschnitt eines Giftzahns („Hundszahn“), welchen Fontana seinem Werke beigegeben hat, sieht man bis zur Stunde noch, obschon er jetzt über hundert Jahre alt ist, in den Büchern immer wieder von neuem aufgelegt. Und doch leidet die Abbildung an einem Fehler, welcher in einer vor etwa dreissig Jahren ver- öffentlichten bildlichen Darstellung, ebenfalls des Längsschnittes, allerdings eines an und für sich viel grösseren und leichter zu be- handelnden Zahnes von Cobra di capello, verbessert wurde 2). Trotz- dem hat die letztgemeinte Figur, wie wohl sie auch sonst, beson- ders was die Massverhältnisse anbelangt — der Zahn bei Fontana ist an der Wurzel zu breit — naturgetreuer gehalten erscheint, noch keineswegs Eingang und Verbreitung in andere Schriften ge- funden. Das Fehlerhafte, auf das hinzudeuten ich nicht unterlassen möchte, ist, dass der treffliche italienische Forscher die Pulpa- 1) In Jacquin’s Collectaneas ad botanicam chemiam et historiam naturalem spectantia Vol. IV. 2) Odontography, London 1840—1845. Pl. 65. Fig. 11. M, Schultze Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9, 2 18 Dr. F. Leydig: Höhle viel zu frühe aufhören lässt. In Uebereinstimmung mit seiner Zeichnung sagt er: »Der inwendige Kanal, welcher sich auf der hohlen Seite des Zahnes befindet, fängt an der Grundfläche mit einer grossen Oeffnung an; von da geht er weiter, indem er nach und nach enger wird und endigt sich endlich in eine blinde Spitze über der Mitte des Zahns.« Ich sehe hingegen, dass die Pulpa-Höhle | nicht etwa schon in der Mitte des Zahns endet, sondern vielmehr, obschon sehr schmal geworden, viel weiter, ja bis nahe zur Zahn- spitze, sich erstreckt. Das blinde Ende der kanalartig eingeengten Höhle liegt etwa unter dem Anfang des letzten Fünftels der rinnen- artig ausgezogenen Oeffinung des Giftkanals. Hievon überzeugt man sich am leichtesten durch Betrachten des frischen Zahnes '), indem das durchschimmernde Blut der Gefässe der Pulpa sehr deutlich darthut, wie weit die Zahnpapille sich ver- längert. Schneiden wir uns dann eine Querscheibe vom Zahn weg, etwa aus dem vorderen Drittel seiner Länge, also aus der Gegend der Oeffnungsrinne, so erblicken wir auch auf diese Weise unterhalb der Rinne, allwo nach Fontana längst keine Spur mehr von der Pulpahöhle zugegen sein sollte, eine solche klar und rein in Form eines im Durchschnitt runden Kanals ?). Der untere viel geräumigere Theil, welchen Fontana allein gekannt, hat übrigens eine andere Gestalt im Querschnitt als dort °) vorgestellt wird. Die Lichtung ist nämlich keineswegs kreisförmig im Querschnitt, sondern in sehr ausgesprochener Weise halbmond- förmig *). Denn die Pulpahöhle umgreift den von aussen her ein- gestülpten Giftkanal. Dieses Verhalten erscheint zum erstenmal und aufs beste ausgedrückt in den sehr reinen, bei auffallendem Licht von Clift gezeichneten Zahndurchschnitten, welche zur Ab- handlung Smith’s gehören >). Der Giftkanal selber entsteht, was wohl ebenfalls zuerst durch die eben genannten englischen Beobachter bekannt geworden ist und wovon man sich auch an Querschnitten des fertigen Zahns 1) Vergl. Fig. 3. 2) Vergl. Fig. 6. 3), Ara. 0. Taf. II. Fig; 6,"m,'a,8,10,0d. 4) Vergl. Fig. 6. 5) A. a.0. Phil. Transact. 1818. — Eine Uebersetzung findet sich, ausser der schon erwähnten in Oken’s Isis, auch in Meckels Archiv 1820. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 19 gut belehren kann, von aussen her durch Bildung einer Furche, die vorn und hinten offen bleibt, während in der Mitte die Ränder der Erhebung verwachsen. Die längs der Rückenseite hinlaufende Naht bleibt als Spur dieses Vorganges bestehen. Man wird einen Querschnitt aus der Mitte des Zahns auch desshalb mit Antheil betrachten, weil hier die Art und Weise, wie Kanalbildungen im thierischen Körper wohl öfters zu Stande kom- men mögen, in so deutlichem Bilde festgehalten sich zeigt. Auch Oken, welcher sich mit dem Studium entwicklungsgeschichtlicher Hergänge befasst hat, scheint nach Kenntnissnahme der Smith’- schen Arbeit ein ähnliches Behagen gefühlt zu haben. Denn er setzt seinem Auszug der englischen Abhandlung in der Isis folgende Bemerkung bei: »Dieser Bau stimmt so sehr mit allen übrigen bla- senartigen Gebilden des Leibes überein, dass an dessen Richtigkeit wohl Niemand zweifeln wird. Es ist die gewöhnliche Einrollung oder Einsackung fast aller Blasen, wie sie sich beim Gekröss findet, beim Amnion. Die Giftzähne weichen mithin in ihrem Bau von dem der andern Zähne, in sofern sie eingerollt sind, nicht ab, und dem- nach ist wieder eine Sonderbarkeit mehr aus der Anatomie ver- trieben. « Auch eine andere ins Allgemeine gehende Bemerkung drängt sich mir auf. Hat man nämlich einen Giftzahn völlig in Querschei- ben zerlegt, so zeigt sich beim Durchmustern ddr Stücke keines- wegs strenges Ebenmass von rechts nach links, sondern im Gegen- theil mehr oder weniger starke Abweichungen hievon. Es kommt vor, dass der kanalartige Ausläufer der Pulpahöhle nicht genau die Mitte hält, oder dass die über ihm stehenden Wände der Giftrinne ungleich sind, sowohl in der Dicke als auch in der Höhe; da wo die Pulpahöhle von halbmondförmigem Querschnitt ist, lassen sich ebenfalls kleine Störungen der seitlichen Symmetrie wahrnehmen. — Es ist sonst Regel gewesen, organische Körper mit seitlichem Ebenmass genau so zu Zeichnen, wie wenn die eine Seite Spiegelbild der anderen wäre. Allein wer schärfer zusieht, findet Abweichungen in dem angedeuteten Sinne überaus häufig. Bei Vergrösserung des Gegenstandes oder durch photographische Aufnahme wird diese Sym- metrie leicht noch sinnenfälliger. 20 Dr. F. Leydig: b. Die Substanz des Zahns. Das Zahnbein'!) verhält sich in der Schichtung der Grund- substanz, sowie der sich verästigenden Kanälchen ganz in gleicher Weise, wie man solches an den undurchbohrten Zähnen wahrnimmt. An der Aussenfläche bemerke ich hin und wieder die auch für letztere erwähnten dunklen Querlinien, welche währscheinlich als feine Querrisse zu deuten sein mögen. Das Zahnbein, von innen angesehen, erscheint durch die Oeffnungen der Kanälchen fein und dicht punktirt. Hat längere Zeit Essigsäure und Glycerin einge- wirkt, so sieht die in Rede stehende Substanz einer sog. Glashaut oder Descemet’schen Haut sehr ähnlich. Eine Rindenschicht, die man dem Schmelz vergleichen könnte, hebt sich ebenfalls ab ?); insofern in ihr nur äusserst feine und nicht sehr zahlreiche Kanälchen vorkommen, so nimmt sie sich beinahe wie homogen aus. Da die Giftrinne von aussen herein zum Kanal sich umwandelt, so wird dadurch diese Rindenschicht zur inneren oder auskleidenden Lage des Giftkanals ®) und zur Ausfül- lungsmasse an der Verwachsungsstelle der Ränder der Rinne; was man Alles an Querschnitten durch den ganzen Zahn schön ins Auge fassen kann ). Es ist daher unrichtig, wenn es bei Smith °) heisst, die Giftröhre sei nicht von Schmelz überzogen, sondern die- selbe fülle nur den Schlitz aus; denn will man die Rindenschicht des Zahnbeins »Schmelz« nennen, so muss man nothwendig weiter sagen, dass die Giftröhre von Schmelz ausgekleidet ist. Der Zahnspitze kommt auch die gelbliche Färbung zu, welche die undurchbohrten Zähne an sich haben. Ebenso findet sich als äusserste Grenze der Zahnsubstanz eine Cuticula oder ein zartes, 1) Vergl. z. B. Fig. 3, Fig. 4, Fig. 5, Fig. 6, Fig. 7. 2) Vergl. z. B. Fig. 3, Fig. 11. 3) Fig. 5. 4) In der oben angezogenen englischen Odontography, welche auf Pl. 65 A zwei sehr schöne Abbildungen des Giftzahns einer exotischen Schlange, von der Hand des aus Bayern stammenden naturhistorischen Zeichners Dinkel enthält, wird die obige Schicht »cement« genannt. Diesen Vergleich halte ich für unzulässig; will man die fragliche Lage nach ihrem Vorkommen an der Zahnkrone und wegen des histologischen Verhaltens nicht »Rindenschicht« schlechthin nennen, so kann sie nur «Schmelz« heissen. 5) A. a. O. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 21 homogenes Häutchen. Man gelangt am besten zur Ansicht dessel- ben an Zähnen, die durch Liegen in einer Säure erweicht wurden. Die Zahnsubstanz, indem sie dadurch aufquillt, bringt gedachten Ue- berzug zum Platzen und es hängen jetzt die auseinandergerissenen Stücke um die Zahnspitze herum '). Nach rückwärts sind die Fetzen von sehr zarter Natur und lösen sich auch weniger leicht ab. c. Weichtheile. Der Giftzahn sitzt, wenn er einmal mit dem Oberkiefer ver- wachsen ist, über der Oeffnung eines Markraumes und die aus dem Zahn herausgezerrte Pulpa zeigt auch der Hauptmasse nach den Bau des Knochenmarkes. Man unterscheidet ausser den Blutge- fässen ein zartes Fachwerk von Bindegewebe, dessen Räume dicht. erfüllt sind mit fein granulären, hüllenlosen Zellen. Ueber die Nerven der Zahnpapille konnte ich bisher — ich habe nur das in Wein- geist gelegene Thier von V. ammodytes auf diesen Punkt unter- sucht — nicht recht ins Klare gelangen. Doch meine ieh immer- hin Nervenfasern von sehr blasser Beschaffenheit in der Pulpa ge- sehen zu haben. (Mit Leichtigkeit überzeugt man sich davon, dass das um die Zahnwurzel herum befindliche Bindegewebe sehr ner- venreich ist.) Wer die Untersuchung des Zahns damit anfängt, dass er den- selben bei durchgehendem Licht unter das Mikroskop bringt, wird inne werden, dass trotz der Durchsichtigkeit des ganzen Gebildes man beim Deutenwollen der mancherlei Linien auf nicht geringe Schwierigkeiten stösst. Es empfiehlt sich daher zuerst auffallendes Licht anzuwenden und dann überzugehen zur Anfertigung von Querschnitten. Hat man auf diese Weise Kenntniss von den Thei- len gewonnen, dann gewährt es allerdings Vergnügen, den ganzen Zahn bei Beleuchtung von unten zu betrachten ; man versteht jetzt z. B. warum ein Theil der Blutgefässe seitwärts weit über den Gift- kanal herübergreifen kann ?). Die Pulpahöhle liegt ja nicht mit einfach rundlichem Querschnitt hinter dem Giftkanal, wie solches nach der Zeichnung bei Fontana der Fall wäre, sondern sie um- 1) Siehe Fig. 7. 2) Fig. 3, Fig. 4. 22 Dr. F. Leydig: schliesst halbmondförmig den Giftkanal. Man sieht ferner recht schön, wie die Pulpahöhle nach vorn zu sehr schmal wird, so dass blos eine einzige Gefässschlinge darin Platz hat; während in dem hinteren weiteren Abschnitt, ausser dem zu- und ableitenden, zu un- terst liegenden Hauptgefässe, eine reiche Entfaltung von Blutcapil- laren seitwärts sich verbreitet. 3. Entwickelung. Ueber den Vorgang der Entwickelung haben die Arbeiten frü- herer Beobachter so viel aufgedeckt, dass wir wissen, der einzelne Zahn entstehe für sich in einem Säckchen oder Capsel, die man auch wohl gern einem Ei verglichen hat; dann dieser Balg oder dieses „Ei“ hänge durch einen „markigen“* Stiel, mit der Schleim- haut der Mundhöhle beweglich zusammen. Die beste und eingehendste Arbeit über die Bildung der Gift- zähne der Vipern scheint eine vor längerer Zeit von Rosa veröffent- lichte Abhandlung zu sein, welche den Titel führt: Sulla dentizione di molti animali. Ich habe mir leider dieselbe nicht verschafien können und glaube zu bemerken, dass es Andern, die sich um die Schrift ebenfalls bemühten, nicht besser ergangen ist. Der einzige mir bekannt gewordene deutsche Anatom, der sie wirklich vor Au- gen gehabt haben muss, ist Meckel gewesen. In seiner Ueberset- zung des Cuvier’schen Werks über vergleichende Anatomie !) führt er die Abhandlung des italienischen Beobachters, der, so viel ich weiss, an der Universität Pavia gegen Ende des vorigen Jahrhun- derts wirkte, an, nennt sie »sehr interessant und genau« und giebt glücklicherweise einen Auszug aus derselben. Meckel eitirt: Brug- natelli, giornale fisico-medico, T.I, p. 119, — was ein Schreib- oder Druckfehler sein muss. Ander angezogenen Stelle der bezeichne- ten Zeitschrift findet sich nämlich die Arbeit keinesfalls, aber sie ist auch nicht in den andern auf hiesiger Bibliothek stehenden Bän- den (Jahrgänge 1792, 1793, 1794) vorhanden. Bibron?) und Dumeril in ihrer Frpetologie gönerale haben wohl auch vergeb- lich nachgeschlagen, denn sie wissen das Jahr des Erscheinens nicht 1) Theil III. Leipzig 1810. S. 126. 2) T. VI,.p.229, Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 23 anzugeben und sagen obendrein: Rosa, Sur la reproduction des crochets & venin, eit€ par Meckel dans la traduction de ’Anatomie compar6de de Cuvier en allemand, T. II, p. 126. Auch in der zweiten Ausgabe der Cuvier’schen vergleichenden Anatomie durch Duvernoy '), da wo die Giftzähne der Schlangen abgehandelt werden, sieht man sich umsonst nach Rosa’s Schrift um. Joh. Müller in seiner Physiologie ?) kennt unseren Autor nur aus der Meckel’schen Uebersetzung. Dass Wagler, welcher den Zähnen der Reptilien ein besonderes Studium gewidmet hat, ebenfalls nur wörtlich giebt, was die Meckel’sche Uebersetzung bringt, obschon er nicht unterlässt hervorzuheben, dass Rosa’s Arbeit die »voll- ständigsten Bemerkungen« über unseren Gegenstand enthält, scheint mir zu verrathen, dass auch er das Original nicht zu finden im Stande war 3). Ich habe mir erlaubt dieses Alles hier umständlich auseinan- derzusetzen, um vielleicht einen Fachgenossen, der über die ver- schollene und doch wohl wichtige Arbeit Rosa’s Bescheid weiss, zu veranlassen, dass er die Stelle, wo die Abhandlung zu finden ist, gefälligst bezeichne. Die jüngsten und jüngeren Giftzähne *), welche ich unter dem Mikroskop hatte, verhalten sich, so lange noch nichts von der Rinne aufgetreten ist, wie die gleichalterigen undurchbohrten Zähne. Man unterscheidet die Papille, deren stielartige Verlängernng nach. unten Rosa die »markige Verlängerung oder Wurzel« heisst und da er überdies das Zahnsäckchen Ei nennt °), so gelangt er dazu die Papille einem »wahren Nabelstrang« zu vergleichen. Dass in die Papille Blutgefässe treten, lässt sich schon an den jünsten Zähnen 1) T. IV, 1835. 2) Band I, S. 388. 3) Natürliches System der Amphibien 1830, S.214. (Neun Zeilen, in Klammern stehend mit zwei ganz kleinen Holzschnitten, beziehen sich auf Wasglers eigene Untersuchungen und sind in dieMeckel’sche Uebersetzung eingeschoben!) 4) Vergl. Fig. 8, Fig. 9. Fig, 10. 5) Dem Zahnsäckchen die Bezeichnung »Ei« zu geben, ist auch noch später vielfach Gebrauch gewesen, wie man denn bis zur Stunde den Aus- druck »Zahn-Embryo« anwenden sieht. a 7° 5 D h i 24 Dr. F. Leydig: erkennen. Die Papillen liegen am Boden der gemeinsamen Tasche niedergedrückt, fast wagerecht, etwa wie Schuppen. Das Gewebe nun, welches das Zahnbein liefert, ist das die Spitze der Papille überdeckende Epithel. Es scheidet sich dasselbe in eine hellere obere oder Plattenschicht, deren Lagen sich so dicht folgen, dass dieser Theil des Epithels wie feinstreifig sich aus- nimmt '). Darunter kommt die aus cylindrischen Elementen beste- hende feinkörnige Lage und diese ist es, welche das Zahnbein ent- stehen lässt ?). Der nähere Vorgang ist der, dass vor Allem der bezeichnete Theil des Epithels sich in zwei Blätter sondert, wodurch ein schma- ler Raum zwisehen beiden sich aufthut ?), der aber nach rückwärts so endet, dass die Zellen, welche den Raum oder die Spalte von oben und die, welche ihn von unten begrenzen, hinter- oder ab- wärts ohne Unterbrechung in einander übergehen *). Da in den Raum hinein die Abscheidung des Zahnbeins erfolgt, so wird hier das »Zahnsäckchen« mit völligem Ausschluss anderer Gewebstheile lediglich vom Epithel gebildet. Der Zahn tritt nun als dünnes Käppchen ’) einer harten kal- kigen Masse in dem bezeichneten Hohlraum auf. Da der hintere Rand des Käppchens sich noch in ein homogenes helles, nicht ver- kalktes Häutchen auszieht, so darf angenommen werden, dass immer erst die Abscheidung weicher Lagen einer organischen Substanz voraus- geht, welche sich dann mit Kalk verbinden. Schon sehr frühe, so wie eben nur das Zahnkäppchen erscheint, sind jene Epithelzellen, welche den Raum des »Zahnsäckchens« von unten begrenzen, oder anders gefasst, die Spitze der »Zahnpapille« besetzen, etwas ver- längert). Diese Zellen liefern nämlich durch ihre Ausläufer die Röhrchen des Zahnbeins. In weiter vorgeschrittenen Zähnen sind verschiedene Theile in die Länge und Dicke gewachsen. Die Zahnsubstanz hat ihre Lagen an der Spitze vermehrt und sich nach hinten ausgedehnt. Durch 1) Z. B. auf Fig. 10,a. 2) Fig. 10, b. 3) Fig. 8, ce. 4) Fig. 8, Fig. 9, Fig. 10, e. 5) Fig. 9, ec; Fig. 10, ce. 6) Vergl. Fig. 9. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 25 das Letztere erfolgt jetzt eine Abschnürung der beiden bisher auch nach hinten in ununterbrochenem Zusammenhang gewesenen, aus Cylinderzellen bestehenden Epithellagen. Das Zustandekommen dieser Trennungslinie hat man sich wohl so vorzustellen, dass die letzte Cylinderzelle, bis zu welcher das Zahnbein sich ausdehnen soll, nicht blos an ihrem Ende — wenn man will Kopf — die Cuti- cula abscheidet, sondern auch an einem Theil ihrer Seitenfläche. isens erwähnt zu werden verdient, dass das Zahnbein der früheren Stadien, und nachdem es auch den Anflug von Gelbbraun erhalten, eine gewisse Selbstständigkeit während des ganzen Lebens des Zahns an den Tag legt. Es hebt sich immer mit scharfer Grenze ab, lässt sich vom übrigen oder später gebildeten Zahnbein leicht wegsprengen, macht sich auch an Zähnen, welche in Säuren erweicht wurden, nicht minder als besondere Lage bemerklich; ist nur von ganz feinen Canälchen durchbrochen, daher von fast homo- gener Beschaffenheit — kurz stellt eben bleibend eine Rindenschicht vor, welche die Stelle eines wirklichen, aus »Prismen« bestehenden Schmelzes vertritt. — Die Muschelschalen und der Schmelz des Zahns haben, was unten noch einmal zur Sprache kommen wird, gewisse gemeinsame Züge in der Entwicklung und daher mag hier angeführt sein, dass nach Kobelt und Heynemann bei den kleinsten im Main aufgefundenen Flussmuscheln die erste oder Em- bryonalschale, leicht kenntlich an den von mir !) zuerst nachgewie- senen Porenkanälen, als feines Hütchen dem Wirbel noch längere Zeit aufsitzt, bis sie endlich abgerieben wird ?). Da die Zahnsubstanz zwischen zwei Lagen von Zellen, welche ursprünglich gleicher Art sind, in die Erscheinung tritt, so wird man sich fragen dürfen : ob beide der Zellenlagen und in wel- cher Weise, sich hierbei betheiligen. Bezüglich der unteren, das heisst derjenigen, welche die Pulpa bedeckt, springt klar in die Augen, dass sie die Hauptmasse des Zahns liefert. Ihre Zellen, schon sehr bald sich in die Länge streckend, wachsen nach und nach in lange Fäden aus, welche zu den Zahnkanälchen werden 3). 1) Histologie S. 108. 2) Vergl. Noll, Unsere Flussmuscheln (Najaden). Ihre Entwicklung und ihre Beziehungen zur übrigen Thierwelt. Bericht über die Senkenber- gische naturforschende Gesellschaft. 1869—1870. 3) Fig. 10, d. 26 Dr. F. Leydig: Auch die Grundsubstanz des Zahnbeins von einer Thätigkeit der- gleichen Zellen abzuleiten, darf desshalb geschehen, weil auch bei der Erzeugung anderer Cuticularbildungen mit Porenkanälen beides durch die Leistungen einer und derselben Zellenlage in’s Werk gesetzt wird. Wenn man auch den oberen Lagen von Zellen einen etwelchen Antheil zuschreiben will, so liesse sich dieses vielleicht damit recht- fertigen, dass am fortgewachsenen Zahn das Epithel an dessen Spitze merklich dünner geworden ist, als es früher war; doch könnte man diese Veränderung auch auf einfach mechanischem Wege geschehen sein lassen. Eine Nöthigung die äusserste hautartige Lage von dem oberen Epithel abzuleiten, liegt nicht vor; vielmehr spricht Alles dafür, dass dieselbe eigentlich nur die zuerst gebildete Cuti- cularschicht ist, an welche sich die anderen anlagern, während sie selbst immer nach aussen vorrückend, eine besondere Härtung erfährt und auch am meisten ins Gelbbraune sich färbt. Sobald nun der Zahn soweit gediehen ist, dass sich an das ursprüngliche Käppchen noch eine etwa gleich dicke weitere Schicht von Zahnbein angefügt hat, so tritt die Giftrinne auf, und zwar in der schon von Andern beobachteten Weise, dadurch, dass sich die Ränder des Zahns heraufbiegen. Man sieht diese Rinne!) sehr deutlich an ganz jungen noch gerade gestreckten Zähnen; an jenen, welche schon an Länge so zugenommen haben, dass sie sich krüm- men, erscheinen die Ränder der Rinne bereits in der Mitte zum Canal geschlossen. Zähne aus dieser Zeit, wohl gereinigt und auf- gehellt, zeigen bei durchgehendem Licht, da jetzt die Wände zweier Kanäle: des Giftkanals und der gewöhnlichen Zahnhöhle, sich ab- heben und obendrein die Naht des Giftkanals als breiter, heller, mittlerer Streifen sich hinzugesellt, ein von zahlreichen Linien durch- zogenes Bild, was nur derjenige ohne Mühe entziffern wird, welcher bereits vorher den fertigen Zahn bei auffallendem Licht in nähere Untersuchung gezogen hat. 4. Vergleichende Bemerkungen. »Die Dinge in der Natur sind sich viel ähnlicher als sie ver- schieden sind«. Zur Bekräftigung der Richtigkeit dieses Satzes kön- nen vielleicht auch die im Voranstehenden aufgeführten Beobachtungen 1) Fig. 11. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 27 beitragen. Durch meine früheren Arheiten ist zuerst !) dargethan worden, dass die mancherlei Zähne niederer Thiere, welche bald als Hornzähne, bald als Knorpelzähne u. dergl. angesprochen wurden, zu den Qutieularbildungen gehören. Die Zähne der Wirbelthiere wären aber nach dem bisherigen Stand unserer Kenntnisse, wenig- stens was ihren Haupttheil, das Elfenbein oder Dentin, anbetrifft, Verkalkungen der bindegewebigen Zahnpapillen. Meine gegenwär- tigen Untersuchungen leiten zu der Ansicht hin, dass auch das Dentin bei Amphibien und Reptilien Cutieularbildung sei. Die Entstehung des Zahnbeins geht nach meinem Dafürhalten in jener gleichen Weise vor sich, wie ich sie bei gewissen Cuticular- bildungen, welche von Zellen mit viel zarteren Fortsätzen stammen, zuerst erkannt habe. Ich darf hier wohl erinnern an die Aus- einandersetzungen, welche ich im Jahre 1864 über die Entstehung der Porenkanäle des Cutieulargewebes überhaupt gab ?); ferner an meine Nachweise über die Herkunft der Porenkanäle am Chorion des Insecteneies?), woran sich die Beobachtungen Waldeyer’s über die Zona radiata des Eies der Vögel und Reptilien schliessen ?). Indem nun bei Entstehung des Zahnbeins die Zellen des Epithels in lange Fortsätze auswachsen und dazwischen eine Grundsubstanz in zahlreichen Schichten sich absetzt, so wiederholt nach meiner Ansicht dieser Vorgang in grossen Zügen das, was man z. B. an der Schale des Insecteneies im Kleinen sieht. Die Epithellage, welche das Zahnbein abscheidet, ist hier bei Amphibien und Reptilien ein Theil des Mundepithels. Bei den Säuge- thieren ist solches aber nach den neuesten, über die Entstehung des Zahns vorliegenden Arbeiten keineswegs der Fall. Dort wären nur die Zellen, welche den Schmelz liefern, eine Sprossenbildung vom Epithel der Mundschleimhaut her; die Zellen hingegen, durch deren Auswachsen und abscheidende Thätigkeit das Zahnbein zu 1) Vergl. die Zusammenstellung u. den literarischen Nachweis meiner Beobachtungen in meinem Buche: Vom Bau des thierischen Körpers. Tübin- sen bei Laupp, 1864, S. 38 u. f., 2) Vom Bau d. thierischen Körpers, S. 35. 3) Eierstock und Samentasche der Inseeten, Nov. act. acad. Leopold. Carol. 1866, S. 14, Taf. II, Fig. 14. 4) Eierstock und Ei. Leipzig, 1870, S. 70. Der Zona radiata gedenke ich ebenfalls vom Ei der Lacerta u. Anguis. (Die in Deutschland lebenden Saurier. Tübingen 1872, S. 132.) 28 Dr. F. Leydig: Stande kommt, seien zwar auch echte Epithelzellen, aber ohne dass sie je im Zusammenhang mit dem Epithel der Mundschleimhaut gestanden wären; sie seien vielmehr eine Umbildung der Bindege- webszellen der Zahnpapillen. Kollmann z.B. sagt, die Zahnpulpe bestehe in der frühesten Zeit aus embryonalen Bindegewebszellen, ohne Spur einer epithe- lialen Begrenzung; später entwickele sich auf der Papille eine Epi- thelschicht, die in der Tiefe mit dem Pulpagewebe im Zusammen- hang bleibe durch zahlreiche Verbindungen !). — Dasselbe Ergebniss liegt in den Angaben Waldeyer’s: der Dentinkeim sei nur eine besondere sehr zellen- und gefässreiche Abtheilung des Schleim- gewebes; nachdem derselbe eine gewisse Grösse erreicht habe, bilden sich die an der Peripherie gelegenen Zellen zu dem Epithel der Zahnpapille aus, es stehe aber jede dieser Zellen nach unten mit den tiefer gelegenen jüngeren, bindegewebigen Elementen der Pulpe im Zusammenhang ?). Bei der Uebereinstimmung, welche über diesen Punkt zwei so genaue Beobachter an den Tag legen, wird sich die Sache auch wohl in der angegebenen Weise verhalten. Doch kann ich nicht umhin, eine histologische Beschreibung der Zahnpulpe, welche fast in Vergessenheit gerathen ist — auch Waldeyer in seiner Auf- zählung der Literatur über diesen Gegenstand schweigt davon — in Erinnerung zu bringen. Reichert, indem er über die Arbeiten in der mikroskopischen Anatomie aus dem Jahre 1842 berichtet ?), hebt hervor, dass man nach der Entdeckung der elementaren Zelle den Vorgang der Zahn- bildung nicht mehr, wie es dazumal noch häufig geschah, als ein allmähliges Ausschwitzen einer formlosen Bildungsmasse, die dann zum Elfenbein ossifieire, aufzufassen habe. Ein Wachsthum durch Juxtaposition heisse hier vielmehr die fortdauernde Bildung und das Wachsthum eines Gebildes und einer Zellenmasse, die von einem gefässreichen Theile, von der sogenannten Matrix ernährt und zu einer Function befähigt werde. Dies sei aber in der That die Art 1) Entwickelung der Milch- und Ersatzzähne beim Menschen. Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie. 1870. 2) Bau und Entwickelung der Zähne in Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen u. der Thiere 1871. 3) Archiv f. Anat. nnd Physiologie, Jahrg. 1843, p. COXXXVI. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 29 und Weise der Bildung und das Wachsthum der Elfenbeinsubstanz. Hierauf heisst es wörtlich: »Referent unterscheidet an dem Zahn- keim, ganz so wie an dem Keime des Haares oder des Nagels, eine _ gefäss- und nervenhaltige Partie, die eigentliche sogenannte Matrix und eine gefässlose Zellenschicht, welche die erstere von aussen um- kleidet. Das Gewebe des gefässreichen Theiles besteht beim Schweine- Foetus aus einer gallertigen Grundmasse von der Natur der galler- tigen Substanz des Nabelstranges und mancher Eihäute, in welchen Zellen, die nach zwei und mehreren Richtungen, wie die Pigment- zellen in Fasern auslaufen, von einer gallertigen Intercellularsubstanz ohne alle Schichtung getrennt liegen. In dieser Grundmasse ver- breiten sich die Nerven und zahlreichen Gefässe. Die auf der Ober- fläche dieses gefässreichen Theiles gelagerte Schicht elementarer Zellen verwandelt sich nach aussen hin allmählich in Fasern, die in der Nähe des schon erhärteten Elfenbeins durchaus die Beschaffen- heit der Zahnröhrchen desselben offenbaren, aber noch weich sind. Diese Zellen sind also gänzlich verschieden von den Zellen der Grundmasse des gefässreichen Theiles des Zahnkeimes, scheiden sich durch eine sichtbare Grenze von ihnen und von einer Verwandlung der letzteren in die ersteren und dann in die Elfenbeinsubstanz ist nicht die geringste Spur vorhanden, kann auch gar nicht die Rede sein. Wohl aber ist es begreiflich, wie man zu einer sol- chen Annahme leicht gelangen kann, da mit der Vergrösserung des Zahnes und seiner Bildung aus der oberflächlichen Zellenschicht auf der Matrix gleichzeitig bei denjenigen Zähnen, die nicht fort- wachsen, die Matrix selbst an Umfang und Bedeutung abnimmt.“ Anders spricht sich etwa zehn Jahre darnach Kölliker!) über diese Frage aus. Er vergleicht zwar auch den gefässlosen äusseren Theil des Zahnkeimes einem Cylinderepithel, aber die Zel- len desselben „sind nach innen nicht so scharf begrenzt, wie ein solches, sondern gehen, wie es wenigstens den Anschein hat, durch kleinere Zellen allmälig in das Parenchym derselben über.“ Die der Beschreibung beigegebene Abbildung ?) lehrt übrigens, dass we- nigstens dem Auge des Zeichners die Zellen des Cylinderepithels 1) Mikroskop. Anatomie. Zweiter Band, zweite Hälfte, 1. Abth. 1852. 2) a. a. O. Fig. 210. 30 Dr. F. Leydig: von der übrigen Substanz der Pulpe sich mit scharfer Grenze ab- hoben. Möge es den Beobachtern, welche von jetzt an neue Unter- suchungen über die Entwickelung des Zahnes der Säuger ausführen, ge- fallen, gerade auf diese offenbar nicht ganz aufgehellte Sache ihre beson- dere Aufmerksamkeit zu richten. Es wäre möglich, dass denn doch dem Blicke der Histologen jenes Stadium und jene Sonderung, wo- durch bei Amphibien und Reptilien die sog. Schleimschicht (Mal- pighi’sche Schicht) des Epithels in zwei Lagen sich spaltet, an den Säugethieren bisher entgangen sein könnte. Was mich aber andererseits, ohne den Gegenstand selbst ge prüft zu haben, abhalten muss, das bei den niederen Wirbelthieren Gesehene, sotort auf die Säugethiere überzutragen, ist einmal der Umstand, dass die Matrix von Cuticularbildungen continuirlich mit Bindegewebe zusammenhängen kann. Ich verweise in dieser Be- ziehung auf meine Beobachtungen an Rotatorien und Arthropoden, wovon ich an einem andern Orte!) eine Zusammenfassung des Thatsächlichen gegeben habe. Zweitens ist für mich von Bedeutung, dass z. B. der Schalen- panzer der Arthropoden, also eine unbezweifelbare Cuticularbildung, mit dem festen Bindegewebe der Wirbelthiere die grösste Verwandt- schaft hat ?). Nach diesen Erfahrungen wird es somit, was das fertige Zahn- bein betrifft, beinahe gleichgültig, ob man sagt, dasselbe sei eine Cutieularbildung oder ein der Knochensubstanz entsprechendes Ge- webe. Die von mir behauptete Zusammengehörigkeit der Cuticular- bildungen und der festen geschichteten Bindesubstanzen wird auch dadurch von Neuem erhärtet, dass hier am Zahn der Amphibien und Reptilien das nach Art einer geschichteten Cuticula entstan- dene Zahnbein, versehen mit langen verästigten Porenkanälen, dennoch an der Wurzel mit echtem Knochengewebe später in Eines zusammenwächst. Nicht ganz so liegen aber die Dinge, wenn wir fragen, von welchem Keimblatt des Embryo die Zahnsubstanzen ihren Ursprung herleiten. Denn wir sehen alsdann, dass nicht blos der Schmelz, sondern auch das Zahnbein ein Erzeugniss der Epidermis ist; der 1) Leydig, vom Bau des thierischen Körpers, Tübingen 1864. S. 40. 2) Vergl. die weitere Ausführung a. a. O. S. 40 ff. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 31 ganze Zahn tritt sonach mit dem Haare in noch nähere morpholo- gische Verwandtschaft, als solches bis jetzt bekannt war. Wenn z. B. Cuvier bemerkt, das Zahnbein ist eine Ausschwitzung oder ein Secret der Zahnpapille, welches sich mit Kalktheilchen beladet; oder wenn Heusinger, gestützt auf Untersuchungen Lavagna’s, und dessen Meinung beistimmend, die Zähne gleich den Haaren und Federn zum Horngewebe rechnet, — es seien die Zähne dem Kreis- lauf des Körpers entrückte Theile, sie können abgeworfen und durch neue ersetzt werden — so kommt diese ältere Auffassung, wie ich dafür halte, der Wahrheit näher, als wenn wir die Verwandtschaft des Zahnbeins mit dem Knochengewebe vorzugsweise betonen. Das Wissen, welches wir gegenwärtig über die feineren Vorgänge bezüg- lich der Entwickelung haben, beeinträchtigt die ältere Darstellung, welche von Zellen und ihren Umbildungen nichts ahnte, keineswegs, sondern vervollständigt und vertieft nur die Erkenntniss. Für Lavagna, dessen Arbeit!) ich nicht selbst eingesehen, waren es besonders die Erscheinungen der Reproduction, welche ihn bestimmten, das Zahnbein zum Horngewebe zu rechnen. Die man- cherlei in der Abhandlung Kollmann’s gesammelten und zum Theil höchst merkwürdigen Beobachtungen über Hyperdentition, Dentes proliferi und Dentes accessorii etc. werden uns physiologisch, wenn auch nur um einen kleinen Schritt verständlicher, sobald es uns gelingt, die Entwickelung des Zahnbeins auf die gleiche Wur- zel, aus der das Haar kommt, zurückzuführen. — Doch müssen wir uns, da eben eine nicht wegzuläugnende Verwandtschaft zwischen Cuticularbildungen und dem Gewebe der festen Bindesubstanz be- steht, immer wieder in’s Gedächtniss zurückrufen, dass Hautknochen und Zahnbein stellvertretend für einander auftreten und in einander übergehen können. Die sog. Knochenkörner in der Haut der Se- lachier sind, wie ich gezeigt habe, in ihrem Bau dem Zahngewebe ähnlich 2). Und dass auch die Wiedererzeugung der Hautknochen nicht ganz fehlt, dazu liefert das Hirschgeweih den Beleg, obschon im letzteren Falle allerdings die näheren Verhältnisse doch recht besonderer Art sind. Während bezüglich des Zahnbeins die Meinungen, .ob dasselbe 1) Siehe Heusinger’s Histologie. 2) Beiträge z. mikroskop. Anat. d. Rochenu. Haie, 1852, u. Histologie 1857, 8. 93. 32 Dr. F. Leydig: mehr Aehnlichkeit mit dem Knochen oder mit Horngebilden habe, auch in früheren Zeiten, wie jetzt noch, hin und her schwankten, hatte sich im Hinblick auf die Natur des Schmelzes schon sehr bald bei vielen Anatomen eine der heutigen Auffassung entsprechende Ansicht dadurch festgesetzt, dass man den Schmelz mit den Muschel- schalen zusammenstellte. Soweit ich sehe, ist Svamerdamm!) als derjenige zu nennen, welcher zuerst die Verwandtschaft bemerkt hat. Nachdem er über die Entstehung der Schneckenschalen gehandelt und gezeigt, wie „Strahlen in eine allgemeine Schale oder Rinde zusammengehen und verharschen und mit der Zeit zusammenbacken‘, so sagt er: „Die äusserste Haut und Rinde der Zähne an Menschen und Thie- ren besteht gleichfalls aus einer unzähligen Menge dergleichen klei- nen und zarten zusammengesetzten Fädchen, die ich an manchen Zähnen so hart und glatt als einen Stein ‚befunden habe.“ Und nun theilt er weiter mit, dass man an den Schalen der Muscheln „die- selben Fädenchen“ beobachten könne, woraus erhelle, „dass auch die Muschel auf die besagte Weise an und zusammenwachse.“ — In unseren Tagen hat alsdann Carpenter?), welcher die mikrosko- pische Beschaffenheit der Muschelschalen genauen Untersuchungen unterwarf, die „prismatisch-zellige Schicht“ der Schalen mit dem Zahnschmelz verglichen. Ich selbst bin ebenfalls, indem ich die einheimischen Arten der Muscheln (Unio, Anodonta, Cyclas) studirte, in die gleiche Betrachtungsweise eingegangen ?). Seitdem mir nun bekannt ist, dass bei Amphibien und Reptilien selbst das Zahnbein in die Cuticularbildungen gereiht werden darf, möchte ich beinahe den Vergleich des Zahnes mit der Muschelschale noch weiter aus- dehnen. An der Muschel — ich bitte den von mir gelieferten Schnitt *) durch die Schale von Anodonta in’s Auge zu fassen — kommt unterhalb einer Cuticula, vielleicht gleichwerthig dem Schmelz- oberhäutchen, die dem Schmelz selbst entsprechende Säulenschicht, dann eine ebenfalls dicke aus zahlreichen Blättern bestehende Schicht. 1) Bibel der Natur. Uebersetzg. Leipzig 1752, S. 63. 2) Ich eitire, da mir die Originalmittheilungen von der Royal Society nicht zur Hand sind, den Jahresbericht zum Archiv für Anat. und Physiolo- gie, 1844, S. 214. 3) Histologie, S. 108. 4) Histologie, S. 109. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 353 In dieser sog. Perlmutterschicht wäre ich geneigt, ein etwelches Homologon des ja ebenfalls blättrigen, aus lauter tutenförmig in einander steckenden Schichten des Zahnbeins zu erblicken. Der Hauptunterschied, der somit im Bau zwischen den Zähnen der Amphibien und Reptilien gegenüber von jenen der Säugethiere herrscht, besteht in der Anwesenheit eines echten Schmelzes bei letzteren, und dem Mangel eines solchen bei ersteren. Dass dieser Unterschied zusammenhängt mit der Umbildung einer Partie des den Zahn abscheidenden Epithels zu dem „Schmelzorgan‘“, wie wir es bei Säugethieren finden, aber bei den niederen Wirbelthieren vermissen, liegt auf der Hand. Das sog. Gallertgewebe, welches einen wesentlichen Theil des Schmelzorgans der Säugethiere bildet, habe ich zwar seit langen Jahren nicht mehr unter dem Mikroskop gehabt, möchte aber be- züglich der Umwandlung der ursprünglich runden Zellen des Stratum Malpighii in die „sternförmigen Zellen mit schleimig-albuminöser Flüssigkeit“ mir erlauben, an dieser Stelle die Vermuthung auszu- sprechen, dass es sich wahrscheinlich nicht um Zellen und Inter- cellularsubstanz handelt, sondern um Zellen, deren Protoplasma zu einem grossen die Zelle ganz einnehmenden Gallertklumpen sich umgesetzt hat. Ich denke mir, es verhalte sich mit dem fraglichen Gewebe des Schmelzorgans in ähnlicher Weise, wie mit einer zelli- gen Form des Bindegewebes, welche bei Weichthieren, Arthropoden, Würmern und anderen niederen Formen eine grosse Rolle spielt und zur gleichen Täuschung Veranlassung geben kann. Während ich bei Weichthieren zuerst dasselbe nach seinem histologisehen Bau darlegte, verkannte ich seine Structur an den höheren Krebsen, indem ich es aus verästigten Zellen mit dazwischen gela- gerter Gallerte bestehen liess. Später aber sah ich meinen Irrthum ein und zeigte im Einzelnen, woher es komme, dass man strahlige Bindegewebskörperchen und lacunale Zwischenräume in täuschend ähnlichem Bild vor sich habe !). Zugleich führte ich aus, wie die Zellen dieser Art durch ihre mannigfachen Abscheidungen den Rang von Drüsenzellen beanspruchen können. Und so mag auch die Gallerte im Schmelzorgan Zelleninhalt sein, oder näher bezeichnet, ein Product der Abscheidung von Seite “ 1) Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers Tüb. 1861, S. 30. ff., vergl. auch S. 24 über das »Secretbläschen«. b M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 3 34 Dr. F. Leydig: des Protoplasma in’s Innere der Zellen. Ein Stoff, der dann als Material zum Aufbau des Schmelzes von Wichtigkeit ist, und dessen Mangel im Zahnsäckchen der niederen Wirbelthiere das Fehlen des Schmelzes veranlasst. — Selbst bei den Krokodilen, deren Zähne nach ihrer Einpflanzung in die Kiefer mehr als bei andern Reptilien eine gewisse Hinneigung zu den Säugethieren offenbaren, ja deren Zahnsäckchen selbst, wie den Mittheilungen Rathke’s zu entneh- men sein dürfte und wovon schon oben die Rede war, eine binde- sewebige Abgrenzung besitzen, mangelt doch die Umwandlung der Epithelzellen in dies „Gallertgewebe“: denn Rathke !) spricht blos von „kernhaltigen, elementaren Zellen“, welche die Substanz des Organon adamantinae zusammensetzen. 1) Untersuchungen über d. Bau u. d. Entwickelung der Krokodile. Braunschweig 1866, S. 113. Erklärung der Abbildungen auf Taf. 1. Die Figuren 1 bis 11 beziehen sich auf die Zähne der Vipera ammodytes. Fig. 1. Endspitze des Giftzahns von oben, gering vergrössert und bei auf- fallendem Licht. Man sieht die schlitzförmige Oeffnung des Gift- kanals und seine Ausdehnung bis nahe zur Spitze des Zahns. Fig. 2. Hinteres Ende desselben Zahns und unter den gleichen Verhält- nissen; es zeigt sich der Eingang zum Giftkanal nach Form und Grösse. Fig. 3. Vorderer Abschnitt des Giftzahns durch Essigsäure und Glycerin aufgehellt und etwas gequollen; bei durchgehendem Licht und im theilweise optischen Längsschnitt. Mässige Vergrösserung. a. Zahnbein, b. Pulpahöhle mit den Blutgefässen, c. Giftkanal. Fig. 4. Hinterer Abschnitt desselben Zahns und unter den gleichen Ver- hältnissen. Auch die Buchstaben a, b, ce haben die gleiche Bedeu- tung wie in der vorhergehenden Figur. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwickelung. 35 Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Querdurchschnitt des Giftzahns, etwa aus seiner Mitte. Mässige Vergrösserung. a. Giftkanal, b. Pulpahöhle mit Blutgefässen. Querdurchschnitt des Giftzahns aus der Nähe des vorderen Endes. Mässige Vergrösserung. a. Giftkanal, jetzt Rinne, b. Pulpahöhle. Spitze des Zahns, in Essigsäure gequollen. Stärkere Vergrösserung. a. die Bruchstücke des durch die Quellung des Zahnbeins zum Platzen gebrachten, homogenen Oberhäutchens. Erste Anlage des Zahns. Starke Vergrösserung. a. Papille, bindegewebig, b. Schleimschicht des Epithels, in zwei Blätter auseinandergegangen, so dass ce. ein mittlerer Hohlraum sich aufthut, in den hinein die Zahn- substanz abgeschieden wird. Ein weiterer Grad der Entwickelung des Zahns, Starke Vergrösse- rung und von unten gesehen. a. Papille, an dieser Stelle die umhüllenden Zellen weggelassen, b. die zwei Lagen der Schleimschicht des Epithels, c. abgesondertes Zahnbein. Noch weiter vorgerückter Zahn, unter gleicher Vergrösserung und von oben. . Hornschicht des Epithels, . äussere Lage der Schleimschicht, . Zahnsubstanz, . innere Lage der Schleimschicht (Elfenbeinzellen), . noch ununterbrochener Zusammenhang der äusseren und inneren Lage der Schleimschicht, f. Papille mit Blutgefässen, Junger Zahn, rein ausgeschält, a. Sog. Schmelz, b. Zahnbein, c. erste Bildung des Giftkanals. Zwei Querreihen der Zähne vom Gaumenbogen der Ringelnatter (Tropidonotus natrix). Falte am Unterkiefer von Vipera berus, Var. prester, bei durch- gehendem Licht und gering vergrössert, um die becherförmigen Sinnesorgane zu zeigen. Ein einzelnes dieser Organe bei stärkerer Vergrösserung, nach Be- handlung mit doppelt chromsanrem Kali. Aus der Mündung ragt ein Büschel von Stäbchen hervor. oe a0 a >» Tübingen, Mitte Mai 1872. Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. Von P. Tergast. Cand. med. in Göttingen. Hierzu Tafel II. Anatomie und Physiologie sind in gleicher Weise an der Lö- sung der Frage interessirt, wie sich der eintretende Nervenstamm zum ganzen Muskel verhält, und doch sind die darüber vorliegen- den Arbeiten äusserst spärlich. Meist findet man die Beobachtun- sen mehr zufällig, gelegentlich anderer Untersuchungen gemacht. Es erklärt sich dies leicht durch das Verlangen, Klarheit über die letzten Endigungen des motorischen Nerven, den Zusammenhang mit der. Muskelfaser selbst zu verbreiten, ohne sich um weiter Zurückliegendes zu bekümmern. Da nun aber auch dies letztere nicht ohne Wichtigkeit zu sein schien, so wurden die hier mitgetheil- ten Untersuchungen gemacht, die mit Hilfe einer exacten Methode vollkommen sichere Resultate ergaben. Eigentlich die einzige Abhandlung, welche das Verhältniss zwischen Nerv und Muskel zum Gegenstande hat, ist die von Rei- chert'), der den Brusthautmuskel des Frosches studirte und zu dem merkwürdigen Resultate kam, dass in diesem aus 160 Fasern bestehenden Muskel nur 6—7 Nervenröhren treten, die dann inner- halb des Muskels selbst, durch Theilung in die erforderliche An- zahl von Zweigen zerfallen. Durch die gelegentlichen Bemerkungen späterer Autoren bildete sich dann allmälig die Ansicht heraus, 1) Müller’s Archiv, 1851. Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. 37 wie sie z. B. Kühne!) und Frey?) aussprechen, dass mit der Höhe der Organisation der verschiedenen Wirbelthiere die Zahl der in den Muskel eintretenden Nerven zunehme. Eine Prüfung dieser Angaben musste nun die Aufmerksamkeit zuerst auf die Augenmuskeln lenken, welche allein in der ganzen Wirbelthierreihe ein constantes Verhältniss bieten sollten (Kühne 1: 6.). Die bei Untersuchung derselben eingeschlagene Methode, welche nur absolut sichere Resultate ergeben konnte, war die, durch Zäh- lung von Querschnitten des Muskels sowohl, wie des Nerven in Zif- fern ausdrückbare Werthe zu bekommen. Zu diesem Behuf musste jedoch erst die wichtige Vorfrage erledigt werden, ob die Fibrillen- bündel den ganzen Muskel durchlaufen, oder ob sie nur einen Theil desselben durchsetzen; nur wenn ersteres der Fall war, was nach Krause’s Angaben ?) wahrscheinlich sein musste, genügte ein einfacher Querschnitt in der Mitte des Muskels, um genau die Zahl der in ihm enthaltenen Fasern eruiren zu können. Kühne) hat nach Budge’s Vorgang ein brauchbares Hülfsmittel zu Ge- bote gestellt, die Muskelfäden in isolirtem Zustand zu untersuchen, indem nach seiner Anweisung der Muskel in einem Gemisch von Crystallen des chlorsauren Kali und concentrirter Salpetersäure vollständig vergraben nach einiger Zeit so macerirt wird, dass die einzelnen Fibrillenbündel, besonders durch Schütteln in einem Probir- röhrchen, ohne Verletzung auseinanderfallen. Wirklich zeigte sich nun auch, dass an den Augenmuskeln von Schafen, die vorwiegend zur Untersuchung benutzt wurden, die Muskelfasern zum grössten Theil die Länge des ganzen Muskels einnehmen. Eine Anzahl derselben endete auch etwas früher, doch liess sich jedenfalls soviel mit voller Sicherheit bestimmen, dass ‚ein Querschnitt, durch die Mitte des Muskels gelegt, sämmtliche Fasern enthalten muss. Es ergab sich nun aber der merkwürdige Umstand, dass ein solcher Querschnitt anscheinend sogar mehr Fa- 1) Handb. d. Lehre v. d. Geweben, von Stricker. Bd. I. 1868, p. 148. 2) Histologie, 3. Aufl. p. 321, 3) W. Krause: Motorische Endplatten. Hannover 1869. 4) Peripher. Endorgane d. mot. Nerven. Leipzig 1862. 38 P. Tergast: sern enthält, als in Wirklichkeit vorhanden sind, indem diese sich nicht selten theilen !). Es wäre nun natürlich zur richtigen Schlussfolgerung erfor- derlich, diese Pseudofasern nach ungefährer Schätzung von der Ge- sammtzahl der Fasern in Abzug zu bringen, doch habe ich geglaubt, davon Abstand nehmen zu können, einmal weil die Zahl der Ab- zweigungen, die auf einem solchen Querschnitte vorkommen, eine. so minimale genannt werden muss, dass ihre Anwesenheit auf die Beziehungen der Gesammtzahl der Muskelfäden zu den Nervenröh- ren nicht den geringsten Einfluss auszuüben im Stande ist, und dann, weil ja diese Abzweigungen ebenfalls mit Nerven versorgt werden, und schon deshalb als selbständige Fasern betrachtet wer- den können. Nachdem also erwiesen, dass ein Querschnitt genau durch die Mitte des Muskels geführt, einen fast vollständig richtigen Nach- weis der in demselben enthaltenen Fasern geben muss, wende ich mich zu den Zahlenverhältnissen, die sich bei den Untersuchungen herausgestellt haben. Die zur Beobachtung verwendeten Muskeln wurden möglichst von dem äusserlich haftenden Fett und Binde- gewebe rein präparirt und dann mit dem zugehörigen Nerven in absolutem Alkohol gehärtet. Zur schärferen Abgrenzung der Con- turen der einzelnen Muskelfasern liess ich die Schnitte einige Zeit in Carmin sich färben und schritt erst dann zur eigentlichen Zäh- lung. Dasselbe Verfahren wurde bei der Behandlung des Nerven eingeschlagen, und zwar wurde hier der Schnitt möglichst nahe an der Eintrittsstelle in den Muskel geführt. Selbstverständlich kön- nen hier unter dem eintretenden Nerven nur diejenigen Nerven- röhren verstanden sein, welche sich ausschliesslich auf den betref- fenden Muskel beschränken, nicht etwa auch solche Zweige, deren Wirkungskreise auch noch andere Organe zugehören. Aus den verschiedenen Zählungen haben sich nun folgende Re- sultate ergeben: Bei den Augenmuskeln des Schafes verhält sich die Anzahl der Nervenprimitivröhren zu den Muskelfasern wie folgt: 1) Näheres darüber s. im Anhang. Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. 39 Obliquus superior: Nervenröhren, Muskelfasern. Verhältniss. 2260 : 8080 14,13>/8 1972 : 10790 1:51; 2282 : 11520 1:5Y10 1098: 6589 1:6 1756 : 15385 1,28%/s 1710 : 16758 1.93% Obliquus inferior: 2374: 7620 1.344 Rectus inferior: 2002 : 14716 1: 71/5 Rectus medialis: 2002 : 8705 1: 41/11 3045 : 18804 I 3662 :24010 14377 “ 2091: 23723 1: 11/3 1640 : 18860 1.1105 Rectus lateralis: 1920 : 10624 1.2092 1839 : 18625 1: 10%/s 1879 : 28185 2315 Der Rectus sup. ist übergangen, weil der zugehörige Nerv sich nicht ausschliesslich auf diesen Muskel beschränkt, sondern auch einige Zweige zum Levator palp. sup. abschickt, ein zuverlässiges Ergebniss für ihn also nicht zu erzielen war. Für die übrigen Augenmuskeln geht aber aus den obigen Angaben hervor, dass wirklich eine verhältnissmässig sehr bedeutende Anzahl von Nerven- fasern in sie eintritt, wenngleich mehr oder weniger geringe Zah- lenschwankungen, die in den Bereich der individuellen Verschieden- heiten fallen, natürlich nicht fehlen. Auch scheint sich aus vor- stehenden Zahlen zu ergeben, dass unter ihnen der Obl. sup. und inf. am günstigsten situirt erscheinen, während umgekehrt bei dem Rect. lat. die wenigsten Nervenfasern vorhanden sind. Berechnet man aus den einzelnen Ziffern der Tabelle für jeden Muskel das Mittel, so ergeben sich auf eine Nervenröhre: Für den Obl. inf. 3-4 Muskelfasern. a Obl. sup. 6—7 e " Rect. inf. 7—8 N S Rect. med. 8 ; N Rect. lat. 10 h 40 P. Tergast: Der Rect. med. also neigt sich schon mehr auf die Seite des Rect. lat., dagegen hält der Rect. inf. die Mitte zwischen sämmt- lichen Augenmuskeln. Dieselben Schlüsse finden zum Theil auch auf die an mensch- lichen Augen gemachten Beobachtungen ihre Anwendung. Auch hier überwog die Zahl der Muskelfasern beim Reet. lat. die der Nervenprimitivröhren am meisten, so dass die letzteren zu den er- steren sich verhalten wie 3610 :11965 (= 1:3'/,), während der Rect. inf. das Verhältniss von 5206 Nerven zu 10351 M. (= 1:2) aufwies, und beim Rect. med. gar auf eine Nervenfaser noch keine zwei Muskelfasern kamen, indem sich hier 3300 Nervenröhren auf 5580 Muskelfäden vertheilten (= 1: 13%/,;). bei einer Durchschnittsberechnung ‘würden somit in einem Augenmuskel des Schafes im Mittel etwa 6—7 Muskelfasern auf eine Nervenprimitivröhre zu rechnen sein, während beim Menschen insofern aus den vorliegenden geringen Daten ein allgemein gül- tiger Schluss gezogen werden darf, ein noch weit überraschenderes Verhältniss zu Tage tritt, indem hier nicht mehr wie 7 Muskelfä- den dem Einflusse von 3 Nervenröhren unterliegen. Es liesse sich wohl schon a priori die Idee rechtfertigen, die auch schon Kühne (l. e.) andeutet, dass die Muskeln des wich- tigsten Sinnesorganes vor allen andern Muskeln am glücklichsten in Betreff der Nervenzahl bestellt seien, und so finden wir es denn bei einem Vergleich mit anderen Muskeln auch wirklich bestätigt. Zählungen, die ich an verschiedenen Mm. biceps brachii und Sar- torius junger Hunde vornahm, ergeben für den Biceps ein Mittel von 1:83, während beim Sartorius ca. 40—60 Muskelfasern auf eine Nervenfaser zu rechnen waren. Bei einem Biceps konnte ich sogar das Verhältniss von 1: 125 constatiren. Der Muskel von 52487 Fa- sern !) hatte hier über nicht mehr als 420 Nervenröhren zu verfügen. Wie oben schon erwähnt, fand nun Reichert in dem Brust- hautmuskel des Frosches, dass ein solcher mit 160 Fasern von 6—7 Nervenröhren versorgt wird, so dass sich also das Verhältniss wie 1:23—27 herausstellt. Auffallender Weise ist hiernach der Froschmuskel mit einer grösseren Anzahl von Nervenprimitivfasern versorgt, als der Biceps und Sartorius des Hundes, es geht also 1) Da hier die Fasern nicht ganz durchgehen, so ist die Zahlenbestim- mung nur eine approximative. Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel, 41 daraus der wichtige Satz hervor, dass die allgemeine Ansicht, welche den Muskeln der höheren Wirbelthiere ausnahmslos eine grössere Anzahl von Nerven zuschreibt, unrichtig ist. Vielmehr scheint nach meinen Untersuchungen lediglich die Function des Organes den Ans- schlag zu geben, indem die äusserst fein einzustellenden Augen- muskeln die höchste, die weniger fein organisirten Extremitäten- muskeln dagegen eine geringere Anzahl von Nervenröhren führen. Es lässt sich dieser Satz leicht aus anderen Muskeln des Frosches beweisen. So fanden sich in dem ganz unwichtigen kleinen Abduc- tor digiti V. pedis dieses Thieres 200 Muskelfasern, die von nur 5 Nervenröhren versorgt wurden, also ein Verhältniss wie 1:40, ähnlich dem Sartorius des Hundes. In dem für die Bewegung des Schwimmens wichtigen Sartorius des Frosches dagegen fanden sich für 460 Muskelfasern 28 eintretende Nervenfasern, es ergab sich also ein Verhältniss, wie 1:16°%,. Auch hier beim Frosch müssen, wenn der oben ausgesprochene Satz richtig ist, die Augenmuskeln eine Zahl von Nerven führen, die der bei höheren T'hieren beobach- teten gleichkommt, oder doch wenigstens nahe steht, und so fanden sich in der That folgende Zahlenwerthe: Nerve Muskel Verhältniss. 68 230 va. 1.8 54 225 ca. L74 30 400 Cara 13 24 496 er a | Es ergiebt sich daraus ein Verhältniss von 1:10, welches ge- wiss richtig ist, wenn man die unvollkommeneren Augenbewegun- gen des Frosches in Anschlag bringt. Einen weiteren Beweis dass die Function des Muskels die Zahl der eintretenden Nervenröhren bestimmt, liefern ferner die Resul- tate, welche ich an den Schwanzmuskeln der Maus gewonnen habe, die deshalb gewählt wurden, weil in ihnen die Fasern die ganze Länge des Muskels durchziehen und also eine Querschnittszählung ein richtiges Resultat ergeben musste. Zur Untersuchung derselben legte ich den unversehrten Schwanz, um ihn schnittfähig zu machen, einige Tage in Müller- sche Flüssigkeit mit Salzsäure und machte dann nach vollendeter Härtung in absolutem Alkohol aufeinander folgende Querschnitte. In der grössten Dicke des Muskels zählte ich hierauf die Fasern 42 P. Tergast: und die Nervenröhren an der Stelle ihres Eintrittes. Vier derselben verhielten sich, wie folgt: Von den beiden an der centralen Seite gelegenen Muskeln zählte der eine 232 Fasern, der zugehörige Nerv deren 11 (1: 21'/,,) der andere 217, der Nerve 14 Fasern (1:15!/). Vor die beiden dorsal gelegenen Muskeln führte der eine mit 438 Fasern einen Nerven von 11 Fasern (1:39°/,.1), der gegenüber liegende von 458 Fasern war mit 12 Nervenröhren versorgt (1:38Y/,). Im Durch- schnitt würde danach auf 28—29 Muskel- eine Nervenprimitivfaser zu rechnen sein, was mit den Beobachtungen von Reichert über den Brusthautmuskel des Frosches nahezu übereinstimmt. Nach Darstellung dieser nummerischen Beziehungen zwischen Nerv und Muskel, wende ich mich noch mit einigen Worten zum Verlaufe des Nerven innerhalb des Muskels selbst. Um zu sehen, in welcher Weise sich der Nerv hier verhält, ob Theilungen stets nachweisbar seien, und ob die Ausbreitung sich durch den ganzen Muskel erstreckt, oder wie Kölliker!) angibt, hauptsächlich ge- wisse Regionen einhalte, wurden die fast durchweg zur Unter- suchung verwendeten frischen Augenmuskeln des Schafes erst einige Zeit in schwache Essigsäure gelegt und ihnen so eine grössere Durchsichtigkeit verliehen. Der Nerv durchzieht nun den Muskel in seiner ganzen Länge, und zwar bilden die Stammfasern nament- lich in dem Bezirke der Eintrittsstelle, also im mittleren Drittel des Muskels grobe Plexus, deren Fasern sich nach kurzem Verlauf wie- der zu kleinen, marklosen Plexus (Endplexus Valentin) vereinigen und nun Theilungen eingehen. Daher ist denn auch die Verfolgung einer Stammfaser in ihrer ganzen Länge mit den grössten Schwie- rigkeiten verknüpft, weil sie sich fast stets nach der Trennung vom Stamm sogleich einem vorbeilaufenden Bündel anschliesst, mit dem sie dann einen neuen Plexus eingeht. Die Ausbreitung der letzteren geschieht nicht gleichmässig nach allen Seiten hin, sondern es finden sich die gröberen Geflechte hauptsächlich nur in der Gegend des Eintrittes, die feineren hier und im vorderen dem Bulbus zugekehrten Drittel. Das hintere Drittel dagegen ist nur sehr karg mit beiderlei Arten von Plexus bedacht, wie denn diese Partie auch weniger Endigungen zählt, als die übrigen Regionen. Abgesehen jedoch von diesen Abweichungen 1) Handb. der Gewebelehre. 5. Aufl. p. 170. m Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. 43 der einzelnen Partien unter sich, hat sich bei allen Augenmuskeln als übereinstimmendes Resultat der Untersuchung ergeben, dass der Nerv den Muskel vollständig durchsetzt, überall grobe und feinere Plexus bildet, Theilungen eingeht und das ganze Gebiet mit mehr oder weniger zahlreichen Nervenendigungen versorgt. Mit diesem letzteren Factum muss ich einer Behauptung von Kühne!) ent- gegentreten, in der er die Erklärung abgibt, dass in jedem Muskel grosse Strecken vorkommen, wo keine Nerven anzutreffen seien, und dass namentlich die Enden in beträchtlicher Ausdehnung ner- venfrei zu sein pflegen. Es hat dieser Ausspruch des genannten Antors jedenfalls keine allgemeine Berechtigung; sie mag wohl im Zusammenhalt mit Kölliker’s Angaben, der den M. omohyoideus des Menschen untersucht hat, für lange und dünne Muskeln richtig sein, durchaus jedoch nicht für die von mir untersuchten Augen- muskeln. Im grossen Ganzen geschieht nun die Theilung der Nerven auf zweierlei Weise, entweder innerhalb des Nervenstämmchens, oder ausserhalb desselben. Theilt sich die Faser noch während ihres Verlaufes im Stamm, was übrigens bei weitem seltener beobachtet wurde, als ausserhalb des letzteren, so hat dieselbe entweder mit dieser Theilung ihre Bahn vollendet, indem sie sich direct in En- digung verliert, oder es ist ihr, nachdem sie eine Endigung abge- geben, nach weiterem Verlaufe noch eine spätere Theilung vor- behalten, indem die erstere nur als eine Abzweigung betrachtet, ihre fernere Bahn in keiner Weise beeinträchtigt. So hatte ich Ge- legenheit im Retractor bulbi der Katze ein Nervenstämmchen zu beobachten, in welchem zwei neben einander liegende Fasern dem gedachten Schema entsprachen. Die eine von diesen bog schon zei- tig aus der Bahn des Stämmchens ab und verlor sich ohne weitere Theilung in zwei Endigungen, die bei einander lagen, die andere dagegen gab nicht weit davon unmittelbar im Bereich des Stammes einen Ast ab, der in eine Endplatte auslief, verfolgte aber dessen- ungeachtet in der Bahn des Stammes ihren eigentlichen Weg, bis sie in einem ganz anderen Distrikte neuen Theilungen unterlag, und mehrere Endigungen aufwies. Daraus erhellt schon von selbst, dass die Nervenfasern durchaus nicht auf eine oder auf mehrere nahe bei einander liegenden Muskelfasern beschränkt zu sein 1) Stricker’s Handbuch |. c. - 44 P. Tergast: brauchen, dass vielmehr selbst ganz entgegengesetzte Muskelfäden dem Impulse einer und derselben Nervenfaser unterworfen sein können. Fast überall gibt sich die Theilung der Primitivfasern der Augenmuskel-Nerven als eine dichotomische zu erkennen, Drei- theilungen sind seltener und solche in 4, 5 oder noch mehr Zweige, wie sie Wagner in seinem Handwörterbuch von niederen Thieren abbildet, scheinen bei Säugethieren entweder gar nicht, oder doch jedenfalls sehr selten vorzukommen. Die Zahl der jedesmaligen Theilungen, d. h. also die Summe der aus einer Nervenfaser schliesslich resultirenden Endplatten auch nur annähernd zu bestimmen, ist völlig unmöglich, wie aus Vor- stehendem hervorgeht, doch lassen die sorgfältigen Untersuchungen Kühne’s!) im Zusammenhalt mit meinen Beobachtungen wenig- stens einen allgemeinen Schluss zu. Derselbe bearbeitete den Sar- torius des Frosches und fand, dass jeder Muskelfaser wenigstens eine Nervenendisung zukommt, dass es aber viele gibt, welche mehr solche bis zu 6 und 8 enthalten. Nimmt man nun auf eine Muskelfaser durchschnittlich nur 2 Endigungen an, so ergibt sich, dass bei einer Zahl von 460 Muskelfasern und 23 Nervenröhren, jede dieser letzteren in mindestens 33 Endplatten zerfallen muss. Auch in anderen Muskeln hat es ganz den Anschein, als ob sich die Sache in gleicher Weise verhielte, wenn man die vielen leicht zu beobachtenden Theilungen bedenkt, und es würden dann natürlich z. B. die einzelnen Fasern der Augenmuskeln eine grössere Zahl von Endigungen aufweisen, als die anderer Organe. Herrn Dr. Merkel, unter dessen Leitung vorstehende Unter- suchungen ausgeführt wurden, spreche ich zum Schlusse für seine freundlich gewährte Unterstützung meinen herzlichsten Dank aus. Anhang. Der Fasertheilungen in den Augenmuskeln des Schafes wurde schon oben Erwähnnng gethan; sie wurden sehr vielfach beobachtet, und es schien deshalb interessant, dieselben näher zu untersuchen, da dergleichen bis jetzt nur an den Muskel- 1) Peripher. Endorgane. Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. 45 fasern des Herzens, der Zunge und in der Stammmuskulatur des Pferdes !) nachgewiesen wurden. In der Regel erfolgt eine solche Theilung gegen das Ende der Faser, weit weniger häufig konnte ich eine Spaltung inmitten der Muskelfaser wahrnehmen. Dieselbe ist eine durchweg dichotomische, wenigstens ist mir niemals eine Drei- oder Mehrtheilung begegnet. Etwaigen Vermuthungen, dass die gedachten Theilungen sich als Frucht irgend einer mechanischen Verletzung aufklären möchten, wird schon von vorneherein durch die Kühne’sche Isolirungs- methode die Spitze gebrochen, indem bei ihrer Anwendung an bei- den Aesten der Abzweigung das Sarcolemm nachweislich erhalten bleibt. Hin und wieder habe ich auch einige sehr schöne und un- zweifelhafte Anastomosen, wie sie Figg. 5 und 6 darstellen, beob- achtet. Die sämmtlichen Angaben von Biesiadecki und Herzig (l. c.) finden sich auch für die Augenmuskeln vollkommen bestätigt, so dass ich mich fast mit einem Hinweis auf die Figurentafel be- scheiden kann. In der Regel laufen die Muskelfasern beiderseits an den En- den kegelförmig zugespitzt aus, oder sie runden sich sowohl oben als unten stumpf ab; während in weniger häufigen Fällen auch zier- liche, baumförmig verzweigte Gabelungen zur Beobachtung kommen. Ferner gehören Fasern, die an der einen Seite in lauter feine ab- gerundete Zacken oder kamm- und kegelförmige Spitzen endigen, nicht gerade zur Seltenheit. Ebenso kann eine Muskelfaser in ih- rer ganzen Länge an der einen Seite kammartige oder mehr wellen- förmige Erhöhungen zeigen (Fig. 1), oder diese zu kurzen Fort- sätzen und Aestchen ausbilden (Fig. 2), welche selbst wieder ein- fach abgerundet oder mit Einschnitten an den Spitzen versehen sind. Einige Male sah ich die Muskelfaser auch mit einer Art von Anschwellung abschliessen, indem das eine oder andere Ende co- nisch aufgetrieben erschien. In der schon mehrfach eitirten Abhandlung von Biesiadecki und Herzig bringen dieselben auch die Frage über den Zusam- menhang zwischen Muskel- und Sehnengewebe zur Sprache, indem 1) Biesiadecki und Herzig: Die verschiedenen Formen der quer- gestreiften Muskelfasern. Wien. Sitzungsb. 1858. 46 P. Tergast: Ueber das Verhältniss von Nerve und Muskel. sie die täuschenden Bilder des directen Ueberganges zwischen beiden daraus zu erklären suchen, dass bei solchen Trugbildern eine Fa- ser nicht mit einem stumpfen Ende, sondern mit mehreren kegel- förmigen Spitzen in das Sehnengewebe hineinrage. Für die Rich- tigkeit dieser Ansicht finden sich wohl niegends so schöne und zahl- reiche Belege, als gerade in den Augenmuskeln. Ueberall sah ich hier die Endkegel und Ausläufer von den blassen Sehnenfäden um- schlängelt, in einzelnen Fällen wurden selbst ziemlich weit vom eigentlichen Ende gelegen Spitzen von ihnen umstrickt (Fig. 4). Erklärung der Abbildungen auf Taf. 1. Sämmtliche Figuren stellen verschiedene Formen von verästelten, ana- stomosirenden und getheilten Muskelfasern aus den Augenmuskeln des Scha- fes dar. Figur 1. Aus dem M. rect. sup. a} » » obliqu. infer. » 3 und 4. » » rect. lateral. ».,,8. » » rect. medial. 2:16, » » obliqu. superior. Ueber Noctiluca miliaris Sur. Von Prof. L. Cienkowski. Hierzu Taf. III, IV und V. Das Material zu nachstehenden Untersuchungen fand ich in Odessa und der nächsten Umgegend, wo die Noctiluca zeitweise, wäh- rend der Sommer- und Wintermonate in grossen Schaaren vor- kommt. Ebenso häufig erscheint sie n der Krimm und zieht sich weiter nördlich bis in das Asow’sche Meer hinein. Nach der entge- gengesetzten Richtung traf ich sie massenhaft bei Konstantinopel und Smyrna, von wo südlich sie merklich abnimmt, so dass ich in Neapel und Messina im Winter kein einziges Exemplar auffischen konnte. In Odessa scheint ihr massenhaftes Auftreten durch anhai- tenden Südwind und darauf folgende Stille die günstigste Bedingung zu sein. Nach der Aussage der Odessaer Fischer brennt dort die See gewöhnlich im August; ich habe im vorigen Sommer das Maximum des Leuchtens und der Noctiluca-Entwickelung im Juni und Juli beobachtet. 1) Da ich bei meinen Untersuchungen hauptsächlich auf die Entwickelungsgeschichte Acht gab, so unterlasse ich eine ausführ- liche Schilderung der anatomischen Verhältnisse und will nur manche der vorhandenen Thatsachen berichtigen und einige neue hinzufügen. Wie bekannt, stellt die Noctiluca eine nierenförmige Blase dar, die einen Nucleus und von ihm gegen die Peripherie hin in verzweigte Ströme fliessendes Protoplasma einsehliesst. Die Wand 48 Prof. L. Cienkowskı: der Blase hat eine viel festere Consistenz als der Inhalt, sie scheint von ihm nicht scharf geschieden zu sein; bei schädlichen Einflüssen hebt sich oft von ihrer Oberfläche eine äusserst feine Contur, sonst fällt die Blase in zahllose Runzeln sich faltend mit dem Protoplasma in einen unförmlichen Körper zusammen. Ich fand keine Thatsachen, die auf eine Vielzelligkeit des Noctilucaleibes hinweisen. Der Ausschnitt der Blase bildet eine trichterförmige Vertie- fung, an deren Boden die Mundöffnung liegt, durch welche ver- hältnissmässig sehr grosse Körper, wie Oseillatorienbündel, verschie- dene Crustaceen u. d. g. eingezogen und herausgeworfen werden. Eine besondere Analöffnung, wiesie Huxley!) angiebt, konnte ich nicht auffinden. Am Grunde und an den Wänden der Vertiefung sind nun die bekannten Theile: der Mund, der Zahn, die Geissel und die Cilie angebracht (Fig. 1, 2, 7). Im der Nachbarschaft des Mundes ist die quergestreifte Geissel befestigt. Ihre Basis wächst in 3 ungleich grosse Borsten aus, vermittelst derer sie auf der Oberfläche des Thieres, wie auf einer dreifüssigen Stellage ruht (Fig. 2, b, g; Fig, 6 u. 7, b, f, g). Mit den zwei langen stützt sich die Geissel’auf die zwei Lappen, die den Ausschnitt begrenzen, die dritte viel kürzere Borste ist gegen die Basis des Zahnes gerichtet (Fig. 5, 7, fJ). Von der Anheftungsstelle der Geissel geht nur an die Wand der Vertiefung angelehnt der sogenannte Zahn ab (Fig. 1—3, z). Er ist etwas gebogen und besteht aus einem dünnen Griff und einer Lamelle (Fig. 5, 6, c, z). Die letzte besitzt an einer Seite eine 3zähnige Hervorragung, deren mittlerer Zahn wiederum oft ausgeschnitten zweispitzig erscheint (Fig. 6, z). Die Stelle des Noctiluca-Lappens, an welche sich die Lamelle anschmiegt, ist stark verdickt und ragt über diese in Form einer Spitze empor (Fig. 2, z, 5, a). Oberhalb der Lamelle in einer etwas tiefer gelegenen Ebene entspringt die für die systematische Stellung der Noctiluca so wich- tige, von Krohn entdeckte Wimper (Fig. 7, w). Es ist nicht beson- ders schwer, dieselbe zur Anschauung zu bringen, wenn man ein- mal weis, wo sie zu suchen sei; das erste Auffinden derselben bedurfte gewiss einer scharfen Beobachtungsgabe. An der Austritts- stelle der Wimper habe ich stets eine von anderen Forschern über- sehene, hervorragende Warze oder Lippe gesehen (Fig. 6, 7, 1). Sie 1) Journal of mieroscop. Se. 1854. 2) Archiv f. Naturgeschichte 1852. Ueber Noctiluea miliaris Sur. 49 liegt nicht im Grunde der Vertiefung an der Basis des Zahnes, sondern in der Nähe seiner Spitze — auch schwingt die Wimper nicht nach dem Ausgange der Mündung, vielmehr in der Richtung gegen den Befestigungsort der Geissel hin. Zuletzt bleibt noch das sogenannte Staborgan zu erwähnen. Aus dem Boden des Ausschnittes der Noctilucablase ziehen sich an ihrer Oberfläche zu dem gegenüberliegenden Rand zwei spitz zulau- fende Kanten (Fig. 2, 8, 9, 11 s). Sie bestehen aus einer viel dichteren Substanz als der übrige Körper, so dass sie zerbrechen können (Fig. 10) und bleiben bei Beschädigungen des Thieres län- gere Zeit unverändert sichtbar. Da die Grösse des. Ausschnittes der Noctiluca-Blase bei verschiedenen Exemplaren sehr wechselt, selbst bei einem und demselben Individuum veränderlich ist, so findet man auch die gegenseitige Entfernung und Lage oben genannter Theile sehr verschieden. So z. B. sehen wir ein Mal die kurze Borste der Geissel contiuuirlich in den Griff des Zahnes übergehen (Fig. 4, f), das andere Mal, bei derselben Lage des Objectes, vom Griffe entfernt und von ihm in einen rechten Winkel gestellt @Bierl6;,e,:L), Wenn wir von diesen äusseren Theilen in’s Innere der Nocti- luca übergehen, so verdient ausser dem in Ströme und Netze ver- theilten protoplasmatischen Inhalt noch ein grosser heller Nucleus unsere Aufmerksamkeit. Er ist unter der Vertiefung in einen dicken Protoplasmaklumpen eingebettet und stellt eine glashelle Kugel dar, deren Inhalt oft Körperchen von verschiedener Grösse einzuschliessen scheint. Beobachtet man indessen anhaltend diesen protoplasmati- schen Inhalt, so wird man bald gewahr, dass er mitunter Form- änderungen zeigt: Oft zieht er sich von der Nucleuswand zurück, bildet Stränge und verzweigte Strahlen, die nach einer Weile wieder eingezogen werden (Fig. 12). Diese protoplasmatischen Fortsätze erscheinen nun, wenn sie senkrecht zum Beobachter zu stehen kommen, wie Körperchen von verschiedenen Umrissen und Grössen und waren von einigen Forschern als individualisirte Inhaltstheile, als Nucleoli gedeutet. Zwischen normal gebauten Noctiluken begegnet man zu allen Jahreszeiten kugelrunden Blasen, die der Vertiefung, der Geissel des Zahnes entbehren und dennoch durch die Anwesenheit des Nucleus, durch die Protoplasma-Stränge unzweifelhaft beweisen, dass sie zu Noctiluca gehören. Solche Blasen waren schon von J. Müller in M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 9. 4 50 Prof. L. Cienkowski: Nizza, wo sie in grossen Schaaren auftraten, beobachtet und für Cysten der Noctiluca angesehen !). Da ich nur an solchen Blasen die Zoosporen fand, so suchte ich genau den Uebergang der nor- malen Noctiluken in diesen Blasen-Zustand zu verfolgen. Es ist hier vor allem hervorzuheben, dass die Geissel sehr oft !allmählig eingezogen wird und wiederum an einer eingekugelten Noctiluca von Neuem entstehen kann (Fig. 13, g). Das Einziehen giebt sich dadurch kund, dass an irgend einer Stelle der Geissel eine Auftrei- bung entsteht, in welcher die Querstreifung völlig schwindet (Fig. 16, g). Darauf verkürzt sich die Geissel immer mehr, wird un- regelmässig, allmählig in eine Warze umgeändert, bis sie zuletzt vollständig verschwindet. Noch auf eine andere Art entledigt sich die Noctiluca ihrer Geissel. Bei copulirenden Exemplaren habe ich zu wiederholten Malen ganz deutlich das Abstreifen oder Abbrechen des ganzen Organs beobachtet (Fig. 50). Gleichzeitig mit dem Ein- ziehen der Geissel oder auch viel früher sehen wir die trichterför- mige Vertiefung seichter werden, was durch Annäherung und Ver- schmelzen der hervorragenden Wölbungen zu Stande zu kommen scheint. Wenigstens spricht dafür das immer schmäler werdende Staborgan, welches bei fernerer Einkugelung des Thieres ganz un- merklich wird (Fig. 8, 15, 52). 2) Die längst bekannte Vermehrungsart der Noctiluca ist die durch Theilung. Sie wurde am vollständigsteu von Brightwell ver- folgt 2), dessen Beobachtungen ich so wohl an normal gebauten wie auch an eingekugelten Individueu bestätigen konnte. Die Vorberei- tung zur Theilung scheint vom Nucleus auszugehen. Derselbe wird grösser und eingeschnürt. In darauf folgendem Stadium zeigt die sich theilende Noctiluca eine Bisquitform nnd besitzt zwei von ein- ander entfernte Nuclei; die Einschnürung schreitet dann nach und nach bis zur Sonderung in zwei Individuen. Dabei entstehen bei den eingekugelten Exemplaren die Geisseln noch vor dem Schlusse der Theilung, dagegen bei normalgebauten fand ich gleich am Be- ginne der Einschnürung eine doppelte Zahl erwähnter Organe. Im Laufe meiner ersten im Frühling und diesmaligen im Sommer vor- genommenen Untersuchungen kamen die sich theilenden Exemplare sehr selten vor. Die Mehrzahl der bisquitförmigen Blasen sind, wie 1) Citirt bei Pritehard: A history of Infusoria 1861 p. 385. 2) Quarterly Journ. of miceroscop. sc. 1857 p. 189. Ueber Nocticuca miliaris Sur. 51 ich zuerst fand, als Stadien zweier sich copulirender Individuen zu deuten. Die zweite Vermehrungsart geschieht nach Busch’s !) Anga- ben durch innere Knospung. Junge Noctiluken, die von solchen inneren Keimen herstammen sollen, haben unregelmässige gelappte Gestalt, sie schliessen einen grossen Nucleus ein, von dem die charak- teristische Geissel und in ihrer Nähe das Staborgan entspringt. Das letzte ist indessen nicht wie bei dem erwachsenen Thiere dem Körper angedrückt, sondern ragt in einen der Lappen eingehüllt weit nach Aussen hervor. Dieselben Bildungen wurden ausser Busch vor einigen Jahren von Prof. Metschnikoff in Odessa wieder gefun- den. Wie wir aus den Abbildungen, die mir vonihm zur Benutzung gefälligst mitgetheilt wurden, sehen (Fig. 17—19), unterscheiden sie sich von den von Busch entdeckten nur durch geringe Entwicke- lung oder gänzlichen Mangel der Lappen und durch den Umstand, dass das Staborgan dem Körper angelehnt war und weniger her- vorragte. Die jüngsten hierher gehörenden Stadien stellten kugel- förmige Körper, die einen Nucleus in Protoplasma eingebettet ent- hielten, dar. Einmal gelang es Prof. Metschnikoff, so eine Kugel selbst im Inneren einer gefalteten Noctiluca-Blase zu sehen (Fig. 17). Durch diese Thatsache erhielt Busch’s Vermuthung, dass genannte Bildungen von inneren Keimen abstammen können, eine bedeutende Stütze. Ich habe lange Zeit vergebens nach diesen vermeintlichen Ent- wickelungsstadien gesucht, bis ich unerwarteter Weise Mittel fand, dieselben künstlich nach Belieben in grosser Zahl mir zu verschaffen. Es war den meisten Forschern, die sich mit Noctiluca beschäftigten, bekannt, dass bei Verletzungen das Thier zusammenfällt und dass der lebensfähige Theil des Inhaltes sich wieder zu einer Noctiluca gestaltet. Verfolgt man nun genau diese mannigfaltigen Noctiluca- Krüppel, wie sie nach und nach ihre mangelnden Theile ergänzen, bis sie den normalen Bau erreichen und vergleicht man diese Re- generationsprodukte mit den von Busch entdeckten Bildungen, so gewinnt man die feste Ueberzeugung, dass beide identisch sind. Da die erwähnten Ergänzungsvorgänge von anderen Forschern, beson- ders Dönitz?) ziemlich vollständig geschildert worden sind, 1) Untersuch. über wirbellose Thiere p. 104. 2) Reichert u. du Bois-Reymond Archiv 1868 p. 147. 52 Prof. L. Cienkowski: so wird es genügen, wenn ich hier nur die Hauptmomente angebe. | Die auf die Regeneration zu untersuchenden Noctiluken habe ich meistens in hängenden Tropfen in feuchter Kammer auf dem Objectträger beobachtet. Das blosse Heraufziehen des Materials mit einer Pipette, besonders wenn ihr Rand nicht glatt genug ist, giebt schon beschädigte Exemplare, deren Zahl durch leises Herum- rühren mit einer Nadel oder Papierstreifen man beliebig vermehren kann. Bei solchen Verstümmelungen bleibt in den meisten Fällen eine grosse mit dem Staborgan fest vereinigte Partie des Proto- plasma lebensfähig. Sie scheidet sich sogleich von der gefalteten, abgestorbenen, einen unförmlichen Klumpen bildend. Sie trägt ge- wöhnlich die Geissel und schliesst den Kern ein (Fig. 20). Die Re- generation beginnt damit, dass die Peripherie des Klumpens ein schaumiges Aussehen bekommt; somit wird ein dichterer centraler Theil von dem schaumigen peripherischen, der später in Protoplasma- Ströme sich umändert, geschieden; zuletzt erhärtet die Oberfläche in einer neuen Blasenwand. Hat der lebensfähige Theil der verletz- ten Noctiluca einen grossen Umfang, dann erhält man Formen mit angeschmiegtem stabförmigen Organ (Fig. 18); ist dagegen der unverletzte Theil unbedeutend, dann ragt in der sich ergänzenden Noctiluca das stabförmige Organ mehr oder weniger hervor (Fig. 19). Solche Beispiele sind von Dönitz in der citirten Arbeit in Fig. 5, Tab. IV dargestellt — und hierher gehören ohne Zweifel die von Busch entdeckten Bildungen. In den oben beschriebenen Fällen war die Geissel, der Kern und das Staborgan des alten Thieres in die Neubildung aufgenommen. Dieser Umstand ist jedoch für den Ergänzungsprocess nicht unumgänglich. Der Regenerationsklumpen entbehrt oft aller genannter Theile, die an dem abgestorbenen Leibe haften bleiben. An jeder selbst sehr kleinen lebensfähigen Partie des Protoplasma können die wesentlichen Organe der Noctiluca von neuem entstehen. Dabei wiederholt sich zuerst die Sonderung der schaumigen Peripherie vom dichteren Centrum, die Bildung der neuen äusseren Wand, nachträglich kommt die Geissel, das Stab- Organ und im Protoplasma der Nucleus zum Vorschein (Fig 2) '!) In allen von mir beobachteten Fällen, wo der sich ergänzende Theil blos aus Protoplasma bestand, trat das Staborgan in Form zweier 1) Dieses Archiv Bd. 7. 1871. Ueber Noctiluea miliarıs Sur. 53 spitzzulaufender Kanten auf und ragte nie weit über die regenerirte Noctiluea. Wir sehen also, dass die Ergänzungserscheinungen sehr mannigfach ausfallen können, je nach dem Umfange der lebensfähig gebliebenen Theile der Noetiluca und nach den Organen, die sie durch Verletzung eingebüsst hat. Auf diese Weise erklären sich die verschiedensten Regenerationsprodukte von mannigfaltigster Grösse, die entweder frei im Wasser schwimmen, oder in der gefalteten, zurückgebliebenen alten Hülle eingeschlossen sich finden. Im letzten Falle, besonders wenn man kleine glatte Kugeln im Innern des Mutterthieres fand, wie in dem vom Prof. Metschnikoff beob- achteten, konnte natürlich der Gedanke an eine innere Knospung als der wahrscheinlichste erscheinen. Allein erwähnte Bildungen kommen nie in gesunden Thieren vor, sie sind entschieden Ver- letzungsprodukte. Dass sich die Sache wirklich so verhält, davon über- zeugt man sich am leichtesten, wenn man die Noctiluken unter Deckgläschen untersucht und durch gelinden Druck einen Theil des Protoplasma durch die Mundöffnung austreten lässt. Die befreite Masse nimmt dann allmälig Kugelgestalt an und bei günstigen Ver- hältnissen ist es möglich, in wenigen Stunden die Ergänzung bis zu einem gewissen Grade sich vollziehen zu sehen. 3) Die Noctiluca, wie aus meinem früheren Aufsatze bekannt, bildet in eine Scheibe vereinigte Zoosporen (Fig. 22- 24). Sie ent- stehen nie an Exemplaren, die die Geissel, das Staborgan und die Mundöffnung besitzen, sondern an den fast inhaltleeren eingehüllten Individuen. Dieser Umstand konnte den Zweifel erwecken, dass die schildtragenden Blasen ungeachtet ihrer Aehnlichkeit mit Noctiluken dennoch zu ihr nicht gehören. Dieser Verdacht lässt sich jedoch vollständig beseitigen, wenn man das allmählige Umbilden der nor- malen Noctiluken in glatte Kugeln verfolgt, und dann zu den früh- sten Stadien der Scheibenbildung zurückgeht. Man überzeugt sich leicht, dass, je weiter die Scheibenbildung vorschreitet, desto inhalt- armer wird die sie tragende Blase, wodurch sie ein fremdartiges Aussehen erhält. Allein auch jetzt noch beweist ihr Inhalt, ihr Leuchtvermögen und die Eigenschaft durch leiseste schädliche Ein- griffe sogleich unter zahlreicher Faltenbildung zu verschrumpfen, dass wir mit demselben Wesen zu thun haben. Was die Thatsachen über die Entwickelung der Zoosporen selbst betrifft, so kann ich zu den früher berichteten einige neue hinzufügen. 54 Prof. L. Cienkowski: Wir wissen schon, dass eine reifende Scheibe Zoosporen in verschiedenen Altersstufen enthält. Man findet hier einen Haufen warzenartiger Ausstülpungen von verschiedensten Grössen, die mit dem Inneren der Noctiluca in offener Communikation stehen (Fig. 35—36). Fixirt man nun während einiger Zeit einen grösseren sich über die Peripherie des Thieres erhebenden Fortsatz, z. B. a, Fig. 35 und beobachtet denselben bei einer seitlichen Lage, so bemerkt man gleich, dass er der Länge nach durch eine immer tiefer grei- fende Furche in zwei an der Basis zusammenhängende Theile ge- spalten wird, a Fig. 35. Die Einkerbung erscheint an dem freien Ende der Warze und schreitet rasch gegen die Basis hin; gleich- zeitig oder bald darauf bemerkt man, dass auch der benachbärte Hügel eine Herz-Form annimmt, zweilappig wird und zuletzt sich verdoppelt Fig. 35, o, 0. Diese Theilung grösserer Hügel in klei- nere Warzen wiederholt sich an verschiedenen Stellen der Scheibe vom Centrum gegen die Peripherie vorschreitend. Zuletzt werden die zahlreichen Warzen von der sie tragenden Blase abgeschnürt, bekommen eine lange Wimper und verlassen ihre Bildungsstätte. Wenn wir jetzt von fast reifen Scheiben zu den früheren Sta- dien zurückgehen, so ergiebt sich, dass die Zahl der Ausstülpungen oder der Hügel immer geringer wird, dagegen ihr Umfang beson- ders an der Basis bedeutend zunimmt Fig. 33, 32. Es gelang mir, eingekugelte Noctiluken aufzufinden, die bloss 4 grosse Hügel zeigten (Fig. 31). Es ist fast gewiss, dass die erste Anlage der Scheibe nur aus zweien Ausstülpungen besteht, denn man findet nicht sel- ten 8 Hügel in zwei Gruppen vereinigt, was auf zwei ursprüngliche Bildungscentra hindeutet. Geht man noch einen Schritt zurück, so stösst man auf den Ausgangspunkt der ganzen Entwickelungsreihe. Dieser liegt im Protoplasma. Das erste Kennzeichen der nahenden Zoosporenbildung ist das Verschwinden des Nucleus und das Zer- fallen des Inhalts in 2—4 nicht weit entfernte und nicht scharf von einander gesonderte Klumpen (Fig. 25, 26, 30). Den 4 Inhaltstheilen entsprechend erhebt sich nun weiter die Wand der Blase in eben so viele Flügel, die, wie ich oben angab, durch wiederholte Theilun- gen sich vervielfachen und zu der Scheibenbildung führen (Fig. 27—29; 32, 33). Auf die soeben geschilderte Weise entsteht eine Scheibe, die wenige Schwärmer enthält: In diesem Falle kann man also alle Zoosporen von 2—4 ursprünglichen Wölbungen ableiten. Der Vor- Ueber Noctiluca miliaris Sur. 55 gang erleidet eine Aenderung, wenn die Scheibe einen grösseren Umfang hat und aus zahlreichen Schwärmern besteht. Dann zer- fällt das Protoplasma nicht gleichzeitig in so viele Klumpen wie viel nachträglich Hügel gebildet werden, sondern es scheiden sich von ihm succedan in Kreisen geordnete Partien, die weiter ebenso- viele Ausstülpungen veranlassen (Fig. 37). Zuerst entsteht ein Hügelkranz, unter ihm ein zweiter, dann ein dritter u. s. w. Wenn die erste Hügelgruppe schon hervorragt, behält das übrige Proto- plasma noch eine Zeitlang seine normale Anordnung, wo es sich dann, in der Nähe der ersten Hügel, in Klumpen scheidet, die den zweiten Ring der Ausstülpungen bilden werden; weiter abwärts sind noch die gewöhnlichen Stränge und Anastomosen des Plasma vorhanden. Erwähnte Hügelbildung wiederholt sich bis zur Er- schöpfung des ganzen Noctiluca-Inhalts. Während dieses Processes sammelt sich das Protoplasma vorzugsweise in der Hügelregion, die entgegengesetzte Hälfte freilassend. Bei häufig vorkommendem ab- normen Laufe der Entwickelung entstehen entweder wurmartige Wucherungen, welche durch Abschnürung und Theilung normal ge- baute Zoosporen geben, oder die Hügel werden in einen gedrängten Haufen angesetzt. Der ausgebildete Schwärmer besteht aus einem gewölbten Kopftheile und einer flachen ovalen Stielblase, in deren Wand man einen mit dem Kopfe continuirlich verbundenen Stachel wahrnimmt (Fig. 38, 40, k, s). An der Ecke, welche der Stachel mit dem Kopfe bildet oder etwas höher am Kopfe selbst entpringt eine lange Cilie (Fig 335—41, w); in der Stielblase ist ferner ein Nucleus stets vorhanden (Fig. 40, n). Ausser diesen Theilen habe ich nachträg- lich in vielen Fällen noch ein cylindrisches am Kopfe angeheftetes Anhängsel gefunden (Fig. 41, 43, a). Dieses war starr unbeweg- lich, sein freies gegen die Basis des Stieles gerichtetes Ende zeigte oft eine knopfartige Anschwellung. Welche Bedeutung man erwähn- ten Organen des Schwärmers zuzuschreiben hat, konnte ich nicht ermitteln, da es mir jetzt wie auch bei meinen ersten Unternehmun- gen nicht glücken wollte aus den Zoosporen junge Noctiluken zu ziehen. Im hängenden Tropfen, wie auch unter Deckglas kultivirt, bewegten sie sich 24—28 Stunden, glitten an der Oberfläche der Noctiluken oder schwammen, die Wimpern nachschleppend, frei in allen Richtungen umher; zur ferneren Entwickelung vermochte ich sie nicht zu bewegen; nach dieser Zeitfrist starben sie dann immer ab, 56 Prof. L. Cienkowski: Es sei hier noch erwahnt, dass neben normalgebildeten auch verschiedene missgestaltete Schwärmer vorkommen. Sie stellen ver- hältnissmässig sehr grosse birnförmige Blasen dar, die mit schma- lem kurzem Stiele an der Noctiluca aufsitzen (Fig. 44, 45). Diese Blasen sind sehr oft mit einer Cilie, einem hervorragenden kurzen Anhängsel, einem Stachel und Nucleus, von dem in der Peripherie einige Protoplasmastrahlen abgehen, ausgerüstet (Fig. 44, 45, a, s, n, w). Sie vermögen wie die normalen Zoosporen die Scheibe zu verlassen und im Wasser sich herumzutummeln, sie sind viel mehr dem erwachsenen Thier ähnlich als die gewöhnlichen Schwärmer. Welche Metamorphose diese abnormen Blasen durchzumachen ha- ben, bis sie in eine Noctiluca sich verwandeln, ob sie verzögerte Entwickelungsstadien, oder vielleicht weiter vorgerückte Umbildun- gen darstellen, musste ich unermittelt lassen. Die Schwärmerbildung scheint von der vorangehenden Copu- lation im hohen Grade abhängig zu sein. Die Fähigkeit zweier Noctiluken, in einen Körper zu verschmelzen, verdient daher einer besonderen Berücksichtigung. 4) Die Copulation findet statt nicht nur zwischen normal ge- bauten, sondern auch zwischen eingekugelten Individuen. Im letzten Falle legen sich die in Vereinigung tretenden Noctiluken mit den dem Nucleus am nächsten liegenden Theilen fest aneinander (Fig. 46). Nach Verlauf von 1—2 Stunden sieht man schon in der Berüh- rungsstelle eine oder mehrere kleine Oeffnungen, durch welche Protoplasmastränge sich hinziehen, die Inhalte der sich copulirenden Thiere vereinigend (Fig. 25). Allmählig schreitet nun das Auflösen der Berührungswände vom Centrum zu der Peripherie fort — wir erhalten die bekannte Bisquitform (Fig. 47). Nimmt die Auflösung an einer Seite überhand, dann bekommt man eine gelappte Form, die zuletzt wie auch die erste ausgeglichen wird, so dass schliess- lich das Produkt der Copulation blos durch grösseren Umfang von den gewöhnlichen Individuen sich unterscheidet. Unregelmässige Formen der Copulationsprodukte kamen zum Vorschein, besonders dann wenn der Versuchstropfen sehr viele, durch gegenseitigen Druck polygonale Exemplare enthielt (Fig. 49, 50, 51). Auch der Inhalt der verschmolzenen Individuen zeigt nichts auffallendes: die Nuclei bleiben gesondert oder vereinigen sich in einen Körper. Der Vorgang der Copulation bleibt wesentlich derselbe bei nicht eingekugelten Individuen. — Diese legen sich behuf des Zusammen- Ueber Noctiluca miliaris Sur. 57 fliessens mit ihren Ausschnitten aneinander. Während der Vereini- gung werden die Vertiefungen immer seichter, die Geisseln fallen ab, oder werden nach und nach eingezogen — und die protoplas- matische Verbindungsbrücke von einem Inhalte zum andern herge- stellt — darauf folgt die allmählige Auflösung der Berührungs- wände. Bei Betrachtung dieser Verschmelzungs-Erscheinungen zweier Individuen drängt sich die Frage unwillkürlich auf, welche Bedeu- tung hat die Copulation für das Leben der Noctiluca: bedingt sie die Zoosporen-Bildung, soll man sie als einen Befruchtungsakt auf- fassen? Folgende Thatsachen und Erörterungen scheinen mir die Lösung dieser Fragen in nahe Aussicht zu stellen. Durch ein sehr reiches Untersuchungsmaterial, welches ich in der Nähe meiner Wohnung (Sredni Fontan, bei Odessa) fand, be- sünstigt, habe ich sehr oft Gelegenheit gehabt, die Copulation lückenlos zu verfolgen und die Vereinigungsproducte ein paar Tage in hängendem Tropfen in feuchter Kammer zu beobachten, was bei meinen ersten Untersuchungen nicht gelingen wollte. Trotzdem habe ich bis jetzt an den aus zwei Noctiluken entstandenen Individuen keine Veränderung wahrgenommen, die als Beginn der Zoosporen- Entwickelung zu deuten wären; die Copulationsprodukte, so wie die gewöhnlichen Individuen blieben während 3 Tagen unverändert, wurden blass, inhaltarm und gingen schliesslich zu Grunde. Nichts- destoweniger sprechen die gelappten Formen der meisten scheiben- tragenden Blasen, ihre bedeutende Grösse beweisend für ihren Zu- sammenhang mit Copulationsprodukten — geeignetere Kulturversuche werden hoffentlich günstigere Erfolge geben. Zu der Frage übergehend, inwiefern das Verschmelzen zweier Noctiluken als ein Befruchtungsakt anzusehen sei, ist besonders darauf Gewicht zu legen, dass die copulirenden Individuen weder in Form und Grösse, noch in histologischer Hinsicht die geringsten Differenzen aufweisen. Wenn wir nun, um analoge Fälle aufzusu- chen, uns an die niederen Classen des Pflanzenreiches wenden, so begegnen wir hier identischen Erscheinungen im ausgedehntesten Massstabe. Die Copulation der Desmidiaceen, Diatomaceen, Muco- rineen, die Paarung der Zoosporen bei Volvocineen, Ulotricheen u. d. g. sind von den meisten Botanikern als ein in der einfachsten Form auftretender Befruchtungsakt aufgefasst. Obwohl es auch feststeht, dass die Föcundation, wo sie direkt der Beobachtung zu- 58 Prof. L. Cienkowski: gänglich war, in dem Verschmelzen der Geschlechtselemente besteht, so folgt daraus freilich noch nicht, dass die Copulation zweier protoplasmatischer Wesen, oder einzelliger Organismen schon einen Geschlechtsakt vorstellt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass im ein- fachsten Falle der Befruchtungsprocess in der Verschmelzung zweier, histologisch nicht zu unterscheidender Geschlechtselemente besteht, indessen ist die Existenz einer solchen vereinfachten Föcundation zur Zeit nicht streng bewiesen. Bei Beurtheilung dieser Frage kann man von zwei Gesichtspunkten sich leiten lassen. Erstens ist nicht zu leugnen, dass eine jede Function in der Örganismen-Reihe immer einfacher wird, zu einem Minimum sinkt und zuletzt ganz erlischt. Von dieser Seite betrachtet wäre die Copulation zweier morpholo- gisch und histologisch gleichwerthigen nackten oder eingehüllten Zellen als einfacher Geschlechtsakt zu deuten. Zweitens aber giebt es eine Reihe von Verschmelzungserscheinungen bei niedrigen Or- ganismen, die den Gedanken an eine Befruchtung ganz beseitigen. So z. B. kann man auf künstlichem Wege zwei und mehrere Ac- tinosphaerien in einen Körper zusammenfliessen lassen; tausende von Myxomyceten-Zoosporen verschmelzen bei normalem Gange der Entwickelung in eine bewegliche Protoplasmamasse, in das Plas- modium, welches dann einen oder mehrere Sporangien hervorbringt. Dieses Verschmelzen ist indessea für die Fructification nicht unbe- dingt nothwendig, sie beschleunigt sie nur im hohen Grade. Eine Zoospore kann, wieHäckel!) zuerst für die Protomyxa (aus der mit Myxomyceten verwandten Moneren-Gruppe) zeigte, bei günstiger Ernährung ein Plasmodium bilden — was einzelne Zoosporen müh- sam und lang erreichen, wird von vielen auf kürzerem Wege viel schneller erworben. Das Verschmelzen zweier und mehrerer Indi- viduen bei niederen Lebensformen, wenn sie auch zu Fruktifikation oder zu Ruhezuständen führt, dürfte demnach als eine beschleunigte Ernährung aufzufassen sein. Fälle, wo zwei gleichwerthige histo- logische Elemente verschmelzen, können nur dann als Befruchtungs- akt gelten, wenn man durch Experiment im Stande ist, zu bewei- sen, dass beim Ausschluss eines der copulirenden Glieder die Bil- dung der Frucht oder Spore ausbleibt. So ein Beweis ist für Diato- maceen, Desmidiaceen, Volvocineen (bei neulich beobachteter Paarung der Zoospooren) Ciliaten, Flagellaten, wo man eine einfache Be- 1) Monographie der Moneren. Ueber Noctiluca miliaris Sur. 59 fruchtung annimmt, noch nicht geführt worden. Um auf die Nocti- luca zurückzukommen, ist nach dem Gesagten selbstverständlich, dass ihre Copulation in die Reihe solcher Verschmelzungserschei- nungen gehört, die eine beschleunigte Assimilation bezwecken und mit dem Geschlechtsakte in keiner Beziehung stehen. 5. Die systematische Stellung der Noctiluca war lange Zeit unbestimmt Man suchte sie den Rhizopoden, den Medusen, zuletzt den Infusorıen einzureihen, Die von Quatrefages zuerst erkannte sarcodische Natur des Noctiluca-Inhaltes, die darauf von Krohn entdeckte Cilie und zuletzt von mir aufgefundenen bewimperten Zoosporen sichern der Noctiluca einen Platz in der Klasse der Fla- gellaten, wo sie, ihrer quergestreiften Geissel wegen, eine besondere Gruppe bilden dürfte. 6) Ich werde zuletzt die in meiner ersten Arbeit und in vor- liegendem Aufsatze gewonnenen Resultate übersichtlich zusammen- stellen: 1) Die Cilie der Noctiluca ist an eine flügelartige Lippe nicht an der Basis des Zahnes, sondern in der Gegend seiner Spitze an- geheftet. 2) Der Inhalt der Kerne ist zeitweise in Formänderung begriffen; die Zweige und Strahlen dieses Inhaltes wurden als Nu- cleoli gedeutet. 3) Durch Einziehen oder Abstreifen der Geissel, durch Verschwinden des Staborgans und Verschmelzen der Lappen verwandelt sich die Noctiluca in eine glatte Kugel. 4) Die von Busch entdeckten, als junge Noctiluken gedeutete Formen, ent- stehen bei Verletzungen dieser Thiere und sind nichts anderes als in Regeneration begriffene Theile des lebensfähigen Protoplasma. 5) An den eingekugelten Noctiluken bilden sich zahlreiche in einen Schild vereinigte Zoosporen. Sie entstehen durch Ausstülpungen und Abschnürungen der Mutterblase, von der sie sich schliesslich trennen und vermittelst einer langen Cilie munter im Wasser herum schwimmen. 6) Bei der Noctiluca ist eine Copulation vorhanden. Durch die so bewirkte Anhäufung des Protoplasma scheint sich die Zoo- sporenbildung zu beschleunigen. Ein Geschlechtsakt ist hier ebenso- wenig, wie bei dem Zusammenfliessen vieler Mytomycetenzoosporen vorhanden. 7) Die Noectiluca ist in die Klasse der Flagellaten, wo sie eine besondere Gruppe repräsentirt, zu stellen. 16. Juni 1872. 60 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. E» Fig. Prof. L. Cienkowski: Erklärung der Abbildungen auf Taf. III, IV, V. In allen Figuren bedeutet: g die Geissel; b ihre langen Stützborsten; f ihre kürzere Borste; z den Zahn; s das Staborgan. 18—19. 20—21. 25—28. 29. 30. 31. 32 —33. 34. Tatel;TET. Seitenansicht der Stelle der Noctiluca-Bucht, in welcher der Zahn und die Geissel befestigt sind (140). Gegenseitige Lage der Organe der Noctiluca (140). Seitenansicht der Bucht, an deren Wand der Zahn sich an- schmiegt, der Griff des letzten c geht ununterbrochen im die kürzere Borste f über (480). Der Zahn und die Geissel mit ihren Stützborsten (180). Die Wand, an welche der Zahn sich anlehnt, ist in a stark verdickt und scheinbar mit seiner Lamelle in einen Körper ver- einigt (480). Durch Verschiebung der Noctiluca-Oberfläche veränderte gegen- seitige Lage der Organe; | die Lippe (180). l die oberhalb der Zahnlamelle gelegene Lippe, von welcher die Wimper w entspringt; n nucleus (480). Die Lage der Kanten (Staborgan) (140). Die Formänderungen des Nucleus-Inhalts (760). Das allmählige Verschwinden der Geissel (140). Die eingekugelte Noctiluca (180). Die Anschwellung der Geissel während ihres Einziehens (180). Kugelförmige Körper mit einem Nucleus! in einer gefalteten Noctiluca-Blase, von Metschnikoff beobachtet. Tafel IV. Vom Prof. Metschnikoff gefundene mit den von Busch ent- deckten gleichwerthige Bildungen (140). Nach Verletzung stattfindende Regenerations-Erscheinungen der Noctiluca (50). Die ersten Stadien der Schwärmerentwickelung: der Inhalt theilt sich in 2, 4, 8 und mehrere Theile (50). Eine junge Scheibe mit wenigen Fortsätzen (50). Eingekugelte Noctiluca mit 2 Inhaltspartien (180). Eine sehr frühe aus 4 Hügeln bestehende Entwickelungsstufe der Scheibe (180). Junge Scheiben aus 8 und 16 Hügeln. Die Hügel, so wie die Fortsätze sind Ausstülpungen der Nocti- luca-Blase (180). Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ei Fig. Fig. Fig. Fig. 35. 36. 37. 38—43. 44—45. 46. 47. 48 —49. 50. 51. 52. Ueber Noctiluca miliaris Sur. 61 Die Fortsätze: o, a in einer jungen Scheibe haben sich nach einer halben Stunde in o‘, a‘ verwandelt (180). A eine Hügelgruppe aus einer jungen Scheibe, B dieselbe nach Verlauf einer Stunde (180). Tafel V. Der erste Hügelkranz bei der Entwickelung einer aus zahlrei- chen Zoosporen bestehenden Scheibe (180). Die Zoospore: k der Kopftheil; s der Stachel; w die Wimper; a das Anhängsel; n der Nucleus (480). Abnorme Schwärmer (480). Zwei zur Copulation sich anschickende Individuen (50). Beginn der Copulation (140). Durch Copulation entstandene Formen (50). Beginn der Verschmelzung (50). Vollendete Copulation (50). Ein kleines Exemplar der eingekugelten Noctiluca. Die lymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. Von Dr. Richard Hertwig. Hierzu Taf. VI. Das erste Auftreten des Lymphgefässsystems bei den niederen Wirbelthieren beweist, dass es sich hier um eine Bildung handelt, welche meist in innigster Beziehung zu der tunica adventitia der Blutgefässe steht. Bei Fischen, Amphibien und Reptilien liegen die meisten grösseren Arterien und Venen inmitten Iymphatischer Hohl- räume, welche von Trabekeln durchsetzt werden und aus einer Um- wandlung der Adventitia entstehen. Auch bei den höheren Wirbel- thieren ist diese innige, offenbar auf tieferer funktioneller Verwandt- schaft beruhende Lagerung von Lymph- und Blutgefässen vielfach erhalten. Besonders auffallend tritt uns dies in der Milz entgegen, einem Organ, welches sich mit so merkwürdiger Constanz von den Petromyzonten an in der ganzen Reihe der Wirbelthiere erhalten hat und überall wesentlich gleiche Struktur besitzt. Hier fliesst ein Lymphstrom in Bahnen, welche zu einem lockeren Netzwerk um die Blutgefässe angeordnet sind, in der zu spongiösem Bindegewebe um- gewandelten Arterienscheide.e Auch an anderen Orten scheinen sich perivasculäre Lymphräume in der Reihe der Wirbelthiere bis zum Menschen hinauf erhalten zu haben, wie z. B. die auf das Gehirn und Rückenmark sich beziehenden Beobachtungen von His !), die auf die Leber bezüglichen von Mac Gillavry?) beweisen. Entsprechend dem Vorkommen der Lymphgefässe scheinen sich auch die Lymphdrüsen zuerst in der Adventitia der Blutge- fässe entwickelt zu haben. Auch hierfür können wir als ein spre- chendes Beispiel die Milz anführen, die phylogenetisch älteste aller 1) Zeitschrift f. wiss. Zoologie B. 15 S. 127. 2) Sitzungsberichte der Wiener Akad. d. Wissensch. 1864. Dr. Richard Hertwig: Die lymphoiden Drüsen etc. 63 lymphoiden Drüsen. Die in ihren Arterienscheiden eingelagerten Lymphfollikel, die Malpighischen Körperchen, sind wohl unzweifel- haft die ersten sicheren Lymphdrüsen und haben sich unverändert in allen Wirbelthierklassen bis zum Menschen aufwärts erhalten. Nach Leydig !) umgeben Lymphfollikel auch die Verästelungen der Pfortader bei Trigla hirudo und Dactyloptera volitans und dringen bei Cobitis fossilis mit jenen selbst in das Parenchym der Leber hinein. Unter diesen Umständen muss ein Organ das höchste Interesse des vergleichenden Anatomen erregen, welches das Herz der Störe bedeckt und von den meisten Forschern, die es bisher unter- sucht haben, namentlich von Joh. Müller?), Stannius?) und Leydig®) mit dem Lymphgefässsysten in Verbindung gebracht wurde. Bei dem unzweifelhaft enorm hohen Alter, welches die Störe als Panzerganoiden in der Entwicklungsreihe der Wirbelthiere besitzen und der vollen Berechtigung der Annahme, dass wir in den Stören direkte Abkömmmlinge der ältesten Fische besitzen, welche überhaupt unseren Erdball bewohnten, muss uns jede Organisationseigenthüm- lichkeit dieser Thiere aufs Höchste interessiren. Somit ergriff ich mit Freuden die Gelegenheit, welche sich mir bot, ein von Herrn Geh. Rath M. Schultze frisch in eine Lösung von Kali bichromi- cum gelegtes Herz eines grossen ausgewachsenen Acipenser sturio einer genaueren Untersuchung zu unterwerfen. Zur Vervollständi- gung meiner Untersuchungen benutzte ich einige in Spiritus und eine Anzahl ebenfalls in Kali bichromicum aufbewahrter Herzen der- selben Species, die ich mir aus Hamburg und Bremen verschaffte. Öefinet man den Herzbeutel eines erwachsenen Störs, so findet man, dass das Herz nicht wie bei anderen Thieren mit glatter muskulöser Wandung zu Tage liegt, sondern eine un- regelmässig höckrige Oberfläche besitzt, welche dem Organ ein fremdartiges, drüsiges Aussehen verleiht. Die eigenthümliche Be- schaffenheit wird dadurch bedingt, dass der Herzmuskel von vielen Höckern bedeckt ist, welche durch Furchen mehr oder minder scharf von einander getrennt werden und in Form und Grösse sich mannig- 1) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1854 S. 323. 2) Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden $. 138 Anm. 3) Lehrbuch d. vergl. Anat. 1846, S. 109 Anm. 3. 4) Anatom.-histolog. Untersuchungen über Fische und Reptilien $.23. 64 Dr. Richard Hertwig: fach unterscheiden (vergl. Fig. 1). Die kleinsten derselben sind erbsen- gross und darunter. Ikre Oberfläche ist glatt und kugelig abge- rundet. Die grössten von ihnen erreichen einen drei- bis vier- fachen Umfang, sie sind nicht so gewölbt wie die kleineren, son- dern besitzen eine nur mässig gekrümmte, eher eben zu nennende Oberfläche. Häufig gehen vom Rande Einkerbungen in sie hinein, oder Furchen, die nach der Mitte zu sich verflachen, trennen sie un- vollkommen in kleinere Abschnitte. Hierdurch gewinnt solch ein srösserer Körper einen unregelmässig gelappten Bau. Zwischen den grossen gelappten Massen und den kleinen runden Höckern finden sich alle möglichen Uebergangsformen vor. Im frischen Zustande variirt das Aussehen der Höcker je nach ihrer Turgescenz, welche abhängt von der Füllung mit einer klaren, Iymphatischen Flüssig- keit. Stannius vergleicht die Bildung geradezu einem bullösen Hautausschlag. An erhärteten Herzen, deren ich eins in Fig. 1 ab- gebildet habe, sind sämmtliche grössere Höcker abgeflacht. Untersuchen wir genauer, in welcher Weise die Substanz auf der Herzoberfläche vertheilt ist, so ergiebt sich bei Vergleichung einer grösseren Anzahl verschiedener Herzen, dass einzelne Theile fast constant von der beschriebenen Masse nicht bedeckt werden. Vor Allem ist hier der Vorhof zu nennen, welcher in der Re- gel frei ist und nur ganz ausnahmsweise kleine Drüsenhöcker trägt‘). Ferner ist die mittlere Partie der Rückenfläche der Herz- kammer unbedeckt?). Die Höcker schneiden hier mit einer den seitlichen Herzkanten parallel verlaufenden Linie scharf gegen das an dieser Stelle meist reichlich entwickelte subseröse Fettgewebe ab. Ausserdem bleiben bei den einzelnen Individuen wechselnd bald auf der rechten bald auf der linken ventralen Fläche der Herzkammer und des Conus arteriosus einzelne Stellen des Herzfleisches unbe- deckt?). Selten ist die Drüsensubstanz so mächtig entwickelt, dass sie, wie ich nur an einem Exemplare fand, ausser den beiden zuerst genannten Stellen des Vorhofs und der Rückenfläche der Kammer die gesammte Herzoberfläche überzieht. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Kanten, die ventrale und die beiden dorsalen, Lieb- lingssitz des merkwürdigen Organs sind. Hier kann die Drüsen- substanz eine Mächtigkeit von fast einem Zoll erreichen, während sie sonst nur eine Lage von etwa einem viertel Zoll Stärke bildet. 1) Kigsil,jei) 2), Fig..1, £ 3) Fig.l;ie; 6 Die lymphoiden Drüsen auf dar Oberfläche des Störherzens. 65 Bemerkenswerth ist noch, dass auch an dem parietalen Blatt des Pericards vereinzelte an Stielen hängende Knötchen angetroffen werden, welche ebenfalls unserem Organ zuzurechnen sind; des- gleichen, wie schon Joh. Müller!) und Leydig?) mittheilten, in- mitten eines Canals, welcher hinter dem Venensinus herabsteigt und eine Communikation zwischen Peritonealsack und Höhle des Herz- beutels darstellt. Gehen wir jetzt auf den Bau der einzelnen Höckerchen näher ein. Beim Einschneiden in dieselben quillt eine wolkig getrübte Flüssigkeit hervor, in der sich bei mikroskopischer Untersuchung zellige Elemente nachweisen lassen. Vor Allem fällt der grosse Reichthum an Lymphkörperchen auf, Zellen mit grossem Kern und einem spärlichen Saum körnigen Protoplasmas. Zwischen ihnen schwimmen grössere und kleinere Endothelplatten herum, die durch Einwirkung des Kali bichromicum von ihrer Unterlage frei gewor- den sind. Ausser diesem flüssigen Inhalt unterscheidet man an jedem Höckerchen eine Umhüllungsmembran und ein von dieser um- schlossenes weiches blutreiches Gewebe. Das Verhältniss dieser Theile zueinander und zu der Muskelsubstanz des Herzens lässt sich deutlich übersehen an Schnitten, welche, wie der in Fig. 2 abgebildete, das Herz senkrecht auf die Oberfläche und die Längsaxe theilen. Eine Anzahl der Art durch das ganze Herz gefertigter Schnitte zerlegt dasselbe in Scheiben, welche auf ihrer Oberfläche mehr oder minder vollständig von den drüsigen Höckern bedeckt sind. Die Muskelsubstanz zeigt sich überall von dem Pericardium viscerale überzogen, welches an einigen Stellen durch Fettablagerung verdickt ist (Fig. 2, d). Auch unter den drüsigen Höckern ist das Pericardium als eine zarte gewöhnlich fettfreie Bindesubstanzlage nachweisbar und grenzt die Muskeln vollständig scharf von den in Rede stehenden Gebilden ab. Aus dieser Haut erhebt sich als eine Abzweigung derselben die Umhüllungsmembran der Höcker (Fig. 2 u.3 Um), so dass die sanzen Gebilde im Wesentlichen auch als eine Verdickung des Pe- ricardium aufgefasst werden können, in welcher lymphartige Flüs- sigkeit und Drüsengewebe enthalten ist. Die Flüssigkeit kann durch eine Injectionsnasse vermittelst Einstich-Injection verdrängt werden. In diesem Falle zeigt sich, dass benachbarte Höcker untereinander in Communication stehen. Aus dieser Haut erhebt Sich ferner eine M. Schultze, Archiv f, mikrosk,Anatomie. Bd. 9, 5 66 Dr. Richard Hertwig: grössere oder geringere Zahl von Bindegewebssträngen, an welchen wie an Stielen die drüsigen Massen ansitzen, oder welche das Drü- sengewebe durchsetzen und an den verschiedensten Stellen mit der inneren Oberfläche der Umhüllungshaut verwachsen. Einzelne die- ser Stiele sind von sehr ansehnlicher Dicke, an ihrer Basis mit Fett durchwachsen und in ihrer Ausbreitung im Drüsengewebe vielfach verästelt. Die von verschiedenen Stielen und Balken ausgehenden Aeste verschmelzen innerhalb eines Höckers auch häufig mitein- ander. Im Allgemeinen jedoch lässt sich das Verhältniss der Stiele zur Drüsensubstanz auffassen, wie der Stamm eines Baumes zu sei- nen Aesten und Blättern, und zeigt die Drüsenmasse den Veräste- lungeu der Stiele entsprechend auch an der Oberfläche einen mehr oder minder deutlich ausgesprochenen lappigen Bau. Schon die Anwendung schwacher Vergrösserungen lehrt, dass das einzelne Läppchen kein solides Ganze ist, sondern sich aus einer Anzahl sehr verschiedenartig gebildeter Theile aufbaut. An Stellen, wo Trabekel eindringen und in Verbindung mit Zweigen derselben, liegen breite, unregelmässig geformte Massen, welche den festen Grundstock des Läppchens bilden. Aus ihnen erheben sich cylindri- sche Stränge, welche dem Gewebe ein charakteristisches Gepräge verleihen. An einzelnen Stellen sich verschmälernd, an anderen kolbig angeschwollen oder mit kugeligen Auswüchsen bedeckt, ver- ästeln sie sich bald baumartig, bald verbinden sie sich in mäandrisch gewundener Anordnung zu einem engmaschigen Netzwerk!). Zwischen ihnen bleiben schmale, spaltförmige Lücken übrig, welche mit dem die drüsige Masse umhüllenden Raum und den zwischen die Läpp- chen eindringenden Spalten überall, wie die Injection mittels Ein- stichs als auch die Betrachtung dünner Schnitte lehrt, in direkter Verbindung stehen. An den Strängen sitzen ferner, durch dünne Stiele befestigt, mikroskopisch kleine kugelige Körperchen?). Dieselben suchen mit Vorliebe die den Anheftungsstellen der Trabekeln abge- wandten Drüsenpartieen auf, die Spitzen baumartiger Verästelungen, die Grenzen der Drüsenläppchen etc. und bilden hier in dicht ge- drängter Anordnung einen Saum, wie wir später sehen werden, eine Zone des Wachsthums, von der die Anbildung neuer Stränge erfolgt. Nachdem wir uns so ein Bild von der Anordnung der einzelnen 1) Fig. 3. 2) Fig. 3, k. Die lymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 67 Theile des drüsigen Organs entworfen haben, können wir auf eine genauere Darlegung der histiologischen Verhältnisse eingehen. Hierbei ist zunächst zu bemerken, dass der Hohlraum, welcher unter der Umhüllungsmembran beginnt und zwischen das Netz der Stränge hinein sich fortsetzt, allseitig von einem Endothel ausge- kleidet ist, welches somit die Oberfläche des Herzmuskels, die Innen- wand der Umhüllungshaut, die Oberflächen der Kolben, Stränge und Netze mit einem continuirlichen einschichtigen Zellenüberzug ver- sieht. Das Endothel besteht, wie die meisten Endothelien, aus einer Lage dünner, platter Zellen, welche an macerirten und auch an den in Kali bichromicum conservirten Präparaten leicht im Zusammen- hang abfallen. Sie besitzen einen grossen, runden Zellkern mit kleinem punktförmigen Kernkörperchen, welcher sich schwach mit Carmin imbibirt, während die übrige Zellsubstanz ungefärbt bleibt. Die Grösse der Zellen ist erheblichen Schwankungen unterworfen !). An einzelnen Stellen bilden sie grosse polyedrische Platten, an an- deren sind sie wieder so klein, dass die Zellsubstanz nur noch einen schmalen Ring um den grossen Zellkern bildet. Ebenso sehr schwankt der Diekendurchmesser der Zellen. Derselbe kann so gering wer- den, dass die Zelle im Profil als ein schmaler Streif erscheint, in dem der Kern eine buckelförmige Erhebung bedingt?), andererseits um so viel zunehmen, dass derselbe genügenden Platz in ihr findet und sogar noch von einer schmalen Lage Zellsubstanz überzogen wird. Zwischen den Endothelzellen kommen bemerkenswerthe Gebilde vor, Zellen, deren Körper eine siegelringähnliche Figur besitzt, in- dem der Reif an der einen Seite eine den Kern tragende Anschwel- lung besitzt. Häufig sieht man ausserdem Endothelien mit zwei und mehr Kernen und ferner solche, denen zu Ballen vereinte und fest verwachsene Lymphkörperchen innigst anhängen. Endlich sieht man dann und wann Endothelzellen, welche Fortsätze aussenden, in deren Winkel Lymphkörperchen eingebettet sind. Vielleicht ist auch hier, wie es vonRecklinghausen, Ludwig und Kölliker?°) für das Endothel der Bauchhöhle wahrscheinlich gemacht haben, das Endo- thel ein Sitz der Production von Lymphkörperchen. Die Umhüllungshaut sowie die Scheidewände und Trabekeln be- stehen aus einem feinfaserigen Bindegewebe, in dem bei Zusatz von DREI a2) Fig.'9. 3) Handbuch d. Gewebelehre des Menschen S. 603. 68 Dr. Richard Hertwig Essigsäure ein Netzwerk zarter elastischer Fasern sichtbar wird. Die feinen Bindegewebsfasern sind in grösserer Anzahl zu breiteren, gewellten, stark lichtbrechenden Zügen, welche der Oberfläche der Umhüllungshaut parallel angeordnet sind, vereint. Von zelligen Elementen finden sich ausser den spindelförmigen Bindegewebszellen mit ihrem grossen, ovalen Kern hier und da kleine Anhäufungen von runden, grosskernigen Lymphkörperchen und eigenthümliche an Grösse die letzteren übertreffende runde Zellen, welche mit gelb- braunen Pigmentkörnchen dicht vollgepfropft sind und desshalb schon bei schwachen Vergrösserungen als dunkle Punkte auffallen. Glatte Muskeln, welche so häufig in dem bindegewebigen Stützapparat lym- phoider Organe eingestreut sind, oder gar quergestreifte, wie Stannius annimmt, habe ich nirgends auffinden können. Da- gegen muss ich noch merkwürdige concrementartige Körper hier erwähnen, welche an manchen Stellen namentlich der Oberfläche der Herzmuskulatur in den Bindegewebsbalken dicht angehäuft sind und dann dem Gewebe eine gelblich-weisse Farbe verleihen. Sie bestehen aus einzelnen unregelmässig kugeligen, das Licht stark brechenden krystallinischen Körpern, deren eine grössere Anzahl zu einer brom- beerähnlichen Masse vereint werden. Ihr chemisches Verhalten er- weist sie als Fett. Sie sind indifferent gegen Säuren, werden durch Kalilauge in charakteristischer Weise verändert, indem grosse Oel- tropfen ähnelnde Kugeln aus ihnen hervorquellen, sind wenig in Alkohol, leichter in einem Gemische von Alkohol und Aether löslich. Gelöst hinterlassen sie ein ihnen zu Grunde liegendes Stroma, das wie zerknitterte Membranen aussieht. Sind die Coneretienen heraus- gefallen, so erblickt man ein zierliches Gerüst von Bindegewebs- bälkchen, in dem sie eingebettet lagen, in welchem auch ausserdem gewöhnliche Fettablagerungen vorkommen. An den Verästelungen der Stiele wandelt sich das Bindege- webe zu der Gewebsform der Drüsensubstanz, welche der spongiö- sen Bindesubstanz zugerechnet werden muss, allmählich um. Die- ser Uebergang wird von einer reichlicheren Anhäufung lymph- körperähnlicher Elemente und der beschriebenen Pigmentkugeln be- gleitet. Es entstehen so mit Zellen gefüllte Bindegewebslücken, welche entsprechend dem Faserverlauf des Bindegewebes gestreckte oblonge Formen annehmen. Die faserige Beschaffenheit schwindet allmählich, die Reste der Intercellularsubstanz, welche die Maschen trennen, wer- den zu schmalen Balken und es entsteht das bild des Reticulums, Die Iymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 69 welches die Grundsubstanz der grossen vielgestaltigen Massen und ihrer ersten Seitensprossen bildet. An Präparaten, an denen die Lymphkörperchen durch Schütteln oder Pinseln zum Theil entfernt waren, stellt dasselbe ein Maschenwerk verschieden dicker, hellglän- zender, homogener Bälkchen dar, welche ein nach allen Richtungen des Raumes gleichmässig entwickeltes Lückensystem zwischen sich frei lassen (Fig. 4). Dieselben Uebergangsstufen von fibrillärem in spongiöses Binde- gewebe kann man in der Umgebung von grösseren Blutgefässen nachweisen, in deren Umfang dann die Bindegewebsmaschen dem Gefässlumen concentrisch angeordnet sind. Sie stimmen mit den Schilderungen überein, welche W. Müller !) von der allmählichen reticulären Umwandlung des Bindegewebes der Arterienscheiden der Milz giebt. Durch weitere Verfeinerung der Maschen des spongiösen Ge- webes entsteht das Reticulum der mäandrisch gewundenen Stränge und Kolben, welche den Haupttheil der weichen Drüsenmasse bil- den. Die zahlreichen Kerne derselben (Fig. 5) sind oval und schwach granulirt. Sie setzen sich nicht so scharf wie die locker eingelagerten Lymphkörperchen von den Balken des Reticu- lums ab und unterscheiden sich hierdurch sowohl als wie durch ihre charakteristische Formen von etwa zurückgebliebenen Lymphkörper- chen, welche einen runden Kern besitzen. Wie in allen reticulären Bindesubstanzen nehmen sie mit Vorliebe Punkte ein, von denen eine grössere Anzahl Bälkchen nach allen Seiten ausstrahlt. An durch Auspinseln von Lymphkörperchen befreiten dünnen Schnitten sieht man in Innern der in-den verschiedensten Richtungen getroffenen Stränge gewöhnlich central und von charakteristisch gela- gerten Kernen umgeben Gefässlumina. Das Reticulum verhält sich zu ihnen wie eine gewaltig verdickte Adventitia. Die Bildung gleicht vollkommen derjenigen, wie wir sie aus der Marksubstanz der Lymph- drüsen kennen, mit welcher die Anordnung und der Bau der Stränge dem Obigen zufolge die grösste Aehnlichkeit besitzt. Dagegen weichen von diesen im Bau ab gewisse, meist die Oberfläche der Drüsenmassen dicht unter der Umhüllungshaut ein- nehmende Stränge und Zotten, deren oben bereits Erwähnung ge- than wurde (Fig. 3, 1 k). Mit dem Bau dieser zottenförmigen 1) Strickers Handbuch der Lehre v. d. Geweben S. 255. 70 Dr. Richard Hertwig: (Gebilde, welche an der Oberfläche der Lappen sich zu einem hellen Saum zusammendrängen und deren reiche Entwicklung an jugendlichen Herzen ein vortreffliches Untersuchungsmaterial an die Hand giebt, habe ich mich ausführlicher beschäftigt in der Hoffnung, von ihnen Aufschluss über die Entwicklung des Reticulums zu erhalten, da sie offenbar die ersten Anlagen der Drüsensubstanz sind. Die Zotten fallen durch ihre Durchsichtig- keit auf, welche durch die Armuth an Zellen bedingt wird. Sie sitzen an dünnen Stielchen, bedeckt von einem Endothel, das sich durch die Dünne seiner Zellplatten auszeichnet (Fig. 9). Die Grundsubstanz ist eine homogene, in Carmin sich nur wenig färbende Masse. In derselben liegen kleine, meist rund- liche mit einem relativ grossen Kerne ausgestattete spärliche Zellen. Das Gewebe würde im Aussehen dem Knorpel verglichen werden können, hat aber gallertige Consistenz (Fig.6). Die Zellen nehmen hier und da auch spindelige oder sternförmige Formen an, deren Ausläufer zu einem protoplasmatischen zarten Netze, ver- schmelzen, ähnlich den Sternzellen des Schleimgewebes und der Wharton’schen Sulze (Fig. 7). Die Grundsubstanz nimmt dann ein eigenthümlich glasiges Aussehen an, als ob Erweichungsvorgänge in ihm Statt fänden. Es ist mir jedoch nicht gelungen, von diesem Gewebe aus deutliche Uebergangsformen zum lymphoiden Reticulum zu gewin- nen, da das geschilderte Gewebe scharf gegen die Substanz der Stränge abschneidet. So verlockend es erscheinen könnte, das Iymphoide Reticulum aus einer unmittelbaren Metamorphose des ursprünglichen Zellennetzes, einer Einschmelzung der hyalinen Grundsubstanz und einer Infiltration der entstehenden Gewebslücken mit Lymphkörper- chen abzuleiten, so muss ich doch hier betonen, dass meine Beob- achtungen nicht zur Entscheidung dieser wichtigen Frage aus- reichen, namentlich aber nicht die Möglichkeit ausschliessen, dass diese Zellnetze durch Vermehrung ihrer Elemente die ja ebenfalls netzartig angeordneten Lymphkörperchenstränge bilden, in welchem Falle das Reticulum aus einem theilweisen Schwund und einer Ver- dichtung des Restes der Grundsubstanz entstehen würde. Seine Blutgefässe bezieht das Organ aus zwei Quellen: aus der Arteria coronaria und aus Gefässen, welche nach Stannius Angaben aus dem Stromgebiet der A. mammaria stammen. Die unpaare rechtsseitig gelegene A. coronaria entspringt nach der Schilderung desselben Forschers aus dem arteriellen Theil des dritten Kiemen- Die lymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 71 bogens. Sie steigt an dem Arterienstiel herab und theilt sich unge- fähr da, wo die Drüse beginnt, in zwei Hauptstämme. Der eine derselben verläuft im Sulcus coronarius auf der hinteren Herzfläche und gelangt bis zur linken Kante des Herzens. Er ver- sorgt diejenigen Drüsentheile, welche im Sulcus und auf der linken Seite liegen; der andere steigt an der rechten Kante herab, um in dem übrig bleibenden Theil des Organs sich zu verbreiten. Beide Aeste geben ausserdem reichliche Gefässe an die Herzmusculatur ab und bilden Anastomosen mit den zum Herzen gelangenden Zwei- sen der A. mammaria. Letztere scheinen mir die für die Ernährung der Drüse bei weitem wichtigsten Gefässe zu sein. Sie verlaufen in zwei breiten Strängen, welche auch durch eine Anzahl kleinerer er- setzt werden können und die ausser den Arterien noch die rück- führenden Venen umschliessen. Diese Stränge sind meist ebenfalls von Drüsenlappen umgeben. Sie steigen von den oberen Partien der hinteren Fläche der Herzkammer zum Venensinus empor, den Herz- beutel quer durchsetzend (Fig. 1,v). Alle Arterien mögen sie aus dem einen oder anderen Stromgebiet stammen, verästeln sich in wesentlich gleichartiger Weise auf der Oberfläche des Herzens, in den Septen und in der Umhüllungshaut. Von hier aus dringen sie in die dicken bindegewebigen Trabekeln und Stiele, und gelangen von hier aus in das Innere der lymphoiden Stränge und Netze, woselbst ihre centrale Verlaufsweise oben geschildert wurde. Die jüngeren zottenförmigen und kugeligen, homogen erscheinenden Auswüchse sind gefässlos. Erst mit der Umwandlung derselben in spongiöses Bindegewebe treten in ihnen Capillaren auf. Eine Injection der die Stränge durchziehen- den arteriellen Capillaren ist ınir an den in Kali bichromicum aufbewahr- ten Herzen nicht möglich gewesen. Dennoch glaube ich über den Ver- lauf derselben im Wesentlichen orientirt zu sen. Die Angaben von J. Müller und Leydig, welche ebenfalls an nicht injieir- ten Herzen gearbeitet haben, von Gefässknäuel und Glomeruli, welche wesentlich aus Capillaren bestehen sollen, werden der Be- richtigung bedürfen. Wahrscheinlich hat der locker spongiöse Bau des Organs mit den in die Lymphräume ragenden Placen- tarzotten ähnlichen Gebilden zu der gedachten Annahme Veranlas- sung gegeben. Die beiden zurückführenden Venen gelangen in den oben be- schriebenen Strängen zu dem Venensinus, in den sie getrennt ein- münden. Bei ihrer Injection gelang es mir an einem frisch von Ham- 72 Dr. Richard Hertwig: burg bezogenen Herzen ein capillares Netz zu füllen, welches die dickeren Stränge auf ihrer Oberfläche umspinnt. Es scheint dem- nach, dass ähnlich wie bei den Marksträngen der Lymphdrüsen das Blut von den central gelegenen arteriellen Capillaren nach der Ober- fläche der Iymphoiden Stränge fliesst und sich hier in weite, dünn- wandige Venenanfänge sammelt. Vollkommen abschliessende Untersuchungen über den Verlauf der Blutgefässe in dem merkwürdigen Organ werden nur durch In- jectionen ganz frischer Herzen zu gewinnen sein. Ich muss mir die- selben bis auf günstigere Gelegenheiten vorbehalten. Durch die Güte des Herrn Strassburg in Bremen, dem ich ein vortrefflich in Kali bichromicum conservirtes Herz eines jungen Störs verdanke, bin ich in den Stand gesetzt, dieser Schilderung der ausgebildeten Iymphoiden Drüsen einige Mittheilungen über die Ent- wicklung derselben nachfolgen zu lassen. Das betreffende Herz, von der Herzspitze bis zum oberen Ende des Bulbus arteriosus gemessen, besitzt eine Länge von 8 Cm., während die Herzen erwachsener Thiere 10 Cm. und darüber erreichen. Mehr noch als diese Mes- sungen spricht die augenscheinliche Kleinheit des Gesammtvolu- mens dafür, dass es einem noch nicht vollkommen entwickelten Thiere angehörte. Beim ersten Blick fällt an ihm auf, dass die Herzober- fläche bei weitem nicht so vollkommen von der drüsigen Masse über- zogen wird, als es bei den übrigen von mir untersuchten Herzen der Fall war. Ueberall kommt das glatte Pericard, welches die Herzmuskulatur überzieht, zum Vorschein oder kann durch Auseinanderlegen der Drüsenlappen sichtbar gemacht werden. Diese selbst: erheben sich an einer Anzahl bindegewebiger Stiele aus dem Pericard, und breiten sich meist pilzhutförmig aus. Mit scharfen Rändern schieben sie sich über die wenigen kugeligen Höcker, welche den Entwicklungs- grad der ausgebildeten Drüse besitzen, hinweg. Während diese von einer zarten Umhüllungsmembran umschlossen werden, besitzen jene eine rauhe von massenhaften Höckern und Zöttchen bedeckte Ober- fläche und ihre Ränder einen zarten, wie mit feinsten Fransen be- setzten Saum. Neben ihnen, zum Theil von ihren Stielen entsprin- gend, zum grösseren Theil jedoch aus dem Pericard direkt hervor- wachsend, liegen viele kleine gestielte Körperchen, deren Grösse von der eines Stecknadelkopfs bis zu Erbsengrösse schwankt. Die- selben bestehen aus einem bindegewebigen Kern, einer Anschwel- lung des das Ganze tragenden Stielchens, und einem denselben Die Iymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 73 deckenden Wald nach allen Seiten ausstrahlender, kugeliger, strang- artiger oder keulenförmiger Zöttchen. Einige derselben ragen als lange dünne Stengel über die übrigen hinaus, andere sind zu zier- lichen Tannenbaumähnlichen Vegetationen vereint, indem ein cen- trales Stämmchen allseitig entspringende, entweder einfache oder von Neuem verästelte Sprossen treibt (Fig. 8). Sie bestehen nur aus dem oben geschilderten homogenen Bindegewebe, in dem bald runde bald sternförmige Zellen eingelagert sind und besitzen noch keine Blutgefässe. Der Stiel und seine Anschwellung bestehen aus den gleichfalls schon früher besprochenen gewellten Bindegewebszügen. In ihrem Innern verläuft korkzieherartig gewunden ein durch seinen Glanz auffallender breiter Strang, der von einer Scheide circulär angeord- neter Bindegewebsfasern umschlossen wird. Seine Resistenz gegen Essigsäure und Natronlauge erweist seinen Reichthum an elastischer Substanz und scheint mir das Gebilde eine central verlaufende Ar- terie zu sein, da diese im ganzen Organ sich durch ihre relativ dicken, namentlich an elastischem Gewebe sehr reichen Wandungen auszeichnen. Somit haben wir als erste Anlagen der drüsigen Massen kleine Wucherungen, bestehend aus einem bindegewebigen Grundstock und einer Masse homogener Zöttchen. Aus ihnen entstehen durch fort- schreitende unregelmässige Verästelung grössere aus einzelnen Läpp- chen bestehende Körper. Bei diesem Wachsthum betheiligen sich sowohl die aus faserigem als auch die aus homogenem Bindegewebe gebildeten Theile der Anlage, wie es scheint in gleich thätiger Weise, die ersteren, indem sie die bindegewebigen Trabekeln, und, wie ich ebenfalls sicher behaupten kann, durch eine Ansammlung von Lymph- körperchen und Pigmentzellen in ihren Interstitien einen Theil der Iymphoiden Stränge bilden, die homogenen Zöttchen, indem sie durch eine, noch genauer zu untersuchende, Umwandlung ihres Ge- webes in den übrigen Theil der Stränge und Kugeln übergehen. Hierbei besteht, wie ich glaube, zwischen dem Antheil, den die Zotten und demjenigen, den der bindegewebige Kern am Aufbau der lym- phoiden Substanz besitzt, keine Grenze, wie sehr auch die Schärfe, mit der sich anfänglich beide Theile von einander trennen, dies wahr- scheinlich machen könnte. In der entwickelten Drüse lässt sich nirgends eine Trennung der Stränge in verschiedenartige Theile durchführen, sondern sie bilden, wie in ihrer Anordnung, so auch 74 Dr. Richard Hertwig: in ihrem histologischen Bau ein Continuum von den reticulär sich umwandelnden Trabekeln bis zu den feinsten Iymphoiden Strängen. Einzig und allein die homogenen Zöttchen setzen sich schärfer ab. Dass diese Grenzlinie aber nicht so zu deuten ist, als ob hier das eine Gewebe nicht in das andere umgewandelt würde, lehrt ein Ver- gleich der mächtig entwickelten Zöttchen der jugendlichen Formen mit den spärlichen Ueberresten derselben in der ausgebildeten Drüse. Bevor jedoch die einzelnen Wucherungen den hier geschilderten Gang der Entwicklung vollendet haben, gehen sie mannigfache Ver- wachsungen mit den sie umgebenden Gebilden ein. Denn die Nei- sung aller endothelialen Flächen, mit einander Verwachsungen bei den geringfügigsten Anlässen einzugehen, tritt an den mit Endothel bekleideten Drüsenanlagen um so ausgesprochener hervor, als sie aus einem jugendlichen äusserst bildungsfähigen Gewebe bestehen, welches in dieser Hinsicht mit den Granulationen einer Wundfläche verglichen werden kann. Ueberall wo solch ein an einem Stiel her- abhängendes Körperchen mit Flächen zusammentrifft, die durch En- dothel bekleidet sind, geht es Verklebungen ein, indem anfangs, wie ich aus einigen Beobachtungen schliesse, eine einzige Endothelzelle das Bindeglied bildet, dann homogene Bindegewebsbälkchen eine innigere Verwachsung einleiten. So sieht man wie dünne Stränge die kleinen Drüsenwucherungen wieder neu mit dem Pericard, von dem sie ausgegangen sind, verbinden, wie solche Verwachsungen so- gar den Sulcus coronarius überbrücken und den Vorhof an die Drü- senlappen heften, endlich, was für uns das wichtigste ist, sich zarte Fäden zwischen benachbarten, getrennten Drüsenanlagen ausspannen. Indem dieselben sich häufen, zu breiteren Strängen sich entwickeln und selbst wieder zum Mutterboden neu aufschiessender Zöttchen werden, kommen die verschiedensten Stufen einer stets inniger wer- denden Verwachsung zu Stande: Läppchen die nur durch feine Binde- gewebszüge verkittet sind, solche die zum Theil vollkommen ver- schmolzen, zum Theil durch die ersten zarten Faserzüge vereint werden; endlich jene aus einer vollkommenen Verwachsung ge- trennter Anlagen entstandenen, an vielen Stielen vom Boden des Pericards sich pilzförmig erhebenden grösseren Lappen. Bis dahin communieiren alle die Spalten und Lücken, welche zwischen den wachsenden Zotten und Strängen übrig bleiben, frei mit dem Hohlraum des Pericards. Das Organ hat noch nicht den äusseren Abschluss erreicht, welcher beim erwachsenen Thiere dem un- Die Iymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 75 begrenzten Hineinwuchern in die Höhle des Pericards durch die Umhüllungsmembran gesetzt wird. Die Art und Weise, in welcher dieselbe sich bildet, bedarf noch einer genaueren Darlegung, als ich sie zu geben im Stande bin. Die Membran der Lappen legt sich meist an verschiedenen Punkten der Oberfläche gleichzeitig an. Unzweifelhaft ist, dass die Bildung der Membran theilweise von dem Pericard der Herzoberfläche ausgeht. Man findet aber auch Lappen, deren Oberfläche in der Mitte bereits überhäutet ist, wäh- rend der Rand noch von freien Zotten rauh und gefranzt erscheint. Hier hat sich ein die Spitzen der Zotten verbindendes Häutchen in der Mitte selbständig gebildet, welches offenbar später mit den von der Basis des Lappens entgegenwachsenden Theilen verschmolzen sein würde, um so die Umhüllungshaut des Lappens darzustellen. In wieweit auch noch beim erwachsenen Thiere etwa feine Commu- nicationsöffnungen zwischen Pericardialhöhle und inneren labyrin- thischen Räumen der Drüsenlappen bestehen bleiben, wird noch näher zu untersuchen sein. Die Einstich-Injestionen, welche ich an den ausgebildeten in Kali bichrom. aufbewahrten Herzen vor- genommen habe, sprechen für einen vollständigen Abschluss der Drüsenräume gegen die Pericardialhöhle. Dagegen communiciren, wie erwähnt, benachbarte Höcker mit einander und wahrscheinlich alle mit den Lymphgefässen des Pericardium, als welche ich zahl- reiche auf Querschnitten des Pericardium viscerale leicht wahrnehm- bare Hohlräume deute, deren zusammenhängende Injection wahr- scheinlich an frischen Herzen leicht gelingen wird. Wie sich erwarten liess, ist die in Rede stehende Bildung auf der Oberfläche des Störherzens bereits älteren Anatomen aufgefallen. Wenn auch merkwürdiger Weise Tiedemann in seiner „Anatomie des Fischherzens“ 1809 weder in der auf p. 22 gegebenen Beschrei- bung, noch in der Abbildung Fig. 12 eine Andeutung der drüsigen Bildungen giebt, so waren dieselben doch, wie J. F. Meckel!) an- führt, schon Valsalva?) bekannt und von Kölreuter?), der sie für muskulös hielt, von Acipenser ruthenus abgebildet. Eine ge- 1) System d. vergl. Anatomie Th. 5, 1831, p. 160. 2) Morgagni epist. anatom. XV, $ 2. 3) Observationes splanchnolog. ad Acipens. Rutheni anatoın. Nov. Com- mentat. Acad. Petropol. Tom. XVI, 1771, Taf. 14, Fig. 1. 4. 5. 76 Dr. Riehard Hertwig: nauere Beschreibung verdanken wir C. E. von Baer'), der wie später K uhl?) ihre drüsige Natur hervorhebt. J. F.Meckel schliesst sich dieser Auffassung durchaus an und erinnert an die Thymus, wenn auch die Lage innerhalb des Herzbeutels dagegen zu sprechen scheine. Es ist mit diesem Vergleich wenigstens physiologisch viel eher das Richtige getroffen, als durch die Ausführungen von C. E. Carus, welcher die lappigen Bildungen früher für Fett und die- jenigen von Otto), welcher dieselben für den Telangiectasieen ähn- liche erectile Körper erklärte. Im Uebrigen ist die Beschreibung von Otto in den Erläuterungstafeln von Carus genau, wie auch die Abbildung des Störherzens auf Taf. IV, Fig. IV des 6ten Heftes (1843) die beste ist, welche wir besitzen. Otto erwähnt, dass er die Bildung in gleicher Weise bei Stör, Sterlet und Hausen gefunden habe. Auf Otto’s Beschreibung stützt sich wesentlich Joh. Müller %), und fügt hinzu, dass die Gefässzotten in Lymphräume eingebettet seien. Hiermit, wie in der Auffassung von Stannius?), welcher die Knoten geradezu als Lymphsäcke bezeichnet, ist, was die Natur der die Hohlräume erfüllenden Flüssigkeit betrifft, unzweifelhaft das Richtige getroffen, wie Leydig®‘) hervorhebt, der auf Grund seiner umfassenden Untersuchungen das fragliche Organ den Peyer’schen Follikeln oder der Milz vergleicht, folglich den Iymphoidon Drüsen zurechnet, dennoch den feineren Bau der eigentlichen Drüsenmasse, der Stränge und Zotten nicht kannte, vielmehr mit seiner Beschrei- bung von in Lymphräume hineinhängenden Gefässzotten immer noch an den Bau telangiectatischer Geschwülste erinnert. Eine von seiner früheren Ansicht verschiedene äussert Stannius in der zweiten Ausgabe seiner vergl. Anatomie (1854) p. 238. Stan- nius glaubt, in den drüsigen Massen quergestreifte Muskelfasern zu erkennen und nimmt einen allmählichen Uebergang derselben zu den Herzmuskelfasern an, welcher in Beziehung stehen soll zu gewissen periodischen Neubildungen der Herzmuskeln. Ich finde nirgends in 1) 2ter Bericht von der anatomischen Anstalt zu Königsberg 1819. 2) Beiträge zur Zoologie u. vergl. Anat. 1820, p. 138. 3) Erläuterungstafeln z. vergl. Anat. Heft VI, 1843, p. 11. 4) Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Abh. d. Akad. .d. Wiss. z. Berlin 1844. p. 140. 5) Vergl. Anatomie d. Wirbelthiere 1ste Aufl. 1846. p. 109. 6) Anatomisch-histolog. Unters. an Fischen u. Reptilien 1853. p. 22. Die lymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 77 dem Organ quergestreifte Muskelfasern und sehe überall eine durch das Pericardium gebildete scharfe Abgrenzung der drüsigen Massen von der Muskulatur des Herzens, folglich keinerlei Anhaltspunkte, welche geeignet wären, die neuere Ansicht von Stannius zu stützen. Dem Obigen zufolge ist also das merkwürdige, die Oberfläche des Störherzens bekleidete Organ zu betrachten als eine Umwand- lung des visceralen Blattes des Pericardium in eine grössere Zahl unter einander verschmolzener Iymphoider Drüsen. Unter der Theil- nahme der Blut- und natürlich auch der Lymphgefässe des Peri- cardium haben sich zottenförmige Wucherungen des visceralen Blattes in Iymphoide Stränge umgewandelt, und sind, wieder überwuchert von dem visceralen Blatte, zu knollenartigen, glattbegrenzten drüsi- gen Gebilden geworden, deren Inneres, von sinuösen Hohlräumen durchzogen, Lymphe enthält, welcher von Seiten der netzartig ver- bundenen Stränge Lymphkörperchen zugeführt werden. Wahrschein- lich wird an einem frischen Herzen durch Einstich-Injection die in die sinuösen Hohlräume eingespritzte Masse, wenn sie nicht, was bei allen jüngeren Herzen der Fall sein muss, in die Höhlung des Peri- cardiums gelangt, zu den Lymphgefässen des Herzens abfliessen. Die in Kali bichromicum aufbewahrten Herzen erlaubten zwar auf diese Art eine ausgedehnte Füllung gewisser Bezirke der Drüsenmassen, aber keine der ableitenden Lymphwege. Ist auf diese Weise der Zusammenhang der Hohlräume mit dem Lymphgefässsystem nur in sofern erwiesen, als während der Ent- wicklung der Zusammenhang derselben mit dem Pericardial-Hohl- raum, einem Lymphsack, demonstrirt ist, so ist andererseits durch die Darlegung der feineren Structur der Stränge und des Blutgefäss- verlaufes in ihnen die Verwandtschaft mit Lymphdrüsen zur Evidenz bewiesen. Die Bezeichnung des Organs als Lymphdrüse schlechtweg würde allerdings dem heutigen Standpunkte unserer Kenntniss dieser Organe gegenüber sich nicht rechtfertigen lassen, wogegen die von uns gewählte eines Gomplexes von lymphoiden Drüsen auf Beifall Anspruch machen dürfte. Es wird sich nun weiter darum handeln, die Verbreitung und Bildung dieses Organs bei verschiedenen Stör-Arten und verwandten Ganoiden (z. B. Spatularia) zu studiren und weiter den Bau der immer noch dunkeln, sogenannten Lymphdrüsen anderer Körperstellen 78 Dr. Richard Hertwie: der Fische mit diesem Organ zu vergleichen, endlich die Lymph- gefässe des visceralen Blattes des Pericardium bei Fischen überhaupt näher zu studiren. Vielleicht dass sich dann mit Rücksicht auf die oben in der Einleitung ausgesprochenen phylogenetischen Betrach- tungen neue Anhaltspunkte gewinnen lassen. Dass die Petromyzonten, bei denen Stannius dasselbe Organ vermuthet, auf der Oberfläche des Herzens ähnliche drüsige Bildungen gänzlich entbehren, davon konnte ich mich kürzlich an lebenden Exemplaren von P. fluviatilis und marinus überzeugen, welche mir auf dem hiesigen anatomischen Institute zur Disposition standen. Zum Schlusse erfülle ich noch die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geh. Rath Max Schultze für die warme Theilnahme, die er an dem Zustandekommen meiner Unter- suchungen nahm, sowie für seinen thätigen Beistand meinen herz- lichsten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI. Fig. 1. Herz eines erwachsenen Störs von der linken Seite aus gesehen; natürliche Grösse. CA Conus arteriosus, K Herzkammer, V Vor- hof, S Einmündungsstelle des abgeschnittenen Venensinus, Vl linke ventrale D. dorsale Fläche der Herzkammer. vv die durchschnit- tenen zum parietalen Blatt des Pericards gehenden Stränge, in denen Arterien und Venen verlaufen; & eine unbedeckte Stelle am Conus arteriosus, an der die Muskulatur sichtbar wird; aa kleinere Drüsenhöcker; bb grössere Drüsenlappen; e ein vereinzeltes Drü- senhöckerchen, welches ausnahmsweise am Vorhof vorkömmt. Fig. 2. Querschnitt durch die Kammer des in Fig. 1 abgebildeten Herzens; natürliche Grösse. M Herzmuskel, Pe Pericard, welches Herzmns- kel und Drüsensubstanz vollkommen trennt; a kleinere Höckerchen; b grössere Lappen; Um Umhüllungsmembran; Tr Trabekeln; S Septen; rv rechte ventrale; d dorsale Fläche der Herzkammer. Das Pericard der dorsalen Seite durch reichliche Fettablagerung stark verdickt. Fig. 3. Querschnitt durch einen Drüsenlappen bei schwacher Vergrösserung, Bezeichnungen wie bei Fig. 2. Ur Umhüllungsraum; m die grösse- ren Drüsenmassen, welche den Verästelungen der Trabekeln un- Die Iymphoiden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens. 79 mittelbar aufsitzen; 1 homogene Verbindungsstränge. KK ein Saum homogener Zöttchen und gestielter kugelicher Körper. Fig. 4 u. 5. Das reticuläre Bindegewebe der Iymphoiden Netze. St die zel- lenreichen Stränge in demselben (wahrscheinlich Blutgefässe). In Fig. 5 die Lymphkörperchen vollkommen, in Fig. 4 nur theilweise durch Schütteln des Schnitts in einem Reagensgläschen entfernt. (Fig. 4—7 u. 9—12 bei starker Vergrösserung Zeiss F Oc. II,) Fig. 6. Das homogene knorpelähnliche Gewebe der Zotten und Kugeln. Fig. 7. Das Sternzellengewebe, ebenfalls in denselben vorkommend. Fig. 8, Eine breitere aus Iymphoidem Gewebe bestehende Masse mit einem Wald einfacher und verästelter Zöttchen (a, a) besetzt, gewonnen durch Zerzupfen eines pilzförmigen Lappens des jun- gen Herzens. Mittlere Vergrösserung. Fig. 9. Ein gestieltes kugeliges Körperchen (cfr. Fig. 3, k) eines er- wachsenen Herzens. Bei a wird dadurch, dass die Endothel- Zellen abgefallen sind, der zarte bindegewebige Stiel sichtbar, mit dem das Körperchen den Iymphoiden Strängen aufsitzt. Fig. 10. Einer der homogenen cylindrischen Verbindungsstränge (cfr. Fig. 3, 1). Bei a ist das Endothel abgefallen. Fig. 11 u. 12. Endothelzellen. Ueber die Entwicklung und- den Bau des elastischen Gewebes im Netzknorpel. Von Dr. Oscar Hertwig. Hierzu Taf. VI. Im Folgenden gedenke ich Untersuchungen mitzutheilen, welche ich im Laufe dieses Sommers auf dem anatomischen Institute zu Bonn über die Entwicklung des elastischen (ewebes angestellt habe. Die Literatur ist nicht reich an Untersuchungen über diesen Gegen- stand, und eine systematisch durchgeführte Reihe von Beobachtungen an Embryonen über das erste Auftreten des elastischen Gewebes namentlich über das Verhältniss der Fasern zu den embryonalen Zellen fehlt gänzlich. Auch die neueste Arbeit über die Entwicklung der Binde- substanzen von Dr. F. Boli!) thut des elastischen Gewebes keine Erwähnung. Ich ergriff demnach mit Freuden die Gelegenheit, im Anschluss an eine von Prof. M. Schultze mir mitgetheilte Reihe von Beobachtungen die Entwicklung des elastischen Gewebes ge- nauer zu verfolgen, und wählte dazu zunächst den Netzknorpel, welcher mir eines der günstigsten Objecte zu sein schien, weil man durch Anfertigung feiner Schnitte in der Lage ist, Zellen, Grundsub- stanz und Fasern in ihrer räumlichen Anordnung genau zu untersuchen. Bisher hat man zur Entscheidung der Frage nach der Entste- hungsart der elastischen Fasern sich fast ausschliesslich an das ligamentum nuchae von Rinds- oder Schweineembryonen gehalten. Unter allen i'heorieen, die auf derartig angestellte Untersuchungen begründet wurden, hat wohl nur eine sich allgemeinerer Anerken- nung zu erfreuen gehabt. Dieselbe ist zuerst von Heinrich Mül- ler?) ausgesprochen, später von Henle?°), Reichert*), Kölliker?°), 1) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. VI. 1. 2) Bau der Molen. Würzburger Verhandl. Bd. 10, S. 132. 3) Canstatt’s Jahresbericht für 1851, S. 29. 4) Reichert: Müller’s Archiv, Jahresbericht für 1852, S. 95. 5) Kölliker: Würzburger naturw. Zeitschrift Bd. II, S. 147. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes etc. 81 Leydig!) und Frey?) u. A. angenommen worden. Ihr zufolge findet die Bildung elastischer Fasern in der Intercellularsubstanz statt. „Diese soll sich im foetalen Bindegewebe bei weiterer histologischer Entwicklung stellenweise zu Fasern verdichten, während ein ande- rer Theil sich nicht daran betheiligt‘‘?), Als Beweis beruft sich Reichert auch mit auf die Entwicklung des elastischen Ohrknor- pels, ohne indess Genaueres darüber anzugeben. Dieser Ansicht schliesst sich Leydig in seinem Lehrbuch $ 27 an. Nach ihm „besteht ein allgemeiner wichtiger Charakter des gewöhnlichen Bin- degewebes darin, dass die Intercellularmasse eine eigenthümliche Härtung und Verdichtung erfahren kann entweder bloss an den Grenzschichten (Bildung der membranae propriae) oder auch wohl in Streifen mitten durch das Gewebe: Bildung der elastischen Fa- sern und Platten.‘‘ In ähnlichem Sinne spricht sich Kölliker in der neuesten Auflage seines Handbuches der Gewebelehre aus‘). „Mit Bezug auf die Fntwicklung kann es jetzt als ausgemacht an- gesehen werden, dass die elastischen Fasern aller Art weder aus Kernen noch aus Zellen hervorgehen, sondern einfach durch eine besondere Umwandlung der Grundsubstanz bindegewebiger Anlage sich bilden, durch eine Umsetzung leimgebender Substanz.“ Er lässt es dahin gestellt, ob gleich feine elastische Fasern auftreten oder ob auch eine Bildung derselben durch Aneinanderlagerung von klei- nen Stückchen vorkömmt. Ueber die Entwicklung des Netzknorpels liegt eine Arbeit von Rabl Rückhard?°) vor, in welcher sich derselbe in seinem Resum& ebenfalls für die oben angeführte Ent- stehungsweise ausspricht. Die Untersuchungen, die ich vorläufig mitzutheilen gedenke, wurden zum Theil an menschlichen Embryonen vorgenommen, deren mir eine fortlaufende Entwicklungsreihe zu Gebote stand. Dem Uebelstand, dass die Conservirung der menschlichen Einbryonen in Spiritus für genauere histologische Untersuchung Manches zu wün- schen übrig liess, half ich dadurch ab, dass ich ausserdem den Neiz- knorpel einiger Thierfoetus, wie ich sie mir gerade frisch verschaffen 1) Lehrbuch der Histologie der Thiere und des Menschen $ 27. 2) Lehrbuch der Histologie u. Histochemie S. 187. 3) Reichert |. cit. 4) Kölliker: Handbuch der Gewebelehre S. 71. 5) Müller’s Archiv 1863, 8. 41. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 9. 6 89 Dr. Oscar Hertwig: konnte, sowohl in Jodserum, als auch nach vorausgegangener Er- härtung in Müller’scher Flüssigkeit oder Einlegen in Ueberosmium- säure untersuchte. Unter den angewandten Reagentien verdient die Ueberosmium- säure eine besondere Empfehlung wegen ihres auffälligen Verhaltens der elastischen Substanz gegenüber. Diese färbt sich unter ihrer Einwirkung stark gelbbraun, so dass nach einer ein- bis zweistün- digen Behandlung mit einer 1°/, Lösung die gefärbten Fasern sich deutlich von der ungefärbten Zwischensubstanz abheben. Auch das in Wasser lösliche Anilinblau färbt, wie mein Freund Ewalı beob- achtet und mir mitgetheilt hat, besonders stark die elastischen Netze des Ohrknorpels. Durch Anwendung dieses Reagens kann man nach seiner Angabe Präparate mit Doppelfärbung herstellen. Man tingirt Schnitte in Carminlösung, fällt in angesäuertem Wasser das imbibirte Carmin und legt dann die Schnitte längere Zeit in eine höchst verdünnte Anilinblaulösung. Die Zellen färben sich bei die- ser Behandlung roth, die elastischen Netze blau; die Grundsubstanz bleibt ungefärbt. Einen sichern Entscheid, ob Fasern für elastische zu erklären sind und ob in einem Präparate überhaupt elastische Substanz zugegen ist, erhält man durch Behandlung eines Schnittes mit Kali- oder Natronlauge. Am besten stellt man die Reaction unter dem Mikroskop der Art an, dass man eine starke Lösung dem un- ter dem Deckgläschen liegenden Präparate zusetzt, dann nach einiger Zeit vom Rande durch Zusatz von Wasser verdünnt und gleichzei- tig von der andern Seite her mit einem Stückchen Löschpapier die Natronlauge haltige Flüssigkeit zum '[heil entfernt. Das Präparat quillt, die Zellen erblassen und es bleiben allein die elastischen Fa- sern unverändert übrig. Setzt man jetzt vom Rande noch mehr Wasser zu, welches die Natronlauge ganz entfernt oder anstatt des- sen etwas Kali aceticum, so schrumpft das Präparat und auch die /ellen treten in ihren Contouren wieder hervor. An demselben Ob- jecte kann man in der Weise verschiedene Male nach einander die Grundsubstanz zum Quellen und nebst Zellen zum Verschwinden und darauf wieder zum Schrumpfen bringen. Um von der ersten Entwicklung des elastischen Gewebes im Ohr- knorpel brauchbare Präparate zu erhalten, ist die Anfertigung äusserst dünner Schnitte unbedingt nothwendig, da man bei nur mässig feinen Bil- der erhält, in denen die Uebereinanderlagerung mehrerer Zellenschich- en das Verhältniss der elastischen Fasern zu den Zellen unkenntlich Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes etc. 83 macht. Am besten gewinnt man feine Schnitte durch Einkleben des von der Haut befreiten Knorpels zwischen erhärtete Leberstückchen mittelst des von Rindfleisch empfohlenen Gummiglycerins !). Es hat dies Verfahren den Zweck, kleine Objecte zwischen die Leber- stückchen so zu befestigen, dass sie beim Schneiden weder der Mes- serklinge ausweichen, noch durch einen stärkeren Druck der Finger auf die Einschlussmasse über die Schnitttläche hervorgepresst wer- den können. Die Frage, welche ich mir in erster Linie zur Entscheidung vorlegte, ist die nach dem Verhältniss der entstehenden elastischen Fasern zu den Zellen des embryonalen Knorpels. Dass dem Netzknorpel ein Stadium vorausgeht, in welchem derselbe nur aus Zellen ohne nachweisbare Menge von Membran-Extra- oder Intercellularsubstanz besteht, lässt sich nach Analogie aller anderen Gewebe mit Sicherheit erwarten und ist auch von Rabl Rückhard speciell beschrieben. Wie nun aber und wann, vor allen Dingen in welchem Verhältniss zu dem Protoplasma der Zellen die ersten elastischen Fasern auftre- ten, das ist meiner Ansicht nach nicht mit genügender Schärfe be- obachtet; in dieser Rücksicht lassen uns auch die sonst genauen Angaben von Rabl Rückhard im Stich. Um bei menschlichen Embryonen auf das Stadium zu kommen, auf welchem die erste Differenzirung eines knorpelartigen Gewebes im Innern des äusseren Ohres zu beobachten ist, muss man recht weit zurückgehen. Es sind Embryonen von ungefähr 15 Gtm. Länge, bei denen ich zuerst inmitten eines embryonalen Bindegewe- bes gelegen, eine dünne Platte embryonalen Knorpels vorfand, welche sich gegen die Umgebung ziemlich scharf absetzt und von einem dichteren Zug gewellter Bindegewebsfasern, der Anlage des Perichondrium, umschlossen ist. Die Zellen sind angeordnet wie im embryonalen Zellenknorpel und durch die ersten Andeutungen einer homogenen Zwischensubstanz von einander geschieden?). Da sie an dem Spirituspräparate geschrumpft waren, füllten sie ihre Höhlen nicht ganz aus. Dagegen hatte ich Gelegenheit, an einem Rinds- embryo, wo die elastischen Fasern eben angelegt waren, die Zellen frisch in Jodserum zu untersuchen. Dieselben enthalten hier einen relativ grossen Kern, ihr Protoplasma füllt die Höhle in der Grund- 1) Rindfleisch: Lehrb. d. pathol. Gewebel. S. 309. Anm. 2) Fig. 1. 84 . Dr. Oscar Hertwig:- substanz vollständig aus. Sie sind alle um sehr Vieles kleiner, als im alten Knorpel; nach dem Perichondrium zu nehmen sie an Grösse bedeutend ab, besitzen in diesem selbst den geringsten Um- fang und liegen dichter aneinander gedrängt. Dabei verändern sie zugleich ihre Gestalt, werden sehr schmal und plattgedrückt. Rabl Rückhard beobachtete die ersten Spuren elastischer Fasern an dem ÖOhrknorpel eines fünfmonatlichen menschlichen Em- bryos. Er beschreibt sie als äusserst zart, meist einfach, ohne deut- liche Verzweigungen, dabei sehr zahlreich und dicht aneinander liegend, so jedoch, dass immer eine bestimmte Richtung ihres Ver- laufes senkrecht auf die Fläche der Ohrmuschel vorwiegt. ‚In der Mitte des Gewebes sind diese Faserzüge am dicksten und dichtesten, während sie nach den Oberflächen des Knorpels sich verjüngen, spärlicher werden und endlich, ohne Anastomosen zu bilden, ganz frei endigen. Die Zellen sind wenig von denen der früheren Sta- dien abweichend, die Intercellularsubstanz hat zugenommen und ist, die Fasern abgerechnet, völlig klar und hyalin.“ Wie es scheint, ist das Stadium, an dem ich das erste Auftreten der elastischen Fasern beobachtete, ein noch etwas jüngeres, als das von Rabl Rückhard beschriebene. Ich schliesse dies daraus, dass in dem Ohrknorpel des mir zur Untersuchung dienenden menschlichen Em- bryos von 18 Centim. Länge, dessen Beschreibung ich im Folgen- den geben werde, die Faserbildung erst an einzelnen Stellen begon- nen hatte!). An dünnen Schnitten fällt es sogleich auf, dass die Zellen reihenförmig angeordnet sind und in Gruppen beisammen liegen, oft mehrere in einer gemeinsamen Höhle. Dabei sind die Reihen so gerichtet, dass sie eine senkrecht von Perichondrium zu Perichondrium gezogene Linie mehr oder minder einhalten, in wel- cher Richtung ein lebhafterer Theilungsprocess in den Knorpelzellen stattzufinden scheint. Einzelnen Zellenreihen findet man nun feine Fasern unmittelbar dicht angelagert. Da dieselben eine ausser- ordentliche Feinheit besitzen und von dem Zellprotoplasma, dem sie dicht anliegen, leicht verdeckt werden, können sie dem Beobachter zumal bei Benutzung schwächerer Systeme entgehen. Die vollkom- men glatten glänzenden Fasern geben keine seitlichen Aeste ab. Dass man es hier wirklich mit der ersten Bildung elastischer Sub- stanz zu thun hat, darüber kann man sich durch Anwendung der 1) Fig. 2. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes ete. 85 Natronlauge in der oben beschriebenen Weise vollkommene Sicher- heit verschaffen. Bei einem wenig älteren menschlichen Embryo von 22 Centim. Länge fand ich die elastischen Fasern schon reichlicher entwickelt !) und von solcher Stärke, dass sie nicht mehr zu übersehen sind. Sie liegen gedrängt neben einander dicht oberhalb, unterhalb und seitlich von den Zellen. Die meisten verlaufen unter sich parallel auf dem kürzesten Wege quer von Perichondrium zu Perichondrium und enden, allmählig feiner werdend, zwischen den Zellen des letzteren. Das hier vom Menschen an Spirituspräparaten beobachtete Sta- dium, welches zur Beantwortung der im Thema aufgeworfenen Frage mit als das wichtigste bezeichnet werden muss, fand ich Gelegen- heit, auch an verschiedenen frisch erhaltenen Thierembryonen ge- nauer zu untersuchen, und ziehe ich es vor, die eingehendere Be- schreibung nach den besser conservirten Präparaten zu geben. Als ein zum Studium dieser Verhältnisse recht geeignetes und gleich- zeitig leicht zu erlangendes Object kann ich den Ohrknorpel frisch geworfener Kaninchen empfehlen. Die Schilderung gebe ich nach einem Osmiumpräparate, da bei der Anwendung dieses Reagens die Zellen, wie bekannt, ihre ursprüngliche Form beibehalten und so gut wie gar nicht schrumpfen. Beim jungen Kaninchen ?) ist die Zwischensubstanz im Ohrknorpel verschwindend gering entwickelt. Die Zellen liegen so dicht gedrängt aneinander, dass sie sich gegen- seitig eckig drücken. Sehr deutlich konnte ich an diesem Präpa- rate sehen, wie die elastischen Fasern, deren Verlauf dem schon früher beschriebenen entspricht, dem Protoplasma der Zellen ganz unmittelbar anliegen und wie sie jeder Einbiegung und Hervorra- gung derselben folgen. Desgleichen sah ich Zellen, die langgestreckt, spindelartig eine Faser eine Strecke weit begleiteten®). Noch mehr Sicherheit über die so innige Aneinanderlagerung von Zelle und Faser erhielt ich durch Zerzupfen feiner Schnitte. Wenn man auch dadurch das Präparat nicht vollständig zerfasern kann, so sieht man doch an deu Rissenden elastische Fädchen frei hervorragen, denen hier und da noch Zellen, in charakteristischer Weise innig mit ihnen verbunden, ankleben. Ferner untersuchte ich noch einen Rindsembryo von 32 Centim. Länge, der auf einer etwas weiteren Stufe der Entwicklung stand ?). 1) Fig. 3. 2) Fig. 4. 3) Fig. 4a, 5a, 3a. 4) Fig. 5 86 Dr. Oscar Hertwig: Die Zwischensubstanz ist reichlicher. Die elastischen Fasern be- ginnen seitliche Aeste zu treiben. Ein Theil dieser Aeste verlässt den Stamm unter spitzem Winkel, um mit leichter Biegung ihm parallel zu verlaufen. Ein anderer Theil wächst senkrecht aus ihm heraus und vereinigt sich mit Fasern, die dem Hauptstamm paral- lel ziehen. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass Zellen sawohl jeder neuen Querfaser anliegen, als auch in den durch die Verästelung entstandenen Winkeln sich vorfinden. Entspringen nun mehrere Fasern von einer Stelle, so wird die im Winkel einge- bettete Zelle von denselben wie von einem Korb umschlossen !). Die Endigungsweise der elastischen Fasern ist hier besonders deutlich zu erkennen. In der Nähe des Perichondriums krümmen sie sich etwas bogenförmig um und endigen, einer der hier gedrängt liegen- den Zellen dicht angeschmiegt, zu einer feinen Spitze ausgezogen’). Diese an Querschnitten gewonnene Auffassung der räumlichen Anordnung von Fasern und Zellen wird durch Betrachtung von Flächenschnitten wesentlich vervollständigt. Der Knorpeloberfläche parallel gerichtete Schnitte kann man leicht anfertigen, wenn man ein von anliegendem Gewebe befreites Stück Ohrknorpel, welches papierdünn ist, auf ein erhärtetes Leberstückchen mit einem Tropfen Gummiglycerin aufklebt und in Brennspiritus erhärtet, was mehrere Stunden Zeit in Anspruch nimmt. Zur Erhärtung soll man abso- luten Alkohol nicht anwenden, da durch die zu rasche Einwirkung ‘der Gummi hart und spröde wird und hierdurch beim Schneiden ein Hinderniss abgibt. Da die elastischen Fasern alle quer durch- schnitten werden, so erscheinen sie an recht dünnen Schnitten nur als glänzende Puncte. Ein Flächenbild von dem Ohrknorpel des neugebornen Kaninchens bestätigt uns in vollem Maasse das, was schon früher über die räumliche Vertheilung der Fasern aus Quer- schnitten geschlossen werden konnte. Es zeigt sich nämlich, dass fast jede einzelne Zelle von einem Kranze quer durchschnittener Fasern umgeben ist?). Beide liegen so ungemein dicht bei ein- ander, dass man an den meisten Stellen eine Zwischensubstanz nicht zu sehen bekommt. Dann und wann bemerkt man auch, dass zwei oder vier Zellen von einem gemeinsamen Faserkranze umgeben werden, während zwischen diesen Zellen nur verein- zelte Querschnitte von elastischen Fäserchen sichtbar sind. Die 1) Fig. 5d. 2) Fig. 5e. 3) Fig. 6f. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes ete. 87 Zwischensubstanz, deren extracelluläres Auftreten mit der Bil- dung der elastischen Fasern Hand in Hand geht, ist hier zwischen den zu einer Gruppe vereinigten Zellen noch wenig oder gar nicht entwickelt. Dies Bild findet offenbar darin seine Erklärung, dass aus einer Zelle durch Theilung mehrere entstanden sind, zwischen denen nun Zwischensubstanz und einzelne neue Fasern gleichzeitig angelegt wurden. ö Flächenschnitte durch den Ohrknorpel des oben erwähnten 32 Centim. langen Rindsembryo zeigen ein durchaus ähnliches Bild; nur ist die Zahl der querdurchschnittenen Fasern eine noch bedeu- tendere als beim Kaninchen, indem zwischen den einander zugekehrten Flächen je zweier Zellen meist nicht wie oben nur eine, sondern zwei Reihen glänzender Pünctchen angetroffen werden. Ich reihe hieran gleich die Beobachtungen, die ich über die Weiterbildung der Fasern zu Netzen und über den Bau derselben im reifen Ohrknorpel angestellt habe. Bei verschiedenen Thierarten zeigt der Netzknorpel, wie schon in der Arbeit von Rabl Rückhard hervorgehoben wird, ein un- semein abweichendes Verhalten. Bald ist die elastische Substanz sehr gering, bald wieder sehr mächtig entwickelt, bald besteht sie fast nur aus Fasern, die sich wenig verzweigen und durch spärliche Queräste mit einander in Verbindung stehen, in einigen Ohrknor- peln sehr fein bleiben, in anderen eine bedeutende Stärke erreichen. Bald stellt sie ein im Raum allseitig entwickeltes dichtes Netz- werk dar, indem die Fasern unter reichlicher Verästelung und Anasto- mosenbildung überall innig zusammenhängen. Dieses Netzwerk ist bald gröber, bald aber auch so fein, dass es den dichtesten im thierischen Körper vorkommenden spongiösen Geweben, wie z. B. dem in der Retina, an die Seite gestellt werden kann und man zu den allerstärksten Vergrösserungen greifen muss, um sich Klarheit über dasselbe zu verschaffen. Endlich kommt es vor, dass die ela- stische Substanz sich im Netzknorpel stellenweise auch plattenartig ausbreitet, ähnlich den gefensterten Häuten, wie sie in den Arterien allgemein vorgefunden werden. Bei dieser grossen Mannichfaltigkeit, mit der die elastische Substanz bei verschiedenen Thieren auftritt, ist es nicht möglich, an einer Species allein die Weiterentwickelung und den fertigen Bau des Netzknorpels zu schildern, sondern ist es nöthig, um ein einiger- massen getreues Bild von dem formenreichen elastischen Gewebe 88 Dr. Oscar Hertwig: im Ohrknorpel zu geben, dass wir verschiedene recht charakteristi- sche Bildungen unserer Schilderung zu Grunde legen und sie gleich- sam als Typen aufstellen. Ich beginne mit derjenigen Form des Netzknorpels, in welcher die elastische Substanz am geringsten zur Entwicklung gekommen ist, und werde mit den Fällen schliessen, wo sie am reichlichsten vorhanden, das allerfeinste spongiöse Maschenwerk bildet. In dieser Weise glaube ich am meisten den Gang einzuhalten, den die Ent- wicklung des elastischen Gewebes von einfacheren zu zusammenge- setzteren Formen nimmt. Wie durch die Beobachtungen von Rabl Rückhard bekannt ist, zeichnet sich unter den verschiedenen Ohrknorpeln der Thiere besonders der der Nager durch seine sehr sparsamen elastischen Elemente aus. Ein Querschnitt durch den Ohrknorpel des Kanin- chens gewährt folgenden charakteristischen Anblick !). In einer reich- lichen homogenen knorpeligen Zwischensubstanz liegen ungemein grosse mit dicken Fetttropfen gefüllte ovale Zellen. An dünnen Schnitten fallen die meisten Zellen, die in Ueberosmiumsäure wegen ihres Fettgehaltes sich ganz schwarz färben, aus ihren Höhlungen, und man erblickt dann „ein dem pflanzlichen sehr ähnliches, fast honigwabenartiges Gewebe, in dem dicht aneinander, durch nur schmale Septa hyaliner Grundmasse geschieden, deutliche gruben- artige Vertiefungen liegen.“ Die ovalen Zellen sind hauptsächlich so gerichtet, dass ihr läng- ster Durchmesser in eine Linie mit dem Querdurchmesser des Knor- pels fällt. In derselben Richtung verlaufen feine elastische Fasern, die um nur Weniges stärker sind, als die aus den ersten Stadien der Knorpelentwicklung beschriebenen). Von ihnen gehen feinere Aestchen aus, die entweder zugespitzt enden oder mit andern ana- stomosiren und die ersten Anfänge eines weitmaschigen Netzwerkes darstellen.®) Besonders ist jede einzelne Zelle von einem Netze fein- ster Fäserchen umgeben, aber so, dass immer eine hellere innere Zone rein knorpeliger Substanz um sie übrig bleibt. Dieses Netz- werk erkennt man besonders an den Stellen, wo durch den Schnitt die obere Zellwand entfernt, die untere erhalten und die Zelle selbst herausgefallen ist ®). Ein Flächenschnitt durch den Ohrknorpel des alten Kaninchens 1) Fig. 7. 2) Fig. 7H. 3) Fig. 7h. 4) Fig. Ti. Ueber die Entwicklung und den Bau'des elastischen Gewebes etc. 89 ergibt ein Bild, welches, abgesehen von der massigeren Entwicklung der Zwischensubstanz und davon, dass ein besonderer Hof rein hya- liner Substanz jede Zelle umgibt, dem vom Neugebornen erhaltenen Bilde durchaus ähnlich ist!). Auch hier erhält man Querschnitte elastischer Fasern, welche in Ringen um die Zellhöhlen gruppirt sind und bald weiter von einander, bald aber auch gedrängt einer an dem andern liegen. Es ist wohl selbstverständlich, dass wir hauptsächlich in ihnen die Querschnitte der am frühesten als Kranz um die Embryonalzellen angelegten Fasern zu erblicken haben. Den Höfen hyaliner Substanz, welche die einzelnen Zellen um- geben ?), schenkt Rabl Rückhard in seiner Arbeit eine besondere Beachtung und sucht er auf verschiedene Arten zu beweisen, dass wir in diesen früher sogenannten Knorpelkapseln nur Trügbilder vor uns hätten. Die äussere Contour des Hofes betrachtet er als die eigentliche Zellecontour. Das Trugbild einer Kapsel kann nach ihm durch verschiedene Umstände hervorgerufen werden. Wenn durch den Schnitt Zellenhöhlen eröffnet und in den Gru- ben die Knorpelkörperchen liegen geblieben sind, so sollen zwischen der Wand der Gruben und ihrem geschrumpften Inhalt Lücken ent- stehen, die als helle Ringe erscheinen. Letztere soll man daher auch nicht sehen, sobald durch Auspinseln die Knorpelkörperchen entfernt worden sind, ferner nicht an uneröffnet gebliebenen und mit ihrem Inhalt prall erfüllten Zellen. Die Ringe, die an feineren Schnitten auftreten, wo eine Höhle zweimal eröffnet und ihr Inhalt herausgefallen ist, erklärt Rabl Rückhard aus dem Umstand, dass von der ganzen Wand des Hohlraums ein Gürtelsegment übrig geblieben ist, das von oben gesehen als Ring erscheinen wird, in- dem seine beiden Begrenzungslinien, die den beiden Schnittebenen angehören, als concentrische Kreise auf eine Ebene projieirt werden. Es sollen daher gröbere und ganz feine Schnitte diese Ringe nicht zeigen, erstere, weil die Schnitte nicht dicht genug waren, um eine Zelle zweimal zu treffen, letztere, weil bei ihrer grossen Feinheit die Breite des Gürtels auf ein nicht mehr erkennbares Minimum zurück- geführt ist. Anfänglich hatte diese Ausführung etwas Bestechendes für mich, später aber überzeugte ich mich davon, dass die hyalinen Höfe thatsächlich vorhanden sind und dass die von Rabl Rückhard 1) Fig. 8. 2) Fig. 7m, 8m. I Dr. Oscar Hertwig: gelieferte Beweisführung keine stichhaltige ist. Lässt man auf den Öhrknorpel eines Kaninchens eine 1°/, Lösung von Ueberosmium- säure längere Zeit einwirken, so bräunt sich die Intercellularmasse ziemlich stark mit Ausnahme der strittigen ringförmigen Zone um die Zellen, welche sich weniger gefärbt hat und in Folge dessen viel schärfer hervortritt. An einem solchen Präparate erkennt man nun ganz deutlich einen hellen Hof sowohl um die Zellenhöhlen, die uneröffnet geblieben und mit der Inhaltsmasse ganz gefüllt sind, als auch um die Gruben, aus welchen der Inhalt sich entleert hat). Ferner konnte ich hier an feinen Schnitten auch an den allerdünn- sten Stellen noch die hyalinen Ringe um die Zellen wahrnehmen und gleichzeitig feststellen, dass dieselben sowohl an den dickeren, als auch den dünneren Theilen des Schnittes überall eine gleiche Breite zeigten. Hieraus geht schon klar hervor, dass sie nicht durch eine Flächenspiegelung der Seitenwände entstanden sein kön- nen. Noch sicherer aber wird dies durch folgenden Umstand be- wiesen. An durch Ueberosmiumsäure gebräunten Präparaten fallen abwechselnde bald dunklere, bald hellere Streifen auf, welche ganz regelmässig die Zwischensubstanz durchziehen?) Es sind dies durch die Messerklinge beim Schneiden hervorgerufene Unebenheiten der Oberfläche, die in der gebräunten Substanz ungemein deutlich her- vortreten.. Bei aufmerksamer Betrachtung dieser Linien sieht man, wie sie continuirlich aus der dunkleren Zwischensubstanz auch in den helleren Hof um die Zellen hineinziehen und so einen unum- stösslichen Beweis liefern, dass beide sich in gleicher Ebene befinden. Abgesehen von diesen durch die Schnittführung hervorgerufenen Linien, lässt an einzelnen Stellen des Präparates der breite Ring um die Zellen eine Zusammensetzung aus abwechselnd helleren und dunkleren Streifen erkennen und zeigt hierin ein gleiches Verhalten, wie die geschichtete Cellulosemembran der Pflanzen ?). Wenn wir die Entwicklung der Intercellularsubstanz im Netz- knorpel des Kaninchens von Anfang bis zu Ende verfolgen, so spricht sich in derselben eine gewisse Periodiceität aus, indem ur- sprünglich die Bildung elastischer Fasern mit der Bildung homoge- ner Zwischenmasse Hand in Hand geht, später ganz aufhört, wäh- rend letztere allein als hyaliner Ring um die Zelle abgelagert wird. Durch diese Neubildung wird der Kranz elastischer Fasern, der beim 1) Fig. 7i. 2) Fig. 8n. 3) Fig. 7 u. 8p. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes etc. 91 neugebornen Kaninchen dem Zellenprotoplasma dicht anlag, von diesem entfernt, eine Lageveränderung, die noch um so bedeu- tender ist, als der Durchmesser einer reifen Knorpelzelle den einer embryonalen um mehr als das fünffache an Grösse übertrifft. Zie- hen wir nun hiermit in Vergleich, wie eng der Kreis war, den frü- her die elastischen Fasern um eine winzige Zelle bildeten, dann springt es so recht in die Augen, welche grossen Umwandlungen und Verlagerungen in der Zwischensubstanz vor sich gegangen sein müssen, Umwandlungen, die sich nur vermöge eines Wachsthums durch Intussusception erklären lassen, und man überzeugt sich da- von, dass auch auf die fertig gebildete Substanz immer noch „forma- tive“ Kräfte der Zelle einwirken, durch welche die alten Theilchen ihren Platz ändern und neue sich zwischen sie einschieben. Als ein zweiter Typus des elastischen Gewebes kann der Ohr- knorpel des Pferdes und Rindes hingestellt werden, welcher sich hauptsächlich dadurch auszeichnet, dass die Neubildung elastischer Substanz mehr auf die Diekenzunahme schon vorhandener, als auf die Anlage neuer Fasern verwandt wird. So werden beim Pferde die embryonal zuerst gebildeten, von Perichondrium zu Perichon- drium verlaufenden parallelen Fasern, die auch später noch in je- dem Netzknorpel sich auffinden lassen, oft aber durch eine dichte Netzbildung verdeckt werden, zu starken Stämmen, die wie Pfei- ler den Knorpel durchsetzen. Durch eine reichlicher entwickelte hyaline Zwischensubstanz von einander getrennt, hängen sie vor- zugsweise durch rechtwinkelig abgehende, gleichfalls starke Quer- äste mit ihren Nachbarn zusammen und besitzen eine durch kleine Höcker, der Anlage neuer Seitenzweige, rauhe Oberfläche. Von Interesse ist es, zu sehen, wie an einzelnen Stellen die elasti- sche Substanz eine flächenartige Ausbreitung annimmt, indem zwei oder mehrere der oben genannten Stämme durch dünne Membranen untereinander zusammenhängen oder an ihren Enden in solche über- gehen '). Hier und da sind die Membranen durchlöchert oder auch mit feinen Fäserchen besetzt. Besonders in der Nähe des Perichon- drium kommt diese im Netzknorpel auffällige Bildung häufiger vor. Auf Flächenschnitten treten die Querschnitte der den Knorpel quer durchsetzenden Stämme als hellglänzende kreisförmige Stellen hervor?). Wenn mikroskopisch erkennbare Structurverhältnisse in den 1) Fig. 10. 2) Fig. 9Q. 92 Dr. Oscar Hertwig: elastischen Fasern vorhanden wären, sollte man erwarten, dass sie hier zu Tage treten müssten. Doch erkennt man gerade hier deut- lich, dass die querdurchschnittenen Stämme durchaus gleichmässig solid sind und auch keinen centralen Hohlraum enthalten, wie dies einige Forscher vermuthet haben. Die Anzahl der um eine Zelle gruppirten querdurchschnittenen Fa- sern ist eine verhältnissmässig geringe und übersteigt nicht die Zahl Zehn. Da sie alle miteinander durch dicke Queräste verbunden sind, so entsteht bei der Flächenansicht ein grobes Netz, in dessen Maschen die Zellen eingebettet sind. Aus den Balken dieses Netzes erheben sich als glänzende Höcker die auf dem Querschnitt getroffenen Hauptfasern. Im Wesentlichen ebenso gebaut ist der Netzknorpel des Rindes, doch fehlt die flächenhafte Ausbreitung der elastischen Substanz zu einzelnen Membranen; dagegen tritt uns hier eine andere Bildung entgegen, die durch ihre zierlichen Figuren den Beobachter beson- ders fesselt. Zwischen den starken Hauptstämmen !) nämlich und ihren Seitenästen, die sich im Ganzen ähnlich wie beim Pferde, nur in unregelmässigerer Weise verzweigen, findet man hier und dort, aber stets in der Nachbarschaft von Zellen, locale stärkere Anhäufungen elastischer Substanz. Durch ihren auffälligen Bau stellen sie eine für den Netzknorpel des jungen und erwachsenen Rindes eigenartige Bildung dar. Beim Kalbe entspringen von den elastischen Fasern, die im Umkreis an einer Zelle vorüberziehen, in reichlicher Menge feinste Fäserchen, die alle von ihren verschie- denen Ursprungsstellen nach einem Puncte zu convergiren und hier mit einander verschmelzen ?). Sie setzen so einen Faserkorb zusam- men, der gleichsam über eine Zelle hergestülpt ist. Hat man einen solchen quer durch den Schnitt getroffen, so wird die in und unter ihm liegende Zelle frei und man sieht sie von einem einfachen oder doppelten Ringe querdurchschnittener feiner Fasern umgeben®). Im Öhrknorpel des Rindes, in dem auch die Zwischensubstanz an Aus- breitung gewonnen hat, sind die nach einem Puncte convergirenden Fasern von diesem aus zu einer Scheibe verschmolzen). Auf ihrer Oberfläche ist sie mit Höckerchen und Stacheln besetzt und wird als Zeichen ihres Ursprungs von kleinen Löchern noch stellenweise durcehbohrt. Indem von der Peripherie dieser Scheibe feinste Fort- I) Big. 11°H. 2) Fig. 11r. 3) Fig. 111.7 4)/Bigx lo. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes etc. 93 sätze nach allen Seiten ausstrahlen, bekommt man ganz den Ein- druck einer mit ausgebreiteten Pseudopodien erstarrten Rhizopode. Auch diesen Scheiben liegen stets Zellen an, so dass sie für das Verhältniss der elastischen Substanz zu den Zellen sehr beachtens- werthe Bildungen sind. Als dritten Typus können wir diejenige Form des elastischen Netzknorpels aufstellen, in der feine Fasern unter reichlicher, allsei- tiger Bildung von- Seitenzweigen und Anastomosen zu einem dichten überall im Raum entwickelten Netzwerk verbunden sind. Diese Form besitzt der Ohrknorpel des Menschen. Beim Neugebornen sind die feinen Netze eben im Entstehen begriffen. Die vom Em- bryo beschriebenen parallelen Fasern sind hier durch Zunahme der homogenen Zwischensubstanz etwas weiter auseinander gerückt !). Die von ihnen rechtwinkelig abgehenden Queräste, welche ebenfalls schon früh im embryonalen Leben sich entwickelt haben, sind stär- ker und reichlicher geworden?). In den Zwischenräumen des so ent- standenen gröberen Maschenwerkes, welches abgesehen von der grösseren Feinheit seiner Fasern vermöge der Anordnung derselben dem Netzknorpel des Pferdes gleicht, liegen ein, zwei oder mehr Zellen, die nur um Weniges (ie embryonalen an Grösse übertreffen. Von den genannten, gleichsam das Gerüste des elastischen Gewebes darstellenden Fasern gehen noch reichlich feinste Aestchen ab. Dieselben hängen wiederum durch eine Menge zarter seitlicher Fä- serchen mit einander zusammen und stellen ein feines Netz dar, das kapselartig ein oder zwei Zellen einhüllt. Durch Anbildung neuen Netzwerkes nimmt beim Kinde diese Zone elastischen Gewebes an Dicke bedeutend zu, wodurch zwei benachbarte Zellen immer mehr von einander getrennt werden. Da die ursprünglich angelegten Fasern und ihre Queräste wäh- rend dieser Zeit kaum noch an Dicke zugenommen haben, treten sie gegenüber den immer stärker und reichlicher sich entwickeln- den Netzen und den immer dicker werdenden Bestandtheilen der- selben mehr und mehr in den Hintergrund. So kommt es, dass man im Ohrknorpel des erwachsenen Men- schen diese Fasern, welche in den vorher angeführten Typen im Bau des elastischen Gewebes eine so hervorragende Rolle spielten, nur an ganz senkrecht geführten Querschnitten mühsam noch heraus- 1) Fig. 13H. 2) Fig. 13 c. 94 Dr. Oscar Hertwig: finden und sich von ihrem Dasein überzeugen kann !). Beim Erwach- senen hat ausserdem auch die Zelle an Ausdehnung um ein Vielfaches zugenommen und sich noch mit einer Hülle hyaliner Substanz umgeben. An dünnen Schnitten ist besonders die Unmasse hell glän- zender Pünctchen charakteristisch, welche den Fasern der Netze an- sitzen. Sie entsprechen den Querschnitten aufsteigender Aestchen und verleihen dem Reticulum das Gepräge des Körperlichen, des im Raume allseitig Entwickelten. Die feinste Beschaffenheit und Anordnung gewinnt endlich die elastische Substanz in den Ohrknorpeln der Katze, des Schafes und des Rehes, welchen letzteren ich selbst zwar nicht untersucht, aber nach den Angaben Rabl Rückhard’s hierher rechnen muss. Besonders beim Schaf bildet die elastische Substanz um die Zellen ein so fein spongiöses Gewebe, dass man selbst mit den stärksten Vergrösserungen dasselbe kaum entwirren kann und an dünnen Schnitten bei oberflächlicher Betrachtung zu der Annahme verleitet werden könnte, dass man eine Ablagerung in Körnchen vor sich hätte. An dicken Schnitten erhält man dagegen sanz den Eindruck, als ob die Zellen in soliden elastischen Kapseln lägen, da man hier den fein porösen Bau nicht mehr erkennen kann, sondern die glänzende Substanz als eine homogene Masse erscheint. Mit nichts lässt sich dies Gewebe besser vergleichen, als mit der fein spon- giösen Bindesubstanz in der Retina. Diese durch alle Stufen zu verfolgende Verfeinerung eines an- fangs grobmaschigen elastischen Netzes zu einem äusserst feinen spongiösen Gewebe bietet ein vollkommenes Analogon zum Bau der reticulären Bindesubstanzen, für deren Verständniss diese elastischen Netze als ein vorzügliches Untersuchungsobjeet empfohlen werden können, einen neuen Beweis bildend für die Richtigkeit der Deduc- tionen, mit denen Max Schultze gegenüber Henle den spon- giüsen Bau der Bindesubstanz der Centralorgane und Sinnesappa- rate betont hat ?). Beim Schafe liegen um die Knorpelzellen noch Höfe aus rein hyaliner Masse, die ebenfalls hier und da eine Schichtung in hellere und dunklere Partieen zeigt (s. Rabl Rückhard S. 55). Es 1) Fig. 14H. 2) M. Schultze: Untersuchungen über den Bau der Nasenschleim- haut, S. 29. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes etc. 95 ist daher auch hier im Zellenleben ein gleicher Process eingetreten, wie wir ihn beim Ohrknorpel des Kaninchens geschildert haben. Schliesslich mag noch erwähnt werden, dass sowohl beim Schafe als auch bei der Katze, bei letzterer in besonders regelmässiger Anordnung, die in der Entwicklung zuerst angelegten, den Knorpel quer durchsetzenden elastischen Fasern auch später noch deutlich hervortreten, indem sie einander parallel zwischen den Zellenreihen verlaufen. Dass dieselben im Ohrknorpel des Menschen verschwinden, dort aber trotz der dichten Ablagerung elastischer Substanz klar hervortreten, erklärt sich nicht unschwer aus dem grossen Dicken- unterschiede der quer durchsetzenden und der ausserordentlich feinen, das spongiöse Reticulum darstellenden Fasern beim Schafe und Kätz- chen, ein Unterschied, der beim Menschen fast ganz fehlt. Ausser den elastischen Fasern fällt in manchen Netzknorpeln noch ein System reich entwickelter feinster Porenkanäle auf. Es ist dies ein Structurverhältniss, auf das die Aufmerksamkeit der Histo- logen schon öfters gerichtet worden ist. So hat Heinrich Müller!) poröse Kapseln am Ohrknorpel des Hundes beobachtet. „In ex- quisiten Fällen war die fein punktirte Flächenansicht, sowie bei Focalveränderung die fein radiäre Streifung im Profil den Poren- kanälen, wie man sie besonders durch Kölliker’s Untersuchungen an anderen thierischen Zellen kennt, vollkommen gleich“. Andeu- tungen einer radiären Streifung hat H. Müller auch an anderen Knorpelkapseln, namentlich vom Schwein, jedoch nicht so deutlich gesehen; ferner fiel ihm auf, dass nur immer die jüngste innerste Schicht der Kapseln diese Beschaffenheit zeigt. In einer neuer- dings erschienenen kleinen Abhandlung gibt Bubnoff?) an, dass es ihm am Hyalinknorpel durch S—12stündiges Einlegen kleiner Stück- chen in eine Lösung Osmiumsäure von !/yo Pet. gelungen sei, feine Kanälchen sichtbar zu machen. In der Zwischensubstanz sollen mit grosser Constanz und ziemlich regelmässiger Vertheilung ziemlich breite Linien auftreten; von den meisten Zellen sollen zwei solcher Linien an den diametral entgegengesetzten Seiten ausgehen, von manchen selbst drei und vier Linien. An der Eintrittsstelle der Linien in die Zellen fand er zuweilen feine Oeffnungen. Für das 1) H. Müller, Würzburger naturh. Zeitschr. I 92. 2) Beiträge zur Kenntniss der Structur des Knorpels. Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien Bd. LVII. Abth. I. April-Heft. Jahrg. 1868. I6 - Dr. Oscar Hertwig: Vorhandensein eines solchen physiologischen Kanalnetzes im Knorpel spricht auch die bei Entzündungen im Knorpel auftretende, wie es scheint, auf Erweiterung solcher Ernährungswege beruhende eigen- thümliche Rarefication der Grundsubstanz '!). Bei niederen Thieren beobachtete Hensen?) am Aequatorial- ring des Auges von Sepia pflanzenzellähnliche Knorpelzellen mit echten Porenkanälen, welche Beobachtungen durch Boll?) erweitert wurden. Ferner beschreibt Boll noch aus dem Kopfknorpel der Gephalopo- den, besonders von Octopus vulgaris und Sepia Knorpelzellen mit reichlich verästelten Ausläufern. Bei Sepia verlaufen lange Aus- läufer parallel nebeneinander und verästeln sich fortwährend unter spitzem Winkel, bis endlich die ganze Intercellularsubstanz ein längs- streifiges Aussehen annimmt. Etwas Aehnliches ist von mir am Netzknorpel des Ochsen be- obachtei. Zunächst an Osmiumpräparaten fiel mir auf, wie die innerste Zone der auch hier die Zellen umgebenden hyalinen Ringe an einzelnen Stellen eine ganz scharfe radiäre Streifung zeigte, ganz so, wie dies H. Müller von den porösen Knorpelkapseln im Ohre des Hundes beschrieben hat*). Ebenso konnte ich in seltenen Fällen beobachten, wie von einigen durch die Einwirkung der 1 Pet. Os- miumsäure wahrscheinlich augenblicklich ertödteten Zellen feinste Protoplasmafortsätze in diese Poren eine kleine Strecke weit ein- drangen. Als ich Schnitte von mit Osmiumsäure behandeltem Netz- knorpel in eine starke, gut färbende Carminlösung brachte, wurde ich bei mikroskopischer Besichtigung derselben durch den Anblick eines reich entwickelten, bei dieser Behandlung deutlich gewordenen Kanalsystems überrascht. An einzelnen Stellen trat dasselbe mit aller für derartige feinere Verhältnisse nur wünschenswerthen Deut- lichkeit hervor, so dass ich Täuschungen vollkommen ausschliessen zu können glaube. Feine Kanälchen verlaufen in der zwischen den elastischen Fasern hier reichlich vorhandenen Zwischensubstanz ; die- selben sind unter sich parallel, etwas geschlängelt, und halten eine zu dem Hauptstamme rechtwinklige Richtung ein); Theilangen eines 1) Rindfleisch, Lehrbuch der pathologischen Gewebelehre S. 531. 2) Ueber das Auge einiger Cephalopoden (Zeitschrift für wiss. Zoologie 1865. Bd. XV. p. 169). 3) Boll, Beiträge zur vergleichenden Histiologie des Molluskentypus. Archiv für mikrosk. Anat. Supplement S. 15. 4) Fig. 12, 5. 5) Fig. 12x. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes etc. 97 Kanälchens in mehrere Aeste konnte ich nicht beobachten. Zum Theil ziehen die als feine Streifen erscheinenden Kanälchen über die elastischen Fasern hinweg und bedingen ein streifiges Aussehen der- selben, zum Theil scheinen sie sich an dieselben anzusetzen. Viel- leicht hängen sie hier mit Kanälen zusammen, welche die Fasern begleiten, oder mit einem dieselben umgebenden Hohlraum, und stellen so eine für das Wachsthum der elastischen Fasern wichtige Bildung dar. Von den Stämmen abgehende, feinere elastische Fä- serchen irrthümlich für Kanälchen zu halten — ein Bedenken, das bei Manchen vielleicht auftauchen könnte —, ist kaum möglich, so grundverschieden sehen beide Bildungen aus. Diese Bahnen nehmen alle von den Zellen des Knorpels ihren Ursprung. An den meisten Zellen durchsetzen den hyalinen Hof dicht neben einander gelagerte unter sich parallele Streifen, die einerseits von den schon oben be- schriebenen Porenbildungen des innersten Theils der Zellwand aus- gehen, andererseits ihre direkten Verlängerungen in den die elasti- schen Fasern kreuzenden Streifen in der Zwischensubstanz finden. Auffallend ist es, dass solche Kanälchen meist nur von den den ela- stischen Fasern gleichgerichteten Zellwänden entspringen, während die beiden anderen Pole der Zelle frei bleiben. Nur in wenigen Fällen sah ich auch von diesen radiäre Kanälchen ausgehen. Andeutungen eines ähnlichen Strukturverhältnisses habe ich noch am Ohrknorpel des Kaninchens beobachtet. Es zeigten hier die Wandungen der grossen Zellenhöhlen auf dem Querschnitt ein gezacktes Aussehen und ist es wahrscheinlich, dass wir hier Andeu- tungen feinster Porenkanälchen vor uns haben (Fig. 7s, 8s). Ich versuche es, zum Schluss die Resultate vorstehender Beob- achtungen kurz zusammen zu fassen. Die elastischen Fasern entstehen im Netzknorpel unmittelbar nach dem ersten Auftreten einer Zwischensubstanz oder gleichzeitig mit ihr und zwar immer unmittelbar auf der Oberfläche des Proto- plasma. Die Zellen, welche die ersten elastischen Fasern bilden, liegen in Reihen senkrecht auf die Oberfläche des Knorpels, jede Reihe bildet lange den Knorpel senkrecht durchsetzende Fasern, welche wie Reusen die Zellen umschliessen. Die Fasern sind von Anfang an, auch wenn sie noch von kaum messbarer Feinheit sind, unlöslich in Kalilauge, daher gleich von ihrer ersten Bildung an echtes elastisches Gewebe. Die räumlichen Verhältnisse der Ent- stehung derselben stützen nicht die bisher verbreitete Ansicht, dass M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9, N 98 Dr. Oscar Hertwig: es sich dabei um eine Umwandlung zuerst gebildeter homogener Knorpel-Grundsubstanz handle, sondern sprechen dafür, dass das Protoplasma der Zellen die elastische Substanz gleich als das fertig bilde, als was wir sie auch später finden. Es ist dieselbe formative Thätigkeit des Protoplasmas (Max Schultze), der die elastische Substanz ihr Dasein verdankt, wie dieselbe im fibrillären Bindege- webe den Fibrillen den Ursprung gibt (vergl. Boll Entwicklung des Bindegewebes, — dieses Archiv Bd. VII, p. 35, 36). Die weitere Entwicklung der einmal angelegten elastischen Fa- sern erfolgt nun durch Intussusception in die extraprotoplasmatische Substanz, wie dies für alle Membran- und Intercellularsubstanzen stattfindet. Dabei entstehen neue Fasern immer nur entweder im Anschluss an die alten, so namentlich die Netze, welche sich an die ersten glatten Fasern bald anschliessen, immer nur durch Aus- wachsen der ersteren, nie durch freie Bildung elastischer Körnchen oder Fasern inmitten homogener Intercellularsubstanz; oder in der unmittelbaren Umgebung des Protoplasmas der persistirenden Zellen, welche fortfahren, ihre formative Thätigkeit in mannigfacher Weise zu äussern. In späterer Zeit der Entwicklung kann der Fall eintreten, dass die Zelle, obgleich sie fortfährt, auf ihrer Oberfläche neue Schichten von Grundsubstanz zu bilden, doch elastisches Gewebe zu produeiren aufhört. In diesem Falle entstehen die der elastischen Elemente entbehrenden hyalinen Schalen um die Zellen. Für die Ernährungsvorgänge im Knorpel überhaupt, speciell für das Wachsthum durch Intussusception auch der elastischen Fasern und Netze sind offenbar die Porencanäle von der höchsten Bedeutung. Meinem hochverehrten Lehrer, dem Herrn Geheimrath Max Schultze, sageich für die eifrige Unterstützung und für das rege Interesse, das er an meinen Untersuchungen genommen hat, meinen herzlichsten Dank. Ueber die Entwicklung und den Bau des elastischen Gewebes ete. 99 Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI. Alle Figuren sind bei derselben Vergrösserung (Zeiss F Ocular III) ge- zeichnet. gehalten. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Figur 7 und 8 sind im Verhältniss zu den übrigen etwas kleiner Schnitt durch den Ohrknorpel eines menschlichen Embryo von 15 Ctm. Länge. Die Zellen in ihrer natürlichen Form gezeichnet. P Gegend des Knorpels in der Nähe des Perichondrium. M Mitte des Knorpels. Stückchen eines Querschnittes durch den Ohrknorpel eines mensch- lichen Embryo von 18 Otm. Länge. A mehrere elastische Fasern, denen hier und da Zellen dicht anliegen. Zum Theil sind die Zellen aus ihren Knorpelhöblen herausgefallen. B mehrere Zellen in einer gemeinsamen Knorpelhöhle einer elastischen Faser dicht anliegend. Querschnitt durch den Ohrknorpel eines menschlichen Embryo von 22 Ctm. Länge. a Zelle, die spindelförmig einer elastischen Faser anliegt. Querschnitt durch den Ohrknorpel eines neugebornen Kaninchens, c seitliche Querfaser. Andere Bezeichnungen wie oben. Querschnitt durch den Öhrknorpel eines Rindsembryo von 32 Ctm. Länge. b seitlich entspringende Fasern, die eine den Haupt- fasern mehr oder minder parallele Richtung einhalten. dZelle von seitlich entspringenden Fäserchen korbartig umschlossen. e elastische Faser in der Nähe des Perichondrium sich umbringend und einer Zelle angeschmiegt endigend. Flächenschnitt durch den Ohrknorpel eines neugebornen Kanin- chens. f die Querschnitte elastischer Fasern. Querschnitt durch den Ohrknorpel eines alten Kaninchens. H die zuerst angelegten, den Knorpel quer durchsetzenden Hauptfasern. h weitmaschiges elastisches Netzwerk. i Knorpelgrube aus der die Zelle herausgefallen ist. m hyaliner Hof um die Zelle. p An- deutung einer Zusammensetzung dieses hyalinen Hofes aus ver- schiedenen Schichten. s Andeutung von Poren in der Wand der Knorpelhöhle. F Fettkugeln. Flächenschnitt durch den Ohrknorpel eines alten Kaninchens. n durch die Messerklinge beim Schneiden hervorgerufene Uneben- heiten auf der Oberfläche des Präparates. Q Querschnitte elasti- scher Fasern Flächenschnitt durch den Ohrknorpel des Pferdes. V elastische Queräste, welche die durchschnittenen Fasern (Q) verbinden. 100 Dr. Osear Hertwig: Ueb. Entw. u. Bau der elast. Gewebe etec. Fig. 10. Elastische Membran, mehrere elastische Fasern verbindend, aus dem Öhrknorpei des Pferdes. . 11. Querschnitt durch den Ohrknorpel des Kalbes. r elastische Fä- serchen einen Korb bildend. t die den Korb bildenden Fäserchen quer durchschnitten. . 12. Querschnitt durch den Öhrknorpel des Rindes. z Scheibe aus elasticher Substanz gebildet. x von den Zellen ausgehende Ka- nälchen. y Kanälchen, die sich an die elastischen Fasern anzu- setzen scheinen. . 13. Querschnitt durch den Ohrknorpel eines neugebornen Kindes. . 14. Querschnitt durch den Öhrknorpel des erwachsenen Menschen. . 15. Querschnitt durch den Ohrknorpel des Schafes. H. Den Knorpel quer durchsetzende elastische Hauptfasern. N. Feinstes elastisches Netzwerk. Die zahlreichen glänzenden Punkte sind Faser-Querschnitte. h. Hyaline Höfe um die Zellen, hie und da mit Andeutung einer Schichtung. P. Andeutung von Porenkanälen. F. Fettkugeln in den Zellen. Die Untersuchungsmethode des Centralnerven- Systems des Menschen. Von Prof. W, Betz in Kieff. I. Härtungsmethode. Um die Präparate bis zu einem gewissen Grade von Festigkeit zu bringen, lege ich sie zuerst in eine Lösung von Jod in Alkohol, dann in eine wässerige Lösung von doppeltehromsaurem Kali. Ich muss bemerken, dass die verschiedenen Theile des Centralnerven- systems, nämlich das Rückenmark, das verlängerte Mark, die Varols- brücke, das kleine Gehirn und das grosse Gehirn, zur Erhärtung verschiedene Zeit und verschiedene Concentration der Lösungen so- wohl des Jod im Alkohol, als auch des doppeltchromsauren Kali und einige mechanische Handgriffe erfordern. Bei der Behandlung des Rückenmarks sammt dem verlängerten Marke und der Varolsbrücke verfahre ich folgendermassen. Nach der Befreiung der oben genannten Theile von der Dura mater hänge ich dieselben in einen hohen Cylinder, in welchem sich schon 75—80 procent. Spiritus befindet, dem durch Jod eine hellbraune Färbung ertheilt wird. Nach Verlauf von 1 bis 3 Tagen wird das Präparat an der Oberfläche härter, dann nimmt man es aus dem Gefässe heraus und präparirt die Pia mater und die Arachnoides ab. Lässt sich die Pia mater an irgend einer Stelle nicht gut abneh- men, so lässt man sie, um der Verletzung des Präparates vorzu- 102 Prof. W. Betz: beugen, auf eine längere Zeit in der Flüssigkeit und präparirt sie erst nach einigen Tagen ab. Am schwersten löst sich die Pia mater am Brusttheil, am leichtesten aber an der Varolsbrücke und am ver- längerten Marke ab. Nach der Absonderung der Hüllen legt man das Präparat in die nämliche Flüssigkeit, die sich in Folge der Anwesenheit des Präparats entfärbt hat, was man der Absorption des Jods durch das Präparat zuschreiben muss. Deswegen muss man von Zeit zu Zeit eine starke Lösung des Jdo im Alkohol tropfenweise hinzufügen, bis keine Absorption desselben durchs Prä- parat stattfindet. In dieser Zeit hat sich das Präparat mit einer gleichmässigen Schicht von Jod durchtränkt, was die Querschnitte des Präparats bestätigen, da sie eine gleichmässige gelbliche Fär- bung darbieten. Eine so vollständige Durchtränkung des Präparats durch Jod ist erforderlich nur für nicht frische Präparate, da die- selben widrigenfalls bei der Behandlung mit Lösung des doppelt- chromsaurem Kali nicht hinreichend hart werden; was aber frische Präparate anbelangt, so braucht bei ihnen die Durchtränkung nicht vollständig zu sein. Ist die Pia mater sorgfältig abgesondert, so erfolgt die Durchtränkung mit Jod höchstens nach 6 Tagen, grössten- theils aber schon früher. Die Absonderung und die Entfernung hat grossen Einfluss nicht nur auf die Durchtränkung mit Jod, son- dern auch auf die gleichmässige Erhärtung des Präparats in der Lösung des doppeltchromsauren Kali. Nach dieser vorläufigen Erhärtung legt man das Präparat, um es vollständig schnittfertig zu machen, in eine 3procentige Lösung von doppeltehromsaurem Kali. Im Spiritus verliert das Präparat einen Theil seines Wassers, wird also leichter und schwimmt des- wegen in der Lösung des doppeltchromsauren Kali. Aus diesem Grunde durchtränkt sich das Präparat nicht gleichmässig und ausser- dem trocknet der nicht in der Lösung befindliche Theil aus. Um diesen Uebelstand zu vermeiden, lässt man an dem Präparate zwei bis drei Nervenwurzeln der Lendenanschwellung und befestigt an denselben mit einem Faden ein Stück Blei. Nach 1 oder 2 Tagen sinkt das Präparat auf den Boden des Gefässes, wobei das dünne Ende des Rückenmarkes sich biegt und in Folge dessen zu allmäh- ligen aufeinander folgenden Querschnitten unbrauchbar wird. Will man nun auch aus dem Conus medullaris Querschnitte machen, so lässt man an dem Präparate auch zwei bis drei Wurzeln des An- fangs der Halsanschwellung und bindet an sie ein Gewicht und setzt Die Untersuchungsmethode des Oentralnervensystems des Menschen, 103 das Präparat umgekehrt im Glase ein. Befindet sich an dem Prä- parate auch die Varolsbrücke, so macht man um dieselbe aus einem Bande eine Schleife und bindet an die letztere ein Gewicht. Die Hals- und Lendenwurzeln kann man an dem Präparate lassen zum Behufe der genaueren Bestimmung der Höhe der Querschnitte, da sie das gleichmässige Durchdringen der Flüssigkeit nicht hindern und die Entfernung derselben keinen wesentlichen Einfluss auf die Erhärtung des Präparats hat. Ganz anders ist es mit den Brust- wurzeln. Werden diese nicht sorgfältig abpräparirt und entfernt, so werden die ihnen entsprechenden Stellen nicht schnittfähig, denn entweder bleibt das Präparat lange weich, oder es wird spröde und zerbröckelt an der Eintrittstelle der Wurzeln. Die Zeit, welche zum Erhärten erforderlich, ist für verschie- dene Theile des Rückenmarks verschieden und hängt von dem Frischsein des Präparats und von der Temperatur der beiden Flüs- sigkeiten ab; sie ist der Dicke des Präparats nicht proportional. Am schnellsten erfolgt die Erhärtung in dem Halstheil, besonders in der Halsanschwellung; am längsten dauert die Erhärtung des Brusttheils; der Conus medullaris erhärtet sich sehr schwer, beson- ders sein dünnster Theil. Die Varolsbrücke und das verlängerte Mark erhärten verhältnissmässig schnell und sehr gleichmässig. Aus ihnen kann man die besten und feinsten Querschnitte machen. Nach dem ersten Einlegen der Präparate in Jodspiritus ist es besser, dieselben an einem kalten Orte stehen zu lassen, aber nicht bei Winterkälte, und erst nach Verlauf von 2 bis 3 Tagen kann man sie bei gewöhnlicher Temperatur aufbewahren. Während der Anwesenheit der Präparate in der 3procentigen Lösung von doppelt- chromsaurem Kali darf die Temperatur nicht so hoch sein, wie sie im Sommer in den Localen zu sein pflegt, da bei hoher Tempera- tur sich das Präparat mit einer braunen schmutzigen Schicht be- deckt, was die Durchtränkung verzögert. Das Erscheinen einer Trübung in der Flüssigkeit und die Bildung eines braunen Nieder- schlags auf dem Präparate, wenn es erst nach längerer Zeit vor sich geht, zeigt eine vollständige Erhärtung desselben an, und man muss dann sogleich dasselbe mit Wasser abwaschen und es in Ya bis Iprocentige Lösung von doppeltchromsaurem Kali legen, denn sonst wird es zu hart und spröde. In einer solchen Lösung kön- nen die Präparate Monate lang aufbewahrt werden, ohne ihre Taug- lichkeit für dünne Schnitte zu verlieren. 104 Prof. W, Betz: Aus dem Kleingehirn kann man nur dann gute Präparate be- kommen, wenn es einer ganz frischen Leiche entnommen ist. Dünne und zarte Schnitte des Kleinhirns habe ich nur aus zwei Exem- plaren an Gehirnen machen können; das eine habe ich einige Stun- den nach dem Tode erhalten, das andere gehörte einem Individuum an, das sich mit Alkohol vergiftet hatte und bis zur Untersuchung im Eis gestanden hatte. Vor dem Eintauchen des Kleinhirns in Jodspiritus muss es sorgfältig von den Gefässen und Hüllen befreit werden, besonders sorgfältig muss die Pia mater vom Wurm und Quadratlappen abgenommen werden, denn sonst wirkt die Lösung schwer. Manchmal lässt sich die Pia mater mit Mühe trennen; in diesem Falle muss man das Präparat in eine schwächere Lösung legen, in der schon andere Präparate waren, und die Haut erst nach einigen Stunden entfernen '). Nach der Entfernung der Haut muss man das Kleinhirn in eine stärkere Jodlösung legen, häufi- ger Jod hinzufügen, weil dasselbe Jod schneller absorbirt, und ausser- dem muss man das Präparat auf eine Baumwollenschicht legen, wobei zu beiden Seiten des Wurms ebenfalls zusammengeballte Baumwolle zu liegen kommen muss. Sind mit dem Kleingehirn auch die Vierhügel, die Varolsbrücke und das verlängerte Mark noch verbunden, so kommen Ballen von Baumwolie in die Rhom- boidalgrube und hinter die Vierhügel zwischen denselben und dem Gentrallappen. Nach Verläuf von 2 bis 5 Tagen nimmt man das Präparat heraus und sondert sorgfältig die Pia mater von der übrigen Masse des Kleinhirns ab, wobei man darauf achten muss, dass die Pia mater wenigstens aus dem Zwischenraume der grossen horizontalen Furche entfernt wird. Weiter muss man beim Herausnehmen des Präparats zur Entfernung der Gefässhaut aus den Räumen zwischen den Lappen und den einzelnen Windungen jedesmal starke Jodlö- sung hinzufügen und den Grad der Festigkeit des Präparats beob- achten. Wenn nach Verlauf von 7 bis 14 Tagen das Präparat mit dem Wurme auf den Zeigefinger gelegt, sich nicht zusammenbiegt, 1) Nach dieser vorläufigen Trennung der Hüllen von den oben genannten Stellen und in dem Falle, dass man genöthigt war, das Präparat in eine schwache Jodspirituslösung zu legen, legt man später das Präparat in eine Lösung von derselben Concentration, welche beim Rückenmarke ge- braucht wird. \ Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 105 so lässt man es noch auf 24 Stunden im Spiritus, welchem, falls die Lösung sich entfärbt hat, einige Tropfen starker Jodlösung hin- zugefügt werden müssen, dann bringt man es in eine 5procentige Lösung von doppeltehromsaurem Kali und lässt es darin, bis es sich erhärtet hat. Mit den Grosshirnhemisphären verfahre ich etwas anders. Das herausgenommene Gehirn zerschneide ich längs dem Corpus callosum in zwei Hälften und lege es in schwachen Spiritus, welchem eine solche Quantität Jod hinzugefügt wird, dass die Lösung eine hellbraune Färbung annimmt. Nach einigen Stunden wird die Ge- fässhaut längs der Sylvi’schen Furche abgenommen, um der Flüssig- keit den Zugang zum Gentrallappen zu erleichtern. Ebenso wird die Haut um den Schweif des Corpus callosum und wenn es angeht, auch das Gefässgeflecht abgenommen. Das Präparat stellt man dann an einen kühlen Ort (im Sommer z. B. in den Eiskeller) und sieht zu, ob die Flüssigkeit sich nicht entfärbt. Sobald man dies bemerkt, muss man Jod hinzufügen. Nach 24 bis 48 Stunden wird das Präparat herausgenommen, um die noch haftende Gefässhaut abzunehmen. Geschieht dies leicht, so thut man dies auf einmal, widrigenfalls entfernt man sie nur in der Richtung der grossen Furchen, und besonders sorgfältig muss die Haut am Haken und dem Centrallappen abgenommen werden. Das Entfernen der Gefässhaut zwischen den Windungen wird mit Hülfe eines scharfspitzigen Messers und einer Pinzette voll- bracht; lässt sie sich aber mit Hülfe dieser Instrumente ohne die Beschädigung eines Theils der grauen Substanz nicht entfernen (wenn z. B. die Haut zwischen den Windungen fest anliegt), so ist es besser, mit einer kleinen krummen Scheere in die Räume zwi- schen den Windungen einzudringen und die Fortsätze der Haut so tief als möglich abzuschneiden. Man muss bemerken, dass beim frischen Gehirne die Gefässhaut sich nicht immer gleich leicht ab- nehmen lässt. Besonders schwer ist das Entfernen der Gefässhaut von der Spitze des Hinterhauptlappens, weshalb man sie dort lassen muss, bis das Präparat sich mehr erhärtet hat. Je jünger das Subject ist, desto schwieriger ist das Entfernen der Gefässhaut vom Gehirne desselben. Nach dem Entfernen der Gefässhaut fügt man zu der Flüssig- keit, in der das Präparat gestanden, noch die Hälfte frischer Jod- spirituslösung hinzu und lässt es darin 24 bis 72 Stunden stehen, 106 Prof. W. Betz: je nach dem Gange der Erhärtung. Den nöthigen Grad der Erhär- tung erkennt man durch Betastung der Zwischenräume zwischen den Windungen mit dem Zeigefinger; ist nämlich die Erhärtung hinreichend, so haben diese Zwischenräume gleichmässige Dichtig- keit, die der Dichtigkeit der Windungen an der Oberfläche gleicht. Um das Eindringen der Flüssigkeit in die Zwischenräume zu er- leichtern, legt man in dieselben zusammengeballte Baumwolle; un- umgänglich nothwendig ist das für die Sylvi’sche Furche und beson- ders zwischen dem „Operculum“ und dem Centrallappen und in der Richtung des absteigenden Hornes. Nach allen diesen Manipulationen bringt man das Präparat in frischen 70procentigen Spiritus, dem Jod hinzugefügt ist, und lässt es darin so lange, bis es eine solche Dichtigkeit bekommt, dass die aus der Flüssigkeit herausgenommene Hemisphäre gleichmässig hart ist und beim Liegen auf 2 Fingern sich nicht verbiegt. Eine solche Härte erreicht das Präparat erst nach 10—14 Tagen, wo es dann in eine 4procentige Lösung von doppeltchromsaurem Kali so lange zu liegen kommt, bis es die nöthige gleichmässige Dichtigkeit erlangt und also reif wird für grosse dünne Schnitte. Es muss be- merkt werden, dass das Auftreten der braunen Färbung der Flüs- sigkeit und die Bildung eines schmutzigen Niederschlags in dersel- ben in den meisten Fällen auf das Eintreten der vollständigen Erhärtung deutet, doch ist dieses Kennzeichen nicht immer richtig. Ist der Niederschlag stark, das Präparat aber noch nicht reif zum Schneiden, so muss man es mit frischem Wasser abspülen und in einer frischen Lösung von doppeltchromsaurem Kali bis zur voll- ständigen Erhärtung liegen lassen. Das Präparat ist reif für die feinen Schnitte, wenn ein Schnitt durch die ganze Dicke der Hirnhemisphäre eine beinahe auf der ganzen Fläche gleichmässige gelbbraune Farbe hat. In dem Rücken- marke und dem verlängerten Marke ist, wenn das Präparat schon fertig ist, die graue Substanz heller als die weisse. Hält man sich an dieses Verfahren, so gelingt das Härten in mehr oder weniger kurzer Zeit, und zwar nicht nur von frischen Gehirnen, sondern auch von solchen, welche schon einige Zeit an der Luft gelegen haben. Mir gelang es immer, ganze Hemisphären zu erhärten, selbst wenn die Gehirne Leichen 3 bis 4 Tagen nach dem Verscheiden entnommen waren. Gewöhnlich bedarf man zur Erhärtung eines Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 107 solchen Gehirns mehr Zeit und concentrirteren Spiritus. Diese Me- thode ist zu allen Jahreszeiten anwendbar; im Sommer z. B. ist für die vorläufige Erhärtung im Jodspiritus die Temperatur des Eis- kellers hinreichend. Ein nach dieser Methode vollständig erhärtetes Gehirn gestattet sehr dünne Querschnitte von grossen Flächendi- mensionen zu machen. Ich besitze Präparate der ganzen Varols- brücke mit den Vierhügeln, die so dünn sind, dass man dieselben selbst mit einem Immersionssystem betrachten kann. In letzter Zeit ist es mir gelungen, Präparate zu machen, die einen Querschnitt der ganzen Hemisphäre darstellen. Aus dem Rückenmark und dem verlängerten Marke, die auf oben beschrie- bene Weise vorbereitet waren, kann man ungewöhnlich dünne Prä- parate bekommen, z. B. '/ı2 bis !/so Millimeter Dicke. Dass die Präparate wirklich so dünn sind, beweist der Um- stand, dass ich aus einem 1 Millimeter langen Stücke des Rücken- marks 12 bis 20 vollständige Querschnitte bekommen habe. "Eine andere Methode der vorläufigen Erhärtung des centralen Nerven- systems, nämlich das Einsenken derselben in eine Mischung von gleichen Volumtheilen von Aether und Chloroform, hat zwar den Vorzug, dass grosse Massen, z. B. das Kleinhirn und das ganze Grosshirn, in dieser Flüssigkeit schwimmen können, und daher von allen Seiten gleichmässiger durchtränkt werden und dann besser und schneller in der Lösung von doppeltchromsaurem Kali hart werden. Da aber diese Mischung kostspieliger ist und dann weiter sehr stark lösend auf das Protoplasma, die zarten Nervenfortsätze der Ganglienzellen einwirkt, so kann sie nicht empfohlen werden. IH. Die Bereitung der Querschnitte. Naeh der erfolgten Erhärtung legt man das Präparat in Wasser, um das doppeltchromsaure Kali zu entfernen, und je nach der Grösse desselben dauert dieses einen bis mehrere Tage. (Es versteht sich von selbst, dass je häufiger das Wasser erneuert wird, desto schneller die Auswaschung vor sich geht.) Vollständige Ent- fernung des doppeltchromsauren Kali ist nur bei dünnen Schnitten möglich; grössere Stücke wäscht man bloss so lange, bis das Kali- salz nicht mehr im Ueberflusse darin enthalten ist, was man da- durch erkennt, dass das erneuerte Wasser erst nach 2 bis 3 108 Prof. W. Betz: Stunden eine kaum merkliche schwach gelbliche Färbung an- nimmt. Sehr wichtig ist bei der Bereitung der Querschnitte die Ein- richtung des schneidenden Instruments; die Hauptsache aber dabei ist die Vermeidung der Reibung beim Führen des Instruments längs der Schnittfläche und die Vermeidung des Anklebens einerseits des Instruments am Präparat, andererseits des abzuschneidenden Quer- schnitts an der oberen Oberfläche des Instruments. Das sind Haupt- momente, die bis jetzt nicht gehörig beachtet waren und von denen die Bereitung grosser und dünner Schnitte sehr wesentlich abhängt. Unkenntniss dieser Hindernisse oder nicht gehörige Beachtung der- selben sind der einzige Grund, dass die Bereitung grosser und dün- ner Querschnitte der individuellen Fähigkeit und Geschicklichkeit zugeschrieben wird. Das von mir vorgeschriebene Verfahren beseitigt sowohl die Reibung, als auch das Ankleben und setzt Jedermann in den Stand, nach einiger Uebung grosse Schnitte und zwar immer in einer und derselben Fläche zu machen. Um dies zu erreichen, gebrauche ich ein Rasirmesser, dessen Klinge so gemacht ist, dass die obere Fläche derselben convex ist, die untere aber concav und zwar so, dass der Radius der unteren Krümmung etwas kleiner ist, als der der obe- ren, wie man es aus der folgenden Abbildung sehen kann, welche einen Querschnitt der ganzen Klinge darstellt. Die Klinge muss 1'/. bis 2mal so lang sein, als sie breit ist, die Dicke derselben darf nicht mehr als '/; der Breite betragen; an dem Heft muss die Klinge angebracht sein. Zum Erzeugen von grossen Querschnitten gebrauche ich grosse Klingen, die nach dem- selben Prineipe construirt sind, nur haben sie eine verhältnissmässig geringere Dicke; sie ist bei ihnen gleich der der kleineren Klingen. Um z. B. Querschnitte aus einer ganzen Hemisphäre machen zu können, habe ich entsprechende Klingen angewandt; sie waren 21 Ctm. lang und 10 Ctm. breit. Diese Form des schneidenden Instruments gestattet mir eine bleibende Schicht Flüssigkeit sowohl über der Schnittfläche, als auch unter dem gemachten Präparate zu haben. Aus diesem Grunde klebt das Messer nicht an der Schnittfläche und vermindert sich Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 109 die Reibung zwischen dem Messer und der abgeschnittenen dünnen Schicht, da dieselbe durch eine Flüssigkeitsschicht vom Messer ge- trennt bleibt. Damit sowohl das Messer als auch die abgeschnittene dünne Fläche immer von einer Wasserschicht bespült sei, muss letzteres im Ueberfluss vorhanden sein. Diesen Zweck erreicht man nicht durch das einmalige Eintauchen des Messers in Wasser, was bei der Bereitung gewöhnlicher mikroskopischer Präparate von kleinen Dimensionen in den meisten Fällen hinreicht; bei grossen Schnitten müssen fortwährend einige Tropfen Wasser auf die Schnitt- fläche fallen, damit bei jeder weiteren Bewegung des Messers das- selbe von Wasser bespült werde. Ich verwende zu diesem Behufe eine gewöhnliche chemische Spritze und lasse mit Hülfe einer Kaut- schukröhre durch Einblasen von Luft in dieselbe die Flüssigkeit je nach Bedarf tropfenweise oder in einem Strahle auf das Messer und das Präparat fliessen. Beim Erzeugen grosser Schnitte ist die Einrichtung der Spritze eine andere: anstatt einer einzigen Aus- flussröhre müssen hier drei sein, man hat also nöthig dazu einen Kolben mit weiterem Halse, in welchen man einen Amal durchbohr- ten Korken einzusetzen hat und in die Löcher drei Röhren, die in einer geraden Linie liegen müssen. Der Gebrauch der Spritze ist bei der Bereitung sowohl der grossen als auch der kleinen Schnitte ein wichtiges Hülfsmitte. Von der Wichtigkeit und Nothwendig- keit, eine permanente Flüssigkeitsschicht zwischen dem Messer, dem Präparate und dem gemachten Schnitte zu haben, wird sich Jeder leicht überzeugen, sobald er Schnitte aus den erhärteten Theilen - des centralen Nervensystems machen wird, da diese Präparate ver- hältnissmässig leicht zerbrechlich sind. Hat man daher keine Flüs- sigkeitsschicht unter der abgeschnittenen Fläche, so wird die Rei- bung so gross, dass die dünnen Schnitte brechen oder eine ungleich dicke Fläche zu Stande kommt. Der einzige Weg, die Lage der Nervenelemente kennen zu ler- nen, ist das Studium aller aufeinander folgenden Querschnitte derselben. Macht man die Schnitte aus freier Hand, wird man, will man nicht etwas vom ganzen Präparate verlieren, dieselben nicht immer parallel bekommen können. Gewöhnlich wird die Schnittfläche allmählich und zwar schon nach 10 Schnitten concav, und deshalb haben dünne Schnitte oft zu grosse Dimensionen und die Elemente haben ihre natürliche Gruppirung verloren. 110 Prof. W. Betz: Um nun den Bestandtheilnn ihre natürliche Gruppirung wieder- zugeben, muss man schon einen Theil der zu untersuchenden Sub- stanz aufopfern und den krummen hervorragenden Theil durch einen ganz horizontalen Schnitt entiernen. Durch diese Operation verliert man die Möglichkeit, die Lage der Nervenelemente in dem abgeschnittenen Stück zu verfolgen, da es uneben und dick ist. Zum Behufe der Beseitigung aller dieser Uebelstände bediene ich mich beim Erzeugen von dünnen Schnitten folgenden Apparates. In eine kupferne oder hölzerne Röhre, cylindrischer Form A A’ und gleichen Kalibers, passt genau eine kupferne oder hölzerne A Scheibe B, die sich in der Röhre auf und ı ab bewegen kann. Diese Scheibe sitzt auf einer Schraube B‘ fest, die genau durch die Mitte des Bodens der Röhre geht. Unmittel- bar unter dem Boden der Röhre sitzt auf dieser Schraube eine Schraubenmutter C. Beim Drehen dieser letzteren nach der einen oder der anderen Seite hebt oder senkt sich die Scheibe B. Durch diese Einrichtung kann also die Scheibe B allmälig auf 1, '/. Linie oder aufirgend einen Bruchtheil der Linie ge- hoben werden. Das Präparat, von welchem man dünne Schnitte zu machen beabsichtigt, wird auf folgende Weise in diesen Apparat gebracht. Ich bereite aus aufgewärmtem Baumöl und gewöhnlichem gelben Wachs eine feste Masse, diesich mit einem scharfen Rasirmesser schneiden lässt (diese Masse ist nach der Vorschrift des Prof. P. J. Pere- meschko bereitet). Sobald die Masse fertig ist, giesse ich einen Theil derselben auf die Scheibe und zwar gerade soviel, dass die auf G der oberen Fläche derselben sich befindenden Zacken eben bedeckt werden. Nach dem Erkalten der Masse im Apparate lasse ich die Scheibe einige Male auf- und abgehen, dann bringe ich dieselbe in eine solche Lage, dass in den Zwi- schenraum zwischen der oberen Fläche derselben und den freien Rändern des Cylinders das zu schneidende Präparat sich ganz be- quem bringen lässt. Vor dem Hineinstellen des Präparats wird es Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 111 auf eine Viertelstunde in Spiritus gelegt und gleich darauf in die geschmolzene kaum warme Masse eingetaucht und herausgenommen. Nach dem Erkalten der dünnen Schicht der Masse auf der Ober- fläche des Präparats wird dasselbe wiederum in dieselbe hineinge- taucht und sogleich herausgenommen. Dieses Eintauchen wiederholt man so lange, bis sich um das Präparat herum eine gleichmässige 3 Linien dicke Schicht bildet. Das auf diese Weise vorbereitete Präparat wird in eine solche Lage, die für die Schnitte die geeig- netste ist, auf die Scheibe gestellt, die Zwischenräume aber zwischen dem Präparat und den inneren Wänden des Cylinders mit geschmol- zener Masse bis an die Ränder gefüllt. Bei der Bereitung der Schnitte mit Hülfe dieses Apparats kommt die Klinge des Rasirmessers auf die Ränder zu liegen, man steckt sie in die feste Masse ein und bekommt, dieselbe wie eine Säge gleichmässig bewegend, die oberste Schicht. Darauf hebt man mit Hülfe der Schraubenmutter © das Präparat auf eine bestimmte Höhe und macht den folgenden Schnitt u. s. w. Da das Wasser die fette Masse nicht befeuchtet, so muss hier die Spritze mit Spi- ritus gefüllt sein, um die oben beschriebenen Vortheile, welche das Vorhandensein einer Flüssigkeitsschicht zu beiden Seiten des schnei- denden Instruments gewährt, geniessen zu können. Der beschriebene Apparat gewährt noch ausserdem den Vor- theil, dass man die Arbeit nach Belieben unterbrechen und auf eine unbestimmte Zeit verschieben kann; dazu braucht man blos die Scheibe mit dem Präparate zu senken und die Oberfläche derselben mit der Masse zu verkleben, die von den schon gemachten Schnit- ten abgenommen wird. Ich habe z. B. ein auf diese Weise ver- wahrtes Präparat 4 Monate lang gehabt und konnte daraus nach Belieben Schnitte machen. Weiter eignet sich dieser Apparat für bequeme und gefahrlose Versendung der Präparate auf weite Strecken zum Behufe der gemeinsamen Untersuchungen und des Durch- sehens derselben. Der Zweite kann sich dann auch überzeugen, an welcher Stelle geschnitten wurde. 3. Das Färben der Präparate. Jedes geschnittene Präparat kommt direct von der Klinge in ein reines Gefäss mit frischem Wasser; um sie aber nicht zu ver- 112 Prof, W. Betz: wechseln, ist es besser, dieselben gesondert in einzelnen Gläsern auf- zusammeln. Um die obere und untere Fläche des Präparats unter- scheiden zu können, mache ich vor den Querschnitten am Gesammt- präparate mit dem Messer eine Marke, wodurch das Rechts und Links unterschieden wird. Im Wasser lasse ich die Präparate 24 bis 72 Stunden, je nach dem Grade der Erhärtung derselben. Dieses Wasser muss beson- ders, wenn man während des Sommers arbeitet, häufig erneuert und in jedes Gläschen ein Stückchen Kampher hineingelegt werden, wie es von Max Schultze vorgeschlagen, um dem Aufkommen der Infusorien vorzubeugen. Aus dem Wasser bringe ich die Prä- parate in eine Carminlösung. Verschiedene Färbemittel, die in letz- terer Zeit zum Färben mikroskopischer Präparate vorgeschlagen wurden, z. B. Indigo, Anilinfarben, Lösungen verschiedener färben- der Substanzen vegetabilischen Ursprungs, sind nicht anwendbar zur Färbung der Präparate vom centralen Nervensystem. Einige von ihnen werden zu wenig absorbirt, andere wiederum werden ausge- waschen beim Entwässern der gefärbten Präparate. Das beste und vielleicht das einzige Färbemittel für diese Präparate bleibt das von Gerlach vorgeschlagene Carmin, oder wie es Andere nennen, karminsaures Ammoniak. Ich glaube die Ansicht von Deiters bestätigen zu können, dass nämlich, wenn überhaupt das Fär- ben der Nervenpräparate nothwendig ist, der Gebrauch des Garmin zu diesem Zwecke nichts zu wünschen übrig lässt. Dass das Car- min bei der Absorbtion auf die verschiedenen Nervenelemente ver- schieden wirkt, beweist der Umstand, dass verschiedene Nervenzellen verschieden gefärbt erscheinen, wie es Hr. Mautner gefunden. Hr. Deiters, der dieses nicht zugeben will, gesteht jedoch, dass einige Gruppen der Nervenzellen das Carmin mehr, andere weniger absorbiren. Ich kann diesen Umstand nicht nur bestätigen, sondern muss noch hinzufügen, dass es Gruppen von Nervenzellen gibt, die nur ein bestimmtes Quantum von Carmin absorbiren, denn man mag Carminlösungen von verschiedenem Concentrationsgrade an- wenden und dieselben auf die Präparate so lange man will einwir- ken lassen, diese Nervenzellen gehen keine weitere Veränderung ein. Aus diesem Grunde muss man das Färben der Präparate mit Car- min für ein wichtiges Hülfsmittel beim Studium des centralen Ner- vensystems halten. Die Carminlösung bereite ich auf folgende Weise. Das gewöhnliche Carmin, wie es im Handel zu haben ist, wird mit x Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 113 einem Quantum Wasser in einem Mörser so lange gerieben, bis sich eine dicke, syrupartige Masse bildet; auf diese zähe Flüssigkeit giesst man unter stetem Rühren Ammoniaklösung. Die so erhaltene Carminammoniaklösung verdünne ich mit einem grossen Quantum Wasser und filtrire, um die dem besten Carmin beigemengten Sub- stanzen, z. B. Glaspulver, zu beseitigen. Diese filtrirte Lösung lasse ich in einem unverkorkten Gefässe an der Sonne (das Gefäss muss aus grünem Glase sein) stehen, bis ein schmutzig-rother, flockiger Niederschlag erscheint, und filtrire abermals durch ein frisches Filtrirpapier. Das Filtrat lasse ich wiederum bei denselben Bedingungen stehen und filtrire es abermals von dem erschienenen Niederschlage ab. In den meisten Fällen bildet sich ein dritter Niederschlag nicht; sollte sich aber ein sol- cher bilden, so muss man wieder filtriren und das Filtrat von nun an in einem verschlossenen Gefässe aufbewahren. Die so bereitete Lösung lässt sich Monate lang, ja sogar ein ganzes Jahr aufbewah- ren, ohne sich weiter zu verändern. Sie färbt sehr schnell alle mikroskopischen Präparate, besonders charakteristisch aber die des centralen Nervensystems. Eine halbe, höchstens eine Stunde ist hinreichend, um Präparaten von beliebig grossen Dimensionen die vollständigste und intensivste Färbung zu ertheilen. Sind aber die Schnitte sehr dünn und sind sie gut mit Wasser durchtränkt, so erscheint die vollständigste Färbung nach 10 bis 15 Minuten, und von da an absorbiren die Präparate gewöhnlich nur noch höchst langsam die färbende Substanz. Zuerst färbt diese Carminlösung die graue Substanz und zwar deren körnige Masse, dann die verschiedenen Gruppen der Ner- venzellen, Epitelium, und dann die übrigen Bestandtheile. Mit einer verdünnteren Carminlösung kann man nach Belieben einige Theile gefärbt, andere aber nicht gefärbt erhalten, wodurch man im Stande ist, hübsche und lehrreiche Präparate über der Gruppirung der grauen Substanz zu bekommen, die bei den Vorlesungen sowohl dem unbewaffneten Auge, als auch unter dem Mikroskope gezeigt werden können. Bei der Bereitung der Carminlösung, besonders während des Sommers, kommt es manchmal vor, dass sie sich mit einer weissen flockigen Hülle bedeckt und einen üblen Geruch ver- breitet. Dieser Umstand schadet aber nicht allein nicht der Berei- tung der Lösung, sondern im Gegentheil beschleunigt dieselbe. Nach dem Abfiltriren des ersten Niederschlags braucht man auf diesen M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 8 114 Prof. W. Betz: üblen Geruch nicht zu achten; er verschwindet nach einiger Zeit und die fertige Carminlösung hat keine Spuren von demselben Der oben beschriebene flockige Niederschlag, der bei der Bereitung der Carminlösung entsteht, behält nach dem Auswaschen mit destil- lirttem Wasser noch einen Theil der färbenden Substanz. Die Eigen- schaften derselben sind folgende: Aetzkalilösung löst einen Theil derselben. Diese Kalilösung ist tiefroth (wie Himmbeeren); mit Essigsäure gibt er einen flockigen Niederschlag, der in concentrirter Essigsäure löslich ist. Gelbes Blutlaugensalz (Kali ferro-cyanicum) erzeugt in der letzteren Lösung einen Niederschlag, aber das rothe Blutlaugensalz, „Oyatetum ferrico-kaliecum“, erzeugt keinen Nieder- schlag. Der aus Kalilösung mit Essigsäure gefällte Niederschlag ist frei von der färbenden Substanz und erscheint nach mehrmali- gem Auswaschen mit destillirtem Wasser ganz farblos. Gibt man zur Lösung im Aetzkali etwas Zucker und darauf Schwefelsäure, so erscheint auf der Berührungsfläche dieser Substanzen eine schwach- violette Färbung, die schnell verschwindet. Beim Kochen der Kali- lösung mit salpetersaurem Quecksilberoxyd erscheint, nachdem ein Theil der Flüssigkeit verdampft ist, eine violette Färbung. Der aus Kalilösung mit Essigsäure gefällte Niederschlag löst sich beim Kochen mit concentrirter Salzsäure, ohne jegliche Färbung. Der in Aetzkali unlösliche Theil des Niederschlags wird auch von concentrirter Essigsäure nicht gelöst. Mit Zucker und Schwefel- säure tritt keine violette Färbung auf. Beim Kochen mit Salzsäure wird er nur theilweise gelöst und die Lösung bleibt ungefärbt. Bei Behandlung derselben mit Kupfervitriol nimmt er eine ziegel- rothe Färbung an. Er löst sich in Ammoniaklösung; Jodlösung färbt ihn gelb. Diese Reactionen zeigen nun 1. dass die Lösung des Handelscar- min in Ammoniak zwei verschiedene albuminartige Körper enthält, die unter dem Einflusse des Lichts und der Wärme sich theils zersetzen, theils aus der Lösung ausscheiden; 2. dass die färbenden Eigenschaften des Carmin besonders in Bezug auf ani- malische Gewebe vom Vorhanden- oder Nichtvorhandensein der kleinsten Spuren von freiem Ammoniak abhängen; 3. dass die Bildung der kleinen Körnchen in einer filtrirten Carminlösung, die immer plötzlich auftritt und der Deutlichkeit der histolo- gischen Präparate schadet, wie es bereits von Vielen bemerkt Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 115 wurde, durch eine Scheidung der albuminartigen Körper aus der Lösung, nicht aber des Thonerdehydrats, wie es fälschlich von Einigen angenommen wurde, erklärt werden kann. Das Verhalten der Niederschläge zu verschiedenen Reagentien zeigt, dass der in Kali lösliche Theil des Niederschlags dem »Paral- bumin“, der andere dagegen dem „Ichtydin“ entspricht. 4. Das Zukleben der Präparate. Die gefärbten Präparate werden nach gehörigem Liegen im Wasser in Spiritus gelegt, dessen Concentrationsgrad sich allmählig steigert. Zum letzteren Zwecke habe ich eine Reihe von Gläsern, welche gewöhnlichen Spiritus enthalten. Jedes Präparat kommt zuerst in das erste Gläschen, dann in das zweite, dritte u. s. w. Während also das erste Präparat z. B. im zehnten Gläschen ist, ist das zweite im neunten, das zehnte im ersten. Nach dem Durch- wandern einer Reihe von 10 Gläschen mit Spiritus kommt das Prä- parat in absoluten Alkohol, wo es schon ganz entwässert wird und nun geklärt werden kann. Die Behandlung der Präparate mit Spiritus, dessen Concentra- tionsgrad erst allmählich sich vergrössert, hat folgende Vorzüge: 1. die Zeitdauer der vollständigen Entwässerung des Präparats wird dadurch genau bestimmt und ist verhältnissmässig kürzer, als ohne diese Massregel; 2. da das Präparat sein Wasser erst allmählich verliert, so zieht es sich gleichmässiger zusammen und wird nie so spröde wie das, welches aus dem Wasser gleich nur in eine Portion Spiritus und dann sogleich in absoluten Alkohol kommt. Beson- ders spröde wird das Präparat, wenn es zu lange in absolutem Al- kohol bleibt; da aber die Zeitdauer der Entwässerung schwer zu bestimmen ist, so kommt das Präparat aus dem absoluten Alkohol zu hart heraus. | Zum Klären der Präparate eignet sich am besten das nicht zu dickflüssige, etwas verharzte Terpentinöl, welches selbst dem „Oleum caryophyllorum“, das am meisten zu diesem Zwecke angewandt wird, vorzuziehen ist. Für die Vorzüglichkeit des verharzien Ter- pentinöls bürgt der Umstand, dass die durch dasselbe geklärten 116 Prof. W. Betz: dünnen Präparate bedeutend weicher und biegsamer sind, als die mit anderen klärenden Mitteln behandelten. Für das Einschliessen der Präparate, um sie für ewig aufbe- wahren zu können, eignet sich am besten die Lösung des Damar- harzes in Terpentin, die im Handel unter dem Namen Damarlack bekannt ist. Präparate, die von dieser Lösung eingeschlossen sind, haben alle Eigenschaften von denen, die mit Terpentin geklärt sind. Ich muss noch hinzufügen, dass der Theil der Lösung, welcher über die Ränder des Deckglases läuft und so der Luft den Zutritt ver- sperrt, schneller austrocknet, als dies beim canadischen Balsam oder Mastixlacke der Fall ist. Um der schnelleren Austrocknung der Lackschicht um das Deckglas herum willen und um das Ver- schieben des Glases und mit ihm des Präparats zu verhüten, be- streiche ich die Ränder des Glases, nach dem Rathe des Hrn. Prof. P. P. Alexeeff, mit einer dicken Schichte der Lösung des Schel- lack im Spiritus, die durch die blaue Anilinfarbe gefärbt ist. Das schnelle Austrocknen der Schellacklösung setzt mich in den Stand, sehr bald nach dieser Operation an die Untersuchung des Präparats zu schreiten. 5. Der Polarisations-Apparat. Die Untersuchung der Gewebe im polarisirten Licht, um ihren Elementarbau kennen zu lernen, ist mit vielen Schwierigkeiten verbunden, und hat, soviel ich weiss, noch keine Anwendung bei der anatomischen Analyse des Centralnervensystems gefunden. Da die Nerven des Gehirns im polarisirten Lichte in den verschiedenen Farben des Farbenspectrums gefärbt erscheinen, daher von den nicht dem Gehirne angehörigen Nerven und anderen Geweben des centralen Nervensystems unterschieden werden können, so benutzte ich das polarisirte Licht, um den Gang und die Gruppirung dersel- ben zu verfolgen. Zu diesem Zwecke eignet sich am besten ein dünnes Gypstäfelchen, das beim Kreuzen der Nikol’schen Prismen ein carminrothes Feld gibt, bei der parallelen Lage derselben aber ein grünes. Die Gypsscheibe wird mit Papierstreifen auf einem Deckel von Pappe befestigt; dieser Deckel wird auf den Tisch ge- legt und hat eine Oeffnung, die der Oeffnung in dem Tische ent- Die Untersuchungsmethode des Centralnervensystems des Menschen. 117 spricht. Der Deckel kann also herabgenommen und wieder aufge- setzt werden, ohne dass die frühere Lage der Gypsscheibe geän- dert wird. Der Polarisationsapparat erweist einen grossen Dienst besonders beim Verfolgen der Fasern im grossen Gehirne, die von Carminlö- sung nicht gefärbt werden können und daher auf grossen Schnitten unter dem Mikroskop schwer zu erkennen sind. Nachträgliche Bemerkungen zur Kenntniss der Vibrioniden. Von Oscar Grimm in St. Petersburg. Im Bd. 8 dieses Archivs, pp. 514 bis 530, habe ich die Resul- tate meiner Untersuchungen der Vibrioniden mitgetheilt, und nachdem ich meine Studien auf diesem Gebiet fortgesetzt habe, und zwar nicht ohne Erfolg, so erlaube ich mir einen Nachtrag hier zu liefern, der zur wahren Erkenntniss dieser höchst interessanten Ge- schöpfe beizutragen hat. In dem oben bezeichneten Artikel theilte ich mit, dass die Vi- brioniden die athmosphärische Luft als Nahrung verbrauchen und derselben durchaus nicht entbehren können, setzte abernoch hinzu, dass es meiner Ansicht nach nothwendig ist genauere Experimente anzustellen, um die Frage über die Ernährung der Vibrioniden zu lösen !). Späterhin habe ich aber vielfach eine Thatsache beobachtet, die keinen Zweifel zulässt, dass die Vibrioniden nicht nur Gase auf- nehmen, sondern auch flüssige Körper, indem sie dasselbe, aller Wahr- scheinlichkeit nach, auf endosmotischem Wege bewerkstelligen, da sie gar keine speciellen Organe zur Nahrungsaufnahme bis jetzt ge- zeigt haben. Indem ich einen Tropfen Schlamm mit dem Mikroskop unter- suchte, welcher Vibrioniden und verschiedene andere Organismen, so auch eine Algenart mit ihren Sporen enthielt, bemerkte ich, dass die Vibrionen sich um die einzelnen Sporen ansammelten und, indem 1) 1. c. p. 524. Oscar Grimm: Nachträgl. Bemerkungen zur Kenntniss der Vibrioniden. 119 sie sich an dieselben mit ihrem einen Körperende anlegten, sich strahlenartig rings herum anreihten, wobei die meisten noch ihre zitternden Bewegungen vollstreckten; es schien mir zuerst, als ob die Vibrionen in die Sporen eindringen wollten und dies veranlasste mich nämlich zur längeren Beobachtung, die mich aber zu der Ueber- zeugung geführt hat, dass dies nicht stattfindet, sondern dass die Vibrionen, eine längere Zeit in der beschriebenen Lage verweilend, eine gleichmässig grünliche Färbung annehmen, was mich denn auch vollkommen überzeugt hat, dass hier nur ein Ernährungs- prozess stattfindet, um so mehr, da die Sporen selbst zuletzt ver- ändert, angegriffen aussahen, indem ihr Inhalt stark vermindert wurde- Aber noch mehr wurde ich in der Richtigkeit meiner Beobachtung und des aus ihr gezogenen Schlusses überzeugt, als ich einige Tage einen röthlichen Anflug bei den Vibrionen erkannte, deren ich eine Masse in einer todten Mückenlarve vorfand, die ebenfalls röthlich gefärbt war). Endlich, während meiner Untersuchung der Sycuvia Uvella Ehrb.?), scheiterten alle meine Hoffnungen eine Kolonie dieses Protisten aus einer Cyste zu erhalten namentlich dadurch, dass während der langen Periode der Entwicklung und der Ruhe der Cysten auf dem Objectglase sich eine Menge Vibrionen einfanden, die die Cysten angriffen und verzehrten, so dass ich immer nur Ueberbleibsel derselben erhielt. Dabei blieben die Vibrionen farb- los, da ihre Nahrung ebenfalls ungefärbt war. Ganz das Nämliche habe ich auch bei den Spirillen beobachtet. Hinsichtlich der Bewegungen der Vibrioniden habe ich noch zu dem in meinem Artikel Gesagten hinzuzusetzen, dass bei den Spi- rillen manchmal ein Geradstrecken des einen oder des andern Endes zu beobachten ist; — indem eine Spirille auf eine kurze Zeit stehen bleibt, biegt sie das eine oder das andere Ende ihres Körpers gerad- linig, streckt es in die Länge, und dies wird von ihr manchmal zwei oder drei Mal hintereinander vollzogen, ehe sie wieder fortrollt. Da ich aber mehrmals Gelegenheit gehabt habe zu beob- achten, wie Oscillarien sich plötzlich in eine mehr oder weniger langstreckige Spirale einwinden, und auch sonst überzeugt bin 1) Dies ist ihre natürliche Farbe, die sie auch während des Lebens besitzt. 2) Hier merke ich an, dass dieses höchst merkwürdige Geschöpf neuerdings von mir so ziemlich vollständig untersucht worden ist, wobei ich sehr interes- sante Thatsachen hinsichtlich seiner Entwicklung zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. 120 Oscar Grimm: von der nahen Verwandschaft der Vibrioniden mit den Oseillarien, was ich späterhin näher anzudeuten habe, vermuthe ich dass die Spi- rillen ursprünglich eine geradstreckige Form besitzen, und sich erst später spiralig einwinden; leider ist dies aber nur eine apriori- stische Vermuthung, die ich thatsächlich nicht begründen kann. Bei der Beschreibung des Copulationsprozesses der Vibrioniden, welchen ich späterhin wieder öfters beobachtet habe, merkte ich an, dass es mir nie gelungen ist, die Theilung dieser Organismen zu be- obachten !), so dass ich genöthigt war anzunehmen, dass diese ihnen ganz abgeht. Dessen ungeachtet aber beschrieb ich dort den von mir be- obachteten Theilungsprozess bei einem den Vibrionen sehr nahe ste- henden Wesen, welches augenscheinlich eine Uebergangsform zu den Phycochromaceen darstellt. Jetzt bin ich aber genöthigt von meiner damaligen Ansicht mich loszusagen, da ich späterhin mehrmals die Gelegenheit hatte den Theilungsprozess factisch zu beobachten wie bei den Vibrionen, so auch bei den Spirillen. Nachdem ein Vibrio eine gewisse Grösse oder vielmehr Länge er- reicht hat, zieht sich sein Inhalt ein wenig in der Richtung zu den Centren der zwei Hälften des gesammten Körpers zusammen, wobei man inder Mitte des Stäbchens, also auf der Grenze der Hälften einen quer zur Längsaxe gelegenen Streifen gewahr wird, der etwas später als eine eingeschnürte Theilungsstelle erkannt wird. Es schien als ob der Inhalt an dieser Stelle sich getheilt oder ent- fernt habe, und in der äusseren Schicht eine Einschnürung ent- standen wäre. Gemäss der Ausbildung dieser Einschnürung bog sich der Vibrio, indem er fortfuhr sich zu bewegen, immer mehr in seiner Mitte, d. h. in der Theilungsebene, bis er schliesslich zerbrach ; — so geschah denn die Theilung, nach der die beiden Sprösslinge ihre Bewegungen und ihr Leben unabhängig von einander begannen. Den eben beschriebenen Theilungsprozess habe ich mehrmals bei verschiedenen Vibrionen beobachtet und kann denselben nicht als die von mir früher beschriebene Theilung der zuvor copulirten Individuen anerkennen, da hier der sich theilende Vibrio unter meinen Augen gewachsen war und ursprünglich gar keine Grenzlinie in der später zu beobachtenden Theilungsebene zeigte. Ausserdem habe ich noch bei den Spirillen die Theilung beobachtet; was noch mehr dazu beigetragen hat, dass ich das Vorhandensein dieses Prozesses bei 1)1. c. pp. 522 et 525. Nachträgliche Bemerkungen zur Kenntniss der Vibrioniden. 121 den Vibrioniden anerkennen musste. — An einer langen Spirille war ursprünglich gar keine Theilung in Glieder zu sehen, die bestand aus einer gleichmässigen Masse und bildete eine dreiwindige Spirale, die vielleicht durch Verwachsung dreier einwindiger Spirillen hervor- gegangen war; nachdem concentrirte sich ihr Inhalt um viele un- weit von einander gelegene Punkte, und dann erschienen hellere Quer- striche, die die ganze Spirille in 17 gleich grosse Stäbchen theilten, die eine längliche Form besassen, da ihre Länge die Dicke der Spirilleund also auch die ihrige um das Doppelte überwog. Die so entstandene Kette junger Individuen, die noch eine gemeinschaftliche dreiwindige Spirale bildeten, zerfiel nach einer kurzen Zeit in ihre 17 Glieder, die sich nun alle selbstständig bewegend nach allen Seiten fortliefen. Ob sie sich nachher verlängern, und dabei in der Richtung einer Spirale oder erst geradlinig, um erst später sich einzuwinden, vermag ich nicht zu entscheiden, da es mir nicht ge- lang dieselben nach ihrer Theilung fortzubeobachten. Endlich muss ich noch Einiges über die Bildung der Vibrionen- klumpen oder -Häufchen mittheilen. Die Form und Grösse dieser Klumpen ist sehr verschieden ; — sie sind bald rund, bald oval, meist aber unregelmässig und höcke- rig. Sie bestehen aus einer gallertigen Substanz, in der die Vibrio- niden unregelmässig da liegen, und zwar die Vibrionen in den einen, und die Spirillen in den andern, obgleich es sich manchmal auch trifft, dass die Einen sich unter die Andern in einer geringen Zahl einmischen. Die Bildung dieser Klumpen verfolgend, überzeugt man sich sehr leicht, dass die gallertige Masse nicht von aussen her- stammt, dass sie nicht etwa ein Ueberbleibsel eines fremden, von den Vibrioniden verschiedenen Körpers ist, sondern von den Vibrioniden selbst gebildet wird, indem sie an Masse zunimmt mit der Ver- srösserung der Zahl der Vibrioniden, die sich zugesellen, und gemäss dem Alter der Vibrionidengruppe; es ist also eine Substanz, von den Vibrioniden ausgeschieden, die eine Menge von ihnen mit ein- ander zu einer Kolonie verbindet und sie vor äusseren Einflüssen bewahrt, in der sie vielleicht eine gewisse physiologische Function vollbringen; augenscheinlich ist diese Koloniebildung der Vibrioniden analog der uns bei Oscillarien und Nostochaceen schon bekannten. Nachdem ich nun meine neuesten Beobachtungen an den Vibrio- niden mitgetheilt habe, fühle ich mich genöthigt einen Blick auf die systematische Stellung dieser Geschöpfe zu werfen. 122 Oscar Grimm: Nachträgl. Bemerkungen zur Kenntniss der Vibrioniden. Ich habe mich schon früher in dem Sinne geäussert, dass die Vibrioniden eine eigene Gruppe im Protistenreich bilden, habe aber nicht näher ihre Stelle unter den andern Protistengruppen bezeichnet. Jetzt denke ich aber nicht zu irren die Gruppe der Vibrioniden neben die Phycochromaceen im System zu stellen!). Dies wird durch ihre Aehnlichkeit wie in der Structur, so auch der Vermehrung nur (?) durch einfache Quertheilung, der Bewegungen und endlich der Kolonie- bildung mittelst Ausscheidung einer gallertigen Masse gerechtfertigt. Ausserdem aber erscheinen einige Oscillarien, indem sie stark vari- iren, den Vibrioniden so ähnlich, dass es schwer wird, sie von diesen zu unterscheiden; mit einem Wort, auch hier existiren Uebergangs- formen, zu denen wohl auch die von mir im ersten Artikel pp. 521 und 526 beschriebene Art gehört. Indem ich aber die Aehnlichkeit dieser Organismen bezeichne, bin ich weit davon entfernt sie zu identifi- eiren,da doch die Vibrioniden so manche Eigenthümlichkeiten haben, und denke, dass fernere Untersuchungen, wie dieser so auch der andern Organismen, uns über die weiteren, wenn auch nicht scharfen Grenzen zu belehren haben. Indem ich also die Angaben von Cohn bestätige und vollkommen mit ihm übereinstimme, dass die Phycochromaceen wohl die ersten Organismen auf der Erde gewesen seien, da nur sie „in heissen, mit Salzen stark gesättigten Lösungen gedeihen?)“, denke ich, dass diese Organismengruppe, deren Glieder wie als Pflanzen, so auch als Thiere betrachtet werden können, in zwei Aeste sich theilt, von denen die Ausbildung der thierischen und pflanzlichen Charaktere beginnt. 1) S. E. Haeckel, Monographie der Moneren. p. 61. 2) Beiträge zur Physiologie der Phycochromaceen und Florideen v. Dr. Ferd. Cohn in diesem Archiv Bd. III. Eine Einbettungsmethode. Von Dr. W. Flemming, Prosector in Prag. Um sehr zarte Objecte, z. B. Hühnerembryonen, unentwässert einzubetten und nach dem Schneiden feucht einzuschliessen, habe ich mich mit ausgezeichnetem Erfolg der gebräuchlichen Trans- parentseife bedient. Das leicht zu handhabende Mittel bietet zu- gleich einige so wesentliche Vorzüge gegenüber den bisher bekannt gemachten, für den gleichen Zweck berechneten Einbettungsmethoden, dass seine Empfehlung und eine Beschreibung seiner Technik an diesem Orte motivirt scheint. Die Transparentseife, wie sie in gelben, eleganten Formstücken im Handel vorkommt, ist wegen eines wechselnden Glyceringehaltes meistens zu weich für den vorliegenden Zweck und man thut besser noch rohe, glycerinlose Stücke zu verwenden. Die auch diesen an- haftende gelbe Farbe rührt von Safranzusatz und kann auf besondere Bestellung vermieden werden, schadet jedoch nicht !). Diese Seife löst sich mit Y/a—!/s ihres Volums Spiritus Vini (nicht Alkohol ab- solutus) in der Wärme zu einer klargelben Flüssigkeit auf. Zu grösserer Bequemlichkeit kann man diese in Vorrath darstellen, fil- 1) Die Anfertigungstechnik der Transparentseife konnte ich von meinem Lieferanten nicht erfahren, da sie als Fabrikgeheimniss bewahrt wird. Eigne Versuche, eine möglichst neutrale (s. u.) Transparentseife aus Sapo medicatus u. a. herzustellen, ergaben zwar schöne durchsichtige Massen, aber bis jetzt keine brauchbare Consistenzgrade. — Die rohe Seife dürfte allenthalben zu bekommen sein; meinen Bedarf habe ich von Hrn. Parfumeur Tessen, Lange- strasse Rostock, bezogen. 124 Dr. W. Flemming: triren — da die käufliche Seife nicht frei von Unreinigkeiten ist — und in verschlossenem Gefäss aufbewahren; sie gerinnt, löst sich aber beim Erwärmen rasch wieder. Man giesst die Flüssigkeit in irgend eine Form — ich benutzte längliche Blechkästchen, die am einen Ende geöffnet werden können — und weist dem Object seine Lage darin an. Nach einer Viertelstunde ist die Masse erstarrt, man schiebt oder schneidet die Paste mit dem Object heraus und legt sie zum völligen Trocknen hin, was je nach ihrer Dicke und ihrem Flüssigkeitsgehalt 1—2 Tage verlangt. Hiebei zieht sie sich und natürlich auch das Object mit entsprechend zusammen, oft bis auf mehr als die Hälfte ihres früheren Volums, doch dehnt sich der Schnitt nach dem Auswaschen wieder auf seinen früheren Umfang aus. Dies geschieht auch noch, nachdem man die Pasten wochen- lang hat liegen lassen. Für die Anfertigung von Schnittpräparaten bietet das Verfahren nun folgende Vorzüge: In derklaren Seifenpasteübersieht man dasObject vollständig und kann also nach Belieben die Schnittrichtung wechseln lassen; oder, wenn man mit Maschinen arbeitet, durch Be- schneiden der Paste oder Anschmelzung anderer Stücke mit grosser Bequemlichkeit und Sicherheit die Lagerung des Objects beherrschen. Aehnliches leistet keine der sonst gebräuchlichen Einbettungsmethoden. Das Letztere, welches direct aus dem Alkohol, in dem es ge- härtet war, eingebracht werden kann, durchtränkt sich selbst mit der Seife, so lange dieselbe noch flüssig ist, und erlangt dadurch nachher eine Festigkeit und Schneidbarkeit, wie sie mir an entwässerten (Nelkenöl-, Terpentin-) Präparaten nur in Glücksfällen. vorgekommen ist. Es sind dadurch leicht so feine Schnitte erreich- bar, wie sie überhaupt gewünscht werden können. Die weitere Behandlung ist mühelos und wenig zeitraubend. Die Schnitte, die man mit trockenem Messer fertigt, werden aufs Öbjectglas gelegt, und mit einem Tropfen Aq. destill. benetzt, oder wenn sehr fein, schon mit solchem vom Messer abgeschwemmt. Binnen weniger Secunden, — die man mit neuen Schnitten ausfüllen kann, — hat sich die Seife gelöst, man befreit das Object von den Resten durch Nachspülen mit einigen neuen Wassertropfen — auch die feinsten Schnitte haben eine solche Zähigkeit erhalten, dass man sie dabei sehr ungenirt mit der Nadel herumziehen kann — und deckt mit Glycerin ein. Ist die Wasserabspülung zu oberflächlich Eine Einbettungsmethode. 125 gewesen, so schiessen später im Präparat leicht kleine Krystalle an, die übrigens wenig stören. Die Gewebsbestandtheile zeigen sich in ihren Formen völlig unverändert. Eine irgend erhebliche Schrumpfung der Präparate durch das Einbetten ist mir niemals eingetreten, und dies ein Hauptgrund, weshalb ich das Mittel gegenüber den bisher gebräuchlichen und be- währten Methoden zu empfehlen unternehme. Sowohl von entwäs- serten Paraffin- und Wachs-Oel-Präparaten, wie von solchen, die in Glycerinleim oder Gummi arabicum eingebettet und nachträglich gehärtet wurden, habe ich wie Andere tadellose Präparate bekommen, immer aber sind mir dabei auch einige durch Schrumpfung verdorben oder verschlechtert worden. Die Methode der Einlagerung in thie- rische Gewebe, Hirn, Leber oder Milz, hat sich mir für Embryonen ebenfalls nicht als sicher bewährt, denn oft erhärtet das Einschluss- material in anderem Grade wie das Object, so dass Letzteres nicht fest liegt, und die Höhlen eines Keimes sind auf diesem Wege über- haupt nicht zu füllen. Mit der Seifenmethode ist man jedenfalls sicher, kein Object zu verlieren. Am Bequemsten eignen sich für dieselbe Osmiumpräparate, die in Spiritus nachgehärtet sind. Für Objecte, welche vor der Ein- bettung mit Carminammoniak gefärbt wurden, besteht der Nachtheil dass die alkalische Seife beim Wasserzusatz einen Theil des Car- min’s auslaugt, so dass die Schnitte erheblich abblassen. Weit besser und genügend haftet die Farbe nach Pikrocarmin-Tinction !). Will man sehr intensiv gefärbte Carminpräparate haben, so kann man den ausgewaschenen Schnitt leicht und rasch mit einem auf- gesetzten Tropfen Carminammoniak nachfärben. Schnitte, welche mit Säuren oder Kali aceticum (Max Schultze) versetzt werden sollen, müssen sorgfältig ausgewaschen sein, enthalten sie noch Seife, so schrumpfen sie beim Eindringen der Säure in leichtem aber doch störendem Grade zusammen. 1) Trocknes Pikro-Carmin nach der Ranvier’schen Angabe wird in ausgezeichneter Qualität von Dr. Grosschopf, Chemiker, (Rostock Neuermarkt 19) angefertigt und käuflich abgegeben (1 Gramm 5 Sgr.). Sollte sich das- selbe nicht ganz klar lösen, so braucht man nur ein Minimum sehr ver- dünnter Ammoniaklösung bis zur Klärung hinzuzusetzen, die Lösung ist dann neutral. Die Mikroskope von R. Winkel in Göttingen. Von Er. Merkel. Im ersten Band dieses Archives schrieb einer der gewiegtesten Mikroskopkenner — Frey — (p. 444): „‚Ein Optiker des Festlandes, welcher für mässige Summen jene gewaltigen (englischen) Systeme herzustellen lernte, würde sich um die Wissenschaft ein grosses Ver- dienst erwerben.‘ Frey hat dadurch in prägnantester Weise den Desiderien des deutschen Mikroskopikers Ausdruck gegeben, der längst ebenso starke wie billige Systeme herbeisehnt. Wenn nun auch die Linsen des mit Recht berühmten Hartnack so nahe an die Erfüllung dieser Wünsche herankamen, wie Nichts, was vorher dagewesen, so fehlt doch auch ihm noch gar Manches zur Erreichung» des Ideales. Stösst man ja doch in einer grossen Zahl von histologischen Aufsätzen auf die Klage, dass mit den stärksten Systemen gerade so weit zu kommen wäre, die am meisten versprechenden Texturverhältnisse wohl zu ahnen, aber nicht vollständig zu erkennen. Wenn nun zwar wahrscheinlich diese Tantalus-Qual selbst bei beträchtlich verbesserten Instrumenten leider noch lange nicht verschwinden wird, so ist es doch mit Freude zu begrüssen, dass ein strebsamer Optiker einen Weg betreten hat, der bereits zu guten Resultaten führte und noch bessere hoffen lässt. Die vonR. Winkel in Göttingen hergestellten Mikroskope haben zwar bis jetzt noch keine unerreicht starken Linsensysteme, obgleich er augenblicklich Immersionslinsen von sehr beträchtlichen Ver- Die Mikroskope von R. Winkel in Göttingen. 127 grösserungen verfertigt, allein seine Instrumente zeichnen sich durch drei Eigenschaften aus, die man in dieser Vollkommenheit nicht leicht vereinigt finden wird. Zuerst muss die ausserordentliche Lichtstärke hervorgehoben werden, die auch die stärksten Systeme auszeichnet; dann ist das bedeutende Auflösungsvermögen zu erwähnen, welches durchweg allen Objectivlinsen eigen ist. Als dritte lobenswerthe Eigenschaft nenne ich noch den sehr beträchtlichen Focalabstand der starken Systeme, welcher z. B. bei System Nr. 9 noch Deck- gläser anzuwenden erlaubt, die schon bei Hartnack 8 vermieden werden müssen. Zu alledem kommt dann noch die verhältnissmässig grosse Billigkeit. Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich be- haupte, dass die Mikroskope von Winkel für den histologischen Ar- beiter augenblicklich in jeder Hinsicht die empfehlenswerthesten ge- nannt werden müssen. Dies Urtheil findet eine bedeutende Stütze an dem vortrefflichen SachkennerDippelund wirdausserdem dadurch als richtig bestätigt, dass fast alle Gelehrten, die in der letzten Zeit Gelegenheit hatten, diese Instrumente auf der Göttinger Anatomie zu prüfen, Bestellungen abschlossen. Ich füge hier das Preisverzeichniss, wie es mir nebst einer pho- thographischen Abbildung der Stative vorliegt, bei. Preisverzeichniss der Mikroskope von R. Winkel. Preis der Objeetive. Syst. No. 1 (Vergr. mit Ocul. I—V 50-120 mal) 6 Thl. Br ,r2 rn I Hi 60—150 „ GAR, arutıE iA en 5 80—200 „ Zul a % on „ 110-275 „ 8.45; en. 2 nn » 200—500 „, ee BIN 52,6 „ > » 260-650 „ 10% BEN, a age 10, ae = = » 400—1000 „, 12 7,220. Ser: » » 9. (Mit Correctionsfassung) 550—1375 „ 26 .. Penlaro gewohnl a Stück. . 2... 0.2... 2 ,„ 20 Sgr. Ocular mit Glasmikrometer ne NL re Gi; Eolarisationsapparab.. . U. N Lt. 18-22 ,, BEE ER ORTE N N he a ir Aa 128 Fr. Merkel: Die Mikroskope von R. Winkel in Göttingen. Preise der Stative. Nr. II. Tubus-Verstellung mit Triebschraube . . . . 48 Thlr. „ II. Runder drehbarer Objecttisch . . . . . ABl, „» IV. In der Form an die Merz’schen Stative Een ra » V. Aehnlich dem kleinen Hufeisenstativ Hartnacks 22 Ä, „ VI. Kleines Arbeitsmikroscop . . . . a DANN Kasten und Etui 2 Rthlr. 25 Gr. — 4 Rthr. Die Fassung der Systeme ist die gewöhnliche, doch verdient hervorgehoben zu werden, dass die Correctionsvorrichtung bei Nr. 9 die innere Linse verschiebt, und also den äussern Umfang der Fassung nicht verändert. Stärkere Systeme mit Immersion sind, wie bemerkt, in Arbeit und werden demnächst fertig gestellt werden. Die Oculare sind mit nicht geringerer Sorgfalt behandelt, wie die Objektivsysteme und sind so lichtstark, dass auch stärkere Ocu- larvergrösserungen mit sehr gutem Erfolg benutzt werden können. Was schliesslich die Stative betrifft, so sind die Spiegel in der gewöhnlichen Weise nach allen Seiten beweglich, doch vertical nicht verschiebbar. Alle Stative haben die bekannte Schlittenvorrichtung für Einsetzung des Diaphragmas, nur Nr. VI ist mit einer dreh- baren Scheibe versehen. Auch hat dieses Mikroskop einen verstell- baren Tisch, nach einer verbesserten Einrichtung, während an den übrigen Stativen die Mikrometerschraube den Tubus bewegt. Wenn nun auch dieses Nr. VI, welches ausserdem unter allen Stativen allein keinen ausziehbaren Tubus besitzt, mancherlei Mängel hat, die der verwöhnte Mikroskopiker schwer empfindet, so ist es doch für das Publicum, auf welches es berechnet ist, das Studentenpubli- cum, wegen Billigkeit und Einfachheit sehr geeignet, und auch für den Gebrauch bei mikroskopischen Cursen zu empfehlen. Für Unter- suchungszwecke wurde bis jetzt Stativ Nr. IV am bequemsten befunden. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. Von Dr. V, Graber, Privatdocent an der Universität zu Graz. Hierzu Taf. VIII—X. Wenn man den gegenwärtigen Stand der Entomologie nach der Zahl der sogenannten Entomologen taxiren möchte, so müsste man von dieser Wissenschaft einen gar hohen Begriff bekommen. In Wirklichkeit sieht aber die Sache etwas anders aus. Wohl ist nicht zu leugnen, dass mit Rücksicht auf die riesige Ausdehnung unseres Faches immerhin ganz Schönes geleistet worden ist; allein betreffsder Hauptsache, nämlich der Erkennt- niss dergesammten Organisationsverhältnisse sind wir um kein Haar besser daran, als in anderen Thiergrup- pen, ja es will mir fast scheinen, als ob es im Bereiche der Ento- mologie sogar mehr wunde Flecke gäbe als anderwärts. So ist es beispielshalber fast Mode geworden, bei entomoto- mischen Untersuchungen vom propulsatorischen Apparat ganz Um- gang zu nehmen, und zwar höchst wahrscheinlich aus dem Grunde, weil dem Studium dieses Organsystems auf den ersten Anschein grosse Schwierigkeiten im Wege stehen. Wenn ich nun trotzdem dieses Ge- biet betreten und der Erforschung desselben ein volles Jahr gewid- met habe, so wird man hoffentlich bei der Beurtheilung der erzielten Resultate einige Nachsicht walten lassen, und. wird es mich gewiss nur freuen, wenn erfahrenere Fachgenossen auf dem geraden Wege, M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 9 130 Dr. V. Graber: den ich in dieser Schrift vorgezeichnet habe, in kürzerer Frist mehr erreichen alses mirauf mannigfachen Umwegen und Irrgän- gen in verhältnissmässig so langer Zeit möglich war. Mein ursprünglicher Plan war es, aus sämmtlichen Abtheilungen des Insectenreiches eine beträchtliche Anzahl von Repräsentanten zu untersuchen; die Ausführung blieb aber, wie so häufig, weit hinter dem vorgesteckten Ziele zurück, insoferne aus einigen Gruppen wie z. B. von den Rhynchoten und Dipteren — theilweise allerdings aus Mangel an geeignetem Materiale — soviel wie Nichts benutzt wurde). Hinsichtlich der Anordnung des Stoffes wäre es allerdings am bequemsten gewesen, die Ergebnisse nach den einzelnen Untersu- chungsobjecten aneinander zu reihen. Auf diese Weise würde aber die vorliegende Arbeit zu einem förmlichen Buche angewachsen sein. Ich entschloss mich daher, lieber den vergleichend morphologischen Weg einzuschlagen und aus der Menge des Details ein gegliedertes Ganzes zu organisiren, das allerdings nur einen ganz bescheidenen Raum einnimmt. Graz zu Pfingsten 1872. 1) Da im Verlaufe der Arbeit, der Kürze halber, gewöhnlich nur Gattungs- namen genannt werden, so empfiehlt es sich vielleicht, um Zweideutigkeiten zu vermeiden, eine genaue Liste der von uns untersuchten Species vorauszu- schicken, wobei die eingehender studirten Formen mit gesperrter Schrift ge- druckt sind. Coleoptera: Melolontha vulgaris L. Cetonia aurata L. Carabus cancellatus Ilg. Carabus violaceus. Dyticus marginalis L. Colymbetes fuscus. Ocypus similis L. Staphylinus erythropterus L. Dorcus parallelepi- pedus L. Lucanus cervus L. Silpha atrata. Adimonia tanaceti L. Te- nebrio molitor. Orthoptera: Blatta orientalis L. Gryllus campestris L. Locusta viridissima L. Decticus verrucivorus L. Ephippigera vituus Lero. Odontura Fischeri. Platycleis grisea Fabr. Thamnotrizon cinereus. Stenobothrus pratorum L. St. dorsatus Zell. St. lineatus Panz. Stetheo- phyma grossum. L. Oedipovda coerulescens Burm. Hymenoptera: Apis mellifica L. Anthophora pilipes Fab. Xy- locopa violacea Fab. Bombus terrestris L. Vespa vulgaris L. Formica rufa L. Sirex gigas. Lin. Lepidoptera: Pieris brassicae L. Vanessa urticae L. Saturnia pyri Borch. Euprepia Caja L. Smerinthus quereus. Diptera: Musca vomitoria L. Chironomus plumosus L. Neuroptera: Ephemera vulgata L. Phryganea striata L. Rhynchota: Pentatoma juniperina L. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 131 3. BRückengefäss. a. Histologisches. Strauss-Dürckheim erkannte am Rückengefäss des Mai- käfers !) zwei Gewebslagen. „Die äussere Haut des Herzens ist eine dicke längsfaserige und sehr dichte Membran, ähnlich der zweiten innersten im Herzen der Krustenthiere; die innere Haut ist eine sehr dicke (!) Muskelschicht, welche aus unregelmässigen parallellau- fenden Zirkelfibrillen besteht, die soweit auseinander stehen, dass die einen von den anderen vollständig getrennt sind. Diese Fibrillen sind gegen die Mitte der Kammer sehr stark, schwächer gegen die Enden, wo dieselben Falten bilden, mittelst welcher sich die eine in die andere einschiebt“ ?). Nach Burmeister?) wären die genannten beiden Häute nur die verschiedenen Lagen einer und derselben Muskelhaut, und dann liesse sich, wie er meint, vermöge der Analogie aller Blutgefässe noch eine innerste structurlose Schleimhaut annehmen, die nur we- gen ihrer Zartheit dem Beobachter entgeht. Leydig*) fand als die Hauptsubstanz des Insectenherzens zir- kuläre immer ungetheilte Primitiveylinder, zu denen manchmal noch longitudinale Fasern sich gesellen. Diese Fasern zeigen selbst in niederen Formen der Arthropoden sehr deutliche Querstreifen. Nach Innen wird die Herzmuskulatur überzogen von einer feinen Haut, dem Endocardium. Diese enthält entweder Kerne (Corethra-Larve) oder erweist sich in der Raupe von Bombyx rubi als wirkliche homogene Intima. Leydig erscheint es zudem wahrscheinlich, dass das Endocar- dium nur die flächenhafte Ausbreitung der Bindesubstanz ist, welche das Gerüst des Herzens bildet, wofür nach seiner Ansicht die That- 1) Considerations generales sur ’anatomie comparee des animaux articules aux-quelles on a joint l’anatomie deseriptive du Melolontha vulgaris (hanne- ton) comme exemple de l’organisation des Coleopteres. Paris 1828 A. av. fig. 2) Ueber den Kreislauf des Blutes und den Bau des Rückengefässes bei den Insekten von Dr. Rud. Wagner. Isis. Taf. II 1832. 3) Handbuch der Entomologie I. Bd. p. 166. 4) Lehrbuch der Histologie und Anatomisches und Histologisches über die Larve von Corethra plumicornis. Zeitschr. f. wissensch. Zool. T. 16 pag. 435. 132 Dr. V. Graber: sache spricht, dass diese Membran unmittelbar in das Bindegewebe der Organe übergeht, nachdem die Gefässe ihre Selbständigkeit ver- loren haben. Man sollte erwarten, dass namentlich die von einem so erfahrenen Histologen, wie es Leydig ist, betreffs des feineren Baues des In- sektenherzens erkannten Verhältnisse allgemeine Zustimmung finden und das um so mehr, als die beschriebenen Gewebslagen im Wesent- lichen mit dem Schema der Blutgefässe der höheren und vieler nie- deren Thiere übereinstimmen. Nichts destoweniger scheinen aber die massgebendsten Zoologen an der Leydig’schen Ansicht irre geworden zu sein und Gerstäcker!) behandelt sie geradezu als einen völlig überwundenen Standpunkt. Die Schuld an diesem Missverständniss trägt Weissmann, der zuerstinseinem klassischenWerke „dienachembryonaleEntwick- lung der Musciden ?)“ der Leydig’schen Anschauung entgegen trat. „Die Rückengefässwände der Larve von Musca vomitoria“, sagt Weissman, „bestehen aus zwei Lagen. Die zarte äussere Lage ist vollkommen strukturlos und hat mit Bindegewebe Nichts zu thun. Es ist aber zweifelhaft ob sie als Cuticula oder als das Product einer Verschmelzung von Zellmembranen zu betrachten ist. Soweit meine Beobachtungen reichen (kleine Dipterenlarven, Raupen verschiedener Gastropacha-Arten, grössere Musciden-Larven) ist das Herz der Insekten kein zusammengesetztes Gebilde, wie bisher an- genommen wurde, sondern eine histologische Einheit, d.h. es besteht nicht aus Bindegewebe, Muskelprimitiveylindern, Zellen etc., sondern ist ein einzelner Hohlmuskel mit Hülle, contractilem Inhalte und Kernen, entspricht also im Ganzen einem einzigen Arthropoden- Primitivbündel. Es ist auch ein Irrthum anzunehmen, es Könnten, wie Leydig und andere?) meinen, zu den zirkulären Fasern manch- mal noch Längsfasern hinzukommen. Keins von beiden ist der Fall, sondern die Lage contractiler Substanz ist eine einzige, ungetrennte, ein dünner Schlauch, an dem die Querstreifung in der Querrich- tung des Gefässes liegt, also Ringfasern vor allen Dingen nicht ent- spricht. 1) Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreiches. 5. Bd, Arthro- poden pag. 112. 2) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 14. Bd. pag. 187—336. 3) Frey und Leuckart, Anatomie der wirbellosen Thiere p. 80. v. Sie- bold, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie pag. 609. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 133 Im Widerspruch mit der früheren Deutung, nach welcher die Rückengefässwände aus zwei Lagen beständen, gibt er weiter an, dass der contractilen, aber deutlich und scharf gestreiften Substanz nach Innen eine sehr feine Haut anliegt, die histologisch mit der äusseren übereinstimmt und sich als eine wahre Cuticula, d. i. als die Scheide des hohlen Primitiv-Muskelbündels erweist. Bezüglich der contractilen Inhaltsmasse ist noch besonders her- vorzuheben, dass sie im Leben der Hülle, also dem Sarkolemma eng anliegt, nach dem Tode aber in ringförmige Stücke reisst, die sich dann zusammenziehen und grosse Lücken zwischen sich lassen. Die häufig in das Lumen des Gefässes stark vorspringenden Kerne sind als Kerne der Muskelsubstanz aufzufassen, und Weissmann hält auch die langgestielten sogenannten einzelligen Klappen Ley- dig’s (bei Corethra) für nichts anderes, als für solche in fein- körnige Grundsubstanz eingebettete Kerne der Muskellage (!). Was das Verhalten des Rückengefässes in der Puppenperiode anlangt, so gibt Weissmann an, dass dasselbe degenerire, um dann von Neuem und in anderer Form wieder aufgebaut zu werden. Die Degeneration beginnt damit, dass die Wände des Gefässes ihre Querstreifung verlieren und ein feinkörniges Aussehen annehmen. In dreizehn oder vierzehn Tagen besitzt das Gefäss bereits die Ge- stalt, die es im der Fliege beibehält. Im vordern, mit keinerlei Spalten versehenen Theile des Rückengefässes ist die äusserste Hülle eine structurlose Haut, unter welcher die Muskelschichte liegt, an der noch keinerlei Querstreifung vorhanden ist, dagegen zahlreiche, kleine, glänzende Fetttröpfchen eingebettet sind. Am Ende des Pup- penstadiums dagegen, wie in der Fliege ist die Muskelschichte aber so deutlich quergestreift, dass man geneigt sein könnte, sie selbst für feine Muskelfasern zu halten und von einer Ringfaserschicht zu reden. Der Abstand der Ringe beträgt 0.0034—0.004 mm. In dem hinteren Abschnitte des Rückengefässes dagegen kann man nicht einmal in der Fliege Muskelfasern erkennen. Die Mus- kelschichte erscheint im Gegensatz zum frühern klaren, durchsich- tigen Aussehen derselben vollkommen undurchsichtig und von schwer verständlicher Structur, an der man nur ein dichtes Filzwerk feiner, sich mannigfach durchdringender Fasern beob- achten kann. Sowohl Ring- als Längsfasern lassen sich unterscheiden und dazwischen finden sich noch schräge Faserzüge, die aber kaum eine Aehnlichkeit mit Muskelfasern haben, dennoch aber contractiler 134 Dr. V. Graber: Natur sein müssen. In der Fliege wird der Abdominaltheil des Rückengefässes ausser diesen noch von einer locker anliegenden Scheide umgeben, welche aus einem Netze von grob quergestreiften Muskelbündeln besteht. Man unterscheidet sowohl Längs- als Quer- bündel, letztere folgen weniger dicht aufeinander. In diese Muskel- scheide, die nach Weissmann’s Ansichten als Pericardial-Sinus an- gesprochen werden müsse, strahlen von den Seiten her die Flügel- muskeln ein. Nach dem von Weissmann geschilderten Verhalten des vor- deren Rückengefäss-Abschnittes muss es Einem in der That Wunder nehmen, warum er eine Zusammensetzung der muskulösen Schichte des Rückengefässes aus distincten Ringfasern nicht gelten lässt und das Herz als eine histologische Einheit, als eine hohle Primitivfaser auffasst. Wir glauben Weissmann recht zu verstehen, wenn wir an- nehmen, dass er in den vermeintlichen Ringfasern nur Homologe der Discs eines Primitivbündels erkennt, für den er ja das ganze Herz ansieht. Ob Weissmann in diesem Punkte Recht hat, wird die Folge lehren, das eine kann aber schon von vorn herein behauptet werden, dass es wohl übereilt ist, wenn Weissmann und Andere auf Grund der angegebenen Beobachtungen dieselben Verhältnisse auch bei an- dern Insecten voraussetzen und so gewissermassen nicht bloss die Ansichten von Strauss-Dürckheim, sondern auch die gewiss sehr vertrauenswürdigen Beobachtungen Leydig’seinfach ad acta legen !). Wenn vom histologischen Bau des Inseetenherzens die Rede ist, so wird man gewiss einerseits Bedacht nehmen müssen auf die ver- schiedenen Ordnungen, deren gesammte Organisationsverhältnisse nicht unbedeutende Modificationen zeigen, und anderseits darauf, ob es sich um ein Imago oder um ein Entwicklungsstadium handelt. Letzteres insbesondere dann, wenn ein beträchtlicher Unterschied im Bau der Larve und des fertigen Insectes vorliegt. Zeigen doch schon Weiss- mann’s Angaben bezüglich des Museiden-Herzens, dass hier bedeu- tende Differenzen obwalten. 1) Zu erwähnen käme noch, dass Häckel’s und Anderer Untersuchungen an verschiedenen Arthropoden, insbesondere an Krebsen im Wesentlichen durch- aus gleichfalls mit den Leydig’schen Beobachtungen übereinstimmen, während keine einzige Thatsache für Weissmann spricht. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 135 Bei meinen Untersuchungen über das Rückengefäss der Insecten wurde vorwiegend nur Imagines berücksichtigt und unter diesen wieder die in ihrer gesammten Organisation wohl am höchsten stehenden Or- thopteren, Coleopteren und Hymenopteren eingehender studirt. Es wird sich aber zeigen, dass auch Insecten anderer Ordnungen, die ich unter- suchte, hinsichtlich der histologischen Verhältnisse des Rückenge- fässes von den genannten Insecten nicht wesentlich abweichen, so dass die folgenden Angaben, vereinzelte Fälle ausgenommen, wohl allgemeine Geltung beanspruchen dürfen. Ich unterschied an den Herzwänden der Insecten drei scharf von einander zu unterscheidende Lagen, von denen die mediäre Muskelschichte weitaus prävalirt, während hingegen die Intima wegen ihrer ausserordentlichen Zartheit nur bei grösseren Formen erkannt wird. Das äussere Gerüste des Herzens ist eine kernfüh- rende bindegewebige Haut, die mit Recht der Tunica adventitia der Blutgefässe höherer Thiere an die Seite gestellt werden kann. Muscularis. Die Muskelschichte des Herzschlauches besteht, einzelne später zu bezeichnende Fälle ausgenommen, einzig und allein aus exquisit quergestreiften Fasern, die sich als wahre Primitiv-Fibrillen-Bündel erweisen, mit contractilem Inhalte, homogener Scheide, Sarkolemma im engern Sinne und den zwischen Scheide und Inhalt eingelager- ten Kernen. Als ein vortreffliches Objekt zur Demonstrirung dieser ringförmigen Primitiveylinder kann ich Locusta viridissima und andere grössere Laubheuschrecken, dann von den Käfern Melo- lontha, Carabus u. s. w. empfehlen. Legt man ein einem lebenden Thiere ausgeschnittenes Herz !), das gar keine besondere Präparation erfordert, in Müller’sche Flüs- sigkeit, so erkennt man schon bei geringer Vergrösserung an den Seiten des Herzens die charakteristischen Einkerbungen, welche man auch an der Darmmuskularis beobachtet und die bekanntlich als der Ausdruck der Ringfasern zu deuten sind. Wird das Herz von den umgebenden Geweben befreit, so treten auch die Conturen der ein- 1) Es geschieht das wohl am raschesten, wenn man von der Rückenwand des Abdomens und zwar von der Mitte desselben einen ganz schmalen, etwa 1 mm. breiten Streifen ausschneidet und dann mit dem Rücken eines kleinen Messerchens die innere Lage von der Cuticula abhebt. 136 Dr. V. Graber: zelnen Ringe in ihrer ganzen Ausdehnung hervor und man wird unter dem Präparirmikroskop sehr leicht einzelne Ringe isoliren können. Wer sich die Mühe nimmt, den Herzschlauch einer Locu- stide oder eines Maikäfers anzusehen, wird es nicht begreifen können, wie man die rechte Leydig’sche Ansicht verlassen konnte. Um auch den etwaigen Einwurf zu widerlegen, dass diese Ringfasern nur Kunst- produete wären, seiangeführt, dass ich das Rückengefäss der Ephip- pigera vitium möglichst rasch ausschnitt und dann im Blute des Thieres unter der feuchten Kammer untersuchte. Ich konnte die einzelnen Ringe sehr scharf unterscheiden und einige Minuten selbst noch die rythmischen Zuckungen derselben studiren. Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich, dass die aufeinander folgenden Ringe sich nach ein- ander senkrecht auf die Längsaxe des Rückengefässes zusammen- ziehen, wobei die sarcous elements oscillirende und allmälig fort- schreitende Bewegungen ausführen. Im todten Herzen sind die er- schlafften Ringfasern oft ziemlich weit von einander entfernt, wäh- rend sie bei der Systole des Rückengefässes, wobei sie ja bedeutend dicker werden, ganz eng aneinander schliessen. Das erste Hülfsmittel zur Verdeutlichung sämmtlicher Lagen der Herzwände ist nach meinen bisherigen Erfahrungen die Injection des Rückengefässes mit einer durch Carmin gerötheten Leimlösung. Legt man die so eingespritzten Herzen einige Zeit in Alkohol und später in Kreosot, so erhält man ganz prachtvolle Ansichten, an denen Vieles mit überraschender Klarheit hervortritt, was man sonst gar nicht oder nur undeutlich zu sehen bekommt !). Was die Breite der Herz-Muskelfasern betrifft, so erweist sich dieselbe nicht durchgehends mit der Länge der Fasern, beziehungsweise der Grösse der Thiere übereinstimmend. Im allgemeinen ist sie grösser als jene der Stammmuskeln (Myocommata der abdominalen Längs- muscularis), während sie die Breite der Flügelmuskelfasern um das Doppelte und häufig auch um das Dreifache übertrifft. Bei den grössten einheimischen Heuschrecken beträgt die Breite der Ringmuskeln 0.02—0.03 mm. (Letzteres bei Locusta viridis- sima, Platycleis grisea, Odontura serricauda und andern.) Die Ringfasern genannter Insecten sind also ungefähr 25mal so lang als breit. 1) Leider ist der nachherige Einschluss des Präparates in Kanadabalsam nicht zu empfehlen, da derselbe zu stark aufhellend wirkt; besser bewährt sich ein sogenannter feuchter Einschluss z. B. in Glycerin. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 137 Einen auffallend geringern Querdurchmesser fand ich bei einigen Käfern, z.B. Lucanus cervus (0.01 mm.), Dorcus (0.008 mm.), ferner bei einer fast erwachsenen Raupe von Smerinthus quercus, wo die ungemein scharf hervortretenden und deutlich quergestreiften Fasern ungefähr 0.009 mm. massen. Bei den Apiden beträgt die Breite im Mittel 0.012 mm. Hinsichtlich des Hirschkäfers sei noch erwähnt, dass die, im Ver- gleich zu den Stammmuskeln fast viermal schmälern Ringfasern des Rückengefässes sehr fest aneinander haften. Die geringe Breite der Ringfasern ist aber keineswegs allen Kä- fern eigenthümlich, indem z. B. jene von Silpha obscura an Breite den Primitiv-Cylindern der Heuschrecken wenig nachstehen. Es wurde schon oben erwähnt, dass die Ringfasern des Rücken- gefässes ganz ausgezeichnet quergestreift sind. An frischen Herzen ist das nur ausnahmsweise zu erkennen (z. B. Platycleis), sonst er- scheinen gewöhnlich weder Quer- nach Längslinien. Ganz sicher kann man die Disc unterscheiden nach Zusatz von Essigsäure (Silpha), Glycerin, am schönsten aber durch Behandlung mit Kalilauge. — Beim längern Liegen in Alkohol treten zuweilen die Querlinien ganz zurück und werden nur die Primitivfibrillen sichtbar, andermal da- gegen, z. B. beim Hirschkäfer, treten gerade nach Weingeist die Dise am Schönsten hervor. Die Höhe oder Länge der Disc ist an den Ringfasern des Her- zens ganz auffallend gering und muss diese Eigenschaft als eine der wesentlichsten an diesen Gebilden hervorgehoben werden. Bei der Mehrzahl der Locustiden verhält sich die Breite zur Länge der Dise wie 30 zu 1, während sich die Verhältnisse in den Flügelmus- keln erweisen wie 1:1 oder gar (Lucanus) wie 1:1.4. Als Mittel ergibt sich für die oben angeführten Laubheuschrecken, dass die Länge der Dise an den Flügelmuskeln 7mal jene der Längsmus- keln und 5mal die der circulären Herzfasern übertrifft. Die Primitivfibrillen sind ganz besonders gut durch salpetersau- res Silberoxyd darzustellen und ergibt sich für Platycleis grisea als Breite derselben etwa 0.001 mm. Quer- und Längsbinde-Mittel haben ziemlich gleiche Dimensio- nen, sowohl unter sich als mit den Fleischtheilchen. An den Flügel- muskeln sind die letzteren fast doppelt so schmal als an den Ring- fasern, so wenigstens bei Platycleis grisea, und wäre noch an- zumerken, dass bei den erstgenannten Muskeln das Längsbinde-Mittel 138 Dr. V. Graber: mindestens 5mal breiter (richtiger höher) als das Querbinde-Mittel ist (Alles bezogen auf Alkohol- und Chromsäure-Präparate). Schöne Bilder sowohl von dem Verhalten der Primitivfibrillen als der Disc gewährt eine Behandlung der früher in Alkohol gele- genen Präparate mit Chromsäure. Man erhält so Bilder, an denen man die Auflösung des Primitivbündels in die würfelförmigen Sarcous- elements ausgezeichnet studiren kann. Mit Erfolg habe ich auch zu demselben Zwecke die aus dem Weingeist genommenen Objecte mit Carmin tingirt und dann mit Essigsäure gewaschen, und in Gly- cerin aufbewahrt. Schliesslich sei auch noch des Goldchlorids erwähnt, das dem Rückengefässe nach Jängerer Einwirkung eine bedeutende Consistenz verleiht und die Manipulation mit demselben ungemein erleichtert. Die durch dieses Reagens bewirkte Tinetion der Ringfasern stimmt mit jener der übrigen Körpermuskeln vollkommen überein, und heben sich insbesondere die am Rückengefäss sich vertheilenden Nerven- fasern sehr schön ab. Da Weissmann’s Ansichten sich vorzüglich auf Dipteren-Her- zen basiren, so sei noch speciell erwähnt, dass ich bei einer Musca nach längerer Macerirung ihres hückengefässes in Jodserum bezüg- lich der Ringmuscularis ganz dieselben Verhältnisse wie bei Käfern und Orthopteren vorfand (Fig. 14). Nachdem ich auch bei der Raupe von Smerinthus quercus und von Euprepiacaja ausgezeichnet quergestreifte Ringfasern con- statirt, darf man wohl die negativen Resultate meiner Untersuchungen bei der Larve des Mehlkäfers und einer Phryganidenart nicht allzu- hoch anschla gen; wenn auch kaum behauptet werden kann, dass es bei sämmtlichen Insectenlarven immer zu einer deutlichen Differen- zirung der Ringfasern komme. Anderseits dürfte es aber bedenklich sein, die muskulöse Natur jener Ringfasern, welche keine Querstreifung zeigen, in Frage zu ziehen, wie dies Häckel hinsichtlich der mediären Schichte an den Arterien des Flusskrebses gethan hat; ich habe an den Ringfasern des Darmes mancher Läuse niemals Querstreifung gesehen und doch wird Niemand die Homologie dieser Theile mit den scharf querge- streiften Ringfasern anderer nahe verwandter Formen bezweifeln. Wenn die Adventitia eine grössere Derbheit erlangt, oder wenn die an ihr haftenden Pericardialzellen das ganze Rückengefäss eng umstricken, so wird, wie ich mich bei Adimonia tanaceti und man- Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 139 chen Schmetterlingsraupen versicherte, eine genaue Diagnose der Muskelschicht oft ganz unmöglich. Auf die Kerne der Ringsmuskularis wurden bei Locusta, Platycleis und Deeticus Bedacht genommen. Sie erscheinen hier nach Behandlung mit Salpetersilber als meist rundlich ellipti- sche grobgranuläre Körperchen, deren Längsaxe im Allgemeinen mit jener der Muskeln übereinstimmt. Bei Platycleis beträgt ihre Länge 0.007—0.009 mm. — Ueber die Verbreitung dieser Muskelkörper- chen gibt Fig. 7 km Aufschluss. Zu der mediären Schichte des Insectenherzens sind auch noch die, wie es scheint, sehr selten zur Beobachtung kommenden Längs- fasern zu zählen. Mit völliger Sicherheit konnte ich dieselben nur bei Musca nachweisen, während sich die allerdings scharf markirten Längszüge im Herzen von Gryllotalpa, Caloptenus und anderer Or- thopteren wohl als Längszüge der bindegewebigen Adventitia erwei- sen dürften. Legt man das Herz genannter Fliege nach Entfernung der dieselbe einhüllenden Pericardialzellen in Jodserum, so treten die parallelen und ziemlich eng aneinander gelagerten Längsfasern so- gleich in die Augen, während die Ringmuscularis zum grössten Theile verdeckt wird. Sehr leicht vermochte ich die einzelnen Fasern zu isoliren, in- dem ich das Präparat eintrocknen liess und dann neuerdings Jod- serum zusetzte. Die Breite der Längsfasern beträgt 0.016 mm. Im Gegensatz zu den Ringmuskeln ist hier die bedeutend grössere Höhe der Disc hervorzuheben, welche namentlich nach Zusatz von Kali- lauge ausnehmend scharf hervortreten. Die Disc erscheinen dann farblos von 0.08 mm. Höhe. Das Längsbindemittel bildet gelbliche, glänzende, scharfe Leisten von circa 0.003 mm. Breite (Fig. 8). Dass diese Lagen von Längsmuskelfasern durchaus nicht als die Wan- dungen eines Pericardialsinus aufzufassen sind, wie Weissmann angibt, dürfte schon aus dem Umstande hervorgehen, dass dieselben fast ganz der übrigen Herzwand ansitzen, so dass gar kein nennens- werther Zwischenraum zwischen beiden Schichten sich vorfindet. Zu- ddem lässt sich ein Pericardialsinus in diesem Sinne, wie sich später zeigen soll, bei keinem der von mir untersuchten Insecten nachweisen. Endocardium. Ueber die das Rückengefäss nach Innen zu abgrenzende Haut ist es sehr schwer sich Rechenschaft zu geben, da es wohl kaum ge- 140 Dr. V. Graber: lingen dürfte, dieselbe isolirt darzustellen ; meine hierauf bezüglichen Versuche missglückten wenigstens durchgehends. Soviel ich aus feinen Querschnitten an Heuschreeken- und Käfer-Herzen ersah, wird die Muskelschichte Innen von einer ganz homogenen und ungemein zar- ten Haut bekleidet, die vom Sarkolemma der Ringfasern nicht immer scharf abgesetzt erscheint. Mitunter glaube ich an dieser Schichte sehr feine Längsstreifen gesehen zu haben. Ob sie eine Cuticula oder eine bindegewebige Haut sei, lässt sich mit Bestimmtheit un- möglich behaupten. Wenn Leydig Letzteres für wahrscheinlich hält, weil dieselbe unmittelbar in das Bindegewebe der Blutlacunen übergehen soll, nachdem das Herz seine Selbständigkeit verloren hat, so lässt sich dagegen wohl auch einwenden, dass ja an der Auskleidung der Bluträume sich in der That nur die bindegewebige Adventitia betheiligt. Eines glaube ich aber aufGrund meiner Ver- silberungversuche positiv aussprechen zu können, dass nämlich am Endothel eine besondere Zelllage nicht existirt?). Adventitia. Dievon Weissmann geleugnete histologische Selbstständigkeit der Adventitia ist bei der Mehrzahl der von uns untersuchten In- secten ohne Schwierigkeit nachzuweisen. Bei einer grossen Laub- heuschrecke, Locusta viridissima, ist es mir sogar gelungen, nach längerer Macerirung des Rückengefässes in Jodserum die Ad- ventitia als selbstständigen Schlauch darzustellen. Die Beschaffenheit dieser Schichte ist im Allgemeinen keine durchaus übereinstimmende. Insbesondere scheint sie bei den Lar- ven wesentlich von jener der Imagines abzuweichen. Bei der Raupe von Euprepia caja erweist sich die Adven- titia als eine homogene Membran, ohne dass man mit Sicherheit feststellen kann, ob gewisse kernartige Bildungen, die man auf ihr beobachtet, nicht ebenso dem bindegewebigen Theil des Septum an- gehören, wie denn überhaupt sichere Resultate betreffs unserer Ge- 1) Hinsichtlich unserer geringen Kenntniss über das Endothel des Insec- tenherzens trösten wir uns theilweise damit, dass man selbst über die Intima der verhältnissmässig riesigen Blutgefässe bei höhern Thieren durchaus noch nicht in’s Reine gekommen zu sein scheint. Vergl. unter Anderm Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere pag. 191 ff. Leipzig, Engelmann 1869. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 141 webslage nur dort zu erwarten sind, wo es gelingt, wenigstens kleine Stücke derselben zu isoliren. Bei der Mehrzahl der untersuchten Heuschrecken und Käfer so wie auch bei den Hymenopteren erweist sich die Adventitia als eine mit dem bindegewebigen Theil des später genauer zu besprechenden Perikardialseptums völlig übereinstimmende Bindegewebshaut von streifigem Aussehen, deutlichen Kerneinlagerungen und mehr oder we- niger grossen, verschieden gestalteten, zumeist aber länglich ellipti- schen oder spindelförmigen Lücken. Als ein Prachtobject zum Studium der Adventitia kann ich na- mentlich Carabus cancellatus und andere grössere Käfer em- pfehlen, deren Herz im frischen Zustande in Müller’scher Flüssigkeit oder Jodserum untersucht wird. Eine Verwechslung mit dem binde- gewebigen Abschnitt des Flügelmuskelseptums ist hier schon aus dem Grunde nicht möglich, weil die spindelförmigen Lücken des letztern (Fig. 13* b) der Queraxe, jene der Adventitia dagegen der Längs- axe des Herzens parallel laufen (a). Den schönsten Ueberblick über die Adventitia gewährt die schon empfohlene Injektion mit geröthetem Leim. Bei Melolontha und Cetonia, die auf diese Weise behandelt wurden, erkennt man aus- ser der soliden, gefensterten Bindegewebshaut noch ein darüber lie- gendes Netzwerk aus gröbern und feinern Fasern, einerseits mit der untern continuirlichen Lage, andererseits mit den Perikardialzellen und dem Septum zusammenhängend (Fig. 23 a. f). Die Apiarien, Vesparien und Uroceriden sind dadurch ausge- zeichnet, dass hier die Continuität der Adventitia mehr zurück tritt, indem die Balken und Fasern die Oberhand gewinnen. Es kommt so zur Bildung von charakteristischen, wirr durch einanderliegenden Knäueln von den elastischen ganz ähnlichen Fasern (Fig. 17 a) '!). Ueber das chemische Verhalten der beschriebenen Bildungen und speciell jener der Hymenopteren wird später berichtet werden. Ein etwas anderes Verhalten zeigen viele Heuschrecken, z. B. Ephippigera, Thamnotrizon, Stenobothrus, ferner die Blat- tiden, manche Schmetterlinge (Vanessa) und manche Larven (T e- 1) Eine genaue bildliche Darstellung der durch Kalilauge isolirten Adven- titia von Anthophora findet man in dem ‚vorläufigen Bericht über den propul- satorischen Apparat der Insekten“, in den Sitzungsb. der kaiserl. Akademie d. Wiss. in Wien, Jahrg. 1872. 65. Bd. I. Abth. Märzheft. 142 Dr. V. Graber: nebrio, Phryganea). Die Adventitia macht hier ganz den Ein- druck einer ganz soliden, also fensterlosen Schichte von fein längs- streifigem, hie und da (Deceticus, Caloptenus) fast fibrillärem Aus- sehen, ohne dass aber auf Grund vorgenommener chenischer Prü- fungen an echtes fibrilläres Bindegewebe gedacht werden darf (Fig. 17, a Fig. 7, a). — Formbestandtheile in Gestalt von stäbchen- oder spindelförmigen, seltener kreisrunden Körperchen sind ein kon- stantes Vorkommen (Fig. 7 und 12, k a). Die Längsaxe der vor- herrschend spindelförmigen Körperchen ist ausnahmslos mit der des Gefässes parallel. Die Grösse derselben ist selbst an ein und dem- selben Individuum ziemlich wechselnd. Bei Locusta und Ephippigera schwankt dieselbe zwischen . 0.007—0.03 mm. Am öftesten beträgt sie 0.02 mm., kommt sonach der Breite der Ringfasern gleich, während sie die Kerne der letzte- ren (Fig. 7, km) um das 2 bis 3fache übertreffen. b. Anatomisches und Physiologisches. Wenn man die in Monographieen und Handbüchern der ältern und neuern Zeit enthaltenen Daten über den gröberen Bau des In- sectenherzens miteinander vergleicht, so drängt sich einem unwill- kürlich die Ueberzeugung auf, dass sie zum grössten Theil nur Va- riationen der von Strauss-Dürckheim betreffs des Maikäfers be- schriebenen Verhältnisse seien, aber nicht auf Original-Forschungen beruhen, die, wie wir gerne gestehen, allerdings zu den schwierigsten gehören. Wenn sich nun herausstellen wird, dass Strauss Beobachtun- gen keineswegs der Sachlage völlig entsprechen, so wird man be- greifen, dass eine Generalisirung dieser Anschauungen unsern Kennt- nissen in dieser Angelegenheit wenig förderlich war. Das Herz der Insekten wird gewöhnlich beschrieben als ein die Rückenseite des Abdomens durchziehender gerader Schlauch, der an der Segmentirung des Hautskeletes einen grössern oder geringern Antheil nimmt, indem entweder wirkliche, den Gränzstrichen der Abdominalmetameren entsprechende Einschnürungen beobachtet wer- den, oder doch fast ausnahmslos in regelmässigen Intervallen auf- einander folgende paarige Spaltöffnungen vorhanden sind, deren An- zahl jener der Hinterleibsringe wenig, gewöhnlich nur um 1 oder 2 nachstehen. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 143 Die Zahl dieser Ostienpaare, beziehungsweise der durch sie mar- kirten sogenannten Herzkammern wird übrigens selbst bei solchen Insecten verschieden angegeben, welche dieselbe Anzahl von Ringen besitzen. So fand Strauss bei Melolontha 8, Burmeister bei Calosoma 4, und Joh. Müller bei Phasma sogar nur ein ein- ziges Ostienpaar. Betrachten wir zunächst etwas genauer die Einrichtung der Herzkammer, wie sie von Strauss beim Maikäfer beschrieben wor- den ist. Zur leichtern Orientirung habe ich in Fig. 18 eine den Anga- gaben und Zeichnungen des genannten Forschers angepasste verein- fachte Darstellung zu geben versucht, welche einen zur Längs- und Queraxe des Rückengefässes parallelen Längsabschnitt in der Nähe der Spaltöffnungen vorstellen soll. Das Herz des Maikäfers, sagt Strauss, ist ein dickes, gerades Gefäss, welches sich vom ersten bis zum letzten Leibesring erstreckt; wo es sich plötzlich nach unten biegt und spitz endet. In jedem Ringel findet man seitlich je eine quere Auriculo-ventricular-Oeffnung (sp), durch welche das Blut bei der Diastole (D) in das Innere ge- langt. Der hintere Rand jeder dieser acht Oefinungen ist mit einer halbmondförmigen Klappe (h) versehen, die, eine Duplikatur der äussern Rückengefässhaut (a) darstellend, schief nach vorn in das Lumen des Herzens vorspringt und während der Systole (S) durch den Druck des Blutstroms an die Spaltöffnungen angedrückt wird (h’), um den Rückfluss des Blutes nach aussen zu verhindern. Am vordern Rande der Spalten bildet die Herzwandung eine zweite Klappe, die ebenfalls nach Innen und Vorne gerichtet ist (v’). Hinsichtlich der Verrichtungen dieser Theile erfahren wir weiter von Strauss Folgendes: Sowie die letzte Kammer sich erweitert, stürzt das Blut, welches die untere Leibeshöhle enthält, in das In- nere durch die Herzspaltöffnungen, welche sich am vorderen Ende dieser Kammer befinden, sodann zieht sie sich wieder zusammen und die halbmondförmigen Klappen legen sich an die Oeffnungen. Durch die Compression nöthigt das Blut die vordern (Interventricular-) Klappen, sich zu entfernen und tritt so in die zweite Kammer ein, welche in demselben Augenblicke sich erweitert. Die zweite Kam- mer ziebt sich nun wieder zusammen, das in ihr enthaltene Blut drückt auf die Interventricularklappen (h), welche sich aneinander 144 Dr. V. Graber: legen und so seinen Rücktritt in die vorhergehende Kammer ver- hindern. Aehnliche Herzkammern wie bei Melolontha will Burmei- ster!) bei der Larve von Galosoma, ferner bei Lamia aedilis und Termes foetalis beobachtet haben. Die erwähnten Klappen hält übrigens Leydig nicht für Ein- stülpungen der Adventitia, sondern für Duplikaturen der bindege- webigen Intima, in welche sich auch Muskeln erstrecken können, Nach den Untersuchungen Owens am Hirschkäfer würden hier die von den vordern Rändern der Ostien entspringenden Interventri- cularklappen von Strauss und Andern ersetzt durch eine in das Herzlumen vorspringende Ringfalte, während gleichzeitig zufolge der Beobachtungen von Weissmann und Andern die durch die soge- nannten Semilunarklappen verschliessbaren Ostien nicht selten durch trichter- oder taschenförmige Einstülpungen der Ostien vertreten würden. Der Vollständigkeit halber führen wir noch eine Ansicht von Rud. Wagner an, wonach an jenen Insektenherzen, wo keinerlei Spaltöffnungen beobachtet werden, die Aufnahme des Blutes durch die Maschen der Wandungen hindurch geschähe. Nähere Angaben bezüglich des Baues der Verschlussvorrichtungen und speciell der dabei thätigen Muskeln werden bei den genannten Autoren vollkommen vermisst. Meine eigenen Untersuchungen betrefis dieser Vorrichtungen beschränken sich allerdings nur auf wenige Species; die erzielten Ergebnisse dürften aber doch insofern fruchtbar sein, als sie heraus- stellen werden, dass einerseits die bisherigen Anschauungen sehr mangelhaft sind und dass andererseits mancherlei Modifieationen ge- troffen werden, die eines genauen Studiums wohl werth sind. Das Rückengefäss erscheint bei fast allen der von mir unter- suchten Insecten bei oberflächlicher Betrachtung als ein nahezu eylin- drisches, an todten Individuen bandförmig abgeplattetes Rohr von im Allgemeinen ziemlich geringer Breite (bei den grössern Heu- schrecken 0.4 mm.) (Fig. 1 H). Bei Ephippigera, und dasselbe gilt wohl auch für die andern Formen, endet es spitz und befestigt sich bei der genannten Heuschrecke am Hinterrande des 9. Ringes, 1) Handbuch der Entomologie, 1. Bd. page. 165: Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 145 so dass also die folgenden zwei hinter dem Genital-Porus liegenden Metameren keine sogenannten Herzkammern besitzen. Wie aus Fig. 6 zu ersehen ist, geschieht die Befestigung des Herzrohres durch einen über das hohle kegelförmige Ende desselben gestülpten trichterförmigen Muskel, dessen Spitze (l) direct mit der Hypodermis verbunden ist, und zwar in der Weise, dass das Peri- mysium unmittelbar in die deutlich zu unterscheidende bindegewe- bige (?) Lage der Matrix (Cutis) übergeht. Die Primitivbündel dieses Fixirungsapparates unterscheiden sich von den Ringfasern des Herzens durch ihre grössere Derbheit, welche sich auch in der schärferen Querstreifung ausspricht. Vor dem Eintritt in den Thorax verengert sich das Rücken- gefäss fast plötzlich um ein Bedeutendes (so bei den Locustiden, bei Melolontha, Cetonia, Dyticus u. a.), begibt sich dann etwas nach unten und verläuft in der mediären Linie der Längsmus- keln des dorsalen Thorax als ein feines, und wie Injeetionsversuche zeigen, durchaus unverzweigtes Gefäss gegen den Kopf. Bemerkt sei noch, dass diese sogenannte Aorta in histologischer Beziehung völlig mit dem eigentlichen Rückengefässe übereinstimmt. Wird das Herzrohr am lebenden Thiere angesehen, oder nach sorgfältiger Präparation unter das Mikroskop gebracht, so erkennt man an ihm im günstigsten Falle neun, gewöhnlich aber nur einige Paare von Ostien. Weiter ergibt sich, dass das Herz in der Nähe der Spaltöffnungen keineswegs eingeschnürt, sondern im Gegentheil bei den Laubheuschrecken oftsehr beträchtlich erweitert ist. Die Lage der Spaltöffnungen zu den Segmenten des Hinterleibes ist durchaus nicht im ganzen Verlaufe desselben eine gleichmässige. Während nämlich, wenigstens beiEphippigera und Melolontha die vorderen Ostien nur wenig hinter den Grenzstrichen der Meta- meren liegen, entfernen sich die hinteren ziemlich weit davon und nehmen so ziemlich die Mitte der Ringe ein. Ob in der That, wie dies die gewöhnliche Auffassung sagt, die Östien die Grenzen der Herzkammern bezeichnen, wobei die letzteren als Aequivalente der Hinterleibssegmente angesehen werden, muss nach dem vorher Gesagten wenigstens zweifelhaft erscheinen. Völlig leugnen möchte ich aber die Existenz von, den Gelenkhäuten der Folgestücke entsprechenden Einstülpungen des Herzrohrs, wie sie von Strauss und Owen erwähnt werden. Ein völlig homologes Verhalten, wie bei den meisten Insecten, M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 9. 10 146 Dr. V. Graber: findet sich nach Krohn’s!) Beobachtungen bei den Pyenogo- niden, wo gleichfalls die Verengerungen des Herzens mit den Seg- mentgrenzen coincidiren, während die Erweiterungen derselben mit den Ostien ungefähr die Mitte der Ringe bezeichnen. Auf Grund dieser Thatsachen scheint es nicht ungerechtfertigt, die Metameren — beziehungsweise Kammergrenzen des Herzrohres nicht in die Gegend der Spaltöffnungen, sondern zwischen dieselben zu verlegen. Dafür spricht auch das Verhalten bei manchen Insec- tenlarven (z. B. bei den Mücken}, wo die sogenannten Interventri- cularklappen, welche eine natürliche Grenze zwischen den Herz- kammern vorstellen würden, m der That nicht mit den Ostien zusammenfallen, sondern genau in der Mitte zwischen je zwei auf- einanderfolgenden Ostien gelegen sind. Gehen wir nunmehr auf die nähere Beschreibung der Ostien und Verschlussapparate über. So weit meine eigenen Forschungen reichen, kann man füglich fünf verschiedene Modificationen derselben unterscheiden, die sich dermalen noch nicht gut aufeinander zurückführen lassen, vielleicht übrigens nur deshalb, weil einige von ihnen nur zum Theil erforscht werden konnten. Der verhältnissmässig complicirteste Bau findet sich bei Me- lolontha. ; Die Ostien erscheinen hier (Fig. 235) am lebenden Thiere oder am injieirten Herzen untersucht, als seitlich gelegene, halbmondför- mige Einschnitte (3), deren beide Hörner (b) stark nach vorn und innen gerichtet sind. Die beiderseitigen Einschnitte nehmen mehr als 3/, von der ge- sammten Breite des Herzens ein, so dass zwischen denselben ein Engpass (a) zu Stande kommt, der bei der Systole das Blut in der Kammer aufstaut. Als Begrenzungen der Ostien findet sich vorn und hinten eine durch die Einstülpung der Herzwand gebildete, halbmondförmig gekrümmte Fläche (v und h). An der Spitze der Östienhörner (b) schliessen sich diese zwei Blätter, ähnlich den Brettern eines Blasebalges, aneinander und bilden einen in das Herzlumen frei vorspringenden Trichter (i). Die Spitzen des rechts- und linksseitigen Ostientrichters liegen hart nebeneinander in der 1) Ueber das Herz und den Blutumlauf der Pyenogoniden; Wieg- manns Archiv, 1855, pag. 6. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 147 Mittellinie des Herzlumens. Insofern, als die genannten Trichter bei der Systole sich eng aneinander legen und so den einzigen für das Blut möglichen Ausgang (a) auf ein Minimum redueiren, können dieselben als Interventricularklappen bezeichnet werden, die aber, wie aus der vorigen Darstellung hervorgeht, nicht im Sinne von Strauss als besondere Einstülpungen der vorderen Ostienränder aufgefasst werden dürfen. An die trichterförmigen Einstülpungen der Ostien setzen sich im Innern des Herzens zahlreiche zarte Muskelfasern an, die nach vorn convergirend einen kegelförmigen Hohlmuskel darstellen (m). Am vorderen Ende jeder Kammer setzt sich vermittelst eines dünnen beweglichen Stieles an die Innenseite des hinteren Ostienblattes (v) eine mit gelblichen Kernen erfüllte querelliptische Blase an (z), deren anderes freies Ende nahezu die semilunare Klappe der gegenüber liegenden Seite berührt. Wir haben es hier offenbar mit einem Analogon der bei den Larven von Corethra, Musca und anderen Insecten beobachteten ventilartigen Gebilden zu thun. Die Verrichtung der beschriebenen Theile ist nach Beobach- tungen am lebenden Thiere folgende. Während der Diastole des vorderen Theils der hinteren Kammer (A) zieht sich die oben genannte Blase etwas nach hinten, und gestattet so dem Blute den Eintritt in den jetzt ziemlich weit offenstehenden Engpass zwischen den trichterförmigen Enden der Ostien (a). Gleichzeitig wird durch die Ostien Blut aufgesaugt. Bei der nun folgenden Systole der hinteren Herzkammer wird durch den Anstoss des (in der Richtung des Pfeiles 1 sich bewegenden) Blutes die hintere Ostienklappe (h) an die vordere Ostienklappe (v) angedrückt, wodurch gleichzeitig das im Ostientrichter enthaltene Blut durch den Trichter in das Herz gedrängt wird und durch eine allerdings nicht sichtbare Oeffnung (k) dort ausströmt. Um bei der Verengerung der vorderen Kammer den Rückfluss des Blutes in die hintere zu verhindern, zieht sich der beschriebene kegelför- mige Muskel zusammen, wobei die Spitze der Trichter ziemlich weit nach vorn gerückt und der Engpass zwischen denselben verkleinert wird, während gleichzeitig auch die sogenannte Zellklappe sich in den zwischen den Ostien liegender Hohlraum einstülpt. Bei der abermaligen Erweiterung des Herzrohrs schnellt der 148 Dr. V. Graber: kegelförmige Muskel sammt den Ostientrichtern und der Zellklappe nach hinten zurück. Diese Vor- und Rückwärtsbewegung des gesammten Verschluss- apparates kann schon mit freiem Auge am pulsirenden Maikäfer- herz studirt werden. Eine zweite und, wie mir scheint, nur selten vorkommende Klappeneinrichtung ist bei der Larve von Chironomus plumosus vorhanden. In der Mitte des drittletzten Segmentes liegt das hin- terste Ostienpaar. Die Einrichtung derselben gleicht der von Me- lolontha, mit dem Unterschiede, dass die Einschnitte nicht nach vorn, sondern ganz quer gestellt sind und dass nur ein ganz kleiner trichterförmiger Vorsprung in das Herzlumen hineinragt (Fig. 20). Ferner wird bei der Systole (S) nicht allein der hintere Ostien- lappen bewegt, sondern es klappen ganz deutlich beide Lappen (v!, h!) wie die Arme einer Zange zusammen, wobei sich die Spitzen der trichterförmigen Einstülpungen in der Mitte nahezu berühren. Die sogenannten Interventricularklappen finden sich dagegen hier im Gegensatz zu Melolontha nicht im unmittelbaren Anschluss an die Ostienränder, sondern nehmen die Mitte zwischen je zwei aufeinander folgenden Ostienpaaren ein. Bei der Diastole erkennt man zwei gegenüberstehende, von den Herzwandungen entspringende, etwas nach vorn gekrümmte blattartige Falten der Intima (?), die zwischen sich einen beträchtlichen Raum freilassen (m). Bei der Systole klappen diese zwei Platten zusammen, und verwehren so dem vor ihnen gelegenen Blute den Rücktritt. Es schien mir aller- dings, dass sich vorn an diese Interventricularklappen eine federnde Vorrichtung als Analogon zum kegelförmigen Hohlmuskel bei Melolontha ansetzt; bei der Kleinheit des Objectes konnte ich indess nichts Bestimmtes erkennen. Völlig gleiche Einrichtungen der Ostien, wie bei der Chirono- mus-Larve, findet man bei den Larven der Ephemera; besondere Interventricularklappen sind indess hier nicht entwickelt und können wohl auch insofern überflüssig werden, als schon durch die sich fast berührenden {Einstülpungen der Ostien ein genügender Verschluss bewirkt wird, der, wie Beobachtungen an lebenden Herzen zeigen, allerdings nicht hindert, dass bei der Systole ein nicht unbeträcht- licher Theil des von der hinteren Kammer und durch die Ostien aufgesaugten Blutes wieder in die erstere zurücktritt. Eine nähere Besprechung verdient auch die Ostiengegend am Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 149 Herzen der Heuschrecken, wo mir mancherlei Modificationen bekannt geworden sind. Bei Ephippigera (Fig. 17) laufen die Ringfasern in der Nähe der Spaltöffnungen nicht mehr parallel ‚mit der Queraxe des Herzens, wie an den mittleren eingeschnürten Theilen desselben, sondern nehmen eine gegen den Östienquerschnitt convergirende Stellung an. Zum bessern Verständniss dieses eigenthümlichen Ver- hältnisses kann man sich jede Ringfaser aus zwei seitlichen, halb- kreisförmigen Stücken bestehend denken, die aber nicht in eine Ebene fallen, sondern in einem gegen die Ostien zu wachsenden Winkel sich schneiden. Indem nun die oberen und unteren Schen- kel der zwei halbbogenförmigen Muskelreifen in der mediären Linie verschmelzen, entsteht an der ventralen und dorsalen Flächenansicht eine Art doppeltgefiederter Muskel, dessen Knotenpunkt unmittel- bar zwischen den Ostien gelegen ist. An dem letzteren Orte hat es übrigens den Anschein, als ob die Fasern in Form einer Doppel- schlinge die Ostienränder umgäben (Fig. 21), dass also, mit anderen Worten, nicht die Muskel-Stücke oe und h (Fig. 17) zusammenge- hörten, sondern dass der Schenkel o der hinteren Herzkammer nur die Fortsetzung des Schenkels v der vorderen Herzkammer wäre, oder, auf Fig. 21 bezogen, dass nicht!der Halbbogen @’y d und a ß Ö eine Ringfaser vorstellen, sondern der arcus «y.d der hinteren Herz- kammer zusammen mit dem Bogen «Cd der vorhergehenden Kammer. Die Ostien erweisen sich hier als einfache Spaltöffnungen, ohne dass es zur Bildung einer hinteren und vorderen Klappe oder nur taschenförmiger Einstülpungen kommt. Die Ränder der Spaltöff- nungen werden aus etwas stärkeren und schärfer quergestreiften Fasern gebildet, durch deren Zusammenschnürung vorzugsweise die Ostien geschlossen werden, wie das aus den construirten Kräftepa- rallelogrammen in Fig. 21 hervorgeht, wo die den Verschluss herbeifüh- renden und gegen einander wirkenden Kräfte eb und eb’ sich als Componenten der in der Richtung der schrägen Muskelfasern thätigen Kräfte darstellen. Einen wesentlichen Antheil beim Verschluss der Ostienklappen wird man auch dem gesammten dorsalen und ventralen doppelt ge- fiederten Muskel zuschreiben müssen. Wahrscheinlich wird bei der Zusammenziehung des betreffenden Herzstückes auch eine Art Wulst zwischen den Ostien hergestellt, der den Rückfluss des Blutes in die hintere Herzkammer hindert. 150 Dr. V, Graber: Dass wir es an den Spaltöffnungen des Ephippigeraherzens mit keinerlei klappenartigen Einstülpungen der Herzwände zu thun haben, zeigt sich am besten, wenn man das Herz längs der mediären Linie aufschneidet und die dadurch gebildeten Lappen ausbreitet. Man erkennt dann einfache, von dicken Muskelfasern umgebene spindelförmige Oeffnungen. Eine, wenn auch nicht bedeutungsvolle, Abweichung von dem bei Ephippigera geschilderten Bau der Herzgegend in der Nähe der Östien wird bei Odontura beobachtet (Fig. 19). Die Spaltöffnungen (sp) liegen nämlich hier fast ihrer ganzen Ausdehnung nach auf der dorsalen Fläche des Herzens, während nur ein ganz geringer Antheil auch auf die seitlichen Partieen sich erstreckt. Damit in Beziehung steht wohl auch der Verlauf der Primitivfasern, welche gleichfalls nur an der Rückenfläche des Herzens den bei der Ephip- pigera geschilderten Verlauf nehmen (d), während die ventralen Stücke der Ringfasern ganz parallel zur Queraxe des Gefässes sind (v). Durch die kleinen gardinenartigen Einstülpungen der Östien- ränder wird hier auch ein Uebergang zu den taschenartigen Ostien- bildungen von Melolontha u. A. vermittelt. Eine ungleich beträchtlichere Modification findet sich dagegen an der Ostiengegend von manchen Acridiern, z. B. Stenobothrus lineatus. Wird das Herz dieser Heuschrecke mit Goldchlorid be- handelt, und dann in halb vertrocknetem Zustande untersucht, so lässt sich unschwer ein Theil der dorsalen Wand in der Nähe der Spaltöffnungen abtragen. Man erblickt dann einen mittelst zweier flächenartiger Ausbreitungen von der ventralen Seite des Herzens entspringenden Längsbalken, der die Queraxe der Ostien über- brückt (Fig. 6, Tr). Die einzelnen sehr distincten Längsfasern dieses Trabekels sind sehr scharf quergestreift und stimmen völlig mit den typischen Ringfasern überein. An den Ausbreitungen der Flügel verschmelzen sie mit den cireulären Primitiveylindern. Die Länge des ganzen Trabekels misst 0.4 mm., jene der schmalen Brücke 0.16 mm., während die Breite der letzteren 0.028 beträgt. Es liegt wohl ziemlich auf der Hand, dass der beschrie - bene Muskel nur eine besondere Differenzirung des bei Ephippigera noch eng mit der Herzwand ver- bundenen doppelfiedrigen Muskels ist. Hinsichtlich der Function dieses Gebildes ist ziemlich klar, dass durch seine Con- Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 151 traction der Verschluss der Ostien (sp) wenn nicht allein bewerk- stelligt, so doch wenigstens unterstützt wird. Es wäre auch mög- lich, dass in dem Trabekel, der bei der Systole ganz in die Mitte des Herzlumens zu liegen kommt, eine Art Sperrvorrichtung gegeben sei, wobei die von demselben gebildeten Taschen (« £) einen Theil des Blutes auffangen können. Mit den von den Autoren beschriebenen Klappen haben aber die Flügel unseres Trabekels nichts zu thun. U. Befestigungsapparat des Rückengefässes. Seitdem man von der Ansicht abgekommen, dass die „Flügel- muskeln“ einen wesentlichen Antheil bei der Diastole des Rücken- gefässes hätten, glaubt man in ihnen einen Befestigungsapparat für das Herz erkennen zu müssen. Letztere Ansicht ist indess, wie später ausführlicher gezeigt werden soll, noch weniger gerechtfertigt, als die erstere. Der eigentliche Befestigungsapparat des Rückengefässes ist bisher gänzlich übersehen worden; einen guten Einblick in denselben ge- statten Querschnitte durch den dorsalen Theil des Abdomens. Meine Beobachtungen beziehen sich auf Acridier (Oedipoda) und Locustiden (Ephippigera). Bei der erstgenannten Form (Fig. 3) erkennt man mehrere von der dorsalen Cuticula auf den Rücken und die Seiten des Herzens herabreichende Muskeln (s). Dieselben sind zumeist Primitivfasern, welche sich hier (in der Nähe des Herzens) in Primitivfibrillen zer- fasern, wodurch ein enges, die Seiten- und Rückenfläche des Herzens umspinnendes Netz entsteht, das direct mit der Adventitia zusammen- hängt. Die Breite der Muskelfasern misst 0.07 mm. Bei Ephippigera ist das Verhalten des fraglichen Apparates in- sofern etwas abweichend, als von der dorsalen Hautdecke, radiär zur Längsaxe des Herzens, lange Chitindornen entspringen, an welchen sich dann ihrerseits die Befestigungsmuskeln inseriren. Die Function der beschriebenen Muskeln ist naheliegend, sie wirken zusammen als eine Art Suspensorium, indess ist das ihre einzige Function nicht. Wie wir später hören werden, wird der gesammte Herzschlauch während der Diastole etwas nach unten gezogen, und das Suspen- 152 Dr. V. Graber: sorium hat nun eben die Aufgabe, nach Art einer Feder, das Herz wieder in die frühere (Systole) Stellung zurückzuführen. HE. Pericardialseptum. Die sog. alae cordis oder Flügelmuskeln der Autoren stellen nach meinen Untersuchungen eine zusammenhängende, nur stellen- weise durch kleine, fensterartige Lücken durchbrochene Haut dar (Fig. 2, S), durch welche die abdominale Leibeshöhle in zwei sehr ungleiche Stockwerke getheilt wird. Im unteren Stockwerke liegt der Darmtractus (D) mit seinen Adnexen (z. B. den vasa Malpighii [g]), ferner der damit gleichfalls eng zusammenhängende Fettkörper, sowie das Tracheensystem und die Bauchganglienkette. Bei den geschlechtsreifen Thieren wird ausserdem der grösste Theil der ventralen Leibeskammer durch die Genitaldrüsen ein- genommen. In den zwischen den aufgezählten Organsystemen gelegenen be- sonderer Wandungen entbehrenden Hohlräumen cireulirt bekanntlich das Blut. Im oberen oder dorsalen Leibesraum liegen, ausser dem Her- zen (H), zum grösseren Theile nur verschiedenartige Bildungen des zelligen Bindegewebes, durchflochten von einem hier ungemein reich entwickelten Tracheennetz. Von den Organen der unteren Leibeskammer findet man nur grössere oder kleinere Stücke der Malpighi’schen Gefässe. Wie aus den folgenden Untersuchungen hervorgehen wird, ist der dorsale, das Herz umgebende Hohlraum als ein ächter Peri- cardialsinus aufzufassen, wesshalb wir auch die einzig und allein auf diesen beschränkten Zellen kurzweg Pericardialzellen nennen und dem entsprechend der früher erwähnten Flügelmuskelhaut den Namen Pericardialseptum beilegen. Soviel zur vorläufigen Orientirung ; der genaueren Darstellung des Pericardialseptum schicken wir die wichtigeren der bisher über diesen Gegenstand bekannt gewordenen Daten voraus. Dabei machen wir wieder die Erfahrung, dass gerade die ältesten Angaben, nämlich die von Strauss D., der Wahrheit zunächst kommen. Strauss beschreibt die Flügelmuskeln des Maikäfers als zwei Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 153 breite bandartige Gewebe, welche auf jeder Seite mit einer Sehne (?) vom vorderen Rande der abdominalen Rückenschienen entspringen. Von diesem Ansatz, sagt er weiter, begeben sie sich nach innen und zertheilen sich mehr und mehr, indem sie allmälig breiter wer- dend am Herzen ein Gewebe bilden, welches aus einer Menge kleiner Streifen zusammengesetzt ist, von denen die unteren sich in eine Membran vereinigen, welche an der Unterfläche des Herzens be- festigtist, und sich mit denen der entgegengesetzten Seite vereinigen, während die oberen sich an der Seite des Herzens festsetzen !). Die zu den Spaltöffnungen hintretenden Streifen befestigen sich nach Strauss nicht unmittelbar am Herzen, sondern an kleinen, die Spaltöffnungen überbrückenden Bogenstücken (Fig. 18b), so dass, wenn diese Bögen von den Bändern nach aussen gezogen sind, man .bei jeder Oeffnung ein halbkreisförmiges Loch in den Flügeln des Herzens bemerkt, durch welches der Eintritt des Blutes in das Herz erleichtert wird. Bei den meisten Insecten, fährt Strauss fort, sind die Fasern dieser bandartigen Gewebe mit einer ziemlich beträchtlichen Menge eines körnigen Fettes versehen, welches diese letzteren wie aus kleinen Körnchen gebildet erscheinen lässt. Burmeister hat die in ihren gröbsten Grundzügen ziemlich richtigen Angaben von Strauss durch seine eigenen Nebenbemer- kungen zuerst in ein zweifelhaftes Licht gestellt. Er sagt, die Verbindung der muskulösen Flügel mit dem Her- zen, welche keinen anderen Zweck hat, als den, das Herz in seiner Lage zu erhalten, ist innig, ohne dass man genau sagen könnte, wie? ob Fasern von den Flügeln zu denen des Herzens hinübergehen oder ob die Herzhäute seitliche Duplicaturen aussenden. Am Rückengefäss der Libellen sollen ferner nach ihm die Flügel ganz fehlen, während bei Phasma nur ein einziges Flügelpaar am 6ten Hinterleibsring vorhanden wäre. Von neueren Zootomen führen wir, mit Uebergehung der minder bedeutenden Daten, zunächst Leydig an, wenngleich seine hierauf 1) In der zugehörigen Abbildung aber erscheint das Rückengefäss direet von den Flügelmuskein eingehüllt, als ob letztere aus zwei Platten beständen, die das Herz zwischen sich fassen. Diese Auffassung zeigen auch fast alle mir bekannten bildlichen Darstellungen des Insectenherzens in den diversen Hand- büchern und Atlanten der Zoologie. 154 Dr. V. Graber: bezügliche Notiz (in seinem Lehrbuch der Histologie) wegen ihrer Kürze nicht ganz verständlich ist. Er sagt: Bei den Insecten sehen wir das Herz von einer eigenthümlichen Masse umhüllt, welche ausser einer hellen, homogenen Grund- und Verbindungssubstanz aus grossen Zellen (unseren Pericardialzellen) besteht. In die helle Bindesubstanz verlieren sich die Scheiden der drei- eckigen, hautartig ausgebreiteten Flügelmuskeln, welche das Herz an die Leibessegmente befestigen. Die Frage nach den näheren Beziehungen zwischen Herz und Flügelmuskeln bleibt hier unerörtert. Weissmann hält die Flügelmuskeln, gleich der Mehrheit seiner Vorgänger, gleichfalls für einen Fixationsapparat, woraus sich schon a priori schliessen lässt, dass er über die Natur derselben nicht ins Klare gekommen ist. Das Rückengefäss der (Musciden-) Larve besteht nach ihm aus drei Theilen, von welchen nur die beiden hinteren durch Flügel- muskeln befestigt werden. Alle diese sind aber nicht an der Körper- wand, sondern an den Tracheenstämmen angeheftet. Zum hintersten Abschnitt treten von jeder Seite drei Flügel- muskeln heran, die sich durch Vermittlung von Zellen an das Gefäss befestigen. Je ein Flügelmuskel tritt hierbei an eine ganze Reihe von Zellen, indem er sich auf dem Wege zum Rückengefäss in meh- rere Bündel theilt, von denen jedes zu einer Zelle verläuft und von denen je die äussersten miteinander verschmelzen, so dass also die Flügelmuskeln einer Seite unter einander znsammenhängen. An der Zelle angekommen spaltet sich, nach W., das Sarko- lemma der Flügelmuskeln in zwei Platten und bekleidet die obere und untere Fläche der Zelle als zarte, feingefal- tete spinngewebartige Haut. Von hier geht sie dann auf das Rücken- gefäss selbst über und bildet auf ihm einen netzartigen Ueberzug, von dem sich schwer mit Sicherheit sagen lässt, ob er noch eine geschlossene Haut oder bloss ein Gewebe feiner Fasern mit Maschen- räumen dazwischen vorstellt. Wahrscheinlicher dünkt W. das Erstere und er glaubt in Folge dessen auf die Gegenwart eines das Herz umgebenden Pericardialsinus schliessen zu dürfen. Sehr deutliche Grenzen würde dieser Weissmann’sche Pericar- dialsinus allerdings nicht haben. Bei der Puppe und beim Imago würde sich übrigens nach Weissmann’s Darstellung die Sache wesentlich anders verhalten. „le Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 155 Auffallend war mir W. Begründung, warum das Herz am Beginn des Puppenstadiums nicht mehr fungire, da seine Flügelmuskeln zerfallen und eine Erweiterung des Herzens nach geschehener Con- traction nicht mehr möglich sei. W. scheint sonach auch. die Au- tomatie des Inseetenherzens in Frage zu ziehen, als ob das allerein- fachste Experiment, nämlich die Durchschneidung sämmtlicher Flügelmuskeln, in dieser Angelegenheit nicht ganz entscheidend wäre. a) Anatomisches und Physiologisches. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, in diesem Abschnitt die wichtigsten Ergebnisse unserer Forschungen betreffs des gröberen Baues und der Verrichtung des Pericardialseptum zusammenzu- stellen; in ausführlicherer Weise werden dann in einem nächsten Kapitel die histologischen Verhältnisse besprochen werden. Die Gestalt und Lagerung der Flügelmuskeln ist bekannt ihre Anzahl ist nach den verschiedenen Gruppen und selbst Gattungen verschieden; bei den Heuschrecken zählte ich durchgehends deren neun Paare. Von einer besonderen Befestigungssehne, wie sie Strauss an- nimmt, ist Nichts da. Die zu einem Flügel gehörigen Muskel- primitivfasern bilden an der Insertionsstelle einen zusammengedrückten kleinen Trichter, dessen Oefinung auf der Hypodermis aufsitzt. Bei manchen Formen (z. B. Stenobothrus) zerfallen die Fasern eines Flügels in mehrere secundäre Flügel oder Bündel, deren jedes für sich auf die angegebene Weise an der Matrix befestigt wird. In der Mehrzahl der Fälle liegt die Insertionsstelle der Flügel- muskeln ganz hart am Vorderrand der Segmente und zwar un- mittelbar über der Befestigungsstelle der Längs-Myokommata. ' Die Längsaxe zweier zusammengehöriger Flügel verläuft sonach wenig hinter dem Grenzstrich der Segmente, so dass die mehr oder weniger tief gehenden dreieckigen Einschnitte zwischen den leiter- artig aufeinanderfolgenden Flügelmuskelpaaren ziemlich mit den Ostienregionen zusammentreffen. Von der Insertionsstelle aus divergiren die Miskelisern gegen die Medianlinie, d. i. das Herz zu und bilden, alle in der nämlichen Ebene sich ausdehnend, eine dünne, einschichtige Hautlage. Dabei stehen die Muskelfasern der beiderseitigen Flügel in 156 Dr. V. Graber: directer Verbindung untereinander (Acridier) oder sie hören in grösserer oder geringerer Entfernung vom Rückengefäss auf, und werden dann durch ein gleichzeitig als Perimysium fnngirendes Bindegewebe mitsammen verknüpft. Diese bindegewebige Verbindung der beiderseitigen Flügelmuskeln, nennen wir: Flügelmuskelsehne oder auch bindegewebiges Septum. Von höchster Bedeutung für die Funktion des Flügelmuskelapparates ist die Beziehung desselben zum Rückengefäss und zu den Pericardialzellen. Um mich hierüber zu instruiren, verfuhr ich folgender- massen. Ich öffnete das früher längere Zeit in einer erhärtenden Flüssig- keit gelegene Thier von der Bauchseite, nahm die Eingeweide heraus und schnitt dann vom Rücken des Thieres einen Längs- streifen heraus, dessen Breite gerade jener der beiderseitigen Flügelmuskeln entspricht. Hierauf schälte ich sorgfältig das Integument weg und brachte das Präparat in seiner natürlichen Lage, d.i. mit der Rückseite nach oben, auf den Objectträger. Wenn man nun unter dem Präparir- mikroskop die zunächst unter dem Integument liegenden Gewebe entfernt, so überzeugt man sich, namentlich bei grösseren Formen, sehr bald, dass das Pericardialseptum eine einzige zu- sammenhängende Membran bildet, auf welcher in der Mitte der Herzschlauch und seitwärts, sowie über dem letzteren die Peri- cardialzellen sammt anderen Zellgeweben aufruhen. Nur verhältnissmässig feine Fäserchen, mit freiem Auge meist gar nicht sichtbar, gehen von der Oberseite des Sep- tum auch auf die Zellen und von dort aufs Rückengefäss über; die Verbindung des Septum mit den Zellen und dem Herzen ist aber von so loser Natur, dass man die ersteren, ohne dass man sich’s versieht, vom Septum losreisst. Von einer eigentlichen Umspinnung des Rückengefässes durch die von den Flügelmuskeln abgehenden Fasern ist keine Rede, ja das Septum ist nicht einmal mit der ventralen Fläche des Herzens in einer näheren Verbindung. Davon über- zeugt man sich am Besten durch Querschnitte. Lässt man den aus dem Rücken herausgeschnittenen Längsstreifen, in dessen Mitte das Herz verläuft, in 2°/, Chromsäure erhärten und faltet ihn dann längs der Medianlinie zusammen, so lassen sich in Hollundermark ganz prächtige Diagramme herstellen, die dann am zweckmässigsten Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 157 in einem Gemisch von Glycerin und Essigsäure oder in 35°/, Kali- lauge aufgehellt werden. Dabei wird man häufig Bildern begegnen, bei welchen das Septum vom Rückengefäss völlig isolirt erscheint. Fast durchgehends erkennt man auch, dass die Pericardialzellen zwischen dem Septum und den lateralen Theilen! des Rückengefässes eingekeilt sind (Fig. 3 pz'). Bei einiger Vorsicht kann man übrigens auch am pulsirenden Herzen grösserer Insekten das Pericardialseptum vom Rückenge- fässe zum Theile abheben, wodurch das letztere nicht im Mindesten verletzt wird, wie aus der ungestörten Pulsation desselben her- vorgeht. Aus dem Bisherigen ergiebt sich zunächst, dass das Pericardial- septum mit der Diastole des Herzens gar Nichts zu thun hat, denn selbst in jenen Fällen, wo die Pericardialzellen durch feine Ausläufer des Septums mit dem letzteren sich verbinden, wird man die An- spannung der gleichzeitig auch mit der Herzwand verknüpften Zellen durch die Flügelmuskeln nicht mit der Herzexpausion in Be- ziehung bringen dürfen. Gegen eine solche Auffassung spricht schon ein leicht anzu- stellendes Experiment. Oeffnet man ein grösseres Insect, z. B. einen Maikäfer, von der Bauchseite, entfernt rasch die Eingeweide und durchschneidet die Flügelmuskeln in der Nähe des Herzens, so kann man letzteres trotzdem noch über eine Stunde pulsiren sehen. Eine allerdings nur geringfügige locale Veränderung erfährt das Herz durch das Pericardialseptum dadurch, dass es bei der Contrac- tion des letzteren etwas nach unten, d. i. also gegen die Bauchseite gezogen wird. Schon oben ward angegeben, dass das sog. Herzsuspensorium die Aufgabe hat, dem Herzen seine frühere Stellung zu sichern. Es hat sich bisher gezeigt, dass das Pericardialseptum weder bei der Diastole einen nennenswerthen Antheil nimmt, noch weniger aber als Fixationsapparat am Platze ist. So werden wir auf eine andere Function hingeleitet, die, so klar sie mir erscheint, trotzdem noch von Niemand erwähnt wurde. Auch hier wird man mit Vortheil Querschnitte, und zwar auch solche durch das ganze Abdomen, studiren. Aus Fig. 2, die ein solches Abdominaldiagramm durch den 158 Dr. V. Graber: 6ten Ring von einem Stetheophyma grossum - 4“ darstellt, ist vorerst zu ersehen, dass das Pericardialseptum eine von der Bauchfläche des Rückengefässes zu beiden Körperseiten herabsteigende,, also ungefähr dachförmige oder bei anderen Formen halbeylindrische Haut bildet (S), die sich bei k also etwas über der Mitte der steilen Körperseiten an das Hautskelet anschliesst. | Was wird nun geschehen, werden wir uns fragen müssen, wenn sich die Flügelmuskel gleichzeitig mit der Expansion des Herzens zusammenziehen ? Offenbar werden die unter dem Septum gelegenen Organe zusammengepresst, denn die in der Richtung mm und mp (Fig. 4) wirkenden gleichen Kräfte geben eine in der Richtung mx, d. i. in der mediären Verticalebene des Körpers, wirkende Re- sultirende, welche das Septum mit dem darunterliegenden Gewebe sagen wir in die Lage m, oder ms bewegt. Die nothwendige Consequenz dieses Druckes und der damit zu- sammenhängenden Erweiterung der dorsalen Leibeskammer (um den Theil m bis mg) ist jedenfalls die, dass ein Theil des zwischen den Organen der verticalen Leibeshöhle cursirenden Blutes in den Pericardialsinus abfliesst, was sowohl in den Einschnitten zwischen den Flügelmuskeln geschehen kann, als auch durch die im binde- gewebigen Theil des Septum befindlichen fensterartigen Lücken (Fig. 12, L). Da gleichzeitig mit der Contraction der Flügelmuskeln auch die damit zusammenhängenden Pericardialzellen von dem Herzschlauch zurückgezogen werden, so wird dadurch dem Blute zugleich die Bahn geöffnet, in die Spalten des Herzens einzudringen. Zaddach und Andere haben die Meinung ausgesprochen, dass die über dem Darm und unter dem Herzen ausgespannte Membran bei manchen niederen Krebsen (z. B. Holopedium), welche dem Pe- ricardialseptum der Insecten jedenfalls wenn nicht homolog, so doch sicher analog ist, den Zweck haben mag, den Blutstrom zu zwingen, bis an das hintere Körperende hinabzusteigen, um dann von dort aus in die obere Körperhöhle und das Herz einzutreten. Ich möchte sehr daran zweifeln, dass diese Erklärung auch auf die Insecten anwendbar ist. So viel ich einsehe, muss das Blut bei der Zusammenziehung der beschriebenen Kör perpresse überall einen Ausweg suchen, der ihm eben nur durch die Interstitien der Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 159 Flügelmuskeln und die oben erwähnten grossen Lücken des Septums hindurch gestattet ist. Nach Zaddachs Darstellung würde sich übrigens das Septum seines Krebses ganz passiv verhalten, was bei den Insecten, wo ja überwiegend musculöse Elemente vertreten sind, durchaus nicht der Fall ist. Wenn die Frage nach der Grösse des durch das Septum er- zeugten Druckes angeregt wird, so haben wir einerseits auf die Stärke der Flügelmuskeln und andererseits auf die Grösse des Win- kels Bedacht zu nehmen, den die Tangenten der beiden Septum- hälften (in Fig. 4 die Componenten mn und mp) einschliessen. Mit dem Wachsthum des letzteren nimmt offenbar der Druck ab. Verhältnissmässig klein ist der Septumwinkel, beziehungs- weise der Krümmungsradius desselben bei allen Insecten mit mehr comprimirtem Körper, also z. B. gerade bei den Acridiern, schon grösser bei jenen, deren Abdominaldiasramm mehr kreisrund ist, wie bei den Locustiden, Hymenopteren, Lepidopteren ; fast einem ge- raden nähert er sich aber bei den durch einen deprimirten Hinterleib ausgezeichneten Käfern, vielen Wanzen und anderen Formen. Es erscheint mir nicht uninteressant, dass, soweit meine Er- fahrungen reichen, gerade bei den letzteren Thieren die Länge der Flügelmuskeln, resp. die Breite des gesammten, in eine Ebene aus- gebreiteten Septum verhältnissmässig grösser ist, als bei den mehr rund- und schmalleibigen Insecten und so die Stärke derselben den geringen Krümmungsradius des Septum compensirt. Um nur ein Paar Beispiele anzuführen, so misst ein Septum- schenkel (mn Fig. 4) bei Stetheophyma 1.3 mm. und kommt so ungefähr der Breite des entsprechenden Dorsalmetamers (die ein- gestülpte Gelenkhaut abgerechnet) gleich. . Von der Gesammtlänge der ganzen dorsalen Leibesseite nimmt der Flügelmuskel etwa den dritten Theil ein. Bei Locusta, Ephippigera und anderen Locustiden dagegen sind die Flügelmuskeln bei 3,5 mm. lang und überziehen fast die ganze obere Hälfte der Kückenschiene, während sie bei den meisten Käfern, z. B. Melo- lontha, Lucanus, deren Abdominaldiagramm nahezu zweimal so breit als hoch, ist fast die ganze Dorsaldecke einnehmen und ihre Länge die Breite eines Ringes (längs der Medianlinie gemessen) fast um das Dreifache übertrifft. 160 Dr. V. Graber: Uebrigens sind das Verhältnisse, die noch einer eingehenden Prüfung bedürfen. So ist mir z. B. noch ganz unbekannt, wie die Sache bei den ganz platt gedrückten Formen, z. B. bei Phyllium, Aradus, Phy- mata, Nepa etc. steht. Nur an das Eine möchte ich erinnern, dass hier schon die geringfügigste Ortsveränderung des Septum eine sehr ausgiebige Dislocirung des darunter kreisenden Blutes be- wirken müsste. Aus dem Verhalten des Pericardialseptum geht hervor, dass den Insecten ein Herzbeutel in dem Sinne der Dekapoden gänzlich mangelt. Wenn ‚wir trotzdem den das Herz umgebenden Raum als Pericardialsinus bezeichnen, so stützen wir uns dabei nur auf die functionelle Bedeutung desselben. Die Grenzen unseres Blutsinus sind nach unten gegeben durch das Septum, von den Seiten durch die Längs-Myokommata (Fig. 3 )), nach oben, falls die letzteren dort fehlen, wie z. B. bei vielen Acri- diern, durch das dorsale Integument. Nach unten und seitwärts reicht der Blutsinus bis zur Insertion der Flügelmuskeln. b) Histologisches. - Da frühere Forscher bei der Besprechung der Flügelmuskeln weder des feineren Baues der Muskelfasern und noch weniger des damit zusammenhängenden Bindegewebes Erwähnung thun, so hielt ich es für zeitgemäss, gerade in dieser Richtung mich genauer um- zusehen. Wenn aber die Herren Histologen von Fach mit den erhaltenen Resultaten, speciell betreffs gewisser Bindegewebsformen, nicht völlig befriedigt sein sollen, so mögen sie sich des Gesagten erinnern und je eher desto lieber dieses Kapitel in die Hand nehmen. Muskeln. Hinsichtlich des Verhaltens der Flügelmuskeln können wir auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen drei Fälle unterscheiden. 1. Die Muskelprimitivfasern endigen beiderseits des Herzens und nehmen einen durchaus getrennten Verlauf. Dieser Fall ist der weitaus häufigste. So steht es bei den Grillen, Blattiden und Locustiden, bei den Coleopteren, den meisten Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 161 Hymenopteren (z. B. Bombus), bei den Rhynchoten (Mormidea) und den Lepidopteren (z. B. Saturnia). 2. Die Muskelprimitivfasern (Fig. 6 fm) laufen von ihrer Insertion aus ohne Anastomosen neben einander her, zer- fallen aber in der Nähe des Herzens in zahlreiche Fi- brillen (fm‘), die,mit jenen der gegenüberliegenden Seite verschmelzend, unter dem Herzrohr ein dichtes, schmal- maschiges Netz bilden. Dieses ganz eigenthümliche Verhalten wurde bisher nur bei den Acridiern Stenobothrus, Stetheophyma, Pezotettix, Oedipoda etc., so- wie bei einigen Schmetterlingen (z. B. Vanessa-Arten) beobachtet. 3. Die Muskelprimitivfasern tauschen schon vor ihrem Ursprung Anastomosen aus und bilden so ein lang- gestrecktes grobes Balkenwerk (Fig. 7**), das entweder mit der Gegenseite unmittelbar zusammenhängt (Vespa, Osmia, oder durch Bindegewebe wie bei Nr. 1 getrennt wird (Bombus, Formica, Xylo- copa, Apis). Diese Muskelanordnung ist charakteristisch für viele Hymen- opteren. Eine nähere Besprechung verdient nur der Fall No. 1, wobei gewisse hier zur Sprache kommende Verhältnisse auch auf die übrigen Fälle Anwendung haben. Wir wissen, dass die an der Insertionsstelle in einen Büschel zusammengefassten Primitivfasern gegen das Herz hin radiär aus- einanderlaufen. Die dadurch entstehenden interradialen Sectoren des Septum werden durch spinnwebeartiges Bindegewebe ausge- füttert (Fig. 16 e). Es kommt aber auch vor, dass mehrere Fasern bis zu ihrer Endigung ganz hart nebeneinander verlaufen. Das Ende der Primitivfasern befindet sich, wie bereits erwähnt, in sehr wechselnder Distanz vom Rückengefäss (Fig. 12 und Fig. 17 fm). Bei Gryllotalpa und etlichen Hymenopteren sah ich Fasern, die ganz hart an das Herz, richtiger gegen die Medianlinie des Septums herantraten. Es muss aber gleich bemerkt werden, dass man am frischen Septum wohl kaum jemals die Endigung der Fasern in den Flügel- muskelsehnen mit erwünschter Schärfe beobachten kann (Fig. 16 «). Da nämlich die Querstreifung der Fasern oft ganz in den Hin- tergrund tritt und nur die Längsstreifung als Ausdruck der sog. M- Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 1i 162 Dr. V. Graber: Primitivfibrillen sichtbar ist, so gewinnt es häufig den Anschein, als ob die Fasern sich unmittelbar in das Bindegewebe fortsetzten und dies namentlich dann, wenn letzteres einen fibrillären Charakter an sich trägt, wie z. B. bei manchen Locustiden und vielen Käfern, von denen ich speciell Carabus und Silpha anführe (Fig 7* A). Zur Verdeutlichung der Muskelendigungen kann man sich ver- schiedener Reagentien bedienen. Wir nennen zuerst Alkohol. Längere Zeit in Alkohol gelegene Flügelmuskeln bieten ein sehr wechselndes Aussehen dar und dies gilt sogar für eine und dieselbe Species nach der verschieden lang- dauernden Einwirkung desselben. Bald sind die Disc mit aller wünschenswerthen Schärfe abge- setzt (Locusta, Ephippigera, Oedipoda), bald ist aber auch keine Spur davon zu erkennen. Als Regel ist aber zu notiren, dass nach Alkoholeinwirkung und namentlich dann, wenn später reichlich Wasser zugegossen wird, die Dise der Herzmuscularis und der Längsmyokommata stets ausge- zeichnet schön hervortreten. Im letzteren Falle erhält man zu- weilen (Ocypus) ganz ähnliche Bilder, wie nach 1 °/, Salzsäure. Die Dise treten innerhalb des collabirten Sarcolemmaschlauches oft weit auseinander und können fast geldrollenartig aus demselben mittelst der Präparirnadel entfernt werden. Die Trennung der Disc in die Fleischelemente kann dabei mehr oder weniger ausgesprochen sein. Dieses ganz differente Verhalten der Längs- und Flügelmuskel- fasern gegenüber einem und demselben Reagens scheint doch auf eine chemische Verschiedenheit der betreffenden Kittsubstanzen hinzuweisen, insofern der Längskitt der Flügelmuskeln gegen Alkohol weit resistenter sich verhält, als jener der Stammmuskeln. Als weiterer Unterschied zwischen den Stamm- und Flügel- muskeln ist noch hervorzuheben, dass, falls die Disc der Flügel- muskeln nach Alkohol sichtbar werden, die hinteren und vorderen Ränder derselben immer ganz scharf, wenn auch mit gröberen Zacken erscheinen, als jene der Längsmuskeln, bei denen der ele- mentare Zerfall stets weiter gediehen ist. Mit dem besten Erfolg habe ich zur Markirung der Muskelenden conc. oder auch verdünnte Salpetersäure angewendet. Es bilden sich unter ihrem Einfluss zwischen den scharf hervortretenden gelb- lich glänzenden Disc tiefe Einkerbungen (Fig. 7*Bf und 162). Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 163 Gute Dienste leistet ferner Karmintinction (Fig. 166), sowie die Behandlung mit dem Millon’schen Reagens, wodurch die Muskeln weit intensiver als das Bindegewebe geröthet werden. Auch Chromsäure wird mit Vortheil angewendet (Fig. 16£). Namentlich treten hier die sarcous elements sehr schön hervor. Prächtige Bilder gibt auch die sog. Xanthoproteinsäurereaction (n) und Goldchlorid (9). Wer derlei Präparate studirt, wird hoffentlich die bisher ziem- lich allgemein verbreitete Ansicht aufgeben, dass die Flügelmuskeln unter dem Herzen hautförmig werden. Die Flügelmuskelfasern zeigen meist ihrer ganzen Länge nach dieselbe Breite, indess kann man doch stellenweise eine deutliche Verschmälerung gegen das Ende zu bemerken (Fig. 169). Das Ende der Faser, sehr gut auch in Kalilauge hervortretend, ist entweder einfach abgestutzt, oder geht in eine, selten in mehre Spitzen aus. Von Bedeutung mag die auch anderwärts beobachtete Erschei- nung sein, dass an den Faserenden nicht selten auf beträchtlichen Strecken der Inhalt fehlt; es fragt sich aber nur, ob es sich an der frischen Faser auch so verhält. Betreffs der Anzahl der zu einem Flügel vereinigten Primitiv- bündel fehlen mir ausgedehntere Beobachtungen; bei Colymbetes zählte ich durchschnittlich 50 Fasern. Zahlreiche Notizen machte ich mir dagegen bezüglich der Länge und Breite der Disc. Ein engerer Zusamenhang zwischen der Grösse der Thiere und der Breite der Flügelmuskelfasern kann durchaus nicht constatirt werden. Denn während z. B. die Fasern einer kleinen Anthophora die beträchtliche Breite von 0.011 mm. erreichen, sind die Muskelfibern des Hirschkäfers nur 0.008 mm. dick. Eine beträchtliche Verschie- denheit in der Stärke der Flügelmuskelfasern wird überhaupt nicht beobachtet. Als Extreme fand ich 0.012 mm. (Locusta) und 0.006 mm. (Geyspus und Dorcus). Bei der Mehrzahl der einheimischen Locustiden, wobei allerdings fast nur Thiere von gleicher Grösse in Betracht kommen, ist die Breite der Flügelmuskelfasern 0.009 mm. Von der verhältnissmässig sehr grossen Länge (oder Höhe) der 164 Dr. V. Graber: Flügelmuskeldise war schon vorher die Rede. Mit Ausnahme von Anthophora und Vanessa, deren Scheiben fast fünfmal kürzer als breit sind, ist bei allen zur Untersuchung gekommenen Käfern und Heuschrecken der Längendurchmesser wenig oder gar nicht kürzer als der Querdurchmesser, so dass die Fleischscheiben dieser Thiere gleichseitige Cylinder vorstellen. Ich hebe das insbesondere im Gegensatz zu den Längsmuskeln hervor, deren Scheibendurchmesser nach der Länge vier- (Ephip- pigera, Stenobothrus) bis siebenmal kürzer erscheint als nach der Quere. Was die zwischen den Fleischelementen befindlichen Kittsub- stanzen betrifft, so ist deren Ausdehnung eine ziemlich verschiedene, aber durchgehends geringer als jene der sarcous elements. Bei Lucanus misst das Längsbindemittel 0.002 mm., das Quer- bindemittel 0.0005 mm., womit auch ungefähr die Breite der sarcous elements übereinstimmt. Ein ähnliches Messungsresultat giebt Platycleis. Die den Flügelmuskelfasern eingelagerten Kerne sind nur selten zu erkennen. Bei Oedipoda fand ich sie (mach Alkoholzusatz) von rundlich-elliptischer Gestalt und 0.01—0.012 mm. Länge. Sie liegen stets alternirend hintereinander. Bindegewebe. Wenn wir von der inneren homogenen Lage der Hypodermis (Fig. 12 cu) absehen, die man gelegentlich dem Corium höherer Thiere segenüberstellt und die als sog. Sarkolemma (Fig. 7*r) und Peri- mysium auf die Haut- und Flügelmuskeln ‘übergeht, so können wir am Pericardialseptum morphologisch noch drei Bindegewebe von häu- tigem Charakter unterscheiden, die wir der Reihe nach als streifiges Sehnengewebe, als elastisches Fasergewebe und als Reticulum s. str. bezeichnen und beschreiben wollen. Erstgenannte zwei Gewebe bilden übrigens nur eine einzige Gruppe, deren extreme Erscheinungsformen aber sehr gut ausein- ander zu halten sind. . Streifiges Sehnengewebe. Mit Ausnahme der von mir untersuchten Acridier und einiger Hymenopteren (Apis, Vespa, Osmia) gehört der bindegewebige mediäre Abschnitt des Pericar- dialseptum sämmtlicher Inseeten in diese Kategorie, nur bei manch en Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 165 Käfern (Melolontha, Carabus etc.) scheint die typische Natur der elastischen Balkennetze in den Vordergrund zu treten, während bei den Blattiden (Ectobia) durch den Mangel der sonst so charakter- istisehen Längsstreifung ein Anschluss an das formlose, homogene Gewebe der Hypodermis gegeben ist, von dem es sich aber wesent- lich wieder durch den Besitz der sog. Bindegewebkörperchen unter- scheidet. Das in Rede stehende Gewebe zeigt in seiner prägnantesten Form, wie wir es beispielshalber bei den Locustiden und den meisten Käfern vorfinden, einen fibrillären Charakter, ohne dass es indess mit dem fibrillären Bindegewebe der Vertebraten parallelisirt werden dürfte. Von dem letzteren unterscheidet es sich nämlich auf mehrfache Weise. Einmal gelingt es niemals, auch nicht mit Anwendung von Kalk- und Barytwasser oder Kochsalzlösung gesonderte Fibrillen oder auch nur isolirte Fibrillenbündel darzustellen. Zweitens löst es sich in siedendem Wasser nicht auf und wird endlich durch Säuren, z. B. Essigsäure, das streifige Ansehen durchaus nicht verwischt. Dazu kommt noch die Reaction auf die sog. Xanthoprotein- säure, welche eine hochgelbe Färbung giebt, sowie auf das Millon’sche Reagens, das unser Bindegewebe merklich röthet, und ferner die grosse Resistenz gegen Alkalien. Durch die letztgenannten Eigenschaften und speciell durch seine eminente Widerstandsfähigkeit gegen conc. Natronlauge erinnert unser Gewebe an die elastischen Platten der Vertebraten, von denen es auch morphologisch oft kaum zu unterscheiden ist. Nach Rollett’s Dafürhalten scheint eine grosse Aehnlichkeit mit dem Balkengewebe des sog. ligamentum pectinatum Iridis des Menschen !) zu bestehen, während ich selbst auch manche Analogie mit den elastischen durchbrochenen Platten an der Innenwand des Schlemm’schen Canals beim Menschen?) erkennen zu müssen glaubte. - 1) Vgl. das Handbuch der Histologie v. Stricker. Kapitel Bindegewebe v. A. Rollett. 2) Dr. G. Schwalbe, Untersuch. über die Lymphbahnen des Auges ‚und ihre Begrenzungen. 2. Th. dieses Archiv 6. Bd. vgl. Taf. 18, Fig. 28 u. A, 166 Dr. V. Graber: Nicht überall ist die fibrilläre Natur so scharf ausgesprochen wie bei den Locustiden; denn während sie, wie schon erwähnt, bei Ectobia gänzlich fehlt (Fig. 10), sehen wir das Sehnengewebe von Melolontha, Lucanus, Dorcus und anderen Käfern (Fig. 23 und 13* fs) nur ganz undeutlich längsgestreift, so dass es völlig den Anschein gewinnt, dass man es hier nur mit stellenweisen, linearen Verdickungen und Erhärtungen der ursprünglich homogenen Grund- substanz (vielleicht durch Chitin?) zu thun hat. Sehr wechselnd ist die Anzahl, Beschaffenheit und Form der fast regelmässig im Sehnengewebe auftretenden Lücken. Bei man- chen Locustiden (Ephippigera, Platycleis, Thamnotrizor, Odontura, ferner bei gewissen Käfern, z. B. Carabus violaceus sind dieselben stellenweise sehr zahlreich, häufig von rundlicher Gestalt und durch wellenförmig geschwungene Conturen ausgezeichnet, so dass man, abgesehen von der chemischen Beschaffenheit, ein aräoläres Bindegewebe im engeren Sinne dieses Wortes vor sich zu haben glaubt (Fig. 17 x). Die z. B. bei Locusta mit ausserordentlicher Schärfe hervortretenden Scheinfibrillen haben eine Breite von un- gefähr 0.0009 mm. Gelegentlich scheinen die erwähnten Lücken, geradeso wie beim echten fibrillären Gewebe, durch circuläre Fibrillen ausgekleidet zu sein (Odontura). Vorherrschend begegnet man aber elliptischen und spindelför- migen Lücken, deren Längsaxe ausnahmslos mit der Längsrichtung der Flügelmuskeln und der Bindegewebskörper parallel läuft. In diesem Falle erscheinen die Ränder meist glatt und scharf conturirt. Der Längsdurchmesser dieser Lücken ist bei Lucanus ein ziemlich constanter und verhältnissmässig sehr klein, während er bei anderen Species, z. B. Dorcus, Melolontha, Dyticus sehr be- trächtliche Schwankungen zeigt (0.02—0.07 mm.). Bezüglich des Verhaltens der mehr oder weniger streifigen Grundsubstanz unseres Bindegewebes gegen chemische und Wärme- einflüsse fügen wir hier noch einige specielle Daten bei. Durch achtstündiges Kochen in Wasser wird das Sehnengewebe von Melolontha scheinbar gar nicht alterirt und bleibt speciell die Streifung erhalten. Ebensowenig verändert sich das Gewebe, wenn es längere Zeit mit Essigsäure behandelt, dann gewaschen und in Wasser viele Stunden lang gekocht oder bei 40° digerirt wird. Ziemlich rasch verliert sich dagegen die Streifung durch Be- "A Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 167 handlung mit Carmin (Fig. 16 d) und bei der Chromsäuretinction (Fig. 16 Z Fig. 11). Nach Zugabe von Salpetersäure glaube ich öfter eine Krümmung der Scheinfibrillen bemerkt zu haben, es fragt sich indess, ob die- selbe nicht auf die Schrumpfung des Gewebes zu beziehen ist (Fig. 16 £).' Gleichzeitig wird das Gewebe gelblich gefärbt (Dorcus). In 100/, Salzsäure löst sich das Sehnengewebe der Heu- schrecken in wenigen Stunden auf, in conc. Schwefelsäure schon nach etlichen Minuten. Nach Behandlung mit Kalkwasser tritt, wenigstens bei Ephippigera, die Streifung weit schärfer hervor, ohne dass es aber zur Isolirung von Fibrillen oder Fibrillenbündeln kommt (Fig. 16 &). Durch Goldchlorid wird eine violette, später eine intensiv blaue Färbung erzielt, wobei die Streifung erhalten bleibt und die Bindegewebszellen sehr distinet hervortreten (Fig. 16 9). In 20°), Kalilauge wurde das Bindegewebe von Odontura schon nach drei Stunden völlig zerstört. Ebenso verhält sich conc. Natronlauge gegenüber dem Bindegewebe von Ephippigera und Melolontha, während jenes von Dorcus selbst nach 6stündiger Einwirkung noch erhalten bleibt. Nicht minder re- sistent verhält sich das Gewebe von Odontura. Offenbar hat man es hier mit verschiedenen Här- tungsgraden zu thun, da doch nicht anzunehmen ist, dass functionell und morphologisch übereinstimmende Gewebe wesentlich verschiedener Natur seien. Es sind noch kurz die in unserem Bindegewebe vorkommenden Formbestandtheile zu besprechen. Nach den bisherigen Beobachtungen können wir, gerade so wie bei höheren Thieren, zweierlei Gebilde unterscheiden, nämlich vorherrschend rundliche, aber membranlose Zellen mit deutlichem Kern und dann vorwiegend langgestreckte stäbchen- oder spindel- förmige Körperchen ohne Andeutung eines Kerns. Rundliche, kernhaltige Zellen habe ich einzig und allein’ bei Blattiden vorgefunden (Fig. 10 k). Sie präsentiren sich, im Blute des Thieres oder in Müller’scher Flüssigkeit untersucht, als grob- körnige Klümpchen von etwa 0.014 mın. Durchmesser. Der fast überall deutlich hervortretende Kern ist kreisrund oder breit ellip- tisch und misst 0.008 mm. Pikrinsäure bringt an ihnen keine merkliche Veränderung hervor. 168 Dr. V. Graber: Stellenweise trifft man solche Zellen, wo der den Kern um- gebende Protoplasmahof verschwunden ist, also nur mehr der Kern persistirt. Auf Grund dieses Verhaltens könnte man wohl zur Ansicht kommen, dass die Bindegewebskörperchen der anderen Insekten nur den Kernen primärer Bindegewebszellen äquivalente Ueberreste vor- stellen. Dagegen spricht aber, abgesehen von der ganz differenten Gestalt dieser Kerngebilde, auch der Umstand, dass ich bei mehreren Schmetterlingsarten (Euprepia) niemals kernhaltige runde Zellen, sondern immer nur wurstartige, feinkörnige Protoplasmamassen vor- fand, die den Formbestandtheilen des fibrillären Bindegewebes im Netze von Säugethierembryonen sehr ähnlich sind (Fig. 15). Hinsichtlich der Verbreitung der langgestreckten Bindegewebs- körperchen ist nur zu erwähnen, dass sie von den untersuchten Thieren nur bei zwei Käfern, nämlich bei Lucanus und Dorcus, ver- misst wurden. In diesem Falle hat sich wohl das Bindegewebe auf Kosten der Formbestandtheile weiter modifieirt, als bei anderen Species, nimmt sonach genetisch eine höhere Stufe ein. Am häufigsten ist die Gestalt der in Rede stehenden Gebilde, wie schon erwähnt, stäbchen- oder spindelförmig, mit oft sehr lang ausgezogenen Enden (Locusta, Platycleis). Indess trifft man nicht selten auch hufeisenförmige, sichelartige und bisquitförmige Ge- stalten, wobei letztere vielleicht als Producte unvollständiger Thei- lung zu betrachten sind. Die Grösse der Bindegewebskörperchen ist selbst an einem und demselben Individuum sehr wechselnd, noch grössere Schwankungen trifft man bei verschiedenen Speeies. Als Extreme habe ich notirt 0.0077 mm. (Melolontha) und 0.0243 mm. (Ephippigera). Die durchschnittliche Grösse beträgt etwa 0.015 wm. Betreffs ihres Verhaltens gegen chemische Ein- flüsse ist wenig zusagen. Im Gegensatz zu den Formbestandtheilen des ächten fibrillären Bindegewebes der Wirbelthiere sind sie schon im frischen Gewebe gut erkennbar. Schöne Uebersichtsbilder geben Alkohol, Goldchlo- rid, sowie Tinctionen mit Karmin und 2°/, Chromsäure. Letztere bringt eine eigenthümliche Veränderung mit sich. Die sonst lang- gestreckten Körperchen blähen sich auf und nehmen eine mehr ovale oder ganz; kreisrunde Gestalt an (Fig. 16 £). Elastisches Fasernetz. Wie schon bemerkt, ist das Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 169 elastische Fasernetz nur als eine besondere Modification des strei- figen Sehnengewebes anzusehen, wie sich am schönsten bei manchen Fasern, z. B. bei Carabus, Sylpha etc. nachweisen lässt, wo die ausgezeichnet netzförmigen Bildungen mit soliden, nur stellenweise gefensterten Platten in Continuität stehen (Fig. 7*g u. Fig. 13* b). Dieselbe Beobachtung lässt sich auch bei Melolontha machen (Fig. 23), wo vom hautförmigen Septum (fs) dickere oder schmälere Balken (m) sich erheben, in den Pericardialraum eindringen und unter spitzen Winkeln sich vielfach zertheilend, ein ganz cha- racteristisches, von wenigen rhombischen Lücken durchbrochenes Netzwerk darstellen. Diese Fasern treten entweder unmittelbar mit den faserigen Ausläufern der adventitia des Herzens (a) in Verbindung oder setzen sich auf die in der ci- tirten Figur angedeutete Weise mit den Pericardialzellen in Verbindung, wobei die letzteren dann eine frappante Aehn- lichkeit mit unipolaren, bipolaren oder multipolaren Ganglienzelllen aufweisen. Dabei ist hervorzuheben, dass die Pericardialzellen keineswegs, wie es Weissmann darstellt, einen besonderen Ueberzug bekommen; es setzt sich vielmehr die Zell- membran unmittelbar in diese fadenartigen Bildungen fort, die auch in der Nähe der Zellen mit Protoplasma erfüllt sind und meist im weiteren Verlaufe homogene (solide?) Fasern darstellen. Bei den Wirbelthieren kenne ich keine ähnliche Bildung, wenn nicht vielleicht das spongiöse Bindegewebe der Retina und die Neu- roglia überhaupt hierher zu zählen ist. Aehnlich wie bei Melolontha verhalten sich die vom Septum abzweigenden Balken und Fasern bei Dorcus, nur dass es hier meist zur Bildung von zweifaserigen Pericardialzellen kommt. Auch Lucanus und andere Käfer bieten hierfür interessante Bei- spiele. Ganz überraschend schöne Bilder über den Verlauf dieser Fa- sern erzielt man dadurch, dass man das Herz mit. einer durch Carmin gerötheten Leimlösung injicirt und dann längere Zeit in Alkohol legt. Nach einiger Zeit kann man an Zupfpräparaten ganze Fetzen des Fasernetzes isolirt zur Anschauung bringen. Wesentlich anders als bei den Käfern steht die Sache bei den Apiden und einigen anderen Hymenopteren z. B. Sirex, wokein solides bindegewebiges Septum entwickelt ist. Die Fasern 170 Dr. V. Graber: sind hier spärlicher, bilden nur stellenweise weitmaschige Netze, die theils an den Pericardialzellen und Flügelmuskelfasern, theils an der adventitia sich anheften (Fig. 7**e). Ihrem ganzen Aussehen nach stimmen die in Rede stehenden Fasern durchaus mit den echten elastischen Fibrillen überein. Sie erscheinen ganz homogen und von blassgelblicher Färbung. Ihr Durchmesser ist sehr variabel. Die feinsten Fibern bei Apis messen 0.0008, während andere nicht selten das Fünffache betragen. In ihrem chemischen Verhalten sind wenigstens die Fasern von Osmia den echten elastischen Fasern wenn nicht gleich,i so doch sehr nahe zu setzen, indem sie in conc. Natronlauge tagelang aushalten und, mit Millon’s Reagens behandelt, deutlich die Eiweiss- reaction zeigen. Zu hüten hat man sich vor allfälliger Verwechslung mit Ner- venfasern und Tracheenreisern. Von beiden Bildungen unterscheiden sie sich indess sofort durch ihren eontinuirlichen Uebergang in die soliden bindegewebigen Häute der adventitia und des Septum. Reticuläres Bindegewebe. Nach E. Häckels Dar- stellung würden sich die von den früheren Forschern unter dem Namen des Gallertgewebes beschriebenen Netze, wenigstens beim Flusskrebs, lediglich als Interstitien der eigenthümlichen gallertigen Zellen, wie sie beispielsweise an den Arterien vorkommen, erweisen. Dem gegenüber erscheint es vielleicht nicht ganz überflüssig, auf das Vorkommen eines ausgezeichneten Reticulums bei Insecten aufmerksam zu machen. Ein ganz ähnliches Gebilde hat übrigens Leydig in seinem Lehrbuch der Histologie abgebildet, ohne aber dessen Verbreitung und Vorkommen überhaupt näher anzugeben. Bei den Acridiern, wo diese Netze bisher allein von mir be- obachtet wurden, breiten sie sich zwischen den fächerartig auseinan- derlaufenden Flügelmuskelfasern aus, deren engere Verbindung sie herstellen (Fig. 6 fs). Zur Demonstrirung dieses Reticulums sind härtende Mittel, namentlich Alkohol, zu empfehlen. Es lässt sich dann als eine continuirliche Hautschicht von den darüberliegenden Pericardialzelllagen abziehen und durch sorgfältige Abpinselung ganz rein darstellen. Behufs der Verdeutlichung der Kerngebilde ist eine nachträgliche Tinetion mit Carmin am Platze. Im Gegensatze zu den Gewebsformen des Septum anderer Thiere ist die Zusammenzetzung des Acridierreticulum aus Zellen Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 171 % sehr gut ausgedrückt. Diese Zellen haben einen ziemlich wechseln- den Durchmesser und bilden mit ihren strahlenförmigen Ausläufern, die nicht selten wieder secundäre Aeste abgeben, ein zierliches Gitterwerk, aus dessen Knoten die rundlichen oder breit elliptischen Kerne hervorleuchten (Fig. 11*). Letztere haben bei Stetheophyma grossum einen Durchmesser von 0.017 mm. und jener der Lücken misst im Durchschnitt 0.65 mm. Indem, namentlich an Spiritusexemplaren, stellenweise die Pe- ricardialzellen zerfallen und ihre Kerne frei werden, gewinnt es den Anschein, als ob die Maschenräume unseres Reticulums mit kleinen lymphoiden Zellen angefüllt wären; mit dem sog. adenoiden Gewebe scheint indessen unser Netz wenig gemein zu haben; eine grössere Aehnlichkeit spricht sich dagegen mit dem umhüllenden Bindegewebe der Thränendrüse aus!?). Betreffs des chemischen Verhaltens kann ich nur die grosse Re- sistenz gegen Säuren und conc. Natronlauge hervorheben. In letz- terer blieb das fragliche Netz sechs Stunden ganz unversehrt, eine reichliche Zugabe von Wasser führt aber bald die Auflösung herbei. Vielleicht lassen sich, wenn man eine grössere Reihe diverser Inseetenarten untersucht, als es mir möglich war, Uebergänge von dem beschriebenen Reticulum zum streifigen Sehnengewebe auffinden. Vor der Hand besteht aber zwischen denselben eine sehr bedeutende Kluft, was namentlich hinsichtlich der sonst so nahe stehenden Locustiden auffällt. 41V. Pericardialgewebe. a) Morphologisches. Die von uns sls Pericardialsinus bezeichnete dorsale Leibesab- theilung der Insecten ist, wie schon oben erwähnt, nicht lediglich ein Blutbehälter, indem theils besondere Organe ihm eingelagert sind, theils von der ventralen Körperhöhle solche durch die zwischen den Insertionspunkten der Flügelmuskeln liegenden Oeffnungen in die- selben eintreten. 1) Vgl. Fig. 10. Taf. XI in Fr. Boll’s Arbeit „über den Bau der Thrä- nendrüse,‘‘ dieses Archiv Bd. 4. pag. 146. 172 Dr. V. Graber: Mit Ausnahme der Malpighi’schen Gefässe und der Antheile des Nervensystems, das von uns völlig unberücksichtigt gelassen, können wir das Pericardialgewebe als Fettkörper im weitesten Sinne dieses vieldeutigen und nicht ganz zweckmässigen Wortes auf- fassen. Im Einzelnen unterscheidet man regelmässig viererlei Bildungen, nämlich drei distincte Arten von Zellgewebe s. str. und das die nähere Verbindung dieser drei Zellcomplexe vermittelnde Tra- cheennetz. Von den drei Formen des zelligen Gewebes ist nur eine aus- schliesslich auf den Pericardialraum beschränkt und wurde schon früher für die Elemente desselben der Terminus Pericardial- zellen in Vorschlag gebracht; sonst unterscheiden wir noch den echten, d. h. fettführenden Fettkörper und die in demselben spo- radisch vertheilten „eingesprengten“ Zellen. Betreffs der gegenseitigen Lagerung der aufgezählten Gewebe oder Organe lässt sich im Allgemeinen nur sagen, dass die Peri- cardialzellen zumeist sich in der Nähe des Herzrohrs halten, dasselbe enge umstricken, gleichzeitig aber auch längs der Flü- gelmuskeln sich ausbreiten, während der eigentliche Fettkörper in die dadurch gebildeten Zwischenräume sich einkeilt und nur mit einzelnen Parthieen tiefer in den Pericardialzellenpolster sich ein- senkt, ja stellenweise sogar sich ganz hart an das Rückengefäss selbst anschliesst. Die grösseren Tracheenstämme verlaufen hart an der Haut- decke, breiten sich also vorwiegend an der dorsalen Fläche des Pericardialsinus aus, wobei sie allerdings auch sehr zahlreiche und meist baumförmig sich verästelnde Zweige an das Zellgewebe ab- geben. Pericardialzellen. Betrefis der älteren Angaben über diese Zellen können wir uns sehr kurz fassen. Im Anschluss an R. Wagner spricht Leydig von einer be- sonderen zelligen Schichte des Herzens, welche ausser einer „hellen homogenen Grund- und Verbindungssubstanz“ aus grossen Zellen besteht, die einen meist gelblichen oder grün gefärbten körnigen In- halt besitzen. „In diese helle Bindesubstanz“ würden sich nach ihm weiters die Scheiden der dreieckigen hautartig ausgebreiteten Flü- gelmuskeln verlieren. Nach Weissmanns Darstellung würde ferner bei ausgebil- Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 173 deten Insecten die Zellenlage von dem Rückengefäss selbst noch durch eine dem letzteren lose anliegende musculöse Scheide um- geben, die ihrerseits durch die Pericardialzellen mit den Flügelmus- keln in Verbindung treten. Im Widerspruch mit diesen Anschauungen geht aus unseren Untersuchungen evident hervor, dass die Pericardialzellen le- diglich nur als Einlagerungen des dasHerz umschlies- senden grossen Hohlraumes anzusehen sind, die nicht selten weder mit dem Herzen, noch mit den Flügelmus- keln einen directen Zusammenhang haben, sondern, wie z. B. an der dorsalen Medianlinie sich mit der bindegewebigen Schichte der Hypodermis verknüpfen. Eine besondere, die Zelllage umgebende Scheide ist entschieden nicht vorhanden. Die Pericardialzellen zeigen, sowohl was Form, Grösse und all- gemeine Beschaffenheit anlangt, als auch betreffs ihres gegenseitigen Zusammenhanges sehr bedeutende Modificationen, welche sich aber leicht aus einander ableiten lassen. In den wenigsten Fällen sind die Zellen rundlich und lose neben- und übereinander angeordnet, meist kommt es zu einer in- nigen Verbindung und zwar entweder ohne wesentliche Modification ihrer Form zur Entwicklung von perlschnurartigen Strängen, die zumeist parallel mit den Ausbreitungen der Flügelmuskeln verlaufen oder es nehmen die einzelnen Zellen oder richtiger die durch fortgesetzte aber unvollkommene Theilung entstan- denen Zellfusionen die Gestalt von bandartigen Streifen oder, bei noch weitergehender Zelltheilung die von lappenförmigen Complexen an, wobei die Selbständigkeit der Zellen endlich völlig verwischt wird. Es muss aber gleich bemerkt werden, dass man nicht selten sämmtlichen der aufgezählten Verhältnisse in einem einzigen Indi- viduum begegnet. Den wesentlichsten morphologischen Charakter aller Pericardialzellen erkenne ich in der unbestimmten An- zahl ihrer Kerne und in der bereits angedeuteten Tendenz zur ungleichmässigen Theilung. Zumeist isodiametrische und völlig isolirte Zellen von ziemlich übereinstimmender Form traf ich gewöhnlich bei den Käfern, z. B. 174 Dr. V. Graber: Silpha, theilweise bei Carabns violaceus, Adimonia, Dor- cus, Melolontha, Scarabaeus etc. Unter den Orthopteren schliesst sich in Betreff der Pericardial- zellen Forficula nahe an die Käfer an; während bei den Grillen und Locustiden in der Regel strangförmige Bildungen getroffen werden. Eine grössere Anzahl isolirter Zellen findet sich nur bei Thamnotrizon vor. Die Hymenopteren zeigen keineswegs ein gleiches Verhalten. Während z. B. die Ameisen durch ihre vorherrschend isolirten Zellen mehr an die Käfer erinnern, finden wir bei den Apiarien und Vesparien bald vorherrschend Stränge (Apis und Bombus) bald lappenförmige Zellcomplexe (Osmia). Am Weitesten von der ursprünglichen Gestalt haben sich die Pericardialzellen mancher Lepidoptera (z. B. Saturnia pyri) entfernt, wo es unter gleichzeitigem Verschwinden der Kerne zur Entwicklung von streifenartigen Zellfusionen gekommen ist, die mit solchen, wo die Zellgrenzen durch Einkerbungen angedeutet sind, sowie mit völlig noch selbständig gebliebenen Zellen abwechseln (Fig. 22). Die Grösse der Pericardialzellen ist sowohl bei den verschie- denen Arten, als bei einem und demselben Individuum sehr variirend und steht mit der Grösse der Thiere in keinem näheren Verhält- nisse. Zellen von nahezu gleicher Grösse finden sich nur bei we- nigen Formen und zwar vorzugsweise bei Käfern, z. B. Silpha, Carabus, Melolontha, dann bei Musca carnaria. Der mitt- lere Durchmesser mag auf 0.05 mm. geschätzt werden. Auffallend gross (0.1 mm.) sind die Pericardialzellen von Silpha, Carabus can- cellatus, Dorcus, verhältnissmässig klein sind sie bei den Hy- menopteren (Formica, Apis 0.03—004 mm.). — Sehr auffallende Schwankungen finden sich bei den Orthopteren mit Ausnahme der Forficula, deren Zellen einen sehr kleinen Durchmesser besitzen. Der von einer deutlichen Membran umschlossene Inhalt der Pericardiaizellen besteht aus einer bald fein-, bald grobkörnigen Masse, in der gewöhnlich mehrere Kerne eingebettet sind. Das Protoplasma ist durchgehends ziemlich intensiv gefärbt. Am häufigsten grünlichgelb oder blassgelb (z. B. bei allen, auch von animalischer Kost lebenden Orthopteren, dann bei den grasfressen- den Käfern, wie Adimonia und den Apiden). Eine vorherrschend bräunlichgelbe Färbung zeigen diese Zellen bei den carnivoren Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 175 Käfern (z.B. Silpha, Carabus, Ocypsus, Scarabaeus), ebenso bei den Musciden. Intensiv ziegelroth gefärbte Zellen fand ich bei Schmetterlingen (z. B. Vanessa urticae, Pieris bras- sicae u. A.); die Raupen dieser Thiere scheinen dagegen zumeist grünlichgelbe Pericardialzellen zu besitzen. Inwieweit die Färbung unserer Zellen von den in der ein- genommenen Nahrung enthaltenen Pigmenten herrühre, ist nicht leicht zu sagen, doch scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass speciell die grüne Färbung bei mänchen herbivoren Insecten aus dem Chlorophyll stamme. Erwähnt sei nur noch, dass die Pigmentirung der Pericardial- zellen und jene des Blutes durchaus nicht immer übereinstimmen, wie sich das z. B. bei Vanessa und Thamnotrizon zeigt. Ein nicht uninteressantes Verhalten bieten die Kerne der Peri- cardialzellen. Bei manchen Insecten ist die Zahl derselben ganz constant. So findet man bei Musca carnaria fast durchgehends einen einzigen Kern (Fig. 14 D); ausnahmslos zwei Kerne bei Me- lolontha. Bei anderen Species wechselt die Zahl der Kerne einer Zelle von 1—8, wobei die letztere ihre rundliche primäre Gestalt noch beibehalten kann (Dorcus).. Am häufigsten findet man allerdings zwei Kerne. So bei den Orthopteren und bei den Käfern. Die verschiedene Anzahl der Kerne wird man sich am ein- fachsten wohl in der Weise erklären, dass, bei den einzelnen Spe- cies so gut wie innerhalb eines und desselben Individuums, die primären einkernigen Pericardialzellen, denen im allge- meinen auch der kleinste Durchmesser zukommt, durch unvollkom- mene Theilung unter gleichzeitiger Vergrösserung ihres Volumens in mehrkernige Zellfusionen sich umwandelten, wobei aber der Divisionsprocess bald früher, bald später unter- brochen wurde. Mit dieser Darstellung stimmt auch die That- sache überein, dass man bei Larven (z. B. Phryganea, Ephe- mera, Tenebrio) selten eine grössere Anzahl von Kernen vorfindet und dass dort die Zellen überhaupt selten sich in Zellfusionen um- gewandelt haben (Fig. 13). Die Grösse der Kerne steht meist mit der Anzahl derselben in einem umgekehrten Verhältnisse. Sehr bedeutend ist dieselbe z. B. bei Silpha und Melolontha, be- kanntlich regelmässig durch wenige Kerne ausgezeichnet, nämlich 0.02 mm. Ganz auffallend klein dagegen bei den Hymenopteren, 176 Dr. V. Graber: z.B. bei Apis, Formica, deren Pericardialzellen acht Kerne und darüber zählen. Der Durchmesser beträgt hier ungefähr 0.008 mm. Dei den untersuchten Geradflüglern schwankt die Grösse der Kerne zwischen 0.005 und 0.01 mm. Die Gestalt des Kernes ist wechselnd, zumeist kreisrund, häufig auch oval, elliptisch, sogar spindelförmig. Eine Membran scheint durchaus vorhanden zu sein. Das Aus- sehen ist entweder homogen oder feinkörnig. Oft heben sich die Kerne durch starke Pigmentirung von der Umgebung ab, während sie in zahlreichen anderen Fällen durch den Zellstoff verdeckt werden und erst durch Reagentien zum Vor- schein kommen. Kernkörperchen sind in den wenigsten Fällen an den frischen Zellen sichtbar, und können häufig nicht einmal mit Essigsäure und anderen Mitteln demonstrirt werden. Manche Pericardialzellenkernen enthalten offenbar mehrere Kernkörperchen (so bei Adimonia, Stenobothrus). Ein ganz abweichendes Verhalten zeigen uns bezüglich der Kerne die Hymenopteren, indem dieselben auch an den frischen Zellen mit seltener Schärfe als stark lichtbrechende, gelblichglän- zende Kügelchen sich darstellen. Sehr schön sieht man die Kerne sammt den Kernkörperchen auch bei den Larven der Netztlügler (Fig. 13). Zum genaueren Studium der Pericardialzellen habe ich mich mit vielem Vortheile verdünnter Säuren, insbesondere Essigsäure, Chromsäure, sowie der Carmintinction bedient. Als gute Conservi- rungsflüssigkeit erweisen sich Jodserum und Müller’sche Flüssigkeit. Auch die mit Leim injieirten Herzen zeigten schöne Verhältnisse. Wasser verändert unsere Zellen sehr schnell, sie blähen sich sammt dem Kerne stark auf und verlieren meist ihre Pigmentirung. Auch Essigsäure wirkt meist entfärbend ein (vgl. Fig. 9 sammt Erklärung der Abbildungen). Bei stundenlangem Liegen in siedendem Wasser verändern sich unsere Zellen sehr wenig, die Kerne erscheinen ganz homogen, stark glänzend (Melolontha). Es erfolgt auch keine Auflösung, wenn sie früher längere Zeit mit Essigsäure in Berührung waren. Im Gegensatz zu den „eingesprengten“ Zellen widerstehen ihre Kerne aber nicht den Alkalien. Betrefis der Verbindung der Pericardialzellen untereinander, als Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten, 177 auch mit den benachbarten Geweben, wurde schon früher das Noth- wendige gesagt. Bei einzelnen Insecten, z. B. Musca, Phryga- nea, vielen Orthopteren konnte ich indess bisher keinerlei solche Bindegewebsstränge auffinden, wie sie in so ausgezeichneter Weise bei vielen Käfern, insbesondere bei Melolontha, sowie bei den Lepidopteren (Saturnia) und bei den Hymenopteren vor- kommen. Hier geschieht die Befestigung ohne Zweifel hauptsäch- lich durch ein den Pericardialraum durchziehendes Tracheennetz. Die über dem Herzrohre liegenden Zellen sind zumeist unmittelbar an der dorsalen Hautdecke, sowie an den dort befindlichen Muskel- fasern befestigt !). Fettkörper s. str. Soweit meine Untersuchungen reichen, stellt der Fettkörper der Insecten im engeren Sinne dieses Wortes zwei Modificationen dar; entweder besteht er aus deutlichen Zellindivi- duen, oder er bildet ein aus verschieden gestalteten und meist fett- führenden Follikeln zusammengesetztes Balkengerüste, an dem keinerlei Zellgrenzen mehr wahrnehmbar sind. In der Mehrzahl der Fälle, aber nicht immer, lässt sich übrigens nachweisen, dass die letzteren Modificationen aus der ersteren her- vorgehen, wobei sich die Kerne der primären Fettzellen permanent erhalten können. Einen deutlich zelligen Fettkörper findet man unter den In- secten z. B. bei den Apiden, wo er meist guirlanden- oder rosenkranzähnliche Stränge bildet. Bei Osmia z.B. sind es 0.04 mm. grosse Zellen, erfüllt mit zum Theil ‘sehr grossen Fett- tröpfehen und einem 0.09 mm. grossen Kerne. Dagegen sind die Fettkörperzellen von Apis mellifica ohne mikroskopisch nachweisbares Fett, von dunkelkörnigem Aussehen und enthalten keinerlei Kerngebilde ?) 1) Hinsichtlich der am Herzen angelagerten Zellen gewisser Insectenlarven, 2. B. Musca, Corethra vergl. ausser Weissmann’s eitirter Abhandlung noch Leydig’s „Anatomisches und Histologisches über die Earve von Corethra plumieornis“ Zeitschr. f. wiss. Zoologie. 3. Bd. p. 435, Fig. 3, Tafel 16. Mit Ausnahme der geringen Kernanzahl und des Umstandes, dass die grossen Ausläufer der sogen. birnförmigen Körper continuirlich in die Flügelmuskeln übergehen, würden die letzteren ohne weiteres den Pe- ricardialzellen des Maikäfers an die Seite gestellt werden können. 2) Vergl. Fig. 1a in meinem vorläufigen Berichte über den propulsa- torischen Apparat der Insecten. $ M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 12 178 Dr. V. Graber: Eine ungleich grössere Verbreitung als der zellige Fettkörper hat der lappige und traubenförmige, wie wir ihn z. B. bei den meisten Dipteren, Hemipteren, Lepidopteren, Coleop- teren und Orthopteren und einigen Hymenopteren, z. B. Si- rex, antreffen. Bei den Orthopteren (zZ. B. Ephippigera) enthält der- selbe in den einzelnen Lappen eine meist ziemlich grosse Anzahl von kreisrunden, grobkörnigen oder (Saturnia pyri) ganz hellen Kernen eingebettet (Fig. 12 F) in einem feinkörnigen von zahl- reichen Fetttröpfchen durchsetzten Protoplasma. Letztere geben dem Fettkörper bei auffallendem Lichte ein dunkles, mitunter gegittertes Aussehen. Auch bei den Käfern besteht der Inhalt der Fettkörperlappen zumeist aus sehr winzigen Fetttröpfchen. Bei Adimonia tanaceti sind die Fetttröpfchen pomeran- zengelb und geben dem ganzen Fettkörper ein gleiches Aussehen. Die zwischen den Fettmassen ziemlich regelmässig vertheilten Kerne (Fig. 11**ab) zeigen nach Essigsäure-Behandlung eine deutliche Membran (c) und einen grossen, grobkörnigen Nucleolus. Bei den Dipteren enthält der Fettkörper oft wenig freies Fett, aber stets deutliche Kerne. Bei Musca carnaria (Fig. 14) sind dieselben von ellipsoidischer Gestalt und haben ein homogenes, gelbliches Aussehen. Durch Behandlung mit Chromsäure lassen sich deutlich zwei kreisrunde homogen erscheinende 0,0023 mm. srosse Kernkörperchen nachweisen (E). Im Gegensatz zu den ge- nannten Thieren haben z. B. die Pediculinen in den Fettfolli- keln niemals Kerngebilde. Ausgezeichnet schöne und ausserordentlich zahlreiche Krystalle harnsaurer Verbindungen findet man im Fettkörper von Pieris brassicae. Eingesprengte Zellen. Dass ausser den fettführenden Zellen und Follikeln des corpus adiposum im weiteren Sinne des Wor- tes noch eine zweite Art von zelligen Elementen vorkommt, ist schon längst bekannt und hat in neuerer Zeit besonders Landois auf diese aufmerksam gemacht. Die physiologische Bedeutung, die der Letztgenannte unseren Zellen gibt und die durchaus nicht meine Billigung findet, veranlasst mich die diesbezüglichen Beobachtungen hier in Kürze mitzutheilen. Dieselben betreffen zumeist die Käfer, Heuschrecken, Bienen und Netzflügler. Bei Ephippigera und anderen Locustiden sind die betreffenden Zellen, wie überall, in enger Verbindung mit dem eigentlichen Fett- Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 179 körper, indem sie in verschiedenen Abständen zwischen die Lappen desselben sich legen. Vom Fettkörper unterscheiden sie sich zumeist dureh ihre rundliche Gestalt, durch die abweichende Farbe, — bei Ephippigera sind sie gelb, — sowie durch den Besitz eines einzigen, meist sehr grossen Kernes (Fig. 12, z). Durch den letzteren lassen sie sich auch sehr leicht von den echten Peri- cardialzellen unterscheiden. Am auffallendsten ist das bisher ganz übersehene chemische Verhalten. Sie werden nämlich in kochender verdünnter Essigsäure und selbst in kochender verdünnter Kalilauge nicht aufgelöst. Wenigstens gilt das von der Membran der Zellen- und jener des Kernes, welche stets intact zurückbleiben. Auch der concentrirten Natronlauge widerstehen sie tagelang. Bei Platycleis sind die isolirten Zellen bei 0.07 mm. und ihr Kern meist ungefähr 0.023 mm. gross. Ein Aussehen wie bei den Locustiden haben die „eingespreng- ten“ Zellen unter den Käfern, z. B. bei Scarabaeus. Sie sind kreisrund, bei 0.07 mm. gross, grobkörnig, gelb, und haben einen Kern von 0.02 mm. Durchmesser. Auch sie werden durch kochende Essigsäure nicht zerstört. Bei Apis, Vespa, Bombus und den Hymenopteren (vergl. vorl. Bericht. Fig. 1b) liegen unsere Zellen oft in ziemlich weiten Abständen zwischen den Zellen des eigentlichen Fettkörpers, von denen sie dureh ihre beträchtlich ge- ringere Grösse, wie durch ihre grüne Pigmentirung scharf abstechen. Ihr Durchmesser beträgt 0.05 mm., jener des Kernes 0.017 mm. Eine ganz auffallende Grösse haben die isolirten Zellen bei der Larve von Phryganea striata (Fig. 12*). Sie messen im Durch- messer 0.15 mm. Ihre Farbe ist gelblichbraun, der Kern von ähn- licher Gestalt wie die Zellen selbst, entweder kreisrund oder oval. | Ein Anschluss an die betreffenden Bildungen der Pedieulinen ‚ ist hier dadurch gegeben, dass sie mittelst langer Stielchen im um- gebenden Gewebe sich befestigen; dabei wird, wie es scheint, die Zelle von einer Art tunica propria überzogen, die sich auch in den dünnen Stiel derselben fortsetzt. Am meisten scheint mir gegen Landois und Anderer Ansicht betreffs der vorwiegend respirato- rischen Function dieser Zellen der Umstand zu sprechen, dass die- selben im Vergleich zum Fettkörper und den Pericardialzellen wenig zahlreich sind und auf ihnen durchaus keine reichlichere Tracheen- verzweigung bemerkt, ja im Gegentheil, bei den Orthopteren häufig geradezu vermisst wird. 180 Dr. V. Graber: Ohne Zweifel haben wir es hier mit eigenartigen einzelligen Drüsen zu thun, über deren Secret allerdings noch nicht das Ge- ringste bekannt ist. Tracheen. Das Verhalten der Luftgefässe in der Herzgegend wurde nur bei einigen Orthopteren, Coleopteren und Neu- ropteren studirt. Von nicht zu unterschätzender physiologischer Bedeutung er- scheint mir der Umstand, dass der Pericardialsinus ausser- ordentlich reich mit Luftgefässen versehen ist, und dass speciell die Pericardialzellen ein sehr dichtes Tracheen- netz empfangen. Bei Locusta, Decticus, Ephippigera und anderen Locustiden ist insbesondere daran zu erinnern, dass die in die Herzgegend führenden Tracheen an Volumen bedeutend die Gefässe anderer Bezirke übertreffen. Von den Stigmen ent- springen hier (Fig. 1T) kurze, ziemlich dicke Röhren, die sich nach kurzem Verlaufe in zwei sehr weite, bandartige Aeste spalten. Dieselben verlaufen an der Rückenwand, die sie fast ganz bedecken, direet zum Pericardiaisinus und zwar in der Weise, dass die beiden Aeste eines Segmentalgefässes sich auf zwei Metameren vertheilen. Unweit des Insertionspunktes der Flügelmuskeln spaltet sich wieder jeder Ast in drei verhältnissmässig Kleine Zweige, von denen der mittlere (Th) direct, unterwegs zahlreiche Zweige an die Pericar- dialzellen ausschickend (Fig. 17 T‘) zu den Ostien verläuft, um das Rückengefäss mit Zweigen zu versehen (Fig. 17T). Die zwei üb- rigen Aeste stellen, nach der Längsaxe sich erstreckend, zwischen den einzelnen Metameren-Querästen Längsbrücken her (Fig. 1 T)), so dass es zu einer Art unregelmässigen Pericardiallängsstammes kommt. Bei Locusta und Platycleis habe ich ausserdem noch einen über dem Rückengefässe verlaufenden Längsstamm beobachtet, der mittelst der Querausläufer der gabelförmigen Tracheen in Ver- bindung steht. Der pericardiale Tracheenverlauf der Acridier (z.B.Steno- bothrus pratorum Fig. 26) lässt sich leicht auf den der Lo- custiden zurückführen. Der Hauptunterschied ist nur, dass hier die grosse Metameren-Tracheengabel der Locustiden viel weniger entwickelt ist und dass deren Zinken (b), stark von einander diver- girend, mehr parallel der Längsaxe, als der Queraxe verlaufen, so- wie dass die betreffenden Aeste ein vergleichsweise ganz geringes Kaliber haben. Eine Compensation hierfür bietet sich durch die in Ueberffden propulsatorischen Apparat der Insecten. 181 den ungetheilten Querästen (a) eingeschalteten Blasen, die den Lo- custiden gänzlich mangeln.. Auch kommt es bei den Acridiern öfters zur Bildung von Pericardiallängsstämmen. — Als eine Modi- fication der querlaufenden Herzstämme der Laubheuschrecken (Fig. 1 Th) sehe ich bei den Acridiern die über dem Rückenge- fässe verlaufende Brücke (c) an, von der kleinere Aeste an das Herz abgegeben werden. An das dorsale Tracheennetz der Acridier lässt sich mühelos jenes der Phryganiden- und Ephemeriden-Larven anreihen. Insbesondere bei den ersteren (einen schönen Ueberblick gewähren eben aus dem Ei gekrochene Larven)') kommt es zur Bildung von zwei mit den eigentlichen Hauptlängsstämmen parallel verlaufenden, doch dem Herzen näher liegenden Gefässen, die sich ganz schön auf die Gabeläste der Locusta zurückführen lassen, so gewaltig auch auf den ersten Blick der Unterschied erscheinen mag. Aus dem dorsalen Tracheennetz der Acridier können wir auch jenes der Earabiden ableiten (Fig. 25), indem wir uns die Querbrücken (Fig. 26 c) verkürzt und dem entsprechend die Gabel- äste der queren Segmentaläste einander bis zur Berührung genähert denken. Eine von den übrigen Orthopteren ziemlich abweichende Bildung beobachtete ich bei den Blattiden (Blatta orientalis). Es bleibt namentlich fraglich, ob die Hauptlängsstämme (d) mit den Gabelbildungen der früher genannten Thiere verglichen werden dürfen. Bedeutungsvoll in functioneller Beziehung erscheint mir das Auftreten nahezu blasenartiger Auftreibungen der von diesen Längs- stämmen zum Herzen hintretenden Aeste, welche beim Pericardial- Zellengewebe angelangt, in ein dichtes Netz sich auflösen. Als charak- teristisch für diese Gruppe müssen auch die stark nach hinten ge- bogenen Querbrücken unmittelbar über dem Rückengefäss angesehen werden. Durch die Gabelung der queren Metamerentracheen an die Lo- custiden, und durch die stärkeren nach vorn gerichteten bogen- förmigen Commissuren an das Verhalten bei Blatta erinnert uns 1) Vergl. meine künftige Arbeit: Beobachtungen und Reflexionen über die Beziehungen des offenen und geschlossenen Tracheensystems gewisser Neuropteren. 182 Dr. V. Graber: der dorsale Tracheenverlauf von Dytiscus marginalis (Fig. 27), wo es auch in der Region der Pericardialzellen zu einer ausseror- dentlich reichen Entfältung des Tracheennetzes kommt. Betreffs etlicher Schmetterlingsraupen (Smerinthus, Eupre- pia), bei denen bekanntlich die Tracheen überhaupt von einer sehr geringen Entfaltung und Ausdehnung sind, will es mich doch dün- ken, dass gerade die Pericardialregion verhältnissmässig sehr reich- lich damit versehen ist. b) Physiologisches. Es unterliegt wohl keinem Zweifel mehr, dass wir die eigent- lichen Respirationsherde der Tracheaten in den letzten feinsten Ausläufern der Luftgefässe und vor allem in dem damit zusammen- hängenden, im Blute gewissermaässen schwimmenden Zellgewebe zu suchen haben. Wenn man nun die Frage anregt, in welchen Bezirken des In- sectenleibes vorzugsweise der Austausch von Sauerstoff und Kohlen- säure unterhalten wird, so hat man jedenfalls an jene zu denken, wo am meisten freies Zellgewebe angehäuft ist. Dass dies aber gerade, wenigstens bei den ausgebildeten In- secten, im Pericardialsinus der Fall ist, scheint mir wenig zweifel- haft. Das Herz liegt in einem förmlichen Kissen von Zellen, die in der That der Respiration eine riesige Fläche darbieten. Vor allem ist aber bekanntlich das Gewebe der Pericardialzellen über- wiegend, und es erscheint mir daher nicht unwahrscheinlich, dass wir gerade in diesem specifische Respirationsorgane zu suchen haben. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass man deutlich den Uebergang zahlreicher Tracheenendigungen in diese Zellen stu- diren kann, wobei die Peritonealhaut mit der Zellmembran und die Matrix der in der Nähe der Zellen verschwindenden Intima conti- nuirlich in den Zellinhalt übergeht, wie das insbesondere an Chrom- säurepräparaten herrlich hervortritt (Fig. 11). Zu Gunsten unserer Anschauung, nach welcher also das Peri- cardialgewebe einen ganz hervorragenden Antheil an der Respira- tion nähme, darf man wohl auch die früher mitgetheilte Thatsache, dass in diese Region ausnehmend viele und voluminöse Tracheen- äste führen, anführen. [3 Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 183 Nach der gewöhnlichen Annahme, dass die Athmung der In- secten allerorts vor sich ginge, würde nirgends ein beträchtlicher Unterschied von venösem und arteriellem Blute bestehen können. Anders läge die Sache, wenn meine Ansicht nichtig wäre. Danach würde das vorwiegend venöse Blut, welches durch die Lücken des Pericardialseptum in die Interstitien des pericardialen Zellgewebes eintritt, dort in arterielles umgewandelt, um dann durch die Ostien in das Herzrohr einzutreten. Das Rückengefäss der Insecten würde sich dann gleich dem Centralorgane der höheren Krebse als ein wahres arterielles Herz, und der von demselben vorn entspringende Stiel als eine echte Aorta erweisen. Ich weiss wohl, dass unserer Auffassung die Thatsache gegen- übersteht, dass auch andere Leibesbezirke sehr reichlich Tracheen und,daran haftendes Zellgewebe aufweisen, und dass so auch ihnen ein gewisser Antheil an der Athmung nicht wohl abgesprochen wer- den kann. Trotzdem erscheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass während des Eintritts des Blutes in den propulsato- rischen Apparat eine erneute und ausgiebigere Auf- frischung der Blutflüssigkeit stattfindet. Einen ganz analogen Fall haben wir zweifelsohne ja auch bei solchen, zumeist niederen und im Wasser lebenden Thieren, die mit mehr oder weniger localisirten Athmungsapparaten ausgestattet sind und gleichwohl durch das gesammte Körperintegument respiriren. . . Dr. V. Graber 184 Tabelle zur Morphologie des propulsatorischen Apparates der Insecten. (Grössenangaben in Millimetern.) Name des Thieres. Ephippigera vitium Locusta viridissima Platyceleis grisea Odontura Fischeri Decticus verrucivorus Stenobothrus pratorum | Caloptenus italicus Pachitulus stridulus Stetheophyma grossum Forficula auricularia Melolontha vulgaris Dorcus parallelopipedus Ocypus similis Colymbetes fuscus Lucanus cervus Scarabaeus stercorarius Sylpha atrata Carabus cancellatus Adimonia tanaceti | Formica rufa Apis mellifica Xylocopa violacea Musca vomitoria Venessa urticae Ringmuskeln des Herzens. Flügelmuskeln. Stammmuskeln. Breite d.|Länge d.| Breite d. Länge d. Disc. Disc. 0.03 0.001 0.032 0.002 0.03 — 0.025 — 0.02 _ 0.012 > 0.018 0.003 0.008 0.003 0.01 0.002 —_— 0.0018 0.018 u — 0.001 Disc. Dise. 0.004 | zn — 0.0035 Breite d. Länge d Dise. Disc. } Durchm. d. Zellen. Durehm. der Pericardialzellen. Zellkerne. Karbung; 0.008 |gelblichgrün » D D 0.008 > 0.01 gelblich == 'gelblichbraun(?) — | » 0.013 _ — 'gelblich 0.021 » *) 0.006 — » — | — — | gelblich 0.02 gelbbr aun — grünlichgelb 0.003 — _ gelblich — gelblichbraun 0.0085 gelblich _ ziegelroth, eben- so Pieris. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 185 V.Physiologische Experimente. Meine Untersuchungen beziehen sich zunächst auf die Agilität des Rückengefässes nach der Oeffnung des betreffenden Thieres. Die Resultate sind hier ausserordentlich verschieden, ohne dass ich im Stande wäre, den Grund hiervon anzugeben. Schneidet man die Rückenhaut eines Maikäfers, einer Cetonia oder einer grösseren Heuschrecke an der Grenze zwischen Abdomen und Thorax und ferner an den seitlichen Gelenkhäuten durch, zieht sodann die so isolirte abdominale Rückenplatte herunter, so steht das Herz entweder augenblicklich still oder es zieht sich noch längere Zeit regelmässig zusammen. Interessant ist die Thatsache, dass das Herz zuweilen nach längerem Stillstand die rhythmischen Bewegungen wieder aufnimmt. Betreffs der Abnahme der Schläge am isolirten Herzen machte ich mir folgende Notizen: Melolontha vulgaris Nr. 15h 7m 44 Schläge per Minute N Re | I : y $)) 2 2 » 2 4 ”» » ”» y Nr. 24h 2m 56 5 „ h ” I ” 6 5 „ $)) $)] ” 2 l » 9 ”» » » Aus der letzteren Versuchsreihe ergibt sich die Thatsache, dass die Contractionen am losgetrennten Herzen zunehmen können; Aehnliches kann man auch am elektrisirten Herzen gelegentlich wahrnehmen. Ausserordentlich lebenskräftig zeigte sich das Herz eines Mai- käfers, das im völlig isolirten Zustande zwei volle Stunden lang pulsirte. Die Berührung mit fremdartigen Flüssigkeiten, Wasser mit ein- geschlossen , sistirt in der Regel die Herzcontractionen momentan, indess pulsirte ausnahmsweise das mit Jodtinctur gewaschene Herz einer Honigbiene noch fast eine viertel Stunde. Eine merkwürdige Erscheinung ist die, dass Insecten, deren Herz zum Theil oder auch gänzlich zerstört wird, noch sehr lange am Leben bleiben können. So machte eine männliche Cetonia aurata, der am 10. Mai das Herz vorne an der Aorta durchschnitten wurde, am 14. Mai Anstalt 186 Dr, V. Graber: zur Copulation, indem es ein 2 bestieg, mit demselben herumspa- zierte und den Penis weit hervorstreckte. Dasselbe Thier starb erst nach 7 Tagen. Eigentliche Experimente wurden angestellt betreffs des Ein- flusses der Wärme und der Elektricität. a) Thermische Versuche. Dass die Zahl der Herzschläge der Insecten, abgesehen von dem jeweiligen Grad ihrer Entwicklung, der Rapidität der allge- meinen Körperbewegungen und insbesondere des Fluges auch von der herrschenden Temperatur abhängig sei, wussten schon die alten Entomologen !); regelmässige Versuche wurden indess meines Wis- sens noch niemals unternommen. Ganz vortreffliche Objecte für derlei Studien bieten uns die bekanntlich im Wasser lebenden Larven mancher Phryganiden, an denen man, wegen der Zartheit der dorsalen Cuticula die Pulsatio- nen des Herzens äusserlich prächtig sehen kann. Zu meinen Untersuchungen wurden durchgehends ausgewach- sene Larven der Phryganea striata verwendet. Ich gab dieselben in eine mit Wasser gefüllte Glasschüssel, in welcher ein Thermometer befestigt wurde. Aus zwei daneben stehenden, mit Hähnen verschliessbaren Gefässen konnte ich nach Belieben sehr kaltes oder heisses Wasser in das Gefäss einfliessen lassen und so die Temperatur des darin befindlichen Wassers nach Wunsch reguliren. Zur Fixirung der Untersuchungsobjecte kann man sich entweder einer Pincette bedienen, mit der man das Thier am Thorax fest- kneipt, oder man schiebt Letzteres in eine enge Glasröhre. Die Ergebnisse einiger Versuchsreihen stelle ich kurz in einer Tabelle zusammen, wobei die der Zahl der Herzschläge (per Minute) ange- hängten klein gedruckten Zahlen die Zeit des Versuchs andeuten. 1) Vergl. hierüber Burmeister und Kirby. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. Temperatur in Reaumur- graden. Zahl d. Herz- | schläge, Thier Nr. Zahl d. Herz- schläge. Thier Nr. 2. Zahl d. Herz- schläge. Thier No. 3. Mittlere Zahl der Herz- schläge. 1. 91)9,0 | 129,6 285,25 301,20 18 21 344,10 1711,10|179,10 171138 ') 9 Herzschläge um 9 Uhr 0 Minuten. 25 Tempera- tur in 21 Reaumur- graden. 25 [26 Zahl der) | Herz- schläge. Thier Nr. 1. Zahl der Herz- schläge. Thier Nr. 2. 361,0 405,0 Zahl der Herz- schläge. Thier Nr. 3. Mittlere Zahl der Herz- schläge, 33 521,57 683,15 56 339,40) 9811,2 3011,4 555,10 733,12) 743,8 53 463,3 604 ‚55 803,4 503,4 705,0 803,24 843,30 765,18 188 Dr. V. Graber: In allgemeinerer Weise lassen sich die Resultate der ausgeführ- ten Versuche folgendermaassen zusammenstellen. 1. Wird die Temperatur des Medium während der Dauer von beiläufig einer Stunde von 11° bis auf 30° langsam erhöht, so nimmt die Zahl der Herzschläge (per Minute) beständig zu, aber ungleichmässig, insofern auf die erste 10° umfassende Temperatur- steigerung nur ein Plus von 15 Schlägen per Minute fällt, wäh- rend eine weitere Zunahme der Temperatur um 10° eine Beschleu- nigung der Herzcontractionen um 47 Schläge per Minute bewirkt. 2. So oft die Temperatur des Medium, innerhalb einer ge- wissen beschränkten Zeitperiode, z. B. einer halben Stunde, densel- ben Stand zeigt, ist auch die Zahl der Herzschläge eine nahezu übereinstimmende, und das gilt selbst für den Fall, dass die Temperaturen sehr rasch wechseln. 3. Wirkt auf das Thier längere Zeit eine die normale (sagen wir 12° R.) übersteigende Temperatur ein, so wird die Zahl der Herzschläge allmählich verringert. 4. Die Larve der Phryganea striata kann Temperaturen über 32° R. nicht vertragen. Wird das Wasser bis zu dieser Höhe allmählich oder plötzlich erwärmt, so hören die Herzcontractionen ganz plötzlich auf und das Thier verendet; eine schleunige oder successive Verminderung der Temperatur vermag das Herz nicht wieder in Thätigkeit zu versetzen. b) Elektrische Versuche. Zum Zwecke der Elektrisirung wurde das Herz auf folgende Weise präparirt. Ich schnitt nach dem früher angegebenen einfachen Verfahren die ganze abdominale Rückenplatte herunter und befestigte dieselbe mittelst zweier Nadeln auf einem Wachstäfelchen derart, dass die eine Nadel durch das vordere, die andere durch das hintere Ende des Rückengefässes gestochen wurde. Mitunter löste ich die Rücken- platten nur hinten und seitwärts ab und schlug dann den freien Lappen über den Thorax zurück und befestigte ihn am Kopf mit einer Nadel. Das Ergebniss der Elektrisirung ist aber in beiden Fällen dasselbe. Selbstverständlich kann man zu derartigen Experimenten nur Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 189 grössere Thiere und überhaupt nur solche brauchen, die in grösse- rer Menge zu Gebote stehen, da bei vielen Individuen das Herz gleich nach dem Oeffnen des Rückens zu pulsiren aufhört und da- her für weitere Experimente nicht mehr geeignct ist. Als ein vortreffliches Objeet kann ich den Maikäfer empfehlen, auf den sich auch ausschliesslich meine Beobachtungen beziehen. Zur Elektrisirung wurde ein dem Rhumkorff’schen ähnlicher kleiner Inductionsapparat verwendet. der vermittelst einer Smee’- schen Kette, bestehend aus 6 Elementen, in Thätigkeit versetzt wurde. Die Wirkung des indueirten Stromes war so stark, dass man die bekannten Messingeylinder an den Enden der Polardrähte nur wenige Minuten in den unbefeuchteten Händen halten konnte. Die Polardrähte wurden mit den erwähnten zwei Nadeln in Verbindung gesetzt, und die längere Unterbrechung des Hauptstro- mes durch einen besonderen Stromwechsler hergestellt. Von den angestellten Versuchen, die im Ganzen und Grossen alle dasselbe Resultat ergaben, führen wir nur drei an. Versuch Nr. 1. Die abdominale Rückenplatte wurde hinten und seitwärts abgetrennt, dann über den Thorax zurückgeschlagen und das freie Ende derselben am Kopfe angeheftet. Bei der Schliessung des Stromes!) zogen sich die Längs- Myokommata, sowie das Herzrohr stark zusammen und wurden gleichzeitig die Beine gegen die Bauchseite des Tbieres ein- gezogen. Nachdem nach 5 Minuten der Schliessungskreis wieder geöffnet wurde, erweiterte sich das Herz und begann sogleich wieder zu pul- siren. (86 Schläge per Minute.) Nach einer abermaligen 5 Minuten währenden Schliessung des Stromes gab das Herz nunmehr 60 Schläge in der Minute. Bei weiteren Versuchen stand das Herz nach der Schliessung des Stromes nicht immer augenblicklich still, sondern schnürte sich manchmal nur wenig zusammen und pulsirte langsam und schwach etliche Secunden. Versuch Nr. 2. Nach der Oeffnung des Thieres zeigte das 1) Dabei ist stets der Hauptstrom gemeint, die Zahl der Oeffnungs- und Schliessungsschläge des inducirten Stromes, welche während der jedesmaligen Versuchsdauer auf das Herz einwirkten, ist nicht bestimmt worden. 190 Dr. V. Graber: Herz anfänglich keine Pulsation; dieselbe begann erst nach einer Minute und zwar notirte ich 86 Contractionen. Bei der Schliessung des Stromes zog sich das Herz sehr stark zusammen. Nach erfolgter Stromöfinung öffnete sich der Herz- schlauch zuerst in der Mitte und begann dort anfangs langsamer, später weit schneller als vor der Elektrisirung zu pulsiren. Es wur- den in der Minute 96 Schläge beobachtet. | Nach einiger Zeit dehnte sich die Pulsation auf die vordere und hintere Partie des Rückengefässes aus. Hierauf wurde der Strom abermals auf 20 Secunden geschlossen. Das Herz zog sich stark zusammen und begann erst eine Minute nach der Oefinung des Stromes wieder zu pulsiren, um nach einer wiederholten Elektrisirung für immer still zu stehen. Versuch Nr. 3. Nach dem Oeffnen des Thieres gab das Herz 90 Schläge in der Minute. Nachdem der Strom 5 Minuten lang gesehlossen war, begann das Herz erst zwei Minuten nach Oeffnung des Schliessungsbogens wieder zu pulsiren, und zwar zählte ich 84 Schläge in der Minute. Der Strom wurde hierauf ein zweites Mal auf 5 Minuten ge- schlossen. Nach dem Oeffnen desselben pulsirte diesmal das Herz augenblicklich weiter und zwar 72 mal in der Minute. Nach einer dritten 10 Secunden währenden Schliessung des Stromes pulsirte das Herz noch 68 mal. Nach einem vierten, ebensolange dauern- den Versuch zählte ich noch 52 Schläge. Hierauf wurde der Strom ein fünftes Mal und zwar auf 30 Secunden geschlossen. Nach dem Oeffnen pulsirte das Herz sehr schwach, aber weit schneller als vorher, nämlich 88 mal in der Minute. Eine aber- malige Elektrisirung brachte das Herz zum Stillstand !). 1) Der Einfluss der Elektrieität auf die histologischen Elemente des prop. Apparates blieb unbeachtet, sowie auch hier bemerkt sein mag, dass der Ver- fasser das Studium der Entwickelungsgeschichte des Centralor- ganes auf eine spätere Zeit aufschieben musste. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 191 Erklärung der Abbildungen auf Taf. VII—X. Taf. VIII. Fig. 1-10 Dorsaler Theil des Meso- (II) und Metathorax (III) sowie der vier ersten Hinterleibsmetameren (1, 2, 3, 4) von Ephippigera vitium. Serv. Chromsäurepräparat. 8mal vergr. u Längsmuskel des Me- sothorax. H aorta. T quere aus den Stigmen entspringende dor- sale Tracheenstämme, welche sich gabeln. Tl Längsbrücken der- selben, wodurch beiderseits des Herzschlauches zwei Längsstämme gebildet werden. Th in der Nähe der Ostien (sp) ans Herz her- antretende Tracheenzweige (Herztracheen), die auch Zweige für die Pericardialzellen (pz) abgeben. fm Flügelmuskeln des Her- zens, zusammen ein unter dem Herzen frei ausgespanntes Septum (Pericardialseptum) bildend. 1 Metameren-Myokommata, die sich über die Gelenkhäute hinüberspannen. Querschnitt durch den mittleren Theil des Abdomen von Stetheo- phyma grossum j“ (zuerst in Chromsäure gehärtet und dann in Kreosot aufgehellt). 20 mal vergr. R Rücken. B Bauchtheil. Durch das Flügelmuskelseptum (S) wird das Hinterleibslumen in zwei Kammern getheilt; das dorsale Behältniss fungirt als Pericardial- sinus, das ventrale enthält die testes (te), den Darm (D), die vasa Malp. (g), den Fettkörper und das Bauchmark (G). In der Mitte der Rückenkammer liegt das Herz (H), umschlossen von Zellen und Tracheen. ce Cuticula, m matrix derselben, 1 Durchschnitte durch die Längsmyokommata. M ein starker Dorso-ventralmuskel (gez. mit d. cam. luc.). Querschnitt durch die Rückenkammer von Oedipoda caerulescens Burm. 9. in Chromsäure gehärtet, mit Kalilauge aufgeweicht, ge- waschen und dann mit Carmin tingirt, 40 mal vergr. (aber bei 500facher Vergrösserung im Detail studirt). ce Cuticula, m matrix mit in der gefärbten Protoplasmalage eingebetteten Kernen, | durchschnittene Längsmyokommata mit den als feine Ringelchen erscheinenden Muskelkörperchen. T longitudinale Tracheenstämme des Blutsinus, fm Flügelmuskeln (unten eine Flächenansicht); nach Oben in das bindegewebige Septum (fs) übergehend. H Herz, rm Ringmuscularis desselben. s die das Herz an der Rückwand befestigenden Muskeln, die zusammen, als Herzsus- pensorium, gleichzeitig einen federnden Apparat vorstellen, pz die einerseits mit den Tracheen, dem Fettkörper und den faden- förmigen oberen Ausläufern des Septum, andererseits mit der Adventitia des Herzens verbundenen Pericardialzellen, welche in Begleitung des echten Fettkörpers und der sogen. eingesprengten Zellen vorwiegend das Lumen der Rückenkammer erfüllen. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fie>7#: Dr. V. Graber: Vereinfachte Darstellung des Blutsinus vom gleichen Thiere. £ Herz in der Systole mit dem dachförmigen Flügelmuskelseptum y. « Herz und d Septum in der Diastole. Der Raum m bis m, gibt die Volumzunahme der Rückenkammer in Folge der Contraction der Flügelmuskeln an. Stück des Herzschlauches der Raupe von Euprepia caja. A im frischen Zustand, behandelt mit Müller’scher Flüssigkeit, B mit Essigsäure, 100mal vergr. m musculöse Media, nach Aussen be- deckt von einem längsstreifigen bindegewebigen Stratum, der tu- nica adventitia a. Durch peripherisch abgehende Faserzüge (e) setzt sich diese in Verbindung einerseits mit den Pericardialzellen und andererseits mit den bindegewebigen Ausläufern des Pericar- dialseptum. ka spindelförmige Kerne der adventitia, die Längs- richtung der Muskelfäserchen meist unter einem rechten Winkel kreuzend. Das Hinterende des Rückengefässes mit den umgebeuden Geweben von Stenobothrus lineatus Panz. @ von der Dorsalseite aus be- trachtet nach Behandlung mit Goldchlorid bei 130 maliger Ver- grösserung. l trichterförmiges Ende der über den hintersten Theil des Rückengefässes gestülpten Muskelhaube, m matrix, in welche die Fasern derselben sich einsenken. sp ÖOstien, Tr zweiflügeliger Muskeltrabekel, bei seiner Contraction als eine Art Verschlussappa- rat wirksam. fm Das unter dem Rückengefäss ausgespannte Sep- tum, die Interstitien des durch Zerfaserung der Flügelmuskeln (fm‘) gebildeten Netzes durch reticuläres Bindegewebe (R) ausgefüllt, welches bei R’ durch lose Kerne von Pericardialzellen (pz) be- deckt und so ein adenoides Gewebe vorspiegel. T Tracheen- zweig, von dem winzige Ausläufer in die sternförmigen Zellen des Reticulums übergehen. (Die Pfeile geben die Richtung des Blut- stromes an.) Ein Stück der Rückengefässwandung nebst einer Partie des da- runter ausgespannten Septum (fs) von Ephippigera vitium bei 1300 facher Vergrösserung. a tunica adventitia mit schmalen, spindelförmigen Kernen (ka) nach Behandlung mit Salpetersilber. x Stück eines eirculären Mus- kelprimitiveylinders nach. Salpetersilber (vorwiegend Primitiv- fibrillen sichtbar), y nach Kalilauge (scharfes Hervortreten der Disc), z nach Chromsäureeinwirkung (successiver Zerfall der gan- zen Faser in die sarcous elements. wobei bald das Längs-, bald das Querbindemittel früher zur Auflösung gelangt. Enden zweier Flügelmuskelfasern mit dem Uebergang in den bin- degewebigen Theil des Septum von einer Sylpha bei 700 facher Vergrösserung Fig. 9. Fig. 10. [47 Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. 195 A im frischen Zustand, gg‘ vom Perimysium und dem platten- förmigen Bindegewebe abgehende sich häufig gabelnde Fasern, von denen manche zu den Pericardialzellen (pz) treten. B Nach Einwirkung von verdünnter Salpetersäure, z Sarkolemma, in wel-' chem die geldrollenartigen Disc liegen. . Eine Partie Balkenwerk von den Flügelmuskeln der Osmia mit dem damit zusammenhängenden lockeren elastischen Netz (e) 150 malige Vergrösserung. Longitudinale Muskelfasern vom Rückengefäss der Musca vomito- ria mit Endigungen von Tracheen und motorischen Nerven (?) nach Einwirkung von 35°/, Kalilauge. 300 malige Vergrösserung. Pericardialzellen von Stenobothrus dorsatus Zett. a im frischen Zustand, b nach Wassereinwirkung, ce nach Essigsäurezusatz, d nach Karmintinction. 300mal vergr. Stück vom bindegewebigen Theil des Pericardialseptum von Ec- tobia lapponica L. Nach Zusatz von Jodserum. 500 mal vergr. Taf. IX. Fig. 11-16. Stück Pericardialseptum mit den Tracheenendigungen (T) in den Pericardialzellen (pz) von Ephippigera vitium Serv. nach Chrom- säurebehandlung. m Matrix der Tracheenintima, k Kerne dersel- ben. 300 mal vergr. Fig. 11*. Reticuläres Bindegewebe (R) in Verbindung mit den Tracheen (T) Lt, Fig. 12. Fig. 12*. vom Pericardialseptum des Stetheophyma grossum L. 200mal vergr. Alkoholpräparat. Bei a liegen Pericardialzellen und frei- gewordene Kerne derselben. a Stück Fettkörper von Adimonia tanaceti L. mit den hellen grossen Kernen. Bei b ein solcher stärker vergrössert nach Wasserzusatz, bei ce nach Essigsäureeinfluss, wo eine deutliche Membran und grosser Nucleolus sichtbar wird. Mit Jodserum behandeltes Präparat aus der Herzgegend von Ephippigera vitium bei 460 facher Vergrösserung. Es isthier darge- stellt der Zusammenhang eines durch unvollkommene Theilung aus einer primären Zelle hervorgehenden sog. Pericardialzellenstranges (pz) einerseits mit der adventitia (a) des Rückengefässes (rm) und andererseits mit den Ausläufern der grossen lappigen mehrkernigen Fettfollikel (F) und dem Perimysium der Myokommata (My) und Flügelmuskeln (fm), ferner die continuirlich in die Membran des Fettkörpers übergehende Cutis der äusseren Haut (cu), die ihr nach Aussen anliegende Matrix (m) und Cuticula (ce). Z ist eine sog. »eingesprengte« Zelle. F‘ Fettkörper nach Essigsäureein- wirkung. Eine sog. »eingesprengte« Zelle (sonst Respirationszelle genannt) von der Larve einer Phryganea striata nach Behandlung mit M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. 9. 13 194 Fig. 13. Fig. 13*, Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Dr. V. Graber: Kalilauge, wo im grossen hellen Kern mehrere Nucleoli sichtbar werden. Stück des Rückengefässes (H) sammt Umgebung, Pericardialzellen Pz und Flügelmuskeln fm, von einer Larve der Phryganea striata nach längerem Liegen in Glycerin. 200 mal vergr. Stück der Herzadventitia (a) und des darunter liegenden bindege- webigen Pericardialseptum (fs) von einem Carabus cancellatus bei 260 facher Vergrösserung. Von der adventitia gehen dünne Balken zu den Pericardial- zellen und bis zum Septum hin, die sich ganz nach Art der ech- ten elastischen Fasern verzweigen und Netzbildungen eingehen (b). Stück Herz mit dem darüber gespannten hautförmigen Fettkörper (F) von Musca vomitoria. 200mal vergr. nach Behandlung mit Essigsäure-Glycerin. lm Längs-, rm Ringmuskelfasern des Herzens, fk Kerne des Fettkörpers. E ein solcher Kern, 400 mal vergr., nach Einwir- kung von Chromsäure zur Demonstrirung der zwei Kernkörperchen, D eine Pericardialzelle. Stück der Herzadventitia einer 55 mm. langen Raupe von Eupre- pia caja bei 2000 maliger Vergrösserung im frischen Zustande. Ein zwischen dem Rückengefäss und der Insertion der Flügel- muskeln herausgeschnittenes Stück Pericardialseptum von Ephip- pigera vitium, 330mal vergr. « im frischen Zustand, $ nach Salpetersäure, y nach Alkohol- einwirkung, d nach Karmintinction, e nach Behandlung mit Kalk- wasser und Färbung der Muskeln mit Salpetersäure und Ammo- niak, ö nach Chromsäure, $ nach Behandlung mit Goldchlorid. pz Die mittelst dorsaler Ausläufer des Septums festgehaltenen zumeist bipolaren oder zweifaserigen Pericardialzellen. Taf. X. Fig. 17—28. Vordere und hintere Hälfte zweier benachbarter Herzkammern sammt einem Theil des Pericardialseptum (fs) und des Pericar- dialgewebes von Ephippigera vitium. Alkoholpräparat von der Dorsalseite aus betrachtet bei 100 maliger Vergrösserung. a Herz- adventitia von Platycleis grisea a‘ von Ephippigera.. rm Ring- fasern, sp Ostien, v und o vordere, h und e hintere Lappen der- selben, M der grosse doppelfiedrige Verschlussmuskel, T Herz- tracheen, T’ Zweig davon, der die Pericardialzellen (pz) umstrickt, fm Enden von Flügelmuskelfasern. Idealer Längsschnitt durch die Ostiengegend des Maikäferherzens (nach Strauss-Dürkheims Darstellung). Fig. 19. Fig. 21. Fig. 28. Ueber den propulsatorischen Apparat der Inseeten. 195 a adventitia, rm Ringmuskularis, i Intima, S während der Sys- tole, D während der Diastole, sp Spaltöffnungen. h, h‘ semilunare Ostienklappen; v, v’ sog. Interventricularklappen. b Bogen über den Spaltöffnungen zum Ansatz der Flügelmuskeln. Östiengegend vom Herzen einer Odontura Fischeri. d dorsale, v ventrale Seite, erstere mit nach Innen convergi- renden, letztere mit parallelen Ringfasern; die Ostien zum gröss- ten Theil auf der Dorsalfläche liegend. Längsschnitt durch die Ostiengegend des Herzens einer Chirono- muslarve. Bezeichnung wie früher. m Interventrieularklappen in der Diastole, n in der Systole. Darstellung des Ringfaserverlaufes an den Ostien von Ephippigera. (Der Pfeil (L) gibt die Richtung des Blutstromes an.) Dnrch Zusam- menschnürung der zwei unter dem Winkel 2« sich kreuzenden Fasern entstehen zwei Bewegungskräfte a b und a’b‘, deren pa- rallel zur Längsaxe des Herzens wirkende Componenten cb und c'b‘ den Verschluss der Ostien bewirken. Pericardialzellenfusionen von Saturnia pyri. a zwei langgestreckte Zellen durch ein dünnes Band mitein- ander verbunden; beide Enden gehen in fadenförmige Anhänge aus, die sich nach Art der elastischen Fasern gabeln. b mehrere durch unvollkommene Theilung entstandene, zu einem wurstartigen Strang verbundene Zellen. Bei c sind et- liche weniger differenzirte Zellen dargestellt, sämmtlich mit faden- förmigen Ausläufern versehen. Darstellung des Zusammenhanges zwisehen der Herzadventitia (a) und dem Pericardialseptum (fs) von Melolontha vulgaris, bei 450- facher Vergrösserung. Auf der Dorsalseite des Septum ent- springen bindegewebige, den elastischen ähnliche Balken (m), die, oder deren feinere Abzweigungen direct in die Membran der Pe- ricardialzellen (pz) übergehen, wodurch es zur Bildung von zu- meist bipolaren und tripolaren Zellen kommt, die ihrerseits wieder auf ähnliche Weise mit der adventitia in Verbindung treten. Dorsaler Tracheenverlauf von Blatta orientalis. » von Carabus cancellatus. » von Stenobothrus pratorum. » von Dytiscus marginalis, wobei die Buch- staben a,b,cu.d hier, sowie in derFig. 1homologe Theile bezeichnen. Stück Herzschlauch in der Ostiengegend von Melolontha vulgaris; gezeichnet theils nach dem pulsirenden Gefäss theils nach Injec- tionspräparaten. A vorderste Partie der hinteren, B hintere Partie der vorher- gehenden Kammer. v vordere, h hintere Fläche der Ostien- klappe, welche nach vorne und innen in einen Trichter über- 196 Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. geht (i). a Der zwischen beiden Ostientrichtern liegende Engpass, welcher durch das Zellventil (z) völlig abgeschlossen werden kann. m ein kegelförmiger Hohlmuskel, durch dessen Contraction die Östientrichter nach vorne bewegt werden. Gorreeturen. Seite 130, Zeile 8 von unten statt Anthophora zu lesen Osmia cornuta Latr. 21,180, 17» .12 u» » » vituus Lero, zu lesen vitium Sery. » 139, » 17 » oben » dieselbe zu lesen dasselbe. Ueber die Nervenendigung an den Tasthaaren der Säugethiere, sowie über die feinere Structur der- selben. Von ®r. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel XI und XII Nachdem ich nicht nur in der Flughaut der Chiropteren, son- dern auch am äusseren Ohre der Mäuse und Igel eigenthümliche Haare aufgefunden habe, welche einen eigenen Nervenapparat be- sitzen und hierdurch zu wichtigen Tastorganen umgewandelt er- scheinen, lag es nahe, zu untersuchen, in welchem Verhältnisse diese Haare zu den bekannten Tasthaaren an der Schnauze der Säuge- thiere stehen. Trotzdem mehrere eingehende und gediegene Arbeiten über die Tasthaare veröffentlicht worden sind, erschien mir dennoch nicht nur die Endigungsweise der Nerven, sondern auch manche andere Structurverhältnisse an denselben etwas unklar, und ich habe mich deshalb bewogen gefunden, trotz der allgemein anerkannten Schwie- rigkeit des Untersuchungsobjectes, die Tasthaare aller mir zugäng- lichen Säugethiere einer nochmaligen genauen Untersuchung zu unterwerfen. Unter allen Säugethieren, welche ich erlangen konnte, erwies sich mir der Igel als zur Untersuchung der Tasthaare am meisten geeignet, ja als ein in dieser Hinsicht geradezu classisches Thier, Der Igel ist nämlich das einzige Thier von allen, welche ich kenne, bei welchem sämmtliche Haare der Schnauze Tasthaare sind, 198 Dr. Jos. Schöbl: Die kleinen Härchen der Schnauze stimmen mit denen, die ich vom äusseren Ohre desselben Thieres beschrieben habe, vollkommen überein, die grössten dagegen besitzen den Bau der bekannten Tast- haare anderer Säugethiere. Zwischen diesen beiden Tasthaarformen nun lässt sich beim Igel eine ganze lange Reihe von Uebergangs- formen auffinden, an denen sich ein ganz allmähliches Uebergehen der einen Form in die andere nachweisen lässt, wie es vorläufig bei keinem anderen Thiere möglich ist. Ich habe aus diesem Grunde, obwohl ich, wie bereits erwähnt, die vergleichende Untersuchung sämmtlicher zu erlangenden Tast- haare nicht unterlassen habe, mich jedoch vorzugsweise mit denen des Igels beschäftigt. Es gelten somit die nachfolgenden Beobach- tungen zunächst für die Tasthaare des Igels, und desgleichen sind sämmtliche Abbildungen beider Tafeln nach Tasthaaren der Igel- schnauze angefertigt. Bevor ich auf meine eigenen Untersuchungen übergehe, will ich nur in aller Kürze erwähnen, was in Bezug auf den feineren Bau der Tasthaare überhaupt, und auf die Endigungsweise ihrer Nerven bis jetzt bekannt geworden ist. Die älteren Beobachtungen lasse ich unberücksichtigt, da sie auf den feineren Bau nicht eingehen ; so begnügt sich z. B. Hal- ler (Elem. Phys. T. V.) mit der Bemerkung, dass beim Durch- schneiden des Balges der Tasthaare ein Tropfen Blutes herausfliesse. In die ersten Decennien des gegenwärtigen Jahrhunderts fallen bereits eingehendere Arbeiten, in denen bereits von einem rothen schwammigen Körper zwischen dem Haarbalge und der Wurzelscheide der Tasthaare gesprochen wird. Gaultier (Journal de Physique 1820) berichtet, dass sich im Haarbalge der Tasthaare eine zähe fleischartige Substanz vorfindet. Heusinger (System der Histologie 1822) macht ähnliche An- gaben über einen rothen schwammigen Körper im Haarsacke. Eble (Die Lehre von ‘den Haaren. Wien 1831) beschreibt im Balge der Tasthaare einen rothen spongiösen Körper, der theils aus Capillaren, theils aus frei ergossenem Blute bestehe. Bendz (Handbog, den Almindelige Anatomie. Kjöbenh. 1846) erwähnt einen ringförmigen Sinus in der oberen Partie des Balges der Tasthaare, welcher jedoch nach Heusinger’s Angabe bereits in Rees Cyclopädie beschrieben sein soll, welche letztere zu erlangen ich nicht im Stande war, Die Nervenendigung an d. Tasthaaren d. Säugethiere.u. die fein. Structur ders. 199 Viel wichtigere Arbeiten über die Tasthaare fallen in die neuere Zeit. Gurlt (Untersuchungen über die hornigen Gebilde des Men- schen und der Haussäugethiere in Müller’s Archiv) übergehe ich, um Wiederholungen zu vermeiden, da sich dessen Angaben bei den folgenden Autoren vollständig wiederfinden. Gegenbaur (Untersuchungen über die Tasthaare einiger Säugethiere. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. III. B. 1851.) schenkt dem Verhalten der Nerven besondere Aufmerksamkeit. Er giebt an, dass der zu jedem Tasthaare sich begebende Nervenstamm vom fünften Paare abstammt, sich in mehrere Aeste spaltet, die sich dann mannigfaltig verzweigen und durch Verflechtung ihrer Primitivfasern ein dichtes Netzwerk darstellen, welches sich um die ganze Wurzelscheide ausbreitet. Von diesem Hauptflechtwerke nach Innen zu, nahe der structurlosen Haut, befindet sich ein feineres Nervenflechtwerk, welches von dem ersteren durch eine bindege- webige Schicht getrennt ist, ziemlich weite Maschen besitzt, und in welchem häufige Theilungen von Primitivfasern beobachtet werden. Diese letzteren werden feiner und blasser, und verschwinden endlich ganz. Ueber die Art und Weise jedoch, wie sie enden, giebt Ge- genbaur nichts an. Den cavernösen Körper im Haarbalge be- schreibt er als eine mit zahlreichen Blutgefässen versehene binde- gewebige Schicht, ohne der freien Bluträume zu erwähnen, scheint somit anzunehmen, dass sämmtliches Blut der Bälge in Gefässen eingeschlossen sei. Leydig (Ueber die äusseren Bedeckungen der Säugethiere Müller’s Archiv, Jahrg. 1859) liefert die gediegenste und reichhal- tigste Arbeit über die Tasthaare. In gewohnter meisterhafter Weise beschreibt er alle Gebilde derselben und liefert ein sehr reichhaltiges vergleichendes Material; er sagt: Die eigentliche Haut der Bälge der Tasthaare ist bindegewebig, hat bei grösseren Thieren das Aussehen einer fibrösen Haut, ähnlich der Sclera. Gefässe kommen in derselben nicht vor, ausser denen, die sie durchbohren, um zur Papille und zum cavernösen Körper zu gelangen. Am Grunde des Balges inseriren sich Muskeln mittelst langer Sehnen. Zwischen dem Haarbalge und der Wurzelscheide liegt der sogenannte Schwammkörper. Die Tasthaare aller Säugethiere haben nämlich zwischen der Innenfläche des Balges und der äusseren Wurzelscheide ein aus Bindegewebe bestehendes Alveolarwerk, dessen Höhlungen 200 Dr. Jos. Schöbl: venöse Bluträume sind. Am Halse des Follikels befindet sich ein venöser Ringsinus. Nach Innen, gegen die Wurzelscheide zu, bilden die Balken des Schwammkörpers eine compacte Schicht, welche nach Innen zu homogen glashell ist, und in welcher die Blutgefässe und Nerven liegen. Die Blutgefässe treten, nachdem sie den Balg durchbohrt haben, zur compacten Lage, zerfallen hier in Capillaren» welche dann in die Bluträume und in den Ring einmünden. Der Blutreichthum der Bälge steht mit der Function der Spürhaare als Tastorgane in Zusammenhang. Die Nerven durchbohren immer seitlich den Haarbalg, verbreiten sich in den Balken des Schwamm- körpers und endigen das Haar umfassend da, wo der Ringsinuus sich befindet, bis hart an die Wurzelscheide herantretend, nachdem die Primitivfaseen sich häufig getheilt haben, eine Art Kranz bil- dend, der bis zur äusseren Wurzelscheide vorzudringen sucht. Als eigenthümlichen Wulst der Wurzelscheide beschreibt Leydig einen ringförmigen Wulst unter dem Ringsinus. Leon Vaillant (Not sur les poils du tact des mamiferes. Gaz. med. Paris 1562) macht einige Mittheilungen über die Tast- haare, welche ich gänzlich übergehe, weil ich nicht finde, was nicht schon von Leydig besser und ausführlicher erwähnt worden wäre. Odenius (Beitrag zur Kenntniss des anatomischen Baues der Tasthaare. Vortrag, gehalten in der physiologischen Gesellschaft zu Lund. 1866. Deutsch in Max Schultze’s Archiv f. mikr. A. 2. B.) ist der neueste ausführliche Beschreiber der Tasthaare. Da seine Arbeit in vielen Punkten mit der Leydig’schen vollkommen überein- stimmt, so willich, um Wiederholungen zu vermeiden, von Odenius nur das kurz erwähnen, worin er von Leydig abweicht oder Neues bietet. Odenius unterscheidet am Haarbalge eine longitudinale und eine transversale Schicht. Die homogene Schicht des Schwamm- körpers erklärt er theilweise als ein Analogon der Glashaut, sie soll Längs- und Querstreifen besitzen. In der äusseren Wurzel- scheide finden sich Stachelzellen. Der Haarbulbus besteht aus einer gleichförmigen Zellenmasse, welche sich, nach Oben zu in einzelne strata differenzirt, als: Corticalsubstanz des Haares, Cuticula, innere und äussere Wurzelscheide. Die Beschreibung des schwammigen Körpers stimmt mit der von Leydig gegebenen völlig überein. Der Ringsinus ist nach Odenius von den Alveolen des Schwamm- körpers durch eine Substanzbrücke geschieden, und eine Verdickung der compacten Schicht in der Gegend des Ringsinus wird conischer Die Nervenendigung and. Tasthaarend. Sängethiere u. diefein. Structur ders. 201 Körper genannt. Der Ringwulst, welchen Leydig als der Wurzel- scheide angehörig beschrieben hat, hängt mittelst einer stielförmig verengten Basis mit der compacten Lage zusammen, zu der er zu rechnen ist, und umgiebt nicht das ganze Haar,"höchstens ?/ı des Umfanges. Er besteht aus Bindegewebe mit Kernen, und enthält weder Blutgefässe noch Nerven. Der Nervenstamm begiebt sich nach Odenius, nachdem er den Haarbalg seitlich durchbohrt hat, unter fortwährenden Verzweigungen zur compacten Lage, durch häufige Anastomosen der einzelnen Bündel bildet er ein grobes Ge- flecht, welches sich gegen den Ringsinus zu in feinere Bündel auf- löst, und zahlreiche Theilungen von Nervenfasern enthält. Während des Verlaufes nach Oben nehmen die Fasern einen mehr parallelen Verlauf an, so dass sie endlich sämmtlich in einer Ebene ausgebreitet liegen, welche vollständig und gleichmässig den ganzen Umfang der Wurzelscheide umgibt. Die einzelnen Fasern verlieren nun ihre Markscheide, welche zugespitzt endet, und bilden von da an schmale, glänzende Terminalfasern, welche dicht nebeneinander in einer homogenen, von rundlichen Kernen durchsetzten Substanz ein- gebettet zu sein scheinen, und von denen jede mit einer länglichen abgerundeten Anschwellung von feingranulirtem Aussehen endet. Es enden somit die Nerven der Tasthaare nach Odenius im oberen Theil der homogenen Lage in seinem sogenannten conischen Körper mit länglichrunden Anschwellungen. -Burkhart (Ueber Nervenendigungen in den Tasthaaren der Säugethiere. Centralblatt f. die medic. Wissenschaften. Berl. 1870. S. 514) veröffentlichte eine ganz kurze vorläufige Mittheilung. Er giebt an, dass Nerven in den sogenannten Ringwulst eintreten, da- selbst ein Netz bilden, und wahrscheinlich mit eigenthümlichen, von ihm beschriebenen sehr vergänglichen Zellen in Verbindung ständen. Ich kann der überaus kurzen, und etwas unklar gehaltenen Notiz Burkhart’s, so lange seine definitive Arbeit nicht erscheint, keinen besonderen Werth beilegen. Ich wenigstens konnte, überein- stimmend mit Odenius, im Ringwulst nie eine Spur weder von Nerven noch von Blutgefässen entdecken, trotzdem ich dasselbe Rea- gens wie Burkhart, nämlich Ueberosmiumsäure, in mannigfal- tiger Weise in Anwendung gebracht habe. Stieda (Ueber die angeblichen Terminalkörperchen an den Haaren einiger Säugethiere. Dieses Archiv. 8. Bd. p. 274) hat eine Notiz publicirt, worin meine Arbeiten über die Haare in 202 Dr. Jos. Schöbl: der Flughaut der Chiropteren sowie am äusseren Öhre der Mäuse angegriffen werden. Meine Entgegnung erschien im selben Bande des Archivs p. 654, weshalb ich. den Gegenstand hier mit Still- schweigen übergehe. Endlich soll von einem Herrn Studiosus Beil eine Inaugural- Dissertation erschienen sein, mit der es eine ganz eigenthümliche Bewandtniss hat. Im Bericht über die Fortschritte der Anatomie und Physiologie im Jahre 1871, herausgegeben von Henle, Meissner und Grenacher, I. Heft, p. 28 steht: „W. Beil, Ueber Nervenendigungen in den Haarbälgen einiger Tasthaare. Inaug.-Diss. Göttingen, 8.* Ich habe mir alle mögliche Mühe gegeben, dieser Inaugural- Dissertation habhaft zu werden, habe jedoch statt dessen unumstöss- liche Beweise erlangt, dass sie bis jetzt, das heisst zum Mai des Jahres 1872, noch gar nicht erschienen ist, obzwar sieim oben ge- nannten Berichte bereits als im Jahre 1871 erschienen angeführt wird. Hiermit hätte ich der wichtigsten Thatsachen, welche in Bezug auf die Tasthaare bekannt geworden sind, und welche zu erlangen mir möglich war, in aller Kürze Erwähnung gethan und gehe nun zu meinen eigenen Arbeiten über. Meine Untersuchungen über Tasthaare beginnen eigentlich mit der Erforschung der Nervenendigungen in der Flughaut der Fleder- mäuse. Ich habe die damals erzielten Resultate im selben Archiv Band 7 unter dem Titel „Die Flughaut der Fledermäuse, nament- lich die Endigung ihrer Nerven * veröffentlicht. Ich fand damals die Flughaut der Chiropteren mit winzigen, regelmässig vertheilten Härchen besetzt, bei denen sich das untere Ende der Haarschäfte in einen Zellkörper unmittelbar fortsetzte, der einerseits mit dem Rete Malpighi in Verbindung stand, anderer- seits nach abwärts einen Tannenzapfenähnlichen Fortsatz besass, und von der Glashaut, sowie von den undeutlieh differenzirten Faser- häuten des Haarbalges umgeben erschien. Zu jedem Haarbalg be” gibt sich ein aus 4—6 Fasern bestehendes Nervenstämmchen, wel- ches das Haar umschlingt, sich dann nach abwärts begiebt und den Tannenzapfenähnlichen Fortsatz umwickelt. Ich habe auf Grundlage weiterer Untersuchungen dieses über alle Maassen schwierigen Objectes an meinen damaligen Angaben nur Weniges zu berichtigen," und das wäre: dass die zum Haarbalg tretenden Nervenfasern marklos werden, dass sie nicht eine einfache Die Nervenendigungan d. Tasthaaren d. Säugethiere u. die fein. Structurders. 203 Umschlingung des Haares, sondern in allen Fällen unterhalb der Einmündungsstelle der Talgdrüsen einen wahren, wenn auch nur aus wenigen Windungen bestehenden Ring bilden. Ich habe damals den Tannenzapfenartigen Zellenfortsatz mit seiner Nervenumwicklung als Terminalkörperchen aufgefasst, dem Härchen dagegen eine untergeordnete Rolle zugewiesen. Wie ich bereits in meiner Entgegnung gegen Stieda erwähnt habe, glaube ich diese meine damalige Auffassung dadurch entschuldigen zu können, dass ich diese Gebilde zunächst in der Flughaut der Chiropteren auffand, wo einestheils die Untersuchung so ungemein schwierig ist, andern- theils das so winzig kleine Härchen ganz in den Hintergrund tritt. Auf Grundlage einer ganzen Reihe von comparativen Untersuchungen hat sich mir nun mit voller Klarheit ergeben, dass die Härchen in der Flughaut der Fledermäuse wahre Tasthaare sind, und zwar die kleinsten Tasthaare in der Säugethierwelt. Meine zweite, hier einschlägige Arbeit betrifft das äussere Ohr der Mäuse. Ich ging nämlich von der Voraussetzung aus, dass das feine Tastvermögen der Flughaut den Fledermäusen vorzüglich an jenen Orten unentbehrlich ist, wo sie sich wegen Mangel an Licht des Sehvermögens nicht bedienen können, wie in tiefen Höhlen, unterirdischen Localen und dergleichen; und dass man bei Thieren, welche stets oder zeitweilig ähnliche dunkle Localitäten bewohnen, eine ähnliche feine Ausbildung des Tastsinnes an irgend einer Kör- perstelle auffinden könnte. Unter derartigen leicht zu erlangenden Thieren musste mir vor allem die Hausmaus einfallen, und es fiel mir sofort eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem überaus zarten, scheinbar nackten, jedoch mit Kleinen Härchen regelmässig besetzten äusseren Ohre der Maus und der Flughaut der Chiropteren auf. Die genauere Untersuchung hat gezeigt, dass meine Schlussfol- gerung richtig war; ich fand im äusseren Ohr der Mäuse einen wahrhaft fabelhaften Nervenreichthum, und von jedem der regel- mässig in ziemlich gleichen Abständen von einander entfernten Härchen einen ähnlichen Nervenapparat, wie an denen der Flug- haut der Fledermäuse. Zu jedem Haarbalge treten nämlich ein oder zwei aus zwei bis vier marklosen Fasern bestehende Nervenstämmchen , umwickeln unter- halb der Talgdrüsen den Wurzelzellkörper in mehrfacher Tour, und bilden so einen Nervenring, von welchem aus Nervenfasern nach ab- 204 ‘ Dr. Jos. Schöbl: wärts verlaufen und hier ein unter dem betreffenden Wurzelzellkör- per gelegenes Nervenknäuel bilden. Auch diese Arbeit ist im selben Archiv, Bd. 7 S. 260 abgedruckt unter dem Titel: „Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan.“ Boll hat diese meine Untersuchungen controllirt und in allen Punkten bestätigt (Centralbl. f. d. medic. Wissensch. 1871. Nr. 34. S. 532). Auch diese Härchen im äusseren Ohre der Mäuse sind wahre Tasthaare, wie jene winzigen Härchen der Chiropterenflughaut. Eine dritte Arbeit ist in eben demselben Archive erschienen Bd. 8 S. 295 unter dem Titel: „Das äussere Ohr des Igels als Tastorgan.* Ich wählte mir dieses nächtliche, sich in allerlei Schlupfwinkeln herumtreibende Thier umsomehr, als zu vermuthen war, dass bei einem Geschöpf, welches den grössten Theil seiner Körperoberfläche mit Stacheln bedeckt hat, die davon frei gebliebe- nen Partieen für Tastempfindungen um so empfindlicher sein dürften. Auch diese meine Schlussfolgerung erwies sich als richtig; ich fand im äusseren Ohre des Igels Tasthaare, analog denen im äusseren Öhre der Mäuse, so wie zu jenen in der Flughaut der Chiropteren.’ Da alle drei Tasthaarformen, deren ich bis jetzt Erwähnung gethan habe, nämlich sowohl die Tasthaare in der Flughaut der Fledermäuse, als auch die am äusseren Ohre der Mäuse und Igel in Bezug auf den Bau ihrer Haarwurzel von der gewöhnlichen Haar- form ganz abweichen, so wird es hier am Orte sein, dass ich mich über diesen Punkt genauer ausspreche. Am untersten Theile des Haarschaftes theilen sich nämlich die Faserzellen der Corticalsub- stanz in einzelne Bündel, welche dann strahlig besenförmig nach allen Seiten auseinanderfahren, wobei die einzelnen Faserzellen ganz allmählich an Länge abnehmen, an Dicke dagegen zunehmen, bis sie sich endlich in länglich polygonale kernhaltige Zellen um- wandeln, welche bis gegen die Peripherie die strahlige Richtung der besenförmig auseinanderfahrenden Faserbündel des Haarschaftes ein- halten und zusammengenommen- einen bald ovalen, bald mehr co- nischen, bald länglichen soliden Zellkörper darstellen, welcher durch eine ganz ähnliche Zellschicht (ein Rudiment der äusseren Wurzel- scheide bei der gewöhnlichen Haarform) unmittelbar mit der Mal- pighi’schen Schicht im Zusammenhange steht. An Längsdurchschnitten so gebauter Haare ist es anschaulich, wie die Malpighi’sche Schicht, nachdem sie an jedem Haarbalge Die Nervenendigung an d. Tasthaaren d. Säugethiere u. diefein. Structur ders. 205 eine trichterförmige Einstülpung gemacht hat, sich in die Ausfüh- rungsgänge der Talgdrüsen fortsetzt, und zwischen diesen herab in den soliden Zellkörper übergeht, dessen Zellen wieder in der Mitte ganz allmählich in die Faserzellen des Haarschaftes übergehen. Die Corticalsubstanz des Haares erscheint somit als eine unmittelbare Fortsetzung der Malpighi’schen Schicht. Taf. I Fig. 2 und Fig. 6 stellen reine Längsdurchschnitte von Tasthaaren dar, an denen der allmähliche Uebergang der Malpighi'- schen Schicht in den Zellkörper und der Zellen dieses letzteren in die des Haarschaftes ganz deutlich ersichtlich ist. Ich nenne so gebaute Haare: Haare mit Wurzelzellkörper, zum Unterschiede von der gewöhnlichen Haarform mit Haarzwiebel und entwickelter Wurzelscheide. Es unterscheidet zwar schon Henle (Handbuch d. Eingeweide- lehre des Menschen. 1866. pap. 21) zwei Grundformen der Haar- wurzel, er sagt: „Die Haarwurzel erscheint in zweierlei Formen : offen und hohl so lange das Haar wächst, oder geschlossen und solid, wenn das Haar seine typische Länge erreicht hat. Die erste Form (Haarknopf Henle) besteht aus einer mit breiter Basis aufsitzenden, weichen, gallertartigen Masse, in welcher dicht gedrängt platte, Kreisrunde Zellkerne und bei dunklen Haaren Haufen von Pigmentkörnchen liegen; sie schliesst einen vom Grunde des Haarbalges breit. oder gestielt sich erhebenden ei- oder kegelförmigen, aufwärts in eine Spitze ausgezogenen Körper ein, die Haarpapille, von der sie sich nur gewaltsam trennen lässt.“ „Die zweite Form von Haarwurzeln (Haarkolben Henle) ist nur um weniges stärker als der Haarschaft; ihre Oberfläche bilden Fa- Serspitzen, Fortsetzungen der Fasersubstanz des Haarschaftes, welche strahlig divergirend nach den Seiten und nach unten ragen, oder sie ist glatt am unteren Ende abgerundet, oder gar zugespitzt, und zeigt sich ganz aus feinen, wollig gekräuselten Längsfasern zusam- mengesetzt, einem Bindegewebsbündel ähnlich, und ebenso in Essig- säure quellend, wobei die sogleich zu erwähnenden stabförmigen Kerne erkennbar werden.“ Diese beiden Formen der Haarwurzel, wie sie Henle aufstellt, als Entwicklungszustände desselben Haares mögen wohl für die Haare des Menschen und für viele andere Haare, vielleicht für die 206 Dr. Jos. Schöbl: Meisten ganz richtig sein, für Alle passen sie jedoch in der Weise, wie sie von Henle präecisirt werden, durchaus nicht. Am allerwe- nigsten kann ich sie für die von mir beschriebenen Tasthaarformen beibehalten. Die wichtigstsn Argumente, die mich hierzu nöthigen, sind folgende: 1. In den winzigen Tasthärchen der Flughaut der Fledermäuse, desgleichen in den Tasthärchen des äusseren Ohres der Mäuse und der Igel, sowie in den kleinsten Tasthärchen der Igelschnauze, habe ich nie eine Papille wahrgenommen, mögen die Haare jung oder alt sein, möge man in welcher Jahreszeit immer untersuchen, junge oder alte: Thiere, stets findet man die betreffenden Tasthärchen in der von mir beschriebenen Form mit Wurzelzellkörper und nur äusserlich von Capillargefässen umsponnen. Selbst in der allerfrühesten Entwicklung finde ich an der Stelle der Haarwurzel nur ein aus weichen, rundlichen Zellen befindliches Lager ohne eine Spur von einer Papille.. Es wären dies somit, wenn ich die Ein- theilung Henle’s für sie anwenden wollte, Haare, welche zu keiner Zeit ihrer Entwicklung die offene oder hohle Form besitzen. 2. Giebt es Tasthaare, die einen entwickelten Wurzelzellkörper besitzen, wie sie auf Taf. I, Fig. 3 bis Fig. 6 ahgebildet sind und die trotzdem Papillen besitzen. Solche Tasthaare würden gleich- zeitig in beide Unterabtheilungen der Haarwurzel nach Henle ein- gereiht werden müssen, nach dem Vorhandensein der Papille werden sie zur hohlen offenen Form gehören, nach der Zerfaserung des un- teren Endes des Haarschaftes zur soliden, geschlossenen Form. 3. Endlich finde ich den ganzen Wurzelzellkörper bei seiner geschlossenen Haarform mit keinem Worte erwähnt, ebensowenig wird des Umstandes gedacht, dass die Fasern des Haarschaftes sich allmählich in die Zellen des betreffenden Zellkörpers umwandeln. Aus diesen Gründen kann ich die Henle’sche Eintheilung der Haarwurzeln für die von mir beschriebenen Tasthaare nicht anwenden, und gebrauche zur Bezeichnung der obenerwähnten Tasthaarformen den Ausdruck Haarwurzel mit entwickeltem Wurzelzellkörper,, wo- bei die Wurzelscheide mehr weniger rudimentär ist; zum Unter- schiede zu der Haarwurzel von gewöhnlicher Haarform mit Haar- zwiebel und entwickelter Wurzelscheide. Wurzelscheide und Wurzelzellkörper stehen zu einander bei beiden Haarformen in reeiprokem Verhältniss; je entwickelter der Die Nervenendigung and. Tasthaaren d. Säugethiere u. diefein. Structur ders. 207 Wurzelzellkörper ist, desto geringer an Ausdehnung ist die Wur- zelscheide und umgekehrt. Wenden wir uns nach dieser Abschweifung wieder zu den Tast- haaren des Igelohres. Die Epidermis der Haut kleidet die trichterförmige, zu jedem Haarbalg gehende Einstülpung der Malpighi’schen Schicht aus, bis etwas unter die Einmündungsstelle der Talgdrüsen, bildet ein Ana- logon der inneren Wurzelscheide und schlägt sich dann auf den Haarschaft über, und scheint unmittelbar in das Oberhäutchen des Haares überzugehen. Die Oberhaut des Haares erschiene somit als die unmittelbare Fortsetzung der Oberhaut der Cutis. Der Wurzelzellkörper und die äussere Wurzelscheide ist das Zwischenglied zwischen Malpighi’scher Schicht und der Corticalsub- stanz des Haares, die innere Wurzelscheide dagegen zwischen Epi- dermis und Oberhäutchen des Haares. Die Haarbälge am äusseren Ohre des Igels besitzen keine eige- nen Blutgefässe; sie werden blos von Aussen von einem Capillar- netz umsponnen. Dagegen tritt zu jedem Haarbalge ein mäch- tiges Nervenstämmchen, dessen Fasern den cylindrischen Theil des Haarbalges unmittelbar unter der Einmündung der Talgdrüsen umwickeln und auf diese Weise einen prachtvollen Nervenring bilden. Ein derartiger Nervenring findet sich an jedem Haare des Igelohres. In meiner Arbeit über das Igelohr habe ich weiter beschrieben, dass von der Innenfläche des Nervenringes Nervenfasern nach Unten abgehen, längsrippenartig über den Wurzelzellkörper verlaufen und unter demselben schlingenförmig umbiegen. Diese Angabe muss ich zurücknehmen; sie ist aus einer Verwechslung hervorgegangen mit Fasern, welche ich sofort beschreiben werde und welche oft eine ungewöhnliche Aehnlichkeit mit Nervenfasern besitzen. Diese Fasern gehören, wie ich jetzt auf Grundlage vergleichender Unter- suchungen annehmen zu dürfen glaube, der Glashaut an, welche bei diesen Haaren nicht eine zusammenhängende Membran bildet, son- dern in eine grosse Anzahl feiner flacher Längsbänder zerfallen erscheint. Diese Bänder verlaufen von der Innenfläche des Nerven- ringes ausgehend parallel und dicht nebeneinander an der Ober- fläche des Wurzelzellkörpers und biegen unter demselben schlingen- 208 Dr. Jos. Schöbl: förmig um, auf diese Weise die ganze Oberfläche des Wurzelzellkörpers umspannend. Jedes einzelne Band hat etwa dieselbe Stärke, wie eine Nervenfaser, und alle hängen mit der Innenfläche des Nerven- ringes, von dem sie ausgehen, innig zusammen. Gelingt es durch einen glücklichen Schnitt, die Innenfläche eines Stückes des Nerven- ringes zur Ansicht zu bekommnn, so hat es ganz den Anschein, als ob die betreffenden Bänder unmittelbar aus den einzelnen Nerven- fasern des Ringes entspringen und dann nach abwärts umbiegen so dass man sich leicht veranlasst fühlen würde, sie sofort für Ner- venfasern zu erklären, wenn nicht andere vergleichende Beobach- tungen dagegen sprächen. Der Nervenring in Verbindung mit den den Wurzel- zellkörper umspannenden Bändern bildet meiner An- sicht nach den Tastapparat dieser Haare. Während bei der Fledermaus ausser dem Nervenringe der un- tere Theil des Wurzelzellkörpers von Nervenfasern umwickelt ist, bei der Maus sich ausser dem Ringe unter dem Zellkörper ein Nervenknäuel befindet; so glaube ich, dass die den Wurzelzell- körper eng umspannenden und mit dem Nervenring innig verbunde- nen Bänder der Glashaut die letzteren Gebilde der obengenannten Thiere bei den Tasthaaren des Igelohres ersetzen, und auch ganz wohl geeignet sind, jede Vibration des Haares, welches sich ja un- mittelbar in den Wurzelzellkörper fortsetzt, den Nervenfasern des Ringes mitzutheilen. Auf diese Weise habe ich bereits eine ganze Reihe von Tasthaaren beschrieben, welche einen analogen Tastapparat besitzen. Von den winzigen Tasthärchen der Chiropterenflughaut, deren Länge kaum 0,25 mm. beträgt, bilden die schon grösseren Tasthärchen am Ohre der Mäuse einen allmählichen Uebergang zu _ den ziemlich grossen Tasthaaren am’ äusseren Ohre des Igels. Auch in Bezug auf den Tastapparat herrscht bei allen diesen drei Tasthaarformen ein Grundgedanke, nämlich Ringbildung am Hals- theile des Haarbalges, und eine von da ausgehende Umspannung des Wurzelzellkörpers. Der Nervenring kommt allen drei Thier- gruppen gemeinschaftlich zu, nur ist seine Entwicklung ungleich; am schwächsten bei den Fledermäusen, stärker schon bei den Mäu- sen, am allerstärksten und prachtvollsten beim Igel. Die Umspannung des Wurzelzellkörpers wird bewirkt bei der Fledermaus durch Um- wicklung der unteren Partie desselben mit Nervenfasern, bei der Ueb. Nervenendigungan Tasthaaren d. Säugeth., sowie üb. fein.Structur ders. 209 Maus durch Knäuelbildung unterhalb desselben, beim Igel durch die in Bänder zerfallende Glashaut. Meine weiteren Untersuchungen betreffen die Tasthaare der Schnauze verschiedener Säugethiere, namentlich des Igels, und ich gelangte hierbei zu folgenden Hauptresultaten: 1. Im Rüssel des Igels finden sich ganz gleich ge- baute kleine Tasthärchen, wie ich sie an seinem Äusse- ren Ohre beschrieben habe. 2. Sämmtliche Haare des Igelrüssels sind, wie ich bereitsin der Einleitung erwähnt habe, Tasthaare. 3. Es lässt sich bei verschiedenen Säugethieren, am bequemsten jedoch im Igelrüssel, einganzallmählicher Uebergang der kleinen von mir beschriebenen Tast- härchen zu den gewöhnlichen grossen Tasthaaren nachweisen. Zur Untersuchung eignen sich am besten grosse, ganz ausge- wachsene Igel, im Spätherbste oder während des Anfanges des Win- terschlafes getödtet. - Wie bereits erwähnt wurde, kommen somit im Igelrüssel Tast- härchen vor, welche mit denen am äusseren Ohre desselben Thieres ganz congruent sind, von ihnen in keinem Punkte abweichen. Die Länge solcher Tasthärchen beträgt 2—3 mm., ihr Durchmesser 0,0555 mm. Die Länge des Haarbaiges von der Einmündungsstelle der Talgdrüsen nach abwärts gemessen 0,5 mm. Ein derartiges kleines Tasthärchen aus dem Igelrüssel, von der Oberfläche betrachtet ist auf Tafel I, Fig. 1, im Längsschnitt dagegen auf derselben Tafel Fig. 2 dargestellt. Bei dem ersteren sieht man das strahlig besen- fürmig zerfaserte untere Ende des Haarschafts hindurchschimmern, an der Oberfläche dagegen die deutlich in Bänder zerfallene Glas- haut. Die beiden Faserhäute des Balges sind nur im Schnitt gezeich- net. Der ganze Haarbalg, wie die stark gelappten Talgdrüsen, er- scheinen von ziemlich weiten Capillaren umsponnen. Fig. 2 ist ein reiner Längsschnitt eines etwas grösseren Tast- härchens des Igelrüssels, welches namentlich den Uebergang der Fasern des Haarschaftes in die Zellen des Wurzelzellkörpers und dieser letzteren in die Malpighi’sche Schicht veranschaulicht, des- gleichen ist das Herabsteigen der Epidermis, und der Uebergang derselben in das Oberhäutchen der Haare bemerkbar. Die Talg- drüsen sind viel weniger entwickelt. Neben diesen Tasthärchen M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 14 A 210 Dr. Jos. Schöb!: finden sich in grosser Anzahl etwas grössere, welche in ihrem Bau von den eben beschriebenen nur unbedeutend abweichen. Die Gestalt des Wurzelzellkörpers ist ähnlich der Gestalt der vorigen, etwas langge- streckter, die Talgdrüsen sind weniger entwickelt. Die beiden Faser- häute des Balges sind etwas stärker entwickelt, namentlich das untere Dritttheil der Querfaserhaut, so dass diese Partie ganz deutlich quer- gestreift, wie von einem Fasergewinde umwunden erscheint. In das untere, knopfförmige Ende des Wurzelzellkörpers stülpt sich von den Faserhäuten aus eine deutliche, rundlich kegelförmige Papille ein, die Blutgefässe umspannen den Haarbalg nicht äusserlich wie bei den vorigen Tasthaarformen , sondern dringen sowohl in die Pa- pille als zwischen beide Faserhäute, woselbst sie ein weitmaschiges Capillarnetz bilden, welches in der Gegend des Nervenringes beson- ders stark entwickelt ist. Die cylindrische Partie des Balges unter der Einmündung der Talgdrüscn, welche von dem Nervengewinde bekleidet ist, ist länger als bei der vorigen Form, somit der Ner- venring prachtvoller entwickelt. Die von diesem Ringe ausgehenden Bänder der Glashaut, von denen nach abwärts zu nicht selten zwei bis drei zu einem gemeinschaftlichen Bande verschmelzen, verlaufen nach abwärts längs der stielförmigen Verlängerung des Wurzelzell- körpers bis zur Papille, woselbst sie mit der Querfaserhaut ver- schmelzen. Zum Nervenring begeben sich ein bis zwei ziemlich starke Nervenstämmchen, welche bald die Markscheiden verlieren, in mehrere Aeste zerfallen, durch Anastomosen nicht selten ein grobes Netz bilden um dann in die Wandungen des Ringes über- zugehen. Ueber den Nervenring hinaus liessen sich in keinem Falle Nervenfasern verfolgen, ich glaube mich deshalb berechtigt, ihn vorläufig, wenn esnicht ge- lingt, weitere Nervenfasern aufzufinden, alsden ner- vösen Endapparat dieser Tasthaare anzusprechen. Ich habe ein Tasthärchen der eben beschriebenen Art aus dem Igelrüssel auf Taf. I, Fig. 3 abgebildet; Taf. II, Fig. 4 stellt einen isolirten Nervenring eines derartigen Haares dar, von dem noch abwärts die Anfänge der Bänder der Glashaut sichtbar sind. Scheut man weder Zeit noch Mühe und durchmustert ganze lange Reihen gelungener Präparate, so gelingt es, alle möglichen Uebergangsstadien zwischen den zuletzt beschriebenen Tasthaarfor- men zu beobachten, und ebenso gelingt es, ganz allmähliche Ueber- Ueb. Nervenendigung an Tasthaaren d. Säugeth., sowieüb.fein.Structur ders. 211 gänge zu den nächstfolgenden aufzufinden. Diese letzteren bestehen hauptsächlich darin, dass sich bei noch grösseren Tasthärchen die beiden Faserhäute des Balges allmählich zu verdicken beginnen, und dass sich in gleichem Maasse das zwischen beiden Faserhäuten befindliche Gefässnetz, besonders in der Gegend des Nervenringes stärker entwickelt, wo es an einzelnen Stellen bereits zur Lacunen- bildung kommt. Auf diese Weise gelangen wir durch eine überaus zahlreiche Reihe von Uebergangsformen zu Tasthaaren, welche noch immer verhältnissmässig sehr klein sind, ja mitunter die vorherbeschriebene Tasthaarform, was Grösse anbelangt, kaum übertreffen, deren Grund- form sie auch besitzen, an denen sich aber dennoch bereits alle we- sentlichen Eigenthümlichkeiten der grossen Tasthaare, wie sie von den Autoren bis jetzt beschrieben wurden, vorfinden. Es finden sich Tasthärchen, die nur wenige mm. lang sind, deren Haarbalg von der Einmündungsstelle der Talgdrüsen nach abwärts nur 0,85 mm. misst, und bei denen schon die äussere Faser- haut besonders stark entwickelt ist, und ganz das Aussehen einer fibrösen Haut hat. Sie erstreckt sich nach aufwärts bis zu den kleinen Talgdrüsen, welche gewöhnlich sogar ganz in ihr einge- bettet liegen; die innere Faserhaut, welche in ihrer untersten Par- tie eine sehr deutliche Querfaserung aufweist, besitzt unmittelbar unter dem Nervenring eine wulstförmige Verdickung. Zwischen beiden Faserhäuten befindet sich ein Lacunensystem, welches um den Nervenring herum die weitesten Lacunen aufweist, welche nicht selten schon in einen zusammenhängenden Ringsinus verschmelzen, nach oben jedoch mit den die Talgdrüsen und die trichterförmige Einsenkung des Haarbalges umspannenden Blutgefässen zusammen- hängen. Die Blutgefässe treten theils von unten, theils seitlich zum Haarbalg, gehen, nachdem sie die Faserhaut durchbohrt haben, theils zur Papille, theils bilden sie ein Capillarnetz, welches in das Lacunensystem mündet. Beide Faserhäute sind durch Bindegewebs- balken mit einander verbunden, welche die einzelnen Bluträume von einander trennen. Ausser einem bis zwei sehr schwachen, von oben zum Nervenring tretenden Nervenstämmchen tritt ein starker Ner- venstamm seitlich zum Haarbalge, theilt sich, nachdem er die Fa- serhäute durchbohrt hat, in mehrere Zweige, welche zahlreiche Anastomosen bildend den Wurzelzellkörper umfassen, sich endlich in einzelne Fasern auflösen, die blass werden und sich zum Nerven- 212 Dr. Jos. Schöbl: ringe begeben. Die Bänder der Glashaut, welche sehr zart sind, ziehen vom Nervenring abwärts, umspannen den ganzen Wur- zelzellkörper, dem sie unmittelbar anliegen, und verschmelzen im untersten Theile des Haarbalges mit dem oben bereits erwähnten deutlich querfaserigen Theile der inneren Faserhaut. Ein derartiges Tasthaar aus dem Igelrüssel habe ich Taf. I, Fig. 4 abgebildet. Da sich an diesen Tasthärchen bereits alle Gebilde vorfinden, wie sie an den gewöhnlichen Tasthaaren beschrieben worden sind, so wird es hier am besten sein, wenn ich mich über meine eigene Deutung dieser Theile ausspreche. Was den schwammigen Körper der Tasthaare älterer Autoren oder den cavernösen Körper anbelangt, der nach Leydig und Odenius zwischen dem eigentlichen Balge und der Wurzelscheide liegen soll, so liegt derselbe nach meiner Meinung zwi- schen den beiden Faserhäuten des Balges. Betrachtet man nämlich eine ganze Reihe von Tasthaaren, von den kleineren zu den grösseren übergehend, so sieht man, dass bei den kleineren zwischen beiden Faserhäuten sich blos ein weitmaschiges Gefäss noch befindet, bei den grösseren zu diesem noch ein Lacunensystem von kleinen Bluträumen hinzutritt, an dessen Stelle sich dann bei noch grösseren der sogenannte cavernöse Körper entwickelt. Was Leydig, und nach ihm Odenius, c ompacte Lage der Balken des Schwammkörpersnennen, ist nach mei- ner Meinung die innere Faserhaut des Balges. Zu dieser Annahme berechtigt mich, wie ich glaube, nicht nur die Lage der Bluträume im Vergleich zur Lage des Gefässnetzes kleinerer ana- loger Tasthaare, sondern auch die Thatsache, dass der untere Theil dieser Haut stets querfaserig ist, was ganz genau der deutlichen (Querfaserung am unteren Dritttheile der mneren Faserhaut kleinerer Haarbälge entspricht. Die Balken des cavernösen Körpers bilden dann nach meiner Anschauungsweise das Analogon des lockeren Bindegewebes, welches bei kleineren Tast- haaren die beiden Faserhäute verbindet, und in dem ein- gebettet das Gefässnetz liegt. Meine in Längsbänder zerfallende Glashaut schei- nen weder Leydig, noch Odenius beobachtet zuhaben, was sie als ein Analogon der Glashaut beschreiben, ist nach meiner Ueb. Nervenendigung an Tasthaaren d. Säugeth.. sowie üb. fein. Structurders. 213 Meinung homogenes Bindegewebe, welches der Innenwand meiner inneren Faserhaut angehört. Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zu den Tasthaaren des Igelrüssels zurück, so finden wir eine weitere Reihe derselben, welche sich von der zuletzt beschriebenen Tasthaarform in wenig anderem unterscheiden, als durch stetig zunehmende Grösse, Je grösser die Tasthaare werden, um so dicker werden die beiden Fa- serhäute des Balges, um so entwickelter das Blutlacunensystem zwischen denselben, oder der sogenannte cavernöse Körper, sonst ist der übrige Bau der Haarwurzel, was Wurzelzellkörper anbelangt, noch immer derselbe, wie bei den kleineren Tasthaaren, oder bei den Tasthärchen des Igelohres. Auf diese Weise gelangen wir be- reits zu mächtigen Tasthaaren von mehr als einem Zoll Länge, deren’ Haarbälge, von der Einmündung der Talgdrüsen nach abwärts ge- messen, bis 2 mm. betragen, welche noch immer die Grundform der kleinen Tasthärchen mit länglich elliptischem Wurzelzellkörper be- sitzen. Auf Tafel I, Fig. 5 habe ich ein derartiges Tasthaar von der Oberfläche gezeichnet, während der Balg im Schnitt dargestellt ist. Fig. 6 derselben Tafel zeigt ein noch etwas grösseres Tasthaar die- ser Art im reinen Längsschnitte. Zu derartigen Tasthaaren begiebt sich ein mächtiger Nerven- stamm, selten zwei, welcher sich manchmal, noch bevor er die Faserhäute seitlich durchbohrt, in zwei oder mehrere Aeste spaltet, welche durch Faseraustausch Anastomosen bilden. In den Haar- balg gelangt, begeben sich die Nervenstämme zur inneren Fläche der inneren Faserhaut (nach meiner Deutung compacte Lage Leydig’s) zerfallen hier in stets feinere und feinere - Zweige, welche durch stetigen Faseraustausch der einzelnen Bündel untereinander ein weitmaschiges Netz bilden, und den Wurzelzell- körper von allen Seiten gleichmässig umfassen. Im weiteren Ver- laufe nach aufwärts werden die einzelnen Bündel durch fortwährende Theilung schwächer und schwächer, die Maschen des Netzes da- gegen, das sie durch stetigen Faseraustausch bilden, enger und langgestreckter. Endlich in der obersten Partie des Wurzelzell- körpers werden die einzelnen Fasern marklos, breiten sich in einer Ebene aus, eine Faser dicht neben der anderen, parallel zu einander und zur Längsaxe des Haarbalges verlaufend, und gehen unmittelbar unter der Einmündungsstelle der Talgdrüsen in einen schwa- 214 Dr. Jos. Schöbl: chen, blassen, ungemein schwer darzustellenden Nervenring über, welcher, sowie die letzterwähnten blassen Längsnervenfasern in ein homogenes, von zahlreichen rundlich ovalen Kernen durchsetztes Bindegewebe eingebettet erscheint und seinerseits wieder mit den gleichfalls ungemein zarten Bändern der Glashaut zusammenhängt, welche dem Wurzelzellkörper unmittelbar aufliegend, nach abwärts verlaufen, um in der untersten Partie des Haarbalges mit dem deutlich querfaserigen Theile der inneren Faserhaut zu verschmelzen. Ueber den Nervenring hinaus konnte ich, wie bereits bei den kleinen Tasthaaren erwähnt worden ist, nie eine Spur von Nerven- fasern wahrnehmen. Ich glaube deshalb diesen Ring in Verbindung mit der Glashaut, wenn auch bei der ungeheuren Schwierigkeit des Untersuchungsobjectes mit gewisser Reserve, als terminalen Tast- apparat dieser Tasthaare erklären zu müssen, wenigstens so lange es nicht gelingt, Nervenfasern über ihn hinaus zu verfolgen. An den auf Taf. I, Fig. 5, sowie Taf. II, Fig. 2 dargestellten Tasthaaren ist der Nervenverlauf innerhalb des Balges ersichtlich. Auf Taf. I, Fig. 5 habe ich ein Segment des Nervenverlaufes sammt dem Ringe in Verbindung mit einem Segmente der Glashaut dargestellt. Alle Tasthaare, welche wir bis jetzt betrachtet haben, vom winzigen Tasthärchen der Flughaut der Chiropteren begonnen, bis zu der schon gewaltigen, zuletzt betrachteten Tasthaarform, gehören zu der Grundform, welche ich früher als Tasthaare mit entwickeltem Wurzelzellkörper bezeichnet habe; bei allen gehen die Faserbündel des Haarschaftes strahlig besenförmig auseinander, und gehen un- mittelbar in die Zellen des Wurzelzellkörpers über. Es bleibt uns nun noch eine Reihe von Tasthaaren zur Be- trachtung übrig, bei denen der Wurzelzellkörper gradatim kleiner und kleiner wird, während gleichzeitig in demselben Maasse die Wurzelscheide an Ausdehnung zunimmt, und welche einen ganz all- mählichen Uebergang von den Tasthaaren der erst beschriebenen Grundform zu denen mit gewöhnlicher Haarform und entwickelter Wurzelscheide, wie sie ausschliesslich allen Beobachtern über Tast- haare zum Objecte ihrer Beschreibungen gedient haben, bilden. Wenn ein reichhaltiges Material zu Gebote steht, und man in der Anfertigung zahlreicher Präparate keine Mühe scheut, so ge- lingt es leicht, eine Reihe von Tasthaaren zusammenzustellen, an denen man von Schritt zu Schritt einen ganz allmählichen Ueber- Ueb.Nervenendigungan Tasthaaren d. Säugeth., sowie üb. fein. Struetur ders. 215 gang der einen Grundform der Tasthaare in die andere nach- weisen kann. Während bei der eben vorher beschriebenen Tasthaarform das untere Ende des strahlig zerfaserten Haarschaftes im oberen Dritt- theil oder in der Mitte des Haarbalges gelegen ist, findet man an- dere Tasthaare, bei denen das betreffende Ende des Haarschaftes gradatim tiefer und tiefer nach abwärts gefunden wird. Dadurch wird nun im selben Maasse der compacte Theil des Wurzelzellkör- pers immer mehr und mehr reducirt, während sich seine obere Partie in die äussere Wurzelscheide umwandelt, welche hierdurch, sowie auch die innere Wurzelscheide im gleichen Maasse, an Aus- dehnung gewinnt. Ein derartiges Tasthaar des Igelrüssels habe ich auf Taf. II, Fig. 1 im reinen Längsschnitt dargestellt. Gehen wir noch weiter, so finden wir Tasthaare, bei denen das untere Ende des Haarschaftes bis zum Grunde des Haarbalges herab- steigt. Vom soliden Wurzelzellkörper ist bei solchen Tasthaaren nur mehr ein winziger Rest vorhanden; an die Stelle des ganzen übrigen oberen Theiles des Wurzelzellkörpers ist die mächtig ent- wickelte äussere Wurzelscheide getreten, dem entsprechend steigt auch die innere Wurzelscheide tief herab, welche in ihren unteren Partien einer siebförmig durchbrochenen, oder gegitterten Membran ähnlich ist. Ein derartiges Tasthaar zeigt Taf. II, Fig. 2 von der Ober- fläche durchscheinend gezeichnet, nur die äussere Faserhaut und der cavernöse Körper sind im Schnitt dargestellt. Von dieser zuletzt geschilderten Tasthaarform brauchen wir nur einen Schritt weiter zu machen, so kommen wir auf Tasthaare, bei denen sich vom Wurzelzellkörper keine Spur mehr vorfindet, an dessen Stelle der Haarbulbus aus kleinen flachen, rundlichen Zell- kernen zusammengesetzt tritt, und mit dem die äussere Wurzel- scheide, welche nun die ganze Länge der Haarwurzel einnimmt, nur durch eine ungemein schmale, oft schwer wahrnehmbare Schicht zu- sammenhängt, kurz mit anderen Worten, wir haben ein Tasthaar vor uns, welches die gewöhnliche Haarform besitzt, mit Haarzwiebel und entwickelter Wurzelscheide. Alle übrigen Texturverhältnisse, was den Balg, den cavernösen Körper, den Nervenapparat und alles andere anbelangt, sind bei diesen zuletzt betrachteten Tasthaarfor- men genau dieselben, wie bei den vorher beschriebenen, weshalb 216 Dr. Jos. Schöbl: ich sie, um Wiederholungen zu vermeiden, übergehe. Der einzige Unterschied ist der, dass man an die Stelle des Wurzelzellkörpers jener Tasthaare nur die Wurzelscheide bei diesen letzteren zu sub- stituiren hat. . Ein solches Tasthaar der zuletzt beschriebenen Art ist auf Taf. I, Fig. 3 im reinen Längsschnitt dargestellt. Ich möchte hier noch bemerken, dass sämmtliche auf beiden Tafeln dargestellten Tasthaare dem Rüssel eines einzigen riesigen Igels entnommen sind, welcher im Spätherbste getödtet wurde. Auf diese Weise hatte ich einen ganz allmählichen Uebergang von den winzigen Tasthärchen der Chiropterenflughaut durch alle möglichen Form- und Grössenvariationen bis zu den gewaltigen Tasthaaren grosser Säugethiere verfolgt und sowohl durch den analogen Bau, als durch eine ganz enorme Reihe ganz allmählicher Uebergangsformen nachgewiesen, dass die erstgenannten eben als Tasthaare aufgefasst werden müssen. Ich will zum Schlusse in aller Kürze die Resultate meiner mehrjährigen Arbeiten recapituliren, sie lassen sich etwa in Fol- sendem zusammenfassen: -1. Es giebt ausser an der Schnauze an verschiedenen Körper- stellen verschiedener Säugethiere Tasthaare von mitunter winziger Kleinheit, so z. B. in der Flughaut der Fledermäuse, am äusseren Öhre der Mäuse und Igel. 2. Diese kleinen Tasthaare haben keinen sogenannten cavernösen Körper; er ist somit für Tasthaare nicht unentbehrlich. 3. Der Bau dieser kleinen Tasthaare weicht von der gewöhn- lichen Haarform ab; sie besitzen statt Haarzwiebel und Wurzel- scheide einen soliden Wurzelzellkörper. 4. Ebenso gebaute kleine Tasthaare finden sich auf der Schnauze der Säugethiere, zunächst am Igelrüssel, ja es sind bei dem letzt- genannten Thiere sämmtliche Haare des Rüssels Tasthaare. 5. Es finden sich an der Schnauze der Säugethiere grosse Tast- haare mit verdecktem Balg und entwickeltem cavernösen Körper etc., welche dieselbe Grundform wie die kleinen mit Wurzelzellkörper besitzen. 6. Es giebt allmähliche Uebergangsformen der kleinen Tasthaare mit unverdecktem Balg und ohne cavernösen Körper, zu den grösseren, welche diese Gebilde besitzen. 7. Desgleichen giebt es allmähliche Uebergangsformen von den Die Nervenendigung an d. Tasthaaren der Säugeth. u. die feinere Structurders. 217 grossen Tasthaaren der ersten Grundform zu jenen, welche die gewöhnliche Haarform besitzen. 8. Die sogenannte compacte Lage der Balken des cavernösen Körpers ist ein Analogon der inneren Faserhaut. 9. Der cavernöse Körper liegt zwischen den beiden Faserhäuten. 10. Die Balken des cavernösen Körpers sind das Analogon des lockeren Bindegewebes, welches bei kleinen Tasthaaren die beiden Faserhäute verbindet. 11. Die innere Wurzelscheide ist eine unmittelbare Fortsetzung der Oberhaut der Cutis und scheint sich in-das Oberhäutchen des Haares fortzusetzen. 12. Die äussere Wurzelscheide, wie bekannt eine Fortsetzung des Rete malpighi, bildet bei den Tasthaaren der ersten Grund- form nach abwärts einen soliden Zellkörper, und setzt sich durch dessen Vermittlung unmittelbar in die Faserzellen der Corticalsub- stanz des Haares fort. 13. Die Glashaut zerfällt bei der Mehrzahl der Tasthaare in flache Bänder, welche den Zellen der äusseren Wurzelscheide oder des Wurzelzellkörpers unmittelbar aufliegen. 14. Der nervöse Tastapparat besteht, soweit sich bis jetzt er- mitteln liess, bei den Tasthärchen der Flughaut der Fledermäuse aus einem Nervenring und partieller Umwicklung des Wurzelzell- körpers mit Nervenfasern, bei den Tasthaaren im Öhre der Mäuse aus Nervenring und Knäuel; bei allen übrigen Tasthaaren aus dem Nervenring, mit dem die modificirte Glashaut in Verbindung tritt. Erklärung der Tafeln XI—XI. Tafel XI. Fig. 1. Ein ganz kleines Tasthaar aus dem Igelrüssel mit riesenmässig entwickelten Talgdrüsen, von der Oberfläche betrachtet. a) Haar- schaft. b) Oberhaut der Culis. c) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse von Blutcapillaren umsponnen. e) Wurzelzellkörper, an dessen Ober- fläche die Bänder der Glashaut sichtbar sind, und in dessen oberstem Theile das zerfaserte untere Ende des Haarschaftes durchschim- mert. f) Nervenring. g) Nervenstämmchen, die sich zu demselben begeben. Die beiden Faserhäute sind nur im Schnitt den Wur- zelzellkörper umschliessend angedeutet. 218 ’ Fig. 2. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6 Fig. 1. Dr. Jos. Schöbhl: Ein um Weniges grösseres Tasthärchen des Igelrüssels, im reinen Längsschnitte dargestellt. a) Haarschaft. b) Oberhaut. ec) Malpi- ghi’sche Schicht. d) Talgdrüsen. e) Wurzelzellkörper. f) Nerven- ring. g) Unteres Ende des Haarschaftes. bh) Innere Faserhaut. i) Aeussere Faserhaut. Ein etwas grösseres Tasthärchen des Igelrüssels, von der Ober- fläche dargestellt. a) Haarschaft. b) Oberhaut. c) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse. e) Wurzelzellkörper, von den Bändern der Glashaut bekleidet. f) Nervenring, zu dem sich von oben zwei Nervenstämmehen begeben. g) Durchschirnmerndes unteres Ende des Haarschaftes, h) Innere Faserhaut. i) Aeussere Faserhaut. Zwi- schen beiden liegt das Blutgefässnetz. k) Papille. Ein noch grösseres Tasthärchen des Igelrüssels, von der Ober- fläche betrachtet, theilweise durchscheinend gezeichnet. Die Häute des Balges im Schnitt dargestellt. a) Haarschaft. b) Oberhaut. ec) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse. e) Wurzelzellkörper. f) Ner- venring. g) Durchschimmerndes unteres Ende des Haarschaftes. h) Innere Faserhaut, deren unteres Dritttheil sehr deutlich querfaserig ist, i) Aeussere Faserhaut. k) Zwischen beiden letztgenannten ge- legene Blutlacunen. ]) Ringsinus. m) Bingwulst, n) Zum Haarbalg tretender Nervenstamm. o) Papillen. Ein noch etwas grösseres Tasthärchen des Igelrüssels mit schon entwickelterem Lacunensystem zwischen beiden Faserhäuten, in derselben Weise dargestellt wie Fig. 4. a) Haarschaft. b) Ober- haut. c) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse. e) Wurzelzellkörper. f) Innere Faserhaut. g) Aecussere Faserhaut. h) Zwischen diesen bei- den gelegenes Lacunensystem oder sogenannter Schwammkörper. i) Bingsinus. k) Bingwulst. |) Nervenstamm. m) Nervenring. n) Papille. Ziemlich grosses Tasthaar aus dem Igelrüssel mit entwickelten so- genanntem Schwammkörper, im reinen Längsschnitt gezeichnet. a) Haarschaft, b) Oberhaut. ce) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüsen. e) Wurzelzellkörper. f) Innere Wurzelscheide. g) Aeussere Wurzel- scheide, h) Innere Faserhaut. i) Aeussere Faserhaut. k) Schwamm- körper, |) Bingsinus. m) Ringwulst. n) Nervenstamm. 0) Nerven- ring. p) Papille. Tafel XII. Ein starkes Tasthaar des Igelrüssels, mit wenig entwickeltem Wur- zelzellkörper, im Längsschnitte gezeichnet. a) Haarschaft. b) Ober- haut. c) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse. e) Wurzelzellkörper. f} Innere Wurzelscheide. g) Acussere Wurzelscheide, h) innere Fa- serhaut. i) äussere Faserhaut. k) Schwammkörper. l) Ringsinus. m) Ringwulst. n) Längsnervenfasern. o) Nervenring. p) Nervenstamm, qg. Fapille. Fig. 2. Fig. 3. Ueb. Nervenendigung an Tasthaaren d.Säugeth., sowieüb. fein. Struct. ders. 219 Ein mächtiges Tasthaar des Igelrüssels, bei dem der Wurzelzell- körper auf ein Minimum reducirt ist. Von der Oberfläche theil- weise durchscheinend gesehen dargestellt, die Häute des Balges und der Schwammkörper im Schnitte a) Haarschaft. b) Ober- haut. ce) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse. e) Wurzelzellkörper. f) Innere Wurzelscheide. g) Aeussere Wurzelscheide. h) Innere Fa- serhaut. i) Aeussere Faserhaut. k) Schwammkörper. ]) Ringsinus. m) Ringwulst. n) Nervenstamm. o) Nervenring. p) Papille. Eines der stärksten Tasthaare des Igelrüssels, die gewöhnliche Haarform besitzend, im Längschnitte gezeichnet. a) Haarschaft. b) Oberhaut. c) Malpighi’sche Schicht. d) Talgdrüse. e) Innere Wur- zelscheide. f) Aeussere Wurzelscheide. g) Innere Faserhaut. h) Aeus- sere Faserhaut. i) Schwammkörper. &k) Ringsinus. ]) Ringwaulst. m) Nervenstamm. n) Längsnervenfasern. o) Nervenring. p) Papille. q) Haarbulbus. r) Pigment. Nervenring eines kleineren Tasthaares mit dem Nervenstämmchen und einem Stückchen der Glashaut isolirt dargestellt. a) Nerven- stämmchen. b) Nervenring. c) Ein Stück der in Bänder zerfalle- nen Glashaut. Ein Segment des Nerventractes nebst einem damit zusammenhän- genden Segmente der Glashaut eines grossen Tasthaares des Igel- rüssels isolirt dargestellt. a) Nervenstamm. b) Blasse Längsfasern, zwischen denen rundliche Kerne liegen. c) Nervenring. d) Glashaut. e) Unterste Partie derselben, mit dem deutlich querfaserigen Theile der inneren Faserhaut verschmolzen. dr Ueber die Nerven der Hornhaut. Von Pref. HE. Hoyer in Warschau. (Hierzu Taf. XIII.) Im Begriffe vorliegende Arbeit der Oeffentlichkeit zu übergeben, fühle ich mich veranlasst, derselben einige Worte über ihre Ent- stehung und ihre Schicksale vorauszuschicken. Veranlasst wurde die- selbe durch die belangreichen Untersuchungen von Cohnheim (1566), welcher durch die Ausbildung der Vergoldungsmethode die Histologie mit einem unschätzbaren Hülfsmittel für die Erforschung der feinsten Nervenverzweigungen, insbesondere in der Hornhaut, bereichert hat. Da die damit gewonnenen Resultate meine eigenen kurz zuvor publieirten Beobachtungen nicht nur im Wesentlichen bestätigten, sondern noch um einen bedeutenden Schritt weiter- führten, ja sogar die Frage nach der Nervenendigung in der Horn- haut zu einem gewissen Abschlusse zu bringen schienen, so konnte ich natürlich nicht umhin, die Cohnheim’schen Angaben alsbald nach ihrem Bekanntwerden einer näheren Prüfung zu unterziehen, zumal unsere Befunde in mehr untergeordneten Punkten doch man- nigfach differirten. Die Resultate jener Arbeit gestalteten sich als- bald zu einer ziemlich umfangreichen Monographie, die, wie ıch glaubte annehmen zu dürfen, um so mehr Interesse erwecken würde, als sie eine detaillirte Beschreibung der Nerven in der Hornhaut des Menschen bot, wie sie bisher noch von Niemand geliefert worden ist. Mannigfache Umstände nöthigten mich indessen, die Publication meiner Arbeit immer wieder hinauszuschieben, und ich ER Ueber die Nerven der Hornhaut. 221 fühlte mich um so mehr bewogen, dieselbe noch länger zurückzu- halten , als mittlerweile eine grosse Reike von auf denselben Gegen- stand bezüglichen Arbeiten an die Öeffentlichkeit gelangte, welche die Cohnheim’schen Angaben im Wesentlichen bestätigten, theilweise aber auch rectificirten, und die mich selbst auch nöthigten, meine Untersuchungen immer wieder von Neuem aufzunehmen. Im vorigen Jahre war ich indessen durch die hiesigen Verhältnisse genöthigt, zur Erlangung eines dritten medieinischen Doctordiploms noch an einer russischen Universität zu promoviren (es geschah in Kiew) und zu diesem Zwecke veröffentlichte ich meine Hornhautarbeit zunächst in russischer Sprache. Ich hätte mich nun zwar mit einem kurzen Referate derselben in deutscher Sprache begnügen können, mehr- fache Gründe haben mich indessen bewogen, dieselbe, wenn auch mannigfach emendirt, so doch immerhin in ausführlicher Darstellung hier wiederzugeben. Die Motive dazu waren folgende: Die Angaben verschiedener Forscher über die Nervenvertheilung in der Horn- haut differiren noch vielfach, selbst in den wesentlichsten Punkten, und bedürfen daher noch einer sorgfältigen kritischen Sichtung; ferner sind einige unten näher zu besprechende wichtige Verhältnisse in der Nervenausbreitung bisher noch fast gar nicht oder doch nur ganz ungenügend berücksichtigt worden; die Angaben sämmtlicher ‚Forscher bis auf die neueste Zeit habe ich geprüft und in vor- liegender Bearbeitung entsprechend berücksichtigt; dieselbe liefert ausserdem eine genaue Beschreibung der Nerven in der mensch- lichen Hornhaut, und endlich werden ihr auch zum ersten Male die seit langer Zeit fertig vorliegenden Zeichnungen beigefügt. Die im Nachfoigenden dargelegten Untersuchungen stützen sich wesentlich auf die Anwendung der Vergoldungsmethode nach Cohn- heim, welche die prägnantesten Präparate liefert und die subtilsten Details in der Nervenvertheilung zum Vorschein bringt. Doch für Diejenigen, welche geneigt sein sollten, die mittelst derselben erhal- tenen Figuren als reine Kunstproducte zu deuten, sei hier gleich hervorgehoben, dass ich keines der Wissenschaft bisher zu Gebote stehenden Hülfsmittel versäumt habe, um mich von der Congruenz der meisten durch Goldfärbung hervorgerufenen Bilder mit den Ver- hältnissen der Wirklichkeit zu überzeugen. Bei meinen früheren Arbeiten verfuhr ich ganz nach der von Cohnheim ertheilten Vor- 222 Prof. H. Hoyer: schrift, welche sich mir als die zweckmässigste bewährt hat; alle übrigen von mir versuchten Modificationen erwiesen sich als minder geeignet. Nur die von Klein in neuester Zeit geübte Methode bietet wesentliche Vortheile, doch habe ich mich nicht davon über- zeugen können, dass sie in jeder Beziehung vor der einfacheren Cohnheim’schen den Vorzug verdiene. Ich habe vermittelst der letzteren von den verschiedensten Thierclassen die vorzüglichsten Präparate erhalten, welche fast nichts zu wünschen übrig liessen; die längere Zeitdauer, welche zur Herstellung derselben nöthig ist, kommt dabei im Ganzen wenig in Betracht. Doch muss zugegeben werden, dass man dieselbe weniger in seiner Gewalt hat, wie die Klein’sche; dass unter einer sehr grossen Anzahl von gleichmässig und sorgfältigst behandelten Hornhäuten, auch wenn sie sofort nach dem Tode auf das vorsichtigste dem Thiere entnommen werden, den- noch nur eine sehr kleine Anzahl wirklich befriedigende Resultate gewährt. Insbesondere ist es sehr selten, dass die im vorderen Hornhautepithel sich verzweigenden ungemein zahlreichen Nerven- fasern bei dieser Behandlungsweise gut. zur Anschauung gelangen ; letztere werden in der That durch die Methode von Klein viel sicherer und ausgiebiger zum Vorschein gebracht. Dagegen gebe ich der Cohnheim’schen Methode den Vorzug, wenn es sich darum handelt, die Nerven der Corneasubstanz und insbesondere die unten näher zu beschreibenden dichten und zarten subepithelialen Nerven- geflechte in allen ihren Details hervorzurufen. Das wesentliche Moment bei der Vergoldungsmethode besteht in der gleichmässigen Durchtränkung der ganzen Hornhaut mit der entsprechenden Lösung. Anstatt des einfachen Goldchlorids habe ich häufiger das Goldehloridkalium in gleichen Lösungsverhältnissen angewandt (0,5 °/o), weil das letztere Salz meist in viel gleichmäs- sigerer Beschaffenheit in den Handel gelangt. Es ist vollkom- mener neutral, in schönen trockenen rein goldgelben Krystallen und hält sich auch in Lösungen längere Zeit ohne Zersetzung; im Uebrigen wirkt es ganz wie reines Goldchlorid. Eine gut imbibirte Hornhaut erscheint noch mässig durchsichtig und durch und durch gleichmässig goldgelb gefärbt; im Innern trüb und weisslich bleibende Hornhäute werden sich auch bei länge- rem Verweilen in der Lösung nicht gleichmässig färben und geben alsdann auch niemals ganz befriedigende Präparate. Die indivi- duellen Verschiedenheiten bei den einzelnen Thieren sind in Ueber die Nerven der Hornhaut. 223 dieser Beziehung sehr gross und lassen sich dafür durchaus keine bestimmten Ursachen nachweisen. Im Allgemeinen genügt bei klei- neren Thierchen (Kaninchen, Meerschweinchen) der Aufenthalt von 1/, bis 1 Stunde in der Lösung, um eine gute Durchtränkung zu erhalten; die dickeren Hornhäute grösserer Thiere bedürfen zu ihrer völligen Imbibition eines längeren Zeitraumes, respective einer con- centrirteren Lösung, doch ist es mir an den Hornhäuten vom Rinde, ja sogar vom Kalbe niemals gelungen, eine völlig gleichmässige Durchtränkung und dem entsprechend eine ganz befriedigende Fär- bung der ganzen Hornhaut zu erzielen. Von der menschlichen Hornhaut erhielt ich sehr schöne Präparate vermöge einer 2- bis 5-stündigen Behandlung der möglichst bald nach dem Tode oder nach der operativen Exstirpation des Augapfels ausgeschnittenen Mem- bran in 0,5 procentiger, mit Essigsäure schwach angesäuerter Lösung von Goldchloridkalium. Eine solche Ansäuerung hat zwar den Vor- theil, dass die Hornhäute weniger schrumpfen und schönere Schnitte (insbesondere Querschnitte) anzufertigen gestatten, doch wollte es mir scheinen, als ob sie auf den Process der Reduction selbst entweder keinen oder sogar einen nachtheiligen Einfluss aus- “ übe, wenigstens liessen an so behandelten Präparaten die intraepi- thelialen Nervenfaserverzweigungen sich nicht so schön hervorrufen als ohne die Säure. Bei dickeren Hornhäuten hält es sehr schwer, das ungemein störende Nachdunkein der bereits angefertigten Präparate zu ver- hüten, indessen besitze ich Flächenschnitte der vorderen Schichten menschlicher Hornhäute, welche in canadischen Balsam eingeschlos- sen bereits seit Jahren sich vortrefflich conservirt haben. Eine etwas verlängerte Einwirkung der Goldlösung erscheint mir zweck- mässiger, als eine verhältnissmässig nur kurz dauernde; es gelingt nämlich oft in ersterem Falle gerade den Punkt zu treffen, wo in Folge der starken Einwirkung auf das übrige Gewebe der Hornhaut das Chlorgold in demselben nur wenig reducirt wird, während die Nervenfasern noch eine dunkel blauschwarze Färbung annehmen und von den umgebenden Theilen sich deutlich abheben. Bei zu kurzer Einwirkung der Goldlösung werden einerseits die Nervenfasern nicht stark genug gefärbt, andererseits quillt die ganze Hornhaut beim nachfolgenden Aufenthalt in Wasser (besonders in angesäuertem) stark auf und nimmt eine diffuse rothblaue Färbung an. War um- gekehrt die Einwirkung der Goldlösung eine zu langdauernde und 224 Prof. H. Hoyer: intensive, so wird das Gold von den einzelnen differenten Gewebs- theilen nicht mehr in der ihnen eigenthümlichen Weise reducirt, die Cornea bleibt in ihrer Totalität gelb. Um die intraepithelialen Nervenverzweigungen gut zum Vor- schein zu bringen, hat sich mir eine andere Methode noch besser bewährt, als die von Klein in Anwendung gebrachte. Nachdem nämlich die gut‘ imbibirte Hornhaut durch 16- bis 24-stündigen Aufenthalt (bei kühlerer Temperatur auch länger) in 1 bis 2 Un- zen destillirten Wassers sich schwach graublau zu färben begonnen hat, setze ich dem Wasser 1 bis 2 Tropfen einer Pyrogallussäure enthaltenden photographischen Hervorrufungsflüssigkeit!) hinzu und lasse dieselbe !/, bis !/s Stunde lang einwirken. War vorher ein Schnitt von der vorderen Hornhautfläche unter dem Mikroskope genau untersucht und dabei auch keine Spur von Nervenenden in dem Epithel wahrgenommen worden, so sieht man jetzt ganz vor- trefflich die zarte und ungemein reiche Nervenausbreitung, wie sie in der Weise durch die einfache verlängerte Maceration in reinem oder angesäuertem Wasser nur äusserst selten zum Vorschein ge- bracht wird. Eine entsprechende Modification dieser Methode, etwa in Verbindung mit dem gleichfalls genauer anzupassenden Verfahren von H&önocque und Klein (Behandlung des in gewöhnlicher Weise mit Goldlösung imbibirten Präparates, nach 12- bis 24-stündiger Maceration in Wasser, mit einer erwärmten concentrirten Wein- säurelösung bis zur völligen Reduction des Goldsalzes, am Besten in der Temperatur des Brütofens) dürfte vielleicht gute Dienste leisten bei Erforschung der Nervenendigungen in anderen Körper- theilen. Die Schnitte, welche ich von vergoldeten Hornhäuten anfertigte, waren meist horizontale, theilweise auch senkrechte; zur Unter- suchung der gröberen Nervenvertheilung wurden auch ganz unver- sehrte und entsprechend durchsichtig gemachte Hornhäute verwandt. Die Schnitte wurden theils in Glycerin eingeschlossen, theils auch in Dammarlack oder canadischem Balsam aufbewahrt. Ausser der Vergoldungsmethode benutzte ich zur Controlle meiner Beobachtungen verdünnte Essigsäure, Holzessig und die von mir früher verwandte Mischung von Chrom- und Salzsäure. Wie 1) J. Gerlach, Die Photographie als Hülfsmittel der mikroskopischen Forschung. Leipzig 1863. Ueber die Nerven der Hornhaut. 335 wir unten sehen werden, gelang es mir vermöge dieser Methoden, die aus der Corneasubstanz heraustretenden und an der Unterfläche des Epithels sich ausbreitenden Nervenfibrillen beim Frosche voll- ständig zu isoliren und ihren Eintritt in das Epithel unzweifelhaft zu verfolgen. Die Nerven der Froschhornhaut lassen sich aber auch sehr wohl nach Engelmann’s Vorgang frisch in Humor aqueus suspendirten Präparaten in der feuchten Kammer unter- suchen, insbesondere nachdem durch einen halb- bis mehrstündigen Aufenthalt in der letzteren die feineren Gewebselemente deutlicher zum Vorschein gebracht sind (wahrscheinlich in Folge von leichter Quellung der Grundsubstanz).. Auch an frischen Hornhäuten warmblütiger Thiere lassen sich die Resultate der Vergoldungs- methode sehr wohl controlliren, indem einerseits die Verzweigungen und Plexusbildungen der gröberen Stämme an ganzen Hornhäuten kleinerer Thiere mittelst schwächerer Vergrösserungen sehr wohl zu erkennen sind und anderweite Flächenschnitte mittelst scharfen Mes- sers angefertigt und in Humor aqueus eingeschlossen die Unter- suchung auch der feineren Verzweigungen sehr wohl gestatten. Meine Arbeiten erstreckten sich, wie aus dem Folgenden her- vorgeht, auf Exemplare aus allen Classen des Wirbelthierreiches ; die meisten Beobachtungen machte ich jedoch an den Hornhäuten von Kaninchen, als dem am leichtesten zu beschaffenden Materiale, welches bei Anwendung der Goldmethode die verhältnissmässig besten Resultate gewährt. 1. Die Nerven der Hornhaut beim Menschen und bei Säugethieren. Die Nerven der Hornhaut stammen fast ausschliesslich von den Ciliarnerven ab. Die letzteren durchbohren in schräger Richtung die Sclera an ihrem hinteren Umfange und verlaufen zwischen die- ser und der Choroides nach vorn zum Ciliarmuskel. In letzterem theilen sie sich in Aeste, von denen die einen den Muskel selbst versorgen, andere zur Iris sich fortsetzen und andere endlich nicht weit vom Rande der Cornea wiederum in die Sclera sich einsenken. In derselben angelangt, theilen sich die Nerven abermals in zahl- reiche dünnere und stärkere Aeste, von denen die benachbarten plexusartig untereinander sich verbinden und somit ein die Cornea ringartig einschliessendes Geflecht bilden. Den eigenen Nerven der Sclera habe ich zwar eine besondere Aufmerksamkeit nicht zugewandt; bei mehrfachen hierauf bezüg- 15 226 Prof. H. Hoyer: lichen Versuchen vermochte ich indessen weder an Holzessigpraparaten von Menschenaugen, noch auch an wohlgelungenen Vergoldungsprä- paraten von albinotischen Kaninchenaugen etwas derartiges zu ent- decken, was mit Bestimmtheit als eigenthümlich der Selera zuge- hörende Nerven angesprochen werden könnte. Zwar fand ich hin und wieder einzelne, aus ein oder mehreren markhaltigen Fasern bestehende Aestchen, die von den Ciharnerven bei ihrem Durchtritt durch die Sclera sich abzweigten und innerhalb derselben weiter- zogen, doch verliefen diese Nerven ohne weitere Verzweigung in ge- rader Richtung nach dem Hornhautrande zu, in dessen Nähe sie durch andere Gewebsbestandtheile verdeckt der weiteren Verfolgung sich entzogen; nur hin und wieder beobachtete ich einzelne mark- haltige Fasern, die im weiteren Verlaufe blass wurden, sich einige Male theilten und schliesslich einfach blind zu endigen schienen, doch war hierbei eine Täuschung durch. unvollständige Tinetion der Fasern nicht ausgeschlossen. — Die zwischen Selera und Choroides verlaufenden Aestchen der Ciliarnerven sind zwar in rinnenartigen Vertiefungen der Sclera eingebettet und zuweilen nach Innen zu selbst noch von einer dünnen Schicht des Scleragewebes überzogen, deshalb dürfen sie aber doch nicht als der Sclera zugehörig ange- sehen werden. Ein von dem oben beschriebenen abweichendes Ver- halten der Ciliarnerven beim Kaninchen habe ich, entgegen den Beob- achtungen vonRahn und Helfreich, nicht zu constatiren vermocht. Während der grösste Theil der in die Selera wieder eintretenden Ciliarnerven in die Cornea hinein sich fortsetzt, durchbrechen ein- zelne stärkere und dünnere Zweige die Sclera in ihrem vorderen Abschnitte zum zweiten Male voliständig und in schräger Richtung, um zur Conjunetiva weiterzuziehen und deren nervenreichen die Cornea umgebenden Abschnitt mit Nervenfasern zu versorgen. Es scheint mir, dass der grössere Theil der im Limbus conjunctivae vor- kommenden und von hier aus auch auf die Cornea übertretenden Nervenfasern von jenen Zweigen der Ciliarnerven abstamme, Von dem die Cornea kranzartig umfassenden Nervengeflecht in der Scelera zweigen sich nun zahlreiche stärkere und feinere Aest- chen ab und dringen nach kurzem Verlaufe und häufiger Theilung von allen Seiten in die Cornea ein. Die gröberen Aeste verlaufen dabei näher der Hinterfläche der Hornhaut, jedoch nicht tiefer, als bis etwa zum dritten Viertheil von deren Dicke, während der Ueber- tritt der mittelstarken und feinsten Aestchen entsprechend näher der Ueber die Nerven der Hornhaut. 397 Vorderfläche statt hat. Ich zählte zu wiederholten Malen an ver- goldeter Cornea von Menschen und Kaninchen, nach Ablösung des Epithels, gegen 60 eintretende Nervenstämmchen. Davon war etwa die Hälfte von mittlerer Stärke, dieselben enthielten bei einer Dicke von 0,02—0,03 mm. gegen 6 markhaltige Fasern; ein Vierttheil da- gegen bestand aus ganz starken Stämmchen bis zu 0,055 mm. Dieke mit 12 und selbst mehr Fasern, und ein anderes Vierttheil gehörte zu den feineren und feinsten Aestchen von nur etwa 0,006 mm. Dicke mit drei, zwei und selbst nur einer Faser. Diese letzteren erschienen bei ihrem Eintritt in die Cornea zum Theil bereits mark- los, insbesondere die von der Conjunetiva aus eindringenden. Die Nervenästchen verlaufen zwar radienartig gegen das Ven- trum der Hornhaut zu, aber in ihrem Verlaufe theilen sie sich viel- fach dichotomisch, wobei sie natürlich immer mehr an Umfang ab- nehmen, während die benachbarten Zweige, unter einander und mit den zwischen den Vorderschichten der Cornea eintretenden Aest- chen communiecirend, die bereits innerhalb der Sclera begonnene Plexusbildung fortsetzen und dadurch ein die ganze Hornhaut durchziehendes mehrschichtiges Geflecht herstellen. Häufig findet man auch ziemlich starke Aestchen, welche gleich nach dem Eintritt in die Cornea vom Stamme sich abzweigen und am Hornhautrande eine Strecke weit entlang laufen, um darauf einem benachbarten von der Selera aus eintretenden stärkeren Nervenästchen Fasern zu übermitteln, aber nicht in die Sclera zurückzugehen, wie ein- zelne Forscher geglaubt haben. Die aus dickeren Aesten hervorgehenden und ziemlich weit- maschigen hintersten Schichten des Geflechtes finden sich natür- lich fast nur an den peripherischen Theilen der Hornhaut, da die durch Abgabe von nach vorn (d. h. gegen die Hornhautoberfläche) sich wendenden Aesten consecutive an Stärke abnehmenden Stämm- chen bei ihrem radiären Verlauf sich ebenfalls der Vorderfläche der Hornhaut allmälig nähern und schliesslich im centralen Theile derselben mit den Aesten der mittleren Schichten zu dem etwas mehr engmaschigen und dünnästigen Geflecht sich vereinigen. In Folge dieser Anordnung entbehren daher die hintersten Schichten der Hornhaut fast gänzlich der Nerven, wie dies von sämmtlichen For- . (mit Ausnahme von Strube) constatirt worden ist; nur ver- ältnissmässig selten fand ich, insbesondere beim Meerschweinchen, einzelne Fibrillen oder dünnste Aestchen in der Nähe der Desce- 228 Prof. H. Hoyer: met’schen Haut verlaufen und dem Anscheine nach frei endigen. (Näheres über diese Fasern siehe weiter unten im kritisch-histori- schen Abschnitt.) Die von oberllächlicheren und tieferen Geflechten sich abzwei- genden feineren und feinsten Zweige bilden endlich zusammen mit den von der Sclera und Conjunetiva in die vordersten Schichten der Cornea eintretenden dünnen Nervenästchen ein ganz nahe der Ober- fläche sich ausbreitendes ziemlich engmaschiges Geflecht: das soge- nannte „Nervenendnetz* der Autoren. Dasselbe bildet nicht eine zusammenhängende, zwischen den vordersten Hornhautschichten gleichmässig ausgebreitete Lage, sondern einzelne Maschen liegen tiefer, andere dicht an der oberflächlichen sogenannten elastischen Lamelle („vordere Basaimembran“ nach Henle); die einen bestehen aus dünneren, die anderen aus etwas stärkeren Aestchen. Die markhaltigen Fasern der zur Cornea tretenden Nerven setzen sich als solche noch eine kleine Strecke weit in das Gewebe der letzteren fort (etwa bis zu 0,5—0,5 mm.) und verlieren dann sämmtlich ihr Mark. Insbesondere findet man die markhaltigen Fasern in den stärkeren und tiefer verlaufenden Stämmchen, wo die Fasern oft alle gleichzeitig marklos werden ; doch trifft man auch zahlreiche gemischte Nerven, insbesondere in den mittleren Schich- ten des Hornhautrandes, in welchen einzelne Fasern schon mark-: los aus der Selera in die Cornea übertreten, während andere oft sogar noch bis zur zweiten Theilung des Nerven ihre Markscheide conserviren. Die ganz oberflächlich verlaufenden, aus wenigen Fa- sern bestehenden Nervenästchen, welche zum grossen Theile aus der Conjunctivastammen, sind bereits fast sämmtlich schon in den letzteren marklos geworden. — Die mit einer sich noch deutlich markirenden bindegewebigen Scheide (Neurilemma) versehenen Aestchen verlieren dieselbe sehr bald nach ihrem Eintritt in die Hornhaut, indem die Scheide immer mehr sich verdünnt und schliesslich in ähnlicher Weise wie die Selera mit dem Hornhautgewebe zusammenfliesst. Die die einzelnen Fasern vereinigende Neuroglia dagegen setzt sich noch weiter fort und begleitet die Nerven auch noch nach ihrem Zerfall in feinste Fäserchen bis zu ihrem Durchtritt durch die vordere Ba- salmembran der Hornhaut, während wiederum die sogenannte Schwann’sche Scheide der Nervenfasern gleichzeitig mit der Mark- scheide aufzuhören und mit der Neuroglia zusammenzufliessen scheint. Ueber die Nerven der Hornhaut. 2329 Die aus der Sclera in die Cornea sich fortsetzenden Nerven- geflechte lassen bald nach dem Eintritt nicht nur eine Zusammen- setzung aus markhaltigen Fasern erkennen, sondern die letzteren zerfallen oft unmittelbar, oft erst nachdem sie noch eine ziemliche Strecke weit (zum Theil über die ersten Kreuzungspunkte hinaus) als deutlich erkennbare marklose „Axencylinder“ sich fortgesetzt ‚haben, in eine grosse Anzahl feinster, an Goldpräparaten mit zarten Varicositäten versehener, Fäserchen. Für diese letzteren, aus der Zerspaltung von Axencylindern hervorgegangenen Bestandtheile der Nervenfasern dürfte wohl die von manchen Autoren gebrauchte Bezeichnung als „Axencylinder* nicht mehr als zutreffend zu er- achten sein; ich werde sie daher weiterhin als Fibrillen bezeich- nen. Der Ausdruck „Primitivfibrillen“ erscheint für dieselben gleich- falls nicht zutreffend, da sie im weiteren Verlaufe sich oft wiederholt theilen und in noch ungleich zartere Fäserchen zerfallen. Nicht nur : die stärkeren und mittelstarken Aestchen der Ge- flechte in den mittleren und tieferen Schichten der Cornea zeigen sich aus derartigen Fibrillen zusammengesetzt, insbesondere an den Knotenpunkten, wo sie sich auf das mannigfachste durchkreuzen, aber auch in den dünnen Aestchen und Knotenpunkten des vorder- sten engmaschigen Geflechts (des sogenannten „Endnetzes“) lässt sich die Zusammensetzung aus mehr weniger zahlreichen Fibrillen an gut gelungenen Präparaten auf das evidenteste darthun, insbe- sondere in der Hornhaut von Meerschweinchen, wo die Aestchen dieses Geflechts im Allgemeinen stärker sind, als wie bei anderen Thieren. Nach dem Durchtritt durch die Knotenpunkte vereinigen sich zwar die zahlreichen Fibrillen oft wieder zu einer geringeren Anzahl scheinbar solider stärkerer „Axeneylinder“, indessen liegt hier nicht sowohl eine wirkliche Verschmelzung, als vielmehr nur eine innigere Aneinanderlagerung vor, indem beim Durchtritt so verdickter Fasern durch einen zweiten Knotenpunkt die fibrilläre Zusammensetzung derselben wieder deutlich zum Vorschein kommt. In den Knotenpunkten durchflechten sich die Fibrillen in der man- nigfachsten Weise; es findet darin nicht etwa eine blosse Kreuzung, sondern ein förmlicher Austausch von Fibrillenbündeln und einzelnen Fibrillen zwischen den verschieden starken Strahlen des Knotens statt. Häufig sieht man einzelne feinere oder gröbere Fibrillen bo- genförmig um den Knotenpunkt herumziehen ; dieselben verbinden die Aestchen unter einander auf einem kürzeren Wege und liefern 250 Dr. H. Hoyer: so den besten Anhalt für das Verständniss des Wesens der Knoten- punkte. Dergleichen abbiegende und nach Bildung einer einfachen Schlinge zum Stamme wieder zurückkehrende Fibrillen sieht man auch oft im Verlaufe der gröberen und feineren Aeste des Ge- flechtes. Die in allen Theilen des beschriebenen Nervengeflechtes vor- kommenden Kerne sind wohl unzweifelhaft zu betrachten als Be- standtheile der die Fibrillen vereinigenden Neuroglia. Man findet sie sowohl in den gröberen Aestchen in Form von kleinen stäbchen- förmigen Gebilden, als auch in den drei- und mehreckigen An- schwellungen der Knotenpunkte, wo sie oft zu zweien und dreien angetroffen werden. Dieselben erscheinen hier meist etwas grösser als die vorerwähnten und zeigen gewöhnlich eine ovale abgeplattete | oder rundlich dreieckige Gestalt. Die einen sowohl wie die anderen werden gewöhnlich durch Gold schwach violett gefärbt. Die Gegen- wart solcher Kerne in den Knotenpunkten des vorderen dichten Geflechtes hat His und andere Forscher veranlasst, denselben die Bedeutung von Ganglienzellen zuzuschreiben. Die Kerne finden sich in diesem oberflächlichen Geflechte zwar auch noch sehr häufig vor, aber nicht überall; in den feinsten Aestchen desselben, so wie in vielen kleineren Knotenpunkten und den zur Epithelschicht empor- steigenden, gleich zu beschreibenden Zweigen sind sie meist nicht mehr wahrzunehmen ; ebenso. fehlen sie ganz in den im Epithel weiterhin sich ausbreitenden Fasern und Geflechten. Von dem oben näher beschriebenen oberflächlichen Nervenge- flecht, und insbesondere von dessen Knotenpunkten, treten zahlreiche feinere und stärkere und, entsprecheud der mehr oberflächlichen oder tieferen Lage des zugehörigen Knotenpunktes, kürzere oder längere Aestchen mehr weniger schräg an die Oberfläche der eigentlichen Hornhautsubstanz, und indem sie die vordere elastische Lamelleoder Basalmembran derselben durchbohren, kommen sie mit der tiefsten Schicht des Epithels in unmittelbare Berührung. Diese durchboh- renden Aestchen zeigen sich an guten Goldpräparaten noch deut- lich aus mehrfachen, je nach ihrer Dicke der Zahlnach differiren- den Fibrillen zusammengesetzt. Bei Kaninchen und besonders bei der Maus enthalten viele der durchbohrenden Aestchen eine dem Myelin ähnliche und in verdünnten Säuren stark quellende Substanz, welche die Fibrillen einhüllt. Kurz vor dem Durchtritt durch die Basal- membran theilen sich die durchbohrenden Aestchen häufig noch in Ueber die Nerven der Hornhaut. 251 mehrere ganz kurze Zweige. An den peripherischen Theilen der Hornhaut finden sich vorzugsweise dünnere durchbohrende Aestchen, nach dem Centrum zu überwiegen dagegen die stärkeren Bündel. Die unter dem Epithel angelangten durchbohrenden Nerven zerfallen, wie Cohnh eim zuerst gezeigt hat, je nach ihrer Stärke in eine kleinere oder grössere Anzahl sich quastenförmig ausbrei- tender Fibrillen. Dieselben erscheinen in den meisten Fällen ein- fach und mit kleinen varicösen Anschwellungen versehen, jedoch von verschiedener Stärke. An der Durchtrittsöffuung divergiren sie zwar anfangs, doch schliesslich wenden sich alle dem Centrum der Hornhaut zu und schlagen somit weiterhin wesentlich dieselbe Richtung ein. An den peripherischen Theilen der Hornhaut gehen aus den durchbohrenden Aestchen ausschliesslich nur ganz feine Fa- sern hervor; weiter nach dem Centrum zu werden dieselben immer stärker, bis in den mittelsten Theilen verhältnissmässig ziemlich starke, wenn auch nicht alle gleich dicke Fasern aus den durch- bohrenden Aesten entspringen, welche auf ziemlich weite Strecken zu verfolgen sind. Alle diese in einer Fläche sich ausbreitenden Fasern liegen der äusseren Oberfläche der Basalmembran auf, nicht in derselben; sie stehen in unmittelbarer Berührung mit der Unter- fläche der tiefsten, aus cylindrischen Zellen zusammengesetzten Epithelschicht; nur in der Nähe der Durchbohrungsstelle verlaufen noch einzelne stärkere Fasern eine kurze Strecke weit in rinnen- förmigen Vertiefungen der Basalmembran. Ich werde diese Lage der Fasern weiterhin stets als subepitheliale Schicht bezeichnen, Die einzelnen Fasern werden in ihrem Verlaufe nach dem Centrum zu consecutive immer dünner und zwar durch Abgabe zahlreicher feier theils seitlicher, theils senkrecht im Epithel aufsteigender Zweige. Die seitlichen Zweige verbinden theils die Fasern derselben Quaste netzartig untereinander, theils stellen sie aber auch Verbin- dungen her zwischen aneinander vorüberstreichenden Fasern be- nachbarter, mehr central oder peripherisch liegender Quasten, wo- bei die verdünnten Fasern oft an Dicke wieder zunehmen. Durch diese „Anastomosen“ wird scheinbar ein wahres, sehr dichtes, aus länglichen Maschen und verschieden dieken Fasern bestehendes „Netzwerk“ oder „Nervengitter“ hergestellt. Genauere Unter- suchung gelungener Präparate lehrt aber, dass viele Fasern nicht wirklich mit einander „anastomosiren“, sondern dass zwei oder meh- rere derselben sich blos kreuzen, um erst mit weiter entfernteren 232 Prof. H. Hoyer: sich zu verbinden. Aus im kritischen Abschnitte dieser Arbeit näher anzuführenden Gründen finde ich mich aber ferner veranlasst, auch diese Verbindungen nicht als wirkliche Anastomosen von Fi- brillen und die ganze subepitheliale Nervenschicht als ein wahres Nervennetz anzusehen, vielmehr halte ich dieselbe gleich Engel- mann für einen blossen Plexus von stärkeren und dünneren Fibrillenbündeln. Die von allen Seiten nach dem mittleren Theile der Hornhaut ziehenden stärkeren Fasern fliessen schliesslich zu einem mässig dichten, nicht ganz im Centrum der Cornea, sondern mehr seitwärts (der Nase zu) gelegenen Plexus zusammen, dessen Maschen von einem dichteren uud sehr feinfaserigen Geflecht angefüllt werden. Untersucht man diese subepitheliale Nervenausbreitung an Schnitten gut gelungener Goldpräparate, welche ganze Kreissectoren umfassen, so findet man wesentliche Unterschiede zwischen der Anordnung der Fasern an der Peripherie, im Centrum und im Zwischentheile. An der Peripherie beginnt diese Ausbreitung erst ganz unmerklich am Limbus conjunctivae; unter dem Epithel der Conjunetiva sclerae selbst habe ich trotz sorgfältiger Untersuchung bestgelungener Gold- präparate nichts auffinden können, was dieser subepithelialen Ner- venausbreitung in der Hornhaut entsprochen hätte. Die Fibrillen der peripherischen Nervenschicht sind fast ausnahmslos sehr fein und zart und bilden einen ziemlich gleiehmässigen Plexus mit läng- lichen Maschen. Die Richtung der parallelen Fibrillen desselben ist aber nicht überall ganz radiär, vielmehr verlaufen die Fibrillen stellenweise ganz schräg, ja fast parallel der Peripherie und werden erst im mittleren Theile radiär. So weit ich ermitteln konnte, fin- det sich diese schräge Richtung nur im Bereiche des lateralen Ran- des der Hornhaut und steht vielleicht in genetischer Beziehung zur embryonalen Augenspalte. Es hat ganz den Anschein, als ob die Fibrillen von oben und unten nach einer dieser Spalte entsprechenden Linie zu convergiren und zwar in der Richtung von der Peripherie nach. dem Centrum zu. An dieser Linie selbst, sowie an dem übrigen Hornhautrande zeigen die Fibrillen eine gleichmässiger radiäre Rich- tung. Dasselbe ist auch der Fall in den mittleren Theilen der Hornhaut, doch findet man, dass nach dem Centrum zu immer dickere Fibrillen aus den durchbohrenden Aesten an das Epithel herantreten und unter demselben weiterlaufen. Diese starken Ueber die Nerven der Hornhaut. 233 Fibrillen bilden weitere Maschen, deren Zwischenräume ausgefüllt werden von einem dichten Plexus feinerer und feinster Fibrillen, welche ihren Ursprung der Verästelung jener gröberen Fibrillen verdanken. Am besten erläutert werden diese Verhältnisse durch die der menschlichen Hornhaut entnommenen Figuren 7, 8 und 9. Nahe dem centralen Theile weichen die Fibrillen zum Theil wieder von der radiären Richtung ab, verlaufen zum Theil bogenförmig und vereinigen sich schliesslich zu einem ähnlichen, aus gröberen und feineren Aestchen bestehenden Plexus, jedoch mit mehr quadra- tischen Maschen. Dass diese ganze subepitheliale und weiterhin auch die intraepitheliale Nervenausbreitung der Neurogliakerne ganz entbehrt, ist oben bereits erwähnt worden. Von den Fasern des subepithelialen Plexus heben sich nun, ‘wie Cohnheim gleichfalls zuerst gesagt hat, zahlreiche, scheinbar aus vereinzelten, aber ungleich dicken und meist varicösen Fibrillen bestehende, sehr feine Aestchen zur Hornhautoberfläche empor. Dieselben steigen zunächst zwischen den Zellen der tiefsten, aus cylindrischen Elementen bestehenden Schicht des vorderen Horn- hautepithels senkrecht auf, oberhalb derselben oder zwischen den rundlichen Elementen in den mittleren Schichten des Epithels schlagen sie alsdann eine mehr horizontale Richtung ein, theilen sich auf diesem Wege häufig dichotomisch und treten endlich zwi- schen den platten Elementen der äusseren Epithelschichten schräg zur Oberfläche empor. Hier angelangt, endigen die Fibrillen aber nicht in der von den meisten Forschern angegebenen einfachen Weise, sondern mehr entsprechend der von Klein gelieferten Be- schreibung. Sie laufen nämlich lange Strecken weit zwischen den oberflächlichsten Epithelschichten und in verschiedener Richtung geschlängelt dahin, verzweigen sich auf diesem Wege wiederholt mit Abgabe längerer oder kürzerer Aestchen, kreuzen sich sehr oft mit benachbarten, d. h. tiefer oder oberflächlicher verlaufenden Fibrillen und verbinden sich sehr häufig unmittelbar mit denselben, so dass es den Anschein erhält, als ob eine einzelne Fibrille nach längerem oder kürzerem Verlaufe und nach Bildung einer der ‚Oberfläche des Epithels zugewandten Schlinge zur subepithelialen Schicht wieder zurückkehre. Das Ganze macht also den Eindruck einer netzähnlichen Bildung und kann es meiner Meinung nach kaum einem Zweifel unterliegen, dass die in der subepithelialen Nervenausbreitung (oder eigentlich schon in der Hornhautsubstanz) 234 Prof. H. Hoyer: begonnenen Plexusbildungen in dem Epithel selbst und insbesondere zwischen den oberflächlichen aus platten Zellen bestehenden Schich- ten einfach fortgesetzt werden. Die knopfförmigen Verdickungen an den freien Enden, sowie auch die feineren und gröberen Varico- sitäten der Fibrillen und endlich auch die Erscheinung von beson- ders verdickten Fibrillen, welche Klein als ein charakteristisches Merkmal der oberflächlichsten Nervenschicht bezeichnet, halte ieh sämmtlich für Kunstproduete, erzeugt theils durch unvollkommene und ungleichmässige, theils durch zu intensive Goldwirkung. Frei an der Oberfläche flottirende Endknöpfchen, wie sie Cohnheim beschreibt, habe ich weder an vergoldeten, noch an mit aller Vor- sicht gefertigten und in humor aqueus suspendirten Schnitten ganz frischer Hornhäute von Kaninchen und Meerschweinchen wahrzu- nehmen vermocht. Die Schnitte wurden sowohl von der Fläche aus, als auch an Faltungen sorgfältigst durchforscht. — Obschon ich nun wiederholt die bestgelungenen Vergoldungs- präparate zu untersuchen die Gelegenheit hatte, so habe ich doch niemals Bilder erhalten, wo die ganze Nervenausbreitung an der Oberfläche der Hornhaut ein wahres „Netz“ oder besser einen völ- lig geschlossenen Plexus gebildet hätte. Man findet stets eine grosse Anzahl wirklich frei erscheimender Enden, sei es einfach wie abgeschnitten oder mehr weniger varicös erweitert; (beim Meer- schweinchen sieht man diese Enden häufig stark verdickt, fast birnförmig). Diese Enden liegen vorzugsweise oberflächlich und reichen, wie es scheint, zwischen den platten Zellen bis unmittelbar an die freie Oberfläche des Epithels heran. Es ist nicht wohl mög- lich, einen sicheren Beweis dafür zu liefern, dass die Existenz sol- cher dem Anscheine nach wirklich freier Enden eine unzweifelhafte sei, da immer noch der Vorwurf zu erheben ist, dass dieselbe be- dingt sei durch unvollständige Goldwirkung und dass, im Falle es gelinge, eine vollkommene Tinetion der Nerven zu erzielen, auch der intraepitheliale Plexus ein völlig geschlossener sein würde. Ich sehe mich daher genöthigt, diese Frage vorläufig noch offen zu lassen, indessen will ich hier doch hervorheben, dass wir eine ganz analoge nervöse Plexusbildung in der Corneasubstanz sogleich kennen lernen werden und dass auch an letzterer zahlreiche freie Endigungen vorkommen, welche durchaus nicht den Habitus zeigen, als ob sie aus unvollständiger Färbung einzelner Maschen des Netz- werkes hervorgegangen wären. In letzterem Falle müssten doch Ueber die Nerven der Hornhaut. 235 nach theilweiser Unterbrechung des Verlaufes wenigstens hier und da Fortsetzungen und Verbindungen der Fasern mit anderen Ma- schen wahrzunehmen sein. Trotz sorgfältiger Untersuchung habe ich an gelungenen Präparaten nichts Derartiges zu constatiren ver- mocht und habe nur den Eindruck behalten, dass die Plexusbildung nicht eine besondere Endigungsweise der Corneanerven darstelle, vielmehr dass ihre Entstehung einfach bedingt sei durch die me- chanischen Verhältnisse der verschiedenen Gewebebestandtheile der Hornhaut, welche den beim Wachsthum sich ausbreitenden Nerven- fibrillen gewisse Wege anweisen. Dieselben werden bei ihrer Ausbrei- tung gleich den Fortsätzen der Wanderzellen, stets diejenigen Räume wählen, welche den geringsten Widerstand entgegenstellen, und in Folge dessen werden die von verschiedenen Punkten aus einander entgegenwachsenden Fibrillen sich sehr häufig in denselben Bahnen begegnen müssen, zumal wohl die früher vordringenden den später nachwachsenden die Wege bahnen. Indem nun die zusammentref- fenden Fibrillen sich dicht aneinander lagern, entsteht der Anschein von einfachen netzförmigen Bildungen, ganz wie im subepithelialen Geflechte, nur gelingt es an letzterem häufig, die Zusammensetzung der stärkeren Maschen aus feineren Fibrillen noch deutlich zu er- kennen, während dies bei den im Epithel sich verbreitenden Aest- chen nicht mehr möglich ist. Meiner Meinung nach besteht also das Wesen der Nervenausbreitung in der Hornhaut nicht in der Bildung wahrer netzförmiger Verbindungen zwischen den Enden der Nervenfasern, vielmehr wird man es zu suchen haben in dem Zer- fall der markhaltigen Fasern in eine unendliche Anzahl von selbst- ständigen Fibrillen, die zwar auf das mannigfachste sich unter- einander verbinden, ohne jedoch dabei ihre Selbstständigkeit einzu- büssen, und die aller Wahrscheinlichkeit nach schliesslich alle ein- fach abgebrochen endigen, sei es dass die Enden als solche isolirt wahrgenommen werden, sei es, dass sie innerhalb der feinen schein- bar einfachen Aeste des zarten Endgeflechtes dem objectiven Nach- weise sich entziehen. Die intraepithelialen Nervenausbreitungen habe ich ausschliess- lich nur auf der Hornhaut selbst nachzuweisen vermocht, wo sie bis unmittelbar an den Limbus heranreichen. Am Rande findet man oft lang ausgezogene Schlingen derselben, mit der Convexität gegen den Hornhautrand gerichtet. Daselbst bemerkt man auch Andeu- tungen von einem nach dem Centrum der Hornhaut gerichteten 236 Prof. H. Hoyer: Zuge der oft sehr langen intraepithelialen Fibrillen, nach Analogie der subepithelialen Nervenausbreitung. — Ausser diesen so eben beschriebenen Endigungen der Nerven zwischen den oberflächlichen Lagen des Hornhautepithels kommen andere ganz ähnliche Endigungen auch in der eigentlichen Horn- hautsubstanz vor, worauf bereits von Kölliker die Aufmerksamkeit gelenkt worden ist. Derselbe fand diese Nerven vorzugsweise in den hinteren Theilen der Hornhautsubstanz, mehr weniger dicht an der „Elastica posterior.“ Ueber das Vorkommen ähnlicher En- digungen in den vorderen Hornhautschichten spricht er sich dagegen nur sehr reservirt aus, da er derartige, dem Anscheine nach freie Endigungen beim Kaninchen zwar wahrgenommen hat, aber nur - selten. — Meine Untersuchungen haben mir den Beweis geliefert, dass das Vorkommen solcher freien Endigungen der Nervenfibrillen in der Hornhautsubstanz keineswegs zu den Seltenheiten gehört, vielmehr finden slch dieselben in den vordersten Lagen der Horn- haut verhältnissmässig ziemlich häufig, während siein den mittleren Schichten nur spärlich vorkommen und in den an die hintere Ba- salmembran grenzenden nur ausnahmsweise von mir aufgefunden worden sind. Die freien Endigungen im vorderen Abschnitt der Hornhaut be- obachtet man vorzugsweise an einer ganz characteristischen Nerven- faserschicht, welche von dem sogenannten „Endnetz“ der Autoren sich wesentlich unterscheidet, als eine der Hornhautsubstanz selbst eigenthümlich zugehörige Nervenausbreitung angesprochen werden muss, und da sie in den vordersten Schichten der Hornhaut und insbesondere dicht unter der äusseren Basalmembran angetroffen wird, weiterhin von mir stets als subbasale Schicht bezeichnet werden wird. Die Einstellung des Focus auf Flächenschnitte von sehr gut gelungenen Vergoldungspräparaten mit durch längere Maceration theilweise abgelöstem Epithel, ferner absichtliche Fal- tungen von dergleichen Schnitten und endlich senkrechte Durch- schnitte liefern einerseits den unzweifelhaften Beweis, dass jene Schicht sich unterhalb der Basalmembran befindet und andererseits dass letztere Membran ausser den mehr weniger senkrecht „durch- bohrenden“ Aestchen keine Nervenfasern weiter enthält. Be- sonders zweckdienlich ist in dieser Hinsicht die Hornhaut vom Menschen mit verhältnissmässig dicker und homogener Basalmem- bran und besonders reichlich entwickelter subbasaler Nervenschicht; Ueber die Nerven der Hornhaut. 937 weniger bestimmt durchschaut man diese Verhältnisse an den Horn- häuten von Hund und Katze, obschon dieselben eine Structur be- sitzen, welche mit der der menschlichen Hornhaut in den meisten Punkten übereinstimmt und ausserdem in den vordersten Schichten eine sehr ähnliche und reichliche Nervenausbreitung enthalten, sich aber durch das Vorhandensein einer nicht homogenen Basalmembran von der menschlichen Hornhaut unterscheiden. Dieselbe stellt sich nämlich hier dar als eine stärkere lichtbrechende, zellen- und nerven- freie, streifige, durch den Zusammenfluss der sogenannten „Stütz- fasern“ gebildete Schicht, welche ohne Zweifel als das Analogon der vorderen Basalmembran in der menschlichen Cornea angesprochen werden darf, so dass mithin auch hier eine subbasale Nervenaus- breitung als vorhanden statuirt werden kann. Dasselbe gilt auch vom Kaninchenauge mit ähnlich beschaffener Basalmembran von 0,009—0,012 mm. Dicke in der Mitte der Cornea, obschon die da- runter befindliche und deutlich wahrnehmbare Nervenausbreitung nicht so reichlich ausgebildet ist, wie beim Menschen. Die subbasale Nervenausbreitnng ist am dichtesten an der Pe- ripherie der Cornea, unmittelbar am inneren Raum des Limbus conjunctivae. An dieser Stelle erreichen einerseits die innersten Capillargefässschlingen ihr Ende, andererseits treten hier die ersten Spuren der vorderen Basalmembran auf, welche nach dem Centrum der Cornea zu sehr schnell sich verdickt. Einen Uebergang der Basalmembran in die Conjunetiva vermochte ich an senkrechten Durchschnitten der menschlichen Hornhaut an dieser Stelle nicht nachzuweisen, vielmehr geht das Substrat der letzteren nach Innen zu allmählich sich verdünnend in die vordersten Schichten der eigentlichen Hornhautsubstanz über. Es scheint mir dies als Beweis dienen zu dürfen, dass die Basal- membran für sich allein nicht als das Analogon des Conjunctiva- substrates zu betrachten sei, vielmehr dürften wohl die die Basal- membran zunächst begrenzenden, aus mehr gekreuzten Bündeln bestehenden Schichten der Hornhautsubstanz als Fortsetzung der conjunctivalen Bindegewebsschicht anzusehen sein. Dafür spricht denn auch der Umstand, dass die subbasale Nervenausbreitung eine directe Fortsetzung der aus feineren und stärkeren, nach Aussen noch markhaltigen, am Cornearande dagegen schon mark- losen Nervenfasern gebildeten Geflechte der Conjunctiva darstellt. Diese Geflechte bilden auf dem scleralen Theile der Conjunctiva ein I 238 Prof. H. Hoyer: % ziemlich weites Maschenwerk; nahe dem Limbus werden dieselben immer dichter und an dem vorerwähnten Saum der Cornea bilden sie einen sehr dichten, aus zarten aber ungleich starken Aesten zu- sammengesetzten geschlossenen Plexus; der noch oberhalb der Ca- pillarschlingen liegt. Die stärkeren Aestchen desselben lassen sich deutlich als aus einer Anzahl feiner varicöser Fibrillen zusammen- gesetzt erkennen; freie Endigungen lassen sich an demselben nicht mit Sicherheit constatiren. Dieser dichte Plexus ist auch beim Ka- ninchen und Meerschweinchen vorhanden, bildet längliche mehr dem Saume der Cornea gleichgerichtete Maschen, entsprechend dem ei- genthümlichen Verlaufe der feinen Bindegewebsbündel an dieser Stelle, und da derseibe in einem "Theile der Hornhaut gelagert ist, welche noch einer deutlichen Basalschicht entbehrt, so hat es den Anschein, als ob dieses Geilecht unmittelbar das Epithel berühre und den peripherischen Theil der subepithelialen Schicht bilde. Diese Verwechselung kann um so leichter erfolgen, als die wirklich vorhandene subepitheliale Nervenausbreitung an dieser Stelle des vorerwähnten fast unmittelbar aufgelagert erscheint, aus einem Plexus äusserst feiner Fibrillen besteht und die letzteren, wie be- reits oben erwähnt, an verschiedenen Stellen einen schrägen und der Peripherie fast parallelen Verlauf haben. Gut gelungene Präparate insbesondere vom Menschen lassen aber diese beiden Lagen deut- lich unterscheiden ; sie zeigen ferner, dass ein Theil der subepithe- lialen Fasern aus Aestchen jenes Geflechtes abstammen, dass das subepitheliale Geflecht, am Limbus selbst immer zarter werdend, unmerklich aufhört, während das subbasale Geflecht an dieser Stelle gerade aus dem Limbus heraus- und zur Cornea übertritt. Die Quelle von Nervenfasern für das subbasale Gefiecht bildet indessen nicht nur das Geflecht der Conjunetiva, sondern es treten zu demselben auch feinste Aestchen aus den in den vordersten Schichten der Scelera in die Hornhaut eindringenden zahlreichen fei- nen Nervenzweigen. Das subbasale dichte Geflecht am Hornhaut- rande setzt sich noch weiterhin nach dem Centrum der Cornea fort; allein nach Innen vom Limbus wird es bedeutend spärlicher und nimmt auch einen ganz abweichenden Charakter an, indem die Aestchen einen vorzugsweise geschlängelten Verlauf zeigen. Beim Menschen lassen sich an derselben deutlich zwei Lagen unterscheiden: eine aus feinsten, oft varicösen Fibrillen bestehende, oberflächlichere, unmittelbar an die Basalmembran heranreichende, und eine etwas Ueber die Nerven der Hornhaut. 239 tiefer gelegene aus dickeren Fasern bestehende Lage. Erstere geht zum grössten Theile durch Verzweigung aus letzterer hervor und letztere wird gebildet aus Aesten der oberflächlicheren und zum Theil auch tieferen Nervengeflechte in der Hornhautsubstanz (Fig. 10). Die stärkeren Fasern werden ohne Zweifel auch von früheren Forschern gesehen worden sein, sind zum Theil wohl als Bestandtheile des ‚.Endnetzes‘‘ angesehen worden, zum Theil hat man „die zu Verbindungen mit anderen Fasern sich nicht verfolgen lassen * (Luschka, Sämisch). So sprechen z. B. die Zeichnungen von Sämisch dafür, dass er mit diesem Ausdruck nicht die durch- bohrenden Aeste gemeint hat, sondern die Fasern der subbasalen Schicht; die .durchbohrenden Aeste hat er nicht erkannt, sondern beschreibt sie als eigenthümliche „Schläuche“. Die Ausbreitung der feinen Fibrillen lässt sich aber ohne Anwendung der Vergoldungs- methode wohl kaum wahrnehmen, und selbst von sonst gut gelunge- nen Vergoldungspräparaten zeigen nicht alle diese Lage der feinen Fibrillen, indem es einer energischen Einwirkung der Goldlösung bedarf, um dieselbe zum Vorschein zu bringen, wobei oft die Horn- hautsubstanz sowohl, wie auch das Epithel stark dunkeln und zur Wahrnehmung jener Nervenausbreitung das Epithel vor Anfertigung von Schnitten beseitigt werden muss. Die zur subbasalen Nervenvertheilung gehörigen Fasern ent- halten, wie es scheint, niemals Kerne; sie zweigen sich gleich den durchbohrenden Aesten auf die mannigfachste Weise von den Ner- vengeflechten in der Hornhautsubstanz ab: bald entspringen sie von den durchbohrenden Aesten, bald von den grösseren kernhaltigen oder kleineren kernlosen Knotenpunkten und bald zweigen sie sich unter rechtem oder spitzem Winkel ohne jegliche Knotenbildung ab. Einzelne enden schon nach kurzem geradem Verlaufe wie scharf abgeschnitten, während andere einen ungemein langen geschlängel- ten Verlauf zeigen, mit benachbarten ähnlichen Fasern häufige Verbindungen eingehen, sich vielfach theilen, oft frei endigende Fasern abgeben, um schliesslich entweder selbst mit mehreren feinsten Aestchen frei zu endigen oder häufiger in einem stärkeren Ast des Geflechtes sich wieder einzusenken. Häufig markiren sich die breiteren Fasern des Geflechtes deutlich als Bündel zartester Fibrillen. Das Protoplasma der Hornhautzellen wird bei Anwendung der Vergoldungsmethode zwar ähnlich gefärbt wie die Nervensubstanz, Re N. 240 Prof. H. Hoyer: indessen nehmen erstere nur eine mehr blaugraue Färbung an, wäh- rend die feinen meist varicösen Nervenfasern durch ihre entschieden dunklere schwarzblaue Färbung von dem Protoplasma sich deutlich abheben. Bei Menschen, Hund und Katze treten nun die benach- barten Zellen vermöge weniger zahlreicher, aber dafür bedeutend breiterer Protoplasmafortsätze mit einander in Berührung und bilden ein zusammenhängendes Zellennetz; (die Grenze zwischen den zu- sammenstossenden Zellenfortsätzen ist wie an Silberpräparaten durch eine dunklere Linie meist scharf markirt). Innerhalb dieses Zellen- netzes sieht man nun sehr zahlreiche feinere und oft ziemlich breite bandartige Fasern der subbasalen Schicht sich hinschlängeln. Es kann indessen bei näherer Untersuchung kein Zweifel darüber ob- walten, dass diese Fasern nicht in die Zellprotoplasmen eingebettet sind, sondern beim Wachsthum zu ihrer Ausbreitung diejenigen Räume gewählt haben, welche ihnen am wenigsten Hindernisse ent- segenstellen, und solche Räume bietet ihnen vorzugsweise das von Protoplasma erfüllte Lückensystem, innerhalb dessen ja auch die Wanderzellsn bei der Entzündung am liebsten dahinkriechen und wo sie bei stärkerer Ansammlung sich so zusammendrängen können, dass dadurch der Anschein von mit Epithel erfüllten Canälen (z. B. von Lymphgefässen) entsteht. In vielen Lücken ziehen die Nerven- fasern scharf am seitlichen Rande des Protoplasmas dahin; in an- deren bilden sie über dem letzteren ein- oder mehrfache Schleifen, Zickzackbiegungen, mehrfache Kreuzungen u. dgl. mehr. Es ist kaum möglich und nothwendig, alle die mannigfachen Formen, unter denen das subbasale Netz sich darstellt, ausführlich zu besprechen. Als allgemeines Resultat der Untersuchung ergiebt sich nur das, dass man es hier mit einer besonderen Nervenausbreitung zu thun hat, welche die vordersten, zum geringeren Theil auch die tieferen und selbst die hintersten Schichten der Cornea mit sensiblen Fasern versorgt, besondere Endorgane sind an letzteren nicht vorhanden ; vielmehr ist der aus in den verschiedensten Richtungen geschlängelt hin und herlaufenden, auf das mannigfaltigste mit einander commu- nieirenden und hier und da frei endigenden Fasern zusammenge- setzte Nervenplexus mit seiner Totalität als terminales Gebilde an- zusehen; dasselbe erscheint mithin als ein Endgeflecht, gleich denen, welche wir unterhalb und innerhalb des Corneaepithels kennen gelernt haben, und nicht als Endnetz. Analoge Bildungen dürften sich auch an anderen Verbreitungsbezirken sensibler Nerven 1 % Ueber die Nerven der Hornhaut. 241 mit der Zeit nachweisen lassen, wie dies ja bereits auch schon zum Theil von Helfreich für die Conjunetiva bulbi, von Cyon für das Peritoneum des Frosches, und auch an anderen Orten von ver- schiedenen Forschern nachgewiesen worden ist. Was die Möglichkeit von Täuschungen bei den letzteren Untersuchungen anbetrifit, so ist nicht zu leugnen, dass der Nachweis von in der Hornhautsubstanz (ebenso wie innerhalb des Epithels) frei endigenden Fasern niemals mit voller Sicherheit geführt werden kann, da man nie die Gewissheit haben kann, ob auch sämmtliche nervöse Elemente der Hornhaut durch das reducirte Gold völlig tingirt worden sind. Indessen habe ich oben bereits angedeutet, weshalb ich nicht alle derartige Bilder für Kunstproducte erachte ; insbesondere fällt hier meiner Meinung nach ins Gewicht der Mangel von die Verbindung mit anderen Fasern vermittelnden Theilstücken, der isolirte Verlauf in den tieferen Cor- neaschichten, wo oft die Endigung äusserst auffällig erscheint und in weitem Kreise herum keine Spuren von anderen Nervenästchen wahrgenommen werden; die oft intensiv schwarze Färbung der Ner- venfibrillen, welche sich auf das deutlichste von den umgebenden oft nur leicht grau gefärbten Corneazellen und dem ganz farblosen Grundgewebe abhebt; und endlich die häufigen knopfförmigen Ver- tlickungen der Enden. Dass ich mich ausserdem auch vor optischen Täuschungen möglichst zu sichern gesucht habe, brauche ich wohl kaum hervorzuheben. Vorsichtige Abhebung des Epithels durch blosse Maceration in leicht angesäuertem Wasser, Durchsichtigkeit der in diesem Falle dicker anzufertigenden Schnitte, Hebung und Senkung des Focus liefern in dieser Hinsicht ausreichende Schutz- mittel. Da die geschlängelten Fasern der subbasalen Schicht nur selten als durchbohrende Aeste zum Epithel aufsteigen, so ist auch hierin eine Quelle von Irrthümern ausgeschlossen. Eher könnte die oft dunkele Färbung der Hornhautzellen die Täuschung erzeugen, als ob die Fibrillen der subbasalen Schicht in das Protoplasma jener Zellen sich fortsetzen, indessen lassen andere Präparate mit hellerem Protoplasma kaum Zweifel darüber aufkommen, dass weder derartige Verbindungen, noch auch Endigungen vou Nervenfibrillen in Zeil- kernen oder Kernkörperchen wirklich existiren oder dass die Fibrillen vermittelst besonders gearteter Endgebilde mit den Zellen in Ver- bindung treten. (Lawdowski hat vermuthlich einzelne der gewöhn- lich sich stark dunkel färbenden Wanderzellen für solche Endgebilde M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 9. 16 242 Prof. H. Ho yer: angesehen. S. unten.) Auch eine nähere Beziehung der Nervenfasern zu den Schlingen der Blutcapillaren am Hornhautrande habe ich nicht zu constatiren vermocht, obschon die Capillaren oft von einem Plexus mehrfacher Fibrillen scheidenartig umfasst werden. Die obige Schilderung der Nervenvertheilung in der Hornhaut basirt in den meisten Punkten auf Untersuchungen des menschlichen Auges, doch gilt sie mit geringen Modificationen auch für die Horn- häute anderer von mir in dieser Hinsicht untersuchter Säugethiere. Am nächsten dem menschlichen stehen in dieser Beziehung die Augen von Hund und Katze, die, wie bereits erwähnt, auch hinsichtlich der Textur der Hornhautsubstanz, insbesondere hinsichtlich der Form der Hornhautzellen mit dem ersteren die meiste Uebereinstimmung zeigen. Zwar schien es mir, als ob die subepitheliale, sowie die subbasale Nervenausbreitung bei beiden Thieren weniger reichlich entwickelt wären, als beim Menschen, doch ist es sehr wohl möglich, dass wegen der beträchtlicheren Dicke der Hornhäute bei diesen Thieren die Goldwirkung an meinen Präparaten eine nicht ganz durchgreifende gewesen. In der Hornhaut des Hundes pflegen ein- zelne stärkere Fasern der subbasalen Schicht sehr deutlich als ziem- lich breite, dunkle, auf das mannigfaltigste geschlängelte Bänder sich zu markiren, welche innerhalb der vom Zellprotoplasma erfüllten Lücken grosse Strecken weit verlaufen. Kölliker hat ähnliche En- den in den hinteren Theilen der Kaninchenhornhaut gesehen und als besondere Nerven der Membrana Demoursiana beschrieben (s. unten); ich fand dieselben auch, indessen nur selten, häufiger bei Meerschweinchen. Wie oben bereits erwähnt, haben mir ausser menschlichen Augen vorzugsweise Kaninchenaugen das Untersuchungsmaterial zu dieser Arbeit geliefert. Alle im Vorhergehenden erwähnten Beson- derheiten der Nervenvertheilung in der Hornhaut haben ebenso sehr Geltung für die letzteren, wie für die ersteren. Nur in der spe- ciellen Anordnung der Nervenelemente finde ich geringe und unter- geordnete Abweichungen. So z. B. markirt sich beim Kaninchen nicht so deutlich der Unterschied zwischen der tieferen aus stärkeren Fa- sern bestehenden und der oberen aus feinsten Fibrillen und deren freien Enden bestehenden subbasalen Schicht; vielmehr erscheint dieselbe einfach und weniger reichlieh, wie beim Menschen, wenn- gleich deutlich ausgeprägt. Am Hornhautrande bildet sie ein aus stärkeren Fasern bestehendes Geflecht, dessen längliche Maschen dem Hornhautrande mehr parallel angeordnet sind. — Die subepi- Ueber die Nerven der Hornhaut. 343 theliale Schicht präsentirt sich beim Kaninchen zwar als ein sehr dichter Plexus von feineren und gröberen Fäden, von denen die letzteren an entsprechenden Präparaten als Bündel feinster Fibrillen sich recognosciren lassen, enthält indessen keine so starken Fasern wie die Cornea des Menschen. Während in den mittleren Theilen der letzteren die „durchbohrenden“ Nerven nach dem Durehtritt durch die Basalmembran zunächst gewöhnlich in wenig gröbere und stark divergirende Aeste zerfallen, aus denen erst die mittleren und ganz feinen parallel neben einander zum Centrum verlaufenden Fi- brillen hervorgehen , zerfallen beim Kaninchen jene perforirenden Nerven alsbald in eine grössere Anzahl mehr divergirender und weiterhin erst mehr parallel gerichteter und weniger an Stärke dif- ferirender Fibrillen, die mittelst seitlicher Zweige unter einander communicirend hier gleichfalls ein gitterähnliches Geflecht bilden. Was die Verzweigung der Nerven innerhalb des Epithels an- betrifft, so habe ich dieselbe zwar hauptsächlich an Hornhäuten von Kaninchen untersucht, wo ihre Darstellung mir vorzugsweise gut ge- lungen ist, indessen ist es mir geglückt, auch einige Präparate von der menschlichen Hornhaut zu erhalten, welche wesentlich die glei- chen Verhältnisse erkennen liessen, obschon im Uebrigen selbst die befriedigendsten Goldpräparate der menschlichen Hornhaut in diesem Theil der Nervenausbreitung nur selten einen guten Einblick ge- währen. Ganz ähnliches Verhalten zeigen auch die Hornhäute von Katze und Hund, und bei verbesserter Behandlungsweise auch die Hornhaut von Meerschweinchen, während nach der Methode von Cohnheim von letzterer Bilder erhalten werden, welche ganz mit der Beschreibung dieses Forschers harmoniren. Die Hornhaut des Meerschweinchens differirt indessen in ein- zelnen Punkten nicht unwesentlich von der des Kaninchens. Die von meiner obigen Schilderung in manchen Punkten abweichenden Angaben von Cohnheim haben zum Theil ihren Grund in dieser Variation der Nervenvertheilung, indem des Letzteren Forschungen wesentlich die Hornhaut vom Meerschweinchen zum Gegenstand ge- habt haben. So verdient z. B. die früher als „Endnetz“ aufgefasste Nervenausbreitung beim Meerschweinchen noch viel weniger diese Bezeichnung, als wie beim Kaninchen ; dasselbe besteht bei ersterem aus im Allgemeinen stärkeren Aesten, an welchen die Zusammen- setzung aus Fibrillen meist deutlich zu Tage tritt (entsprechend Fig. 3 in Cohnheim’s ausführlicher Arbeit) und bildet im Ganzen 244 Prof. H. Hoyer: engere oberflächlich gelegene Maschen. Die subepithelialen Fasern divergiren gleich nach ihrem Durchtritt durch die Poren der Basal- membran stärker, ais wie beim Kaninchen; ihre Anordnung wird durch Cohnheim’s Fig. 5 sehr gut wiedergegeben. Der von mir als subbasaler Plexus bezeichnete Theil der intracornealen Nerven- ausbreitung ist nach meinen Präparaten beim Meerschweinchen nur sehr unvollkommen ausgebildet und daher auch wohl von Cohn- heim nicht näher gewürdigt worden. Ich habe beim Meersehwein- chen nur wenige, meist nur kurze, vom oberflächlichen Geflecht sich abzweigende und zum grösseren Theil mehr gestreckt verlaufende Fibrillen in der Corneasubstanz aufzufinden vermocht, welche scharf abgeschnittene oder knopfförmige Enden zeigten; daneben auch sparsame geschlängelte, welche mit anderen Nervenästchen commu- nicirten. An der Peripherie der Cornea stellt sich diese Schicht ähnlich dar, wie,beim Kaninchen, doch ist sie auch hier weniger ausgebildet. — Nur in einer Beziehung sehe ich mich genöthigt, den Cohnheim’schen Behauptungen entgegenzutreten, nämlich was die Frage nach der Existenz einer vorderen Basalmembran beim Meerschwein- chen anbetrifft. Ich finde bei letzterem (ebenso wie beim Kaninchen) eine von dem übrigen Corneagewebe wesentlich differirende Basal- membran oder „Elastica anterior“ von 0,006 mm. Dicke, die an ge- quollenen Präparaten sich auch vollständig isoliren lässt. Zwischen dieser und dem Epithel breiten sich die Fibrillen des subepithelialen Geflechtes aus. Was endlich die Hornhäute von Schwein, Schaf, Ochs und Kalb anbetrifit, so will ich hier nur so viel constatiren, dass an denselben die wesentlichen Theile der oben geschilderten Nervenausbreitung sich gleichfalls nachweisen lassen. Die Untersuchung ist hier aber mit unbesiegbaren Schwierigkeiten verknüpft, weil es, wie bereits oben erwähnt, fast nie glücken will, in allen Theilen vollkommen gelungene Vergoldungspräparate herzustellen. Ich bin daher nicht im Stande, die besonderen Eigenthümlichkeiten der Hornhautnerven bei jedem der erwähnten Thiere speciell zu characterisiren. 2. Die Nerven in der Hornhaut der Vögel. Von den Hornhäuten der Vögel habe ich die des Haushuhns, der Hausente und von Strix noctua einer näheren Erforschung mit- telst der Vergoldungsmethode unterzogen, deren Anwendung hier Ueber die Nerven der Hornhaut: 945 fast stets vom besten Erfolge gekrönt zu sein pflegt. Die Hornhaut- nerven zeigen einerseits bei Individuen verschiedener Ordnungen eine grosse Uebereinstimmung; andererseits lässt sich auch eine in den hauptsächlichsten Punkten mit der der Säugethiere congruirende Anordnung derselben constatiren. Die Augen der Vögel zeigen nämlich ein ähnliches Verhalten der Nerven sowohl beim Eintritt in die Hornhaut, wie auch bei ihrer Verzweigung innerhalb der letz- teren. Von diesen Verzweigungen treten zur Hornhautoberfläche ebenfalls perforirende Aestchen ab, welche unterhalb des Epithels in feine Fäserchen sich auflösend einen ziemlich dichten Plexus her- stellen. Dieser letztere giebt endlich zahlreiche zwischen den Epi- thelzellen senkrecht zur Oberfläche emporragende Fibrillen ab, die nach häufigen Verästelungen und Anastomosirungen zwischen den oberflächlichsten Fpithellagen ein gleichfalls ziemlich engmaschiges Endgeflecht bilden, welches mit dem der Säugethiere im Wesentlichen übereinstimmt. | Die in die Hornhaut eintretenden Nerven sind äusserst zahl- reich; ich zählte deren bei der Ente gegen 100, darunter 24 stär- kere von 0,016—0,032 mm. Breite; die feinsten maassen 0,0016 mm. Die meisten eintretenden Aestchen entbehren bereits des Markes und man erkennt meist deutlich, dass die dünneren, in den vorderen Schichten der Hornhaut verlaufenden Aestchen von Nervenstämmen, welche erst kurz vor dem Eintritt in die Hornhaut sich verzweigt haben. Die diekeren bis zu 24 Fasern enthaltenden Nerven liegen tiefer (näher der hinteren Basalmembran) und verlieren ihr Mark gleich beim Eintritt in die Hornhaut; ihre Verzweigungen und Plexusbildungen stimmen in allen Einzelheiten mit denen der Säuge- thiere überein. Nur darin weicht die Nervenvertheilung der Vögel von der der Säugethiere ab und nähert sich damit den entsprechen- den Bildungen der Amphibien, dass der dem sogenannten „Endnetz“ der Säugethiere analoge Plexus feinerer Aestchen, nicht in den vor- deren, sondern in den tieferen (mittleren) Hornhautschichten sich ausbreitet und weitere Maschen bildet, in Folge dessen die zahlreich zum Epithel emporsteigenden perforirenden Aestchen (von etwa 0,0015 bis 0,005 mm. Breite) zum grösseren Theile eine verhältniss- mässig bedeutende Länge zeigen. Ihr Verlauf ist vorzugsweise ein radialer, d. h. von der Peripherie und hinten nach dem Centrum und vorn zu gerichteter. Eine eigentliche „subbasale‘ Nervenaus- breitung liess sich bei den Vögeln nicht constatiren; ebenso auch 246 Prof. H. Hoyer: nicht die bei den Säugethieren so bedeutend entwickelte Randpartie derselben. Doch muss hervorgehoben werden, dass in den mittleren Hornhautschichten die grossen Maschenräume der stärkeren Ge- flechte zum Theil ausgefüllt werden von mässig dichtem Plexus fei- nerer und feinster Fibrilien, die meist unter rechtem Winkel unter einander in Verbindung treten. Blinde oder knopfförmige Endigungen vermochte ich an denselben mit Sicherheit nicht zu constatiren. — Die perforirenden Aestchen lösen sich beim Uebergange in die sub- epitheliale Nervenausbreitung in eine Anzahl von Fibrillen von un- gleicher Stärke auf, die alsbald mit denen benachbarter perforirender Nerven communicirend, das Aussehen gewinnen, als ob sie strahlig nach allen Richtungen sich zerstreuten (ähnlich wie bei Amphibien), indessen manifestirt sich auch hier vorwiegend eine radiäre, nach dem Centrum der Hornhaut gerichtete Anordnung derselben. 3. Die Nerven der Hornhaut bei Amphibien und Reptilien. Die Mittheilungen von Kölliker, CGohnheim und Engel- mann über die Hornhautnerven des Frosches, insbesondere die de- taillirten Angaben des letzteren Forschers, haben eine in den wich- tigeren Punkten übereinstimmende und so erschöpfende Beschreibung des betreffenden Gegenstandes geliefert, dass ich derselben nur wenig hinzuzufügen vermag. Der Vollständigkeit wegen will ich jedoch in Kürze der wesentlichsten Einzelheiten in Bezug auf die Nerven- vertheilung in der Hornhaut des Frosches Erwähnung thun, soweit ich sie sowohl an frischen, als auch an mit Goldchlorid gefärbten Präparaten von Rana esculenta, temporaria und Hyla arborea gewon- nen habe. Die Nerven in der Hornhaut des Frosches stammen, soweit ich mich habe überzeugen können, gleichfalls vom ramus ophthalmicus trigemini. Dieselben durchbohren aber nicht, wie bei Säugethieren und Vögeln, den hinteren Theil der Sclera als nervi ciliares, son- dern verlaufen ausserhalb des Augapfels nach vorn und senken sich erst an der Stelle in den vorderen Abschnitt der Sclera ein, wo der knorpelige Theil in sehniges Gewebe übergeht. Um den Rand der Hornhaut herum bilden diese Nerven zunächst aus markhaltigen Fasern bestehende gröbere Geflechte, aus welchen weiterhin die in die Hornhaut eintretenden Stämmchen (etwa 30 an der Zahl), sowie die zahlreichen marklosen Fasern hervorgehen, die man beim Frosche Ueber die Nerven der Hornhaut. 347 vereinzelt oder zu zweien oder dreien in die Cornea eindringen sieht. Das weitere Verhalten der in die Hornhaut tretenden Stämm- chen mit markhaltigen Fasern ist beim Frosche im Wesentlichen ein gleiches, wie bei den Säugethieren und Vögeln, doch liegen so- wohl die feineren wie auch die gröberen Geflechte der Nervenfasern beim Frosche fast ausschliesslich nur in den hinteren Schichten der Cornea. Eine eigentliche „subbasale‘“ Nervenausbreitung ist dem zu Folge nicht vorhanden, und da die von mir zuerst nachgewiesenen durchbohrenden Aestchen aus grösserer Tiefe direct zur Cornea- oberfläche emporsteigen, so zeigen dieselben, ähnlich wie bei Vögeln, eine verhältnissmässig grössere Länge. Diese letzteren 3—6 Fibril- len einschliessenden Aeste, nächst einem deutlich entwickelten und ähnlich wie bei Vögeln gestalteten subepithelialen Plexus und in- traepithelialen Fasern, vollenden die Analogie zwischen dem Ver- halten der Hornhautnerven bei den erwähnten drei Wirbelthier- klassen. Eine bedeutende Abweichung der Froschhornhaut von der der Vögel und insbesondere von der der Säugethiere scheint indessen gegeben zu sein in dem ausnehmend reichlich entwickelten Nerven- plexus, welcher in den hintersten Schichten der ersteren sich aus- breitet. Meiner Meinung nach dürfte dieselbe jedoch sehr wohl als ein Analogon der subbasalen Schicht bei Säugethieren aufzufassen sein; der Unterschied ist eigentlich wohl nur in der verschiedenen Lage begründet, die wieder durch die besondere Lebensweise der Thiere bedingt sein mag. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wäh- rend die subbasale Nervenschicht im Säugethierauge vorzugsweise befähigt ist, auf die vordere Oberfläche des Auges influirende Druck- wirkungen zu percipiren, die sehr entwickelte Nervenausbreitung in der Tiefe der Froschhornhaut dazu bestimmt ist, Unterschiede des Druckes zwischen Augenflüssigkeit und dem umgebenden Wasser zur Wahrnehmung des Thieres zu bringen. In Bezug auf die besondere Beschaffenheit dieser Nervenaus- breitung will ich hier nur ängeben, dass dieselbe ein sehr dichtes, theils aus mehrfachen Aesten, theils aus feineren und feinsten Fibrillen gebildetes mehrschichtiges Geflecht darstellt, dessen Aeste theils von den zur Cornea tretenden Stämmchen sich abzwei- gen, theils in sehr reichlicher Anzahl direct von der Sclera aus in die Cornea eindringen. Die Verzweigungen, Anastomosen und Kreu- zungen der Fasern in diesem Geflecht vollziehen sich grösstentheils 248 Prof. H. Hoyer: unter rechten Winkeln. An den Theilungs- und Vereinigungspunkten der dünneren, aus scheinbar vereinzelten Fasern bestehenden Aestchen finden sich gewöhnlich keine drei- oder mehreckigen Verbreiterungen mit Kernen, wiean den stärkeren Nervenästen. Bei der Vereinigung meh- rerer Fibrillen zu einem gemeinschaftlichen Stämmchen stellt sich letzt- teres als eine zwar etwas stärkere, aber dennoch scheinbar einfache Faser dar. In Folge des letzteren Verhaltens gewinnt es den Anschein, als ob man es hier mit einem wahren Nervennetze zu thun hätte; unter günstigen Umständen aber, und insbesondere an frischen Hornhäuten (wie dies Engelmann bereits gezeigt hat, 37, pg. 28), gelingt es oft, den Nachweis zu führen, dass die scheinbar einfachen Fasern aus mehreren neben einander gelagerten Fibrillen bestehen. Einen unmittelbaren Uebergang der Fibrillen in die Ausläufer der sternförmigen Corneazellen (Kühne, 30) glaube ich nach Unter- suchungen an guten Vergoldungspräparaten mit ziemlicher Sicher- heit in Abrede stellen zu dürfen. Dagegen lässt sich die Behaup- tung eines Zusammenhanges der feinsten Fibrillen mit den Kernkörper- chen in den Zellen der Hornhautsubstanz und des Epithels der Descemet’- schen Membran (Lipmann, 47) nicht mit der gleichen Bestimmtheit widerlegen. Nur den Umstand will ich hier hervorheben dass von den hinteren Geflechten der Froschhornhaut einzelne Fibrillen sich abzweigen, die in dem”Gewebe der Grundsubstanz frei zu endigen scheinen. Wenn nun auch nicht wohl zu läugnen ist, dass die knopfförmigen Anschwellungen derselben als Kunstproducte zu be- trachten sind, erzeugt durch die Einwirkung der Goldlösung, so halte ich mich doch, gestützt auf die Analogie dieses Geflechtes mit der subbasalen Nervenausbreitung bei Säugethieren, für berechtigt, die reale Existenz jener freien Enden für wahrscheinlicher zu er- klären, als wie die unmittelbare Verbindung des Geflechtes mit den Sternzellen durch feinste Fibrillen oder die mittelbare durch die Zellen dicht umspinnende Fibrillennetze (Klein, 50). Engelmann hat bereits darauf hingewiesen, dass an frischen Hornhäuten vom Frosche die Nervenfasern stets eine gleichmässige Beschaffenheit zeigen, die an Vergoldungs- und Chromsäurepräparaten zum Vorschein kommenden Varicositäten mithin Kunstproducte sind. Ferner hat er gezeigt, dass die Fasern der subepithelialen Schicht unter einander nicht ein wirkliches Netz bilden, wie dies an Ver- goldungspräparaten den Anschein hat, sondern dass sie nur äusser- lich sich aneinandsr lagern, kreuzen u. s. w., dass mithin die sub- Ueber die Nerven der Hornhaut. 249 epitheliale Nervenausbreitung als Plexus und nicht als wahres Netz zu betrachten sei. Beide Angaben kann ich nach eigenen Unter- suchungen vollkommen bestätigen, ausserdem aber vermag ich noch hinzuzufügen, dass es mir gelungen ist, durch Lockerung des Zusammenhanges zwischen Epithel und Substrat der Froschhorn- haut vermittelst heisser Dämpfe und darauffolgende mehrstündige Maceration in ganz verdünnter Essigsäure das vordere Epithel in der Weise vollkommen abzuheben, dass man an Falten der Haut lange gleichartige Fasern der subepithelialen Schicht aus den Poren hervortreten sah, zu welchen die „durchbohrenden‘‘ Nerven- ästehen deutlich heranreichten. Die so isolirten Fäden („Axency- linder‘“ früherer Autoren) flottirten theils frei in der bespülenden Flüssigkeit, theils spannten sie sich bis zum abgehobenen und fal- tig umgeschlagenen Epithel straff aus, verliefen auf der inneren Fläche desselben oft noch eine Strecke weit hin und verschwanden schliesslich zwischen den Zellen desselben. Diese Beobachtungen liefern den sichersten Beweis, dass man es hier mit wahren Fasern und nicht etwa Faltungen und ähnlichen Kunstproducten zu thun habe. Was die Endigungen der Nerven innerhalb des Epithels beim Frosche anbetrifft, so vermag ich mich in dieser Beziehung nicht so bestimmt auszusprechen, wie andere Forscher, indem ich zwar ihr Eindringen zwischen die tieferen Zellen gesehen habe, aber den wei- teren Verlauf nicht mit Sicherheit habe verfolgen können. An frischen Hornhäuten werden die zarten Nervenfibrillen von den Con- touren der Epithelzellen verdeckt, und an Vergoldungspräparaten der Froschhornhaut ist das Epithel meist so dunkel gefärbt, die Nervenfibrillen innerhalb desselben dagegen so schwach tingirt, dass eine sichere Erkennung der letzten Nervenenden unmöglich gemacht wird. Wohl aus diesem Grunde sprechen sich auch die Arbeiten von Cohnheim (55, p. 30) und Engelmann (37, p. 23) nicht präcise genug über diesen fraglichen Punkt aus; nur Kölliker (34, p. 6) giebt bestimmt an, dass die zwischen den tiefsten Zellen des Epithels senkrecht emporsteigenden Fasern „horizontal umbiegend frei endigen.“ So viel scheint indessen sicher zu sein, dass die Fasern nicht bis an die äussere Oberfläche des Epithels heranreichen. Die Cornea von Tritonen zeigt in Bezug auf die Nervenverthei- lung ähnliche Verhältnisse, wie die vom Frosch; indessen sind die 250 Prof. H. Hoyer: durchbohrenden Aestchen mit ihrer Endausbreitung im Epithel im Ganzen schwerer nachzuweisen, während die Nervenausbreitung in den tieferen Corneaschichten noch deutlicher und reichlicher ent- wickelt ist, als beim Frosch. Ich habe auf dieselbe bereits in mei- ner ersten Arbeit aufmerksam gemacht. Die Nerven in der Hornhaut vom Triton habe ich ebenso wie die von Lacerta stirpjum nur an Präparaten aus Chromsäure- oder doppelt chromsaurer Kalilösung untersuchen können, da die Vergol- dung mir nicht geglückt ist. So weit ich auf diese Weise ermitteln konnte, scheinen sich die Hornhautnerven bei Reptilien ähnlich zu verhalten wie bei Amphibien. 4. Die Nerven in der Hornhaut der Fische. _ Die Hornhaut der Fische verhält sich in Bezug auf die Abstam- mung ihrer Nerven ähnlich wie die der Säugethiere und Vögel. Dieselben treten ebenfalls erst durch die Sclerotica in das lig. ci- liare, von hier aus in den vordersten Abschnitt der Sclera und aus dieser in die Cornea. In der letzteren angelangt, werden sie mark- los, verzweigen sich, bilden Geflechte aus stärkeren Aesten und feinsten Fäserchen, die indessen nicht so dicht sind, wie bei den Am- phibien und näher der Vorderfläche der Cornea sich ausbreiten, und senden zahlreiche durchbohrende Fasern zur Oberfläche der Cornea- substanz. Letztere scheinen auch bei Fischen eine subepitheliale Nervenausbreitung zu bilden und schliesslich zwischen den Zellen des Epithels zu endigen. Es lassen sich indessen diese Verhältnisse, sowie auch die fei- nere Nervenvertheilung innerhalb der Corneasubstanz nicht so genau untersuchen, weil die Hornhaut bei Fischen durch Goldchlorid nicht weniger diffuse dunkelviolett gefärbt wird, das Epithel bei der Ma- ceration in Wasser sich meist vollständig isolirt und eine vorzugs- weise auf die Nerven sich erstreckende Färbung nur schwer und selten gelingt. Trotzdem ich eine grosse Anzahl von Hornhäuten verschiedener Fischgattungen untersucht habe (Hecht, Karpfen, Ka- rausche, Goldfisch, Schley, Aal), so ist es mir nur in wenigen Fällen gelungen, etwas mehr brauchbare Präparate zu erhalten, an welchen der Nervenverlauf sich genauer verfolgen liess. Der Untersuchung der Corneanerven bei Fischen steht auch die ungleiche Dicke der- selben am Rande und in der Mitte insofern im Wege, als dadurch Ueber die Nerven der Hornhaut. 251 eine gleichförmige Durchtränkung mittelst Goldlösung unmöglich gemacht wird. Auch die oft bis zur Mitte der Hornhaut sich er- streckenden Capillarschlingen (z. B. beim Karpfen) bieten durch ihre dunkere Färbung Hindernisse und können selbst zu Verwechselungen mit Nerven Anlass geben. Meinen Untersuchungen habe ich in- dessen so viel zu entnehmen vermocht, dass die Augen der Fische in Bezug auf die Nervenvertheilung mit denen der übrigen Wirbel- thiere in den wesentlichsten Punkten übereinstimmen. Historisches und Kritisches. Die ersten sicheren Mittheilungen über die Existenz von Ner- ven in der Hornhaut reichen bis zum Jahre 1830 zurück, in wel- chem Schlemm (1) die Beobachtung machte, dass bei Thieren Zweige der an der Innenseite der Sclera nach vorn verlaufenden Ci- liarnerven über dem Ciliarbande in die Sclera selbst eindringen und in der letzteren sich bis an den Rand der Cornea fortsetzen. Ihre weitere Verfolgung innerhalb dieser Membran ist ihm indessen nicht geglückt. Gegen Schlemms Entdeckung wurde zunächst durch Friedr. Arnold (2) Einspruch erhoben, späterhin auch durch Hueck (3), Engel (4) und Beck (5); letzterer gestand nur dem „BDindehautblättchen‘ der Hornhaut Nerven zu. Alle übrigen For- scher jedoch, welche seitdem diesem Gegenstande ihre Aufmerksam- keit zugewandt haben, konnten nicht umhin, die Existenz von Horn- hautnerven vollkommen zu bestätigen. Sie haben den weiteren Verlauf derselben in der Hornhaut klar dargethan, und selbst Fr. Arnold fand sich späterhin veranlasst (6), das Vorhandensein von Nervengeflechten innerhalb der Hornhaut anzuerkennen. Die letzten Enden derselben gehören aber seiner Ansicht nach nicht der Hornhautsubstanz, sondern deren Bindehaut an, da die feineren Zweige sich nicht in die Tiefe, sondern nach der vorderen Fläche wenden. Nach Schlemm hat zunächst Bochdalek (7) bei Thieren die Ciliarnerven mittelst des anatomischen Messers bis 1!/ Linien weit in die Substanz der Cornea hinein verfolgt; für den Menschen erschloss er sie aus dem analogen Verhalten der Ciliarnerven, 252 Prof. H. Hoyer: welche am sogenannten Ciliarbande in oberflächliche oder Hornhaut- zweige und in tiefe oder Iriszweige sich spalten; erstere dringen in die Cornea an ihrem vorderen Rande ein. — Ebenso sah auch Va- lentin (8) 8S—10 Stämmchen aus dem ligamentum ciliare in die Hornhaut treten, sich theils in dieser verbreiten und theils mit Zweigen der Bindehaut verbinden. Pappenheim (9) war der erste, welcher bei Säugethieren und Vögeln und auch beim Menschen die Nerven tiefer in die Sub- stanz der Cornea hinein verfolgte, und zwar sah er sie bis fast zur Mitte derselben eindringen und Verzweigungen, plexusartige und zuweilen auch am Rande bogenförmige Verbindungen an den ver- schiedenstarken Aestchen bilden; auch erkannte er, dass die sehr feinen Primitivfasern noch als solche eine Strecke weit in den eintretenden Stämmen sichtbar sind. Von den schlingenförmigen Endigungen der Blutgefässe am Hornhautrande wurden die Nerven bestimmt un- terschieden. Die Untersuchung wurde theils an frischen, theils an mittelst Kalilauge oder Essigsäure durchsichtig gemachten, zwischen zwei Glasplatten leicht zusammengedrückten Hornhäuten unter dem Mikroskope angestellt. In einer späteren Mittheilung (10) behaup- tet Pappenheim, er habe die Nerven der Cornea in allen Wir- belthierklassen vorgefunden und etliche Male beim Menschen ihre Endigung in „Endumbiegungsschlingen‘ gesehen; ‚ihre Primitivfäden sind cerebrospinal und nicht von Ganglienkugeln besetzt.“ Ferner hat er bereits beobachtet, dass aus der „tunica adnata“ Stämmchen mit äusserst feinen Nervenfasern in die oberflächlichste Schicht der Cornea eintreten, sich daselbst vertheilen, Plexus und Endumbie- gungsschlingen bilden. Dieselben sind mit sehr kleinen Nucleis be- setzt, die etwas Eckigrundes haben, ebenso enthalten auch die un- endlich feinen Fasern Nuclei. Purkinje (11) fand gleichfalls mit Hülfe der Essigsäure die Nerven in der Hornhaut von Säugethieren und Mensch, deren nach dem Centrum ziehende Aeste ein ziemlich reiches „Netzwerk“ bilden. „Die Elementarfasern dieses Netzes combiniren sich vielfach unter einander, und nachdem sie von einer Seite aus den Ciliarnerven eingetreten sind, gehen sie in das von anderen Seiten kommende Nervengewebe über, und es scheint, dass kein einziges dieser Fäd- chen in die Substanz der Hornhaut sich verliere und ebenso wenig in die äussere Conjunctiva übergehe, so dass es das Ansehen hat, wie wenn man ein in sich geschlossenes Netz vor sich hätte.‘ Ueber die Nerven der Hornhaut. 355 Brücke (12) erwähnt in seiner Anatomie des Auges einfach, dass die Nerven der Hornhaut von den Ciliarnerven abstammen, von . welchen sie sich am Spannmuskel der Choroidea abzweigen,’ und dass sie sich ausschliesslich in der substantia propria corneae aus- breiten. Die weiterhin von Kölliker (13) gelieferte sorgfältigere Be- schreibung der Eintritts- und Vertheilungsweise der Hornhautnerven aller Wirbelthierklassen und insbesondere auch des Menschen wurde in allen wesentlichen Punkten durch Gerlach (14) bestätigt. Bochdalek fügte seiner Arbeit über die Scleralnerven eine Ab- bildung der „schönen, grossentheils weitmaschigen Nervennetze‘‘ der Cornea bei (15). Luschka (16) lieferte gleichfalls eine im Ganzen zutreffende Beschreibung der Nervenvertheilung in der Cornea. Er schildert, hauptsächlich nach Untersuchungen mit verdünnter Essigsäure behan- delten Hornhäuten junger Kaninchen, den Eintritt derselben aus der Sclera in die Cornea, den nach dem Centrum gerichteten Verlauf, die Theilungen und die seiner Angabe nach im Ganzen nicht häufigen gegenseitigen Verbindungen der Nervenäste durch bogenförmig verlau- fende Fasern. Aehnliche Anordnung zeigen auch die oberflächlichen im „Bindehautblättchen‘‘ verlaufenden, aus wenigen Primitivfasern be- stehenden Nervenästchen, welche von den der Conjunctiva scleroticae ei- genthümlichen Nerven abstammen und mit den Nerven der Hornhaut- substanz im innigen Zusammenhange stehen. Die Pappenheim’schen Endumbiegungsschlingen werden von Luschka geleugnet; er meint (obwohl nicht ganz mit Recht), dass die seiner Angabe nach unter dem Epithel ‘im Bindehautblättchen zahlreich vorkommenden, sehr dünnen, für Blutkörperchen nicht mehr durchgängigen Capillar- schlingen Pappenheim und zum Theil auch Bochdalek zu Ver- wechselungen mit Nervenschlingen veranlasst hätten. Er betrachtet als den gröberen und feineren Verbreitungstypus der Hornhautnerven die dichotomische Theilung: „man findet in den verschiedensten künstlich gebildeten Lagen der Hornhautnerven nicht nur gröbere, sondern auch feine und nach dem gewöhnlichen Begriffe als Endi- gungen erscheinende eben nicht mehr weiter zu verfolgende feinste Fäden.“ „Die Menge der Nerven in der Hornhaut ist nicht unbe- trächtlich, indessen wechselt die Quantität sehr nach dem Individuum und ist auch nicht immer in beiden Augen gleich.“ In den hinteren Lagen der Hornhaut fand Luschka niemals Nerven. 254 Prof. H. Hoyer: Die demnächst veröffentlichten Arbeiten von Rahm (17), Strube (18) und Coceius (19) haben zwar die Beobachtungen der letzterwähnten Forscher in den wichtigsten Punkten bestätigt, jedoch im Ganzen nichts wesentlich Neues hinzugefügt. Zu erwäh- nen ist indessen, dass nach Strube’s Angabe die Nerven in der Cornea zuweilen Schleifen und Schlingen bilden oder eine Strecke weit am Cornearande hinlaufen und dann in die Sclera zurückkehren sollen, ferner dass nach demselben Forscher die Anastomosenbil- dungen der Nerven in allen Schichten der Hornhaut vorkommen und endlich dass Coccius auf die bereits von Pappenheim wahr- genommenen Kerne der Hornhautnerven besonders aufmerksam ge- macht hat. Er betrachtet dieselben irrthümlicher Weise als seröse Gefässe der Nerven, bestimmt zur Ernährung der letzteren. In seiner im Jahre 1554 erschienenen Mikroskopischen Anatomie lieferte Kölliker (20) eine ausführlichere, präcisere und, wie die neuesten Untersuchungen lehren, in den meisten Punkten vollkom- men naturgetreue Beschreibung des Eintrittes und der Vertheilung der Nerven in der Cornea. Freilich ist es ihm nicht gelungen, die letzten Endigungen der Nervenfasern nachzuweisen; auch irrte er, wenn er annahm, dass die sich vielfach dichotomisch theilenden Nervenästchen vermöge zahlreicher Anastomosen dicht unterhalb der vorderen struceturlosen Lamelle und dem Epithel ‚ein durch die ganze Cornea sich erstreckendes weites Nervennetz‘ bilden, wel- ches aus anastomosirenden feinsten, aus einer einzigen Faser ge- bildeten Zweigchen besteht, ‚‚so dass, wenn auch nicht in Form von Schlingen, doch ein Zusammenhang von Nervenröhren unter einander anzunehmen wäre“, sowie dass von freien Enden der Nervenfasern keine Spur wahrzunehmen sei, (obschon die Zartheit der Verhältnisse ihn veranlasst, sich nicht bestimmt auszusprechen gegen die Mög- lichkeit einer Existenz freier Enden der Nerven). Im Uebrigen ist aber die Beobachtung, soweit sie bei den damaligen Hülfsmitteln ausführbar war, als eine vollkommen zutreffende zu erachten. Ge- stützt auf die Untersuchung der Hornhäute vom Menschen und von zahlreichen Individuen aus den verschiedenen Klassen des Wirbel- thierreiches, schildert Verfasser darin ganz richtig die verschiedene Dicke der in grosser Anzahl in die Hornhaut eintretenden Nerven- ästchen, den Uebergang der in den Nerven enthaltenen markhaltigen Fasern in marklose ; die Verästelung der Nerven in die Hornhaut- substanz, ihre gegenseitige Verbindung und die schliessliche Bildung u I. Ueber die Nerven der Hornhaut. 255 des oberflächlich gelagerten sogenannten ‚„Nervennetzes“. Auch die von Pappenheim (Kölliker erwähnt nur Coccius) an den Horn- hautnerven zuerst wahrgenommenen Kerne werden bestätigt; ja Kölliker fand selbst an den feinsten Ramificationen (in der Horn- haut von Kindern und Neugebornen) Kerne; doch erklärt er sich bestimmt gegen die von Coccius aufgestellte Deutung derselben als seröse Gefässe, vielmehr ist er der Ansicht, dass sie grössten- theils von den Bildungszellen der Nervenröhren herrühren. In den Stämmen der Hornhautnerven sah Kölliker, obschon selten, Bi- fureationen der Primitivröhren, nie in dem von denselben gebil- deten Netze, „dessen Verhältnisse jedoch seiner Blässe wegen kaum vollkommen sich erforschen lassen.“ In Bezug auf den von früheren Autoren beobachteten Uebertritt von Nervenfasern aus der Conjunc- tiva bulbi in die vordere Schicht der Hornhaut (Pappenheim, Luschka, Coccius) giebt Kölliker an, er habe nur bei Säuge- thieren in Begleitung der oberflächlichen Hornhautgefässe einzelne feine Stämmchen in die Hornhaut treten sehen, die am Rande spär- liche schlingenförmige Anastomosen bildeten und mit den tieferen Nerven nicht zusammenzuhängen schienen. In dem hinteren Dritt- theil der Hornhaut hat Kölliker keine Nerven angetroffen, insbe- sondere existire „an der Demours’schen Haut auf jeden Fall auch nicht die Spur einer Nervenausbreitung.“ (Man vergleiche damit seine neueren unter 34 zusammengestellten Beobachtungen.) Die Resultate der sorgfältigen Untersuchungen von His (21) ‚stimmen im Wesentlichen mit denen von Kölliker überein. Auch er erkennt eine doppelte Quelle der Hornhautnerven an: zum grös- seren Theile aus den Ciliarnerven, zum kleineren aus der Conjunc- tiva bulbi. Ihre Zahl und Stärke ist verschieden. Sie bestehen beim Eintritt zum Theil aus markhaltigen, zum Theil aus marklosen Nervenfasern. ja manche Stämmchen sind aus beiderlei Fasern zu- sammengesetzt; in jedem Falle verlieren auch die ersteren bald nach ihrem Eintritt in die Hornhaut ihr Mark und bestehen weiterhin nur aus blassen, mit länglichen Kernen versehenen Fasern. Bei Jungen Individuen finden sich sehr häufig ausschliesslich aus blossen Fasern bestehende und durch grössern Kernreichthum sich auszeich- nende Nervenstämmchen. Die dichotomische Theilung, das Anein- anderschliessen der dünneren Aeste, der Mangel an Nervenästen an den hinteren Theilen der Hornhaut, die Bildung des durch die ganze Hornhaut ausgebreiteten Netzwerkes und endlich die Theilung der 256 Prof. H. Hoyer: Primitivfasern in den Nervenstämmchen werden ganz ähnlich wie von Kölliker dargestellt. Nur in der Darstellung des Endnetzes weichen beide Autoren von einander ab. Zwar meint auch His, dass das unmittelbar unter der Hornhautoberfläche gelagerte Netz hervorgehe aus Theilung von Primitivfasern, welche aus der fortge- setzten Theilung der Stämmchen schliesslich als Endzweige resul- tiren, auch dass die letzteren nie frei enden, vielmehr mit anderen ein geschlossenes ‚Netzwerk“ bilden; aber die Verbindung der letzteren Fasern in jenem Netzwerk wird vermittelt durch kleine dreieckige Anschwellungen, welche einen verschieden gestalteten Kern enthalten, und eben solche Anschwellungen finden sich an den Theilungsstellen der feinen Nervenzweige ; jene kernhaltigen Knoten- punkte nun müssen nach der Meinung von His ‚wohl als eine Art peripherischer Ganglienzellen angesprochen werden.‘‘ — Eine Verbin- dung der Nervenfasern mit Hornhautzellen und deren Ausläufern wird bestimmt in Abrede gestellt. — In ihrer ersten Anlage beim Fötus sollen die Hornhautnerven aus aneinander gereihten feinen spindelförmigen Zellen mit länglich-ovalem Kerne bestehen. Remak (22) bemerkte zu den Angaben von His, dass er die Nervenfasern der Hornhaut niemals in Netze übergehen gesehen habe, und dass kein Grund vorliege, die kernhaltigen Knotenpunkte an den Verästelungswinkeln der Nervenfasern für Ganglienzellen anzusehen; dieselben gehören vielmehr, seiner Meinung nach, der Bindegewebsscheide der Fasern an. Henle (23), welcher sich in seiner „allgemeinen Anatomie“ für die Existenz der Hornhautnerven ausgesprochen, auch die Plexus- bildung derselben anerkannt hatte, erklärte in seinem Jahresbericht das His’sche Endnetz für leere Capillargefässe. Im 2. Bande seines Handbuches der Anatomie, welches erst im Jahre 1866 erschienen ist, giebt Henle eine kurze ‚historische Uebersicht über die Resul- tate der bisherigen Forschungen auf diesem Gebiete; erkennt ferner den Eintritt von Nerven in die Hornhaut, deren Verzweigung und Anastomosenbildung an; in Betreff der letzten Endigung der ober- flächlicher verlaufenden Zweige führt er aber nur an, dass die meisten Beobachter sich für eine netzförmige Endigung aussprechen. Leydig (24) schildert die Hornhautnerven wesentlich überein- stimmend mit den vorerwähnten Forschern (Kölliker, His). Bei Fischen (Gebius fluviatilis) entsteht ebenfalls durch Verästelung und Anastomosenbildung der in die Cornea tretenden Nervenstämmchen Ueber die Nerven der Hornhaut. 957 ein Endnetz. „Bei Rochen und Haien gehen indessen die Nerven (und Gefässe) nicht über den pigmentirten Rand der Hornhaut hinaus und lassen sich keineswegs in den hellen Abschnitt verfolgen.‘ W. Krause (25) bemerkt in Betreff der ‚‚blassen Nervenfasern in der Cornea“ Folgendes: Die vom Rande her eintretenden Stämm- chen theilen sich wiederholt in unter einander anastomosirende Aeste, von denen man zuweilen einzelne, isolirte, marklose Nerven- fasern abbiegen sieht, die nach einem Verlauf bis zu 6,5 mm. plötz- lich mit einer knopfförmigen Endanschwellung scheinbar frei auf- hören. Wenn es nun auch nahe liegt, anzunehmen, dass ein sol- ches freies, knopfförmiges Ende die normale Art darstelle, wie die Nerven in der Cornea endigen, wo sie der sonstigen Verhältnisse halber eines besonderen, terminalen Körperchens entbehren können und müssen; so ist doch zu bemerken, dass ich solche Beobachtungen nur zwei Mal, zwar bei Menschen, jedoch an Holzessig- Präparaten gemacht habe, weshalb allerlei Irrthümer nicht ausge- schlossen sind und ich die Beobachtungen nicht für ausreichend er- achten kann.“ An frischen Hornhäuten verloren sich die einzelnen Fibrillen blass und unbestimmt bald nach dem Abbiegen von einem der feineren Nervenstämme. — Die von His beschriebenen, ober- flächlichen, an der vorderen Begrenzung der Cornea gelegenen Netze von feinen Fasern mit dreieckigen Anschwellungen an den Knoten- punkten hat Krause an Essig- und Holzessigpräparaten von Er- wachsenen, Kindern, Rind, Kalb, Schaf, Schwein und Hund beobach- tet. Dass das Netz sich zusammenhängend über die ganze Fläche der Cornea erstreckt, ist zwar direct nicht zu constatiren, weil durch zufällige Umstände verdeckt oft einzelne Fasern unbestimmt aufhören und nicht bis zu den benachbarten Knotenpunkten zu ver- folgen sind; oft liess sich aber durch Focusänderung nachweisen, dass sie nur scheinbar aufhören ; auch zeigten sie nirgends ein cha- rakteristisches Verhalten, welches auf eine regelmässig freie En- disung dieser Fasern hindeuten könnte. Krause hält es mit Henle für wahrscheinlich, dass dieses Fasernetz aus obliterirten Capillaren bestehe, und zwar aus dem fötalen Gefässnetz der Cor- nea; es könnten aber auch möglicher Weise mit Serum gefüllte Röhren der Lymphgefässanfänge sein. — Aus allen diesen Bemer- kungen lässt sich klar entnehmen, wie weit Krause entfernt ge- wesen ist von der Erkenntniss der wahren Endigung der Hornhaut- nerven. M, Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd, 9, 17 958 Prof. H. Hoyer: Coccius (26) gelangte in einer weiteren Mittheilung zu dem Resultate, dass unmittelbar unter den Epithelien der Hornhaut die letzte Endigung der Hornhautnerven stattfindet und sich hier in einem ausgebreiteten Lager von Ganglienzellen repräsentirt; dass diese peripherischen Ganglienzellen aber, welche schon His be- obachtete, nicht die letzte, sondern die vorletzte Art der Endigungen der Hornhautnerven sind, indem die feinsten Fasern derselben, welche aus Theilungen von Primitivfasern hervorgegangen sind, in die Ausläufer der Granglienzellen endigen. Es ist schwer zu be- srejfen, welche Gebilde Coceius bei obiger Beschreibung im Auge gehabt hat. J. Arnold (27) trat gleichfalls für die Existenz des von His beschriebenen Netzes der Hornhautnerven ein und nahm es gegen Krause’s Zweifel in Schutz. Die gröbere Vertheilung der Horn- hautnerven beim Menschen stellt er im Wesentlichen ebenso wie His dar; ausserdem giebt er aber noch an, dass die Ciliarnerven am Annulus conjunctivae in solche Aeste sich theilen, die zur Cor- neasubstanz treten, und in solche, die mit den Nerven der Conjunc- tiva scleroticae anastomosiren. Die in der „Subepithelialschichte“ gelegenen „Endplexus‘ gehören ausschliesslich dieser Schicht an, obschon Nervenprimitivfasern auch im vorderen Drittel der Cornea nicht fehlen; es sollen aber in diesem Theile keine gegenseitigen Verbindungen der feinsten Fasern statthaben. Die dreieckigen Knotenpunkte der Endplexus fand Arnold zum Theil kernhaltig, zum Theil kernlos; in fötalen Hornhäuten enthalten sie mehrere Kerne, was, verbunden mit der eigenthümlichen Form der Kno- tenpunkte, den Autor bestimmt, dieselben für blosse Zusammen- flussstellen von Primitivfasern und nicht für Ganglienzellen zu halten. Sämisch (28) hat die Resultate seiner sehr ausführlichen, an zahlreichen Exemplaren aller Wirbelthierklassen angestellten Unter- suchungen schliesslich in folgenden Sätzen zusammengefasst (S. 17): „1. Durch wiederholte dichotomische Theilung gehen aus den als Stämmchen in die Hornhaut eingetretenen Bündeln von Primitiv- fasern letztere selbst hervor; sie theilen sich weiter und zeigen an diesen Theilungsstellen meist dreieckige oder unregelmässig geformte Kerne (die peripheren Ganglienzellen einiger Autoren), die, soweit sie im Verlaufe der Fasern selbst vorkommen, meist oval sind. Bisweilen verbinden sich diese Theilungsstellen direct (das Endnetz, Ueber die Nerven der Hornhaut. 359 wie esHis beschreibt), in der Regel erfolgt jedoch noch eine mehr- malige dichotomische Theilung der Fasern, ohne dass sich noch Kerne in denselben vorfänden; die aus dieser Theilung hervorge- gangenen Fasern treten in eine:netzförmige Verbindung mit einan- der, die als terminal anzusehen ist. Die Knotenpunkte des Netzes werden nur zum kleinen Theil von den dreieckigen Anschwellungs- stellen der Primitivfasern gebildet. Es werden bisweilen Fasern ge- funden, die sich bis zu einer Verbindung mit anderen nicht verfolgen lassen. 2. Das Endnetz liegt der Hornhautoberfläche sehr nahe, jedoch noch in der Substantia propria. Die dreieckigen An- schwellungen liegen in Ebenen, in welchen sich Hornhautkörperchen befinden, ein Ansteigen der aus jenen hervortretenden Fasern wurde nicht beobachtet. 3) Eine Verbindung der aus den letzten Thei- lungen hervorgegangenen Fasern mit dem Hornhautkörperchen wurde nicht gesehen. 4. Man findet constant einige sich von den Stämmen abzweigende Bündel, welche nicht in die Bildung des End- netzes eintreten, vielmehr zu anderen Stämmen zurückführen. Es kommen demnach in der Hornhaut Nerven vor, welche nur durch die Membran hindurchlaufen. 5) In der Hornhaut der Maus, einige Male auch in der des Kaninchens und der Ratte, wurde ein von Schläuchen gebildetes, nicht geschlossenes Netz heobachtet. Ueber die Deutung desselben kann etwas Bestimmtes noch nicht angeführt _ werden.“ Ich habe den vorstehenden Angaben folgende Bemerkungen beizufügen: Die für Siämisch so räthselhaften mit den Nerven in Verbindung stehenden Schläuche sind, wie ich mich bestimmt überzeugt habe, nichts anderes, als die in meiner ersten Arbeit über die Hornhautnerven bereits von mir beschriebenen verdickten und mit myelinartiger Masse angefüllten Enden der „durchbohrenden‘“ Nervenfasern. Dieselben zeigen in der Hornhaut der Maus eine vorzugsweise ansehnliche Entwickelung, doch fehlen sie auch fast niemals beim Kaninchen. Wahrscheinlich gehören auch die zwei Mal von Krause in der Hornhaut vom Menschen gesehenen „scheinbaren“ knopfförmigen Enden der Nervenfasern hierher. Die von Sämisch erwähnten Fasern, „welche sich bis zu einer Verbindung mit anderen nicht verfolgen lassen“, entsprechen seiner Zeichnung nach wahrscheinlich nicht sowohl den „durchbohrenden“ Aestchen, als vielmehr den von mir eingangs näher beschriebenen geschlängelten Fasern der subbasalen Nervenausbreitung. — Was endlich die Lage 260 Prof. H. Hoyer: des terminalen Endnetzes beim Frosch anbetrifft, so scheint Sämisch dieselbe auch hier in die vorderen Hornhautschichten zu verlegen, obschon er sich in dieser Beziehung nicht bestimmt genug ausdrückt; wenigstens sprechen für diese Annahme seine Angaben über den Verlauf des Nervenstammes, welcher aus der Conjunctiva oder viel- mehr dem Limbus der Froscheornea austretend durch einen Ast mit einem in der Tiefe der Cornea verlaufenden Nervenstamme communicirte und mit dem anderen Aste in das Endnetz der Cor- neanerven überging. Ciaccio (29) schildert den Eintritt der Nervenstämmchen in die Cornea in Ähnlicher Weise, wie die letzterwähnten Autoren, doch bestreitet er den Uebergang der dunkelrandigen Nervenfasern in helle, sowie die Theilungen der Nervenfasern innerhalb der Plexus. Die Fasern zeigen vielmehr von ihrem Eintritt an bis zu ihrer Endigung denselben Charakter. Wo eine Faser sich zu theilen scheine, da be- steht bereits der Stamm aus zwei dicht an einander liegenden Fi- brillen, die durch eine eigenthümliche Bindesubstanz zusammenge- halten werden. Freie Enden der Fasern werden nicht anerkannt; die Endigung findet nur in Plexus oder Netzen statt, d. h. in ver- schiedenartigen Verflechtungen der Fasern. Alle letzten Anasto- mosen der Nervenbündel liegen im vorderen Theil der Cornea und die feinsten unmittelbar unter der vorderen elastischen Lamelle. In den Nervenbündeln kommen wahre Kerne vor, welche als Er- nährungsorgane angesehen werden; sie sollen sich von den drei-, vierseitigen oder unregelmässigen granulirten, in den Knotenpunkten vorkommenden Gebilden unterscheiden, welche nach verschiedenen Richtungen Nervenbündel aussenden, zum Theil einen in Carmin sich färbenden Kern einschliessen und wahrscheinlich eine Beziehung zur Tastfunetion haben. — Ein Zusammenhang von Nervenfasern mit Hornhautkörperchen wird bestimmt in Abrede gestellt. Ciaccio untersuchte die Hornhäute von Aal, Frosch, Sperling, Maus und Mensch. Kühne (30) gelangte bei seinen Untersuchungen der Nerven in der Hornhaut des Frosches zu ganz abweichenden Resultaten, wie die vorerwähnten Forscher. Zwar den Eintritt und die erste Ver- theilung der allein von der Sclera zutretenden 15 Nervenstämmchen mit ihren etwa 60—70 (sämmtlich markhaltigen) Primitivfasern schildert er wesentlich wie die vorerwähnten Forscher. Er beschreibt ganz entsprechend das plötzliche Aufhören des Markes, die Scheide EN. ’ Ueber die Nerven der Hornhaut. 261 mit ihren Kernen, insbesondere an den Knotenpunkten. Im Weiteren liefert er auch eine ganz naturgetreue Beschreibung der von ihm beim Frosche noch nicht so genau beobachteten dichten, aus sehr feinen Fasern gebildeten Plexus in der Hornhaut, die ihre Ent- stehung der Theilung, Anastomosirung und Durchflechtung feiner „Axencylinder“ verdanken. Aber schliesslich gelangt er zu dem Resultate, dass sämmtliche Endästchen dieser Fasern sich mit den Ausläufern der sternförmigen, netzartig unter einander vereinigten Hornhautzellen verbinden und dass sie für dieselben eine Art moto- rischer Nerven darstellen. ‚Jede der sternförmigen Zellen steht auf irgend einem Umwege mit jeder in die Membran eintretenden Ner- venfaser im Zusammenhange.“ Auch Lightbody (31) gelangte bei seinen Untersuchungen der Hornhautnerven zu ganz eigenthümlichen Resultaten. Den Ein- tritt der Nerven aus der Sclera in die Cornea und ihre gröbere Vertheilung in letzterer hat auch dieser Forscher ziemlich natur- getreu dargestellt; die Schilderung der feineren Verhältnisse ist da- gegen minder richtig ausgefallen. Die Knotenpunkte an den ober- flächlicheren und tieferen „Netzen‘‘ werden als mit Membranen und Kernen versehene „Nervenzellen“ bezeichnet. Die von einer zur ande- ren „Zelle“ verlaufenden Fasern sollen immer gleich dick bleiben, nie Varicositäten zeigen und niemals Kerne enthalten. Die ober- flächlichen Nervenzüge sollen ein unmittelbar unter dem Epithel gelegenes Netz bilden. Mit den Hornhautkörpern verbinden sich die Fasern nicht. Die Nerven stammen, soweit der Verfasser sich überzeugen konnte, nur aus der Sclera; sie sind sensibler Natur. Ausserdem sollen aber in der Cornea auch noch trophische Nerven enthalten sein, die mit den Capillargefässen eintreten und theils in Nervenzellen endigen, theils ist ihre Endigung nicht sichtbar. Ihr Maschenwerk ist dichter, die Zellen kleiner, die Fasern feiner, als in den sensiblen Nerven der Hornhaut. Ob sie mit der letzteren in Verbindung stehen, ist ungewiss. — Lightbody hat wahrschein- lich die dichten, oberflächlichen, aus feinen Fasern bestehenden Ner- venplexus am Hornhautrande für trophische Nerven angesehen, zu- mal dieselben zum Theil in den die Capillarschlingen adventitia-artig einhüllenden Bindegewebszügen verlaufen. In meiner noch vor Lightbody’s Arbeit veröffentlichten Mit- theilung ‚über den Austritt von Nervenfasern in das Epithel der Hornhaut (32), habe ich nachzuweisen versucht, dass das vermeint- 262 Prof. H. Hoyer: liche ‚„‚Endnetz“ der Autoren nicht das wirkliche Endgebilde der Hornhautnerven darstelle. Jenes ‚„Netz“ bestehe vielmehr aus Plexus feiner Nervenfasern, welche in den mit Kernen versehenen drei- oder mehreckigen Knotenpunkten sich nur durchflechten. Von den Knotenpunkten zweigen sich schliesslich Aestchen ab, welche mit benachbarten Nerven sich nicht weiter verbinden, viel- mehr gegen die Vorderfläche der Hornhaut sich erheben, dabei ge- wöhnlich sich bedeutend verdicken, nach längerem oder kürzerem Verlaufe die vordere elastische Lamelle derselben durchbohren und zu dem mehrschichtigen Epithel der Hornhaut in eine nähere Be- ziehung treten. Dieses Verhältniss näher darzulegen, war mir nicht gelungen, da für diesen Zweck meine Untersuchungsmethoden nicht ausreichten, doch sprach ich die Vermuthung aus, dass die plexus- förmigen Bildungen der Hornhautnerven auch noch innerhalb oder unterhalb des Epithels sich fortsetzen dürften. Ich hatte diese Ver- hältnisse hauptsächlich an den Augen von Kaninchen, von Vögeln und auch an denen der Frösche dargethan. Gleichzeitig mit mir hatte Cohnheim den Hornhautnerven seine Aufmerksamkeit zugewandt und war bei seinen Forschungen viel glücklicher als ich, indem es ihm gelungen war, durch Auf- findung der Vergoldungsmethode sämmtliche von mir noch unent- schieden gelassene Fragen der endgültigen Entscheidung nahe zu bringen. In seiner ersten vorläufigen, bald nach dem Erscheinen meiner. Arbeit veröffentlichten Mittheilung (35) wies er nun nach, dass in den 15—20 in die hintere Schicht der Cornea eintretenden Nervenstämmchen die anfangs noch grösstentheils markhaltigen Fa- sern nach Verlust ihres Markes in eine sehr grosse Anzahl von feinen, zuweilen varicösen Fäserchen zerfallen, dass mithin die Axen- cylinder sich theilen. Die kernhaltigen Knotenpunkte und Aeste der oberflächlicheren und tieferen scheinbaren Nervennetze stellen bestimmt nur echte Geflechte oder Plexus dar. Von dem ober- fiächlichsten dieser Nervenplexus steigen nun Zweige zum Epithel empor, durchbohren aber die sogenannte Bowmann’sche Schicht nicht (entgegen meinen Behauptungen), sondern lösen sich noch innerhalb dieser letzteren in Büschel feinster varicöser Fasern auf, welche darin in der Richtung nach dem Centrum der Hornhaut zu ver- laufen, weshalb auch jene Corneaschicht seiner Ansicht nach pas- send als stratum nervosum zu bezeichnen wäre. Durch wirkliche Anastomosen der in dieser Schicht verlaufenden Fasern entsteht ein Ueber die Nerven der Hornhaut. 263 dichtes und zierliches ‚‚Nervengitter‘‘; die Fasern desselben enthalten keine Kerne mehr. — Von diesen Büscheln und Nervengittern nun steigen zahlreiche feinste, gewöhnlich noch varicöse Fäserchen zwi- chen den mehrschichtigen Lagen des Epithels bis zur äusseren freien Oberfläche der Hornhaut empor, wo sie unmittelbar oder nach mehrfachen Verzweigungen mit einer knopfförmigen Anschwel- lung endigen und in,der die Hornhautoberfläche bespülenden capil- laren Flüssigkeitsschicht frei flottiren. Bei diesem Verhalten könne es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass diese Nervenfasern als sensible zu betrachten seien. — Obige Darstellung bezog sich hauptsächlichlich auf die Cornea des Meerschweinchens, doch fand er an den Hornhäuten von Kaninchen, Ratte, Maus und Hund ein wesentlich gleiches Verhalten. Beim Frosche dagegen wäre der Verlauf der Hornhautnerven ein in vieler Beziehung durchaus ver- schiedener, Autor enthielt sich jedoch ganz der Darstellung dessel- ben, da er „lediglich die Angaben W. Kühne’s in jeder Hinsicht bestätigen müsste.“ Ebenso verzichtete er auf die Beschreibung der sehr zahlreichen, in den tieferen Schichten der Cornea verlau- fenden Nervenfasern. ln einer wenige Wochen nach dem Erscheinen von CGohn- heim’s Arbeit veröffentlichten Mittheilung von Kölliker (34) wur- den meine und Cohnheim’s Beobachtungen in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Kölliker hatte mittelst der Vergoldungsme- thode die Hornhäute von Kaninchen und Meerschweinchen, Menschen und Frosch untersucht und hatte beim Menschen die wesentlich gleichen Verhältnisse wie bei ersteren Thieren gefunden. Seine Dar- stellung wich aber in mehreren nicht ganz untergeordneten Punkten von Cohnheim’s Angaben ab. Er erkannte die Zusammensetzung des sogenannten Endnetzes als eines aus varicösen Fibrillen be- stehenden Plexus an, doch lässt er es unentschieden, ob in dem- selben nicht auch wirkliche Verbindungen einzelner Nervenfasern unter einander vorkommen. Die „durchbohrenden“, bei Kaninchen mit eigenthümlichen Verdickungen versehenen Zweige lassen sich an Goldpräparaten deutlich als Bündel von Axencylindern erkennen. Dieselben dringen, entgegen Cohnheim’s Behauptung, wirklich durch die Lamina elastica anterior hindurch. Der aus diesen Zweigen hervorgehende Plexus liegt demnach nicht innerhalb jener Corneaschicht, sondern oberhalb derselben, zwischen ihr und den Basen der tiefsten Epithelzellenschicht und wird daher in der That 264 Prof. H. Hoyer: richtig als subepithelialer Plexus bezeichnet. Beim Meer- schweinchen bilde dieser Plexus ein wirkliches Endnetz, während beim Kaninchen nur wenig Anastomosen der nach dem Centrum verlaufenden Fasern vorkommen sollen. Die zwischen den Epithel- zellen zur Oberfläche aufsteigenden ‚Endfasern“ werden gleichfalls bestätigt, doch weicht Kölliker in seiner Darstellung insofern von Cohnheim ab, als er die schliessliche Theilung und den horizon- talen Verlauf dieser Fasern in den äusseren Epithelschichten als Regel aufstellte, ferner dass er die nach Gohnheim frei an der Oberfläche hervorragenden Enden, welche in der die Hornhautfläche benetzenden Flüssigkeit frei flottiren sollen, läugnete und nur zugab, dass sie höchstens bis an die freie Oberfläche zwischen den ober- flächlichsten Epithelschichten emporsteigen, in der Regel aber unter- halb der äussersten Zellenschicht endigen. — Endlich erwähnt Köl- liker besonderer nicht zahlreicher Nerven der Membrana De- moursiana, welche als kleine Zweige von den Nervenstämmen nach den hinteren Theilen der Cornea sich wenden, daselbst in feinste varicöse Nervenfädchen sich auflösen, dicht an der Elastica poste- rior in sich recktwinklig kreuzenden Richtungen verlaufen, oft recht- winkelige Knickungen bilden, unter einander zu anastomosiren schei- nen und andererseits Theilungen wirklicher Axencylinder darstellen, ausserdem auch in zahlreichen Fällen frei endigen. — Beim Frosche bestätigte Kölliker meine Angaben in Bezug auf die durchbohrenden Fasern. Er fand ferner bei demselben eine sub- epitheliale Nervenausbreitung, bestehend aus vorzugsweise parallel verlaufenden und häufig anastomosirenden feinsten „Axeneylindern“ und alsdann auch die von dieser Nervenschicht im Epithel senkrecht aufsteigenden und schliesslich mit horizontalen Zweigchen aufhören- den Endfäden. Die Kühne’sche Nervenausbreitung in den hinteren Schichten der Froschhornhaut fasste Kölliker auf als ‚Nerven der Demours’schen Haut oder der hinteren Hornhautfläche“, bestimmt zur Perception des intraoculären Druckes. Die Fasern dieser Schicht stammen theils von den gröberen Nervenplexus in den hinteren Hornhautlagen, theils treten sie am Rande der Hornhaut als feine Fädchen ein, deren Abgang von gröberen Zweigen nicht nachzuwei- sen ist. Dieselben bilden zusammen ein grobmaschiges wirkliches Geflecht von Nervenprimitivfasern und mehrfaserigen Bündeln, welche unter rechten Winkeln sich verzweigen und da und dort wieder unter einander sich verbinden. Die von Kühne behauptete Ver- — De Ueber die Nerven der Hornhaut. 365 bindung dieser Fasern mit Ausläufern der Corneazellen wird von Kölliker bestimmt in Abrede gestellt, ebenso die Verbindung mit den Epithelzellen der Demours’schen Haut, doch hat er auch freie Enden an diesem Geflechte nicht wahrgenommen. — Wesentlich die gleichen Angaben finden sich in ‘der neuesten Ausgabe von Köllikers Handbuch der Gewebelehre. Die zweite, umfangreichere Arbeit von Cohnheim »über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Hornhaut (35) giebt, ausser einer genaueren Beschreibung der Vergoldungsmethode und deren Einwirkung auf verschiedene Gewebselemente, nur eine ausführlichere Auseinandersetzung der in der ersten Mittheilung bereits niederge- legten, an Hornhäuten von Säugethieren und speziell vom Meer- schweinchen gewonnenen Anschauungen, so wie für letztere die näheren Belege. Insbesondere wird eine ausführlichere Beschreibung der subepithelialen Nervenausbreitung geliefert und in Bezug auf die Endfäden angeführt, dass ausser den über die Hornhautfläche frei hervorragenden Endigungen der Nervenfasern auch noch ganz entsprechende Endigungen zwischen den äussersten Schichten des Epithels vorkommen. — Ausserdem widmet Cohnheim auch den »sensiblen« Nerven in der Hornhaut des Frosches diesmal eine nähere Beachtung und weist nach, dass bei letzterem die den soge- nannten Endnetzen in den vorderen Hornhautschichten bei Säuge- thieren entsprechenden Plexus fehlen, vielmehr von den in der Tiefe gelegenen Stämmen sich aus Bündeln markloser Fasern bestehende Aeste abzweigen, welche fast vertical bis unter das vordere Epithel aufsteigen. Aus diesen Aesten geht nun eine Schicht horizontaler Fasern im »Subepithelialstratum« hervor, welche beim Mangel einer vorderen elastischen Lamelle der tiefsten Epithelschicht unmittelbar anliegt. Die Ausbreitung der aus einem solchen Bündel ausstrah- lenden Fasern ist eine mehr sternförmige; die Bündel benachbarter Fasern verbinden sich unter einander theils unmittelbar, theils ver- möge seitlicher und querer Verbindungsfasern und bilden so ein echtes Netz. Von diesem Netze steigen endlich wie bei Säuge- thieren Endfäden zwischen den tieferen Epithelschichten senkrecht auf, biegen dann in den vorderen Schichten um und »erstrecken Sich« schliesslich zwischen den platten Epithelien. Ihre eigentliche Endigung ist nicht näher beschrieben, nur wird hervorgehoben, dass kein einziger Faden vor die vorderste Epithellage in die präcorneale Flüssigkeit hinaustritt. — Auf das von Kühne beschriebene reiche 266 Prof. H. Hoyer: System von Nervenfasern in den verschiedenen Lagen der Hornhaut geht Cohnheim nicht näher ein; er gedenkt bei einer anderen Gelegenheit des Genaueren darauf zurückzukommen. Meine eingangs niedergelegte Beschreibung des Nervenverlaufes in der Cornea stimmt, wie wir sehen in fast allen wesentlichen Theilen mit der Cohnheimschen Darstellung überein; doch kann ich nicht umhin, auf einige Punkte näher einzugehen, in welchen unsere Ansichten etwas bedeutender differiren. Was die Endigungen und das nähere Verhalten der von mir sogenannten subbasalen Nerven- ausbreitung anbetrifft, so kann ich hier nur constatiren, dass der- selben bisher noch von keinem Forscher eine besondere Aufmerk- samkeit zu Theil geworden ist. Doch beschreibt Cohnheim (35, pg. 17—18) mit wenigen Worten die ganz entsprechenden Bil- dungen in den mittleren und hinteren Schichten der Hornhaut, (letztere sind, wie wir gesehen haben, auch von Kölliker bereits näher berücksichtigt worden); erwähnt auch, dass manche Fasern derselben »sich nicht bis zur Verschmelzung mit anderen verfolgen lassen«, kommt aber schliesslich zu dem Resultate, dass die ganze Anordnung dieser Fasern eine so »eigenthümliche und eigenartige sei, dass ihre Verfolgung einer besonderen Untersuchung vorbehal- ten bleiben müsse«. — In Bezug auf die Lage der subepithelialen Nervenausbreitung muss ich mit Kölliker bei der Ansicht ver- harren, dass eine von Gohnheim geläugnete, der »Elastica ante- rior« der menschlichen Cornea entsprechende messbare Schicht an den Hornhäuten von Kaninchen und Meerschweinchen allerdings existirt und dass der subepitheliale Nervenplexus über und nicht in derselben gelagert ist. Diese Schicht unterscheidet sich auf Quer- und Längsschnitten von Hornhäuten, an welchen das Epithel durch Maceration sich abgelöst hat, sehr deutlich von den übrigen Schichten der Hornhautsubstanz durch stärkere Lichtbrechung, einen gewissen Glanz} den Mangel von Hornhautzellen und ein geringeres Quellungsvermögen. Zwar stellt sie sich nicht so homogen dar, wie beim Menschen, vielmehr vereinigen sich in derselben die Fort- sätze der vordersten Schicht der Hornhautzellen arcadenartig zu einem wie aus Schlingen gebildeten Maschenwerk, (diese Arcaden- bildung ist beim Menschen dicht an der Basalmembran besonders schön); aber seit den Untersuchungen von Tamamschef (Central- blatt für die med. Wiss. 1866, p. 353), welche ich zum Theil be- stätigen kann, weiss man jetzt, dass nicht nur die vordere Basal- 1 Din Ueber die Nerven der Hornhaut. 267 schicht beim Menschen, sondern selbst die Descemetsche Haut aus einem dichten filzartigen Flechtwerk feinster Fibrillen besteht. An Schnitten von stärker macerirten Vergoldungspräparaten habe ich mich ferner wiederholt überzeugt, dass bei vollständiger Ablösung des Epithels die Fibrillen des daran haftenden Nervenplexus sich mit abheben und förmlich mit zerbröckeln. In meiner ersten Arbeit habe ich auch bereits gezeigt, dass nur hier und da von den durch- bohrenden Aesten stärkere Fasern abgehen, welche noch eine kleine Strecke weit in rinnenförmigen Vertiefungen, der Basalmembran verlaufen. Endlich fand ich an Querschnitten gut vergoldeter menschlicher Hornhäute keine Spur von Geflechten innerhalb der Basalschicht, sondern einerseits nur zwischen derselben und dem Epithel, andererseits unterhalb derselben d. i. die subbasalen Ge- flechte. Das letztere gilt auch für Kaninchen, Hund und Katze. Was ferner die besondere Beschaffenheit des subepithelialen Plexus anbetrifit, so kann ich weder Cohnheim noch Kölliker beistimmen, wenn sie denselben als echtes Netz betrachten, vielmehr kann ich ihn nur für einen Plexus feinster Fasern halten. Einer- seits finde ich nämlich häufig an noch nicht stark gedunkelten ver- goldeten Hornhäuten, insbesondere an denen des Menschen, dass die in anderen Fällen als vereinzelte varicöse Fasern bestehenden Aestchen dieser Schicht sich deutlich als Bündel feinster Fibrillen darstellen, die je nach der Dicke des Bündels mehr weniger zahl- reich erscheinen, andererseits finde ich an meinen Präparaten sehr zahlreiche Kreuzungen der Fasern, die auf den ersten Blick wie Anastomosen sich darstellen. Es kommen Stellen vor, wo drei und mehr Fasern über einander fortlaufen, ohne innigere Verbindungen einzugehen. Ferner muss ich auch Engelmann vollkommen bei- stimmen, welcher an frischen Hornhäuten vom Frosch nachgewiesen hat, dass die im normalen Zustande nicht varicösen Fibrillen der subepithelialen Schicht sich nur einfach kreuzen oder aneinander legen, aber nicht mit einander wirklich zu vereinzelten Fasern ver- schmelzen. Auch habe ich bereits oben gezeigt, dass bei vorsichti- ger Ablösung des Epithels von entsprechend vorbereiteten Horn- häuten die in grösserer Ausdehnung freigelegten Fibrillen des subepithelialen Geflechtes nicht nur gleichartig, sondern auch vollkommen gesondert d. h. nicht zu Netzen vereinigt sich dar- stellten. Was die Varicositäten der Nervenelemente anbetrifft, so finde 268 Prof. H. Hoyer: ich dergleichen bei meinen Goldpräparaten auch an solchen Fasern, welche deutlich als Bündel von Fibrillen sich darstellen. Ueberhaupt mussich hervorheben, dass an Goldpräparaten diese körnchenförmigen Bildungen ohne Zweifel als Kunstproducte zu betrachten sind, erzeugt durch die reducirende Wirkung gewisser in den Fibrillen und deren Bündeln enthaltener Stoffe. Die feinsten Fibrillen werden oft nur durch die in regelmässigen Reihen angeordneten zarten dunklen Körnchen erkennbar, während dagegen in den grösseren Aesten zwischen den das Bündel bildenden Fibrillen ganze Haufen solcher Körner mehr weniger regelmässig zerstreut angetroffen‘ werden. Insbesondere bilden sich solche Körnerhaufen an Präparaten, die einer mehr prolongirten Einwirkung der Goldlösung ausgesetzt waren. Die redueirende Substanz findet sich, wie es scheint, an der Oberfläche der feinsten Fibrillen und häuft sich unter gewissen Bedingungen, ähnlich wie das Myelin, in regelmässigen Abständen im Verlaufe der Fibrillen an. Grössere Ansammlung solcher Substanz bedingt die Entstehung der an Goldpräparaten so häufigen knopf- förmigen Bildungen am freien oder abgerissenen Ende der Fibrillen, ähnlich wie dergleichen in vergrössertem Massstabe an entsprechen- den Enden markhaltiger Fasern durch Austritt oder Quellung des Markes erzeugt werden. Ferner gehören hierher auch die starken Verdickungen längerer Stücke von Fibrillen, wie sie unter gewissen Bedingungen an der intraepithelialen Nervenausbreitung angetroffen werden und die Klein als charakteristisch für die oberflächlichsten Fasern dieser Schicht angesehen hat. Die Bildung derartiger Vari- cositäten unter der Einwirkung verschiedener anderer Reagentien, insbesondere verdünnter Chromsäure, ist wahrscheinlich durch die absatzweise Quellung oder Ansammlung derselben Substanz (Myelin?) bedingt. Nach den entscheidenden Beobachtungen von M. Schultze über die fibrilläre Beschaffenheit der sogenannten Axencylinder und der Nervenzellen (vergl. z. B. Strickers Handbuch der Gewebe- lehre, 1871, p. 108) dürfte es jetzt wohl kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass überall da, wo man scheinbare Theilungen von nervösen Fasern, »Axencylindern« oder selbst Fibrillen wahrnimmt, eine einfache Spaltung des stärkeren Convolutes in schwächere Fibrillenbündel anzunehmen ist, und ebenso dürfte auch, zumal nach den Erfahrungen, welche die Wissenschaft gerade an den Nerven der Hornhautsubstanz und insbesondere dem sogenannten Ueber die Nerven der Hornhaut. 269 »Endnetz« gemacht hat, für die Annahme von wirklichen netzartigen Verbindungen der Nervenfibrillen sich ebenso wenig ein entsprechen- der Anhalt mehr finden lassen. Was endlich die nach Cohnheim frei über das Epithel der Hornhaut hervorragenden Fäden der letzten Enden der Hornhaut- nerven anbetrifft, deren Existenz beim Meerschweinchen von CGohn- heim so entschieden und wiederholt behauptet wird, so habe ich so wenig wie Kölliker und andere Forscher von deren Dasein mich zu überzeugen vermocht, obschon ich vortreffliche Vergoldungs- präparate auf Horizontal- und Querschnitten wiederholt und sorg- fältig durchmustert habe. Ebenso wenig vermochte ich an Horizon- talschnitten frischer Hornhäute, in humor aqueus untersucht, Spuren solcher frei flottirenden Enden wahrzunehmen. Vielleicht hat Cohn- heim Präparate vor sich gehabt, wo die nur lose haftenden Zellen der obersten Fpithelialschicht durch die Maceration in angesäuertem Wasser sich abgelöst hatten und in Folge dessen die darunter liegenden Fasern über die Oberfläche frei hervorragten. Engelmanns (36) sorgfältige Untersuchungen an der Hornhaut des Frosches haben zu sehr genauen und wahrheitsgetreuen Ergeb- nissen geführt, welche um so werthvoller sind, als sie fast aus- schliesslich an frischen, in humor aqueus suspendirten Hornhäuten angestellt waren, mithin in einem Zustande, der dem während des Lebens bestehenden noch am meisten nahe kam. Im Allgemeinen gelangte Engelmann allerdings zu denselben Resultaten, wie die letzangeführten Forscher bei Anwendung der Vergoldungsmethode; im Einzelnen ergeben sich jedoch Differenzen, bei welchen ich mich auf Engelmanns Seite stellen muss. — In Bezug auf den Eintritt und Zusammensetzung der gröberen Stämmchen, ihre Verästelung, den Zerfall der stärkeren Fasern in Fibrillen, der Plexusbildung, die Anwesenheit von Kernen, den Abgang von durchbohrenden Fasern ergeben Engelmanns Untersuchungen nichts Abweichendes. Dagegen zeigt Engelmann, dass auch beim Frosch eine Elastica anterior existire, die zwar den gewöhnlichen Hornhautlamellen sehr nahe steht, aber durch ein viel dichteres fibrilläres Gefüge sich auszeichnet; sie hat eine Dicke von 0,006—0,008 Mm. Die durch- bohrenden Aeste dringen durch die Nervenporen derselben hindurch ; die aus den Aesten hervorgehenden kernlosen Fasern verlaufen ober- halb dieser Schicht nach verschiedenen Richtungen, kreuzen sich wiederholt und theilen sich, bilden so ein die Hornhautoberfläche 270 Prof. H. Hoyer: überspinnendes scheinbares Netzwerk, aus welchem zwischen den Zellen des Epithels Endfäden emporsteigen, um schliesslich zwischen den äussersten Schichten des letzteren, nachdem sie zu unmessbar feinen Fädchen geworden sind, »frei zwischen den Epithelzellen zu verschwinden«. — Ausser den grossen Stämmen treten in die Horn- haut zahlreiche, aus vereinzelten oder mehreren blassen Fasern bestehende sehr dünne Aestchen. Einzelne dieser letzteren steigen zur Hormhautfläche als durcehbohrende Aestchen empor; die meisten dagegen bilden mit den aus der Verästelung der grösseren Stämme hervorgehenden Fasern das Kühne’sche dichte Geflecht in den hinteren Hornhautschichten. Von einer Verbindung der Fasern desselben mit den Ausläufern der Hornhautzellen konnte auch Engelmann sich nicht überzeugen. Daneben hat er aber auch keine freien Endigungen wahrzunehmen vermocht. Er fand nur, dass bei fortgesetzter Theilung und gegenseitiger Kreuzung die Fasern schliesslich an Durchmesser abnehmen, unmessbar fein wer- den und der weiteren Beobachtung sich entziehen. Ebenso wie Engelmann spricht sich auch Dwight (37) auf Grund seiner Goldpräparate gegen die Kühne’schen Angaben aus. Tolotschinow (38) ist bei seinen sorgfältigen, mittelst der Vergoldungsmethode vorzugsweise an menschlichen Hornhäuten ange- stellten, Untersuchungen zu wesentlich gleichen Resultaten gelangt, wie Kölliker und Cohnheim. Seine Beschreibung stimmt daher auch mit meiner obigen Darstellung wesentlich überein, nur ist sie weniger speziell, namentlich was die subepithelialen Plexus anbe- trifft, und berücksichtigt auch nicht näher die der Corneasubstanz eigenthümliche Nervenausbreitung. In letzterer Beziehung führt Verfasser nur an, dass von den Nervenbündeln der gröberen Plexus vereinzelte Primitivnervenfasern sich abzweigen, welche zum Horn- hautgewebe gehen und zwischen dessen Zellen sich mehrfach ver- zweigen; in Betreff ihrer Verbindung mit letzteren liesse sich etwas Bestimmtes nicht feststellen. Das subepitheliale Geflecht liegt nach ihm auf der vorderen Oberfläche der Elastica anterior und ist ein »aus Fasern und Bündeln bestehendes Netz«. Die von letzterem zwischen den Epithelzellen aufsteigenden varicösen Fäden enden alle mit kolbenförmigen Verdickungen, und zwar kleineren Theils in der Schicht der rundlichen Zellen, grösseren Theils zwischen den äussersten platten Epithelschichten, ohne auf die Oberfläche herauszutreten. — Tolotschinow hat gegen 40 in die Cornea eintretende Stämme Ueber die Nerven der Hornhaut. ‚271 gezählt von 0,01—0,02 Linien Dicke, welche nur 2—5 Fasern ent- halten sollen; von letzteren ist nur die Hälfte markhaltig. Dieselben werden !/; Linie vom Rande ebenfalls, marklos und theilen sich weiterhin jede in 3—4 Fasern. Ausserdem treten aus der Selera in die Cornea auch noch gesonderte feine Fasern. Beim Eintritt liegen die Nervenstämme zwar näher der hinteren Corneafläche, in- dessen entbehrt das hintere Dritttheil der Cornea ganz der Nerven. Die Arbeit von Petermöller (39) gelangt zwar im Allge- meinen zu ähnlichen Resultaten, wie die Untersuchungen der letzt- angeführten Forscher, insbesondere wird der Austritt der Nerven- fasern ins Epithel und ihre schliessliche »freie« Endigung an der äussersten Oberfläche desselben anerkannt, aber im Einzelnen lässt sowohl die Untersuchung, als auch die Darstellung die nöthige Sorgfalt und Genauigkeit vermissen. Die dem Verfasser bereits bekannten Angaben von Cohnheim, Kölliker und Engelmann sind bei der Untersuchung nicht ausreichend berücksichtigt worden und selbst die ziemlich ausführliche historische Einleitung ist nicht frei von Ungenauigkeiten. — Die Hornhäute verschiedener Thiere und des Menschen wurden zum Zwecke der Untersuchung theils in gewöhnlichen Essig gelegt, theils mit Lösungen von salpetersau- rem Silber oder Goldchlorid behandelt, worin sie zum Theil selbst mehrere Tage lang verblieben (!). In Folge dieser übermässig langen Einwirkung letzterer Flüssigkeiten mussten die Hornhäute stark verändert werden, wie dies auch schon aus den der Arbeit beigegebenen Abbildungen hervorgeht, und konnten aus diesem Grunde dem Verfasser auch nicht einen klaren Einblick gewähren in die eigenthümliche Ausbreitung der Hornhautnerven. — Peter- möller hält die oberflächlichen Geflechte von Nervenfibrillen in der Hornhautsubstanz für wahre Netze, entstanden durch die Anasto- mose »einzelner« Nervenfasern. Das Wesen der Knotenpunkte scheint er nicht erkannt zu haben, wenigstens werden die an der Vereinigungsstelle mehrerer »Nervenfasern« gesehenen »Anschwel- lungen« nicht näher charakterisirtt. In der Epithelschicht sollen der Oberfläche parallel liegende feine Netze varicöser Nervenfasern vorkommen, welche durch alle Schichten des Epithels verbreitet sind und bis an die äusserste Oberfläche vordringen. Einen Zu- sammenhang der Nervenfasern mit Hornhautkörperchen hat Autor nicht zu constatiren vermocht. Die in den Handbüchern von Hessling (40), Luschka (41) 272 Prof. H. Hoyer: und Frey (42) enthaltenen, auf die Hornhautnerven bezüglichen Angaben geben im Wesentlichen die Beobachtungen früherer (Hess- ling) oder neuerer Forscher wieder; nur bestreitet Frey den Cohn- heimschen Ausspruch, dass die Nerven der Cornea sich über die vordere Oberfläche des Epithels erstrecken. — Dieselbe Ansicht soll auch von Hulke (43) vertreten sein, dessen Arbeit mir leider nicht zu Gebote gestanden hat. — Rollett’s (44) auf eigene Un- tersuchungen basirter Artikel gelangt zu denselben wesentlichen Resultaten, wie Cohnheim, Kölliker und Engelmann. In Be- treff der Endigungen am Epithel erwähnt er eines von S.H. Chap- mann gefertigten Präparates von der Kaninchenhornhaut, an wel- chem ein feines Geflecht wahrzunehmen war, das auf der Oberfläche des äusseren Epithels aufliegen sollte. Die gleich näher zu erwäh- nenden Beobachtungen von Lipmann werden von Rollett be- stritten. Moseley (45) dagegen, dessen Originalarbeit mir leider fremd geblieben ist, bildet Beispiele des nach seiner Aussage aller- dings seltenen Uebergangs von Nervenfasern in Hornhautkörperchen ab, giebt aber zu, dass diese Bilder möglicher Weise auf Täuschung beruhen. Lipmann (46) constatirt ebenso wie Kühne die Verbindung der Nerven in der Hornhautsubstanz mit sternförmigen fixen Cor- neazellen und glaubt hiermit den anatomischen Nachweis der soge- nannten trophischen Nerven der Hornhaut geliefert zu haben. Er weicht aber darin von Kühne ab, dass er nicht den Uebergang der feinen nervösen „Axencylinder“ in das Protoplasma der Zellen durch Verbindung mit deren Fortsätzen annimmt, sondern seiner Angabe nach gehen die zartesten, nur mit starken Vergrösserungen wahrnehmbaren fibrillären Aestechen der „wirklichen“ Nervennetze in den hinteren Lagen der Hornhaut durch das Protoplasma der Zellen hindurch zum Kern und endigen in dessen Kernkörperchen. Der Eintritt in die Zelle erfolgt sowohl von deren Ausläufern aus, als auch an irgend einer Stelle des von Ausläufern freien Zellen- contours. Ausserdem treten nach Lipmann zahlreiche feine Fi- brillen durch die Elastica posterior und endigen in den Kernkör- perchen der die Oberfläche derselben bekleidenden Zellen. Die an manchen Präparaten nicht selten wahrnehmbaren, mit einer kol- bigen oder birnförmigen Anschwellung versehenen Endigungen von Fasern mittlerer und selbst geringerer Feinheit hält Lipmann für Kunstproducte, erzeugt durch Zerrung resp. Zerreissung der „Ner- Ueber die Nerven der Hornhaut. 273 venröhren“ und Austritt des „Inhaltes‘ an der Ritzstelle, indem man derartige Gebilde auch zuweilen in der Continuität der Fasern und an anderen Stellen eine Fortsetzung der unterbrochenen Faser vermöge eines ungefärbten Zwischenstückes iu eine gefärbte Faser wahrnehmen könne. Lipmann’s Angaben stützen sich hauptsäch- lich auf Untersuchungen an mit Goldchlorid gefärbten Präparaten. Meine eigenen, auf denselben Gegenstand bezüglichen Ansichten habe ich im vorhergehenden beschreibenden Theile dieser Arbeit bereits mitgetheilt (in dem Abschnitt über die Nerven in der Horn- haut der Amphibien). Hier will ich nur hervorheben, dass eine klare Darlegung dieser complieirten Nervenvertheilung in den hin- teren Schichten der Froschhornhaut die allergrössten Schwierigkeiten bietet, dass mannigfache Täuschungen kaum zu vermeiden sind und in Folge dessen ein Endurtheil über widersprechende Beobachtungen so lange zurückgehalten werden muss, bis sichere positive Beweise pro oder contra gewonnen worden sind. Zwei in den letzten Jahren in Petersburg erschienene, mit der Histologie der Hornhaut sich befassende Dissertationen von Niko- lajew und Lawdowsky lassen auch den Nerven derselben. eine besondere Berücksichtigung zu Theil werden. Beide Autoren haben ihre Untersuchungen an vergoldeten Hornhäuten von Menschen und Thieren angestellt, trotzdem gelangt Nikolajew (47) angeblich zu wesentlich gleichen Resultaten, wie die älteren Forscher, welchen die Vergoldungsmethode noch unbekannt war. Die aus den mit kernhaltigen Knotenpunkten versehenen Geflechten und Nervenstäm- men durch consecutive Theilung derselben hervorgegangenen Axen- eylinder endigen, immer feiner werdend und zum Theil sich selbst noch verästelnd, in der Corheasubstanz und zum geringeren Theile in den Canälchen und Zellen derselben, (wie? ist nicht näher ange- geben). Die meisten finden sich in den mit Nerven am reichsten versehenen vorderen Corneaschichten; insbesondere reich daran ist die Bowmansche Membran, in deren vorderster Wand (?) die Ner- ven endigen. Die Existenz der die letztere Schicht durchbohrenden Aestchen wird geläugnet. Die Annahme einer subepithelialen Ner- venausbreitung von Seiten Cohnheims und Tolotschinows beruht auf optischer Täuschung, erzeugt durch Bildung von Rissen in der Kittsubstanz, welche die tiefste Epithelschicht auf der Bow- manschen Lamelle fixire, jene Autoren hätten die Verschiedenheit der Bilder von Querschnitten bei verschiedener Focuseinstellung M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9, 18 274 Prof. H. Hoyer: nicht gehörig beachtet; an frischen Präparaten sei nichts davon wahrzunehmen. Die kolbenförmigen Enden vor dem Epithel wären erzeugt durch Goldniederschläge auf der Oberfläche des Epithels; die Linien zwischen den Zellen des Epithels dagegen entständen in der »Zwischensubstanz« in Folge des Zusammendrückens der Epi- thelzellen. Die Methode der Untersuchung frischer Hornhäute vom Frosch in der feuchten Kammer bietet nach dem Verfasser nicht die grossen Vorzüge, welche derselben von Engelmann zugeschrie- ben werden; die Angaben des letzteren Forschers über die durch- bohrenden Aestchen, Nervenporen, subepithelialen Fasern etc. wer- den daher auch nicht näher gewürdigt. Die von Engelmann in den hinteren Schichten der Hornhaut gesehenen dichten Nerven- geflechte wären nach dem Verfasser nur die Grenzräume zwischen den die Grundsubstanz bildenden Bündeln. Von den die Hornhaut- nerven betreffenden beiden Arbeiten Cohnheims scheint Niko- lajew nur die vorläufige Mittheilung im Uentralblatt für die medi- ceinischen Wissenschaften gelesen zu haben; ebenso scheint ihm auch meine frühere Arbeit über den Austritt von Nerven in das Hornhautepithel völlig fremd geblieben zu sein. Lawdowsky (48) schildert den Eintritt, die Verästelung und Geflechtbildung der Nervenstämme innerhalb der Corneasubstanz im Wesentlichen übereinstimmend mit den neueren Forschern. Auch von den mit Kernen versehenen Knotenpunkten giebt er eine ganz entsprechende Schilderung und erkennt an, dass die »Axencylinder und Fasern« innerhalb derselben sich dicht aneinander legen. Doch findet seiner Ansicht nach in denselben nicht bloss eine Durchkreu- zung und Auswechselung der Nervenfäden statt, sondern sie stellen auch Ausgangspunkte für neue Bündel und einzelne Fäden dar; man kann dieselben sehr wohl als Ganglien betrachten, die mit Nervenzellen verwandt sind, »indem nach M. Schultze’s neueren Untersuchungen die letzteren als Knäule von Axencylindern ange- sehen werden müssen, die durch kernhaltiges Protoplasma mit ein- ander vereinigt sind«. Mittelst solcher Ganglien, sowie vermöge Anastomosenbildung zwischen vereinzelten aus denselben entsprin- genden Axencylindern und selbst zwischen feinsten varicösen Fibril- len, die aus letzteren hervorgegangen und nur mit stärksten Ver- grösserungen wahrzunehmen sind, werden engmaschige Netze gebildet. Die feinsten varicösen Fibrillen verlaufen zusammen mit Bündeln von Nervenfasern auf ziemlich langen Strecken innerhalb der mit Ueber die Nerven der Hornhaut. 275 einer eigenen Membran versehenen »Saftkanälchen« der Hornhaut- substanz, innerhalb welcher sie iheilweise zu dem »sogenannten Arnoldschen subepithelialen Nervennetz« aufsteigen und damit in nähere Verbindung treten mit der epithelialen Bedeckung der Horn- haut. Ein anderer kleiner Theil dieser Fäserchen endigt mit eigen- thümlichen kleinen rhombischen Plättchen in den Wandungen der Kanälchen (beim Hunde); der grössere Theil derselben dringt dagegen in das Protoplasma der in den Kanälchen enthaltenen Zellen und endigt sich verbreiternd am Kerne selbst oder dringt in denselben ein, um im Kernkörperchen zu endigen (bei Frosch, Hund, Katze, Kalb). Ein anderer Theil der Nerven, welcher in keine nähere Beziehung tritt zu den Saftkanälchen und Corneakörpern, bildet in Vereinigung mit den in die vordersten Schichten der Cor- nea vom Rande her eintretenden Nervenstämmchen das » Arnoldsche subepitheliale Nervennetz«, welches der Verfasser »in Uebereinstim- mung mit Cohnheim« zum grösseren Theil in die Dicke der Bowmanschen Membran verlegt, und zwar theils in die oberfläch- lichste Schicht derselben, theils auf deren Oberfläche. Die Endfäden dieses Netzes dringen als Axencylinder in die epitheliale Bedeckung der Hornhaut ein, bilden hier ein weniger dichtes Netz und endigen dem Anscheine nach, indem sie nur bis zu den abgeplatteten Schich- ten des Epithels herantreten, wahrscheinlich erheben sie sich aber, wie dies Cohnheim beobachtet hat, auf die freie Oberfläche des letzteren mit kolbenförmig verdickten Enden. Verfasser widerlegt hier dann weiter ausführlich die widersprechenden Behauptungen von Nikolajew und stellt zum Schluss eine Hypothese auf, wo- nach die Nervenausbreitung in der Hornhaut einen zusammenge- setzten und mit anderen Apparaten vereinigten »reflectorischen Mechanismus« darstellt. Derselbe bestehe aus sensiblen, an der Oberfläche der Hornhaut endigenden Fasern, aus den vereinigten und unter einander durch Zwischenfäden communieirenden Ganglien und endlich aus mit den Ganglien gleichfalls durch Nervenfasern vereinigten, Arbeit leistenden Organen, als welche die in den Saft- kanälchen gelegenen Zellen anzusehen sind, welche ja nach Kühne contractil sein sollen. Indem ich jeden Commentar zu diesen letzteren Arbeiten für überflüssig erachte, beschränke ich mich hier nur auf die Bemerkung, dass nach der Fig. 1 der Abbildungen von Lawdowsky zu schliessen und entsprechend der Angabe desselben über den Verlauf der 276 Prof. H. Hoyer: feinsten varieösen Fasern innerhalb der Saftkanälchen, die subbasale Nervenausbreitung diesem Autor dem Ansehen nach bekannt gewe- sen ist, wenngleich er die eigentliche Bedeutung derselben nicht richtig aufgefasst hat. Was endlich die neueste, eingangs bereits wiederholt citirte Arbeit von Klein (49) anbetrifft, so sind die darin zusammenge- stellten Resultate erlangt worden durch die oben bereits erwähnte Modification der Cohnheim’schen Vergoldungsmethode. Die Verthei- lung der Nerven in der Substanz der Hornhaut von Kaninchen wird übereinstimmend mit Cohnheim dargestellt, ebenso das subepi- theliale »Netzwerk«, nur findet Klein darin noch zartere und zahlreichere mit einander anastomosirende Fibrillen, wie jener. Die von letzterem zwischen der pallisadenförmigen Epithelschicht zur Oberfläche aufsteigenden Fibrillen bilden durch Theilungen und Anastomosirungen zwei intraepitheliale Netzwerke: ein »tieferes« im Niveau der äusseren Enden des Pallisadenepithels und ein »oberfläch- liches« unterhalb der ersten oder zweiten oberflächlichsten platten Zellenlage. Letzteres ist dichter als das erstere und zeigt eine grössere Dicke der Fasern. Die von den Netzwerken entspringenden und bis zur Oberfläche emporsteigenden Fasern endigen daselbst jedoch nicht, sondern kehren wieder in die Tiefe zurück. — Beim Frosch befasst sich Klein nur mit dem in den hinteren Schichten der Cornea sich ausbreitenden Nervengeflecht, dessen Ursprung und Bildung wesentlich in Uebereinstimmung mit früheren Forschern dargestellt werden. Die aus Verästelungen desselben hervorgehen- den feinsten Fibrillen sollen sehr zarte »Endnetze« bilden, welche die der äusseren Corneafläche zugewandte Fläche der sternförmigen Corneakörper überspinnen, aber nicht in dieselben eindringen. Der- gleichen Fibrillen lassen sich auch zum Endothel der Membrana Descemetii verfolgen. — Ich habe eine derartige nähere Beziehung der feinsten Fibrillen zu jenen Elementen nicht zu constatiren vermocht. Von neueren hierher gehörigen Arbeiten ist schliesslich auch noch der Abhandlung von Helfreich »über die Nerven der Con- junetiva und Selera« (50) Erwähnung zu thun, in so fern der Ver- fasser in derselben einerseits zu dem Schlusse gelangt, dass die Nerven der von ihm untersuchten Gebilde wesentlich ähnlich endi- gen wie die der Hornhaut, und andererseits auch eine kurze Ueber- sicht liefert über die Resultate seiner eigenen an Goldpräparaten Ueber die Nerven der Hornhaut. 977 angestellten Untersuchungen der Hornhautnerven. Verfasser schil- dert ganz kurz die Vertheilung und den Verlauf der letzteren wesentlich in Uebereinstimmung mit Cohnheims Angaben. — In Bezug auf die Scleranerven vermag ich mich mit diesem Autor nicht in Uebereinstimmung zu setzen, wenn schon ich in dieser Richtung keine speciellen Untersuchungen angestellt habe. Trotzdem ich mehrere Male sehr gut vergoldete Präparate von der Sclera weisser Kaninchen erhielt und dieselben vollkommen durchsichtig gemacht hatte, so konnte ich mich doch nicht üherzeugen, dass die wenigen durch diese Membran nach der Cornea ziehenden Aestchen und Fasern besondere, derselben eigens zugehörige, Nerven darstellen. Noch weniger vermochte ich an der Sclera vom Frosch Nerven wahrzunehmen, vielmehr glaube ich, dass die von Helfreich in der äusseren bindegewebigen Schicht der Sclera dieses Thieres auf- gefundenen reichlichen, aus markhaltigen und marklosen Fasern bestehenden Geflechte den am bulbus entlang ziehenden Nerven angehören, welche zur Cornea treten. Wir haben dieselben im beschreibenden Theile bereits geschildert und uns überzeugt, dass dieselben schon vor dem Eintritt in die Cornea Geflechte bilden und reichliche marklose Fasern abgeben, die als solche ebenfalls in die Cornea eindringen. — Da in der vorliegenden Arbeit die Nerven der Sclera ebenso wie der Conjunctiva nicht näher in Betracht gezogen werden, so erscheint es auch nicht nothwendig, die ältere hierauf bezügliche Literatur einer genaueren Analyse zu unter- werfen. Literaturverzeichniss. 1. Schlemm. Eneycelopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissen- schaften, IV. Bd. pg. 22, und Zeitschrift für Ophthalmologie von Ammon, I. Bd. 1. Heft. 2. Friedr. Arnold. Anatomische und physiologische Untersuchungen über das Auge des Menschen; 1832, pg. 27. Hueck. Die Bewegung der Krystalllinse. Dorpat 1839, pg. 71. 4. Engel. Zeitschrift der Aerzte in Wien. 4. Jahrgang, Heft 5; 1847, pg. 311. 5. Beck. Die Verbindung der Sehnerven mit dem Augen- und Nasen- knoten, 1847, pg. 19. = 278 Prof. H. Hoyer: Friedr. Arnold. Handbuch der Anatomie des Menschen, 1851, Bd. II, pg. 1009 u. folg. . Bochdalek. Bericht über die Versammlung der Naturforscher in Prag, 1837, pg. 182. — Oesterreichische med. Jahrbücher, Bd. XX, pe. 2, Valentin. De functionibus nervorum cerebralium, 1838, pg. 18. — Hirn- und Nervenlehre, pg. 322. Pappenheim. Monatsschrift für Mediein, Augenheilkunde und Chirurgie von Ammon, II. Bd. pg. 281, 1839. . Pappenheim. Specielle Gewebelehre des Auges, 1842, pe. 55 u. 59. . Purkinje. Müller’s Archiv, 1845, pg. 292. Brücke. Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels, 1847, pg. 10 u. 19. . Kölliker. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 1849, Nr. 79. . Gerlach. Handbuch der allgemeinen und speciellen Gewebelehre. 1848, pg. 427. Bochdalek. Prager Vierteljahresschrift, 1849, Bd. 24. Luschka. Zeitschrift für rationelle Medicin, !850, Bd. X, pg. 20. Rahm. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 1850, Nr. 50. . Strube. Der normale Bau der Cornea. Diss. Würzburg 1851. 19. Coccius. Ueber die Ernährung der Hornhaut und die Serum führen- den Gefässe im menschlichen Körper; 1852, pg. 170. 20. Kölliker. Mikroskopische Anatomie, 1854, Bd. II, pg. 621 u. 626. 21. His. Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie der Cornea, 1856, pg. 59. 22. Remak. Müllers Archiv, 1856, pg. 467. 23. Henle. Allgemeine Anatomie, 1841, pg. 324. — Bericht über die Fort- schritte der Anatomie im Jahre 1856, pg. 44. — Handbuch der systema- tischen Anatomie des Menschen, Bd. II, pg. 609, 1866. 24. Leydig. Lehrbuch der Histologie, 1857, p. 222 u. 232. 25. Krause. Die terminalen Körperchen der einfach sensiblen Nerven. Hannover 1860, pg. 151 bis 154. 26. Coccius. Ueber Glaucom, Entzündung etc. Leipzig 1859. — Prager Vierteljahresschrift, 1859, Bd. IV, pg. 86. 27. J. Arnold. Die Bindehaut der Hornhaut und der Greisenbogen. Hei- delberg 1860. 28. Dr. Th. Sämisch. Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie des Auges. Leipzig 1862, pg. 7—17. 29. J. Ciaccio. On the nerves of the cornea and on their distribution in the corneal tissue of man and animals. Quarterly Journ. of mieroscop. science. July. Transact. pg. 77. Taf. VI, VI. — Henle’s Jahresbericht für 1863, pg. 57. 30. W. Kühne, Gazette hebdomadaire, Tom. IX, Nr. 15, Paris 11. Avril 31. 32. 33. 34. 45. 46. 47. 48. Ueber die Nerven der Hornhaut. 2379 1862. — Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität. Leipzig 1864. pg. 132 u. folg. W. H. Lightbody. Observations on the comparative microscopie anatomy of the cornea of vertebrates. Journal of anatomy and physiology. Nr. I, 1866, pg. 15 u. folg. H. Hoyer. Ueber den Austritt von Nervenfasern in das Epithel der Hornhaut. Reicherts und Du Bois Reymonds Archiv, 1866, pg. 180. Dr. J. Cohnheim. Ueber die Endigung der sensiblen Nerven in der Hornhaut der Säugethiere. Vorläufige Mittheilung. Centralblatt für die med. Wiss. 1866, pg. 401. A. Kölliker. Ueber die Nervenendigungen in der Hornhaut. Würz- burger naturwiss. Zeitschrift. Bd. VI, 1866. — Handbuch der Gewebe- lehre, 5. Aufl. 1867, pg. 247 u. 650. Dr. J. Cohnheim. Ueber die Endigung der sensiblen Nerven in der Hornhaut. Virchows Archiv, Bd. 38. Th. W. Engelmann. Ueber die Hornhaut des Auges, Leipzig 1867. . Dwight. Monthly microscop. Journ. July 1869, pg. 45. — Henle’s Jahresbericht über die Fortschritte der Anatomie im Jahre 1869, pg.51. . Tolotschinow. Ueber die Nervenendigung in der Epithelschicht der Hornhaut vom”fMenschen. Medyceynsky Wjestnik, 1867, Nr. 44; und Inaugural-Diss. Petersburg 1867 ; 2 Taf. . H. Petermöller. Die Nerven der Cornea. Zeitschrift für rationelle Medicin, dritter Reihe 34. Band, 1. Heft, pg, 88. . Th. v. Hessling. Grundzüge der allgem. und spec. Gewebelehre des Menschen. Leipzig 1866, pg. 224. . Luschka. Anatomie des Menschen. 3. Band, 2. Abthlg. Tübingen 1867, pg. 403. . Dr. H. Frey. Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen 3. Aufl. Leipzig 1870, pg. 609 u. 333. . Hulke. Monthly miceroscop. Journ. Novbr. 1869, pg. 231. — Henle’s Jahresbericht für 1869, pg. 51. Alexander Rollett. Die Nerven der Hornhaut. Artikel im Hand- buch der Lehre von den Geweben, herausgegeben von S. Stricker, pg. 1134. 1871. H. N. Moseley. Some remarks on the nerves of the cornea of the rabbit and frog. Quarterly Journ. of mieroscop. science. July 1871, pg. 261, pl. XIII. — Henle’s Jahresbericht für 1871, pg. 30. Dr. H. Lipmann. Ueber die Endigung der Nerven im eigentlichen Ge- webe und im hinteren Epithel der Hornhaut des Frosches. _Virchows Archiv, Band 48, pg. 218. Maksim Nikolajew. Zur Histologie der Hornhaut des menschlichen Auges. Inaug.-Diss. Petersburg 1868. (Russisch.) M. Lawdowsky. Ueber die Endigung der Nerven in der Hornhaut und über das Verhältniss der saftführenden Kanäle derselben zum lym- 280 Prof. H. Hoyer: phatischen Systeme überhaupt. Mit 1 Taf. Im Journal für normale und pathologische Histologie, Pharmacologie und klin. Mediein, herausgegeben von Rudnew, Bogdanowsky, Zabjelin und Zawarykin, Band II, pg. 65. Petersburg 1870, August. 49. E. Klein. On the peripheral distribution of non-medullated nerve- fibres. Quarterly Journ. of microscop. science. Oct. 1871. pg. 405. pl. XIX, XX. 50. Dr. Fr. Helfreich. Ueber die Nerven der Conjunctiva und Sclera. Würzburg 1870. Erklärung der Figuren auf Taf. XIM. Die Figuren sind sämmtlich nach Goldpräparaten mittelst der Camera lueida angefertigt, insbesondere sind Fig. 3—6 genau danach wiedergegeben, während Fig. 1 und 2, combinirt aus mehreren, nach verschiedenen Präpa- raten entworfenen Zeichnungen, ein mehr schematisches Gepräge erhalten haben. Die in verschiedenen Schichten der Hornhaut liegenden Elemente mussten natürlich in den Zeichnungen in eine einzige Ebene projieirt darge- stellt werden. Fig. 1 ist gefertigt bei 300facher, die übrigen Figuren bei 160facher Vergrösserung. Die im Knotenpunkte auseinander weichenden und sich durchflechtenden Fibrillen sind mit feinen Varicositäten besetzt; in den Knotenpunkten und Nervenästen Neurogliakerne. Fig. 1. Schnitt von der Oberfläche der Corneasubstanz des Kaninchens nach Ablösung des Epithels durch Maceration. Die feinkörnigen, kernhal- tigen, sternförmigen, zu einem scheinbar eontinuirlichen Netz verei- nigten Gebilde stellen die oberflächlichste Lage der Corneazellen dar. aa Das oberflächlichste Nervengeflecht (»Endnetz« der früheren Autoren), von welchem die durchbohrenden Aeste (b) sich abzweigen, um an die Oberfläche gelangt, die pinselförmig auseinanderweichen- den Bündel der subepithelialen Nervenausbreitung (c) zu bilden. Aus demselben gehen auch zum grossen Theil die feinen geschlän- gelten varicösen Fibrillen der subbasalen Nervenausbreitung (dd) hervor. Fig. 2. Die zwischen den oberflächlichsten platten Zellschichten des Epithels sich ausbreitenden Nervenfibrillen (Endplexus). Die Contouren des Epithels sind nur angedeutet. Die Fibrillen kreuzen sich mannig- fach in verschiedenen Schichten, verzweigen sich, anastomosiren, bilden theils einfache, theils knopfförmige Enden; sie sind zum Theil mit Varieositäten besetzt, zum Theil abnorm verdickt (bei a), zum Theil bilden sie vollständig schlingenförmige Umbiegungen (bei b). Fig. 3. Ueber die Nerven der Hornhaut. 281 Oberflächliche Nervenausbreitung vom limbus conjunctivae des Men- schen. aa Capillarschlingen am Cornearande; bb das aus mehr geschlängelten Fibrillen gebildete, dichte, subbasale Geflecht an der Peripherie der Cornea; c ein von der Conjunctiva aus eintretendes Nervenästchen; dd das dichte aus feinsten Fibrillen bestehende, schräg gerichtete, subepitheliale Geflecht an der Peripherie der Cornea. Fig.4u.5.Das subepitheliale Geflecht vom Menschen. Fig. 4 *tellt einen Fig. 6. Schnitt von der peripherischen Zone dar; aa durchbohrende Aest- chen. Fig. 5 Schnitt von einem dem Centrum nahen Theile mit gröberen Fibrillen; die Maschen des groben Geflechtes sind von einem sehr zartfaserigen bei b dargestellten Geflecht ausgefüllt. Ungemein dichte Nervenausbreitung aus den oberflächlichsten Schich- ten der Corneasubstanz vom Menschen (subbasale Nervenausbrei- tung). a Nervenästehen mit Knotenpunkt ohne Kerne; bb davon ausgehende Fasern des etwas tiefer gelegenen Geflechtes stärkerer Fibrillen; cc oberflächlicheres Geflecht der feinsten Fibrillen. Geendigt in Warschau am 22. Juli 1872. Notiz über die Ranvier’schen Sehnenkörper. Von Dr. A. Gruenhagen in Königsberg i./Pr. Hierzu Tafel XIV. Bekanntlich fand Ranvier in den langen Schwanzsehnen der Mäuse und Ratten Zellenreihen vor, welche ihm zufolge Hohlrollen darstellen und, hintereinander gelagert, mit ihren freien Rändern unter einander verlöthet, epitheliale Röhren innerhalb der Zwischen- räume der Sehnenbündel bilden sollten. Nach neueren Untersu- chungen von Boll hingegen bestehen jene Zellreihen aus Platten von eigenthümlicher Gestalt, welche der Oberfläche der Sehnenbündel fest aufsitzen und in der Regel kaum die Hälfte der Peripherie eines Sehnenbündels einscheiden. Bei Imbibition der Sehnen mit- Schweigger-Seidel’scher Carmin- Lösung und nachträglicher Extraction des überschüssigen Farbstoffs mit salzsaurem Glycerin habe ich die betreffenden Gebilde durch sanf- tes Zerdrücken der gequollenen, äusserst weichen und durchsichtigen Sehnenbündel mittelst des Deckgläschens isolirt und Folgendes ermittelt. Im isolirten Zustande lassen die fraglichen Gebilde einen platten, elliptischen Kern (Länge 7,95«, Breite 6,56.) erkennen, welcher durch Carmin intensiv roth gefärbt wird, wie alle Kerne, und der convexen Fläche einer muldenförmig gekrümmten, oblong gestalteten Platte aus hyaliner Substanz anliegt. An dieser Platte, welche in einigen Fällen durch eine mehr weniger seitlich aufsitzende Rippe Ueber die Ranvier’schen Sehnenkörper. 283 in zwei ungleich grosse Doppelrinnen zerlegt wird (s. Fig. 4. a.) erscheint die eine Langseite gewöhnlich dicker und glänzender als die andere, mitunter kommt es jedoch vor, dass sich beide Lang- seiten in Bezug auf ihr optisches Verhalten gar nicht von einander unterscheiden. Die hyaline Substanz der Platte ist namentlich in der Gegend des Kernes von einer körnigen Masse überzogen, welche, ebenfalls auf der convexen Krümmung abgelagert, als Protoplasma- Mantel des Kerns aufgefasst werden muss (Fig. 2.b.). Betrachtet man die tingirte Platte in einer zu ihrer Fläche senkrechten Richtung so scheint dieselbe nur sehr blass rosa gefärbt, steht sie dagegen unter dem Mikroskope auf hoher Kante oder auch in schräg geneigter Lage, so zeigt sie ein gesättigtes Roth. Diese Verschiedenheit der Färbung lässt sich leicht verstehen, wenn man bedenkt, dass der Strahl des durchfallenden Lichtes in dem einen Falle wenig, in dem andern mehr gefärbte Substanz zu durchwan- dern hat und darum durch Absorption bald mehr bald weniger Einbusse erleidet. Den langen Rändern des Plattenrechtecks fügen sich nun oftmals Ansatzstücke von schwankender Gestalt an. Die beigefügten Abbil- dungen (Fig. 2.a.b.) zeigen uns zunächst jederseits ein blasseres, sehr zart gestricheltes, ebenfalls muldenförmig gekrümmtes Flügel- stück, welches seinerseits am freien, der Langseite des Plattenrecht- ecks parallelen,Rande ein äusserst zartes, in viele spitze Fortsätze auslaufendes Häutchen trägt. Die zackigen Ausstrahlungen des erwähnten Häutchen lassen sich nicht selten in weiter Ausdehnung bis zu zarten Linien hin verfolgen (Fig. 2.a.), von denen nicht lange zweifelhaft bleibt, dass sie die freien, etwas umgeschlagenen Rändern geborstener Schläuche darstellen, welche in normalen Ver- hältnissen die Sehnenbündel umschliessen. Begleitet wird eine jede isolirte Reihe der beschriebenen Zell- platten von einem oder von zwei glänzenden, äusserst feinen elasti- schen Fäden, welche sich weit im Gesichtsfelde verfolgen lassen, sich bisweilen dichotom theilen, stets aber entsprechend der Entste- hung des Präparates kurz abgerissen enden (Fig. 2. e e.). Zur Entscheidung der Frage, wie man sich die Lagerung der so eben beschriebenen, eigenthümlichen Körper zu der fibrillären Zwischensubstanz der Sehnenbündel zu denken habe, bediente ich mich solcher mikroskopischen Bilder (Fig. 3.6. u. 7.), in welchen die Isolation der Zellplatten und Sehnenbündel nur unvollständig gelun- 284 Dr. A. Gruenhagen: gen war, und bin dabei zu der Ueberzeugung gelangt, dass das muldenförmige Mittelstück ebensowohl als die daran befestigten Flügelstücke sämmtlich mit ihrer Concavität die convexe Oberfläche der Sehnenbündel umschliessen, und, dass ferner von den Ansatz- linien der einzelnen Theilstücke nicht bloss nach einer Richtung, sondern nach zwei Richtungen hin hautförmige Fortsätze ausstrah- len, welche zwischen sich Sehnenbündel einschliessen. Wir hätten uns hiernach den Bau der Maus- und Rattensehnen der Art vorzustellen, dass ein System miteinander verlötheter hya- liner Hohlrinnen in denselben enthalten ist, deren Löthpunkte streckenweise von membranlosen Zellen eingenommen werden, und, dass durch die letzteren eine Verdickung der Hohlrinnenwand am Orte ihrer Auflagerung herbeigeführt wird. Ein Querschnitt durch die Rattensehne (Fig. 1) musste hier- nach dahin gedeutet werden, dass die dicken Knotenpunkte dessel- ben dem Mittelstück der von uns isolirten Gebilde plus der anlie- liegenden Zelle, die von ihm ausstrahlenden Linien den optischen Querschnitten der Flügelstücke entsprechen. Für die Gesammtauf- fassung des Sehnenbaues würde sich ergeben, dass die feinsten Bündel der Sehnenfibrillen von einer festeren Hülle eingescheidet sind, die in ihren Reactionen dem elastischen Gewebe nahe steht. Dieser Hülle liegen streckenweise in zusammenhängender Reihe bei den Ratten, Mäusen und in einzelnen Partieen bei den Sehnen der Frösche, oder in unterbrochener, wie in den Sehnen der meisten übrigen Wirbelthiere membranlose Zellen auf, welche ein körniges, strahlig sich ausbreitendes Protoplasma, Kern und häufig auch ein Kernkörperchen besitzen und an ihrem Fixations-Punkte eine Ver- dickung der unter ihnen gelegenen Sehnenscheide hervorbringen. Kern und Protoplasma können, wovon ich mich namentlich an den Sehnen von erwachsenen Kaninchen und Katzen überzeugt habe, verschwinden; es bleiben dann nur die verdickten Stellen der Seh- nenscheiden als sogenannte Sehnenkörper übrig. Zur Unterstützung des Letztgesagten möchte ich auf zweierlei Thatsachen besonders aufmerksam machen, erstens darauf, dass es bei der von mir benutzten Isolations-Methode nicht selten glückt, allein den protoplasmahaltigen Theil des Ranvier’schen Körperchen zu isoliren (Fig. 2.a bei i), und zweitens darauf, dass sich nach Behandlung tingirter Rattensehnen mit einer auf 40°C. erwärmten salzsauren Pepsin-Lösung aus den erheblich zusammengeschrumpf- Ueber die Ranvier’schen Sehnenkörper. 285 ten, zerzupften Sehnenstücken nur die dicken Mittelstücke, häufig ganz hyalin ohne Kern (Fig. 4. a.c.) isoliren lassen. Ganz im Einklange mit den vorgetragenen Anschauungen stehen Bilder (Fig. 5), wie man sie durch Zerfaserung von Rattensehnen gewinnt, welche in concentrirter Picrinsäure-Lösung erhärtet worden sind und von den dicht anliegenden Scheiden der Sehnenbündel nichts wahrzunehmen gestatten, wohl aber sehr deutlich die auflie- senden Zellkörper mit Protoplasma und Kern zeigen. Hinsichtlich der mikroskopischen Bilder, welche man durch Ein- legen der Rattensehne in !/, procentige Höllensteinlösung erhält, kann ich mich Boll nicht anschliessen. Die schwarzen Silberlinien, welche die Sehnenbündel mit einer epithelähnlichen Zeichnung um- gränzen (Fig. 8), entsprechen nicht den Contouren der kernbesetzten Platten, vielmehr scheinen dieselben stets mehrere Sehnenbündel zu umspinnen; die von ihnen begrenzten Felder sind unregelmässig ; Kerne lassen sich in der letzteren nicht nachweisen. Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass sie der Ausdruck einer Zerklüftung der Sehnenbündel-Hüllen sind und die durch eine Kittsubstanz ver- lötheten Stellen bezeichnen, in weichen sich die jeder einzelnen Zelle zugehörigen Territorien der Hülle aneinander fügen. Erklärung der Figuren auf Taf. XIV. Fig. 1. Querschnitt von einer Rattensehne. Fig. 2.a.b. Isolirte Reihen Ranvier’cher Sehnenkörper. e.e.e.Elastische Fasern. i. Isolirter Protoplasma-Körper eines Ranvier’schen Zell-Körpers. Fig. 3. 6.7. Sehnenkörper in ihrer Lage zu den Sehnenbündeln, letztere um- klammernd. Fig. 4.a.b.c. Mittelstück isolirt durch Pepsin-Lösung. Fig. 5. Sehnenbündel der Ratte, Zerzupfungs-Präparat nach Behandlung der Sehne mit Pierin-Säure. Fig. 8. Rattensehnenbündel nach Behandlung mit Arg. nitrie. und Car- min-Tinetion nach Schweigger-Seidels Methode. Zur Frage über die Iris-Musculatur. Von Dr. A. Gruenhagen in Königsberg i./Pr. Der anatomische Nachweis eines Dilatator pupillae ist, nachdem ich die Fragwürdigkeit seines Daseins ans Licht gezogen hatte, von sehr verschiedenen Seiten versucht worden. Die grössere Anzahl dieser Bemühungen ist nach den darüber vorliegenden Mittheilungen mit Erfolg gekrönt gewesen; die einen schliessen sich in der Be- schreibung und Deutung des mikroskopischen Bildes mehr Kölliker, die andern mehr Henle an und fühlen sich bald gedrungen mit dem ersteren Anatomen Theilen des Sphincter pupillae den Namen eines Dilatator pupillae beizulegen, bald decretiren sie mit dem letz- teren, dass die eigenthümliche, von Bruch entdeckte, von Heinr. Müller in ihrer Existenz bestätigte Begrenzungsschichte der Iris, welche zwischen hinterem Epithel und Iris-Stroma gelegen ist, mus- eulöser Beschaffenheit sein solle. Uebersehen wird in dem ganzen Streite, dass die physiologische Forderung eines besonderen Dilatator pupillae nicht mehr zu Rechte besteht — ich erlaube mir in dieser Hinsicht auf die kurze Darstel- lung der in Betracht kommenden Verhältnisse hinzuweisen, welche ich vor einige Zeit an anderem Orte!) gegeben habe — und, dass es etwas ungemein Verschiedenes ist, ob man von radiären Muskelbün- deln der Iris oder von einem Dilatator pupillae spricht, denn wäh- rend man im ersteren Falle lediglich einem anatomischen Sachver- halt sachgemässen Ausdruck verleiht, gestattet man sich im zweiten 1) Archiv für d. ges. Physiologie Bd. IIl. pag. 440. Zur Frage über die Iris-Musculatur. 287 bereits die Feststellung einer physiologischen Function, und, ganz abgesehen davon, dass die anatomische Kenntniss der Iris-Muscula- tur bei weitem noch nicht für sichergestellt angesehen werden darf, kann es doch unmöglich Gegenstand eines Streites sein, dass die radiär verlaufenden Züge des Sphincter pupillae, welche Kölli- ker nicht bis zum Ciliar-Rande der Iris zu verfolgen im Stande war, dennoch aber als Dilatator pupillae ansprach, und, welche ich Insertionsbündel des Sphineter genannt habe, ebensowohl wie die Circulärfasern des Sphincter eine Verengung der Pupille zu bewir- ken vermögen. Ich erinnere nur daran, dass das Anziehen der ge- kreuzten Zipfel einer Halzschleife dem gewöhnlichen Verfahren ent- spricht, mittelst dessen man dieselbe zu festerem Schlusse bringt, und ich bin in der That der Ansicht, dass dieser bekannte Mecha- nismus sich bei der Thätigkeit der Sphincter-Zipfel in der Iris wie- derholt. Ausserdem ist zu constatiren, dass die Forderungen, welche ich für den Nachweis des fraglichen Iris-Muskels berechtig- terweise als unerlässlich ansehe, die Isolation unzweideutiger, glatter Muskelelemente aus dem Ciliar-Theile der Iris nach vorangeschick- ter Abtragung des Sphincter pupillae und seiner nächsten Umgebung, oder Isolation solcher Elemente aus der möglichst rein abpräparir- ten Bruch’schen Begrenzungsschichte, endlich der Nachweis von Querschnittsbildern glatter Muskeln auf feinen Tangentialschnitten der Iris noch von Keinem der vielfachen Vertheidiger eines Dilata- tor pupillae der Erfüllung für werth erachtet sind. Und doch wird zur Beilegung der schwebenden Differenz erfordert, nicht nur eine Entscheidung darüber, ob radiäre Muskelfasern in der Iris vorkom- men oder nicht, sondern auch, ob die unzweifeihaft vorhandenen, spärlichen Radiär-Züge die Function eines Dilatator besitzen, nicht nur, ob die Begrenzungsschichte Bruch’s existirt und faseriger Textur ist oder nicht, sondern auch, ob jene Schichte denn über- haupt als zum Muskelgewebe gehörig angesehen werden dürfe. Alle diejenigen Abhandlungen also, welche Uebergänge circu- lärer Sphincter-Fasern in solche von radiärem Verlaufe streckenweise durch die Ciliar-Zone der Iris verfolgen konnten und daraus auf die Existenz eines Dilatator pupillae geschlossen haben, sind in der vorliegenden Frage von keiner Bedeutung. Ihnen halte ich den physiologischen Nachweis entgegen, dass ein dilatirender Muskel bei dem normalen Spiel der Pupille keine Rolle spielt und führe ihnen gegenüber pathologischerseits an, dass die Pupille bei Mydriasis 288 Dr. A. Gruenhagen: durch centrale Oculomotorius-Lähmung absolut bewegungslos ist, was bei der Gegenwart eines besonderen, von einem besonderen Nerven versorgten, mit der Function der Pupillendilatation betrauten Mus- kels unerklärlich sein würde. Alle diejenigen Abhandlungen ferner, speciell auch die letzthin in Stricker’s Handbuch der Gewebelehre von Iwanoff veröffent- lichte, in welchen nicht angegeben ist, dass eine Zerklüftung der Bruch’schen Begrenzungsschichte in glatte Muskelfaserelemente auf unzweideutige Weise bewerkstelligt werden konnte, haben Nichts zur Lösung der fraglichen Angelegenheit beigetragen. Die von Henle und seinen Nachfolgern als musculös bezeichnete hintere Begrenzungsschichte der Iris erstreckt sich bei den Säugethieren und beim Menschen bis zum Ciliar-Rande der Iris, wo sie zwischen den von ihr freibleibenden Faltungen des Ciliar-Körpers in die Glaslamelle der Chorioidea übergeht. Sie ist namentlich deutlich an Zerzupfungs- Präparaten der nach Schweigger-Seidel’s Tinctions-Methode mit Carmin gefärbten Kaninchen-Iris in feine Fasern zerlegbar, welche ihrem Aussehen und ihrer chemischen Reaction nach feinen elasti- schen Fasern gleichen und durch eine eiweissreiche, pigmentirte Kittsubstanz, welche ich für den Mutterboden des aufliegenden Epithels halte, mit einander verlöthet sind. In der Gegend des inneren Sphincter-Randes endigt sie in allmählichem Uebergange zum bindegewebigen Stroma der Iris; die schräg nach hinten auf- steigenden Insertions-Bündel des Kaninchen-Sphincter treten an sie heran und bedienen sich ihrer gleichsam als Aponeurose. Sie ist nicht musculös; denn sie lässt sich durch keines der bekannten Isolations-Mittel in Elemente von der Beschaffenheit glatter Muskel- zellen, weder im Kaninchen noch im Menschen-Auge, zerspalten und findet sich, was ihre Auffassung als glatte Muskelplatte sicherlich unwahrscheinlich macht, nicht nur in der lris des Menschen und der Säugethiere, sondern ebenso deut- lich auch in der mit quergestreifter Muskulatur ver- sehenen Regenbogenhaut der Vögel. Hier, wo wir mehr oder minder reichlich je nach der Art der zum Object der Untersu- chung dienenden Vögel quergestreifte radiäre Muskelfasern von der ebenfalls quergestreiften Ringfaserung des Sphincter pupillae in die Ciliar-Portion der Iris theils abbiegen, theils senkrecht und durch eine dünne Bindegewebslage von der darüber liegenden Circulär- Faserung getrennt unter den letzteren hinweglaufen und fein zuge- Zur Frage über die Iris-Musculatur. 289 spitzt im Bindegewebe endigen sehen, tritt der ganze Zwiespalt der einander entgegenstehenden Dilatator-Beschreibungen am klarsten zu Tage. Nicht einen Augenblick kann man hier zweifeln, dass die radiä- ren Fasern dem von Kölliker besprochenen Schema eines Dilata- tor, d. i. meinen Insertions-Bündeln des Sphineter adäquat sind — auch haben alle Anatomen, welche auf jene Radiärfasern aufmerksam wurden, kein Bedenken getragen sie als Dilatator pupillae auf- zuführen — hier wird aber auch zugleich klar, dass nicht, wie Iwanoff will, eine unerhebliche Differenz der Thierspecies bald zur Annahme einer gleichförmigen Muskelplatte, bald zur Sta- tuirung radiärer Faserbündel Veranlassung gegeben hat, sondern dass die anatomischen Verhältnisse, welche den Grund jener Mei- nungsschwankungen bideten, jederzeit neben und unabhängig von einander bestehen. Die Begrenzungs -Schichte der Vogeliris hat bei allen von mir untersuchten Vogelspecies (Strix nyctea, flammea und aluco, ferner bei der Gans und dem Huhne) völlig das Aussehen der an gleichem Orte befindlichen Schichte in der Säugethieriris, und ich würde bei einer genaueren Beschreibung derselben nur zu wie- derholen haben, was von mir zu anderen Zeiten bereits ausführ- lich mitgetheilt worden ist. Dieselbe feingestrichelte, mit streifig vertheilten Pigment-Körnchen versehene, in grossen Strecken ohne Spur eines Kernes darstellbare Membran dort wie hier, das gleiche zähe Verhalten bei der Einwirkung verdünnter und selbst concen- trirter Alcalien und Säuren. Bei einigen der genannten Vogelspe- cies (Gans, Huhn) vermag man auf der hinteren Begrenzungsschichte der Iris nach vorangegangener Erhärtung in Müller’scher Flüssigkeit oder in Weingeist und Chlorpalladium und nach Entfernung der obersten Pigmentbedeckung eine Lage spindelförmiger Zellen nach- zuweisen, welche einen elliptischen Kern seitlich anliegend erkennen lassen, mit einer mehr oder minder vollständigen Pigmenthülle ver- sehen sind und in oft sehr feine Fortsätze bipolar auslaufen. Die- selben entsprechen offenbar der zweiten Epithel-Lage, welche ich in der Kanincheniris bereits früher !) zu beschreiben Gelegenheit genom- men habe, und liegen der erwähnten Begrenzungsschichte fest auf. Präparirt man die letztere von der vorderen Gewebsschichte der 1) Henle und Pfeufers Ztschr. f. rat. Med. Bd. 36, p. 40. M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 19 290 Dr. A. Gruenhagen: Iris ab, sei es, indem man das musculöse Stroma der Regenbogen- haut vorsichtig und stückweise mit feinen Präparir-Nadeln herunter- zieht, sei es, dass man an nicht sehr dünnen Tangentialschnitten der Iris vorderes Irisstroma und hintere Begrenzungsschichte von einander abzulösen versucht, so kann man sich durch das directe Gefühl leicht davon überzeugen, dass die isolirte Bruch’sche Grenz- membran dem Zerzupfen einen nicht unerheblichen Widerstand entgegensetzt, welcher eher ein unregelmässiges Zerbrechen als ein bestimmten vorgebildeten Bahnen folgendes Zerfasern in Aussicht stell. In‘der That lassen sich auch auf diesem Wege immer nur Bruckstücke von eckigem Umriss gewinnen. Alles zusammengenommen glaube ich daher nicht fehlzugehen, wenn ich die von Henle für musculös gehaltene Bruch’sche Be- grenzungsschichte der Iris als ein elastisches, in die Reihe der sub- epithelialen Glasmembranen gehöriges Gebilde anspreche und damit zugleich eine anatomische Grundlage für die bei der Bewegung der Iris so wichtige Eigenschaft ihrer Elasticität herstelle. Untersuchen wir jetzt, wie sich die Vertreter der mannigfachen Anschauungen über die anatomische Beschaffenheit eines Dilatator pupillae zu den neuen, so eben mitgetheilten Thatsachen verhalten müssen. Die einen, deren Ermittlungen dazu nöthigten, in der Bruch’schen Begrenzungsschichte der Menschen- und Säugethier-Iris eine Mus- kelplatte zu erkennen, werden sich logischer Weise auch dazu ver- stehen müssen, die gleiche Ansicht über die Natur der nämlichen Schichte in der Vogeliris geltend zu machen und die radiären, quergestreiften Faserbündel entweder in meinem Sinne als Sphincter- Theile, oder falls Neigung vorhanden sein sollte, als pleonastischen Dilatator von vorläufig unbekannter Function zu bezeichnen. Sie könnten zur Rechtfertigung des ersten Theils dieser Aufstellung allenfalls mit Cramer darauf hinweisen, dass die eleetrische Rei- zung der zur Vogel-Iris hintretenden sympathischen Nervenfasern eine Pupillen-Dilatation bewirkt, welche hinsichtlich der Langsamkeit ihrer Entwicklung eher durch (die Action glatter als durch eine Action quergestreifter Muskeln bedingt zu sein scheint. Diejenigen Anatomen hingegen, welche überall bei Menschen und Säugethieren radiäre Muskelzüge, in gesonderten Bündeln die Ciliar-Portion der Iris durchziehend, als Dilatator beschrieben haben, Zur Frage über die Iris-Musculatur. 291 werden durch den anatomischen Bau der Vogel-Iris neue Stützen für sich gefunden zu haben vermeinen. Indem wir die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen hier- mit zusammen- und: einander gegenübergestellt haben, wird zunächst klar, dass eine Versöhnung der entgegenstehenden Ansichten nicht dadurch möglich ist, dass man sie auf Verschiedenheiten des anato- mischen Baus der Iris bei Thieren und Menschen zurückführt. Denn die Bruch’sche Begrenzungsschichte ist ebenin den Regenbogenhäuten aller Wirbelthiere gleichzeitig mit mehr weniger deutlich ausgesprochenen radiären Abzweigungen des Sphincter pupillae (die letzteren be- sonders stark ausgeprägt beim Kaninchen) nachweisbar. Aus der Constanz der Erscheinung aber, welche das Fundament der einen Anschauung, der Variabilität, welche das der andern in verschiedenen Thierreichen besitzt, folgt unzweifelhaft eine anato- mische und physiologische Verschiedenheit beider, und es darf daher nicht etwa daran gedacht werden, die subepitheliale, vermeintliche Muskelplatte und die radiären Muskelbündel des Iris-Stroma als nebeneinandergelagerte, jedoch gleichwerthige Theile eines und des- selben Muskelindividuum anzusehen. Also ergiebt sich zweitens, (dass mindestens eine der beiden Anschauungen über die Beschaffenheit des so oft gesuchten Dilata- tor pupillae falsch sein muss. Die mögliche Quelle des Irrthums kann aber nun je nachdem man der einen oder der andern Ansicht huldigt, entweder in einer fehlerhaften Auffassung der physiologi- schen Funetion, welche die aus dem Sphineter pupillae abbiegenden Radiär-Bündel besitzen, oder in einer histologisch unrichtigen Deu- tung eines Gewebs-Complexes gesucht werden. Und es ergiebt sich daher endlich die Berechtigung einer dritten, physiologisch gut begründeten Ansicht, welche, als die meinige, ich mir erlaube in folgender Weise zusammenzufassen. Es erscheint mir völlig zweifellos, dass die Bruch’sche Begren- zungsschichte dem glatten Muskelgewebe nicht zuzurechnen ist; ein Gewebe, welches so wesentliche Abweichungen in seinem che- mischen und morphologischen Verhalten von gewöhnlichem glatten Muskelgewebe und speciell von sämmtlichen glatten Binnenmuskeln des Auges zeigt, ist eben kein glatter Muskel. Wie schon früher erwähnt worden, halte ich es für sachgemässer, die fragliche Schichte den elastischen Gebilden an die Seite zu stellen. Hin- 292 Dr. A. Gruenhagen: Zur Frage über die Iris-Musculatur. sichtlich der glatten, beziehungsweise quergestreiften Radiärfasern des Iris-Stroma, welche mir niemals glücken wollte bis zum Ciliar- Rande der Iris zu verfolgen, und, welche insbesondere bei Säuge- thieren nur in geringer Entfernung vom Sphineter pupillae über- haupt noch aufgefunden werden können, muss ich bemerken, dass etwas Entscheidendes über ihre Bedeutung vom rein anatomischen Standpunkte aus nicht beigebracht werden kann, dass die nahe Beziehung derselben zum Sphincter und ihre spärliche Entwicklung aber sie eher in der Bedeutung von Theilen des Sphinceter mit der oben angegebenen physiologischen Function als in derjenigen eines besonderen Muskels mit eigenartiger Leistung erscheinen lassen. Der quergestreifte Muskel. Von Dr. Er. Merkel, Professor der Anatomie in Rostock. ul, Der Contractionsvorgang im polarisirten Licht. (Hierzu Taf. XV.) Die Betrachtung des Muskels in polarisirtem Licht scheint, wenn man erst die wenigen Handgriffe, welche das Polarisations-, mikroskop erfordert, kennt, eine so leichte und einfache zu sein, dass man einen Zweifel über die Deutung der erhaltenen Bilder kaum für möglich halten sollte, woher es auch kommt, dass man in jedem schwierigen Fall stets zu diesem Untersuchungsmittel greift, und die Polarisation als Schiedsrichter aufruft. So bedeutend nun wirklich der Werth dieser Eigenschaft des Muskels für die Erkennung seiner Structurverhältnisse ist, so erfordert doch -der Gebrauch der Polarisation eine weit grössere Vorsicht, als man gewöhnlich glaubt und es sind Irrthümer keineswegs ausgeschlossen. Dass es in der That nicht leicht ist, sich über die gewonnenen Bil- der zu verständigen, zeigen die kurz aufeinander folgenden Publica- tionen von Krause, Hensen und Heppner, welche sämmtlich die Polarisation benützten und doch zu so verschiedenen Resultaten kamen, wie ich dies früher schon !) referirte. 1) Dieses Archiv VIII. Bd. p. 244. 294 Dr. Fr. Merkel: Gleichzeitig mit meiner ersten Abhandlung über den Muskel theilten zwei andere Untersucher, Flögel!) und Engelmann?), die Resultate ihrer Beobachtungen mit, die mit den meinigen im Allgemeinen zwar in erfreulichster Weise harmoniren, aber leider gerade in Bezug auf die letzte Entscheidungsquelle, die Polarisation, von den meinigen bemerklich abweichen. Während F. und E. betonen, dass die doppeltbrechende Substanz stets den gleichen Platz behalte, führten mich meine Untersuchungen, auch im polari- sirten Lichte, darauf hin, einen Platzwechsel derselben anzunehmen und sie, die sich in der Ruhe um die Mittelscheibe gehäuft findet, im Zustande der vollen Contraction an die Endscheibe zu verlegen. So sehr auseinandergehende Angaben mussten zu einer wieder- holten sorgfältigen Prüfung des Contractionsvorganges überhaupt und besonders der Leistungen des polarisirten Lichtes in Bezug auf denselben veranlassen, deren Ergebnisse hier folgen. Die Betrachtung des ruhenden Muskels bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Frisch zeigen sich die breiten Querstreifen con- tractiler Substanz in gewöhnlichem Licht, wie bekannt, dunkler, als das Gesichtsfeld, in derselben Zwischensubstanz findet man die Endscheibe ebenfalls als dunkle Linie markirt und es kann über- haupt ein Zweifel über dieses Bild nicht bestehen. In Alkohol gehärtete Präparate zeigen die regelmässigen Abtheilungen, wahr- ‘scheinlich in Folge der Gerinnung, noch dunkler®) und desshalb (deutlicher, als im Leben, sonst jedoch unverändert. Betrachtet man nun eine solche ruhende Faser unter gekreuz- ten Nicols, gleichviel ob frisch oder in Glycerin oder Canadabalsam liegend, so findet man stets die dunkel aussehenden Stellen, d. h. also die contractile Substanz und die Endscheibe hell leuchtend und scharf begrenzt, die Zwischensubstanz dagegen so exquisit einfach- brechend, dass bei vollständig verdunkeltem Gesichtsfeld keine Spur davon zu sehen ist, die doppeltbrechenden Stellen liegen scheinbar unverbunden nebeneinander (Fig. 5). Man mag etwas dickere 1) Dieses Archiv VIII. Bd. 2) Proces-verbaal. Koninkl. Acad. te Amsterdam. 27. Jan. 1872. Nr. 7. 3) Es wird hier absichtlich der Ausdruck »dunkel« der Benennung »stärker lichtbrechend« vorgezogen, da augenblicklich von keiner innern Eigenschaft des Muskels, sondern nur von dem sich darstellenden mikrosko- pischen Bild die Rede ist. Der quergestreifte Muskel. 295 Fasern oder dünne Fibrillenbündel vor sich haben, stets bleibt in jeder Einstellung das Bild gleich. Ganz dicke, besonders überein- anderliegende Muskelmassen sind, wie bekannt, zur Polarisation überhaupt nicht brauchbar. Tritt nun der Muskel in Action, so kann man eine grosse An- zahl von Zwischenstufen finden, je nachdem gerade die Faser von der starrmachenden Flüssigkeit überrascht wurde. In meiner ersten Abhandlung, die nur den Zweck hatte, in allgemeinen Eonturen den Vorgang der Muskelthätigkeit zu skizziren, Konnten diese Zwischen- stufen natürlich eine nähere Besprechung nicht finden, und auch jetzt scheue ich mich, eine allzu detaillirte Darstellung derselben zu seben, in der Furcht, den Leser mit Dingen zu ermüden, die er sich selbst mit Zuhilfenahme der von mir aufgestellten Contractions- theorie leicht construiren kann. Nur drei Bilder sollen noch be- sprochen werden, die von besonderem Interesse zu sein scheinen. Das eine dieser Bilder findet seinen Platz vor dem Zwischenstadium, die beiden anderen kommen zwischen diesem letzteren und der vollen Contraction zu stehen. Einer bequemeren Beschreibung wegen werde ich in Folgendem zwischen Ruhe und vollendeter Contraction vier Stadien unterscheiden. Ruhe. I. Stadium: Abnahme der Höhe der isotropen Substanz und dadurch Aneinanderrücken der Querstreifen contractiler Substanz. (Fig. 1a.)). II. Stadium: Zwischenstadium (Fig. la. II). III. Stadium: Erstes Auftreten contractiler Substanz an der Endscheibe (Fig. 1a. III). IV. Stadium: Contractile Substanz an Mittel- und Endscheibe (Fig. 2). Volle Contraction (Fig. 3). Das Zwischenstadium fehlt, wie ich früher (1. ec.) auseinander- setzte, oft ganz, auch kann natürlich jedes andere Stadium entweder völlig vermisst werden, oder doch nicht deutlich ausgebildet sein. Ich wende mich nun zur Darstellung dieser Dinge, wie sie sich in gewöhnlichem Licht und bei centraler Beleuchtung!) zeigen. Die Veränderung des ruhenden Muskels manifestirt sich zuerst im Aus- 1) Centrale Beleuchtung wurde ganz ausschliesslich angewandt, da seitli- ches Licht in keiner Weise besseres leistete. 296 Dr. Fr. Merkel: sehen der Zwischensubstanz; dieselbe wird schmaler, sie redueirt sich auf die Hälfte und noch weiter. Die Endscheibe, die vorher scharf zu sehen war, verschwindet. Die Querstreifen contractiler Substanz rücken nun immer näher und näher zusammen, bis sie sich endlich zu berühren scheinen. Es ist nun jede Spur von quer- verlaufender Zeichnung verschwunden, das I. (Zwischen-) Stadium ist eingetreten (Fig. 1a). Warum in dem ersten Contractionsstadium die Endscheibe völlig verschwindet, ist schwer zu sagen. Die wahrscheinlichste Deutung ist die, welche schon Flögel (l. ec. p. 77) aufgestellt hat, der glaubt, es läge dies nur an dem mangelhaften Auflösungsvermögen unserer Mikroskope. In der That kann man auch constatiren, dass die Endscheiben sehr oft in Zwischenräumen, in denen man sie bei schwacher Vergrösserung verschwunden glaubt, bei Anwendung sehr starker Linsensysteme wieder auftauchen. In diesem Stadium ist der Querstreifen contractiler Substanz zum mindesten eben so breit, wie in der Ruhe, eher noch etwas breiter, doch zeigt sich in Begrenzung und Ansehen keine auffal- lende Veränderung; vielleicht ist die contractile Substanz etwas durchsichtiger geworden, so dass man wohl an eine geringe Aut- nahme von Flüssigkeit in dieselbe denken könnte. Geht nun nach dem homogenen Zwischenstadium (II), welches keine mikroskopischen Besonderheiten zeigt, sondern aussieht, als seien die Querstreifen zusammengeflossen, die Contraction weiter, so treten zuerst wieder Querlinien auf (Fig. la III), die an der Stelle der Endscheiben liegen, wie man an Fasern, denen das Zwi- schenstadium fehlt, oder die einen partiellen Contraetionsheerd zei- gen (Fig. 4) mit Leichtigkeit nachzuweisen vermag. Dieselben sind dunkler als die übrige Masse und treten desshalb scharf hervor. Der übrige Theil aber gleicht noch ganz dem homogenen Zwischen- stadium, d.h. man hat eigentlich nur contractile Substanz vor sich. Die Streifen, die eben wieder aufgetreten sind, sind dunkler als letztere, sie sind mithin die dunkelsten Streifen, die im Muskel vor- kommen. Ein Blick auf Fig. la lehrt nun, wie ausserordentlich leicht eine Verwechselung des ersten und dritten Stadium möglich ist. An beiden Stellen besteht der Muskel aus einer homogen ausse- henden Masse, die durch feine Querstriche regelmässig abgetheilt ist. An beiden Stellen ist die Hauptmasse gleichmässig doppel- Der quergestreifte Muskel. 297 brechende Substanz, wie aus den Lichtbrechungs- und Färbungsver- hältnissen hervorgeht; es kommt nun lediglich auf die Einstellung an, ob man das eine oder das andere Bild hervorruft. Hebt man den Focus nur ganz unbedeutend aus seiner richti- gen Entfernung, so dreht sich sofort das Bild um, es verändert sich hell in dunkel und umgekehrt (Fig. 1b); und bedenkt man noch Hensen’s Ausspruch (p. 4): »Die geringste Verbiegung oder Schrägstellung der Scheiben schneidet das Licht ganz ab und in diesem Fall wird auch die gewöhnlich helle Zwischensubstanz zu einem dunklen Streifen«, so kann man sich nicht wundern, wenn bisher die allgemeine Ansicht dahin ging, dass der Muskel in contrahirtem Zustand dasselbe Bild gewähre, wie im ruhenden. Noch mehr wird diese Ansicht begünstigt durch die Betrachtung des IV. Stadium (Fig. 2), wo sich die Querstreifen wieder mehr differenziren. Hier erscheint neben dem bestehen bleibenden dunklen Contur der End- scheibe noch ein beträchtlicher Theil contractiler Substanz um die Mittelscheibe gelagert, so dass das Bild dem des ruhenden Muskels vollkommen ähnlich zu sein scheint, wenn man nur die verschieden gewordenen Dimensionen in Anrechnung bringt — und doch ist eine durchgreifende Veränderung im inneren Bau des Muskels vor sich gegangen, wie Flögel und Engelmann in völliger Ueber- einstimmung mit mir constatiren können. Flögel schreibt p. 96: »In der Anschwellung selbst ist die Krause’sche Wand (Endscheibe) mit der Zwischensubstanz und den beiden sehr wahrscheinlich auch dort vorhandenen Körnerschiehten zusammengedrängt auf einen ungemein dünnen Raum, plötzlich dunkler gefärbt, als die doppelbrechenden Querscheiben«. Engelmann’s Worte lauten in der Uebersetzung: »Während die anisotrope Substanz in ruhendem Zustand undurchscheinender und fester ist, als die isotrope (mit Ausnahme der dünnen Krause’schen Membran) nimmt mit stei- gender Verkürzung diese Verschiedenheit ab, kann scheinbar Null werden, und noch später selbst umkehren«. Beide Beobachter beschreiben genau dasselbe, was auch ich in meiner früheren Arbeit ausführte, es ist desshalb an der Richtig- keit dieser drei gleichzeitigen Beobachtungen, dass nämlich das Bild des contrahirten Muskels die Umkehrung des ruhenden Zustan- des darstellt, wohl kaum zu zweifeln. — Ist nun eine wirkliche, thatsächliche Ortsveränderung der contractilen Substanz vorhanden, 298 Dr. Fr. Merkel: wie ich es bewiesen zu haben glaube, oder scheint dies nur der Fall zu sein, wie die beiden andern Beobachter annehmen? Hier kann nur ein letztes untrügliches Hilfsmittel entscheiden, es wenden sich desshalb naturgemäss die Blicke auf die Polarisations- erscheinungen. Wo eine hell aufleuchtende Stelle ist, liegt con- tractile Substanz; die Entscheidung kann also keinen Moment zwei- felhaft sein. Flögel und Engelmann haben ihre Ansicht bereits kund gethan. Der erstere sagt: »Die weniger gefärbten Scheiben (d) (der Raum von einer dunklen Endscheibe zur andern) bleiben im dunklen Feld leuchtend, womit der Beweis geführt ist, dass d keine Zwischensubstanz, sondern Querscheibe ist«. Letzterer stimmt ihm vollständig bei und nennt während der Contraction »die Pola- risationsverhältnisse unverändert«!). So klar und einfach nun die- ses Resultat erscheint, so ist es doch nicht zutreffend und es ist wirklich, wie ich in meiner ersten Abhandlung schon aussprach, die Stelle der Endscheibe, welche unter gekreuzten Nicols am hellsten erscheint. Dass die beiden Forscher, Flögel und Engelmann, durch ihre Ergebnisse vor ein verschlossenes Geheimniss gekommen waren, dass sich hier Widersprüche finden, die eine Lösung nicht absehen lassen, ergibt der erste Blick und es sind auch Flögel die entstehenden Schwierigkeiten nicht verborgen geblieben?). Denn während im ruhenden Muskel mit ausnehmender Leichtigkeit zu constatiren ist, dass diejenigen Theile, die bei gewöhnlichem Licht die dunkelsten sind, im polarisirten Licht doppelt brechen, soll sich nun in der contrahirten Faser die Sache völlig umkehren und das dunkelste auch im polarisirten Licht am dunkelsten, das helle auch dort hell erscheinen. Es ist nur schwer zu glauben, dass eine so tief- greifende chemisch-physikalische Veränderung des Muskels bei der Contraction vor sich gehen könnte, ohne dass die vielen sorgfältigen Untersuchungen, die von den Physiologen seit einer Reihe von Jahr- zehnten darüber angestellt werden, eine Andeutung darüber gege- ben hätten. Betrachtet man eine contrahirte Faser unter polarisirtem Licht, so findet man auch bei sorgfältiger Beobachtung, dass die Sache nicht so einfach ist, wie am ruhenden Muskel. An diesem war ein 1) Tageblatt der 45. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Leipzig 1872 p, 153. 2) L. ce. p. 76. Dieser Umstand verwirrt leicht etc. Der quergestreifte Muskel. 299 Zweifel gar nicht möglich; hell und dunkel wechselte stets mit einer solchen Sicherheit und Regelmässigkeit, dass jede Vorsichts- massregel zur Bestimmung unnöthig war (Fig. 7). An contrahirten Fasern dagegen ist dies nicht der Fall, sondern es kommt lediglich auf die Finstellung an, ob man ein gleiches Bild, wie beim ruhenden Muskel mit breiten hellen und schmalen dunklen, oder umgekehrt mit schmalen hellen und breiten dunklen Streifen bekommt. Hat man eine Faser vor sich, die nicht ganz glatt liegt, sondern etwas wellig gebogen ist, so sieht man die beiden Bilder auseinander ent- stehen und in einander übergehen (Fig. 8). Zugleich aber zeigt sich, dass niemals Theile der Faser bis zur Unsichtbarkeit dunkel werden, wie beim ruhenden Muskel, sondern stets ist, besonders an nicht zu stark contrahirten Stellen, die ganze Faser sichtbar, die eine Stelle nur relativ heller als die andere. Ein Beweis für die Richtigkeit der dargelegten Verhältnisse lässt sich an Fasern führen, wo sich das I und II. Stadium der Contraetion entweder direct berühren (Fig. 4), oder sich doch sehr nähe stehen (Fig. 1). Ist die Lage Muskelsubstanz nur dünn genug, so findet man stets im ersten Stadium abwechselnd scharfe, breite, helle mit ebenso scharf begrenzten schmalen, dunklen Streifen wechseln, die bis zum Ver- schwinden aus dem Focus sich stets gleich bleiben, während im dritten Stadium neben den breiten, hellen Streifen schmale dunkle wohl in einer Einstellung vorhanden seim können, um jedoch bei der kleinsten Schraubendrehung in Linien überzugehen, die heller Eau zen, als die übrige Substanz. Engelmann hat also wohl sicher Unrecht, wenn er sagt, dass die Polarisationsverhältnisse unverändert blieben, denn dies ist nur im allerersten Stadium der Fall und Flögel nähert sich der Wahrheit gewiss mehr, wenn er sagt: »Es kommt dann die son- derbare Erscheinung zu Tage, dass sich beim Drehen des Nicols das Bild kaum ändert«, obgleich er dann sofort durch die oben angeführte Stelle diesen Ausspruch wieder paralysirt. Was ist nun hier die richtige Einstellung, die von F. und E. oder die andere? Eine solche Frage ist schon unzählige Mal bei Untersuchung des Muskels gethan worden und stets musste sie unentschieden bleiben. Denn das meist angewandte Auskunftsmit- tel, das Gesichtsfeld so zu wählen, dass der Randkontur der beob- achteten Faser deutlich ist, lässt vollkommen im Stich, da man leicht nachweisen kann, dass bei einer solchen Einstellung sogar 300 Dr. Fr. Merkel: die verschiedenen Theile einer und derselben Faser ein verschiede- nes Verhalten zeigen können (vergl. Fig. 8). Auch eine Verglei- chung der Präparate unter gewöhnlichem Licht ergab keine besseren Resultate, da auch hier ein abwechselndes Aufleuchten und Dunkel- werden der einzelnen Theile sich zeigte. Die so gepriesenen Polarisationserscheinungen liessen an der contrahirten Faser, selbst bei oft wiederholter und eingehender Prü- fung, also vollständig im Stich und es musste ein Auskunftsmittel ergriffen werden, welches ich schon bei meiner früheren Arbeit benützt hatte, nämlich die ganze Faser in kleinere Theile, wo mög- lich Fibrillen zu spalten. Ein wahrhaft unanfechtbares Resultat konnte nur gewonnen werden, wenn die Möglichkeit einer Entste- hung von Fehlern aus der Einstellung vollkommen vermieden wurde, was nur dadurch gelingt, dass man für die Bobachtung so dünne Stückchen Muskelsubstanz auswählt, dass sie überhaupt nur bei einer einzigen Einstellung scharf gesehen werden, bei jeder anderen aber so gänzlich undeutlich sind, dass die einzelnen Abtheilungen nicht mehr unterschieden werden können. Schon Flögel erklärt es für möglich, Fibrillen in polarisirtem Lichte zu betrachten, auch mir war es schon früher gelungen; man muss nur directes Sonnen- licht und kein Lampenlicht anwenden. Allerdings ist es nach meinen Erfahrungen nur an Präparaten, die in Canadabalsam eingeschlossen sind, möglich, deutliche Bilder zu bekommen, hier aber auch ganz regelmässig. Das Sonnenlicht wird so benützt, dass man es zuerst ganz voll auf den Spiegel des Mikroskopes fallen lässt, so unter ge- kreuzten Nicols eine passend liegende Fibrille aufsucht und einstellt; dann blendet man durch eine kleine Wendung des Spiegels das Licht so weit ab, dass bei heller Beleuchtung des Objeetes das Ge- sichtsfeld ganz dunkel wird, und man wird nun die Erscheinungen beobachten können. Das IV. Stadium und die volle Contraction mussten natürlich vor Allem die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, da sie haupt- sächlich den Ausschlag geben mussten. Es fand sich, dass bei ersteren (Fig. 6) die Theile am glänzendsten sind, welche sich bei gewöhnlichem Licht am dunkelsten zeigen, dass also die physika- lischen Erscheinungen mit den beim ruhenden Muskel beobachteten harmonirten. Vor Allem leuchtet die Endscheibe am deutlichsten auf, dann folgt an Intensität eine kleine um die Mittelscheibe gelegene Stelle, Der quergestreifte Muskel. 301 welche allmählich dunkler werdend nach beiden Seiten verwaschen ausläuft. In der ganzen Faser kommt aber nicht eine einzige Stelle vor, welche völlig dunkel ist, wie im ruhenden Muskel, sondern die doppelbrechende Substanz vertheilt sich in verschiedener Dichtig- keit durch das ganze Element. Diese Vertheilung ist sehr von der ruhenden Fibrille abweichend, indem dort, wie erwähnt, bei keiner Einstellung und bei keiner irgendwie gewählten Lagerung die ganze Ausdehnung derselben sichtbar ist, sondern stets die isotrope Sub- stanz, ihrem Namen gemäss, unter gekreuzten Nicols vollständig verschwindet. Es ist also klar, dass die doppelbrechende, contractile Substanz, die in der Ruhe lediglich um die Mittelscheibe gelagert war, nachdem sie das ganze Element gleichmässig erfüllte (Zwischen- stadium), wieder an bestimmten Stellen sich anzuhäufen beginnt. Es konnte sich nun fragen, ob die Anhäufung, die man hier zweifel- los an der Mittelscheibe bemerkt, eine active oder eine passive ist; mit anderen Worten, ob sich neuerdings um dieselbe contractile Substanz abgelagert hat, oder ob dies nur ein Rest der noch von der Ruhe her fest an der Mittelscheibe liegenden Masse ist. Die Betrachtung einer Reihe von Mittelstufen bis zur vollen Contraction scheint für letztere Annahme zu sprechen; denn je kürzer das Mus- kelelement wird, um so schmaler und verwaschener wird auch die an der Mittelscheibe haftende Substanz, bis sie sich an den vollständig contrahirten Stellen auf einen schmalen Strich reducirt hat. Die Betrachtung der vollständig contrahirten Fibrillen unter gekreuzten Nicols, hat mir bei sehr oft wiederholter Beobachtung doch kein ganz zweifelloses Bild gegeben. Ich konnte nicht bis zur Gewissheit eruiren, ob nicht doch vielleicht noch ein minimaler Rest contrac- tiler Substanz, durch das Element zerstreut, übrig bleibt. Das eine Mal schien es, als ob nur die Endscheiben aufleuchteten, das andre Mal glaubte ich doch wieder durch sehr günstiges Licht die ganze Faser schwach grau leuchten zu sehen. Wer das Polarisationsmikroskop kennt, wird mir keinen Vorwurf machen, dass ich ein Resultat, welches ich früher so sicher glaubte erreicht zu haben (l. c. p. 265), nun wieder selbst bezweifle, wo ich eine grössere Menge von Präparaten mit geübterem Auge durchmustert habe. Wenn nun also wirklich etwas contractile Sub- stanz im Muskelelement suspendirt bleiben sollte, so übt dies doch auf das gleichlautende Hauptresultat meiner früheren und der vor- liegenden Arbeit gar keinen Einfluss aus und ich stehe nicht an, 302 Dr. Fr. Merkel: nochmals nachdrücklich zu betonen, dass die contractile Substanz beim Vorgang der Zusammenziehung einen Platzwechsel durch- macht. Wenn nun auch constatirt werden konnte, dass die Stelle der Endscheibe im contrahirten Muskel doppelbrechend erscheint, so musste es doch wünschenswerth erscheinen, auch noch durch die Messung zu prüfen, ob man keiner Täuschung zum Opfer fällt, wenn man sie für dicker erklärt, als im ruhenden Muskel, wo sie ja eben- falls das Phänomen der Doppelbrechung zeigt; denn nur durch diesen exacten Beweis ist eine Sicherstellung der Resultate möglich, fehlt derselbe, so ist der Einwurf gerechtfertigt, dass in beiden Zu- ständen die Endscheibe unverändert dasselbe bedeute. Es ist nun an polarisirten Muskeln aus naheliegenden Gründen der mikroskopischen Technik höchst schwierig, _ wenn nicht un- möglich, eine solche Messung anzustellen, doch ist es ja auch ge- stattet an Muskelfasern die Messung vorzunehmen, die man bei ge- wöhnlicher Beleuchtung betrachtet, da die Stelle der doppelbrechenden Substanz vorher bestimmt werden kann. Es findet sich nun in der That, dass bei einer Dicke von 0,0015 mm. der Stelle der End- scheibe an der contrahirten Fibrille, dieselbe an der ruhenden Faser höchstens die Hälfte, vielleicht noch weniger beträgt. Bekommt man zufällig eine Stelle zu Gesicht, wo eine ruhende und eine stark contrahirte Fibrille neben einander liegen, so ist eine Messung ganz unnöthig, der Unterschied in der Dicke fällt von selbst in die Augen. Auch zeigt sich an solchen Präparaten sehr schön der Unterschied im Aussehen der contractilen Substanz in beiden Zuständen; während dieselbe im ruhenden Zustand eine mehr milchglasähnliche, durch- schimmernde Beschaffenheit zeigt, ist sie im thätigen Muskel sehr stark lichtbrechend und von bedeutendem Glanze, macht, wenn man der gewöhnlichen Anschauungsweise folgt, den Eindruck grösserer Festigkeit. Selbst Fig. 4, wo die Contraction erst beginnt, lässt schon den Unterschied in der Dicke der Endscheibe erkennen. Da die beschriebenen Polarisationsversuche an Fibrillen gemacht werden müssen, die ungefärbt in Ganadabalsam eingeschlossen sind, die sicb also für die Betrachtung unter gewöhnlichem Licht sehr schlecht eignen, so wurden noch andre Präparate angefertigt, die in absolutem Alcohol gehärtet und mit Blauholzextraet gefärbt wurden, eine Methode, die mir schon früher gute Dienste geleistet hatte. Es fand sich nun noch, dass dieser Farbstoff in nicht zu starker Con- Der quergestreifte Muskel. 303 centration angewandt, ein sehr empfindliches Reagens für alles Dop- peltbrechende in der Muskelfibrille darstellt, indem es dasselbe gut kenntlich violett färbt, während alles Einfachbrechende ungefärbt. bleibt. Es ist dadurch nicht nur eine werthvolle Gontrolle gegeben, sondern auch ein Mittel gefunden, welches bei der gewöhnlichen Demonstration die für Ungeübtere schwierig zu handhabende Po- larisation vollkommen entbehrlich macht. Ein Vergleich von Fig. 2 und 6, die beide nach dem IV. Stadium gezeichnet sind, ergibt die Richtigkeit dieser Bemerkung, und jedes beliebige Stadium, be- sonders aber die völlige Ruhe, wo gefärbt und ungefärbt in zier- lichster Weise wechselt, kann in gleicher Art als Beweis benutzt werden. An solchen Präparaten sieht man nun mit noch grösserer Sicherheit, als an polarisirten Fibrillen, dass von Stadium II—IV das ganze Muskelelement, wenn auch verschieden intensiv, gefärbt ist, und auch bei dieser Methode zeigt sich bei völliger Contraction ein blassgrauer Schimmer über die ganze Fibrille verbreitet, was, wie erwähnt, für ein Zurückbleiben minimaler Mengen contractiler Substanz in dem ganzen Raum des Muskelelementes spricht. Wenn schon das Vorstehende im Zusammenhalt mit meiner früheren Abbandlung sehr geeignet ist, die von mir aufgestellte Contractionstheorie zu bewahrheiten, so findet sich doch noch ein weiteres Mittel, welches unabhängig von den bis jetzt mitgetheilten Thatsachen den Beweis für eine im Innern des Muskels vor sich gehende Veränderung führt. Nach Brücke’s Beobachtung, die auch später mehrfach bestätigt wurde, werden die doppelbrechenden Eigen- schaften der breiten Querstreifen contractiler Substanz durch Ein- wirkung von Alcalien und verdünnten Säuren zerstört. Krause!) machte dann darauf aufmerksam, dass eine solche Veränderung der Endscheibe, seiner Querlinie, nicht eintritt. Schliesst man nun mit Essigsäure behandelte Muskelfasern nicht in Canadabalsam ein, durch welchen die doppelbrechenden Eigenschaften zur höchsten Geltung gebracht werden, und durch den vielleicht sogar gelöste Substanzen wieder restituirt werden können, sondern betrachtet man schwach in Alcohol gehärtete Fasern unmittelbar nach der Wirkung der Essigsäure, noch mit derselben imprägnirt unter gekreuzten Nicols, so findet man unter gewöhnlichen Verhältnissen in der 1) Zeitschrift £. Biologie, V. Band, p. 417. 304 Dr. Fr. Merkel: ruhenden Faser weder den Querstreifen noch diese Linie; ein Auf- leuchten ist fast nie zu finden, und nur die Benutzung des directen Sonnenlichtes erlaubt eine Bestätigung der Beobachtung Krause's. Betrachtet man aber eine contrahirte Stelle, so ist es auch unter ungünstigen Verhältnissen nicht schwierig, helle doppelbrechende Streifen wahrzunehmen, die bei directem Sonnenlicht eben so schön als breite Streifen aufleuchten als hätte man kein Reagens benutzt (Fig. 9). Diese Beobachtung scheint für das Verständniss der Muskel- contraction von ausnehmender Wichtigkeit zu sein, denn es geht erstens daraus hervor, dass in der ruhenden Muskelfaser das Ver- mögen der Doppelbrechung zwei verschiedenen Substanzen zukommt, deren eine, die contractile, von der Essigsäure angegriffen wird, während die andre in derselben ihre physikalischen Eigenschaften bewährt. Zweitens aber ergibt sich das gleich wichtige Resultat, dass die säurebeständige Substanz im contrahirten Muskel breiter, und wie aus dem stärkeren Aufleuchten hervorgeht, auch dichter ist, als im ruhenden, dass also an dieser Stelle eine Action vor sich gegangen sein muss. Nun könnte man zwar diese Thatsache dahin deuten, dass man eine innere, d. h. in der Endscheibe selbst ge- legene Ursache der Verbreiterung annähme, doch fällt eine solche Vermuthung von selbst in sich zusammen, wenn man die zweite beobachtete Thatsache, nämlich die Verdichtung, nicht ausser Acht lässt. Denn wie sollte eine Substanz, die an Breite zunimmt, sich ausdehnt, auch dichter werden können? Es ist dies eine physi- kalische Unmöglichkeit. Es muss daher unter allen Umständen ein Zuwachs doppelbrechender Substanz von aussen angenommen werden, wodurch allein dieses Phänomen seine Erklärung findet. Da nun aber im Muskelelement in der Ruhe keine doppelbrechende Substanz weiter vorhanden ist, als die um die Mittelscheibe gelagerte, von mir sogenannte »contractile Substanz«, so bleibt keine andre An- nahme übrig, als die, dass jener breite, säurebeständige Streifen durch Zuzug von dieser Seite her gebildet wird. Seine Eigenschaft der Unempfindlichkeit gegen Säuren ist noch kein Beweis für eine von der contraetilen Substanz des ruhenden Muskels abweichende chemische Zusammensetzung, sondern lässt in erster Linie nur rein physikalisch auf die Dichtigkeit schliessen, die eine grössere sein muss, als es in der ruhenden Faser der Fall ist. Was sich über den Aggregatzustand des Inhalts der Muskel- Der quergestreifte Muskel. 305 elemente nach den ausführlichen Erörterungen meines ersten Auf- satzes und den vorstehenden Ergebnissen sagen lässt, Kann man in kurzen Worten ausdrücken. In der Ruhe scheidet sich dieser Inhalt in zwei scharf getrennte Theile, einen festen, die contractile Substanz und einen weniger festen (um den Ausdruck »flüssig« zu vermeiden), die einfachbre- chende Zwischensubstanz. Während des Contractionsvorganges ent- steht eine innige Mischung dieser beiden Substanzen und keine eigentliche Lösung, was dadurch bewiesen ist, dass die Pola- risationserscheinungen und die Farbstoffreaction nun über das ganze Element hin ausgedehnt erscheinen, jedoch in geringerer Intensität, wie früher... Man kann sich etwa vorstellen, dass die doppelbre- chende Masse aus kleinsten aneinanderliegenden Molecülen (Disdia- klasten?) besteht, die sich dann durch die Flüssigkeit zerstreuen. Fest und weniger fest oder flüssig bleibt also unter allen Umstän- den nebeneinander bestehen. Es trifft diese Anschauung, die zum Theil schon in meiner ersten Abhandlung ausgesprochen ist, mit der Engelmann’s zusammen, wenn er (l. c.) sagt: »Die isotrope Substanz wird undurchsichtiger und fester, die anisotrope durch- scheinender und weicher.« Ob nun aber ausser diesen rein mechanischen Mischungserschei- nungen auch noch chemische Vorgänge stattfinden, wie man ja nach den physiologischen Beobachtungen am unversehrten Muskel glauben sollte, lässt sich durch die bisherigen histologischen Beob- achtungen nicht einmal vermuthen, und wenn Engelmann seinen Betrachtungen die Vermuthung anschliesst, dass man zum völligen Verständniss der beobachteten Thatsachen »noch weiter annehmen muss, dass in der isotropen Substanz während der Contraction ein fester Körper ausgeschieden wird (Myosin?) der sich im Stadium der Verlängerung wieder auflöst«, so ist dies eben nur eine reine Ver- muthung, die durch die Beobachtung keine Stütze findet, besonders da es Engelmann entgangen ist, dass auch die früher isotrope Substanz nun doppelbrechend, wenn auch natürlich in geringerem Grade, geworden ist. Die Gesammtresultate, die sich aus meinen Untersuchungen ergeben, sind kurz zusammengefasst folgende: 1) Zum Studium der Polarisationserscheinungen des Muskels eignen sich keine unversehrten Primitivbündel, sondern nur feine, abgespaltene Stücke von solchen. M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 20 » 306 Dr. Fr. Merkel: 2) Die doppelbrechende, contractile Substanz ist während des Contractionsvorganges durch das ganze Muskelelement vertheilt, jedoch in verchiedener Dichtigkeit, woher es auch kommt, dass sämmtliche Theile unter gekreuzten Nicols aufleuchten, jedoch in verschiedener Intensität, ein Factum, welches bis jetzt noch nicht die verdiente Beachtung gefunden hat. 3) Die in meiner ersten Abhandlung ausgesprochenen Sätze finden sich durch die vorliegende Arbeit bestätigt. 4) Die Polarisation des Muskels lässt sich durch Blauholzextract- färbung ersetzen. 5) Die grössere Dichtigkeit des contrahirten, an der Endscheibe befindlichen Querstreifens, gegenüber dem an der Mittelscheibe liegenden ruhenden wird durch Betrachtung des mit Essigsäure behandelten Muskels in polarisirtem Licht bestätigt. 5 Rostock 3. November 1872. Erklärung der Figuren auf Taf. XV. Fig. 1a. Muskelfaser (Musca vomitoria). Verschiedene Contraetionszustände. I. Erstes Stadium zunächst der Ruhe. II. Homogenes Zwischensta- dium. Ill. Drittes Stadium mit dunkel markirter Endscheibe, um welche die Anhäufung contractiler Substanz beginnt. b. Dieselbe Faser, bei etwas veränderter Einstellung, wodurch alle hellen Stellen dunkel werden und umgekehrt. Fig. 2. Astacus fluviatilis, Alcohol, Blauholzextract. IV. Stadium. Die con- tractile Substanz ist durch das ganze Element vertheilt, an der Endscheibe aber schon dicht angehäuft, an der Mittelscheibe noch in einem dunklen Rest zurückgeblieben. Fig. 3. Astacus fluv. Alcohol, Blauholzextract. Die contractile Substanz ist fast vollständig an die Endscheibe übergetreten. Fig. 4 Musca vomit. Alcohol, Blauholzextract. Eine ruhende Faser, die einen ganz partiellen Contractionsheerd (c) zeigt, der contrahirte Querstreifen liegt an gleicher Stelle, wie die Endscheibe (e) des ruhenden Theiles. Fig. 5. Astacus fluv. Canadabalsam. Vier nebeneinander liegende ruhende Fibrillen in polarisirtem Licht. Fig. 6. Astacus fluv. Canadabalsam. Polarisirtes Licht. Eine Fibrille im Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. v Der quergestreifte Muskel 307 vierten Contractionsstadium. Die ganze Fibrille ist leuchtend, wenn auch in verschiedener Intensität (vergl. Fig. 2). Musca vomit. Faser in polarisirtem Licht. I. Contractionsstadium, ähnlich der Fig. 5. Astacus fluv. Contrahirte Faser in polarisirtem Licht. Die hellen contrahirten Querstreifen, die an der einen Seite deutlich zu sehen sind, wandeln sich nach der andern Seite hin scheinbar in dunkle Linien um. Vespa vulgar. Schwach in Alcohol gehärtete Faser mit Essigsäure behandelt. Polarisirtes Licht. Der obere dünne Theil ruhend, der untere dickere contrahirt. In letzterem sind die leuchtenden Stellen heller und schärfer begrenzt, als in ersterem. Studien in der Anatomie des Nervensystemes!'). Von Prof. Axel Key und Dr. Gustaf RBetzius in Stockholm. Hierzu Tafel XVI, XVII und XVII. Die Untersuchungen über die bekleidenden Gewebe und die serösen Räume des Nervensystems etc., mit welchen wir seit mehre- ren Jahren beschäftigt waren, sind so umfassend geworden, dass wir unsere ausführliche Arbeit darüber bis jetzt noch nicht veröffent- lichen konnten, besonders weil die dazu gehörigen zahlreichen Abbildungen eine ansehnliche Zeit genommen haben. Bevor diese grössere, bald zu erscheinende Arbeit, herausgegeben wird, schien es uns angemessen hier in Kürze uns mit einer kleinen Auswahl von erläuternden Abbildungen über diejenigen Theile unseres Ge- genstandes, welche wir in unseren vorigen Aufsätzen?) nicht behan- delt haben, zu berichten. In diesen Aufsätzen schilderten wir in 1) Aus dem Nord. med. Archiv. Band IV, No. 21 und 25. 2) Bidrag till kännedomen om hjärn- och ryggmärgshinnorna, med särskildt afseende pä de serösa rummen och lymfbanorna jämte deras för- bindelser. Nord. med. Arch. Band II, Nr 6, ıv, 1870, Ytterligare nägra förutskickade meddelanden om de serösa rummen och lymfbanorna i nervsystemet. Nord. med. Arch. Band II, Nr. 13, ım. 1870. Om hygnaden af hjärnans mjuka hinna och araknoidealfransarna eller de 8. k. pacchionska granulationerna. Nord. med. Arch. Band II, Nr. 26, ıı, 1870. S. auch das Referat dieser Abhandlungen in Hirsch-Virchow’s Jah- resbericht f. 1870. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 309 kurzen Zügen vorzugsweise die Häute und serösen Räume des Ge- hirnes und der Sinnesorgane, den Uebergang der Flüssigkeiten in das Blutgefässsystem durch die Pacchionischen Granulationen, den Bau und die, wie es scheint grosse, physiologische Bedeutung der- selben, woneben wir in aller Kürze den Uebergang der Flüssigkei- ten von den serösen Räumen des centralen Nervensystems zu den peripherischen Nerven nnd in dieselben hinein besprachen. Wir werden jetzt eine Beschreibung von den Häuten und serösen Räumen ‘,‚des Rückenmärks und des peripherischen Nervensystems im Zusam- menhang geben, womit wir einige Fragen berühren werden, welche dazu in näherem Verhältniss stehen, wie z. B. den Bau der Nerven- fasern selbst, die Pacinischen Körper etc. Eine Frage, mit welcher wir während dieser Untersuchung immer in Berührung kamen, und deren Erforschung wir anhaltende Studien gewidmet haben, ist die vom Bau des Bindegewebes selbst. Da diese Frage so zu sagen auf der Tagesordnung in der Histologie steht, und da ihre sichere Lösung mit Recht als eine der wichtigsten Aufgaben dieser Wissen- schaft zu betrachten ist, mögen die Beiträge hierzu, welche wir, besonders aus der Anatomie des Nervensystems, liefern können, ein allgemeineres Interesse haben. Es kann indessen während: solcher anhaltenden und umfassenden Arbeiten nicht vermieden werden, dass ein oder anderes Detail des weitläufigen Gegenstandes wäh- rend der Zeit von anderen Verfassern berührt wird, eine oder andere Entdeckung geschieht und veröffentlicht wird; wir werden in solchen Fällen in wenig nützliche und der Wissenschaft nicht rühm- liche Prioritätsstreitigkeiten nicht eingehen. Da wir indessen gewöhn- lich von anderen Gesichtspunkten mit Anwendung anderer Unter- suchungsmethoden ausgingen, sind wir auch in solchen Fragen nicht selten zu etwas abweichenden Resultaten gelangt. Es mag auch bemerkt werden, dass eine umfassende und ausführliche Durchar- beitung eines Gegenstandes dabei gewöhnlich zu einer selbstständi- geren und reiferen Auffassung und zu sicherern Resultaten als Bearbeitungen von nur einzelnen Detailfragen führt. Von Abbil- dungen konnten wir hier nur eine im Verhältniss zu den bedürftigen geringe Anzahl beifügen. Wir mussten uns hier in aller Weise einschränken und geben nur einen Theil von dem wieder, was wir selbst wahrgenommen haben und können nur im Vorbeigehen uns auf die bezügliche Literatur einlassen. In unserer grösseren Arbeit suchen wir in dieser Hinsicht nichts zu versäumen. Wir 310 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: wenden ‘uns in unserer Darstellung erst zu den makroskopischen Verhältnissen der Häute des Rückenmarks. Die Beschreibungen über die Arachnoidea spinalis, welche man bei den Verfassern findet, sind, auch Betreffs der gröberen Verhält- nisse, wenig befriedigend; und diese Haut ist, sowie die des Gehir- nes, nicht der Gegenstand einer solchen Aufmerksamkeit von der Seite der Anatomen und Histologen gewesen, wie sie unzweifelhaft verdient. Von den makroskopischen Verhältnissen findet man gewöhn- lich angegeben, dass die Arachnoidea spinalis dicht an der Dura, unge- fähr wie die Pleura pulmonalis an der Pleura costalis liegt, die Dura immer in ihrem Verlauf begleitend, und mit ihr nur im Halstheil durch höher oben ziemlich starke, weiter unten feinere Stränge vereinigt. Dass die Arachnoidea an der Innenseite der Dura einen Ueberzug mittelst eines parietalen Blattes wie die serösen Häute an den resp. Wänden ihrer Höhlenbilder, ist in letzterer Zeit ziemlich allgemein verlassen worden, obwohl Luschka ein solches Blatt gefunden zu haben glaubte. Wir werden weiter unten diese Frage besprechen. Die innere Fläche der Arachnoidea wird als glatt und eben, ohne Epithel geschildert; zwischen ihr und der Pia Mater findet sich, nach den Verfassern, ein einziger grosser längs dem ganzen Rückgrat gehender Subarachnoidalraum, welcher die Arachnoidea vom Rückenmark und der Cauda equina trennt. Ferner wird angegeben, dass von der Innenseite der Arachnoidea zahlreiche Stränge zur Pia und den Nervenwurzeln ausgehen, welche Stränge nicht nur in Zusammenhang mit den Gefässen und Nerven, sondern vorzugsweise an der hinteren Mittellinie in einer Reihe geordnet und hier und da, besonders am Halse, eine vollständige Scheidewand bildend, vorhanden sind. (Vergl. Kölliker, Handbuch der Gewe- belehre 5. Aufl. S. 308.) Andere Verfasser erwähnen nur dieses hintere Septum, welches im Halstheil undurchbrochen, weiter unten durchbrochen sei, ja sogar zu einer einfachen Reihe von Fasern reducirt anzutreffen wäre. Die Verhältnisse sind doch bei weitem nicht so einfach, als sie aus jenen Schilderungen der Verfasser zu sein scheinen. Hier können wir indessen von ihnen nur eine ganz kurze und gedrängte Darstellung in allgemeinen Zügen geben, welche übrigens ohne erläuternde Bilder, vielleicht etwas schwer- begreiflich wird). 1) Es mag hier bemerkt werden, dass wir in der vorstehenden Schilde- Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 311 Was zuerst die Verbindung zwischen Arachnoidea und Dura betrifft, so findet man an der hinteren Hälfte des Halstheils zahl- reiche Balken zwischen, den beiden Häuten hinüberlaufend, und dies nicht nur in der Mittellinie, sondern auch über die ganze übrige hintere Fläche. Sie sitzen am zahlreichsten in der Mitte, etwas weniger zahlreich in der Umgebung und werden reichlicher in den Seitentheilen, zwischen den austretenden Nervenwurzeln. Sie sind ganz kurz und können also nur ein äusserst unbedeu- tendes Entfernen der Arachnoidea von der Dura, z. B. durch- eine Flüssigkeit im Subduralraum, gestatten. Sie sind weit reich- licher im oberen Halstheil als im unteren, wo sie auch etwas länger werden. Unterhalb des Halstheiles nehmen sie mehr und mehr in Anzahl ab, kommen aber zerstreut am oberen Drittel oder sogar an der oberen Hälfte des Rückenmarks, sowohl an der hin- teren Fläche, als besonders an den Seiten zwischen den Nervenwur- zeln und den Zacken des Ligamentum * denticulatum vor, und sie sind hier von grösserer Länge als im Halstheil. Nach unten davon werden sie oft plötzlich sehr sparsam, und kommen eigentlich nur in sehr geringer Anzahl an den Seitentheilen zwischen den Nerven- wurzeln vor. An der vorderen Seite sind sie auch im Halstheil sparsam, sind aber hier zerstreut über die ganze Fläche vorhanden; am zahlreichsten sitzen sie auch hier an den Seitentheilen zwischen den Nervenwurzeln. Unterhalb des Halstheiles werden sie an der Vorderseite äusserst sparsam. An allen Orten, wo sie vorkommen, sieht man sie oft in kleinen Gruppen sitzen, und sehr oft divergiren sie zu zweien von einer Stelle aus; die Arachnoidea ist hier an Fasern, welche von der Dura entspringen und wieder nach Bildung eines kurzen Bogens in dieselbe Haut einlaufen, wie aufgehängt, und es scheint als ob dieser bogenförmige Faden durch die Arach- noidea gezogen wäre. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass es sich so gewissermassen verhält, aber die Arachnoidea ist nicht von diesen Bogenfäden durchbohrt, sondern bildet um dieselbe Scheiden, welche trichterförmig zur Innenseite der Dura verlaufen, rung dieselben Namen anwenden, welche wir früher für die serösen Räume des Gehirnes vorgeschlagen und gebraucht haben, und dass wir also den Raum zwischen der Dura und der Arachnoidea, den Subduralraum und die Räume unter der Arachnoidea die Subarachnoidalräume nennen, und dass wir die Benennung Arachnoidalraum ganz und gar vermeiden. 312 Prof. Axel Key und Dr. Gusta f Retzius: wovon mehr unten. Durch die Anordnung der Balken, am reich- lichsten im Halstheil und am stärksten und strammsten in dessen oberen Theil, ist es deutlich, dass: die Arachnoidea hier immer dicht an der Dura gehalten wird; sie kann nicht in einem wesent- lichen Grade einer möglicher Weise im Subduralraum befindlichen Flüssigkeit entweichen; ihr an diesem Theil sehr weites Lumen wird aber unter allen Verhältnissen offen gehalten, welches von Wichtigkeit sein mag, wenn man bedenkt, wie eine beständige Ebbe und Fluth hier in der zwischen den Subarachnoidalräumen des Ge- hirnes und Rückenmarks immer fluctuirenden Flüssigkeit vor sich geht. Der obere Halstheil der Arachnoidea ist der erweiterte Trichter, welcher von jenen zu diesen leitet. Gehen wir nun in unserer Schilderung zu den Subarachnoidal- räumen des Rückenmarks über, so begegnen uns recht grosse Schwierigkeiten, dieselben anschaulich zu machen, ohne eine grössere Anzahl von Figuren als die einzige, für welche wir hier Platz fanden und ohne eine grössere Weitläufigkeit, als der beschränkte Raum erlaubt. Wenden wir uns zuerst der Vorderseite als der einfachsten zu, so finden wir hier einen längs dem ganzen Rücken- marke verlaufenden, zusammenhängenden ungetheilten Raum, welchen man als den vorderen spinalen subarachnoidalen Raum oder Spatium bezeichnen kann, und der sich an den Seiten bis zu dem Ligamentum denticulatum erstreckt, welches an jeder Seite wie ein Diaphragma bildet, den subarachnoidalen Umfang des Rückenmarks in eine vordere und hintere Hälfte theilend. Die vordere Hälfte oder wie wir sie oben zu benennen vorgeschlagen haben, das vordere spinale Subarachnoidalspatium, ist wie genannt, nicht von Scheidewänden in kleinere Abtheilungen getrennt, nur hier und da von Balken zwischen Arachnoidea und Pia durchzogen. Diese Balken stehen vorzugsweise in der Mittellinie. Das vordere Subarachnoidalspatium ist von den vorderen Ner- venwurzeln der verschiedenen Nerven durchzogen. Zwischen den einzelnen Bündeln jeder Nervenwurzel laufen Balken und feine, eribrirte Häute. Feine Balken gehen auch von ihnen hier und da zum Ligamentum denticulatum oder zur Arachnoidea aus. Während ihres Verlaufes nach aussen, hinten und unten ruhen diese Nerven- wurzeln zum Theil auf dem Ligamentum denticulatum, und sie werden auch in längerer oder kürzerer Entfernung von ihrem Austritt oft durch feine Subarachnoidalhäute oder nur durch Balken Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 313 an diesem befestigt oder an der Innenseite der Arachnoidea auf- gehängt. Bevor wir die Subarachnoidalräume des hinteren Spatium schildern, mögen wir das Ligamentum denticulatum mit einigen Worten be- sprechen, zu dessen mikroskopischer Beschreibung wir dann weiter unten zurückkommen. Das Ligamentum denticulatum verläuft, wie bekannt, als eine dünne Haut .oder ein Band beiderseits längs dem Rückenmark zwischen den vorderen und hinteren Wurzeln vom Foramen magnum bis zur Nähe des Filum terminale. Es hängt überall mit der Pia zusammen und hat einen äusseren, grösstentheils freien Rand, von welchem, ungefähr mitten zwischen jedem oberen und unteren Paar von Nervenwurzeln, kürzere oder längere, mehr oder weniger starke Zacken entspringen, welche die Arachnoidea scheinbar durchdringen, um auswärts von ihr sich an der Innenfläche der Dura zu befesti- gen. Bei Untersuchung mit Loupe oder Mikroskop findet man indessen, dass sie keineswegs die Arachnoidea durchbohren, sondern dass diese Haut mit ihnen trichter- oder scheidenförmige Umhül- lungen mitsendet, welche sie zur Innenfläche der Dura begleiten. (Ueber ihr Verhalten dort s. unten.) Wenn man das fragliche Liga- ment unter wo möglichst normalen Verhältnissen, d. h. ohne das Rückenmark herauszunehmen, untersucht, so findet man, dass es in der Regel so ausgespannt ist, dass sein freier Rand zwischen den Zacken ziemlich dicht an der Innenseite der Arachnoidea sich anschliesst, ja zwischen dem 6., 7., 8. und 9. Dorsalnerven ist der sonst freie Rand fast regelmässig in grösserer oder kleinerer Strecke von den Befestigungszacken an der Arachnoidea verwachsen, welches mit der kleineren Beweglichkeit dieses Theiles in Zusam- menhang steht. Feine Häutchen oder Balken laufen ausserdem oft auch an anderen Stellen vom freien Rande zur Innenseite der Arachnoidea über. Wenn man das Rückenmark herausnimmt, wobei die Spannung natürlicherweise vermindert wird, sinkt die Ligamenthaut mehr oder weniger festonartig zwischen den Zacken zusammen, und wenn man diese Zacken durchschneidet, sinkt sie plötzlich nach dem Rückenmark zusammen nieder. Das Ligament ist übrigens bei verschiedenen Individuen betreffs seiner Dichtigkeit sehr verschieden entwickelt. Bei Einigen ist es dicker, fester, bei Anderen viel dünner; gewöhnlich zeigt es sich schon bei makrosko- pischer Untersuchung an einer oder anderen Stelle von grösseren 34 » Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: oder kleineren Löchern durchbrochen, cribrirt, besonders in der Halsregion; an einigen Rückenmarken findet man es aber stark cribrirt in seiner ganzen Länge. Längs dem freien Rande geht eine Verdickung, also ein runder oder platter Randfaden, welcher theilweise in die Befestigungszacken ausläuft. Was diese letzteren betrifft, so sitzen sie, wie genannt, gewöhnlich ziemlich mitten zwi- schen den Nervenwurzeln und laufen mehr oder weniger gerade nach aussen, aber sie zeigen das Figenthümliche, dass sie im unte- ren Theil des Halses und im obersten Theil des Rückens gewöhnlich sehr lang sind und einen recurrenten Verlauf haben. Oft gehen sie am ersten Öder zweiten Rückennerven, unterhalb einer Nerven- wurzel ab, um dann nach oben, dieser vorbei, zurückzulaufen, und befestigen sich in gewöhnlicher Entfernung oberhalb derselben. Im unteren Halstheil werden sie sogar bisweilen zwischen einzelnen Nerven vermisst. Diese Anordnung ist von Interesse für die Beur- theilung der Function dieses Ligaments. Seine Bedeutung als Dia- phragma zwischen den vorderen und hinteren Subarachnoidalspatien mag nicht gross sein. Man darf dagegen keineswegs vergessen, dass es durch seine ganze Anordnung beitragen muss, die Arach- noides nach den Seiten ausgespannt zu halten, und dass es auf demselben Mal, wie bekannt, ein Aufhängungs- und Befestigungs- apparat des Rückenmarks in diesen umhüllenden Geweben bildet. Es ist von Interesse zu sehen, dass die beschriebene Mod ification desselben im beweglichsten Theil der Columna einem Gleiten des Rückenmarks nach oben innerhalb der Häute, wie es wohl bei star- ker Biegung nach vorn vorkommen mag, sehr günstig ist. Dage- gen hindert der Aufhängungsapparat hier jede Senkung des Rücken- marks nach unten. Die untersten Zacken des Bandes sind auch länger und erlauben sowohl ein Gleiten des Rückenmarks, als eine srössere Entfernung der Befestigungspunkte vom Marke, d.h. es erlaubt hier eine grössere Ausspannung der Häute als anderswo. Ueber diese Ausspannungsfähigkeit in verschiedenen Theilen des Rückgrats werden wir in unserer grösseren Arbeit Messungen mittheilen. (Wir geben in dieser Abhandlung im Allgemeinen keine Messungen.) Wir finden, was auf diesem Ligament beruht, eine grosse Aus- spannungsfähigkeit in der obersten Halsregion, dann eine Veren- gung im unteren Halstheil, dann wieder eine Erweiterung im untersten Theil desselben und im obersten Rückentheil, dann eine Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 315 Verengung, bis endlich eine Erweiterung in der Lumbalregion eintrifft. Die Beschreibung des feineren Baues des Ligamentum denticu- latum müssen wir bis etwas weiter unten aufschieben, da wir, um sie anschaulich zu machen, eine Stütze in der Kenntniss vom sonsti- gen Bau der Häute finden können. Wenn wir jetzt zur Beschreibung der gröberen Anordnung der Arachnoidea und des Subarachnoidalgewebes im hintern Halstheil, d. h. hinter dem Ligamentum denticulatum übergehen, so finden wir hier mehr verwickelte Verhältnisse. Im oberen Halstheil ist das ganze Subarachnoidalspatium hinter dem Ligamentum denticu- latum nicht in kleinere Räume durch Subarachnoidallamellen abge- theilt, aber zahlreiche Balken laufen von der Innenseite der Arach- noidea zur Pia hinein. Diese Balken stehen am dichtesten im mittelsten Theil (an der Hinterseite) gesammelt und erhalten bis- weilen hier und da kleinere membranöse Ausbreitungen. An der Pia breiten sich diese Balken zu einer dünnen cribrirten oder balki- gen Lage, welche zwar imnig mit der Pia vereinigt ist, theilweise aber bei der Streckung etwas erhoben werden kann; mit diesem Stratum folgen die hier befindlichen Blutgefässe. Im unteren Hals- theil wird die membranöse Ausbreitung der in der Mitte stehenden, den Subarachnoidalraum durchziehenden Balken reichlicher, und allmählich entsteht hier eine anfangs sehr durchbrochene, dann mehr und mehr zusammenhängende, aber doch oft etwas cribrirte Scheidewand, das sog. Septum posticum. Wenn man dieses Septum anspannt, sieht man dicht am Rückenmark von beiden Seiten des Septum ein dünnes Häutchen von der Pia bis zu den Nervenwur- zeln sich erheben. Um dieses Verhältniss zu veranschaulichen, verweisen wir auf die Fig. 20, welche zwar zwischen dem letzten Hals- und dem ersten Rückennerven ist, dessen Wurzeln seitlich durchgeschnitten sind, die aber doch ihre Anwendbarkeit auf das geschilderte Verhalten im Halstheil hat. Wir sehen aus dieser Figur, dass das Septum welches makroskopisch einfach schien, in der That in dem abgebildeten Fall hier aus Lamellen zusammenge- setzt ist, welche zwischen sich Zwischenräume, kleine, also im Septum selbst befindliche Subarachnoidalräume haben. Ferner sehen wir dass die Lamellen oder Häutchen an ihrem Ansatz an der Arach- noidea sich ausbreiten und theils hier in einem triangulären Spa- tium mehrere Räumchen einschliessen, theils an den Seiten sich 316 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: fortsetzen, die Innenfläche der hier in längeren oder kürzeren Strecken mehrschichtigen Arachnoidea selbst überziehend. Diese Lamellen sind doch nicht ganze, zusammenhängende Membranen, sondern zum grossen, oft zum grössten Theil dichte, platte Maschen- werke von solchen Balken, wie wir an den Figuren e abgebildet haben, und deren feineren Bau wir weiter unten beschreiben. Wenn wir an der Fig. 20 dem Septum nach dem Rückenmark zu folgen, so finden wir, dass es bei b sich an den Seiten in das Häutchen, welches wir bei Spannung sich von der Piafläche erheben sahen, ausbreitet, und welches Häutchen beiderseits bis an die Nervenwur- zeln € sich fortsetzt, in deren Umhüllung es übergeht. Unter diesem Häutchen finden wir mehrere kleine Subarachnoidalräume, welche also dicht an der Pia liegen, und in diesen Subarachnoidal- räumen finden sich die grösseren Blutgefässe in subarachnoidalen Häutchen und Balkennetzen aufgehängt. Diese Gefässe laufen also nicht in der eigentlichen Pia, sondern in kleinen Subarachnoidal- räumen, dicht unterhalb derselben. Die vom Septum über diese Räume zwischen den hinteren Nervenwurzeln sich ausbreitende Membran scheint makroskopisch im Allgemeinen undurchbrochen zu sein; hier aber unter dem Mikroskop zeigt sie sich cribrirt, entweder nur theilweise aus einem dichten netzförmigen Balkenwerke wie in Fig. 2, 3 bestehend, oder auch mehr oder weniger dicht von runden oder ovalen Löchern wie in Fig. 7, 8 durchbrochen. Um die Pia herum geht sonst über dem ganzen Rückenmark, auch an der Vor- derseite, wie oben erwähnt ist, eine deutliche Schicht eines die Gefässe umspinnenden und sie auch hier an der Pia befestigenden Balkenwerkes, sie hat aber hier nicht dieselbe Ausbildung mit deut- lichen Räumen und ist inniger mit der Pia selbst, in welche die Balken allerwärts übergehen, vereinigt. Wenn wir jetzt das subarachnoidale Gewebe nach unten am Rückentheil des Markes in der hinteren Hälfte verfolgen, so finden wir, dass das Septum postieum in der Regel mit mehr oder weni- ger Modification bis an den Lumbaltheil sich fortsetzte. Es geht doch nicht genau in der Mitte, sondern macht oft Abweichungen nach der einen oder anderen Seite. Im oberen Rückentheil ist es mehr einfach, wird aber weiter unten mehr zusammengesetzt, ja an mehreren Stellen findet man an Querschnitten den ganzen Zwi- schenraum zwischen den hinteren Nervenwurzeln in mehrere oder Studien in der Anatomie des Nervensysteme s. 317 wenigere, unregelmässige, unvollständig von einander getrennte kleine Räume getheilt. Hierzu kommen jetzt einige Häutchenbildungen mehr constanter Natur. Von den hinteren Nervenwurzeln gehen schon am Hals- theile zahlreiche Balken zur Innenfläche der Arachnoidea, zum Liga- mentum denticulatum und N. accessorius Willisii aus, aber in der Regel finden sich dort zwischen den verschiedenen Nervenwurzeln keine zusammenhängende Membranen. Am Rückentheil aber ändert sich gewöhnlich dieses Verhältniss, so dass schon an der ersten Dorsalnervenwurzel eine cribrirte Haut von der Seite des Septum posticum der Nervenwurzel entlang und von ihrer hinteren Fläche läuft, der Wurzel bis zum Austritt der Nerven folgend, und also eine schief in der Quere, der Nervenwurzel entlang, stehende Wand im hinteren Subarachnoidalspatium bildend; dies wiederholt sich jetzt an allen Rückenmarksnerven mehr oder weniger vollständig, und dadurch entstehen reihenweise nach einander grössere, schief nach aussen und unten verlaufende Räume zwischen den Nerven- wurzeln.. Die Begrenzung dieser Räume nach der Mitte zu, wird vom Septum posticum oder einem seiner Lamellen, nach aussen von der Arachnoidea, nach oben und unten durch die von den Nerven- wurzeln zur Arachnojdea verlaufenden Membranen und nach vorn durch das Ligamentum denticulatum gebildet. Diese Räume treten schon hervor, wenn man die Arachnoidea vorn der Länge nach öffnet, die vorderen Nervenwurzeln und die Befestigungszacken des Ligamentum denticulatum abschneidet und das Rückenmark von der Seite betrachtet. Fig. 19 giebt ein solches Präparat wieder, und man sieht die fraglichen Räume wie Blindsäcke zwischen den Nerven. Weiter unten am Rückenmark, oft schon am dritten und vierten Rückennerven, beginnen diese Räume noch mehr abge- sondert zu werden, dadurch dass vom unteren Rand jeder Nerven- wurzel eine kleine Membran wie eine Schwimmhaut sich zur Seite des Rückenmarks ausspannt. Diese Membran nimmt an den fol- genden Nerven mehr und mehr zu, läuft zum oberen Rand des nächst unten davon liegenden Nerven hin über (Fig. 19d), und bildet in der Weise ein zwischen den Nervenwurzeln ausgespanntes Dia- phragma in den schiefen Seitenräumen, die hierdurch von dem Theil des hinteren Subarachnoidalspatium abgetrennt werden, wel- cher vor den hinteren Nervenwurzeln zwischen ihnen und dem Ligamentum denticulatum liegt. Die letztgenannten Membranen 318 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: sind gewöhnlich am vollständigsten ungefähr in der Mitte des Rückentheils und nach unten davon. Am Lumbaltheil setzt sich das Septum posticum, wenn wir fortwährend unter diesem Namen die hinteren mittleren Subarach- noidalhäutchen und Balken zusammenfassen, gewöhnlich sehr reichlich entwickelt und mit einer Menge grösserer und kleinerer Subarach- noidalräume fort, zuweilen sich in ein dichtes Balkenwerk auflösend, welches einen grossen Theil, ja sogar fast den ganzen Raum hinter dem Marke zwischen den Nervenwurzeln einnimmt. Bisweilen ist es mehr einfach und an seiner Seite stehen verhältnissmässig sparsame Balken, oft hört es als ein Septum einige Üentimeter nach oben vom Filum terminale auf, aber man kann es auch sich bis auf diesen Theil fortsetzen sehen. Was die schiefen Quermembranen betrifft, welche im Rückentheil seitlich an den hinteren Wurzeln ausliefen, so hören sie gewöhnlich mit dem letzten Dorsalnerven auf. An den Lumbalnerven gehen zwar Anfangs zwischen ihnen und der Arachnoidea oft unterbrochene unvollständige Häutchen von Innen und schief nach Aussen, aber bald findet man in der Regel hier nur Balken in mehr oder weniger reichlicher Menge. Da ausserdem am Seitentheil das Ligamentum denticulatum seine letzte Befestigung nach unten vom letzten Rückennerven hat, und dann mehr oder weniger schnell zu einer allmählig verschwindenden Firste an der Pia sich verschmälert, so ist es deutlich, dass wir vom Anfang des Lumbaltheils an mit Ausnahme der kleinen Räume im Septum posticum eigentlich nur einen einzigen, grossen Sub- arachnoidalraum haben, welcher von Balken und unterbrochenen unvollständigen Häutchen durchzogen ist. Die geschilderten Verhältnisse wechseln zwar mehr oder weni- ger, aber wir glauben nach zahlreichen Beobachtungen das Ange- führte als die gewöhnliche Anordnung wiedergebend hervorheben zu können. Wir finden also, dass es im hinteren Theil zwischen den Nervenwurzeln und dem Rückenmark einerseits und der Innenseite der Arachnoidea andererseits vom unteren Anfang des Rückenmarkes selbst nach oben bis an den oberen Theil des Halses zahlreiche Zwischenwände der einen oder der anderen Beschaffenheit geben, und dass also viele Hindernisse hier für die freie Strömung der Cerebrospinalflüssigkeit vorhanden sind. Dagegen ist der Weg so gut als frei zwischen der vorderen Fläche der hinteren Wurzeln und des Ligamentum denticulatum, so wie auch nach vorn von Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 319 diesem Ligament über die ganze vordere Fläche des Rückenmarks. Im oberen Halstheil ist er fast frei auch an der hinteren Seite, und das subarachnoidale Spatium nimmt hier mehr und mehr nach oben zu. Nachdem wir also in allgemeinen Zügen eine Schilderung der Anordnung der Arachnoidea und des Subarachnoidalgewebes gelie- fert haben, wollen wir jetzt den nicht nur für sich, sondern für die ganze Bindegewebsfrage so sehr interessanten feineren Bau dieses Gewebes betrachten. Obwohl man oft, wie die Geschichte der Bin- degewebsfrage hinreichend zeigt, den Bau der Subarachnoidalbalken zum Gegenstand für Studien gemacht hat, besonders um von ihnen Schlüsse über den Bau der Bindegewebsbalken im Allgemeinen ziehen zu können, so ist doch ihr wirklicher Bau nicht erörtert worden, nicht einmal bei den Untersuchungen, welche ganz neulich in dieser Hinsicht ihnen gewidmet worden sind. Der Arachnoidea selbst aber ist unseres Wissens in letzterer Zeit keine durch- greifende histologische Untersuchung mit Benutzung der jetzigen Hülfsmittel gewidmet worden, und der wirkliche Bau dieser Haut ist deswegen nicht in’s Reine gebracht. Wir können hier nicht in alle feineren Details eingehen, besonders nicht topographisch, sondern weisen auf unsere grössere Arbeit hin, hier nur das Wesentlichste und das allgemein Wichtigste angebend. Bei die- ser Beschreibung können wir uns ganz kurz fassen; die von unseren grösseren Abbildungen abgeschnittenen kleinen Figuren mögen nämlich eine ziemlich klare Einsicht über die Verhältnisse auch bei einer gedrängten Beschreibung geben; wir weisen daher auf sie und die ihnen zugefügte Erklärung hin. Nehmen wir zuerst die freien Subarachnoidalbalken in Beitächt; so haben wir solche in Fig, 1, 4, 5 und 6 wiedergegeben. Sie sind alle von der Arachnoidea des Hundes genommen, welche frisch in Osmiumsäure. eingelest wurde und dann nach Anilinfärbung in Wasser untersucht ist. Ein jeder dieser Balken besteht, wie die Figuren zeigen, aus einem Bindegewebsbündel, das aus feinen Fi- brillen zusammengesetzt ist, welche letztere isolirt erhalten werden können, wenn die Bündel zerzupft werden. Diese Bündel oder Balken sind — wie wir schon 1870 von den Arachnoidalbalken der Pacchioni’schen Granulationen beschrieben — theils gröbere, theils feinere, alle von einer vollständigen dünnen Scheide umgeben, welche das Bündel entweder dichter oder loser umgiebt. Im vorigen 320 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Falle ist ihre Contour oft schwer zu sehen, tritt aber doch bei genauer Untersuchung mittelst des Immersionstsystemes im Allge- meinen ziemlich deutlich hervor. Oft findet man die Bündel in der Scheide gewunden (wie in Fig. 5), während die Scheide selbst gerade verläuft. Betrachten wir jetzt die Scheide näher, so finden wir, dass sie ziemlich homogen ist, aber doch in der Regel eingestreute Körner zeigt. Am meisten auffallend sind die in gewissen Entfer- nungen zerstreuten Kerne. Diese liegen in der Haut selbst, sich bald nach innen bald nach aussen von derselben ausbuchtend. Sie sind bei frischer Untersuchung in indifferenter, Flüssigkeit oder nach Osmiumbehandlung oval, homogen, mit Kernkörpern versehen. In ihrer nächsten Umgebung findet man Körner in etwas grösserem Reichthum, aber in einer äusserst dünnen Schicht. Diese kleine Zone von Körnern um die Kerne färbt sich stärker in Anilin, als die übrige Haut, und hat in Allem ein mehr protoplasmatisches Aussehen, als die übrige Scheide. Ein Theil der Körner, sowohl hier als sonst an der Scheide, sind etwas grösser und haben einen fettkörnerähnlichen Glanz. Diese Scheide ist sehr vergänglich, wird leicht zerstört, findet sich oft zersprengt, so dass nur schwer erkenntliche Reste von ihr zurückbleiben, wenn man nicht ganz frisch eonservirtes Material besitzt. Oft findet man sie auch bei der besten Conservirung theilweise gesprengt oder in Form dünner hautähnlicher Fetzen abgetrennt, welche doch sehr erläuternd für den Bau des Häutchens sein können; oft findet man die Kerne an den Balken hängend und einen Theil des Häutchens oder nur einige kleine körnige Reste an ihnen festsitzend. Sie können dann leicht für Zellen von einer ganz anderen Gestalt genommen wer- den als die welche sie in der That besitzen. Bisweilen findet man unter den Balken Zellen, welche Iymphoiden Zellen vollständig ähneln, und welche mit den oben geschilderten Endothelzellen nichts zu thun haben. Wenn die Balken anschwellen, wie bei Behandlung mit Essigsäure, zerspringt die Scheidenmembran, ringförmige oder verschieden gestaltete Reste bleiben zurück und verursachen ent- sprechende Einschnürungen der zwischen den Ringen anschwellenden Balkenfasern; hierdurch entstehen die allermeisten der vielen eigen- thümlichen Formveränderungen der Balken, welche so sehr die Histologen beschäftigt haben. Die beschriebene Scheide um die Balken ist eine wirkliche Zellenscheide von äusserst dünnen Zellen gebildet, welche wir Endothelzellen oder Häutchenzellen nennen Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 321 wollen. Durch Silberfärbung erhält man die schönste Endothelzel- lenzeichnung, mit den dunkeln Zellencontouren die Balken in längs- gehenden Figuren umkreisend. Wir haben in unseren jetzt mitge- theilten Tafeln für eine solche Figur nicht Platz gefunden und haben eine solche weniger nothwendig als die mitgetheilten ange- sehen. Bei neugeborenen Thieren sind die Scheiden viel mehr pro- toplasmatisch als bei älteren. Wir wollen auf ihre Entwicklungs- geschichte hier nicht weiter eingehen, müssen aber doch bemerken, dass man überall im Umkreis der gröberen Balken mehr als eine Zelle in die Bildung der Scheide eingehen sieht, in welchem Falle alle die Zellen des Umkreises zur Fibrillenbildung des centrallie- genden Balkens beigetragen zu haben scheinen. Daneben findet man feine Balken, deren Scheide wenigstens in langen Strecken von einer einzigen Zelle gebildet zu sein scheint, und doch ist die Scheide vollständig. Man findet, als ein früheres Stadium bei dieser Bil- dung, protoplasmatische Zellen mit langen Ausläufern, in deren Innerem feine Fibrillen differenzirt sind; die Fibrillendifferenzirung des Protoplasma scheint von diesem Stadium aus mehr und mehr gegen die Fläche der Zellen und ihrer Ausläufer fortgehen zu können; das was an der Aussenseite nicht in die Fibrillenbildung aufgeht, bleibt als Scheide zurück, gewöhnlich mit einem kleinen Rest von Protoplasma um den Kern. Die geschilderten Balken gehen mit einander zahlreiche, ver- schiedenartige Verbindungen ein, von einzelnen zerstreuten, anasto- mosirenden Balken, bis zu vollständigen mehr oder weniger dichten Balkennetzen. Fig. 7 giebt ein solches Balkennetz oder, wenn man so will, ein durchbrochenes Häutchen von Subarachnoidalgewebe. Sowohl in dieser Figur, als noch besser in den Figuren 1 und 4, sieht man, wie an den Knotenpunkten der Balken in den Netzen theils eine Flechtung, theils ein wirklicher Fibrillenaustausch zwischen den Balken vor sich geht, und wie die Zellenscheiden derselben sich zu äusserst dünnen hautähnlichen Gebilden in den Winkeln zwischen den Bal- ken, so wie über die Lücken zwischen ihnen sich ausbreiten; und in Fig. 3 sieht man, wie ein solches. Balkennetz mit hautartigen Bildungen vorzugsweise in den Knotenpunkten, in ein vollständi- ges Häutchen übergeht, dadurch dass die äusserst dünnen Zellen in vollem Zusammenhang mit den Scheiden sich über sämmt- liche Lücken ausspannen. Man erhält also das Häutchen aus zwei Lagen ausserordeitlich dünner Zellen gebildet, zwischen welchen M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 91 322 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Lagen Fibrillenbündel in netzförmiger Anordnung verlaufen. Mit Silberfärbung bekommt man die Zellengrenzen scharf und gut mar- kirt; die Silberfärbung gelingt keineswegs immer, wenn sie aber gelungen ist, giebt sie ganz klare Bilder. Wir haben hier vor uns ein Verhalten, welches, wie wir in mancher Weise im Folgenden bestätigen werden, der Schlüssel für die Lösung vieler der am meisten verwickelten Punkte der Bindegewebsfrage ist; ja wir könnten sagen, wir haben hier den Prototypus der Balken- und Häutchenbildung des Bindegewebes, und diese letztere ist, wie man aus dem Folgenden sehen wird, viel allgemeiner, als man bis jetzt angenommen hat. Untersuchen wir ferner unsere Subarachnoidal- häutchen, so finden wir die reichlichsten Uebergangsformen von Balkennetzen bis zu vollständigen Häutchen. Eine Bildung, welche äusserst gewöhnlich vorkommt, ist die, welche Fig. 8 wiedergiebt, wo in grösseren oder kleineren Abständen die Maschen zwischen den Balken nicht von Zellenhäutchen überspannt sind, und daher als kleine, rundliche, wie ausgemeisselte Löcher offen stehen, deren Kanten von Balken gebildet sind; über die Ränder der Balken ver- einigen sich die Häutchen von beiden Flächen, hie und da kleine Verbrämungen ausserhalb der Balken bildend. Siehe auch Fig. 2. Nachdem wir also den allgemeinen Bau des Subarachnoidalge- webes mit seinen Häutchen nnd Balken kennen gelernt haben, können wir leicht den Bau des äusseren, begränzenden Häutchens selbst oder der Arachnoidea propria verstehen. Dieser Bau wird in Fig. 1 veranschaulicht. Man findet sie aus Balkennetzen gewöhn- lich in mehreren Schichten gebildet, welche sich reichlich, in der Regel mit netzförmiger Anordnung der Balken, verbinden. Die Lücken werden mehr. oder weniger vollständig von Häutchenzellen ausgefüllt, und die Balken strahlen zwischen ihnen aus. An den innersten Schichten ist die Verschliessung der Lücken oft unvoll- ständig, d. h. sie sind nach Art eines durchbrochenen einfachen Häutchens gebildet, man sieht kleine Oeffnungen oder Lücken in der inneren, oberflächlichsten Schicht. Im Boden dieser Lücken findet man eine tiefere Schicht mit ihren Häutchenzellen. Die Arachnoidea ist dann an ihrer freien Fläche von einer zusammen- hängenden Lage solcher Zellen überzogen, welche hier das früher bekannte Endothel bilden, an dem man auch ohne Silberfärbung leichter die Zellengrenzen sieht. In Fig. 1 sieht man, wie die Subarachnoidalbalken direct in die Arachnoidea übergehen und darin Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 323 sich ausbreiten, während ihre Scheiden in die Zellenhäutchen selbst übergehen. Bisweilen ist die ganze Membran nur von einem Paar Balken- schichten mit ihren doppelten Zellenhäutchen gebildet. An anderen Stellen wird sie an der Innenseite bedeutend verstärkt, so besonders an der hinteren Fläche über dem Septum posticum mit seinem reichen Subarachnoidalgewebe Nerven und Gefässe sind in den Subarachnoidalräumen aufgehängt oder an der Innenseite der Arach- noidea und der Piafläche durch solche Häutchen, wie die oben beschriebenen, angeheftet. Von den Rändern dieser durchbrochenen Häutchen sieht man dann oft Fasern, d. h. Balken, wie die in Fig. 1a wiedergegebenen, sehr lange Strecken verlaufen, ehe sie in die Arachnoidea oder die Pia selbst eingehen. Sie ähneln dann in einer auffallenden Weise wirklichen Spinnennetzen mit ihren An- heftungsfasern. In unserer grösseren Arbeit geben wir mehrere Zeichnungen hierüber. Oft sieht man in den Balken elastische Fasern in der Scheide eingeschlossen laufen. Hie und da findet man auch Nervenfasern in kürzerer oder längerer Strecke ihren Weg durch die Subarachnoidalbalken nehmen; oft sind es anastomosi- rende Nervenfasern zwischen den Nervenwurzeln, ein Theil von ihnen breitet sich dagegen in die Pia aus. Blutgefässe verlaufen oft in langer Strecke in solchen Balken eingeschlossen; so besonders in der Cauda equina. Das Gefäss liegt dann gewöhnlich dicht umschlossen von einem fibrillären Bindegewebshäutchen und dies ist auswendig von einem Zellenhäutchen umgeben, welches mit dem Silberreagenz eine schöne Zellenzeichnung giebt; hie und da setzen sich an diese, so zu sagen, frei im serösen Raume laufenden Blut- gefässe feinere oder gröbere Bindegewebsbalken an, welche das Gefäss an den umgebenden Theilen zu befestigen geeignet sind. Gehen wir jetzt zur Schilderung der Pia über, so müssen wir uns auch hier auf die Beschreibung ihres Grundtypus beschränken. Die Pia spinalis oder der das Rückenmark am nächsten umgebende Bindegewebsüberzug ist, wie bekannt, viel kräftiger entwickelt, als die Pia cerebralis. Wir haben schon erwähnt, dass subarachnoidale Häutchen und Balken sich an der Pia fast an jedem Ort mehr oder weniger reichlich befestigen; ebenso haben wir erwähnt, dass auch da, wo solche nicht frei in den Subarachnoidalräumen zwischen den beiden Membranen verlaufen, die Pia doch um das Rückenmark herum von subarachnoidalen Häutchen und Balkennetzen umsponnen 324 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: ist, in welchen die grösseren Gefässe angeheftet liegen, und welche mit einer Pincette auch an der Vorderseite mehr oder weniger von der Pia abgehoben werden können. Von diesen Häutchen, Balken und Balkennetzen gehen dann reichlich die Balken in die Pia hinein, und die Grenze kann oft schwer zu bestimmen sein; doch markiren sich, als die Pia selbst ausmachend, mehr oder weniger deutlich zwei Lagen, von welchen die innere bei allen von uns näher untersuchten Säugethieren sich ziemlich gleich bleibt, während die äussere sehr an Mächtigkeit wechselt. Die äussere wird von longitudinal und ziemlich parallel verlaufenden, mehr oder weniger groben, fibrillären Bindegewebsbündeln und dünnen fibril- lären Häutchen gebildet. Diese Schicht ist bei gewissen Thieren, wie z. B. beim Kaninchen, äusserst dünn, ja sie kann stellenweise oft mangeln. Die innere Lage aber, welche die für die Pia wesent- lichste ist und nie vermisst wird, ist eine äusserst dünne, feste Haut, welche dicht auf dem Rückenmark selbst liegt, welche aber doch von demselben leicht abgetrennt werden kann. Wir wollen diese Haut die Intima Pia nennen. Wenden wir uns zuerst zur äusseren längsgehenden Faserschicht, so finden wir sie, von allen den von uns untersuchten Thieren am stärksten entwickelt beim Menschen. Sie ist aber verschieden stark entwickelt in verschiedenen Theilen, besonders kräftig ist sie in den Seitentheilen in der Nähe des Liga- mentum denticulatum, wo man die Balken in länglichen Vierecken sich kreuzend findet, während sie sonst im Allgemeinen mehr paral- lel oder in häutigen Ausbreitungen in einer oder mehreren Schichten verlaufen. In Holzessig oder Essigsäure schwillt diese Lage unge- heuer. Beim Hunde ist sie weniger kräftig, als beim Menschen, und wird in grösseren oder kleineren Strecken ganz und gar ver- misst, aber im Verhältniss zu den anderen von uns untersuchten Thieren ist sie doch kräftig; bei der Katze ist sie weniger mächtig, beim Kaninchen äusserst dünn und mangelt an mehreren Orten in grosser Ausdehnung. Als ein Beispiel ihres Baues verweisen wir auf Fig. 9, welche vom Hunde herrührt und einen guten Typus ausmachen kann; die äussere, gegen den Subarachnoidalraum hin liegende Fläche ist nach oben gewandt. Man findet sie überzogen von einem äusserst dünnen, schwach körnigen Häutchen, mit zer- streuten Kernen, die nach Färbung mit Goldchlorid und Anilin sich von einer gefärbten, dünnen, körnigen Zone umgeben zeigen, welche ietztere diffus in das umgebende Häutchen übergeht. Das Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 325 geschilderte Häutchen spannt sich über die unterliegenden Balken und über die Zwischenräume zwischen ihnen aus. Es ist hier zu bemerken, dass diese Balken in dem Präparat, von welchem die Zeichnung genommen ist, durch die Behandlungsmethode (Gold- chlorid) bedeutend angeschwollen waren. In Osmiumsäure untersucht zeigen sie sich dünn und platt. Ehe wir die Balken näher be- sprechen, müssen wir indessen das überziehende Zellenhäutchen etwas eingehender beschreiben, in welchem wir leicht eine Bildung erkennen, die derjenigen von uns oben aus der Arachnoidea und dem Subarachnoidalgewebe geschilderten ähnlich ist. Wir haben auch zu wiederholten Malen an ihm durch Silberfärbung die schönste und vollständigste Endothelzeichnung erhalten, welche derjenigen der arachnoidalen Zellenhäutchen gleicht. Wir begegnen hier einer sehr interessanten Erscheinung, nämlich dem elastischen Fasernetz, welches in inniger Verbindung mit dem Zellenhäutchen sich deut- lich, so zu sagen an der unteren Fläche des Häutchens ausbreitet. Es bekleidet augenscheinlich nicht die unterliegenden Bindegewebs- balken, sondern das Flächenhäutchen selbst, und kann mit ihm abgelöst werden. Andererseits kann das Zellenhäutchen leicht zer- stört werden und das elastische Netzwerk allein zurück bleiben, entweder frei oder mit Resten des Zellenhäutchens, welche schwer- lich ihren Ursprung erkennen lassen, wenn man nicht deutliche Uebergangsstellen erhält. Ueberhaupt entzieht sich das Zellenhäut- chen selbst äusserst leicht der Beobachtung, und man bedarf einer scharfen Flächeneinstellung, um es zu sehen; bei den früher mehr allgemein gebräuchlichen Untersuchungsmethoden konnte es schwer- lich gut erhalten werden. Bei Anschwellung der Bündel findet man es nicht immer über die Zwischenräume gespannt, wie im vorliegenden Präparat, sondern oft zwischen ihnen sich einsenkend, wodurch viele missleitende Bilder entstehen können. Wenden wir uns jetzt zu den darunter liegenden longitudinalen Bindegewebs- bündeln, so sehen wir an ihnen in der mitgetheilten Figur Kerne und Zellen, welche gewissermassen den gewöhnlich abgebildeten Bindegewebskörpern ähnlich sind. Es gelingt indessen recht oft zu sehen, wie auch diese Zellen eine häutige Ausbreitung haben und Scheiden um die Bündel bilden, oft sieht man um die Kerne Pro- toplasma, welches sich auch verzweigt ausbreiten kann. Wir wer- den weiter unten dies näher besprechen, in Zusammenhang mit der Schilderung anderer fibrillärer Häutchen und Balkenbildungen. 326 Prof, Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Diese longitudinale Lage der Pia ist reich an Nerven, bezüg- lich deren Ausbreitung, so wie des Verhaltens der Blutgefässe wir auf unsere grössere Arbeit hinweisen. Nach der früher gegebenen Beschreibung vom Uebergang der subarachnoidalen Balken in Häutchen mag es einem jeden leicht sein zu verstehen, wie die Subarachnoidalbalken auch in das letzt- geschilderte, äussere Stratum der Pia übergeben. Der Uebergang geschieht in derselben Weise, und wir glauben uns hier nicht mit den Einzelheiten aufhalten zu dürfen. Aber in Zusammenhang mit der äusseren Pialage wollen wir den feineren Bau des Ligamentum denticulatum, welches mit dieser Lage in inniger Verbindung steht, mit einigen Worten besprechen. Oben erwähnten wir einige seiner makroskopischen Verhältnisse. Die Verfasser geben von seinem Bau gewöhnlich nur die kurze Erklärung, dass es ganz wie die Dura Mater gebaut ist; dies ist aber in so fern unrichtig, als das Ligament bei mikroskopischer Untersuchung, ja auch bei kleinen Vergrösserungen, sich nicht als eine zusammenhängende Membran zeigt, sondern durch und durch eribrirt ist und aus gröberen und feineren Bindegewebsbalken besteht, welche mit freien Zwischen- räumen netzförmig miteinander sich verbinden. Sie liegen in mehreren Schichten, welche untereinander Bindegewebsbündel aus- tauschen. Die Balken verlaufen meist schief rautenförmig, wie die Schenkel eines sogenannten Bauerfängers, und das Ligament erhält hierdurch eine grosse Dehnbarkeit. Die Balken sind von Zellen- scheiden umgeben, welche hie und da sich zu Membranen in den Lücken zwischen den Bündeln ausspannen, wie im Subarachnoidal- gewebe, und wir finden also auch hier die gleichen Verhältnisse für das Bindegewebe, wie wir oben geschildert haben. Einerseits gehen nun die Bündel am Rückenmark in die äussere longitudinale Pia- lage, sich darin ausbreitend, über, anderseits sammeln sie sich am freien Rande zu dem gröberen Randstrang, welchen wir oben ge- schildert haben und von welchem die von Balken gebauten Zacken auslaufen, eine räumliche trichterförmige Hülle von der Arachnoidea selbst erhaltend, und mit dieser durch den Subduralraum direct in die Bindegewebsbündel und Lamellen der Dura übergehend. Wir finden also, dass der Streit der Alten, ob das Ligamentum denticu- latum zur Pia oder Dura gerechnet werden solle, berechtigt sein konnte, es ist aber nunmehr in der That ohne alles Interesse, wie man diese Sache betrachtet. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 327 Wenden wir uns jetzt zur Pia zurück, so bleibt uns noch die hauptsächlichste oder innere Lage derselben, Intima Pia, zu schil- dern. Sie besteht, wie gesagt, aus einer sehr dünnen, gut begrenz- ten Haut von einem eigenthümlichen, aber sehr interessanten Bau, dessen nähere Erforschung uns lange und anhaltende Arbeit gekostet hat. Wir können hier nur das Allgemeinste ihres Baues wiedergeben, und gehen hier nicht auf die Abweichungen bei ver- schiedenen Thieren und Altern ein. Durch sorgfältige Präparation kann man diese Haut von dem eben beschriebenen, ausserhalb ihr liegenden, longitudinalen Stratum isoliren. Vom Rückenmark trennt sie sich leicht ab, ja beinahe zu leicht, weshalb es gar schwer ist feine Querschnitte von Pia und Rückenmark in beibehaltener Lage zu erhalten. Die innere am Rückenmark liegende Fläche findet man nach Abtrennung glatt und eben, nur mit zahlreichen, wie ein Wald hervorschiessenden Blutgefässen besetzt, welche vom Rückenmark herausgezogen sind und mit der Haut gefolgt haben. Sie stehen zu ihr in einem eigenthümlichen, oder vielmehr in ganz demselben Verhältniss, welches wir in unseren vorigen Mittheilungen (1870) betreffs der Pia des Gehirns geschildert haben. Wir kommen hier- auf zurück, nachdem wir den Bau der Haut näher besprochen haben. Für diese verweisen wir auf Fig. 10 und 11. Die erste giebt ein Ösmiumpräparat vom Hunde wieder, mit der Aussenseite der frag- lichen Haut nach oben; man findet an. dieser Figur zuerst wieder eine Häutchenzellenschicht von den hier oben so oft geschilderten Eigenschaften, zerstreute Kerne und um sie herum eine dünne pro- toplasmatische Zone, welche diffus in das schwachkörnige Häutchen übergeht. Unter und in Zusammenhang mit demselben findet sich ein elastisches Netz mit äusserst feinen und im allgemeinen vor- zugsweise longitudinal verlaufenden Fasern. Bei a ist in der Figur das Zellenhäutchen selbst zerstört, man sieht nur einzelne Reste aus Kernen mit einigen herumliegenden Körnern bestehend, - hier tritt aber um so deutlicher das elastische Fasernetz hervor. Bei ganz genauer Betrachtung sieht man zwischen ihnen wie einen äusserst dünnen, die Unterlage bedeckenden Anflug. Es scheint als ob die Fasern von einer ausserordentlich feinen Schicht zusammen- gehalten werden, welche zusammen mit den elastischen Fasern von der unteren Fläche der Zellen sich differenzirt und mehr Resistenz erhalten haben mögen, woher sie mit den erwähnten Fasern zu- rückbleiben kann, nachdem die Zellen sonst weggefallen sind. Wir 328 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: haben ein ganz ähnliches Verhältniss an mehreren anderen Orten gefunden: dass nämlich nach dem Wegfallen der Zellen einer Endothelzellenhaut ein äusserst dünnes, fast homogenes Häutchen, mit einem elastischen Netz zurückbleibt; so, um ein Paar Beispiele zu nennen, an der inneren Fläche der fraglichen Piahaut und an der Innenseite der Dura spinalis, sowohl bei Menschen als bei Thie- ren. Wir werden dies unten weiter besprechen. Unter diesem Häutchen verlaufen eigenthümliche, auch von den Verfassern beob- achtete, aber ihrer Lage und ihrem Verlauf nach nicht richtig beschriebene Fasern. Sie haben einen eigenthümlichen starken Glanz, gehen in hauptsächlich eirculärer Richtung, in der Regel einander in rautenförmiger Anordnung kreuzend und sind besonders steif, nie gewunden; wenn sie gebogen werden, wird die Biegung in der Regel sehr steil, als wenn man ein Schilfrohr biegt. Sie zeigen sich aus äussert feinen Fibrlllen zusammengesetzt und ver- zweigen sich gewöhnlich mit spitzigen Winkeln; angrenzende Bündel tauschen Fibrillen aus, welche in schiefer Richtung gehen und in dieser Weise rhombische Maschen bilden; oft sieht man sie sich fächerförmig ausbreiten, sich in kleinere Bündel oder in die äusserst feinen Fibrillen auflösen, welche dann mannigfach einander kreuzen. Wie wir erwähnten, verlaufen sie zum allergrössten Theil eirculär, aber eine oder andere sieht man in mehr schiefer, ja bisweilen mehr longitudinaler Richtung gehen; bisweilen liegen sie einander nahe in grösserer Ausdehnung, so dass sie mehr oder weniger breite platte Bänder bilden. Sie zeigen bei chemischen Reactionen Ueber- einstimmung mit Bindegewebsfibrillen, nicht mit elastischen Ele- menten. Diese Fasern, welche dem mittelsten Stratum der Intima Pia angehören, werden dann an ihrer Innenseite überzogen und von der Rückenmarksfläche getrennt durch ein äussert dünnes Häutchen, ähnlich dem, welches die Begrenzung der Intima nach aussen bildet. Betrachtet man die innere Fläche der Pia bei scharfer Einstellung, sieht man dieses Häutchen die steifen Cir- culärfasern bedeckend und als eine dünne Schicht mit zerstreuten, feinen Körnern hervortretend. Daneben finden sich auch hier, aber bei weitem nicht immer, ovale Kerne in gewissen Entfernungen, und um diese Kerne sieht man besonders nach Färbung in Gold- chlorid eine feine, mehr protoplasmatische Zone, welche die Kerne umhüllt; die Begrenzung dieser Zone ist gewöhnlich diffus, und davon gehen oft strahlenförmige Ausläufer, welche auch einen x Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 3239 diffusen Rand haben, über das Häutchen hinaus. Bei den Kaninchen ist es am leichtesten gelungen, diese Zellen an, der Innenseite zu sehen; ebenso treten sie gut bei neugeborenen Thieren hervor, wo sie eine stärkere körnige Umgebung haben, wie auch das ganze Häutchen mehr körnig ist (s. Fig. 11). Es scheint, als ob die Kerne, bei Abtrennung der Haut vom Rückenmark, bei älteren Individuen leicht sich ablösten, warum man sie gewöhnlich nur an zerstreuten Stellen beibehalten findet. Am besten bekommt man sie nach unserer Erfahrung bei Behandlung des frischen Rückenmarks mit Goldchlorid, weniger vollständig bei Osmiumbehandlung oder durch andere Präparationsmethoden zu sehen. Unmittelbar in und unter dem geschilderten Häutchen, und wie es scheint mit demselben in Zusammenhang, erhält man ganz wie am äusseren Zellenhäutchen der Intima ein elastisches Netz mit länglichen Maschen, in der Regel in Längenrichtung gehend, und also die steifen Circulärfasern kreuzend. Dieses Netz sieht man in der einen Ecke der Fig. 10 bei b. Es tritt nicht immer, ohne Behandlung mit besonderen Rea- gentien, hervor. In Fig. 11, welche die Intima einer jungen Katze wiedergiebt, wo sie mehr körnig und protoplasmatisch ist, tritt es nicht hervor. Bisweilen scheint dieses elastische Fasernetz wirk- lich zu mangeln oder äusserst unvollständig entwickelt zu sein, so dass seine Fasern nur angedeutet, nicht scharf differenzirt sind. Ausserdem sieht man bisweilen auch in der Intima selbst eine An- deutung einer sehr feinen Längsstreifung. Fassen wir jetzt das von der Intima Pia Gesagte zusammen, so finden wir, dass sie aus drei Schichten besteht, nämlich einem äusseren, begrenzenden Zellenhäutchen, mit einem mehr elastischen, longitudinalen Netzwerk, einer Mittelschicht mit den steifen, im Allgemeinen rautenförmig angeordneten, circulären Fasern, und einem inneren, dünnen, nach dem Rückenmark hin abschliessenden Zellenhäutchen, ebenfalls mit einem feinen elastischen Netz nach der eirculären Schicht zu. Die also geschilderte Intima Pia liegt nun dicht an der Fläche des Rückenmarkes und ist mit einer dünnen Flächenschicht von Neuroglia leicht vereinigt, aber doch so innig, dass kein freier Zwischenraum (His, Epispinalraum) hier vorhanden ist. Die Neu- roglia befestigt sich, ohne Modification ihres Gewebes zu erleiden, an der gegen sie übrigens scharf und gut als Haut begrenzten Intima Pia, und die steifen Fasern der Mittelschicht treten keines- 330 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: wegs in die Neuroglia hinein. Die Intima Pia verhält sich zu den in das Rückenmark eingehenden Blutgefässen in einer sehr interessan- ten Weise, welche ganz mit dem übereinstimmt, was wir vor zwei Jahren von der Pia cerebralis schilderten, nämlich dass die Pia mit den Gefässen trichterförmige Verlängerungen bildet, welche sich als Scheiden um die Gefässe im Gehirn und Rückenmark fortsetzen. In Fig. 12 und 13 haben wir aus dem Rückenmark solche Trichter und Scheiden abgebildet. Es ist die Intima Pia, von welcher sie gebildet werden. Sie sind, wie wir in Fig. 15, welche ein in Zu- sammenhang mit der Pia vom Rückenmark herausgezogenes Gefäss wiedergiebt, sehen können, sehr geräumig, besonders in ihrem An- fang, woneben sie am Abgang der Gefässzweige oft eine grosse Ausbreitung haben. Oft kann man in dieser Weise isolirte Gefässe weit in ihre Verzweigungen, überall von kernführenden Scheiden umgeben, isolirt erhalten. Die Trichter erfüllen in ihrer natürlichen Lage vollkommen die trichterförmigen Oefinungen, welche man an der Fläche des Markes in die Gefässkanäle hineinleiten findet, nach- dem die Gefässe entfernt sind. In Fig. 12 sieht man einen solchen Piatrichter von oben, mit seiner grossen, rundlichen Oeffnung a, in welche das Gefäss eintaucht. Die steifen Fasern der Cireulärschicht der Intima verhalten sich zu den Trichtern und Scheiden in einer eigenthümlichen Weise, wie wir in den Fig. 12 und 13 finden können. Sie laufen mit dem Trichter und der Scheide ebenso steif und gerade, wie in der Pia selbst, trennen sich aber im Allgemei- nen etwas von dem inneren Zellenhäutchen und legen sich dicht an die Wände des Gefässes, oft dasselbe mit ihren Zweigen überkreuzend, wie Fig. 13 zeigt. Diese zahlreichen Trichter oder Piaverlängerungen mit ihren in das Rückenmark eintretenden Gefässen, tragen in hohem Grade zur Befestigung der Pia an der Spinalfläche bei. An der Fläche einer abgetrennten Pia sieht man sie alle von demselben Bau als feine Zotten flottiren, wenn die Haut in einer Flüssigkeit liegt. In die Fissuren des Rückenmarkes senkt sich nicht nur die Intima Pia, sondern auch Balken und Häutchen vom äusseren lon- gitudinalen Piastratum, welche also in den Fissuren den mittleren Theil der Piaverlängerungen bilden, und die Blutgefässe zwischen sich enthalten. An jeder Seite sind diese Septa nach dem Rücken- marke hin von der Intima Pia begrenzt, welche wo Gefässe ab- gehen, um an den Seiten der Fissuren in das Rückenmark ein- en Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 331 zudringen, ganz wie an der Oberfläche, Trichter und Scheiden mit- sendet. Wir haben in unseren früheren Mittheilungen beschrieben, wie eine Injection von den Subarachnoidalräumen des Gehirns durch die Piatriehter und dann in die Blutgefässscheiden fortläuft ohne zwi- schen die Pia selbst und die Gehirnoberfläche (wenn nicht eine Berstung entsteht) einzutreten, und wir haben darum die Gegenwart eines Epicerebralraumes, wie er von His zwischen der Pia und dem Gehirn geschildert wurde, bestritten. Wir können jetzt mittheilen, was uns übrigens schon seit 1870 bekannt war, dass am Rückenmark dasselbe Verhalten, wie am Gehirn, vorhanden ist, welches übrigens aus dem über den Bau der Pia Angeführten schon hervorgehen mag. Unsere Injectionen haben wir fortwährend auf die von uns früher beschriebene Weise ausgeführt. Wir haben also die Flüssig- keit (gewöhnlich Richardsons Blau), durch ihre eigene Schwere und gewöhnlich mit sehr geringer Druckhöhe, von einem Trichter hinab- fliessen lassen; der Trichter war durch ein Gummirohr mit einer Glascanüle, deren Spitze wir in die Subarachnoidalräume oder in den Subduralraum zwischeu Arachnoidea und Dura eingeführt, je nachlem wir eine Injection an dem einen oder anderen Ort haben wollten, oder auch haben wir eine Doppelinjection mit verschiedenen Flüssigkeiten in die Subdural- und Subarachnoidalräume gemacht, und dies Alles bei einer grossen Anzahl von Menschen und Thieren, Bei einer derartigen Injection in die Subarachnoidalräume des Rückenmarks füllen sich zuerst diese, das ganze Rückenmark ent- lang, so wie die des Gehirns, wie wir früher geschildert haben; dann dringt die Masse auch in die äussere, longitudinale Pialage, zwischen ihre von Häutchenzellen überzogenen Balken und Häutchen. Die Intima Pia bildet allein überall eine Barriere zwischen der Masse und dem Rückenmark; in die Fissuren geht die Masse auch auf ganz dieselbe Weise in die eindringenden Piaverlängerungen ein, aber die Intima Pia trennt sie auch hier an den Seiten von dem Rückenmark ab. Durch die oben geschilderten Piatrichter rinnt die Flüssigkeit in die Gefässscheiden ein, und läuft mit ihnen in das Rückenmark fort (Fig. 40). Wir haben auf diese Weise die Blutgefässscheiden weit in die Zweige hinein injieirt. Nie geht die Masse zwischen die Intima Pia und das Rückenmark, oder zwischen den Gefässscheiden und dem Rückenmark hinaus; und wir müssen 332 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: daher auch hier die Gegenwart eines His’schen Epispinalraumes be- streiten, so wie wir auch festhalten müssen, dass die Lymphe um die Blutgefässe des Rückenmarks in derartigen, von der Intima Pia herstammenden Gefässscheiden, und nicht ausserhalb derselben läuft. Es ist auch aus dem Dargestelllen klar, dass diese Scheidenräume in offener Verbindung mit den Subarachnoidalräumen stehen, welche ihrerseits überall sowohl mit dem Rückenmark als dem Gehirn zu- sammenhängen. Wir wollen uns jetzt zum peripherischen System wenden und dabei zuerst nachsehen, wie die Häute sich zu den abgehenden Nerven verhalten. Wir müssen dann erst zur Beantwortung die alte Frage aufnehmen, ob die Arachnoidea als eine geschlossene Haut, betrachtet werden kann, welche mit einem parietalen Blatt über die Innenseite der Dura, wie Pleura über die Brustwand, reflectirt ist, oder ob die Dura keinen solchen arachnoidalen Ueberzug hat. Wir wollen dann zuerst nachsehen, wie die Innenseite der Dura beschaffen ist. Dass ihre Fläche von einer Epithel- oder Endothel- schicht, ähnlich der arachnoidalen, überzogen ist, wird von den Verfassern ziemlich allgemein angegeben; dies ist aber in der That nicht Alles, was an der inneren Durafläche innerhalb der Fibrillen- balken vorhanden ist. Sowohl bei Menschen als Thieren haben wir hier nämlich an der Innenseite ein äusserst dünnes Häutchen gefunden, welches fast in Allem den Häutchen ähnelt, die wir von der Intima Pia, als beide Flächen ihrer transversalen Mittelschicht bekleidend, be- schrieben. Aeusserlich finden wir eine sehr dünne Lage von platten Zellen, welche den von uns so oft beschriebenen ähnlich sind, die aber hier, wie an der Fläche der Arachnoidea, ihre Grenzen auch ohne Silberfärbung hervortreten lassen können. Diese Zellenlage ruht auf einem ausserordenlich feinen, mehr homogenen, oder mit sparsamen Körnern versehenen Häutchen, in welchem ein Netzwerk von sehr feinen, elastischen Fasern sich ausbreitet. Das äusserst feine Häutchen zwischen den elastischen Fasern berstet oft, und die Fasern werden dann frei. Wir haben hier nicht Platz für die Abbildung dieses Häutchens gefunden, verweisen aber auf die Fig. 10, als ein ganz analoges Verhalten wiedergebend. Diese innere Be- kleidung der Dura kann oft in grossem Zusammenhang abgelöst werden, und an Querschnitten sieht man das Häutchen nicht selten sehr schön flottiren. Im Vorbeigehen mag erwähnt werden, dass Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 333 wir mehrmals kleine Perlengeschwülste aus concentrischen Epithel- oder vielmehr Endothelbalken gefunden haben, die eben von diesem Häutchen hervorragten und mit ihm flottirten, und allem Anscheine nach eben von den Endothelzellen gebildet waren. Aehnliche kleine Balken haben wir auch im Subarachnoidalgewebe gefunden hier von seinen Eindothel- oder Häutchenzellen ausgehend. Fragen wir uns jetzt, was das Häutchen an der Innenseite der Dura mit der Arachnoidea zu thun hat, und ob es als die über die Dura reflectirte Schicht der- selben zu betrachten ist, so müssen wir von unserem Standpunkte aus sagen, dass diese Frage eigentlich von keinem Gewicht oder keinem Interesse mehr ist, und dass sie sowohl bejahend als verneinend beantwortet werden kann. Wir wollen zuerst nachsehen, wie die Arachnoidea sich zu den Balken verhält, die zwischen ihr und der Dura verlaufen. Die stärksten von ihnen sind die Zacken des Li- gamentum denticulatum. Die Arachnoidea verhält sich zu ihnen in derselben Weise wie zu den feineren Balken. Wie oben erwähnt ist, wird die Arachnoidea von diesen Zacken nicht durchbrochen, sondern sendet mit ihnen geräumige Scheiden, welche sie bis zur. Dura begleiten. Diese Scheiden gehen nun direct in die geschilderte, innere Bekleidungshaut der Dura über, während die von den Scheiden umgebenen Balken in die Balken der Dura übergehen. Die Arachnoidalscheiden hängen aber nicht nur mit der Flächenschicht der Dura zusammen, sondern können auch direct in feine Endothelhäutchen fortgehen, welche wir im Inneren der Dura, als Hüllen und Zwischenmembranen zwischen den fibril- lären Balken- und Häutchenschichten der Dura, gefunden haben. Oft gehen die von den Arachnoidalscheiden umgebenen Balken wie z. B. die Zacken des Ligamentum denticulatum, nicht unmittelbar in die oberflächlichste Balkenschicht der Dura über, sondern sie dringen mehr oder weniger tief in die Dura in Löchern oder Spal- ten hinein, und gehen dann in tiefer liegende Schichten über; so auch die Zellenhäutchen. Wir können hier auf eine Detailbeschrei- bung der Dura nicht eingehen, sondern verweisen auf unsere grös- sere Arbeit, um so mehr als wir an mehreren Stellen dieser Abhandlung Schilderungen von Bindegewebshäuten geliefert haben, welche mehr oder weniger auch für die Dura gelten. Nach erwor- bener Kenntniss derselben wird man die hier von der Dura gege- benen Andeutungen besser verstehen. Diese mögen indessen hin- reichend sein, um uns zu berechtigen folgende Erklärung mit 334 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Hinsicht des Zusammenhanges der Arachnoidea und Dura zu geben. Die Arachnoidea ist, wenn man so sagen will, membranöses Bindege- webe, zum grössten Theil aus dünnen Häutchenzellen und verhält- nissmässig sparsamen fibrillären Balken gebildet, und sie geht an den Balkenanheftungen in das an Balken und Fibrillen sehr reiche Binde- gewebe der Dura über. Die Arachnoidea hängt sowohl mit dem Flä- chenendothel als mit Zeilenhäutchen im Inneren der Dura zusammen. Wir wollen jetzt zu den austretenden Nerven übergehen und sehen, wie die Häute sich zu ihnen verhalten. In unseren Mitthei- lungen von 1870 haben wir schon mitgetheilt, dass wir sowohl vom Subduralraum als von den Subarachnoidalräumen, sowohl von denen des Gehirns als des Rückenmarkes, die abgehenden Nerven weit in ihre Zweige hinein, die Rückenmarksnerven weit ausserhalb der Spinalganglien, injicirt haben; dass die Masse mit den Nerven in ihren Lymphscheiden um die Nervenbündel fortlief; ferner dass wir an den Scheiden dieser Räume bei Thieren aller Wirbelthier- klassen durch Silberfärbung Endothelzeichnung erhalten, und dass wir beim Frosch diese Silberzeichnung bis in die Rückenmarkshäute verfolgt haben. Wir theilen hier als Beispiel einige Abbildungen von solchen Injectionen mit, und unter diesen weisen wir zuerst auf die Fig. 21, 22 und 23 hin, welche eine subarachnoidale Injection wiedergeben. Fig. 21 zeigt den Querschnitt eines Hunderückenmarks am Lumbaltheil, etwas oberhalb der Cauda equina. Man sieht an der- selben, wie die Nervenbündel rings um das Rückenmark schön angeordnet liegen, und wie die Injectionsmasse die Zwischenräume der Bündel füllt, und auch in die Piaverlängerung der Fissura anterior eindringt. Wenn man die Häute hier untersucht, findet man sie Umhül- lungen und verbindende Balken an den einzelnen Nervenbündeln bilden, welche letztere mehr und mehr vereinigt werden, um end- lich die resp. austretenden Nerven zu formiren; diese sind aber vor ihrem Austritt aus dem Canal der Rückenmarkshäute oft in einer längeren oder kürzeren Strecke durch eribrirte Subarachnoidalhäut- chen oder strafferes Balkenwerk an der Innenseite der Arachnoidea angeheftet. Am eigentlichen Austritt der Nerven findet man nun, dass die Dura eine Scheide mit jedem Nerven absendet, welch e dann denselben röhrenförmig umgiebt. Wenn wir in unserer Beschreibung uns hier nur an den Menschen halten, so finden wir, Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 335 betreffend das Verhalten der vorderen und hinteren Wurzel zu ein- ander beim Austritt, dass einige Variationen hier vorkommen. Entweder gehen die beiden Nervenwurzeln nahe an einander, aber anfangs getrennt aus, und jede hat dann in der Nähe ihres Aus- trittes ihre eigene Duralscheide, bald aber schmelzen diese Scheiden zusammen, obwohl mit Beibehaltung einer Scheidewand zwischen den Wurzeln (bei einigen Thieren gehen sie mehr allgemein auf diese Weise isolirt und bleiben länger getrennt) ; in anderen Fällen laufen sie dicht bei einander, wie es scheint in Gesellschaft aus, von ein- ander aber doch durch eine Zwischenwand von der Dura getrennt; in anderen Fällen gehen sie dagegen anfangs wirklich beisammen, aber früher oder später entsteht dann eine Scheidewand durch Hineinschiebung von der Duralscheide aus. Weiter hinaus, dem Ganglion näher, entstehen immer mehr solche durale Scheidewände zwischen den Nervenbündeln und das Verhältniss wird dann ver- wickelter. Durch eine.-Reihe von Querschnitten veranschaulichen wir dies in unserer grösseren Arbeit. In diesen duralen Scheide- wänden tritt in grösserer oder kleinerer Menge Fett auf, und oft findet man es in den Nervenwurzeln in sehr grosser Menge, immer aber in den Scheidewänden, welche durch Einschiebung von der Dura aus gebildet sind. Wenden wir uns jetzt zum Verhalten der Arachnoidea und des Subarachnoidalgewebes zu den abgehenden Nerven, so sehen wir in der Fig. 22, wie die Subarachnoidalinjection um die Bündel in die Nervenwurzeln fortläuft. Fig. 23, welche den Längenschnitt einer solchen Wurzel und ihres Ganglion wiedergiebt, zeigt, wie die Injectionsmasse die Bündel der Nervenwurzeln umspült, mit der motorischen Wurzel am ganzen Ganglion vorbei geht und mit der sensorischen in das Ganglion selbst hinein folgt, in diesem sich aus- breitend und auf einigen Stellen auch durch das ganze Ganglion, dessen äusserster Theil auf der Figur nicht mit abgebildet ist, sich fortsetzend.. Wenn man ‚mikroskopisch untersucht, wo hier die Injectionsmasse sich befindet, so sieht man, dass sie in Räumen um und zwischen den Nervenbündeln liegt, nach aussen gegen die Dura von einem oder mehreren der Arachnoidea ganz ähnlichen Häutchen, und übrigens von einem dem subarachnoidalen ganz ähn- lichen, mit Häutchen und Balken versehenen Gewebe begrenzt. Eine Untersuchung an der Austrittsstelle selbst zeigt uns auch, dass die Arachnoidea mit ihrem Subarachnoidalgewebe direct in die Dural- 336 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: scheide der Nervenwurzel fortgeht; dann folgt sie dem Nerven inner- halb der Duralscheide und der oben genannten duralen Scheide- wände bis zum Ganglion hinaus. An der Austrittsstelle bildet indessen die Arachnoidea zahlreiche Verbindungen mit der Dura und auch längs den Scheiden der Wurzein ist eine reichliche Verwachsung durch Austausch von Balken in der oben geschilderten Weise vor- handen. Wir müssen also für die Wurzeln der Spinalnerven zwischen dem Rückenmark und den Ganglien erstens eine gemeinsame Dural- scheide unterscheiden, welche anfangs mehr einfach ist, dem Gan- elion näher aber mehrere innere Scheidewände bildet, die beim Menschen oft an Fettgewebe reich sind, und innerhalb dieser Dural- scheide mit ihren Scheidewänden wieder eine Arachnoidalscheide, welche die Nervenwurzeln umhüllt und durch reichliche Häutchen und Balkenwerke Räume bildet, die eine Fortsetzung der Subarach- noidalräume sind. Zwischen der Duralscheide und dem äussersten Blatte der Arachnoidalbekleidung, der directen Fortsetzung der Arachnoidea spinalis, geht ein Raum, welcher, wie der Subdural- raum des Gehirns und Rückenmarks gewöhnlich nicht als solcher erscheint, weil die Arachnoidea dicht an der Duralscheide anliegt; dieser Raum ist doch eine directe Fortsetzung des Subduralraumes des Rückenmarks; aber die Verbindungen zwischen der Dura und der Arachnoidea sind, wie oben erwähnt, weit reichlicher in den Nervenwurzeln als im Allgemeinen um das Rückenmark. Wenn man eine subdurale Injection macht, so geht die Injectionsmasse auch in den Subduralraum der Nervenwurzeln fort und folgt den duralen Scheidewänden der Nervenbündel bis zu den Ganglien, ja sogar in dieselben hinein und an ihnen vorbei in die peripherischen Nerven hinaus, wovon mehr unten. Wenn man aber eine Doppel- injection macht, so findet man, wenn die Injection gelingt und hin- reichend vordringt, die Injectionsflüssigkeiten getrennt, die eine im Subduralraum und die andere in den Scheidenräumen, welche wir als Fortsetzung der Subarachnoidalräume geschildert haben, und zwischen beiden läuft die äusserste Arachnoidalkante. Wir haben also hier, abgesehen von den duralen Scheidewän- den zwischen einigen Nervenbündeln, ganz dasselbe Verhältniss, welches wir früher an dem Opticus geschildert, wo wir, wie es be- kannt sein mag, auch zwei Scheiden gefunden, eine äussere Dural- scheide als unmittelbare Fortsetzung der Dura cerebri, und eine innere Arachnoidalscheide mit balkigem Subarachnoidalgewebe, eine ee Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 337 unmittelbare Fortsetzung der Arachnoidea, und jede dieser Scheiden mit besonderen, bis zu dem Bulbus Oculi leicht injieirbaren Räumen. Sieht man jetzt nach, wie die geschilderten Häutchen und Lymph- wege der Nervenwurzeln sich weiter hinaus in und um das Ganglion verhalten, so findet man, wenn man zuerst die äusseren Theile betrachtet, dass sie mit der motorischen Wurzel direct verlaufen. Die umhüllende Fortsetzung der Arachnoidea wird allmählich immer reicher an Lamellen, mehrere arachnoidale Blätter liegen concentrisch um einander und die subarachnoidale Injection läuft zwischen allen oder nur zwischen einigen derselben fort. Sie geht auf diese Weise dem Ganglion vorbei in den Nerven hinaus, wovon unten mehr. Wenn man jetzt den Verlauf der Injection mit der sensorischen Wurzel in und um das Ganglion verfolgt, mag es vielleicht am besten sein zuerst die Verhältnisse an der Oberfläche des Ganglion zu betrachten. Die Duralscheide setzt sich hier über das Ganglion fort und schon innerhalb des Ganglion ist sie an ihrer Fläche so innig mit dem ausserhalb liegenden Fettgewebe vereinigt, welche wie eine Tunica adiposa den Nervenwurzeln aus dem Rückenmarks- canale hinaus folgt. Innerhalb der Duralscheide des Ganglion geht jetzt auch das Arachnoidalgewebe weiter, wie wir mit einem ge- meinsamen Namen hierfür jetzt die Fortsetzung der Arachnoidea selbst und das Subarachnoidalgewebe nennen mögen. Mehrere feine Zellenhäutchen liegen innerhalb einander. Die Verwachsungen mit der Dura werden immer zahlreicher. Die Arachnoidalhäutchen neh- men reichlich Balken auf, besonders in der Umgebung der Blutge- fässe und hierdurch wird es oft schwer die Grenze gegen die Dura bestimmt anzugeben. Indessen findet man bei gelungenen Injectio- nen, wie die Masse, sowohl bei Menschen als bei Thieren in diesen periglanglionären Häutchen dem ganzen Ganglion vorbei in den Nerven hinaus fortläuft. Hier scheint, um von den Injections- resultaten zu urtheilen, keine vollständige Trennung zwischen dem Subduralraum und den Scheidenräumen, welche Fortsetzungen der Subarachnoidalräume sind, vorhanden zu sein. Der reichliche Austausch von Gewebebestandtheilen zwischen der Dura und den nach innen liegenden Häutchen verursacht, dass an gewissen Stellen die Grenze verwischt erscheint, während man sonst in grösster Ausdehnung den von der Arachnoidesa stammenden Häutchen über das ganze Ganglion zum Nerven folgen kann. Von diesen äusseren Häutchen gehen nun Fortsetzungen in das M. Schultze, Archiv f. mikrosk. skonib, Bd. 9. 2 338 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Innere des Ganglions hinein, die zwischen sich Spaltenräume bilden, in welchen die Injectionsmasse von der Oberfläche in das Innere des Ganglions fortläuft; das Verhalten derselben am letztern Ort werden wir später besprechen, wenn wir kennen gelernt haben, wie die Injectionsmasse sich verhält, wenn sie den Nerven in das Innere des Ganglions direct folgt. Auch von der Dura gehen zahlreiche Fortsetzungen in das Ganglion hinein, und sie können auch dort Fettgewebe enthalten. Bei einer unvollständigeren Injection findet man mehrere oder wenigere von den in dem Ganglion noch als Bündel verlaufenden Nervenfaserpartien vollständiger oder unvoll- ständiger von der Injectionsflüssigkeit umgeben, und diese befindet sich dann in Scheidenräumen von feinen Zellenhäutchen gebildet, welche den subarachnoidalen ähnlich sind (Fig. 29). Diese Häut- chen sind auch eine directe Fortsetzung der oben geschilderten subarachnoidalen Umhüllungen der Nervenwurzeln in das Ganglion hinein. Die von ihnen gebildeten Räume stehen durch die von aussen eintretenden Häutchen auch in Verbindung mit den peri- ganglionären Räumen, und die Injectionsmasse kann von aussen in die Scheidenräume im Inneren des Ganglion übergehen oder auch umgekehrt vom Inneren zu den äusseren Scheidenräumen austreten. Man erhält aber die Injectionsmasse nicht nur in den Scheiden- räumen der in das Ganglion tretenden Nervenbündel, sondern sie verbreitet sich im Ganglion auf eine verwickeltere Weise. Um dieses Verhältniss zu schildern, müssen wir zuerst einen flüchtigen Blick auf den Bau der Ganglien werfen, müssen aber dabei von der Beschreibung der relativen Anordnung der Ganglienzellen und Nervenbündel u. dgl. in diesem Aufsatz als von geringerem Interesse für unseren eigentlichen Hauptgegenstand ganz abstehen. Nirgends haben wir das interstitielle Gewebe der Ganglien einigermassen hinreichend genau geschildert oder abgebildet gefun- den und eine solche Schilderung mag auch ohne aile Kenntniss der von uns gefundenen äusserst reichlichen Lymphbahnen und ohne Kenntniss der feineren Structurverhältnisse der in den Bau der Ganglien so wesentlich eingehenden, von der Arachnoidea und dem Subarachnoidalgewebe stammenden Häutchen fast unmöglich gewesen sein. An den feinsten Schnitten zeigt sich das Gewebe, z. B. zwi- schen den Ganglienzellen, so complieirt und wir besitzen so wenige Mittel klar auf einmal die Art aller der Fasern, Häutchen, Kerne etc., die hier vorhanden sind, kennen zu lernen, dass man so zu sagen Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 339 die Textur stückweise hervorpflücken und jedes darin eingehende Gewebe für sich erörtern muss. Dass die Zwischenräume der Gan- glienzellen nicht aus einem compacten Bindegewebe bestehen, dessen verdichtete Grenze die Kapseln der Ganglienzellen wäre, davon kann man sich ziemlich leicht überzeugen, besonders wenn man die Essig- säure ganz vermeidet, die für solche Untersuchungen so verderblich ist, wenn ihre Anwendung nicht auf gewisse specielle Zwecke be- schränkt wird. Betrachten wir zuerst die Ganglienzellen selbst und ihre Kapseln. Die letzteren sind sehr dünne blasenartige Bildungen um die Ganglienzellen. Von der Innenseite der Kapseln sieht man, wie Fräntzel geschildert hat, eine Lage protoplasmatischer, kern- führender Zellen. Diese trennen also die Kapsel von der Ganglien- zelle selbst und ihre Lage, welche wenn sie auch undeutlich auf Fig. 30 erscheint, ist bald dicker, bald dünner und rings um die Kapsel gehend; wenn die Ganglienzelle während der Präparation weggefallen und die Kapsel also leer geworden ist, sieht man die Zellenlage oft in der schönsten Ausbreitung über die ganze innere Fläche. Bisweilen sieht man das Protoplasma von der einen oder anderen Zelle dieser Lage Ausläufer aussenden, welche zur Ober- fläche der Ganglienzelle gehen. Sie können doch ein Kunstproduct sein, durch etwaige Schrumpfung der Ganglienzellen entstanden. Die Ganglienzellen füllen, wie bekannt, im Allgemeinen nicht die Kapsel aus oder vielmehr es ist gewöhnlich ein Zwischenraum zwi- schen der Zellenfläche und den Bekleidungszellen an der Innenseite der Kapsel. Wir können indessen nicht der allgemeinen Meinung beistimmen, dass dieser ganze Zwischenraum in der Regel durch die Schrumpfung der Ganglienzelle entsteht, denn wir finden ihn auch bei Anwendung solcher Untersuchungsmethoden, wo eine Schrumpfung nicht leicht vorkommen kann, wie bei frischer Unter- suchung oder bei Osmiumerhärtung. Auf den feineren Bau der Ganglienzellen selbst wollen wir hier nicht näher eingehen; doch mag erwähnt werden, dass wir wie andere Verfasser so- wohl bei Säugethieren als Batrachiern nie mit einiger Sicherheit mehr als einen wirklichen Zellenausläufer von ihnen ausgehen ge- sehen haben. Dieser von einer von der Kapsel stammenden Scheide umgebene Ausläufer ist oft recht grob und kann bisweilen ziem- lich weit verfolgt werden. Ausser den Ganglienzellen und ihren Ausläufern mit den zugehörenden Kapseln und Kapselzellen gehen ferner in die Bildung des (ranglion die in verschiedenen Richtungen 340 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: verlaufenden als solche erkennbaren, wirklichen Nervenfasern ein, und daneben findet man häutchenähnliche, mehr oder weniger fibril- läre, mit Kernen versehene Ausbreitungen und gewöhnlich feine Bindegewebsfibrillen, welche frei zu sein scheinen, aber dann, nach Allem zu schliessen, zum grossen Theil mechanisch abgetrennt sind. Hierzu kommen noch die Blutgefässe, die gröberen und die feineren. Alle diese Bildungen scheinen nicht dicht zusammenge- packt zu liegen, sondern es zeigen sich Lücken hie und da zwischen ihnen. Compacter wird das Gewebe, wo Fortsetzungen von der Dura ausgehen, oder wo die Häutchen reichlicher Balken führen. Wenn wir nach dieser skizzirten Darstellung zu unseren Injectio- nen zurückkehren, so trefien wir ganz eigenthümliche Verhältnisse. Wir haben oben geschildert, wie die Injection in Räumen zwischen den von aussen eintretenden Häutchen und in Scheidenräumen um die zu Bündeln gesammelten Nervenfasern fortlief. Untersucht man nach einer gelungenen Subarachnoidalinjection eine Stelle, wo die Injection im Ganglion nahezu vollständig ist, so findet man, dass die Masse im Ganglion, so zu sagen, überall zwischen den Nerven- elementen, wie Fig. 30 wiedergiebt, sich ausgebreitet hat. Die Kapseln der Ganglienzellen sind davon umspült, ohne dass die Flüssigkeit jemals in sie einzudringen pflegt, und die übrigen in das Ganglion eingehenden Theile schwimmen so zu sagen darin. In den Nervenbündeln findet man ein Verhältniss, welches man übri- gens schon in den zum Ganglion gehenden Wurzeln wahrnehmen kann, dass die Masse von den Scheidenräumen um die Nervenbündel zwischen die einzelnen Fasern eindringt, welche letztere also auch hier wie in der Flüssigkeit schwimmen. Diese Injectionsresultate stimmen, wie es uns scheint, ganz gut mit dem Aussehen des Ganglions ohne Injection überein, und da unsere Injectionen bei äusserst niedrigem Druck ausgeführt sind, sahen wir sie lange Zeit als für die Ganglien ganz zuverlässig an. Ob sie in Allem so wirk- lich angesehen werden können, darüber lernten wir doch Zweifel zu hegen, nachdem wir Einstichsinjectionen in die Ganglien zu machen begannen, welche ganz neue und für die Geschichte der Lymph- bahnen des Nervensystems höchst interessante Resultate ans Licht brachten. Wir sahen dann, ganz wie bei der Subarachnoidalinjection, die Masse in den Scheidenräumen um die Nervenbündel im Inneren der Ganglien fortlaufen und weiter sich durch grössere von Zellen- häutchen gebildete Spalten im Ganglion selbst und vermittelst sol- Studien in der Anatomie des Nervensystemes 341 cher auch zwischen die periganglionären Häutchen austreten und von da ferner sowohl gegen die Nervenwurzel central nach dem Rückenmark als auch längs der peripherischen Nerven fortlaufen ; aber statt der mehr diffusen Injection zwischen den Nervenfasern und den Ganglienzellen erhielten wir nun derartige schöne Lymph- netze, wie wir sie mit möglichster Naturtreue in den Fig. 31, 32 abgebildet haben. Dieses Netzwerk, welches die Ganglienzellen und Nervenfasern reichlich umgiebt, mündet überall in die oben erwähnten grösseren Scheidenräume aus, sowohl im Inneren des Ganglions als an seiner Oberfläche und wir haben also hier den schönsten Beweis für die Natur und die Verwandtschaft dieser Scheidenräume mit den Lymphgefässen, und wir finden auf demselben ein bis jetzt sanz unbekanntes äusserst reichliches Lymphnetz, welches unter allen Verhältnissen in den Spinalganglien vorhanden ist, und wel- ches Netz nicht in die äusseren Lymphgefässe ausmündet, sondern in Räume, welche in directem Zusammenhang mit den Subarach- noidalräumen stehen. Eine grosse Schwierigkeit finden wir noch, eine befriedigende Erklärung der verschiedenen Resultate bei der Einstichsinjection und der Subarachnoidalinjection vom Rückenmark aus, so wie auch das richtige Verhältniss der so ausgeprägten, theilweise netzförmigen Injection zu der diffusen zu verstehen, um so mehr, als wir durch beide Methoden zum Theil ganz dieselben Räume injieirt erhalten. Wir wollen hierüber keine Hypothesen machen, sondern nur die Facta mittheilen, hoffen aber durch andere Methoden bald diese Sache ganz ins Reine zu bringen. Indessen mag erwähnt werden, dass man auch bei Injection von den serösen Räumen des Rückenmarks aus, nicht selten, besonders wenn die Injection unvollständiger ist, ihre Flüssigkeiten in Gängen und Spaltenräumen um die Ganglienzellen fortlaufen und sich nicht so diffus zwischen ihnen ausbreiten sieht. Ehe wir zu den periphe- rischen Nerven selbst übergehen, wollen wir nur im Vorbeigehen erwähnen, dass wir in den Ganglien des sympathischen Nerven- systems dasselbe Resultat wie bei Einstichsinjectionen in die spinalen Ganglien erhalten haben, wovon weiter unten. Als wir am Anfang dieser unserer Untersuchungen vor drei Jahren zu unserer grossen Ueberraschung Injection der peripheri- schen Nerven von den Lymphräumen des Gehirns und Rückenmarks erhielten, und dies so vollständig, dass wir alle Augennerven und den Olfactorius in ihre Zweige hinein, den Trigeminus in seinem Ramus 342 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: alveolaris bis über seinen Austritt aus dem Foramen mentale hinaus, den Hypoglossus bis zur Zunge u. s.w., und vom Rückenmark aus, z. B. in die Sacral- und Lumbalnerven solche Injection, wie die auf Fig. 39 abgebildete; und da wir ferner auch fanden, dass die Scheiden der Nervenbündel, in deren Zwischenräumen die Injection verlief, nach Silberfärbung die schönste Endothelzeichnung gaben, und dies constant in allen Klassen der Vertebraten, wie wir schon 1870 mitgetheilt haben, und es uns klar wurde, dass wir es hier mit im ganzen peripherischen Nervensystem fortlaufenden und in Zu- sammenhang mit den serösen Räumen des centralen Nervensystems stehenden Lymphbahnen zu thun hatten, von welchen die ganze neuere Literatur kein Wort zu melden hatte, ahnten wir nicht, dass es in der That nicht das erste Mal war, dass diese Bahnen, wenigstens in den peripherischen Nerven, injicirt wurden, obwohl sie nicht richtig aufgefasst worden waren. Es war in der zu wenig beachteten Abhandlung Robin’s, Notes sur le p&rin&vre, dass wir fanden, dass der Franzose Bogros vor 45 Jahren (1825) mit Quecksilber die peripherischen Nerven bis zu den Ganglien injicirte, an welchen letzteren vorbei die Injection aber nicht weiter fortlief. Bei Injectionen unter die Dura Mater hatte er das Queck- silber bis zu dem inneren Ende der Ganglien fliessen gesehen. In den feineren peripherischen Zweigen scheint es gelungen zu sein, die Injection sehr weit zu treiben. Bogros hatte ‘auf Grund seiner Injectionen angenommen, dass alle Nervenbündel eines Ner- ven, mit Ausnahme derjenigen des Nervus opticus, acusticus und olfaetorius, von einem Canal umgeben waren, durch welche die Injeetion dringen konnte, und der zunächst von einer Tunica interna und ausserhalb derselben von dem allen Nervenbündeln eines Ner- venstammes gemeinsamen sog. Neurilem begrenzt wurde. Diese schönen Untersuchungen !), welche eigentlich Anregung zur Erfor- schung der Lymphwege der Nerven gegeben haben sollten, wurden mit dem grössten Misstrauen empfangen, bekämpft und ganz ver- gessen. Obwohl Cruveilhier,die Beobachtungen Bogros bestä- tigte und auch eine jedem Nervenbündel angehörige Hülle annahm, 1) Leider ist es uns nicht gelungen, die Originalarbeit Bogros’ uns zu verschaffen: M&moire sur la structure des nerfs, lu & P’academie des sciences le 2. Mai 1825 (Röpertoir general d’Anatomie et de physiologie, Paris 1827 T. 4) und wir kennen sie daher nur durch das Referat Robin’s. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 343 welche er als von seröser Natur betrachtete und gaine propre nannte, gewann das Verhältniss nicht die verdiente Aufmerksamkeit und für das eigentliche Injectionsresultat wurde vielleicht auch das Interesse dadurch vermindert, dass Cruveilhier angab, dass die Injection central in den Nervenbündeln lief, mit den Nervenfasern um sich zerstreut, welches Alles nicht auf wirkliche Lymphbahnen hindeutete. Robin theilte in seiner oben citirten Arbeit eine ausführliche Beschreibung des Perineuriums mit, welchem 'er eben diesen Namen gab. Aber auch seine Beschreibung hat dem Perineurium keine Aufmerksamkeit von der Seite der Histologen und Physiologen zu gewinnen vermocht. Zum Theil hat man Robin nicht richtig verstanden, dazu gab er vielleicht selbst etwas Anlass. Als er das Perineurium mit dem Sarcolemma der Muskelfasern verglich und meinte, dass keine Blutgefässe die Scheide oder den Tubus, welcher von demselben um jedes Nervenbündel gebildet wurde, durchdrängen, so war dies unrichtig und für Andere missleitend. Uebrigens schilderte er das Perineurium als ein Gewebe ganz eigener Art, »espece nouvelle d’el&ment anatomique«. Die eigentliche Structur war nach ihm sehr einfach; das Perineurium bestand aus einer homogenen Substanz, gestreift oder ungestreift und mit Kernen in ihrer Masse versehen. Der wirkliche Bau des Perineurium wurde also, wie aus unserer Beschreibung hervorgehen wird, von Robin nicht gefunden, aber seiner Schilderung der Ausbreitung etc. und des bestimmten Unterschiedes desselben vom eigentlichen Neurilem liegen manche gute und richtige Beobachtungen zu Grunde Um die feineren Nerven haben mehrere Verfasser umhüllende Scheiden erwähnt und abgebildet, so auch einer von uns, aber diese Scheiden sind bis jetzt nicht in ihrer rechten Bedeutung aufgefasst worden und gewöhnlich hat man sich mit der Angabe begnügt, dass sie vom Neurilem stammen, welches diese Form angenommen hat, oder auch hat man sie als Schwann’sche Scheiden bezeichnet. Wenn man den Querschnitt eines grösseren Nerven, wie z. B. des Ischiadicus (Fig. 24) untersucht, so findet man, wie bekannt, dass er aus einer Menge von Nervenfaserbündeln besteht, von welchen einige dicht an einander liegen, während die meisten mehr oder weniger getrennt sind, sämmtlich doch von einem Bindegewebe zusammengehalten, welches nach aussen an der Peripherie dichter ist und die äussere Umhüllung des ganzen Nervenstammes bildet, 344 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: welche Umhüllung doch unter dem Mikroskop oft keine so scharfe Grenze zeigt, als man aus der makroskopischen Beschaffenheit glau- ben konnte. In diesem Gewebe tritt in den Zwischenräumen zwi- schen den Nervenbündeln mehr oder weniger reichliches Fettgewebe, oft in höchst bedeutender Menge, auf; betreffs seiner Form richtet sich dieses Fettgewebe gewöhnlich mehr oder weniger nach den Nervenbündeln, zwischen welchen es in einiger Entfernung liegt. Ausserdem findet man die gröberen Blutgefässe der Nerven in die- sem Gewebe verlaufen, welches bisher mit dem gar zu umfassenden Namen Neurilem bezeichnet worden ist. Betrachtet man den Quer- schnitt näher, so findet man auch bei geringerer Vergrösserung zunächst um jedes Nervenbündel einen mehr oder weniger breiten Ring, welcher von der Umgebung sich deutlich und gewöhnlich scharf markirt. Dies ist Robins Perineurium, ein Name, den wir glauben mit scharfer und bestimmter Begrenzung eben für dieses die Nervenbündel zunächst umschliessende Gewebe beibehalten zu können. Den Namen Neurilem glauben wir dagegen schon jetzt ganz und gar ausstreichen zu müssen, wie ungern wir auch dies Weg- nehmen einer Benennung, die so allgemein benutzt ist, vorschlagen. Aber eben weil das Verhalten des Bindegewebes in den Nerven, wie wir zu behaupten wagen, so unbefriedigend erforscht gewesen, ist das Wort Neurilem gar zu umfassend, denn es ist benutzt wor- den, um Alles das zu bezeichnen, was zum Bindegewebe in den Nerven gehört; ja sogar die Primitivscheide der einzelnen Nerven- fasern (Kölliker) oder die Schwann’sche Scheide ist Neurilem genannt worden. Desswegen weiss man nie, was mit dieser Benen- nung gemeint wird, sofern sie nicht von einer Definition begleitet ist. Da wir glauben, — und in dieser Hinsicht wird man uns wahr- scheinlich recht geben; dass man bei Beschreibungen, sowohl in der normalen als in der pathologischen Anatomie der Nerven, einen strengen und bestimmten Unterschied zwischen dem Perineurium um jedes Nervenbündel und dem Bindegewebe nach Innen von demselben, zwischen und um die Nervenfasern selbst, und ferner dem Bindegewebe, welches die Nervenbündel zusammenhaltend, ausserhalb des Perineurium liegt, einen strengen und bestimmten Unterschied machen muss, so schlagen wir vor, dass man, wie gesagt, mit Beibehalten des noch nicht missbrauchten und übrigens auch gut gewählten Wortes Perineurium das Bindegewebe nach Innen von demselben, in den Nervenbündeln selbst Endoneurium Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 345 und das zusammenhaltende Bindegewebe ausserhalb des Perineurium zwischen den Bündeln Epineurium nennt. Wenn man das Perineurium nach einer gelungenen Injection des Nerven, entweder einer Stichinjection oder von den serösen Räumen des Rückenmarks oder Gehirns aus betrachtet, so sieht man, wie Fig. 24 zeigt, dass wo die Injection vorgedrungen ist, sie eben den Platz des Perineurium einnimmt, und bei stärkeren Vergrösserun- sen findet man, dass sie zwischen feine Häutchen gelaufen ist, aus welchen das Perineurium zusammengesetzt erscheint. Untersucht man es ohne Injection an einem Querschnitt, so sieht man es im Allgemeinen so, wie Fig. 41 wiedergiebt. Es erscheint bei verschie- denen Behandlungsmethoden bald mehr homogen, ungefähr wie es Robin geschildert hat, bald mit deutlicher markirten, concentri- schen Streifen, zwischen welchen es oft ein gewisses körniges Aus- sehen zeigt, woneben hie und da eingestreute Kerne vorhanden sind. An Längenschnitten gehen die Streifen in der Längenrichtung. Hie und da kann man, sowohl an Längen- als Querschnitten, wie freie Spalten in den Streifen sehen, und mit Nadeln kann man es mehr oder weniger leicht in dünne Häutchen zertheilen, aber am prachtvollsten und am leichtesten erhält man es in diese Häutchen gespalten, wenn man auf zweckmässige Weise behandelte Quer- schnitte gefrorener frischer Nerven untersucht. Fig. 42 giebt einen kleinen Theil eines solchen Präparates wieder und zeigt, wie das ganze Perineurium sich in diese feinen Häutchen gespalten hat, welche concentrisch, das eine ausserhalb des anderen, das Nerven- bündel umgeben, hie und da, wenn auch ziemlich sparsam, durch zwischenlaufende Balken verbunden. Diese Häutchen ähneln in hohem Grade Arachnoidalhäutchen, und sind in der That eine mehr oder weniger directe Fortsetzung von solchen Häutchen. Man kann im Perineurium drei Strata unterscheiden, nämlich an jeder Fläche ein äusserst feines Zellenhäutchen, und zwischen diesen eine mehr oder weniger, gewöhnlich aber doch wenig entwickelte, fibrilläre Schicht. Wenn man ein Perineuralhäutchen in Flächen- ausbreitung untersucht, so findet man, z. B. nach Osmium- und Anilinbehandlung, an der Oberfläche die dünne Häutchenzellen- schicht mit zerstreuten, oft, leicht abfallenden, homogenen, mit Kern- körpern versehenen Kernen, welche entweder keine protoplasma- tische Umgebung, oder auch eine mehr oder weniger deutliche haben, die dann gewöhnlich in das übrige Zellenhäutchen diffus 346 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: übergeht. In diesem letzteren sieht man auch zerstreute Körner, und oft tritt darin eine gewisse eigenthümliche, netzförmige Zeich- nung, wie von unvollständig differenzirten Fasern auf (Fig. 14). Hie und da findet man, besonders nach Behandlung mit Essigsäure oder Holzessig, dünne Zellenplatten mit etwas umgebogenen Kanten sich von der Oberfläche des Perineuralhäutchens isoliren, und es gelingt bisweilen die zellulären Flächenschichten in grösserer Aus- dehnung abzulösen. Mit Silberfärbung geben, wie wir 1870 beschrie- ben haben, alle Perineuralhäutchen die schönste Endothelzeichnung, und dies an allen Nerven des Körpers und bei allen von uns unter- suchten Vertebraten; diese Endothelzeichnung zeigt immer polygo- nale Maschen, welche indessen bei verschiedenen Thieren von ver- schiedener Grösse sind (so z.B. sind sie sehr gross bei Batrachiern und Fischen). Wir konnten hier des Raumes wegen nur eine von unseren Abbildungen dieser Endothelzeichnung mittheilen, nämlich vom Sympathicus eines Kaninchens (Fig. 46). Man sieht auf dieser Figur das mehrschichtige perineurale Maschennetz, sowohl um die Nervenzweige wie um eine Partie eines Ganglion, mit welchem diese Nervenzweige zusammenhängen. Hier mag erwähnt werden, dass auch das Perineurium des spinalen Ganglion nach Silberfär- bung eine solche Endothelzeichnung gibt. Unter der zellulären Flächenschicht der Perineuralhäutchen erscheinen wie an der Intima Pia und unter der Zellenhäutchenbe- kleidung der Dura Mater hie und da feine, elastische Fasern, welche entweder sehr sparsam sind oder auch dichter stehen, verzweigt sind und Netze bilden; sie gehen in Längenrichtung. Zwischen den so beschaffenen Flächenschichten laufen gröbere oder fei- nere, platte Bindegewebsbalken (Fig. 14a) in Längenrichtung, in längerer oder kürzerer Entfernung von einander, bisweilen in rautenförmiger Anordnung. Sie bestehen aus feinen Fibrillen, welche sich oft von den Balken abzweigen und sich in dem Häut- chen zerstreuen. Auf Querschnitten sieht man diese feinen Fibril- len als Körner. In Holzessig schwellen die Perineuralhäutchen bedeutend (Fig. 43, 44, 45). Sie zeigen dann nach Anilinbehandlung eine sehr schöne Anordnung. Wenn sie dicht beisammen liegen, sieht man feine rothe, concentrische kernführende Linien und zwischen diesen eine grauliche Masse mit schwachen, hellen Zeichnungen. Die rothen Linien sind die von Anilin gefärbten, zellulären Flächen- Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 347 schichten von welchen je zwei, wenn sie von zwei zusammenliegen- den Häutchen gegen einander gepresst werden, wie einfach erschei- nen. Eine gelungene Trennung der Häutchen zeigt dieses Verhält- niss, wie es auch Fig. 43 wiedergiebt. Es ist die faserige Zwischen- schicht des Häutchens, welche durch die Einwirkung des Holzessigs angeschwollen ist, und die grosse Verdickung des Häutchens ver- anlasst hat. Wir haben mit Hinsicht auf die Injection in den peripherischen Nerven bis jetzt nur erwähnt, dass die Injectionen in die Zwischen- räume der die Nervenbündel umgebenden Perineuralhäutchen fort- läuft. Sie dringt zwischen diese Häutchen aus den die Ganglien umgebenden Häutchenräumen oder den ganglionären Perineural- räumen hinein, wie auch aus den Häutchenräumen, welche die aus dem Inneren der Ganglien austretenden Nervenbündel umschliessen. Umgekehrt haben wir gefunden, dass sowohl bei Menschen als bei Thieren (Hunden, Katzen, Kaninchen) nach Stichinjection in den peripherischen Nerven die Injectionsflüssigkeit auf denselben Wegen in die Ganglien hinein, um dieselben und ihnen vorbei, sowohl in den Subdural- als noch öfter in die Subarachnoidalräume einfliesst. Bei der einen sowohl wie bei der anderen Injection kann man sich vollständig von der periganglionären, und der noch mehr ent- wickelten, intraganglionären Fortsetzung der Perineuralhäutchen und von ihrem endlichen Uebergang in Arachnoidal- und Subarach- noidalhäutchen überzeugen. Die Injectionsflüssigkeit geht aber nicht nur in das eigentliche Perineurium der Bündel der peripherischen Nerven, sondern dringt aus diesem in das Nervenbündel selbst hin- ein, und geht dabei aus dem Perineurium in Spaltenräume und lückenförmige Gänge, oder auch sie geht in entgegengesetzter Richtung auf denselben Wegen aus dem Inneren des Nervenbündels zwischen die Perineuralhäutchen aus, wenn man nämlich Stich- injection in’s Innere des Nervenbündels macht. Aber die Flüssigkeit bleibt nicht in diesen Bahnen, sondern sie breitet sich auch hie und da, ganz wie wir von den Ganglien oben geschildert haben, auf grösseren und kleineren Strecken um die einzelnen Nervenbün- del aus, so dass diese wie in der Injectionsflüssigkeit baden. Hier entsteht sogleich die Frage, ob dies natürliche Wege sein können. Wenn man so injieirte Nerven an Quer- oder Längenschnitten untersucht, so findet man, dass die Injectionsmasse in den grösse- ren Spalträumen liegt, jederseits von feinen Häutchen begrenzt, 348 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzins: welche aus dem Inneren des Nervenbündels zum Perineurium füh- ren, in dessen Häutchen diese (vom Inneren des Nervenbündels kommenden) Häutchen sich fortsetzen. Mit Holzessig behandelte Nerven geben über diese Verhältnisse manche Aufklärungen. Wir verweisen auf die Fig. 43, 44, 41, jene von Holzessigpräparaten, die letzte nach einem mit chromsaurem Kali, Weingeist und Karmin behandelten Präparat; auf diese Figuren sowohl als die Figuren 36, 37, 47, 48 u. m. gestützt, werden wir das innerhalb der Perineuralhäutchen befindliche Bindegewebe oder das von uns so benannte Endoneurium zu schildern versuchen. Ein vom Perineurium umgebenes Nervenbündel ist, auch wenn es beim flüchtigen Betrachten einfach erscheint, doch immer in mehrere oder wenigere Unterabtheilungen getheilt, welche am Querschnitt durch hellere, verzweiste, breitere oder schmalere Streifen zwischen den Nervenfasern markirt sind. Diese Ab- theilungen entstehen auf die Weise, dass einzelne Perineuralhäut- chen vom Perineurium sich abtrennen und ins Innere des Ner- venbündels eingehen, wo sie sich fortsetzen, das Nervenbündel anfangs in grössere Partien eintheilend. Sie werden dabei reicher an Fibrillen, als im Perineurium selbst, und schwellen also mehr bei Behandlung mit Essigsäure. Von einer solchen Scheidewand, welche aus mehreren Häutchen besteht (Fig. 41, 44), sieht man das eine Häutchen nach dem anderen sich nach der Seite wenden, um eine kleinere Partie der Nervenfasern des Nervenbündels abzuthei- len und zu umschliessen. Die Blutgefässe verlaufen, nachdem sie durch das Perineurium gedrungen sind, mit diesen endoneuralen Häutchen in das Innere des Nervenbündels, sie sind zunächst von einer oder mehreren, concentrisch um ihre Wand angeordneten Scheiden umgeben, welche aus ganz gleichartigen zellulären, an Fibrillen besonders reichen Häutchen bestehen; an Holzessigpräpa- raten sieht man im Querschnitte diese Gefässhäutchen sehr schön als breite, concentrische Ringe um das Gefäss. Fast immer sieht man an einem quergeschnittenen Nerven ein solches von feinen Häutchen umgebenes Blutgefäss in der Mitte der dreieckigen Partie, welche an der Innenseite des Perineurium, da wo dieses feine endo- neurale Scheidewände einsendet, gebildet wird; aber auch hie und da im Inneren des Nervenbündels, besonders in den grösseren, endo- neuralen Häutchenausbreitungen finden sich die immer von ihren concentrischen Häutchen umgebenen Gefässe. Hier mag erwähnt . Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 349 werden, dass wir an manchen anderen Stellen des Körpers, in ver- schiedenen Organen und Geweben diese Anordnung, welche zu der Bindegewebsfrage in inniger Beziehung steht, wiedergefunden haben, dass nämlich die Blutgefässe zunächst von einem oder mehreren, concentrischen, mit Häutchenzellen bekleideten Fibrillenhäutchen umgeben sind, welche mehr oder weniger stark in Holzessig oder Essigsäure anschwellen. Durch das von den endoneuralen Fortsetzungen des Perineu- rium Gesagte ist leicht zu verstehen, in welche Bahnen die Injection vom Perineurium aus zwischen die kleineren Abtheilungen des Nervenbündels hineinkommt. Um aber zu fassen, wie sie um die einzelnen Nervenfasern hineingelangt, muss man kennen, wie die nächste Umgebung der einzelnen Nervenfasern beschaffen ist. Deswegen mag indessen zuerst eine Darstellung von dem Bau und der Zusammensetzung der Nervenfasern selbst, wie wir sie gefun- den haben, gegeben werden. Wir haben schon seit längerer Zeit Untersuchungen hierüber bei den verschiedenen Wirbelthierklassen angestellt, wollen aber vorzugsweise das Verhältniss beim Menschen schildern, um so mehr als die Mittheilungen, welche Ranvier in der letzten Zeit vom Bau der Nervenfasern gegeben, die Nerven des Menschen nicht berühren. In Zerzupfungspräparaten und diese am besten von durch Osmium erhärteten Nerven sieht man die myelin- haltigen Nervenfasern zunächst ausserhalb ihrer Myelinscheide von der Schwann’schen Scheide umgeben; diese, welche in der Regel sich dicht an das Myelin anschliesst, ja oft so dicht, dass es schwierig ist sie in weiten Strecken zu sehen, ist ein mehr oder weniger, dünnes durchsichtiges, nach Osmiumbehandlung schwach grauliches Häutchen, in welchem man keine Structur, keine Faserung oder dergleichen sehen kann. Wenn solche Osmiumpräparate mit Anilin gefärbt werden, nimmt die Schwann’- sche Scheide gewöhnlich einen schwachen, röthlichen Ton an und tritt deswegen sehr deutlich hervor, sobald sie vom Myelin noch so wenig getrennt ist (Fig. 48c, 50). Hie und da (Fig. 48d, 50, 51, 52, 54) sieht man in ihr ovale, abgeplattete, in der Längenrichtung der Nervenfaser befindliche Kerne, welche nie an der Aussenseite der Scheide liegen, wie Ranvier in seiner vorigen Mittheilung behauptete, sondern viel mehr, wie er in der letzten!) angegeben 1) Diese letztere Mittheilung Ranvier’s ist uns bis jetzt leider nur 350 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: hat, an ihrer Innenseite, indem sie gewöhnlich etwas in das Innere der Faser hineinragen und dort eine grössere oder kleinere Ein- buchtung der Myelinscheide bilden. Sie liegen doch eigentlich in der Wand der Schwann’schen Scheide selbst, denn weder an der Aussen- noch an der Innenseite der Kerne sieht man die Contouren der Scheiden. Diese Kerne, welche oft eine ansehnliche Grösse haben, sind fast constant, wenn auch in etwas wechselnder Menge, von einer Art Protoplasmazone umgeben, die aus einer Ansamm- lung von Körnern besteht, welche theils ganz klein und dichtlie- gend, theils grösser und von einem eigenthümlichen, gelblichen Glanz sind. Diese körnige Ansammlung ist dicht an der Innenseite der Scheide, zwischen ihr und dem Myelin, gelagert; sie liegt um die erwähnten Kerne, besonders an deren Enden, und streckt sich von ihnen als eine längliche Scheibe in der Längenrichtung der Nervenfaser. Bisweilen kann diese körnige Scheibe eine bedeutende Länge haben (Fig. 51), und bisweilen geht sie fast rings um die Peripherie der Nervenfaser. Wir haben sie beim Menschen sowohl bei älteren als jüngeren Individuen sehr ausgeprägt gefunden; bei kleinen Kindern war sie gewöhnlich sehr reichlich. Wo diese, von ihrer Protoplasmazone umgebenen, von uns seit mehreren Jahren bekannten Kerne liegen, findet sich oft eine kleine Erweiterung der Schwann’schen Scheide. Ausserdem sieht man nicht selten in ihrer Nähe eine oder mehrere rundliche Kugeln zwischen dieser Scheide und der Myelinscheide liegen, welche Kugeln zufolge ihrer Dunkel- färbung durch Osmiumsäure wahrscheinlich als freie Myelinkugeln anzusehen sind; sie können auch weiter entfernt von den Kernen liegen. Wenn man den Abstand zwischen diesen von Protoplasma umgebenen Kernen misst, findet man, wie auch Ranvier angege- ben hat, dass sie im Allgemeinen in gewissen, für Nervenfasern derselben Dicke ziemlich bestimmten Distanzen liegen (Fig. 54). Wir haben eine Menge solcher Messungen an den verschiedenen Nerven des Körpers gemacht, wollen aber die Mittheilung derselben, wie im Allgemeinen aller von uns genommenen Masse, erst in unserer grösseren Arbeit geben. Hier können wir doch erwähnen, dass wir, wie Ranvier, die Entfernungen an den breiteren Nervenfasern immer grösser, und um so kleiner, je schmaler diese sind, gefunden durch die eben erschienenen Referate (im Centralblatt f. d. Med. Wissensch., und in den Schmidt’schen Jahrbüchern) bekannt. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 351 haben. Die Entfernungen der Kerne derselben Nervenfaser sind nicht immer ganz gleich; doch ist der Unterschied nicht gross. In den Zwischenräumen zwischen den Kernen befinden sich die von Ranvier in der letzten Zeit beschriebenen Einschnürungen (Fig. 57—61). Von diesen interessanten Bildungen giebt es an den Nervenfasern constant eine in jedem solchen Zwischenraum, ge- wöhnlich auf gleicher, bisweilen aber in etwas ungleicher Entfer- nung von den Kernen. Diese Einschnürungen, welche hauptsächlich der Schwann’schen Scheide angehören, sind indessen von etwas wechselnder Beschaffenheit. An der Schwann’schen Scheide findet sich in der Regel eine grössere oder kleinere Erweiterung beider- seits von der Einschnürung; die letztere bildet zwischen diesen etwas erweiterten Partien eine bald stärkere, bald schwächere Ver- engerung, welche die ganze Peripherie der Scheide einbegreift. Oft sieht man an dieser Verengerung keine Verdickung oder andere derartige Bildung der Scheide (Fig. 61), sondern sie’hat dort die- selbe Dicke wie an beiden Seiten davon. Oft, und dies scheint das gewöhnlichste Verhältniss zu sein, findet sich dagegen eben an der Einschnürungsstelle selbst in der Scheide eine kleine, ringförmige Verdickung (Fig. 57—59), welche im optischen Querschnitt als ein kleiner, dreieckiger, etwas glänzender Fortsatz mit der Spitze nach der Achse der Nervenfaser erscheint; bisweilen sieht man am opti- schen Querschnitt eine solche Verdickung nur an der einen Seite der Scheide. Die Myelinscheide hört gewöhnlich dicht bei oder in der Nähe dieser Einschnürungen auf, indem sie sich gewissermassen um den Axencylinder zuspitzt, welcher seinerseits das Lumen der Einschnürung in der Regel nicht erfüllt. Hie und da haben wir indessen die Myelinscheide sich continuirlich durch die Einschnü- rung fortsetzen gesehen, und dann findet sich an dieser Scheide nur eine grössere oder kleinere Verengerung (Fig. 61). Zuweilen sind interessanter Weise sogar solche Einschnürungen der Schwann’- schen sowohl als der Myelinscheide so unbedeutend und so wenig markirt, dass man sie nur mittelst der Berechnung ihrer Lage mitten zwischen zwei Kernen finden kann. Wir nennen diese die unvollständigen Einschnürungen. Mit dem Silberreagenz färben sich die Einschnürungsstellen als braune Ringe; der Achsencylinder wird auch in der Nähe oft etwas gefärbt. Um die Aussenseite der Ein- schnürungen haben wir gewöhnlich eine feinkörnige, protoplasmati- sche Ansammlung gefunden (Fig. 57—59), durch welche die Einschnü- 352 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: rungsstelle erfüllt und mit Anilin röthlich gefärbt wird, aber in dieser körnigen Partie haben wir keinen Kern oder andere derar- tige Bildung wahrgenommen. Betreffs der histologischen Bedeutung dieser Einschnürungen ist es deutlich, dass sie den Grenzen zwischen den tubulären Zellen (Häutchenzellen) entsprechen, aus welchen die Schwann’sche Scheide zusammengesetzt ist, und deren Kerne die von einer körnigen Protoplasmazone umgebenen Kerne sind, welche immer nur je einer, in der Mitte zwischen den Einschnürungen liegen. Davon überzeugt man sich auch leicht durch Untersuchung der Nerven von Embryonen. Diese hier gegebene Schilderung vom Bau der Nervenfaser gilt für alle mit Myelinscheide versehenen Fasern, sei es dass diese Fasern breiter oder schmaler sind. Wie bekannt haben sie nämlich eine sehr verschiedene Breite, und dies in vielen Gradationen. Die breiteren und die schmaleren Fasern kommen in den meisten Nervenbündeln auf einander vermischt vor; bald sind die breite- ren überwiegend, bald die schmaleren. Die Kerne der schmaleren mit Myelinscheide versehenen Fasern liegen, wie oben erwähnt wurde, in kürzerer Entfernung von einander und haben gewöhnlich eine geringere, nicht selten keine protoplasmatische Umgebung, wo- neben die Einschnürungen dieser Fasern oft nicht so stark ausge- prägt, und im Allgemeinen ihre Schwann’sche Scheiden schwer wahrzunehmen sind. Auf die Zusammensetzung der Myelinscheide und des Achsencylinders werden wir hier nicht eingehen; wir wollen nur erwähnen, dass wir zunächst um isolirte Achsencylinder biswei- len eine körnige, scheidenförmige Bildung sahen, die mit Myelin nicht übereinzustimmen schien, und dass wir am optischen Quer- schnitt der Cylinder eine Menge dichtstehender feiner Punkte, welche das Aussehen von feinen optischen Faserdurchschnitten hatten, wahrgenommen haben (s. weiter unten bei den Pacini’schen Körpern). Ausser diesen mit Myelinscheide versehenen Nervenfasern findet sich mehr oder weniger zahlreich in den Bündeln der verschiedenen Nerven- stämme eine andere Art von Nervenfasern ohne Myelinscheide, welche man beim ersten Betrachten kaum als Nervenfasern erkennt. Sie bestehen nämlich aus äusserst schmalen, ungefähr cylindrischen gleich breiten, etwas glänzenden Fasern (Fig. 56), an welchen man eine Schwann’sche Scheide nicht deutlich wahrnehmen kann, obwohl eine solche aus mehreren Gründen unzweifelhaft vorhanden ist. In ge- wissen Entfernungen besitzen auch diese Nervenfasern die läng- Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 355 lichen Kerne, vermissen aber in der Regel die protoplasmatische Umgebung um dieselben. Einschnürung konnten wir an diesen Fa- sern nicht finden. Uebrigens sind auch die fraglichen Fasern von etwas, wenn auch nur wenig verschiedener Dicke, und die schmalsten mit Myelinscheide versehenen Fasern bilden gewissermassen eine Art Uebergang zwischen ihnen und den breiteren myelinhaltigen Fasern. Die so eben geschilderten myelinfreien Fasern kommen, wie erwähnt wurde, nicht in allen Bündeln der peripherischen Ner- ven vor, und wo sie vorkommen, sind sie in verschiedener Anzahl vorhanden. Im Sympathicus und in feinen Zweigen bilden sie da- gegen die überwiegende Zahl. Es ist daher im höchsten Grade wahrscheinlich, dass sie alle eigentlich den sympathischen Nerven angehören und von ihnen herrühren. Wir müssen, wie erwähnt, uns hier auf diese kurzgefasste Schilderung der Nervenfasern des Men- schen beschränken. Den Bericht über die von uns bei verschiede- nen anderen Repräsentanten der Wirbelthiere ausgeführten Untersu- chungen geben wir in unserer grösseren Arbeit. Wir wollen hier nur erwähnen, dass ziemlich gleichartige Verhältnisse bei allen von uns untersuchten Thieren vorhanden sind. Die Entfernung zwi- schen den Einschnürungen wechselt indessen nicht nur nach der Breite der Nervenfasern bei derselben Thierart, sondern Verschie- denheiten sind in den verschiedenen Thierklassen vorhanden; so ist 2. B. diese Entfernung viel grösser bei den Batrachiern. Auch die Beschaffenheit der Einschnürungen wechselt etwas bei den ver- schiedenen Klassen. So z. B. kommt beim Frosch (Fig. 63) oft ein recht dicker, glänzender scheiben- oder discusförmiger Ring in der Mitte der Einschnürung an der Innenseite der Schwann’schen Scheide vor; diese Scheibe unterscheidet sich nicht wenig von der ringförmigen Verdickung der Schwann’schen Scheide beim Men- schen. Oft findet sich, jedoch beim Frosch keine soiche Scheibe und keine Verdickung der Schwann’schen Scheide (Fig. 64); zuweilen sieht man hier nur eine feine quere Linie (Fig. 62), zuweilen so- gar nicht einmal eine solche. Die Myelinscheide geht gewöhnlich dütenförmig verengt bis weit in die Einschnürung hinein, und sie hängt nicht selten mit der entsprechenden Scheide der anderen Seite zusammen, so dass dann keine Unterbrechung an derselben vorhanden ist (Fig. 64b). Bisweilen sind die Einschnürungen auch beim Frosch nur schwach angedeutet. Uebrigens finden sich im Allgemeinen auch bei diesem Thier Einschnürungen an allen den M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9. 233 354 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: myelinhaltigen Fasern, und mitten zwischen ihnen liegt constant ein Kern, welcher doch gewöhnlich keine oder eine sehr geringe proto- plasmatische Umgebung hat. An den schmalen, der Myelinscheide er- mangelnden Nervenfasern fanden wir auch hier keine Einschnürungen, wohl aber Kerne in gewissen Entfernungen von einander. Ehe wir diese Schilderung verlassen, wollen wir doch erwähnen, dass wir auch schon seit längerer Zeit am Frosch die Verhältnisse bei der Theilung der myelinhaltigen Nervenfasern untersucht haben. Eine solche Theilung haben wir an verschiedenen Stellen des Körpers beobachtet, wie in der Nasenschleimhaut, im Peritoneum u. s. w., vorzugsweise aber haben wir dieselbe in den Muskelnerven verfolgt. Sie kommt sowohl in den eigentlichen Bündeln, wo mehrere Fasern in ihrer Perineuralscheide beisammenliegen vor, als auch, und dies vorzugsweise in den feinsten Zweigen, an Nerven, die nur aus einem Paar oder einer einzigen Faser bestehen. Diese Theilung geschieht bald in zwei, bald in drei Fasern, und sie wird oft in ganz kur- zen Zwischenräumen wiederholt (Fig. 55). An den Theilungsstel- len (a, b) findet sich constant eine Einschnürung und die Myelin- scheide zeigt hier eine Unterbrechung. Zwischen den Theilungs- (Einschnürungs-)stellen liegt immer in der Schwann’schen Scheide ein Kern (c), aber dieser befindet sich oft etwas näher der einen Ein- schnürung. Nach dieser Darstellung vom Bau der Nervenfasern mit be- sonderer Hinsicht auf die Schwann’sche Scheide wollen wir versuchen die Umgebung der Fasern und ihr Verhältniss zu einander zu schil- dern. Ausserhalb der Schwann’schen Scheide, welche mehr speciell der Nervenfaser selbst angehört, mit deren Genesis sie ohne Zweifel im nächsten Zusammenhang steht, findet man in den Zerzupfungs- präparaten mehr oder weniger zahlreiche, feine Bindegewebsfibrillen, welche der Nervenfaser parallel, bald mehr dicht an ihr, bald in einiger Entfernung verlaufen. Diese Fibrillen liegen oft in Unord- nung; wir haben aber gefunden, dass dies von der Präparation her- rührt, und dass sie im normalen Zustand und, wie man sie auch an gelungenen Präparaten sehen kann, regelmässig um die Nerven- faser dicht bei einander geordnet sind, wobei sie ein zusammenhän- gendes Häutchen bilden, in welchem die von den Fibrillen herrüh- rende Streifung mehr oder weniger, zuweilen ganz schwach hervor- tritt (Fig. 48e, 49, 57, 58, 60, 61). Sie bilden also eine äussere Scheide oder vielmehr sie gehören einer solchen an, welche wie Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 355 ein verhältnissmässig weiter Tubus oder ein Rohr die einzelne Ner- venfaser umgiebt. Aber diese Fibrillenscheiden sind nicht selbst- ständige Bildungen, sondern sie sind, wie die anderen oben beschrie- benen Fibrillenhäutchen, immer mit Häutchenzellen bekleidet. An der Aussenseite der Fibrillenscheide findet man nämlich, wie die Fig. 48f,g; 49, 60, 61 wiedergeben, Kerne von dem oben so oft geschilderten Aussehen, gewöhnlich von einer kleinen protoplasma- tischen Zone umgeben, welche sich, wie anderwärts geschildert wurde, in dieselbe dünne Häutchenbildung ausbreitet. Besonders oft sieht man Kerne mit kleineren Fetzen dieser Häutchenbildung von der Aussenseite der Fibrillenscheide sich ablösen (Fig. 48g, 53). Finden sich nun solche Häutchenzellen auch an der Innenseite der Fibrillen ? Wir haben uns sehr bemüht, in dieser Hinsicht ganz ins Reine zu kommen, wollen aber davon nicht mehr sagen, als dass wir auch an der Innenseite der Fibrillenscheide, wie wir sie zu benen- nen vorschlagen, nicht selten Kerne mit protoplasmatischer Um- gebung und Häutchenausbreitung gefunden haben. Wir müssen aber bemerken, dass man sie hier weniger oft deutlich sieht und wir waren daher sehr zweifelhaft im diesem Punkt. In den Fällen, wo sie hervortraten, schienen uns doch die Bilder überzeugend zu Sein. Wenn man jetzt einen Querschnitt, der nicht mit Holzessig oder Essigsäure behandelt wurde, betrachtet, so sieht man die ge- schilderten Fibrillenscheiden ausserhalb der Schwann’schen Scheide die quergeschnittenen Nervenfasern umkränzen, und an ihnen liegen die Kerne ihrer Zellenhäutchen (Fig. 41, 47). Die Fibrillenscheiden stehen wohl im Allgemeinen dicht bei einander, lassen aber mehr- mals zwischen sich kleine Lücken (Fig. 49). Ihre Fasern treten bei geringeren Vergrösserungen als Körner in den Querschnitten her- vor, aber bei stärkeren Vergrösserungen sieht man mehr oder weniger deutlich die von diesen scheinbaren Körnern abgehenden Fasern, sobald sie noch so wenig schief liegen (Fig. 47). In den Querschnitten werden die Fibrillenscheiden wie in den Zerzupfungs- präparaten leicht in Unordnung gebracht, die äusserst: feinen Schei- den zerspringen, die Fasern werden isolirt und hierdurch entsteht eine Menge von Bildern, die nicht natürlich sind. Ein Verhältniss, welches wir in mancher Weise als richtig und nicht selten vor- kommend gefunden haben, ist das, dass zwei oder drei, ja bisweilen mehrere Nervenfasern in einer gemeinsamen Fibrillenscheide einge- 356 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: schlossen liegen. Wenn man Essigsäure an frischen Präparaten einwirken lässt, oder noch schöner, wenn man die Nerven in Holz- essig erhärtet, schwellen die Fibrillen der Fibrillenscheiden höchst bedeutend, wie gewöhnliche Bindegewebsfibrillen, an; sie fliessen in jeder Fibrillenscheide zu einer homogenen Masse zusammen, in wel- cher die Nervenfaser mit ihrer Schwann’schen Scheide wie einge- gossen liegt; durch solche Bilder könnte man dahin missgeleitet werden zu glauben, dass das Endoneurium zwischen den Nerven- fasern compact sei. Färbt man solche Präparate mit Anilin, so erhält man sehr schöne und sehr instructive Bilder (Fig. 44). Zwischen den angeschwollenen Scheiden sieht man schwach anilin- gefärbte Linien, welche sich hie und da Ööfinen, zwischen sich Kleine Spalten und deutliche Kerne zeigend. Diese Linien werden von den an einander gepressten Flächen der Fibrillenscheiden mit ihren Häutchenzellen gebildet. An der Fläche des Nervenbündels, dem Perineurium zunächst liegt ein ähnliches Fibrillenhäutchen (Fig. 43e). Im Inneren des Bündels weichen die häutchenähnlichen Fortsetzungen des Perineurium, oder die Endoneuralhäutchen, wie wir dieselben, wenn sie ins Innere des Nerven gehen, nennen, zwischen die Ner- venfasern hinein und die Fibrillenscheiden sind eine Fortsetzung derselben. Eine Injectionsflüssigkeit, die vom Perineurium aus (Fig.36, 37) zwischen die Endoneuralhäutchen ins Innere des Nerven geht, breitet sich auf diesen Wegen hie und da weiter in die Zwischenräume der Fibrillenscheiden der einzelnen Nervenfasern aus; sie bleibt aber nicht hier, sondern man findet sie auch im Innern dieser Fibrillen- scheiden, die Schwann’sche Scheide unmittelbar umspülend, und wir müssen daher annehmen, dass die Fibrillenscheiden nicht überall geschlossen sind. Nie dringt die Injectionsflüssigkeit in dieSchwann’sche Scheide hinein. Es scheint im höchsten Grade wahrscheinlich, dass diese Bahnen die wirklichen Lymphbahnen der Nerven sind und die Nervenfasern liegen dann, jede ausserhalb ihrer Schwann’schen Scheide von der Lymphe umspült, oder wie in derselben schwimmend, in einer unvollständig geschlossenen Fibrillenscheide. Von. hier aus hat die Lymphe offene Bahnen nach den Perineuralscheidenräumen und mittelst dieser bis zu den Lymphräumen des centralen Ner- vensystems. Dieses sehr schöne Lymphsystem ist im ganzen peri- pherischen Nervensystem, so weit wir finden konnten, von dem sewöhnlichen Lymphsystem des Körpers ganz abgeschlossen, obwohl Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 357 es in den Ganglien den netzförmigen Bau desselben annimmt. Nie sahen wir die Masse bei einer gelungenen Injection in den Nerven in Lymphgefässe der Umgebung des Nerven übergehen; nur wenn Extravasat gebildet wurde, haben wir bei unseren unzähligen Injectionsversuchen einige Mal einen kleinen feinen Lymphstamm in dem umgebenden Gewebe sich füllen sehen. Ehe wir die Injectionen weiter besprechen, wollen wir einen Blick auf das Bindegewebe werfen, das die verschiedenen Nerven- bündel zusammenhält, aus welchen ein Nervenstamm zusammen- gesetzt ist, d.h. das Gewebe, welches wir Epineurium nennen. Wir konnten zwar dasselbe mit der Erklärung abfertigen, dass es ge- wöhnliches Bindegewebe ist, es hat uns aber schöne Beiträge zur Kenntniss vom Bau des Bindegewebes im Allgemeinen geliefert und seine feineren Structurverhältnisse müssen auch bei der Frage vom Bau der Nerven in Betracht genommen werden. Unmittelbar ausserhalb des Perineurium jedes Nervenbündels (Fig. 24, 25, 26, 42, 45) findet man concentrisch angeordnete, fibrilläre Bindegewebs- häutchen, welche nach Einwirkung von Essigsäure höchst bedeutend angeschwollen und verändert werden, so dass sie zwar die unrichtigste Vorstellung von ihrem wirklichen Bau, wohl aber mehrere werth- volle Aufklärungen in einzelnen Fragen, besonders nach Erhär- tung in Holzessig (Fig. 45), geben können. Wenn wir aber die- selben nach Osmiumsäureerhärtung oder in ganz frischem Zustand untersuchen, so sehen wir sie ganz dünn, und wir finden Häut- chen, welche grösstentheils aus längslaufenden, fibrillären Fasern bestehen (Fig. 15). Jederseits sind sie von einer Häutchenzellen- schicht überzogen, welche in allen wesentlichen Theilen eine solche ist, die wir so oft geschildert haben. Unter dieser Flächenschicht, zwischen ihr und den Fibrillen, sieht man sparsamer oder reich- licher feine elastische Fasern. Nicht selten findet man um die Kerne eine sehr reiche Protoplasmaansammlung, bisweilen in langer spin- delförmiger Ausdehnung, sich zwischen den Fibrillen hineinsenken. Diese Häutchen unterscheiden sich also von den Perineuralhäutchen hauptsächlich durch ihren weit grösseren Reichthum an fibrillären Fasern in der Mittelschicht und durch den im Allgemeinen grösseren Reichthum an elastischen Fasern. Sie verbinden sich mit einander, können aber oft schichtenweise vom Nervenbündel abgerollt werden. Auf dieselbe Weise ist die äussere, alle Nervenbündel umschliessende, festere Begrenzung des ganzen Nerven gebaut. Die Zwischenräume 358 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: sind von Fettgewebe erfüllt, auf dessen feineren Bau wir hier nicht eingehen wollen und dem wir bis jetzt Detailstudien nicht gewidmet haben und ferner von einem lockeren Bindegewebe, in welchem man gewöhnlich in den Präparaten feine Balken und elastische Netze findet; diese gehören aber auch, wenigstens zum allergrössten Theil, ähnlichen, sehr leicht und durch die Präparation gewöhnlich zer- sprengten Häutchen. Wenn man die fibrillären Häutchen aus der Nähe des Perineuriums nach Behandlung mit Essigsäure oder Er- härtung in Holzessig untersucht, zeigen sie sich wie Fig. 45 sie wiedergiebt. Wirft man einen flüchtigen Blick auf diese Zeich- nung, so wird man die alten wohlbekannten Bilder der Bindegewebs- körper wieder zu finden meinen und es sind auch ähnliche Bilder, welche ihnen zum Theil als Modelle gedient haben; wie verschieden ist aber das Bild, wenn man es näher untersucht. Wo die Häut- chen an einander gepresst liegen, sieht man nach Anilinfärbung rothe Linien, an welchen oft Kerne hervortreten. Diese Linien sind aus zwei Flächenhäutchen gebildet. Oft sieht man diese sich von einander trennen mit zwischenliegenden Spalten, und jeder Kern zeist sich dann der einen oder anderen Fläche angehörend. Nicht selten findet man die Kerne, wie Fig. 15b wiedergiebt, mit ange- hörenden Häutchen in grösserer oder geringerer Ausdehnung sich ablösen. Mit dem Mikroskop kann man bei Veränderung des Focus die Häutchenausbreitung von den Kernen aus verfolgen. Durch Fal- tang der Häutchen, durch Berstungen u. dgl. entsteht oft eine Menge falscher Bilder, auf welche wir hier nicht eingehen wollen. Ein interessantes Verhalten, welches man an mehreren Stellen der Fig. 45 findet, ist dass zwischen die Flächenhäutchen oft Verbin- dungen gehen, theils häutchenartige, theils gröbere, welche den Flächenhäutchen selbst ähneln; bisweilen sind sie röhrenförmig, wie bei b. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Gefässe, welches an derselben Figur, ebenso bei b, zu sehen ist. Das Gefäss durchbohrt nämlich die Häutchen in einem solchen Canale, welcher mit einer Fortsetzung der cellulären Flächenschichten bekleidet ist, — ein Verhältniss, welches nach Allem was wir gesehen haben, allgemein zu sein scheint, und welches wir glauben ausser an anderen Stellen auch in der Pia gefunden zu haben, wo die Gefässe in der- selben Weise die Häutchen direct durchbohren. Uebrigens findet man die Adventitia der feineren Blutgefässe auch hier, wenn sie in oder zwischen solchen Häutchen verlaufen, aus einer oder Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 359 mehreren concentrischen Scheiden bestehen, die von mehr oder weniger fibrillären, mit Häutchenzellen bekleideten Häutchen gebildet sind !). 1) In Zusammenhang mit diesen unseren Untersuchungen über den Bau der Arachnoidea, des Subarachnoidalgewebes, der Pia mater und der Dura mater, sowie auch über das Epineurium, Perineurium und Endoneurium der peripherischen Nerven und Ganglien und über die Bindegewebshäutchen der Pacinischen Körper, haben wir auch des Vergleiches wegen den Bau und die Zusammensetzung des Bindegewebes in verschiedenen anderen Theilen des Körpers studirt, und dies vorzugsweise im Unterhautzellgewebe, in den Fascien und den Sehnen. Obwohl es unsere Absicht war, über diese Unter- suchungen hier zu berichten, müssen wir doch dies Mal davon abstehen, weil eine solche Darstellung der so wichtigen Bindegewebsfrage in ihrem ganzen Umfang eine Historik und eine Prüfung der Angaben anderer Verfasser noth- wendig erfordern würde; dies würde indessen hier einen zu bedeutenden Raum einnehmen und der Schilderung des Baues und der serösen Räume der Nerven, was hier unsere eigentliche Aufgabe ist, gar zu viel Abbruch thun. Wir haben deswegen an dieser Stelle, ausser dem, was das Rückenmark- und das Nervenbindegewebe für die Lösung der Bindegewebsfrage selbst dargeboten haben, uns einige Bruchstücke unserer Abbildungen vom Unterhautzellgewebe und den subcutanen Fascien des Menschen (Fig. 16, 17. 18) mitzutheilen be- schränkt, und wir wollen hierbei nur betonen, dass man in diesen Bildern ganz dasselbe Gewebe, dieselben mehr oder weniger fibrillären. mit Häutchen- zellen bekleideten Häutchenausbreitungen wiederfindet, die wir oben aus dem Subarachnoidalgewebe. dem Epineurium u. s. w. beschrieben haben. Solche Häutchenausbreitungen machen einen äusserst wesentlichen Theil des sub- eutanen Bindegewebes aus, sie bilden die Fascien, sie umhüllen die Sehnen und gehen in sie hinein u. s. w., und sie führen also eine weit grössere Rolle aus, als man ahnen könnte. Aber die Darstellung derselben in natür- lichem, unbeschädigtem Zustand ist gewöhnlich mit grossen Schwierigkeiten verbunden; sie zerspringen äusserst leicht, und dann erhält man die Bilder der verworrenen, freien Bindegewebsfibrillen und der freien, mehr oder we- niger zerrissenen Häutchenzellen, so wie der fast unerkennbaren Zellen- . häutchenreste, welche von anderen Verfassern (Ranvier, Flemming) in der letzten Zeit aus dem Unterhautzellgewebe abgebildet und beschrieben sind. Auch über unsere Untersuchungen der betreffs der Bindegewebsfrage nicht unwichtigen Achillessehne des Frosches werden wir an anderem Ort berichten. — Hier mag erwähnt werden, dass wir im Perichorioidalgewebe des Auges ein Gewebe gefunden haben, welches dem Perineurium sehr ähn- lich ist; hier findet sich auch nicht nur ein einziger endothelbekleideter Perichorioidalraum, wie Schwalbe angegeben hat, sondern zwischen den 360 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Nachdem wir also den Bau der gröberen Nerven in seinen wich- tigsten Theilen kennen gelernt haben, wollen wir noch etwas über die Injeetionen selbst berichten. Um eine gelungene Injection zu erhalten ist es eigentlich nothwendig, dass man die Canülspitze in das Innere des Nervenbündels einführt. Die Masse geht dann zuerst durch die inneren Lymphbahnen des Endoneurium in die Perineural- scheiden hinaus und verläuft hier oft mit wunderbarer Leichtigkeit, besonders bei den Kaninchen. Sie kann in weiten Strecken in dem Perineurium desselben Nervenbündels weiter fliessen, verbreitet sich aber gewöhnlich durch Anastomosen und Verbindungen zwischen den Scheiden angrenzender Nervenbündel zu mehreren oder weni- geren der anderen Bündel desselben Nervenstammes. Klemmt man nicht den Nerven in entgegengesetzter Richtung zu der, in welcher man injieirt, ab, so geht die Injection leicht recurrent, läuft in Seitenzweige über, oder breitet sich im Nervenplexus aus, wenn man in einem solchen oder in dessen Nähe injieirt. Auf diese Weise kann man sehr feine Zweige injiciren, in den allerfeinsten aber tritt leicht Extra- vasat ein. Doch haben wir in den Muskeln ein solches Perineurium injieirt, welches nur eine oder einige Nervenfasern einschliesst. In Fig. 35 geben wir eine Abbildung der peripherischen Injection eines Nerven, der aus nur wenigen Nervenfasern gebildet ist. Führt man bei der Injection nicht die Canülspitze in das Nervenbündel ein, sondern lässt sie im Epineurium bleiben, läuft die Injectionsmasse nicht weiter. Der Nerv schwillt an und Berstung entsteht, wenn die Injection foreirt wird. Es würde uns gar zu weit führen, wenn wir hier auf eine nähere Schilderung des Verhaltens des Peri- und Endoneurium an den feinsten Zweigen und in den Nervenendigungen eingehen würden. In dieser Abhandlung wollen wir nur bemerken, dass das Perineurium die Nerven als Scheiden in ihre feinsten Ver- zweigungen hinein begleitet. Es kann hier zu einem Paar oder, wie es scheint, zu einem einzigen Häutchen reducirt sein. Die Nerven- fasern können innerhalb derselben ihre Fibrillenscheiden beibehalten oder auch verloren haben. Fig. 55, 65 zeigen solche Verhältnisse, wo Nervenfasern ohne Fibrillenscheide in einem dünnen Perineurium übrigen Häutchen dieses Gewebes können ähnliche Räume injieirt werden; auch beim Menschen ist es uns in Uebereinstimmung hiermit gelungen, an demselben eine mehrschichtige Endothelzellenzeichnung mit dem Silberreagenz darzustellen. oO Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 361 liegen. Wir haben gesehen, wie die längsgehenden Fibrillen der Fibrillenscheide aufhörten, und diese ein fast homogenes, demjenigen der Perineuralhäutchen ähnliches Aussehen angenommen hat. Diese letzteren wurden oft, ja gewöhnlich, um die feineren peripherischen Nerven mehr homogen, d. h. mehr rein aus Häutchenzellen mit geringerer Faserdifferenzirung gebildet; man findet aber doch an ihnen nicht selten bis an das Ende des Nerven mehr oder weniger Faserbildung und hie und da gröbere Balken, welche in gewissen Entfernungen circulär auftreten. Auch trifft man hie und da ecir- culäre, elastische Faserverdickungen, welche an ihnen kleine Ein- schnürungen bilden — Alles Variationen und Details, welche wir hier nur andeuten wollen. Um indessen ein Beispiel des Verhaltens des Perineurium und Endoneurium an einem nervösen Endorgan zu geben, wollen wir hier unten die für diese und andere Fragen so interessanten Pacini’schen Körper mehr detaillirt beschreiben. Zuerst wollen wir jedoch die Lymphbahnen des sympathischen Nerven- systems, vorzugsweise beim Menschen, in Kürze schildern. Durch die Rami communicantes haben wir, sowohl mittelst Stichinjeetion als mit Injection von den serösen Räumen des Rücken- marks aus, den sympathischen Nerven und seine Ganglien injicirt, woneben wir bei Stichinjection in den Sympathieus selbst die Rami communicantes und die spinalen Nervenwurzeln injieirt haben. Dies ist auch auf Grund des Verhaltens des Perineurium ganz natür- lich. Sowohl die Rami communicantes als der Stamm und die übri- gen Zweige des Sympathicus, wie auch seine Ganglien, sind nämlich immer von einem gewöhnlichen, mehrschichtigen Perineurium um- geben, welches mit dem der spinalen Nerven zusammenhängt und eine Fortsetzung desselben bildet. Was zuerst den Stamm und die Zweige des Sympathicus betrifft, so ist dieses Perineurium auswendig von einem gewöhnlichen Epineurium umgeben und nach Innen sendet es endoneurale Fortsetzungen. Die Perineuralräume können von der Injectionsflüssigkeit ausgespannt werden, und sie ähneln dann fast den subarachnoidalen Räumen (Fig. 27); aus ihnen geht die Flüssigkeit in die endoneuralen Fortsetzungen, wie gewöhnlich, ins Innere der Nerven hinein und breitet sich dort um die Nervenfasern aus, zwischen den Häutchenausbreitungen des Endoneurium ver- laufend. Die Nervenfasern des Sympathicus sind nur zu einem geringen Theil breite, myelinhaltige Fasern, der grösste Theil aber wird aus schmaleren, myelinhaltigen, und die eigentliche Haupt- 362 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: masse aus sehr feinen, myelinfreien Fasern gebildet, von der Be- schaffenheit, welche schon oben für die anderen peripherischen Ner- ven geschildert ist (Fig. 56), warum wir betreffs des Baues (der Scheiden, der Kerne, der Einschnürungen u. s. w.), sowohl der myelin- freien als der myelinhaltigen Fasern, auf diese Schilderung hinweisen können. Die Fasern sind, wie gewöhnlich, in kleinen Abtheilungen oder Gruppen angeordnet und sind von deutlichen, endoneuralen, mit Häutchenzellen bekleideten Fibrillenhäutchen umgeben. In den Ganglien trennen sich diese Fasergruppen und lösen sich theilweise auf, um zwischen und in sich die Ganglienzellen aufzunehmen. Die Ganglien sind, wie eben angedeutet wurde, nach Aussen von einem oft fettreichen Epineurium von gewöhnlichem Bau umgeben, nach Innen von einem Perineurium, auch von gewöhnlichem Bau, welches sich direet von den ins Ganglion eingehenden Nerven fortsetzt und nach Behandlung mit dem Silberreagenz eine zusammenhängende mehrschichtige Häutchenzellenzeichnung (Fig. 46) zeigt. Die peri- neuralen Lamellen der Ganglien scheinen verhältnissmässig oft mit einander durch Häutchenbrücken und Balken zusammenzuhängen und sie bilden nach dem Innern des Ganglion zahlreiche, grössere und kleinere, endoneurale Fortsetzungen, mit welchen von concentri- schen, mit Häutchenzellen bekleideten Adventitialscheiden umgebene Blutgefässe sich einsenken (Fig. 27a). Oft sieht man die in den Sympathieus oder in die Ganglien eintretenden, gröberen Gefässe von einem nächst um dieselben, also zwischen ihnen und den peri- neuralen Fortsetzungen liegenden, mehr oder weniger fettreichen Gewebe des Perineurium begleitet. Die vom Perineurium kommen- den endoneuralen Fortsetzungen verzweigen sich in einem reichlichen Netzwerk zwischen den Ganglienzellen. Diese letzteren, die Ganglien- zellen, treten beim Menschen in verschiedener Grösse und in meh- reren Formen auf, sind bald rundlich oder oval, bald birn-, bald spindelförmig und haben constant mehrere Ausläufer von verschie- dener Dicke; diese Zellen sind von einer Kapsel umgeben, welche der der Spinalganglienzellen ähnelt, gewöhnlich aber doch nicht ein so protoplasmatisches Epithel, wie diese, besitzt, sondern dünnere, plattere, mehr endothelähnliche Zellen hat, deren etwas sparsamere Kerne zwar eine Protoplasmazone um sich zeigen. Diese Kapsel- zellen geben auch mit dem Silberreagenz eine Zellenzeichnung, ob- wohl diese gewöhnlich etwas undeutlich und unrein wird. Von der Ganglienzelle selbst, welche man hier wie in den Spinalganglien fast Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 363 nie ihre Kapselhöhle. ausfüllen sieht, gehen hie und da feine, kör- nige, protoplasmatische Fäserchen zu den Kapselzellen und scheinen an ihnen zu endigen; diese Fäserchen mögen nicht als wirkliche Ausläufer der Ganglienzellen angesehen werden, sondern sie können durch eine etwaige Schrumpfung der Zelle gebildet sein. Die ge- wöhnlich recht zahlreichen, bald ganz feinen, bald aber ganz groben, eigentlichen Ausläufer der Ganglienzellen treten aus der Kapsel hinaus, aber ohne dieselbe zu durchbohren, weil sie von der Kapsel dünnwandige, ziemlich geräumige kanalförmige Scheiden erhalten, welche Fortsetzungen der Kapsel sind und ungefähr denselben Bau wie diese haben. Sowohl an Osmiumpräparaten, als noch mehr an Isolirungsbildern von Präparaten, die mit Müller’scher Lösung behan- delt waren, ist es uns gelungen, diese Ausläufer in weiten Strecken zu verfolgen; sie verzweigen sich zu wiederholten Malen und wer- den endlich ganz feine, blasse Fasern, welche zwischen die Kapseln der angrenzenden Ganglienzellen verlaufen; wir haben nie beim Menschen einen dieser Ausläufer in eine myelinhaltige Nervenfaser übergehen sehen. Auf den übrigen Bau der Ganglienzellen mögen wir hier nicht weiter eingehen. Um die Ganglienzellenkapseln win- den sich Blutgefässe mit ziemlich zahlreichen Maschen. Mittelst Stichinjection ist es uns indessen, wie schon bei den spinalen Ganglien erwähnt wurde, gelungen, ein sehr reichliches lymphatisches Gefässsystem in den sympathischen Ganglien zu ent- decken. Wenn man eine solche Injection in den mit den Ganglien zusammenhängenden Nervenzweigen macht, läuft die Flüssigkeit in den perineuralen und endoneuralen Scheidenräumen derselben ins Ganglion hinein, vertheilt sich dort mit den Nervenfaserbündeln in verschiedenen Richtungen in grössere und kleinere Kanäle und Spaltenräume und geht von den letzteren in ein sehr schönes, reich- maschiges Lymphgefässnetz über, welches mit seinen ampullären Maschen ‘die Ganglienzellenkapseln umspinnt (Fig. 33, 34). In den Kapseln selbst findet man nie die Injectionsflüssigkeit, noch in den von ihnen abgehenden kanalförmigen Scheiden um die Ausläufer der Ganglienzellen. Es mag erwähnt werden, dass man zuweilen die Flüssigkeit in ähnlichen Maschen in die Nervenfaserbündel des Ganglion, ihre Fasern umspinnend, laufen sieht. Da, wie es oft geschieht, die Flüssigkeit bei der Stichinjection in einen Nerven- zweig, dicht an seiner Vereinigung mit dem Ganglion, zuerst das ebenerwähnte Lymphgefässnetz um die Ganglienzellen erfüllt, fliesst 364 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: sie in entgegengesetzter Richtung immer aus diesem Netz in die sröberen Spaltenräume und Gänge (Fig. 33b) zwischen die endo- neuralen Fortsetzungen des Perineurium und aus diesen Räumen zu den Perineuralräumen selbst (Fig. 33c), wo sie Anfangs bei ge- ringerer Füllung gewöhnlich in Gängen sich ausbreitet, welche den bei Injection m den Subarachnoidalräumen des Gehirnes sich inji- cirenden Kanälen etwas ähnlich sind. Bei fortgesetzter Injection breitet sich die Flüssigkeit über die ganze Fläche des Ganglion in seinen Perineuralräumen aus und setzt sich dann in den Perineural- räumen der damit zusammenhängenden Nervenzweige fort. Zuweilen bleibt doch die Injection sowohl am Ganglion, als an seinen Nerven- zweigen, nur in den Perineuralräumen, ohne sich ins Innere des Ganglion auszubreiten. Bei Stichinjection im Ganglion selbst, wenn also die Kanüle in sein eigenes Gewebe eingeführt wird, füllt sich auch fast immer und mit grosser Leichtigkeit dieses Lymphgefäss- netz im Inneren der Ganglien und verläuft auf denselben Wegen, welche eben geschildert sind, in die Perineuralräume hinaus. Wir haben in dieser Hinsicht sowohl die Hals- als die Brust- und Bauchganglien des Sympathicus des Menschen untersucht und stets übereinstimmende Verhältnisse gefunden. Dieser Zusammenhang zwischen einem am deutlichsten maschigen, ampullären Lymphgefässnetz und den Perineuralräumen ist, wie schon oben betreffs der Lymphgefässe der Spinalganglien betont wurde, in jeder Beziehung von grossem Interesse und in hohem Grade für die Natur und die Bedeutung der Perineuralräume instructiv. Hier mag auch erwähnt werden, dass wir nie bei unseren In- jectionen im Sympathicus Lymphgefässe ausserhalb des Ganglion oder des Nerven sich füllen und nach den umgebenden Gewebstheilen abgehen sahen. Wir haben auch Untersuchungen über die sympathischen Gan- glien verschiedener Thiere ausgeführt und uns besonders bei denen der Batrachier (Frosch, Kröte) aufgehalten, deren Ganglienzellen in so mancher Hinsicht ein grosses Interesse darbieten. Hier würde es doch zu weitführen, näher darauf einzugehen; wir wollen nur erwäh- nen, dass wir an allen mit Spiralfasern versehenen Ganglienzellen diese constant in eine mit Myelinscheide versehene Nervenfaser über- gehend gefunden haben — andere Spiralfasern aus Bindegewebe u. dgl., wie von den Verfassern geschildert wird, konnten wir nie wahr- Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 365 nehmen — welche Nervenfaser sogar oft, besonders bei der Kröte, diese ihre Myelinscheide bis an und auf die Ganglienzelle, zwischen den hier an ihrer Basis angesammelten Zellenkernen, behält, wo- gegen die gerade Nervenfaser so weit als wir sie verfolgen konnten (und dies ist uns in nicht unbedeutenden Strecken gelungen) fort- während ihre blasse Beschaffenheit behält, d. h. keine Myelinscheide hat. Nie sahen wir die Spiralfaser an der Ganglienzelle in ein Fasernetz übergehen. Wie oben angedeutet wurde, lag es in dem Plan unserer Unter- suchungen, die peripherischen Nerven und ihre Nervenscheiden bis in die Endorgane hinaus zu verfolgen. Deswegen richteten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Nervenendscheiben der querstreifigen Muskeln, auf die Corpuscula Tactus der Haut u. s. w. Hier wäh- len wir indessen zur Darstellung die Paecini’schen Körper als für den fraglichen Gegenstand am wichtigsten. Ungeachtet der sehr reichhaltigen Literatur über diese Körper giebt es doch noch in fast jedem Punkt ihrer Histologie die verschiedensten Meinungen. Wir können hier, wie oben, nur beiläufig und wo es nothwendig ist, die Angaben anderer Verfasser berühren, wie wir uns auch hier einschränken müssen, nur in einigen kurzen Zügen eine Darstellung vom Bau der Pacini’schen Körper, wie wir ihn gefunden haben, zu geben und nur einige wenige Bruchstücke von unseren darüber ausge- führten zahlreichen Abbildungen zu liefern. Wir haben vorzugs- weise diese Organe beim Menschen untersucht, sowohl die der Hand als die des Fusses und meist in ganz frischem Zustande, wozu wir in eben amputirten Theilen ein sehr reichliches und gutes Material zur Verfügung hatten. Ferner studirten wir diese Körper bei der Katze, dem Kaninchen, dem Meerschweinschen und einigen Vogel- arten. Wir haben sie theils ganz frisch in indifferenten Flüssig- keiten (wie in ihrer eigenen Kapselflüssigkeit, in Glaskörperflüssig- keit, auch in Hühnereiweiss u. s. w.), theils nach einer stärkeren oder schwächeren Behandlung mit Ueberosmiumsäure untersucht. Daneben wendeten wir verschiedene andere Methoden an, wie Be- handlung mit Goldchlorid, mit dem Silberreagenz, mit Holzessig u. s. w. Wenn man bei schwächerer Vergrösserung (z. B. Hartnacks Obj. 4 Ocul. 3) einen frischen Pacini’schen Körper betrachtet, sieht man darin die Anordnung der von den Verfassern geschilderten Kapseln als concentrische Linien; die äussersten Linien stehen ganz dicht, nach Innen davon findet sich eine breite Zone mehr von 366 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: einander getrennter Linien; in der Nähe der Achse des Pacinischen Körpers sind die Linien sehr dicht stehend; die Achse selbst wird von einem helleren Strang, dem Innenkolben, gebildet. Bei stärkerer Vergrösserung sieht man immer in der zwischen den Kapsellinien befindlichen, albuminhaltigen Flüssigkeit, ausser den hie und da und in sehr verschiedener Anzahl vorkommenden Wanderzellen, kleine Punkte, welche sich als optische Querschnitte feiner Fibrillen zeigen. Diese Punkte sind verschieden angeordnet; oft stehen sie an der äusseren Seite der Kapsellinien gesammelt, nicht selten auch an der inneren; bisweilen geht eine solche Sammlung von Punkten von der äusseren Seite einer Kapsellinie zur inneren der nächst nach aussen davon liegenden Linie über; zuweilen stehen sie aber längs der Mittellinie der zwischen den Linien befindlichen Räume angesammelt; oft sind sie doch auch ohne bestimmte Anordnung zwischen ihnen zerstreut. In den Kapsellinien finden sich zahlreiche ovale Kerne. Die Linien erscheinen oft wie einfach; nach Behand- lung mit Osmiumsäure sieht man sie indessen sich der Länge nach in zwei spalten (Fig. 67, 70, 71). In den Spaltenräumen stehen keine Querschnitte von Fibrillen; dagegen finden sich die eben ge- nannten Kerne im Innern dieser Spaltenräume, an den durch die Spaltung entstandenen, begrenzenden, äusseren und inneren Wand- häutchen liegend, und gewöhnlich nur mittelst einer äusserst dünnen, leicht abtrennbaren Häutchenausbreitung, welche im optischen Quer- schnitt als eine von den beiden Enden der Kerne ausgehende, feine Linie erscheint, mit einer dieser Wandhäutchen vereinigt. Dieses, den Kernen angehörende, dünne Zellenhäutchen bekleidet nämlich die Wände der Spaltenräume. Diesen Structurverhältnissen zufolge mag man nicht, wie von den Verfassern bisher geschehen ist, als Kapseln die oben erwähnten Kapsellinien betrachten; eine Kapsel ist nach unserer Auffassung der die albuminhaltige Flüssigkeit und die freien Fibrillen enthaltende Raum mit seinen beiderseits be- grenzenden, mit Zejlenhäutchen bekleideten Wänden, welche, wenn ihrer je zwei der angrenzenden Kapseln dicht beisammen lie- gen, im optischen Querschnitt als einfache Linien erscheinen kön- nen. Den die Flüssigkeit und die Fibrillen enthaltenden Raum selbst kann man einen Kapselraum oder Intrakapsularraum (den Interkapsularraum anderer Verfasser) nennen, wogegen die Räume zwischen den Kapseln Spaltenräume genannt werden können. Zwischen den Zellenhäutchen sieht man hie und da kleine, celluläre Quer- Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 367 brücken sich über die Intrakapsularräume von der einen Linie zur anderen spannen. Sie bilden indessen nicht weiter laufende, quere Scheidewände und sind bei weitem nicht in der grossen Anzahl vor- handen, wie Ciaccio beschrieben hat. Wenn man die Begrenzungshäutchen der Kapseln lospräparirt und ausbreitet, findet man dass es sehr dünne Zellenhäutchen sind, welche quergehende feine Fasern enthalten; oft sieht man in ihnen auch steifere, verzweigte Fasern, welche den Charakter elastischer Elemente haben (Fig. 69). Die den Zellenhäutchen angehörigen, platten, ovalen Kerne liegen in verschiedenen Richtungen zerstreut; die Mehrzahl von ihnen ist jedoch transversal. Um sie herum findet, sich gewöhnlich eine körnige, protoplasmatische Zone, welche oft in zackige Ausläufer ausschiesst. Zwischen diesen Protoplasma- ansammlungen ist das Häutchen etwas körnig, und wir finden also, dass diese Häutchen den Flächenhäutchen ähneln, welche wir oben mehrmals beschrieben haben. Die Fibrillen der Intrakapsularräume bilden nicht immer eine zusammenhängende Lage, sondern lassen oft, besonders gegen den Gipfel der Pacini’schen Körper zwischen sich rundliche oder ovale Lücken (Fig. 68), über welche gewöhn- lich die Zellenhäutchen selbst sich fortsetzen, indem sie von den beiden Flächen sich dicht beisammen legen, um wie zu einem Häutchen zusammen zu schmelzen. Dies ist sehr schön am optischen Querschnitt zu sehen. An versilberten Pacini’schen Körpern sieht man die Zellenhäut- chen aus schönen polygonalen Endothelzellenzeichnungen gebildet, deren Zellen den der Perineurallamellen ganz ähnlich, im Allge- meinen aber etwas grösser sind; zwischen zwei solchen Zellenzeich- nungen findet man auch an Silberbildern die intrakapsulären Fibrillen. Sowohl in den Zellenhäutchen der äusseren, als in denen der inneren Kapseln gehen mit einander anastomosirende Blutgefässe mit ziemlich sparsamen Schlingen; sie sind, wie gewöhnlich, wenigstens von einer adventitiellen Häutchenzellenbekleidung umgeben, welche sich an das Kapselhäutchen anschliesst, und deren Zellenkerne in der Längenrichtung des Gefässes liegen; die Gefässe zeigen sich am Querschnitt in die Kapselräume eingebogen. Die Kapseln endigen nicht plötzlich am Stiel, wie viele Verfasser angegeben haben und zu welcher Annahme einige Bilder Anlass geben könnten, sondern sie setzen sich längs derselben fort, indem 368 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: sie in die Perineurallamellen übergehen (Fig. 67). Sie werden dabei indessen in der Art verändert, dass ihre Intrakapsularräume ge- wöhnlich schnell sich verschmälern und verschwinden, indem die ausspannende Flüssigkeit aufhört und die beiden begrenzenden Flä- chenzellenhäutchen sich mehr oder weniger dicht beisammen legen, nur zwischen sich quergehende, mehr oder weniger sparsame Fihrillen behaltend, welche hie und da bündelweise angeordnet sind, so dass die Flächenhäutchen an diesen Stellen mehr getrennt werden. Dieses Aufhören der Intrakapsularräume geschieht oft in einer bestimmten Linie, welche einen centralwärts offenen Conus (== Prolungamento conico des Stieles, Pacini) bildet. Die Spaltenräume aber gehen in die Perineuralräume über. Einige der Häutchen legen sich indessen bisweilen am Stiel an einander und schmelzen zusammen, so dass ihre Anzahl hierdurch schon am Anfang des Stieles etwas vermin- dert wird. Es sind also die Perineuralhäutchen des Stieles, welche im Pa- eini’schen Körper unter modifieirter Form die Kapseln bilden. Im Stiele, welcher die directe Fortsetzung eines von einem Ner- venstamm kommenden Endzweiges bildet, liegt von den Perineural- häutchen umgeben und oft von ihnen durch einen merkbaren Zwi- schenraum getrennt, die Nervenfaser selbst; sie ist meistentheils nur einfach, bisweilen aber doppelt und ist von gewöhnlichem Bau, indem sie aus Schwann’scher Scheide mit den von Protoplasma um- gebenen Kernen, Myelinscheide und Achsencylinder besteht, woneben sie von einer stark entwickelten Fibrillenscheide umgeben ist (Fig. 67b, Tla,b). Diese letztere, welche die Faser vom Nervenstamm an begleitet, hat gewöhnlich ein ziemlich stark glänzendes Aus- sehen, besteht aus etwas wellenförmigen, dicht zusammen liegenden Fibrillen, auswendig von einem Zellenhäutchen bekleidet, in welchem Kerne mit protoplasmatischer Umgebung vorhanden sind. Auch an der Innenseite des Fibrillenhäutchens sieht man bisweilen eine oder andere solche Häutchenzelle. Die Fibrillenscheide geht im Stiel keine Verbindung mit den Perineuralhäutchen, noch mit den Kapseln des Pacini’schen Körpers ein. So von ihrer Fibrillenscheide umschlossen, geht die Nerven- faser durch den Stiel zum Innenkolben. Ein oder einige kleinere Blutgefässe begleiten sie dicht ausserhalb der Fibrillenscheide, oder in den nächsten Perineuralhäutchen gelegen. Der Innenkolben ist eine directe Fortsetzung der Fibrillenscheide selbst (Fig. 71ab); Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 369 am Uebergang zu demselben verliert die Scheide ihren Glanz und ihre Fibrillirung, wird so zu sagen, mehr protoplasmatisch und er- weitert sich ziemlich schnell. Dann behält der Innenkolben seine Breite und seine cylindrische Form bis gegen den Gipfel. Er zeigt hie und da eine Längsstreifung mit längsgehenden kleinen Spalten, wie auch eine concentrische Anordnung, aber keine weitere Fibril- lirung, sondern ist schwach körnig. Nach aussen ist er von einem kernführenden Zellenhäutchen rings umgeben, welches oft ziemlich scharf im Verhältniss zu den nächsten, dünnen Kapselhäutchen hervortritt. Nach dem Gipfel zu, über die Nervenendigungen hinaus (Fig. 66) geht in der Regel eine Fortsetzung des Innen- kolbens und diese Fortsetzung wird wieder ausgeprägt fibrillär und von einem mehr glänzenden Aussehen; von ihren Zellenhäut- chen und den ausserhalb liegenden Kapseln umgeben, geht sie auf diese Weise eine Strecke fort, wonach sie als ein ligamen- töser Strang (das, von Pacini gesehene, von vielen Verfassern bestrittene Ligamentum intercapsulare) mehrere der Kapseln am Gipfel durchbohrt und, ehe sie dort die Oberflläche des Pacinischen Körpers erreicht, aufhört. Oft sendet aber die fibrilläre Verlänge- rung des Innenkolbens nur einen "Theil ihrer Fibrillen auf diese Weise durch die Kapseln, während die übrigen eine Strecke in der- selben Richtung, von welcher sie gekommen sind, sich zurückwenden und endlich im Innern ihrer Zellenscheide zugespitzt aufhören; bis- weilen ist indessen kein eigentliches Ligamentum intercapsulare vor- handen, sondern die Innenkolbenverlängerung hört am Ende ihrer Zellenscheide auf, ohne die Kapseln zu durchbohren. Nicht nur durch das Ligament sind die Kapseln am Gipfel mit einander ver- einigt, sondern auch, und dies öfter als sonst, durch Fasern und celluläre Ausbreitungen. Zuweilen senkt sich eine Blutgefässschlinge am Gipfel durch die Kapseln herab. Oft sieht man sowohl am Gipfel, als auch am Stiel, besonders am Anfang des Innenkolbens, ringförmige Einschnürungen, von eirculären, elastischen Fasern her- rührend, welche in den Kapselhäutchen verlaufen; diese Ringe sind vorzugsweise zu sehen, wenn die Kapseln eine Schwellung erlitten haben. Auf die Verschiedenheiten in der Form der Pacinischen Körper und des Innenkolbens lassen wir uns in diesem Aufsatz nicht ein. Die Nervenfaser verliert gewöhnlich ganz plötzlich ihre Mye- linscheide am oder bald nach ihrem Eintritt in den Innenkolben und verläuft dann als sogenannte Terminalfaser. Sie wird bald M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 9. 24 370 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: nach dem Verlust der Myelinscheide schmaler, erweitert sich aber wieder etwas. Dann verläuft sie durch die Mitte des Innenkolbens gegen den Gipfel. Sie zeigt indessen mehrere Verschiedenheiten in ihrem Verhalten. Zuweilen behält sie die Myelinscheide bis zu den Endorganen. Zuweilen nimmt sie dieselbe nur während einer Strecke ihres Verlaufes wieder auf. Fast immer sieht man ein scheidenförmig um die Terminalfaser liegendes, beim Menschen sewöhnlich ganz dünnes, etwas glänzendes Häutchen mit une- benen Contouren, welches die Faser bis zu ihren Endorganen begleitet und durch Osmiumsäure etwas dunkel gefärbt wird. Die Terminalfaser selbst: zeigt meistentheils eine mehr oder weniger ausgeprägte Fibrillirung; am Querschnitt, auch an dem optischem, ist sie nicht so bandförmig wie man sie gewöhnlich auffasst, sondernsie ist im Allgemeinen mehr rundlich oder oval und zeigt dann ein körniges Aussehen, welches ein Ausdruck ihrer fibrillären Zusammensetzung ist. Selten geht sie einfach bis zu ihren Endorganen, sondern sie theilt sich gewöhnlich dicho- tomisch in grössere Zweige, welche ihren Verlauf*dicht bei einander nach dem Gipfel zu fortsetzen, der eine zuweilen spiralförmig um den anderen. Diese Zweige haben dasselbe Aussehen wie die unge- theilte Faser. Oft endigt ein oder ein Paar der Zweige schon am Anfang des Innenkolbens oder etwas weiter in demselben nach vorn, indem sie dort in ihre Endorgane übergehen. Die Zweige, beson- ders der Endzweig, biegen sich daneben oft um und wenden m der- selben Richtung, woher sie gekommen sind, im Innern des Innen- kolbens um, um alse in den }indorganen zu endigen. Daneben kommt indessen auch äusserst oft eine Art von feine- ren Zweigen der Terminalfaser vor. Diese, welche bald von grös- serer, bald von kleinerer Anzahl sind, treten oft schon am Anfang des Innenkolbens auf, gehen aber auch während des ferneren Ver- laufes der Terminalfaser ab; sie bestehen aus einem einzigen oder einem Paar sehr feiner, gleich breiter, glänzender Fibrillen, welche von einer ebenfalls glänzenden, in Osmiumsäure ziemlich dunkel sich färbenden, varicösen Scheide umschlossen sind. Sie gehen in verschiedenen Richtungen durch die Substanz des Innenkolbens, um auch mit Endorganen zu endigen (Fig. 66). Auch mag erwähnt werden, dass die ganze Terminalfaser bis- weilen schon am Anfang des Innenkolbens sich umbiegt, sich theilt und in Endorgane übergeht, wonach der Innenkolben schmal und Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 371 unter der Form der fibrillären Verlängerung seinen Verlauf gegen den Gipfel fortsetzt. Wenn zwei oder drei Nervenfasern in einen Paeini’schen Körper eindringen, behält zuweilen eine oder zwei von ihnen ihre Myelin- scheide weiter hinauf, sie verhalten sich aber sonst, wie es oben betreffs der einfachen Faser geschildert ist; sie bilden gern, beson- ders imn Stiel, Spiraltouren um einander. Die Endorgane selbst, die Endknospen (wie wir sie nennen wollen), in welchen die Terminalfaser und ihre Zweige endigen (Fig. 66), bestehen aus einer in frischem Zustand glänzenden, kör- nigen in Osmium sich mehr dunkel bräunlich färbenden Substanz, welche in verschiedenen Fällen einen verschiedenen Umfang und verschiedene Form zeigt. Gewöhnlich ist ihre Grösse ziemlich von der Dicke der Nervenzweige; doch ist dies keine absolute Regel ; die eben beschriebenen feinsten varicösen Zweige haben doch ge- wöhnlich sehr kleine Endknospen. Die Form der Endknospen. ist bald mehr rundlich knopfförmig, bald oval, bald birnförmig, bald einem Hutpilz, bald einer Typhaähre ähnlich u. s. w. Ihre Fläche ist oft etwas uneben, höckerig. Bald liegen sie gruppenweise dicht beisammen, bald mehr zerstreut. In diese körnige Masse sieht man die Terminalfaser sich einsenken, indem sie sich gewöhnlich deut- lich in ihre glänzenden Fibrillen auflöst; diese biegen sich in der körnigen Masse in verschiedenen Richtungen von einander, treten aber hie und da dicht an der Fläche der Endknospe, auch an ihrem peripherischen Ende, mit starkem Glanz auf. In der körnigen Masse, besonders in den grösseren und mittelgrossen Endknospen, sieht man mehr oder weniger deutlich eine Eintheilung in rundliche, dicht zusammenliegende Partien, eine Art globuläre Anordnung, und es scheint, als ob die einzelnen Fibrillen der Terminalfaser in ihnen endigten. Bilder, die einigermassen den Kernen der Ganglienzellen ähneln, kann man nicht wahrnehmen. Für die Auffassung vom Bau der Pacinischen Körper ist es von Wichtigkeit die Verhältnisse bei anderen Säugethieren und bei Vö- geln zu vergleichen; wir können indessen des Raumes wegen hier nicht weiter darauf eingehen, verweisen aber auch in dieser Hin- sicht auf unsere grössere Arbeit. So viel mögen wir aber hier erwähnen, dass obwohl in mancher Hinsicht grosse Uebereinstim- mung vorhanden ist, man doch nicht ganz unbedingt die Schilderung der Verhältnisse bei den T'hieren auf die des Menschen übertragen 372 Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: darf. Besonders wollen wir betonen, dass während die Nervenendi- gungen sich im Allgemeinen ähnlich verhalten, die Fibrillenscheide und der Innenkolben dagegen variiren, und die Fibrillen der Kapseln in wechselnder Menge vorhanden sind. Stockholm im August 1872. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 4. Erklärung der Figuren. Ein Stück der Arachnoidea spinalis vom Hund. Behandlung: Osmiumsäure, Anilin. a Subarachnoidalbalken,. von einer feinen Zellenscheide mit zerstreuten Körnern und mit einer stärkeren Körneransammlung um die Kerne umgeben. Bei b häutchenähnliche Ausbreitung der Zellen zwischen den mit einander sich verflech- tenden und Fasern austauschenden Balken. ce die Arachnoidea selbst, von der Innenseite gesehen, aus einem Geflecht von fein fiprillären, mehrere Schichten bildenden Balken bestehend, welche reichlich mit einander sich vereinigen und Fasern austauschen; man sieht die Subarachnoidalbalken unmittelbar in dieses Balkennetz übergehen, und ihre Zellenscheide sich in die dünnen Häutchenzellen forsetzen, welche in den Lücken zwischen den Balken ausgespannt sind, diese zugleich bekleidend; nicht alle Lücken sind an der Innenfläche von Zellen bedeckt (s. bei d), tiefere Balkenschichten mit Zellenhäutchen erscheinen dann an ihrem Boden. Bei e ist das innerste Zellenhäut- chen über einen Balken geborsten und hat sich nach den Seiten zurückgezogen. Hartnack. Imm. Öbj. 9, Ocul. 3. Spinales Subarachnoidalhäutchen vom Menschen. Osmiumsäure. Anilin. Sie besteht aus einem ähnlichen Balkennetz wie’ die Arach- noidea selbst, aber in fast einfacher Schicht. Ein äusserst feines Zellenhäutcehen überzieht die Balken an beiden Seiten und ist über die Lücken zwischen ihnen ausgespannt; die Anordnung der Kerne an beiden Seiten der Balken zeigt, dass die Zellenschicht doppelt ist. Bei a finden sich natürliche Löcher im Häutchen, dadurch entstanden, dass die Häutchenzellen sich hier nicht über die Lücken zwischen den Balken ausspannen. Hartnack Imm. Öbj. 10, Ocul. 3. Spinales Subarachnoidalhäutchen von Menschen. Chromsäure, Alko- hol, Anilin. Bei a ziemlich vollständige Häutehenbildung mit über die Lücken zwischen den Balken ausgespannten Zellen. Bei b Uebergang des Häutchens zum Balkennetz, mit den Zellen die Bal- ken scheidenförmig umgebend. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Spinaler Subarachnoidalbalken vom Hund. Osmiumsäure, Anilin. Fig. Fig. ab: 10. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 373 Die Balken sind von ansehnlichen Zellenscheiden umgeben, welche bei ihrer Kreuzung sich in den Winkeln (a) häutchenähnlich aus- breiten; die Balken selbst sind fein fibrillär. Hartnack Imm. Obj. 10 Ocul. 3. Spinaler- Subarachnoidalbalken vom Hund. Ösmiumsäure, Anilin. Der fibrilläre Balken windet sich spiralförmig im Innern der räum- lichen Zellenscheide. Vergr. wie in Fig. 4. Feiner, spinaler Subarachnoidalbalken mit seiner Zellenscheide. Vom Hunde. Osmiumsäure, Anilin. Vergr. wie in Fig. 4 und 5. Spinales subarachnoidales Balkenhäutchen vom Menschen. Osmium- säure, Anilin. Die Balken netzförmig verflochten, von Zellenschei- den umgeben, welche häutchenähnliche Ausbreitungen in den Kno- tenpunkten und Winkeln bilden: a ein darüber liegender, mit Zellen bekleideter Balken, welcher bei b durch einen Zweig sich mit dem übrigen Balkennetze vereinigt. Hartnack Obj. 7, Ocul. 2. Spinales, subarachnoidales Häutchen, welches ein Blutgefäss an der Innenseite der Arachnoidea festhielt. Vom Menschen; Müller’sche Lösung, Anilin. Das Häutchen ist von ziemlich dichtstehenden, rundlichen Löchern durchbrochen. Hartnack Obj. 4, Ocul 3. b Pia mater spinalis vom Hund, äussere Seite. Goldchlorid, Anilin. Das Präparat ist bei scharfer Einstellung der äusseren Fläche ge- zeichnet, die von einem dünnen äusserst schwachkörnigen Häutchen mit zerstreuten Kernen überzogen ist, um welche eine schwache, strahlenförmig auslaufende, durch Goldehlorid und Anilin leicht gefärbte Zone erscheint. Dicht unter diesem Häutchen und, wie es scheint, mit ihm vereinigt, findet sich ein sparsames Netz elasti- scher Fasern (a). Unter dem Häutchen liegen ferner die längsge- henden Bindegewebsbalken (b); sie sind durch die Präparation angeschwollen, sind sonst von eigenen Zellen umgeben, welche an diesem Präparate sich doch nicht deutlich als Häutchenzellen erwei- sen, sonst aber als solche erscheinen. Zwischen die angeschwollenen Balken gehen Rinnen oder Zwischenräume, über welche das Flächen- häutchen sich ausspannt. Hartnack Imm. Obj. 9, Ocul. 3. Innerste Haut der Pia spinalis (Intima pia). Vom Hunde. Osmium- säure, Anilin. Man sieht zu äusserst ein sehr feines Zellenhäutchen mit ziemlich starker Zone von Körnern in sehr dünner Schicht um die Kerne; unter diesem Häutchen sieht man ein feines elastisches Fasernetz. Bei a ist das Zellenhäutchen zum grössten Theil zer- stört, das elastische Netz ist aber in natürlicher Lage geblieben. Bei b ist dieses ganze Zellenhäutehen mit dem unterliegenden, elastischen Netze weggefallen. Zunächst unter diesem Flächenhäut- chen erscheinen Bündel von steifen, geraden, in der Pia quer gehen- den, sich verzweigenden Balken, welche von feineren Fasern zusam- mengesetzt sind. Unter dieser Querbalkenlage kann man bei b die Fig. 11. Fig. 12. Fig. 15. Fig. 14. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: innerste Schicht der Intima pia mit ihrem schwach angedeuteten, elastischen Netz wahrnehmen. Hartnack Imm. Obj. 9, Oeul. 3. Intima pia spinalis von der Innenseite (nach dem Rückenmarke zu) gesehen. Von einem jungen Kätzchen. Osmiumsäure, Anilin. Ein Flächenhäutchen, sich als eine dünne, körnige Schicht mit Kernen in mehr protoplasmatischer Umgebung markirend. Darunter die steifen, geraden Querfasern, und unter diesen eine neue Zellenschicht, welche dieselbe ist, die an der vorigen Figur erscheint. Keine elastischen Fasern wahrnehmbar. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Intima pia spinalis von der äusseren Seite gesehen. Vom Hunde. Osmiumsäure, Anilin. Die Kerne weggefallen. Bei a erscheint die Mündung einer trichterförmigen Verlängerung, die zu einer Scheide b hinableitet, in welche das Häutchen sich um ein Blutgefäss fort- setzt, das in das Rückenmark eingesenkt war. Die steifen Fasern folgen in den Trichter und in die Scheide mit dem Gefässe herab. Hartnack Obj. 7, Ocul. 3. Piatrichter und Scheide eines aus dem Rückenmarke in Zusammen- hang mit der Pia ausgezogenen Blutgefässes vom Menschen. Müller- sche Lösung, Alkohol, Anilin. a Intima pia mit den steifen Quer- fasern. b die äussere, fibrilläre, längsgehende Schicht der Pia. ce die trichterförmige Verlängerung der Intima um das Gefäss d. Bei e die mehr plattenförmige Verlängerung der Intima, in welche der Trichter tiefer im Rückenmark hinein übergeht; am Abgang der Zweige ist sie sehr breit. Man sieht wie die steifen Querfasern der Intima, die in die Scheide hinablaufen, sich dicht an die Gefässwand anlegen und dieselbe umkreuzen. Hartnack, Obj. 4, Ocul. 3. Perineuralhäutchen aus einem Brachialnerven des Menschen isolirt. Osmiumsäure, Anilin, essigsaures Kali. Eine äusserst feine, ober- flächliche, sehr schwachkörnige Zellenhäutchenschicht mit einem dunkleren, feinen Netzwerk und mit Kernen, die in diesem Präpa- rat eine ziemlich geringe oder keine Protoplasmazone zeigen. Unter dieser Schicht erscheinen von a sich ausbreitende, dünne Fibrillen- bündel und unter ihnen sieht man bei b einen Kern einer an der anderen Seite der Balken befindlichen Zeilenschicht. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. . Fibrilläres Häutchen aus dem Epineurium in der Nähe des Perineu- rium genommen. Aus einem Brachialnerven des Menschen. Osmium- säure, Anilin. Ein dünnes Zellenhäutchen erscheint an beiden Seiten der platten, häutchenartig ausgebreiteten Fibrillenbündel. Bei a sieht man Kerne an beiden Seiten der Fibrillen. Bei b ist das Zellenhäutchen theilweise zerstört, theilweise beibehalten, zwischen die hier von einander etwas getrennten Fibrillenbündel ausgespannt. Bei c elastische Fasern. Hartnack Imm. Obj. 10, ODeul. 3. Fie. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 375 . Ein Stück einer subeutanen Fascie. Vom Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Das Häutchen besteht aus einer platten Fibrillenschicht an beiden Seiten mit äusserst feinen, körnigen Zellenhäutchen bekleidet. Bei a sieht man das Zellenhäutchen isolirt hervorragen. Bei b Zel- lenkerne an beiden Seiten, von einer Protoplasmazone umgeben. Bei ce senkt sich das Protoplasma zwischen die Fibrillen ein. Hart- nack Imm. Obj. 10, Oecul. 3. Bindegewebshäutchen aus ödematösem Unterhautzellgewebe der Lum- bodorsalregion. Vom Menschen. Osmiumsänre, Anilin. Doppelte, körnige, dünne Zellenhäutchen mit stärkerer Körneransammlung um die Kerne. Zwischen den Häutchen sparsame, zerstreute Bin- degewebsfibrillen in zwei Richtungen verlaufend. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Bindegewebshäutchen aus dem Unterhautzellgewebe der Lumbodor- salreeion (Oedem). Vom Menschen. Im Allgemeinen dasselbe Ver- halten wie in der vorigen Figur. Das Häutchen ist umgebogen. In gewissen Entfernungen verlaufen in demselben platte, fibrilläre Bänder zwischen zwei Häutchenzellenschichten, welche in den Zwischenräumen zwischen den Bändern zu einem Häutchen ver- schmelzen; die umgebogenen Fibrillenbänder erscheinen bei a im optischen Durchschnitt. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Ein Stück des Rückenmarkes des Menschen mit den Häutchen von dem zweiten Dorsalnerven hinab. Das obere Ende des Rückenmar- kes ist an der Figur nach unten gerichtet. a die Dura mater, vorn aufgeschnitten und nach hinten gebogen; b die Arachnoidea ebenfalls vorn aufgeschnitten und nach hinten gebogen. c die taschenförmigen Räume, welche die Arachnoidea zwischen den hin- teren Nervenwurzeln bildet; bei b und nach oben davon an der Figur sind diese Räume von einem Häutchen überbrückt; die vorderen Wurzeln sind abgeschnitten. Nat. Grösse. Tafel XVII. Querschnitt vom Rückenmark des Menschen im oberen Theil der Dorsalregion mit den Häutchen in natürlicher Ausspannung. Schwache Loupenvergröss.: a Dura mater, an deren Innenseite die dünne Arach- noidea dicht anliegt, nur an einigen Stellen sich davon etwas ab- trennend. b Septum posticum, welches hier aus mehreren, hie und da zusammenlaufenden Häutchen besteht, aus welchen kleinere Sub- arachnoidalräume gebildet werden; diese Häutchen scheinen an der Figur sich nach den Seiten auszubreiten, sowohl an der Innenseite der Arachnoidea, als an der Pia, wo auch ein Paar durchschnittene Blutgefässe in diesen Häutchen aufgehängt zu sehen sind. c die hinteren Nervenwurzeln in ihrem Suharachnoidalhäutchen aufgehängt. d Ligamentum denticulatum im Durchschnitt. e die vorderen Ner- 376 Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: venwurzeln. Zwischen der Arachnoidea und der das Rückenmark bekleidenden Pia befindet sich der grosse subarachnoidale Raum, welcher durch das paarige Ligamentum denticulatum in ein hinte- res und ein vorderes Subarachnoidalspatium abgetheilt wird. Querschnitt vom Rückenmark des Hundes, etwas oberhalb der Cauda equina. Blaue Subarachnoidalinjection. Schwache Loupen- vergr.: Die Nervenbündel schön und ziemlich regelmässig rings um das Rückenmark angeordnet. Die Injection befindet sich über- all zwischen ihnen und auch in der Piaverlängerung der Fissura anterior. Querschnitt der Wurzeln eines Spinalnerven zwischen dem Ganglion und dem Rückenmarke in kurzer Entfernung vom Austritt des Ner- ven aus der Duralscheide des Rückenmarkes.. Vom Menschen. Injection von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks aus. a die motorische, b die sensorische Wurzel. c die Duralscheide des Nerven, welche eine unmittelbare Fortsetzung der Dura spinalis ist, und welche hier eine Scheidewand zwischen den motori- schen und sensorischen Wurzeln bildet. Innerhalb der Dural- scheide befindet sich blaue Injectionsflüssigkeit rings um die grös- seren Nervenbündel und an mehreren Stellen auch zwischen den kleineren Bündeln, aus welchen die grösseren zusammengesetzt sind. Die injieirten Räume sind eine unmittelbare Fortsetzung der Sub- arachnoidalräume, und ihre Begrenzungen sind eine Fortsetzung der Arachnoidea und des Subarachnoidalgewebes, welche hier Scheiden um die Nerven und Scheidemembranen im Innern derselben bilden. Ein Spinalganglion aus der Lumbalregion des Menschen, mit In- jeetion von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks aus. Loupenvergröss. (ungef. 4mal). a die sensorische Wurzel, durch deren Subarachnoidalräume die Injectionsflüssigkeit in das Ganglion selbst eingeflossen und sich in den Spaltenräumen und im intersti- tiellen Gewebe desselben ausgebreitet hat. b die motorische Wur- zel, welche, von der Flüssigkeit umspült, am unteren Rand des Ganglion verläuft. Querschnitt vom Ischiadicus des Menschen. Loupenvergröss. (ungef. 4mal). Stichinjection im Nerven. Der Schnitt ist eine weite Strecke von der Injectionsstelle aus gemacht. Man sieht die zahlreichen Nervenbündel, welche mehr oder weniger durch das fettreiche Epi- neurium von einander getrennt sind, ven theils vollständigen, theils weniger vollständigen, blauen Ringen umgeben, die aus dem inji- cirten Perineurium bestehen. In den Nervenbündeln sieht man die gröbere; Gruppirung der Nervenfasern. An einer Stelle ist die Injectionsflüssigkeit zwischen einige dieser Fasergruppen einge- drungen. Querschnitt eines kleineren Hundenerven, mit Injection in den Peri- Pig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 377 neuralräumen vom Subduralraum des Rückenmarks aus. Loupen- vergröss. Querschnitt des Vagus vom Menschen mit Injection der Perineural- räume (Stichinjection). Die Zweige des Nerven von einander durch das Epineurium getrennt. Loupenvergröss. Querschnitt vom Stamme des Sympathicus colli des Menschen. Stichinjection. Loupenvergröss. Der Schnitt ist am Uebergang des Nerven ins Ganglion gemacht. Die Perineuralräume sind durch die Injectionsflüssigkeit sehr ausgespannt. Bei a geht das Epineurium mit einem gröberen Blutgefäss tief in den Nerven hinein. Querschnitt vom Ganglion supremum Colli des Sympathicus des Menschen mit Injection nach Einstich in den Nerven selbst. 4mal vergröss. Die Injectionsflüssigkeit befindet sich sowohl in den eigentlichen Perineuralräumen, als um die Nervenbündel im Innern des Ganglion. Ein Stück von einem (@uerschnitt eines Spinalganglion aus der Lumbalregion des Menschen, mit Injection von den Subarachnoidal- räumen des Rückenmarks aus. Müller’sche Lösung, Alkohol. Der Schnitt ist nicht weit ausserhalb des Einlaufes der Nervenwurzel ins Ganglion. Die Injectionsflüssigkeit hat die quergeschnittenen Nervenbündel umspült und ist hie und da zwischen die einzelnen Nervenfasern und die eingestreuten Ganglienzellenkapseln (a) einge- flossen. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Ein Stück von einem Querschnitt eines Spinalganglion aus der Lum- balregion des Menschen, mit Injection von den Subarachnoidal- räumen des Rückenmarks. Müller’sche Lösung, Alkohol. Die Injectionsflüssigkeit umspült die Ganglienzellenkapseln (a), ist aber nie in dieselben eingedrungen, auf der Innenseite dieser Kapseln liegt das bekleidende Epithel und in ihren Hohlräumen befinden sich die geschrumpften Ganglienzellen, nur mit Ausnahme von zwei Stellen, wo die Zellen ausgefallen sind. b Blutgefässe. Die In- jeetionsflüssigkeit ist hier überall zwischen die theils einzelnen, theils bündelweise stehenden, quergeschnittenen Nervenfasern eingeflossen, und hat sie rings umgespült, ist aber nirgends in ihre Schwann’- schen Scheiden hineingedrungen. Hartnack Obj. 7, Ocul. 3. Ein Stück von einem @uerschnitt eines Spinalganglion aus der Lumbalgegend des Menschen. Stichinjection im Ganglion. Müller- sche Lösung, Alkohol. Der Schnitt ist an der Fläche des Ganglion gemacht; bei a sieht man die Perineuralräume mit der Injectionsflüs- sigkeit gefüllt, welche in diese durch die endoneuralen Spaltenräume (b) ausgeflossen ist, die Ganglienzellenkapseln sind von einem schö- nen, maschigen Lymphgefässnetz (ec) umsponnen, welches in offener Verbindung mit den eben genannten Spaltenräumen steht. d Blut- gefässe. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. 378 Fig. Fig. Fig. Fig: Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 32 33. 36. 38. 39. 40. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: . Querschnitt von einem Nervenbündel eines Spinalganglion des Men- schen. Stichinjeetion. Müller’sche Lösung, Alkohol. Von den das Nervenbündel umgebenden Spalträumen ist die Flüssigkeit in einen endoneuralen Gang in das Nervenbündel hineingedrungen, und hat hie und da zwischen feine Nervenfasern sich in einem Maschennetz ausgebreitet. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Ein Stück von einem Querschnitt eines sympathischen Ganglion des Menschen. Stichinjection. Müller’sche Lösung, Alkohol. Der Schnitt ist an der Fläche des Ganglion gemacht. Die Flüssigkeit hat theil- weise das lymphatische Maschennetz um die Ganglienzellenkapseln (a) gefüllt und ist von diesen durch endoneurale Gänge (b) in die Perineuralräume (c) ausgeflossen. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. . Eine Partie eines derartigen Lymphgefässnetzes um die Ganglien- zellenkapseln, aus dern Ganglion coeliacum des Menschen, bei etwas stärkerer Vergrösserung als in der vorigen Figur. Müller’sche Lö- sung, Alkohol. . Eine kleine Partie von dem Querschnitt eines peripherischen Nerven des Menschen, die zwischen Perineuralhäutchen liegenden, mit In- jectionsflüssigkeit fast erfüllten Perineuralräume zeigend. Müller’- sche Lösung, Alkohol. a die Oberfläche des Nerven mit den quer- geschnittenen Nervenfasern; nächst ausserhalb derselben liegen einige Perineuralhäutchen (b), deren Zwischenräume nicht injieirt sind, Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Eine Partie von einem Querschnitt eines Nervenbündels (Brachial- nerven) des Menschen. Stichinjeetion. Müller’sche Lösung, Alko- hol. a endoneurale Spalträume, welche nach dem Inneren des Nerven beginnende Verzweigungen in feinere Gänge zeigen und nach aussen an der Fläche des Nerven in Perineuralräume (b) übergehen. ce ein quergeschnittenes Blutgefäss. Hartnack Obj. 4, Oeul. 3. . Eine ähnliche Partie von einem Querschnitte eines peripherischen Nervenbündels des Menschen. Stichinjeetion. Müller’sche Lösung, Alkohol. Hier ist die Flüssigkeit von den endoneuralen Spalträu- men zwischen die einzelnen Nervenfasern reichlich hineingeflossen und hat sie umgespült. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Ein verzweigter feiner Muskelnerv, dessen Perineuralräume durch Stichinjection von dem Nervenstamme aus injieirt sind. Vom Kaninchen. Müller’sche Lösung, Alkohol. Bei a sieht man die Injectionsmasse in kleineren Partien zwischen den Perineurallamel- len liegen. Hartnack Obj. 7, Ocul. 3. Lumbo-sacralplexus eines Hundes (von der Bauchhöhle aus gesehen) mit Injection feiner Nerven vom Subduralraum des Rückenmarks aus. Nat. Grösse. Ein Stück von einem Querschnitt aus der Halsregion des Rücken- Fig. 41. Fig. 42. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 379 marks mit Injection von den Subarachnoidalräumen aus. Vom Men- schen. Müller’sche Lösung, Alkohol. a Pia mit Injectionsflüssigkeit erfüllt; b eines von ihren Blutgefässen, welches in das Rückenmark ein Gefässzweig in eine trichterförmige mit Injectionsflüssigkeit erfüllte Verlängerung (c) der Pia einsendet; d eine eben solche trichterförmige injieirte Gefässscheide, welche aus der Rückenmarks- fläche etwas ausgezogen nnd von ihr getrennt ist. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Tafel XVII. Randpartie von dem Querschnitte eines Nerverbündels aus einem peripherischen Nerven (Ischiadieus) des Menschen. Müller’sche Lö- sung, Alkohol, Carmin. a Perineurium, welches bei b ein kleineres dicht an dem grösseren Nervenbündel liegendes, und von ihm eben abgezweigtes Nervenbündel umschliesst, und welches in das Innere des grösseren Nervenbündels endoneurale Fortsetzungen (c) einsendet, wodurch also dieses Bündel in kleinere Gruppen getbheilt wird; die endoneuralen Fortsetzungen sind an einigen Stellen aufgeblättert, und umfassen hie und da quergeschnittene, von ihren eoncentrischen Endothelhäutehen umschlossene Blutgefässe (d). Die Perineuralhäut- chen liegen beisammen und erscheinen nur schwach durch feine Streifen angedeutet. Die Nervenfasern erscheinen quergeschnitten, und durch das Endoneurium getrennt, in welchem die Fibrillen- scheiden und die Kerne der dieselben bekleidenden Zellenscheiden mehr oder weniger deutlich hervortreten; hie und da sind die Mye- linscheiden etwas von den Schwann’schen Scheiden getrennt; die Achsencylinder erscheinen in der Mitte der Myelinscheiden; an einer Stelle links (bei e) ist aus einer Nervenfaser sowohl der Achsencylinder als die Myelinscheide ausgefallen, so dass die Schwann’- sche Scheide leer da steht. Links an der Figur ist eine ganze Ner- venfasergruppe abgetrennt und etwas vom Perineurium und seiner endoneuralen Fortsetzung abgesondert. Hartnack Obj. 7, Oeul. 3. Randpartie von einem Querschnitte eines Nervenbündels aus einem peripherischen Nerven (Brachialis) des Menschen, die aufgeblätter- ten Perineuralhäutchen nebst einigen Epineuralhäutehen zeigend. Der Schnitt ist an einem gefrorenen Nerven gemacht und dann in Anilin gefärbt. Die dünnen Perineuralhäutchen liegen noch an eini- gen Stellen dicht beisammen, an einigen Stellen hängen sie mittelst feiner, überspringender Balken zusammen. Die feine Fibrillirung dieser Häutchen tritt an der Figur etwas stark hervor; einige longi- -tudinale Faserbündel erscheinen auch an den Häutchen. In den drei ausserhalb liegenden, auch grösstentheils aufgeblätterten Epi- 380 Fig. 43. Fig. 44. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzivs: neuralhäutchen sieht man die wellenförmige, längsgehende Fibrilli- rung sehr deutlich. Die Kerne sind weder an den Peri- noch an den Epineuralhäutchen gezeichnet. Die innersten Perineuraihäut- chen liegen dicht am Nervenbündel (c) zusammen; man sieht einige endoneurale Fortsetzungen (d) von ihnen zwischen die Grup- pen der quergeschnittenen Nervenfasern einlaufen. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Randpartie von einem Querschnitt eines Nervenbündels aus einem peripherischen Nerven (Brachialis) vom Hunde. Holzessig, Anilin. Die Figur zeigt vier durch die Behandlung geschwellte Perineural- häutchen, von welchen die drei oberen (a) mit ihren angehörigen Kernen näher zusammen liegen, das vierte (b) isolirt ist, Kerne an beiden Seiten zeigt, und wie die übrigen beiderseits von einer, mit Anilin gefärbten, rothen Linie begrenzt ist, die das bekleidende Zellenhäutchen angiebt. In den Häutchen zwischen diesen rothen Linien erscheint eine schwache Andeutung zur Structur durch die geschwellten Fibrillen der Häutchen entstanden. An einer Stelle links findet sich eine etwas schmalere, dunklere Partie an einem Häutchen, welche darauf beruht, dass die Fibrilien hier geringer an Zahl waren. Nach unten an der Figur sieht man quergeschnit- tene Nervenfasern (d), deren Myelinscheide von Anilin gefärbt ist. und welche von den geschwellten Fibrillenscheiden umgeben sind, die ihrerseits von ihrem Zellenhäutchen mit den angehörigen Kernen begrenzt sind. Oberhalb dieser quergeschnittenen Nervenfasern liegt das Fibrillenhäutchen (c), welches nach dem Perineurium zu das Nervenfaserbündel zunächst umschliesst, und an deren äusserer Fläche man auch eine rothe Contour eines Zellenhäutchens nebst zwei Kernen sieht. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Randpartie von einem Querschnitt eines Nervenbündels aus einem peripherischen Nerven (Brachialis) des Hundes. Holzessig, Anilin. Die Figur zeigt eine Stelle, wo die dichtliegenden, innersten, nur von ihrem rothgefärbten Flächenhäutchen getrennten. angeschwellten Perineuralhäutchen (a), welche bei b zwischen sich ein quergeschnit- tenes Blutgefäss aufnehmen, sich in das Nervenbündel zwischen seine Fasergruppen einbiegen. Diese endoneuralen Fortsetzungen zeigen nach der Anschwellung ungefähr dasselbe Aussehen, wie die Peri- neuralhäutchen selbst. Bei b biegen sich einige von ihnen nach der Seite, an der Abgangsstelle zwischen sich ein quergeschnittenes Blutgefäss aufnehmend. In den Nervenfasergruppen sieht man die rothgefärbten, geschwellten Myelinscheiden und Achsencylinder der quergeschnittenen, gröberen und feineren Nervenfasern, zunächst von ihrer Schwann’schen Scheide umschlossen und nach aussen davon von den stark angeschwellten Fibrillenscheiden umgeben, welche ihrerseits durch die sie bekleidenden, die Zellenhäutchen Siudien in der Anatomie des Nervensystemes. 381 anzeigenden, rothen Linien und die denselben angehörigen Kerne getrennt sind. Hie und da sieht man zwei oder mehrere Nerven- fasern in einer gemeinsamen Fibrillenscheide liegen. Hartnack Imm. Obj. 10, Oeul. 3. . Querschnitt des Perineurium und Epineurium eines Nervenbündels aus einem peripherischen Nerven des Hundes. Holzessig, Anilin. Die Perineuralhäutchen a liegen, wie in der vorigen Figur, zusam- men, von rothen Linien begrenzt. Nach oben davon sieht man die stark und ungleich angeschwellten Epineuralhäutchen auch durch rothe Linien begrenzt, welche die sie bekleidenden Zellenhäutchen anzeigen, und in welchen rothgefärbte Kerne liegen. Hie und da sieht man diese Zellenhäutchen quer durch die Epineuralhäutchen zusammehlaufen, Häutchenbrücken zwischen ihren Flächenhäutchen bildend. Die Kerne, welche hie und da in ihren Winkeln vorhanden sind, ähneln mit den von ihnen ausgehenden, die Zellenhäutchen anzeigenden, rothen Linien den in früherer Zeit beschriebenen, ver- zweigten Bindegewebskörperchen. In dem angeschwellten Häutchen sieht man eine Eintheilung in Partien, die geschwellten Fibrillen- partien anzeigend. Bei b läuft ein Blutgefäss durch die Epineural- häutchen hindurch, wie in einem Canale, welcher von ihren Zellen- häutchen gebildet ist. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. . Fig. 46. Eine Partie eines sympathischen Halsganglion mit einigen eintreten- Fig. 47. Fig. 48. den Nervenzweigen. Vom Kaninchen. Silberfärbung. Man sieht an demselben ein mehrschichtiges Netz von dunkelgefärbten, poly- gonalen Maschen sowohl über die Fläche der Nervenzweige, als über die des Ganglion sich erstrecken, die durch das Silber gefärb- ten Zellengrenzen in den Zellenhäutchen des Perineurium anzeigend. Hartnack Obj. 4, Ocul. 3. Eine Partie von einem Querschnitt eines peripherischen Nerven (Brachialis) des Menschen mit gröberen und feineren Nervenfasern. Osmiumsäure, Anilin. Die schwarzgefärbten Myelinscheiden sind etwas von den rothgefärbten Schwann’schen Scheiden getrennt, und zwischen oder um die letzteren sieht man die Fibrillenscheiden mit ihren quergeschnittenen, mehr oder weniger in Unordnung gebrach- ten, nach der Seite gebogenen Fibrillen nebst einigen Kernen der sie bekleidenden Zellenhäutchen. Hartnack Imm. Obj. 9, Ocul. 3. Ein Stück einer isolirten Nervenfaser mit ihren Häutchen aus einem peripherischen Nerven (Brachialis) des Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Im oberen Ende sieht man aus der dunkelgefärbten Mye- linscheide (a) den Achsencylinder (b) hervorragen; zunächst ausser- halb dieser Scheide erscheint die schwach rothgefärbte Schwann’- sche Scheide (ce), im oberen Ende der Figur leer, weiter unten etwas von der Myelinscheide getrennt, und am untersten Theil so dicht um sie angeschlossen, dass sie nicht deutlich wahrgenommen wird. 382 Fig. 49. Fig. 50. Fig. 51. Fig. 52. Fig. 53. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: Bei d liegt ein Kern in der hier etwas erweiterten Schwann’schen Scheide oder an der Innenseite derselben; nach oben und unten da- von befinden sich an der Innenseite der Scheide glänzende Körner von nicht eben unbedeutender Grösse. Rings um die Schwann’sche Scheide sieht man die Fibrillenscheide (e) der Nervenfaser auswen- dig von einem äusserst dünnen Zellenhäutchen bekleidet, dessen Kerne (f) von einer dünnen protoplasmatischen Ausbreitung umge- ben sind; bei g ist ein Theil dieses Zellenhäutehens abgelöst. Hart- nack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Drei solche in natürlicher Lage beisammenliegende Nervenfasern mit zugehörigen Scheiden aus einem frischen (durch Amputation erhaltenen), peripherischen Nerven (Fingernerven) des Menschen. Ösmiumsäure, Anilin. Wie in der vorigen Figur sieht man um die dunkelgefärbten Myelinscheiden die röthlich gefärbten Schwann’- schen Scheiden an einigen Stellen hervortreten und nach aussen davon die räumlichen Fibrillenscheiden auswendig von ihren Endo- thelzellen bekleidet. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Eine isolirte Nervenfaser von ihrer Fibrillenscheide abgetrennt, aus einem frischen (durch Amputation erhaltenen) peripherischen Ner- ven (Wadennerven) des Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Um die dunkelgefärbte Myelinscheide sieht man die röthlich gefärbte Schwann’sche Scheide eine Erweiterung bilden, in welcher, »an der Innenseite der Scheide«, ein Kern und nach oben und unten davon eine Ansammlung rundlicher, glänzender, recht grosser Körner nebst zwei grossen freien dunkelgefärbten Kugeln (Myelinkugeln) liegen. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Eine isolirte Nervenfaser von ihrer Fibrillenscheide abgetrennt; aus einem in Ueberosmiumsäure eingelegten, peripherischen Nerven (Fingernerven) eines jüngeren (zehnjährigen) Menschen genommen. Anilinfärbung. An der Innenseite der röthlich gefärbten Schwann’- schen Scheide liegt ein Kern, und nach oben und unten davon eine langgestreckte Ansammlung von körnigem Protoplasma. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Eine isolirte schmalere myelinhaltige Nervenfaser aus einem peri- pherischen Nerven (Brachialis) des Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Die Schwann’sche Scheide ist hie und da etwas ausgebuchtet und von der Myelinscheide getrennt; an einer Stelle ist sie sehr geräu- mig, dort an ihrer Innenseite mit einem von körnigem Protoplasma umgebenen Kern versehen. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Ein Stück einer isolirten Nervenfaser aus einem peripherischen Nerven des Hundes. Holzessig. Links von der dunkler gefärbten Myelinscheide sieht man die durch Holzessig angeschwollene und homogene, heller gefärbte Fibrillenscheide, an deren äusserer Seite eine theilweise abgelöste Häutchenzelle mit ihrem Kern (der äusse- Fig. 54. Fig. 55. Fig. 56. Fig. 57. Fig. 58. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 333 ren Häutchenzellenbekleidung der Fibrillenscheide angehörend) an- haftet. Hartnack Imm. Obj. 9, Ocul. 3. Eine isolirte, schmalere, myelinhaltige Nervenfaser ohne ihre Fibril- lenscheide, aus einem peripherischen (Finger) Nerven des Menschen; frisch mit Osmiumsäure behandelt, Anilinfärbung. Sie zeigt zwei der mit körnigem Protoplasma umgebenen Kerne der Schwann’schen Scheide in natürlicher Entfernung von einander und mit der zwi- schenliegenden Einschnürung auch in natürlicher Entfernung von den beiden Kernen. Hartnack Imm. Obj, 10, Ocul. 3. Eine myelinhaltige Nervenfaser mit wiederholter Theilung, von dem Brustmuskel des Frosches.. Osmiumsäure, Anilin. Die Faser ist zu äusserst von einem Perineuralhäutehen umgeben, welches mit ihr sich theilt, und in welchem Kerne (e) zu sehen sind. Die Schwann’- sche Scheide schliesst sich so dicht um die Myelinscheide, dass sie nicht deutlich hervortritt. Bei e sieht man Kerne, welche der Schwann’schen Scheide angehören. Bei a theilt sich die Nerven- faser in zwei Fasern, die eine breit, die andere schmaler; bei b theilt sich die breitere Faser wieder in drei ungefähr gleich breite Fasern. An den Theilungsstellen befinden sich Einschnürungen der Schwann’schen Scheide, und die Myelinscheide wird dort vermisst. Bei d sieht man Kinschnürungen ohne Theilung. Zwischen allen diesen Einschnürungen sind die der Schwann’schen Scheide angehö- rigen Kerne (c) vorhanden; zwischen den beiden Theilungseinschnü- rungen liegt der Kern nicht in der Mitte, sondern die Entfernung der einen Einschnürung ist hier grösser, als die der anderen. Hart- nack Imm. 10, Ocul. 2. Eine isolirte, feine, myelinfreie Nervenfaser mit zwei Kernen aus einem peripherischen Nerven (Brachialis) des Menschen. Osmium- säure, Anilin. Die ohne Zweifel vorhandene, aber nicht deutlich isolirte Schwann’sche Scheide schliesst sich dicht um den Achsency- linder. Die blassen, feinen Fasern des Sympathicus haben eben dasselbe Aussehen. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Eine myelinhaltige Nervenfaser mit Einschnürungen aus einem peri- pherischen Nerven (Fingernerven) des Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Die Myelinscheide wird an der Einschnürungsstelle ganz vermisst, während der Achseneylinder durch das ziemlich weite Lumen derselben verläuft. Die Schwaopn’sche Scheide zeigt links keine Verdickung oder dergl., rechts dagegen einen hineinragenden Fortsatz. Ausserhalb dieser Scheide, zwischen ihr und der Fibrillen- scheide, sieht man eine Ansammlung von feinkörnigem Protoplasma. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Dieselbe Nervenfaser bei tieferer Einstellung des Mikroskops. An der Einschnürungsstelle erscheint jetzt, wie ein Querband, eine Firste 384 Fig. 59. Fig. Fig. Fig. Fig. 61. 62. 63. 64. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: in der Schwann’schen Scheide auf der unteren Seite des Achseney- linders. Myelinhaltige Nervenfaser mit Einschnürung, aus einem Fingerner- ven des Menschen. ÖOsmiumsäure, Anilin. Die etwas erweiterte Schwann’sche Scheide bildet an der Einschnürung eine ringförmige, gegen den Achsencylinder hineinragende Verdickung. Nach aussen davon erscheint links die feinkörnige Ansammlung. Die Myelin- scheide wird an der Einschnürung vermisst. -Hartnack Imm. Ob). 10, Ocul. 3. Myelinhaltige Nervenfaser mit Einschnürung; aus einem peripheri- schen Nerven des Menschen. "Osmiumsäure, Anilin. Die oberhalb und unterhalb der Einschnürung etwas erweiterte Schwann’sche Scheide zeigt an der übrigens starken Einschnürung keine Ver- dieckung. Myelinscheide wird an der Einschnürung vermisst. Aus- serhalb der Schwann’schen Scheide erscheint die etwas zerzupfte Fibrillenscheide mit ihrem feinkörnigen Bekleidungshäutchen und einem ihm angehörigen Kern. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Myelinhaltige Nervenfaser mit unvollständiger Einschnürung; aus einem peripherischen Nerven des- Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Die Myelinscheide setzt sich durch die Einschnürung fort. Keine Verdickung oder dergl. ist in der Schwann’schen Scheide an der Ein- schnürungsstelle vorhanden. Der Achsencylinder ist durch die Mye- linscheide zu sehen. An der Fibrillenscheide liest ein Kern mit zugehörigem Zellenhäutchen. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Myelinhaltige Nervenfaser mit Einschnürung aus einem peripheri- schen Nerven (Ischiadicus) des Frosches.. Osmiumsäure, Anilin. In der Schwann’schen Scheide erscheint an der Einschnürungsstelle nur eine feine, quergehende Linie, aber keine Verdickung o. dergl. Die Myelinscheide wird am ganzen Einschnürungsstück vermisst. Die Fibrillenscheide ist stark entwickelt. Hartnack Imm. Obj. 10 Oeul. 3. Myelinhaltige Nervenfaser mit Einschnürung, aus einem peripheri- schen Nerven (Ischiadicus) des Frosches. Osmiumsäure, Anilin. In der Mitte der Einschnürung erscheint eine querliegende, stark glän- zende Scheibe, durch deren Mitte der Achsencylinder verläuft und welche dicht an der Innenseite der Schwann’schen Scheide liegt. Die Myelinscheide geht beiderseits bis zur Nähe dieser Seheibe. Harnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Zwei Einschnürungen myelinhaltiger Nervenfasern, aus einem peripheri- schen Nerven des Frosches. a Einschnürung ohne Querlinie, Scheibe oder dergl. die Myelinscheide von beiden Seiten fast zusammenlaufend. b unvollständige Einschnürung, die Myelinscheide sich durch die Ein- schnürungsstelle fortsetzend.. Osmiumsäure, Anilin. Hartnack Imm. Obj. 10, Oeul. 3. Fig. 65. Fig. 66. Fig. 67. Fig. 68. Studien in der Anatomie des Nervensystemes. 385 Ein schmaler. peripherischer Nerv (Hautnerv) eines Vogels (Cypse- lus Apus) aus einer kernführenden Perineuralscheide und einigen darin eingeschlossenen, myelinhaltigen Nervenfasern bestehend. Os- miumsäure, Anilin. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Der obere Theil des Innenkolbens eines Pacini’schen Körpers mit Terminalfaser und Endknospen, im optischen Längendurchschnitt. Vom Menschen. ÖOsmiumsäure. Die äusseren und die meisten der mittleren Kapseln sind weggenommen. Die inneren Kapseln erschei- nen im optischen Durchschnitt an beiden Seiten des Innenkolbens, dicht an einander liegend ; die intrakapsulären Circulärfasern erschei- nen als schwach angedeutete Punkte zwischen den Kapselwandlinien. Im Innenkolben ist eine Längsstreifung undeutlich hervortretend. In seiner Mitte liegt die in mehrere Zweige getheilte Terminalfaser mit etwas markirter, fibrillärer Zusammensetzung. Hie und da sieht man die feineren Zweige, welche aus einer hell glänzenden Achsenfaser, von einer dunkleren varicösen Scheide umgeben, beste- hen. Alle Zweige, sowohl die gröberen als die feineren endigen in Endknospen von körnigem Aussehen, aber von verschiedener Grösse, Form und Lage. In den meisten der Endknospen tritt eine Ein- theilung der körnigen Masse in rundliche Partieen, hervor. Nach oben verschmälert sich der Innenkolben und geht in seine fibrilläre Verlängerung über. Hartnack Imm. Obj. 10. Ocul. 3. (Nicht ausgezogener Tubus.) Stiel eines Paeini’schen Körpers mit seinem Uebergang in denselben, im optischen Durchschnitt. Vom Menschen. Osmiumsäure. In der Mitte sieht man die Nervenfaser (a) mit ihrer dunklen Myelinscheide (nebst einigen freien Myelinkugeln, welche die Schwann’sche Scheide auszuspannen scheinen). Ausserhalb derselben erscheint die Fibril- lenscheide (b) mit ihrer wellenförmigen Fibrillenanordnung und mit einigen Kernen. Ausserhalb dieser sieht man die Perineuralhäutchen von welchen doch ein Theil der äusseren nebst den äusseren Kap- seln auf die Weise weggenommen sind, dass sie über den Stiel zu- rückgezogen wurden. Nach oben sieht man die Perineuralhäutehen in die Kapseln des Körpers übergehen, die inneren ohne Verände- rung, die mittleren und äusseren dadurch, dass sie breiter werden die intrakapsuläre Flüssigkeit in sich aufnehmend, in welcher die eireulären Fibrillen wie Körner in wechselnder Anordnung erschei- nen. Die Kapseln sind an verschiedenen Stellen von einander getrennt, wodurch die Spaltenräume (c) zwischen ihnen hervortreten, und die Lage der Kapselkerne, wie das Verhalten der die Kapseln begrenzenden Häutchen, wahrgenommen wird. Hartnack Imm. Obj. 9, Ocul. 3. Eine isolirte, gefensterte Kapsel eines Pacini’schen Körpers, in Flä- chenausbreitung. Vom Menschen. Osmiumsäure, Anilin. Mehrere Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 25 Fig. 71. Prof. Axel Key und Dr. Gustaf Retzius: grössere und kleinere Löcher, von welchen einige theilweise mit einem äusserst dünnen, körnigen Häutchen bedeckt sind, erscheinen zwischen den Fibrillenbündeln. Um einige der Kerne des bekleidenden Flächenzellenhäutchens befindet sich eine protoplasmatische Zone in dünner Ausbreitung. Hartnack Obj. 7, Ocul. 3. . Ein ähnliches, aber nicht gefensterte Kapselhäutchen eines Pacini- schen Körpers, in Flächenausbreitung. Vom Menschen. Osmium- säure, Anilin. Das elastische Fasernetz ist hier zu sehen. Um einige der Kerne befindet sich eine protoplasmatische Zone. Eine Wanderzelle (a) liegt dicht auf dem Häutchen. Hartnack Imm. Obj. 9, Ocul. 3. . Einige Kapseln eines Pacinischen Körpers im optischen Durchschnitt. Vom Menschen. Osmiumsäure. a die Kapseln selbst mit ihren als begrenzenden Linien erscheinenden Flächen- oder Begrenzungshäut- chen, zwischen welchen die albuminhaltige Flüssigkeit vorhanden ist, und die darin befindlichen Quer- oder Circulärfasern als Körner im optischen Durchschnitt erscheinen. In den Spaltenräumen (b) zwischen den Kapselu sieht man die Kapselkerne, theilweise mit dem ihnen angehörigen, äusserst dünnen Zellenhäutchen, von dem Begrenzungshäutchen selbst abgelöst, und als eine von den Enden der Kerne ausgehende, frei in den Spaltenräumen liegende, feine Linie erscheinend. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Eine Partie eines Pacini’schen Körpers des Menschen, den Ueber- gang der Fibrillenscheide (a) in den Innenkolben (c) und der Ueber- gang der myelinhaltigen Nervenfaser (c) in die Terminalfaser (d) (unter Abgeben der Myelinscheide) zeigend. An den Seiten erschei- nen einige der nächsten Kapseln im optischen Durchschnitt. Osmium- säure. Hartnack Imm. Obj. 10, Ocul. 3. Alle Figuren sind, wo es nicht besonders angegeben ist, bei ausgezoge- nem Mikroskoptubus gezeichnet. Das Verhältniss von Drüsennerven zu Drüsenzellen. Von €. Kupffer. Ich glaube dem Verdienste derjenigen Histiologen, die sich um die Ermittelung der Verhältnisse der Drüsennerven bemüht haben, nicht zu nahe zu treten, wenn ich die Frage nach der Endigung dieser Nerven als eine noch offene bezeichne. Nach gelegentlichen Mittheilungen darf ich annehmen, dass dies die Ansicht der über- wiegenden Mehrzahl der Fachgenossen ist. Verschiedene derselben haben sich in ihren Publikationen dazu bekannt, dass sie vergeblich nach einem Zusammenhänge der Nerven und Drüsenzellen gesucht haben. Ich selbst muss gestehn, dass ich an der Submaxillaris ver- schiedener Säugethiere nicht über die Ergebnisse hinausgekommen bin, die Reich!) in seiner soliden Arbeit veröffentlicht hat, d. h. nicht über die Wahrscheinlichkeit des Durchtritts feiner markloser Fasern durch die Propria des Acinus. Einen unzweifelhaften Zu- sammenhang von Nervenfibrillen mit den Zellen des Acinus habe ich da nicht gesehn. Die in ihrem Basalabschnitt sich auffasernden Cylinder der Ausführungsgänge fand ich allerdings häufig in vereinzelte Fibrillen sich fortsetzend, die nichts Anderes als Nervenfibrillen sein konnten, aber auch hier genügten meine Präparate nicht, um eine stärkere unzweideutige Nervenfaser sich derart in Quäste auffasern zu sehn, wie es in dem Präparat der Fall gewesen sein muss, das Pflü- gers Fig. 80 im Artikel »Speicheldrüsen« des Strickerschen Hand- buchs zu Grunde gelegen hat. 1) Bernhard. Reich. Disq. mierose. de finib. nerv. in gland. salival. Dissert. Vratislaviae 1866. 388 Dr. C. Kupffer: Markführende Fasern habe ich nie in solchem Contact mit der Propria, sei es der Acini, sei es der Speichelgänge, gesehn, dass ich auf einen unmittelbaren Durchtritt und gar auf eine Fortsetzung der Markscheide binnenwärts hätte schliessen dürfen. Der Gesammteindruck, den ich aus wiederholten Bemühungen davonnahm, war der, dass es sich hier nicht um »grobe« Ver- hältnisse handelt, sondern dass man in letzter Instanz auf die feine blasse Fibrille stösst, deren Verbindungsweise mit der secernirenden Zelle noch zu ermitteln wäre. In Bezug auf die Thatsache (des Zusammenhanges überhaupt der Ueberzeugung Pflügers mich anschliessend, begann ich nun nach geeigneteren Organen zu suchen, die auch den Zweiller gegen- über den objektiven Nachweis zu führen gestatten möchten. Ich wandte mich zu den Speicheldrüsen der Insekten und hier zunächst der Muscidenlarven. Bei diesen sind es zwei grosse, fast ganz isolirt im Leibesraum liegende einfache cylindrische Schläuche, die nur an ihren hintern blinden Enden durch einen bandartigen Streifen von Fettgewebe verbunden sind, der noch becherartig die Enden selbst umgreiit. Aber auch dieser partielle Ueberzug lässt sich leicht abstreifen und man hat dann die völlig isolirte Drüse vor sich, kann sie beliebig umherwälzen, alle isolirt herantretenden Stränge prüfen und das ganze durchsichtige Organ unter dem Deckglase mit den stärksten Vergrösserungen intact untersuchen. Es besteht aus einer homo- genen, spärliche Kerne enthaltenden Propria, die innen von einer einfachen Lage grosser platter Zellen bekleidet ist, so dass ein ge- räumiger Axenkanal nachbleibt. Die Zellen sind hexagonale Tafeln von 0,125 Mm. Durchmesser mit einem im Centrum gelegenen wasserklaren Kern von 0,05 — 6 Mm. Durchmesser. Der grosse Kern wölbt natürlich die Mitte der Zelle nach innen empor. — Der Körper der Zellen ist im frischen Zustande, und nach der Be- handlung mit Osmiumsäuredämpfen bis zu leichter Bräunung, fein granulirt und genügend durchsichtig, um ihn der Dicke nach bequem durchmustern zu können. Wenn bei irgend einem Organ, so schien bei diesem Aussicht vorhanden, die Frage zu lösen. Ich war daher überrascht, durchaus nicht, weder isolirt heran- tretende, noch längs des Ausführungsganges verlaufende Nerven auffinden zu können und glaubte schon die Drüse als nervenlos bezeichnen zu müssen, bis ich durch einen Umstand darauf auf- Das Verhältniss von Drüsennerven zu Drüsenzellen. 389 merksam wurde, dass der Drüse Nerven in den breiten Tracheen- scheiden, den sogenännten Peritonealhüllen derselben zugeführt werden könnten. Ich sah nämlich von dieser Scheide eines Tra- cheenstammes, dessen Endäste sich zum Theil zur Drüse begaben, einen tracheenfreien Strang sich abzweigen, der direkt zu dem Doyere’schen Hügel eines Muskels verlief und mit demselben als einziger herantretender Nerv verschmolz. Die Peritoneal- hülle der Trachee verrieth vor der Abzweigung des Muskelnerven in keiner Weise die Einlagerung von Nervenfasern, etwa durch fibrilläres Aussehn, sondern zeigte, wie bei allen übrigen Tracheen, die gleichmässige leicht granulirte Grundsubstanz mit den einge- betteten grossen elliptischen Kernen. Der Muskelnerv selbst war feinstreifig und verband sich in der Weise mit dem Endhügel, dass die Fibrillen beim Eintritt pinselartig aus einander wichen und dann in der granulirten Substanz nicht weiter zu verfolgen waren. Dieses hier geschilderte Verhältniss ist mir dann unter mehr- fachen Variationen der Verbindungsweise wiederholt an den den Schlund bewegenden Muskeln begegnet, ich habe es aber auch an Muskeln weiter rückwärts gelegener Segmente getroffen. Wie diese aus den Tracheenscheiden stammenden Muskelnerven die Verbindung mit der ventralen Gentralnervenmasse herstellen, mag einer fernern Untersuchung überlassen bleiben, für die vor- liegende Frage genügte es, dass überhaupt Nerven in den Tracheen- scheiden verlaufen, um den Schluss unstatthaft erscheinen zu lassen, die Speicheldrüsen der Muscidenlarven seien nervenlos, da keine isolirt herantretenden Nerven wahrzunehmen sind. Verfolgt man nun die Tracheen in ihrem Verhalten zur Drüse, so lässt sich zunächst konstatiren, dass sie nicht bloss aussen das Organ umspinnen, sondern mit einer nicht unbeträchtlichen Zahl feinerer Zweige die Propria durchbohren. Diese verlaufen dann entlang den Grenzlinien der grossen nicht ganz dicht an einander gefügten tafelförmigen Zellen und verzweigen sich weiter zwischen diesen bis zu äusserst feinen nicht messbaren Endästen, die keine Spur des Spiralfadens der Intima mehr wahrnehmen lassen, ohne Netze zu bilden. | Von diesen intercellulären Tracheen sieht man mit guten Systemen, Hartnack Nr. 10, Schröder Nr. 18, feine, blasse mit punktförmigen Knötchen besetzte Fibrillen ausgehn, die von der Scheide unter ganz wechselnden Winkeln entspringen und in die 390 Dr. C. Kupffer: Zellen eintreten. Das geschieht nicht etwa nur von den feinsten Tracheenenden aus, mit welchen, wenn sie luftleer sind, diese Fi- brillen verwechselt werden könnten, sondern auch von stärkern Aesten, an denen Scheide und Intima noch zu unterscheiden sind. Ich halte diese Fibrillen für Nerven, weil diese Deutung gegen- über allen andern möglichen die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat, aber es wäre thöricht, Verhältnisse, wie die geschilderten, wo dem subjektiven Ermessen ein weiter Spielraum gewährt ist, als irgend massgebend zur Entscheidung der in Rede stehenden Frage heranziehn zu wollen. Wenn ich es erwähnte, so geschah es nur, um etwaigen Nachfolgern auf diesem Gebiete Fingerzeige zu geben und zu betonen, auf welche besondern Verhältnisse man, je nach dem Objekte, bei Untersuchungen dieser Art gefasst sein muss. Damit mir nicht etwa eine Beobachtungslücke zum Vorwurf gemacht werde, will ich ferner erwähnen, dass auch ganz unzwei- deutige Tracheenenden in diese Drüsenzellen selbst eindringen. Man sieht es nicht häufig in überzeugender Weise, weil die Endzweige in der Regel luftleer angetroffen werden, aber es trifft sich mitunter, dass der feine Luftfaden bis in die Nähe des Kern’s verfolgt werden kann. Mit voller Sicherheit betone ich es, es gehn Tracheen in die Zusammensetzung der Speichelzellen der Mus- cidenlarven ein. — So interessant das Objekt war, für meinen Zweck genügte es nicht und ich suchte weiter. Die Spinndrüsen zahlreicher Raupen boten nicht befriedigendere Verhältnisse. — Die Arbeitsbiene hat drei Paar dem Baue nach sehr von einander ab- weichende Speicheldrüsen, wenn mit diesem Namen, ohne Rücksicht auf das Sekret, alle in den Vorderdarm mündenden Drüsen zusam- mengefasst werden dürfen, ein Paar tubulöser und zwei Paar, aber wiederum sehr von einander verschiedener, acinöser Drüsen. Die tubulösen Drüsen mit blassen Drüsenzellen und einem feinen, von stark lichtbrechender Intima ausgekleideten Axenkanal in den Tu- bulis, sind reich an umspinnenden Nerven; der Durchtritt durch die Propria ist aber schwer zu erweisen. — Die beiden andern Drüsen sind nur spärlich mit Nerven versehn. Endlich glückte es, ein Objekt aufzufinden, das allen Antor- derungen entsprach. Es sind die grossen, dem Oesephagus anlie- genden Speicheldrüsen von Blatta orientalis. Diese Drüsen sind mit einem äusserst reichen Nervenapparat versehn , der seine Wurzeln aus zwei Regionen bezieht , nämlich Das Verhältniss von Drüsennerven zu Drüsenzellen. 391 aus den vom Oberschlundganglion entspringenden Eingeweidenerven und aus dem Bauchstrange. Der Eingeweidenerv giebt, vorüber- streichend, zahlreiche Aeste an die Drüse seiner Seite, die vom Bauchstrange, und zwar hauptsächlich vom Verbindungsstrange zwischen Unterschlund- und erstem Brustganglion, stammenden Wurzeln ziehn längs des Ausführungsganges dahin und treten mit einem der Drüse eigenthümlichen strangartig entwickelten Ganglien- system in Verbindung, das auch hier enge Beziehungen zu der Scheide der Tracheen zeigt. — Zweige des letztern und der direkt hinzutretenden Nerven bilden nun ein Geflecht, das in den Inter- stitien der Läppchen erster, zweiter und dritter Ordnung und an der Oberfläche des Gesammtorgans sich ausbreitet. Da die Läpp- chen nur durch spärliche isolirte Bindegewebsbrücken unter einander verbunden sind, so lassen sie sich durch Zug leicht aus einander legen und man hat dann die Nervennetze in dem Interstitium ganz frei vor sich liegen. Aus dem Netze treten zahlreiche Nerven an die Propria der Endläppchen heran, stärkere und schwächere, die stärkern für mehrere, die schwächern für das eine, mit dem sie sich verbinden, bestimmt. Die, mehrere benachbarte Läppchen ver- sorgenden stärkern Nerven verlaufen mit der Aussenfläche der Membrana propria verbunden und überspannen brückenartig die Einschnitte zwischen den Endläppchen, die die Peripherie der Drüse zeigt. Nicht minder klar ist das Verhältniss der Nervenendäste zu den Endläppchen, d. h. den letzten Portionen der Drüse, die ohne Zerreissung des Sackes der Membrana propria, der sie umschliesst, nicht weiter getheilt werden können. Sie mögen daher Acini ge- nannt werden, obgleich sie dem innern Baue nach von dem uns geläufigen Schema eines »Acinus« in wesentlichen Stücken ab- weichen. Der Nervenendast erweitert sich in der Regel conisch bei der Verbindung mit dem Acinus und dieser Conus mag der Fuss des Nerven heissen. An demselben geht die Nervenscheide sich zelt- artig erweiternd, kontinuirlich in die Propria des Acinus über, eine strukturlose Membran in die andere. — Die Scheide ist sowohl an den Nervenstämmen, wie an den Endzweigen sehr geräumig für den Inhalt, so dass an den letztern die den Nerv zusammensetzen- den Fibrillen bald von einander gelockert sich durch das ganze Rohr der Scheide vertheilen, bald mehr an einander gedrängt einen kompaktern Axenstrang herstellen, dass ein durchsichtiger Raum 392 Dr. €. Kupffer: zwischen Scheide und Axenstrang frei bleibt. Stets aber erscheint an diesen Nerven der Axenstrang deutlich fibrillär. Zwischen den Fibrillen finden sich namentlich an den Knotenpunkten der Geflechte, aber auch im Verlauf der Zweige Kerne mit sie umgebender spär- licher feingekörnter Masse. Am Fusse des Nerven erweitert sich der von der Scheide um- schlossene Raum noch etwas mehr und zwischen ihnen finden sich meist mehrere der eben erwähnten von Punktmasse umgebenen Kerne. Indem also die Scheide des Nervenfusses in die Propria des Acinus übergeht, treten die Nervenfibrillen umittelbar an die 1 bis 2 nächsten Drüsenzellen heran. Alle diese Verhältnisse: der Nervenreichthum überhaupt, die zahlreichen an die Läppchen herantretenden Nerven, das Verschmel- zen der Nervenscheide mit der Propria und das Eindringen der Nervenfibrillen in das Innere des Acinus lassen sich an den Spei- cheldrüsen der Blatta orientalis leicht beobachten. Eine besondere Präparation der Drüse ist hierzu kaum erforderlich. Ich empfehle aber doch vor allem Andern die Behandlung mit Osmiumsäure- dämpfen nach Hensens Vorgange!), Man hat den Grad der Ein- wirkung hierbei ganz in seiner Hand und kommt in wenigen Minuten zum Ziel, wenn man den Objektträger, auf dem der frisch dem Thier entnommene Oesophagus mit beiden anhängenden Drüsen und den beiden Saugmagen ausgebreitet ist, über die Oeffnung eines Osmiumsäure in Substanz enthaltenden Gläschens stülpt. Nachdem die Masse sich gebräunt hat, hat die Drüse eine zur Isolirung be- queme Consistenz gewonnen, die Läppchen lassen sich nun aus einander ziehn, die Nervengeilechte und Nervenäste spannen, ohne dass Verzerrung eintritt. Für die Untersuchung der Drüsenzellen selbst hat die Behandlung mit Osmiumsäure, seien es die Dämpfe, sei es Lösung, grosse Vortheile vor jeder andern Methode. Man sieht dann Strukturverhältnisse, die sonst nicht klar zum Aus- druck gelangen. Bei der Leichtigkeit, mit der das Material zu beschaffen ist und der Einfachheit der Präparation wird Jeder sich von den bisher erwähnten Verhältnissen leicht überzeugen können und, ich zweifle nicht daran, mir darin beistimmen, dass dies Objekt die Fundamen- talfragen dieser Controverse endgültig löst. 1) Arch. f. Obrenheilkunde. VI. Bd. pag. 30. Das Verhältniss der Drüsennerven zu Drüsenzellen. 395 Etwas Anderes ist es um die Frage nach dem »Wie« des Zu- sammenhanges von Nervenfibrillen und Drüsenzellen. Auf den ersten Blick ist man geneigt anzunehmen, namentlich wenn die Drüse mit erhärtenden Substanzen, Alkohol, Chromsäure, ÖOsmiumsäure, behandelt ist, dass der ganze Fibrillenstrang, der durch die Behandlung kompakter geworden ist, vollständig in die nächste, oder die beiden nächsten Zellen eintritt; das ist nun nicht der Fall. — Am besten untersucht man diese Verhältnisse an der frischen Drüse unter Jodserum. Es tritt dann sehr bald eine Locke- rung zwischen der Propria und den Drüsenzellen ein. Dasselbe geschieht an der Stelle des Nerveneintritts und man kann mittels leichten Zuges an dem Nerven, durch Verschiebung des Deckglases ausgeführt, den Raum innerhalb der zeltförmigen Erhebung der Propria vergrössern, so dass Verlauf und Vertheilung der ihrerseits mehr aus einander weichenden Nervenfibrillen in diesem Raume bis zu dem {rei gelegten Rande der nächsten Zellen vollständiger als vorher zu übersehn ist. — Arbeitet man nun mit Vergrösserung von mindestens 8%/,, so überzeugt man sich, dass der grösste Theil der Fibrillen nach dem Eintritt in den Acinus an den nächsten Zellen vorüber ins Innere streicht; in die mit freier Aussenfläche vorliegenden Zellen treten nur ganz wenige, je 2—4 isolirte Fibrillen ein. Diese verschmelzen nicht derart mit der Substanz der Zelle am Berührungspunkte, wie man sich früher etwa das Verhältniss zwischen Axencylinder und Nervenzelle vorstellte, ehe Max Schultze auf den fibrillären Bau der Axencylinder aufmerksam gemacht hatte, sondern der feine Faden lässt sich als solcher noch eine Strecke weit in die Zelle hinein verfolgen, ist also von der Substanz, in die er eingebettet ist, differenzirt. Da lag es zunächst nahe, nach einer Verbindung mit dem Kern suchen. Indessen haben sich mir durchaus keine Anhaltspunkte ergeben, die auf eine direkte Vereinigung beider Theile schliessen lassen. Nicht nur, dass es nicht gelang, eine Fibrille auf dem gan- zen Wege durch die Zelle bis zum Kern zu verfolgen, — was als negatives Ergebniss bei der Feinheit des Fadens und der wenig pellueiden Beschaffenheit der Zellsubstanz nicht ins Gewicht fiele —, es ist auch häufig die Richtung der Fibrille beim Eintritt und, so weit sie zu verfolgen, eine vom Kern abgewandte, in der Verlän- gerung an demselben vorüberführende. Eher noch hat es mir scheinen 394 Dr. C. Kupftfer: wollen, dass die Fibrilien in ihrer Richtung gegen ein anderes in den peripherischen Zellen des Acinus enthaltenes Gebilde convergirten, eine eigenthümliche birnförmige Kapsel, die man an mit Osmiumsäure behandelten Präparaten deutlich sieht. Hohl im Innern und von einer relativ mächtigen strukturlosen Hülle umschlossen, könnten diese Kapseln für intracelluläre Nervenendapparate gehalten werden, wenn nicht ihre Verbindung mit den Ausführungsgängen eines Bessern belehrte. Jede dieser Kapseln setzt sich in einen aus der Zelle austretenden feinen Kanal fort in der Richtung zum Cen- trum des Acinus und diese Kanäle münden in stärkere, die an der Struktur ihrer Intima mit Sicherheit als intraacinäre Aeste des Ausführungsganges zu erkennen sind. Es sind demnach die Kap- seln nichts Anderes, als die letzten blinden Enden des ausfüh- renden Kanalsystems, die von einer verdickten Intima umschlossen im Innern der Secretionszellen des Acinus gelegen sind, derart, dass jede Endkapsel des Intimarohrs eines Zweiges letzter Ordnung von einer einzigen secernirenden Zelle becherartig umschlossen wird. Das feine Kanälchen, als Intimaröhrchen ge- dacht, das aus der kapselhaltigen Zelle austritt — meistens übrigens vereinen sich die beiden Kapseln zweier benachbarter Zellen zu einem Röhrchen — verhält sich bereits anders zu den dasselbe um- schliessenden Zellen, indem es im Querschnitt von mindestens zwei Zellen umgeben wird, in der Weise also, wie gegenwärtig, meiner Meinung nach mit Recht, das Verhältniss der Gallencapillaren zu den Leberzellen der Säugethiere dargestellt wird. Indem nun mit der Zunahme des Kalibers der ausführenden Kanäle sich allmälig die Grösse der die chitinisirte Intima umschliessenden Zellen ver- ringert, wird das Lumen successive von immer zahlreichern Zellen umringt, so dass der aus dem Acinus austretende Ast einen von Cylinderzellen umgebenen Querschnitt zeigt, wie ein Speichelrohr der Submaxillaris. Es sind nun vorherrschend die-kapselhaltigen, an der Peripherie des Acinus gelegenen Zellen, in die ich die Nerven- fibrillen in der beschriebenen Weise habe eintreten sehn und ich erwähnte bereits, dass ich im Allgemeinen häufiger eine Richtung der gesondert in die Zelle eindringenden Fibrillen gegen die Kapsel, als gegen den mehr excentrisch gelegenen Kern beobachtet habe. Indessen nehme ich auch nicht einen direkten Verlauf der Fibrillen zu dieser Kapsel hin an, denn es theilt sich die Fibrille nach dem Eintritt in die Zelle noch weiter. Mit Sicher- Das Verhältniss von Drüsennerven zu Drüsenzellen. 395 heit habe ich mehrmals eine zweimalige gabelförmige Spaltung auf der halben Strecke von der Peripherie der Zelle bis zum Centrum derselben wahrgenommen. Ich schliesse daraus auf eine kompli- cirtere, bis jetzt allerdings noch nicht bestimmbare Struktur der Zelle. Eine eingehendere Darlegung dieser Verhältnisse, mit deren Untersuchung ich im Verein mit einem Schüler, Herın Stud. H. Arp, beschäftigt bin, wird demnächst erscheinen. Denjenigen der Fachgenossen, die diese Mittheilung einer Prü- fung zu unterziehen geneigt sind, bemerke ich, dass erwachsene Exemplare der Blatta orientalis sich weniger zu dieser Untersuchung eignen, als jüngere, etwa 1 Cm. lange. Kiel, im November 1872. Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. Von Dr. Alexander Goetite. Ueber die Entwicklung des Eierstockseies, die Vorgänge bei der Dottertheilung und die Bildung der Keimblätter habe ich schon in früheren Mittheilungen das Wichtigste bemerkt. Hier setze ich dieselben fort und beginne daher mit der Bildung der Embryonal- anlagen in den einzelnen Keimblättern. Das obere Keimblatt. Es besteht aus zwei Zellenschich- ten, einer festeren hautartigen oberen und einer locker gefügten tieferen. Die letztere führt die Umbildungen des Keimblattes wesentlich herbei, die andere schliesst sich denselben meist nach- träglich und ohne morphologische Veränderungen an; daher nenne ich jene die active, diese die passive Schicht des oberen Keimblattes. Die erste Umbildung der anfangs ziemlich gleichmässigen activen Schicht besteht darin, dass ihre Zellen von der Bauchseite theilweise auswandern, um sich an der Rückenseite in der Axenplatte an- zusammeln. Diese Platte ist anfangs oval und ihre Verdickung ragt nach innen vor, woselbst sie im mittleren Theile ihrer Länge durch den Axenstreif, eine mediane, aufwärts vorragende Leiste des mittleren Keimblattes eingedrückt erscheint. Auf diese Weise erhält das Mittelstück der Axenplatte zwei seitliche Bäuche, die Medullarplatten, welche durch ein dünneres Verbindungsstück zusammenhängen; im Kopftheile wird diese Scheidung ebenso wie in der Schwanzgegend unkenntlich, da der Axenstreif in diesen Re- gionen verstreicht. Die ovale Form der Axenplatte geht alsbald in eine birnförmige über, indem ihre hintere Hälfte sich verschmälert, Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 397 in gleichem Maasse aber auch länger wird. Die vordere Hälfte oder der Kopftheil bleibt einstweilen unverändert und tritt dadurch gegenüber dem beständig schmäler und länger werdenden Rumpf- theile als eine breite mehr als halbkreisförmige Platte hervor. Die Zellenansammlung zur Bildung der Axenplatte findet ihren Abschluss, sobald die übrige active Schicht auf eine einzige Zellen- lage reducirt ist. Ausserhalo der Axenplatte bildet sie die Linse des Auges und die drei Seitennerven, um darauf mit den anliegen- den peripherischen Theilen der passiven Schicht, welche für sich allein wieder die drüsigen Haftorgane erzeugt, zur Oberhaut zu verschmelzen, deren spätere Erzeugnisse (Drüsen) daher nach jenen zwei ursprünglichen Schichten nicht mehr gesondert werden können. Der Kopftheil der Axenplatte wird durch eine von unten ein- dringende Spalte in einen centralen runden, und einen denselben hufeisenförmig umkreisenden peripherischen Abschnitt geschieden — die Hirn- und die Sinnesplatte. An der hinteren Grenze des Kopftheils gehen beide ungetrennt in die Medullarplatten über, deren lateraler Saum (später der hintere Rückenmarkstrang) also der Sinnesplatte entspricht. Die letztere hat verschiedene Schick- sale in der hinteren und der vorderen Hälfte des Kopftheils. Dort bleibt sie von der Hirnplatte gesondert und zieht sich zur Anlage des Ohrbläschens zusammen, welches bekanntlich nur von der aktiven Schicht gebildet wird. An den Seiten der vorderen Kopf- hälfte hört die Scheidung der Hirn- und Sinnesplatte alsbald wieder auf, indem die letztere in die Hirnplatte ganz aufgenommen wird, dort den Seitentheil desselben bildet, welcher zur Bildung der Augenblase verwandt wird. Der unmittelbare Uebergang dieses Abschnittes der Sinnesplatte in die Anlage der Sehnerven und der Netzhaut lässt sich am Batrachierembryo allerdings nicht nach- weisen; ganz unzweifelhaft erscheint es aber an Embryonen der Knochenfische, an denen ich die Einsenkung zwischen beiden Platten in die Abschnürung der Augenblase übergehen sehe. — Am vor- deren Umfange der Axenplatte bleibt jene Scheidung wiederum be- stehen: seitlich entstehen aus der Sinnesplatte die beiden Geruchs- platten, das Mittelstück geräth durch die Vorwölbung des Vorder- hirns unter dieses und wächst dann zwischen diesem und dem an- liegenden Epithel der hinteren Mundhöhle erst trichterförmig, dann in Gestalt eines scheinbar soliden Zapfens nach hinten aus. Das Ende desselben bleibt entweder oder wird doch sehr bald hohl und 398 Dr. A. Goette: verwandelt sich, während die übrige Anlage, der Siel des ange- schwollenen Endes verkümmert, in den Hirnanhang. Diese Ent- wickelung des Hirnanhanges ist aber nicht etwa auf die Batrachier beschränkt: an Säugethierembryonen finde ich es ganz ebenso, und beruht der Irrthum der bisherigen Auffassung einfach darin, dass man die frühzeitig schwindende Scheidewand zwischen der äusseren Mundbucht und der inneren Mundhöhle vor den Ausgangspunkt der Ausstülpungsbildung verlegte und diese erst in der geöffneten primi- tiven Mundhöhle entstehen liess. Ich sehe aber ihre Entwickelung vor der noch bestehenden Scheidewand, in dem Winkel zwischen dieser und der weit vorragenden Vorderhirngegend und zwar ganz offenbar vom oberen Keimblatte ausgehen. Die Umbildung der Hirnplatte zu einem blasig geschlossenen (rebilde, dem Hirne, übergehe ich hier und will nur Einzelnes aus seiner späteren Entwicklungsgeschichte anführen. Für seine Mor- phologie sind namentlich zwei Punkte zu beachten: das Verhalten seiner Axe und seine ursprüngliche Eintheilung. Die Anlage des Hirns erscheint sehr frühe über das Vorderende der bleibenden Wirbelsaite etwa rechtwinklig nach unten abgebogen. Diese Knickung der Hirnaxe wird aber nicht, wie man bisher annahm, während der späteren Entwicklung wieder gehoben, sondern erhält sich vollstän- dig auch im ausgebildeten Zustande des Hirns und wird nur durch das verschiedene Wachsthum der einzelnen Hirntheile verdeckt, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird. — Die einzige ursprüngliche Eintheilung der Hirnanlage ist durch die Knickung gegeben, indem an dieser Stelle schon frühzeitig eine Einschnürung erscheint, welche eine vordere und eine hintere Hirnhälfte scheidet. Jene sondert sich erst verhältnissmässig spät in den vorderen unteren Theil (Vorderhirn), welcher unter dem Niveau der hinteren Hirnhälfte (Hinterhirn) liegt, und dessen Axe senkrecht verläuft, und in das keilförmige Verbindungsstück zwischen jenen beiden Hirntheilen, das Mittelhirn, dessen anfangs ganz kurzer Hohlraum den Uebergang vom horizontalen zum senkrechten Verlaufe der Hirnaxe enthält. Das ursprüngliche Vorderhirn umfasst die Gegend der dritten Hirnkammer mit ihrer abwärts gerichteten Fortsetzung bis zur Sehnervenplatte; seine ursprüngliche Basis (Hinterwand) weitet sich später zum Hirntrichter aus, während seine Decke (Vorderwand) zu den beiden hohlen Grosshirnlappen auswächst, welche also nicht etwa aus einer medianen Einschnürung des ursprünglichen Vorder- Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 399 hirns hervorgehen. Wenn also die Sehnervenplatte, die Mitte der anatomischen Hirnbasıs, ursprünglich der Schlussseite des Vorderhirns angehört und gleichsam das Ende der Hirnaxe enthält, so wird der Weg von ihr zum oberen Theile der dritten Hirnkammer und von dort in die ursprüngliche Mittelhirnhöhle (den unteren Theil der späteren Höhle oder den aquaeductus Sylvii) der ursprünglichen Hirnaxe entsprechen, also stets wie diese aus dem horizontelen Ver- laufe (aquaeductus S.) rechtwinklig nach unten gegen die Sehnerven- platte abgebogen erscheinen. Sowie die Grosshirnlappen hervorzu- wachsen beginnen, verbinden sie sich mit den Geruchsplatten, indem einige zwischengeschobene Bildungszellen des mittleren Keimblattes eine Brücke zwischen beiden Organen herstellen; wo dieselbe mit dem Hirne zusammenhängt, entwickelt sich eine kleine Vorragung, der Riechnervenhügel, welcher unter dem hohlen Theile der Gross- hirnlappen liegen bleibt. Indem nämlich aus der Vorderwand der letzteren solide und massige Fortsätze (lobi olfactorii ant.) hervor- wachsen, rückt jener cerebrale Ursprung der Riechnerven nicht mit vor, sondern es zieht sich von dem Riechnervenhügel ein Strang aus, welcher dem soliden Hirnauswuchse bis zu dessen Vorderende eng angeschlossen bleibt und dort erst sich von demselben ablöst, um in den freien Riechnerven überzugehen. Dieser entspringt also nur scheinbar aus jenem Hirnauswuchse, und wenn sich ihm in späterer Zeit allerdings einige Nervenfäden aus dem letzteren hin- zugesellen, so bleibt doch die eigentliche Ursprungsstelle immer der Riechnervenhügel. Der Ausdruck lobus olfactorius passt also für den bezeichneten Hirntheil nicht; dagegen ergiebt sich seine eigent- liche Bedeutung aus dem späteren Verhalten. Die beiderseitigen Auswüchse verschmelzen nämlich zu einem Körper und denkt man sich die hohlen Abschnitte der Grosshirnlappen wie bei höheren Wirbelthieren nach allen Seiten, also auch über jene Verbindung hinaus erweitert, so springt die Homologie der letzteren mit dem vorderen Theile des Hirnbalkens in die Augen. — Der mittlere Theil der Decke oder des Gewölbes vom Vorderhirne wird in sehr früher Zeit ausserordentlich dünn, stülpt sich taschenförmig in die dritte Hirnkammer ein und verwandelt sich endlich, indem die Tasche von den äussern Hirnhüllen mit gefässreichem Binde- gewebe gefüllt wird, in den epithelialen Ueberzug des daraus her- vorgehenden Adergeflechtes. Dieses Epithel löst sich darauf aus dem Zusammenhange mit dem übrigen Hirne, wodurch das 400 Dr. A. Goette: Gewölbe des Vorderhirnes eine wirkliche Lücke erhält, durch welche das Adergeflecht von Anfang an in die dritte Aderkammer hinein- hängt. Hinter der Lücke entwickelt sich in dem genannten Ge- wölbe die Zirbel. Ihre erste Anlage besteht in einer Substanz- brücke, welche beim Schlusse des Hirnes als letzter Rest von seinem Zusammenhange mit der Oberhaut zurückbleibt. Indem die Hirn- höhle sich in jene Substanzbrücke hineinzieht und dieselbe sich allmählich von der Oberhaut abschnürt, erscheint die Anlage der Zirbel als kleiner hohler Hirnauswuchs, welcher aber mit der Ober- haut stets in Berührung bleibt. Darauf sondert sich dieses Gebilde in einen bläschenartigen, der Haut anliegenden Theil und einen den letzteren mit dem Hirne verbindenden Stiel, welcher beständig länger und dünner wird und seine ursprüngliche Höhle verliert. Jene innige Anlagerung des Zirbelkörpers an die Oberhaut, welche niemals auf- hört, lässt es natürlich erscheinen, dass derselbe bei der Bildung des Schädels ausserhalb des letzteren zu liegen kommt und bei jeder Abstreifung der Kopfhaut mit dieser entfernt wird. Vergleicht man nun die bisherigen Beschreibungen der Zirbel der Batrachier, so wird man sich leicht überzeugen, dass das wirkliche Organ bisher noch gar nicht gesehen oder erkannt worden ist, dass vielmehr das Adergeflecht damit verwechselt wurde. Die wirkliche Zirbel ist dagegen identisch mit der von Stieda beschriebenen „Stirndrüse des Frosches.“ Am Hinterhirne finden sich weder ursprünglich, noch später Abtheilungen der ganzen Hirnröhre, welche Decke, Seitentheil und Basis zugleich umfassten, wie es beim Vorder- und Mittelhirn der Fall ist. Das verlängerte Mark entsteht vielmehr aus den vollständigen Seitentheilen und der Basis, also aus der ganzen untern Hälfte des Hinterhirnes ; die obere Hälfte oder die Decke desselben zerfällt wiederum in einen kleinen vorderen Theil, welcher als Homologon des kleinen Hirnes bestehen bleibt, während der grössere hintere Theil sich vom Rande des verlängerten Marks und des kleinen Hirnes trennt und Ähnlich wie es am Vorderhirne ge- schieht, sich in das Epithel eines Adergeflechtes verwandelt. Sucht man also nach gleichwerthigen Abschnitten des Hinterhirnes , so können als solche nicht das kleine Hirn und das verlängerte Mark, ' sondern nur das erstere und jenes Epithel des Adergeflechts gelten. Da nun alle diese Theile des Batrachierhirnes sich gerade so ver- halten, wie das Hinterhirn an den Embryonen höherer Wirbelthiere, Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 401 namentlich das in den Batrachiern vorhandene Homologon des klei- nen Hirns mit der ersten Anlage desselben in höheren Abtheilungen übereinstimmt, so dürfte das von den Batrachiern Gesagte auch für die übrigen Wirthelthiere Geltung finden. Ueber die Bildung der Netzhaut und des Sehnerven be- merke ich Folgendes. Die Anlage des letzteren oder der hohle Stiel der Augenblase (Netzhaut) mündet am unteren Umfange der- selben. Die sogenannte Einstülpung der stets abgeplatteten Augen- blase entsteht in der Weise, dass ihr Rand nach aussen verwächst, also mit dem zurückbleibenden Grunde einen doppelwandigen Napf bildet; indem dieses Wachsthum aber an der Einsenkungsstelle des Sehnerven ausbleibt, kommt derselbe an das Ende einer jenen Rand tief ausschneidenden Kerbe zu liegen. Die Bedeutung dieses Augen- spaltes sehe ich darin, dass der Sehnerv unmittelbar nicht nur in die äussere Schicht der Netzhautanlage oder das Pigmentepithel über- geht, was beim Fehlen des Spaltes einträte, sondern auch mit einem Theile seiner Masse von Anfang an sich direkt in die innere nervöse Schicht einsenkt. — Die Linse entwickelt sich als solide Wucherung der activen Schicht des oberen Keimblattes, welche erst nachträglich und ohne Vermittelung einer Einstülpung eine Höhle erhält. Indem die Aussenwand dieser Linsenblase sich verdünnt, die innere dagegen kugelförmig verdickt gegen die erstere vorragt, entsteht das Bild, welches die primäre Keimschicht mit der Dotterzellenmasse darstellt. Dieser Vergleich trifit um so mehr zu, als jene Aussenwand als Linsenepithel die übrige kugelige, eigentliche Linsenmasse allmählich medianwärts umwächst. — Der Glaskörper und die Hornhaut (ausgenommen das Epithel) sind Producte des mittleren Keimblattes. — Vom Gehörorgan führe ich nur an, dass der Hörnerv sich gleichfalls aus dem mittleren Keimblatte entwickelt, vom Geruchs- organ, dass die ursprüngliche Geruchsplatte nur die mediale Wand der Nasengrube bildet, während die laterale aus dem Seitentheile des Gesichts hervorwächst. ‘e Aus der Entwicklungsgeschichte der drei höheren Sinnesorgane ergibt sich, dass ihre homologen Anlagen nicht in drei Einstülpungen: Nasengrube, Linsen- und Ohrbläschen zu suchen , sondern in den drei gemeinsam ‘aus der Sinnesplatte hervorgehenden Grundlagen der empfindenden Apparate, der Geruchsplatte, dem Augen-, Ohr- bläschen enthalten sind. — Das Geschmacksorgan enthält keine Elemente des oberen Keimblattes, sondern entwickelt sich vollständig im Bereiche des Darmblattes. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 9. 26 402 Dr. A. Goette: Schon während die Rückenmarksanlage sich in eine Röhre verwandelt, verwischt sich der Unterschied der activen und passiven Schicht in derselben. Darauf beginnt die Bildung der weissen Masse in der äusseren Zellenschicht des Rückenmarks. Dazu werden nur die äusseren Hälften der betreffenden Zellen verbraucht, indem sie in der Längsrichtung verschmelzend sich erst in eine durchsichtig homogene Masse verwandeln, in welchen später feinste Fasern erscheinen, von denen also eine grosse Anzahl auf den (Querschnitt einer Zelle kommt. Die zugehörigen Zellenwände, so- weit sie nicht in der Querrichtung schwanden, ‘gehen an der Öber- fläche des Rückenmarks in ein feines Häutchen, innerhalb der weissen Masse in die radialen von dem letzteren ausgehenden Scheidewände über. Die Zellen, welche die graue Masse erzeugen, verschmelzen mit einander, wobei ein Theil der Kerne mit der sie zunächst um- gebenden Masse Nervenzellen bildet. Die übrigen Kerne und Zellen gehn in die Bildung der zwischenliegenden Nervenfasern und der bindegewebigen Zwischensubstanz ein. — Da die ursprüngliche Rückenmarksrinne bis in die Rusconi’sche Oefinung hineinreicht, so setzt sich die daraus hervorgehende Röhre in den Darmkanal fort. Das mittlere Keimblatt im Rumpftheile. Der schon genannte Axenstreif desselben entsteht wie die Axenplatte des oberen Keimblattes aus einer Zellenansammlung von den Seiten und vom Bauche her und zerfällt in die Anlage der Wirbelsaite und die Seg- mentplatten, welche mit den sich an sie anschliessenden peripherischen Theilen des mittleren Keimblattes oder den Seitenplatten zwei- schichtig sind. Die Anlage der Wirbelsaite wird sehr bald zu einem runden Strange, in dessen Zellen darauf durchsichtige Lakunen entstehen. Diese verdrängen allmählich die Zellsubstanz, so dass deren Reste mit den erhalten bleibenden Kernen schliesslich nur die Zwischen- wände der Lakunen darstellen. Da aber innerhalb einer Zelle eben- sowohl mehr als eine Lakune entstehen kann, als andererseits einige Lakunen unter einander zusammenfliessen, so gibt es solche mit mehren oder ohne Kerne; und da zudem die Zwischenwände einfach sind, so kann ich die bekannten grossen Fächer der Wirbelsaite nicht für Zellen halten. Alle ursprünglichen Zellen der Wirbelsaite erfahren dieselbe Umbildung ; davon bleibt auch an der Oberfläche der Wirbelsaite keine intakte Zellenschicht zurück. Aus den dort befindlichen Zellenresten entwickelt sich aber die innere Chorda- Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 403 scheide. Die weiteren Schicksale der Wirbelsaite werden weiter unten angeführt. Die Segmentplatten zerfallen in die Segmente, welche auch nach ihrer Trennung von den Seitenplatten zweischichtig bleiben — innere und äussere Segmentschicht. Während die letztere zu jeder Zeit aus einer einfachen Zellenlage besteht, zerfällt die innere Segmentschicht in ihrem grösseren oberen Theile in eine mediale Platte, welche dem Rückenmarke und der Wirbelsaite an- liegt — das innere Segmentblatt, und die Muskelplatte, welche zwischen dem letzteren und der äusseren Segmentschicht liegt. Die Zellen dieser Muskelplatte verwandeln sich in je eine Muskelfaser ;, die einseitig medianwärts und oberflächlich angelegte Muskelsubstanz jeder Zelle verdrängt erst allmählich deren übrige Substanz und den Kern, welcher bis zum vollständigen Schwunde der Dottersubstanz ungetheilt aber verlängert der Muskelsubstanz anliegt. Während er sich darauf vielfach theilt, spaltet sich auch die Muskelsubstanz der Länge nach erst in einige, dann in immer zahlreichere Säulchen, zwischen welche die Kerne sich einschieben und so ins Innere der Muskelfaser gelangen. Die Cohnheim’schen Felder halte ich für den Querschnitt jener Säulchen. — In jedem innern Segmentblatte bildet sich zunächst eine spindelförmige, nach unten strangförmig verlängerte Zellenmasse, im verdickten oberen Theile die Anlage des Spinalganglions, im unteren Strange des Spinalnervenstammes. Das Ganglion entwickelt sich ähn- lich wie die graue Rückenmarkssubstanz. Die grossen rundlichen Nervenzellen haben anfangs keine Fortsätze; darauf lagern sich aber mit Ausläufern versehene Kerne an die Zellen, verschmelzen mit ihrer Substanz und bilden so deren Fortsätze. Die Ganglien verbinden sich je mit dem oberen Ende und der unteren Hälfte mit dem Rückenmarke. Diese Verbindungen ziehen sich strangförmig aus und stellen so die zwei Nervenwurzeln vor, welche anfangs beide ins Ganglion münden. Erst später spaltet sich die untere (vordere) Wurzel bis zum gemeinsamen Stamme vom Ganglion ab, welches somit der oberen (hinteren) Wurzel allein verbleibt. Ebenso ist der Rückenzweig jedes Spinalnerven ein Auswuchs des Ganglions, welcher sich erst nachträglich von demselben abspaltet. — Die peripherischen Nerven entstehen aus Zellensträngen, welche in den Stämmen im Durchmesser mehrere Zellen enthalten, in den weiteren Zweigen aber aus einzeln mit einander zusammenhängenden Zellen hervorgehen. Aus der Verschmelzung dieser Zellen entwickelt sich wie in der 404 Dr. A. Goette: weissen Rückenmarksmasse eine feinfaserige mit Kernen besetzte Masse, und wenn, wie es wahrscheinlich ist, jede Faser einen Axen- cylinder oder eine marklose Nervenfaser bildet, so erhellt, dass jede Zelle nicht unmittelbar in eine Nervenfaser sich umbildet, sondern nach dem Verluste des eigenen Bestandes sich an der Erzeugung vieler Fasern betheiligt. — Die Marksubstanz entsteht aus kürzeren oder längeren Reihen von hellen rundlichen Körperchen, welche ‘zwischen den Fasern auftreten und allmählich mit einander ver- schmelzen. Wie sie sich zur Scheide eines Axencylinders umbilden, konnte ich nicht ermitteln. Die übrige Masse des inneren Segmentblattes liefert das „inter- stitielle Bildungsgewebe‘“ in der Umgebung der bereits genannten dorsalen Anlagen. Aus diesem Gewebe sondert sich frühzeitig eine Zellenschicht, welche sich der Wirbelsaite anlagert und über deren innerer Scheide eine solche äussere bildet. Die Zellen dieser äusse- ren Chordascheide verschmelzen zu einer homogenen Grundsubstanz, in welcher die vermehrten und abgeplatteten Kerne liegen, um welche sich später an bestimmten Stellen die Leiber von Knorpelzellen absondern, so dass mit der Bildung der letzteren auch zugleich eine Zwischensubstanz gegeben ist. So entsteht der hyaline Knorpel überall. Die Knorpelbildung der äusseren Chordascheide vollzieht sich in deren oberer Hälfte, welche sich ansehnlich verdickt, nament- lich entsprechend der Mitte jeder Muskelplatte, wo sie die Wirbelsaite durch quere Wülste tief einschnürt (Intervertebral-Knorpe]). Die untere Hälfte der äusseren Chordascheide wird bindegewebig und liefert später Periost und Bandmasse. Während dieser Entwicke- lung der Wirbelkörper schrumpft die Wirbelsaite und plattet sich unter der genannten Knorpelmasse ab, wobei sie natürlich durch die röhrenförmige äussere Chordascheide stets in ‚die embryonalen Wirbelkörper, wenn auch nicht in deren Knorpelmasse eingeschlossen bleibt. Auch geht sie durchaus nicht vollends zu Grunde, sondern indem sich ihr Fachwerk auflöst, bilden sich um die freien Kerne Knorpelzellen, deren ganze Masse sich alsdann dem übrigen Wirbel- körper anschliesst. Ebenso wie die äussere Chordascheide sondern sich aus dem be- zeichneten interstitiellen Bildungsgewebe an den Grenzen der Muskel- platten die Anlagen der Wirbelbögen lab. Diese entwickeln sich aber nicht gleich in ihrer ganzen Ausdehnung aus einer kontinuir- lichen skeletogenen Schicht, sondern aus ganz kleinen, jener Chorda- scheide aufsitzenden Zellenhaufen und wachsen erst allmählich zu ze Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 405 Knorpelspangen aus. Die beiderseits korrespondirenden verwachsen aber nicht einfach in senkrechten queren Ebenen zu Ringen, sondern jede Spange hat einen senkrechten und einen sich daran rückwärts anschliessenden horizontalen Abschnitt, worauf sie sich erst median- wärts wendet, um über dem Rückenmarke mit der anderseitigen sich zu verbinden. Mit den dadurch entstandenen Ecken berühren sich die benachbarten Wirbelbögen von Anfang an und entwickeln da- selbst ihre Gelenkfortsätze. Das früh verknöchernde Perichondrium zieht sich von der äusseren und der inneren Fläche jedes Wirbel- bogens auf den folgenden hinüber; diese zweiblättrige Schicht ver- knöchert auch innerhalb des Rahmens, den jeder Wirbelbogen durch seine Biegungen über dem Rückenmarke bildet, verleiht ihm dadurch die spätere Breite seines oberen Theiles und gleicht seinen ursprüng- lich gebogenen Verlauf aus. — Aus dem aufsteigenden Theile jedes Wirbelbogens entspringt eine lateralwärts gerichtete Knorpelspange, welche in die Muskelplatte hineinwächst und sie auf diese Weise in eine obere und eine untere Masse theilt. Das Wurzelstück dieser Spange wird zum Querfortsatze des Wirbels; ihr lateraler Abschnitt sondert sich durch ein unvollkommenes Gelenk von ihm ab und stellt mit seinem verknöcherten Körper und dem knorpelig bleibenden freien Ende eine Rippe dar. Doch verschmelzen diese Rippen einige Zeit nach der Larvenmetamorphose mit ihren Quer- fortsätzen, so dass nur an einzelnen Wirbeln sich die Spuren der früheren Trennung erhalten. Hinter dem neunten selbstständigen Wirbel zeigen sich noch die Anlagen von vier weiteren Wirbeln, welche jedoch so vollständig zu einer Röhre verwachsen, dass jederseits nur noch zwei Zwischen- Wirbellöcher die früheren Grenzen des 10.—12. Wirbels andeuten. Die Bildung dieses hintersten Abschnittes der Wirbelsäule weicht aber insofern ab, als auch an der Bauchseite der Wirbelsaite sich ein Knorpelstreif bildet, so dass die letztere allseitig von Knorpel und Knochen umschlossen wird. Ihr im Larvenschwanze befindliches freies Ende wird während der Verkümmerung desselben unter Bil- dung von zahlreichen Querfalten zusammengeschoben, ehe es ganz verloren geht. Um die Entwickelung der übrigen Erzeugnisse des intersti- tiellen Bildungsgewebes, welches übrigens nicht nur aus dem inneren Segmentblatte, sondern auch an anderen Stellen des mitt- leren Keimblattes entsteht, zu verstehen, muss man seine eigene ursprüngliche Bildung kennen. Seine erste Anlage besteht aus einer 406 Dr. A. Goette: Zellenmasse, deren indifferente Elemente sich allseitig berühren. Mit einer Vergrösserung des für diese Anlage bestimmten Raumes ergiesst sich eine Flüssigkeit zwischen die Embryonalzellen und drängt sie auseinander; dabei ziehen sich die mehrfachen zwischen ihnen bereits entstandenen Verbindungen zuerst in Form kurzer Brücken, dann fadenförmig aus. So besteht das genannte Gewebe alsbald aus einem Netzwerke zusammenhängender Zellen, dessen Zwischensubstanz von aussen herzukam. Dieses Netzwerk nimmt zu und breitet sich aus durch die einwandernden embryonalenBlut- oder Dotterbildungszellen, welche hier und dort hängen bleiben, Fortsätze ausziehen und hei der stetigen Wachsthumsverschiebung des Ganzen neue Verbindungen finden, um endlich vollständig in dasselbe sich einzufügen. Diese Zellen. welche als erste embryo- nale Wanderzellen allen Geweben neue Elemente zuführen, stammen aus den Anlagen der Hauptgefässe, welche als Intercellulargänge aus dem Bildungsgewebe hervorgegangen, anfangs netzförmig durch- brochene Wände haben, so dass die Blutzellen leicht hinaustreten können. Anders wie die grossen Gefässstämme entwickeln sich die kleinen Gefässe: indem der Inhalt einzelner Zellen des Bildungs- gewebes sich verflüssist und diese kleinen mit Flüssigkeit ge- füllten Räume durch die überall vorhandene Zellenverbindung mit einander zusammenfliessen, entstehen kürzere oder längere Intra- cellularräume, welche mit den schon vorhandenen Gefässen anfangs nur durch das allgemeine Zellennetzwerk zusammenhängen und erst nachträglich durch fortgesetzte Kanalisation der zwischenliegenden Theile zusammenfliessen. Später geht die Bildung neuer Gefässe allerdings von den schon bestehenden aus, aber ebenfalls nur durch die Aushöhlung jenes Zellennetzes, welche in diesem Falle vom drängenden Blutstrome ausgeht. Die bisherige Lehre von der Ge- fässbildung kann ich nicht bestätigen. — Aus der speziellen Ent- wicklungsgeschichte des Gefässsystems hebe ich nur die Thatsache hervor, dass die hintere Hohlvene mit ihrer vorderen Hälfte im Lebergekröse entsteht, am grösseren hinteren Abschnitte aus den Kardinalvenen hervorgeht. Das fibrilläre Bindegewebe entsteht in der Weise, dass einige Zellenstränge des Netzwerkes zu stärkeren Balken oder Blättern verschmelzen, in ’denen die einzelnen Zellen untergehen. Aus der Masse der Zellenleiber gehen die Bindegewebsfibrillen her- vor, denen die freien Kerne als die eigentlichen Bindegewebskörper- chen angefügt bleiben. Alle wirklich zelligen Elemente des Binde- Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 407 gewebes sind nachträglich eingewanderte, welche in den Bestand des genannten Gewebes nicht eingehen, also auch eigentlich nicht zu demselben gehören. Die Zwischenräume der Bindegewebsmassen werden zuLymphräumen, wohl zu unterscheiden von den intra- cellulären Lymphgefässen, welche genau so wie die secundären Blutgefässe entstehen, so dass auch das Iymphatische Gefässsystem zwei dem Blutgefässsystem entsprechende Entwicklungstypen hat. Wenn die schon beschriebenen Muskelplatten nur für die Wirbel- säule bestimmt sind, so entwickeln sich die übrigen Mnskeln der Leibeswand nebst den Gliedmassen und allem zugehörigen inter- stitiellen Bildungsgewebe dennoch gleichfalls aus den Segmenten und zwar in den auswachsenden Segmentschichten. Die bisher betrach- teten Körpertheile entstanden aus der grösseren oberen Hälfte des inneren Segsments. Die untere Hälfte wächst mit der äusseren die dorsale Muskelplatte deckenden Segmentschicht zwischen der Oberhaut und: den Seitenplatten hautartig abwärts, so dass die beider- seitigen inneren und äusseren Segmentschichten am Bauche zu- sammentreffen. Die innere Segmentschicht behält die segmen- tale Eintheilung und schiebt sich mit ihrem vorderen Ende an der Bauchseite des Kopfes, welcher eine solche Embryonalanlage nicht besitzt, bis zum Unterkiefer vor. Hinten umgreift sie den After- darm, um dicht über ihm zu endigen. In dieser Schicht entsteht in ganz dünner Lage der mittlere Bauchmuskel, welcher jederseits vom Rücken bis zur Bauchseite abwärts reicht. Die Entwicklung seiner Fasern unterscheidet sich aber nicht unwesentlich von der schou beschriebenen, in den dorsalen Muskelplatten beobachteten. Jede Faser entsteht nämlich nicht aus je einer, sondern aus meh- reren mit einander verschmelzenden Zellen; und ebenso verhält es sich in allen übrigen noch zu erwähnenden Muskeln. Während der Larvenzeit schiebt sich der mittlere Bauchmuskel abwärts zu- sammen und sondert sich in die Mm. genio- und sternohyoidei, rectus abdomnis und perinealis. Zwischen den m. sternohyoideus und rectus abdominis bildet sich jederseits ein bauchrippenähnliches Skeletstück;; beide verschmelzen nach vorn convergirend in der Bauchlinie und bilden die Schenkel des als Hyposternum der Unke bekannten Skelet- stückes. Bei den Tritonen geht das Mittelstück des genannten Bauchmuskels nicht vollständig in einen m. rectus abdominis auf, sondern zerfällt in einen solchen und einen m. obliquus internus. — Die äussere Segmentschicht erzeugt die beiderlei Gliedmassen, ausser- 408 Dr. A. Goette: dem zwischen ihnen den m. obliquus externus und zwischen Kopf und Schultergürtel noch den m. sternocleidomastoideus, welcher von jenem Gürtel getrennt entsteht, wogegen der m. omohyoideus zu demselben gehört. Die breite, mediane Platte des Hyposternum bildet sich getrennt von dem Bauchrippenstück und verbindet sich erst nachträglich mit demselben. — Der m. quadratus lumborum gehört dem Beckengürtel an und rückt erst nachträglich in seine bleibende Lage vor. — Ausser den genannten Muskeln gibt es noch einen inneren Bauchmuskel (m. transversus abd.), welcher aber aus keiner morphologischen Embryonalanlage, sondern verhältniss- mässig spät unmittelbar auf dem parietalen Bauchfelle und neu eingeführtem Bildungsgewebe hervorgeht. Die Seitenplatten wachsen mit ihren medialen Rändern zwischen den Segmenten und dem Darmblatte gegen die Median- ebene, wo sie sich zwischen der Wirbelsäule und dem Darme ver- einigen. Von ihren beiden Schichten, die alsbald auseinandertreten, um die Bauchhöhle zu bilden, verwandelt sich das äussere, der Leibeswand anhaftende Parietalblatt in den parietalen Bauchfelüber- zug, und das dem Darmblatte anliegende Visceralblatt in das ganze viscerale Bauchfell und darunter in die bindegewebigen und musku- lösen Theile des Darms und seiner Anhangsorgane. Durch Aus- stülpung aus dem Parietalblatte entsteht ferner die Urniere mit ihrem Ausführungsgange; sie besteht aus dem aufgeknäuelten Ende des Ganges, welcher zuletzt dreiarmig in die Bauchhöhle mündet. Gerade gegenüber dieser Mündung liegt der Gefässknäuel, welcher aus dem Visceralblatte hervorgeht. Die bleibende Niere ent- wickelt sich gleichfalls aus der Seitenplatte, indem deren mediale Falte zwischen dem Urnierengange und der Aorta in den Retro- peritonealraum hineinwächst, sich darauf abschnürt und in eine Reihe getrennter kleiner Schläuche zerfällt. Diese wachsen zu den Harncanälchen aus, ihre soliden kolbigen Enden verwandeln sich in Gefässknäuel. Medianwärts von den Nieren entwickelt sich die leistenförmige Anlage der geschlechtsorgane aus dem Parietal- blatte; anfangs sind dieselben für beide Geschlechter gleich, aus Follikeln zusammengesetzt: die in der eingeschlagenen Richtung fortlaufende Entwicklung derselben liefert den Eierstock, ein ge- wisser Stillstand und Rückgang in derselben die Hoden. Der Hermaphroditismus der gemeinen Kröte beruht darauf, dass das in der Entwicklung voraneilende Kopfende des indifferenten Geschlerhts- Kurze Mittheilungenzaus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 409 organes, sowie es dem jungen Eierstocke die grössten Eifollikel liefert, bei dem Eintritte der Hodenentwicklung bereits zu weit vorgeschrittene Follikel enthält, um dieselben noch in Hodenschläuche verwandeln zu können. Das mittlere Keimblatt im Kopfe. Im Kopftheile er- scheint die Anlage der Wirbelsaite anfangs bis unter das Vorderhirn fortgesetzt; doch schwindet dieser ihr vorderster Abschnitt sehr bald. Die Segmentplatten zerfallen jederseits in vier Segmente, von denen das erste Paar der vorderen Stirnhälfte anliegt, die drei übrigen die Seiten des Hinterhirnes einnehmen, eines vor, die beiden andern hinter dem Ohrbläschen. Die äussere Segmentschicht oder die vier äusseren Segmente überwiegen die inneren bedeutend und wachsen an der Seite hinab, während die letzteren auf die Rückenseite be- schränkt bleiben. Die Seitenplatten verschwinden im Vorderkopfe ganz, im Hinterkopfe erhalten sie sich in der Schlundwand theil- weise, vollständig in dem darunter befindlichen Herzraum. Die sehr verwickelte Umbildung des Kopfes aus jenen einfachen morpholo- gischen Elementen im kurzen Auszuge darzustellen, ist unmöglich ; daher beschränke ich mich hier darauf, die Erzeugnisse der einzel- nen Segmente aufzuzählen, wobei deren Homologien bereits erkennbar werden. Das erste innere Segment liefert die Augenmuskeln, deren Nerven mit den n. nasalis trigemini aus einer gemeinsamen Anlage hervorgehen; ferner das erste Wirbelbogenpaar des Kopfes (Rathke's seitliche Schädelbalken), welches zur Grundlage der vorderen Schädel- kapsel wird. Aus der vorderen Vereinigung beider Bögen wächst die Nasenscheidewand, der Zwischen- und Oberkieferknorpel hervor. Das Schädeldach ist niemals vollständig knorpelig, so dass die später knorpelfreien Theile erst durch Resorption entständen, sondern die seitlich hervorwachsenden Knorpelbrücken sind vielmehr anfangs unter der Knochenplatte viel schmächtiger als später. Während der Larvenzeit besteht eine rudimentäre Anlage eines harten Gaumens und eines Nasenrachenganges, welche später schwindet. Das erste äussere Segment erzeugt die Kaumuskeln mit den beiden Kiefer- nerven, deren gemeinsames Ganglion mit demjenigen der Nasen- und Augennerven zum Gasser’schen Nervenknoten verschmilzt. Fer- ner stammen noch von demselben Segmente die Lippenmuskel ab. Das zugehörige Skeletstück umfasst znnächst einen Knorpelbogen, welcher von vorn nach hinten das Gaumen-, Flügel-, Quadratbein und den grossen Flügelknorpel (ala magna) enthält; endlich den M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 26* 410 ı Dr. A. G oette: früh abgesonderten Unterkiefer, — Die drei inneren Segmente des Hinterkopfes entwickeln Muskelplatten, welche als eine Fort- setzung derjenigen des Rumpfes erscheinen, aber noch während der Larvenzeit schwinden. Neben ihnen entsteht die hintere Schädel- basis, in deren continuirlicher Anlage die Wirbeleintheilung fehlt. Mit Rücksicht auf die Entwicklung des gleichfalls ungegliederten Schwanztheils der Wirbelsäule, wo auf jedes Segment die Anlage eines Wirbels kommt, muss man aber jene Schädelbasis als drei Wirbeln entsprechend ansehen; deren Bögen jedoch nur am letzten oder den beiden letzten zur ringförmigen Entwicklung gelangen. Zwischen diesem oceipitalen Wirbelringe und der vorderen Schädel- basis (erstes Wirbelbogenpaar) wird die seitliche Schädelwand vom eingeschobenen grossen Flügelknorpel (erstes äusseres Segment) und der Ohrkapsel gebildet; die Knorpelränder und -Brücken des ent- sprechenden Schädeldaches entstehen theils aus einem Fortsatze der vorderen Schädelkapsel (ala parva), theils aus dem oeccipitalen Wirbelringe. Das zweite äussere Segment liefert die Muskeln des Zungenbeinbogens und einen Nervenknoten, aus welchem wie am Unterkieferbogen ein sensibler und ein motorischer Nerv hervor- gehen (n. palatinus und n. facialis). Das ganze Zungenbein ist Er- zeugniss von Resten der Seitenplatte, welche zwischen dem Herz- raum und dem Unterkiefer zurückblieben; es ist daher weder diesem letzteren noch dem Brustbein homolog, während der ganze Unter- kieferbogen und die beiden Gliedergürtel durchaus gleichwerthige Theile sind. Aus dem dritten und vierten Segmente ent- stehen Kiemenmuskeln, welche später theilweise sich in Schlund- muskeln verwandeln, und ferner zwei entsprechende Nervenstämme, der n. glossopharyngeus und der Stamm des n. vagus mit ihren Ganglien. Der letztere ist als einem einzigen Segmente angehörig, einfach angelegt, wird aber durch die Ausbildung des Kiemenappa- rates dreitheilig, für den zweiten bis vierten Kiemenbogen. Da der letzte Kiemenbogen gleichsam seine Bestimmung nicht erreicht, son- dern sich in den Boden eines Vorhofs des Kehlkopfs verwandelt, so wird der dritte ursprüngliche Ast des n. vagus zum n. laryngeus anterior. Die übrigen Aeste des fertigen Vagus wachsen nicht aus ihm heraus, sondern sind selbstständige Nervenanlagen, welehe sich erst nachträglich ihm anschliessen; so die aus der Oberhaut hervor- gehenden nn. laterales superior et inferior und der in dem Visceral- blatte der Speiseröhre entwickelte Eingeweideast, der scheinbare Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgeschichte der Unke. 411 Hauptstamm des n. vagus, dessen”Entwickelung jedoch ihm eine von allen übrigen Nerven ganz verschiedene Stellung anweist. (Mit gleicher Selbstständigkeit entsteht der/Sympathieus, dessen Verbin- dungen ebenso erst nachträglich sich vollziehen.) Aus der Entwicklungsgeschichte der Kiemen will ich nur hervorheben, dass die Kiemenbögen noch 'vor der Ausbildung der äusseren Kiemen zu queren Platten auswachsen, so dass, sobald die- selben sich von einander entfernen, die früheren Spalten sich zu ansehnlichen Räumen erweitern, den inneren Kiemenhöhlen, welche sowohl gegen den Schlund einen gewissen Abschluss, als auch an ihren Wänden echteinnereKiemen (Rusconi’s „filtre‘‘) besitzen Die bisher bekannten Kiemen sind nicht als äussere und innere, sondern nur als obere und untere Aussenkiemen zu unterscheiden. Zum Kopfe gehörig muss noch das Herz mit der es umgeben- den Höhle betrachtet werden, da es aus der ventralen Seitenplatte des Kopfes entsteht und zwar im Allgemeinen so, wie ich schon vor Jahren darstellte. Die Perikardialhöhle ist daher als eine Fort- setzung der Bauchhöhle anzusehen, welche aber von letzterer durch das Lumen versperrende Organe getrennt wird, in deren Umfange alsdann das Parietal- und Visceralblatt verschmelzen. Diese Organe sind an der Decke der Pericardialhöhle die Lungenwurzel, rückwärts die Leber. Das Darmblatt. Es umschliesst anfangs den embryonalen Darmraum vollständig nur im Vorderdarme; im Mittel- und Hinter- darme bildet es gewissermassen bloss ein Dach über dem Darm- raume, dessen Ränder ohne Abgrenzung in die Dotterzellen- masse übergehen. Die letztere ist”die Keimstätte des embryonalen Blutes, welches an ihrer Oberfläche aus einer raschen Theilung einzelner Dotterzellen hervorgeht. Die zuerst isolirten Blutbildungs- heerde fliessen netzförmig zusammen und dieses stets mit Blut ge- füllte, rinnenartig in der Dotterzellenmasse ausgegrabene Gefässnetz breitet sich unter dem Visceralblatte so weit aus, bis es an die Leber und den darüber offenen, gleichfalls aus dem Visceralblatte hervorgegangenen Venensack gelangt, um dort das Herz zu füllen. — Nachdem die Blutbildung ihr Ende erreicht hat, umwächst das Darmblatt den Rest der Dotterzellenmasse, welcher im Darmraume aufgelöst wird, denselben dadurch erweitert und zugleich die erste Nahrung bietet (Nahrungsdotter). Das Darmblatt geht ins Epithel des Darmes und seiner Anhangsorgane — Schilddrüse, Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Harnblase — über. Denn auch die 412 Dr. A. Goette: embryonale Leber ist aus Drüsengängen zusammengesetzt; das bekannte Lebernetz besteht nicht aus soliden, sondern hohlen Sprossen, welche aber, wenigstens zum grössten Theile, nicht blind endigen, sondern sich unter einander verbinden. In den Zwischenräumen fliesst das Blut anfangs frei, die Leber ist wie ein Schwamm, welchen alles neue Dottervenenblut durchsetzen muss, um ins Herz zu ge- langen. Da jene Bluträume von Anfang an nur wenige hintere Eingänge und vordere Ausmündungen besitzen, aber je tiefer ins Innere hinein, desto reicher mit der zunehmenden Verzweigung des Lebernetzes sich gleichfalls verzweigen, so sind ein zu- und ein abführendes Gefässsystem schon durch diese ursprüngliche Verhält- nisse angelegt, ohne dass verschiedene Gefässe von mehreren Seiten hineinzuwachsen brauchten. — Die Bauchspeicheldrüse ent- steht in ihrer Hauptmasse hinter der Leber mit einem Gange; eine kleinere Anlage sprosst rechts von dem Lebergange hervor und verbindet sich mit der ersteren. Während aber die beiden verhältniss- mässig weit auseinanderliegenden Ausführungsgänge vergehen, wird ein dritter links vom Lebergange entstehender und über denselben die Bauchspeicheldrüse erreichender zum definitiven duetus pan- creaticus. Noch habe ich eine Bildung zu erwähnen, welche erst in der späteren Larvenzeit, nachdem die Embryonalanlagen als solche ver- braucht sind, aus indifferentem Bildungsgewebe entsteht; es ist die Milz. Ihre Anlage ist ein kleiner solider Zellenhaufen im Mesen- terium. Sobald die Dotterzellenmasse geschwunden ist, also auch die Bildung des Dotterblutes aufgehört hat, entwickeln sich in jener Anlage helle runde Zellen in zunehmender Anzahl, welche darauf in die Blutbahnen gespült zu den weissen Blutkörperchen werden, die den steten Ersatz des Blutes besorgen. Die vorstehenden Mittheilungen stellen einen kurzen und zwar nur theilweisen Auszug aus einem gröseren Werke dar, welches bereits in Druck gegeben ist, dessen Erscheinen jedoch wegen seines Umfanges vor der zweiten Hälfte des nächsten Jahres nicht zu er- warten ist. Ich glaubte daher einige Resultate meiner Unter- suchungen, welche mir besonders beachtenswerth erscheinen , hier vorausschicken zu dürfen. 4. September 1872. Beiträge zur Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung. I. Die Construction von Mikroskopen auf Grund der Theorie. II. Die dioptrischen Bedingungen der Leistung des Mikroskops. IH. Die physikalischen Bedingungen für die Abbildung feiner Structuren. IV. Das optische Vermögen des Mikroskops. Von Dr. E. Abbe, ao. Professor in Jena. I. Die Construction von Mikroskopen auf Grund der Theorie. 1. In den Handbüchern der Mikrographie findet man gelegent- lich die Thatsache berührt, dass die Construction der Miksroskope und ihre fortschreitende Verbesserung bisher fast ausschliesslich Sache der Empirie, geschickten und ausdauernden Probirens von Seiten erfahrener Praktiker, geblieben ist. Hin und wieder wird auch wohl die Frage aufgeworfen: warum die Theorie, nach welcher man von der Wirkungsweise des fertigen Mikroskops genügend Rechenschaft geben kann, nicht zugleich die Grundlage für seine Herstellung geworden sei, warum man also nicht auch diese Art von optischen Instrumenten nach theoretisch entwickelten Rechnungs- vorschriften construire, wie solches seit Fraunhofer mit dem Fernrohr und in neuerer Zeit mit den optischen Theilen der photo- graphischen Camera so erfolgreich geschieht. Der Grund für das Fortbestehen des empirischen Verfahrens wird allgemein in tech- nischen Schwierigkeiten gesucht — in der vermeintlichen Unmög- lichkeit, bei der Ausführung der Mikroskopobjective vorgeschriebene Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 27 14; Dr. E. Abbe: Maasse für die einzelnen Bestandtheile der Construction in der er- forderlichen Genauigkeit einzuhalten. Aufden ersten Blick erscheint diese Erklärung in der That als durchaus plausibel; denn die Klein- heit der Dimensionen, welche zumal bei den stärkeren Objectiven unvermeidlich ist, lässt die Schwierigkeiten ihrer Herstellung nach exacten Maassen als ausserordentlich gross ansehen. Nichtsdesto- weniger hat sich mir dieses Bedenken als unzutreffend herausgestellt, nachdem ich nähere Kenntniss erlangt hatte über die Einrichtungen und die technischen Verfahrungsweisen, die in einer wohlgeleiteten optischen Werkstatt bei der Construction der Mikroskope in An- wendung kommen. Die aufmerksame Berücksichtigung der wissen- schaftlichen und technischen Hilfsmittel, die der praktischen Optik zu Gebote stehen, und die Abwägung der verschiedenartigen Schwie- rigkeiten aın Leitfaden einer theoretischen Discussion der einschla- genden Bedingungen führte vielmehr zu der durch den schliess- lichen Erfolg bewährten Ueberzeugung: dass für den dermaligen Stand der optischen Technik die Ausführung von Linsen und Linsen- systemen nach vorgeschriebenen Maassen aller Elemente, in einer die richtige Wirkung verbürgenden Genauigkeit, nicht schwieriger, sondern eher leichter sei als die Erfüllung der anderweitigen An- sprüche, welche auf alle Fälle gestellt werden müssen, wenn die be- treffenden Dinge überhaupt brauchbar sein sollen; und dass es mit- hin nur darauf ankommen werde, alle Momente der optischen Wir- kung richtig in Rechnung zu stellen, um des Erfolges einer theo- retischen Construction bei der technischen Ausführung sicher zu sein. Auf diese Ansicht hin habe ich denn in Verbindung mit Herrn C. Zeiss in Jena einen ernsthaften Versuch unternommen, der Construction der Mikroskope und ihrer weitern Vervollkommnung eine ebenso sichere theoretische Grundlage zu geben, wie die Her- stellung astronomischer Fernrohre schon durch Fraunhofer ge- wonnen hat. Dank der Bereitwilligkeit, mit welcher Herr Zeiss mir hierbei entgegengekommen ist, indem er mir mehrere Jahre hindurch die ausgezeichneten Hilfsmittel und die tüchtigen Arbeits- kräfte seiner Werkstatt zur Verfügung stellte, und Dank dem Eifer, mit welchem der kunstfertige Werkführer dieser Werkstatt und seine geschickten Gehilfen den einschlagenden Arbeiten sich unterzogen haben, ist dieser Versuch nach längeren Bemühungen zum Ziele ge- langt. Seit einiger Zeit werden in der genannten Werkstatt Mikros- kopsysteme, die einigermassen auf der Höhe der dermaligen Lei- Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 415 stungen stehen dürften, vom schwächsten bis zum stärksten, durch- aus nach theoretischen Vorschriften ausgeführt. Die betreffenden Constructionen sind dabei, auf Grund genauer Untersuchung der zu verwendenden Materialien, bis in die letzten _ Einzelheiten — jede Krümmung, jede Dicke, jede Linsenöffnung — durch Rechnung festgestellt, so dass alles Tatonnement ausgeschlossen bleibt. Von jedem zu verarbeitenden Glasstück werden zuvor die optischen Constanten an einem Probeprisma mittelst des Spectro- meters gemessen, um Abweichungen des Materials durch geeignete Veränderung der Construction unschädlich zu machen. Die einzelnen Bestandtheile werden möglichst genau nach den vorgeschriebenen Maassen ausgeführt und zusammengesetzt, und nur bei den stär- keren Öbjectiven wird ein Element der Construction (eine Linsen- distanz) bis zuletzt variabel gelassen, um mittelst desselben die un- vermeidlichen kleinen Abweichungen der Arbeit wieder ausgleichen zu können. — Es zeigt sich dabei, dass eine hinreichend gründliche Theorie in Verbindung mit einer rationellen Technik, die alle Hilfs- mittel benutzt, welche die Physik der praktischen Optik bietet, auch bei der Construction der Mikroskope die empirischen Verfahrungs- weisen mit Erfolg ersetzen kann. 2. Im Laufe der Arbeiten, welche zu diesem Resultat geführt haben, hat sich nun herausgestellt, dass die bisherige Theorie des Mikroskops in wesentlichen Stücken sehr unvollständig ist. Die Art zunächst, wie die Bedingungen einer vollkommenen Abbildung und darauf hin die Ursachen der Unvollkommenheit discutirt werden, zeigte sich der wirklichen Sachlage, wie sie beim Mikroskop besteht, nicht entfernt gewachsen. Der Umstand, dass hier eine Grösse des Oeffnungswinkels in Frage kommt, wie sie bei keinem andern optischen Instrument wiederkehrt, macht namentlich die an- genommenen Begriffe der Aberrationen durchaus unbrauchbar — schon für jede einigermassen erschöpfende und zutreffende Beurthei- lung gegebener fertiger Mikroskope, geschweige denn für eine exacte Vorausbestimmung der Wirkungen einer erst auszuführenden Con- struction. Um für einen derartigen ‘Versuch den erforderlichen Anhalt zu gewinnen, musste die theoretische Analyse der Wirkung eines Linsensystems von grossem Oeffnungswinkel auf eine viel breitere mathematische Grundlage gebaut und viel weiter in’s Einzelne ge- führt werden, als bisher geschehen ist; wobei sich denn ergeben hat, dass die richtige Functionirung eines den heutigen Ansprüchen ge- 416 Dr. E. Abbe: nügenden Mikroskopsystems ven einer unerwartet grossen Anzahl selbstständiger Bedingungen abhängt, deren sachgemässe Würdigung nicht möglich ist ohne die Einführung mancher neuer Gesichtspunkte in die allgemeine Theorie des Mikroskops. Die Ergänzung der Theorie nach dieser Seite hin war in der Hauptsache eine rein mathematische Aufgabe, welche mit den fest- stehenden Grundsätzen der Dioptrik vollständig zu erledigen war. Erfahrung und :Experiment kamen dabei nur in soweit in Frage, als es sich darum handelte, die Erscheinungsform der einzelnen theo- retisch nachweisbaren Fehlerquellen am fertigen Mikroskop kennen zu lernen und ihre sehr ungleiche Bedeutung für den praktischen Gebrauch des Instruments richtig in Anschlag zu bringen. Dagegen stellte sich in der bisherigen Kenntniss noch eine Lücke anderer Art heraus, welche nur durch erweiterte Erfahrung ausgefüllt wer- den konnte. Sie ist gekennzeichnet durch die unsichern, zum Theil einander widersprechenden Ansichten, welche über die Bedeutung des Oeffnungswinkels der Objective und die sogen. Functionen des optischen Vermögens, Definition und Auflösung, aufgestellt werden. Die Unsicherheit in diesem Punkte zu heben und eine deutliche Einsicht in die hier eingreifenden Bedingungen zu gewinnen, war die conditio sine qua non für jeden erfolgreichen Versuch in der ange- gebenen Richtung. Denn die Anforderung, welche an die Grösse des Oefinungswinkels gestellt wird, giebt erst Maass und Richtschnur für die ganze Aufgabe. Alle Verhältnisse der Construction wer- den durchaus andere, je nachdem für ein Objectiv 40 oder 90 oder 150 Grad als Oeffnungswinkel vorgeschrieben wird. Welche Ansprüche aber in dieser Hinsicht rationell seien, blieb völlig zweifel- haft, so lange sich nicht die genaueste Rechenschaft von der wirk- lichen Bedeutung dieses Factors geben liess. 3. Die Untersuchungen, welche ich ausgeführt habe, um diese Frage selbstständig zur Entscheidung zu bringen, haben das Er- gebniss geliefert, dass ein wesentliches Moment in der optischen Function des Mikroskops bisher gänzlich übersehen worden ist. Bei der Erklärung und Deutung der Wirkungen dieses Instruments hat man es nämlich als eine selbstverständliche Sache angesehen, dass die Abbildung der mikroskopischen Objecte in allen Stücken nach denselben dioptrischen Gesetzen erfolge, nach denen mikroskopische Bilder im Fernrohr oder auf der Platte einer Camera erzeugt wer- den; und man hat darauf hin stillschweigend vorausgesetzt, dass S a di Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 417 alle optischen Functionen beim Mikroskop grade so wie bei diesen andern Apparaten durch die geometrisch definirbaren Verhältnisse des Strahlengangs bestimmt seien. Eine strengere Kritik der be- kannten Erfahrungen, auf welche die traditionelle Unterscheidung von Definitions- und Auflösungs -Vermögen sich stützt, hat diese scheinbar so natürliche Annahme als unzulässig herausgestellt. Es hat sich gezeigt, r sie zwar für gewisse, speciell nachweisbare Fälle giltig bleibt, dass aber im Allgemeinen, und zumal bei solchen Ob- jecten, an denen das Mikroskop seine höchste Leistungsfähigkeit be- währen soll, die Erzeugung der mikroskopischen Bilder an einen eigenthümlichen, bisher nicht beachteten physikalischen Process ge- knüpft ist, der in den Objecten selbst seinen Sitz hat, unabhängig von der Einrichtung der Mikroskope eintritt, für dessen Effecte aber diese letztern mittelbar maassgebend wird. Die Consequenzen dieser Thatsachen reichen an die wichtigsten Probleme der Mikrographie heran. Sie führten zum Nachweis einer ganz specifischen Function des Oeffnungswinkels und, in Anschluss hieran, auf deutliche und sichere Begriffe über das sogen. optische Vermögen des Mikroskops in seinen beiden Factoren, aus welchen Begriffen sich alle Bedingungen, von denen seine Leistung abhängt, genau feststellen lassen. Hieraus folgen zunächst bestimmte prak- tische Maximen für die rationelle Construction des Mikroskops, sowie Winke für eine sachgemässe Prüfung gegebener Instrumente. Andrer- seits aber führte der Ausbau der so gewonnenen Grundlage durch Experiment und Theorie zu einigen die mikroskopische Wahrneh- mung im Allgemeinen betreffenden Schlussfolgerungen. Nicht nur lässt sich eine Grenze der Kleinheit bestimmen, bei der alle Beob- achtung mikroskopischer Structuren eine Schranke finden muss, son- dern es tritt auch ein allgemein eingreifendes Moment zu Tage, welches beim wissenschaftlichen Gebrauch des Mikroskops nicht wird ausser Acht bleiben dürfen; indem sich zeigt, dass die bisher unan- gefochten gebliebene Grundlage für die Deutung mikroskopischer Wahrnehmungen — dass nämlich ein fehlerfreies mikroskopisches Bild in allen Fällen die wirkliche Beschaffenheit des Objects dar- stelle — für eine ganze Classe von Beobachtungen durchaus nicht zu Recht besteht. Die hier in ihren Hauptrichtungen bezeichneten theoretischen und experimentellen Studien waren zwar, ihrer Veranlassung nach, zunächst auf den praktischen Zweck gerichtet, einen sicheren Leit- 418 Dr. E. Abbe: faden für die richtige Formulirung der Ansprüche bei der Berech- nung von Linsensystemen zu gewinnen; sie haben sich aber von selbst zu einer vollständigen Theorie des Mikroskops abgerundet, welche so ziemlich in alle Capitel der mikrographischen Doctrin eingreift und dieser ausserdem einige neue Capitel hinzufügt. Dieser Theorie ist die enge Verbindung mit der Technik der Mikroskopverfertigung in zwiefacher Art zu Statten gekommen. Einestheils haben die strengen Anforderungen, welche der praktische Zweck der Arbeit stellte, Nachforschungen nöthig gemacht, zu welchen die Mikro- graphen schwerlich Anlass gefunden haben würden; andrerseits aber hat die wirkliche Ausführung von Mikroskopen nach den Grund- sätzen der in Rede stehenden Theorie für alle wesentlichen Bestand- theile derselben die empfindlichste Probe herbeigeführt, welcher theo- retische Ansichten auf diesem Felde unterworfen werden können. Die detaillrte Mittheilung dieser Studien über die Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung wird demnächst in einem ausführlichen Aufsatze im VIiI. Bande der Jenaischen Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft erfolgen. Da ich jedoch annehme, dass unter den praktischen Mikroskopikern Manchem eine gedrängte Uebersicht über die Ergebnisse der Unter- suchung willkommen sein wird, so erlaube ich mir, den Lesern dieses Archivs im Folgenden eine kurze Zusammenstellung der haupt- sächlichsten Resultate meiner Arbeit vorzulegen. Ich folge dabei den beiden oben hervorgehobenen Richtungen der Untersuchung, indem ich zuerst Dasjenige anführe, was auf den rein dioptrischen Theil der Theorie abzielt und sodann übergehe zur Betrachtung der angedeuteten neuen Factoren, welche in die Functionen des Mikros- kops eingreifen; wobei ich indess bemerken will, dass die folgenden Darlegungen an keiner Stelle den Anspruch machen, die vollstän- dige Entwickelung und Begründung der aufzustellenden Sätze, wie sie der ausführliche Bericht liefern wird, reprodueiren zu wollen. Il. Die dioptrischen Bedingungen der Leistung des Mikroskops. 4. Bei der Erklärung des Strahlenganges, der im Mikroskop die Abbildung der Objecte vermittelt, pflegt man zum Ausgangspunkt aller speciellen Untersuchungen das bekannte typische Schema des zusammengesetzten Mikroskops zu wählen, welchem zufolge das Ob- jectiv ein umgekehrtes Bild des Objects erzeugt und das Ocular, Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 419 als Lupe wirkend, dieses vergrössert in die Weite des deutlichen Sehens rückt. Auf die solchem Schema entsprechende Zerlegung des Vorgangs gründet man zugleich die Discussion der näheren Be- dingungen, von denen die optische Leistung nach Quantität und Qualität abhängt. — Zu einer allgemeinen Uebersicht über die Wir- kungsart des Mikroskops reicht diese Betrachtungsweise allerdings aus. Soll jedoch die dioptrische Analyse des Abbildungsvorgangs die Grundlage gewähren für eine genauere Feststellung der verschie- denen Factoren, welche in ihm maassgebend sind, so bedarf dieselbe nach zwei Seiten hin einer wesentlichen Erweiterung. Erstens muss der Strahlengang im Mikroskop unter einem all- gemeineren Gesichtspunkt angesehen werden. Die nämlichen Strah- len, welche als homofocale Büschel von den einzelnen Objectpunkten aus im Mikroskop verlaufen, lassen sich auch zusammenfassen zu homofocalen Büscheln, die von den verschiedenen Punkten einer vor (unter) dem Mikroskop im äussern Raume liegenden Fläche aus- gehen. Diese Fläche ist im Allgemeinen die — dioptrisch — nach aussen projicirt gedachte Oeffnung des Objectivs und enthält im Besondern die zur Beleuchtung dienende Lichtquelle (z. B. die Fläche des Beleuchtungsspiegels) als Theil in sich. Neben denjenigen Bildern, welche die Bestandtheile des optischen Systems successive vom Object entwerfen, den Objeetbildern, entsteht daher eine Reihe von zugeordneten Oeffnungsbildern, welche sämmtlich die nach aussen projieirte Fläche der freien Oeffnung abbilden. Das letzte von diesen, das dem schliesslichen virtuellen Bilde des Objects zugeordnete, erscheint im sogen. Augenpunkt oberhalb des Oculars und kann da- selbst mittelst einer Lupe näher beobachtet werden; das erste, vom Objectiv allein erzeugte, liegt in oder nahe der obern Focalebene des Objectivs und bietet sich dem freien Auge beim Hereinsehen in den offenen Tubus dar. — Beide Reihen von Bildern sind durch allgemeine Relationen untereinander verknüpft, deren Nachweis den Schlüssel für zahlreiche sonst schwer zugängliche Fragen abgiebt. Alle Merkmale der Objectbilder hängen mit gewissen andern Merkmalen der Oeffnungsbilder zusammen, und umgekehrt; und namentlich enthalten die letzteren alle Bestimmungsstücke für die Begrenzung der Strahlenbüschel, welche die Erzeugung der ersteren vermitteln. — Darauf hin ergeben sich u. A. auf rein theoretischem Wege allgemein giltige Sätze über die sogen. Tiefenperspective des Mikroskops, über den Einfluss, den die Beugung des Lichts in der 420 Dr. E. Abbe: freien Oeffnung des Objectivs auf das mikroskopische Bild ausübt, vor Allem aber über die Bedingungen der Lichtstärke und über die Wirkung verschiedener Beleuchtungsweisen und verschiedener Beleuch- tungsapparate. Andrerseits aber liefert die wirkliche Beobach- tung der Oeffnungsbilder unter Benutzung geeigneter Vergrösse- rungsvorrichtungen ein neues Hilfsmittel zum Studium der Objecte selbst. In ihnen erscheinen nämlich die Spuren der sämmtlichen Lichtstrahlen, die in irgend welchen Richtungen vom Object aus in das Mikroskop gelangt sind; die erhellten Theile eines der Oeff- nungsbilder, z. B. des ersten, in der obern Focalebene des Objectivs gelegenen, markiren die verschiedenen Strahlenbüschel, welche vom Präparat ausgehen und dessen Abbildung vermitteln. Daher müssen alle Einwirkungen, welche dieses Präparat auf die hindurchtretenden Lichtstrahlen ausübt , im Besondern alle Ablenkungen, als Modifi- cationen in jenen Oeffnungsbildern direct erkennbar sein; was im Fol- genden weitere Ausführung und mehrfache Anwendung finden wird. Die Grundlage für die exacte Entwickelung der mannigfachen Folgerungen, zu denen die Betrachtung der erwähnten Oeffnungs- bilder führt, bildet ein für die ganze Theorie des Mikroskops sehr fruchtbarer Satz, der sich allgemein erweisen lässt. Er lautet: Wenn ein optisches System für einen seiner Brenn- punkte vollkommen aplanatisch ist, so trifft jeder von diesem Brennpunkte ausgehende Strahl eine durch den andern Brennpunkt gelegte Ebene in einem Ab- stande von der Axe, dessen lineare Grösse gleich ist dem Product aus der Aequivalentbrennweite des Sy- stems mit dem Sinus des Winkels, welchen der betref- fende Strahl mit der Axe bildet. — Da die genannte Be- dingung bei einem correcten Mikroskop sowohl für das Objectiv allein wie. auch für das Mikroskop im Ganzen erfüllt sein muss, so stellt dieses Theorem einen quantitativen Zusammenhang, her zwischen dem Oeffnungswinkel des Mikroskops einerseits und den linearen Durchmessern der Oeffnungsbilder über dem Objectiv und über dem Ocular. Er macht es aber auch möglich, aus dem mikro- metrisch gemessenen Ort, den die Spur eines Strahles in der obern Focalebene des Objectivs einnimmt, die Richtung zu bestimmen, in welcher derselbe vor dem Eintritt in das Mikroskop verläuft. Das Oeffnungsbild über dem Objectiv kann daher, wenn man es mit einem passenden Mikrometer -Ocular beobachtet, zur Messung der Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 421 Ablenkungen benutzt werden, welche die Lichtstrahlen im Präparat erleiden. — Vergl. (15) u. f. 5. Zweitens bedarfes einer tiefer greifenden Charakteristik für die wesentlichen optischen Functionen, welche bei der Abbildung eines Objects unter beliebig grossem Bildwinkel und mit Strahlen- kegeln von beliebig grossem Oeffnungswinkel den Abbildungsvor- sang unterscheiden von der Abstraction, in der die Gaussische Theorie die Wirkungen eines Linsensystems betrachtet. Diese Cha- rakteristik ergiebt sich durch die Aufstellung allgemeingiltiger Be- sriffe über die Focalwirkung und die Flächenausbreitung in einem optischen System, durch welche zwei der Idee nach selbst- ständige und in ihren specifischen Leistungen auch thatsächlich trennbare Grundfactoren des Abbildungsvorgangs bezeichnet werden. Abgesehen davon, dass erst auf eine solche Unterscheidung hin eine erschöpfende Analyse der Vollkommenheitsbedingungen und der Ab- bildungsfehler möglich wird, bietet dieselbe das einzige Hilfsmittel, um den Antheil der einzelnen Bestandtheile eines zusammengesetzten optischen Systems an seiner Gesammtleistung festzustellen. Das Fehlen eines sichern Leitfadens für eine derartige Feststellung, d.h. beim Mikroskop das Fehlen eines sachgemässen Begriffs von Ob- jectiv- und Ocularwirkung, der unter Ausscheidung des Unwesent- lichen und Zufälligen den eigentlichen Gegensatz in den Functionen beider Bestandtheile zutreffend zum Ausdruck brächte, ist die Ur- sache wesentlicher Mängel, welche der bisherigen Theorie des Mi- kroskops anhaften und auch die Veranlassung zu einigen Irrwegen, auf welche das Streben nach Vervollkommnung dieses Instruments gerathen ist. Wenn man den Zweck des Objectivs in die Erzeugung eines reellen Bildes und den des Oculars in dessen weitere Vergrösserung setzt, so wird durch diese Erklärung — so richtig und nützlich sie ja ist — das wesentliche Princip des zusammengesetzten Mikro- skops keineswegs getroffen. Es ist diess schon daran zu bemerken, dass dieser Angabe zufolge die Verbindung von Objectiv und Ocular bloss der Vergrösserung zu dienen scheint, während doch die noto- rische Ueberlegenheit des zusammengesetzten Mikroskops gegenüber dem besten Simplex vielmehr in der Qualität der Leistung besteht und auch schon bei solchen Vergrösserungen zu Tage tritt, die sich ohne alle Schwierigkeit mit dem einfachen Mikroskop erreichen lassen. Worin dagegen die eigentliche Bedeutung des Princips der 422 Dr. E. Abbe: Zusammensetzung zu suchen sei, ergiebt der Hinweis darauf, dass beim Compositum in allen Fällen eine charakteristische Theilung der Arbeit in Bezug auf jene Functionen der Focalwirkung und der Flächenausbreitung vorliegt, in der Art, dass die specifischen Effecte der einen im ÖObjectiv, der andern im Oecular ihren Sitz haben. Im Objectiv erfolgt die Flächenausbreitung des Bildes prak- tisch so gut wie vollkommen nach den Gesetzen für die Abbildung eines unendlich kleinen Flächenelements; im Ocular erfolgt die Focusverschiebung, d. h. die Divergenzänderung in den einzelnen Lichtbüscheln bis auf unmerkliche Abweichungen so wie an unend- lich engen Strahlenbüscheln. Dagegen kommt dort das eigenthüm- liche Moment der Divergenzänderung von Strahlenkegeln grossen Oefinungswinkels, hier das eigenthümliche Moment der Ausbreitung einer Bildfläche auf grossen Bildwinkel zur Geltung. Es lässt sich aber beweisen, dass die Erzeugung eines einigermassen vollkommenen Bildes unter den fraglichen Bedingungen über Oeffnungs- und Bild- winkel bei keinem optischen Apparat anders möglich ist als durch eine solche Vertheilung der specifischen Focalwirkung und der speci- fischen Vergrösserung auf besondere Bestandtheile des optischen Systems und dass mithin beim Mikroskop im Besondern die Höhe seiner Leistung wesentlich in dieser Seite des Zusammenwirkens von Objectiv und Ocular begründet ist. Dabei ergiebt sich indess, dass — wenigstens unter Voraussetzung des zur Zeit in Anwendung stehenden Constructionsprineips — die sachliche Grenzscheide zwi- Objectiv- und Ocularfunction nicht da zu suchen ist, wo das reelle Bild des Objectivs dem Ocular zugeführt wird, sondern vielmehr da, wo im Objectiv die divergent eingetretenen Strahlenbüschel durch wiederholte Brechungen in parallelstrahlige Büschel umge- wandelt sind — von wo aus sie durch eine weitere Brechung nach dem Ocular hin convergirend gemacht werden. 6. Die Consequenz dieser Resultate ist eine besondere Art schematischer Zerlegung des Mikroskops, welche an Stelle der jetzt üblichen überall dann eintreten muss, wenn es darauf ankommt, die Qualität der mikroskopischen Bilder auf ihre maassgebenden Be- dingungen zurückzuführen, welche aber auch als Grundlage für die Bestimmung der quantitativen Verhältnisse der Wirkung mit Vortheil gebraucht werden kann. Ihr zufolge besteht der erste Act im Ab- bildungsvorgang nicht in der Erzeugung des umgekehrten reellen Objectivbildes vor oder in dem Ocular, sondern vielmehr in der Zu le Zn" el em m Be au er Zu $ A } Mm „ Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 423 Erzeugung eines, den parallelstrahligen Büscheln entsprechenden unendlich entfernten virtuellen Bildes; der zweite Act aber um- fasst dessen fernere Abbildung unter dem Gesichtswinkel des Ocular- feldes und in der Weite des deutlichen Sehens und kommt durch eine letzte Brechung der Strahlen im Objectiv und durch die ver- schiedenen Brechungen im Ocular zu Stande. Den ersteren kann man die Lupenwirkung des Objectivs nennen, weil dieser Theil der Leistung vollkommen identisch ist mit derjenigen einer gewöhn- lichen Lupe für ein fernsichtiges Auge; der zweite Theil aber ent- spricht offenbar, alle einzelnen Veränderungen des Strahlengangs zusammengefasst, der Wirkung eines Fernrohrs mit kleiner Objectiv- öffnung. welchem das vorher erwähnte unendlich entfernte virtuelle Bild als Object dient!). Diese Zerlegung der Gesammtwirkung des Mikroskops wird dadurch eine vollkommen bestimmte, dass der Sitz der letzten im Objectiv eintretenden Brechung, welche die parallel- strahligen Strahlenbüschel nach dem Ocular convergent macht, immer in die obere Focalebene des Öbjectivs verlegt werden kann. Eine an dieser Stelle aus letzterem ausgeschieden gedachte Linse von einer der Tubuslänge entsprechenden Brennweite gibt alsdann das Objectiv des schematischen Fernrohrs, dessen wirksame Angular- vergrösserung nach bekannten Regeln durch Tubuslänge und Ocular- stärke gegeben ist. Die Aequivalentbrennweite des die Lupenwir- kung im Öbjectiv vermittelnden Systems bleibt dabei gleich der- jenigen des Objectivs selbst und bestimmt in bekannter Weise den Gesichtswinkel, unter welchem das mikroskopische Object bei ge- gebenem linearen Durchmesser in dem unendlich entfernten Bilde erscheint. Das hier dargelegte Ineinandergreifen von Objectiv- und Ocular- function in Form von Lupenwirkung und Fernrohrwirkung muss als die allgemeingiltige Charakteristik für das heute geltende Con- structionsprineip des zusammengesetzten Mikroskops hingestellt werden. Wie das Folgende zeigen wird, beantworten sich auf Grund derselben zahlreiche für die Theorie des Mikroskops und für dessen rationelle Construction gleich wichtige Fragen — nach dem Sitz der verschiedenen Fehlerquellen, nach den Mitteln zu ihrer Beseitigung, 1) Zur Erläuterung sei darauf hingewiesen, dass in der That ein wirk- liches Mikroskop entsteht, wenn eine correete Lupe von beliebiger Brennweite eentrirt vor dem Objectiv eines Fernrohrs angebracht wird. 424 Dr. E. Abbe: nach der Grenze der unter gegebenen Bedingungen möglichen Voll- kommenheit, nach dem Einfluss, welchen Brennweite des Objectivs, Tubuslänge und Ocularstärke auf die Qualität des Gesammteffeets üben, u. a. m. 7. Im Vorstehenden sind die obersten Gesichtspunkte ange- zeigt, von welchen eine erschöpfende Theorie des Mikroskops, in ihrem rein dioptrischen Theil, ausgehen muss. Von ihnen aus er- gibt sich eine Theorie der Abbildungsfehler oder Aberrationen, die den besondern Aufgaben gewachsen ist, wie die abnorme Grösse des Oeffnungswinkels beim Mikroskop sie mit sich bringt. Es zeigt sich, dass diese Abbildungsfehler in zwei selbständige Classen zerfallen ; die eine umfasst die Fehler der Focalwirkung — Aberrationen im engern Sinne —, die andere wird gebildet durch Fehler der Flächen- ausbreitung (Vergrösserung), welche beim Mikroskop bisher ausser Acht geblieben sind. Zur ersten Art gehört die sphärische und chromatische Aberration, die man gewöhnlich betrachtet; die zweite begreift eine Reihe eigenthümlicher Abweichungen vom normalen Strahlenlauf, welche sämmtlich daraus entspringen, dass die verschie- denen Theile eines die freie Oeffnung erfüllenden homofocalen Strahlenbüschels, nach Maassgabe der verschiedenen Neigung dieser Theile gegen die Axe und der ungleichen Brechbarkeit der einzelnen Farben, Bilder von ungleicher Vergrösserung liefern — un- gleich, sowohl wenn die verschiedenen partiellen Bilder unteremander, wie auch wenn innerhalb je eines derselben verschiedene Richtungen im Sehfelde verglichen werden. Aus diesen Abweichungen, welche ich nicht Aberrationen, sondern Anomalien der Vergrösserung nenne, resultiren nicht nur die bekannten Unvollkommenfeiten des mikroskopischen Bildes ausserhalb der Mitte des Sehfeldes, sondern auch eine besondere Art chromatischer Fehler, welche man, obwohl sie mit der eigentlichen Achromasie gar nichts zu thun haben, bis- her immer als Merkmale chromatischer Focusdifferenzen gedeutet hat. Die Abbildungstehler der zweiten Classe bestimmen ausschliess- lich die Beschaffenheit des Bildes ausserhalb der Axe; die Vollkom- menheit der Strahlenvereinigung in der Mitte des Sehfeldes dagegen, und damit die maximale Leistungsfähigkeit des Mikroskops, ist allein von den wirklichen Aberrationen, der chromatischen und der sphärischen , abhängig. — Die genauere Analyse dieser ergiebt Folgendes: Erstens. Die chromatische Aberration, wie sie bei grossem Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 425 Oeffnungswinkel zur Geltung kommt, beruht nicht allein in denjengen Focusdifferenzen, welche — der Farbenabweichung selbst und ihrem ungleichförmigen Gang in Crown- und Flintglas entsprechend — die abbildenden Strahlenkegel im Ganzen treffen, sondern ebenso sehr in einer unvermeidlichen Ungleichheit der Farbenvereinigung für verschieden geneigte Strahlenbüschel innerhalb des Oeffnungswinkels, die sich darin äussert, dass ein für gerade Beleuchtung vollkommen achromatisches Objectiv für schief einfallendes Licht mehr oder minder übercorrigirt sein muss. Während die ersterwähnten ge- wöhnlichen (primären und secundären) Farbenabweichungen bei cor- recter Construction sich entweder ganz heben oder doch wenigstens fast unmerklich machen lassen, ist diese zweite Fehlerquelle mit den heute der Technik zu Gebote stehenden Materialien durch keine Kunst zu beseitigen. Ihr Einfluss aber ist gross genug, um wenig- stens bei den mittleren und mässig starken Objectiven der erreich- baren Vollkommenheit schon da eine Schranke zu setzen, wo die andern unvermeidlichen Fehlerquellen solches noch nicht thun. Nach meinen Erfahrungen bleibt die thatsächliche Leistungsfähigkeit der Objective von 6—3 Mm. Brennweite allein in Folge dieses Umstandes merklich hinter derjenigen Höhe zurück, welche die mögliche Voli- kommenheit im Punkte der sphärischen Aberration und die mög- liche Vollendung in der technischen Ausführung andernfalls zu- lassen würden. Zweitens. Die sphärische Aberration zerfällt bei einer strengeren Untersuchung ihrer Bedingungen in eine Reihe von selbstständigen Gliedern, die in ihrem Anwachsen mit der zunehmenden Neigung der Strahlen gegen die Axe einen sehr ungleichen Gang befolgen. Eine wirkliche Aufhebung ist nur für die beiden ersten Glieder theoretisch möglich. Sobald der Oeffnungswinkel über einen ganz geringen Betrag hinausgeht, kann die Ausgleichung der sphärischen Aberration nicht anders erfolgen als dadurch, dass die nicht auf- hebbaren höheren Glieder durch absichtlich herbeigeführte Reste der niedern compensirt werden. Das Anwachsen des unvermeid- lichen Deficits, das diese Compensation wegen des ungleichen Gan- ges der einzelnen Theile nothwendig übrig lässt, bestimmt die Grenze, welche dem Oefinungswinkel gesetzt werden muss, wenn jenes Deficit im mikrospischen Bilde ohne schädliche Wirkung blei- ben soll. — Für Oeffnungswinkel über 60° hinaus, zumal aber für die grossen Beträge desselben bei den neueren starken Objectiven, 426 Dr. E. Abbe: ist die theoretisch unerlässliche Voraussetzung einer genügenden Compensation der bekannte Constructionstypus, nach welchem eine unachromatische, nahezu halbkugelige Frontlinse mit einer stark übercorrigirten Linsengruppe verbunden wird. Seine Erfindung (durch Amici?) muss als die eigentliche Grundlage aller neueren Fortschritte in der Vervollkommnung des Mikroskops angesehen werden. Für das Trockensystem ergiebt sich eine ziemlich bestimmte Grösse der freien Oeffnung — 105 bis 110° —, über welehe hinaus eine hinreichende Einschränkung der sphär. Aberration auf keine Weise mehr möglich ist, wenn nicht der freie Objectabstand des Mikroskops unter das äusserste für den Gebrauch unentbehrliche Minimum vermindert werden soll. — Die Anwendung der Immer- sion dagegen gewährt, bei richtiger Benutzung der hierdurch einge- führten neuen Verhältnisse, die Möglichkeit, die Correction der sphär. Abweichung für sehr viel grössere Oeffnungswinkel genügend auszuführen, und zwar selbst für solche Beträge, welche das beim Trockensystem geometrisch mögliche Maximum (180°) noch etwas überschreiten. In dieser Möglichkeit sehr grosser Oeffinungswinkel, unbeschadet gleichmässiger Correction, und in der Ver- minderung der Lichtverluste, welche die Reflexion an der untersten Linsenfläche namentlich für die schief einfallenden Strahlen herbei- führt, liegen die einzigen wirklichen Vortheile der Immersions- methode; Alles was man ausser diesen noch als Vorzüge derselben geltend gemacht hat, beruht auf Missverständnissen. Das Folgende aber wird zeigen, dass diese beiden Unterschiede grade ausreichen, um die notorische Ueberlegenheit der Immersionssysteme vollkommen zu erklären. Die mathematische Theorie liefert ferner einige praktisch wich- tige Aufschlüsse über die Form, in welcher bei incorreeten Construc- tionen, welche ein merkliches Residuum sphärischer Aberration übrig lassen, dieses zur Erscheinung kommt. Wie verschieden auch im einzelnen Falle der thatsächliche Verlauf der Strahlen in der Nähe ihres schematischen Vereinigungspunktes sein mag, immer lässt sich derselbe durch blosse Veränderung einer Linsendistanz im System (wie z. B. die Deckglascorrection herbeiführt) so umgestalten, dass der centrale Theil und die äusserste Randzone des Objectivs richtig zusammenwirken, während die zwischenliegende mittlere Zone als- dann mehr oder minder übercorrigirt bleibt. Zugleich aber zeigt Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 427 sich, dass kein äusseres Hilfsmittel eine solche typische Corrections- differenz, wo sie einmal vorliegt, beseitigen oder auch nur ver- mindern kann. Weil sie in den Krümmungs- und Brechungsver- hältnissen der untersten Linsen des Objectivs wurzelt, leisten ihr gegenüber alle. Vorrichtungen, durch welche man auf die Verbesse- rung der Aberrationen hat einwirken wollen — besondere Corrections- gläser oberhalb der Objective oder besondere Constructionen des Oculars — im günstigsten Falle nur dasselbe, was auch die Ver- änderung der Linsendistanzen durch eine Correctionsfassung mög- lich macht. Sie gestatten, den vorhandenen Aberrationsrest zwischen Mittel und Rand der freien Oeffnung gleichsam hin und her zu schieben und auf diese Weise irgend eine einzelne Zone des Objeetivs auf Kosten der übrigen vorübergehend mehr oder minder aber- rationsfrei zu erhalten. — Einrichtungen wie der von Royston- Pigott ausgedachte »aplanatic searcher« entspringen aus einer voll- ständigen Verkennung der wirklichen Sachlage. Sie stützen sich auf einen Begriff von sphärischer Aberration, der — weil er nur Spielraum lässt für die einfache Alternative: übercorrigirt oder untercorrigirt — mit sammt der ganzen darauf gebauten Theorie der aplanatischen Brennpunkte gegenüber den heutigen stärkeren Mikroskopen durch- aus gegenstandlos ist. Durch solche Hilfsmittel wird die wirk- liche Leistungsfähigkeit des Mikroskops niemals erhöht werden; denn Alles, was sie bewirken können, ist bei richtiger Construction auch schon im Objectiv selbst zu erreichen, und Alles, was hier nicht zu erreichen ist oder in einer verfehlten Construction nicht erreicht worden ist, kann auch durch sie nicht geleistet werden. S. Ihren Abschluss findet die Analyse der Vollkommenheits- bedingungen in dem Nachweis des Einflusses, den die verschiedenen Bestandtheile/des Mikroskops auf die Qualität des Gesammteffects ausüben. Hier ergiebt sich nun vor Allem, dass die für die Cor- rectheit der Abbildung in der Mitte des Sehfeldes und damit für das mögliche Maximum der Leistung maassgebenden Factoren, näm- lich die chromatische und die sphärische Aberration in dem oben bezeichneten bestimmteren Sinne, allein in der Construction der Objective wurzeln und dass die Einrichtung der Oculare auf jene überhaupt keinen irgend merklichen Einfluss gewinnen kann; dass aber ferner auch alle sonstigen Abbildungsfehler, zu welchen das Oeular theilweise mitwirkt, doch nur insoweit die erreichbare Voll- kommenheit der Gesammtleistung begrenzen, als unvermeidliche 428 Dr. E. Abbe: Reste jener in der Wirkung des Objectivs, und zwar in demjenigen Theile derselben, der oben als specifische Focalwirkung bezeichnet wurde, übrig bleiben. Von groben Verstössen in der Construction natürlich abgesehen, kann der ganze Ocularapparat des Mikroskops, gegenüber den in der Focalwirkung des Objectivs begründeten Aber- rationen und Vergrösserungsanomalien praktisch als vollkommen fehlerfrei angesehen werden, und zwar in allen wesentlichen Punkten auch dann, wenn nur die einfachsten unter den bekannten Ocular- einrichtungen in Anwendung kommen. Hieraus folgt, dass die mögliche Höhe der Leistung beim Mikroskop allein in der Construction der Objective wurzelt und dass keine denkbare Vervollkommnung der Oculare sie im Geringsten beeinflussen kann; ferner aber, dass auch die besondern Umstände, unter welchen der Ocularapparat fungiren mag, namentlich die Art, wie die Vergrösserung durch die Länge des Tubus und die Stärke des Oculars bewirkt wird, innerhalb des praktisch in Betracht kommenden Spielraums vollkommen gleich- gültig bleiben, und — richtige Anpassung der ÖObjective an die ein- mal angenommenen Verhältnisse vorausgesetzt — die erreichbare Höhe der Leistung durchaus nicht berühren. Was in England zu Gunsten des langen Tubus vorgebracht wird, ist theoretisch ebenso unhaltbar, wie Dasjenige, was neuerdings — von Praszmowski — als Vortheil des kurzen Tubus hingestellt worden ist; wie sich denn diese vermeintlichen Unterschiede auch thatsächlich als nicht vor- handen ergeben, sobald man unter wirklich vergleichbaren Bedin- gungen sie beobachten will. Desgleichen lassen Theorie und accu- rate Experimente übereinstimmend Alles als reine Einbildung erkennen, was über die ausserordentlichen Leistungen dieser oder jener besondern Ocularconstruction berichtet wird — so weit es sich dabei um wirkliche Steigerung des optischen Vermögens, nicht etwa bloss um nebensächliche Vortheile (Grösse des Sehfeldes u. dergl.) handeln soll. Im Hinblick auf diese Resultate gewinnt die oben erwähnte Grenzbestimmung in Bezug auf Objeetiv- und Ocularfunction beim Mikroskop und das auf sie gegründete Zerlegungschema eine be- sondere Tragweite. Alle Abbildungsfehler, die überhaupt die Wir- kung beeinflussen, finden ihren vollständigen Ausdruck schon in der Beschaffenheit des unendlich entfernten virtuellen Bildes, welches das Objectiv, & la Lupenwirkung, vom Object erzeugt; diesem > Di A u a Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 429 gegenüber spielt der ganze Ocularapparat, wie er sich aus Tubus und Ocularlinsen zusammensetzt, die Rolle eines indifferenten Ver- grösserungs - Mechanismus, der — ä la Fernrohr wirkend — nur dazu dient, jenes Objectivbild dem beobachtenden Auge auf den er- forderlichen Sehwinkel auszubreiten, ohne dabei seinem Inhalte irgend etwas hinzuzufügen oder irgend etwas von ihm hinwegzu- nehmen. Dieser Inhalt selbst aber ist, seinem möglichen Detail nach, bestimmt durch die angulare Grösse der Zerstreuungskreise, welche die in der Construction des Objectivs begründeten Abbildungsfehler an Stelle scharfer Bildpunkte in das Lupenbild einführen. Indem man deren Eingreifen in den schliesslichen Effect in Betracht zieht, ergiebt sich für jedes concrete Objectiv eine durch Tubuslänge und Oeularstärke beliebig zusammensetzbare Angularvergrösserung, welche für ein Auge von angenommener normaler Sehkraft grade ausreichen muss, das im Objectivbild möglicher Weise abbild- bare Detail vollkommen zu erkennen. Diese — welche man die förderliche Angularvergrösserung nennen kann — muss als das Maass der relativen Vollkommenheit des Objectivs angesehen wer- den; aus ihr bestimmt .sich in leicht zu erkennender Weise mit Hilfe seiner Brennweite die förderliche Linearvergrösserung, d. h. diejenige Vergrösserungsziffer, mit welcher die Leistung des be- treffenden Objectivs erschöpft ist; es ist die kleinste Vergrösse- rung, bei der man alles Detail sieht, welches mit ihm, seiner diop- trischen Vollkommenheit nach, überhaupt abgebildet werden kann. Eine stärkere Vergrösserung kann zwar noch brauchbar sein, indem sie solches Detail deutlicher und bequemer zur Wahrnehmung bringt; sie vermag aber niemals das optische Vermögen eines ge- gebenen Objectivs zu erhöhen. — Unter Voraussetzung gleicher relativer Vollkommenheit der Construction muss für Objective der verschiedensten Brennweiten die angulare Grösse der Zerstreuungs- kreise in ihren Lupenbildern ein und dieselbe sein; es muss also die absolute Grösse der kleinsten Theile, die noch getrennt abge- bildet werden, ein und denselben Bruchtheil der Brennweite ausmachen. Daraus folgt einerseits, dass die förderliche Angular- vergrösserung für solche Öbjective gleich ist und ihre Höhe dem- nach das Maass für die relative Vollkommenheit darstellt; andererseits, dass die förderliche Linearvergrösserung, mithin das absolute optische Vermögen, bei gleicher relativer Güte der Construction in demselben Verhältniss zunehmen muss, in welchem die Brennweite abnimmt. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Antomie. Bd. 9. 28 430 Dr. E. Abbe: 9. Was die praktische Anwendung der hier aufgestellten Defi- nitionen anlangt, so darf nicht übersehen werden, dass die aus den Aberrationsresten und den Mängeln der technischen Ausführung her- rührenden Zerstreuungskreise im Lupenbild der Objective beim wirklichen Gebrauch stärkerer Objective niemals mit demjenigen Be- trage zur Geltung kommen, der einem die ganze freie Oeffnung er- füllenden Strahlenkegel entsprechen würde. Thatsächlich wird, so- bald der Oefinungswinkel eine beträchtliche ‘Grösse besitzt, immer nur ein Theil desselben von den abbildenden Strahlenbüscheln gleich- zeitig in Anspruch genommen, daher denn auch nur dieser Theil die effectiv werdenden Aberrationen veranlasst; und da nun — wie die Beobachtung der Oeffnungsbilder lehren kann — der für die Abbildung thätige Theil der freien Oeffnung nach Grösse und Lage fortwährend wechselt, je nach der Art der Beleuchtung und der Structur der Präparate, so folgt, dass von einer allgemeingil- tigen Bestimmung der förderlichen Vergrösserung oder des opti- schen Vermögens nicht die Rede sein kann!). Nichtsdestoweniger sind die hier geltend gemachten theoretischen Gesichtspunkte zu einer beiläufigen Abschätzung der Leistungen, welche vom Mikro- skop heut zu Tage erwartet werden dürfen, vollkommen brauchbar und ihr Hervorkehren ist sehr geeignet, grosse Illusionen zu be- seitigen, denen sich manche Mikrographen in Bezug auf diese Lei- stungen augenscheinlich hingeben. Die theoretische Discussion der Abbildungsfehler, ihr allseitiges praktisches Studium mittels der im 1) Auch die von Harting zuerst empfohlene Methode, die Unterschei- dungsgrenze der Mikroskope an den kleinen optischen Bildchen, wie man solche durch Luftblasen u. dergl. erhalten kann, zu bestimmen, gewährt eine allgemeingiltige und praktisch verwerthbare Feststellung des optischen Ver- mögens nicht. Denn abgesehen davon, dass bei ihrer Anwendung der wirk- sam werdende Strahlengang weit abliegt von allen denjenigen Formen, die beim normalen Gebrauch, wenigstens der stärkeren Objective, thatsächlich vorkommen, lässt sich auch auf die im folgenden Abschnitt zu gebenden Nachweise hin darthun, dass die Unterscheidung des Details in solchen Luft- blasenbildchen keineswegs von der dioptrischen Wirkung der Objective allein, sondern ebensosehr von besondern, ganz selbständigen Einflüssen ausserhalb des Mikroskops abhängt. Die Resultate jener Methode geben thatsächlich nur die Grenzen eines der dioptrischen Vollkommenheit fremden Auflösungs- vermögens, ganz so’ wie die Beobachtungen an der Norbert’schen Probeplatte und an den Diatomeen, nur unter etwas veränderten Beleuchtungsver- hältnissen. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 431 Folgenden erwähnten Methode und die sorgfältige Prüfung einer ziemlichen Anzahl von Objectiven neueren Datums aus den berühm- testen Werkstätten diesseits und jenseits des Canals haben mich übereinstimmend zu dem Schlusse geführt, dass die heute erreichten und erreichbaren Ziffern förderlicher Vergrösserung durchweg sehr viel geringer sind, als man nach der Freigebigkeit mancher Mikro- skopiker mit Tausenden und Zehntausenden denken sollte. Nach meinen Erfahrungen wird unter Voraussetzung der gewöhnlichen Beleuchtungsformen — abgesehen also von ganz abnormen Verhält- nissen des Strahlenganges, die sich etwa mit directem Sonnenlicht herstellen lassen, praktisch aber so gut wie werthlos sind — auch bei den allervollkommensten Systemen die optische Capaecität schon bei höchstens Sfacher Angularvergrösserung erschöpft, so dass Alles im Lupenbild überhaupt abbildbare Detail einem normalen Auge auf jeden Fall zugänglich ist, wenn Tubus und Ocular zusammen ein Sfach vergrösserndes Fernrohr darstellen. Aber selbst diese Leistung wird nur bei den schwächeren und mittleren Objectiven erreicht. Wenn die Brennweite unter 3 Mm. herabgeht, wird die relative Vollkommenheit der Constructionen wegen der rasch wachsenden technischen Schwierigkeiten merklich geringer; und ich bin sicher, dass es kein Objectiv unter 1 Mm. Brennweite giebt, dessen opti- sches Vermögen über eine 5fache Angularvergrösserung hinausreicht. Man kann leicht ausrechnen, welche Ziffern sich hiernach für die förderliche Linearvergrösserung bei den verschiedenen Brennweiten ergeben (ca. 500 bei 4 Mm., ca. 1200 bei 1 Mm.) und dann weiter, welche Vergrösserungen man äussersten Falls noch als nützlich und brauchbar wird anerkennen dürfen, wenn man beachtet, dass die blosse Ausdehnung des Bildes auf grösseren Sehwinkel ohne ent- sprechende Steigerung des optischen Vermögens, namentlich bei an sich schon hohen und lichtschwachen Vergrösserungen, der Deut- lichkeit der Wahrnehmung bald viel mehr schaden als nützen muss. Es ist hieraus zu entnehmen, wie gegenstandslos alle Bemühun- gen sind, welche darauf ausgehen, die Vergrösserung des Mikro- skops durch besondere Construction des Ocularapparats ins Unge- messene zu steigern. Was aber die Hoffnung anlangt, durch Ver- kürzung der Brennweiten der Objective die Leistungsfähigkeit des Instruments mit der Zeit immer weiter erhöht zu sehen, so tritt dieser — von mehreren sonstigen Bedenken abgesehen — ein Hin- derniss entgegen, welches nach dem dermaligen Stand unseres - 432 Dr. E. Abbe: Wissens als ein absolutes hingestellt werden muss. Zu je höheren Vergrösserungen man nämlich fortgeht, desto mehr wird die aus den Aberrationsresten im Objectiv und aus seinen technischen Män- geln entspringende Unvollkommenheit des Bildes vergrössert durch den Effect der Diffraction, welche die Kleinheit der freien Oeffnung bei den starken Objectiven einführt. Diese Diffractionswirkung der Linsenöfinung!) verwandelt gleichfalls das Bild jedes Objeetpunktes in einen Zerstreuungskreis von grösserem oder geringerem Durch- ımesser; während aber die hieraus resultirende Verminderung des optischen Vermögens bei mässigen Vergrösserungen unmerklich bleibt gegenüber dem Effect der Aberrationsreste, fällt sie bei hohen Ziffern ausserordentlich in’s Gewicht. Es lässt sich allgemein be- weisen, dass der Einfluss dieser von der optischen Voilkommenheit ganz unabhängigen Fehlerquelle beim Mikroskop (wie auch beim Fernrohr) allein durch die Grösse des letzten Oeffnungsbildes im Augenpunkt des Oculars bedingt und zwar dieser Grösse umgekehrt proportional ist; er gestaltet sich in allen Stücken genau so, wie wenn das von ihm noch frei gedachte mikro- skopische Bild dureh ein körperliches Diaphragma, dessen lichter Durchmesser dem jenes Oeffnungsbil- des gleich ist, betrachtet würde. Dieser Durchmesser aber hängt allein vom Oeffnungswinkel des Mikroskops und seiner Ge- sammtbrennweite, also seiner Gesammtvergrösserung, ab, und kann nach der unter (4) gegebenen Norm für jeden Fall berechnet wer- den. Diejenige Grösse des Oefinungswinkels vorausgesetzt, die auch beim Immersionssystem nicht wesentlich überschritten werden kann, — 180° in Luft — findet man z. B. für 1000fache Vergrösserung 0,5 Mm., für 5000fache 0,1 Mm. u. s. f., unabhängig davon, wie diese Vergrösserungen durch Objeetiv und Ocular hervorgebracht sein mögen. Und wenn man nun wissen will, welche Bedingungen von dieser Seite her z. B. einer 5000fachen Vergrösserung gestellt sind, so braucht man nur in ein Staniolblättchen einen Nadelstich von 0,1 Mm. Durchmesser zu machen und durch das so erhaltene . Diaphragma hindurch einen gut begrenzten hellen Gegenstand, etwa eine Lichtflamme, anzusehen; man hat dabei unmittelbar vor Augen, 1) Sie ist wohl zu unterscheiden von den im folgenden Abschnitt zu besprechenden Diffractionserscheinungen, welche die Structur der Objecte hervorruft. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 433 wie die Contouren eines mikroskopischen Objects unter jener Ver- srösserung sich ausnehmen müssen, auch wenn das Mikroskop an sich, d. h. vom Beugungseffeet abgesehen, absolut vollkom- men wäre. Die Erwägung dieser Umstände muss zu dem Ergebniss führen, dass eine erhebliche Steigerung des absoluten optischen Vermögens der Mikroskope über die heute mit Brennweiten von ca. 1 Mm. er- reichbare Höhe hinaus auch in Zukunft nicht zu erwarten steht, weder von einer Verkürzung der Brennweiten noch von einer wei- tern Vervollkommnung der Constructionen. Wie es heute kein Mi- kroskop giebt, dessen nutzbare Vergrösserung — wenn man es mit diesem Attribut ernsthaft nimmt — auch nur 4000 erreichte, so wird es auch in Zukunft keines geben. Die Darlegungen in den letzten beiden Abschnitten aber werden zeigen, dass selbst Vergrös- serungen weit unter der Hälfte dieser Ziffer, die sich mit Objec- tiven von 1 Mm. Brennweite als nutzbare recht gut erhalten lassen, thatsächlich schon nicht mehr verwerthbar sind, weil anderweitige, von der dioptrischen Vollkommenheit der Abbildung unabhängige Bedingungen für eine solche Verwerthung nicht mehr erfüllt werden können. Alles diess zusammengenommen begründet meinen Schluss : dass heut zu Tage die Vervollkommnung des Mikroskops überhaupt nicht mehr die Erlangung höherer förderlicher und höherer nutz- barer Vergrösserungen, also überhaupt nicht mehr die Steigerung des absoluten optischen Vermögens zum Ziele hat; dass vielmehr dieses ausschliesslich in die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der mittleren und mässig starken Objective zu setzen sei. — Es wird einen wirklichen, dem wissenschaftlichen Gebrauch des Mikroskops in hohem Grade nützlichen Fortschritt der optischen Kunst be- zeichnen, wenn es gelingt, mit Objectiven von 3—4 Mm. Brenn- weite Dasjenige zu leisten, was gegenwärtig nur mit sehr viel stär- keren Linsen .erreicht werden kann. Das liegt im Bereiche des Mög- lichen; andere Ziele gehen auf Luftschlösser aus. 10. In der angeführten ausführlicheren Darstellung meiner Untersuchungen werde ich neue und sehr exacte Methoden mit- theilen, nach welchen die sämmtlichen Bestimmungsstücke eines Mikroskops -—- die Brennweiten der einzelnen Bestandtheile, der Oeffnungswinkel,, die Maasse für Objectiv- und Ocularwirkung etc. — empirisch ermittelt werden können; daneben aber werde ich auch ein Verfahren beschreiben, welches erlaubt, sämmtliche durch die 434 Dr. E. Abbe: Theorie nachweisbare Abbildungsfehler mit ‘sehr einfachen Hilfs- mitteln am fertigen Instrument zu beobachten und daraufhin den Grad seiner Vollkommenheit zu bestimmen. — Die gewöhnlich em- pfohlenen Methoden zur Prüfung der sphärischen und der chroma- tischen Correction der Öbjective sind den thatsächlichen Verhält- nissen durchaus nicht gewachsen und weit davon entfernt, zu einer auch nur einigermaassen vollständigen Kenntniss jener Fehlerquellen an fertigen Instrumenten zu führen. Denn die durch jene Methoden sichtbar zu machenden Effecte der Abbildungsfehler sind nicht elemen- tare Wirkungen, sondern Gesammteffecte aus vielen verschieden- artigen Ursachen. Bei dem sehr ungleichen Gewicht, welches den einzelnen unter ihnen, nach ihrem Einfluss beim wirklichen Gebrauch des Mikroskops, zukommt, muss das Urtheil nach dem Totaleffect unter Umständen völlig fehlgreifen. Die zutreffende Würdigung eines Objectivs in Bezug auf seine Vollkommenheit und Leistungsfähigkeit kann vielmehr — wenn sie überhaupt aufden Befund über die Abbil- dungsfehler gegründet werden soll — nur durch die Zerlegung der sicht- baren Abweichungen in ihre Bestandtheile und den Nachweis der sämmtlichen wirksamen Fehlerquellen im Einzelnen gewonnen werden. Da die Beschreibung der Prüfungsmethode, welche dieses leistet, nicht vollständig gegeben werden kann ohne eine specielle Discus- sion der sämmtlichen Abbildungsfehler und genaue Angaben über ihre Erscheinungsformen, so sei hier nur das Princip des Verfahrens im Allgemeinen bezeichnet. — Als Object dient dabei ein Präparat, welches nichts anderes als scharfe Grenzen zwischen vollkommen durch- sichtigen und ganz oder fast ganz undurchsichtigen Theilen inner- halb einer einzigen Ebene darbietet und keinerlei merkliche Ablenkungen an den hindurchtretenden Strahlen hervorbringt. Man erhält ein solches in einer für alle Zwecke ausreichenden Vollkom- menheit, indem man (mittelst der Theilmaschine) gröbere und feinere Liniengruppen in eine Silber- oder Goldschicht einritzt, wie man solche in einer Dicke, die nur einen kleinen Bruchtheil des Mikro- Mm. ausmacht, nach bekannten Methoden auf Glas niederschlagen kann ; Deckgläser von verschiedener, genau gemessener Stärke, auf ihren untern Flächen mit solchen Theilungen (10—50 Linien pro Mm.) versehen, werden nebeneinander mit Balsam auf einen Object- träger gekittet. Ein Präparat dieser Art dient für die stärksten wie für die schwächsten Objective. Zu seinem Gebrauch gehört der Beleuchtungsapparat, welcher in dem folgenden Aufsatze dieses Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 455 Heftes beschrieben ist, oder irgend eine Vorrichtung, die gestattet, das Präparat von mehreren lichtstrahlenden Flächen aus gleich- zeitig zu beleuchten und den Verlauf der Strahlenbüschel, welche diese liefern, innerhalb des Oeffnungswinkels eines zu prüfenden Objectivs beliebig zu reguliren. Mit dem erwähnten Beleuchtungs- apparat wird dieser Zweck auf das einfachste erreicht, indem man Diaphragmen mit mehreren getrennten Oeffnungen — aus Carton- papier zugeschnitten — neben den gewöhnlichen Blendungen ver- wendet; unter Controle des Oeffnungsbildes in der oberen Focal- ebene des Objectivs kann man durch Blendungen mit passenden Ausschnitten bei Benutzung der Vorrichtungen zur Veränderung des Lichteinfalls ganz beliebige Theile des Oeffnungswinkels gleichzeitig in Thätigkeit setzen. Das Verfahren der Prüfung zielt darauf ab, das Zusammen- wirken der sämmtlichen Zonen der Objectivöffnung in der Mitte und am Rand des Sehfeldes zur Anschauung zu bringen und dabei den- noch die Bilder, welche sie einzeln gewähren, deutlich unterscheid- bar zu erhalten. Zu dem Zweck wird die Beleuchtung so regulirt, dass in den Spuren der eintretenden Strahlenkegel in der obern Focalebene alle Zonen der freien Oeffnung, jede aber nur durch einen schmalen Streifen, repräsentirt sind, während diese Spuren selbst möglichst weit von einander abstehen. Je nach der Grösse des Oeffnungswinkels werden zwei oder drei isolirte Strahlenbüschel verwandt. Sie werden so angeordnet, dass, wenn z. B. die Oeffnungs- fläche des Objeetivs 6 Mm. linearen Durchmesser besitzt, im ersteren Falle die —- nahezu kreisförmige — Spur des einen von der Mitte bis auf ca. 1,5 Mm. Abstand, die des andern auf der entgegen- gesetzten Seite von der Axe von 1,5 bis auf 3 Mm., d.h. bis zum Rand, sich erstreckt; im zweiten Falle aber der erste die Zone von der Axe aus bis zu 1 Mm. Abstand, der zweite die Zone zwi- schen 1 Mm. und 2 Mm. auf der entgegengesetzten Seite und der dritte die Randzone zwischen 2 und 3 Mm., wieder auf der Seite des ersten, in Thätigkeit setzt. Diese Anordnung giebt den em- pfindlichen Strahlengang, bei welchem alle Correetionsmängel am stärksten zur Geltung kommen, weil die verschiedenen Strahlen- kegel im Bilde unter möglichst grossen Winkeln zusammentreffen. — So viel isolirte Theile der Oefinungsfläche wirksam werden, so viel unterscheidbare Bilder erhält man von einer das Gesichtsfeld aus- füllenden Liniengruppe des Präparats. Bei einem in allen Stücken 436 Dr. E. Abbe: absolut vollkommenen Objectiv müssten alle diese bei einer be- stimmten Einstellung in ein einziges scharfes und farbenfreies Bild zusammenfliessen. Die Abbildungsfehler, soweit sie von der Art der sphärischen Aberration sind, haben aber zur Folge, dass eine der- artige vollständige Verschmelzung der zwei oder drei partiellen Bilder wenigstens nicht durch das ganze Sehfeld zu Stande kommt und, soweit sie von der Farbenzerstreuung herrühren, dass die hellen Linien auf dunklem Grunde, sowohl die getrennten Bilder je einer wie auch die correspondirenden Bilder von mehreren an andern Stellen des (Gresichtsfeldes die verschiedensten Farbensäume erhalten. Ein der- artiges Probebild legt den ganzen Correctionszustand eines Mikro- skops in allen Einzelheiten gleichzeitig vor Augen. Mittelst der Anleitung, welche die Theorie zur Diagnose der verschiedenen Ab- bildungsfehler giebt, genügt die Vergleichung der Farbensäume der einzelnen partiellen Bilder, die Beobachtung “hres lateralen Ausein- andertretens und ihrer Niveaudifferenzen, in der Mitte des Sehfeldes und in den vier Quadranten der Randzone, alle Correctionsmängel in ihren letzten Bestandtheilen nach Art und Grösse genau zu defi- niren. Dabei erhält man namentlich Dasjenige, was von den eigent- lichen Aberrationen — den Fehlern der Focalwirkung — herrührt, deutlich getrennt von solchen Unvollkommenheiten, welche aus blossen Differenzen der Vergrösserung zwischen ungleich geneigten und ungleich brechbaren Strahlen — den Anomalien — entspringen und kann ausserdem durch eine einfache Manipulation den Einfluss des Oculars auf die Beschaffenheit des Bildes ausserhalb der Axe vollständig eliminiren !). Die erforderliche theoretische Orientirung und praktische Er- fahrung vorausgesetzt, um den Befund bei einer derartigen Prüfung in allen Punkten richtig würdigen zu können, gewährt das ange- deutete Verfahren ein so erschöpfendes Urtheil über die Beschaffen- heit eines Objeetivs, dass darauf hin, wenn Brennweite und Oeff- nungswinkel nebenbei ermittelt werden, seine Leistungsfähigkeit nach 1) Beispielsweise sei erwähnt, dass diese Methode, in Uebereinstim- mung mit der Theorie, in der Farbenabweichung, welche bei grossem Oefl- nungswinkel an jeder Stelle des Sehfeldes ausserhalb der Axe wirksam wird, nicht weniger als fünf verschiedenartige Bestandtheile erkennen lässt, die wegen ihrer sehr ungleichen praktischen Bedeutung bei der Beurtheilung eines Mikroskops genau unterschieden werden müssen. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 437 allen Richtungen hin voraus zu bestimmen ist; wie ich mich durch zahlreiche Proben überzeugt habe. Für die gewöhnlichen Bedürf- nisse der Mikroskopiker wird zwar die directere Prüfung mittelst natürlicher Probeobjecte stets den Vorzug behalten; immerhin dürfte die gelegentliche Anwendung dieser andern Methode nützliche An- haltspunkte liefern, um die Ansprüche, welche man zur Zeit an die Beschaffenheit der Mikroskope stellen und nicht stellen darf, richtig bemessen zu lernen. Wer einmal gute und im praktischen Gebrauch bewährte Objective auf diese Weise untersucht hat, wird ebensosehr gegen all zu naive Vorstellungen über ihre Vollkommenheit wie auch dagegen gesichert sein, Ansprüche zu erheben, welchen bis jetzt noch Niemand genügt hat. 44. Schliesslich soll noch in der Kürze derjenigen Sätze ge- dacht werden, welche die Wirkungsart der Beleuchtungsapparate und die für die Lichtstärke des Mikroskops maassgebenden Verhält- nisse feststellen. In Bezug auf das Erstere trifft meine Betrach- tungsweise nach ihren Ausgangspunkten und in ihren wesentlichen Resultaten mit denjenigen Lehren zusammen, durch welche Nägeli und Schwendener!) die Theorie der Beleuchtungsapparate, die seit Brewster und Wollaston die partie honteuse der mikro- graphischen Doctrin gewesen ist, zuerst auf sichere und deutliche Begriffe gebracht haben. Die Hauptsache besteht in Folgendem. Die Beleuchtung der mikroskopischen Objecte bei der Beobach- tung in durchfallendem Lichte erfolgt, was auch der Beleuchtungs- apparat sein mag — Planspiegel, Hohlspiegel, Sammellinse, Conden- sor —- stets von einer begrenzten Fläche aus, welche, indem ihre Theile Strahlen einer primären Lichtquelle durch Spiegelung oder Brechung auf das Präparat leiten, diesem gegenüber wie selbst- leuchtend sich verhält, und zwar — abgesehen von den Lichtver- lusten durch Spiegelung und Brechung — selbstleuchtend mit der wirklichen Leuchtkraft der primären Lichtquelle, Die Grösse und die Lage dieser wirksamen Lichtfläche (der Fläche des Hohlspiegels z. B.) bestimmt für jeden Punkt (des Präparats einen kegelförmigen Raum, dessen Fortsetzung nach dem Mikroskop hin den Strahlenkegel ergibt, der von jeder durchsichtigen Stelle des Objects aus divergirend in das Objectiv eintritt, soweit derselbe innerhalb des Winkelraums der freien Oefinung fällt und soweit er l) Das Mikroskop. Leipzig 1867. pag. 85 tt. 438 Dr. E. Abbe: nicht durch irgend welche Ablenkungen im Präparat ganz oder theil- weise in andere Richtungen gelenkt wird. Die Spur dieses Strahlen- kegels und der etwa aus ihm abgelenkten Strahlen erscheint als Bild der lichtgebenden Fläche (z. B. des Spiegels) in der- obern Focalebene des Objectivs wie auch im Augenpunkt des Oculars, und kann daselbst direct beobachtet werden; wobei u. A. der illusorische Charakter der angenommenen Unterschiede von convergirender, divergirender und parallelstrahliger Beleuchtung sinnenfällig hervor- tritt. — Kein noch so künstlicher Beleuchtungsapparat (Condensor) giebt jemals eine intensivere Beleuchtung als die primäre Licht- quelle unmittelbar geben könnte, wenn man sie dem Objecte hin- reichend nahe bringen würde. Kein solcher Apparat kann also einen andern Zweck wirklich erreichen, als den, mit Hilfe einer Lichtquelle von gegebener Lage und gegebener Ausdehnung eine beliebig gelegene und beliebig begrenzte mittelbar leuchtende Fläche von einer — bis auf die Lichtverluste — gleichen Leucht- kraft unter dem mikroskopischen Präparat herzustellen. Als praktische Anwendung dieser Sätze ergiebt sich eine Be- leuchtungsvorrichtung, welche sich von anderweit bekannten Appa- raten dieser Art — sogen. Condensoren — dadurch unterscheidet, dass sie nicht den Anspruch macht, Wirkungen erzielen zu wollen, die theoretisch unmöglich, desshalb sicher auch nur in der Einbil- dung vorhanden sind, und welche dafür diejenigen Vortheile, die ein complicirterer Apparat gegenüber dem gewöhnlichen Beleuchtungs- spiegel überhaupt darbieten kann, mit einfachen Mitteln wirklich in Geltung bringt. (S. den folgenden Aufsatz in diesem Heft). 12. Die auf die Lichtstärke des Mikroskops bezüglichen Fra- gen endlich finden ihre erschöpfende Antwort durch das folgende allgemein erweisbare Theorem: Wenn von den Lichtverlusten durch Reflexion an den Linsen des Mikroskops abgesehen wird, ist die Helligkeit der voll- kommen oder partiell durchsichtigen Theile eines Präpa- rats im mikroskopischen Bilde genau diejenige, mit wel- cher sie beim direeten Sehen erscheinen würden, wenn vor die Pupille des Auges ein Diaphragma gestellt wäre, dessen freie Oeffnung congruent ist dem Bilde der lichtgebenden Fläche (des Spiegels z. B.), so wie es im letzten Oeffnungsbild über dem Ocular des Mikro- skops entworfen wird, — dabei das Präparat, in seiner Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 439 Flächenausdehnung beliebig vergrössert, gegen die pri- märeLichtquelle als Hintergrund gesehen vorausgesetzt. Als unmittelbare Folgerungen hieraus ergeben sich folgende Sätze: Die Helligkeit des mikroskopischen Bildes kann unter keinen Umständen diejenige übersteigen, mit welcher das Object dem freien Auge erscheinen würde. Für jeden bestimmten Winkeldurchmesser des abbildenden Strahlenkegels, sei nun dieser durch die freie Oeff- nung des Mikroskops oder durch den Umfang der lichtgebenden Fläche begrenzt, giebt es aber eine bestimmte Vergrösserungszifter, unterhalb welcher die Helligkeit des Bildes der des direct ge- sehenen Objects stets gleich ist. Es ist diejenige Vergrösserung, bei welcher der Durchmesser des Bildes im Augenpunkt des Mi- kroskops dem der Pupille grade gleich wird. So lange der Oeffnungswinkel des Objectivs kleiner ist als derjenige des zur Beleuchtung dienenden Strahlenkegels, wächst die Lichtstärke mit dem Oeffnungswinkel des ersteren und ist unab- hängig von dem des letzteren ; sobald aber — wie bei allen stär- keren Systemen der Fall — das Mikroskop einen grösseren Oeff- nungswinkel hat als der vom Beleuchtungsapparat ausgehende Licht- kegel, vertauschen sich die Rollen beider. Unter sonst gleichen Umständen hängt die Helligkeit der Bil- der allein von der Vergrösserunssziffer ab, wofern das erwähnte Bild der lichtgebenden Fläche im Augenpunkt des Oculars kleiner als die Pupillenöffnung des Auges geworden ist; jene ist alsdann dem Quadrate der linearen Vergrösserung umgekehrt proportional. Im Besondern bleibt die Lichtstärke bei einer bestimmten Ver- grösserung unabhängig davon, ob diese durch ein starkes Objectiv und ein schwaches Ocular, oder umgekehrt, erzielt ist — wie sich durch ein einfaches ganz stringentes Experiment auch empirisch darthun lässt. Ebenso sind alle Objective, deren Oeffnung den grössten möglicher Weise zur Verwendung kommenden Divergenz- winkel der einfallenden Strahlen (40—50 Grad) überschreitet, wie verschieden auch ihre sonstige Vollkommenheit sein mag, in Hinsicht auf die Lichtstärke (bis auf praktisch unmerkliche Differenzen in den Lichtverlusten) einander sämmtlich gleich, sobald sie unter gleicher Gesammtvergrösserung benutzt werden. — Die vermeint- lichen Thatsachen, welche diesen letzteren Folgerungen entgegen- zustehen scheinen, erklären sich daraus, dass alle Unterschiede in 440 Dr. E. Abbe: der Schärfe und Deutlichkeit der Bilder unwillkürlich und unbe- wusst als Unterschiede der Helligkeit gedeutet werden. IN. Die physikalischen Bedingungen für die Abbildung feiner Structuren. 13. Dass die Leistungen des Mikroskops nicht in allen Fällen von der geometrischen Vollkommenheit der Bilder allein abhängen, sondern, gewissen Classen von Öbjeeten gegenüber, ausser durch jene noch durch die Grösse des Oefinungswinkels bedingt seien, ist eine seit lange anerkannte Thatsache, deren Gewicht auch die Con- struction der Mikroskope in neuerer Zeit stark beeinflusst hat. Was aber die eigentliche Bedeutung dieser Thatsache sei, ist nichtsdesto- weniger ebenso problematisch geblieben, wie das Wesen der be- sondern Capaeität (Auflösungs- oder Unterscheidungsvermögen), welche man darauf hin dem Mikroskop hat beilegen müssen. Na- mentlich aber blieb fraglich, wie hoch der Nutzen dieses an den Oeffnungswinkel geknüpften Vermögens für den allgemeinen wissenschaftlichen Gebrauch des Instruments anzuschlagen sei und ob seine Tragweite überhaupt hinausreiche über gewisse specielle Vorkommnisse, bei welchen Schatteneffeete durch schiefe Beleuch- tung vermuthet wurden. — Bei meinem Versuch, die Construction des Mikroskops auf die Theorie zu gründen, musste ich mir ganz besonders angelegen sein lassen, die Ansprüche festzusetzen, welche im Interesse der allgemeinen, normalen Leistungen an den Oeff- nungswinkel der Mikroskope zu stellen sind, wenn ich nicht Gefahr laufen wollte, einer blossen Tradition folgend, meine Arbeit vielleicht auf Ziele von sehr problematischem Werth zu richten. Wie ich glaube, werden denn auch die einschlagenden Fragen durch die nachfolgenden Ergebnisse insoweit defimitiv erledigt, als nicht durch diese Ergebnisse selbst neue Thatsachen in den Gesichtskreis treten, die ihrerseits wieder Probleme anderer Art anregen. Da es vor Allem darauf ankommen musste, zum Thatbestand der vom Oeffinungswinkel abhängigen Wirkungen eine festere Posi- tion zu gewinnen, als die mikrographische Literatur geben konnte, habe ich zunächst durch Experimente die Frage zu beantworten gesucht: in welchen Fällen besteht ein Unterschied zu Gunsten des grösseren Oeffnungswinkels und in welchen Fällen besteht ein solcher nicht, wenn alle sonstigen Verschiedenheiten, welche die Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 441 Wirkung möglicherweise beeinflussen können, auf das Sorgfältigste eliminirt werden? Hierzu hat mir eine Reihe von Objectiven mit sehr verschiedener Brennweite und sehr verschie- dener Oeffnung gedient, welche nach meiner Berechnung mit äusserster Aceuratesse ausgeführt worden waren und welche, auf ihre Correct- heit noch besonders geprüft, für die Vergleichbarkeit der Beobach- tungen sichere Gewähr leisteten. Als Probeobjecte sind dabei benutzt worden: allerlei Schmetterlingsschuppen und Diatomeenschalen, ge- streifte Muskelfasern, Diamanttheilungen auf Glas, Liniensysteme in verschwindend dünnen Silberschichten auf Glas, feinere und gröbere Pulver u. A., daneben aber auch die kleinen optischen Bildchen ma- kroskopischer Objecte (Stabgitter, Drahtgeflecht), welche man durch Luftblasen oder — besser — durch ein auf den Tisch des Mikroskops gelegtes Objectiv von kurzer Brennweite erhalten kann. 14. Durch solche Versuche hat sich ergeben: 1) So lange die freie Oeffnung so gross bleibt, dass aus ihrer Diffractionswirkung keine merkliche Abnahme der Schärfe ent- springt, tritt ein Unterschied in der fraglichen Richtung nicht hervor in Bezug auf die Abbildung der Contouren mikroskopischer Objecte, d. h. der Grenzen zwischen ungleich durchsichtigen Theilen im Gesichtsfeld, wofern diese Theile nicht unter ca. 0,01 Mm. herabgehen. 2) Dagegen besteht ein solcher Unterschied constant zu Gunsten des grösseren Oeffnungswinkels gegenüber allen Objecten, welche irgend ein Detail unter jener Grenze der Kleinheit zeigen, gleichgültig, ob dieses Detail durch Unebenheiten der Oberfläche oder durch blosse Unterschiede der Durehsichtigkeit in einer verschwindend dünnen Schicht hervorgerufen wird und gleichgültig, ob es die Form von Strei- fungen, Gitterzeichnungen, Körnungen etc. hat. Er tritt in gleichem Sinne auch an den erwähnten optischen Bildchen makroskopischer Gegenstände hervor. 3) Je kleinere lineare Dimensionen das betreffende Detail be- sitzt, desto grösser muss der Oefinungswinkel des Objectivs sein, wenn jenes bei einer bestimmten Art der Beleuchtung, z. B. bei rein centraler oder bei möglichst schiefer, wahrgenommen wer- den soll, und zwar unabhängig von der grösseren oder ge- ringeren Markirtheit der Zeichnung und unabhängig von der Brennweite und der förderlichen Vergrösserung 442 Dr. E. Abbe: des Objectivs. Bei kleinem Oeffnungswinkel kann die Abbildung schon lange vor derjenigen Grenze der Kleinheit, die der förder- lichen Vergrösserung entspricht, aufhören. 4) Wo das Detail an wirklichen Objecten in Form von Streifun- gen, Liniensystemen u. dergl. erscheint, erreicht ein und derselbe Oefinungswinkel bei schiefem Lichteinfall constant merklich feineres Detail als bei centraler Beleuchtung und zwar ganz unabhängig davon, ob die Beschaffenheit der Objecte die Möglich- keit von Schatteneffecten zulässt oder vollständig aus- schliesst. 5) Eine Structur der gedachten Art, welche ein bestimmtes Objectiv bei gerader Beleuchtung nicht wahrnehmbar macht, wird auch nicht wahrnehmbar, wenn man das Object unter beliebigem Winkel gegen die Axe des Mikroskops neigt, selbst wenn dasselbe, senkrecht zur Axe liegend, durch schiefes Licht vollkommen aufge- löst würde. Die Auflösung tritt aber sogleich ein, wenn gleich- zeitig der einfallende Lichtkegel senkrecht gegen die Ebene des Objects gerichtet wird. Demnach hängt die Steigerung der Wirkung unter schiefer Beleuchtung ausschliesslich von der Neigung der Strahlen gegen die Mikroskopaxe, aber nicht von ihrem schiefen Einfall auf das Object ab. Die hier angeführten Thatsachen bekunden auf der einen Seite die Realität eines von der sonstigen Vollkommenheit der Objective und von der Vergrösserungskraft unabhängigen, an den Oefinungs- winkel als solchen geknüpften specifischen Verinögens, und be- stimmen dasselbe — in guter Uebereinstimmung mit dem Wort- sinne der üblichen Benennung — als ein Vermögen zur Auflösung oder Unterscheidung des mikroskopischen Details; auf der andern Seite aber enthalten sie auch den unzweideutigen Hinweis darauf, dass die Abbildung sehr feiner körperlicher Strueturen auf wesent- lich andern Bedingungen als die Abbildung der Contouren gröberer Theile beruhen müsse. In allen Fällen, wo ein derartiges Auflösungs- vermögen, d. h. ein directer Einfluss des Oeffnungswinkels, sei es positiv, sei es negativ, in Geltung tritt, Kann die dioptrische Wieder- vereinigung der von den Objectpunkten ausgehenden Strahlenbüschel in einer Bildfläche unbedingt nicht der zureichende Grund für die Abbil- dung des Objects sein, weil auf eine solcheVoraussetzung hin die nach- gewiesenen Unterschiede absolut unerklärbar bleiben würden. — Das Resultat dieser Vorarbeit hat daher die eigentliche Aufgabe Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 443 der Untersuchung dahin formuliren lassen: besondere Ursachen ausserhalb des Mikroskops, welche bei der Abbildung kleinen körperlichen Details mitwirken, nachzuweisen und sodann die Mo- dalitäten ihres Eingreifens in den dioptrischen Vorgang im Einzelnen festzustellen. Beide Forderungen haben sich sowohl auf theoretischem wie auch auf experimentellem Wege in einem für die nächsten Bedürf- nisse ausreichenden Umfang erledigen lassen. 15. Die Undulationstheorie des Lichts weist in den Erschei- nungen der Diffraction oder Beugung eine charakteristische Veränderung nach, welche körperliche Structuren, nach Maass- gabe der Kleinheit ihrer Dimensionen, an den hindurch- tretenden (eventuell auch an refleetirten) Lichtstrahlen hervorbringen. Sie besteht im Allgemeinen in einer Auflösung jedes einfallenden Lichtstrahls in je eine Strahlengruppe von grosser Winkelausbrei- tung mit periodisch wachsender und abnehmender Intensität inner- halb dieser. Für den besondern Fall von regelmässigen Schich- tungen, Streifungen, Punktreihen u. dergl. liefert die mathematische Theorie eine vollständige Bestimmung der Erscheinung, die alsdann darin aufgeht, dass aus dem einfallenden und geradlinig fortgehen- den Lichtstrahl nach entgegengesetzten Seiten hin eine Reihe isolirter Strahlen in regelmässigen Winkelabständen abgesondert (abgebeugt) wird; diese Winkelabstände sind aber für-jede einzelne Farbe pro- portional ihrer Wellenlänge, nehmen also von Violett zu Roth stetig zu, und sind ausserdem umgekehrt proportional der Distanz der Theile in der wirksamen Structur. Wird daher ein mikroskopisches Präparat von der betrachteten Beschaffenheit durch einen Licht- kegel getroffen, wie ihn z. B. der Beleuchtungsspiegel des Mikro- skops liefert, so tritt dieser nicht einfach nach seiner geradlinigen Fortsetzung in das Objectiv ein, sondern die Structur des Präparats scheidet aus dem directen Licht eine Anzahl abgelenkter Lichtkegel mit auseinandertretenden Farben aus, welche je nach der grös- seren oder geringeren Feinheit der Structur grössere oder geringere Winkel mit der Richtung der ungebeugten Strahlen bilden. Der- artige Objecte senden also Punkt für Punkt mehrere isolirte Licht- büschel zum Objectiv, deren Anzahl und Anordnung innerhalb eines bestimmten Winkelraums von der Lage der lichtgebenden Fläche (des Spiegels z. B.) und von der Structur des Präparats abhängt. Diese theoretisch vorauszusagende und auch nach ihren Maass- 444 Dr. E. Abbe: verhältnissen genau zu berechnende Wirkung kann mittelst der unter (4) erwähnten Oeffnungsbilder, welche die Abbildung der Ob- jecte im Mikroskop begleiten, sehr einfach beobachtet werden. Man stellt ein Object der fraglichen Art mit dem Mikroskop ein, so dass das Detail sichtbar wird, entfernt sodann das Ocular und sieht ent- weder mit freiem Auge in den offenen Tubus herab oder stellt mit einem passend eingerichteten Hiltsmikroskop von sehr geringer (10--20maliger) Vergrösserung, welches an Stelle des Oculars in den Tubus eingesenkt wird, auf die obere Focalebene des Objectivs ein). Man sieht alsdann das Bild des Spiegels (oder was sonst die licht- gebende Fläche sein mag), wie es von den ungebeugten Strahlen erzeugt wird, umgeben von einer grösseren oder kleineren Anzahl von Nebenbildern, in Form von unreinen Farbenspectren, deren Farbenfolge, vom Hauptbilde aus gerechnet, stets von Blau zu Roth geht. Objecte mit mehreren sich kreuzenden Liniensystemen zeigen dabei nicht nur in der Richtung der Senkrechten zu jeder Gruppe je eine Reihe von Beugungsbildern, sondern — den Forderungen der Theorie entsprechend — ausserdem noch andere solche Reihen in den Winkeln zwischen jenen Senkrechten. — Schmetterlingsschuppen und Diatomeen zeigen diese Phänomene in der grössten Mannig- faltigkeit. Die gröberen unter ihnen gestatten die Beobachtung schon mit schwachen Systemen von geringem Oeffnungswinkel; die feineren — von Pleuros. ang. an — verlangen gros.e Oefinung, wenn auch nur die dem Hauptbilde des Spiegels nächstliegenden Beugungsbilder in die Oeffnungsfläche fallen sollen. Für deren Beob- achtung ist ein schwaches Immersionsobjeetiv am besten geeignet ?). l) Der allgemeine Charakter dieser Beobachtungsweise ist dadurch ge- kennzeichnet, dass dabei das abbildende Mikroskopsysten als Objectiv eines Miniatur-Fernrohrs fungirt, indem es die vor ihm liegenden Gegenstände in seinem hintern (obern) Focus abbildet. Der Oeffnungswinkel des Mikroskops wird alsdann das angulare Gesichtsfeld dieses Fernrohrs. Die abbildenden Strahlen müssen dabei sämmtlich das eingestellte Präparat passiren, daher denn alle Ablenkungen, welche dieses bewirkt, in dem kleinen Fernrohrbild- chen sichtbare Nebenbilder der äussern leuchtenden Gegenstände, der Spiegel- fläche z. B.. herbeiführen. — Es versteht sich von selbst. dass diese Me- thode auch zum Studium der Structur solcher Präparate dienen kann, in welchen geformte Theile Ablenkungen durch Brechung des Lichts herbeiführen. 2) Auf einem ganz andern Wege sind die Beugungsphänomene bei den Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 445 16. Die hier angegebene Methode zur directen Beobachtung der Lichtstrahlung, die von mikroskopischen Objecten ausgeht, ge- stattet zugleich die experimentelle Entscheidung der Frage, welche Rolle das betrachtete Beugungsphänomen bei der Abbildung der be- treffenden Structuren spielt. Die Antwort darauf hat sich ohne Weiteres ergeben, indem ich nach Einstellung der geeigneten Probe- objeete und passender Regulirung des einfallenden Lichts durch Diaphragmen dicht oberhalb des Objectivs, möglichst nahe seinem obern Focus, bald diesen bald jenen Theil der im Beugungs- phänomen erscheinenden Strahlengruppe abblendete, um hierauf das mikroskopische Bild des Präparats, wie es von den nicht ab- geblendeten Strahlen allein erzeugt wurde, mit dem gewöhnlichen Ocular in Augenschein zu nehmen. — Das Folgende enthält die unmittelbaren Ergebnisse derartiger Experimente; wobei ich nur bemerke, dass alle entscheidenden Versuche mit sehr correcten schwachen Objectiven — 30 bis 6 Mm. Brennweite — und den ent- sprechenden geringen Vergrösserungen ausgeführt sind, stärkere aber, besonders ein Immersionsobjectiv von 3 Mm., nur benutzt wurden, um die an gröberen Objecten schon gewonnenen Resultate an einigen feinen Diatomeen zu controliren. — Die Präparate für die entscheidenden Experimente waren allein Gebilde von genau be- kannter Structur: verschiedene, durch fein zertheiltes Caput mor- tuum hergestellte Körnungen, in Glas geritzte Liniensysteme von 0,03 bis 0,002 Mm. Linienabstand und ähnliche Liniengruppen in Silberniederschlägen auf Glas, wobei die Silberschicht eine auch für das stärkste Mikroskop unwahrnehmbare Dicke besass; gekreuzte Liniengruppen ohne Niveaudifferenz wurden durch Uebereinander- Diatomeen schon von Flögel (Botan. Zeit. 1869, Nr. 43—45) studirt und zur Bestimmung der Streifendistanz benutzt worden. Auch die hier ange- wandte Beobachtungsmethode kann für letzteren Zweck sehr gut dienen, da der unter (4) angeführte theoretische Satz es möglich macht, aus dem ge- messenen linearen Abstand der Beugungsspectra im Oeffnungsbild, unabhängig von der Richtung des Lichteinfalls, die Streifendistanz zu berechnen, wenn man die Brennweite des Objectivs kennt. Es genügt dazu ein Ocularmikro- meter in dem Mikroskop, mit welchem man das. Oeffnungsbild beobachtet. Wenn man zur Beleuchtung eine schmale Lichtfläche unter dem Präparat und recht intensives Licht verwendet, kann man die Spectra so scharf er- halten, dass bei sehr regelmässigen Streifungen — wie z. B. auf Pleur. ang. — sogar einige Fraunhofer’sche Linien sichtbar werden, M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 9. 29 446 Dr. E. Abbe: legen von zwei einfachen Theilungen, die eine an der untern Fläche des Deckglases, hergestellt. — Die so gewonnenen Thatsachen sind: 1) Wenn alles durch die Beugung aus den einfallenden Strah- len ausgesonderte Licht vollständig abgeblendet wird, so dass allein der übrig bleibende ungebeugte Strahlenbüschel die Abbildung des Präparats vermittelt, so hat diess auf die Schärfe der Contouren zwischen ungleich durchsichtigen Stellen des Sehfeldes keinen Ein- fluss, so lange das Diaphragma gross genug bleibt, um nicht durch seine Diffractionswirkung eine sichtbare Depression der förderlichen Vergrösserung herbeizuführen. Auch wird dadurch die deutliche Wahrnehmung getrennter Theile nicht in merklichem Grade be- hindert, wenn deren nicht mehr als 50—50 auf den Millim. kommen !). Je weiter aber diese Zahl überschritten wird, desto mehr verschwimmt das Detail, so dass schon bei ca. 100 pro Mm. nur eine sleichförmige Fläche sichtbar bleibt, welche Vergrös- serung auch angewandt wird, und zwar ebenso bei ge- rader wie bei beliebig schiefer Beleuchtung. Schon zwei Theile, z. B. zwei Diamantstriche oder zwei Linien in einer Silber- schicht, werden unter den bezeichneten Verhältnissen ununterscheid- bar und erscheinen als ein breiterer Strich mit scharfen Contouren. Mit dem stärksten Immersionsobjectiv ist von der Zeichnung auf Pleur. ang. nicht das geringste zu erkennen; und die groben Längs- streifen auf Hipparchia Jan. bleiben selbst bei 200facher Vergrösse- rung unwahrnehmbar. — Bei Körnungen und anderem unregelmäs- sigen Detail lässt sich das gebeugte Licht von dem ungebeugten nicht vollständig sondern. Dem entsprechend tritt bei möglichster Abblendung zwar kein absolutes Verschwinden aller Theile, aber doch eine so grosse Undeutlichkeit des Bildes ein, dass der feinere Inhalt des Präparats in gleichmässiges Grau übergeht. 2) Wenn alle Strahlen abgeblendet werden bis auf einen durch Beugung erzeugten Büschel, so liefert dieser ein mehr oder minder lichtstarkes positives Bild von den die Beugung bewir- kenden Theilen des Objects in dunklem Felde, aber gleichfalls ohne alles Detail. (Theilungen erscheinen als gleichmässig helle Flächenstreifen auf schwarzem Grunde.) 1) Diese Grenzbestimmung ist desshalb unsicher, weil bei geringer Ablenkung der gebeugten Strahlen nur durch sehr enge Diaphragmen die vollständige Abblendung zu erreichen ist. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 447 3) Wenn dagegen mindestens zwei getrennte Lichtbüschel in das Mikroskop eingelassen werden, so zeigt das Bild stets ein scharf markirtes Detail, sei es in Form eines oder mehrerer Linien- systeme oder in Form isolirter Felder. Dabei ist es gleichgiltig, ob unter den eintretenden Strahlenkegeln das ungebeugte Licht enthalten ist oder nicht, d. h. ob das Bild in hellem oder in dunklem Gesichtsfeld erscheint. Andere Lichtbüschel in Wirksamkeit gesetzt, entsteht aber immer anderes Detail — verschie- den, entweder nach. dem Grade der Feinheit oder nach der Art der Zeichnung —; und dieses Detail braucht weder dem Inhalte des mikroskopischen Bildes bei nor- maler Beleuchtung noch auch der anderweit bekannten wirklichen Structur des Objects conform zu sein. Einige nähere Bestimmungen in Betrefi des letzten Punktes enthalten die beiden folgenden Sätze. 4) Ein einfaches Streifensystem wird zwar stets auch als solches abgebildet, wenn zwei oder mehrere Lichtbüschel zur Wirkung ge- langen, aber in doppelter, dreifacher ... . Feinheit, sobald unter jenen nicht zwei consecutive Büschel enthalten sind, sondern ein, zwei, ..... zwischenliegende übersprungen werden; eine Gruppe von nur zwei Linien im Object z. B. erscheint dabei als aus drei, vier . » „ getrennten Strichen zusammengesetzt. Die so erzeugten Schein- bilder sind aber in Hinsicht auf ihre Schärfe und die Constanz ihres Auftretens bei keiner Vergrösserung von dem normalen Bilde einer wirklich doppelt, dreifach, ... . so feinen Streifung gleicher Art zu unterscheiden, wie sich durch ein eclatantes Experiment, bei wel- chem eine solche verdoppelte Theilung unmittelbar neben dem Bilde einer wirklich doppelt so feinen im Gesichtsfeld erscheint, dar- thun lässt. 5) Wenn zwei einfache Gitter in demselben Niveau unter be- liebigem Winkel sich kreuzen, so kann man nicht nur durch ge- eignete Regulirung des Lichtzutritts nach Belieben beide Linien- systeme einzeln oder gleichzeitig sichtbar machen, sondern man kann auch durch andere Formen der Abblendung in glei- cher Schärfe und Markirtheit zahlreiche neue Linien- systeme, welche als solche im Object gar nicht vorhanden sind, und mannigfach geformte Felder, zur Erscheinung bringen. Die neu auftretenden Liniengruppen entspre- chen dabei, nach ihrer Lage und der Liniendistanz in 448 Dr. E. Abbe: ihnen, stets den möglichen Formen, nach welchen sich die Kreuzungspunkte der wirklichen Striche im Object in äquidistante Reihen ordnen lassen. So zeigt u. A. ein Kreuzgitter mit senkrechter Kreuzung zwei secundäre Streifungen in den Richtungen der Diagonalen, deren Linienabstand zur Distanz der wirklichen Striche sich wie 1: v2 ver- hält; aber auch noch vier (zarter gezeichnete) im Verhältniss von 1:/ 5 engere Gruppen, welche jeum ca. 27° zu einer Gitterrichtung geneigt sind. Bei einer Kreuzung unter 60° tritt, abgesehen von anderen feineren Liniensystemen, in gleicher Stärke mit den im Object wirklich vorhandenen ein drittes System mit demselben Li- nienabstand auf, um 60° Grad gegen die andern geneigt, und man erblickt, wenn alle drei gleichzeitig erzeugt werden, statt der rhom- bischen Felder vollkommen scharf begrenzte Sechsecke, ganz von der Art wie auf Pleur. ang. zu sehen sind. — Ich füge hinzu, dass alle hier namhaft gemachten, der Structur der bekannten Objecte nicht conformen Erscheinungen stets bei derselben Einstellung, welche auch das normale Bild scharf hervortreten lässt, beobachtet werden und dass sie bei den verschiedensten Gombinationen von Objeetiven und Ocularen, wenn die Beleuchtung in derselben Weise regulirt wird, mit derselben Constanz eintreten. Der Einfluss der Diffraction, welche die Diaphragmen über dem Objeetiv ausüben, ist durch direete Controlversuche eliminirt worden. Weiteres Detail über diese Phänomene kann nicht gegeben werden ohne genaueres Eingehen auf die theoretischen Gesetze der Diffraction. Aus dem gleichen Grunde unterlasse ich hier, auch den Zusammenhang zwischen den eben angeführten Thatsachen und dem unter (14) erwälınten Verhalten kleiner optischer Bildchen nach- zuweisen. Dagegen sei noch das Folgende hervorgehoben: 6) Die in den beschriebenen Experimenten benutzte Manipula- tion, das partielle Abblenden der vom Object ausgehenden Licht- strahlung, kommt unter den gewöhnlichen Verhältnissen bei der Beobachtung aller feineren mikroskopischen Gebilde unbeabsichtigter aber auch unvermeidlicher Weise zur Anwendung. Denn sobald das Detail eines Objects in seinen linearen Dimensionen auf kleine Vielfache von der Wellenlänge des Lichts!) herabgeht, kann — wie 1) Die Welienlänge des Roth ist — 0,76 u; des dunkeln Blau = 0,43 u. Zur Vergleichung sei der Streifenabstand auf einigen bekannten Probeobjeeten » Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 449 die Rechnung und die Beobachtung zeigt — auch ein sehr grosser Oeffnungswinkel des Objectivs nie mehr als einen kleinen Theil der ganzen durch die Beugung erzeugten Strahlengruppe gleichzeitig aufnehmen. Dieser Theil aber wird immer ein anderer, sowohl wenn bei gleich bleibender Beleuchtungsrichtung der Oefinungs- winkel grösser oder kleiner wird, wie auch wenn bei constantem Oeffnungswinkel die Beleuchtung wechselt. Hierauf kommen alle — mir bekannten — Modificationen zurück, welche die Bilder feiner Structuren unter anderem Oeffnungswinkel und unter anderem Licht- einfall bei aberrationsfreien Objectiven zeigen. Die constante Steigerung des Auflösungsvermögens durch schiefe Beleuchtung namentlich, also sowohl das Sichtbarwerden von neuem Detail, wie auch das markirtere Hervortreten des bei centralem Licht schon erkennbaren, ist in allen Fällen allein dadurch bedingt, dass bei schiefem Lichteinfall Beugungsbüschel in die freie Oeffnung herein- treten, die wegen ihrer starken Ablenkung sonst ausserhalb derselben leiben, oder dass Beugungsbüschel, die bei centraler Beleuchtung nur unvollkommen aufgenommen werden, jetzt vollin das Mikroskop eintre- ten und, unter gleichzeitiger Abschwächung der ungebeugten Strahlen, mit grösserer Intensität zur Wirkung gelangen. — Abgesehen hier- von aber kommen bei der gewöhnlichen Beobachtungsweise auch solche Abblendungsformen vor, welche die Bedingungen für die unter (5) aufgeführten Wirkungen enthalten. In Folge dessen können au allen Objecten, welche überhaupt zwei einigermaassen gleichartige Streifungen darbieten, durch blosse Veränderung des Lichteinfalls deren noch mehrere in andern Richtungen sichtbar gemacht werden, wofern der Oeffnungswinkel des angewandten Objectivs zur Feinheit der Streifung ein passendes Verhältniss hat — wie u. A. an meh- reren Diatomeen deutlich hervortritt. Selbst Abblendungen von solcher Wirkung wie in den Experimenten unter (4) können viel- fach unbeabsichtigter Weise eintreten; es erklärt sich daraus z. B. das Auftreten feiner Längslinien zwischen den groben Längsstreifen auf Hipp. Jan., wie starke Objective unter gewissen Spiegelstellungen solehe sichtbar machen. 17. Die hier aufgeführten Thatsachen scheinen mir hinreichend, um theils unmittelbar, theils in Verbindung mit unanfechtbaren hier angeführt: Längsstreifen auf Hipp. Jan. 2u, Querstreifen 0,7 4; Pleuros, ang. 0,48u; Surirella Gemma 0,34; Frustulia Saxonica 0,25 u, 450 Dr. E. Abbe: Lehrsätzen der Undulationstheorie, eine Reihe wichtiger Schluss- folgerungen, welche sowohl die mikroskopische Wahrnehmung als solche, wie auch die Einrichtung und den Gebrauch des Mikroskops berühren, sicher zu begründen. — Zunächst die Gonsequenzen in der ersten Richtung: Solche Theile der mikroskopischen Präparate, welche entweder durch ihre Isolirtheit (einzelne Fäden, Körnchen u. dergl.) oder durch ihre, relativ zu den Lichtwellen, beträchtliche Grösse, selbst keine Beugung von merklichem Betrage herbeiführen, bilden sich im Mikroskop nach den gewöhnlichen dioptrischen Gesetzen der Strah- lenconcentration ab. Die Abbildung geschieht dabei rein negativ, nämlich allein durch den ungleichen Lichtausfall, den in homogenen Massen partielle Absorption (z. B. Färbung) oder theilweise Ab- lenkung der Strahlen durch Brechung, in Theilen mit innerer Structur aber die durch diese bedingte Beugung hervorbringt. Das so er- zeugte Absorptionsbild ist dem Object selbst unbedingt ähnlich und lässt bei richtiger stereometrischer Deu- tung desflächenhaft Gesehenen einen vollkommen sichern Rückschluss auf die — morphologische — Zusammen- setzung desselben zu. Alle feinere Structur hingegen, deren Elemente klein und nahe genug sind, um durch ihr Nebeneinandersein ein merkliches Beugungsphänomen hervorzurufen, wird nicht more geometrico abgebildet, d. h. nicht so, als ob die vom Object ausgehenden homofocalen Strahlenbüschel, indem sie nach vielerlei Veränderungen schliesslich wieder homofocale Büschel mit reellen oder virtuellen Vereinigungscentren werden, jenes Punkt für Punkt auf einer Bildfläche copirten. Denn wenn auch alle diop- trischen Bedingungen hierzu vollständig erfüllt sind, enthält doch das Bild Nichts von solchen Elementen, wofern nicht mindestens zwei der Theilstrahlen, welche durch die Zerlegung des Lichts entstehen, wieder vereinigt werden. Für Jeden, der sich die Voraussetzungen deutlich macht, auf denen die gewohnte Annahme der Aehnlichkeit zwischen einem Objecte und seinem optischen Bilde beruht, muss das Gesagte zu dem Schlusse ausreichen: dass unter den nachgewiesenen Umständen eine solche Annahme eine vollkommen willkürliche Hypothese wird. Als positive Instanz steht ihr aber die Folgerung entgegen, zu welcher die unter 4) und 5) angeführten Versuche, bei genauerer Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 451 Discussion ihrer Resultate, führen: dass verschiedene Struc- turen stets das nämliche mikroskopische Bild liefern, sobald die Verschiedenheit des an sie geknüpften Beu- gungseffectes für das Mikroskop künstlich beseitigt wird; und dass gleiche Structuren stets verschiedene Bilder liefern, wenn der Beugungseffect, in dem für das Mikros- kop wirksam werdenden Theil, künstlich ungleich wird. Damit ist aber gesagt, dass die unter Mitwirkung des Beugungsvorgangs entstandenen Structurbilder in kei- nem constanten Zusammenhang mit der wirklichen Be- schaffenheit der sie veranlassenden Objecte, vielmehr blos in constantem Zusammenhang mit dem die Abbil- dung vermittelnden Diffractionsphänomen stehen. Es ist hier nicht der Ort, auf die physikalische Erklärung dieser Erscheinungen näher einzugehen. Doch sei angeführt, dass die hier aus den unmittelbar beobachteten Thatsachen gezogenen Schlüsse in der Undulationstheorie des Lichtes ihre vollständige Rechtferti- gung finden. Nicht nur lässt sich nach deren Grundsätzen davon Rechenschaft geben, warum mikroskopisches Structurdetail nicht nach dioptrischen Regeln abgebildet wird, sondern es lässt sich auch genau nachweisen, wie die anderweitige Art von Abbildung, welche die Beugungsbüschel hervorrufen, zu Stande kommt. Man kann zeigen, dass die in der obern Focalebene des Objectivs auftretenden Bilder der lichtgebenden Fläche — das directe Bild und die durch Beugung entstandenen Nebenbilder — in correspondirenden Stellen je gleiche Schwingungsphasen repräsentiren müssen, wenn man jede einzelne Farbe für sich betrachtet. Diese Oeffnungsbilder verhalten sich demnach ganz ebenso, wie z. B. die beiden Spiegelbilder einer Lichtflamme beim Fresnel’schen Interferenzversuch; das Zusammen- treffen der von ihnen ausgehenden Strahlen muss in Folge der ein- tretenden Interferenzen einen periodischen Wechsel von Licht und Dunkelheit herbeiführen, dessen Form- und Maassverhältnisse von der Zahl, der Anordnung und dem gegenseitigen Abstand der inter- ferirenden Lichtflächen abhängen. Die im Gesichtsfeld des Mikroskops erscheinende Structurzeichnung ist in allen ihren Merkmalen, sowohl in denjenigen, die der Beschaf- fenheit des Objects möglicher Weise conform, wie auch in denjenigen, die ihr nicht conform sind, nichts Anderes als das Resultat des Interferenzvorgangs beim 452 Dr. E. Abbe: Zusammentreffen der sämmtlichen wirksamen Strahlenbüschel. Der unter (4) erwähnte Satz über den Zusammenhang zwischen den linearen Abständen im Oeffnungsbild und den Richtungsdiffe- renzen der eintretenden Strahlen, in Verbindung mit der in (6) ge- lehrten schematischen Zerlegung des Mikroskops, gewährt die aus- reichende Grundlage zur vollständigen Durchführung dieser Folgerung. Es lässt sich daraus ableiten, dass bei einem achromatischen Ob- jeetive die Interferenzbilder für alle Farben coincidiren, also — zum Unterschied von allen sonst bekannten Interferenzphänomenen — eine achromatische Gesammtwirkung ergeben müssen; ferner, dass die Maassverhältnisse der so erzeugten Bilder von denen der wirk- lichen Structur stets so abhängen, wie die lineare Vergrösserung des Mikroskops für dioptrische Bilder es mit sich bringen würde, und zwar bei jeder Einrichtung des optischen Systems und (von mög- lichen Verschiedenheiten des Beugungseffectes abgesehen) bei jeder Art der Beleuchtung; u. A. m. Nicht nur finden daraufhin alle Thatsachen der Beobachtung, wie sie unter (16) angeführt sind, ihre genügende Erklärung; es lässt sich auch das Structurbild, welches irgend ein beliebiges Object bei einer bestimm- ten Beleuchtung zeigen wird, in allen Einzelheiten vor- : ausberechnen, wenn man nur das zur Wirkung kommende Beugungsphänomen nach Zahl, Anordnung und Licht- stärke der sämmtlichen Beugungsspectra gegeben erhält. #8. Das Endresultat dieser Betrachtung stellt sich demnach dahin: Alle diejenigen Erscheinungen im mikroskopischen Bild, welche nicht schon mit dem blossen Absorptionsbilde gegeben sind, sondern der Mitwirkung der durch Beugung entstandenen Strahlengruppen bedürfen, d. h. alle Anzeigen von Structurdetail, liefern: im Allge- meinen Keine der wirklichen Beschaffenheit der Objecte conforme, d. h. geometrisch ähnliche, Abbildung. Wie constant, markirt und scheinbar körperlich derartige Anzeigen (Streifensysteme, Felderzeichnungen u. dergl.) im Mikroskop auch auftreten mögen, so dürfen sie doch nicht morphologisch, d. h. als Bilder körper- licher Formen, sondern nur physikalisch, d. h. als Merkmale — nicht als Abbilder — gewisser materieller Verschiedenheiten in oder an den betreffenden Theilen gedeutet werden; und zwar kann aus dem mikroskopischen Befund mit Sicherheit auf Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 453 Nichts weiter geschlossen werden, als auf das Vorhan- densein solcher Structurbedingungen, als zur Erzeugung des die Abbildung vermittelnden Beugungsphänomens nothwendig und hinreichend sind. Je kleiner die linearen Maasse einer Structur werden, eine desto geringere Anzahl von Beugungsbüscheln kann auch beim grössten Oeffnungswinkel effectiv werden; desto weniger kann die Intensitäts- abstufung in der Reihe dieser Büschel solche Verschiedenheiten, die innerhalb derselben Maassverhältnisse noch möglich sind, zum Aus- druck bringen; desto weniger bestimmt wird Dasjenige, was von der wirklichen Structur aus dem Bilde (oder auch aus dem sichtbaren Beugungsphänomen) rückwärts erschlossen werden kann. Von diesem Standpunkte aus erscheinen u. A. alle Versuche, den Bau der feineren Diatomeenschalen durch morphologische Deu- tung ihrer mikroskopischen Bilder festzustellen, als auf unzulässige Prämissen gegründet. Ob z. B. Pleur. angulatum zwei oder drei Streifensysteme besitze; ob überhaupt wirkliche Streifung volliege, oder ob die sichtbaren Zeichnungen von isolirten Erhöhungen, oder von isolirten Vertiefungen herrühren u. dergl., darüber kann kein noch so vollkommenes Mikroskop und keine noch so hohe Vergrös- serung Aufschluss geben. Was sich behaupten lässt ist allein das Dasein der optisch nothwendigen Bedingungen für den die Abbil- dung begleitenden Beugungseffect. Soweit dieser aber irgend einem Mikroskop jemals zugänglich sein kann — sechs symmetrisch lie- gende Spectra, bei normalem Lichteinfall um ca. 65° (für Blau) gegen die Richtung der ungebeugten Strahlen abgelenkt — kann er von jeder beliebigen Structur herrühren, welche optisch hete- rogene Elemente (im Innern oder an der Oberfläche) in irgend einer Art nach einem System gleichseitiger Dreiecke von 0,484 Höhe geordnet enthält. Was diese Elemente sein mögen, geformte Theile oder rein moleculare Texturdifferenzen (Verdichtungscentra), immer werden sie die bekannten sichtbaren Zeichnungen ergeben. Es fällt jeder Grund fort, die fraglichen Structurelemente als gestaltet (als Erhöhungen oder Vertiefungen) vorauszusetzen, nach dem erwiesen ist, dass weder das Sichtbarwerden der betreffenden Zeichnung über- haupt noch ihr stärkeres Hervortreten bei schiefer Beleuchtung mit Schatteneffecten irgend etwas zu thun hat!). Die Vertheilung von 1) Die Veränderungen, welche das Bild von Pl. ang. beim Heben und 454 Dr. E. Abbe: Hell und Dunkel auf der Fläche der Schale in Form eines Systems von sechseckigen Feldern erscheint als das mathematisch nothwen- dige Resultat der Interferenz zwischen den sieben isolirten Licht- büscheln, welche die Beugung erzeugt, was deren physischer Grund im Object auch sein mag; die Lage der Sechsecke — zwei Seiten parallel der Mittelrippe — hat ihren zureichenden Grund in der sichtbaren Orientirung der Beugungsspectra gegen die Axe der Schale und kann daraus durch Rechnung abgeleitet werden, ohne dass man über den wirklichen Bau des Objects irgend etwas zu wissen braucht. Dass auch für eine grosse Zahl rein organischer Gebilde auf dem Arbeitsfeld der Histologen im Wesentlichen die nämliche Sach- lage besteht, kann das Beispiel der gestreiften Muskelfaser lehren. An guten Präparaten derselben lassen sich die Beugungserschei- nungen ziemlich leicht beobachten und ihre Wirkungen im mikro- skopischen Bild auf dem früher beschriebenen Wege experimentell studiren. Die mannigfachen Veränderungen in den Charakteren des Bildes, die sich dabei ergeben, erläutern einigermaassen den be- kannten Zwiespalt zwischen den Befunden verschiedener Beobachter in Bezug auf diese Gebilde, bekunden aber auch die Unmöglichkeit, über ihre wirkliche körperliche Zusammensetzung im Sinne der bis- herigen Bemühungen irgend etwas Haltbares auszumachen. Was hier bezüglich der Grundlagen mikroskopischer Wahrneh- mung geltend gemacht worden ist, trifft übrigens nicht allein die morphologischen Verhältnisse der Objecte, sondern .ebenso sehr die sonstigen Eigenschaften, welche aus der mikroskopischen Beobach- tung erschlossen werden sollen. Dass Unterschiede der Durchsichtig- keit und Färbungen, die man im Bilde wahrnimmt, nicht pothwendig Merkmale der Objecte zu sein brauchen, sondern oft aus der gänz- lichen oder partiellen Abblendung von Beugungsbüscheln entspringen können, wird durch bekannte Erscheinungen an den Diatomeen hin- länglich illustrirt. Wichtig aber scheint es, darauf hinzuweisen, dass Senken des Tubus erfährt, können über das Vorhandensein von Erhöhungen schon desshalb nichts beweisen, weil sie bei gekreuzten Diamanttheilungen ganz in gleicher Weise auftreten. Ausserdem lässt die Beobachtung einer scharf begrenzten Lichtquelle durch eine Pl. Schale hindurch — nach der wiederholt erwähnten Methode — an den sie passirenden Lichtstrahlen keiner- lei Ablenkung durch Brechung erkennen; die Schale verhält sich in dieser Hinsicht genau wie eine parallelflächige Glasplatte. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 455 auch Polarisationsmerkmale an den Bildern von Objeeten mit mikro- skopischer Structur in mehrfacher Hinsicht anders beurtheilt werden müssen wie solche an reinen Absorptionsbildern. Von ihnen ohne Weiteres auf doppeltbrechende Substanzen, im gewöhnlichen Sinne, zu schliessen, ist mindestens sehr misslich. Denn es bleibt die Mög- lichkeit offen, dass dieselben Texturbedingungen, welche die Beu- gung bewirken, unter Umständen auch gleichzeitig Polarisations- effecte hervorrufen, die, als eine blosse Function des Beugungs- phänomens, gar nicht wie bei Krystallen, Stärkekörnern u. dergl. vom Durchtritt der Lichtstrahlen an sich abhängen. Dass Derartiges in der That vorkommt, wird mir durch einige Wahrnehmungen an Pleur. ang. und anderen Diatomeenskeletten wahrscheinlich gemacht. Wenigstens zeigen die Beugungsbüschel bei mehreren Objecten dieser Art, mit polarisirtem Licht beobachtet, Modificationen, welche schwer auf andere Weise zu erklären sein dürften. — Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls bleibt es unzulässig, bei einem Object wie die gestreifte Muskelfaser z. B., dessen Detail nicht dioptrisch abge- bildet ist, aus den Veränderungen des Beugungsbildes im polari- sirten Licht nach den gewöhnlichen Kriterien auf nebeneinander- liegende einfach- und doppeltbrechende Schichten zu schliessen. Denn. wenn eine gleichmässig doppeltbrechende Substanz mit irgend einer zur Erzeugung des bestehenden Beugungseffectes ausreichen- den Differenzirung vorläge, so würde die aus der Interferenz der polarisirten Beugungsbüschel entspringende Streifung ganz eben- solche Modificationen zeigen müssen, wie die Muskelfaser im polari- sirten Licht erkennen lässt. 29. In Anschluss an die vorstehenden, für den wissenschaft- lichen Gebrauch des Mikroskops wichtigen Schlussfolgerungen er- geben sich ferner ganz bestimmte Grenzen für das Unterscheidungs- vermögen sowohl jedes einzelnen Objectivs, wie auch des Mikro- skops überhaupt. Durch kein Mikroskop können Theile getrennt (oder die Merkmale einer real vorhandenen Structur wahrge- nommen) werden, wenn dieselben einander so nahe stehen, dass auch der erste durch Beugung erzeugte Lichtbü- schel nicht mehr gleichzeitig mit dem ungebeugten Licht- kegel in das Objectiv eintreten kann. Daraus entspringt für jede Grösse des Oeffnungswinkels eine bestimmte kleinste Distanz des Unterscheidbaren, deren numerische Angabe nur desshalb un- 456 Dr. E. Abbe: sicher bleibt, weil sie, der ungleichen Wellenlänge wegen, für Licht der verschiedenen Farben ungleich ist, das relative Gewicht der einzelnen Farben aber bei der Beobachtung sehr wechselt. Irgend eine bestimmte Farbe zu Grunde gelegt, ergiebt sich der betreffende Minimalwerth für rein centrale Beleuchtung durch Division der Wellenlänge mit dem Sinus des halben Oeffnungswinkels, für den höchsten zulässigen Grad schiefer Beleuchtung aber bei jedem Oefinungswinkel genau halb so gross — sonst gleiche Umstände vorausgesetzt. — Da nun auch beim Immersionssystem der Oeff- nungswinkel durch kein Mittel erheblich über diejenige Grösse, die 180° in Luft entsprechen würde, hinausgeführt werden kann, so folgt, dass, wie auch das Mikroskop in Bezug auf die förderliche Vergrösserung noch weiter vervollkommnet werden möchte, die Unterscheidungsgrenze für centrale Beleuchtung doch niemals über den Betrag der ganzen, und für äusserste schiefe Beleuchtung niemals über den der halben Wellenlänge des blauen Lichts um ein Nen- nenswerthes hinausgehen wird. Letztere Grenze ist — für das directe Sehen — bei den feinsten bekannten Diatomeenstreifungen und bei den letzten Liniengruppen der Nobert’schen Platte thatsächlich schon erreicht. Nur bei photo- graphischer Aufnahme der mikroskopischen Bilder kann die Unter- scheidung noch merklich weiter reichen. Denn wegen der bedeutend kürzeren Wellenlänge der chemisch wirksamen Strahlen werden bei jedem Objectiv die Bedingungen für die photographische Abbildung sehr viel günstiger; nämlich so, wie sie für das direcete Sehen eine im Verhältniss von 3:2 gröbere Structur stellen würde!). IV. Das optische Vermögen des Mikroskops. 20. Die vorstehenden Erörterungen gewähren die Grundlage für eine sichere Feststellung der Functionen, welche das optische Vermögen des Mikroskops ausmachen und damit zugleich für eine rationelle Formulirung der Ansprüche, welche an die optische Ein- richtung desselben zu stellen sind. 1) Hieraus ist — von andern Gründen ganz abgesehen — zu entnehmen, dass die Leistung eines Objeetivs bei photographischen Aufnahmen keinen Maasstab für seine Leistung im gewöhnlichen Gebrauch abgeben kann. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 457 Die seit lange in der mikrographischen Literatur eingebürgerte Unterscheidung eines Definitions- und eines Auflösungsvermögens gewinnt durch die gegebenen Nachweise eine sehr viel grössere Tragweite, als ihr den bisher bekannten 'Thatsachen gegenüber füg- lich hat beigelegt werden können. Diesen Nachweisen zufolge ist — von zwei nahe liegenden Ausnahmefällen abgesehen — das mi- kroskopische Bild im Allgemeinen eine Superposition zweier Bilder von ganz verschiedenem Ursprung und ganz verschiedener Natur, die sich auch thatsächlich von einander trennen lassen — wie die im vorigen Abschnitt beschriebenen Experimente zeigen. Das eine ist ein negatives Bild, in welchem sich die Theile des Objects ver- möge des ungleichen Lichtausfalls, den ihre Masse an den hindurch- tretenden Strahlen bewirkt, geometrisch ähnlich abbilden. Man kann es kurz das Absorptionsbild nennen, weil partielle Absorption die hauptsächlichste Ursache des Lichtausfalls darstellt. Es ist der Träger des Definitionsvermögens, dessen Höhe, nach den Bedingun- gen dieser Art Abbildung, allein durch die grössere oder geringere Vollkommenheit bestimmt ist, mit welcher der direct einfallende Lichtkegel zu homofocaler Vereinigung gebracht wird. Demnach ist es immer, dieser directe Lichtkegel, wie er durch Lage und Aus- dehnung der lichtgebenden Fläche gegeben ist, welcher definirt, gleichgiltig in welcher Richtung er in das Objectiv gelangt, d. h. gleichgiltig, ob ein centraler oder ein peripherischer Theil der freien Oeffnung ihn aufnimmt. Unabhängig aber von diesem Absorptions- bilde werden solche Theile des Objects, welche innere Structur ent- halten, nochmals wiedergegeben, und zwar in einem positiven Bilde, weil dieselben in Folge des eintretenden Beugungsphänomens quasi selbstleuchend werden. Dieses zweite Bild, welches man das Beu- gungsbild nennen kann, besteht zwar selbst streng genommen aus so viel partiellen Bildern, als aus dem einfallenden Strahlenkegel isolirte Lichtbüschel abgesondert werden und in das Objectiv ein- treten, indem, den angeführten Experimenten zufolge, jeder einzelne von diesen schon ein positives Bild erzeugt; weil aber diese partiellen Bilder, einzeln genommen, inhaltleer sind, das sichtbare Detail erst durch die Verschmelzung mehrerer erzeugt wird, kommt praktisch nur der Gesammteffect aller als selbständiger Factor in Betracht. — Dieses resultirende Beugungsbild erscheint nun offenbar als der Träger des Auflösungs- oder Unterscheidungsvermögens des Mikro- skops. Seine Entwickelung hängt demnach zunächst und in erster 458 Dr. E. Abbe: Reihe vom Oeffnungswinkel ab, insofern dieser allein — nach oben angegebenen Normen — die Grenze seiner möglichen Leistung be- stimmt; seiner thatsächlichen Höhe nach aber hängt es zugleich ab von der Vollkommenheit, in welcher die partiellen, den einzelnen Beugungsbüscheln entsprechenden Bilder zur Verschmelzung ge- langen; (denn letztere erst ruft das Detail hervor, welches die Merk- male oder Anzeigen bestimmter Structurthatsachen liefert. Da nun aber die einzelnen Strahlenbüschei, deren confocale Vereinigung hiernach gefordert wird, verschiedene und je nach der Structur des Objects und der Beleuchtungsart immer wechselnde Theile der freien Oefinung in Anspruch nehmen — wie man nach der mehrfach be- nutzten Beobachtungsweise, meist schon durch einen Blick in den offenen Tubus des Mikroskops, constatiren kann — so ist eine in allen Fällen gleich vollkommene Verschmelzung der verschiedenen Elemente des Beugungsbildes unter sich und nächstdem eine correcte Superposition desselben auf das neben ihm erzeugte Absorptionsbild offenbar nur dann möglich, wenn das Objectiv für den gan- zen Umfang seiner freien Oefifnung gleichmässig frei von sphärischer Aberration ist. 21. Nach den bisher geltenden Vorstellungen über den Vor- gang der Abbildung im Mikroskop durfte man annehmen, dass Aberrationsreste in den Objecetiven nur die Schärfe der Abbildung beeinträchtigen würden, und dass solche demnach als nicht vor- handen oder doch als praktisch irrelevant anzusehen seien, soweit kein sichtbarer Mangel jener Art vorhanden ist. Die hier nachgewiesenen Umstände, zusammengehalten mit Dem- jenigen, was unter (7) über die typische Form der sphärischen Aberration bei grossem Oefinungswinkel gesagt ist, stellen deren Bedeutung in ein wesentlich anderes Licht. Die einzelnen Elemente des mikroskopischen Bildes, sowohl das Absorptionsbild wie die ver- schiedenen Bestandtheile des Beugungsbildes, werden durchweg durch isolirte Lichtkegel von relativ geringem Divergenzwinkel — fast nie über 30—40° — erzeugt. Auch bei einem ansehnlichen Rest sphä- rischer Aberration können die Spitzen solcher isolirter Büschel, jedes für sich betrachtet, scharf genug sein, um keinen merklichen Zer- streuungskreis übrig zu lassen. Da aber bei grossem Oefinungs- winkel diese einzelnen Büschel die verschiedensten Theile der freien Oeffnung gleichzeitig in Thätigkeit setzen, so können im vorausge- setzten Falle ihre Spitzen nicht in einem Punkte zusammentreffen, Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 459 sondern müssen hinter und nebeneinander auftreten. Die Bestand- theile des Gesammtbildes kommen daher nicht zu correcter Ver- schmelzung, sondern werden vielmehr longitudinal und lateral gegen- einander verschoben. Die ein und derselben Stelle und ein und demselben Niveau des Objects zugehörigen Structurmerkmale, wie z. B. verschiedene Streifensysteme, erscheinen daher sowohl von einander getrennt, wie auch getrennt von den Contouren der Ob- jecttheile, zu denen sie gehören. — In Folge der Einseitigkeit, mit welcher in neuerer Zeit die Vervollkommnung des Mikroskops auf die Vergrösserung des Oeffnungswinkels gerichtet gewesen ist, sind die Bedingungen für derartige Abnormitäten, zumal für trügerische Ni- veaudifferenzen, bei neueren starken Öbjectiven zum Theil in der ausgiebigsten Weise vorhanden — wie zahlreiche Erfahrungen mich belehrt haben; und ich bin sicher, nicht fehlzugreifen, wenn ich die Meinung ausspreche, dass die Üonsequenzen dieser Sachlage in vielen Streitfragen der Mikrokospiker über verwickelte Structurverhältnisse eine unerwartet grosse Rolle spielen. Da Jeder als die oberste Anforderung, welche die Rücksicht auf den wissenschaftlichen Gebrauch an das Mikroskop stellt, die anerkennen wird, dass Zusammengehöriges im Object auch im Bild als Zusammengehöriges dargestellt werde, und zwar bei jeder Struc- tur und bei jeder Art der Beleuchtung, so folgt, dass die gleich- mässige Correction der sphärischen Abweichung für den ganzen Umfang der freien Oefinung die entscheidende Richtschnur bei der Construction der Mikroskope sein muss. Nun zeigt sich, wie unter (7) angeführt, dass beim Trockensystem eine gehörige Ausgleichung der sphär. Aberration über einen Oeffnungswinkel von 110° hinaus thatsächlich unmöglich wird; man gelangt daher zu dem Schlusse, dass ein Trockenobjectiv für den normalen wissenschaftlichen Ge- brauch um so weniger geeignet sein kann, je feinere Streifensysteime, über die jenem Oeffnungswinkel entsprechende Unterscheidungsgrenze hinaus — ca. 0,35u für schiefes Licht — es noch sichtbar macht. — Die möglichste Steigerung des Auflösungsvermögens kann ra- tioneller Weise nur beim Immersionsobjective als Ziel gesteckt wer- den, da allein die Immersion die Möglichkeit gewährt , ohne mit jener obersten Anforderung in Widerspruch zu kommen, den Oeff- nungswinkel beliebig (d. h. bis an die Grenze des technisch Aus- führbaren) zu vergrössern !). 1) Die in dem neuen Catalog von C. Zeiss in Jena aufgeführten Mi- 460 Dr. E. Abbe: 22. In Anschluss an diese Darlegung ergeben sich unmittel- bar einige Winke in Bezug auf die sachgemässe Prüfung fertiger Mikroskope. Nach den früher bekannten Thatsachen durfte es als berech- tigt erscheinen, den Werth eines Objectivs nach der Kleinheit des letzten Details, welches mit demselben wahrnehmbar ist, zu be- messen und daraufhin die Auflösung schwieriger Probeobjecte der bekannten Art vorzugsweise als Merkmale der Leistungsfähigkeit zu betrachten. Denn wenn auch immer zuzugeben war, dass die besondere Art des Details in diesen Testobjecten und die dabei meist benutzte Beleuchtungsweise nicht zu den gewöhnlichen Vor- kommnissen gehören, so schien es doch wenigstens nicht zweifel- haft, dass der Erfolg unter diesen besondern Umständen von den nämlichen Eigenschaften der Construction, wie die Leistung im nor- malen Gebrauch, getragen sein werde. Dies muss nun aber auf Grund der vorstehenden Ausführungen direct abgelehnt werden. Eine Prüfung nämlich, welche auf Ermittelung der äussersten Grenze des Unterscheidungsvermögens, sei er an der Nobert’schen Testplatte, sei es an Diatomeen oder derg]. ausgeht, führt kraft der physikalischen Bedingungen für diesen Zweck einen ganz excep- tionellen Strahlengang im Mikroskop herbei, wie er bei keiner anderen Art von Beobachtungen jemals wiederkehrt. Denn ein Detail liegt nur dann der Unterscheidungsgrenze nahe, wenn es so fein ist und eine so starke Zerlegung des Lichts durch Beugung bewirkt, dass auch unter den günstigsten Umständen nur der erste abgelenkte kroskopsysteme sind sämmtlich nach den hier bezeichneten Grundsätzen be- rechnet und ausgeführt. Die Trockenobjective haben auch in den stärksten Nummern nur 105— 110° Oeffnungswinkel und können demnach nicht den Anspruch machen, in der Auflösung von Diatomeen u. dergl. mit allen andern concurriren zu wollen. Bei den Immersionsobjectiven ist das Maass der freien Oeffnung auf ca. 100° in Wasser, d. h. etwas mehr, als 180° in Luft ent- sprechen würde, gestellt worden, weil sich dieses noch ohne ernstliche Nachtheile erreichen lässt. Ich für meine Person bin zwar überzeugt, dass auch das Immersionssystem für die normalen Bedürfnisse des wissenschaft- lichen Studiums nicht das Geringste an Werth verlieren, in manchen neben- sächlichen Punkten aber erheblich gewinnen würde, wenn man die Construc- tion auf einen geringeren Oeffnungswinkel einrichten wollte; im Hinblick aber auf den allgemein verbreiteten Maasstab der Werthschätzung kann man einem praktischen Optiker nicht zumuthen, sich um Leistungen zu bemühen, welche ziemlich sicher wären, in den zweiten Rang gestellt zu werden. Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 461 Lichtbüschel noch eben gleichzeitig mit dem direceten Strahlenkegel in das Objectiv eintreten kann. Dann ist aber, wenn esim Bilde sichtbar wird, eo ipso nur die äusserste Randzone des Objectivs bei der Ab- bildung thätig: der möglichst schief einfallende Strahlenkegel, den der Spiegel z. B. liefert, streift den Rand der freien Oeffnung auf der einen Seite und der einzige zur Wirkung gelangende Beugungs- büschel streift ihn an der gegenüberliegenden Seite — wie man durch Beobachtung der Spuren beider in der obern Focalebene des Öbjectivs direct constatiren kann. Theorie und Erfahrung lehren aber, dass jedes nicht total verfehlte Objectiv, wie unvollkommen es auch im Punkte der sphärischen Aberration sein mag, wenn seine Linsen nur leidlich centrirt sind, immer für eine einzelne Zone, etwa für den äussersten Rand, aberrationsfrei erhalten werden kann ; dauernd — wenn es bei der Verfertigung auf ein derartiges Test- object ausprobirt wurde, und während des Gebrauchs — wenn es eine sogen. ÜCorrectionsfassung besitzt; welche Vorrichtung denn in der That auch, nach meinen Erfahrungen, sehr viel öfter zu diesem als zu ihrem ostensibeln Zweck dienen muss. Der Nachweis, dass ein Linsensystem eine sehr feine Streifung auf einem Diatomeenskelett oder auf der Nobert’schen Platte auf- lösen kann, besagt also genau genommen nichts weiter, als dass sein Oeffnungswinkel dem berechenbaren Beugungswinkel der be- treffenden Liniendistanz entspricht und dass es nicht so schlecht construirt ist, als dass eine ausreichende Correetion der Randzone unmöglich wäre. Welche Bedingungen für die correcte Verschmel- zung der partiellen Bilder ein solches Objeetiv in dem sehr viel ungünstigeren Falle der gewöhnlichen Beobachtung, wo fast immer ganz verschiedene Zonen der freien Oeffnung gleichzeitig thätig sind, darbieten werde, dafür giebt eine Prüfung dieser Art gar keinen An- halt. Das Resultat derselben kann also nicht einmal den Anspruch machen, auch nur das Unterscheidungsvermögen nach seinen all- gemeingiltigen Momenten zu characterisiren; es giebt allein die Unterscheidungsgrenze und constatirt damit ein Factum, das zwar an sich einen Werth haben mag, wegen der singulären Umstände aber mit der Höhe der Leistung im Allgemeinen keinen Zusammen- hang hat. Nicht viel höher kann die Prüfung des Auflösungsvermögens für gerades Licht angeschlagen werden. In der Nähe der dieser Beleuchtungsform entsprechenden Unterscheidungsgrenze passirt das Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 30 462 Dr. E. Abbe: direete Licht den centralen und alles abgebeugte Licht den peri- pherischen Theil der freien Oeffinung. Abgesehen davon, dass mit Hilfe einer Correctionsfassung ein etwaiger Aberrationsrest immer in die unthätig bleibende mittlere Zone des Objectivs geschoben werden kann, hängt auch in diesem Falle das Factum der Auf- lösung wesentlich nur von der Wirkung der Randzone ab, weil als- dann stets mehrere — mindestens zwei einander gegenüberliegende — Beugungsbüschel in der Randzone liegen und diese auch bei mangelhaftem Zusammenwirken mit den ungebeugten Strahlen das Detail hervorrufen. 23. Vom Gesichtspunkte der hier aufgestellten Theorie ergiebt sich hingegen eine andere Methode, welche unter Benutzung der gewöhnlichen Testobjecte unmittelbar die für den normalen Ge- brauch des Mikroskops maasgebenden Momente ans Licht zu brin- gen erlaubt. Wenn es darauf ankommt, die Bedingungen für das correcte Zusammenwirken von Strahlenbüscheln, welche die verschie- densten Theile der freien Oefinung passiren, auf eine recht empfind- liche Probe zu stellen, so gibt es in der That keine bessern Hilfs- mittel, als die Natur in manchen Diatomeenskeietten und in einigen Schmetterlingsschuppen darbietet; nur dass allerdings nicht die Thatsache der erfolgenden Auflösung an sich, sondern die nähere Beschaffenheit des entstehenden Gesammtbildes in Betracht ge- zogen werden muss. Wählt man nämlich ein Probeobject von sol- cher Feinheit des Details aus, dass ein zu prüfendes Objectiv dasselbe schon bei rein centraler Beleuchtung eben sichtbar macht, dass also bei schiefer Beleuchtung nicht die geringste Schwierigkeit bleibt, so kann damit ohne alle weiteren Hilfsmittel der empfindliche Strahlengang im Mikroskop herbeigeführt werden, dessen Herstel- lung die unter (10) erwähnte Prüfungsmethode durch Beleuchtung des künstlichen Probeobjects mit zwei getrennten Lichtbüscheln be- wirkt. Die Ablenkung der ersten Beugungsbüschel gewinnt in diesem Falle ein solches Verhältniss zum Oeffnungswinkel des Objeetivs, dass — wie die Theorie und die direecte Beobachtung der Licht- spuren zeigt — bei zwei bestimmten Spiegelstellungen Theile aller Zonen der freien Oeffnung, jede durch einzelne Streifen vertreten, wirksam werden, und zwar unter Umständen, welche das Her- vortreten der Correctionsmängel besonders begünstigen. Die eine erhält man, wenn man den Spiegel senkrecht zu einem Streifen- system der angenommenen Art so weit aus der Axe bewegt, dass Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 463 beiläufig der eine Rand in diese trifft. Alsdann erscheint die Spur des direct eintretenden Lichtkegels im Oefinungsbild über dem Ob- jeetiv excentrisch dicht an der Mitte der freien’ Oefinung, die Spur eines Beugungsbüschels aber auf der gegenüberliegenden Seite in der Randzone. Die zweite Stellung ist die der möglichst schiefen Beleuchtung, die das Objectiv ohne merkliche Verdunkelung des Sehfeldes erlaubt; wenn diese herbeigeführt wird, vertauschen die beiden Spuren einfach ihre vorher betrachteten Stellungen. In bei- den Fällen hat man, wenn nur ein Streifensystem vorliegt, zur Abbildung zwei isolirte Lichtbüschel wirksam, welche einen Theil der centralen und einen Theil der peripherischen Zone der freien Oeffnung, beide auf entgegengesetzten Seiten von der Axe, gleich- zeitig in Thätigkeit bringen. Enthält das Präparat mehrere gleich- artige Streifungen, so treten zwar noch andere Beugungsbüschel theilweise in das Objectiv ein; doch wird hierdurch an den vorher betrachteten Verhältnissen nichts Wesentliches geändert. Es kann natürlich nicht der Zweck einer solchen Probe sein, die Abbildungsfehler eines Objeetivs im Einzelnen nachzuweisen, so wie die unter (10) erwähnte Methode es erlaubt; es soll sich dabei vielmehr darum handeln, an einem die normalen Bedingungen des mikroskopischen Sehens repräsentirenden Beispiel die thatsäch- liche Leistungsfähigkeit eines Systems im Ganzen zu erproben. Der praktisch wichtigste Factor derselben ergiebt sich nun sofort, wenn man auf die Verschmelzung der partiellen Bilder, die ein und dem- selben Theile des Präparats angehören, achtet. Man hat das Üon- tourenbild des Objects, wie es der directe Lichtkegel liefert und zu- gleich ein Structurbild, welches aus der Interferenz der Beugungs- büschel entspringt. Bei einem correcten Objectiv soll nicht nur jedes für sich vollkommen scharf hervortreten, sondern es sollen zugleich beide ohne Niveaudifferenz und ohne seitliche Verschiebung zusam- menfallen, d. h. bei ein und derselben Einstellung deutlich sichtbar sein, wenn im Object Structur und Begrenzung ein und demselben Niveau angehören. Genügt ein Linsensystem dieser, mit ein paar Drehungen der Einstellungsschraube auszuführenden Probe wenig- stens in der Mitte des Gesichtsfeldes? so kann man sicher sein, dass es von jedem beliebigen Object und bei jeder Art von Beleuch- tung stets richtige Bilder liefern wird. Bemerkt man dagegen, dass, wenn auf die Uontouren eingestellt ist, das Detail über oder unter dem Object zu schweben oder seitlich über die Contour hin- 464 Dr. E. Abhe: wegzufliessen scheint, so bekundet ein solcher Befund eine Construc- tion, die keine Garantie dafür gewährt, an beliebigen Präparaten die zusammengehörigen Merkmale auch als zusammengehörig kennt- lich gemacht zu sehen, wie hoch auch das Auflösungsvermögen des Systems bei der gewöhnlichen Prüfungsmethode sich, stellen möge. — Uebrigens kann das Urtheil noch weitere Anhaltepunkte ge- winnen, wenn man sich nicht ausschliesslich auf die beiden vorher namhaft gemachten Beleuchtungsformen beschränkt, sondern auch andere Spiegelstellungen auf ihre Effecte prüft, dabei aber immer auf die charakteristischen Merkmale für die Verschmelzung der partiellen Bilder achtet. — Dass man bei all diesen Versuchen den wirksamen Strahlengang durch directe Beobachtung des Oeffnungs- bildes zu controliren hat, bedarf kaum einer ausdrücklichen Er- wähnung. \ Bei jedem Objectiv von grossem Oeffnungswinkel wird man Ab- weichungen der angedeuteten Art nach dem Rande des Sehfeldes hin wahrnehmen, wenn nicht etwa der Gesichtswinkel des Oculars unge- wöhnlich klein ist. Sie entspringen meist nicht aus Aberrationen, son- dern aus Differenzen der Vergrösserung, die bei der besten Construction unvermeidlich sind. Der Grad ihres Hervortretens bemisst die Voll- kommenheit der Abbildung ausser der Axe. Was ausserdem zur Vervollständigung des Urtheils über die Güte eines Linsensystems gehört, giebt ein Blick auf die Farben- säume, welche die Contouren eines Probeobjects in der Mitte und am Rande des Sehfeldes zeigen. Dabei ist zu beachten, dass Ab- weichungen dieser Art, weil sie vorwiegend am Contourenbild haften, beim gewöhnlichen Gebrauch des Mikroskops, der fast immer auf gerade Beleuchtung angewiesen ist, nur in dem Maasse eine praktische Bedeutung haben, als sie bei centraler Spiegelstellung her- vortreten. Was nun die Probeobjecte anlangt, welche sich zum Gebrauch in der angegebenen Richtung eignen, so müssen sie namentlich zweien Anforderungen genügen. Erstens müssen sie so dünn und eben sein, dass man Grenzen und Structurdetail als in dem näm- lichen Niveau liegend ansehen kann; zweitens müssen die abge- beugten Strahlen eine grosse Intensität haben, damit der von ihnen herrührende Effect neben dem des direeten Lichtkegels gehörig zur Geltung kommen kann. Der letztern Rücksicht wegen eignen sich also nur trocken liegende Objecte mit kräftiger, gut markirter Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 465 Zeichnung, welche — wie man im Oeffnungsbild beobachten kann — stets sehr lichtstarke Beugungsphänomene geben, weil eben nur die Interferenz intensiver Strahlen starke Contraste von Hell und Dunkel im mikroskopischen Bild hervorrufen kann. Für die schwächeren und mittleren Objective hat man in den Insecetenschuppen und den gröberen Diatomeen, welche die mikro- graphischen Handbücher aufführen, eine hinreichende Zahl passender Objecete zur Verfügung; für die starken Objective dagegen wird die Auswahl sehr beschränkt durch die Rücksicht auf die erstgenannte An- forderung'). Dem Oeffinungswinkel der Immersionssysteme entspricht, der Feinheit des Details nach, Pleur. ang. durchschnittlich am besten; es ist auch in der That noch für die schärfsten Nummern sehr gut brauchbar, wenn man von recht zarten Exemplaren Bruchstücke mit scharfen Bruchrändern verwendet und das Augenmerk nur auf die Beschaffenheit des Bildes dicht an einer solchen Randstelle richtet; die natürlichen Ränder bieten ebensowenig wie die Linien der Mittelrippe Garantie für Gleichheit des Niveaus. Zur Prüfung der stärkeren Trockensysteme können die gröberen Exemplare des- selben Objects, gleichfalls in Bruchstücken, noch benutzt werden, wiewohl die Zeichnung für einen Oeffnungswinkel von 100 Grad schon etwas zu fein ist. Ausserdem kann man zerbrochene Exemplare der feineren Schuppen von Hipparchia Jan., deren Querstreifen für 80—90° Oefinungswinkel passen, auch für höhere Beträge desselben ohne Nachtheil verwenden. Meiner Erfahrung zufolge führt eine Untersuchung in dieser Art nach einiger Uebung zu einem sehr sichern Urtheil über die Vollkommenheit eines Linsensystems; wenigstens wird die Höhe des optischen Vermögens in seinen von der Grösse des Oeffnungswinkels unabhängigen Functionen sehr viel zutreffender eruirt als durch die getrennten Proben auf Begrenzungs- und Auflösungsvermögen je- mals geschehen kann. Was aber diese Methode nicht ergiebt — die absolute Grenze des physischen Unterscheidungsvermögens — kann durch blosse Messung des Oefinungswinkels ebenso gut wie durch direete Erpro- 1) Die Nobert’sche Testplatte ist natürlich für diese Art der Prüfung ungeeignet, weil sie überhaupt kein Absorptions- oder Contourenbild, sondern ein reines Beugungsbild liefert und desshalb das wichtigste Moment für die Beurtheilung der Wirkung bei ihr hinwegfällt. 466 Dr. E. Abbe: bung an Testobjecten erhalten werden. — Wegen des Verfahrens, durch welches der Oeffnungswinkel in jeder nur wünschenswerthen Genauigkeit zu erlangen ist, verweise ich auf die Jenaische Zeitschr. 24. Zum Schluss sei noch einiger allgemeiner Folgerungen in Bezug auf die Construction der Mikroskope gedacht, welche die dargelegten Thatsachen und Theorien nach sich ziehen. Den gegebenen Nachweisen zufolge hängt die Leistungsfähigkeit des Mikroskops von zwei Factoren ab, welche in ganz verschie- denen Elementen der Construction wurzeln. Der eine ist die geo- metrische Vollkommenheit des Strahlengangs. Sie bestimmt durch die Grösse der Zerstreuungskreise in der Bildfläche die Maasse des kleinsten Details, welches rein geometrisch genommen im Bilde Ausdruck finden kann. Der zweite Factor dagegen ist die Fähig- keit des optischen Apparats, die physische Bedingung zu erfüllen, an welche die Wiedergabe solchen Details jedenfalls geknüpft ist, nämlich die Integration des durch Beugung zerlegten Lichtes, ohne welche das Bild inhaltleer bleibt. Wie aus geometrischen Gründen ein Detail nicht abgebildet wird, wenn seine Maasse unterhalb der Grösse bleiben, welche dem Durchmesser der Zerstreuungskreise, auf die linearen Dimensionen des Objects redueirt, entspricht, so wird es aus physikalischen Gründen nicht abgebildet, wenn die Winkel- ausbreitung des Beugungsphänomens durch ihre Grösse eine Ver- einigung von mindestens zwei Beugungsbüscheln unmöglich macht. Dem früher Gesagten zufolge wurzeln nun zwar die Bedingungen für beide Functionen in demselben Bestandtheil des optischen Systems, nämlich allein im Objeetiv; aber sie wurzeln in ganz ver- schiedenen Elementen seiner Construction. Die dioptrische Unter- scheidungsgrenze, welche die unvermeidlichen Mängel der Strahlen- vereinigung herbeiführen, findet ihr Maass in der förderlichen Vergrösserung des Objectivs und ist, wie früher angegeben, für jeden bestimmten Grad der technischen Vollendung der Construction der Brennweite des Objectivs umgekehrt proportional; die physikalische Unterscheidungsgrenze dagegen hängt allein vom Oeffnungswinkel ab und ist dem Sinus seines halben Betrages proportional. Nun sind aber beide Functionen auf ein und denselben Zweck gerichtet, näm- lich auf das Sichtbarmachen des räumlich Kleinen, und sind für diesen Zweck beide gleich unentbehrlich. Daraus folgt denn, dass eine rationelle Construction des Mikroskops darauf Bedacht nehmen muss, sie in der Weise ins Gleichgewicht zu setzen, dass die Grenzen Beiträge zur Theorie des Mikroskops. 467 beider wenigstens annähernd zusammentreffen. Denn es ist offenbar ebenso nutzlos, den physischen Bedingungen der Abbildung in wei- terem Umfang genügt zu haben, als die erreichbare Vergrösserung zu verwerthen erlaubt, wie es nutzlos ist, die Vergrösserungskraft des Mikroskops höher zu steigern, als die physische Capacität der Objective nöthig macht. Im ersten Fall, wenn der Oeffnungswinkel zu gross ist für die förderliche Vergrösserung, .die der Brennweite entspricht, gewinnt das Objectiv ein latentes Auflösungsvermögen, welches keinem menschlichen Auge zu Gute kommt; im andern Fall, wenn die Stärke des Objectivs die dioptrische Unterscheidungsgrenze weiter hinausrückt, als das dem Oeffnungswinkel zugängliche Detail nöthig macht, entsteht eine leere Vergrösserung, d. h. eine solche, die im Bilde nichts vorfindet, was ihrer bedürfte. 25. Die Consequenzen dieser Erwägung führen zu gewissen Maximen für die richtige Anpassung zwischen Brennweite und Oeff- nungswinkel bei den Objectiven, welche den Gewohnheiten der bis- herigen Praxis in mehreren Punkten widersprechen. Hier mag Das- jenige Platz finden, was mir von allgemeinerem Interesse zu sein scheint, weil es die Tragweite der mikroskopischen Beobachtung im Ganzen ins Licht setzt und die Ergänzung der unter (9) gegebenen Darlegungen liefert. Wenn für das Trockensystem die Theorie eine Beschränkung des Oeffnungswinkels auf ca. 110° unbedingt fordert, so kann man leicht ausrechnen, welches die feinste Structur ist, die diesem Oeff- nungswinkel zugänglich bleibt; und es ergiebt sich darauf hin, dass wenigstens für ein rationell construirtes Objectiv dieser Art, bei wel- chem nicht auf Kosten der wirklichen Vollkommenheit die Auflösung einseitig gesteigert ist, kein Detail in Frage kommen kann, das ein geübtes Auge nicht schon bei einer guten 4—500fachen Ver- grösserung zu erkennen vermöchte. Bei den Ansprüchen, welche nach dem dermaligen Stand der optischen Technik an die relative Vollkommenheit der Constructionen gestellt werden dürfen, muss aber diese Höhe der Vergrösserung — auch wenn man es mit dem Attribut »gut« etwas strenger nimmt, als öfters geschieht — schon mit einer Brennweite von ca. 3 Mm. (!/; engl. Zoll) erreicht sein. Beim Immersionssystem rückt, selbst wenn der Oeffnungswinkel auf das höchste technisch erreichbare Maass gebracht wird, die physische Unterscheidungsgrenze doch nicht so weit zurück, dass ihr nicht eine correcte 7—800fache Vergrösserung vollkommen gewachsen bliebe, 468 Beiträge zur Theorie des Mikroskops. und diese muss hier bei guter Construction mit ca. 2 Mm. (!/ıs Zoll) Brennweite sicher zur Verfügung stehen. Nun wird man zwar zu- geben, dass eine weitere möglichst correcte Vergrösserung über das unerlässliche Minimum hinaus, obwohl sie die Wahrnehmung nicht mit neuen Thatsachen bereichern kann, doch der Leichtigkeit und Sicherheit der Beobachtung sehr zu Statten kommen mag. Indess wird man diese Bedeutung der leeren Vergrösserung schwerlich weit über die bezeichneten Grenzen hinaus anerkennen dürfen; und ich komme daher zu dem Schlusse, dass der wissenschaftliche Werth von Objectiven, deren Brennweite beim Trockensystem unter 2 Mm., beim Immersionssystem unter 1 Mm. erheblich herabgeht, durchaus problematisch ist. Die eigentliche Capaecität des Mikroskops im strengeren Sinne aber muss ich — so lange nicht Momente geltend gemacht werden, die ganz ausserhalb der Tragweite der aufgestellten Theorie liegen — schon bei der oben bezeichneten früheren Grenze als vollständig erschöpft ansehen; und im Besondern muss ich die Ansicht vertreten: dass mit keinem Mikroskop irgend etwas in der Beschaf- fenheit der Objecte wirklich Begründetes jemals gesehen worden ist und gesehen werden kann, was ein normales Auge nicht auch schon mit einer scharfen 800fachen Im- mersionsvergrösserung sicher zu erkennen vermöchte. — Was in neuerer Zeit, zumal aus England, über ganz ausserordent- liche Leistungen ungewöhnlich starker Objective (bis !/so engl. Zoll Brennweite) berichtet worden ist, ist nicht darnach angethan, mich in diesem Urtheil irre zu machen. Denn die Ueberlegenheit solcher Linsensysteme soll an Objecten constatirt sein, auf welche die un- mittelbaren Ergebnisse meiner Experimente bedingungslos Anwen- dung finden; und sie soll unter Vergrösserungen zu Tage treten, deren Höhe Jeder als völlig illusorisch erkennt, der sich von den optischen Bedingungen einer solchen Leistung einige Rechenschaft geben kann. Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. Von Dr. E. Abbe, ao. Professor in Jena. Hierzu ein Holzschnitt. Die in der vorigen Abhandlung unter (11) aufgestellten theo- retischen Sätze über die Beleuchtung mikroskopischer Objecte haben mich schon vor mehreren Jahren auf die Construction eines Illumi- nators geführt, der — in allen Theilen rein nach theoretischen Er- wägungen combinirt — durch seine den Consequenzen der Theorie durchaus entsprechende Leistung diese zugleich auf die einfachste Art praktisch bewährt. Ich habe ihn ursprünglich nur für meinen eigenen Gebrauch ausführen lassen und habe denselben vielfach zu den im vorigen Aufsatze beschriebenen Experimenten, namentlich aber zum Studium der Abbildungsfehler der Objective nach der in (10) erwähnten Methode benutzt. Da indess der Apparat durch Solche, die ihn bei mir gesehen, schon eine ziemliche Verbreitung unter praktischen Mikroskopikern gefunden hat!) und ich sonach annehmen darf, dass er auch für die gewöhnlichen Bedürfnisse der mikrosko- pischen Beobachtung unter Umständen von Nutzen sein kann, so erlaube ich mir, den Lesern dieses Archivs im Folgenden eine kurze Beschreibung desselben vorzulegen. Das Prinzip, auf welches der Apparat gegründet ist, kann am 1) Von Herrn C. Zeiss in Jena ist die Vorrichtung unter die ständigen Artikel seiner Werkstatt aufgenommen; Nr. 24 des Katalogs von 1872. 470 Dr. E. Abbe: einfachsten bezeichnet werden, wenn man die Wirkungsweise des gewöhnlichen Beleuchtungsspiegels zum Vergleich in Betracht zieht. Der bewegliche Spiegel am Mikroskop bezweckt, mit Hilfe einer Lichtquelle von gegebener Lage — z. B. einer hellen Wolke, einer weissen Wand oder dergl. — eine begrenzte leuchtende Fläche in beliebiger Lage unterhalb des mikroskopischen Präparats herzu- stellen, welche, abgesehen von den Lichtverlusten durch die Re- flexion, mit der Leuchtkraft der primären Lichtquelle das Prä- parat bestrahlt. Von welchen Bedingungen diese Uebertragung der Leuchtkraft auf die ganze Fläche des Spiegels abhängt, unter welchen Umständen und in wie weit dabei die Form der Spiegel- fläche — ob concav oder plan — Einfluss gewinnt u. A. m., findet man bei Nägeli und Schwendener (Das Mikroskop, S. 85 u. f.) so vollständig und einleuchtend auseinandergesetzt, dass jede weitere Erklärung darüber überflüssig ist. Hier sei nur zweierlei hervorgehoben: Erstens, was den Vorzug dieser Beleuchtungsvorrichtung aus- macht — dass dieselbe, wie sie die einfachste ist der Construction nach, auch unbedingt die wirksamste bleibt in Hinsicht auf die specifische Intensität der zu erzielenden Beleuchtung. Alle com- plieirteren Apparate, wie z. B. die — lucus a non lucendo — »Con- densor« benannten Linsencombinationen , führen unvermeidlicher Weise eine grössere Verminderung der in der Lichtquelle disponibeln Leuchtkraft herbei als der einfache Beleuchtungsspiegel, weil zu, den Lichtverlusten durch die auf alle Fälle doch unentbehrliche Spiegelung noch diejenigen durch mehrfache Brechungen hinzutreten. Soll daher mit einem solchen zusammengesetzten Illuminator eine bestimmte Helligkeit des Bildes erzielt werden, so bedarf es stets der Anwendung eines Strahlenkegels von grösserem Divergenzwinkel d. h. der Herstellung einer lichtgebenden Fläche unter dem Object von grösserem angularen Durchmesser, als beim Gebrauch des ein- fachen Spiegels nöthig wäre; der Effect solcher Apparate ist also das directe Gegentheil von Demjenigen, was ihr Name besagen will, nicht eine Condensation, sondern eine Verdünnung des Lichts. Zweitens, was den Nachtheil des gewöhnlichen Beleuchtungs- spiegels ausmacht — dass die Bedingungen für die wünschens- werthen Modificationen und für die sichere Regulirung der Beleuch- tung beim Gebrauch desselben keineswegs besonders günstig stehen. Die Abstufungen in der Einfallsrichtung des wirksamen Strahlenkegels, > Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. 471 wie sie z. B. dem Uebergang von der geraden zur schiefen Beleuchtung entsprechen, müssen dadurch herbeigeführt werden, dass man den Spiegel selbst seitlich gegen die Axe des Instruments bewegt und seine Fläche durch geeignete Drehung gegen die Licht- quelle wieder von Neuem leuchtend macht. Dabei ist überdies eine Beleuchtung des Präparats durch auffallende Strahlen, so wie überhaupt jede Beobachtung rein positiver Bilder der mikrosko- pischen Objecte in dunklem Gesichtsfeld zunächst ganz ausgeschlossen und auch unter Mithilfe des Lieberkühn’schen Spiegels nur in schwer- fälliger und höchst mangelhafter Form möglich. — Andrerseits bleiben für die Regulirung der Beleuchtung im Punkte der Quan- tität nur die beiden Hilfsmittel: die Annäherung und Entfernung des Spiegels, durch welche die lichtgebende Fläche für das Object grös- seren oder geringeren angularen Durchmesser gewinnt; und sodann die Anwendung besonderer Diaphragmen unter dem Präparat, um durch diese den wirksamen Theil der Spiegelfläche beliebig zu be- schränken. Die erstere Methode, deren Anwendung an vielen Sta- tiven darin vorgesehen ist, dass man den Spiegel an seinem Träger verschiebbar gemacht hat, gewährt nur einen geringen Spielraum ; Diaphragmen aber lassen sich in derjenigen Form, die allein eine sichere Regulirung gestattet (nämlich als verschiebbare Uylinder- blendungen), ohne grosse Unbequemlichkeit nur für rein centrale Beleuchtung verwenden. Hier — und hier ganz allein — ist das Feld, auf welchem ein complieirter Beleuchtungsapparat der gewöhnlichen einfachen Vor- richtung möglicher Weise Concurrenz machen kann. Es leuchtet nämlich sogleich ein, dass eine sehr viel einfachere und sicherere Regulirung und ein sehr viel grösserer Umfang in der möglichen Abstufung des Lichteinfalls zu erreichen wäre, wenn man am Orte des Objects eine Lichtstrahlung herstellen wollte, ver- möge welcher dieses gleichzeitig aus allen Richtungen Licht empfängt, d. h. wenn man statt einer eng begrenzten lichtgebenden Fläche, wie sie der Spiegel gewährt, eine solche gewinnen könnte, welche das Object in sehr grossem Winkelraum von unten und — der Beobachtung im auffallenden Lichte wegen — theilweise auch von oben umgiebt. Denn dann wären alle die verschieden gelegenen und verschieden grossen begrenzten Lichtflächen, welche für die einzelnen Beleuchtungsweisen nach einander nöthig werden, neben einander gleichzeitig disponibel. Jede einzelne brauchte, wenn sie 472 Dr. E. Abbe: verlangt wird, nicht immer wieder neu hergestellt zu werden, sondern es würde statt dessen nur eine Abblendung der nicht in Anspruch zu nehmenden Theile auszuführen sein. Das ist die Idee, auf deren Realisirung der hier zu beschrei- bende Illuminator ausgeht. Die Möglichkeit aber, das Geforderte in dem ganzen angegebenen Umfang mit relativ einfachen Mitteln wirklich zu leisten, wird sogleich ersichtlich, wenn man die Lichtstrahlung betrachtet, welcher ein Object im Brennpunkt eines Linsensystems von grossem Oeffnungswinkel ausgesetzt ist. Wenn ein solches, sei es direct, sei es durch Vermittelung eines ebenen Spiegels, das Bild einer entfernten Lichtquelle, etwa einer Wolke, auf oder nahe dem Object entwirft, wird letzteres Punkt für Punkt so bestrahlt, als ob vor — d. h. bei der gewöhnlichen Anordnung am Mikroskop, unter — demselben eine gleichmässig leuchtende Fläche ausgebreitet wäre, deren Leuchtkraft, von den Lichtverlusten abge- sehen, derjenigen der primären Lichtquelle gleich ist und deren scheinbare Grösse für das Object unmittelbar durch den Oeffnungs- winkel des Linsensystems für den betreffenden Brennpunkt sich be- stimmt. Man braucht diesen Oeffnungswinkel — was keinerlei Hinderniss findet — nur auf volle 180 Grad zu steigern, um eine Lichtquelle disponibel zu haben, die das Object von unten grade so wie das gleichförmig leuchtend gedachte Himmelsgewölbe einen im Freien stehenden Gegenstand von oben umspannt. Es ist klar, dass aus dieser die ganze Halbkugel bedeckenden Lichtfläche jeder be- liebig begrenzte und beliebig gelegene Theil für sich in Wirkung gesetzt werden kann, wenn man den Eintritt der Lichtstrahlen in das Linsensystem durch ein Diaphragma mit entsprechendem Aus- schnitt vor der dem Präparat gegenüber liegenden freien Oefinung begrenzt; und dass sich durch blosse Veränderung der Grösse und der Lage jenes Ausschnittes, ohne alle sonstigen Eingriffe, alle möglichen Abstufungen zunächst der Beleuchtung mit durchfallen- dem Lichte herbeiführen lassen. Das Bild des Diaphragmas näm- lich, weiches die Linsen nach der Seite des Objects hin entwerfen, giebt die Begrenzung der wirksam werdenden Lichtfläche Ein Diaphragma mit weitem Ausschnitt (relativ zum Durchmesser der ganzen freien Oeffnung) liefert Strahlenkegel von grossem Diver- genzwinkel; ein enger Ausschnitt giebt beliebig verengte Strahlen- büschel. Steht das Diaphragma central, so giebt derdurch seine Oeff- nung wirksam werdende Theil der ganzen disponibeln Lichtfläche die Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. 473 gewöhnliche gerade Beleuchtung; wird dagegen die Oeffnung in irgend einem Azimuth mehr oder minder excentrisch gestellt, so erhält man alle Abstufungen der schiefen Beleuchtung innerhalb dieses Azimuths. Damit ist aber der Umfang möglicher Beleuch- tungseffecte noch keineswegs erschöpft. Denn wenn das Präparat im Fecus des angenommenen Linsensystenis nach dem Mikroskop hin durch eine durchsichtige Schicht mit spiegelnder oberer Grenz- fläche bedeckt ist — wie das Deckglas immer ganz von selbst her- beiführt — so werden alle Strahlen, welche durch durchsichtige Theile des Präparats hindurchgetreten sind, an dieser obern Grenz- fläche partiell reflectirt, und fallen von oben wieder auf das Object herab. Es ist leicht zu beweisen, dass der gesammte hieraus resul- tirende Beleuchtungseffect sich in allen Stücken genau so gestaltet, wie wenn ausser der vorher betrachteten lichtstrahlenden Halbkugel unter dem Präparat eine eben solche — nämlich ihr vom Deckglas nach oben entwortenes Spiegelbild — oberhalb des Präparats, jedoch mit sehr verminderter Leuchtkraft, wirksam wäre. — Soll die so erzeugte diffuse Beleuchtung zur mikroskopischen Beobachtung des Objects in einem positiven Bilde verwandt werden, so ist nichts weiter nöthig, als dass derjenige Theil der untern Lichtfläche, wel- cher direet Lichtstrahlen in das Mikroskop senden würde, unwirk- sam gemacht werde. Dies geschieht aber durch eine einfache Cen- tralblende vor der freien Oeffnung der Beleuchtungslinsen, deren Durchmesser so gross genommen werden muss, dass der ganze dem Oefinungswinkel des Mikroskops entsprechende centrale Strahlen- kegel ausser Thätigkeit kommt, das freie Gesichtsfeld also vollkom- men dunkel wird. Die zum Präparat gelangenden Strahlen sind dann ausschliesslich diejenigen von der äussersten peripherischen Zone der freien Oeffuung des Beleuchtungssystems und der dieser entsprechenden strahlenden Halbkugel. Da es diejenigen sind, welche nach ihrem Durchtritt durch lichte Stellen des Präparats wegen ihres schiefen Einfalls am stärksten von der obern Deckglas- fläche reflectirt werden, so tragen sie am meisten zur Beleuchtung des Objects von oben bei. — Aus dieser Beleuchtung resultirt eine mehr oder minder kräftige diffuse Lichtstrahlung, welche, so weit sie innerhalb des Oeffnungswinkels des Objeetivs verläuft, ein posi- tives Bild des Präparats auf dunklem Grunde erzeugt. Selbstver- ständlich aber tragen zu diesem auch alle diejenigen Strahlen bei, welche durch Brechung oder durch Beugung im Präparat selbst 474 Dr. E. Abbe: nach der Axe des Mikroskops hin abgelenkt werden und dadurch direct in das Objectiv eintreten können. Die hier gegebene Erklärung über die Strahlungsverhältnisse im Focus eines Linsensystems von grossem Oeffnungswinkel umfasst alle realen Wirkungen, welche ein sog. Gondensor möglicher Weise gewähren kann und zugleich den Beleuchtungseffect durch das Wen- ham’sche Paraboloid. Was darüber hinausliegt — der ganze Be- griff einer Concentration oder Condensation des Lichts und alle die sonderbaren Wirkungen, welche sich daran knüpfen sollen — erweist sich einer strengeren theoretischen Kritik als willkürliche Erfindung ; die vermeintlichen Erfolge aber, welche man mit Condensoren er- zielt haben will, stellen sich, soweit sie nicht im Vorstehenden ihre Begründung finden, bei accuratem Experimentiren als blosse Fabeln heraus. Dass die »Condensor« oder »Illuminator« benannten künstlichen Beleuchtungsapparate bisher fast nur illusorische Ziele verfolgt haben und die realisirbaren Vortheile solcher Üombinationen bei ihnen desshalb entweder gar nicht oder doch nur sehr verkümmert zur Geltung kommen konnten, erklärt den wohlverdienten Miss- credit, in welchem dieselben bei fast allen Beobachtern stehen, die mit dem Mikroskop ernstlich arbeiten wollen. Die Sache liegt aber anders, wenn eine solche Beleuchtungsvorrichtung ihrer ganzen Construction nach darauf angelegt ist, mit den einfachsten Mitteln und in der vortheilhaftesten Form diejenigen Leistungen zu erzielen, welche, dem Obigen zufolge, ihren alleinigen Wirkungskreis ausmachen: möglichst grossen Spielraum in der Abstufung der Beleuchtung nach Qualität und Quantität und möglichste Sicherheit und Leichtigkeit der Regulirung. Nach dieser Seite hin lassen sich, trotz der un- vermeidlichen Einbusse in der specifischen Intensität der Wirkungen — die übrigens in den meisten Fällen nur sehr gering zu sein braucht — Vortheile erreichen, deren Realität nicht bestritten wer- den kann, in Bezug auf welche die Frage vielmehr nur die sein wird: wie hoch oder wie gering sie der Einzelne für seine speciellen Bedürfnisse anschlagen mag. Alles weitere ergiebt die folgende Beschreibung des nach mei- nen Angaben ausgeführten Apparates. Zwei unachromatische Linsen, Aa nebenstehender Figur, bil- den das zur Beleuchtung dienende System, also den Condensor — um die einmal eingebürgerte Benennung beizubehalten. Es hat die Form Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. 475 eines grossen Mikroskop- objectivs mit dicker, mehr als halbkugeliger, plan- convexer Frontlinse, und ist in einerunde Messing- scheibe bb gefasst, mit der es von oben in den Tisch des Mikroskops ein- Te U u - zungonatul | | Dura >= n gepasst wird. Es bleibt, Inn wenn einmal zum Ge- brauch eingesetzt, ganz unbeweglich in der Axe des Instruments. Die nach oben gekehrte plane Fläche a der Frontlinse liegt dabei nur um eine Spur tiefer als die Ebene der Messingsscheibe bb, (*/; natürl. Grösse.) und da diese ihrerseits genau in die Tischebene zu liegen kommt, so erleidet letztere kei- nerlei Unterbrechung, abgesehen von einer schmalen und flachen, die Linsenfläche umgebenden Rinne. Die Brennweite der ganzen Linsen®mbination beträgt ca. 15 Mm.; erheblich grösser kann die- selbe — wiewohl solches an sich vortheilhaft wäre — nicht ge- nommen werden, ohne auf unbequeme Dimensionen zu kommen. Der obere Brennpunkt aber liegt nur ein paar Millimeter über der planen Fläche der Frontlinse. Wenn daher ein Objectträger mit dem Präparat auf den Tisch des Mikroskops gebracht wird, so kommt das Präparat von selbst nahe in den Brennpunkt zu liegen, wobei die Substanz des Objeetträgers, abgesehen von dem dünnen - Zwischenraum unter ihm, die Fortsetzung der obern Condensorlinse bildet. — Wenn es in einzelnen Fällen darauf ankommt, Lichtver- luste möglichst zu vermeiden, kann man jenen Zwischenraum noch durch einen Tropfen Wasser ausfüllen. Der Condensor ist unachromatisch, weil es für die beabsichtigte Wirkung absolut werthlos wäre, die als Lichtquelle dienende Wolke oder. dergl. scharf abbilden zu wollen; wie es auch durchaus gleich- gültig bleibt, ob das Bild genau im Niveau des Präparats oder etwas darunter oder darüber entsteht. Dagegen ist darauf Bedacht ge- 476 Dr. E. Abbe: nommen, ihm für den obern Brennpunkt einen möglichst grossen Oefinungswinkel zu geben. Er liefert — namentlich zum Zweck der Erzeugung lichtstarker positiver Bilder — noch Strahlen, welche in einer Wasserschicht bis nahe 60° gegen die Axe geneigt sind, welche also — da der Grenzwinkel der Totalreflexion für Wasser ca. 48° ist — aus einem Luftraum dem Präparat niemals zugeführt werden könnten. Sollen aber Strahlen von solcher Schiefe für irgend einen Zweck in Wirksamkeit treten, so darf natürlich das Präparat sich nicht in Luft befinden, wie auch der Zwischenraum unter dem Objeetträger nicht durch Luft, sondern durch Wasser ausgefüllt sein muss. Die Strahlen der primären Lichtquelle werden dem Condensor durch einen Planspiegel B, der nur um einen festen Punkt in der Axe des Instruments drehbar, nicht seitlich beweglich ist, zugeführt. Die Regulirung der Beleuchtung aber vermittelt ein besonderer Diaphragmenträger C einige Centimenter unter dem Tisch des Mi- kroskops zwischen Planspiegel und Condensor, nahe dem untern Brennpunkte des letztern. Die durch verschiedene Diaphragmen aus der gesammten disponibeln Lichtfläche ausgesonderten wirksamen Theile verhalten sich demnach, dem Object gegenüber, wie sehr entfernte aber entsprechend ausgedehnte leuchtende Flächen. — Um die Blendungen schnell und sicher wechseln zu können, ist der ganze Diaphragmenträger um einen seitlich stehenden Zapfen ce dreh- bar, lässt sich durch diese Drehung unter dem Tisch des Mikro- skops hervorbewegen, so dass er bequem zugänglich wird, und mit Einer Handbewegung wieder in die richtige centrale Stellung zurück- schlagen. Zur Aufnahme der Blendungen dient nicht dieser Träger unmittelbar, sondern eine aufihm drehbare und verschiebbare Scheibe d, deren Bewegung, nachdem das Diaphragma in eine Oeffnung in ihr eingelegt und der ganze Träger unter den Tisch zurückge- schlagen ist, alle Modificationen in der Richtung der einfallenden Lichtstrahlen ausführt. Drehung und Verschiebung werden gleich- zeitig mittelst eines unter dem Tisch hervortretenden Griffes mit ränderirtem Knopf e bewirkt; in der Art, dass dieser Griff, zwi- schen den Fingern um seine eigene Axe gedreht, durch Zahn und Trieb die Scheibe mit sammt der Blendung in radialer Richtung verschiebt, während die auf diese Weise excentrisch gestellte Dia- phragmenöffnung im Umfang von ca. 120° um die Axe des Mikro- skops herumgeführt werden kann, wenn der Griff als Hebel einer Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. 477 horizontalen Drehung benutzt wird. — Die Mitte im Spielraum der radialen Verschiebung, die der Trieb gewährt, d. h. die centrale Stellung des einliegenden Diaphragmas, deutet sich dem Finger durch das Einspringen eines federnden Zahnes sicher an. — Der Knopf des Triebes dient zugleich als Handhabe für das Vor- und Zurück- schlagen des ganzen Trägers. Was zunächst die Benutzung des Apparates zur gewöhnlichen Beobachtung mit durchfallendem Licht anlangt, so dient ihr eine Anzahl kreisförmiger Scheiben von ca. 30 Mm. Durchmesser mit concentrischen Oeffnungen von 1—7 Mm. Weite. Bei centraler Stellung des Triebes gewähren sie, nach einander eingelegt, alle wünschenswerthen Abstufungen der gewöhnlichen geraden Beleuch- tung. Zwar wird dabei keine stetige Veränderung in der Oeffnung des einfallenden Lichtkegels, wie bei einer zurückziehbaren Cylinder- blendung, herbeigeführt; da indess ihre lichten Durchmesser ein- ander beliebig nahe liegen können, und wenn man sich an die paar Handgriffe gewöhnt hat, das Wechseln dieser Diaphragmen ausser- ordentlich schnell geschieht, so erscheint für den gewöhnlichen normalen Gebrauch des Mikroskops diese Einrichtung, ver- glichen mit dem Oberhäuser’schen Blendungsapparat, keineswegs im Nachtheil; zumal grade für die centrale Beleuchtung der Licht- verlust im Condensor unwahrnehmbar klein bleibt. — Der Ueber- gang vom geraden zu beliebig schiefem Licht erfolgt aber mit jeder Grösse des wirksamen Strahlenkegels bloss durch Handhabung des erwähnten Triebgriffes, ohne alle Nachhilfe am Spiegel; und zwar hat man es in der Gewalt, auf die angegebene Weise nicht nur die strahlende Fläche bis an die Grenze der freien Oeffnung der starken Objeetive aus der Axe zu entfernen, sondern zugleich auch — durch Drehung des excentrischen Diaphragmas im Azimuth — das schiefe Licht von jeder Seite her gegen das Object einfallen zu lassen; da- her denn bei dem beschriebenen Illuminator die Rotation des Mi- kroskops um seine Verticalaxe für diesen Zweck entbehrlich wird. — Die Regulirung der schiefen Beleuchtung wird auf diese Weise ausserordentlich leicht und sicher ausführbar; besonders hat man den Vortheil, von jeder Modification zu jeder andern nach Belieben übergehen zu können, ohne immer von Neuem nach dem richtigen Licht suchen zu müssen. Wenn der Spiegel einmal so eingestellt ist, dass der Condensor die volle Beleuchtung gewährt, so bleibt diese so lange bestehen, als die Lichtquelle sich nicht ändert. — M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9. 31 478 Dr. E. Abbe: Dagegen muss aber ausdrücklich hervorgehoben werden, dass für sehr schiefes Licht — wenn es sich etwa darum handelt, an Test- objecten die äusserste Grenze des Auflösungsvermögens der Objective in Anspruch zu nehmen, — der Apparat nicht ganz das erreicht, was der einfache Hohlspiegel leisten kann. Der Grund liegt theils darin, dass die stark geneigten Strahlen eine merkbare Verminde- rung ihrer Intensität erleiden; theils ist er in dem Umstande zu suchen, dass die unvermeidlichen Reflexe an den Fiächen des Condensors bei excentrischer Lage der Diaphragmenöffnung Neben- bilder der Lichtfläche unter dem Präparat erzeugen, deren Beitrag zum mikroskopischen Bilde die Wirkung beeinträchtigen muss. Es dürfte ausser durch ganz unpraktische Complicationen — nicht möglich sein, diesen Nachtheil zu beseitigen. Da er aber bei cen- traler Beleuchtung vollkommen hinwegfällt, weil alsdann alle Refiex- bilder in der Axe liegen, bei mässig schiefem Lichteinfall er aber auch unmerklich bleibt, der geringen Intensität der Reflexe wegen, so leidet darunter der gewöhnliche Gebrauch des Mikroskops nicht im geringsten. Nur scheint es, im Hinblick auf den namhaft ge- machten ungewöhnlichen Fall, angemessen, die Einrichtung so zu treffen, dass der Illuminator ohne Umstände mit dem einfachen Hohlspiegel vertauscht werden kann. Es wird desshalb der ganze Diaphragmenapparat mit dem zugehörigen Planspiegel zu einem Stück verbunden, welches (mittelst einer Coulisse) ebenso schnell und sicher unter dem Tisch des Mikroskops angebracht und wieder entfernt, wie der Condensor in die Tischplatte eingefügt und wieder ausgehoben werden kann. Soll mit polarisirtem Licht beobachtet werden, so braucht nur der polarisirende Nicol, in eine passende Metallscheibe gefasst, , an Stelle einer Blendung in den Diaphragmenträger eingesetzt zu wer- den. Die Wirkung ist in allen Stücken die nämliche wie bei der gewohnten Einrichtung. Was endlich die Beobachtung der Objecte durch positive Bilder in dunklem Felde anlangt, so tritt der betreffende Beleuchtungs- effect in der oben erläuterten Form ohne alles weitere Zuthun in Thätigkeit, sobald in den Diaphragmenträger bei centrischer Stel- lung desselben statt der früheren Lochblendungen ein schmaler Ring eingelegt wird, der mittelst dünner Speichen eine centrale Scheibe von ca. 12 Mm. Durchmesser trägt. Ist der Oeffnungswinkel des angewandten Objectivs kleiner als der angulare Durchmesser des Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. 479 auf diese Weise unwirksam gemachten mittleren Theils der dispo- nibeln Lichtfläche unter dem Präparat, so gelangt kein geradlinig durch letzteres hindurchtretender Strahl in das Mikroskop und das freie Sehfeld wird vollkommen dunkel. Das Bild wird ausschliess- lich durch solche Strahlen erzeugt, die nach dem Durchtritt durch das Präparat an der Grenze zwischen Deckglas und Luft durch Spiegelung auf jenes herabgeworfen und an seiner Oberfläche wieder diffus reflectirt sind und durch solche, welche auf ihrem Wege durch das Praparat, sei es durch Brechung, sei es durch Beugung, nach der Axe hin abgelenkt worden sind. Je nach der Structur der Ob- jecte ist bald der eine, bald der andere Theil der überwiegende ; bei Verwendung einer Immersionslinse bleibt natürlich nur das im Object abgelenkte Licht wirksam, da die Reflexion an der obern Deckglasfläche fast ganz fortfällt. Ist das Präparat weder allzu durchsichtig noch allzu undurchsichtig und sind sonst die Umstände für die fragliche Wirkung günstig, so können die so erhaltenen rein positiven Bilder eine beträchtliche Lichtstärke gewinnen. In vielen Fällen — z. B. bei trocken liegenden Diatomeen — ist die Hellig- keit gross genug, um bei gewöhnlichem guten Tageslicht eine 5— 600- fache Vergrösserung recht wohl zu gestatten, namentlich dann, wenn der Zwischenraum zwischen der obern CGondensorlinse und dem Object- träger durch einen Tropfen Wasser ausgefüllt wird. Sollen mit dieser Beleuchtungsart Objective verwandt werden, deren Oeffnungswinkel merklich über 40° hinausgeht, so muss der- selbe durch Abblendung der peripherischen Zone entsprechend re- ducirt werden; einestheils, weil sonst das Gesichtsfeld nicht dunkel erhalten werden kann, ohne die wirksame Lichtfläche im Condensor allzu sehr zu schmälern; anderntheils auch desshalb, weil ein zu grosser Divergenzwinkel der abbildenden Strahlenkegel fast bei allen Objecten die Vollkommenheit des Bildes sehr beeinträchtigt. — Diese bei allen stärkeren Objectiven unentbehrliche Abblendung wird durch Diaphragmen mit passender Oefinung, die man über die oberste Linse aufschraubt, bewirkt. Das Auflösungsvermögen des Objectivs wird dadurch natürlich auf dasjenige Maass vermindert, welches der übrig bleibenden freien Oeffnung entspricht. Ich mus es dahin gestellt sein lassen, ob und in wie weit diese Beleuchtungsart — welche im’ Wesentlichen die des Wenham’schen Paraboloids ist — für wissenschaftliche Untersuchungen irgend eine Bedeutung gewinnen kann. Jedenfalls aber unterliegt sie bei der hier in 480 Dr. E. Abbe: Ueber einen neuen Beleuchtungsapparat am Mikroskop. Rede stehenden Einrichtung nicht im geringsten den Ausstellungen, die man in Bezug auf die Vollkommenheit der Bilder bei ihr er- hoben hat und die Harting als dem Prineip dieser Wirkung an- haftend hinstellt. Im Gegentheil erhält man mit guten Objectiven auch bei starker Vergrösserung — wenn sonst die Objecte darnach sind — nicht nur sehr nette und deutliche, sondern häufig auch sehr charakteristische Bilder, die wegen ihres plastischen Hervor- tretens auf dem dunklen Grunde mindestens für Demonstrationen oft entschiedene Vortheile bieten dürften. In Bezug auf den Gebrauch des Apparates mit durchfallendem Licht mag noch bemerkt sein, dass bei Anwendung sehr schwacher Vergrösserungen, wenn die disponible Lichtquelle nur wenig ausge- dehnt ist, häufig keine gleichförmige Beleuchtung des Objects er- halten wird, weil das Bild der Lichtquelle im Focus des Condensors nicht gross genug ist, um den ganzen sichtbaren Umfang des Prä- parats zu bedecken. Man gewinnt in diesem Falle ein gleichmässig und hinreichend stark erhelltes Sehfeld, wenn man den Planspiegel durch ein Stück weisses Papier überdeckt. — Soll mit Lampenlicht beobachtet werden, so ist es das Zweckmässigste, in gerader Linie zwischen Flamme und Spiegel eine möglichst grosse Sammellinse — am einfachsten eine mit mässig blau gefärbtem Wasser gefüllte grosse Glaskugel — einzuschalten, um die Leuchtkraft der kleinen Flamme auf deren grössere Oberfläche zu übertragen. Dieses‘ ist erreicht, wenn die Spitze des von der Linse oder der Kugel aus- gehenden Lichtkegels den Spiegel trifft und dessen Fläche voll- ständig erhellt. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass die Beobachtung des im vorangehenden Aufsatze mehrfach erwähnten Oeffnungsbildes in der obern Focalebene des Objectivs (durch Herabsehen in den offenen Tubus) das einfachste Mittel darbietet, alle hier discutirten Wirkungen direet zu controliren und dass eine solche Controle eben so sehr für die praktische Handhabung des in Rede stehenden Apparates wie für die richtige Beurtheilung der verschiedenen Be- leuchtungseffecte überhaupt von Vortheil sein wird. Untersuchungen über die Endigung der Nerven in den quergestreiften Muskelfasern. Von Dr. Rudolf Arndt, Privatdocenten in Greifswald. Hierzu Tafel XIX, XX und XXI. Valentin!) und Emmert?) beschrieben unabhängig von ein- ander im Jahre 1836 als die letzten Endigungen von Nerven in den quergestreiften Muskeln schlingenförmige Bildungen derselben, durch welche die einzelnen Fasern umgriffen würden. Einige Jahre später machte ähnliche Mittheilungen auch Remak?°), indem er angab, dass bei Säugethieren die Muskelnerven ihm als umspinnende Netze blasser Fasern auf der Oberfläche des Sarkolemmas zu endigen schienen, und eine Reihe von Jahren nach diesen traten mit ähn- lichen Angaben auch Schaaffhausen‘) und Beale°) auf. Diese 1) Valentin. Ueber d. Verlauf u. d. letzt. Endigungen d. Nerven. Nova acta acad. Leopold. XVII, 1. 2) Emmert. Ueber die Endigungsweise der Nerven in den Muskeln. Bern 1836. 3) Remak. Ueber d. Zusammenziehung d. Muskelprimitivbündel. Arch. f. Anatom. u. Physiolog. 1843, p. 189 Anm. 4) Bericht d. Naturforschervers. zu Bonn. 1859, p. 193. ı 5) Beale. On the Distribution of Nerves to the Elementary Fibres of striped Muscle. — Proceedings of the Royal Society, 1860. Vol. X. p. 519 u. ff. — Philosophical transact. 1860, p. 621 u. f. — Beale. On the Ana- tomy of Nerve-fibres and Celles, and the Ultimate Distribution of Nerve- fibres. — Quarterly Journal of Mieroscop. Science. 1863, p. 97 u. £. 482 Dr. Rudolf Arndt: beiden Forscher wollten in Carminpräparaten sogar ganze Netze kerntragender Fasern gesehen haben, welche die einzelnen Muskel- bündel umspinnen, und der letztere von ihnen glaubte dies selbst so häufig und bei den verschiedensten Thierklassen gesehen zu haben, dass er die Muskelbündel umspinnenden, in sich abgeschlossenen Netze kerntragender Fasern als die einzig sicher erkannten Endi- gungen der Muskelnerven betrachtete und hieran festhielt, obgleich durch anderweitige Entdeckungen ihm die erheblichste Opposition gemacht wurde. Diese Entdeckungen bestanden aber in nichts Weniger als dem Auffinden ganz bestimmter, eigenthümlich gearteter Apparate, durch welche der Nerv mit dem Muskel in Verbindung trat. Und so all- gemein verbreitet, wenn auch verschiedenartig gebildet, hatte man nach und nach durch die gesammten Thierklassen, welche quer ge- streifte Muskeln besitzen, diese Apparate gefunden, dass man sie bis auf wenige scheinbare Ausnahmen als die allein vorkommende Endi- sungsweise ansah und die sogenannten Schlingen, die auch ander- weit in Misscredit gekommen waren, gänzlich fallen liess. Die erste einschlägige Entdeckung hatte Doyere!) im Jahre 1540 an Milnesium tardigradum gemacht, indem er fand, dass die Muskelnerven dieses Thierchens sich der Art mit der Muskelsub- stanz verbanden, dass der sehr zarte, blasse und hüllenlose Nerv mittelst einer kegelförmigen Anschwellung die ebenso zarte, blasse und hüllenlose Muskelfaser scheidenartig umgriff und auf diese Weise seine Substanz mit der contractilen der Muskelfaser, ehne dass noch irgend welch scheidendes Element zwischen beiden vor- handen wäre, in die innigste Berührung brachte. Nach ihm fand Quatrefages?) ganz gleiche Verhältnisse bei Eolidia paradoxa, einer Nacktschnecke und Hydatina und Notommata, Mitglieder der Gruppe der Räderthiere, Koelliker?°) bei einer Larve aus der Mückengattung Chironomus, sodann Meissner?) bei Mermis und 1) Doyere. Memoire sur les Tardigrades. — Annal. des sciences nat. 2de Serie. 1840. XIV. p. 346. 2) Quatrefages. M&moire sur l’Eolidina paradoxa — Annal. des sciences nat. 2de Serie. 1843. T. XIX p. 299. 3) Koelliker. Mikroskop. Anatom. Bd. II. 1 Hlft. p. 245. 4) Meissner. Beiträge zur Anat. u. Physiolog. v. Mermis albicans. Zeit- schrift f. Zoolog. Bd. 5 p. 234. — Beiträge zur Anat. u. Physiol. d. Gor- diaceen. ibid. Bd. VII p. 26. Untersuchung. üb. d. Endigung d.Nerven in d. quergestreiftenMuskelfasern. 483 Ascaris, Wedl!), Walther?) Munk?°) bei andern Nematoden, in neuester Zeit Greeff*) ausser bei Milnesium oder Arctiscon und Macrobiotus, zweien Gattungen der Familie der Arctiscoiden oder Bärenthierchen, auch noch wie Quatrefages bei einigen Räder- thieren. Aber alle die Entdeckungen an den niederen Thieren, den Schnecken und Würmern, sind nicht so bestätigt worden, dass sie als gesichert betrachtet werden könnten. Im Gegentheil, es hat sich gar mancher Widerspruch gegen sie erhoben und einzelne von ihnen, wie die von Quatrefages, sind geradezu in Zweifel ge- zogen worden5). Nur die bei den Arthropoden gewonnenen sind geblieben, wenn auch vorläufig noch auf den kleinen Raum be- schränkt, auf dem sie gewonnen worden. Zu Anfang der sechsziger Jahre entdeckten fast gleichzeitig in den Muskelnerven der Reptilien, Vögel und Säuger Rouget$) seine Plaques terminales und Krause”) seine motorischen Endplatten, und ein wenig später ganz ähnliche Gebilde Waldeyer°®) und Axel Key°) auch an den Muskelnerven des Frosches. Indessen während die Entdeckungen der beiden Ersten alsbald von allen Seiten be- stätigt wurden, ist dieses für die der Letzteren sehr lange nicht ge- 1) Wedl. Ueber d. Nervensystem d. Nematoden. Wiener Sitzungsbe- richt. 1855. XVII, 298. 2) Walther. Beiträge zur Anat. u. Physiol. v. Oxyuris ornata. Zeitschft. f. Zoolog. VIII, p. 163. 3) Munck. Zur Anat. u. Physiol. d. quergestreift. Muskelfaser d. Wir- belthiere etc. Götting. Nachricht. 1858, 1. p. 11. 4) Greeff. Ueber d. Nervensystem d. Bärenthierchen. Arch. f. mikro- skop. Anat. Bd. J. p. 101, für letzte Angaben p. 122. 5) Greeff. Zur Frage über d. Endigungen der Muskelnerven. ibid. p. 437. 6) Rouget. Note sur la terminaison des nerfs moteurs dans les muscles chez les reptiles, les oiseaux et les mammiferes. Compt. rend. 1862. LV, p. 548— 551. 7) Krause. Mittheilungen aus d. path. Institut zu Göttingen. Göttin- ger Nachrichten 1863. a. Endigung d. Muskel, Stück 2, p. 21. b. Ueber d. motor. Endplatte, 3. p. 33. 8) Waldeyer. Untersuchungen über d. Ursprung u. d. Verlauf d. Axencylinders bei Wirbellosen u. Wirbelth., sowie über dessen Endverhalten in d. quergestreiften Muskelfasern. Zeitschr. f. rat. Medie. XX, p. 193. 9) Axel Key. Förhandling. vid Skand. Naturf. i. Stockholm, 1863. Nach Henle’s Ref. in Zeitschrift f. rat. Med. Bd. XXX, p. 54. 484 Dr. Rudolf Arndt: schehen. Ja sie wurden von Kühne!) geradezu als unrichtig in Ab- rede gestellt, können aber dennoch als vollständig richtig betrachtet werden, seit auch Krause?) die betreffenden Gebilde auffand und sie, wie bei den Fischen, als sehr lang gestreckt und schmal be- schrieb, während sie bei den Reptilien, Vögeln und Säugern eine mehr runde Form hätten. Inzwischen war die Theilung der Nervenprimitivfasern inner- halb der Muskeln bekannt geworden. Brücke und Müller?) hatten sie in den Augenmuskeln des Hechtes gesehen, R. Wagner) im M. hyoglossus des Frosches. Reichert?) zählte sie sogar im Brust- hautmuskel dieses Thieres und fand, dass die 7—10 Primitivfasern, welche zu ihm treten, durch fortgesetzte Theilung in mehr als 300 Endäste zerfielen und so die 150—180 Fasern des Muskels mit einer ungleich grösseren Anzahl von Aesten versorgten. Jedes Bün- del würde demnach von mehr als einem Faden, manche von meh- reren versorgt. Stannius®) sah danach eben solche Theilungen in den Muskeln der Fische und nachdem sie demnächst von den verschiedensten Seiten in den Muskeln der verschiedensten Warm- blüter gesehen worden waren, fand sie Koelliker”?) endlich auch in denen des Menschen auf. Doch wie schliesslich die Nerven der Muskeln endigten, das hatte von diesen Beobachtern noch keiner gesehen. Kühne?) war 1) Kühne. Nerv u. Muskelfaser in S. Stricker’s Handbuch d. Gewebe- lehre. Leipzig 1868. 2) Krause. Ueber d. Nervenendig. innerhalb d. motor. Endplatten. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868, p. 646 u. Die motorisch. Endplatten. Hannover 1869, p. 95 u. ff. 3) Joh. Müller. Handbuch d. Physiol. 4. Aufl. 1844. Bd. I, p. 524. 4) Rud. Wagner. Handwörterbuch d. Physiolog. Bd. III, p. 381 u. ff. — Neue Untersuchungen über d. Bau u. d. Endigung d. Nerv. u. s. w. Leipzip 1847. 5) Reichert. Ueber d. Verhalten d. Nervenfas. bei d. Verlauf, d. Ver- theilung und Endigung in einem Hautmuskel d. Frosches. Arch. f. Anat. u. Physiolog. 1851, p. 29. 6) Stannius. Das peripher. Nervensyst. d. F ische ete. Rostock 1849. — Ref. in Götting. Nachricht. 1850. 7) Koelliker. Mikroskopische Anatom. Bd. II. 1 Hift. p. 238 u. ff. — Gewebelehre 5. Aufl. 1867, p. 169. 8) Kühne. Untersuchungen über d. Beweg. u. Veränderung d. contraktil. Substanz. Arch. f. Anat. u. Physiolog. 1859, p. 564 u. Myologische Unter- suchungen. Leipzig 1860, p. 67—68. Ferner: Nerv u. Muskel in Stricker’s Handbuch. Leipzig 1868. Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 485 es vorbehalten, darüber zuerst einiges Licht zu verbreiten, indem er fand, dass die Nervenendäste nicht blos zu den einzelnen Muskel- bündeln hinantreten, um sie schlingenförmig zu umspinnen, sondern dass sie in dieselben förmlich eindringen und da in einer sehr charak- teristischen Weise endigten. Zuerst fand er dies bei den Insekten, sodann aber auch bei den Spinnen und Krustern und damit bei allen drei Abtheilungen der Arthropoden. Er sah den Nerv an den Muskel hinantreten, sah seine Schwann’sche Scheide in das Sarko- lemma dieses übergehen und seinen Axencylinder, der sich in der Regel gabelig theilte, sich in eine grössere oder kleinere Anschwel- lung verlieren, die von der eigentlichen Muskelsubstanz nicht bloss deutlich unterschieden war, sondern zwischen sich und diesen noch eine Anhäufung von Kernen, Körnchen, Kügelchen hatte. Diese letzteren aber standen wieder mit den gleichen Gebilden, welche das Innere eines Muskels in längeren oder kürzeren Reihen durch- ziehen und als Ueberreste des Bildungsmaterials desselben betrachtet werden, in Zusammenhang, und die Verbindung des Nerven mit dem Muskel machte sich demnach so, dass nach dem Verschmelzen seines Neurilemmas mit dem Sarkolemma zu einem einzigen Schlauche sein Axencylinder durch eine Anschwellung mit dem Bildungsmate- riale des Muskels und durch dieses mit der contractilen Substanz desselben selbst in Berührung kam. Kühne fand also bei den Sar- kolemma führenden Muskelbündeln der Insekten, was Doyere und Greeff bei den nackten Muskeln der Arctiscoiden gefunden hatten, dass nämlich der Nerv sich direkt an die Muskelsubstanz anlehnt und zwar vermittelst einer Anschwellung, die bald mehr, bald weni- ger am Muskelbündel hervorragt und deshalb von ihm zu Ehren des Entdeckers dieses Verhältnisses überhaupt als »Doyere’scher Hügel« benannt worden ist. Kurze Zeit darauf kam Kühne!) zu ähnlichen Resultaten auch beim Frosch und nach Rouget’s und Krause’s Entdeckung. der Endplatten bei den Reptilien, Vögeln und Säugern auch bei diesen?). 1) Kühne. Note sur un nouvel organe du systeme nerveux. Compt. rendu, 1861. Fevr. p. 316 u. Ueber d. peripherischen Endorgane d. mot. Nerven. Leipzig, 1862. 2) Kühne. Ueber d. Endigung d. Nerven in den Muskeln. Virchow’s Arch. Bd. XXVII u. Ueber den feineren Bau d. peripherischen Endorgane d. motorisch,. Nerven. ibid. Bd. XXVII. U 486 Dr. Rudolf Arndt: Doch lagen die Verhältnisse bei allen diesen Thierklassen nicht gleich. Denn beim Frosch fand Kühne keine Gebilde, welche dem Doyere’schen Hügel entsprächen. Der in sogenannte Endbüsche zerfahrende Nerv tritt nach ihm nämlich, ohne vorher eine An- schwellung zu bilden, in den Muskelschlauch ein. Seine Schwann’- sche Scheide geht dabei wie bei den Arthropoden in das Sarkolemma über und sein Axencylinder legt sich wie dort an die Muskelsub- stanz an und zwar ebenfalls wieder durch Vermittelung von Kernen. Aber diese Kerne sind hier nicht gehäuft und der Axencylinder nicht in eine über denselben befindliche Anschwellung aufgegangen, sondern diese Kerne liegen zerstreut über der contraktilen Muskel- substanz, zwischen ihr und dem Sarkolemma, und der Axencylinder, indem er sich wiederholt theilt, dabei die Markscheide verliert und in blasse zarte Bänder sich verwandelt, verbindet sie zu einem zier- lichen , viel verzweigten Systeme, das unter Umständen von dem Sarkolemma losgelöst und in der flüssig gemachten Muskelsubstanz flottiren gelassen werden kann. Die Kerne, »Nervenendknospen« genannt, unterscheiden sich indessen sehr von den Muskelkernen und treten niemals in irgend welche Verbindung mit ihnen. Sie zeigen bei stärkerer Vergrösserung eine complicirte Struktur und eine innige Verbindung mit den Axencylindern durch besondere Fäden, aber kein Protoplasma als körnige Unterlage und verhalten insofern sich doch anders als die Kerne, welche dem Doyere’schen Hügel der Arthropodenmuskeln als Podium dienen. Und wie beim Frosch, so traf Kühne es auch bei den übrigen Lurchen, bei den Tritonen, den Kröten, den Proteus- und Salamanderarten, so dass für ihn da vollständige Gleichheit herrschte!). Dagegen lagen ihm bei den Reptilien, den Vögeln und Säugethieren die Sachen wieder anders. Da fand er auch die Endplatten und in diesem Verhält- nisse, welche vielfach an die in den Doyere’schen Hügeln erinnerten. Die Endplatten nämlich sind, wie ihr Name besagt, flache, platte Gebilde, welche aus einer theils glasigen, theils granulösen und kernführenden Masse zusammengesetzt der Oberfläche eines Muskelbündels da aufliegen, wo ein Nerv an denselben hinantritt. Nach Rouget liegt diese Masse unter dem Sarkolemma unmittel- bar auf der contractilen Muskelsubstanz und ist ein Aequivalent für die Kerne und granulirte Substanz des Doyere’schen Hügels der 1) Kühne. Nery u. Muskel in Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nervenin d. quergestreiftenMuskelfasern. 487 Arthropodenmuskeln. Nach Krause dagegen liegt die Masse ausser- halb des Sarkolemmas und hat mit der Muskelsubstanz direkt nichts zu schaffen. Nach Rouget durchbohrt demgemäss auch der Axen- cylinder eines zuführenden Nerven das Sarkolemma und löst sich in die Endplatte auf und die Schwann’sche Scheide geht dabei in das Sarkolemma des Muskelbündels über. Nach Krause hingegen liegt die Endplatte in einer sackartigen Erweiterung der Schwann’- schen Scheide und wenn diese auch mit dem Sarkolemma ver- schmilzt, bleibt somit doch eine Scheidewand, welche die nervöse Platte von der contraktilen Substanz des Muskels trennt. Kühne!) erklärte die Auffassung von Rouget als die rich- tigere. Denn er fand wie dieser, dass die Schwann’sche Scheide in das Sarkolemma des betreffenden Muskelbündels überginge und mit diesem einen continuirlichen Schlauch bildete, und dass der Axen- cylinder in die Endplatte ausliefe. Allein dies geschähe nicht in der von Rouget angegebenen Weise, sondern in einer noch näher zu bestimmenden Art. In jeder Endplatte Rouget’s und Krause’s könne man zwei deutlich getrennte Schichten unterscheiden, eine trübe, granulirte, kernführende untere und eine helle, kernlose obere. Scheinbar kommen allerdings auch in der letzteren Kerne vor, doch gehören diese nicht ihr, sondern wie schon Krause richtig erkannt habe, der sackartigen Erweiterung der Schwann’schen Scheide an. Uebrigens seien diese Kerne von denen in der granulirten Masse ganz different und können sehr leicht von ihnen unterschieden wer- den. Beide Abtheilungen der genannten Endplatte seien scharf ge- trennt und lassen nirgend Uebergänge in einander erkennen, wenn- gleich sie auch sehr innig an einander haften. In die obere Abtheilung löse sich der Axencylinder des zuführenden Nerven auf, nachdem er sich wiederholt getheilt und dabei seine Markscheide verloren habe. Sie sei desshalb als die eigentliche nervöse Endplatte anzu- sehen, die wahre »Nervenendplatte« oder »motorische Ner- venplatte«, während der unteren Abtheilung nur die Bedeutung einer Basis oder »Sohle« des Nervenendes zukomme. Um Miss- verständnisse zu umgehen, nennt Kühne desshalb auch das ganze Gebilde nicht mit Rouget und Krause Endplatten, sondern 1) Kühne. Der Zusammenhang v. Nerv u. Muskelfaser. Virchow’s Arch. Bd. XXIX, p. 207 u. Ueber d. feineren Bau d. peripherischen Endorgane d. motor. Nerven. ibid. p. 483. 488 Dr. Rudolf Arndt: »Nervenhügel« und vindieirt ihm somit schon durch den Namen die Analogie mit dem Doyere’schen Hügel der Arthropodenmuskeln, welche es bald mehr, bald weniger auch durch seinen ganzen Bau bekundet. Ueher die Bedeutung der Sohle des Nervenhügels giebt Kühne keine bestimmten Erklärungen ab. Nie sah er Verbindungen zwi- schen ihr und Theilen der eigentlichen Muskelsubstanz bestehen. Dennoch ist er nicht abgeneigt, in ihr Reste eines für die Entwicke- lung des Muskel- und Nervengewebes gleich wichtigen Bildungs- materials anzuerkennen, das sonst noch in der Muskelsubstanz in den zerstreuten Kernen mit ihrem spärlichen Protoplasma ange- troffen wird. Die Entdeckungen Kühne’s wurden bestätigt, wurden bean- standet. Margo!) giebt an, wie Kühne gesehen zu haben, dass die Schwann’sche Scheide eines zu einem Muskelbündel tretenden Nerven mit dem Sarkolemma desselben verschmelze und dass der Nerv selbst in das Muskelbündel eintrete, hier aber nicht, wie Kühne angegeben, in eine besondere Endplatte übergehe, sondern sich in ein System von Kern- und Kornfasern verliere, das die ganze contraktile Substanz durchziehe und so gewissermassen diese mit dem Nerven in direkte Berührung bringe. Zuerst wollte er dies nur beim Frosch wahrgenommen haben, später aber auch bei den Arthropoden und somit in ziemlich weiter Verbreitung. Nach ihm machte ähnliche Angaben Engelmann?) und Moxon?°). Der Er- stere hatte anfänglich bei den Arthropoden überhaupt und dann ganz besonders bei Trichodes und einzelnen Raupen das Durchtreten des Nerven durch das Sarkolemma und seine Auflösung unter dem- selben in angegebener Weise gesehen, dabei aber zugleich seinen zwar allmähligen, doch unmittelbaren Uebergang in die contraktile Muskel- substanz selbst wahrgenommen und ausserdem noch im Doyere’schen 1) Margo. Ueber d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskel- substanz. Pest 1862. 2) Engelmann. Untersuchungen über d. Zusammenhang von Nerv u. Muskelfaser. Leipzig 1863. Arthropoden, p. 33 u. fl. — Ueber Endigung der motor. Nerven. Jenaische Zeitschr. I. 322 (Trichodes). — Zur Lehre v. d. Nervenendigung. ibid. IV, 307 (Raupen). 3) Moxon. Description of the peripheral termination ofa motor nerye. — Quarterly Journ. of microscop. scient. 1866 Octbr., p. 235. Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 489 Hügel eine blasse, glasige Masse erkannt, welche über der granu- lirten kernführenden Substanz lag, die von Kühne als alleiniger Inhalt desselben beschrieben worden war, und der letztere hatte in dem M. retractor antennae einer durchsichtigen Fliegenlarve das Neurilemma des zugehörigen Nerven mit dem Sarkolemma ver- schmelzen und den Axencylinder in eine helle Substanz übergehen sehen, welche nur an der Seite des Muskelinhaltes lag, an welcher jener eintrat. Und diese Thatsache war um so weniger anzugreifen, als man sehen konnte, wie der Muskel sich nur an der Seite zu- sammenzog, an welcher jene Masse nicht lag und wie er in Folge dessen sich auch nur nach jener Seite hin krümmte. Nach späteren Angaben Kühne’s wäre es aber sehr wohl möglich, diese glasige Masse in den Doyere’schen Hügeln als das Analogon der eigent- lichen Endplatte der Nervenhügel der Reptilien, Vögel und Säuger zu betrachten und damit wäre denn auch, was längst zu vermuthen gewesen, der Doyere’sche Hügel selbst thatsächlich dem Bau jener Nervenhügel vollständig entsprechend. Koelliker!) hingegen ist gewillt, die Sache anders aufzu- fassen. Er glaubt, dass nach Weissmann’s Untersuchungen die Arthropodenmuskeln nicht unbedingt den Wirbelthiermuskeln zu ver- gleichen und dass insbesondere die einzelnen Muskelfasern und das Sarkolemma jener nicht den gleichbenannten Theilen dieser an die Seite zu stellen seien. Die ersteren entsprechen vielmehr ganzen Bündeln dieser und der Inhalt eines Sarkolemmaschlauches somit einem schon zusammengesetzten Fascikel derselben. Das Eintreten des Nerven in den Muskel sei darum auch nur ein scheinbares und dürften somit namentlich auch Engelmann’s Beobachtungen an Trichodes, selbst wenn sie zugegeben werden müssten, vorläufig wenig- stens doch nicht zur Unterstützung der Ansichten von Rouget und Kühne zu verwerthen sein. Aehnlich sprachen sich danach auch Aeby, Peremeschko2), Krause?°), gestützt auf gewisse Vor- gänge während der Entwickelung aus und war es namentlich der letzte, der ausführte, dass bei den Muskeln der Arthropoden darin ein 1) Koelliker. Gewebelehre. 5. Aufl. 1867. p. 172. 2) Peremeschko. Die Entwickelung der quergestreiften Muskelfaser. Virchow’s Arch. Bd. 27. 3) Krause. Ueber die Endigungen d. Muskelnerven. Zeitschft. f. rat. Med. XVII, p. 136 u. ff. 490 Dr. Rudolf Arndt: anderer Modus herrschte, als bei denen der Wirbelthiere. Ihnen zugesellte sich Maddox!) und hob gewissermaassen im Gegensatze zu Moxon hervor, dass er bei einer Tipula -Larve wohl gesehen habe, dass der Nerv mittelst einer fächer- oder steigbügelartigen An- schwellung den Muskel umfasse und dabei seine Scheide mit der Mus- kelscheide sich innig verbände, dass aber keine direkte Berührung seiner Substanz mit der Muskelsubstanz irgendwie eintrete. In Betreff des Froschmuskels geschah Aehnliches. Fürs Erste blieb Margo der einzige Partisane Kühne’s. Zwar wurde die Art und Weise, wie Kühne die Nervenendigung beschrieben hatte, d.h. (die Auffaserung der markhaltigen Faser in eine sehr gestreckte, faserar- tig verzweigte Platte von allen Untersuchern bestätigt; allein darin, dass diese Platte unter dem Sarkolemma liegen sollte, wichen doch so manche von ihm ab. Die meiste Opposition machte auch hier wieder Koelliker?). Derselbe behauptete auf das bestimmteste, dass die ganze Endausbreitung des Nerven über dem Sarkolemma läge, und dass die sogenannten Endknospen Kerne der Schwann’- schen Scheide seien, weiche von dem betreffenden Nervenaste auf seine Zmeige übergegangen sei. Krause?) und Rouget*) stimm- ten dem vollständig bei und .erst später kamen Engelmann?), Waldeyer®) Letzerich’) und Cohnheim?°), welche für Kühne eintraten und die intramuskuläre Lage jener Faserplatte behaup- teten. Dabei jedoch glaubte Engelmann, dass derselben auch eine Sohle granulirter Substanz zukomme, durch welche sie in die contraktile Muskelsubstanz ohne Weiteres übergehe, und dass die sogenannten Endknospen nur ganz gewöhnliche Kerne seien, denen 1) Maddox. Proceeding of the Roy. Society, 1867, Nr. 94, p. 60. Nach Henle’s Referat in Zeitschft. f. rat. Medic. Bd. XXXII, p. 48. 2) Koelliker. Untersuch. über d. letzt. Endigungen d. Nerv. 1. Ueber d. Endigung d. Nerv. im Muskel d. Frosches. — Zeitschft. f. Zoolog. XI, p. 149. . 3) Krause. Bemerkungen über einige histiologische Controversen. Zeit- schrft. f. rat. Med. Bd. XV, p. 189. 4) Rouget I. c. 5) Engelmann. Untersuchungen über d. Zusammenhang u. s. w. 6) Waldeyerl.c. 7) Letzerich. Med. Centralbl. 1863, Nr. 37. 8) Cohnheim. Ueber Endigung d. Muskelnerven. Virchow’s Arch. Bd. 34 pag. 194. Untersuchung. üb. d. Endigungd. Nerven ind.quergestreiften Muskalfasern. 491 keine besondere Struktur weiter zukomme, ferner Waldeyer und Axel Key, dass, wie erwähnt, auch noch Endplatten existiren, und nur Cohnheim trat ihm unbedingt bei, indem er glaubte, seine Angaben in ihrem vollen Umfange vermittelst der Versilberungs- methode bestätigen zu können. Allein Krause litt das nicht. Nach einiger Zeit erhob er sich von Neuem und behauptete, auf erneute Untersuchungen !) gestützt, nach wie vor die Existenz extra- musculärer Endplatten und nunmehr in ihnen auch noch eine ter- minale Auffaserung des jeweiligen Axencylinders zu der scheinbar moleculären Masse, aus welchen sie grösstentheils gebildet werden. Beinahe dasselbe ereignete sich auch in Bezug auf die Nerven- hügel der Reptilien, der Vögel und Säuger. Während Engel- mann?), Waldeyer?), Letzerich?), Cohnheim?), zu denen in späterer Zeit auch noch Trinchese?) kam, mit Kühne und Ronuget dieselben unter das Sarkolemma verlegten, blieb Krause da- bei, dass sie über ihm liegen und Koelliker schloss sich ihm an. In- dessen alle die Autoren, welche Kühne noch hinsichtlich der Lage der Gebilde beigestimmt hatten, hatten doch noch nichts über ihre Struktur ausgesagt und gerade in diesem Punkte wurde letzterm von Vielen, die sonst noch seiner Meinung waren, die energischste Opposition gemacht. Zuerst erhoben sich Rouget und Krause und bald nach ihnen auch Koelliker*) und Engelmann) und erklärten, dass seine Endplatten Kunstprodukte oder cadaveröse Ge- rinnungen seien. Ja Rouget°) ging soweit zu behaupten, dass diese Platte mit der Nervenendigung gar nichts gemein hätte, sondern dass die alleinige und wahre Endigung des Nerven in der granulirten, kernführenden Substanz des Nervenhügels stattfinde 1) Krause. Ueber die Nervenendigung innerhalb der motor. Endplatten. Arch. f. Anat. u. Physiolog. 1868, p. 646. 2) Le. 3) Trinchese. Memoire sur la terminaison periphörique des nerfs mo- teurs dans la serie animale. Journ. de l’anatom. et de la physiolog. 1867, p. 485. 4) Koelliker. Gewebelehre. 5. Aufl. 1867, p. 172, 5) Engelmann. Zur Lehre v. d. Nervenendigung. Jenaische Zeitschft. IV, 307 u. £. 6) Rouget. Note sur la terminaison des nerfs moteurs chez les ver- tebres superieurs. Compt. rendu. 1864, Bd. LIX, p. 809 u. Note sur la ter- minaison des nerfs moteurs chez les erustaces et les insectes. ibid. p. 851. 492 Dr. Rudolf Arndt: und zwar indem sein Axencylylinder sich in diese auflöse. Später schränkte er zwar diese Behauptung wieder in Etwas ein, indem er für Insektenlarven und namentlich für Crustaceen angab, dass der Axencylinder des eingetretenen Nerven hier auch nicht einmal mit der granulösen Substanz etwas zu schaften habe, sondern sich in Fasern auflöse, welche jene nur durchsetzen, um direkt zur con- traktilen Substanz des Muskels selbst überzugehen; aber die End- platten als solche zugegeben hat er nicht. Engelmann!) und Krause?) kamen beinahe zu derselben Zeit auch zu solchen Re- sultaten, jener bei Raupen, dieser bei Wirbelthieren. Nach beiden soll nämlich der Axencylinder sich in die granulöse Substanz der Nervenhügel verlieren und diese zum grossen Theile aus fädigen Elementen, nach Krause sogar aus deutlichen, knopfförmig enden- den Fäden, sogenannten Terminalfäden, zusammengesetzt sein. Immer- hin blieb aber Krause dabei, dass das ganze Gebilde extramus- kulär sich befinde und unmittelbar mit dem Muskelinhalt nicht in Berührung käme, besonders, da auch Isolirungsversuche in starker Salzsäure ihm Beweise dafür in die Hand gegeben hätten. Die Sachen liegen demnach etwa so: die Nerven treten in die einzelnen Muskeln ein und lösen sich zwischen ihren Primitivfasern auf, welche, wie allgemein angenommen wird, sich vielfach theilen und auf die Muskelprimitivbündel übergehen, um an ihnen oder in ihnen zu enden. Allein wie das geschieht, darüber stehen sich zwei Hauptmeinungen schroff gegenüber. Nach Valentin, Emmert, Remak, Schaaffhausen und vornehmlich Beale umspinnen sie dieselben blos und enden auf ihnen in bald mehr, bald weniger lang gestreckten und in sich geschlossenen Netzen. Nach Doyere, Rouget, Krause, Kühne und deren Nachfolgern dagegen endi- gen sie lokal und zwar mit meist circumsceripten Anschwellungen den von Kühne als Doyere’sche Hügel resp. Nervenhügel bezeich- neten Endplatten von Rouget und Krause. Wo diese Anschwellungen aber liegen, steht unter ihren Ver- fechtern auch noch nicht fest. Rouget, Kühne, Engelmann, Waldeyer, Cohnheim, Letzerich, Trinchese halten ihre 1) Engelmann. Zur Lehre v. d. Nervenendigung. Jenaische Zeitschft. - IV, 307 u. ff. £ 2) Krause. Ueber d. Nervenendig. innerhalb d. motorisch. Endplatten, Arch. f. Anat. u. Physiolog. 1868 u. D. motorisch. Endplatten. Hanno ver 1869. Untersuchung. üb.d.Endigungd. Nerven in d. quergestreiftenMuskelfasern. 493 Lage für intramuskulär und geben ihnen dieselbe Bedeutung, wie den Endanschwellungen bei den hüllenlosen Nerven und Muskeln der Arctiscoiden. Krause, Koelliker dagegen sind der Mei- nung, dass sie extramuskulär liegen und mit der Muskelsubstanz direkt in gar keine Berührung kommen. In den Nervenhügeln neh- men Kühne und Cohnheim nun endlich die obere helle, glasige Masse, als eigentlichen Endapparat, die nervöse Endplatte an, und erkennen der unteren, kernführenden, granulösen Masse nur eine untergeordnete oder doch wenigstens zweifelhafte Rolle zu. Dagegen erklären alle anderen Beobachter, mit Ausnahme von Rouget, die Kühne’sche Endplatte für ein Kunstprodukt und sehen allein in der kernführenden granulösen Masse den Endapparat. Denn Rouget lässt ja den Axencylinder nach seiner Auflösung diese Masse nur einfach durchsetzen und sich erst hinter ihr, in der contraktilen Substanz, ganz unmittelbar ausbreiten. Ausserdem haben Reichert!), Koelliker?) und Krause?°) noch Muskelnerven beschrieben, welche zweifelhaft enden. Es sind dies theils feine, blasse, marklose, theils feine, markhaltige Fasern und wurden für Gefässnerven und sensible Nerven gehalten. Nach Koelliker gehen die letzteren wenigstens stellenweise Verbindun- gen ein; nicht selten scheinen sie aber auch mit freien Enden, nach- dem sie, wie schon Reichert angegeben, ganz wo anders hin ver- laufen sind, aufzuhören. Aehnliche oder vielmehr blos entsprechende Nerven sind auch von Greeff*) bei den Arctiscoiden beschrieben worden. Es treten dieselben als feine Fäden von den Hauptstämm- chen ab und verlieren sich, feiner und feiner geworden, in den Ge- weben, ohne dass dies gerade Muskeln zu sein brauchen. Die Valentin-Remak-Beale’schen Ansichten stehen zur Zeit ganz verlassen da. Man hat ihren Grund in Verwechselung mit elasti- schen Fasern und Bindegewebsfasern gesucht. Die Krause-Koelliker’- schen Ansichten erfreuen sich zur Zeit auch keines grossen Anhanges. Man hat sie auf fehlerhafte Präparationsmethoden zurückgeführt. Die Margo’schen Angaben sind sogar halb und halb verlacht wor- 1) Reichert. 1.c. p. 63—66. 2) Koelliker. Gewebelehre. 5. Aufl. 1867, p. 169 u. 173. 3) Krause. Ueber d. Endigung d. Muskelnerven. Zeitschrft. f. rat. Med. Bd. XVII, p. 151—152. 4) Greeff. Ueber d., Nervensystem d. Bärenthierchen. 1. e. p. 121--122. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 9, 32 494 Dr. Rudolf Arndt: den. Sie ordneten sich zu wenig der herrschenden Schule und Ausdrucksweise unter. Am meisten en vogue sind die von Kühne und seinen Anhängern. Nichtsdestoweniger kann ich die erstge- nannten Ansichten doch nicht als ganz irrig ansehen und ebenso die zweit angeführten als unbegründet mit zurückweisen. Auch die Margo’schen kann ich nicht in toto mit verdammen. Ich kann aber auch ebenso wenig die zuletzt erwähnten ganz unbedingt gelten lassen. Alle drei Ansichten haben ihre Berechtigung, weil für sie alle positive Unterlagen zu finden sind, und daraus folgt wieder, dass keine allein Geltung hat, ganz abgesehen davon, dass unter den Vertretern der letzten, die, wie gesagt, sich der meisten An- känger erfreut, auch noch manche Abweichungen herrschen und jede einzelne derselben noch sehr der Vervollständigung bedarf. Ich gebe im Nachstehenden die Resultate meiner eigenen Unter- suchungen, und wenn auch überzeugt, dass gar manches derselben ebenfalls noch der Vervollständigung und Berichtigung bedürien wird, glaube ich doch durch dieselben sowohl manche Lücke zu füllen, welche bis jetzt noch vorhanden gewesen, als auch manch neuen Baustein zu liefern, auf oder mit dem zur weiteren Erkennt- niss des fraglichen Verhältnisses fortgearbeitet werden kann. Wenn man Muskeln von Fliegen (Muscidae) untersucht, welcher Gattung dieselben auch angehören mögen, so wird man neben man- chen Verschiedenheiten doch auch sehr viel Gemeinsames finden. Wer- den dieselben möglichst frisch dem dem Inneren des Thorax einge- fügten Gelenkende der Beine entnommen und so rasch als möglich isolirt, was jedoch immer einen Zeitaufwand von einigen Minuten in Anspruch nimmt und bei aller Dexterität nicht im Handumdrehen zu machen ist, so zeigen sie in einer Kochsalzlösung von 1°/, bei ca. 500maliger Vergrösserung besehen, eine sehr deutliche , breite Querstreifung, aber nur eine sehr schwache und feine Längsstrei- fung. Die meisten von ihnen zeigen dunkle, axiale Bänder von Kernen und körniger Masse, manche bei veränderter Einstellung auch noch laterale Bänder, so dass sie durch dieselben wie in Pa- rallelstreifen abgetheilt erscheinen, und nur äusserst wenige scheinen ganz ohne dieselben zu sein. Es sind das immer, wenn ich mich Untersuchung.üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 495 nicht getäuscht habe, die schmalsten und dünnsten Bündel, während, wie das auf der Hand liegt, die mit mehreren Bändern ausgestatteten die breitesten und dicksten sind, so dass die ganze Einrichtung aller Wahrscheinlichkeit nach auf blosse Wachsthumsverhältnisse, viel- leicht auf die Weissmann’sche Theilung zu beziehen ist. Die Kerne der erwähnten Bänder sind von verschiedener Grösse und Form, bald mehr länglich, bald mehr rundlich, blass, und so- weit ich selbst nach Anwendung von Liqu. Kali caustic. gesehen habe, stets mit mehreren Kernkörperchen versehen. Sie liegen in die erwähnte körnige Masse unregelmässig eingebettet, hier sparsam und zerstreut, dort zu Häufchen von drei, vier, fünf und darüber. Die körnige Masse aber besteht aus zwei deutlich trennbaren Ele- menten, grösseren, bläschenförmigen Körperchen und kleineren, mehr solid erscheinenden Kügelchen oder Körnchen. Sie beide scheint aber noch eine mehr flüssige, hie und da, wie es in aufgerissenen Muskeln den Anschein hat, fädige Substanz unter einander zu ver- binden und diese scheint selbst da noch vorhanden zu sein, wo für gewöhnlich keine Kerne und Körnchen mehr zu sehen sind, d. i. zwischen den einzelnen Fibrillen. Die Kerne und die sie einhüllenden Massen gehören nach den gang und gäben Auffassungen zusammen und stehen in dem Ver- hältniss‘° von Zellenelementen, von Kern und Protoplasma zu einander. Nicht an Fliegen-, aber an andern Insekten-, an Käfer- und Raupen-Muskeln habe ich mich auf das Unzweideutigste über- zeugen können, dass dies bis zu einem gewissen Grade auch wirk- lich der Fall ist, da ich in ihnen immer einzelne Kerne gefunden habe, die, aus ihren Verbindungen herausgelöst, von Protoplasma- theilchen umgeben waren, welche den intramuskulären Massen an- gehört hatten. Eine andere Frage aber ist die: sind alle diese Kerne gleichwerthig und sind alle Körper, welche zwischen ihnen liegen und ihr Protoplasma auszumachen scheinen, thatsächlich auch Elemente desselben, oder befinden sich nicht daneben auch noch Stoffe ganz heterogener Art, die blos ihrer delikaten Natur wegen "wir nicht unterscheiden können, die wir aber als anwesend voraus- setzen müssen, wenn wir auch nur ganz gelegentlich einmal einen Blick auf die physiologischen Vorgänge im Muskel werfen? Von den meisten Autoren werden diese Kerne mit der dazu ge- hörigen Zwischensubstanz für Ueberreste des Muskelbildungsmate- riales gehalten. Kühne hält sie für Ueberreste des Bildungs- 496 Dr. Rudolf Arndt: materiales der Muskel- und Muskelnervensubstanz, lässt es indessen dahin gestellt sein, ob diese schon in der Anlage getrennt seien, oder ob dieselben sich erst später differenziren. Nach andern Au- toren bewegt sich in den Räumen, wo die Kerne liegen, auch der Ernährungssaft des Muskelbündels, und wie viel diesem von der Zwischensubstanz angehört und welche Formen auf sein Conto zu schreiben sind, das ist noch ganz ungewiss. Dass aber dieser Saft nicht gleichgültig ist für die Erscheinungsweise des Muskels, das geht daraus hervor, dass Muskeln eines gehetzten, ausgehungerten oder längst gestorbenen Thieres ganz anders aussehen, als die eines ruhig gehaltenen, gut genährten oder eben erst getödteten. Ich finde auch einen Unterschied in den Muskeln curarisirter und strychninisirter Thiere, will aber nicht näher darauf eingehen, weil die Angelegenheit nicht nothwendig hierher gehört. Jedenfalls aber wollen wir festhalten, dass die Kerne mit ihrer Zwischensubstanz nicht Körper ein und derselben Kategorie sind, sondern, dass Kör- per verschiedenen Charakters zu der grossen Masse, welche sie bilden, sich vereinigt haben, wenn wir zur Zeit auch noch ausser Stande sind, durch das Mikroskop ihre Verschiedenheiten nach- zuweisen. Wenn man nun solche mit Kernen und Körnchen reichlich aus- gestatteten Muskelbündel genauer besieht, zumal bei abgedämpftem Lichte, und nachdem: man sie vielleicht noch mit !/3%, Essigsäure oder Yıo—!/s'/o Salzsäurelösung behandelt hat, wodurch sie sich sehr langsam und nur wenig klären, so entdeckt man ausser den beschriebenen Reiher von Kernen und Körnchen in ihnen neben einer Menge vereinzelter Kerne auch noch eine ganze Anzahl anderer Kernreihen. Dieselben sind aber viel kürzer, liegen anscheinend zwischen oder neben den Hauptreihen, sind aber bald deutlicher, bald weniger deutlich zu sehen und demnach in verschiedener Tiefe gelegen. Sie haben mit den Hauptreihen bald dieselbe Richtung, bald schlagen sie eine mehr schräge ein, oder erscheinen auch hie . und da einmal ziemlich quergestellt. Alle diese Kern- und Körn- chenreihen, welche der Kürze wegen hinfüro schlechtweg als Kern- reihen bezeichnet werden sollen, scheinen danach vielfach unter einander verbunden zu sein und ein Netz darzustellen, welches das Muskelbündel in allen Tiefen und nach allen Richtungen durchzieht und seine Primitivfasern mittelst der mehr flüssigen Bestandtheile unter einander in Connex bringt. Dass etwas ganz Gleiches, wenn Untersuchung. üb.d. Endigung.d. Nerven in d.quergestreiften Muskelfasern. 497 auch nicht so in die Augen springend, auch bei den weniger kern- und körnchenreichen Muskeln vor sich geht, davon kann man sich durch sorgfältige und wiederholte Betrachtung derselben überzeugen. Dass das Nämliche endlich aber auch bei denen geschehen muss, welche ohne alle solche Bestandtheile zu sein scheinen, liegt auf der Hand, wenn es auch noch nicht gerade strikte zu erweisen ist. Es werden sich hier, wie in den meisten Fällen, wo man genauer zusieht, nur erst vereinzelte Kerne finden und aus diesen dann jene Reihen sich bilden, welche, wie erwähnt, mit dem Wachsthum d. i. der Vermehrung der Primitivfaser in Zusammenhang stehen. Für die uns beschäftigenden Untersuchungen sind die anschei- nend kernlosen, dünnen, blassen Fasern als wahrscheinlich unfertige Gebilde ganz unbrauchbar. Die geeignetsten sind die dicken, breiten Muskeln mit zahlreichen Kernreihen. An sie wollen wir uns dess- halb auch vornehmlich halten. Wenn man an ausgewählten Muskelbündeln nach dem Nerven- eintritt sucht, wird man nach einigem Zeitaufwande und einiger Ge- duld immer etwelche finden, an denen er in überraschender Klarheit zur Anschauung kommt, und wenn man sich das Charakteristische der Erscheinung eingeprägt hat, wird man danach, mit zu Hülfe- nahme einiger Deutung, ihn in minder bestimmter Weise an einer unverhältnissmässig viel grösseren Anzahl auch noch zu sehen be- kommen, aber vergebens ihn bei allen suchen. Es existiren da Verschiedenheiten, auf die Kühne schon aufmerksam gemacht hat, die aber noch nicht im Geringsten erklärt sind und zu deren Er- klärung ich für jetzt auch nicht viel beitragen kann. Nachdem sich der betreffende Nerv in mehrfache Aeste getheilt hat, sieht man den einen oder den anderen dieser letzteren mit einer Anschwellung von wechselnder Gestalt und Grösse bald in Form einer Knospe oder einer phrygischen Mütze, eines Kegels oder auch bloss einer Papel, eines kaum bemerkharen Knötchens an den Muskel heran- treten. Dabei geht der äusserste Contour des Nerven in den äusser- sten Contour des Muskels über, d. h. wenn es vorhanden ist, sein Neurilemma in das Sarkolemma dieses. Doch bin ich nicht sicher, ob diese beide Häutchen immer gegeben sind, oder ob nicht sehr oft auf eine andere Weise, namentlich Leydig’s Cuticularbildung, der Zusammenhalt des Muskelbündels bewerkstelligt wird. — In- dessen das soll nur eine ganz gelegentliche Bemerkung sein, auf die ich hierbei kein grosses Gewicht legen will, die aber, sollte sie sich 498 Dr. Rudolf Arndt: noch mehr bewahrheiten, die Verhältnisse ganz denen anpassen würden, welche uns Doyere und Greeff von den Arctiscoiden kennen gelehrt haben, trotzdem hier quergestreifte Muskelfasern vorhanden sind. Aber auch wenn wir dieses noch zweifelhafte Factum nicht annehmen und an der herrschenden Lehre, dass jedes quergestreifte Muskelbündel ein Sarkolemma und jeder zu einem solchen tretende Nerv sein Neurilemma, die bekannte Schwann’sche Scheide habe, was ja gerade für die von uns ausgewählten Muskeln und Nerven auch kaum zu bezweifeln sein dürfte, so kommen wir doch zu ganz denselben Resultaten. Denn wenn, da der äusserste Contour des Nerven in den äussersten Contour des Muskelbündels ohne jede Unterbrechung übergeht, wie sie doch durch eine mehr oder weniger deutliche kreisförmige, elliptische oder sonst wie in sich zurück- kehrende Linie angedeutet sein müsste, was aber durchaus nicht der Fall ist, mag man auch dazu thun, was man wolle, z. B. durch Säuren oder Alkalien das Muskelbündel erst zum Quellen und dann wieder zum Schrumpfen bringen, so folgt daraus, dass eben das Neurilemma, die Schwann’sche Scheide, in das Sarkolemma über- geht und der Axeneylinder, welcher in die beschriebene Anschwel- lung übergeht, in den Sarkolemmaschlauch eindringt und somit an dem Inhalte desselben, der Muskelsubstanz, endet. Wir kommen damit zu denselben Resultaten, zu denen Kühne gekommen ist, dass nämlich, indem der Nerv an das Muskelbündel herantritt, sein Neurilemma in das Sarkolemma dieses übergeht und sein Axen- cylinder sich in einer Anschwellung verliert, welche unter dem Sar- kolemma, also intramuskulär, gelegen ist und die er eben den Doyere’ a Hügel genannt hat. Allein ausser dieser Endigungsweise Errahnee Nervenäste wird man bei sorgfältiger Nachforschung noch eine andere entdecken, wenn man nämlich von ihr als einer solchen reden will. Einzelne sehr feine Fädchen nämlich, welche sich von dem Hauptstamme ge- trennt haben, treten an das Muskelbündel heran und verlieren sich an ihm, ohne dass es möglich wäre, zu erkennen, wie? So viel aber, glaube ich, lässt sich doch sagen, dass etliche ihrer in querer Richtung aber vorerst unregelmässig über dasselbe Bündel hinlaufen und es stellenweise so zusammenschnüren, dass namentlich nach Was- serzusatz oder Behandlung mit sehr verdünnten Säuren es varikös erscheint. Dass Tracheen, die hierbei eine Rolle spielen könnten, mir keinen Streich gespielt haben, darüber glaube ich mich, soweit Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d.quergestreiften Muskelfasern. 499 es bei diesen subtilen Objeeten möglich ist, vergewissert zu haben. Ich glaube desshalb, dass ausser den Doyere’schen Hügeln es auch noch eine zweite Art der Nervendigung im Muskelbündel der Flie- gen gebe, die vorläufig allerdings nicht näher bestimmt werden kann, die aber allem Anscheine nach nicht innerhalb, sondern aus- serhalb desselben d. i. auf seiner Oberfläche erfolgt. Was nun aber den Doyere’schen Hügel im Besonderen betrifft, so wird man denselben immer von einer lichten Masse und wenig- stens einem mit mehreren Kernkörperchen ausgestatteten Kerne er- füllt finden. Die lichte Masse hat ein ziemlich homogenes, allenfalls etwas körniges Aussehen. Hie und da ist sie leicht opalisirend und immer nimmt sie den obersten Theil des Hügels ein, zieht sich aber bisweilen von ihm aus über der contraktilen Substanz noch eine mehr oder minder erhebliche Strecke weit an der Oberfläche resp. dicht unter dem Sarkolemma hin. Der Kern liegt stets am Fusse des Hügels und um ihn herum, sowie unter ihm liegen dann weitere Kerne. Dieselben sind in den tieferen Partien zu Reihen ange- ordnet und durchsetzen die Muskelsubstanz in querer oder schräger Richtung, um mit den im Inneren derselben verlaufenden Kern- reihen in Verbindung zu treten. Kurzum es verhält sich im grossen Ganzen ebenfalls, wie Kühne angegeben hat, nur dass ich noch immer in dem Hügel jene ziemlich homogene Masse an seiner Spitze angehäuft finde, welche Kühne selbst zwar nicht gesehen hat, aber nach den in dieser Beziehung bereits von Engelmann ge- machten Angaben, als doch nicht unwahrscheinlich zugiebt. — Welcher Natur diese Substanz ist, wage ich nicht zu entscheiden. Sie ist, wofür auch Engelmann’s Angaben sprechen, ausserordent- lich quellungsfähig. Schon in 1°/, Kochsalzlösung bläht sie sich etwas auf, vielmehr aber auf Zusatz von Säuren oder Alkalien, und sind desshalb diese Ingredienzien sehr geeignet, in zweifelhaften Fällen die Anwesenheit des Doyere’schen Hügels überhaupt zu er- weisen. Nach Kühne’s anderweitigen Ansichten würde sie die eigentliche Endausbreitung des Axencylinders darstellen; allein da sie sich nach Anwendung von Säuren oder Alkalien auch in den tieferen Schichten des Hügels zeigt und zwar der Art, dass, wie ebenfalls schon Engelmann angegeben hat, die vorhandenen Kerne wenigstens zum Theil von ihr umgeben erscheinen, so dürfte sie doch mit diesen in einem innigeren Zusammenhange stehen , als nach jener Ansicht es möglich wäre. In einem Falle hatte ich Ge- 500 Dr. Rudolf Arndt: legenheit, das Aufplatzen eines Doyere’schen Hügels und das Aus- treten seines Inhaltes zu beobachten. Mit diesem kam auch ein Kern heraus. Derselbe war auch scharf contourirt, hatte ein ein- ziges sehr deutliches Kernkörperchen und war in eine ovale, aber undeutlich begrenzte, mattgraue und wie mit Pünktchen bedeckte Masse eingebettet. Von derselben ging ein kurzer, dieker Faden ab und verband sie mit einer gleich aussehenden und ähnlich ge- bildeten Masse, in der aber ein nur sehr undeutlich erkennbarer Kern lag (Fig. 1 a.). Ich bin desshalb geneigt, die fragliche Masse als einen Theil der internuclearen Substanz, welche wir oben näher betrachtet haben, anzusehen und sie als einen Theil des Proto- plasmas aufzufassen, das den Kernen des Doyere’schen Hügels eigen ist. Durch dieses Protoplasma verbinden sich danach überhaupt die Kerne unter einander und geschieht auch endlich der Contakt mit der eigentlichen Muskelsubstanz. Dabei ist aber gar nicht gesagt, dass alle Kerne, die in einem Muskelbündel vorkommen, auch noth- wendig zu einander gehören und damit Elemente der nervösen Be- standtheile des Muskels seien, sondern dass nur einem Theile der- selben diese Qualität zukomme, ebenso wenig, wie wir das von den übrigen interstitiellen Massen, den Bläschen, Körnchen und den mehr flüssigen Substanzen behauptet haben, von welchen wir sahen, dass ein Theil wohl sogar als ein in seiner Zusammensetzung wohl sehr verschiedenes Material, nämlich Ernährungsmaterial, wird an- gesehen werden müssen. Vermöge der zuletzt angegebenen Eigenschaften des Doyere’- schen Hügels ist er auch da noch aufzufinden, wo sonst die Ver- hältnisse seinem Erscheinen nicht günstig sind. Die Formen, unter denen er sich nach unserer oben gegebenen Darstellung zeigen soll, hat er nur, wenn er gerade am Rande eines Muskelbündels liegt. Das ist aber keinesweges, wie man sich schon denken kann, so überaus häufig. Das einzelne Muskelbündel müsste ja dann von ihnen beinahe übersäet sein und gegentheilige Angaben halte ich geradezu für irrig. Sie sind wahrscheinlich hervorgegangen aus einer Verwechselung der Doyere’schen Hügel mit buckelförmigen Hervorragungen des Muskelrandes, bedingt durch Einschnürung von Seiten sehr feiner Tracheen oder oberflächlich verlaufender Nerven- fasern. Bei Weitem am häufigsten liegen die Hügel gerade über oder gerade unter dem Muskelbündel und da verräth meist nur ein hellerer, gewöhnlich kreisrunder Fleck, der halbmondförmig von Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 501 einem dunkleren Rande eingefasst wird und in seinem Inneren einen Kern enkennen lässt, seine Anwesenheit (Fig. 1 «). Bisweilen kann man auch noch den zuführenden Nerven erkennen, aber selten ist dies wenigstens für mich der Fall gewesen. Der helle Fleck ist der Ausdruck der lichten Masse, welche den oberen Theil des Doyere’- schen Hügels ausfüllt, der halbmondförmig, ihn umgebende Rand ist der Contour seines Längsschnittes und dass darüber kein Zweifel bleibt, lehrt eben, wenn das Glück gut ist, der zutretende Nerv, dessen Ränder in diesen Contour übergehen und damit das ganze Gebilde als eine Falte erkennen lassen, in der die Nervenmasse steckt (Fig. 4 A. f.). | Ganz ähnlich den Verhältnissen bei den Muscidae liegen auch die bei den übrigen Insekten. Doch kommen je nach den Klassen, Familien und selbst Gattungen auch eine Menge Verschiedenheiten vor und müssen diese berücksichtigt werden, wenn überhaupt die vorliegende Frage zur Lösung gebracht werden soli. Sehr wenig geeignet zu ihrer Entscheidung fand ich aus der Klasse der Dipteren die Cuculidae und Tipulidae, weil dieselben so leicht zerfliessliche Muskeln haben, dass schon die einfache Isolirung in 1°/, Kochsalzlösung sie in ihre sonst starren Primitivfasern und eine Menge interstitieller Körnchen zerfliessen macht. Ganz das- selbe fand ich auch bei den von mir untersuchten Neuropteren, Ephemera und Hemerobius. Um sie einigermassen handhaben zu können, musste ich concentrirtes Zuckerwasser oder, was noch besser war, Hühnereiweiss nehmen. Ersteres aber wirkte auch schon nach kurzer Zeit sehr verändernd ein, und bei letzterem ist überhaupt der Uebelstand vorhanden, dass man es nicht immer zur Hand hat. Etwas Zuverlässiges erreicht aber habe ich weder durch die eile noch durch die andere Behandlungsweise. — Ueberaus ab- weichend von den übrigen Insektenmuskeln fand ich die von Scolo- pendra. Sie neigten ganz und gar zu den Eigenthümlichkeiten derer der Crustaceen hin, und sollen desshalb auch bei diesen noch ihre besondere Erwähnung finden. Es war das um so merkwürdi- ger, als die Muskeln des nahe verwandten Julus nichts davon zeigten, sondern vollständig den Typus derer der Insekten bewahrt hielten. — Sehr auffallend ist, wie man sich das freilich von vorn- herein denken kann, das Verhältniss der Muskeln der Larven zu denen des ausgebildeten Insektes; doch dürfte auch gerade durch dieses mancher wesentliche Beitrag zur Klärung der ganzen Frage 502 Dr. Rudolf Arndt: überhaupt geliefert werden. Endlich macht sich sehr bemerkbar der Unterschied zwischenden Thorax-und Gliedermuskeln ; doch ist derselbe durchaus nicht so gross, als manche Autoren behauptet haben und bei sorgfältiger Beobachtung wird man, wie verschieden sie auch auf den ersten Anblick aussehen mögen, dennoch dahin kommen, dass sie ganz nach demselben Typus gebaut und denselben Ver- hältnissen, wenn auch in etwas anderer Weise und Vertheilung unterstellt sind. In den Muskeln mancher Hymenopteren, Sirex, Vespa (Crabro), Apis, Bombus, sowie mancher Lepidopteren, Vanessa, Pontia, Li- paris, Zerene kam es mir vor, als ob die Kerne nur sparsam wären und die interstitiellen Bläschen und Körnchen ganz und gar über- wögen. Sehr oft schienen sie allein die Zwischenräume zwischen den einzelnen Fibrillen auszufüllen und kaum noch Raum für einen einzigen Kern zu lassen. Dennoch habe ich mich von dem steten Vorkommen dieser letzteren bei genauer Durchsicht selbst in den Thoraxmuskeln überzeugen können und glaube, dass man allerdings bei der einen Gattung öfter, bei der anderen weniger oft, bei dem einen Thiere leichter, bei dem anderen schwerer, namentlich aber in aufgerissenen Muskeln zwischen den Fasern hier und da immer etwelche wird finden können. Das Alter der Thiere und ihr Ver- halten in der letzten Zeit sind dafür vielleicht nicht ohne Belang. Diese eben erwähnten Kerne sind nun stets rundlich, blass, von Protoplasma umgeben und mit 2—3 eder noch mehr Kernkörper- chen ausgestattet und liegen bald mehr, bald weniger zerstreut zwi- schen den interstitiellen Körnern in allen Tiefen des Muskels. Bei anderen Hymenopteren und Lepidopteren, z. B. den Myr- micidae und Tineidae traten dagegen die Kerne viel zahlreicher hervor, und wenn man auch immer noch sagen musste, dass im Allgemeinen die Körnchen und Bläschen vorherrschten, so lagen sie doch hie und da sogar gehäuft. Wenn auch nicht gerade in so deutlichen, fast perlschnurartigen Reihen, wie bei den Fliegen, so lagen sie doch auch nicht selten zu 4 und 6 hinter einander. Die Kerne aber waren sehr klein, im Uebrigen jedoch denen anderer Thiere ganz analog, blass, rundlich, oft von Protoplasma deutlich umgeben und stets mit mehreren Kernkörperchen ausgerüstet. Bei den Coleopteren überwiegen dagegen im Ganzen wieder die Kerne über die Körnchen und deren Begleiter, die Bläschen; ja sie treten manchmal, wie bei den Fliegen, dicht gedrängt als auffälligster Untersuchung. üb. d. Endigungd.Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 503 Bestandtheil der axialen nnd paraxialen Reihen auf. Doch kommt mitunter auch das Gegentheil vor und die Kerne müssen gesucht werden. Dieselben — untersucht wurden Carabus, Amara, Geo- trupes, Rhagium — sind verhältnissmässig gross, aber wie bei den früher genannten Gattungen anderer Familien blass, doch ebenfalls stets mit mehreren Kernkörperchen versehen und von Protoplasma umgeben (Fig. 2 a.). Letzteres scheint oft mit dem eines benach- barten Kernes verschmolzen zu sein und leicht mit einer Materie zu verkleben, welche die einzelnen Primitivfasern des Muskelbündels umhüllt und insbesondere nach der Behandlung mit Gold auf den- selben als ein schwärzlicher, krümlicher Niederschlag erscheint, in- dessen auch schon im einfachen Serum- oder Kochsalz- (1%) Prä- parate zur Beobachtung kommt. Es isoliren sich nämlich in diesen die Primitivfasern in grosser Vollkommenheit und lassen zwischen sich die beschriebenen Körnchen und Bläschen (?) in grosser Menge frei werden, aber mit ihnen auch eine ‘mehr zusammenhängende, beinahe körnig-faserige Masse und die erwähnten Kerne, welche vielfach mit ihr zusammenhängen. Schon unter gewöhnlichen Ver- hältnissen sieht man diese letzteren beiden vielfach den Fibrillen anhaften, noch bestimmter aber beobachtet man dies nach Zusatz von Essigsäure. Die körnig-faserige Masse wird danach deutlicher. Die Kerne treten schärfer hervor und zeigen sich selbst da noch, wo man vorher kaum einen Schatten von ihnen entdeckte, und ohne dass man einen eigentlichen Niederschlag auf die Fibrillen wahrge- nommen hätte, erscheinen diese nunmehr bisweilen wie von einem Mantel von Krümeln und Fädchen bedeckt, denen je nachdem, hier häufiger, dort sparsamer die Körnchen und Kerne anhaften (Fig. 2 b. und c.). Diese krümlich-fädige oder körnig-faserige Masse, welche allem Anscheine nach ein Gerinnungsprodukt ist, kommt am häufigsten in den Muskeln vor, welche sich durch einen Mangel an Kernen und einen Reichthum an Körnchen und Bläschen auszeichnen. Sie ist desshalb auch ganz besonders verbreitet in den Thorax-Muskeln und macht zeitweilig deren Primitivfasern ganz rauh aussehen. Welche Bedeutung sie hat, ist völlig unbekannt ; aber nicht gleichgültig ist dass sie einen Theil der internucleären Substanz hildet und als solehe mit den Fibrillen in der innigsten Berührung steht. Selbst- verständlich ist diese Masse .nicht bloss ein Attribut der Käfer- muskeln, sondern kommt auch den Muskeln der übrigen Insekten zu. 504 Dr. Rudolf Arndt: Sehr entwickelt traf ich sie unter anderen bei den grösseren Hy-. menopteren und Lepidopteren. Sie ist aber wohl überall vorhanden. Der Nerveneintritt in den Muskel ist bei den meisten ausge- bildeten Insekten nur sehr schwer zu erkennen. Die letzten Nerven- äste sind bei ihnen ausserordentlich zart und fein und werden desshalb leicht übersehen, zumal die Tracheen sich als sehr störende Elemente zwischen sie mengen. Dazu kommt, dass die Muskeln, besonders des Thorax grösserer Thiere, da sie aus dicken, derben Primitivfasern zusammengesetzt sind, sehr dunkel aussehen und nur wenig in ihrem Inneren erkennen lassen, dass ferner der Doyere’- sche Hügel selten stärker entwickelt ist, meist ganz flach erscheint und erst nach Zusatz von Reagentien sichtbar wird, dass endlich noch derselbe zumeist dicht neben dem Eintritte der weiten und schwärzer gefärbten Tracheen in den Muskel liegt und desshalb öfters vollständig durch diese verdeckt wird, so dass er erst nach mannigfachen Manipulationen, Druck auf das Deckgläschen, Ver- schieben des Deckgläschens u. dgl. m., was Alles aber dem Präpa- rate nicht günstig ist, zu Gesichte kommt. Doyere’sche Hügel, so gross und auffällig, wie die von den Fliegen gezeichneten (Fig. 1), kommen nur ausnahmsweise vor und habe ich nur bei Fliegen, ver- einzelt bei Bienen und Hummeln gefunden, allenfalls, wenn man die übrigen Verhältnisse berücksichtigt, auch noch bei den Ameisen. Sehr erleichtert jedoch wird das Auffinden der Doyere’schen Hügel durch das Contraktionsphänomen des Muskelbündels. Denn dieses kommt immer zuerst in der Nähe desselben zu Stande, ja bleibt eine Zeit lang nach dem Tode nur auf diese beschränkt und bewirkt dadurch, dass man in ein und demselben Bündel contra- hirte dunkle Stellen mit relaxirten hellen abwechseln sieht. Wenn man nun in einer der contrahirten Stellen genau nachspäht, viel- leicht dabei noch auf die verschiedenen Verhältnisse besonders Acht giebt, wird man auch wohl immer den Doyere’schen Hügel und an ihm haftend ein freies Fädchen, den Nerven, finden. Ganz besonders deutlich zeigten mir dies die Muskeln von Geotrupes und Ypono- meuta, da dieselben über eine viertel Stunde nach dem Tode noch Contraktionen machten und selbst noch nach Zusatz von Salz- und Essigsäure sie über mehrere Minuten hinaus fortsetzten, obgleich sie selbst sich bereits sehr geklärt hatten und ihre Kerne wenig- stens dem grössten Theile nach schon sehr zusammengeschrumpft waren. Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in.d. querstreiften Muskelfasern. 505 Nicht selten indessen passirt es trotz alles Bemühens, dass man dennoch zu keinem rechten Resultate gelangt. Der Doyeresche Hügel ist aldann ungemein klein, kaum durch eine Hervorragung markirt und der zuführende Nerv so dünn und schmächtig oder so merk- würdig verästelt, dass man über seine Natur nicht ins Klare zu kommen vermag. (Fig. 3a u. 4A a u. b.) Man ist und bleibt un- entschieden darüber, ob man es mit feinsten Trachealverästelungen (3b 4A ce u. d), oder mit den nervösen Endapparaten zu thun hat. In solchen Fällen hat mir die Behandlung des Präparates mit Chlor- goldnatrium und Essigsäure gute Dienste geleistet. Nachdem eine diluirte Lösung jenes eine viertel oder halbe Stunde eingewirkt hatte, wurde Essigsäure zugesetzt. Die bereits röthlich gefärbten Muskel- fasern quollen danach mächtig auf, weil wegen der kurzen Ein- wirkung des Chlorgoldes noch keine Härtung stattgefunden hatte, und die interfibrillären Kerne und körnigen Massen erschienen um so schärfer, als sie sich bereits mit bräunlichen oder schwärzlichen Krümeln des reducirten Goldes imprägnirt hatten. Die axialen und paraxialen Kernreihen schienen danach in tiefen breiten Spalten zu liegen und die vereinzelten Kerne machten den Eindruck, als ob sie in strahligen Hohlräumen sich befänden, welche öfters unter ein- ander kommunicirten und hie und da auch mit den Längsspalten in’ Verbindung ständen. Die zweifelhaften Nervenendapparate aber hoben sich jetzt auch deutlich ab und dort, wo vorher kaum eine Spur von Hervorragung zu bemerken gewesen, da trat jetzt ein deutlicher Kegel, eine grössere Kuppe zu Tage. In dieser lagen dann ein oder mehrere Kerne und um sie eine von dunkeln Krümeln durch- setzte Masse, das von reducirtem Golde impragnirte, sonst mehr hyalin erscheinende Protoplasma derselben. Kernreihen in mehr querer oder mehr schräger Richtung verbanden den Doyereschen Hügel mit den im Inneren des Muskels vorhandenen Kernen und so kam selbst unter schwierigen Verhältnissen noch ein Bild zur Erscheinung, das sonst nur in den gelungensten Präparaten gefunden wurde. (Fig. 4 A u. B.) Zu bemerken ist noch dabei, dass die zuführenden Nerven durch das Gold in so kurzer Zeit kaum verändert werden. Sie unterschei- den sich darum nur wenig von den feinsten Tracheen, und Ver- wechselungen mit denselben sind fortwährend möglich. Die feinsten Tracheen treten aber gleich dichotom sich theilend in den Muskel ein und wiederholen diese Theilung in ihm, sind trotz aller Zartheit 506 Dr. Rudolf Arndt: doch immer starrer als die Nerven und haben deshalb an ihren Endigungen, welche meistentheils in der Nähe der Kernreihen er- folgen, etwas Wimperartiges. (Fig. 3b u. &c u. d.) Die Nerven hingegen verlieren sich bereits an der Muskeloberfläche, und was sie ganz besonders charakterisirt, immer in der Nähe eines grösse- ren Kernes, der vornehmlich nach Essigsäure deutlich wird. (Fig. 3a.4A ab. f) Wo man diesen nicht findet und keinen anderen Anhalt hat, darf man wenigstens nach meinen Erfahrungen auch niemals behaupten, einen Nerv vor sich zu haben, sondern wird gut thun, sein Urtheil in suspenso zu lassen. Auch Kali und Natrum causticum sowie Oxalsäure leisten gute Dienste zur Entscheidung der letztbesprochenen Angelegenheit. Na- mentlich wird die Trachealverästelung, durch welche immer sehr starke Einschnürungen des Muskelbündels erfolgen, nach ihnen sehr deutlich und kann durch längere Zeit studirt werden. (Fig. A u. B e. d.) Doch zeigen auch sie die nervösen Elemente wenig- stens in einem gewissen Zeitpunkte in grosser Klarheit. Zuweilen sieht man da mehrere Hügel dem Anscheine nach an einer einzigen Faser. Doch dürfte das nur dadurch bedingt sein, dass diese sich kurz vor ihrem Eintritte in mehrere Aeste theilt. Ein anderes Mal sieht man mehrere Fasern zu nur einem Hügel treten und dieser sieht dann wie aus mehreren Plaques zusammengesetzt aus. Solche Plaques sind in einzelnen Muskeln nur sehr klein und ihre Verbin- dungen schmal. Es sieht dann aus, als ob Netze ausgebreitet wären. In andern Muskeln sind diese Verbindungen breit und das Sarko- lemma scheint dann von der Muskelsubstanz durch eine fremdartige Masse abgehoben zu sein. (Fig. 3 a) Kurzum es zeigt sich da eine grosse Mannigfaltigkeit der Erscheinungen und vorzugsweise habe ich sie bei den Käfern getroffen, vielleicht aber blos darum, weil ich diese am sorgfältigsten darauf untersucht habe. Die Silbermethode erwies sich mir nicht besonders nützlich. Doch stimmten die durch sie erhaltenen Bilder im Wesentlichen mit den durch die übrigen Methoden gewonnenen überein. Bei den Larven der Insecten, insbesondere bei Raupen, welche am bequemsten zu habeu sind, liegt die Sache vielfach anders. Die Muskeln sind äusserst zart, blass, beinahe glasig durchscheinend. Ihre Querstreifung ist schwach und fein uud ihre Längsstreifung oftmals nur angedeutet oder blos durch zahlreiche Spalten und Zer- klüftungen gebildet, durch welche die sonst sehr breiten Muskeln Untersuchung. üb. d.Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 507 in Längsbändel getheilt werden. Die Muskelkerne sind sehr gross, mit mehreren Kernkörperchen versehen und mit einem Hofe körni- gen Protoplasmas umgeben. Sie liegen in Reihen, in kleineren oder grösseren Häufchen, in letzterem Falle stets dicht unter dem Sar- kolemma und sind vielfach durch ‚Protoplasmazüge unter einander verbunden, so dass das Muskelbündel wie von einem kernhaltigen Protoplasmanetze umhülit und durchsetzt erscheint. (Fig. 5.) Der Nerveneintritt ist sehr deutlich zu sehen, namentlich nach Zusatz von Säuren. Das erwähnte Protoplasmanetz quillt danach mächtig auf, hebt das Sarkolemma unregelmässig ab und verleiht dadurch dem Muskel an den Stellen, wo es am mächtigsten liegt, ein varikoses Aussehen. Mit solchen Varikositäten, die bald mehr vereinzelt sind, wie bei Zerene, und dann den grossen Doyereschen Hügeln der Fliegen gleich zu erachten sind, bald mehr gehäuft liegen, wie bei Pontia, so dass sie warzige Plaques bilden, stehen die Nerven in Verbindung. Diese sind Anfangs sehr breit, vielfach verzweigt, längsstreifig, mit Kernen und Körnchenreihen zwischen ihren Elementen, werden aber in der Nähe des Muskels schmaler, mehr homogen und glasig durchscheinend und verschmelzen zuletzt mit dem Protoplasmanetze so vollständig, dass gar keine Grenze zu erkennen ist. Und Jas geschieht dadurch, dass das Neurilemma in das Sarkolemma und der Axencylinder in das Protoplasma über- geht, ohne erkennen zu lassen wie? | Bisweilen sieht man bei älteren Raupen (Pontia) und derberen Muskeln derselben von der Eintrittsstelle des Nerven aus Fäden und Bänder über oder in dem Muskel hin zu anderen Gegenden ziehen und vielfach sich zu einem abseits gelegenen Kernhäufchen begeben, um an diesem sich zu verlieren. Es sind das offenbar Nerven, welche von dem Hauptnervenstamme abtreten um ander- wärts dieselben Dienste zu verrichten, wie dieser an seinem Eintritte. Manche von diesen Nervenästen verlieren sich aber auch nach län- gerem oder kürzerem Verlaufe, nach einmaliger oder mehrmaliger Theilung ohne eine bestimmte Endigungsweise erkennen zu lassen. Wenn diese Nervenäste um ein Muskelbündel herumgehen, schnüren sie es ein, hauptsächlich wenn Säuren oder Alkalien es haben auf- quellen lassen; aber ob diese Bänder über dem Sarkolemma liegen oder nicht in demselben hinziehen, ist dadurch nicht zur Entschei- dung zu bringen. Welch ein Unterschied zwischen diesen Erscheinungen und den 508 Dr. Rudolf Arndt: analogen am ausgebildeten Falter! Hier sehr zarte, blasse und durchsichtige, dabei breite und durch Längsspalten vielfach zer- klüftete Muskeln, dort kräftige, dunkle, mehr oder weniger undurch- sichtige und dazu verhältnissmässig schmale und consolidirtere Bün- del; hier zum Theil wenigstens dicke, derbe, sehr nahe gelegene Nervenstränge, dort zumeist dünne, zarte, spärliche Fädchen, deren Natur noch viele Zweifel lässt; hier anscheinend sehr entwickelte, grosse Doyeresche Hügel, welche öfters als mächtige Plaques er- scheinen, dort kaum: wahrnehmbare Erhebungen derselben, die nicht selten erst nach entsprechenden Reagentien ihr zweifelhaftes Dasein verrathen; hier ferner zahlreiche grössere Kerne, umgeben von einem charakteristischen Protoplasına, dort nur ganz vereinzelte grössere Kerne und statt des Protoplasma eine Menge von Bläschen, Körnchen, Pünktchen etc., welche die gesammten interfibrillären Spalten aus- füllen. Alles deutet so sehr auf Umwandlungen durch Auseinander- rücken, durch Dehnung und Theilung, dass es kaum einer weiteren Begründung bedürftig erscheint; aber es erklärt uns auch dadurch so manche Verschiedenheiten, welche wir vorgefunden haben und die uns sonst mehr oder weniger als Räthsel erscheinen müssten. Vor Allem gehört nach unseren Zwecken hierher der Umstand, dass es Muskelbündel giebt mit verhältnissmässig zahlreichen und kräftig entwickelten Doyereschen Hügeln und solche, in denen wir dieselben nur vereinzelt und gewissermassen rudimentär finden. Jene Mus- keln aber dürften wohl solche sein, welche schon von Anfang an ihren besonderen Nerven hatten und ihn direkt von einem Haupt- stamme her empfingen; diese dagegen möchten vielleicht solche sein, welche erst durch Theilung hervorgegangen sind und bis zu ihrem Selbstständigwerden durch die feinen Fäden versorgt wurden, welche _ wir bei der Raupe z. B. von.den als solchen erkennbaren Doyere- schen Hügeln über, in oder unter dem Sarkolemma zu Kernanhäu- fungen verlaufen sahen, welche in ganz anderen Regionen des schon in viele Abtheilungen gespaltenen Muskelbündels lagen. Wo und wie man nun aber den Doyereschen Hügel entdeckt haben mag, immer wird man ihn in der Weise aufgebaut finden, wie er von den Fliegenmuskeln her uns bekannt geworden ist. Am Boden einer ziemlich homogenen oder etwas körnigen Masse, welche zwischen eigentliche Muskelsubstanz und Sarkolemma bald mehr circumscript bald in grösserer Ausdehnung eingefügt ist, liegt zum Mindesten ein Kern und von diesem aus lassen sich in geeigneten Untersuchung. üb. d.Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 509 Präparaten ganze Reihen von Kernen zu den mehr im Innern des Muskels gelegenen verfolgen. Wo nur sparsame Kerne in einem Muskel vorhanden sind, ist das allerdings nicht möglich, aber es wird da wohl der Schluss gerechtfertigt sein, dass es sich auch bei ihnen nicht anders verhalten könne, und dass nur andere Gebilde an die Stelle derselben getreten seien, um ihre scheinbaren Funktio- nen zu übernehmen. Denn ob die Kerne an und für sich überhaupt etwas thun, ist ja eine noch ganz unentschiedene Sache. Der Eine glaubt es, der Andere glaubt es nicht, dass aber das Protoplasma unter allen Umständen etwas thut, wird von Niemandem bestritten. Wo viele Kerne dicht neben einander liegen, kann ihr Protoplasma nur sparsam sein, wo wenige Kerne weit auseinander liegen, getrennt durch Krümehen, Körnchen und Bläschen, werden wir daran denken müssen, zumal wenn die Entwickelungsvorgänge, welche wir kennen gelernt haben, dazu drängen, dass es ein verhältnissmässig massen- reiches sei, und dass es sich auch bereits mannigfaltig differenzirt habe. Allein in beiden Fällen werden wir doch ihm vorzugsweise die entsprechenden Leistungen zuzuschreiben haben und nicht den Kernen, wozu vielleicht von vornherein eine gewisse Neigung be- stehen möchte. Wir werden deshalb aber auch in den Muskeln mit wenigen Kernen das Hauptgewicht auf die internucleare Masse zu legen haben und demgemäss wieder der Körnchen und Bläschen führenden Substanz allein die Verbindung zwischen Doyere’schem Hügel und Muskelinnern zuerkennen müssen, gerade so wie wir das bei den Fliegenmuskeln mit ihren zahlreichen Kernen schon für diese gethan haben. Die fragliche, Kerne und Körnchen führende Masse verliert sich im Innern des Muskels zwischen seinen Elementen, den Primitivfasern desselben, und das Verhältniss zwischen Muskel und Nerv bei den Insekten, würde, soweit wir es bis jetzt genauer be- trachtet haben, etwa folgendes sein: Der Nerv verbindet sich mit dem Muskel vermittelst einer Anschwellung, dem Doyere’schen Hügel Kühne’s. Dabei geht das Neurilemma in das Sarkolemma über und der Axencylinder löst sich in die Masse auf, welche als Doyere’scher Hügel das Sarkolemma von der contraktilen Muskelsubstanz abhebt. Diese Masse aber be- steht aus einem kernhaltigen Protoplasma und verschmilzt mit dem mehr ‚oder weniger differenzirten Protoplasma etlicher der zahlreichen oder sparsamen Kerne, welche in die Muskelsubstanz eingelagert sind. Dieses letzterwähnte Protoplasma verfeinert sich danach mehr und Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 33 510 Dr. Rudolf Arndt: mehr und verzweigt sich mit noch anderen, von der contraktilen Substanz verschiedenen Substanzen des Muskelinhaltes z. B. dem Ernährungsmaterial und Resten des Bildungsmaterials durch alle Lücken und Spalten, welche zwischen den Primitivfasern vorhanden sind und umgiebt schliesslich allem Anscheine nach diese wie mit einem Mantel, um so den Contakt des Nerven mit der Muskelsub- stanz im engsten Sinne des Wortes zu einem ganz innigen zu machen. Dieses Verhältniss gilt jedoch nur für die Nerven, deren En- digung wir bis jetzt genauer besprochen haben und die, wie das bereits von allen Seiten geschehen ist, als motorische betrachtet werden dürfen, weil an ihrer Eintrittsstelle nachweisbar Contraktionen auch dann ausgelöst werden, wenn sonst am ganzen übrigen Muskel keine zu beobachten sind. Wir haben aber noch andere Nerven kennen gelernt, zunächst bei den Fliegen, sodann aber auch bei den Raupen. Es sind das diejenigen, von welchen wir sahen, dass sie sich nach längerem oder kürzerem Verlaufe zumeist in mehr querer Richtung und nach vorgängiger Theilung oder auch blos allmähliger Verfeinerung über oder in dem Sarkolemma verlören ohne erkennen zu lassen wie? — Soche Nerven kommen sicher auch bei den übri- gen ausgebildeten Insekten vor. Andeutungen von ihnen habe ich wiederholt gesehen. Bestimmtes vermochte ich aber nicht zu er- mitteln, weil die sonstigen Verhältnisse, insbesondere die Tracheen störend waren und ein nahe gelegener Kern etc. als Kompass fehlte. Es sind das Fasern analog den von Greeff auch bei den Arecti- scoiden beobachteten, die er als sensibele angesprochen hat. Auch ich glaube, dass es sensibele Fasern sind und zwar solche, die nicht blos das gemeine Gefühl, sondern zum Theil wenigstens auch das soge- nannte Muskelgefühl vermitteln, also über den Contraktionszustand des einzelnen Bündels nach einem Centrum hin berichten. Diese Fasern liegen in dem Sarkolemma oder der entsprechenden Cuticula, endi- gen in demselben vielleicht frei, bilden vielleicht aber auch Netze, die ihrer Feinheit wegen nur bis jetzt noch nicht gesehen worden sind, gehen indessen in keine nachweisbaren Endapparate über. Und für ihren Zweck ist das vielleicht auch nicht nöthig. Die gemeinen Gefühle werden, wie die tagtägliche Erfahrung lehrt, schon durch die Läsion der Nervenstämme ausgelöst, ohne dass dabei irgendwelche qualiticiren- den Aufnahmeapparate thätig zu werden brauchten, und was das specifische Muskelgefühl betrifft, so werden auf Grund ihrer Lage Untersuchung. üb.d: Endigung d. Nervenin d. quergestreiften Muskelfasern. 511 und ihres so häufig auch noch queren Verlaufes diese Nerven durch jede Contraktion gezerrt und der Grad der Zerrung, welchen sie erfahren und der von dem Contraktionsgrade des Muskels abhängig ist, bildet die Grundlage für das Gefühl von der Stärke des letzte- ren, d. i. das sogenannte Muskelgefühl selbst. Ob indessen für jede dieser beiden Formen der Gefühle besondere Fasern vorhanden sind, ob also in dem einen nur die Erregungen fortgeleitet werden, welche im Bewusstsein die gemeinen Gefühle hervorrufen, in den anderen blos die Erregungen sich fortpflanzen, welche eben daselbst zu Mus- kelgefühlen werden, das ist eine Frage, die sicherlich höchst interes- sant ist, vorläufig, uns aber gleichgültig sein kann und für jetzt auch noch nicht annähernd zur Lösung gebracht werden kann. * * * Was uns die Insekten gelehrt haben, das lehren uns in viel höherem Grade und besser noch die Spinnen. Die Muskeln der von mir untersuchten, Tegenaria, Epeira, Phalangium, Gamasus sind viel klarer und im Allgemeinen auch fester, als die der meisten Insekten, namentlich der sonst so bequem zu erlangenden Thorax- muskeln der Hymenopteren und Lepidopteren, und gestatten deshalb eine viel sorgfältigere Präparation und Isolirung als jene, ein Um- stand, welcher schon an und für sich einen nicht zu unterschätzen- den Vortheil darbietet. Ausserdem sind aber die Nerven dieser Muskeln caeteris paribus viel dicker und derber, und endlich, was ganz besonders sie vor denen der Insekten auszeichnet, sie haben zum grossen Theile keine Tracheen. Ganze Abtheilungen der Spin- nen und zwar diejenigen, welche die grössten Thiere mit den ent- wickeltsten Muskeln umfassen, athmen bekanntlich durch Lungen ; aber auch bei denjenigen, wo dies nicht der Fall ist, sondern Tra- cheenathmung vorhanden ist, verursachen die Tracheen selbst, wenn das Thier nur nicht zu klein ist, weniger Störung, als bei den In- sekten, weil die übrigen Theile bestimmter ‚ausgebildet sind. Pha- langium hat mir sehr gute Resultate geliefert und nur bei den klei- nen Gamasus (Fig. 6) blieb manches zu wünschen übrig, obgleich doch auch manches Andere wieder ganz bestimmt gesehen werden konnte. Die Muskeln der Spinnen zeigen eine sehr deutliche Quer- und Längsstreifung und letztere ist um so mehr in die Augen springend, 512 Dr. Rudolf Arndt: als sie durch tiefere oder breitere Spalten bedingt wird. In allen Muskeln sieht man Reihen von Kernen, Bläschen, grösseren und. kleineren Körnchen, welche der Hauptsache nach axial und paraxial angeordnet sind, aber durch Querbänder, wovon man sich auf zu- fällig erscheinenden Querschnitten überzeugen kann (Fig. 7.), unter einander in Verbindung stehen. Eine einzige axiale Kernreihe kommt nur in den ganz schmalen Muskeln vor. Alle breiten Muskeln führen mehrere Kernreihen, also auch paraxiale Die auf dem Durchschnitte erkannten Querbänder sind von verschiedener Breite, gewöhnlich kernlos, doch ab nnd zu auch mit solchen versehen und durch feine Ausläufer gezackt oder gewimpert. (Fig. 7. a.) In Ver- bindung mit Durchschnitten der axialen Bänder stellen sich stern- förmige Figuren der verschiedensten Art dar und veranschaulichen somit dies gröbere Kanalsystem, das die einzelnen Muskelbündel durchzieht. — Die Kerne sind gross, ziemlich dunkel gerandet, un- regelmässig rundlich-oval, mit mehreren Kernkörperchen, von denen eines öfter durch seine Grösse ausgezeichnet ist, und von einem sehr deutlichen Protoplasmaringe umgeben. Dieses Protoplasma erscheint fädig-körnig und zeigt bei Tegenaria und Epeira schon in einer 1%/, Kochsalzlösung eine deutlich körnig-faserige Textur und eine baumförmige Ramification. (Fig. 8. a.) Deutlicher noch tritt dieses Alles nach Säurezusatz hervor und dürfte somit zum Theil wenig- stens die Folge einer Gerinnung sein, zum Theil aber wohl auch auf eine Präformation zurückgeführt werden können. Es setzt sich mit den Kernen durch alle Spaltenräume des Muskels fort und scheint mit den sämmtlichen Elementartheilen der eigentlishen Mus- kelsubstanz in Berührung zu kommen, da es gar nicht selten zwischen den abgerissenen Fibrillenenden in seiner baumförmigen Verzweigung zur Erscheinung kommt. (Fig. 8. a.) Der Nerveneintritt in den Muskel ist im Allgemeinen sehr deutlich und nur bei Gamasus schwieriger aufzufinden. Er gleicht da vollständig dem mancher Inseckten, namentlich Käfer. (Fig. 6.) Der Doyere’sche Hügel ist klein, enthält nur einen Kern und wird in Folge dessen meistentheils erst nach Zusatz von zweckentspre- chenden Reagentien sichtbar. Bei Phalangium, Epeira, Tegenaria dagegen ist er kaum zu übersehen, auch wenn keine besonderen Hülfsmittel in Anwendung gebracht wurden. Der Doyere’sche Hügel wird aber bei diesen auch durch eine grössere Anhäufung von Kernen und Protoplasma gebildet und gleicht in Folge dessen viel eher dem Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 513 Kühne’schen Nervenhügel der Wirbelthiere, als seinem Aequivalente bei den Insekten. Und dies geht so weit, dass, wenn man will, in ihm eine besondere Endplatte und darunter liegende kernhaltige granulöse Substanz unterschieden werden kann, wovon ich glaube nach Essigsäurezusatz mich wiederholt überzeugt zu haben. Diese Endplatte hat aber gewiss keine andere Bedeutung, wie die helle Substanz in den gewöhnlichen Doyere’schen Hügeln und macht sich nur darum anders, weil die Verhältnisse durch die grössere Menge von Kernen auch andere sind. Wo und wie der Doyere’sche Hügel nun aber auch vorkommen möge, er liegt immer meiner Meinung nach im Sarkolemmaschlauche, steht durch Kernreihen oder auch blos durch verzweigte Körnchen- und Körnerreihen (Fig. 9. a.) mit den axialen und paraxialen Kernreihen in Verbindung und nimmt den Axencylinder des zuführenden Nerven in sich auf, nachdem das Neurilemma desselben mit dem Sarkolemma zu einem einzigen Schlauche verschmolzen ist. Kurzum, es ist in dieser Hinsicht wie bei den Insekten, nur um Vieles klarer und bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Dagegen müssen wir noch auf einige Punkte kommen, welche bei den Insekten nicht so genau zu erkennen waren, sondern mehr erschlossen werden mussten, die aber nichtsdesto- weniger nach meinem Dafürhalten durch die Beobachtungen an den Spinnen ihre Bestätigung erhalten. Die Nerven der Spinnen erscheinen als blasse, unregelmässig gerandete, wiederholt sich theilende Fäden, die mit Kernen und zer- streuten Körnchen besetzt sind, wohl auch Körnchen zwischen ihren Elementen enthalten. Die Kerne werden insbesondere deutlich nach Zusatz von Säuren, erscheinen dann granulirt und von einem kör- nigen Hofe umgeben und gehören dem Neurilemma an, das nament- lich an den Theilungsstellen als besondere Membran erscheint. Einige der Theilfäden der Nerven senken sich in Doyere’sche Hügel ein, die aber keineswegs jedesmal demselben Muskelbündel ange- hören, sondern sehr häufig an ganz verschiedene vertheilt sind, andere umspinnen die Muskelbündel in engeren oder weiteren Spi- raltouren, theilen sich dabei oder verfeinern sich auch bloss so all- mählich bis zum Unsichtbaren und entziehen sich schliesslich damit der Beobachtung. Diese Theilung der Nervenfaser erfolgt jedoch nicht bloss im Stamme, sondern zuweilen auch erst am Doyere’- schen Hügel oder gar erst in ihm und es sieht dann aus, als ob ein Theil des Axencylinders sich in das Protoplasma desselben auf- 514 Dr. Rudolf Arndt: löste, ein anderer noch geschlossen weiter zöge (Fig. 8 u. 9). Dieser sowohl wie die über dem Doyere’schen Hügel entsprungenen Fasern können nun ein doppeltes Schicksal haben. Entweder sie treten an irgend einer Stelle des Muskels zu einem Kerne oder Kernhäufchen und verlieren sich in dessen Protoplasma, und dieses vielleicht noch in Gesellschaft mit einem zweiten Faden, der von einer ganz an- dern Seite herkam, sie enden ‚also in einem Doyere’schen Hügel, ich möchte sagen, 2ter Ordnung, der indessen mit den Kernreihen im Muskelinneren in der nämlichen Verbindung steht, wie der erste, den ich nunmehr aber auch als solchen 1ster Ordnung bezeichnen möchte, oder sie ziehen über das Muskelbündel hin, es mit Spiral- touren umgebend, und springen zuletzt noch gar in starrer, gerad- linigter Richtung zu einem anderen Muskelbündel über, um erst hier in der einen oder der andern Weise zu endigen. Es entstehen auf diese Weise ganze Netze von Fasern, welche über den Muskel- bündeln liegen und theilweise zwischen sich als Knotenpunkte einen Kern oder ein Kernhäufchen, als Doyere’sche Hügel 2ter Ordnung haben, theilweise aber um die Bündel herumlaufen und sie um- spinnen. Allein auch im letzteren Falle liegen häufig Kerne in ihrer Bahn. Indessen diese gehören wohl kaum dem Muskelinneren an, sondern sind mehr dem Sarkolemma oder Neurilemma eigen, das sie vom Stamme her begleitet hat. Dass diese Fasern in der That aber Nervenfasern sind, das beweist ihr Ursprung. Ihr Ver- halten zum Muskel jedoch wird klarer nach Zusatz von Säuren und Alkalien, weil durch diese Mitteldie Muskeln so aufquellen, dass die nicht so quellbaren, sie umgebenden Fasern sie oftmals ganz tief einschnüren. Dass ich die umspinnenden Nervenfasern für die entwickelten Analoga der bei den Insekten besprochenen, nur andeutungsweise vorhandenen sensibelen Muskelnerven halte, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden. Aber festhalten wollen wir das dennoch ganz besonders. Denn die umspinnenden, überhaupt ausserhalb des Sar- kolemma gelegenen Fasern kehren wieder und sie so strikt erwiesen zu haben, wie bei den Spinnen, ist wichtig für das Ganze. — Bei den Krebsen und ihren Verwandten liegt die Sache im All- gemeinen ebenso. Nur sind hier an Stelle der kleinen Doyere’schen Hügel der Insekten oder der grösseren Hügel der Araneiden, die bekanntlich so ausgedehnten Anhäufungen von kernreichem Proto- plasma vorhanden, dass die contraktile Muskelsubstanz von dem- selben oft wie von einem dicken Mantel umgeben erscheint, der vor- Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven i.d. quergestreiften Muskelfasern. 515 nehmlich nach Zusatz von manchen Säuren und Alkalien aufquillt und mehr, weniger stark gekrept sich von dem gewöhnlichen Muskel- contour abhebt. Daneben zeigen sich aber auch zahlreiche umspin- nende Fasern, welche den Muskel mit vollständigen oder unvoll- ständigen Spiraltouren umgeben, und ausserdem Längsfasern, welche Verbindungen zwischen entfernteren Kernhaufen herzustellen schei- nen. Doch ist des Genaueren darüber noch nicht nöthig. Die Muskeln von Astacus (Fig. 10) in ihrem eigenen Safte, in 1°/, Kochsalzlösung oder Serum untersucht, sind sehr breit und blass, verhältnissmässig eng der Quere nach und in verschiedener Breite der Länge nach gestreift. Die breiten Längsstreifen sind wie bei den Insekten und Araneiden der Ausdruck tiefer gehender Spal- ten und Risse, durch welche das ganze Bündel in Unterabtheilungen zerlegt wird, und da dieselben offenbar in verschiedener Höhe und Tiefe liegen, repräsentiren auch sie hier ein Canalsystem, das die eigentliche Muskelsubstanz durchsetzt. Die Muskeln sind sehr kern- reich; doch ist die Vertheilung der Kerne nicht bei allen gleich. Bei manchen liegen sie zu je einem über das ganze Bündel zerstreut, bei anderen liegen sie auf bestimmte Punkte beschränkt, äber da in grösserer Anzahl und zwar bald in Reihen, bald in Häufchen. In letzterem Falle sind die Muskeln im Ganzen viel klarer, nur an den kernführenden Stellen getrübt, in ersterem erscheinen sie öfters wie bestaubt. Es muss demnach mit den Kernen über sie hin sich eine Masse verbreiten, welche ihre Durchsichtigkeit beeinträchtigt und durch ihr körniges Gefüge sie wie bestaubt erscheinen lässt. Aber auch in Betreff der Anhäufung herrschen Unterschiede. Es giebt Häufchen von Kernen, die nur aus 3, 4, 5, 10 gebildet werden und solche, in denen sie zu Hunderten zusammen liegen und als dichter, zusammenhängender oder mehr netzig durchbrochener Mantel das Muskelbündel umgeben. Es giebt im Krebsmuskel wenigstens zweierlei Kerne, 1. blasse, trübe, ungleich grosse und unregelmässig rundliche, flache, die gra- nulirt erscheinen, 1—4 kleine Kernkörperchen besitzen und von einem deutlichen Protoplasmahofe umgeben sind, und 2. etwas dunkler gerandete, glatter und glänzendere, mehr in die Länge gezogene und gewölbtere, die mit 1—3 grösseren Kernkörperchen ausge- stattet sind. Diese gleichen vollständig den im Neurilemma des zuführenden Nerven vorhandenen und liegen über oder in dem Sar- kolemma. Jene dagegen liegen unter demselben oder in der Muskel- 516 Dr. Rudolf Arndt: substanz selbst, zwischen den einzelnen Primitivfasern, wie man an einem mit Müller’scher Augenflüssigkeit behandelten Objekte zu- weilen recht deutlich sehen kann. Sie bilden die ungleich grössere Mehrzahl, ja verdecken wohl in den meisten Fällen die anderen ge- radezu und sind es, die zu Reihen oder Plaques vereinigt auftreten und mit der trüben Masse, ihrem Protoplasma vergesellschaftet, die Muskelsubstanz bedecken. Das Protoplasma dieser Kerne zeigt verschiedene Stufen der Entwickelung. Bei einzelnen Kernen ist es blass, ziemlich homogen oder höchstens etwas körnig, in seiner Configuration unregelmässig zerrissen oder spindelförmig nach der Längsrichtung der Fibrillen ausgezogen. Bei anderen erscheint es von deutlich körnig-faseriger Textur, in baumförmige Verästelungen ausgezogen, welche mit denen anderer Kerne sich zu feinen Netzen verbinden. Bei noch anderen wird es deutlich fibrillär und geht in Gesellschaft mit dem anderer Kerne in unzweifelhafte Bänder über, die mit Nerven im Zusam- menhang stehen und durch ihr Verhalten gegen Säuren und Alkalien darthun, dass sie nicht blos zum Neurilemma treten, sondern mit dem Axencylinder selbst sich verbinden. Die grösste Anhäufung von solchen Kernen liegt immer zwischen Sarkolemma und Muskelsubstanz und findet sich hauptsächlich in der Nähe des Nerveneintrittes. Dessenungeachtet hommen sie doch auch in dem Muskelnerven vor und treten hier unter denselben Ver- hältnissen wie bei den Insekten und Arachniden als axiale und paraxiale Bänder auf, die in den verschiedenen Spalten liegen und unter einander in zahlreicher Verbindung stehen. Der Nerveneintritt erfolgt in sehr auffälliger Weise. Der dicke, streifige Ast eines Stammes, welcher sich bereits mehrfach getheilt hat, läuft an den Muskel heran. Sein kernhaltiges Neurilemma gehtin das ebenso kernhaltige Sarkolemma über, welches sich wie ein zarter Saum über die Kernplaques hin erstreckt, und der Axencylinder löst sich in das Protoplasma eines jener beschriebenen grossen Kernhaufen auf. Dieser jedoch steht mit andern, oberflächlich oder im Muskel- inneren gelegenen Kernen und Kernhaufen in Verbindung, und da- durch’ wird nun wie bei den Insekten und Arachniden auch hier der Contakt zwischen Nerv und Muskel auf das Innigste bewerkstelligt. Die Verbindung der einzelnen Kerne und Kernhaufen geschieht für gewöhnlich durch ihr Protoplasma, das ja so verbreitet ist, dass, wie wir kennen gelernt haben, es den Muskel manchmal wie be- Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven i. d.quergestreiften Muskelfasern. 517 staubt erscheinen lässt. Bisweilen geschieht die Verbindung aber auch durch ziemlich breite, scharf und deutlich contourirte Bänder, die sich aus dem fadenreicheren Theile des Protoplasmas eines Kernhaufens zusammengesezt haben und über weitere Strecken hinziehen, um schliesslich wieder in dem Protoplasma eines ent- fernteren Kernhaufens sich aufzulösen. An manchen Muskeln sieht man mehrere Nerven eintreten, und dann stehen ihre Eintrittsstellen durch solche unregelmäszige Protoplasmazüge oder durch Bänder, die sich in dieselben Kernhaufen einsenken, in Verbindung. Es ent- stehen auf diese Weise Netze mit grösseren Kernhaufen als Knoten- punkten, und diese bilden in ihrer Totalität eben den kernhaltigen Protoplasmamantel, welchen wir von den Krebsmuskeln schon lange kennen, in dem aber die nervösen Bänder bis jetzt wenigstens noch nicht bekannt waren. Diese nervösen Bänder in dem geschilderten Verhältnisse zu dem Protoplasma der Kernhaufen kann man vorzüglich schön er- kennen, wenn ein Muskelbündel quer eingerissen ist und langsam gedehnt wir. Man sieht dann in der vorhandenen Lücke mitunter einen Haufen Kerne, eingebettet in eine körnige oder kör- nig-faserige Substanz und aus dieser Fäserchen entspringen, welche sich unter einander mehr weniger verflechten und zu einem ent- fernteren Kernhaufen gehen, oder zu schmaleren oder breiteren Fasern verschmelzen, die eben jene Bänder darstellen. Gegen Lau- gen haben diese Bänder eine grosse Resistenz. Nach Zusatz von Säuren, vornehmlich Essigsäure, treten sie erst schärfer hervor, werden dann leicht varikos und endlich zerfallen sie in stark licht- brechende Körnchen, wie genuine feine Nervenfasern. Nicht immer löst sich der ganze Axencylinder sofort an seiner Eintrittsstelle in den besprochenen Protoplasmamantel auf, sondern ein Theil desselben läuft über oder durch denselben erst noch eine Strecke weit weg, und endigt dann erst, und zwar wie er selbst, d. h. in demselben Protoplasmamantel, nur an einer andern Stelle. Ein weiterer Theil läuft in dem Sarkolemma, vielleicht auch über ihm, was wohl von der tieferen oder höheren Theilung des Axen- cylinders abhängen mag, um das Muskelbündel herum, um es mehr oder weniger streifig zu verdicken und gleichzeitig einzuschnüren. Die Endigungsweise dieser Fasern ist mir nicht bekannt geworden. Sie werden feiner und feiner und entziehen sich damit endlich jeder ferneren Verfolgung. Sie endigen indessen aller Wahrscheinlichkeit, 518 Dr. Rudolf Arndt: nach wohl wie bei den Insekten und Arachniden durch Verbindung unter einander (?) oder auch durch einfaches Aufhören in der Nähe eines Kernes. Wie die Endigung des Axencylinders in dem Protoplasmamantel eigentlich ist, habe ich nicht ersehen können. Sie scheint nichts- destoweniger durch Auflösung in das körnig - faserige Protoplasma zu erfolgen, aus welchem sich dann hie und da wieder neue Axen- eylinder in der geschilderten Weise herausbilden, um entferntere Punkte mit einander zu verbinden. Das körnig-faserige Protoplasma liegt hauptsächlich in den tieferen Partien des Mantels, die oberen, dicht unter dem Sarkolemma gelegenen, werden von dem mehr ho- mogenen eingenommen, das auch wie bei den Insekten und Spinnen durch Wasser, Säuren und Alkalien sehr aufquillt und damit das Sarkolemma als feinen aber scharfgezeichneten Saum abhebt. Wenn wir wollen, hätten wir damit auch hier eine mehr homogene oder körnig-hyaline Abtheilung des Nervenendapparates als Kühne’sche Endplatte, und eine granulöse oder körnig-faserige, kernführende Abtheilung als deren Sohle. Aber ich habe mich darüber schon ein- mal geäussert und ergiebt sich jetzt von selbst aus der Darstellung, was und wie ich darüber denke. Im Allgemeinen schliesse ich mich den Engelmann’schen Ansichten an, indem ich mit diesem die Auf- lösung des Axencylinders in das körnig - faserige Protoplasma der sogenannten Sohle annehme; ich kann aber die Rouget’schen Ansichen nicht ganz von der Hand weisen, nach denen der Axen- ceylinder die Sohle durchsetzen soll, um sich direkt zu den Fleisch- theilchen zu begeben, weil in der That anscheinend so etwas vor- kommt. Wie aber der wahre Sachverhalt dabei nach meiner Meinung sei, haben wir kennen gelernt, und der ist der Engelmann’schen Ansicht nicht blos nicht entgegen, sondern stützt sie. Wir erkennen das sofort, wenn wir den Theil des Protoplasmamantels, in welchem sich der Axencylinder des zuführenden Nerven auflöst, mit dem Doyere’schen Hügel Ister Ordnung der Arachniden, und denjenigen Theil desselben, in welchem sich die noch weiter strebenden Fasern jenes oder neugebildete einsenken, als Doyere’sche Hügel 2ter be- ziehungsweise 3ter Ordnung auffassen. Die ganze Natur des Mus- kels, der für eine mehrfache Theilung gewissermassen vorbereitet ist, sie aber anscheinend nicht eingeht, leistet einer solchen Ansicht Vorschub. Den dargelegten Verhältnissen analog liegen die Sachen auch Untersuchung. üb.d. Endigung d.Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 519 bei Palaemon. Doch sind die Muskeln dieses Thieres so ausser- ordentlich leicht zerfliesslich, dass ohne vorgängige Präparation in Müller’scher Augenflüssigkeit, Spiritus, Chlorgoldnatrium- oder Ueber- osmiumsäure - Lösung ihre zweckentsprechende Untersuchung mir nicht gelingen wollte. Man erhält nach der Einwirkung der ver- schiedenen Reagentien natürlich sehr verschiedene Bilder; dessen- ungeachtet glaube ich doch, dass aus allen man nur ein und dasselbe Resultat entnehmen kann. Die einzelnen Muskelbündel sind durch Längsspalten in Parallelstreifen getheilt, die durch ausserordentlich feine, aber sehr starre Primitivfasern zusammengesetzt erscheinen. Die Spalten sind mehr oder weniger von einer kernführenden, kör- nigen oder körnig-faserigen Masse erfüllt, und ganz gleiche Massen liegen auch sonst noch umher als grosse Plaques an der Oberfläche des Muskelbündels, zwischen Sarkolemma und contraktiler Substanz, mehr zerstreut und vielfach nur als einzelne Kerne in den einzelnen Abtheilungen des Bündels, und wie man z. B. nach Behandlung mit Müller’scher Augenflüssigkeit sehen kann, daselbst zwischen den ein- zelnen Fibrillen, welche wenigstens theilweise von ihr auch noch überzogen erscheinen. Diese kernführenden Massen, ein auch hier auf verschiedenen Stufen der Entwicklung stehendes Protoplasma, hängen unter einander vielfältig zusammen und zwar bald durch breitere Züge, bald nur durch dünne, zarte Ausläufer lediglich des Protoplasmas, nicht selten aber auch durch deutliche Fäden, in welche dieses letztere sich umgebildet hat (Fig. 11). Sehr bestimmt, wie ich gefunden zu haben glaube, erschienen diese Verhältnisse namentlich nach Behandlung mit Chlorgold und nachfolgender Wäsche in Essigsäure. Die Muskelbündel sind danach mehr oder weniger röthlich gefärbt und sehr stark aufgequollen. Die Kerne sind glänzend und die sie umgebenden Massen, ihr Protoplasma etc. sind noch dunkler als die Muskeln gefärbt und mit röthlichen oder schwärzlichen, krümlichen Massen beschlagen. In Folge der Quel- lung der Muskelsubstanz sind die Kerne weit auseinander gerückt und ihr Zusammenhang unter einander ist desshalb leichter zu übersehen. Und da gewahrt man denn, dass dieser sehr oft durch wirkliche Bänder — Axenbänder, Axencylinder — gemacht wird (Fig. 12). Der Nerveneintritt erfolgt wie bei Astacus, indem das sehr weite, kernhaltige Neurilemma unzweifelhaft in das sehr zarte, kern- haltige Sarkolemma übergeht und der Axencylinder in einen grösseren 520 Dr. Rudolf Arndt: Kernhaufen im Inneren des Muskels eindringt (Fig. 11. 12a.) Und nun sieht man in Goldpräparaten, wie dieser letztere sich in der krümlichen Masse, dem Protoplasma, verliert, wie aus diesem neue Bänder in die Muskelspalten eindringen und hier den Kernen fol- gend, scheinbar wenigstens, von Kern zu Kerne ziehen (Fig. 12. a. b.). Auf ihrem Wege geben sie Aeste ab, welche schräg in den sekun- dären Bündel, Koelliker’s Muskelsäulchen, sich einschieben und dann, auch den Kernen folgend, weiter ziehen, sich theilen und in ihren feinsten Ramificationen Verbindungen eingehen, darunter auch solche mit Fäden, welche von ganz anderen, oft ziemlich fern ge- legenen Nerveneintrittsstellen herstammen (Fig. 12. e) Die Thei- lung der Fasern erfolgt gewöhnlich an einem Kerne, indessen kom- men doch auch Theilungen inmitten ihres sonstigen Verlaufes vor. Jedenfalls aber scheinen die Kerne dafür von Belang zu sein und wenn vielteicht auch nicht mehr in der Gegenwart, so doch gewiss in der Bildungsperiode. Wie bei Astacus, so kommen auch hier die das Muskelbündel umspinnenden Fasern vor, die allerdings viel feiner und zarter als dort öfter der Zerstörung ausgesetzt sind, doch unter denselben Verhältnissen entspringen und verlaufen und gewiss auch dieselbe Bedeutung haben. Bei Oniscus und Porcellio, deren Muskeln wegen einer Unmasse von stark lichtbrechenden Kügelchen (Fettkügelchelchen?) nicht recht geeignet waren, um alle Verhältnisse zu einer deutlichen Anschauung zu bringen, tritt der Nerv, nachdem er vorher eine Menge Aeste und sein Neurilemma an das Sarkolemma abgegeben hat, unter dieses, wo sich ebenfalls mantelartig eine kermhaltige, molekuläre Masse ausbreitet, von welcher Fortsetzungen im Bogen in die Muskel- substanz eindringen, um sich daselbst zu Kernreihen oder einzelnen Kernen zu begeben, welche mit ihr in näherer Beziehung stehen. Umspinnende Fasern habe in unzweifelhafter Weise ich nicht gesehen. Wie bei diesen Krustern, so liegen auch, nach allem was ich ge- sehen, die in Rede stehenden Sachen bei Scolopendra. Wir nah men schon bei den Insekten Veranlassung, davon zu sprechen; doch erst nachdem das Vorausgeschickte näher bekannt geworden, konnte, ohne weitläufig zu werden, ich darauf zurückkommen. Bei allen drei Klassen der Arthropoden haben wir somit bei- nahe dieselben Befunde gemacht. Zweierlei ist die Weise, in welcher die Nerven zu endigen scheinen: einmal extramuskulär Untersuchung. üb.d. Endigung.d.Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 521 als umspinnende, zum Theil netzartig verflochtene Fasern, das andere Mal intramuskulär durch Auflösung in eine körnig-fase- rige und allem Anscheine nach endlich zähflüssige Masse, welche die eigentlichen Muskelbestandtheile, wofür ich noch immer die Primitivfasern ansehe, mantelartig umgiebt. Diese Masse scheint zum Wenigsten an einen Theil der Kerne gebunden zu sein, welche in dem Muskelinneren vorkommen, scheintihr Protoplasma auszumachen, und ein Theil der sogenannten Muskelkerne selbst wenigstens kann darum wieder nicht dem Muskelsysteme im engeren Sinne des Wor- tes angehören, sondern wird eher als ein Bestandtheil des nervösen Systems zu betrachten sein, das mit jenem in direkte Verbindung tritt. Manche von den genannten Kernen sind, und dies vornehmlich am Eintritte des zuführenden Nerven in den Muskel, zu Häufchen angesammelt und bilden da den Doyere’schen Hügel Kühne’s, eine Anhäufung unzweifelhaft nervöser Substanz aus noch deutlich charak- terisirten Zellen gebildet, inmitten der Muskulatur. Allein doch auch an anderen Stellen kommen solche Anhäufungen von Nerven- zellen vor. Aber sie stehen meistentheils mit den vorigen in enger Verbindung, indem Nervenfäden direkt oder indirekt sie mit den- selben verknüpfen, und stellen so die bisher übersehenen Doyere’- schen Hügel 2ter, 3ter etc. Ordnung dar. Die extramuskulären Endnetze, Schlingen oder Fasern sind mit der grössten Wahrscheinlichkeit als Bestandtheile des centripetal leitenden Systems anzusehen, als sensibele Fasern, Fasern also, welche neben den gemeinen Gefühlen auch das Muskelgefühl ver- mitteln. Die intramuskuläre Endung ist Theil des centrifugal lei- tenden Systemes, gehört unzweifelhaft der motorischen Sphäre an, steht aber vielleicht auch noch zu den Ernährungsvorgängen in näherer Beziehung. In diesem Falle würde sie theilweise wenigstens auch das trophische System repräsentiren, für dessen Existenz in einem gewissen Sinne des Wortes man ja mit der Länge der Zeit immer mehr Anhaltepunkte bekommen hat. Die Verhältnisse, welche wir bei den Arthropoden kennen gelernt haben, wiederholen sich, sobald wir blos das Gröbere derselben ins Auge fassen, ich möchte fast sagen, mit nur sehr geringen Modifika- tionen auch in der Reihe der Wirbelthiere. Ganz allgemein verbreitet 522 Dr. Rudolf Arndt: in ihr haben wir die Analoga der Doyere’schen Hügel, die Kühne’- schen Nervenhügel. Ganz allgemein verbreitet haben wir, von diesen ausgehend, ein intramuskuläres Nervensystem und ebenso allgemein verbreitet finden wir auch ein extramuskuläres, das bald mit weit- maschigen Netzen ganze Partien von Muskelbündeln umstrickt, bald mit engen Schlingen nur einzelne Fibrillen derselben spiralig um- spinnt und einschnürt. Denn die Kühne’schen Nervenhügel kommen nicht blos den Reptilien, den Vögeln und Säugern zu, sondern sie sind auch den Amphibien und Fischen eigen und die beziehentlichen Angaben von Krause, Waldeyer, Key sind durchaus richtig. Ich habe diese Apparate bei Rana temporaria und esculenta, bei Sa- lamandra maculata, bei Triton taeniatus, bei Perca, Leuciscus, Clupea und Pleuronectes gesehen und zwar unter Verhältnissen und Um- ständen, dass ich jeden fernern Zweifel über ihre etwaige Existenz für ausgeschlossen erachte. Und was die übrigen Verhältnisse an- langt, so glaube ich dieselben auch mit einer Bestimmtheit und Deut- lichkeit wahrgenommen zu haben, dass über ihr Bestehen für mich kein Zweifel mehr existirt, dass ich mich eher wundern möchte, wes- halb sie überhaupt so lange haben unbeachtet existiren können. Allerdings wird das Letztere sehr erklärlich durch die feineren Verhältnisse. Denn es spielen eine Reihe von Dingen, welche bei den Arthropoden so gut als gar nicht belästigten, hier eine sehr störende Rolle. Das Bindegewebe, das um einzelne Muskelgruppen und Gefässe oft mächtig entwickelt und vorzüglich bei den höheren Thieren vielfach von elastischen Fasern durchsetzt ist, und dem- nächst die Gefässe selbst, namentlich die kleineren, wenn sie ihren Inhalt entleert haben und zusammengefallen sind, sind da von ganz besonderer Bedeutung. Aber auch noch manche andere Dinge, und zwar darunter solche, von denen man es kaum glauben sollte, wirken unter Umständen in ganz ähnlicher Weise mit ein. So können z. B. selbst die so genau gekannten rothen Blutkörperchen oder ihre Kerne, wenn sie durch Reagentien verändert sind, wie mir das unter Anderen bei Sperlingen begegnet ist, recht unangenehme Störungen und selbst ganz fatale Täuschungen hervorrufen. Ausserdem giebt es jedoch noch vielfältige andere Gebilde, von denen wir ganz dasselbe sagen müssen und zwar um so mehr, als wir über sie zum Theil noch recht wenig unterrichtet sind, und die wir vielleicht mit aus diesem Grunde, wo wir sie antrafen, öfters schneller abgethan haben, als gut war. Hierhin gehören manche Pigmente, manche Untersuchung. üb.d. Endigungd. Nerven in d.quergestreiften Muskelfasern. 523 zähschleimigen Gebilde, welche kurzweg als Protoplasmaformen an- gesehen und hingehen gelassen worden sind, ferner manche Binde- gewebsformationen und manche, ohne viel Bedenken als elastische bezeichneten Fasern. Man liess diese sämmtlich als gut legitimirt passiren und dachte nicht viel daran, dass doch vielleicht etwas mehr hinter innen stecken möchte, als zu vermuthen gewesen, und in der That haben sie sich denn auch endlich, wie ich glaube, als etwas ganz Anderes entpuppt, als man angenommen hatte, wenngleich nicht gerade immer zu sagen war: als was? Allein wenn man nicht voreingenommen von gewissen Ideen an die Arbeit geht, sondern so vorurtheilsfrei als möglich den frag- lichen Dingen auf den Leib rückt, so wird man dessenungeachtet doch, wenn auch nicht in jedem einzelnen Falle, so doch immer noch oft genug zu ganz bestimmten Resultaten gelangen und sich nichtsdestoweniger zu einer gewissen Klarheit durcharbeiten. Geduld gehört allerdings unendlich dazu, und niemals wird man sich dürfen verdriessen lassen, wenn ein Viertelhundert Präparate nichts gelehrt haben, das zweite Viertelhundert in einer anderen Weise und nach einem anderen Prinzip herzurichten. Oft liegt dann, nachdem so und so viele Mühen vergebens gewesen waren, die ganze Sache mit einem Male geklärt da, und was man, wer weiss wie lange, gesucht hatte, breitet sich nunmehr wie von selbst vor unseren Augen aus. Was ich aber so oder so in einer grossen Reihe von Unter- suchungen selbst gesehen habe, und zu welchen Resultaten ich da- durch gekommen bin, das mögen die nachstehenden Auseinander- setzungen lehren. Bei Rana temporaria sieht man in dem mit Serum oder Koch- salzwasser (1°/,) frisch hergerichteten Präparate des Brusthaut- muskels, der Zungen-, Schulter- und Beckenmuskeln hin und wieder sehr dicke, derbe Nervenstränge hinziehen. Diese theilen sich viel- fach und ihre Zweige vertheilen sich nach allen Richtungen hin. Wenn man aufmerksam den einen oder den anderen Strang verfolst, so wird man ein zwiefaches Verhalten in seinem weiteren Verlaufe erkennen. Der Strang theilt sich. Ein Theil verläuft geschlossen oder sich auch wieder theilend weiter, ohne dass eine Veränderung in seinen Elementen, d. i. seinen .Primitivfasern, irgend wie vorge- kommen wäre. Als mehr weniger breite, mit verhältnismässig dicken Markscheiden versehene Fibrillen gehen sie weiter, bis sie an dem Ort ihrer Endigung angekommen sind. Der andere Theil 524 Dr. Rudolf Arndt: dagegen lässt schon frühzeitig Abänderungen in dem Verhalten seiner Primitivfasern erkennen. Nachdem auch er noch eine Strecke ge- schlossen weiter gelaufen ist, fängt er an sich zu lockern. Er wird breiter und breiter. Die Primitivfasern rücken mehr und mehr aus- einander. Dann theilt sich der Strang und die Theiläste verlaufen, um, wie die der ersten Abtheilung, aber in ihrer Weise, ihr Ziel zu erreichen. Allein schon während der Auffaserung des Stranges ver- loren die Markscheiden der Primitivfasern an Mächtigkeit. Sie wur- den danach noch immer dünner und zuletzt verschwanden sie mancherorts vollständig. In dem Maasse jedoch, als dieses geschah, traten die Kerne des Neurilemmas mehr und mehr hervor und wo das recht auffallend sich machte, da blieb zuletzt ein kernreicher, von noch immer vorhandenem Myelin leicht glänzender Strang liegen, oder eine mit Kernen besetzte dünne Faser. Forschen wir nunmehr aber nach, was aus den verschiedenen Fasern wird und fassen wir Behufs dessen zuvörderst ein Bündel der ersten Abtheilung in das Auge, so erkennen wir wieder ein wechselndes Verhalten. Manchmal sehen wir noch einen Theil dieser letzteren zu einem ziemlich starken Strange vereinigt, zu einem helleren, etwas glän- zenden, plattenartigen Gebilde treten, das bald auf, bald unter, bald neben einem Muskelprimitivbündel liegt und in letzterem Falle dieses halb und halb umgreift. Ein ander Mal gewahren wir, dass so etwas nur von einer einzigen Faser vollzogen wird, die sich von dem be- treffenden Bündel losgelöst hat und ihre eigenen Wege gewandelt ist, wobei sie oft noch Seitenzweige abgegeben. In einem noch an- deren Falle beobachten wir, dass zwar ein ganzer Strang zu einer solchen Platte geht, dass aber nur ein Theil seiner Fasern sich in sie einsenkt, während der andere Theil über sie weg oder auch scheinbar durch sie durch weiter verläuft, und in einem noch weiteren Falle tritt ein noch anderes Verhalten ein und die Faser scheint, nachdem sie in Endbüsche zerfallen ist, unmittelbar in der von Kühne angegebenen Weise zu enden. In den erwähnten plattenartigen Gebilden, welche eine sehr wechselnde Grösse haben, aus einer glasartig hellen Materie be- stehen, in der Körnchen, Kügelchen und rundliche Kerne eingebettet liegen, an einzelnen Muskelbündeln zu mehreren vorhanden sind, an anderen gänzlich fehlen, scheint der Nerv, sei er Stamm, sei er einzelne Faser, sich aufzulösen (Fig. 13a. 14a.). Sein Neurilemma geht in vielen Fällen deutlich erkennbar über in das Sarkolemma; - Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind.quergestreiften Muskelfase rn. 525 sein Mark scheint in die Körnchen und Kügelchen der Platten sich aufzulösen und seine Axencylinder verlieren sich ohne erkennen zu lassen, wie und wohin. Aus dieser Platte, welche also unter dem Sarkolemma, zwischen diesem und der eigentlichen Muskelsubstanz liegt, entstehen aber wieder neue Nervenfasern (Fig. 13. b. 14. b.), die zum Theil sich wieder zu markhaltigen Stämmen anordnen, das Sarkolemma durchbrechen, eine Fortsetzung desselben als Neuri- lemma mitnehmen und weiter zu andern Muskelbündeln laufen. Auf ihrem Wege dahin theilen sie sich aber wieder zum öfteren; endlich theilen sich sogar ihre einzelnen Primitivfasern und nachdem auch dann noch Aeste zu sehr verschiedenen Bündeln abgegeben worden sind, enden sie entweder mit einer Platte oder wie das Kühne beschrieben hat. In diesem Falle tritt der markhaltige und mit einer Schwann’schen Scheide bekleidete Nerv an das Muskel- bündel. Die Schwann’sche Scheide verschmilzt mit dem Sarkolemma und der Nerv selbst zerfällt in die bekannten Endbüsche Mark- haltig ziehen die einzelnen Fasern noch eine Strecke weiter von Kern zu Kern und gewöhnlich dicht unter dem Sarkolemma, das sie auf eine gewisse Entfernung hin scheidenartig erheben und von dem sie vortäuschen, dass es sie trüge wie ganz und gar ausserhalb ge- legene Gebilde; dann theilen sie sich, verlieren ihr Mark und gehen darauf, wieder und wieder sich theilend, als blasse Bänder weiter von Kern zu Kern. Schliesslich endigen die blassen Bänder in der Nähe eines Kernes, der von einem körnigen Protoplasma umgeben ist, und zwar endigen sie entweder ziemlich scharf abgesetzt, oder auch, nachdem sie sich so verfeinert haben, dass ihr! Aufhören an einem bestimmten Punkte nicht mehr erkannt werden kann, wie ich glaube, in dem Protoplasma des Kernes. (Fig. 13. c.) Ausser den beschriebenen Fasern entspringen den kernführenden Nervenplatten aber auch noch Fasern, welche ein anderes Verhalten an den Tag legen. Sie machen nicht erst weite Umwege,, um an ihr Ziel zu gelangen, sondern sie dringen unmittelbar in das Mus- kelbündel ein, dem die Platte angehört. Dabei jedoch kann, soweit ich habe erkennen können, ein zweifacher Modus beobachtet werden. Entweder nämlich stülpen sich blos ganz feine, blasse, oft nur wie körnig-faserig erscheinende, aber sich weiterhin doch noch theilende Fäden aus der Platte hervor und umgreifen, wenn die Platte an der Seite liegt, die Muskelsubstanz, in querer Richtung vordringend, in oft deutlichem Bogen, wobei sie sich allmählig so verfeinern, dass M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9, 34 526 Dr. Rudolf Arndt: sie schliesslich der Beobachtung sich vollständig entziehen, oder es treten derbere, sogar markhaltige Fasern heraus, welche das Sar- kolemma wie Fasern der Endbüsche auf eine gewisse Entfernung hin scheidenartig abheben um dann, nachdem sie sich getheilt und verschmächtigt haben, wieder unter das Sarkolemma zurückzusinken, ihr Mark zu verlieren und sich theilend von Kern zu Kern zu ziehen und zu endigen ebenfalls wie die den Endbüschen angehörenden, (Fig. 13. bei a.) Mitunter kommen zwischen diesen Fasern Kom- munikationen vor und wenn an demselben Muskelbündel ein weit hergelaufener Nerv büschelförmig endigt, so kann eine solche Kom- munikation auch mit diesem stattfinden. Doch scheint sich dieselbe immer nur in der Nähe eines Kernes zu machen und nie in der Continuität der Fasern selbst, zu erfolgen. (Fig. 13. d.) Es fragt sich nunmehr, welche Bedeutung haben die mehrfach erwähnten Kerne für die geschilderten Verhältnisse? Man kann im Froschmuskel zum Wenigsten dreierlei Kerne unterscheiden: 1. grössere, rundlich-tache, glatte, nach Essigsäure-Einwirkung stäb- chenförmig erscheinende, die in die Muskelsubstanz in ziemlich re- gelmässigen Abständen aber in verschiedener Tiefe, meist nach sei- ner Länge, nur selten mehr quer eingesenkt und durch Protoplasma- körnchen ebenfalls der Länge nach verbunden sind, die eigentlichen Muskelkerne, 2. kleinere, länglich-rundliche, glatte, blasse, nach Essigsäure etwas schärfer hervortretende protoplasmalose, welche über den Platten und den von denselben ausgehenden Nervenfasern sitzen, wohl von dem zuführenden Nervenstamme herrühren, dem Neurilemma angehören, bindegewebige, 3. runde oder eiförmige, nur durch gegenseitigen Druck veränderte, verschieden grosse, bald blasser bald dunkler gerandete, leicht granulirte oder punktirte, mit mehreren kleinen Kernkörperchen versehene, nach Essigsäure zwar nicht die Form, wohl aber den Inhalt verändernde und dann häufig mit 1 auch 2 grösseren Kernkörperchen ausgestattete, in grösserer Anzahl blos in den Endplatten, sonst aber vereinzelt auch noch anderweit liegende, nervöse. Kühne hält, wie wir Eingangs gesehen haben, die Kerne, zu welchen die ihm bekannten intramuskulären Nervenfasern, das sind von denen, welche wir kennen gelernt haben, die breiten, Anfangs noch markhaltigen, für eigenartige Gebilde von recht complicirtem Bau. Engelmann konnte das nicht bestätigen. Er hält sie für einfache, protoplasmaführende Kerne, und Koelliker hält sie für Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Mukelfasern. 527 Kerne des Neurilemmas, da er ja überhaupt diese Fasern nicht für intramuskuläre, sondern für extramuskuläre ansieht. Ich schliesse mich zum Theil Koelliker an, indem ich glaube, dass, trotzdem die Faserausbreitung intramuskulär ist, dennoch ein Theil der Kerne extramuskulär gelegen ist und dem Neurilemma resp. Sarkolemma angehört, das zu Anfang der Faserung wenigstens, wie schon‘ er- wähnt worden ist, von den einzelnen Fasern scheidenartig erhoben wird. — Von den übrigen Kernen glaube ich sind gar manche wahre Muskelkerne, die vielleicht in Etwas, aber keineswegs we- sentlich von den übrigen Muskelkernen abweichen. Es sind das ganz besonders die am Ende der Faserung gelegenen. Die in der Mitte derselben vorhandenen zeigen allerdings manches Eigenthümliche ; doch ist dasselbe, wie mich dünkte, nicht von dem Belang, welchen man glaubte annehmen zu müssen. Sie scheinen vor Allem etwas kleiner, etwas gerundeter, weniger empfindlich gegen Essigsäure zu sein und gewissermassen eine Mittelstellung zwischen den Kernen der Nervenhügel und den wahren Muskelkernen einzunehmen; allein mehr vermochte ich bis jetzt auch an diesen nicht zu sehen, und dies Wenige kann bedingt sein durch die verschiedene Entwickelung, welche sie und hauptsächlich ihr Protoplasma gegenüber den freien Muskelkernen durchzumachen gehabt haben, und von den doch immer wesentlich anderen Verhältnissen, unter denen sie sich eben- falls diesen gegenüber dadurch befinden, dass sie Fasern anhaften und nicht in einem weichen Protoplasma liegen. Als etwas diesem letzteren Umstande Zuzuschreibendes erachte ich auch das feine Leistchen, welches man so häufig über diese Kerne hinlaufen sieht, und das Kühne, wie ich glaube, irrthümlich als einen Faden auf- gefasst hat, der im Kerne liegt, wohin es, von der Nervenfaser aus- gegangen, zu einem glänzenden Kügelchen sich begiebt, das eine Art Endbläschen darstellen soll. Ich halte das Leistchen für das Band, durch welches der Kern der Faser anhaftet und dies Band ist in bald mehr gerader, bald mehr wellenförmiger Linie entstanden durch Umwandlung seines ursprünglichen Protoplasmas. Dass von diesem noch Reste hie und da vorhanden sind, glaube ich lässt sich erweisen, und die Sohle, welche Engelmann den betreffenden Kernen zu- schreibt, würde in diesem zu suchen sein. Das Kühne’sche End- bläschen jedoch halte ich mit Kühne für ein im Kerne selbst gele- genes Körperchen und damit allerdings auch für ein Kernkörperchen, 528 Dr. Rudolf Arndt: trotzdem sowohl nach Kühne!) alsauch nach Engelmann?) den in Rede stehenden Kernen keine Kernkörperchen zukommen sollen. — In Anbetracht all dessen bin ich der Meinung, dass im Allgemeinen die Verästelung der in Rede stehenden Fasern den Muskelkernen folgt, oder anders ausgedrückt, dass durch diese Fasern eine Ver- bindung der Nervenplatte mit den Muskelkernen, alias ihrem Pro- toplasma hergestellt wird, indem diese Fasern gewissermassen nur eine Modification desselben, eine Differenzirung seines ursprünglichen Zustandes, der bei den wahren Muskelkernen mehr erhalten blieb, darstellt. Bei dieser Differenzirung mag die Ernährung der Kerne wohl auch eine andere geworden sein und daher gewiss nicht zum kleinsten Theile ihre so ganz andere Form im Vergleich zu jenen Kernen herrühren. Uebrigens finden unter diesen sich aber auch fern von allen Fasern beinahe immer etliche, die jenen sehr nahe stehen. Was endlich noch die von mir als rein nervöse Kerne betrach- teten angeht, die ab und an einmal in dem Muskel zu Gesicht kommen, so sah ich sie mehrmals anscheinend mit den feinen Ner- venfäden in Verbindung, welche so oft in transversaler Richtung aus der Platte kommen. Doch kann ich nichts Genaueres darüber an- geben, weil ich sie doch im Ganzen zu selten in dieser Verbindung zu sehen Gelegenheit hatte. Dagegen kamen sie mir unter anderen, noch näher zu erörternden Verhältnissen wiederholt zur Beobachtung und kommen wir auf diese später noch besonders zurück. — Kühne unterscheidet gelegentlich einmal zweierlei Kerne im Muskel, läng- liche, mit quergestreiftem Protoplasma und rundliche, welche er Kerne der Muskelsubstanz nennt. Diesen letzteren glichen die eben erwähnten Kerne. Habe ich Kühne recht verstanden, so hält er sie für Vorstufen der Muskelkerne. Aus dem oben Gesagten und aus später Folgendem wird sich ergeben, dass ich grossentheils derselben Meinung bin. Doch jetzt zu etwas Anderem. Es fragt sich nämlich nach diesem weiter: wo liegen die intra- muskulären Fasern, oberflächlich, oder dringen sie auch in die Tiefe? — Die breiteren derselben scheinen vorzugsweise dicht unter dem Sar- kolemma zu liegen, bisweilen aber auch einmal in die Tiefe des Muskels einzudringen, wie aus der verschiedenen Deutlichkeit der 1) Kühne. Ueber d. peripherischen Endorgane d. motor. Nerven. p. 18. 2) Engelmann. Untersuchungen über d. Zusammenhang u. s.w. p. 21. _ Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven iind. quergestreiften Muskelfasern. 529 Bilder bei demselben Foculabstande hervorgeht. Doch betrifft das immer nur, soweit ich erkannt habe, einzelne gerade verlaufende Fasern, die sich nicht mehr theilen. Nie kommen quere Verbin- dungen einzelner Kerne vor, sondern stets nur solche der Länge nach, und da immer mehrere Reihen von Kernen in einem Muskel vorhanden sind, so wird die Verbindung der einzelnen Reihen durch eine Theilung noch oberflächlich gelegener Fasern gemacht. Ich möchte glauben, dass, so lange die Faser sich noch theilt, sie dicht unter dem Sarkolemma liegt und dass erst ihre Enden gelegentlich einmal in das Muskelinnere zu den Kernen eindringen, was sonst für gewöhnlich durch die dünnen Protoplasmazüge besorgt wird. Die schmalen, zarten, so oft transversal verlaufenden Fasern scheinen zum Theil im Sarkolemma, zum Theil so dicht unter ihm zu verlaufen, dass sie mit ihm fest verwachsen erscheinen. Denn einmal spricht dafür der gebogene Verlauf, den sie haben, wenn die Platte an der Seite des Bündels liegt — als ob sie Etwas umgrifien, — und dann der Umstand, dass nach Anwendung von Essig- oder Salzsäure der gequollene Muskel an diesen Stellen gefaltet und die Nervenplatten tief in ihn eingedrückt, wie durch Schnüre vom Rande her festgemacht erscheint, obgleich sie selbst dabei mächtig aufgebläht ist und den Muskelcontour oft bedeutend überragt. Ein anderer Theil dieser Fasern, und zwar gemeiniglich die feinsten und zartesten, liegen aber, wie sich aus der Verstellung des Objecttisches ergiebt, offenbar im Muskelinneren und schieben sich zwischen die Fibrillen ein, um sich in deren Zwischenräume zu verlieren. Jene entstammen wohl nur dem bindegewebigen Antheile der Platte, also dem sie überziehenden Sarkolemma und sind desshalb kaum etwas Anderes, als der blosse Ausdruck von streifenförmigen Verdickungen des Sarkolemmas selbst; diese dagegen entstammen dem nervösen Antheile der Platte und stellen Fortsetzungen desselben in das Muskelinnere dar. Was nun endlich noch die Nervenplatten im Besonderen anlangt, so zeigen sie je nach ihrer Grösse und Mächtigkeit ein recht ver- änderliches Aussehen. Immer kann man in ihnen zwei Schichten erkennen, welche vornehmlich nach Zusatz von Wasser, Säuren, Al- kalien, nach Behandlung mit Gold deutlich unterschieden sich zeigen. Die obere, dicht unter dem Sarkolemma gelegene Schicht ist zu- meist dünn, gallertig-glashell, ziemlich homogen, nur von zerstreuten Körnchen und Pünktchen durchsetzt, die untere besteht aus den 530 Dr. Rudolf Arndt: beschriebenen, sogenannten nervösen Kernen und einer sie umgeben- den, ebenfalls gallertigen,, aber.von Körnchen , Pünktchen und Fäd- chen vielmehr getrübten Masse. So sehr diese Unterschiede der beiden Schichten auch in die Augen springen mögen, eine wirckliche Trennung derselben ist darum doch nicht wohl zu statuiren. Der Unterschied zwischen ihnen wird hauptsächlich durch die Kerne ge- macht, weniger durch die beiden anderen Substanzen. Denn diese gehen, so viel ich habe sehen können, ganz allmählig ohne irgend welche Begrenzung in einander über. Von vornherein hätten wir in den Platten also erstlich die Kühne’sche Endplatte und dann die granulöse Sohle derselben. Nach genauerer Besichtigung indessen finden wir, dass diese beiden Dinge innigst zusammenhängen, und darum wohl auch zusammengehören, und dass wir in den Platten nur eine Anhäufung von Kernen in einer granulösen Masse haben, welche in verschiedenem Grade quellungsfähig mit ihren am wenig- sten veränderlichen Theilen an und zwischen den Kernen hängen bleibt, wenn entsprechende Reagentien einwirken, während die ver- änderlichen Theile aufquellen, das Sarkolemma mehr oder weniger erheben und dann unter demselben eine von den tieferen Partieen gesonderte, mehr homogene Masse darzustellen scheinen. Wir haben in der Nervenplatte danach also eine Anhäufung von Kernen, welche von einem in verschiedenem Grade differenzirten Protoplasma um- geben sind, das in der nächsten Nähe der Kerne fester, körniger und bisweilen selbst faserig, und an der Peripherie weicher und ho- mogener, ja manchmal sogar ganz homogen zu sein scheint. In dieses Protoplasma und allem Anscheine nach erst in den differenzirteren Theil desselben lösen sich die Axencylinder der’ zu- führenden Nerven auf, und aus ihm sammeln sich die Axencylinder der wieder austretenden Fasern. Die Protoplasmazüge, welche sich in das Muskelinnere fortsetzen , sind wohl einfache Ausbreitungen des peripherischen Antheiles desselben. Die Nervenplatten an sich sind damit aber keine absoluten Endapparate, sondern sie sind dies nur für einen Theil des Muskels, dem, welchem sie angehören oder unter Umständen auch für ihn ganz und gar; zugleich aber sind sie auch noch eine Art von Ursprungsheerde für Endapparate, welche entfernter liegende Muskeltheile oder auch andere Muskeln über- haupt zu innerviren bestimmt sind. Dessenungeachtet wollen wir diesen Platten der Gemeinsamkeit wegen doch auch den Namen »Nervenhügel« geben, da sie zu Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven i.d. quergestreiften Muskelfasern. 531 demselben nicht allein durch ihre ganze Configuration das Recht haben, sondern, wie wir noch sehen werden, auch noch aus Gründen, welche sie trotz mancher Verschiedenheiten als volle Aequivalente derselben erscheinen lassen. Hieraus ergiebt sich aber, dass die intramuskulären Fasern, soweit sie Kühne’s intramuskulären Axencylindern entsprechen, keineswegs mehr als Analoga seiner Endplatten anzusehen sind, . gleichsam eine aufgefaserte Endplatte darstellen, sondern dass sie eine ganz andere Bedeutung haben müssen. Es sind nach meiner Ansicht entweder nur Leitungsfasern, wenn wir wollen, von den be- treffenden Platten zu dem Protoplasma von Muskelkernen, um durch dieses auf die contraktile Substanz zu wirken, mit welcher es in Contakt ist, oder in den Fällen, wo keine Platten vorhanden sind ‚und die Endigung durch büschelförmiges Zerfahren der betreffenden Faser erfolgt, und wo, beiläufig erwähnt, die Auffaserung gemeinig- lich eine sehr bedeutende, umfangreiche ist, stellen sie Fasern dar, welche als Umwandlungsprodukte des Protoplasmas von Nerven- hügeln anzusehen sind, und damit in ihrer Totalität einen modifieirten Nervenhügel selbst. Halten wir das fest, so ergiebt sich, dass wir es mit 'verschie- denen Gruppen von Nervenhügeln zu thun haben und nicht blos genuine und modifieirte, sondern, worauf es augenblicklich allein ankommt, auch solche unterscheiden können, in welche der vom Centralorgan kommende Nerv eintritt, und solche, in welche Ner- ven münden, die erst aus jenen oder überhaupt eine Stufe höher gelegenen Hügeln ihren Ursprung genommen haben. Wir können somit auch hier, wie bei den Arthropoden, von Nervenhügeln Ister, 2ter, 3ter und letzter Ordnung reden. Die büschelförmige Endi- gung eines Nerven in der bekannten Weise würde nach unserer entsprechenden Auffassung immer einen Nervenhügel letzter Ord- nung darstellen. Die meisten Muskelbündel besitzen nun blos diese oder überhaupt solche einer sekundären Ordnung. Wenige nur haben die grossen Platten, die Hügel 1ster Ordnung. Entwicke- lungs- und Wachsthumsvorgänge, wahrscheinlich auf Theilung zurück- zuführen, dürften der Grund dafür sein. Dieselbe Reserve, welche wir bei den Arthropoden machten, dass nicht alle Muskelkerne gleichwerthig zu sein brauchten, müssen wir auch hier machen, und ebenso müssen wir daran denken, dass in den Spalten, in welchen jene liegen, nicht blos das Protoplasma 532 Dr. Rudolf Arndt: dieser Kerne noch vorhanden ist, sondern ausser ihm wohl auch noch Stoffe sich befinden, welche zur Ernährung des Muskels in näheren Beziehungen stehen. Aber wie dem immer auch sei, einige der sogenannten Muskelkerne stehen zu dem nervösen Apparate in näheren Verhältnissen und die sichtbaren Verbindungen geben uns dafür den nöthigen Beweis. Sehr deutlich schienen alle die mitgetheilten Vorkommnisse sich aus Chlorgoldpräparaten oder solchen, welche durch 24 Stunden in !/a°/o Salzsäure- oder 1°/, Essigsäure-Lösung behandelt worden waren, zu ergeben. Die Muskelkerne waren in den ersteren (Fig. 13. 14.) von einem krümlichen, schwärzlichen Beschlage bedeckt und standen durch schwärzliche krümliche Massen der Länge des Muskels nach in Verbindung. Die Nervenhügel waren durch eben solche Niederschläge sehr deutlich geworden und ebenso die Fasern, welche aus ihnen entsprangen und schliesslich zu den Muskelkernen zu verlaufen schienen, indem die krümlichen Massen, welche sie ein- hüllten, in die übergingen, welche auf und zwischen den Kernen lagen. In den letzteren jedoch traten in Folge der Aufhellung der Muskelsubstanz und der Niederschläge in die Kerne und die sie ver- bindende interfibrilläre Substanz diese letzteren mit den nervösen Elementen in einem Zusammenhange hervor, der an Klarheit und Deutlichkeit kaum noch Etwas zu wünschen übrig liess. Selbst durch eine 1000fache, mittelst Immersionssysteme bewerkstelligte Ver- grösserung war es unmöglich ihn aufzulösen. Zur Frage über die Lage der Nervenhügel in Betreff des Sar- kolemmas, ob sie ausserhalb oder innerhalb desselben liegen, haben wir uns schon für das Letztere entschieden, weil wir das Neuri- lemma des zuführenden Nervenstammes in das Sarkolemma über- gehen sahen. Bei den grösseren Hügeln bekommt man nichtsdesto- weniger doch öfters den Eindruck, als ob dieselben ausserhalb des Sarkolemmas lägen. Dies kommt indessen, wie ich glaube, nur daher, dass das Sarkolemma in solchem Falle sich faltig zwischen Nerven- hügel und Muskelsubstanz einschiebt, so dass der mittlere Theil des Nervenhügels mit der Muskelsubstanz in direkter Beziehung steht, sein Umfang durch eine Duplicatur des Sarkolemmas jedoch von ihm getrennt wird. Wachsthumsverhältnisse scheinen auch hier die Ursache davon zu sein. Nachdem wir uns so über den Verbleib und die Endigung des einen Antheiles der untersuchten Nervenfasern unterrichtet haben, Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 533 wenden wir uns zu demselben Zwecke dem zweiten Theile derselben zu und machen es wie vorhin. Wir fassen ein Bündel dieser Ab- theilung in das Auge und zwar schon da, wo wir über seine Natur noch am wenigsten getäuscht werden können, d. i. bei seinem Ab- gange vom Hauptstamme. Wir haben in aller Kürze bereits er- fahren, was geschieht. Das Bündel lockert sich, wird breiter. Seine Primitivfasern rücken auseinander, weil das dazwischen liegende Bindegewebe an Masse zunimmt und sie auseinander drängt. Dabei verlieren diese Fasern allmählig an Mächtigkeit ihrer Markscheiden, ja einzelne verlieren sie ganz und ziehen danach als marklose, nur von einer Schwann’schen Scheide bekleidete Axencylinder, wahre Remak’sche Fasern, weiter. Das Verhalten dieser Fasern zu einander ist in ihrem weiteren Verlaufe aber keineswegs ein bestimmtes; sondern es wechselt und zeigt Verschiedenheiten mannigfaltiger Art. Schon sehr früh lösen sich von dem Stamme ihrer einzelne ab und verlaufen allein oder in Gesellschaft mit andern und dann mit diesen sich vielfach kreu- zend, ungetheilt oder wiederholt dichotom sich theilend, längs und quer über die Muskelbündel hin, wobei sie, oft weite Strecken zu- rücklegend, sich zwischen die Muskelbündel einschieben und durch- zwängen, dieselben schlingenförmig auch umgreifen und dann rück- läufig werden, bis sie in eine Anzahl von Endästen zerfallen, sich an das Sarkolemma der einzelnen Muskelbündel anheften und da- selbst in der Nähe eines Kernes allein oder in Gemeinschaft mit einer anderen Faser endigen, damit denn entweder frei, wie abge- setzt aufhören oder eine Art von Schlingen, freilich in einem anderen als dem gewöhnlichem Sinne bilden. In allen Theilungsstellen dieser Fasern liegen Kerne, einzeln oder zu mehreren, selten in einem grösseren Häufchen. Dieselben gehören bis zu einem gewissen Grade den Muskelbündeln an, zum Wenigsten in sofern, als sie mindestens mit dem Sarkolemma derselben fest verwachsen sind und bedingen dadurch, dass an jeder Theilungsstelle eine Anheftung der fraglichen Faser an das jeweilige Muskelbündel selbst stattfindet. Im weiteren Verlaufe sondern sich von dem Stamme ganze Bündel von Fasern ab, die eine Zeit lang noch geschlossen fort- laufen, dann gelegentlich die eine oder die andere Faser abgeben, welche sich weiter verhält, wie die eben beschriebenen, und schliess- lich sich ganz in solche weithin auseinander laufende Fasern auflösen oder in kurze Büschel, losen Pinseln, im Profile zierlichen 534 Dr. Rudolf Arndt: Fächern, ähnlich, zerfahren, um mittelst dieser wie die übrigen Fa- sern im Sarkolemma in der Nähe von Kernen sich zu inseriren, oder auch um ein Ende zu nehmen, wie wir es im Folgenden so- gleich kennen lernen werden. Der Rest des Stammes nämlich, wenn er nicht durch allmäh- liges Auflösen in seine Fibrillen in der eben dargestellten Weise sein Ende findet, endet auf einmal wie abgeschnitten in einem anschei- nend strukturlosen, aber sehr kernreichen Gewebe, das sehr häufig zwischen den Muskelbündeln liegt, ihnen aber auch aufliegt und nicht selten mit ihrem Sarkolemma mehr minder fest verwachsen ist. Dieses Gewebe sieht aus wie Bindegewebe, verhält sich auch zum grossen Theile so wie dieses, indem es bei geeigneter Behand- lung in den gewöhnlichen Säuren und Alkalien stark aufquillt oder sich auch auflöst, indem es von Oxalsäure, Kalkwasser, Barytwasser, der Budge’schen Mischung aus Salpetersäure und chlorsaurem Kali oder von Wasser, das bis auf 40° C. erwärmt worden ist, nachdem eine Behandlung mit sehr verdünnter Schwefelsäure vorhergegangen, sehr rasch angegriffen und demnächst vollständig zerstört wird und indem endlich Silber- und Goldpräparate zusammt der Ueberosmium- säure es so gut als gar nicht färben, während Garmin und Indig- carmin nebst den Anilinfarben es rasch und intensiv tingiren. Aber in diesem strukturlosen Gewebe, nennen wir es Bindegewebe, liegen in seinen Maschen oder unter ihm, neben den erwähnten zahlreichen Kernen, rundliche oder unregelmässig rundlich-längliche Häufchen, oder grössere und kleinere Kügelchen einer hell glänzenden, etwas opalesceirenden, gegen alle möglichen Reagentien auffallend resistenten Masse, welche der der Markscheiden wie ein Ei dem anderen gleicht, und darum wohl auch als Myelin, wennschon in vielleicht verän- derter Form anzusehen ist, und ausserdem ein röthlich-gelbes in rund- lichen Körpern auftretendes Pigment, wie es für gewöhnlich in reinem Bindegewebe nicht vorkommt und das sich von dem schwarzen, in verzweigten Zellen, namentlich der Adventitia der Gefässe angesam- melten, himmelweit unterscheidet, aber dafür dem Hämatoisin R o- bin’s, das in den Oentralorganen des Nervensystems so häufig vor- kommt, um so ähnlicher sieht, und deshalb wohl kaum eines anderen als nervösen Ursprunges ist. Dazu kommt, dass sich zwischen den Kernen, von denen sich die meisten als unzweifelhafte Bindegewebs- kerne charakterisiren, bei stärkeren Vergrösserungen (ca. 1000mal) etliche als den nervösen nahe verwandt darstellen, und dass ausser- Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 535 dem aus diesem Gewebe Fasern ihren Ursprung nehmen, die ein Verhalten an den Tag legen, das vollkommen dem gleicht, welches auch die zutretenden nervösen Fasern oder deren Stammverwandte, die sich schon früher von ihnen getrennt hatten, besitzen. Denn diese Fasern haben nicht blos dieselbe Verlaufsweise, sie trotzen auch bis zu einem gewissen Grade den gewöhnlichen Säuren und Alkalien, werden durch Oxalsäure, Kalk- und Barytwasser nur theil- weise zerstört — ein in ihrer Mitte gelegener, feiner Faden bleibt noch stundenlang nach deren Einwirkung sichtbar — und nach Be- handlung mit Chlorgold oder Ueberosmiumsäure färben sie sich nach einiger Zeit schwarz und bedecken sie sich mit von Zeit zu Zeit auftretenden kleinen, stark glänzenden, äusserst widerstands- fähigen kleinen Kügelchen (Myelintröpfehen?) wie feine Nerven- fasern. Alle Umstände sprechen sonach dafür, dass das strukturlose Bindegewebe, in welches der besagte Nervenstrang einmündet, die Decke oder Hülle eines nervösen Apparates sei, der ausserhalb der Muskelbündel, öfters sogar einfach zwischen ihnen gelegen ist und theils einen Endapparat, theils aber auch wieder einen Anfangs- apparat bestimmter Fasern und Fasersystemen bildet und damit ein Analogon der Nervenhügel repräsentirt, welche wir vorher kennen gelernt haben. Um dieses noch plausibeler zu finden, sei erwähnt, dass diese Endapparate nach Behandlung mit Chlorgold, durch welche sie ge- wöhnlich stark aufquellen „ oft in ganz eircumscripten Formen er- scheinen, und wenn sie einem Muskelbündel aufliegen oder ihm an- gewachsen zur Seite liegen, Kühne’schen Nervenhügeln mitunter so ähnlich sind, dass sie mit ihnen ganz leicht verwechselt werden können. Oftmals sehen sie schmutzig, röhlich-bräunlich aus von der Menge von Krümeln, welche mit dieser Farbe sich in ihnen, und vorzugsweise um ihre Kerne niedergeschlagen haben. Setzt man Essigsäure zu, so werden sie heller und glänzend, indem das mas- sige Bindegewebe aufquillt und das spärliche Myelin stärker hervor- tritt. Setzt man darauf Kal. caustic. solut. im Ueberschuss zu, so löst sich das Bindegewebe allmählig auf und es bleiben eine Menge feinster Fasern zurück, die ab und zu mit Kernen besetzt sind, kleinere oder grössere hellslänzende Tröpfchen tragen und häufig einen röthlichen Schimmer zeigen. Einige breitere Fasern , welche dazwischen verlaufen, besitzen ein stärker glänzendes Aussehen und führen in ihrer Mitte eine rothe Linie. Dieselbe ist vielleicht mit 536 Dr. Rudolf Arndt: den eben erwähnten röthlich schimmernden Fasern in Zusammen- hang zu bringen und als Ausdruck eines gefärbten Axencylinders zu betrachten. Sie kann aber auch weiter nichts als blosse Bre- chungserscheinung sein. Manchmal ist sie schon vor dem Zusatze von Essigsäure und Kal. caustie. vorhanden und deutlich wahrzu- nehmen, manchmal zeigt sie sich offenbar abhängig von der Ein- stellung und Beleuchtung, wie sie insbesondere durch das Heben und Senken eines um seine Längsachse beweglichen Objecttisches gegeben wird. Wird einem Goldpräparate ohne Weiteres Kal. caustic. zuge- setzt, so bekommt man Gelegenheit, im Ganzen dieselben Beobach- tungen zu machen. Nur scheint es, als ob sich aus den Bindege- websmassen eine grössere Menge glänzender, unregelmässig geronnener, von mir als Myelin angesehener Materie, loslöste oder in grösseren oder kleineren Klumpen über das Präparat vertheilte. Behandelt man endlich mit dem Kal. caustic. ein ganz frisches Präparat, so bekommt man nicht blos dieselben Erscheinungen zu Gesicht, sondern sieht daneben auch noch sehr deutlich die dem Gewebe zugehörigen Kerne, welche vorher durch allerhand Krümel bedeckt waren, und sieht unter diesen, meist wohl charakterisirten Bindegewebskernen vereinzelt auch mehr rundliche, dunkler contourirte, mit mehreren Kernkörperchen ausgestattete, welche den bereits mehrfach als ner- vösen Kernen bezeichneten durchaus gleichen. Die in dem Gewebe verhandenen Fasern erkennt man als feine Linien aber auch bei dieser Methode noch durch sehr lange Zeit, und es liegt somit auf der Hand, dass sie nur schwer von der ätzenden Flüssigkeit ange- griffen werden, was bei reinen Bindegewebsfasern nicht der Fall ist. Ganz analog dem Kal.caustic. verhält sich auch die Oxalsäure. Die Bilder, welche durch dieselben erzielt werden, haben mit denen, welche durch jenes gewonnen wurden, sehr viel Aehnlichkeit. Die mit Barytwasser etc. dagegen hergerichteten haben manche Nach- theile, da sie durch zahlreiche Niederschläge der resp. kohlensauren Salze getrübt werden. Kurzum, ich zweifle nicht, dass die beschriebenen Bindegewebs- plaques, welche gewissermaassen die Endausbreitung der Schwann’- schen Scheide des zuführenden Nervenstranges sind, nervöse Masse enthalten und in der That nervöse Apparate zu bestimmten Zwecken darstellen. Unsere Untersuchung über die Endigung der feinsten Fibrillen wird das noch weiter bestätigen und, wie ich Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 537 glaube, sogar bis zu einem bestimmten Grade von Gewissheit er- heben. Verfolgen wir nämlich in einem Präparate, das durch 24 Stun- den der Einwirkung einer '/s°/, Salz- oder einer 1°/, Essigsäure- lösung ausgesetzt gewesen war, eine der feinen Fasern, welche sich ab und an einzeln vom Nervenstamm losgelöst haben, bei stärkerer Vergrösserung, solcher, die durch Immersionssysteme erzielt worden ist und vielleicht das 1000fache beträgt, so finden wir, dass einzelne dieser Fasern noch weiter markhaltig geblieben sind, als bei schwä- cherer Vergrösserung es den Anschein hatte, dass sie den dadurch bedingten dunklen Contour ihres Axencylinders erst kurz vor ihrer Endung verlieren und somit als ächte Nervenfasern auch da noch legitimirt sind, wo sonst schon allen Zweifeln über ihre Natur Thür und Thor geöffnet zu sein pflegt. Bei der bei Weitem grössten An- zahl indessen finden wir davon Nichts, und der Axencylinder steckt nackt in der ihn umhüllenden Schwann’schen Scheide. Er wird je- doch als solcher auch in diesen Fällen durch die völlige Ueberein- stimmung mit den bis beinahe zuletzt von Mark überzogenen charak- terisirt und Zweifel über seine Natur können desshalb auch hier als völlig ausgeschlossen betrachtet werden. Die Schwann’sche Scheide all dieser Fasern ist in Folge der Säure-Einwirkung mächtig aufgequollen und ihre äussere Begren- zungslinie steht in Folge dessen auffallend weit von der des Axen- cylinders ab. Ihre Kerne sind länglich oval, heller oder dunkler, von mehr gleichmässigem Gefüge, oder auch etwas körnig, und ent- halten meist 2 scharf markirte Kernkörperchen. Der Axencylinder ist ebenfalls stark aufgequollen und dabei unregelmässig auseinander gegangen, so dass schmalere und breitere Stellen an ihm abwechseln. Er hat eine blass lila, vielleicht etwas ins Grünliche spielende Farbe und ein im Uebrigen, wie mich dünkte, ziemlich homogenes Aus- sehen. Er erscheint desshalb als ein lila oder auch grünlich ge- färbtes, schwach glänzendes, unregelmässig breites Band, das in sanften Wellenlinien sich zwischen mehr starren, glashellen, kern- führenden Fasern hinschlängelt. Schon ziemlich weit vor seinem Ende verschmächtigt er sich, zeigt sich zerrissen und in den Riss- stellen statt seiner selbst nur einige mattglänzende, leicht opalescirende Kügelchen. Schliesslich endigt er, indem er sich einfach verliert. Allein rund um die Stelle, wo das geschieht, liegen grössere und kleinere, flache, unregelmässig begrenzte, ebenfalls leicht glänzende 538 Dr. Rudolf Arndt: und opalescirende Massen, die den als Myelin oder myelinartige Materie besprochenen ähneln. Dazwischen treten eine Anzahl grösserer Kerne auf. Dieselben sind von rundlicher Form, doch bald mehr elliptisch, bald mehr oval, bald mehr birnförmig. Sie sind ziemlich dunkel contourirt, wie aus einer Menge Küchelchen zusammengesetzt, von denen 2, 3, 4 die anderen bedeutend an Grösse und Glanz übertreffen, und wohl die eigentlichen Kernkör- perchen sind, während die anderen vielleicht erst durch Gerinnung entstanden sein mögen. Etliche der Kerne erscheinen nackt, etliche von einem Protoplasmahofe umgeben und bei wieder etlichen ist dieser sogar ziemlich stark entwickelt. Er verliert sich dann häufig in eine schweifartige Verlängerung und kommunicirt in einzelnen Fällen vermittelst derselben mit andern gleichgearteten Kernen. Manchmal geht diese schweifartige Verlängerung in ausgesprochene faserartige Bildungen, weiche theils in Bogen, theils geradlinig weiter gehen, oft Aeste abgeben, oft rundliche Verbreiterungen zeigen, wie wenn sie auseinander geflossen wären. Was sie jedoch sind, ist mir nicht ganz klar geworden, obgleich es mir scheinen wollte, als ob sich aus ihnen dann und wann auch einmal derbere Fasern sam- melten, und dass diese wieder zu andern Punkten, ja selbt zu andern Muskelbündeln sich begaben, um erst da zu endigen. (Fig. 17.) Die in Rede stehenden Kerne gleichen ganz und gar den in den Nerven- hügeln gelegenen, schon öfters als nervös bezeichneten, und ich möchte deshalb auch sie wieder für solche halten. (Vergl. Fig. 15. 16.) Das Recht dazu dürfte aber auch um so mehr vorhanden sein, als neben ihnen zugleich Kerne vorkommen, welche den beschriebenen neurilemmatischen ähneln und darum wohl bindegewebige sind, und als endlich die etwa zu beobachtenden Muskelkerne durch ihre Grösse, Flachheit, tiefere Lage, regelmässige Anordnung ete. auf den ersten Blick von ihnen unterschieden werden können. Mit einem Worte, auch an dem Endpunkte der einzeln verlaufenden mehr oder minder marklosen Nervenfasern zeigt sich nervöse Substanz abge- lagert und die oben erörterten Verhältnisse an den Endpunkten ganzer Nervenstämmcehen dürften daher um so mehr als das be- trachtet werden können, wofür sie bereits ausgegeben worden sind, nämlich als nervöse Apparate zu ganz bestimmten Zwecken. Wie verhält es sich aber da, wo dünne Nervenfaserbündel pinsel- förmig, oder im Profile gesehen, fächerförmig endigen? Da liegen die Sachen ebenso, und wenn dessenungeachtet doch Verschieden- Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 539 heiten zu bestehen scheinen, so fragt es sich nur, wie haben wir dieselben uns zu erklären. Die bei Weitem grösste Anzahl der hier besprochenen Nerven endet als einzelne Fibrille. Eine ungleich geringere Anzahl endet als dünne Bündel mit büschelförmiger Auffaserung. Verhältniss- mässig nur wenige enden noch zu Stämmchen vereinigt in grösseren, bindegewebsreichen Apparaten. Und aus diesen, wie auch aus den Büschen, vielleicht sogar auch noch aus grösseren Massen nervöser Substanz am Endpunkte einzelner Fasern, nehmen dazu erst noch wieder einzelne Fibrillen ihren Ursprung, bevor die wahre Endigung der vom Centrum hergekommenen Fasern erfolgt, so dass der volle Anschein erweckt wird, als ob die Endigung vermittelst einer Faser überhaupt das Gesetzmässige für diese Fasern selbst ist. Denken wir uns nun, dass von der früheren oder späteren Theilung des Stammes in seine Fasern es abhängt, ob dies oder jenes zu Stande kommt, so haben wir die Erklärung gefunden. Theilt sich der Stamm früh und rasch in seine einzelnen Fasern, so haben wir die Endi- gung in einzelne Fibrillen von vornherein. Theilt sich ein Bündel des Stammes erst spät, kurz vor seiner Endigung am Sarkolemma, so bekommen wir die büschelförmige Auffaserung. Bleibt endlich die Theilung ganz aus, oder vollzieht sie sich auch ganz plötzlich, was auf Eins herauskommt, so erfolgt die Endigung eines Stämm- chens in einer grösseren Plaque. Was die Ursache davon ist, lasse ich dahingestellt sein; aber nicht unwahrscheinlich ist es, dass die gesammten Verhältnisse mit Vorgängen in der Entwickelung und dem Wachsthume in Einklang stehen. So einfach nun auch diese Verhältnisse, wie ich zur Zeit glaube, daliegen, so schwer ist es hinter dieselben zu kommen und sich von ihrer Gegenwart zu überzeugen. Zwischen den beschriebenen Fasern giebt es eine ganz unglaubliche Anzahl von Bindegewebsfasern und unter allen Umständen und in jedem Augenblicke zu sagen, das ist, eine Bindegewebsfaser und das ist eine Nervenfaser, das halte ich für rein unmöglich. Allein nicht bloss diese stören und erschweren die jedesmalige Diagnose; beinahe noch mehr thun es die Blutge- fässe, zumal wenn sie, wie schon gelegentlich hervorgehoben worden ist, leer geworden und zusammengefallen sind, oder, was noch schlimmer ist, durch die Präparation ihr Aussehen verändert haben. Schon an und für sich stören die Gefässe nämlich dadurch, 540 Dr. Rudolf Arndt: dass sie so ziemlich denselben Verlauf haben, wie die besprochenen Nerven und dass sie in diesem durch ihre grössere Masse und die sie erfüllenden Blutkörperchen die feinen dünnen Fäden jener ver- decken; in Folge des Zusammenfallens und der Präparation stören sie aber dadurch, dass sie geradezu das Aussehen von Nervenfasern oder Faserbündeln annehmen. Denn in Bezug auf den gleichen Verlauf lässt sich konstatiren, dass die beregten Nerven, sei es, dass sie einzeln oder zu kleinen Bündeln vereinigt verlaufen, sich sehr bald nach ihrem Abtreten vom Stamm an ein Gefäss anlehnen und danach mit diesem weiter gehen. So lange sie nun noch markhaltig sind, kann man sie auch da noch leidlich erkennen. Sowie sie das Mark jedoch verloren haben, ist dieses beinahe unmöglich geworden. Hin und wieder trennen sie sich indessen wieder einmal von den Gefässen auf kürzere oder längere Strecken, namentlich an deren Theilungsstellen, und da kann man sich denn von ihrer Anwesen- heit auch wieder einmal überzeugen. Im Allgemeinen ist dies aber schwer und nur einem glücklichen Zufalle zu danken, und kaum je wird man in Betrefi ihrer Endigungsweise unter solchen Verhältnissen über alle Zweifel hinauskommen. Da müssen eben besondere Prä- parationsmethoden vorgenommen werden, und diese haben denn wieder die gerügten Nachtheile, so dass man sich fortwährend in Misslichkeiten bewegt. Um das so recht lebhaft vor Augen zu führen, sei unter Anderem nur Folgendes erwähnt. Durch die sonst zweckmässigsten Behandlungsweisen, z. B. mit 1°/, Kochsalzlösung, mit 1°/, Essig- oder Y/s °/, Salzsäurelösung wird der Blutfarbstoff aus den Blutkörperchen ausgezogen. Diese letzteren bleiben deshalb als durchsichtige, kaum bemerkbare Scheiben zurück und nur ihre glänzenden Kerne allein erregen des Beobachters?Auf- merksamkeit. Ist ein Capillarrohr mit ihnen gefüllt, so erhalten wir dadurch einen von unregelmässigen, glänzenden Kügelchen ge- bildeten Strang, welche in eine kernhaltige Bindegewebsscheide ein- gelassen ist und sich einer allerdings misshandelten, markhaltigen Nervenfaser nicht unähnlich zeigt, was noch dazu um so mehr ge- schieht, wenn auf die bluterfüllten Strecken des Gefässes leere folgen, und diese sich durch Umschlagen um Muskeln der Beob- achtung entziehen und den sonst so charakteristischen Zusammen- hang mit andern Capillarröhren verwischen. Dasselbe geschieht auch von Seiten der grösseren Gefässe, ja wird unter Umständen noch Untersuchung. üb.d. Endisungd. Nerven in d. quergestreiftenMuskelfasern. 541 verstärkt durch die so zahlreichen Kerne ihrer Museularis. Denn die letzteren treten aus dem sonst ganz geklärten Gewebe scharf und glänzend hervor und sind in ihrem Complex und im Verein mit den Kernen der Blutkörperchen, den Streifen und Kernen der Adventitia und eines stark entwickelten Bindegewebes, das sie be- gleitet, sehr wohl im Stande, einen ganzen Strang markarmer Ner- venfasern vorzutäuschen. Dennoch wird. man in diesen Fällen sich durch Vorsicht immerhin vor den leicht möglichen Verwechselungen wahren können, wenn man nur alle irgendwie zweifelhaften Bilder ignorirt und sich lediglich an die ganz klaren hält, welche keine Zweifel mehr übrig lassen. Allein nicht so leicht ist das, wenn die Verhältnisse sich verzwicken und die betreffenden Gefässe, wie das so gewöhnlich geschieht, thatsächlich noch von dünnen Nervenbün- deln begleitet werden und man von ihrer Anwesenheit sich fort und fort aber nicht durch scharfe Umrisse überzeugen kann. Wenn diese sich mit dem Gefässe zusammen zu einem der beschriebenen grös- seren Plaques begeben und zum Theil vielleicht noch gar unver- sehrt durch diese hindurchgehen , wie ja Fasern gelegentlich auch durch die Kühne’schen Nervenhügel unversehrt durchgehen, so ist es meistentheils ganz unmöglich zu entscheiden, welchen Antheil sie selbst, und welchen Antheil das Gefäss mit dem begleitenden Bindegewebe an der Zusammensetzung derselben nehmen, und Täu- schung ist allzu leicht möglich. Zu denselben unbequemen Resultaten führen auch die meisten übrigen Behandlungsweisen, namentlich auch die mit Chlorgold, welche sonst ja so manche schöne Aufschlüsse giebt. Allein es bleibt nichts übrig, man muss sie vorläufig noch anwenden , weil bessere nicht vorhanden sind und weil man ohne sie gar nicht vor- wärts kommt. Was nun danach noch das Bindegewebe anlangt, so ist hervor- zuheben, dass ein Theil desselben, welcher zu Verwechselungen Ver- anlassung geben könnte, bald in äusserst zarten, dünnen, bald in mehr starren und leicht glänzenden Fibrillen in mannigfacher Weise sich zwischen die einzelnen Muskelbündel einschiebt, sie hier mit grossen oder kleinen Maschen umspinnt, dort sich aber auch an sie mittelst eines Kernes inserirt und sich damit verhält ganz wie die feinsten Nervenfasern. Es stammt zum Theil von den Gefässen her, von deren Adventitia es von Zeit zu Zeit in verschieden dicken, sich dichotom theilenden, kerntragenden Fäden abgeht, zum Theil nimmt M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 35 542 Dr. Rudolf Arndt: es, wie Kühne!) gezeigt hat, seinen Ursprung von den Um- hüllungen der Nerven her und ist in diesem Falle vornehmlich ge- eignet, Nervenfasern vorzutäuschen. Indessen Säuren und Alkalien und vor Allem Rücksichtnahme auf den Zusammenhang bei An- wendung starker Vergrösserungen werden in günstigen Fällen denn doch ein richtiges Urtheil zulassen und die ganze Frage zur Lösung bringen. Nur giaube man nicht, dass solche Fälle sich alle Augen- blicke darbieten und die Abgabe eines entsprechenden Urtheils alle Zeit möglich sei, glaube darum aber auch wieder nicht, dass der- gleichen überhaupt noch nicht zu ermöglichen sei. Denn trotz all der Schwierigkeiten, welche obwalten, auf die wiederholt aufmerk- sam gemacht worden ist, und deren ich mir immer bewusst gewesen bin, glaube ich dennoch ganz zuversichtlich, mich von der Richtig- keit der oben gemachten Angaben, dem Vorhandensein besonderer, markarmer und markloser Nervenfasern, denen die beschriebene eigen- thümliche Endigungsweise zukomme, wiederholt überzeugt zu haben. Ich füge nichtsdestoweniger ausdrücklich hinzu, dass dies sehr häufig mir trotz alles Bemühens nicht möglich war, und dass ich glaube, dass derartige Fälle namentlich fürs Erste auch Anderen vorzugs- weise begegnen werden. Mögen dieselben aber darum nicht gleich ein absprechendes Urtheil fällen. Die Materie verlangt, dass man sich in sie hineingearbeitet habe, selbst wenn man sonst noch so firm ist. Die Widersprüche der bedeutendsten Mikroskopiker rechtfertigen diesen Satz, so vermessen er auch von vornherein erscheinen mag. Nach der Ansicht aller Autoren sind die zuerst besprochenen, bis zu ihrer Endigung markhaltigen Nervenfasern mitsammt ihren verschieden gestalteten Endapparaten motorischer Natur. Ich habe keinen Grund, dieser Ansicht entgegen zu treten, möchte aber dessenungeachtet mir doch erlauben, darauf aufmerksam zu machen, dass sie wohl auch mit den Ernährungsvorgängen im Muskel, die nun einmal nicht mehr ohne den Nerveneinfluss sich machen, und die ins Stocken gerathen, wenn dieser fehlt, wie z. B. bei der pro- gressiven Atrophie ete., in Zusammenhang stehen, und dass sie wenigstens bis zu einem gewissen Grade oder Antheile trophischer Natur seien. Die zuletzt besprochenen, in ihrem Verlaufe marklos werdenden Fasern, ebenfalls mitsammt ihren grösseren und kleineren, 1) Kühne. Ueber d. peripherisch. Endorgane d. motor. Nerven. Leip- zig 1863, p. 29. 1 Untersuchung.üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 543 wirklichen oder nur scheinbaren Endapparaten halte ich dagegen für sensibeler Natur und für identisch mit den von Reichert, Koelliker, Krause beschriebenen, weiter oben bereits näher be- zeichneten Fasern. Dem steht damit indessen nicht entgegen, dass ich zu gleicher Zeit sie auch für identisch mit einem Theile der- jenigen Fasern halte, welche von Kühne durchweg für Bindegewebs- fasern angesehen worden sind und die auch nach meiner Meinung mit wirklichen Bindegewebsfasern die Muskeln umspinnen. Denn etliche der in Fig. XV. Taf. IV seines Werkes: »Ueber die peri- pherischen Endorgane der motorischen Nerven« ge- zeichneten und als Bindegewebe bezeichneten Fibrillen gehören offenbar hierher; oder es haben in die Composition sich Irrthümer eingeschlichen. Insbesondere sprechen die merkwürdigen Gebilde, wie er sie unter Anderen bei i wiederzugeben versucht hat, und über die er sich keine sonderliche Rechenschaft hat geben können, in hohem Grade dafür. Er bildet daselbst eigenthümliche, unregel- mässig geformte Massen ab, welche er für Knotenpunkte des Binde- gewebsnetzes erklärt und zusammengesetzt sein lässt aus einer schleimigen Masse (Protoplasma?) und einem von ihr umgebenen Kern (Bindegewebskörperchen?). Es ist das immer eine sehr miss- liche Sache, das, was ein Anderer gezeichnet und gedeutet hat, um- zudeuten. Allen Kühne selbst ist sich hier nicht sicher gewesen. Die Fragezeichen rühren von ihm her. Eine andere Interpretation der Bilder, als er, zu geben, ist darum auch vielleicht nicht so ganz ungerechtfertigt, zumal da seine Bilder sehr charakteristisch sind. Und da bin ich der Meinung, dass diese beregten Massen viel mehr zu den von mir als Myelin oder myelinartiger Materie bezeich- neten passen, als zu einem mehr oder weniger ungeformten Proto- plasma, für dessen sonstige Anwesenheit man keinen weiteren Anhalt hat, dessen Natur überhaupt zweifelhaft ist und dem, wie Kühne’s Zeichnungen ergeben, auch oft noch der Kern fehlt, welcher es kenn- zeichnen und zu einem Knotenpunkte innerhalb des ganzen Binde- gewebsnetzes machen soll. Ist das Alles nun aber richtig, so kann man auch aus der ganzen Verlaufs- und Endigungsweise dieser fraglichen Fasern den Schluss ziehen, dass sie wie bei den Arthropoden nicht blos die gemeinen Gefühle vermitteln werden, sondern auch dem sogenannten Muskel- gefühle, dem Muskelsinne vorstehen werden. Denn wenigstens bei einer Anzahl von ihnen ist Verlauf und Anheftung an das Muskel- 544 Dr. Rudolf Arndt: bündel dergestalt, dass jede Muskelkontraktion an ihnen auch eine Zer- rung bewirken muss, deren Grad von dem Kontraktionsgrade abhängig sie eben als Muskelgefühl zum Bewusstsein zu bringen im Stande sind. Ob unter diesen Fasern auch solche verlaufen, welche den Ge- fässen zugehören, wie Reichert, Koelliker, Krause anzu- nehmen gewillt sind, muss dahingestellt bleiben. Ich habe niemals auch nur einigen Anhalt dafür gewinnen können. Im grossen Ganzen liegen somit nach Allem die Sachen so, wie bei den Arthoproden, nur dass sie ungleich mehr entwickelt sind, und dass statt der einzelnen Fasern, welche dort auftreten, hier ganze Faserbündel, ganze Nervenstränge zur Erscheinung kom- men. Entsprechend der grösseren Gliederung aller Theile haben sich auch die Nerven mehr gegliedert und statt einer Faser für bestimmte Zwecke, welche wir dort finden, treten hier uns ganze Complexe entgegen und das sind eben die Bündel. Zum Schlusse haben wir noch auf einen Punkt aufmerksam zu machen. Wir haben wiederholt Gelegenheit gehabt zu erklären, dass die jetzt als sensibele Nerven bezeichneten Fasern ebenso wie eine Anzahl von Bindegewebsfasern am Sarkolemma endigten und zwar in der Nähe eines Kernes. Das Sarkolemma des Frosches soll nun aber keine Kerne haben, soll kernlos sein, und somit stände unsere Angabe im Widerspruche mit dem Herkömmlichen. Es mag das sein. Dem Sarkolemma als Sarkolemma mögen immerhin die Kerne fehlen. Aber dass in ihm oder über ihm, doch mit ihm ver- wachsen, Kerne vorkommen, ist keine Frage. Bei sorgfältiger Unter- suchung unter Zuhülfenahme geeigneter Methoden wird man sich auch davon bald überzeugen. An einzelnen Stellen stammen diese Kerne, wie wir gelegentlich das schon erklärt haben, vom Neuri- lemma her, in anderen sind sie nervöser Natur. Ob für einen dritten Fall sich noch ein dritter Ursprung ergeben möchte, bleibe in sus- penso. Festhalten wollen wir nur das, dass Kerne im Sarkolemma vorkommen, und dass etliche derselben in nachweisbaren Beziehun- gen zu Nervenfasern stehen. Zu denselben Resultaten im Grossen und Ganzen kommen wir auch durch die Untersuchung der übrigen Lurche und zwar nicht bloss der Frösche, wie Rana esculenta, Bufo viridis, sondern auch der Salamander und ihrer Verwandten, z. B. der Salamandra ma- culata und des Triton taeniatus, welche ich vorgehabt habe. Um Weitläufigkeiten zu vermeiden, sei jedoch von vornherein bemerkt, Untersuchung. üb. d.Endigung d. Nervenind. quergestreiftenMuskelfasern. 545 dass in Betreff der sensibeln Fasern nicht mehr herauszubekommen war, als bei Rana teınporia gefunden worden, und dass ich mir desshalb für jetzt auch an der blossen Bestätigung ihres Vorkommens überhaupt genügen liess. Dagegen boten die motorischen Nerven und ihre Endapparate noch manches Abweichende der Erkenntniss dar, und da dieses so ganz und gar noch zu den unbekannten Din- gen gehören dürfte, will ich es, soweit ich vermag, auch noch näher darstellen. Kühne’sche Nervenhügel kommen, wie wir im Allgemeinen bereits angegeben haben, also auch bei diesen Thieren vor. Bei Salamandra maculata sind sie stellenweise sehr gross, vornehmlich lang, und umgreifen das Muskelbündel scheidenartig (Fig. 14. a... Es sind das immer solche Hügel, in welche, wie bei Rana, ein ganzer Ner- venstamm als zuführender Nerv einmündet. Stellenweise sind sie aber ebenso wie dort nur klein und es sind dies dann diejenigen, in welche nur eine einzige Faser sich einsenkt. Die Hügel ent- halten sehr grosse runde Kerne, die glänzend, granulirt und mit mehreren kleinen Kernkörperchen ausgestattet sind, sich sehr auf- fallend von den langgestreckten, mit 2—3 grossen Körperchen ver- sehenen Muskelkernen und beinahe ebenso von den mehr ovalen, platten und auch nur mit 2—3 grösseren Kernkörperchen versehenen Kernen des Neurilemmas, die auch auf das Sarkolemma überzu- gehen scheinen, unterscheiden. Aus den grösseren Hügeln entsprin- gen vielfach blasse, meist nur wieder körnig-faserig erscheinende, der Gestalt und Lage des Hügels nach hauptsächlich transversal verlaufende Fasern, die in dem Muskelbündel bleiben und oftmals bogenartig dasselbe umgreifen, ferner Nervenstämme, die weiter ziehen, um an andern Muskeln zu endigen, oder mit einem Theile ihrer Fasern, vielleicht blos immer einer einzigen Primitivfaser zu dem Muskelbündel wieder zurückzukehren, um nunmehr in ihm und zwar in einem Hügel zu endigen, der in Bezug auf das Muskelbündel dem gleichwerthig ist, aus welchen sie entsprang. Solche Hügel, meist von rundlicher Form, sind sehr klein und dünn, und werden desshalb leicht übersehen. Sie bestehen fast immer nur aus einem halben, bis einem Dutzend Kerne und dem entsprechenden Proto- plasma. Das letztere sendet verschiedene bandartige Fortsätze aus, welche den von den grossen Hügeln ausgehenden vollständig ent- sprechen, bald mehr transversal, bald mehr longitudinal verlaufen, um, wie es scheint, sich wenigstens theilweise mit dem Protoplasma 546 Dr. Rudolf Arndt: der Muskelkerne zu verbinden, theilweise aber auch, um sich in Bänder zu verdichten, welche eine direkte Verknüpfung mit dem grossen Nervenhügel herstellen, der im Bündel liegt und von dem gewissermassen Alles herstammt. Wenn wir die grossen Nervenhügel, in welche ein zuführender Nervenstamm mündet, wie bei Rana als Nervenhügel 1ster Ordnung bezeichnen, bestehen hier wie dort auch solche 2ter resp. 3ter und letzter Ordnung. Die meisten Muskelbündel besitzen wie dort ganz allein diese letzteren und blos sehr wenige haben solche ister Ordnung, woran gewiss dieselben Gründe und Ursachen Schuld sind. Die Fasern, welche aus den Nervenhügeln hervorgehen, und unter ihnen hauptsächlich diejenigen, welche so häufig als transversal verlaufende erscheinen, haben wie dieselbe Erscheinungsweise, so wohl auch dieselbe Bedeutung, welche wir ihnen bei Rana zusprachen. Sie stellen wenigstens zu einem Theile ein intramuskuläres Nerven- system dar, welches die Aufgabe hat, die wir dort von ihm er- örterten. Ob bei Salamandra auch eine Endigung der Nerven durch büschelförmige Auffaserung, wie bei Rana vorkommt und wie Kühne angiebt, habe ich nicht gesehen. Für die Bedeutung der Endplatten bei ihnen dürfte aber der Umstand von Bedeutung sein, dass dieselben oftmals gelb punktirt erschienen von Körnchen, welche in das Protoplasma abgelagert waren, und dass diese Körnchen nach Säurezusatz sich auch in der Muskelsubstanz zeigten, zunächst um die Kerne und in den sie verbindenden Protoplasmareihen, sodann aber auch in verzweigten Reihen zwischen den eigentlichen Muskel- bestandtheilen selbst. Sollten diese Körnchen nicht vielleicht dieselbe Bedeutung haben, welche wir den gelben Pigmenten der Endapparaten der sensibeln Nerven zuschrieben, nämlich Produkte und damit Zeugen nervöser Substanz zu sein? Bei Triton sind die Dinge so fein und zart, dass es mir nicht gelungen ist, viel Bestimmtes herauszubekommen. So viel jedoch kann ich sagen, Nervenhügel in ihrem Gesammtverhalteu und die von ihnen ausgehenden Nervenfasern, namentlich auch die mehr transversal verlaufenden, zum Theil in das Muskelinnere strebenden, feinen Fäden sind vorhanden. Ob aber ein weiter verzweigtes System von intramuskulären Fasern, ebenfalls wie bei Rana vorkommt, ver- mochte ich nicht weiter zu erkennen. Doch ist das im Ganzen auch gleichgültig. Das Wesentliche ist, dass überhaupt auch bei den Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 547 Lurchen Nervenhügel vorkommen und zwar in sehr grosser Ver- breitung, dass diese unter einander vielfach in Verbindung stehen, sich als Nervenhügel 1ster, 2ter resp. 3ter und letzter Ordnung gliedern lassen, und dass erst von diesen die vorhandene intramus- kuläre Faserung ausgeht, welche auf die Muskelsubstanz zu wirken bestimmt ist. Es besteht somit in den Muskeln dieser Thiere ein ganz merk- würdiges System motorischer Nervenappate. Dasselbe ist zusam- mengesetzt aus den beschriebenen Fasern und Nervenhügeln und ist halb ein extramuskuläres, ausserhalb des Sarkolemmas gelegenes, halb ein intramuskuläres, von diesem umschlossenes.. Dem extra- muskulären, wie dem faserigen Antheile des intramuskulären kommt wohl nur die Bedeutung eines Leitungsapparates zu. Es sind Tele- graphendrähte, welche Erregungszustände weiter befördern. Die Ner- venhügel dagegen sind die Stationen, wo selbstständige Arbeit voll- führt wird und die Uebertragung von der äusseren Leitung auf die innere vor sich geht. Das System ist auf diese Art en sehr com- plieirtes, keinesweges so einfach, als man bisher angenommen hat; dennoch ist es auch nicht so verwickelt, dass man seine Wirkungs- weise nicht zu begreifen im Stande sein sollte. Die Aufschlüsse über die feineren Verhältnisse unseres Gegen- standes, welche uns die Lurche gegeben haben, liefern uns mit ver- hältnissmässig nur geringen Abweichungen endlich auch die übrigen Wirbelthiere. Insbesondere herrscht in Bezug auf die von mir als sensibele Fasern bezeichneten, soweit meine bisherigen Untersuchun- gen mich gelehrt haben, grosse Uebereinstimmung, um nicht zu sagen, völlige Identität. Bei den Fischen, bei den Echsen, bei den Vögeln und Säugern habe ich immer und immer wieder dieselben Bilder, aber freilich unter gar mannigfach wechselnden Verhältnissen gefunden. Das eine Mal waren sie leichter, das andere Mal schwie- riger zu erkennen, je nachdem das Gefässsystem entwickelt war, die Blutkörperchen grösser oder kleiner, kernführend oder kernlos waren, das Bindegewebe sparsamer oder massiger auftrat, ärmer oder reicher an elastischen Fasern sich zeigte, und endlich auch je nach der Methode, welche gerade in Anwendung gezogen worden 548 Dr. Rudolf Arndt: war. Vorzugsweise waren es jedoch die zuletzt erwähnten elastischen Fasern, welche in einem nach der Kühne’sche Methode aus dem noch zuckenden Muskel hergerichteten Präparate, sobald sie einiger- massen zahlreich auftraten, selbst bei Anwendung von Immersions- Systemen die Frage nicht zur Entscheidung kommen liessen. Denn wenn Solche Fasern z. B. in nur geringer Entfernung von einander parallel verlaufen, so sind sie zusammengenommen von gewissen marklosen Nervenfasern nicht zu unterscheiden und im höchsten Grade geeignet, mehr sehen zu lassen, als vielleicht zu sehen ist, anderweitig aber auch den Beobachter zu jeder Negation geneigt zu machen. Nichtsdestoweniger kann man sich meiner Meinung nach bei einiger Geduld und bei Beachtung der angegebenen Cautelen den- noch von den beschriebenen Vorkommnissen überzeugen und ich glaube dies selbst in ganz frischen, d. h. ohne jede Zusatzflüssigkeit dargestellten Muskelpräparaten sowohl der Fische als auch der Eidechsen bei Anwendung von Immersionssystemen wiederholt ge- than zu haben. In Salz- und Essigsäure-Präparaten, nach der bei Rana angegebenen Weise hergerichtet, bin ich aber sogar gewiss zum Wenigsten bei Lacerta agilis und viridis ganz dieselben deut- lichen Bilder gesehen zu haben, wie bei Rana selbst und die Fig. 17 könnte deshalb ebenso gut ein solches von Lacerta darstellen, wie sie es von Rana zu thun bestimmt ist. Die von mir als nervöse Kerne, welche nicht immer zu Häufchen,, sondern öfters nur ver- einzelt dalagen und die als Myelinhäufchen bezeichneten Körper, ferner die eigenthümlichen Pigmente und bei Lacerta viridis auch noch ganz merkwürdige Concretionen glänzender körniger Massen, grossen Protoplasmaballen ähnlich, als welche sie sich auch später erwiesen, die aber auch sonst noch, indessen immer nur ganz in der Nähe von Nervenstämmen, also im Bereiche nervöser Substanz, vorkamen, haben mir wiederholt wie ein Steckbrief gedient, und wenn ich dann genauer Umschau hielt, habe in dem übrigen Faser- gewirr ich nur selten den zuführenden Nerven vermisst. Und doch habe ich als solchen stets nur eine dazu qualifizirte Faser ange- sehen, wenn sie rückwärts verfolgt ihren Uebergang in eine mark- haltige Faser zu erkennen gab. Bei Anwendung geringerer Vergrösserungen sah ich entsprechende Bilder aber auch bei Vögeln und Säugethieren und ist eines der- selben, dasjenige, welches mich überhaupt auf die vorgetragene Idee Untersuchung. üb.d. Endigungd. Nervenind, quergestreiftenMuskelfasern. 549 gebracht hat und mir in einem Präparate aus dem Psoas des Meer- schweinchens zu Gesicht kam, in Fig. 26. (b. d. c. f.) wiederzugeben versucht worden. | Dessenungeachtet sehe ich mich doch veranlasst, noch auf manche Sonderbarkeiten hinzuweisen, welche bei den einschlägigen Unter- suchungen leicht aufstossen und zu einer schiefen Beurtheilung die Ursache abgeben können. Gar nicht selten haben z. B. die als eine Art Endplaques beschriebenen Gebilde, wie auch manchmal bei Rana, eine in sich mehr abgeschlossene Form und imponiren zumal nach der Behandlung mit Goldchlorid, auf welche eine weitere mit Kali caustic. oder Acid. acetic. folgte, als Kühne’sche Nervenhügel und nur die genaue Beobachtung ihres weiteren Verhaltens schützt vor Verwechselung mit ihnen. Ja bisweilen lassen sie sich gar nicht von ihnen unterscheiden und zwar haupt- sächlich darum, weil sie allem Anscheine nach mit solchen Hü- geln zusammen liegen, wozu die Theilung des zuführenden Ner- venstammes in seine motorische und sensibele Partie erst kurz, ja unmittelbar vor dem Eintritte in die bezüglichen Apparate die Veranlassung giebt. Jenes Verhalten beobachtete ich unter andern bei Anguis fragilis und Fringilla domestica, dieses bei Lacerta viridis und das noch dazu in blossen Salzsäurepräparaten. (Fig. 18. 21.) Unter Umständen hört indessen trotzdem und alle dem jed- wede genauere Deutung auf, und es bleibt, obschon das Bild klar und durchsichtig ist, ganz im Ungewissen, was man eigentlich vor sich hat. Einen Fall der Art habe ich in Fig. 24 darzustellen gesucht. Ich stiess auf ihn in den Nackenmuskeln eines jungen Kaninchens. Es sieht aus, als ob man reine Kühne’sche Nerven- hügel vor sich hat und doch ist ihr Verhalten zu den mit ihnen zusammenhängenden Fasern so geartet, dass man eher an sensibele Plaques denken möchte. Kurzum, wiewohl ich glaube zu einer bestimmten Anschauung in Betreff der sensibeln Nerven in den quergestreiften Muskeln gekommen zu sein, giebt es doch noch immer in Bezug auf sie eine grosse Menge von Räthseln, welche ich nicht zu lösen vermocht habe und von denen ich auch nicht glaube, dass sie im Allernächsten gelöst werden dürften. Die Materie ist zu heikel und nur mühsam lässt sie sich in die Formen unserer Erkenntniss hinein zwängen. Was nun noch im Speciellen die motorischen Fasern und ihre Endigungen anlangt, so wollen wir ihre Erscheinungsweise je nach 550 Dr. Rudolf Arndt: den einzelnen Thierklassen vorführen und besprechen und zunächst mit den Fischen den Anfang machen. Bei den Fischen, von denen die Augenmuskeln von Perca, Clupea und Leueiscus, die Flossenmuskeln von Leueiscus tKehiflos- sen) und Pleuronectes, die Kiemendeckel- und Rumpfmuskeln von Clupea untersucht wurden, treten die markhaltigen Nervenstämm- chen oder deren Primitivfasern, nachdem diese letzteren sich erst noch wiederholt dichotom oder büschelförmig getheilt haben, in die sehr dünnen, langgestreckten und darum erst nach einiger Uebung leichter zu erkennenden Nervenhügel ganz in der Weise ein, wie wir es bei den Lurchen kennen gelernt haben. Das Neurilemma d. i. die Schwann’sche Scheide geht in das Sarkolemma über, das Nervenmark verliert sich und der Axencylinder löst sich in die Elemente des Nervenhügels auf. Die Nervenhügel aber bestehen auch hier aus einer Anzahl von Kernen und einer Zwischensubstanz. Die Kerne liegen verhält- nissmässig weit auseinander, sind rundlich oder oval, ziemlich flach, leicht glänzend, wie granulirt, mit mehreren meist sehr kleinen Kernkörperchen und einem deutlicheren oder undeutlicheren Pro- toplasmahofe umgeben. Von den Kernen des Neurilemmas resp. des Sarkolemmas, zum Wenigsten über den Hügeln unterscheiden sie sich durch ihren stärkeren Glanz und ihr granülöses Aussehen. Denn diese sind matt und anscheinend glatt. Von den Kernen der Muskelsubstanz sind sie schwerer, mancherorts gar nicht recht zu unterscheiden. Die Zwischensubstanz erscheint zum Theil glashell, zum Theil körnig-faserig und von grösseren und kleineren glänzen- den oder dunkeln Kügelchen durchsetzt. Dieselbe ist auch hier in verschiedenem Grade quellungsfähig und lässt dies auch vorzugs- weise nach Einwirkung von Säuren und Alkalien erkennen. Der quaellungsfähigste Theil erscheint denn auch hier in der Form der Kühne’schen Endplatte. Von der Muskelsubstanz sind die Nervenhügel, wenn sie am Rande des Muskels liegen, ganz scharf abgesetzt, bisweilen so, dass es aussieht, als ob sie über dem Sarkolemma liegen, und ob das nicht hin und wieder wirklich der Fall ist, in der bei Rana erörterten Weise, darüber bin ich mir nicht sicher geworden. Von den Ner- venhügeln entspringen breitere und schmalere Fasern, welche sich rasch und unregelmässig vertheilen und von Kern zu Kern ziehend eine bald mehr longitudinale bald mehr transversale Richtung Untersuchung.üb.d. Endigung d. Nervenind. quergestreiften Muskelfasern. 551 haben, dabei um die Muskelbündel herumlaufen und sie in verschie- dener Weise umschlingen. Die breiteren dieser Fasern sind oft markhaltig (Fig. 19. 20) und liegen über dem Sarkolemma, was hauptsächlich daraus hervorgeht, dass einzelne Aeste derselben sich mitunter von dem Sarkolemma ablösen und seitlich von dem Mus- kelbündel in der Zusatzflüssigkeit herumschwanken. Die Kerne, zu denen sie anscheinend ziehen, sind desshalb auch nur neurilemma- tische. Sie gehören einer Fortsetzung des Sarkolemmas an, wel- ches sie durchbrochen und als Schwann’sche Scheide mitgenommen haben. Die schmaleren Fasern liegen zum Theil wenigstens im Innern des Muskelschlauches. Denn wenn nach Zusatz von z. B. Essigsäure der Muskel aufquillt, schnüren sie den Muskelinhalt aber nicht das Sarkolemma ein. Dieses geht vielmehr an der betroffenen Stelle abgehoben von der Muskelsubstanz brückenartig über sie hinüber. Auch diese Fasern zienen von Kern zu Kern, bis sie sich feiner und feiner geworden aus dem Gesichtskreise verlieren. Diese Kerne müssen aber danach in der Muskelsubstanz liegen, müssen Muskelkerne sein. Allein bei Weitem nicht alle Muskelkerne sind durch diese Fasern verbunden. Die meisten derselben liegen ganz frei zwischen den Elementen der contraktilen Substanz, höchstens umgeben von einem matten Hofe ihres Protoplasmas. Die genann- ten Fasern verbinden also auch eine Anzahl von Muskelkernen unter einander, geradeso wie bei den Lurchen, und wenn eine Ver- bindung auch unter einer Anzahl der noch übrigen Kerne besteht. so muss diese sich durch die flüssige Substanz machen, welche das ganze Muskelinnere durchdringt und wenigstens bis zu einem ge- wissen Grade auch hier Partikel des Protoplasmas enthält, das an einzelnen Kernen noch deutlicher zu erkennen ist. Die den Nervenhügeln entsprungenen breiteren, zumeist mark- haltigen Fasern haben eine doppelte Endigungsweise. Nachdem die Fasern durch wiederholte Theilung sich verfeinert und ihr Mark verloren haben, läuft ein Theil derselben, das Muskelbündel netzig bestrickend, oder auch auf andere Muskelbündel übergreifend an- scheinend in freie Enden aus, oder verbindet sich mit andern Enden zu Schlingen, doch so, dass beides wie bei den Lurchen stets in der Nähe eines Kernes erfolgt, und ein Theil endet, ebenfalls wieder wie bei den Lurchen in Nervenhügeln zweiter vielleicht auch erst dritter Ordnung. Von diesen gehen dann intramuskuläre Fäden aus und die verbinden sich dann mit solchen, welche auch aus 552 Dr. Rudolf Arndt: andern Nervenhügeln stammen, und ist das zufällig der 1ster Ord- nung, so auch mit diesem. — Ausserdem stehen die einzelnen Ner- venhügel auch noch äusserlich d. h. durch extramuskuläre, öfters sogar markhaltige Fasern in Verbindung. Manchmal verschmelzen sie auch ohne dies, indem wie bei den Krebsen durch kernhaltige Protoplasmazüge der Zusammenhang vermittelt wird. In andern Fällen sind dagegen mehrere Hügel vorhanden, neben einem gros- sen, umfangreichen ein oder mehrere kleinere. Hie und da scheint in solchen Fällen zwischen dem grossen Hügel und der Muskelsub- stanz gar keine nähere Beziehung zu bestehen. Er sendet nur derbere oder zartere Fasern zu den kleineren Hügeln aus und von diesen erst gehen die eigentlichen Muskelfäden in das Innere ab. Ein ander Mal hingegen stehen diese kleinen Hügel in direkter Ver- bindung mit dem zuführenden Nerven, indem schon dieser Aeste zu ihnen abgiebt. Es sind dieses alsdann keine Nervenhügel 2ter Ordnung mehr, sondern solche 1ster Ordnung, wie wir sie gleich- falls schon bei den Lurchen getroffen haben, und vielleicht blosse Ablösungen von dem grossen Hügel, eine Art Nebenhügel, erfolgt durch das Wachsthum. Mit einem Wort, es sind auch hier die allermannigfaltigsten Abänderungen in der Erscheinung vorhanden und liegt keineswegs immer das einfache Schema vor, das man bis jetzt von den Nervenhügeln und ihren Beziehungen unter einander und zur Muskelsubstanz entworfen hatte. (Fig. 19, 20.) Allein wie immer auch dieses Verhalten sein mag, es lässt sich stets ein extra- muskuläres und ein intramuskuläres Fasernetz erkennen, welche zum Theil, wenigstens dem Anscheine nach vollständig getrennt bleiben, zum Theil aber auch wie bei den Lurchen, durch Nerven- hügel 2ter und 3ter Ordnung in Verbindung stehen, um dieselbe Leistung verrichten zu können wie dort. Bei den Reptilien, von denen ich Lacerta agilis und viridis nebst der Anguis fragilis zu untersuchen Gelegenheit hatte, ist die Sache kaum anders. Dennoch möchte ich auf die fraglichen Verhältnisse noch einmal näher eingehen, weil gerade von diesen Thieren so sehr bestimmte Angaben gemacht worden sind und ich dieselben nicht alle in vollem Umfange bestätigen kann. Dass hier Nervenhügel vorhanden sind, ist ja allerseits aner- kannt. Auf die von Lacerta hin hat ja Kühne insbesondere seine Theorie von den nervösen Endplatten und der dazu gehörigen Sohle aus Muskelbildungsmaterial gegründet. Sie haben also nicht das Untersuchung. üb. d. Endigung d.Nervenind.quergestreiften Muskelfasern. 553 Interesse, wie die der Lurche und Fische. Allein die hier vorkom- menden Hügel zeigen sich doch mannigfach anders, als sie beschrie- ben worden sind, und ihr Verhalten zu den Nervenfasern, zu den Muskelbündeln, zu sich unter einander, ist vielfach abweichend von dem, was man sich gedacht hatte. Auch bei den Reptilien treten 1. ganze Nervenstämme auf ein- mal in einen Nervenhügel ein, stehen 2. die Nervenhügel zum Theil unter einander in Verbindung und gehen 3. Protoplasmazüge von den Hügeln in das Muskelinnere, nach den in ihm gelegenen Ker- nen hin, so dass geradeso wie bei den Lurchen und Fischen ein extramusculäres und intramusculäres Fasersystem besteht, zwischen welchen die Nervenhügel als Knotenpunkte eingeschoben sind. Allein da hiebei noch manche Besonderheiten obwalten, welche für die Auffassung des Ganzen vielleicht noch einmal von Wichtigkeit wer- den können, wenngleich sie auch im Augenblick diese Wichtigkeit noch nicht zu besitzen scheinen sollten, so wollen wir uns die Sache nichts desto weniger ab ovo ansehen. Wir fassen indessen blos die Eidechsen ins Auge, weil die Untersuchungen bei Anguis mich zu keinen klaren Anschauungen geführt haben. Also auch bei diesen Thieren münden wie bei den Lurchen und Fischen nicht blos einzelne Nervenprimitivfasern, sondern selbst ganze Bündel derselben in einen Nervenhügel ein. Dabei ist es jedoch nicht nothwendig, dass alle Theile des Bündels sich in dem- selben auflösen, sondern ebenfalls wie dort, so ereignet es sich auch hier, dass nur ein Theil seiner Fasern dieses thut, während der andere scheinbar durch ihn hindurch, in Wahrheit wohl aber über ihn hinwegzieht. Aus dem betreffenden Nervenhügel nehmen dann Fasern ihren Ursprung, um zu andern Nervenhügeln zu gehen und aus diesen entspringen sodann oft wieder noch Fasern, welche aber- mals in Nervenhügel einmünden und so fort, bis der letzte Hügel erreicht ist. Dieser bildet nunmehr entweder eine Art freies Ende des jeweiligen Fasersystemes oder er tritt auch wieder durch Fasern mit einem Hügel einer höheren Ordnung in Verbindung und schliesst somit gewissermassen einen Kreis ab, welcher in einem bestimmten Abschnitte jenes Fasersystemes gelegen ist. Nervenhügel Iter, 2ter, ter, letzter Ordnung kommen also auch hier vor und stehen in all den äusseren Verbindungen, welche wir früher und anderweit schon kennen gelernt haben. Bei Lacerta agilis habe ich aber ausserdem noch einige Abweichungen von diesem Modus der Muskel- 554 Dr. Rudolf Arndt: innervation zu beobachten vermocht. Hier liefen nämlich biswei- len einzelne Primitivfasern quer über eine Anzahl von Muskelbün- deln hin. An jedes derselben gaben sie dabei einen kurzen aber sehr kräftigen Ast ab, und jeder von diesen wieder trat in einen exquisit schönen Nervenhügel ein. Viele von diesen Nervenhügeln waren Hügel letzter Ordnung, einzelne jedoch in Bezug auf andere auch solche einer höheren Ordnung. Denn von ihnen gingen wie- der Fasern aus, welche zu sekundären Hügeln traten, und darunter auch zu solchen, welche keineswegs mehr in demselben, sondern in ganz andern Muskelbündeln lagen. Mitunter ging von einem sol- chen Hügel sekundärer oder tertiärer Ordnung dann wieder ein Faserzug nach einem Hügel primärer Ordnung und Verbindungen aller Art waren extramuskulär auch auf diese Weise, wenn auch in anderer Form zu Wege gebracht. Allein auch dieselben intramuskulären Verbindungen, welche wir bei den Lurchen und Fischen vorgefunden haben, giebt es bei den Reptilien. — Die Nervenhügel liegen unter dem Sarkolemma. Darin stimme ich mit Rouget, Kühne, Engelmann und den Anderen überein. Sie sind bald sehr kernreich und dann gross und umfänglich, weit über das Muskelbündel ausgedehnt, so namentlich bei L. viridis, bald sind sie nur kernarm und dann klein und auf einen geringen Raum beschränkt. Bei Lacerta agilis sah ich in den dünnen vom Thorax nach der Haut gehenden Muskeln auch solche, welche nur aus einem einzigen Kerne bestanden und den Kühne’- schen Endknospen des intramuskulären Axencylinders im Frosch- muskel nicht unähnlich waren, im Uebrigen aber sich wie wirkliche Nervenhügel verhielten. Die Kerne der Nervenhügel sind rundlich oder länglich-rund, oval auch birnförmig, granulirt und mit mehreren Kernkörperchen ausgestattet. Sie sind von verschiedener Grösse und die grössten, aber zugleich auch die am Unregelmässigsten geformten, huuptsäch- lich am längsten ausgezogenen, so wollte es mir scheinen, liegen am Rande des Hügels, am Uebergange nach dem Muskel hin. Sie werden durch Chemikalien im Ganzen nur wenig angegriffen, durch schwache Säuren und Alkalien im Aligemeinen etwas heller und glänzender. Sie sind von einem körnigen Protoplasma umgeben und scheinen in ihrem Gesammttheile, wie auch anderwärts, gleich- sam in dieses eingebettet zu sein. Von den Muskelkernen unter- scheiden sie sich in mehrfacher Beziehung. Denn diese sind viel Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 555 grösser, sehr flach und lang gestreckt, bloss bei c. 1000 maliger Vergrösserung mit nur 1—2 hellen Kernkörperchen und einer Reihe schwerer erkennbarer dunklerer Körperchen, die der Längsachse nach gestellt sind, versehen. Nach Einwirkung von 1°/, Essig- oder 1/0/, Salzsäurelösung schrumpfen sie zusammen, erscheinen mehr oval, mit den hellen Kernkörperchen und einer Reihe nunmehr deutlicher unklerer Körperchen, welche der Längsachse nach gestellt sind, ausgestattet. Sie liegen in grossen Spalträumen, welche der Länge nach unter einander kommuniziren und stellenweise einen punktför- migen, körnigen oder krümlichen Inhalt erkennen lassen, der wieder die Kerne unter einander verbindet. Wenn die Kerne auf der Kante stehend gesehen werden, so erscheinen sie stäbchen- beinahe strich- förmig, S-förmig verbogen, geschlängelt, schillernd und kommen vornehmlich ihre medianen Kernreihen zum Ausdruck. — Von den Kernen des Neurilemmas unterscheiden sie sich ebenfalls. Denn diese sind zwar kaum grösser als die nervösen Kerne, aber sie sind regelmässiger länglich-elliptisch, glatt, homogen oder körnig und so wie die Muskelkerne nur mit 1—2 Kernkörperchen ausgerüstet. Die Nervenhügel sind bei Lacerta im Ganzen flach. Das Pro- toplasma ihrer Kerne ist nur spärlich entwickelt; aber dennoch kann man sehen, dass es nicht auf den eng umschriebenen Raum beschränkt ist, welchen man ganz allgemein ihm angewiesen hat. Es setzt sich in feinen, zungenförmigen Ausläufern über die con- tractile Muskelsubstanz, dicht unter dem Sarkolemma hin fort oder dringt auch zwischen die Muskelfibrillen ein, wie bei den Lur- chen, und zieht dann nach Kernen, welche zwischen diesen Fibrillen liegen, also Muskelkerne sind. Ich habe das einige Male bei bei- den Arten der Lacerta gesehen, allerdings schwach und erst nach- dem das Auge darauf eingeübt war, aber es war für mich überzeu- gend und ganz besonders nachdem den Präparaten Essigsäure zu- gesetzt worden war. Doch nicht blos die eben beschriebenen Protoplasmafortsätze gehen von den Nervenhügeln aus, sondern auch ganz breite, eine Anzahl Kerne führende Züge zweigen sich ab, und wenn man ihnen folgt, so sieht man, dass sie nach längerem oder kürzerem Verlaufe in einen Nervenhügel einmünden, und auf solche Weise jenen mit diesem verbinden. Ja nicht so gar selten gewahrt man, dass an einzelnen Stellen dieses Protoplasma sich zu einer breiten, blassen aber soliden Faser verdichtet und dass somit jene Verbindung wie bei den Fischen auch durch Fasern zu Stande gebracht wird. 556 Dr. Rudolf Arndt: Wenn die Verbindung zwischen zwei derartigen Nervenhügeln sehr breit ist, so sieht es aus, als ob man nur einen einzigen, sehr lang gestreckten und an seiner Basis unregelmässig zusammenge- schnürten Hügel vor sich habe und dass, gleichfalls wie bei den Fischen, zwei Nervenfasern in ein und denselben Hügel sich ein- senkten. Eine ganz wunderbare Erscheinung, die indessen mit den bei den sensibeln Fasern bereits berührten (p. 533 u.’ff.) in Einklang stehen mag, ist die, dass stellenweise über solchen Protoplasmazü- gen, die ihr Analogon in dem Protoplasmamantel der Krebse finden, im Sarkolemma Falten sich zeigen, und dass von diesen Falten Fa- sern ausgehen, welche weiter verfolgt an ein anderes Muskelbündel treten und zwar an einer Stelle, wo in «demselben eine kernhaltige Protoplasmaanhäufung sich findet, eine Art Nervenhügel zum Vor- schein kommt. Kurzum man findet auch eine zum wenigsten eben- so complieirte intramuskuläre Kommunikation zwischen den einzel- nen Nervenhügeln der Echsen, wie bei den früher beschriebenen ‚ Thierklassen, und es ist mir nur wunderbar, wie dieselbe so gänz- lich hat übersehen werden können, da ich sie auch bei ec. 1000 mali- ger Vergrösserung mittelst Immersionssysteme glaube wiederholt habe konstatiren können. Das Protoplasma der Kerne der Nervenhügel von Lacerta ist quellungsfähig, wie das von früher besprochenen Thierklassen und zwar quillt es, auch wie bei diesen nicht gleichmässig, sondern je nach seiner Entwicklung in verschiedenem Grade auf. Allein weil es nur spärlich vorhanden ist, quillt es auch nicht in dem Maasse auf, wie bei Thieren, wo es reichlicher angesammelt ist und die Nervenhügel erscheinen trotz gegentheiliger Angaben nicht so glasig und pro- minent wie dort. Auf dieser Quellungsfähigkeit des Protoplasmas, namentlich an der Oberfläche der Hügel, mehr aber noch auf der Loslösung des Markes von dem in den Hügel eingetretenen Nerven, der sich wiederholt dichotom theilt, ehe er, marklos geworden, als nackter Axencylinder sich in das Protoplasma auflöst und so lange auch über demselben liegt, auf diesen Verhältnissen beruht zum grossen Theile die Bildung der Kühne’schen Endplatte. Ich halte sie gerade in ihrer prachtvollsten Erscheinung für ein reines Kunst- produkt. Sie ist nur schwach und einem sehr geübten Auge in einem ganz frisch aus dem lebenden Muskel hergerichteten Präpa- rate zu erkennen. Später wird sie deutlicher, aber in der eklatan- testen Weise erscheint sie erst nach Einwirkung von Säuren, daher Untersuchung. üb.d. Endigung.d.Nerven in d.quergestreiften Muskelfasern. 557 auch nach der Isolirung der Muskeln nach Budge’s oder nach v. Wittich’s Methode, Sie ist deshalb auch nicht immer ein und dasselbe. Im frischen Muskel ist sie der Ausdruck der Verzweigung des intramuskulären noch markumgebenen Axencylinders, in dem mit Säuren behandelten Präparate der Ausdruck von unregelmässigen Myelingerinnungen und glasig aufgeqguollenem Protoplasma. Bevor ich von diesen Mittheilungen Abstand nehme, muss ich noch gewisser grosser Protoplasmaballen erwähnen, denen ich im Verlaufe der Nervenstämme und im Bereiche der sensibeln Nerven- endigungen z. Th. auch bei den Kühne’schen Nervenhügeln begegnet bin und deren gelegentlich auch schon gedacht worden ist (pag. 548). Sie sind einfach und zusammengesetzt. Die einfachen sind 3, 4, 5mal so gross, als die nervösen Kerne. Die zusammengesetzten be- stehen aus kleineren Theilen, die bald der Länge nach zu 4, 6, 8, bald unregelmässig zu 12, 14, 16, 18 zusammengefügt sind. In letzterem Falle liegt ein offenbarer Theilungsprozess vor. Was sind diese Körper? Sie liegen allem Anscheine nach im Bereiche des Neurilemma, also in Bindegewebe; aber nirgend anderswo als dort, blos in der nächsten Nähe der Nerven und zwar so viel ich mich erinnere, auch blos bei Lacerta viridis (Monat November), habe ich sie sonst noch gesehen. Wie bei den Kaltblütern, so verhält sich die fragliche Ange- legenheit nun auch bei den Warmblütern und zuletzt auch beim Menschen. Doch sind junge Thiere zur Entscheidung derselben weniger günstig als alte, weil Vieles bei ihnen noch in der Ent- wickelung begriffen ist und namentlich das so oft die Direktive be- stimmende Nervenmark weder quantitativ noch qualitativ in dem Maasse vorhanden ist, wie bei ausgewachsenen. Auch sind grosse Thiere kleineren vorzuziehen und liefern dicke derbe Muskeln häufig bessere Itesultate, als dünne und zarte, weil allem Anscheine nach die Entwickelung des nervösen Apparates in einem direkten Verhältnisse zur Entwickelung des Muskels und seiner etwaigen Leistung steht. Bei den Vögeln sind die Nervenhügel verschieden gestaltet. Bei den Tauben z. B. sind sie in den Augenmuskeln sehr gross, mit breiter Basis den Muskel umfassend, ziemlich spitz zulaufend und daher hoch und kegelförmig (Fig. 22). In den Muskeln der Hals- wirbelsäule dagegen fand ich sie klein, rundlich, flach, dem Muskel beinahe eingesenkt (Fig. 23). Bei grösseren Vögeln, wie Tauben, Hühner, Krähen sind die M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9. 36 558 Dr. Rudolf Arndt; Nervenhügel sofort herauszufinden. Es sind Haufen sehr dicht ge- drängter, mittelgrosser, rundlich - ovaler, glänzender Kerne, mit mehreren Kernkörperchen, welche in eine ziemlich spärlich vor- handene, undeutlich körnige, beziehungsweise körnig-faserige Masse eingebettet sind, die sehr quellbar ist und in Folge dessen nach Zu- satz von Flüssigkeiten sich aufbläht und über die Kerne erhebt, dabei aber doch keine rechte Endplatte im Sinne Kühne’s bildet, weil dazu ihr der verhältnissmässig markreiche intramuskuläre Axen- cylinder fehlt. Bei kleineren Vögeln, z. B. Sperlingen, sind die Nervenhügel hingegen nur schwer und gewöhnlich erst nach Zusatz von Reagentien zu erkennen. Sie erscheinen danach als kleine rundliche Platten eines schwach glänzenden ungleichartigen Gewebes, in welchem man wohl allerhand grössere und kleinere Kügelchen, Körnchen und Pünktchen, aber keine rechten Kerne unterscheiden kann. Erst nach vollständiger Isolirung, wenn das Glück gut ist, kann man auch. diese darin wahrnehmen und sieht sie als rundlich- ovale glänzende Körperchen, welche öfters von einem schmalen Hote leicht körniger Substanz umgeben sind und eine Anzahl Pünktchen als Kernkörperchen enthalten, also Kerne von Zellen sind. Sehr leicht mit ihnen zu verwechseln sind auch hier die Plaques und Körnchenhaufen, welche in den Verlauf der von mir als sensible bezeichneten Fasern eingeschaltet sind, und in der That habe ich auch eine Zeit lang diese letzteren dafür angesehen. Man lernt sie indessen beide bald von einander unterscheiden, wenngleich es auch Fälle giebt, in denen es so ziemlich unmöglich ist. (Vergl. Fig. 21.) In die Nervenhügel der Vögel mündet nun auch ein Nerv ein und zwar, indem die Schwann’sche Scheide desselben in das Sarko- lemma des Muskelbündels übergeht, der Axencylinder sein Mark verliert und sich durch wiederholte dichotome Theilung (Fig. 22.) in das körnige Gewebe des Hügels, das Protoplasma seiner Kerne auflöst. Die Nervenhügel liegen somit unterhalb des Sarkolemmas und sind mit der contraktilen Substanz in der innigsten Berührung. Ob aber aus den Nervenhügeln wieder Fasern ihren Ursprung nehmen, welche das Sarkolemma durchbrechen, um zu Nervenhügeln 2ter, 3ter Ordnung hinzugehen, das zu erforschen, ist mir nicht gelungen. Was ich mit Sicherheit als Nervenhügel in den Muskeln der Vögeln erkannt habe, waren alles solche letzter Ordnung, von denen keine extramuskulären Fasern mehr ausgingen, welche ein Endglied in der Gruppe eines bestimmten Fasersystemes darstellten. Dagegen glaube Untersuchung. üb. d.Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 559 ich aber auch bei ihnen den Abgang von intramuskulären, solchen, die in das Muskelinnere drangen, gesehen zu haben. In den Kehl- kopfsmuskeln eines alten Huhnes, den Muskeln des Auges und der Wirbelsäure älterer Tauben (Fig. 22) glaube ich dafür die bestimm- testen Anhaltepunkte gewonnen zu haben. In den Muskeln junger Tauben und der Sperlinge konnte ich jedoch Aehnliches nicht im Geringsten zur Beobachtung bekommen. Fehlen sie da in der That, so muss die Verbindung von dem Nervenhügel mit dem Muskel- inneren sich wie anderwärts durch das Protoplasma machen, das auch hier ziemlich reichlich die rundlichen oder länglich-runden und mit mehreren Kernkörperchen ausgestatteten Muskelkerne unter ein- ander verbindet und sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch zwi- schen die Muskelfibrillen einschiebt, um mit ihnen in direkte Be- ziehungen zu treten. Bei den Säugern sind die Nervenhügel von meist rundlicher Form und ziemlich flach. Erst durch Zusatz von Flüssigkeiten quellen sie auf und werden sie prominenter, wobei etliche unter ihnen gelegentlich auch einmal eine Art Kegelform annehmen. Sie bestehen auch hier wieder aus einer Anzahl rundlicher mehr minder glänzender Kerne mit mehreren Kernkörperchen und einer körnigen beziehungsweise körnig - faserigen Zwischensubstanz von oft nicht unbeträchtlicher Menge, welcher auch sie die hervorgehobene Quell- barkeit verdanken. Sie liegen ganz entschieden unter dem Sarko- lemma und zwar aus denselben Gründen, aus denen wir das auch anderweit geschlossen haben, weil nämlich der zutretende Nerv seine Schwann’sche Scheide an das Sarkolemma abgiebt und weil man zuweilen Theile ihres Inhaltes aus einem Riss des Sarkolemmas heraustreten sieht, während der andere Theil noch darunter liegt (Fig. 27). Sie umgreifen den Muskelinhalt, wenn sie gerade an einem freien Rande desselben liegen, und bei verschiedener Einstel- lung kann man erst ihren über der Muskelmasse liegenden Theil, dann diese selbst und endlich den von ihr bedeckten unteren er- kennen. Da die Muskelsubstanz durch ihr geringeres Lichtbrechungs- vermögen sich ziemlich scharf von der Hügelmasse abgehoben zeigt, mag der Anschein erweckt worden sein, als ob diese letztere über- haupt ausserhalb d. i. nämlich über dem Sarkolemma gelegen sei. Aber selbst in den Muskelstreifen des neuerdings vielfach importirten amerikanischen Speckes kann man noch die ganz passabel erhal- tenen Nervenhügel erkennen und zwar immer unter dem Sarkolemma. 560 Dr. Rudolf Arndt: Lägen sie überhaupt oberhalb desselben, so dürften sie wohl auch- während der Pökelung abgelöst worden sein und sich nicht in dem innigen Connex mit der contraktilen Substanz befinden, wie das jetzt noch immer der Fall ist. — Zu dem eintretenden Nerven verhält sich das Innere der Nervenhügel, wie bei den übrigen Thierklassen. Der Axencylinder löst sich in den derberen unteren Theil des Pro- toplasmas auf, nachdem er seine Markscheide verloren und sich in dem weicheren oberen Theile des Protoplasmas oft ganz deutlich wiederholt dichotom getheilt hat. Aus den Nervenhügeln und in specie aus dem Protoplasma ihrer Kerne entspringen hier nun wieder sicher Fasern, die in ver- schiedener. Richtung weiter ziehen, zum Theil wohl im Inneren des Muskels liegen und da scheinbar von Kern zu Kern ziehen, bis sie sich, feiner und feiner geworden, in der Nähe eines Kernes verlieren, zum Theil sicherlich ausserhalb desselben ihren Verlauf haben, um gelegentlich einmal aus ihrer Verbindung mit dem Sarkolemma ge- löst, wie bei den Fischen, als freie Bänder in der Untersuchungs- flüssigkeit herum zü flottiren. Bei kleinen Thieren, Meerschweinchen, Maus, liegt die Sache indessen wie bei den kleinen Vögeln, d. h. sie ist nur sehr schwer zu beurtheilen. Die Nervenhügel sind zwar viel besser als dort zu erkennen, namentlich in den Oberschenkelmuskeln und unter ihnen wieder vorzugsweise in dem Psoas (Fig. 26. c. ce. €.); aber mehr lässt sich an ihnen auch nicht recht wahrnehmen. Ueber etwaige Fasern, die von ihnen ausgehen, bleibt man entschieden im Ungewissen, es sei denn, dass man auf solche zweifelhafte Bilder rekurrirt, wie wir sie bereits bei ben Vögeln erwähnt haben und vor denen wir ausdrücklich warnten. Mehr sieht man unter gewissen Umständen schon bei den Ka- ninchen. Doch können Irrthümer auch bei ihnen noch ausser- ordentlich leicht begangen werden, wenn man sich nicht an ganz klare Bilder hält. Gerade bei ihnen habe ich ja so ganz zweifel- hafte Dinge zu sehen bekommen, wie sie Seite 549 besonders her- vorgehoben und in Fig. 24 gezeichnet worden sind. An klaren, bestimmten Bildern jedoch, vorzugsweise in Präparaten von älteren Thieren wird man sich nichtsdestoweniger von dem Abgange solcher Fasern, vornehmlich in das Muskelbündel, wenn das Auge darauf nur einigermassen eingeübt ist, zu überzeugen vermögen. Ja auch bei jüngeren Thieren gelingt das zuweilen; doch muss man sich da Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiftenMuskelfasern. 561 häufig nur mit Andeutungen zufrieden geben und aus Analogien seine Schlüsse ziehen (Fig. 25). In vielen Fällen aber bekommt man auch gar nichts zu sehen und fehlen die beregten Fasern offenbar ganz und gar. Statt ihrer muss man da wieder Verbindungen durch das blosse Protoplasma annehmen, das von den Nervenhügeln aus- geht, in das Muskelbündel eindringt und in seiner grössten Masse zwischen den Muskelkernen liegt, in feinen Zügen aber wohl auch zwischen die Muskelfibrillen sich einschiebt und jede einzelne berührt. Bei grösseren Thieren dagegen, z. B. schon mittelgrossen Hun- den, sind die in Rede stehenden Fasernetze sehr deutlich entwickelt. In Bünbeln des M. substernalis und der recti oculi (Fig. 27. 28.) habe ich sie in einem Zustande gefunden, dass ich über ihr Vorhanden- sein überhaupt glaube vollständig ausser Zweifel sein zu können. Die Goldmethode in den mannigfachsten Abänderungen, mit nach- folgender Behandlung mit Säuren oder Alkalien hat mir auch dabei die besten Dienste geleistet und schliesslich wenigstens immer noch ein Resultat gegeben, wenn alle anderen Methoden im Stiche liessen und nicht die geringste Aufklärung brachten. Doch auch die blosse aber fortgesetzte Behandlung mit Essigsäure unter dem Mikroskop hat manches Vortheilhafte gehabt und vorzüglich in Be- treff der Natur der intramuskulären Fasern weiter gehende Auf- schlüsse verschafft. Bei der Aufquellung des Muskels zerreissen nämlich diese Fasern und wandeln sich in Reihen von glänzenden Kügelchen, wohl Markkügelchen, um. Das pflegen nun aber, so viel ich weiss, weder Bindegewebsfasern noch elastische zu thun und ist mir nur bekannt von den feinen Fäserchen der körnig - faserigen Substanz der Centralorgane des Nervensystems, jener en masse grauen Substanz, welche ja gegenwärtig immer mehr als nervös be- trachtet wird. Die Annahme, welche betreffs unserer intramusku- lären Fasern entstehen könnte, dass sie nur bindegewebiger Natur seien, und es sich bei ihnen vielleicht bloss um eine unregelmässig streifenförmige Verdickung des Sarkolemmas handeln möchte, wozu ja Grund vorhanden ist, wie wir von den Lurchen her wissen, diese wird damit so gut als beseitigt, diejenige, dass es Nervenfasern seien, hingegen als mehr erhärtet angesehen werden können. Auch bei den Hunden kommen Nervenhügel Ister, 2ter, 3ter etc. Ordnung vor und zwar sowohl auf demselben, wie auch auf den benachbarten Muskelbündeln und die Verbindungen unter einander werden, je nachdem, wie ich glaube, sowohl durch das extramusku- 562 Dr. Rudolf Arndt: läre wie das intramuskuläre Fasernetz bewerkstelligt, doch der Art, dass die einzelnen Fasern in dem Protoplasma der Hügel sich auf- lösen und wieder aus ihm sich bilden und nur gelegentlich einmal sie geradezu durchsetzen. Es werden aber dadurch, wie auf der Hand liegt, auch hier ausgebreitete Netze geschaffen, welche über mehrere Bündel ausgespannt sind und dieselben zum grossen Theile eng- oder weitmaschig umspinnen und dadurch werden dann wieder Verhältnisse hervorgerufen, welche den bei den früheren Thierklassen erörterten ganz ähnlich, um nicht zu sagen gleich sind. Was endlich den fraglichen Punkt beim Menschen angeht, so liegt er auch da nicht anders. Der Nerv tritt in der mehrfach be- sprochenen Weise in den Nervenhügel ein, der sich in Nichts von den früher beschriebenen unterscheidet, und von dem Nervenhügel gehen Fasern aus, welche theils in das Muskelinnere eindringen, theils wieder auf dessen Oberfläche treten und umspinnende Netze bilden. Die von den Nervenhügeln entspringenden Fasern senken sich zum Theil wieder in Nervenhügel 2ter und 3ter Ordnung ein und da diese nicht selten das Rendezvous für Fasern bilden, die von verschiedenen Nervenhügeln abstammen, so stehen sie alle mehr oder weniger unter einander in Verbindung. Je nach der Entwicke- lung, welche die Fasern erfahren haben, oder anders ausgedrückt, je nach den Beziehungen des Protoplasmas der Nervenhügel zu ein- ander oder zu dem Muskelinneren und insbesondere den bezüglichen Muskelkernen, bekommen wir wieder sehr verschiedene Bilder zu sehen, solche, die den von den Kaninchen oder Hunden beschriebenen gleichen, solche, die den bei den Lurchen, namentlich aber bei den Fischen und Reptilien erörterten entsprechen, solche, die den bei den Krebsen beobachteten an die Seite zu stellen sind, und bei wei- terer Nachforschung gewiss noch weitere. Kurz es ist, wie wir es von den Thieren kennen gelernt haben, und nur die Auswahl viel- leicht ist grösser, als bei den einzelnen Species jener. Der Zufall wollte, dass unter den angegebenen Modalitäten einige genauer beobachtet werden konnten, und dass durch diese manche von den schon früher beigebrachten Dingen noch mehr be- stätigt wurden. Doch seien von ihnen nur zwei zur näheren Be- sprechung ausgewählt, die Punkte betreffen, auf welche es bei der ganzen Frage wesentlich ankommt. In einem Präparate aus dem M. sternothyreoideus, das mit Chlorgold behandelt worden war (Fig. 29) Konnte die wiederholt Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nervenin d.quergestreiften Muskelfasern. 563 dichotom erfolgende Auflösung des rothgefärbten Axencylinders in die tiefer gelegene granulöse Masse des Nervenhügels beobachtet werden, nachdem er die obere glasige Abtheilung desselben, welche die Kühne’sche Endplatte bilden hilft, durchsetzt hatte und ein anderes Mal bot sich die Gelegenheit dar für die Meinung eine be- deutende Stütze zu gewinnen, dass, wo wir keine intramuskulären Bänder in das Innere des Muskels eindringen sehen, die Verbindung des Nervenhügels mit dem Muskelinneren durch die Protoplasma- züge geschehen müsse, welche zwischen den Muskelkernen ausge- breitet seien. Es handelte sich da um Bündel aus dem M. subster- nalis, welche axiale und paraxiale Kernreihen zeigten, wie die Arthro- podenmuskeln und bei denen diese Kernreihen durch mehr schräg gestellte ebenso mit dem Nervenhügel verbunden waren, wie es bei jenen so regelmässig geschieht (Fig. 31). Daneben kamen auch Nervenhügel 2ter Ordnung vor, und die Verbindung mit diesen ge- schah ebenfalls durch Kernreihen, oder was noch bestimmender ist, durch die fein-körnige oder körnig -faserige Masse, in welche die Kerne eingebettet waren, d. h. durch ihr Protoplasma. Die Kühne’- sche Endplatte ın ihrer Specifieität existirt also auch danach nicht, und die Verbindung der contraktilen Substanz mit den Elementen des Nervenhügels scheint thatsächlich auch bei den höher organi- sirten Thieren, bei welchen zwischen beiden Fasern vorkommen, dennoch wie bei den niederen sich vorzugsweise durch das Proto- plasma zu machen, das nachweislich eine Anzahl von Muskelkernen verbindet, aber aller Wahrscheinlichkeit nach auch zwischen die einzelnen Fibrillen sich zwängt und diese mantelartig umgiebt. Nur da, wo das Protoplasma oder sein dazu qualifizirter Theil eine Um- bildung in Fasern erfahren hat , würde die betreffende Verbindung dann auch durch solche hergestellt werden. Die Verbindung der contraktilen Muskelsubstanz mit den Be- standtheilen der Nervenhügel können in überzeugender Weise wir nicht sofort erkennen. Der letzterwähnte Umstand liefert uns aber dafür einen ziemlich sichern Beweis und aus ihm können wir darum, rückwärts schliessend, uns ein Bild für die etwaige Verbindung auch da machen, wo wir sie bis jetzt wegen Mangelhaftigkeit unserer Hülfsmittel noch gar nicht zu konstatiren vermocht haben. Die kurzen, zart und dünnen, oft nur wie aus Körnchen gebildeten Fa- sern, welche wir bei verschiedenen Thieren in querer oder schräger Richtung von den Nervenhügeln ausgehen und in dem Muskelinneren 564 Dr. Rudolf Arndt: sich verlieren sahen und die auch beim Menschen vorkommen (Fig. 30), vermitteln den Uebergang zwischen den beiden Extremen. Denn sie verlieren sich nach allen unseren Beobachtungen in das Protoplasma, das noch nicht zu Fasern sich differenzirt hat, und wenn das auch beinahe ausnahmslos an einem Kerne geschieht, so steht dem damit dennoch durchaus Nichts entgegen. Der Kern selbst oder gar sein Kernkörperchen spielt nämlich ganz gewiss nicht die grosse Rolle, welche ihm fast noch von allen Seiten zuertheilt wird, so sehr auch manche Bilder, namentlich durch seine scheinbar strikte Verbindung mit Nerven dazu verführt haben mögen. Werfen wir auf die Resultate unserer Untersuchungen einen Blick zurück, so finden wir, dass sowohl eine grosse Uebereinstim- mung, als auch eine grosse Differenz zwischen ihnen und den Er- forschungen Anderer besteht. Es giebt kaum eine Ansicht, welche wir nicht bestätigen könnten und keine, welcher wir unbedingt bei- pflichten müssten. Die Schlingenbildungen, wie sie zuerst Valentin und Emmert, späterhin Remak, Koelliker, Schaaffhausen und zuletzt noch Beale beschrieben haben, wir fanden sie. Bei Kühne!) stiess ich auf eine Notiz, von der ich nicht weiss, woher sie stammt, dass Remak vermuthungsweise ausgesprochen, die Nerven bildeten zuletzt auf der Innenseite des Sarkolemmas Netzwerke. Auch diese Netzwerke trafen wir an. Aber weder jene Schlingen noch diese Netzwerke haben die Bedeutung, welche ihnen einst beigelegt worden ist. Die Schlingen sind nur scheinbare Schlingen in physiologischer Hinsicht. Denn entweder sind sie blos durch den gewundenen Ver- lauf der Fasern zwischen und über den Muskelbündeln bedingt und haben somit gar keine Bedeutung, weil sie noch nicht das Ende darstellen; oder thun sie dieses da und dort dennoch, so beruht das lediglich auf einer Täuschung, die dadurch zu Stande kommt, dass zwei freie (!) Nervenenden zufällig an ein und demselben Kerne zusammentreffen, doch ohne unter einander zu verschmelzen. Die intramuskulären Netzwerke aber, nun diese haben wir ja auch noch nicht als Endungen, sondern nur als Vermittler derselben kennen 1) Kühne. Ueber d, peripherisch. Endorgane d. motor. Nerven. p. 29. Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 565 gelernt und zwar blos unter der Form eines anderen Ausdruckes für das Gebilde, welches gewöhnlich die entsprechende Vermittelung besorgt. Auch für Koelliker’s und Krause’s Ansichten über die Lage der Endplatten in Bezug auf das jeweilige Muskelbündel fanden wir genügende Grundlagen. Aber einmal glaubten wir, dieselbe durch blosse Wachsthumsverhältnisse und eine faltenartige Einstülpung des Sarkolemmas zwischen die Basis der Platte und das Muskel- bündel ‘erklären zu können, das andere Mal sahen wir uns genöthigt, daran zu erinnern, dass Verwechselungen mit den plattenartigen Ge- bilden im Bereiche der sensibeln Nerven vorgekommen sein möchten, und namentlich ist, glaube ich, Krause dabei etwas Menschliches passirt. Die kleinen, nur aus wenigen, 3—4, ja nur aus einem Kerne bestehenden winzigen Endplatten beim Frosche und bei Fischen, zu denen lange, blasse, schmale Fasern treten sollen‘), und die übri- gens bei Fischen auch Waldeyer?) gesehen haben will, diese dürften mit grösster Wahrscheinlichkeit hierher zu zählen sein, und dass diese über dem Sarkolemma liegen, haben wir ja meistentheils in unzweideutigster Weise sehen können. Wir haben ferner auch für Margo’s Angaben Stützen ge- funden, ja ohne Rückhalt gesprochen, wir sind eigentlich ganz und gar zu seinen Resultaten gekommen. Wenn wir auch nicht ein System von Kornzellen erkannt haben, welches das Muskelinnere durchzieht, ein System von Zellen oder Zellenderivaten, das mit den Muskelnerver einerseits und mit der contraktilen Substanz des Muskels andererseits in Verbindung steht, das Muskelinnere also auch nach allen Richtungen durchsetzt, ein solches zu statuiren haben wir uns auch gezwungen gesehen, und um so leichter haben wir uns dem bezüglichen Zwange gefügt, als Kühne’s und Cohn- heim’s Erforschungen im Grunde genommen dieselben Anschauun- gen vertreten. Kühne ist darum wohl auch der billigste Kritiker gewesen, den Margo gefunden hat. Endlich haben wir auch für Kühne’s Ansichten und die, welche ihnen verwandt sind, d.h. die von Rouget, Engelmannu.a.A. die ausgedehntesten Unterlagen gewonnen, und so weit als es sich blos 1) Krause. Ueber d. Endigung. d. Muskelnerven,. Zeitschrft. f. rat. Med. Bd. XX. 1. 2) Centralbltt. 1863. 24. 566 Dr. Rudolf Arndt: um das Reale bei ihnen handelt, dürften kaum wesentliche Differenzen bestehen. Erst wo die Deutung anfängt, findet in diesem oder jenem Punkte eine Trennung statt. Wir haben uns unbedingt der Ansicht angeschlossen, dass die motorischen Endapparate, sowohl die Doyere’schen Hügel der Insekten, als auch die Nervenhügel der Vertebratae, unter dem Sarkolemma und mit der contraktilen Substanz in unmittelbarer Berührung stehen. Wir haben in diesen Hügeln eine obere, mehr homogene, und eine untere, mehr granu- lose, körnige oder körnig- faserige, kernführende Abtheilung zu unterscheiden vermocht und die Kühne’sche Endplatte wiederholt konstatirt; aber wir waren nicht im Stande, ihr die Bedeutung bei- zulegen, welche ihr Entdecker ihr zuerkannt wissen will. Wir hielten sie für ein Gebilde von mehr untergeorinetem Wesen, das nur zum Theil präformirt wäre, zum Theil sein Dasein erst dem. Tode und dessen Folgen zu verdanken bekäme. Dagegen mussten wir ein grosses Gewicht der unteren granulosen Abtheilung zugestehen und uns hierin mehr an Krause, Rouget ung Engelmann anschliessen. Aber während Krause dieselbe das wirkliche Ende des Muskel- nerven sein und sich aus einer Anhäufung von knopfförmig ange- schwollenen Fäden zusammensetzen lässt, kamen wir, ähnlich wie‘ Rouget und Engelmann, zu dem Schlusse, dass sie nur einen Uebergangspunkt, eine Brücke, bildet, allwo der Axencylinder des zuführenden Nerven in ein anderes Gewebe überginge. Während nun aber Rouget weiter glaubte, dass er gewissermassen als solcher noch, nur in eine grosse Anzahl von Fäden aufgelöst, von dort weiter ginge, um zum Wenigsten bei den Crustaceen direkt in die contraktile Muskelsubstanz überzugehen, eine Meinung, die vorher auch Waldeyer schon geäussert hatte, und Engelmann dafür hielt, dass er sich durch diese granulose Masse unmittelbar und ohne Grenze in die eigentliche Muskelsubstanz fortsetzte, kamen wir zu einem Resultate, das trotz aller anscheinenden Widersprüche sich mehr an Kühne, Cohnheim und insbesondere an Margo an- lehnt. — Wir haben der Kühne’schen Endplatte nicht das Gewicht zugestanden, das sie haben soll. Wir haben den Tenor auf seine Plattensohle gelegt, und daraus gehen die Unterschiede hervor, welche uns im Weiteren von ihm trennen und Margo näher brin- gen. Für die Arthropoden hat das nach den beiderseitigen Anschau- ungen auch keine sonderliche, in die Augen springende Bedeutung. Dagegen wird es bei den Wirbelthieren, namentlich im ersten Augen- Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. querge streiften Muskelfasern. 567 blicke recht auffällig. Kühne lässt seine Plattensohle immer nur auf einen kleinen Raum und scharf umschrieben sein, nie sich in das Muskelinnere fortsetzen. Wir haben gefunden, dass das immer der Fall sei und haben es selbst bei den Eidechsen zu erkennen vermocht. Dabei fanden wir, dass diese Fortsätze der Plattensohle sich immer in der Richtung verbreiteten, in welcher sie auf Muskel- kerne treffen und damit kamen wir auf dashinaus, was Margo ge- lehrt hatte. Doch hielten wir uns nicht gedrungen, diese Fortsätze der Plattensohle zu den Muskelkernen selbst in eine nähere Beziehung zu bringen, sondern nur zu dem Protoplasma, das sie bald spärlicher, bald reichlicher umgiebt, unter einander in oft deutlich erkenn- barem Zusammenhange steht, und wenn auch kein embryonales Protoplasma mehr ist, wie Kühne!) nachgewiesen hat, so doch immer, wie andererseits Engelmann?) erklärt hat, ein Portoplasma ist, Zellmasse, die sich noch nicht in einfach und doppeltbrechende Muskelsubstanz umgewandelt hat, auch nicht, setzen wir hinzu in Nerv, was, wie wir gesehen haben, der Fall sein kann. Wir kamen demnach zu dem Schlusse, dass vermittelst dieses Proto- plasmas, in welches sich die Plattensohle, welche wir ja auch für ein Protoplasma, nämlich das der Sohlenkerne, erklärt hatten, der Axencylinder des zuführenden Nerven mit der eigentlichen Muskel- substanz verbunden werde. Denn das Protoplasma der Muskelkerne stehe zwar hauptsächlich in longitudinaler Richtung in Verbindung, lasse solche Verbindungen aber auch in mehr transversaler Rich- tung, zumal bei niederen Thieren, doch auch noch beim Menschen erkennen, und öfters erwachse sogar, wie bei den Arthropoden der Anschein, als ob noch die einzelnen Muskelelemente geradezu mit ihm in direkte Verbindung treten. Als Muskelelemente, wenigstens noch als die nächsten, haben wir wie eine andere Zeit die Fasern, Primitivfasern, Fibrillen ange- sehen. Ohne behaupten zu wollen, dass genuine Fasern es seien, in denen uns die beiden, in abwechselnden Reihen angeordneten Hauptbestandtheile der Muskelsubstanz, die isotrope und die ani- sotrope entgegen treten, so zwar, dass diese beiden Substanzen gewissermassen blos der Ausdruck einer veränderten Anordnung der 1) Kühne. Ueber d. peripherisch. Endorgane d. motor. Nerven. p. 25. 2) Engelmann. Untersuchung. über d. Zusammenhang v. Nerven u. Muskelfaser. p. 34. 568 Dr. Rudolf Arndt: Moleküle jeder Fasern selbst seien, und ohne behaupten zu wollen, dass dieselben nicht blos faserartige Aneinanderreihungen noch wei- terer Elemente darstellen, als deren formellen Druck wir eben die beiden Erscheinungsweisen der genannten Substanzen kennen, die dunklen Fleischkörperchen, Fleischprismen und die sogenannte helle Zwischensubstanz, eine festere Verbindung zwischen diesen beiden Bestandtheilen der Länge des Muskels nach , bestehe sie nun aus einer blossen lockeren Verklebung, einer festeren Verkittung, einer vollständigen Verwachsung, oder aus einer noch anderen Geartung, eine solche müssen wir annehmen. Wie wir die Muskelfibrille immer auch auffassen mögen, als, ein solideres oder hinfälligeres Gebilde, gegeben ist sie. Sie ist im Leben bereits vorhanden und nicht erst die Folge eines Gerinnungs- psocesses, namentlich nicht erst der Ausdruck der Todtenstarre. Kühne ist es bekanntlich gewesen, der zuerst einer solchen Ansicht von dem Wesen der Muskelfibrille das Wort geredet hat, und eine Anzahl von Histiologen ist ihm ohne Widerrede gefolgt. Ja Cohn- heim hat dieselbe noch besonders ausgebaut. Die Stützen für diese Ansicht aber fand Kühne vorzüglich in der Consistenz des Muskel- inhaltes, d. h. der Füllung eines Sarkolemmaschlauches , da dieser einer Bewegung fähig sein sollte, welche nur von Flüssigkeiten be- kannt wäre. Der Behauptung, dass eine frische, noch zuckungs- fähige Muskelfaser, d. i. ein sogenanntes Primitivbündel Valentin’s, beim Auseinanderreissen wie ein zerstörtes Bündel von Fibrillen aussehe, müsse er entschieden widersprechen. Nie habe er an der Durchrissstelle hervorragende Fibrillen gesehen. Selbst wenn das jedoch der Fall wäre, würde es kaum etwas beweisen, weil der Muskelinhalt an der durchrissenen Stelle sofort todtenstarr d. h. fest werde. Was am frischen Muskel an Fibrillen entsprechenden Längsstreifen existire, seien die Grenzen zwischen den Sarcous-Ele- ments, welche in der Quere jedesmal durch die einfach brechende Substanz unterbrochen werden. Die Ansicht vom fibrillären Bau der Muskelfaser verliere täglich mehr an Boden und es scheine sogar, als ob nur eine einzige Thatsache sie noch stützen könne, näm- lich das sofortige Zerfallen der sogenannten gelben Insektenmuskeln in feine Fibrillen. Diese Thatsache sei richtig. Aber diese Muskeln seien gar keine Muskeln trotz Querstreifen und Doppelbrechung. Ihnen fehle die Contraktilität. Sie seien möglicherweise Reste von früheren bei der Entwickelung nicht unwichtigen Muskeln, aber “ Untersuchung. üb.d. Endigung d.Nerven in d. quergestreiftenMuskelfasern. 569 im vollendeten Insekt könne man sich nicht mehr auf sie. be- rufen !). Allein den gelben Insektenmuskeln, die massig z. B. an der Innenseite des Thorax liegen, analog verhalten sich auch manche andere Muskeln, denen wir die Aechtheit ihrer muskulären Natur durchaus nicht versagen können. Vorerst muss hervorgehoben wer- den, dass diese gelben Thoraxmuskeln auch nicht unter allen Um- ständen sofort in ihre Fibrillen zerfallen, sondern dass viel dabei von ihrer Behandlung abhängt und ein schonendes Verfahren sie ebensogut erhält, wie die hellen glasigen Muskeln der Extremitäten. Demnächst muss betont werden, dass ein minder vorsichtiges Ver- fahren, ohne dass es gerade ein rohes genannt zu werden braucht, auch genuine Muskeln, die sich noch deutlich kontrahiren, in Fi- brillen zerfallen macht, und dass endlich bei manchen Thieren nicht die blosse Schonung genügt, um den sofortigen Zerfall in Fibrillen zu verhindern, sondern dass die Kunst einschreiten muss, um sie als Ganzes zu erhalten. Ich erinnere vor allen dabei an die hellen glasigen Muskeln von Palaemon, deren Bündel mir sofort in starre, fast homogen erscheinende Fibrillen zerfielen, wenn ich sie dem lebenden Muskel auch noch so rasch entnommen und in dem eigenen Safte des Thieres auseinander zu breiten gesucht hatte, und dass sie erst künst- lich gefestigt werden mussten, bevor sie einer zweckdienlichen Unter- suchung unterworfen werden konnten. Wird somit von Kühne überhaupt zugegeben, dass der Inhalt der gelben Insektenmuskeln ein fibrillärer sei, weil derselbe sofort in Fibrillen zerfalle, so muss er dasselbe auch für die durchsichtigen klaren Muskeln der Insekten und anderen Thiere zugeben, wenn bei ihnen ein gleicher Vorgang stattfindet. Dass durch eine Gerinnung, wie sie der Todtenstarre z. B. zu Grunde liegt, diese Fibrillen fester, zäher, dehnbarer wer- den, mag recht wohl zugestanden werden. Es hat gar Manches auf mich sehr überzeugend in dieser Hinsicht eingewirkt. Allein dass sie ganz und gar blos der Gerinnung ihr Dasein verdanken, dem steht doch zu vie] entgegen. Es sind neuerdings von Stricker?) Angaben gemacht worden über Beobachtungen an noch lebenden und sich bewegenden Muskel- 1) Kühne. Ueber d. peripherischen Endorgane d. motor. Nerven. p. 32. Anm. 2) Strieker. Handbuch der Gewebelehre. p. 1226. 570 Dr. Rudolf Arndt: bündeln. Stricker beschreibt da eine Menge von Erscheinungen und vergleicht diese mit einem Bilde, das ein in lebhaften Evolutionen begriffenes Infanteriecorps aus der Vogelperspective gesehen dar- bieten könnte. Er kommt aber merkwürdiger Weise zu dem Schlusse, dass solche Erscheinungen sich selbstverständlich am Besten mit der Vorstellung vertragen, nach welcher der Muskel aus kleinen Disdia- klasten-Gruppen und einer flüssigen Zwischensubstanz zusammen- gesetzt sei. Gerade das von ihm gewählte, meines Erachtens recht zutrefiende Bild spricht dafür, dass feste Beziehungen zwischen den einzelnen Disdiaklasten-Gruppen bestehen. Die verschiedenen Grup- pirungen der Mannschaften eines Corps in bestimmte fundamentale Formen, unter denen schlechtweg die Linie vorwaltet, kommen nur dadurch zu Stande, dass jeder Einzelne seine bestimmte, feste Stelle, seinen Vordermann und seinen Hintermann, seinen rechten oder linken Nebenmann, beziehungsweise beide hat und durch einen ge- schulten Willen gewissermassen auf diesem Platze fest gemacht sich bewegt, dem Einen sich nähert, von dem Anderen sich entfernt, aber nach einem Gebot, das nicht ihn für seine Person, sondern nur als Theil eines Ganzen trifft, als Glied einer Rotte, Glied eines Zuges, einer Compagnie, eines Bataillons u. s.w. »Vordermann nehmen!« ist im kleinen Dienste der deutschen Arınee ein nur zu häufig zu hörender Ausruf. — Was in dem beigebrachten Bilde für den Sol- daten sein eigener Wille ist, muss für eine Disdiaklasten - Gruppe eine als Ersatz dienende Kraft sein, eine Art Polarität, welche sie in ihrer Lage zu andern Gruppen erhält, oder mechanische Beschränkung. Aber eine unbehemmte Freiheit der Bewegung, eine völlige Ungebundenheit kann ihr nicht gelassen sein. Der Umstand, dass die Gerinnungen des Muskelinhaltes immer und immer in derselben Weise erfolgen und stets ein und dieselben, bis in das feinste Detail gleichen Formen erkennen lassen —, von den gelegentlich durch gewisse Chemikalien, Maceration u. s. w. er- zeugten, andersartigen sehen wir ab — spricht sehr bestimmt für eine solche Auffassung. Noch mehr thut das aber die Beobachtung am lebenden Muskel, wo unter Umständen die Gelegenheit, die Be- wegungen der Disdiaklasten - Gruppen in festen Reihen, d. i. in zu Fibrillen verbundenen Gliedern, auf das Unzweifelhafteste zu erkennen gegeben ist. Ich habe sie wiederholt an den sehr kräftig ent- wickelten, mit sehr grossen Disdiaklasten-Gruppen versehenen Muskel- bündeln von Geotrupes stercorarius gehabt. Dieselben bewegten Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 571 sich beinahe noch eine halbe Stunde nach der Trennung vom Leibe recht lebhaft fort und setzten die Bewegungen auch nicht sobald aus, wenn sie mit klärenden Menstruis, verdünnter Salz- oder Essig- säure, behandelt wurden, so dass man da recht viel und genau er- kennen konnte. Die Bewegungen nun, welche man da zu sehen bekommt, sind hauptsächlich peristaltische, anfänglich lebhaftere, die Breite des ganzen Muskelbündels gleichzeitig umfassende, später trägere über die Breite des Muskels ungleichartig erfolgende und zu- letzt nur noch auf einen Theil der Breite, nämlich den, an welchem der Doyere’sche Hügel liegt, beschränkte, bis das Spiel ganz und gar aufhört und ein wenigstens auf Strecken gleichmässiges Zu- sammenrücken der Disdiaklasten -Gruppen, eine gleichmässige Con- traktion, als letzter Ausdruck des specifischen Muskelvermögens eintritt. Bei diesen peristaltischen Bewegungen sieht man nun weiter ganz deutlich, wie sich die Disdiaklasten-Gruppen nur in bestimmten Längsreihen bewegen, zu welchen sie mit der Zwischensubstanz zu- sammengefügt sind. Man sieht diese Reihen nach rechts, nach links wogen, hier sich von ihren Nebenreihen entfernen, dort sich ihnen nähern, hier leicht halbmondförmige oder lanzettförmige Lücken schaffend, je nachdem sie mehr am Rande oder in der Mitte liegen, dort press sich aneinander quetschend, um bald darauf wieder die entgegengesetzte Bewegung vorzunehmen und sich dicht aneinander zu lagern, wo sie sich entfernt hatten, sich von einander zu ent- fernen, wo sie dicht zusammengelegen waren. h Die wogenden peristaltischen Bewegungen sind, wie überall, so auch hier, der Ausdruck einer ungleichmässigen, nur auf gewissen Strecken vorhandenen Contraktion und kommen dadurch zu Stande, dass kontrahirte Stellen mit nicht kontrahirten abwechseln. An den kontrahirten Stellen stehen die Disdiaklasten-Gruppen in mehr ge- raden Linien, sind einander genähert und in Folge dessen sieht die ganze Reihe dunkler aus. An den nicht contrahirten Stellen stehen sie in Curven, stehen weiter von einander ab und die ganze Reihe erscheint heller. Die sogenannte Zwischensubstanz, die helle, iso- trope Substanz ist dort kürzer, aber breiter, überwallt öfters die beiden Grenzlinien der aus Disdiaklasten-Gruppen gebildeten Reihen ; hier ist sie länger aber schmaler und tritt zwischen den erwähnten beiden Grenzlinien oft erheblich zurück. So obenhin betrachtet sieht es desshalb auch aus, als ob die helle Zwischensubstanz , die isotrope, die eigentlich contraktile sei. — Wo der Muskelinhalt 572 Dr. Rudolf Arndt: contrahirt ist, ist der Muskel selbst darum auch meistentheils schmaler, wo er stark relaxirt ist, breiter. Doch kommen da Abweichungen vor und namentlich kurz vor dem Tode, wenn die Bewegungen an Inten- sität nachlassen und streckenweise vollständige Ruhe und in ihr eine gleichmässig parallele Aneinanderlagerung der Reihen von Disdia- klasten-Gruppen herrscht. Die Contraktionen nehmen immer ihren Anfang von der Stelle des Nerveneintrittes aus und schreiten dann wellenförmig den beiden Muskelenden zu. Haben sie diese erreicht, so fangen sie nach eini- ger Zeit wieder an der Stelle des Nerveneintrittes von Neuem an und immer und immer sieht man dabei dieselben Bewegungen ganz bestimmter Reihen von Disdiaklasten-Gruppen sich wiederholen. Noch auffallender wird das in manchen Fällen kurz vor dem Ein- tritte des Todes. Dann erlahmt die Muskelenergie, aber nicht gleich- mässig, je weiter vom Nerveneintritt, desto früher, je näher dem- selben, desto später. Die Muskelenden sind oft schon ganz ruhig, dann spielen die Reihen der Disdiaklasten - Gruppen noch in der Nähe des Doyere’schen Hügels. Aber wie? Seltener und träge die, welche auf der ihm entgegengesetzten Seite liegen, öfter und leb- hafter die, welche ihm näher sind. Und wenn die ihm zunächst ge- legenen noch deutlich sich zusammenziehen und das ganze Muskel- bündel nach ihrer Seite biegen, sind die gegenüberliegenden schon eine der ewigen Ruhe verfallene Masse. Dass ein solcher Vorgang sich am besten mit der Idee ver- trägt, dass die Disdiaklasten-Gruppen der Länge nach mit einander verbunden seien, dass sie in ihrer Verbindung Fasern oder faser- artige Gebilde darstellen, liegt auf der Hand. Wenn ihre Verbindung unter einander auch noch so locker ist und sich vielleicht blos durch eine Art Polarität (!) macht, vorhanden muss sie sein. Sonst sind die beschriebenen Phänomene absolut unerklärlich. — Wenn Stricker unter den von ihm beobachteten Erscheinungen auch eine grosse Menge von solchen wahrgenommen hat, welche sich anscheinend nicht mit einer festen, linienartigen Anordnung der Disdiaklasten-Gruppen vertragen, so ist zu erwägen, dass wir bei der Betrachtung eines sich bewegenden Muskels es nicht mit einer flächenartigen Ausbreitung parallel angeordneter Disdiaklastenreihen zu thun haben, sondern mit Bündeln davon, und dass die tiefer ge- legenen Reihen, wenn sie nicht ganz dieselben Bewegungen machen, wie die oberen, störend in das von diesen gelieferte Bild sich ein- Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 573 mischen, die durch schon vorhandene Reihen gebildeten Combina- nationen verdecken müssen. Die meisten der neueren Untersuchungen mit ihren Resultaten stehen den dargelegten Auffassungen entgegen, vor allen die von Hensen mit der Querscheibentheorie. Die Resultate, zu denen Krause gekommen ist, mit der Annahme von Muskelkästchen, die quer und längs verbunden seien und quer durch eindringende Flüs- sigkeit leicht von einander entfernt, wenn auch nicht getrennt wer- den, verträgt sich dagegen mit denselben schon besser. Vollständig übereinstimmend sind die Ansichten von Doenitz!) und Wagner?). Denn auch diese beiden nehmen wieder die Fibrillen als Muskelinhalt an und wenn sie dieselben auch in ganz anderer Weise beschrieben haben, als ich das zu thun den Anschein erweckt haben mag, so kommt es doch bei der uns beschäftigenden Angelegenheit darauf gar nicht an. Uns soll nur die Fibrille als solche interessiren und nicht das wie sie aufgebaut ist. Die Fibrille, die alte Schwann- und Valentin’sche Primitivfaser, ist also das nächste Muskelelement, das unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt und die Frage: »Wie kommt zwischen ihr und der nervösen Substanz der CGontakt zu Stande?« in Anregung bringt. Wir können kurz sein. Bei den Arthropoden, insbesondere den Co- leopteren und Araneiden, hatten wir gefunden, dass die Fibrillen mit einer Materie überzogen zu sein Scheinen, mit welcher Kerne und das sie umhüllende Protoplasma des Muskelinnern, das wir mit Kühne als eine Fortsetzung des Inhaltes des Doyere’schen Hügels erklärt hatten, geradezu verklebt erklären. Auch Doenitz und Wagner haben die Muskelfibrillen von einen besonderen Stoffe noch überzogen ge- funden. Was dieser Stoff sei, ist vorläufig ganz gleichgültig. Aber wie bei den Arthropoden , so sehen wir auch bei den Vertebraten direkte Fortsetzungen der nervösen Masse von den Nervenhügeln in das Muskelinnere, beziehungsweise zwischen die Muskelfibrillen eintreten und sich verbreiten. Die Muskelfibrille der höheren Thiere ist indessen nicht anders gebaut, als die der niederen. Ich glaube, die Hypothese ist demnach nicht ungerechtfertigt: durch den dünnen, 1) Doenitz. Beiträge z. Kenntniss d. quergestreift. Muskelfaser. Arch. f. Physiolog. 1872. p. 434. 2) G. Wagner. Ueber d. Querstreifen d. Muskeln. Sitzungsberichte d. Marburger Gesellschaft ete. 1872. 2. (Nach Referat im Centralbltt. 1872, 29.) Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 37 574 N Dr. Rudolf Arndt: klebrigen Ueberzug der Fibrillen wird ihr Gontakt mit der nervösen Substanz gemacht und Muskel- und Nervenmasse direkt verbunden. Jede einzelne Fibrille häpgt mit dem ihrem Bündel zugehörigen Ner- ven unmittelbar und für sich zusammen und wird von ihm besonders beeinflusst. Daher auch das nicht gleichmässige Agiren des ab- sterbenden Muskels in allen seinen Theilen auf den noch vom Nerven ausgeübten Reiz, sondern sein blosses, fihrilläres Absterben, wie wir es beschrieben haben. So lange der Muskel noch zu einer energischen Thätigkeit fähig ist, wenn dieselbe auch durch stärkere Reize, wie Induetions- schläge, hervorgerufen werden muss, zuckt er vermöge dieser Ein- richtung durch seine ganze Dicke fast momentan zusammen. Wenn er ermattet, seine Lebenskraft schwindet, werden seine Zusammen- ziehungen ungleichmässig. Anfangs treten sie noch in der Form peristaltischer Bewegungen auf, die aber um so schwächer und schwächer werden, je mehr sie sich dem Ende nähern, vom erre- senden Punkte, dem Nerveneintritte, entfernen. Dann zeigen sie sich nur noch in der Form unregelmässig undulirender Bewegungen, die um so langsamer und oberflächlicher sind, je weiter vom Ner- veneintritte sie erfulgen ; zuletzt beschränken sie sich uur auf dessen Nähe. Also je weiter vom Nerveneintritte, desto früher erfolgt der Muskeltod und das gilt nicht blos hinsichtlich der Länge sondern auch hinsichtlich der Dicke. Jedes Element, jede Fibrille für sich stirbt ab. Mit diesen Auffassungen nähern wir uns denen von Margo fast noch mehr, da wir mit ihm uns der Ansicht zuneigen, dass, soweit die contraktile Substanz im Muskelbündel verbreitet ist, auch allem Anscheine nach die nervöse reicht. Die Entwickelungsgeschichte nach den gang und geben Darstellungen ist allerdings solchen Mei- nungen nicht günstig. Denn ganz abgesehen von den Bedenken, die Krause!) erhebt, mit denen er jedoch zum Theil gegen sich selbst kämpft, steht die Angabe fast aller Autoren, dass die Muskel- zellen aus dem mittleren Keimblatte, dem Para- oder Haemoblasten von His hervorgehen, ihnen sehr entgegen. Doch scheint in dieser Sache noch kein voller Abschluss zu Stande gekommen zu sein, da 1) Krause. Die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskel- faser. p. 86, letzter Absatz. Untersuchung. üb.d. Endigung.d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 575 His!) erst neuerdings ganz gegentheilig behauptet hat, die Muskel- zellen entstammten seinem Archi- oder Neuroblasten, d. i. dem sonst sogenannten oberen Keimblatte, aus welchem bekanntlich das ganze Nervensystem mit allen seinen Anhängen sich herausbildet. -- Allein wenn das auch nicht sein sollte, so kann man sich doch denken, (dass zu einer gewissen Zeit der Entwickelung zwei embryonale Zellen verschiedener Abstammung sich so aneinander legen, dass in ihrem weiteren Wachsthum eine Verschmelzung ihrer Leiber nöthig wird. Die eine dieser Zellen, welche dem mittleren Keimblatte entstammt, wächst, um bei der Krause’schen Darstellung zu bleiben, nach zwei entgegengesetzten Richtungen in die Länge und wird zur Muskel- spindel, die andere, welche aus dem oberen hervorgegangen ist, wandelt sieh zur Nervenzelle um, sendet als solche einen Ausläufer, die später doppeltkonturirte Nervenfaser nach dem Üentrum, ver- schmilzt aber gleichzeitig mit der sich bildenden Muskelzelle und zwar vielleicht in gröberer Weise, als man von vornherein zu denken geneigt ist, nämlich indem ihre Elemente einfach zwischen die jener hineinwachsen. Dass diese Zelle dabei sich theilt, vermehrte, die Mutter von Häufchen von Reihen wird, ist damit nicht ausgeschlossen. Das Zellenwachsthum geht in verschiedener Hinsicht gleichzeitig vor sich. In einiger Zeit umgeben sich dann beide Gebilde mit einer Cutieularschicht, dem Sarkoleınma und Neurilemma, als Produkten der noch in den Gebilden vorhandenen rein bindegewebigen Ele- mente, und die Lage des nervösen Hügels unter dem Sarkolemma und die Ausbreitung der nervösen Masse zwischen der Muskelsub- stanz wird dadurch auch nach dieser Auffassung der betreffenden Entwickelungsvorgänge erklärlich und verständlich. — Wir sagten, das Sarkolemma, Neurilemma werde in diesem Falle als eine Art Outicularbildung von den in der neugebildeten Muskelzelle noch vor- handenen rein bindegewebigen Elementen abgeschieden. Ich glaube, ein solcher Vorgang wird heute von sehr vielen, wenn nicht gar den meisten Seiten angenommen. Woher kommen aber diese rein binde- gewebigen Elemente? Ich denke mir, dass, wenn die Muskelzelle wirklich aus dem mittleren Keimblatte hervorgeht, sie wie alle Ab- kömmlinge desselben zu Vorläufern der Bindesubstanz gehört. Es wohnt ihr die Tendenz inne, sich in solche umzubilden. Bei ihrer 1) His. Untersuchungen über d. erste Anlage d. Wirbelthierleibes. — Die erste Entwickelung d. Hühnchens im Ei. Leipzip 1868. p. 39. 45. 576 . Dr. Rudolf Arndt: Entwickelung zu einer Faser treten mehrere Kerne in ihr auf. Die Mutterzelle erfüllt sich mit Tochterzellen. Einzelne von diesen letz- teren wandeln sich zu Muskelsubstanz um. Ihre Kerne werden Muskelkerne und ihr Protoplasma quergestreifte Substanz, die sich zu Fibrillen anordnet. Andere Kerne dagegen entwickeln sich in der ihnen von Hause aus innewohnenden Tendenz weiter und wer- den Kerne der Bindesubstanz. Von ihnen stammt das Sarkolemma ab. — Auf den etwaigen Vorgang ist das Eindringen der Nerven-. zelle und ihrer Abkömmlinge zwischen die Glieder der Muskelzelle möglicherweise nicht ohne Einfluss. Denn es wandeln sich vielleicht blos diejenigen Abkömmlinge der sich ausbildenden Muskelzelle in wirkliche Muskelsubstanz um, welche von den sich ausbildenden nervösen Zellen getroffen und beeinflusst wurden, und werden hin- gegen diejenigen zu Zellen der Bindesubstanz, welchen jener Einfluss mangelte. Das Ganze ist jedoch nur ein Erklärungsversuch und macht weiter keine Ansprüche. Ich habe selbst keine einschlägigen Beobachtungen zu machen Gelegenheit gehabt und entgegen stehen ihm die Angaben von His, welche ja ausserordentlich viel Verfüh- rerisches haben. Nach beiden Ansichten kommen wir aber dazu, dass nicht alle Muskelkerne, wie sie nicht gleich aussehen, auch nicht gleichwerthig sein können. Die einen sind Kerne eines bis auf einen kleinen Rest vollständig differenzirten Protoplasmas,, das sind die wahren Muskelkerne. Die anderen sind Kerne der nervösen Be- standtheile des Muskelinhaltes und als solche jenen entweder ganz heterogen oder hinter ihnen in der Entwickelung, d. h. auf einem dem ursprünglichen näheren Standpunkte zurückgeblieben. Bis hierher herrscht, soweit es sich um Thatsächliches handelt, im Grossen und Ganzen Uebereinstimmung mit den Erforschungen früherer Beobachter. Für jede der von uns beigebrachten That- sachen fanden wir Unterlagen bei dem Einen oder dem Andern. Jede ist bereits das eine oder das andere Mal gesehen worden. Wir haben aber noch manche andere Ergebnisse unserer Untersuchungen zu registriren und diese sind bis jetzt noch nicht durch anderweitige Beobachtungen begründet, ja stehen zum Theil sogar im Wider- spruch mit denen, die bisher als massgebend galten. Hierher gehören zunächst die genuinen Nervenhügel bei den Fröschen. Nach Kühne’s Angaben!) sollen bei denselben bekanntlich 1) Kühne in Stricker’s Handbuch |. c. p. 155. Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 577 * nur die eigenthümlich verästelten, mit Kernen besetzten Fasern sich finden, in die der Axencylinder des zutretenden Nerven innerhalb des Muskels sich auflöst, und demgemäss sollen die Verhältnisse auch bei den Tritonen und Kröten, bei Proteus und Salamandra, also bei allen Lurchen, liegen. Allein schon Engelmann!) hat seiner Zeit hervorgehoben, dass dieses nicht der Fall sei, sondern dass die intramuskuläre Nervenendigung bei den geschwänzten Lur- chen sich ganz anders mache und der bei den Reptilien vorhandenen, also der mittelst Nervenhügel, sehr nahe kommen. Nach unserer Erfahrung ist sie derselben im Wesentlichen ganz gleich und ist nicht blos bei den geschwänzten Lurchen vorhanden, sondern kommt auch bei den ungeschwänzten, den Fröschen, vor. Allerdings hat auch Krause davon berichtet; allein es hat dieser Forscher meines Erachtens dabei die Dinge nicht gehörig aus- einander gehalten und ausserdem manche bereits anderweitig unter- gebrachten wieder hierher rubrizirt. Seine kleinen, nur aus 1, 2, oder 3—5, jedenfalls nur aus wenigen Kernen bestehenden Platten, die unzweifelhaft über dem Sarkolemma liegen, gehören nicht hierher. Wir werden sie wo anders wiederfinden. Und die von bedeutenderem Umfange sind grössten Theils blos die intra- muskulären Axencylinder-Systeme Kühne’s, verändert durch eine sehr eingreifende Präparationsmethode Nur eine seiner Figuren (Motor. Enpplatten. 52. p. 97) scheint dafür Zeugniss abzulegen, dass er in der That auch die ächten, mehr complexen Nervenhügel gesehen hat, welche ich beschrieben habe. Indessen, es ist die Zeich- nung sehr schematisch gehalten und die Beschreibung lässt auch manchen Zweifel übrig, ganz abgesehen von dem Umstande, dass sie nicht zutreffen kann, weil er die Gebilde ja extramuskulär sein lässt. Von Interesse ist dabei nichtsdestoweniger der Umstand, dass Krause in ein und dieselbe Platte zwei markhaltige Nerven ein- treten lässt, ganz so wie wir angegeben, dass es gar nicht so selten in allen Thierklassen vorkomme. So ziemlich dasselbe gilt auch bei den Fischen. Kühne?) glaubte, wenigstens früher, dass die motorischen Nerven bei denselben in der nämlichen Weise wie bei den Lurchen endigten. Engelmann?) Muskel. p. 22—23. 2) Kühne. Ueber d. peripherischen Endorgane d. mot. Nerv. p. 31. 3) Engelmann. Untersuchungen etc. p. 17. 578 Dr. Rudolf Arndt: war der Meinung, dass sie das mehr in der von ıhm bei den Tri- tonen angegebenen Weise thäten und nach Durchbohrung des Sar- kolemmas mittelst einer feinkörnigen Masse direkt in die contraktile Substanz übergingen. Später entdeckten andere Forscher zwar Ge- bilde, welche sie für veritable Nervenhügel hielten; allein da die- selben immer nur aus 1—2 oder höchstens nur aus 3—5 Kernen bestehen und sicher über dem Sarkolemma liegen sollten, so sind das zum Wenigsten nicht die Hügel gewesen, welche wir beschrieben haben. Sie gehören, obgleich wir von den Eidechsen wissen, dass thatsächlich 1-kernige Hüsel vorkommen, doch wohl zumeist zu den von Krause beschriebenen 1-, 3-, 5-kernigen über dem Sarkolemma gelegenen und werden gelegentlich dieser noch auf sie zurückkommen. Zuletzt sind aber von Trinchese!) und Krause?) wahre motorische Hügel beschrieben und auch abgebildet worden, von jenem bei Torpedo, von diesem bei Torpedo und einer grösseren Anzahl von Knochenfischen. Bei letzteren sollen sie sehr lang, schmal und dünn sein, mit ihrer Längsachse stets der Länge des Muskels entsprechend liegen und würden damit Verhältnisse zeigen, welche im grossen Ganzen den von uns gefundenen entsprächen. Sodann gehören hierher die Besonderheiten, welche wir an den Nervenhügeln kennen gelernt haben, ihr Verhältniss zu den in sie einmündenden Nerven, ihr Verhältniss zu andern Nervenhügeln, ihre Verbindung oder sogar theilweise Verschmelzung unter einander. Bisher hat man nur Nervenhügel gekannt, welche einzig und allein mit einer Nervenfaser in Verbindung standen. Wir sind solchen begegnet, welche ganze Bündel von Nervenfasern aufnahmen. Wir trafen sie bei den Lurchen und Reptilien und denke ich mir, dass vorzugs- weise zwei Faktoren, ihr Alter, d.i. ihre Abstammung aus der ältesten Bildungsperiode der Muskeln, und ihre unvollkommenen Theilungen bei den Muskeltheilungen in den späteren Perioden der Grund ihres Daseins sind. Aehnlich verhält es sich auch mit den Verbindungen der Hügel unter einander oder mit ihren Verschmelzungen zu einer grösseren Masse. Das Alter und der Theilungsprocess der Muskeln spielen dabei eine vorwiegende olle. — Wir haben Nervenhügei ver- schiedener Ordnung, Ister, 2ter bis letzter, unterschieden. Die Nervenhügel letzter Ordnung waren gemeinhin die kleinsten, die 1 e 2) Krause. Motorische Endplatten. p. 194. Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 579 lster' Ordnung die grössten, obgleich das gewiss nicht immer zu sein braucht. Die Nervenhügel der verschiedenen Ordnungen liegen zum Theil in demselben, ‚häufiger in verschiedenen Muskelbündeln. Im ersteren Falle ist eine Theilung der wuchernden nervösen Substanz bei einem vielleicht beschleunigten Wachsthum der Muskelzelle in die Länge als Ursache anzusehen. Im zweiten Falle haben wir die- selbe in einer Theilung der Muskeibündel der Quere nach, infeiner Produktion von Kühne’schen Muskelspindeln, Koelliker’schen Muskel- knospen mit einer Abzweigung nervöser Substanz als Koelliker’scher Nervenknospen !) zu suchen. Die Koelliker’schen Nervenknospen werden in ihrem weiteren Wachsthume zu sekundären Nervenhügeln und ihr zugehöriger Nerv geht hervor aus der Masse, welche die Knospe noch mit ihrem Stamme, einem Nervenhügel höherer Ord- nung, verband. Es ist hierbei ersichtlich, dass, wenn auch die Theilung der Muskeibündel durch eine Scheidewandbildung von Seiten des Sarkolemmas bedingt werden mag, der Art, dass das Sar- kolemma zwischen eine Partie von Muskeifibrillen scheidenartig hin- einwächst und sie abschnürt, noch ganz und gar nicht die bezügliche nervöse Substanz auch abgeschnürt werden muss. Das die Muskel- fibrillen abschnürende Sarkolemma umgeht diese, lässt für sie eine Oeffnung frei. Nach vollendetem Theilungsprocesse und bei weiteren Wachsthume wird aus der einfachen Oeffnung ein Kanal mit zwei Öefinungen,, von denen die eine im Mutterbündel, die andere im Tochterbündel liegt. Im Kanal selbst aber ist nervöse Masse. Diese bildet sich in Fasern um, wird eigentlicher Nerv, und die Wände des Kanals, die sarkolemmatische Hülse wird ihr resp. sein Neuri- lemma. So bekommen wir genetisch die Fasern, welche wir aus den Nervenhügeln entspringen und das Sarkolemma durchbrechen sahen, um als scheidenführende Nerven mit oder ohne Mark in andere Hügel sich einzusenken. Koelliker hat die Nervenknospen benutzt, um an ihnen den Nachweis zu führen, dass die Nervenhügel extramuskulär gelegen sem müssten. Wir sehen, dass sie sich sehr wohl auch mit der intramuskulären Lage (derselben vertragen, wenn man die Sache auflasst, wie wir es zu thun gewagt haben. Seit Greeff den Doyere’schen Hügel in den Muskeln der Arc- tiscoiden mit einer Ganglienzelle verglichen hat, hat es verschiedenen 3) Koelliker. Gewebelehre. 5. Aufl. p. 273. 580 Dr. Rudolf Arndt: Forschern beliebt, diesen Vergleich aufzunehmen und ihn nicht blos auf die Doyvere’schen Hügel der Insektenmuskeln zu übertragen, sondern an ihn auch bei den Nervenhügeln der Wirbelthier-Muskeln zu erinnern. Ich finde die bezügliche Greeff’sche Bemerkung aus- gezeichnet. Nur möchte ich statt des Wortes Ganglienzelle, wor- unter bei höher organisirten Thieren ganz besondere Zellformationen, die Ganglienkörper mit verstanden werden, den Ausdruck Nerven- zelle vorziehen, weil dieser einen weiteren Begriff hat. Jede Ganglien- zelle ist zwar eine Nervenzelle, aber nicht jede Nervenzelle ist auch eine Ganglienzelle. Und so erkenne auch ich in dem Doyere’schen Hügel der Insekten und Spinnen als wesentlichen Inhait eine Nerven- zelle und in den Nervenhügeln der Wirbelthiere eine Ansammlung solcher zu Häufchen an. Der kernführende Protoplasmamantel der Krebse stellt eine solche in flächenartiger Ausbreitung dar. Diese Nervenzellen bestehen nun, wie wir gesehen haben, aus einem rund- lichen, flachen, öfters dunkelrandigen und darum leicht gewölbten Kerne, der mehrere kleine uud daneben nicht selten auch ein grös- seres Kernkörperchen enthält und von einem körnigen, stellenweise deutlicher körnig-faserigen Protoplasma umgeben sind, das unter einander verschmolzen ist und hie und da durch seine Fäden un- zwelfelhaft in derbere Fasern, Nervenfasern, übergeht. Diese Ner- venzellen gleichen somit vollkommen den Nervenzellen in den Central- organen des Nervensystems niederer oder noch in der Entwickelung begriffener höherer Thiere, auch denen des fötalen oder neugeborenen Menschen. Die Doyere’schen Hügel, sowie die Nervenhügel der Wir- belthiere und der Protoplasmamantel der Krebse machen daher den Eindruck, als ob sie vorgeschobene Posten centraler Nervensubstanz seien, Heerde, an welchen Reize aufgenommen und so verarbeitet werden, dass ein ganz bestimmter Effect, die Anregung der Muskel- faser zur Contraktion, erzielt wird. Die Verarbeitung aller ein- wirkenden Reize in diesem Sinne scheint ihre Energie zu sein. Gelingt es, diese aufzuheben, so wird der Muskel unthätig, trotzdem der zuführende Nerv für Reizeinwirkung noch empfänglich ist. Ist dieselbe dagegen erhalten, so bleibt der Muskel auch noch contrak- tionsfähig, selbst wenn der Einfluss des zuführenden Nerven eliminirt ist. Die Curarewirkung einerseits, sowie die specifische Muskel- irritabilität andererseits finden auf diese Weise ihre Erklärung, während jede andere bis jetzt gegebene doch recht im Stiche lässt. Ausser den motorischen Nerven haben wir noch sensible in den Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 581 Muskeln zu erkennen geglaubt. Wir haben gesehen, dass auch Reichert, Koelliker, Krause Derartiges berichtet haben und dass Greeff gewisse andere Nerven, die aber in ihrem sonstigen Verhalten viel Aehnliches besitzen, auch dafür angesehen hat. Die sämmtlichen Forscher haben diese Nerven ziemlich so beschrieben, wie wir sie gefunden haben, dass es Fasern seien, die sehr bald ihr Mark verlieren und ganz gewöhnlich in marklose übergehen. Doch keiner hat über ihre Endigung etwas Bestimmtes angegeben, es sei denn, dass man Koellikers!) Mittheilung, beim Frosche ende- ten sie schliesslich frei, dafür annehmen will, Bei Fischen hat Engelmann?) in grosser Menge Nervenfasern vorgefunden und in einer Weise beschrieben, welche viel Aehnlich- keit mit der hat, in welcher wir unsere sensibelen Fasern beschrie- ben haben, markhaltige Fasern, die dünner und dünner würden, nur allmählig ihr Mark verlören und das Sarkolemma einschnürend endeten. Engelmann hat diese Fasern, wie auch die bis zu Ende markhaltigen für motorische angesehen, und die Einschnü- rung des Sarkolemmas, die er sich nicht recht hat erklären können, als den Ausdruck einer Durchbohrung desselben von Seiten des Nerven zu deuten gesucht. Ueber die wirkliche Endigung ist er indessen im Unklaren geblieben, weil er glaubte, sie im Muskelinne- ren suchen zu müssen, aber natürlich nicht fand. Schon vor ihm hatte Naunyn?°) beinahe dasselbe von Froschmuskeln bekannt ge- macht und darauf hn Kühne mit seinen intramuskulären Axency- lindern angegriffen. Naunyn ist deshalb arg getadelt worden; aber Unrichtiges hat er nicht‘ berichtet. Aehnlich beinahe verhielt es sich mit Beale. Auch dieser*) griff Kühne an und zwar aus fast demselben Grunde, d. h. weil er gefunden hatte, dass, nachdem sich die Nerven zwischen den Muskelbündeln wiederholt getheilt hätten, die feinsten Nervenfasern schliesslich auf dem Sarkolemma ein Netzwerk bildeten, das durch kleine Körperchen vermittelt würde, welche den Bindegewebskörperchen als gleichwerthig zu erachten wären. Weder 1) Koelliker. Gewebelehre. 5. Auflage, p. 173. 2) Engelmann. Untersuchungen über den Zusammenhang von Nerv und Muskelfaser. p. 17—18, 3) Naunyn. Ueber d. angebl. peripherisch. Endorgane d. motor. Nerven, Arch. f. Anat. u. Phys. 1862. p. 485. 4) Bealell c. 582 Dr. Rudolf Arndt: Beale noch auch Naunyn hatten bis dahin die motorischen Ner- venendapparate im Froschmuskel gesehen und ganz andere Nerven dieser letzteren mit ihren einschnürenden Touren um die einzelnen Bündel und den bekannten Kernen oder Kernhäufchen an ihren Theilungsstellen und Enden für die motorische Nervenendigung ge- nommen. Wir nehmen deshalb keinen Anstand diese Angaben in unserem Sinne zu verwerthen und die charakterisirten Nerven für unsere sensibeln zu erklären, da sie sich so wesentlich von den unzweifelhaft motorischen unterscheiden und zu den von den be- treffenden Beobachtern und auch von uns als sensible bezeichneten vollständig passen. Unter den motorischen Fasern, welche Krause u. A. beschrie- ben haben, begegnen wir wiederholt solchen, zumal bei den Lurchen und Fischen, welche schmaler und minder markhaltig als die ge- wöhnlichen, zum Theil nur 0,0012 Mm. breit und blass sind!), in der Nähe eines oder auch mehrerer, 4—5 Kerne endigen, und von denen ausdrücklich gesact wird, dass sie über dem Sarkolemma liegen. Es sind das die uns bereits mehrfach vorgekommenen kleinen Nervenhügel, deren Besprechung wir immer vermieden haben. Nach dem, was wir von unseren sensibelen Nerven wissen, müssen wir annehmen, dass diese Art Nervenfasern mit ihren kleinen Nervenhü- geln zu ihnen gehören, und nicht, was wir gelegentlich schon haben durehblicken lassen, motorischer Natur sind. Die einzelnen Kerne und Kernhäufchen, an denen sie endigen, sind darum auch keine motorischen Nervenhügel oder deren Aequivalente, sondern eben andersartige Bildungen, und daraus erklärt sich ein grosser Theil der Differenzen, welche zwischen den einzelnen Beobachtern, die wir kennen gelernt, obgewaltet haben. Welche Bedeutung diese Kerne und Kernhäufchen haben, ist fraglich. Dass es Zellen oder Zellenäquivalente sind, ist klar. Aber was aus ihnen machen? — Man kann sie meines Erachtens ebenso- wohl als blosse, für die Gegenwart bedeutungslose Reste aus der Bildungsperiode auffassen, als vielleicht auch als Aufnahmeapparate, ähnlich den Tastkörperchen, Endkolben, Riechzellen ete. ansehen. Ich habe viel mehr Neigung das Letztere zu thun, kann aber zur Zeit nicht mehr zur Unterstützung desselben beibringen, als den Umstand, 1) Krause. Motorische Endplatten, p. 103. Untersuchung. üb.d Endigung d. Nerven in d.quergestreiften Muskelfasern. 583 dass wo wir sensibele Fasern genauer erkannt haben, wir sie auch stets mit zelligen Gebilden als End- oder vielleicht richtiger gesagt, Anfangsapparaten, zu einer bestimmten Reizaufnahme qualifieirt, im Zusammenhange gefunden haben. Die freien Endigungen der sensi- beln Nerven sind von Jahr zu Jahr weniger geworden und ich meine, dass sie jetzt beinahe ganz verschwunden seien. Wir können nicht annehmen, dass sie im Muskel noch hartnäckig zurückgeblie- ben seien. Die Kerne und Kernhäufchen, von denen wir reden, dürften desshalb schon aus diesem Grunde auch als solche Auf- nahmeapparate anzusehen sein. Den längsten Theil ihres Verlaufes liegen, wir wir wissen, die sensibelen und motorischen Fasern zu einem Strange vereinigt. zu- sammen. Vielfach sondern sie sich erst kurz vor ihrer Endigung. Bei den niederen Thieren, den Arctiscoiden, scheint dies nach Greeff aus derselben Faser zu geschehen, aus welcher auch der Doyere’sche Hügel, das unzweifelhaft motorische Element, schliess- lich anschwillt. Bei den übrigen Arthropoden, namentlich den Ara- neiden und Astacus geht diese Sonderung öfters erst dicht vor oder anscheinend erst gar in dem Doyere’schen Hügel, beziehungsweise dessen Aequivalent vor sich. Ja es sieht zuweilen aus, als ob diese Fasern erst im Doyere’schen Hügel selbst ihren Ursprung nelımen, wie die motorischen, welche zu Nervenhüseln sekundärer Ordnun- gen ziehen. ({Vergl. Fig. S u. 10.) Wir haben zweifelhafte Gebilde der.Endapparate der Muskelnerven, von denen wir uns sagen inuss- ten. sie seien nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen nicht zu de- finiren, auch bei den höheren Thieren, bei Rana, Anguis, Fringilla gefunden. Sind diese zweifelhaften Gebilde nicht vielleicht dadurch zu erklären, dass sie in der That beides, motorische und sensibele Heerde zugleich sind, weil eine Sonderung in Beide noch nicht stattgefunden hat? — Die Entwicklungsgeschichte kann allein darüber Aufschluss geben. Indessen von vornherein steht einer solchen Auffassung gar Nichts entgegen und, manche Beobachtung, die sonst viel Unverständliches hätte, spricht eher pro als contra. Die Existenz der sensibelen Muskelnerven, so sehr sie auch von manchen Forschern angezweifelt und als unnöthig erachtet worden ist, die aber dennoch nach den alltäglichsten Wahrnehmungen nothwendig erscheint — das Gefühl der Ermüdung, der Steifigkeit nach grossen Anstrengungen, das Gefühl von dem Grade der zu einem bestimmten Zwecke aufgewendeten Kraft u. dgl. m. erfordern 584 Dr. Rudolf Arndt: sie — diese Existenz kann danach als gesichert betrachtet werden. — Viele Dinge, welche wir bei den motorischen Nerven erörtert haben, gelten auch für die sensibelen und aus ihnen können wir manche Erscheinungsweisen erklären, unter denen sie uns begegnen. Insbe- sondere möchte ich dabei an ihre netzartige Ausbreitung über mehrere Muskelbündel erinnern und demnächst an den Umstand, dass auch sie, wie die motorischen Nerven von Kernhaufen zu Kern- haufen ziehen, und dass dazu wohl nichts Anderes, als das Muskel- wachsthum und die Muskeltheilung ebenso wie dort als Grund mit- gewirkt haben, ein Umstand, der in Betracht gezogen werden muss, wenn es die Beurtheilung des Werthes der jeweiligen Nerven- und Muskelknospen gilt, und der zu manchen Verwirrungen Veran- lassung geben kann, wenn ihm nicht die gehörige Beachtung gezollt wird. Andererseits unterliegen diese Fasern aber gewiss auch man- chen differenten Einwirkungen, und diese bedingen dann die Unter- schiede, welche wir zwischen ihnen und den motorischen zu erken- nen vermögen. Allein welche das immer auch sein mögen, der Hauptunterschied zwischen den motorischen und sensibeln Fasern allgemein ausgedrückt ist der, dass die ersteren breite, markhaltige Fasern sind, welche unter dem Sarkolemma, also intra- muskulär endigen, die letzteren schmale, markarme, zum Theil blasse, marklose Fasern sind, welche über dem Sarkolenıma, also extramuskulär endigen, nachdem sie das Muskelbündel oft erst schlingenartig umgriffen haben. Der letzte Punkt verdient nicht ohne Berücksichtigung zu bleiben, weil auf ihm wohl nicht zum kleinsten Theile die Duplicität des Muskelgefühles, die sich in den gemeinen Gefühlen und dem sogenannten Muskel- sinne äussert, beruhen dürfte. Untersuchung. üb. d. Endigung.d. Nerven in d. quergestreiften Muskelfasern. 585 Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Erklärung der Figuren. Tafel XIX, XX, XXL Muskelbündel aus dem Schenkel von Musca domestice in 1 °/, Koch- salzlösung behandelt, mit axialen und paraxialen Kernreihen, die durch mehr quergestellte sowohl unter einander als auch mit den Doyere’schen Hügeln verbunden sind, mit zwei grossen Doyere’schen Hügeln im Profil und einigen kleineren von oben gesehenen (bei «.) Verarhg) 909.. a. Ausgetretener Inhalt aus einem Doyere’schen Hügel eines Mus- kelbündels der Musca vomitoria.. Von Protoplasma umgebene Kerne — Zellen. Vergr. c. °°),. Muskelprimitivfasern und Muskelkerne von Rhagium inquisitor. Wergr: e. °0%],. a. Kerne mit ihrem Protoplasmahofe in Serum isolirt. b. Fibrillen mit 1°/, Essigsäurelösung behandelt, die mit Muskelker- nen, Körnchen und Krümchen, die ihnen fest anhaften, bedeckt sind. Muskelbündel aus dem Thorax vom Rhagium inquisitor in 1°, Kochsalzlösung behandelt mit axialer und paraxialen Kernreihen, die ebenfalls durch mehr quergestellte sowohl unter einander .als auch sehr deutlich mit dem Doyere’schen Hügel verbunden sind. Vergr. wie vorige. a. Doyere’sche Hügel. b. Tracheen. c. Lichte Masse, welche sich von den Doyere’schen Hügeln unter dem Sarkolemma fortsetzt und sie z. Th. unter einander ver- bindet. Muskelbündel von Carabus auratus, ein und dasselbe, A mit 1°, Kochsalzlösung und danach B mit Chlorgold und Essigsäure behan- delt. Auch hier wieder eine axiale und mehrere paraxiale Kernrei- hen, die durch mehr quergestellte unter einander und mit den Doyere’schen Hügeln verbunden sind. Vergr. wie vorige. a. Doy£re’scher Hügel mit einem einzigen zuführenden Nerven. b. Doyere’scher Hügel mit einem zuführenden Nerven, der sich vor seinem Eintritt in denselben 2 mal dichotom theilt. . d. Tracheen. © ‚e. Muskelkerne in z. Th. sternförmig erscheinenden Spalträumen. f. Doyere’scher Hügel, der unter dem Muskelbündel gelegen ist. Muskelbündel aus einem Fusse von Pontia (Raupe) mit 1°/, Koch- salzlösuug und '/,, °/, Essigsäurelösung behandelt. Vergr. c. °°°/,. a. Zwei zuführende Nerven, die in eine Anhäufung von nervöser Substanz münden, welche ungleichmässig mantelartig über das Muskelbündel vertheilt ist und glasig gequollen das Sarkolemma 586 Fig. 6. es) ii. Q -] Fig. 8. Kıe..9. Fig. 10. Dr. Rudolf Arndt: unregelmässig abhebt. Muskelbündel durch zahlreiche Längs- spalten zerklüftet. Theilungsprocess. Muskelbündel aus dem Schenkel von Gamasus mit mehreren Kern- reihen und einem Doyere’schen Hügel a. Vergr. °%%.. Querschnitte von Muskelbündeln der Tegenaria. wie sie sich durch zufälliges Umbiegen der Bündelenden ergaben. Vergr. dieselbe. «. Profilarsicht der axialen und paraxialen Kernreihen mit ihren Verbindungen unter einander, die in a und b sternförmige Figu- ren bilden. Muskelbündel aus dem Schenkel von Tegenaria mit 1°, Kochsalz- lösung und !/,,°/, Essigsäurelösung behandelt. mit axialen und paraxialen Kernreihen, die ebenfalls wieder unter einander und auch mit den Doyere’sehen Hügeln durch mehr quergestellte Reihen ver- bunden sind. Vergr. wie vorige. a. Kerne mit körnig-faserigem Protoplasma, das z. Th. baumförmig verzweigt ist. b. Doyere’sche Hügel. e. Zuführender Nerv, der sich wiederholt theilt und bei d. einen Faden abgiebt. der zu einem ganz entfernten Muskel- bürdel geht. e. Nervenfasern, welche das Muskelbündel schlingenartig oder mit Spiraltouren umspinnen. Muskelbündel aus dem Schenkel von Epeira, behandelt wie voriges. Ebenfalls axiale nnd paraxiale Kernreihen mit dem Doyere’schen Hügel verbunden. Vergr. dieselbe. a. Kerne mit baumförmig verzweigtem Protoplasma, das sich zwi- schen der Muskelsubstanz verliert. b. Doyeöre’scher Hügel mit Körnchenreihen und Fäden, welche vom Nerven kommen, seine obere glasige Abtheilung durchsetzen und sich in das baumförmig verzweigte Protoplasma der Kerne ver- lieren. ce. Zuführender Nerv, der sich dichotom theilt und d. einen Ast für ein anderes Muskelbündel abgiebt. Muskelbündel aus der Scheere von Astacus im eigener Serum unter- sucht. Vergr. wie vorige. a. Zuführender Nerv. b. Nervöse Substanz, die ungleichmässig mantelartig über das durch Längsspalten zerklüftete Bündel ausgebreitet ist. c. Nervenfasern, welche ‘den Nerveneintritt mit entlegeneren Ner- venmassen verbinden. d. Nervenfasern, welche vom Nerveneintritt her das Muskelbündel schlingenartig umgreifen. e. Neurilemmatische, f. Sarkolemmatische Kerne. Untersuchung. üb. d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 587 Fig. 11. Fig. 12. Fig. 18. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17: Muskelbündel aus dem Schwänze von Palaemon nach vorgängiger Härtung in Spiritus untersucht. Vergr. die vorige. Axiale und paraxiale Kernreihen. a. Zuführender Nerv.” b. Nervöse Masse, welche ungleichmässig ın Häufchen oder Reihen, die aber unter einander in Verbindung stehen, das Muskelbündel umgeben. c. Neurilemmatische, d. sarkolemmatische Kerne Muskelbündel aus dem Schwanze von Palaemon mit Chlorgold und nachfolgender Wäsche in diluirter Essigsäure behandelt. Vergr. die vorige. a. Zuführende Nerven. b. Nervöse Massen, welche durch c. eine Kernreihe im Muskelinneren in Verbindung stehen. d. Fasern, welche aus den grösseren Massen ihren Ursprung neh- men und von Kern zu Kern ziehend in das Muskelinnere ein- dringen. e. Verbindung von Fasern, die von ganz verschiedenen Ursprungs- heerden ausgegangen sind. r Muskelbündel aus dem Hyoglossus von Rana temporaria mit Chlor- gold behandelt. Vergr. die vorige. - a. Nervenhügel. b. Nervenfasern, welche aus demselben wieder ihren Ursprung nehmen. e. Büschelförmige Auflösung und Endigung eines Nerven in der von Kühne angegebenen Weise. d. Communikation zweier Fasern an ein und demselben Kerne. Muskelbündel aus den Schultermuskeln von Salamandra maculata. Vergr. dieselbe. a. Nervenhügel (Haupthügel). b. Nervenbündel, das aus demselben entsprungen, e. Nervenhügel (Nebenhügel). d. Verbindungsfaser von c mit a durch b (extramuskulär). e. Verbindungsfaser von c mit a direkt (intramuskulär). Nervenhügel von Rana temporaria mit 2 zuführenden Fasern. Aus dem Brusthautmuskel nach 24 stündiger Einwirkung von 1 °/, Essig- säurelösung. Nur in der Nähe des Nerveneintrittes ausgeführt. aa. Muskelkerne. Vergr. c. 1000 mal. Nervenhügel von Rana temporaria mit einer zuführenden Faser. Aus dem Brusthautmuskel nach 24stündiger Einwirkung einer !/, °/, Salzsäurelösung, Ebenfalls nur in der Nähe des Nerveneintrittes ausgeführt. aa. Muskelkerne. Vergr. c. 1000 mal. Endigung von sensibeln Fasern im Brusthautmuskel von Rana tem- 588 Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Dr. Rudolf Arndt: poraria nach 24stündiger Einwirkung einer !'/, °/, Salzsäurelösung. Vergr. wie vorige. a. Drei markhaltige Fasern mit Schwann’schen Scheiden, von denen feine Bindegewebsfaser (#) mit neurilemmatischen Kernen («) besetzt seitlich abgehen um sich unter Anderem an das Sarko- lemma zu begeben, welches die Fläche yyyy darstellt. b. Fortsetzung der Nervenfaser, die steilenweise zerrissen und nur noch durch einzelne glänzende Kügelchen markirt wird, bis zum Sarkolemma. ce. Kerne nervöser Substanz. — Nervenzellen. d. Nervenzellen, die durch ihr Protoplasma unter einander verbun- den sind und mit faserartigen Bildungen (e) zusammenhängen, die sich zuweilen (f) eigenthümlich verbreitern. g. Myelinplaques. h. Muskelkerne. . Muskelbündelgruppe aus den Rückenmuskeln von Anguis fragilis mit Chlorgold, und danach mit Kali caustic. und Acid. acetic. behandelt, aber in der Zeichnung nicht ausgeführt. Vergr. 600mal. a. Nervenhügel (?) lter Ordnung. b. Nervenhügel (?) 2ter Ordnung. ec. Kernhäufchen und einzelne Kerne in den Theilungsstellen sen- sibeler Fasern gelegen. d. Anschwellungen im Verlaufe der Fasern, die wohl auf Myelinge- rinnungen zu beziehen sind. »e. Umspinnende und das Muskelbündel einschnürende Fasern. Muskelbündel aus den Flossenmuskeln von Pleuroneetes. (Platessa.) Frisch untersucht mit Zusatz von Essigsäure. Vergr. 600 mal. a. Nervenhügel, von denen Nervenfasern ausgehen, welche das Mus- kelbündel umspinnen und z. Th. wohl auch durchsetzen. Muskelbündel aus den Augenmuskeln von Perca fluviatilis. Wie voriges. a. Nervenhügel mit umspinnenden und in das Muskelbündel ein- dringenden Nerven. b. Zuführender Nervenstamm. Muskelbündel aus den Adductores femorum von Fringilla domestica mit Chlorgold und !/,, /, Fssigsäurelösung behandelt. Vergr. wie vorige. i a. Zuführender Nervenstamm. b. Nervenhügel (?). e. Nerven, welche aus demselben entspringen. d. Kerne und Kernhäufchen, welche in ihren Theilungsstellen liegen. e. Capillarrohr, welches das Muskelbündel umstrickt. Muskelbündel aus den Augenmuskeln einer Taube, mit !/,,°/, Essig- lösung behandelt. Vergr. wie vorige. Untersuchung. üb.d. Endigung d. Nerven ind. quergestreiften Muskelfasern. 589 -Fig. 23. Fig. 24. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. a. Grosser, kegelförmiger Nervenhügel und in diesem Theilun- gen des Axencylinders in der oberen hellen Abtheilung und b. Entstehung feiner Fibrillen aus der unteren kernführenden Ab- theilung. Muskelbündel aus den Muskeln der Halswirbelsäule einer Taube mit !/ıo°/o Essigsäurelösung behandelt. Nicht ausgeführt. Vergr. dieselbe. a. Tief eingedrückter Nervenhügel. Muskelbündelgruppe aus den Nackenmuskeln eines mittelgrossen Ka- ninchens mit !/ıo °/, Salzsäurelösung behandelt. Vergr. 400 mal. a. Nervenhügel, aus denen Fibrillen ihren Ursprung nehmen und zu Kernen und Kernhäufchen ziehen, die z. Th. ganz andern Muskelbündeln angehören. . Muskelbündel aus den Nackenmuske!n eines jungen Kaninchens mit !/0 ° Salzsäurelösung behandelt. Vergr. c. 600 mal. a. Nervenhügel. b. sehr schwach entwickelte Fasern, welche aus demselben ihren Ursprung nehmen und Kernen folgend der Längsrichtung des Muskelbündels entsprechend verlaufen. Muskelbündelgruppe aus dem Psoas des Meerschweinchens mit !/,o %% Salzsäurelösung behandelt. Vergr. 300 mal. a. motorische, b. sensible Abtheilung des betreffenden Nervenstranges. c. Nervenhügel. d. sensibele Nervenplaques. e. pinselförmige Endigung sensibeler Nervenfasern. f. zerstreute Endigung sensibeler Nervenfasern. Muskelbündel aus dem M. substernalis des Hundes mit Chlorgold und nachfolgender Wäsche in !/, °/, Essigsäurelösung behandelt. Vergr. 600 mal. a. Nervenhügel lter Ordnung. b. Nervenhügel 2ter resp. 3ter Ordnung z. Th. aus dem zerrissenen Sarkolemma ausgetreten. c. Fasern, welche aus den Nervenhügeln entspringen und sowohl diese unter einaader verbinden, als auch einzelne Kerne, welche dem Muskelbündel angehören. Muskelbündel, aus dem M. substernalis des Hundes, behandelt, ver- grössert wie voriges. a. Nervenhügel lter Ordnung. b. Nervenhügel 2ter Ordnung. c. Fasern, welche aus denselben entspringen, sie unter einander und auch mit Kernen verbinden, welche dem Muskelbündel angehören. d. extramuskulär gelegene und e. intramamuskulär gelegene Fasern. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 9. 38 590 Dr. Rudolf Arndt: Untersuchune. üb.d. Endigung d. Nerven etc. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Muskelbündel aus dem M. sternothyreoideus des Menschen mit Chlorgold und nachfolgender Wäsche in !,°, Essigsäurelösung behandelt. Vergr. 600 mal. a. Nervenhügel lter Ordnung. Axencylinder des zuführenden Ner- ven löst sich dichotom in die granulose Masse desselben auf. b. Nervenhügel 2ter Ordnung. c. Nervenfasern, welche aus dem Hügel entstehen und sowohl diese, als gewisse Kerne unter einander verbinden. d. Capillarrohr. Muskelbündel aus dem M. sternothyreoideus des Menschen mit Y,, /, Essigsäure behandelt. Vergr. die vorige. a. Nervenhügel z. Th. unter einander verschmolzen und mit Fasern, welche aus denselben entspringen und zu gewissen Kernen treten. Muskelbündel aus dem M. substernalis des Menschen mit Kernrei- hen und Kernhäufchen, Nervenhügeln 2ter Ordnung entsprechend, im Inneren. Behandlung, Vergr. die vorige. a. Nervenhügel lter Ordnung. b. Nervenhügel 2ter Ordnung. ce. axiale beziehungsweise paraxiale Kernreihen. d. schräg gestellte Kernreihen, welche e und a unter einander ver- binden. Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges. (Aus dem Laboratorium Prof. Langer’s in Wien.) Von Dr. V. Mihalkovics aus Pest. In der unlängst erschienenen Abhandlung von N. Lieberkühn »Ueber das Auge des Wirbelthierembryo« !) liegen mehrere werth- volle Aufschlüsse über die Entwicklung des Kammes im Vogelauge vor, ohne jedoch diesen Gegenstand in zeitgemässer Reihenfolge zu behandeln, oder das Organ des entwickelten Thieres eingehender zu berücksichtigen. Noch vor dem Erscheinen dieses Werkes, so lange mir bloss die vorläufige Mittheilung?) bekannt war, hatte ich der ungarischen Akademie der Wissenschaften eine Abhandlung über den Kamm des Hühnchens übergeben, die diesen Gegenstand ein- gehender als Lieberkühn behandelt, deren Resultate auch in man- chen Punkten von Lieberkühn’s abweichen, so dass ich mich bewogen fühle, einen Auszug davon hier zu geben. Die betreffen- den Abbildungen werden in der ungarischen Zeitschrift demnächst erscheinen. Zoologen und vergleichende Anatomen betrachteten bis jetzt den Kamm (pecten) des Vogelauges als eine unmittelbare Fortsetzung der Chorioidea, ihr Gewebe identisch mit dem der Gefässhaut3). 1) Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwis- senschaften zu Marburg. Bd.X. 5. Abth. Cassel 1872. 2) Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Bef. der ges. Naturw. zu Mar- burg. 1871 Nr. 3. 3) Gegenbaur, Vergl. Anatomie p. 762. — Leydig, Histologie p. 234 etc. 592 Dr. V. Mihalkovies: Dem freien Auge scheint die Netzhaut an der Basis des falten- reichen, schwarzem Flor ähnlichen Kammes eine Spalte zu besitzen, durch welche dieser direct mit der Chorioidea in Verbindung steht. Längs- und Querschnitte bestätigen dies nicht, sondern zeigen fol- gendes Verhältniss des Kammes zu den häutigen Gebilden des Augapfels: Ein Längschnitt mitten durch den Kamm eines entwickelten Huhnes zeigt uns vor Allem, dass der Sehnerv zum Vogelauge an dessen unterem Segmente, theilweise in einer Spalte der Scelera und Chorioidea liegend, tritt. An diesem Theil des Sehnerven sitzt der Kamm der Länge nach unmittelbar auf. Nach vorn zu wird der Sehnerv allmälig schwächer, bis er schliesslich am vorderen Ende des Kammes in die Nervenschichte der Netzhaut ausstrahlt. Das- selbe geschieht am hinteren Ende, jedoch viel plötzlicher , auch ist hier die Sehnervenschicht der Retina viel stärker als vorn. Ebenso biegen die Sehnervenfasern rechts und links an der Basis des Kam- mes zur Netzhaut über, wie dies Querschnitte leicht erkennen lassen. Ein derartiger Querschnitt belehrt uns, dass der Kamm an dem in einer Spalte der Sklera und Chorioidea querdurchschnittenen Seh- nerven unmittelbar aufsitzt, das Gewebe desselben jedoch direct mit der Chorioidea nirgends im Zusammenhange steht, da beide von einander durch die zur Nervenfaserschicht der Retina überbie- genden Optikusfasern geschieden sind. Der Sehnerv benützt die Spalte in der Sklera und Chorioidea dazu, um seine oberflächlichsten Fasern an der Seite des Kammes, seine tiefer liegenden an dessen vorderem Ende zur Retina zu entsenden; die Stelle der Anheftung entspricht also dem Mariotte’schen blinden Flecke. Immersions- systeme zeigen an feinen Schnitten an der Umbiegungsstelle der Nervenfasern von dem aufwärts gebogenen Ende der Chorioidea zum Kamme ziehende feine wellenförmige Bindegewebsfasern, so dass also die Nervenfasern des Optikus, bevor sie zur Retina gelangen können, durch ein Bindegewebsnetz hindurchziehen müssen, gleichsam ent- sprechend der lamina cribrosa im Säugethierauge. Die Retina selbst endet an der Seite der Spalte abgerundet an dem aufwärtsgebogenen Rande der Chorioidea, wobei die Ganglienschicht in die Schichte der äusseren Körner überbiegt. Dem histologischen Baue nach besteht der Kamm aus einem Convolute mannigfach mit einander verflochtener Haargefässe, deren äusserst sparsame Lücken eine farblose Gallertmasse ausfüllt, in der Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges. 593 um die Gefässe herum zahlreiche schwarze Pigmentkörnchen abge- lagert sind. Grössere Stämme ziehen von der Basis zwischen den feineren Haargefässen aufwärts, jedoch zeigen auch diese die Structur von Haargefässer. Zupfpräparate von frischen Objeeten beweisen, dass diese Gefässe, grössere sowie kleinere, aus schon ohne Reagentien sichtbaren rundlichen Endothelzellen, — am schönsten nach Chlor- gold-Färbung zu sehen, — und einer diese umhüllenden glashellen structurlosen Membran bestehen. Die Membran ist an längsliegen- den Gefässen als glasheller Saum zu erkennen. Wenn Eberth!) durch Querschnitte belehrt diese Umhüllungshaut für die den Kamm und dessen Gefässe unmittelbar umhüllende Membran des Glas- körpers erklärt, die genau in die Interstitien der Gefässe hinein- dringt, kann ich ihm nicht beipflichten, da man erwarten sollte, dass durch das gewaltsame Auseinanderreissen beim Zerzupfen der Saum an manchen Stellen unregelmässig würde, was aber nicht der Fall ist, da man die glashellen Contouren an allen Gefässen scharf linear verlaufend findet, auch schwer verständlich wäre, wie die Membrana hyaloidea in die Tiefe des Convolutes eindringen könnte, da die Gefässe doch nicht in einer, sondern in mehreren Schichten liegen. Querschnitte können nur von frischen Objecten belehrend sein, da die glashellen Säume an erhärteten Objecten nicht wahr- nehmbar sind; an solchen, von in Glycerinleim eingebetteten Käm- men gewonnenen, konnte ich den Saum um die Gefässe herum als ununterbrochenen Ring meistens wahrnehmen. Uebrigens dürften solche Objecte kaum beweiskräftig sein, da der sehr veränderliche Saum schon durch das blosse Einbetten leidet. Durch Injectionen erweist es sich, dass die zum Kamme ziehen- den Gefässe von den im Sehnerven verlaufenden, sowie hauptsäch- lich von dessen Scheide umhüllenden Gefässen kommen; einen Zu- sammenhang der Chorioidealgefässe mit denen des Kammes konnte ich nicht finden. An der Basis des Kammes liegt ein stärkeres Gefäss, das jedoch nicht der ganzen Länge des Kammes folgt. Von diesem ziehen die grösseren Stämme gestreckt aufwärts, während die kleineren Gefässe unmittelbar von den in den Bindegewebs- septen der Sehnerven verlaufenden Gefässen kommen. Um die Entwicklung dieses eigenthümlichen Gebildes zu studiren, machte ich an Augen von in Chromsäure und Alkohol 1) Stricker’s Gewebelehre p. 206. 594 Dr. V. Mihalkovics: erhärteten Hühnerembryonen eine Reihe von Querschnitten auf die optische Axe, und da zeigte es sich, dass seine Entstehung im Zu- sammenhange stehe mit der Retinalspalte. Wie bekannt, biegt das Retinalblatt der secundären Augenblase längs der Retinalspalte in das äussere Pigmentblatt um. Derselbe Vorgang, der an der unteren Fläche der primären Augenblase bei der Bildung der Retinalspalte zu Stande kommt, soll sich der allgemeinen Annahme nach an dem primitiven Optikus durch Einlagerung der vasa centralia retinae wiederholen, — was bei Säugethieren vorkommen mag, bei dem Hühnchen muss ich jedoch mit Lieberkühn bestätigen, dass dies in keinem Stadium der Entwicklung zu finden ist. Dem entsprechend besitzt auch das Vogelauge keine vasa centralia retinae, wie das durch die Untersuchungen H. Müller’s und Hyrtl’s bekannt ist. Die Veränderungen nun, welche in der Retinalspalte des Hühnchens vor sich gehen, sind in Kurzem folgende: Am 3. Tage der Bebrütung zeigt der Querschnitt der secundären Augenblase die von M. Sch ultze abgebildete Birnform, mit nach unten gekehrtem, die Retinalspalte repräsentirendem Stiele. Die Retinalblätter berühren sich an der Spalte ungefähr in einer Länge von 0.03 Mm. Die Höhle der secundären Augenblase wird durch ein feines Netz ausgefüllt, das ich für das Produkt der Gerinnung des gallertartigen Glaskörpers zu deuten geneigt bin. Zellen fand ich in diesem Gerinnsel in den ersten Stadien der Entwickelung nicht. Das ganze Gerinnsel ist umgeben von der Glashaut, die sich durch die eingetretene Schrumpfung beim Erhärten vom Retinal- blatte abhebt, nur längs der Retinaspalte bleibt dieselbe mit dem inneren Blatte in Verbindung. Da diese Membran gleich in den ersten Stadien der Entwicklung vorhanden ist, bevor noch zellige Elemente im gallertartigen Glaskörper nachweisbar sind, kann man dieselbe als eine Ausscheidung der das Retinalblatt bildenden zelli- gen Masse, als eine Cuticularbildung auffassen. Unter und in dem nach unten offenen Winkel der Retinalspalte liegen in diesem Sta- dium der Entwicklung die Zellen des mittleren Keimblattes, ohne in die Retinalspalte selbst, deren Ränder sich noch berühren, hinein- zudringen. Dem entsprechend kann ich auch die Bildung der Retinal- spalte nicht durch das Eindringen parablastischer Elemente in die Höhle der Augenblase, also für einen passiven Vorgang erklären, wie auch Lieberkühn!) ganz richtig bemerkt, das Auftreten der # 33) 0... W. ıp. 818, Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges. 595 Augenblasenspalte hange nicht von der Bildung des Glaskörpers ab, da die erste Anlage des Glaskörpers schon in die Zeit vor dem Auf- treten der Retinalspalte falle. Am 4. Tage der Bebrütung weichen die einander berührenden Ränder der Spalte auseinander und man sieht dieselbe durch Zellen des mittleren Keimblattes ausgefüllt, die sich am 5. Tage zu einem durch die Spalte in den Augenhöhlenraum hineinragenden Zapfen formen. Die Querschnitte aller zusammen bilden eine Leiste, sie bilden den embryonalen Kamm, dessen erstes Auftreten also auf den 5. Tag der Bebrütung fällt. Die Leiste ist mit den übrigen Zellen des mittleren Keimblattes in unmittelbarem Zusammenhange und besteht gleich diesem aus embryonalen rundlichen Bildungzellen ohne Spur von Pigment, während das äussere Blatt der secudären Augen- blase am 5. Tage schon schwarz pigmentirt ist. Die Glashaut hängt von der Basis der Leiste an fest mit dessen Oberfläche zusammen, während sie sich seitwärts von der Netzhautlamelle überall abhebt. Während schon am Anfange des 5. Tages in den pallisaden- artig gestellten Zellen des äusseren Augenblattes Pigmentablagerung stattfindet, bleibt der embryonale Kamm bis gegen den 11. Tag vollkommen pigmentlos, auch lagert sich von dieser Zeit das Pig- ment nicht etwa in Zellen des Kammes ab, sondern tritt in kleinen Körnchen um die Gefässwandungen auf, worin also ein wesentlicher Unterschied im Baue des Kanımes und der Pigmentschicht der Ader- haut besteht. Die Ablagerung von Pigment im äusseren Blatte der secundären Augenblase hört längs einer Linie der Retinalspalte auf, wo sich dieses in das innere Blatt aufwärts zu biegen beginnt. Bis zum 8. Tage der Bebrütung bleibt der embryonale Kamm mit dem mittleren Keimblatte durch die Retinalspalte’hindurch in unmittelbarem Zusammenhange, von da an ändert sich aber das Bild dahin, dass der schon am Anfange des 6. Tages Nervenfasern enthaltende definitive Optikus seine Fasern auch in die Retinalspalte hineinwuchern lässt, hiedurch den Kamm von den Gebilden des mittleren Keimblattes gleichsam trennt, wo dann alsbald die Optikus- fasern an den Seitentheilen der Basis vom Kamme zur Retina hin- überlenken. Es ist dieser Vorgang desshalb besonders interessant, weil er für die Entwicklung der Sehnervenfasern vom Centrum gegen die Peripherie spricht, indem Nervenfasern am Ende des 6. Tages nur im allerhintersten Theile der Retinalspalte und dem entsprechend der Retina selbst, am 7. schon bis zur Mitte, und am Ende des 8. r 596 Dr. V. Mihalkovics: auch an dessen vorderem Ende zu finden sind. In diesem Stadium zeigt der in der Retinalspalte liegende Optikusquerschnitt im unteren Theile noch eine überwiegend zellige Structur, während er oben aus zur Retina überbiegenden feinen marklosen Fasern besteht. Der 9. Tag der Bebrütung zeigt uns also, dass der ursprüng- lich aus dem mittleren Keimblatte entstandene embryonale Kamm ‚ von diesem durch die in die Retinalspalte hineingewucherten Opti- kusfasern gänzlich geschieden ist; er ist auf diese Art in den Glas- körperraum hineingelangt und dabei mit der oberen Fläche des Optikus in Zusammenhang geblieben. Der Kamm entsteht also ebenso wie das eigentliche Gewebe der Aderhaut aus Elementen des mittleren Keimblattes, ist jedoch beim entwickelten Thiere keine unmittelbare Fortsetzung der Chorioidea, auch zeigt er eine vom Baue dieser abweichende Structur. Es rechtfertigt sich nun die Frage nach der Bedeutung dieses Gebildes für das Vogelauge. Jene älteren Hypothesen, denen gemäss der Kamm eine Blende für einen Theil der Netzhaut (Petit), oder zur Bewegung der Linse Behufs der Accomodation dienen sollte (Treviranus), unberücksichtigt lassend, scheint mir die Bedeutung des Kammes in der Ernährung gewisser Theile des Vogelauges zu liegen. Das Vogelauge besitzt weder im embryonalen, noch im ausge- bildeten Zustande Vasa centralia retinae, die Netzhaut selbst ist ganz gefässlos (H. Müller, Hyrt]). Ich glaube also nicht zu irren, wenn ich die Aufgabe dieses nur aus Haargefässen bestehenden Ge- bildes in der Ernährung des Augenkernes und theilweise der Retina (abgesehen von der möglichen unzulänglichen Ernährung dieser letzteren von der Aderhaut aus) suche. Da ferner die Anheftung des Kammes der Eintrittsstelle des Sehnerven in das Auge ent- spricht, wird die Form des blinden Fleckes im Vogelauge keine Ellipse, sondern eine im unteren Theile des Augapfels beinahe bis zur Linse — bei Vögeln, wo der Kamm mit der Linse im Zusam- menhang steht (Schwimm- und manche Stelzvögel), bis zu dieser — ziehende Linie von der Breite des Kammes sein. Dies das Ergebniss meiner Untersuchungen. Schliesslich mag es mir erlaubt sein, noch diejenigen Punkte hervorzuheben, in denen ich Lieberkühn nicht ganz beistimmen kann. Lieberkühn behauptet, die Sehnervenfasern erscheinen stets in der ganzen Länge zugleich zwischen Gehirn und Netzhaut. Das Hereinwuchern derselben in die Augenblasenspalte von hinten Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges. 597 her, sowie das entsprechende Erscheinen derselben am Retinalblatte scheint dies nicht zu bestätigen, obwohl ich dies für für den ausser- halb der Retinalspalte liegenden Theil durchaus nicht bestreiten will. Jene Abbildung, die er auf Taf: IV (Fig. 19) gibt, stimmt nicht mit meinen Präparaten von diesem Stadium. An meinen Prä- paraten vom 9. Tage ist die Retinalspalte von Sehnerven schon ganz ausgefüllt, auch sind die zum Retinalblatte umbiegenden Seh- nervenfasern deutlich wahrnehmbar. Auch in der Differenzirung der Sklera ist das Bild unvollständig, da dessen Knorpelschicht schon am 8. Tage als heller Streifen vorhanden ist. Endlich muss ich zur Annahme Lieberkühn’s, dass der Vogel keine membrana hyaloidea besitze, da die zellenlose Grenzschicht des Glaskörpers fest mit der Netzhautanlage verwachsen sei, die Bemerkung hinzufügen, dass sich dieser Zusammenhang an in Chromsäure und Alkohol erhärteten Objecten sehr leicht löst, so dass sich die Glashaut vom Retinal- blatte leicht abhebt, ausgenommen an der Oberfläche des embryo- nalen Kammes selbst. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Von Dr. FE. Leydig in Tübingen. Hierzu Tafel XII und XIL. Die in der Ueberschrift genannten Organe wurden eine Zeit lang, es war in den zwanziger und dreissiger Jahren unsers Jahr- hunderts, vielfach und eifrig der Untersuchung unterworfen. Man bemühte sich dazumal namentlich um Beantwortung der Frage, ob die Giftdrüse ein Organ eigener Art oder nur Umbildung einer auch sonst verbreiteten Drüse sei. Beinahe im Gegensatze zu jenen Stu- dien hat man sich schon seit Längerem wenig mehr um diese Theile gekümmert. Die zahlreichen faunistischen Arbeiten sprechen zwar fast alle von den Speichel- und Giftdrüsen der Schlangen gerne und oft sehr ausführlich; aber man sieht leicht, dass mit wenigen Ausnahmen deren Verfasser, auf Wiedergabe des Ueberlieferten sich beschränkend, keine eigenen Untersuchungen angestellt haben, viel- leicht auch nicht anzustellen vermochten. Und doch hat mich die Wiederaufnahme des Gegenstandes be- merken lassen, dass trotz der früheren trefflichen Arbeiten, insbe- sondere Meckel’s und Schlegel’s, hier noch wesentliche Verhält- nisse unaufgedeckt geblieben waren, mit deren Kenntniss wir die Verwandtschaft der Theile fester zu fassen im Stande sind. Indem ich dies jetzt darzulegen unternehme, will ich zuerst meine Beob- achtungen einzeln nach den zergliederten Arten vorführen und dann das Gewonnene einer allgemeineren, vergleichenden Betrachtung unterbreiten. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 599 I. Giftlose Schlangen. 1. Ringelnatter (Tropidonotus natrix, L.). a. Oberlippendrüse (Glandula labialis superior). Dieses, auch Oberkieferdrüse, Gl. maxillaris superior genannte, noch von Cuvier übersehene Organ hat Tiedemann, nachdem Meckel eine kurze Bemerkung von dem Vorhandensein gegeben hatte), zuerst näher untersucht und eine Zeichnung davon gege- ben?). Sie sei eine grosse und lange Drüse und gleich über dem Rande des Oberkiefers gelegen, von Farbe röthlich weiss; sie bestehe aus vielen Drüsenkörnern; nach vorne zu sei sie schmal, nach hin- ten werde sie allmählig breiter und erstrecke sich mit der Mund- spalte aufwärts steigend, nach hinten bis in die Nähe des Kieferge- lenkes, wo sie zugespitzt endige. Vom unteren Rande entsprängen viele kleine Ausführungsgänge, welche in der Haut des Mundes neben den Zähnen sich öffneten. Die Drüse ist ferner Cloquet bekannt gewesen, welcher sie nicht blos kurz als Glande salivaire superieur aufführt, sondern auch abbildet?) und zwar schon richtig bis zur Schnauzenspitze gehen lässt. An der Figur bei Tiedemann hört sie bereits unter dem Auge auf; allein wenn wir uns an die Zeichnung halten, so war eben an dem Präparate die Haut vom Auge bis zur Schnauze nicht abgezogen worden, wesshalb das vordere Ende der Drüse unsichtbar blieb; überdiess hatte unser Anatom nach seiner Aussage nur ein einziges, das abgebildete Thier, auf die Drüse untersucht. ' Meckel, indem er in seinem, noch oft anzuziehenden Aufsatz: über die Kopfdrüsen der Schlangen, auf gegenwärtige Drüse zurück- kommt, wendet sich nur gegen die ihr von Tiedemann gegebene Deutung, ohne sonst über Form und Bau etwas Neues vorzu- bringen ®). 1) Uebersetzung von Cuvier’s Vorlesungen über vergl. Anatomie III, 1810, S. 245, Anmerkung. 2) Ueber die Speicheldrüsen der Schlangen, Deukschriften der Akademie der Wissenschaften zu München für das Jahr 1813. 3) Organisation des voies laerymales chez les serpents. M&m. du museum d’hist. natur. 1821. 4) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1826. 600 Dr. F. Leydig: Fast gleichzeitig gedenkt im Vorübergehen Duges der Drüse mit dem Bemerken, dass sie wohl von Manchem der früheren Beob- achter für die Giftdrüse genommen worden sein möge!). Bald darauf gab Duvernoy?) eine neue Beschreibung, welche sich zwar auf Einzelheiten einlässt, ohne aber gerade dem Bekann- ten etwas hinzuzufügen. Auf der Abbildung hört die Drüse vor dem Schnauzenende auf, während der Text richtiger sagt: »etendue depuis langle des levres jusqu’a l’extremite du museau.« Bezüglich des eigentlichen Verhaltens der Drüse am Schnauzenende treffe ich zuerst bei Schlegel auf eine genauere Angabe, indem dieser Her- petolog eine „glande rostrale* als besondere Partie der „glande de la mächoire superieur“ unterscheidet °). Zerfällung der Drüse in zwei Partien. — Wie Voran- stehendes zeigt, so hat eine ganze Anzahl scharf zusehender und geübter Anatomen die Oberkieferdrüse der Ringelnatter untersucht und dennoch eine wichtige Sonderung derselben ausser Acht gelas- sen, zu deren Erörterung ich zunächst übergehe. Schon mit freiem Auge, besser natürlich mit Hülfe der Lupe, gewahrt man an der nach ihrer ganzen Länge blosgelegten Drüse eine Zerfällung in zwei Partien, welche die Verschiedenheit ihrer Natur durch Farbe und Form der Follikel ankündigen. Wäh- rend nämlich der hinterste Theil der Drüse eine graue Farbe hat und sich als flacher, am Rande dünn zugeschärfter, das Innere der Lippe erfüllender Streifen, bis nach vorne zur Intermaxillargegend erstreckt und an die als Schnauzendrüse sich abhebende Partie angrenzt, erscheint der Haupttheil des hinteren schräg ansteigenden verdickten Drüsenabschnittes an Weingeistexemplaren von gelbli- cher Farbe, etwa von dem Farbenton, den die Muskeln des Thieres angenommen haben; im frischen Zustande ist die Farbe mehr rein oder lebhaft weiss. Sieht man auf den Umfang der Follikel, so übertreffen die der gelblichen Partie jene der grauen um ein Bedeu- tendes an Grösse und zeigen auch noch weiter durch die Form 1) Rech. anatom. et physiol. sur la deglutition dans les Reptiles. Ann. d. sc. nat. 1827. 2) Mem. sur les caracteres tires de l’anatomie pour distinguer les serpens venimeux des Serpens non venimeux. Ann. d. sc. nat. 1832. 3) Essai sur la physionomie des Serpens. La Haye 1837. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 601 ihrer Verästelung an, dass sie einem von der grauen Partie ver- schiedenen Drüsentheil angehören !). . Die besonders durch Querschnitte auszuführende histologische Prüfung thut dar, dass diesen äusserlichen Abweichungen innere Verschiedenheiten entsprechen. Zuvor sei noch bemerkt, dass in beiden Partien jene Theile der Drüse, welche die Früheren die „Körner“ genannt haben, in gemeinsamer Weise aus Gruppen von Schläuchen bestehen; letztere sind nicht von einfach gestreckter Art, sondern sie sind etwas gewunden, wesshalb der Querschnitt sehr verschiedene Bilder erzeugt. Nach aussen gewinnen die Drüsenab- theilungen ein mehr oder weniger traubiges Ansehen. Die zelligen Elemente der gelblichen Drüse zeigen sich nun dicht erfüllt mit Körnchen, und sind daher dunkel bei durchgehen- dem Licht; dabei ist die einzelne Zelle mehrkernig, sehr zart be- randet und von rundlich eckiger Form ?). Die Zellen legen durchaus eine gewisse Aehnlichkeit mit den abscheidenden Elementen der Labdrüsen an den Tag und sind auch als denselben verwandt anzu- sehen. Im Ausführungsgang von je einem „Drüsenkorn“, der in der Mitte verlaufend die Lichtungen der einzelnen Drüsenschläuche aufnimmt, zeigt sich ein von ersteren sehr verschiedenes Epithel, in so fern dasselbe aus hohen, hellen Cylinderzellen sich zusam- mensetzt. Was aber ferner noch diese gelbliche Partie der Oberkiefer- drüse als eine besondere Drüse kennzeichnet, ist, dass sie mit einem einzigen Gang für sich ausmündet. Es verläuft derselbe in der Mitte der Drüse und man ist im Stande ihn schon mit freiem Auge an scharfen Querschnitten zu erblicken, aber auch auf Längsschnit- ten ist er nicht minder gut sichtbar. Er ist wie seine Wurzeln von hohem hellem Cylinderepithel ausgekleidet und seine Mündung trifft in die Nähe der grossen Zähne des Oberkiefers. — Die grauen Partien haben zahlreiche Oeffnungen, wie man leicht bei verschie- denen Methoden der Untersuchung bemerkt; die Drüse besteht eben aus einer ganzen Anzahl selbstständiger, jedoch dicht zusammenge- schobener Drüschen. Zu erwähnen ist auch, dass bei manchen Individuen dieser Drüsenlappen, den ich, wie ich gleich sagen will, der Parotis der 1) Vergl. Figur 1, c, d. 2) Figur 17. 602 Dr. F. Leydig: Säuger vergleichen muss, nach vorne zu, gegen die übrige Partie der Gl]. labialis durch »seine Farbe sich nicht ganz scharf absetzt und auch die Grösse der Drüsenkörner (Aecini) nach dieser Seite hin Uebergänge zeigen kann. Im Verhalten der Parotis der Säuger zur Unterkieferdrüse ist Aehnliches schon längst von Rudolphi!) gesehen worden, indem der Genannte hervorhebt, dass die Parotis die „grössten Körner* habe, die Unterkieferdrüse hingegen „kleinere Körner“, die erstere könne aber zuweilen mit der letzteren zusam- menhängen. Als ich?) vor Jahren die Lippendrüsen der Ringelnatter unter- suchte, wusste ich bezüglich des Epithels blos zu erwähnen, dass die lebhaft weisse Farbe herrühre von einer dunkel moleculären Masse, welche die Zellen dicht erfülle. Jetzt aber kann ich noch melden, dass zwischen den Zellen feine Gänge oder Lücken bestehen, die sich da und dort miteinander verbinden. Zur Er- kenntniss dieses Structurverhältnisses leitete mich die Wahrneh- mung, dass, während im lebenden Zustand der Zelle ihre Grenzen sich wenig abheben, nach Liegen im Weingeist oder anderen erhär- tenden Flüssigkeiten, sehr scharfe beinahe glänzende Linien die Um- risse ziehen. Genaueres Verfolgen liess mich nach und nach bemerken, dass zwischen die Secretionszellen ein System feiner Intereellular- gänge?) sich erstreckt, die sich bald als reine helle Zwischenräume darstellen, bald das Bild scharfer glänzender Linien geben, das letztere, wie ich mir denke, durch die Lichtbrechung des sie erfül- lenden Secretes®). In der grauen Drüsenpartie mangeln die den Labzellen zu vergleichenden Elemente. Die Schläuche sind ausgekleidet von hellen im Weingeist scharf berandeten Cylinderzellen. Nach Anwendung mancher Reagentien, z. B. durch Ueberos- miumsäure macht sich noch etwas bemerklich, was auf eine beson- dere Structur hinweist. Man erblickt nämlich an den Zellen eine allerdings nur bei starker Vergrösserung sich abhebende feine Querstrichelung, welche herrührt von Körnchen in bestimmter Auf- reihung. 1) Grundriss der Physiologie 1830, S. 50. 2) Histologie S. 347. 3) Figur 18. 4) Von diesen Intercellulargängen wird unten noch mehrfach die Rede sein. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 603 Schnauzendrüse. — Es wurde bereits erwähnt, dass das vor- dere das Os intermaxillare bedeckende Ende der Glandula maxillaris superior sich als ein Theil für sich absetzt, den man die Schnau- zendrüse nennen kann. Bereits Schlegel hat sie als „la rostrale“, unterschieden !). Sie ist wie eine ungefähr dreieckige unpaare Partie?) zwischen die vorderen verschmälerten Enden der Oberkieferdrüsen von rechts und links als Schlussstück eingeschoben; sie steigt herauf bis zur Spitze der Nasenbeine und deckt etwas seitlich die Knorpel der Nasenkapsel. Histologisch nähert sich ihr Bau dem der grauen Partie der Oberkieferdrüse, doch ist sie von einer mehr härteren Natur; ihre Epithelzellen sind hell und cylindrisch und das in der Lichtung der Drüsenschläuche abgesetzte Secret hat an Weingeistexemplaren eine gewisse feste, streifige Beschaffen- heit). — Da die Drüsenschläuche hier etwas kleiner sind, als im Allgemeinen an der grauen Partie der Oberkieferdrüse, wesshalb sie auch für die Besichtigung mit der Lupe kaum „körnig“, viel- mehr glatt erscheint, so lässt sich leichter und schöner zur An- schauung bringen, dass das „Drüsenkorn“ die Entfaltung eines sich wiederholt gabelnden Endzweiges eines Drüsenganges ist. Dieser letztere selber scheint nur in der Einzahl vorhanden zu sein und mündet nach innen vom Lippenrand gerade in der Mitte aus. Lymphräume. — Pigment. — Auf die Glandula maxillaris superior im Grossen und Ganzen, ohne Rücksicht auf ihre Tren- nung in eine gelbe und graue Partie, sowie Ablösung einer Schnau- zendrüse, bezieht es sich, wenn ich weiter angebe, dass die Haut des Kopfes längs des Unterrandes der Drüse zwar fest angeheftet ist, nach oben hin aber ganz locker über dieselbe weggeht. Sie erzeugt auf solche Weise Räume, die man mit der Scheere öffnen kann, ähnlich den Lymphräumen unter der Haut des Frosches, und auch ohne Zweifel dasselbe vorstellen. Man sieht alsdann, dass die Oberfläche der Drüse, in so weit sich der Lymphraum über sie weg erstreckt, völlig glatt ist; wo der Raum aufhört zieht eine weissliche bindegewebige Lage über die Drüse weg. Da dunkles Pigment fast überall im Körper der Reptilien, zum 1) Durch einen Schreibfehler wird sie in einem Handbuch der Zootomie „frenale‘“ genannt. 2) Vergl. Fig. 1. 3) Vergl. Fig. 20. 604 Dr. F. Leydig: mindesten spurweise, zugegen sich zeigt, so mag obenhin bemerkt sein, dass auch der bindegewebigen Hülle voranstehender Drüse Pigmentzellen nicht fehlen, obschon sie allerdings mehr nur verein- zelt auftreten. Jochband. — An der hinteren Fläche der Drüse läuft ein . weiss-glänzendes sehniges Band her, was zwischen dem Quadratbein und Oberkiefer sich ausspannt, einem feinen langen Jochbogeu ver- gleichbar. Es wurde auch schon von Duges als ligament zygoma- tique bezeichnet und dem Jochbogen der Vögel an die Seite gesetzt. b. Unterlippendrüse (Glandula labialis inferior). Dieser Drüse, auch als Gl. maxillaris inferior oder Unterkiefer- drüse bezeichnet, gedenkt, obschon sie schwächer entwickelt, als die vorhergehende ist, zuerst Cuvier!); dann beschreiben und bilden sie ab Tiedemann?) und Gloquet?); endlich bespricht ihr Vorkom- men Meckelt). Ihr vorderes Ende. — Der letztgenannte Anatom hat bereits von Coluber — wahrscheinlich C. natrix — erwähnt, dass die Drüse „mit der gleichnamigen in der Mittellinie zusammen- fliesst“; im Anschluss hieran möchte ich auf dieses Verhalten aus- drücklich hinweisen, da Keiner der anderen Beobachter davon etwas gewusst zu haben scheint. Sowohl an Querschnitten als auch an Köpfen, welche stärker macerirt worden sind, lässt sich wahrnehmen, dass die Drüsen von rechts und links, da wo vorne die Schriftstel- ler ein Band hin verlegen, durch welches die freien Unterkieferhälf- ten verbunden werden sollen, im Bogen zusammenhängen. Man kann sagen: Die Ober- und Unterlippendrüsen wiederholen an der Schnauze das, was sich schon im Aeusseren derselben von oben und unten ausprägt: oben schiebt sich eine gesonderte, dreieckige und etwas verdickte Glandula rostralis zwischen die beiden Oberlippen- drüsen; unten verjüngen sich die Drüsen nach vorne bedeutend, aber ihr Verbindungsstück trennt sich nicht ais besondere Partie ab. Hat man jedoch den drüsigen Bogen des Unterkiefers in voll- ständiger und reiner Ansicht vor sich, so zeigt sich eine Verwandt- 1) a. 2) a. 3) a. 4) a. .. 0.8. 245. - 50, Tabl. . 0. Fig. 8, f. FO: ER eo 2 2 ® Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 605 schaft zur Glandula rostralis darın, dass er nach rückwärts eine kleine dreiseitige Verdickung entwickelt !). Ausmündung. — Epithel. — Im feineren Bau stimmt die Unterlippendrüse mit der grauen Partie der Oberlippendrüse über- ein. Ihre zahlreichen, dicht in Längsreihe stehenden Oeffnungen sind leicht mit der Lupe wahrzunehmen und einmal damit bekannt, findet man sie schon mit freiem Auge. In der Wand der Ausfüh- rungsgänge so wenig, wie in der Drüse selbst sind musculöse Ele- mente zugegen. Das Epithel ist mässig hoch, jedenfalls niedriger als das Flimmerepithel des Rachens; Schleimzellen erscheinen ein- gestreut. Lymphraum. — Auch um diese Drüse zieht ein Lymph- raum; er liegt zwischen der Aussenseite der Drüse und der Innen- tläche der allgemeinen Bedeckung. Glatte bindegewebige Säulchen durchsetzen ihn von Stelle zu Stelle; sie entsprechen den Bildungen, wie ich sie aus den Bluträumen verschiedener Arthropoden beschrie- ben habe?). Fertigt man an entkalkten Köpfen Schnitte durch die Unterkiefergegend, so hebt sich der Lymphraum abermals sehr deut- lich ab und lässt sein Verhältniss zur Drüse und der äusseren Haut gut erkennen. — Weitere Mittheilungen über Einzelheiten bringe ich bei Coronella laevis vor. | c. Nasendrüse (Glandula nasalis). Dieselbe wurde bekanntlich von Joh. Müller an einem exo- tischen Coluber erkannt?). Ich sehe die Drüse bei unserer in Rede stehenden einheimischen Art*) sehr deutlich als ein hinter der Na- senkapsel liegendes Organ von rundlicher Form, dabei aber mit einem Fortsatz etwas auf die Nasenkapsel heraufragend. Sie ist von Substanz eher hart als weich und besteht aus länglichen. Schläu- chen, deren getheilte Enden gerne etwas angeschwollen sind. Nach dem Entdecker soll sie mit dem Thränencanal zusammen durch eine ziemlich starke Oeffnung am Gaumen ausmünden. Soweit meine Erfahrung reicht, geht der Ausführungsgang, gleichwie ich es von den Sauriern gezeigt, in die Nasenhöhle. 1) Vergl. Figur 14, a. 2) Archiv für Anat u. Phys. 1855; Naturgeschichte der Daphniden, 1860. 3) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1829, vergl. auch: De gland. sec. struct. penit. 1830. p. 535, p. 57. 4) Figur 1, b. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 39 606 Dr. F. Leydie: d. Vordere Unterzungendrüse (Glandula sublingualis anterior). Mit diesem Namen bezeichne ich die Drüse, welche Meckel an einem fremden grossen Coluber (nach ihm C. varius) als kleinen, länglich runden, platten Körper beschrieben hat, der sich in geringer Entfernung von der Haut befinde, dicht hinter dem vorderen Ende (ler unteren Fläche des Mundes liege und neben der Mündung der Zungenscheide sich öffne. Es wird davon auch eine Abbildung ge- geben !). Auf die einheimischen kleineren Arten der Schlangen scheint der Genannte sich diesmal nicht eingelassen zu haben. Duvernoy, welcher die Theile später bei Coluber natrix unter- suchte, widerspricht dem deutschen Anatomen geradezu?) und meint, die Gebilde, welche Meckel für Drüsen genommen, seien zwei an die Oeffnung der Zungenscheide geheftete Knorpelstücke; auch habe Duges bereits diese zwei kleinen Knorpel gekannt. Uebrigens wurden, was zwischen hinein schon jetzt bemerkt sein mag, lange vor den drei namhaft gemachten Zootomen durch Hellmann, in seinem Schriftchen über den Tastsinn der Schlangen 1817, die frag- lichen Theile als Drüsen beschrieben. Da die Abbildung sich auf Vipera berus bezieht, so werde ich bei den Giftsehlangen darauf zurückkommen. Schlegel hat, wie es scheint, sich durch Duges und Du- vernoy beeinflussen lassen, und das Organ als Drüse gestrichen; denn er gedenkt weder da, wo er von den Speicheldrüsen handelt, noch dort, wo er den Bau der Zunge bespricht , unserer Drüsen. Nicht viel besser steht es um die Kenntniss der späteren Verfasser von Handbüchern der vergleichenden Anatomie; man lässt sich höchstens zu der Angabe herbei: Meckel „glaubte“ noch eine Glandula sublingualis gefunden zu haben. Man sieht aus diesem historischen Rückblick, dass es sich wohl verlohnte, die beanstandete Drüse näher anzusehen ; wobei es sich denn allerdings herausstellte, dass die Drüse ihre Besonderheiten habe, die den einen oder den andern Beobachter irre führen konnten. Form und härtliche Beschaffenheit. — Die paarige Drüse?) ist von birnförmiger Gestalt und das vordere Ende geht in l) a. a. O. Tab. I, Fig. 10, a. 2) Ann. d. sc. nat. 1827, S. 123. 3) Vergl. Fig. 2, b; Fig. 14, b; Fig. 33. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 607 eine Art frei vorstehender Hohlkehle !) aus. Was weiter daran auf- fällt ist die grosse Härte und das geringe Hervortreten der Drüsen- körner nach aussen, wesshalb schon Meckel sagt, ihr Aussehen sei nicht drüsig und Duges und Duvernoy das Ganze schlecht- hin für einen Knorpel erklärten. Durch die mikroskopische Untersuchung bekommt man eine Einsicht in den Grund dieser fast knorpelähnlichen Beschaffenheit. Das bindegewebige Gerüst?) der Drüse ist nämlich, wie Durch- schnitte gut lehren, dick, streifig geschichtet, dabei fest und bedingt das derbere Wesen des Organs; auch das schnabel- oder hohlkehlen- artig vorstehende Ende verhält sich nicht anders, dessen Epithel überdiess noch, abweichend vom sonstigen Mundepithel, eine gewisse festere, wie verhornte Natur darbietet 3). — Die Drüsenschläuche oder Röhren, von trübkörnigen Epithelzellen ausgekleidet, sind nicht zu „Acini“ gruppirt, was ebenfalls dazu beiträgt, die Drüse nach aussen eher glatt als körnig erscheinen zn lassen. Ausmündung. — Die Ausführungsgänge betreffend, so kom- men auch der Unterzungendrüse, gleich den Lippendrüsen, mehrere zu: ich zähle für jede Drüse deren sechs. Ihre Oefinungen liegen in der Furche der frei vorstehenden schnabelartigen Spitze ®). Begegnet man noch den Blutgefässen in ihrem gefüllten Zustande, so zeigt sich jede einzelne Mündung von einem Blutgefässring umzogen, der gewissermassen die Endschlingen der zwischen den Gängen her- aufsteigenden Capillaren vorstellt. Das Verhalten der Ausführungs- gänge bietet sich nicht so leicht dem Blicke dar, wie solches an den Lippendrüsen der Fall ist und es begreift sich, warum Hellmann und Meckel darüber kein Wort sagen. — Die Drüse ist, nebenbei bemerkt, stark mit Pigment besprenkelt, welches besonders gegen den Aussenrand zunimmt und ihn schwärzlich färbt. 1) Fig. 14, c. 2) Fig. 33, b. 3) Soweit meine Erfahrung geht, sind es vor Allem die Cowper’schen Drüsen des Ebers, welche in ihrem histologischen Bau mit der Glandula sublingualis der Schlangen Vergleichungspunkte gewähren. Auch dort ist die bezeichnete Geschlechtsdrüse so fest, dass sie sich fast wie Knorpel schnei- det, und diess rührt her nicht etwa von den eigentlichen Drüsenelementen, sondern von der harten knorpelartigen Beschaffenheit des bindegewebigen Gerüste. Das Nähere habe ich in meinem Aufsatze in der Zeitschrift f. wiss. Zoologie 1850, S. 35, erörtert. 4) Fig. 14, e. 608 Dr. F. Leydig: Muskeln. — Die Unterzungendrüse, insofern durch ihr hohl- kehlenartig vorstehendes Ende fortwährend die Zungenspitze spielt, um vom Secret der Drüse befeuchtet zu werden, hat den Bewegungen der Zunge zu folgen und erscheint daher mit quergestreifter Muscu- latur ausgerüstet!). Auch diess ist den Früheren ganz entgangen ; oder bestärkte vielleicht noch Diesen und Jenen in dem Irrthum, die Drüse für einen Knorpel zu halten. Man unterscheidet an jeder Drüse einen Vorwärtszieher und einen Rückwärtszieher. Der erstere umfasst das hintere Ende der Drüse wie eine Art Beutel, man könnte auch sagen Schlinge, was sowohl die Besichtigung von aussen als auch Durchschnitte lehren. Der Muskel, nach vorne um den Aussenrand der Drüse herum bie- gend, setzt sich schliesslich ans Zungenbein fest. Der Rückwärts- zieher löst sich vom Musculus geniotrachealis ab und geht ans blinde - Ende der Drüse. An ebengedachter Stelle entsteht durch die beiden Muskeln für das freie Auge ein besonderer, sich scharf abhebender Wulst. e. Hintere Unterzungendrüse (Glandula sublingualis posterior). Obigen Namen lege ich einer Drüse?) bei, von welcher bisher nur zwei Beobachter eine etwelche Kenntniss haben. Der eine ist Hellmann?°), welcher bereits wusste, dass behufs der Einspeiche- lung der Zunge oder um die Wege, auf denen die Zunge hinzugleiten hat, zu befeuchten, ausser der vorhin unter dem Namen Glandula sublingualis anterior abgehandelten Drüse, noch eine „grössere der Länge nach auf der vorderen Fläche der Zungenscheide ruhe.“ — Duvernoy, mit der Göttinger Schrift unbekannt, bemerkt ge- legentlich, als er die vorige Drüse für Knorpel erklären zu können sich befugt hält, dass jedoch die Zungenscheide in der Dicke ihrer unteren Wand eine Substanz von drüsiger Natur besitze ®). Wie es in der Gegenwart um die Kenntniss dieser Drüse steht, 1) Fig. 14, d. 2) Fig. 2,c; Fig. 14, e. 3) Tastsinn der Schlangen, Göttingen 1817, S. 21. 4) »J’ai verifi& en effet, que ce sont deux petites cartilages, comme le pense Dug&s; mais le fourreau lui möme m’a paru contenir, dans l’epaisseur de sa paroi införieure, tres-pres de son orifice, une substance de nature glan- duleuse.< Ann. d. sc. nat. 1832. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 609 lassen die Angaben der Handbücher errathen, z. B. folgende: „Die Zungenscheide scheint, nach Duvernoy, kleine Drüschen zu ent- halten.“ Selbst in dieser Fassung spricht sich, abgesehen von Anderm, ein Rückschritt gegenüber von Hellmann aus, welcher von einer „grösseren“ Drüse redet. Lage. — Die Zungenscheide, welche, als Ganzes genommen, für eine sackartige Einstülpung der Schleimhaut der Rachenhöhle anzusehen ist, erscheint an ihrer äusseren wie inneren Fläche von einem nicht flimmernden Plattenepithel überzogen. Im Inneren ihrer bindegewebigen Substanz befinden sich quergestreifte Muskelzüge, welche an senkrechten Schnitten förmliche Bogen von unten nach oben erzeugen. In der unteren Wand dieser Zungenscheide nun liegt, genau in der Mittellinie und etwas verborgen, eine unpaare Drüse von länglicher Form und erstreckt sich ziemlich weit nach hinten. An mittelgrossen Nattern hat sie etwa eine Länge von 6—-7 Linien, bei einer Breite von 1 Linie. Ausmündung. — Hellmann theilt der Drüse einen einzigen Ausführungsgang zu, welcher nahe der Mündung der Zungenscheide sich öffnen soll. Dies ist irrig: es münden die einzelnen Drüsen- häufchen oder selbst die einzelnen Drüsensäckchen der Schläuche für sich aus, was aber genannter Beobachter bei seinen Hilfsmitteln der Untersuchung unmöglich wahrnehmen konnte. Wir sind jetzt im Stande, sowohl bei Besichtigung der Seite der Drüse, welche einwärts gegen die Zungenscheide gerichtet ist, als auch an senk- rechten Schnitten zu sehen, dass viele Oeffnungen zugegen sind. f. Niekhautdrüse (Glandula membranae nictitantis s. Harderiana). Diesen Namen hat die Drüse!) zu führen, welche herkömmlich die Bezeichnung Glandula lacrimalis trägt. Sie wird an der Ringel- natter zuerst von Tiedemann?) beschrieben, der sie „Gaumen- speicheldrüse* nennt und sehr irrig für gleichwerthig der Giftdrüse der Vipern hält; der Genannte hat, was schon Meckel rügte, die (iftdrüse der Vipern gar nicht gekannt. Clocquet?) beschreibt das Organ als Thränendrüse, ebenfalls 1) Fig. 1, a; Fig. 26, a; Fig. 27; Fig. 28. 2): a. 2.0. 9..26. 3) a. a. O. Fig. 8, b. 610 Dr. F. Leydie: bei der Ringelnatter; Meckel!) bezieht sich in seinen Angaben auf Coluber überhaupt; bei Duvernoy handelt es sich um die Drüse der Ringelnatter?). Lage. — Form. — Nachdem man die Haut vom Kopfe abge- zogen, kommt das freie, lappig eingeschnittene Ende der Drüse gleich hinter dem Auge zum Vorschein?) und ich begreife desshalb die Ab- bildung bei Tiedemann nicht, allwo sie beinahe erst um einen halben Zoll hinter dem Augapfel auftaucht. Die Figur bei Elocquet giebt die Lage dieses Lappens ganz richtig an. Die Drüse ruht ihrer Hauptmasse nach auf dem fibrösen Boden der Augenhöhle, vorn und unten um das Auge herumbiegend. Im Allgemeinen?) von länglich platter Form zeigt nur der hinter dem Auge vorstehende Theil Kerblinien oder ein Zerfallen in finger- förmige Lappen; im übrigen ist der zugeschärfte Rand der Drüse unregelmässig, einmal tiefer, sonst seicht eingeschnitten; der gegen das Thränenbein oder den inneren Augenwinkel zugekehrte Theil erscheint verjüngt und zugespitzt. Substanz der Drüse. — dGegenwärtiges Organ hat, was schon die Früheren nicht unerwähnt liessen, eine viel weichere Be- schaffenheit als die vorangehenden Glandulae labiales, linguales und nasales; auch ist ihre Oberfläche nicht „körnig*, sondern wegen Feinheit der Schläuche glatt; nicht minder weicht sie im übrigen Bau von den genannten Drüsen ab. An Schnitten, die wegen des weichen, pulpigen Wesens weniger leicht auszuführen sind, zeigt sich nämlich, dass die Drüse einen einzigen Hauptausführungsgang?) hat, der ungefähr, nicht genau, die Mitte der Drüse durchzieht und Aeste von den seitlichen, zum Theil lappigen Partieen aufnimmt. Die eigent- lichen Drüsenschläuche, aufs dichteste zusammengeschoben und in- einander geschlängelt, haben eine zarte Haut und ihre Epithelzellen sind mit körnigem Inhalt erfüllt, doch so, dass derselbe gegen den vorderen Abschnitt der Zelle sich anhäuft, während der hintere gegen die Membrana propria gewendete und den Kern bergende, hell bleibt. Das Epithel des Ausführungsganges und seiner Seitenzweige hebt Dear ar 0.809: 2) a. a. 0. S. 124. 3) Fig. 1, a. 4) Fig. 26; Fig. 27. 5) Fig. 28. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 611 sich auf Schnitten wegen durchaus heller Beschaffenheit der Zellen als lichtere Zone von der trüben Drüsensubstanz ab. — Auch von dieser Drüse habe ich mir angemerkt, dass feine Intercellulargänge als erste Wege der Drüsenlichtung zugegen seien. Ausmündung. — Die Frage, wo mündet die Drüse aus, ist nicht so leicht zu beantworten: Meckel schweigt darüber ganz, Tiedemann will „einige kleine Löcher in der gefalteten Haut des Gaumens“ als Mündungsstellen gesehen haben; auch Clocquet und Joh. Müller lassen sie am Gaumen sich öffnen. In die Angaben der beiden letzten Anatomen spielt offenbar das ihnen unbekannt gebliebene Nebengeruchsorgan herein und sie haben dessen Lichtung zum Ausführungsgang der Drüse gerechnet '). — Die Oeffnung des Ganges liegt am inneren Winkel des Conjunctivalsackes unter einer bogigen Falte. Der Ausführungsgang ist bis nahe seinem Ende mit Drüsenfollikeln besetzt, welche ihm zuletzt wie vereinzelte Knospen aufsitzen. Die Conjunctiva dieser Gegend ist sehr reich an feinen elastischen Fasern. Hinsichtlich der Methode der Untersuchung mag bemerkt sein, dass man den schwanzartig ausgezogenen Theil der Drüse genau an die entsprechende Stelle der Bindehaut des Auges, allwo bei Vögeln und Säugern die Mündung der Harder’schen Drüse liegt, zu verfolgen hat und dann erst das Mikroskop in Anwendung bringt. Noch sei erwähnt, dass vor langen Jahren Schlemm die ar- teriellen Gefässe dieser Drüse beschrieben und abgebildet hat?). 2. Würfelnatter (Tropidonotus tessellatus, Laur). a. Lippendrüsen (Glandulae labiales). Die Oberlippendrüse (Glandula labialis superior) erscheint im Vergleich zu jener der Ringelnatter etwas weniger entwickelt und daher schmäler?). Von ihrem vorderen Ende hebt sich eine 1) Vergl. meine Abhandlung: Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlan- gen. Archiv f. mikroskop. Anat. 1872. 2) Anatomische Beschreibung des Blutgefässsystems der Schlangen. Zeit- schrift für Physiologie 1826. 3) Fig. 3, b. 612 Dr. F, Leydig: Partie deutlich als Schnauzendrüse ab. — Was aber wieder von besonderer Bedeutung ist: es zeigt sich auch hier an der Oberlippen- drüse eine unverkennbare Sonderung in eine hintere Partie von gelblicher Farbe und mit grösseren Follikeln, während der übrige Theil von Farbe grau ist und aus kleinen Follikeln besteht. Beides ist schon fürs freie Auge ganz deutlich. Die Unterlippendrüse (Glandula labialis inferior) hat nur den grauen Farbenton. Vorne zwischen den Hälften des Unter- kiefers verbinden sich die Drüsen der beiden Seiten im Bogen; auch diese letztere Partie besitzt gleich den übrigen Lippendrüsen mehrere Ausführungsgänge. (Nasendrüse, Zungendrüsen sind vorhanden und von ähnlichem Verhalten, wie bei der Ringelnatter.) b. Nickhautdrüse (Glandula membranae niectitantis). Die Drüse!) ist auch hier von bedeutender Grösse, weissgelb von Farbe und ragt abermals hinter dein Auge hervor, zwischen (der Oberlippendrüse und den Beissmuskeln; sie erstreckt sich nach hinten fast so weit, als die Oberlippendrüse reicht. Da dieser ausser- halb der. Augenhöhle liegende Abschnitt bei jeder unserer einheimi- schen Schlangenarten von besonderem, man könnte sagen specifi- schem, Umriss sich darstellt, so halte ich es für passend, demselben eine Abbildung von mehreren Arten zu widmen. Bei der in Rede stehenden Natter ist die Partie in zwei wieder mehrfach, doch seicht eingeschnittene Lappen zerfällt. 3. Glatte Natter (CGoronella laevis, Merr.). a. Lippendrüsen (Glandulae labiales). An der Oberlippendrüse?), welche hier nach hinten fadig ausgeht, ist abermals der Unterschied zwischem einem gelblichen Theil und einem hellgrauen schon fürs freie Auge recht deutlich; und zwar sowohl an frischen Thieren als auch an solchen, welche in Weingeist aufbewahrt waren. 1) Fig. 3, a. 2) Fig. 6, b. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 613 Die Schnauzendrüse und Nasendrüse sind so gut wie die Unterlippendrüse von grauer Farbe. An der Nasendrüse, welche aus länglichen, ineinander geschobenen Schläuchen besteht, glaube ich hier noch bestimmter als bei den übrigen giftlosen Arten gesehen zu haben, dass sie einen einzigen, grossen Ausführungsgang hat. Nerven. — Bei gegenwärtiger Art habe ich auch die Nerven!) näher verfolgt, um zu erfahren, ob sich bei den Schlangen die merk- würdigen Dinge sehen lassen, welche man schon seit einiger Zeit über die Nerven und ihre Enden in den Speicheldrüsen der Säuge- thiere beobachtet haben will. Durch die gewöhnliche Weise der Untersuchung stellt sich leicht heraus, dass ziemlich viele Nerven an die Lippendrüsen — diese habe ich zumeist geprüft — gehen. Längs der Drüse der Unter- lippe (Glandula labialis inferior) erblickt man einen starken Nerven, der, während er hinterwärts unterhalb der Drüse hinzieht, nach vorne zu innerhalb der Drüsensubstanz zu liegen kommt. Quer- schnitte durch den Drüsenkörper zeigen, dass der Nerv mitten in der Drüse, in deren unterem Drittel steckt; von ihm lösen sich ver- schiedene Zweige zur Drüse ab. Dann treten auch ferner ziemlich zahlreiche Nerven durch den die Drüse von aussen umgrenzenden Lymphraum heran; sie nehmen hierbei ihren Weg innerhalb der bindegewebigen Bälkchen oder Säulchen, welche sich durch den Lymphraum hinspannen. Es ist interessant wahrzunehmen, wie der Bau einer solchen Brücke die grösste Aehnlichkeit hat mit den ent- sprechenden Bildungen, welche bei Fröschen und Kröten die Nerven zur Haut des Rückens, mitten durch die grossen Lymphräume, leiten. Die Grundsubstanz des Bälkchens nämlich ist Bindegewebe mit zahl- reichen feinen elastischen Fasern; dazu kommt jetzt der Nerv, um- geben und abgegrenzt von derselben lichten, einem Lymphraum entsprechenden Zone, welche wir bei genannten Batrachiern an glei- cher Stelle finden, endlich die begleitenden Blutgefässe. (Es giebt selbstverständlich auch Bälkchen, die nur Blutgefässe führen; andere, welche auch diese nicht haben, sondern nach Aufhellung blos die geschlängelten elastischen Fasern zeigen.) Nachdem der Nerv zur Drüse herübergetreten ist, verlieren sich die Primitivfasern, indem sie unter Geflechtbildung auseinander weichen, zwischen die Follikel. Es muss hervorgehoben werden, dass 1) Vergl. Fig. 21; Fig. 22; Fig. 23; Fig. 24. 614 Dr. F. Leydig: die weitaus grösste Mehrzahl der Drüsenbälge anatomisch nicht in Berührung mit Nerven kommt, sondern dass es eine verhältnissmässig sanz kleine Anzahl von Follikeln ist, in deren Nähe Nerven ge- troffen werden. Forscht man jetzt weiter nach ihrer Endigung, so begegnet man denselben Schwierigkeiten, wie an vielen andern Orten: man unterscheidet die Nerven deutlich nur so lange, als sie durch ihre Markhülle kenntlich sind, darüber hinaus beginnt die Unsicher- heit. Selbst die so sehr gerühmte Ueberosmiumsäure hat mich in diesem Punkte nicht gefördert, ja an Präparaten dieser Art schien es, als ob die Nervenfasern stumpfspitzig mit voller Markscheide an der Tunica propria aufhörten!), was schwerlich der Fall ist. Denn es ist wahrscheinlicher, dass, wie anderwärts, noch jenseits der‘ Markscheide die Axensubstanz der Nervenfaser fernerhin sich verbreitet. Von einem Zusammenhang der Nervenelemente mit den Epithelzellen habe ich nicht die mindeste Spur vor die Augen be- kommen. Ich werde unten noch einmal auf den Gegenstand zurück- weisen. Auch von verästelten Zellen zwischen den Drüsenbälgen ist mir nur emigemale etwas aufgestossen, was sich vielleicht auf die dar- über vorhandenen Angaben beziehen liesse; aber dann waren die Theile jedenfalls nicht nervöser Natur, sondern Knotengebilde der elastischen Fasern, welche reichlich das bindegewebige Gerüst der Drüse umstricken und wohl wesentlich dazu beitragen, dass die ganze Drüse eine gewisse härtliche Beschaffenheit an sich hat. b. Nickhautdrüse (Glandula membranae nictitantis). Wie auch sonst unterscheidet sich schon durch ihr Aussehen (diese ‚ Drüse wesentlich von den Lippendrüsen : während letztere durchweg eine körnig-acinöse Oberfläche haben, ist diese ganz glatt. Und was nun wieder das aus der Augenhöhle nach hinten hervor- ragende Ende betrifft, so ist es nicht eingeschnitten oder lappig, sondern von einfach walziger Gestalt?). — Die Intercellulargänge oder Spaltenräume im Epithel sind auch hier nachweisbar. 1) Fig. 24. 2) Fig. 6, a. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 615 4. Aeseulapsschlange (Coluber viridiflavus, Lacep.). Indem es mir bis jetzt nicht gelang, in den Besitz eines frischen Thieres zu kommen, vermag ich nur nach einem schon lange Zeit in Weingeist aufbewahrten, aus der Bretagne stammenden Exemplar den Umriss des hinteren Theils der Glandula labialis superior zu geben !). Letztere steht in ihrer Entwicklung etwas zurück. Von charakteristischer Form ist wieder das hintere Ende der ‚Niekhautdrüse: es ragt dasselbe als eylindrischer, platter Körper weit aus der Augenhöhle nach hinten heraus, verschmälert sich da- bei, um aber zuletzt plötzlich noch einmal in einen folliculär gelappten Endabschnitt anzuschwellen, welcher durch eine so schmale Brücke mit dem übrigen Theil zusammenhängt, dass er beinahe wie ganz davon abgelöst erscheint?). 5. Aeseulapsschlange (Coluber viridiflavus. var. carbonarius, Schreib.). An einem schönen Exemplar, das ich mir in den tyrolischen Bergen gefangen habe, sehe ich, dass, wie bei der Stammform, die Oberlippendrüse (Glandula labialis superior) geringer entwickelt ist als bei der Ringelnatter ; trotzdem besteht sie abermals aus zwei verschiedenen Partieen. Einmal aus Drüsensäckchen, deren zarte, membranlose Zellen von dicht granulöser Beschaffenheit sind, wobei es den Anschein haben kann, als ob die Zellen die Schläuche so an- füllten, dass gar keine Lichtung übrig bliebe. Allein bei sorgfältiger Behandlung ergiebt sich doch, dass eine von den Zellen umstellte Lichtung des Drüsenschlauches übrig ist. Die Acini dieser Drüsen- abtheilung sind von Neuem die grösseren und fürs freie Auge von gelblichem Farbenton. — Der gemeinsame, einzige Ausführungsgang zeigt ein hohes, helles Cylinderepithel, sehr verschieden von den Zellen in den Drüsenschläuchen. Die übrige Drüsenpartie ist aus kleineren Acini zusammenge- setzt und diese haben Epithelzellen von hellem Aussehen, welche über- dies von einer deutlichen Membran begrenzt erscheinen. Eine Schnauzendrüse (Glandula rostralis) hat sich von der 1) Fig. 4, b. 2) Fig. 4, a. 616 Dr. F, Leydie: Oberlippendrüse abgelöst. Die Nasendrüse (Glandula nasalis) ist zugegen. — Da bei dem untersuchten Thiere die Blutgefässe in noch gefüllten Zustande angetroffen wurden, so liess sich die Art, wie sie die Drüsenbälge umspinnen, gut wahrnehmen. Da unsere Natter nur als eine Varietät von C. viridiflavus gilt, so hat. es Interesse, gerade wieder die Form der Nickhautdrüse, welche ja nach den Species so bestimmt abändert, genauer anzu- sehen !). Wir finden, dass dieselbe die Grundzüge der Form mit jener, der C. viridiflavus zwar gemein hat, aber doch ein Weniges abweicht. Da ich von beiden Schlangen bisher nur je ein einziges Exemplar zergliedern konnte, so bin ich ausser Stand zu sagen, ob die Ver- schiedenheit nur die Bedeutung einer individuellen Abweichung hat, oder ob sie der Varietät als solcher zukommt. Es erstreckt sich nämlich die Nickhautdrüse (Glandula lacri- malis der Autoren) weit aus der Augenhöhle nach hinten ; der erste nach aussen liegende Abschnitt ist cylindrisch, glatt, am oberen wande mit kurzen, seichten Einkerbungen; das Endstück erscheint angeschwollen, follieulär und die Epithelzellen der Drüsenschläuche sind körnig gefüllt. Die beiden Figuren 4 und 5, genau mit der Lupe und in glei- cher Lage gezeichnet, lassen das Uebereinstimmende und die Ver- schiedenheiten der Drüse bei C. viridiflavus und C. carbonarius be- urtheilen. Auch den teineren Bau bezüglich der Drüsenschläuche, der Nerven und Blutgefässe habe ich an einem Schnitt versinnlicht ?); sowie endlich das Dasein der zwischen den Epithelzellen sich ver- breitenden feinen Gänge in einer Abbildung) festgehalten wurde. Das Bindegewebe zwischen dem oberen Rande der Glandula labialis superior und dem unteren Rande der Glandula membranae nietitantis bot zum Theil schon fürs freie Auge den ÜUharakter einer Iymphdrüsenartigen Substanz dar. 1) Eig. 5, & 2) Fig. 2 3) Fig. 30. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 617 Il. Giftschlangen. 1. Kreuzotter (Vipera berus, L.). a. Lippendrüsen (Glandulae labiales). — Nasendrüse (Gl. nasalis). Der Ober- und Unterlippendrüse gedenkt zuerst Tiede- mann: sie seien sehr schmal, plattgedrückt, von Farbe gelblich weiss, die Ausführungsgänge wie bei der Ringelnatter. Dass sich die Drüsen von rechts und links, am Schnauzentheil der Ober- und Unterkinnlade, im Bogen verbinden, scheint der Genannte nicht be- merkt zu haben; bei Brandt ist auf den Figuren, ohne dass davon im Texte Erwähnung geschieht, der Zusammenhang richtig aus- gedrückt). Da Duvernoy?) zwar die Unterkieferdrüse („glande salivaire sous-mandibulaire‘‘) kennt und von ihr dem Sachverhalt entsprechend angiebt, dass sie eine geringere Entwicklung zeige als jene von Coluber?), hingegen das Vorhandensein der Oberkieferdrüse („glande salivaire sus-maxillaire“) in Abrede stellt, oder höchstens die An- wesenheit „einiger Krypten“ in der Dicke der Oberlippe zugiebt, so führe ich aus meinen Beobachtungen an, dass die Oberkieferdrüse ebenfalls deutlich zugegen ist, wenn auch allerdings für die gewöhn- liche Besichtigung nur als schmaler Streifen, doch immerhin längs der ganzen Oberlippe sich hin erstreckend®). Wegen dieser Klein- heit lassen sich aber an Querschnitten die Einzeldrüschen nach ihrem sanzen Umfang — die Ausführungsgänge mit eingeschlossen — besser darstellen, als etwa von der Ringelnatter; wobei auch klarer wird, dass die Schläuche selber stark geknäuelt sind. Ferner ist der Schnauzentheil der Drüse an Durchschnitten gut wahrzunehmen und auch hier sehe ich, dass diese Partie nur einen einzigen und zwar weiten Ausführungsgang hat, der sich am Lippenrand genau in der Mittellinie öffnet. 1) Brandt und Ratzeburg, Medicinische Zoologie 1829, Tab. XX, Fig. 3, 4. 2) a. 2.0.8. 157. 3) Uebrigens ist trotzdem diese Unterlippendrüse der Viper doch stärker entwickelt, als die gleiche Drüse bei Lacerta. 4) Fig. 7, e. 618 Dr. F. Leydig: Nach einwärts von der Oberkieferdrüse, gegen den Gang der Giftdrüse hin, verbreitet sich ein System von Lymphräumen, durchsetzt von Querbälkchen; unter der Giftdrüse liegt abermals ein grosser Lymphraum, in welchen sich die erwähnten kleineren fortsetzen. Ob eine Nasendrüse (Glandula nasalis) fehlt oder vorhanden ist, getraue ich mir, bis jetzt wenigstens, nicht bestimmt zu sagen; wenn sie zugegen ist, so muss sie jedenfalls sehr klein sein, denn ich habe sie an einem Exemplar, es war var. prester, vergebens ge- sucht. Uebrigens ist der Raum zwischen Auge und Nase kürzer als bei den obigen giftlosen Schlangen. b. Zungendrüsen (Glandulae linguales). Sowohl die paarige Zungendrüse, welche ich oben an den giftlosen Schlangen als Gl. lingualis anterior unterschied, als auch die unpaare, von mir als Gl. lingualis posterior bezeichnete, lassen sich unschwer erkennen; auch hat sie bereits vor langen Jahren, was ganz in Vergessenheit gerathen ist, Hellmann nicht blos be- schrieben, sondern auch von Vipera berus abgebildet!). Dass die Drüsen alle, und zwar von der gleichen Schlangenart, auch Meckel’n bekannt waren, geht aus einer Stelle?) seiner oft erwähnten Ab- handlung unzweifelhaft hervor. c. Nickhautdrüse (Glandula membranae nietitantis). Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts Moyse Charas, Apo- theker in Paris, nach den Giftdrüsen der Viper) suchte, da es ihm unwahrscheinlich war, dass, wie Redi gewollt hatte, das Gift aus Bläschen des Zahnfleisches abgesondert werde, fand er „apres plu- sieurs recherches, faites avec assez d’attachement et de patience“ die in Rede stehende Drüse. Er sprach sie zunächst für eine Spei- cheldrüse an, und da ihm die wahre Giftdrüse unbekannt geblieben ist, so begreift man, dass er die von ihm entdeckte und nach Lage, Form und Farbe, wenn wir die Zeit und die Hilfsmittel des Zer- 1) Ueber den Tastsinn der Schlangen. Götttingen 1817, S. 21. Fig. 1, e.e. 2) a. a. 0.8. 12, 3) Er hatte indessen, worüber sein Werk „Experience sur la Vipere, Paris, 1672“, keinen Zweifel lässt, nicht unsere Vipera berus, sondern Vipera aspis zur Hand. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 619 gliederers von damals nicht ausser Acht lassen, sehr gut beschriebene und recht brav abgebildete Drüse, für das Absonderungsorgan des Giftes gehalten hat. Auch stimmten ihm ja die „savans Medecins“ in Paris, die sich in seinem Hause versammelten und die Sache durch eigene Untersuchung prüften, durchaus bei. Eher darf es Verwunderung erregen, dass mehr als hundert Jahre nachher Tiedemann, ein sonst so strenger und genauer Anatom, abermals die Nickhautdrüse schlechthin als Giftdrüse an- sprechen konnte, und sogar beobachtet haben wollte, dass die Aus- führungsgänge in die Hakenzähne einmünden. In den Arbeiten Meckel’s und Duvernoy’s gilt besagtes Or- san als Thränendrüse (Glandula lacrimalis); auch bei Brandt, in dessen mit Ratzeburg gemeinschaftlich herausgegebenem Werke das hintere Ende der Drüse abgebildet wird, trägt sie denselben Namen, der ihr auch bis zur Stunde in den Hand- und Lehrbüchern verblieben ist. Ich habe die Drüse von einem männlichen Thjere untersucht, und möchte gegenüber von Brandt, der das hintere, aus der Augenhöhle hervorstehende Stück ganzrandig, ohne Lappenbildung, zeichnen lässt, bemerken, dass es sich mir von lappigem, eingeschnit- tenem Umriss darstellte. Der genannte Zoolog zergliederte nur Weibchen, so dass es einstweileu fraglich bleibt, ob es sich um eine Ungenauiskeit oder um eine Geschlechtsverschiedenheit handelt. — Auch bei Duvernoy erscheint das gleiche Stück der Drüse!) ein- fach glatt gehalten. Doch auch dieser Fall entzieht sich mir einst- weilen der Beurtheilung, denn die Unterschrift der Tafel lautet aus- drücklich: Vipere commune Cuv. und bei Öuvier?) steckt unter dieser Bezeichnung Vipera berus und Vipera aspis. Da wir nun oben an den giftlosen Schlangen gesehen haben, dass die Form dieses Endstückes der Drüse nach den Species sehr bestimmt ab- ändert, so könnte solches auch bei den Giftschlangen der Fall sein. d. Giftdrüse (Glandula venenata). Wie vorhin angeführt, haben mehrere der früheren Beobachter die Giftdrüse bei der allerdings etwas verdeckten Lage, welche sie einnimmt, gar nicht gekannt, sondern die Nickhautdrüse oder soge- 1) 212.408 Bi:18). Fig. 1, d. 2) Regne animal, Tom. II, 1817, p. 84. S 620 Dr. F. Leydig: nannte Thränendrüse dafür genommen. Andere, welche selbst nach- suchten, wie z. B. Wolf), müssen geradezu erklären , dass sie die Giftdrüse nicht zu finden vermochten. Dass zu den Autoren, welche die Thränendrüse für die Giftdrüse nahmen, auch Tiedemann zu zählen ist, wurde schon berührt und ich verstehe nicht, wie Meckel?) in seiner kritischen Durchsicht der hierher gehörigen Arbeiten sagen konnte, Tiedemann habe mit Bestimmtheit alle Theile (der Gift- (rüse nämlich) bei Vipera berus im Zusammenhange gesehen, wäh- rend Meckel doch selbst kurz zuvor?) den Tadel aussprechen muss, dass Tiedemann die Augenhöhlendrüse (Thränendrüse) für die Giftdrüse gehalten habe und auch später?) wieder auf den Irrthum zurückkommt. Es ist ausser Zweifel, dass an der Viper und zwar an der Vipera aspis die Giftdrüse zuerst von Fontana nachgewiesen wurde °); und wer die Theile aus eigener Anschauung kennt, wird gerne zu- gestehen, dass auch in diesen, die Lage, Form und Bau des Organs betreffenden Mittheilungen der italienische Forscher und Arzt sich als feinen Beobachter kundgiebt. | Die Giftdrüsen von Vipera berus kennen Rudolphi®), Meckel’); von Vipera aspis hat sie Joh. Müller°) untersucht; wieder von 1) In Sturm’s deutscher Fauna. 2)’ 2220.88 3) 8.12.10. 8448: 4),:2., al 0% ‚8 10,25.11. 5) Ueber das Viperngift. Uebersctzg. Berlin 1787, S. 11. 6) In der Dissertation Seifert’s Spieilegia adenologica, Berol. 1823. Die in Kupferstich ausgeführte Zeichnung ist offenbar nach einem sehr sauberen Präparate gefertigt, das wahrscheinlich nach einer Bemerkung über die Gift- drüse von Trigonocephalus zu schliessen, von der geschickten Hand Schlemm!’s (»musei et theatri anatomici prosectoris bene meritic) herrühren mochte. Es zeiet sich die obere und untere Lippendrüse, sowie die Giftdrüse in natür- licher Grösse. Von der Orbitaldrüse konnte blos das aus der Augenhöhle nach hinten herausragende Stück dargestellt werden, was zu berücksichtigen ist, wenn der Text sagt: glandula quae non procul ab orbita pone hane sita est, und die Grösse nur auf zwei Linien im Dnrehmesser angiebt. — Die Ab- handlung Metaxa’s Monografia de’ Serpenti di Roma etc. aus demselben Jahre (1823) zeigt, dass der Verfasser ebenfalls die echte Giftdrüse gekannt hat. 21)58.0.5:2.0: 8) De gland. secern. struct. penit. 1830, p. 51. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 621 Vipera berus fast gleichzeitig Brandt!); in neuerer Zeit hat de Betta eine Originalzeichnung über den Giftapparat von Vipera aspis gegeben?); endlich vor Kurzem geht A. B. Meyer in einer Abhandlung über den Giftapparat der Schlangen, insbesondere der Gattung Callophis?), auch auf den Bau der Giftdrüse von Vipera berus ein. Ebengenannter Schriftsteller ist auch bisher der Einzige, welcher auf einige der feineren Structurverhältnisse geachtet hat. Ligamentum zygomaticum. — Indem ich zu den eigenen Beobachtungen übergehe, möchte ich mit der sehnigen Brücke ®) beginnen, welche oben bereits von Tropidonotus natrix erwähnt, bei giftigen und giftlosen Schlangen zugegen sich zeigt. Hier bei der Kreuzotter erstreckt sich ein solches Band von der Verbindungsstelle des Quadratbeins mit dem Unterkiefer nach vorne, unterhalb des Auges, zum Oberkiefer, bis in die Nähe des Os lacrimale. Von letzterem verliert sich eine freie Spitze in die sehnige Substanz der Brücke, wie man nach Aufhellung durch Kalilauge wahrnimmt. Dieses Jochband ist hier stärker als bei den giftlosen Schlangen, und entspricht noch deutlicher einem bindegewebig gebliebenen Joch- bogen. Ohne dem Gebilde eine derartige Deutung zu geben, gedenkt auch Brandt desselben als eines sehnigen Schenkels, der einerseits nach vorne bis gegen das Nasenloch und andererseits nach hinten sich erstrecke; den Worten entsprechend zeigt die Abbildung des Vipernkopfes, Fig. 3, den Sehnenstrang?’). Bei Duvernoy heisst der Theil „ligament articulo-maxillaire“. De Betta, welcher von Vipera aspis das Band ebenfalls abbildet, ist nach Voranstehendem im Irrthum, wenn er meint, vor ihm habe noch Niemand diese Bil- dung wahrgenommen $). 1) Brandt u. Ratzeburg, Medie. Zoologie, 1829. 2) Erpetologia delle provincie Venete etc. 1857. 3) Monatsberichte d. Akad. der Wiss. zu Berlin, 1869. E)Ble 7, d; Big, 8, c. 5) a. a. OÖ. Tab. XX. 6) a. a. O. Fig. 3, »piceolissimo filamento muscolare non avvertito ne figurato da aleun autore.«e — Ausser den genannten Autoren, welche um das Jochband wussten, mag vielleicht auch noch Gust. Carus erwähnt wer- den, welcher in seiner Zootomie (Leipzig 1834, Theil II) von einer eigenen Sehne zwischen Kiefergelenk und Schuppe des Oberkiefers spricht. Was übrigens sonst davon gesagt wird, könnte ich nicht für richtig gelten lassen. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 40 622 Dr. F. Leydig: Lage der Drüse. — In einer fascienartigen und dabei wie eine Tasche gestalteten Verbreiterung dieses Ligamentum zygoma- ticum oder sehnigen Jochbogens liegt die Gifturüse, fast ähnlich wie wir die Ohrspeicheldrüse der Säuger zwischen die Fascia paro- tidea-masseterica eingeschaltet wissen. Die drei Portionen des Muse. temporalis lassen zunächst da, wo die Giftdrüse zu liegen kommt, eine tiefe Grube zu ihrer Aufnahme entstehen. Dann betheiligt sich zweitens die Substanz des Muskels an der Umhüllung der Drüse: die oberste und vorderste Partie des Muskels setzt sich nämlich, hinter der Fascie angelangt, an diese fest, während die andere oder tiefere Portion hinab zum Unterkiefer geht. Die Hauptmasse aber des musculösen Ueberzuges der Drüse liefert der M. masseter, wel- cher von dem vorderen und hinteren Blatte der mehrfach erwähnten Fascie („silberglänzende Sehnenhautplatte‘‘) entspringt und mit seinen Fasern die Drüse von aussen, innen und hinten völlig umfasst; hier- auf erst wendet sich der übrige Theil des Muskels zum Unterkiefer. Es hat somit die Drüse keine ihr eigenthümliche Museculatur, sondern sie ist zwischen die beiden Lagen des letztgenannten Beiss- muskels eingeschoben. Bei Tropidonotus natrix, allwo eine Drüse in den Muskel nicht eingelagert wird, entspringt der M. masseter gleich dem M. temporalis nur vom knöchernen Schädel. Fontana, welcher über das Verhalten des Muskels zur Drüse sich bereits sehr gut unterrichtet zeigt), spricht sich nicht darüber aus, welchem der Beissmuskeln jene die Drüse wie eine Presse zwi- schen sich nehmende Partie zu vergleichen sei; Brandt nennt sie fragweise Muse. buccinatoriüs, was gewiss für unstatthaft erklärt werden müsste, da dieser Gesichtsmuskel bei Reptilien noch nicht auf- getreten ist. Bau der Drüse. — Die durch Einschneiden und Zurück- schlagen der sehnigen und musculösen Umhüllung blosgelegte Drüse ?) ist an sich nicht gross; sie übertrifft in ihrem Umfang kaum das hintere aus der Augenhöhle hervorstehende Ende der Nickhautdrüse. In ihrem Bau bietet sie manches Besondere dar, was theilweise schon Joh. Müller wahrgenommen hat. So finde ich, wie der Ge- nannte in seinem umfassenden Drüsenwerke bereits von Vip. Redi angegeben, dass eine derbe fibröse Umhüllung, indem sie nach 17a. 8.0.8, Li: 2) Fig. 7. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 623 innen einige blattartige Einfaltungen abschickt, die Drüse in mehrere Hauptlappen oder Abtheilungen zerlegt. Diese fibröse Haut ist übrigens nicht eins und dasselbe mit der Sehnenscheide des Muse. masseter, sondern letztere umfasst erst nach aussen die besagte derbe Umhüllungshaut. Joh. Müller!) giebt ferner einen Durchschnitt der Drüse, den ich wegen seiner Genauigkeit besonders zu rühmen habe und noch weiter aufzuklären vermag, als diess unserem Anatomen der Stand der Wissenschaft im Jahre 1830 zu thun erlaubte. Ich führe dess- halb zuvor die Worte Müller’s an: ‚„...divisio non ad dimidiam glandulae longitudinem usque porrigitur, ceterum lobuli posteriores caudati laxe in loculis fibrosis continentur, in minores etiam fasci- eulos ulterius divisi. Reliqua pro nimia rei exiguitate incognita.“ Die derbe Hülle?) der Drüse besteht, wie Schnitte und ent- sprechende Vergrösserung lehren, aus einem festen Bindegewebe, dessen horizontale Züge in ähnlicher Weise aneinander schliessen, wie in der bindegewebigen Grundschicht der Lederhaut. Die stern- förmigen Lücken zwischen ihnen sind theilweise sehr geräumig. Gleichwie nun an der Lederhaut der Amphibien und Reptilien ?) durchweg ein lockeres, anders geartetes Bindegewebe von der unteren Fläche der derben Schicht, die aufsteigenden Gefässe und Nerven begleitend, von Stelle zu Stelle senkrecht sich erhebt, um sich mit der ebenfalls mehr lockeren Grenzschicht der Cutis zu verbinden, so lässt sich auch hier dieses Verhalten, wenn auch mehr vereinzelt, beobachten. Die erwähnten Lücken, sog. Bindegewebskörper, zeigen da und dort ein kernähnliches Gebilde; aber man konnte in Erfah- rung bringen, dass ein solcher „Kern“ eigentlich nur den Querschnitt eines derartigen Strängchens von lockerem Bindegewebe vorstelle, dass somit die „Bindegewebskörper“ ganz gleich jenen übrigen Lückengängen waren, durch welche das lockere gefässtragende Binde- gewebe den Weg durch die Lagen der derben Bindesubstanz nimmt. Unterhalb dieser festeren Hülle folgt nicht sofort die eigentliche Drüsensubstanz, sondern das eben erwähnte Bindegewebe von lockerem Charakter entwickelt ein System von Höhlungen, die nichts anderes 1) Gland. sec. struct. Tab. VI, Fig. 3. Glandula venenipara Viperae Redi, cum segmentis in loculis vaginae aponeuroticae dispositis. 2) Fig. 12, a. 3) Vergl. meine Abhandlung über Organe eines sechsten Sinnes, z. B. S. 28. 624 Dr. F. Leydie: als Lymphräume sein können‘). Es wird diese Deutung auch dadurch bestätigt, dass man auf Schnitte stösst, in welchen Lymph- körperchen oder hüllenlose, feingranuläre, rundliche Zellen in grös- rerer oder geringerer Menge, wie auch sonst in Lymphräumen, zu- gegen sind. Jetzt erst kommt das eigentliche bindegewebige Gerüst der Drüse, das mit dem Fachwerk der Lymphräume allerdings unmittel- bar zusammenhängt, und wie durch eine Art Verdichtung aus dem- selben hervorgegangen ist; doch behält es denselben lockeren, wei- ckeren Charakter wie das erwähnte Bindegewebe. Hat man den im Voranstehenden dargelegten Bau durch eigene Untersuchungen sich klar gemacht, so betrachtet man mit Antheil das oben bereits angezogene Figürchen, welches Joh. Müller in seinem Drüsenwerk, wie die Unterschrift dieser Tafel sagt, selbst nach Vipera aspis gezeichnet hat; und das, obschon es in seiner Einfach- heit nach gar nichts aussieht, doch das natürliche Verhalten getreu ausdrückt. Man findet dort nämlich zuerst von aussen und links eine schmale helle Zone, welche Fortsätze nach einwärts schickt: sie stellt die Hülle dar, welche aus derber Bindesubstanz geformt ist. Dann zeichnet Müller. in starker Entfernung von der Hülle erst die länglichen Drüsenläppchen und legt zwischen Hülle und Drüsensubstanz einen tiefen Schatten, welcher offenbar den zwischen den beiden Bildungen befindlichen Hohlraum versinnlichen soll. Diese schwarze Zone entspricht nun den schwammigen Lymphräumen, von denen ich vorhin gehandelt habe. — Brandt, welcher gleich- zeitig die Giftdrüse der Vipera berus zergliederte, hat diese Strucetur- verhältnisse nicht bemerkt und auch der neueste Untersucher, A. B. Meyer, lässt darüber nichts verlauten. In dem bindegewebigen Gerüst der Drüse begegnet man nicht blos Blutgefässen, sondern auch Nerven; wie dieselben enden, ist mir aber unbekannt geblieben. Nach den Linien, welche das Fachwerk der Drüse?) einhält, ist sie als eine Drüse von röhrigem Bau anzusprechen, wobei die feinen Röhren fürs freie Auge zu länglichen Schläuthen, als neuen Einheiten, sich zusammenthun. Nach hinten geht die Drüse wie in zwei Hauptzipfel auseinander. An dem rein herausgeschälten Organ 1) Pie, 10, b; Rig. 12, b. 2) Fig, -10, €; Biel Kl; a Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 625 erinnert die Hügel- und Thalbildung der Oberfläche in ihren Grund- zügen nicht wenig an die oben erörterte gelbliche Partie der Ober- kieferdrüse ungiftiger Schlangen. — Die „Säckchen‘“, welche Brandt beschreibt und zeichnet '), sind keineswegs die letzten Röhren oder Schläuche, sondern Gruppen von solchen. Das bindegewebige Gerüst?) ist,zart und man kann von einer Tunica propria nur in dem Sinne reden, dass man eben den Saum des Bindegewebes, welcher die „Schläuche“ umgrenzt und die Blut- capillaren trägt, mit diesem Namen bezeichnet. Wenn das Blut der Capillaren entleert ist und auch die Epithelzellen abgespült wurden, sinken an Querschnitten die bindegewebigen Wände zu dünnen Blättern zusammen. Das Epithel besteht an Weingeistexemplaren aus kleinen nie- drigen Cylinderzellen, deren Kern weit nach vorn liegt. Auf Rech- nung des Weingeistes ist wohl zu bringen, dass die Zellen am freien Ende oftmals fein zugespitzt enden; auch die granuläre Trübung der Zellen ist durch die gleiche Flüssigkeit hervorgerufen worden. Untersucht man nämlich die Drüse aus einem frischen Thier und mit Speichel befeuchtet, so erscheint das lebende Epithel als Ganzes wie eine helle homogene Zone, welche die Lichtung der Schläuche begrenzt. Es ist schon ein Zeichen des allmähligen Absterbens, wenn sich eine leichte Trübung einstellt; alsdann heben sich die runden Kerne aus der noch immer gleichmässigen Masse ab und erst zu- letzt, also im ganz todten Zustand, nehmen die einzelnen Zellen ihre Grenzlinien an und individualisiren sich dadurch. Meyer hat ebenfalls an einer frischen, aus dem lebenden Thier geschnittenen Drüse den feineren Bau geprüft. Nach ihm besteht „das giftabsondernde Parenchym aus glashellen, neben einander liegenden und hier und da gegen einander abgeplatteten zelligen Elementen“; sie seien! ferner umgeben oder bedeckt von kleinen scharfeontourirten Körnern, welche Molecularbewegung an sich haben und auch im ausgepressten Secrete vorhanden seien. Auf der von genanntem Beobachter gegebenen Abbildung?) erfüllen die Zellen den Drüsenraum völlig; ich sehe hingegen nicht nur, dass überhaupt. und in allen Schläuchen ein klarer, freier Innenraum oder Lichtung 1) a. a. O. Tab. XX, Fig. 4, a, ß, 7, d. 2) Fig. 11, a, 3) a. a. O. Taf. II, Fig. 7, »Parenchym der Giftdrüsen von Pelias Berus«. 626 Dr. F. Leydig: übrig bleibt, sondern auch, dass dieser sich zwischen die Epithel- zellen in Form von Lückengängen fortsetzt'). Es sind jene oben von den anderen Drüsen erwähnten Intercellulargänge oder Spalt- räume, welche entweder als helle Streifen zwischen den Zellen oder, wenn sie gefüllt sind, als dunkelglänzende Striche, auch netzförmig verbunden, sich darstellen. Indem ich verschiedene Exemplare unserer Viper untersuchte, machte ich die Erfahrung, dass die Drüse bei dem einen Thier in ihrer Architeetonik wenig oder gar nicht von jener der Kieferdrüsen abweicht, bei andern scheinbar sehr stark. Es hängt dieses offenbar mit dem Umstand zusammen, ob wir ein Thier vor uns haben, dessen Drüse mit Secret „geladen“ ist, oder im Gegentheil bereits das Gift entleert hat. In dem letzteren Fall befand sich eine schwarze Viper, die durch Schläge auf den Kopf getödtet worden war, und wobei wohl durch willkürliche und krampfhafte Zusammenziehungen der Beissmuskeln alles Secret abgeflossen sein mochte. Hier war der Anblick eines feinen Schnittes durchaus ähnlich dem aus einer Kieferdrüse genommenen: rundliche Säckchen, umsponnen von Blut- capillaren, und die Lichtung der Säckchen sehr eng. Bei der ge- ladenen Drüse hingegen erscheint die Lichtung der Endschläuche sowohl, wie diejenigen der Sammelgänge ausnehmend weit; selbst an den vorhin erwähnten feinen Intercellulargängen ist ein erweiterter oder starkgefüllter Zustand bemerklich. Den Kern sehe ich bald im hinteren, bald im vorderen Ende der Zelle, was wohl auch mit dem Abscheidungsprocess, dem Kommen und Schwinden der Zellen zusammenhängen mag. Noch bemerke ich, dass man einer stärkeren Arterie, aus deren Endverzweigungen die umspinnenden Capillarnetze hervorgehen, im Inneren der Drüse begegnet. Auch werde ich zahlreicher gewun- dener Blutgefässe in der Umgebung der Drüse gewahr, vielleicht zu dem Wundernetz gehörend, welches unter und hinter der Drüse vor- kommen soll 2). Ein Querschnitt durch den Ausführungsgang genommen, lehrt, dass auch er, gleich der Drüse, von reichlichen Lymphbahnen umgeben ist; aber anstatt der derben Sehnenhaut, welche dieselben am Drüsenkörper nach aussen abgrenzt, zeigt sich hier gewöhnliches 1) Fig. 18. 2) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1843, CCCLVI. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 627 Bindegewebe. Die Innenfläche des Ausführungsganges ist im leeren Zustande von faltiger Bildung. Durchgeht man das Bild des Durch- schnittes auf seine Schichten, so erblicken wir zuäusserst eine haut- artige Abgrenzung von Bindegewebe; dann kommen die Räume der Lymphbahnen, deren Bindegewebe sich einwärts verdichtet zu jener Haut, welcher das Epithel: aufsitzt. Letzteres scheint sich in nichts von dem der Drüsenschläuche zu unterscheiden. Innerhalb des binde- gewebigen Fachwerkes der Lymphbahnen verlaufen zahlreiche Blut- gefässe!). Schliesslich mag aufmerksam gemacht sein, dass man den Ge- sammtbau der Giftdrüse zuerst am besten an wohl erhaltenen Wein- geistexemplaren untersucht und dann erst für die histologischen Einzelheiten das frische Thier zur Hand nimmt. 2. Sandviper (Vipera ammodytes, L.) Die Glandula venenata dieses seit alter Zeit?) wegen der Stärke seines Giftes berüchtigten Thieres ist umfänglicher als jene der Vipera berus; auch die Beissmuskeln sind in Uebereinstimmung damit dicker; was beides zusammenwirkt, um den Kopf nach hinten zu verbreitern, so dass er durch ausgesprochene herzförmige Gestalt sich vom Halse absetzt. Ä Auch hier fällt uns zuerst wieder das Jochband?°) in die Augen. Dasselbe lässt sich, da wo es über der Drüse die sehnige Umhül- lung derselben bildet, derart fassen und aufheben, dass man schon auf diese Weise gewahrt, es sei die sehnige Hülle der Drüse nur das flächenhaft gewordene Band). Das vordere Ende des Jochbandes 1) Metaxa, Monografia de’ Serpenti di Roma etc., 1823, sagt vom Aus- führungsgange: »canale escretorio si dilata in una vescichetta, e quindi ritorna al suo diametro.« Eine Angabe, welche sich wohl auf den durch das Secret erweiterten Zustand beziehen mag. 2) »Pausanias donne une description, que n’eut pas mieux faite un erpetologiste. »Bory de St. Vincent, Exped. de la Moree. — Auch scheint das Benehmen dieser Schlange ein anderes, augreifenderes zu sein, als das unserer Kreuzotter. Germar wenigstens in seiner Reise nach Dalmatien bemerkt, die Schlange sei gegen ihn unvermuthet in die Höhe gefahren und habe ihm dadurch keinen geringen Schrecken eingejagt. 3) Fig. 9, d. 4) Fig. 9, b. 628 Dr. F. Leydig: verliert sich fadendünn am Öberkiefer; das hintere, welches dicker ist, geht zur Verbindungsstelle des Unterkiefers mit dem Quadrat- bein. Die sehnige Umhüllung der Drüse selbst aber hat noch drei kurze ligamentöse Ausläufer zu ihrer Befestigung; ein vorderer oberer heftet sich an den knöchernen hinteren Aussenrand , ein hinterer oberer wendet sich rückwärts zum Gelenkstück des Mastoideum; ein unterer, den beiden gegenüberliegender, tritt in Verbindung mit der häutigen Wand der Rachenhöhle. | Von den Beissmuskeln geht die oberste Partie des im vor- deren Theile der Schläfengrube liegenden Musculus temporalis zur Innenseite der Drüse, um sich an die sehnige Umhüllung anzusetzen; eine tiefere Lage zieht hinab zum Unterkiefer. Ihre Hauptmuskel- masse erhält aber wieder die Drüse durch den Musc. masseter, welcher mit seinem Ursprung die Drüse von aussen, innen und hinten völlig umfasst, um dann erst hinab zum Unterkiefer zu steigen. Aus der Drüse selber kam nach dem Einschneiden eine weiss- liche Flüssigkeit zum Vorschein, deren Trübung, wie das Mikroskop lehrt, durch dreierlei Elemente hervorgebracht wurde: 1) durch zahl- reihe Molecularkörnchen; 2) durch grössere rundliche Körperchen, deren Umriss die Lichtbrechung zwischen Fett und Eiweiss einhielt; 3) waren von der Drüsenwand abgelöste Epithelzellen der Flüssig- keit beigemischt. Von den übrigen Kopfdrüsen sind sowohl die Glandulae la- biales des Ober- als auch jene des Unterkiefers vorhanden, er- scheinen aber für das freie Auge nur als schmale Streifen; wobei immerhin deutlich wahrzunehmen ist, wie die Gl. labialis superior um die knorpeligen Nasenkapseln herum nach vorne geht und an der Schnauze eine Gl. rostralis erzeugt. Auch die Glandulae linguales sehe ich deutlich. Die vordere paarige Drüse ist etwas kleiner als bei Tropidonotus natrix und auch weniger härtlich. Jede Drüse hat etwa ein Halbdutzend Ausfüh- rungsgänge, deren Oefinungen innerhalb des muschelig ausgehöhlten Vorsprunges liegen, in welchem die Zungenspitze spielt. Das hintere Ende der Drüse wird von einem Muskel in gleicher Weise umfasst, wie es oben bezüglich der Ringelnatter dargelegt wurde. Die hintere oder unpaare Zungendrüse stellt wieder einen weisslichen Längs- streifen dar, welcher sich aus mehreren Gruppen zusammensetzt; und letztere bestehen aus den einzelnen Follikeln, wovon abermals jeder für sich ausmündet. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 629 Die Nickhautdrüse (Glandula membranae nietitantis), an welcher, wie oben gezeigt, die Speciesverschiedenheiten so gerne zu Tage treten, bietet auch hier Abweichendes gegenüber derjenigen der Vipera berus. Vom eigentlichen Körper der Drüse, dessen vorderes Ende sich schwanzartig auszieht, löst sich das hintere Ende, wel- ches klein und von lappigem Umriss ist, auch nur wenig hinter dem Augapfel frei hervorragt, von der übrigen Drüse fast völlig ab, so dass dieses Stück bloss durch einen Verbindungsgang, welchem eine ganze Strecke weit begleitende Follikel fehlen, mit dem übrigen Drüsenkörper zusammenhängt. il. Allgemeines über den Bau. - +. Umriss und Gliederung der Kopfdrüsen. Allen den im Obigen abgehandelten Drüsen ist ein binde- gewebiges Gerüst gemeinsam, innerhalb dessen die Blutcapillaren, nicht selten in noch ganzer Füllung antrefibar, umspinnende Netze bilden. Die innerste, homogene Grenzhaut oder sog. Tunica propria tritt namentlich an der erhärteten Drüse immer scharf hervor; das bindegewebige Gerüst als Ganzes zeigt sich bald zarter und nach- giebiger, bald fester und dichter, was hauptsächlich die auffälligeren Unterschiede bedingt, welche die einzelnen Drüsen hinsichtlich ihrer Härte oder Weichheit darbieten. Das nach einwärts vom bindegewebigen Gerüst gelagerte Epithel oder die Seceretionszellen zeigen abermals nach ihrer feineren Beschaffenheit Unterschiede, welche offenbaren, dass die Absonde- rungen der Kopfdrüsen nicht ganz von einerlei Art und Wirkung sein können. Es lässt sich folgende Eintheilung durchführen: a) Schleimdrüsen; dazu gehören die Zungendrüsen, die Kieferdrüsen, die Nasendrüse. b) Speicheldrüsen; diese werden vorgestellt von dem be- sonderen weissgelblichen Lappen der Oberkieferdrüse der giftlosen Schlangen. Das Epithel erinnert an die Zellen der Labdrüsen im Magen, und die Beobachtung lebender Thiere lehrt, dass ihr Spei- chel schon eine bedeutende Verdauungskraft besitzen müsse. ec) Giftdrüse; das Epithel ist hier im Gegensatz zu dem- jenigen der Speicheldrüsen glashell, aber trotzdem zeigt das Secret 630 Dr. F. Leydig: oder das Gift mit dem Speichel darin Verwandtschaft,‘ dass hier die verdauende Kraft aufs höchste gesteigert ist, wie denn auch der Leichnam vergifteter Thiere sehr schnell in Fäulniss übergeht !). d) Die Nickhautdrüse nimmt ebenfalls eine besondere Stel- lung ein, ohne dass ich über ihre physiologische Leistung bis jetzt nähere Anhaltspunkte besässe. Bemerkung. An diesem Orte mag eingeschoben werden, dass bei Sauriern ebenfalls an gewissen Kopfdrüsen, indem das Epithel seine Natur ändert, besondere Partien sich abheben. Ich habe dieses Verhalten bereits von Lacerta angezeigt?) und füge jetzt hinzu, aass auch Anguis fragilis sich in ähnlicher Weise verhält. An der Unterzungendrüse, welche wie bei der Eidechse gelagert und mit zahlreichen nach einwärts gegen die Zunge gerichteten Mündungen versehen ist, zeigen sich die zwei hinteren Drittel entschieden dunkel gefärbt; der vordere Theil allein bleibt hell. Dieser Unterschied rührt, was die Untersuchung der frischen Drüse in Speichel kennen lehrt, davon her, dass der Inhalt der Epithelzellen von verschiedener Beschaffenheit in den beiden Portionen ist. Selbst an der Unter- lippendrüse sind zwischen die hellen Follikel dunkelkörnige einge- fügt. Immerhin will es mir vorkommen, als ob diese dunkeln, fürs freie Auge weisslichen Partien sich durch einen mehr grobkörnigen Inhalt der Zelle von der feineren und gleichmässiger dichten Körnchen- masse der Oberlippendrüse (Speicheldrüse) der Schlangen unterscheiden. Nach dem Gesammtaufbau zerfallen die Kopfdrüsen der Ophidier in solche, welche a) aus gesellig verbundenen, dicht beisammen stehenden und einzeln für sich ausmündenden Säckchen oder Schläuchen bestehen. (Follieuli aggregati). Oder es vereinigen sich: b) die Schläuche oder Säckchen gruppenweise zu einer gemein- samen Oeffnung (Folliculi compositi); die Drüse als Ganzes besitzt dann so viele Ausführungsgänge, als solche Gruppen vorhanden sind. Endlich: 1) Schon frühere Schriftsteller, z. B. Rudolphi, Grundriss der Physio- logie, 1830, Abth. II, S. 61, haben auf die auflösende Kraft des Speichels und Giftes der Schlangen im Besonderen hingewiesen. 2) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 8. 112. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier., 361 c) alle Follieuli compositi der Drüse sitzen einem einzigen Aus- führungsgang auf. Zu der ersten Form gehört die hintere unpaare Zungendrüse (Gl. lingualis posterior); die zweite Art wird vorgestellt von der vorderen paarigen Zungendrüse (Gl. lingualis anterior) und den Ober- und Unterkieferdrüsen (Gl. maxillaris superior et inferior). Endlich die Glandula membranae nictitantis und Gl. venenata haben den Bau der dritten Form. Die beiden ebengenannten Drüsen zeigen sich noch insofern ver- schieden, als bei der Giftdrüse trotz ihrer Besonderheiten die Art der Verzweigung des Ausführungsganges der baumförmigen Ver- ästelung sich nähert. Da nun das letztere Verhalten auch in den Schleim- und Speicheldrüsen herrscht, so können Querschnitte, namentlich der frischen Drüse entnommen, Bilder geben, welche mit denen der Speicheldrüsen übereinstimmen. Die Nickhautdrüse hingegen besitzt bei unsern Schlangen den Bau, welchen Joh. Müller von der „Thränendrüse‘“ der Schild- kröte zuerst beschrieben und abgebildet hat. Die scheinbar solide Drüsenmasse besteht aus federbuschartig zusammengestellten Blind- därmchen, welche gruppenweise mit gemeinsamem Stiel in den im Inneren verlaufenden Hauptcanal übergehen, ‚wie das Laub der Moose zu ihren Stengeln sich verhaltend‘“, kann man mit Müller zur Verdeutlichung hinzusetzen. 2. Giftgang. — Giftbehälter. Ueber das vordere Ende des Giftganges und seine Beziehung zum Giftzahn scheinen nicht Alle, welche über diesen Punkt geschrieben, eine ganz richtige Vorstellung zu haben. Blumenbach!) bemerkt, der Giftzahn sei im Grund als der wahre knöcherne ductus excre- torius der „Giftblase“ anzusehen; auch Rapp?) sagt: „der Gift- zahn ist als ein knöcherner Ausführungsgang des Giftes zu betrachten“ — Ausdrucksweisen, welche man im bildlichen Sinn wohl gelten lassen darf. Wenn aber Andere, z.B. Bergmann und Leuckart?) sich 1) Handbuch der vergleichenden Anatomie, Göttingen 1805, S. 104. 2) In der Dissertation Bächtold’s: Untersuchungen über die Giftwerk- zeuge der Schlangen, Tübingen 1843. 3) Vergleichende Anatomie und Physiologie des Thierreichs. Stuttgart 1852. 632 Dr. F. Leydig: äussern wie folgt: „Der ausführende Canal der Drüse tritt in einen Zahn ein und öfinet sich an diesem, so dass man sagen könnte: der Ausführungsgang besitze ein zahnförmiges Ende“, so ist diese Darstellung entschieden irrig. Der Ausführungsgang der Drüse tritt keineswegs in den Zahn ein, sondern hört in der Schleimhaut des Mundes auf; daher entspricht es einem wahren Sachverhältniss, wenn Meckel!) bemerkt, dass die Mündung des Ausführungsganges „gegen- über der Oeffnung an der Zahnwurzel liege‘, wie denn eigentlich schon Fontana dieses richtig erkannt und veranschaulicht hat. Da es sich im Allgemeinen bei Giftapparaten darum handelt, dass im gegebenen Augenblicke gleich eine gewisse Menge fertigen Secretes zum Abflusse bereit sei, so treffen wir da und dort in der Thierreihe, z. B. bei den mit einem Giftstachel versehenen Hymen- opteren, ähnlich auch an den Analdrüsen der Käfer und Orthop- teren, einen Giftbehälter, in dem das aus der eigentlichen Drüse stammende Secret sich anhäuft. Schon am Giftapparat der Spinnen sehen wir aber, dass durch Erweiterung des Drüsenraumes selber, das Vorhandensein eines besonderen Behälters überflüssig werden kann. In vergleichbarer Weise gestalten sich die Dinge bei unseren Schlangen: die Giftdrüse zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, dass alle Drüsengänge und Röhren sich sehr ausweiten können; selbst der Hauptausführungsgang besitzt im Verhältniss zur Grösse der Drüse eine sehr umfängliche Lichtung und zeigt sich daher im leeren Zustand nach innen stark gefaltet. Auf solche Weise scheint dafür gesorgt zu sein, dass Mengen fertigen Giftes, ohne einen besonderen Behälter erforderlich zu machen, zum Gebrauch stehen. 3. Intercellulareanäle. Meine obigen Mittheilungen über die feinen Canäle zwischen den Zellen der Schleim- und Speicheldrüsen, sowie an der Giftdrüse und der Nickhautdrüse zeigen, dass die Structurverhältnisse, welche bei den Säugethieren zuerst Langerhans am Pancreas, Sa viotti und Gianuzzi an demselben Organ, Pflüger und Ewaldan den Speicheldrüsen erkannt haben, auch an den Kopfdrüsen der Schlan- gen allgemein vorkommen. Aber entgegen den genannten Beobach - tern, welche ein wirkliches Canalsystem zwischen den Epithelzellen 1) System der vergleichenden Anatomie, Halle 1829, 4. Theil. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 633 annehmen, finde ich durchaus, dass diese feinen ‚Secretionsröhrchen“ einfach als Verlängerungen der Lichtung des Acinus und somit gleich diesem als reine Intercellulargänge anzusehen sind. Ich bin der Meinung, dass auch zwei ältere Beobachtungen über den feineren Bau der Leber bei Muscheln hierher zu stellen seien und uns jetzt verständlicher werden. Heinrich Meckel!) nämlich theilt mit, dass bei Anodonta das Epithelium die Leberblinddärmchen nicht ringsum bekleide, sondern Längsstreifen frei lasse, allwo die Tunica propria unbekleidet sei. Er gibt davon eine Abbildung und erläutert diese ‚merkwürdige Anordnung des Epithels“ noch näher. Nach meinem Dafürhalten sind die Streifen als Längslücken und Wurzeln der Lichtung in den einzelnen Blindschläuchen zu deuten. — Die andere Beobachtung bezieht sich auf Cyclas. Dort finden sich faden- förmige Gebilde zwischen den Leberzellen, von denen ich?) gezeigt habe, dass sie ein Secret vorstellen, welches sich in Räume oder Spältchen zwischen die Zellen abgeschieden hat. Betrachtet man die von mir gegebene Abbildung’), so darf angenommen werden, dass es sich um die gleichen Lückenräume handelt, welche bei den Kopfdrüsen der Schlangen sich finden und zum Unterschiede hier bei Cyelas nicht von flüssigem, sondern von einem festeren Secret erfüllt sich zeigen ®). 4. Muskeln der 6iftdrüse. Auch in Anbetracht der contractilen Elemente lassen sich Vergleiche im Bau zwischen der Giftdrüse der Schlangen und 1) Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Thiere, Archiv f. Anat. und Physiol. 1846, S. 10. 2) Ueber Cyclas cornea, Archiv f. Anat. u. Physiol. 1855, S. 49. 3) a. a. ©. Tab. VI, Fig. 9. 4) Mit grossem Interesse durchgehe ich eine eben aus dem Wiener phy- siologischen Institut erschienene Arbeit von Latschenberger: Ueber den Bau des Pancreas, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad., Maiheft 1872. Der Verfasser bedient sich der Injectionsmethode und kommt bezüglich der Bauchspeichel- drüse zu dem Ergebniss, dass man es nicht mit radiären Canälen und Netzen von Canälen zu thun habe, sondern mit einem Netzwerk von Räumen zwischen den Epithelialzellen, in welehe die Injeetionsmasse eindringen könne. Man sieht, meine Untersuchungen, obschon ich mich der Injeetion nicht bediente, sondern nur der gewöhnlichen mikroskopischen Zergliederung, haben mich im Hinblick auf die Kopfdrüsen der Schlangen zu der gleichen Anschauung geführt. 634 Dr. F, Leydig: jener der Arthropoden, sowie der Analdrüsen anstellen. Es wurde oben ausdrücklich bemerkt, dass die Giftdrüse keine „besondere“ oder ihr eigene Muskelhülle habe, wohl aber eine solche von Seite der Beissmuskeln bekomme; es ist durchaus unrichtig, wenn Andere von Muskelfasern sprechen, welche „in die Hülle eingetragen“ seien. Bei meinen Studien über die Anatomie der Inseeten hatte ich es als eine auffallende Erscheinung zu bezeichnen, dass der Gift- behälter der Biene (Weisel und Arbeitsbiene) ohne Muskelbeleg ist. Hier muss demnach ebenfalls die Entleerung durch die Lage des Behälters zur Musculatur der Umgebung bewirkt werden !). Anders bei der nahestehenden Wespe und Horniss; dort weist dasselbe Organ eine ihm eigens zugehörige starke Muskelhülle auf?). Was die Schleim- und Speicheldrüsen anbelangt, so wurden von mir musculöse Elemente in ihrer Wand vermisst. Anmerkung. An den Schweissdrüsen verschiedener Säuge- thiere habe ich eine besondere aus glatten Elementen bestehende Muskellage beschrieben®) und abgebildet®). Es ist nicht schwer, sich von ihrer Anwesenheit zu überzeugen; auch hat sie jüngst Schöbl°) bei Fledermäusen und dem Igel wieder gefunden ®). — An den grösseren Hautdrüsen des Frosches hatten Hensche und ich längst die glatten Muskeln nachgewiesen’); Ciaceio®) erkannte sie zuerst auch an den kleinsten Drüsen, allwo ich sie später eben- 1) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1859. S. 24. 2) ebendaselbst S. 26. 3) Ueber die äusseren Bedeckungen der Säugethiere, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. 4) a. a. O0. Taf. XX, Fig. 9 (Schweissdrüsen der Fledermaus). 5) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 7, Bd. 8. 6) Der Verfasser einer »Erstlingsarbeit« über die Hautdrüsen einiger Säugethiere (Dorpater Inauguraldissertat. 1871) trägt vor Kurzem die Weis- heit vor: »Ich muss die Existenz der glatten Muskelfasern in den Wänden der Schweissdrüsen sowohl und in den Analdrüsen, als auch sonst in der übrigen Haut durchaus in Abrede stellen.« 7) Histologie, 1857. 8) Interno alla minuta fabbrica della pelle della Rana esculenta, Pa- lermo, 1867, Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 635 falls sah und von Bufo cinereus abbildete !); das Jahr zuvor?) beschrieb ich die Musculatur der Hautdrüsen des Erdmolches (Salamandra maculosa). — Bei diesen Untersuchungen stellte sich mir aber nach und nach die merkwürdige Thatsache heraus, dass die Lage glatter Muskeln keineswegs in der bindegewebigen Haut der Drüse, in ihrem Gerüst, sondern nach einwärts von dieser, zwischen ihr und dem Epithel, ausgebreitet sei. Bereits in meiner Arbeit über die Anal- drüsen der Säugethiere?) hatte ich dies Verhalten wahrgenommen, aber beinahe misstrauisch gegen die eigene Beobachtung, blos ge- sagt: Die glatten Muskelfasern „scheinen“ unmittelbar unter den Drüsenzellen zu liegen. Und so habe ich denn auch später in Wort und Bild*) die Muskellage der Schweissdrüsen nach aussen von der Tunica propria verlegt. Als ich dann nach längerer Unterbrechung die Hautdrüsen der Molche wieder aufnahm, überzeugte ich mich von der Richtigkeit meiner ersten Auffassung; ich veröffentlichte darüber das Einzelne und gab zur Versinnlichung des histologischen Baues auch den Querschnitt einer grossen Hautdrüse der Salamandra maculosa5). Auch liess ich nicht unerwähnt, dass ich mich jetzt „von diesem Lagerungsverhältniss bei verschiedenen Säugern, zuletzt noch an den Schweissdrüsen des Rindes überzeugt habe.‘ Dass auch an den kleinsten Hautdrüsen der Batrachier dasselbe wieder- kehre, wies ich mit Abbildungen an der gemeinen Kröte (Bufo ci- nereus) nach: die zu einer förmlichen Muskelhaut dicht zusammen- schliessenden Faserzellen liegen nach innen von dem Epithel, zwi- schen diesem und dem bindegewebigen Gerüst ®). Von allen diesen meinen Mittheilungen hat, wie es scheint, der Verfasser eines aus dem physiologischen Institut der Wiener Uni- versität hervorgegangenen Aufsatzes nichts gewusst, als er eine „regelmässige Längsfaserschicht, deren Elemente ganz organischen Fasern gleichen“ unmittelbar hinter dem Cylinderepithel der Drüsen erkannte und sie „vorläufig“ für Muskelfasern anspricht’). 1) Organe eines sechsten Sinnes. Nov. act. acad. Leop. Carol. 1868. 2) Die Molehe der württemb. Fauna. Archiv f. Naturgesch. 1867. 3) Zeitschrift f. wiss. Zoologie, 1850. 4) Histologie, 1857, S. 74. 5) a. a. O. Molche d. württemb. Fauna, Tab. VI, Fig. 27. 6) a. a. O. (Organe eines sechsten Sinnes), Fig. 3. 7) Die Circumanaldrüsen des Menschen. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. Jahrg. 1871, math. naturwiss. Classe, II. Abth. S. 329. 636 Dr. F. Leydig: Endlich sei noch bemerkt, dass ich bereits!) aus diesem Lage- rungsverhältniss der Muskeln zu den Secretionszellen auf zwei Punkte hindeutete. Einwal, dass in morphologischer Hinsicht die Muskelzellen aus umgewandelten tiefsten Epidermiszellen hervor- gegangen sein müssen; zweitens, dass in physiologischer Beziehung gewissen Zellen der Oberhaut ein stärkerer Grad von Contractilität allgemeiner zukommen möge, wofür z. B. auch die Gestaltverände- rungen der verästelten Pigmentfiguren sprächen. 5. Nerven der Drüsen. Was ich über diese Elemente, insofern sie zu unsern Drüsen Bezug haben, in Erfahrung bringen konnte, habe ich oben, hauptsäch- lich bei Coronella laevis, mitgetheilt. Man entnimmt daraus, dass ich nicht im Stande bin, die Pilüger’schen Angaben für die Schlan- gen zu bestätigen. Es ist mir gegangen wie manchem Andern, der sich vergeblich bemüht hat, die, wären sie richtig, so höchst be- deutsamen Erfunde des Physiologen in Bonn, sich zugängig zu machen. A. B. Meyer?) erklärt, er habe in den Giftdrüsen der Schlangen zwar breite, markhaltige Nervenfasern gesehen, allein ihre Endigungen nicht. Und er setzt ausdrücklich hinzu, dass er durch ausdauernde und mühsame Untersuchungen bestrebt gewesen sei, die Pflüger’schen Nervenendigungen genau nach seiner Vorschrift aufzufinden, allein mit durchaus negativem Erfolg. — Will man ein- wenden, dass die Darstellungen Pflüger’s sich nicht auf die Spei- cheldrüsen der Schlangen, sondern der Säugethiere beziehen, so darf ich auf die ausführliche Abhandlung Sigm. Mayer’s?) verweisen, welcher die Speicheldrüsen der Säuger offenbar gründlich und vor- urtheilsfrei untersucht hat. Anstatt aber die fraglichen Angaben bestätigen zu können, sieht auch er sich genöthigt, die Hauptsachen, um welche es sich handelt, in Zweifel zu ziehen; ‚ich weiss keinen Grund hiefür anzugeben, warum ich Bilder, wie sie Pflüger ab- bildet, niemals an Osmiumsäurepräparaten gesehen habe“, bemerkt unser Kritiker. 1) a. a. ©. (Molche d. württ. Fauna, Separatausgabe) S. 89, Anmerkung. 2) Ueber den Giftapparat der Schlangen, Berlin 1869, 5. 18. 3) Einige Bemerkungen über die Nerven der Speicheldrüsen, Archiv f. mikrosk. Anatom. 1870, Bd. 6, S. 100. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 637 Gegenüber dem Mangel an Zustimmung von Seite deutscher Beobachter fühlt sich Prof. Pflüger vielleicht entschädigt durch den Beifall, welchen italienische Anatomen seinen „Entdeckungen“ schen- ken. So theilt Prof. Panceri gelegentlich mit, dass ihm sein College Palladino die Pflüger’schen Angaben bekräftigt habe '); nicht minder gedenkt Prof. Todaro derselben in einer Weise, welche zeigt, dass er an ihrer Richtigkeit nicht zweifelt?). Auf eine Widerlegung der Ansicht, dass die oben erwähnten, ein feines Lückensystem vorstellenden Streifen zwischen den Epithel- zellen, Nervenenden seien, einzugehen, halte ich für überflüssig. 6. Lymphräume. Sowohl die Speicheldrüsen, als auch die Giftdrüsen sind ganz oder theilweise von weiten Lymphbahnen umgeben. Dem, was oben über den Gegenstand bereits vorgebracht wurde, möchte ich an dieser Stelle noch hinzufügen, dass am Kopf der Vipera ammo- dytes die Haut sich in ähnlich lockerer und loser Weise hernm- schlägt, wie die Haut bei Fröschen und Kröten, so dass sie an ge- nannter Schlange bis zur Nasenwarze aufhebbar ist. Durch die in solcher Art erzeugten Lymphräume erstrecken sich Scheidewände, welche bestimmte Linien einhalten; auf dem Hinterkopf z. B. ent- steht ein mittlerer Strich mit nach hinten gewendetem Gabelende. Schon bei Vipera berus ist die Haut am Vorderkopf angeheftet und blos hinten frei. Endlich bei den ungiftigen Arten schliesst sich die äussere Haut am ganzen Scheitel und Hinterhaupt fest an. — Bei Tropidonotus natrix sehe ich nach oben und einwärts vom Auge, sowie unter dem Auge weite Lymphbahnen herumziehen, in denen man auch noch durch den Weingeist geronnene Lymphe in grösserer Menge antreffen kann. Blickt man auf die nähere Beschaffenheit Mae Lymphräume, so erstrecken sich ausser den grossen Scheidewänden noch feinere 1) »Le ricerche di Pflueger, le quali mi & noto aver confermate il col- lega Prof. Paladino etc.«, Bulletino dell’ associazione dei naturalisti e mediei per la mutua istruzione. Napoli, Luglio 1871, p. 83. 2) Sulla struttura dei plessi nervosi. Prolusione al corso d’anatomia de- serittiva nella universita di Roma, 1872, p. 10. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 41 638 Dr. F. Leydig: und feinste, säulchenartige Bindegewebsstränge durch die Hohlgänge. Die Säulchen sind aussen umkleidet von jenem zarten Epithel, wie man es aus solchen Orten kennt. Am Hinterkopf der Sandviper sehe ich ferner, ganz ähnlich wie am Rücken der Frösche, feine Nerven durch die Lymphbahnen zur Haut treten ; sie selber und die begleitenden Blutgefässe liegen dann im Inneren eines solchen, jetzt längeren, bindegewebigen, von Epithel überzogenen Stranges. Und ähnlich wie bei Fröschen an gleicher Stelle eine innere helle Zone sich von der lockeren Umhüllung deutlich abhebt, so auch hier bei den Schlangen. Ich habe schon oben bei Coronella laevis, als von den Lymphräumen die Rede war, welche die Lippendrüsen umgeben, bemerkt, dass, ich die innere helle die Nervenfasern umziehende | Zone einem Lymphraume vergleiche, obschon ich beisetzen will, dass ich bisher niemals Lymphkügelchen darin wahrgenommen habe. Innerhalb der Räume kann endlich auch Iymphdrüsen- artige Substanz sich entwickeln. So sah ich bei Vipera ammo- dytes eine solche in Form einer weichen weissgrauen Masse mitten auf dem Schädel, die, indem sie weiter sich ausdehnte, hiebei in Inseln zerfiel. Die gleiche Substanz liess sich schon ohne Mikroskop in dem das Auge umziehenden Lymphraum erkennen (Tropidonotus natrix, Vipera berus). Histologisch geprüft bestand die Masse immer aus einem feinfaserigen Fachwerk mit eingelagerter dicht feinkör- niger Substanz, der auch — um den Augapfel bei V. ammodytes herum — Fettmolecule und selbst grössere Fettpünktchen beigemischt sein konnten. Ich habe bereits an einem anderen Orte!) in Erinnerung zu bringen mir erlaubt, dass die lymphdrüsenartige Substanz längst von mir wahrgenommen und in ihrer Bedeutung erkannt worden war, ehe sie von Anderen zum zweitenmal ‚„entdeckt‘‘ und mit neuen Namen eingeführt wurde. Auch die „weiche pulpöse Masse“, welche ich seiner Zeit?) aus der Schädelcapsel des Störs beschrieb und schon damals den Lymphdrüsen anreihte, gehört hierher. Anmerkung. Die Lymphbahnen der Reptilien (und wohl der Wirbelthiere überhaupt) gemahnen in ihrem Bau lebhaft an die Blut- lacunen der Wirbellosen, insbesondere der Arthropoden. Hier wie dort handelt es sich um Räume in der Bindesubstanz. Bei ersteren 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 9. 2) Anat. histol. Untersuchungen über Fische und Reptilien, 1853, S.5. \ Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 639 durchspannen derbere Säulchen oder Balken die Hohlgänge und halten die Hauptblätter der Lymphbahnen zusammen; bei den Ar- thropoden treten als gleichwerthige Bildungen die „säulenartigen Commissuren‘“ oder „Stützbalken‘‘ auf, welche ich von verschiedenen Thieren dieser Gruppe beschrieben habe!). IV. Deutung der einzelnen Drüsenpaare. 1. @landulae labiales. Man hielt bekanntlich ehemals die kleinen Drüsen, welche bei Säugethieren und dem Menschen in der Schleimhaut der Lippen, der Backen, des Gaumens vorkommen, ebenso gut für „Speichel- drüsen“, als die Ohr-, die Unterkiefer- und die Zungendrüse. Nach und nach aber wurde man auf gewisse Unterschiede aufmerksam, wesshalb man die ersteren von den Speicheldrüsen trennte und als Schleimdrüsen bezeichnete. Unseren Tagen war es vorbe- halten, durch die genauere Untersuchung der histologischen Beschaf- fenheit der drüsigen Elemente den Nachweis zu liefern, dass die Glandula Parotis allein die eigentliche oder specifische Speicheldrüse sei, hingegen die Glandula submaxillaris und die Gl. sublingualis zu den Schleimdrüsen gehören. Die Auffassung in der Gegenwart nimmt somit eine Mittelstellung ein zwischen der Weise, wie die früheste Zeit die fraglichen Drüsen ansah und’wie man sie später ordnete. Ich habe vor längerer Zeit die Speicheldrüsen der Insecten einer näheren Prüfung unterworfen und erlaube mir desshalb daran zu erinnern, weil dort, wenn mehrere Paare bei einem und demselben Thiere vorkommen, die „Speicheldrüsen‘‘ alsdann in Form und Structur ganz verschieden von einander sind. Die Sonderung, welche somit bei Wirbelthieren erst nach und nach erkannt wurde, ist für die Insecten bereits vor Jahren von mir in bestimmter Weise nach- gewiesen worden ?). Dass nun die unter dem Namen „Kopfdrüsen‘‘ zusammenge- 1) z. B. aus den Flügeldecken der Käfer, Archiv f. Anat. u. Phys. 1855, S. 386; von Krebsen, Naturgesch. d. Daphniden, 5. 18, S. 57. 2) Zur Anatomie der Insecten, Archiv f. Anat u. Phys. 1859, 8. 27. 640 Dr. F. Leydig: fassten und oben nach ihren Einzelheiten erörterten Organe der Schlangen keineswegs von gleicher, sondern von verschiedener Natur sind, kann nicht bezweifelt werden. Schon Rudolphi!) scheidet sie in Schleimdrüsen und Speicheldrüsen. Zu den ersteren rechnet er die Kieferdrüsen, zu den letzteren die Giftdrüsen. Ebenso erklärt sich Meckel?) dahin, dass die Kieferdrüsen den Lippen- und Wangendrüsen entsprechen, die Giftdrüse aber nach Lage und Ein- mündung die Parotis der Säuger wiederhole. Die Unterzungendrüsen den gleichnamigen der höheren Wirbelthiere an die Seite zu stellen, konnte man als selbstverständlich annehmen. Da bald die Bezeichnung ‚‚Kieferdrüsen‘“, bald jene von „Lippen- drüsen“ für die Schleimdrüsen der Schlangen beliebig gebraucht wird, so möchte es nicht überflüssig sein, darauf hinzuweisen, dass die „Oberkieferdrüsen‘“ doch nur den Lippen-, Wangen- und Jochgruben- drüsen der Säuger vergleichbar sind. Ferner, dass die „Unter- kieferdrüse‘“ nicht auf die Glandula submaxillaris der Säuger bezogen werden könne, sondern wieder lediglich auf die Glandulae labiales. Die Glandula submaxillaris der Säuger hat ihre Lage im Intermaxil- larraum; die Drüsen der Schlangen liegen nach aussen von den Kie- fern. Die Glandula submaxillaris der Säuger besitzt einen einzigen Ausführungsgang (Ductus Whartonianus); die Drüsen der Schlangen, gleich den Lippendrüsen der Säuger, zeigen eine ganze Anzahl von Ausführungsgängen. Die besondere, abgegrenzte Partie dieser Drüsen an der Schnauze der Schlangen kann man gewissen ähnlich ent- wickelten Partien bei Säugern, z. B. der Flotzmauldrüse des Rindes, vergleichen. Aus solcher Erwägung der Verhältnisse geht aber her- vor, dass die Meckel’sche Benennung: „Lippendrüsen‘ die richtigere ist, und man daher den Namen „Kieferdrüsen‘“ einziehen sollte. 2. Glandulae linguales. Die Zungendrüsen der Schlangen liegen wie diejenigen der Säuge- thiere im Intermaxillarraum: Die vordere paarige lässt sich etwa jener vorderen Zungendrüse verschiedener Säuger vergleichen, welche (z. B. beim Rind, Schwein) mit einem einzigen Gang (Ductus Bartho- 1) Grundriss der Physiologie, 1830, S. 53. 2) Archiv f. Anat. u. Phys., 1826 u. System d. vergl. Anat, Bd. IV, 1829. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 64l lini) ausmündet; bei den Schlangen sind zwar mehrere Gänge vor- handen, sie münden aber sehr nahe beisammen auf einem musche- ligen Vorsprung. — Die unpaare hintere Drüse könnte man, wenn wir überhaupt die ganze Betrachtungsweise für zulässig halten, der ebenfalls hintern Partie der Säuger, welche zahlreiche Ausführungs- gänge (Ductus Rivini) hat, entsprechen lassen. \ Bemerkung. Bei den Batrachiern ist aus der Gruppe der Lip- pendrüsen blos die von mir beim Frosch !), Triton und Salamander ?) aufgefundene Schnauzendrüse vorhanden, welche ihr Gegenüber in der Glandula rostralis der Schlangen hat. Die einheimischen Saurier, Lacerta und Anguis, haben keine Oberlippendrüsen, wohl aber die Unterlippendrüse, welche bei Anguis entwickelter ist als bei Lacerta. — Die Unterzungendrüse, in den beiden Gattungen vorhanden, scheint der vordern oder paarigen Zungendrüse der Schlangen zu entsprechen. 3. 6Glandula nasalis. Die Nasendrüse der Schlangen ist offenbar dieselbe Bildung, welche man unter gleichem Namen bei Vögeln und Sauriern kennt. Ich habe sie von Lacerta und Anguis beschrieben’). 4. Glandula venenata. Von besonderer Wichtigkeit bleibt die Frage, wie morphologi- scherseits die Giftdrüse anzusehen sei. Meckel liess es sich schon sehr angelegen sein, hierüber ins Klare zu. kommen. Man gewahrt aus seinen Darlegungen, dass er bereits nahe daran war, die Giftdrüse als „Modification der Lippendrüse“ anzusehen und davon abzuleiten; hätte er den Bau;der Oberlippendrüse etwa von unserer Ringelnatter genauer gekannt, als es bei ihm der Fall war, so würde er sicher zu den gleichen Schlüssen geführt worden sein, 1) Anat. histol. Unters. üb. Fische u. Reptilien, Berlin 1852, S. 36. 2) Molche der württ. Fauna, Berlin 1867, S. 10. 3) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, S. 95. 642 Dr. F. Leydig: wie sie gegenwärtig von mir gezogen weraen. „Man kann daher nur sagen — lässt er sich vernehmen — dass sich die Giftdrüse auf Kosten der übrigen, besonders der Lippendrüsen entwickelt, weil die Function reichlich durch sie ersetzt wird.‘ Und so stellt Meckel als Erfund seiner Untersuchungen weiter auf: „Die Giftdrüse ist in der That eine eigene, den übrigen, nicht giftigen Ophidiern fehlende Drüse.“ Diesem Ausspruch des berühmten Anatomen gegenüber darf man jetzt behaupten: die Giftdrüse ist keine eigene Drüse, sondern Umbildung eines besonderen Lappens der Oberlippendrüse, und kommt in dieser Form auch den einheimischen, nicht giftigen Schlan- sen zu. Mit anderen Worten: die Gruppe der Schlangen, welche man als Ophidia suspecta zwischen die giftigen und giftlosen zu stellen pflegt, geht ganz unmerklich in die Ophidia innocua über. Dieses Ergebniss meiner Untersuchungen erweitert die Arbeiten Schlegel’s und Duvernoy’s und bringt Zusammenhang in das bisher Beobachtete. Bevor die Abhandlung!) des Ersteren erschienen war, wurden bekanntlich die Schlangen gewöhnlich in zwei grosse Abtheilungen zerlegt, von welchen die erste die unschädlichen, die zweite die gif- tigen enthielt und es schien die Grenze zwischen beiden sehr scharf zu verlaufen. Da entdeckten Reinwardt und Boje an den Arten von Dipsas und Homalopsis (früher Coluber) die Furchenzähne am Ende der Oberkinnlade, und Schlegel, dadurch aufmerksam ge- macht, fand bei diesen Schlangen ‚eine eigene Drüse, ganz von der Beschaffenheit als die gewöhnlichen Speicheldrüsen der nicht gifti- gen Schlangen und am vorderen Ende durch Zellgewebe genau mit der gewöhnlichen Speicheldrüse verbunden, aber leicht von ihr zu trennen.“ Uebrigens getraute sich Schlegel noch nicht zu ent- scheiden, ob die Giftdrüse (der Giftschlangen mit durchbohrten Zähnen) eine eigene, den übrigen Ophidiern fehlende Drüse sei und „ob man nicht vielleicht in der grossen für den hinteren gefurchten Zahn bestimmten Drüse ein Analogon der Giftdrüse finden könne ?“ In seinem späteren grösseren Werk über die Schlangen ?) scheint unser Forscher von dem Gedanken, dieser Lappen der Oberlippen- drüse sei nicht blos physiologisch, sondern auch in morphologischer 1) Untersuchungeu üb. die Speicheldrüsen der Schlangen, Nov. act. acad. Leop. Carol. 1828. 2) Physionomie des Serpens, La Haye, 1837. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 643 Hinsicht der Giftdrüse gleichzustellen, wieder abgekommen zu sein; denn er nennt die Giftdrüse der hohlzahnigen Schlangen „une glande toute partieuliere“ und handelt ohne weitere Nebenbemerkung die mit den Furchenzähnen in Beziehung stehende Drüse bei den „glandes salivaires, qui garnissent les mächoires“ ab. Duvernoy!) war im Stande, nachzuweisen, dass auch noch andere bisher zu den ‚Couleuvres innocentes‘ gerechneten Arten die obige Drüse besitzen; doch drückt auch er sich nicht bestimmt darüber aus, wie er diesen besonderen Lappen der Oberlippendrüse angesehen wissen will. Er nennt die eine wie die andere Giftdrüse und hebt hervor, dass gleich der Drüse bei den hohlzahnigen Schlan- gen, auch die Drüse der furchenzahnigen Thiere von weicher, schwammiger Natur sei, wenig gelappt und nicht körnig wie die gewöhnlichen Speicheldrüsen. Der Unterschied zwischen beiden be- stehe darin, dass die Giftdrüse der hohlzahnigen durch Abänderung eines Theils der Beissmuskeln (temporale anterieur) den contractilen Ueberzug bekomme, was bei der Drüse der furchenzahnigen nicht der Fall sei. An dem, was die einheimischen giftlosen Schlangen hinsichtlich ihres Speichelapparates darbieten, sehen wir bereits die Anfänge jener Bildung, welche bei den Ophidia suspecta sich weiter sondert, um zuletzt bei den Ophidia venenata die echte Giftdrüse entstehen zu lassen. Wir treffen zuerst auf grössere Zähne am hinteren Ende der Oberkinnlade und über ihnen eine Partie der Oberlippendrüse, welche sich in Farbe und äusserer Gliederung, sowie durch einen einzigen Ausführungsgang, endlich durch abweichende histologische Beschaf- fenheit, wesentlich vom übrigen Theil der Oberlippendrüse unter- scheidet. Dieser Abschnitt der Glandula labialis superior entspricht zweifellos der von Schlegel und Duvernoy an Schlangen mit Furchenzähnen beschriebenen Drüse. Und wir dürfen den Schluss, dass auch die Glandula venenata der hohlzahnigen Schlangen das Homologon dieser Drüse sei, um so sicherer ziehen, als die histolo- gischen Eigenschaften der Secretionszellen dieser drei Drüsen andere sind, als diejenigen der Schleimdrüsen. In physiologischer Hinsicht stimmen sie darin überein, dass ihr Secret eine verdauende, in höherem Grade stark zersetzende (vergiftende) Wirkung auf andere thierische Organismen ausübt. 1) Ann. d.sc, nat. 1832, 644 Dr. F. Leydig: Und bringen wir nun weiterhin alle die verschiedenen morpho- logischen und physiologischen Thatsachen, wie sie im Voranstehen- den zur Sprache kamen, in gebührende Erwägung, so müssen sie uns in der Ansicht bestärken, die Giftdrüse, wie schon Rudolphi und Meckel wollten, der Parotis zu vergleichen ; jedoch mit der wesentlichen Ergänzung, dass die gleiche Drüse von den hohlzahnigen Schlangen an, durch die furchenzähnigen hindurch, bis in die Reihen der Schlangen mit einfachen (soliden) Zähnen sich erstreckt. Es gehen bekanntlich bisher die Meinungen sehr darüber aus- einander, ob die Schlangen mit nur gefurchten Zähnen wirklich giftig sind; verschiedene Autoren sprechen sich geradezu dahin aus, dass sie unschädlich seien. Wenn wir nach Obigem wahrnehmen, dass auch die von je als unschädlich geltenden Arten das zweifellose Ho- mologon der „Giftdrüse‘‘ der Schlangen mit Furchenzähnen besitzen, so wird nach anatomischen Gründen, wenn wir von der Furche ab- sehen, wahrscheinlich, dass die Ophidia suspecta im Allgemeinen unschädlich seien. Aber bis zu welchem Grade im Einzelnen, kann doch nur durch den Versuch am lebenden Thier ermittelt werden; denn es mögen hier Abstufungen in der Wirkung des Secretes sich finden, wie bei anderen thierischen Giften. 5. Glandula membranae nictitantis. In Rede stehende Drüse wurde bisher allgemein als Thränen- drüse, Glandula lacrimalis, bezeichnet, eine Deutung, welche ich durchaus bestreite. Ich muss das Organ vielmehr für das Homo- logon der Nickhautdrüse (Harder’sche Drüse) der Vögel und Säugethiere erklären. Die Drüse mündet bei den Schlangen an einer niederen Falte der Bindehaut im inneren Augenwinkel, an der Stelle, wo sich bei den Sauriern ein drittes Lid, die Nickhaut, erhebt. Ich habe erst vor Kurzem wieder unsere beiden einheimischen Gattungen von Sau- riern, Lacerta und Anguis, auf die Ausmündung der Drüse unter- sucht, um die Lücke auszufüllen, welche ich bezüglich dieses Punktes in meiner Schrift über die Eidechsen lassen musste. Die Frage zu beantworten ist übrigens schwieriger, als man von vornherein denken sollte. Bei Lacerta und Anguis kommt in der Nickhaut eine von mir aufgefundene Knorpelspange vor und zwei pigmentirte Leisten, Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 645 welche der äusseren Fläche des Lids angehören; das vordere Ende der Nickhautdrüse liegt zwischen dieser Spange und den Leisten. Dort glaube ich nun, und zwar an der inneren Fläche der Nickhaut, eine verhältnissmässig weite Oeffnung zu erblicken, mit welcher der kurze, bis nahe zur Mündung mit Drüsenkanälchen besetzte Aus- führungsgang aufhört‘). Auch meine ich eine dreieckige klappen- artige Erhebung der Haut am Rande der Oefinung zu unterscheiden. Die Kürze des Ganges, die Dünnheit seiner Wandung und die Weite der Oeffnung machen, dass man bei der gewöhnlichen Art der Unter- suchung mittelst des zusammengesetzten Mikroskops die Ausmündung leicht übersehen kann. Die Mündungsstelle der Gl. Harderiana an der Innenseite der Nickhaut hat Joh. Müller bei der Gans und dem Hasen darge- stellt?); hingegen beschränkt er sich bezüglich der Drüse der Schlangen auf die Worte: „Ophidiis quoque glandula lacrymalis lobata est, attamen internam fabricam non potui extricare.‘“ Die gleiche Drüse der Riesenschildkröte hat derselbe Forscher mit grosser Sorgfalt untersucht , worauf oben mehrfach Bezug genommen wurde; aber über die Stelle, wo die Drüse mündet, schweigt er abermals. Nach meinen Untersuchungen hat die Drüse bei den Schlangen am glei- chen Orte wie bei Lacerta und Anguis, doch ohne dass die Knorpel- spange zugegen wäre, ihre Oeffnung. 6. Glandula lacrimalis. Ich glaube annehmen zu müssen, dass die eigentliche, im äus- seren oder hinteren Augenwinkel über dem Augapfel gelagerte Thrä- 1 Ron] wie ich sie von Lacerta und Anguis angezeigt habe, den bisherigen Beobachtern unbekannt geblieben ist. Denn sonst wäre es unmöglich gewesen, dass sie, die Nickhautdrüse für die Thränen- drüse ausgebend, bis zur Stunde sagen können, die Thränendrüse der Schlangen sei von besonderer Entwicklung. Bei den einheimischen Schlangen vermisse ich jede Spur der Thränendrüse. Unsere Thiere besitzen nur die Niekhautdrüse und auf diese passt die Angabe, dass sie eine bedeutende Ausdehnung erreiche. 1) Fig. 31. 2) Gland. secernent. struct. penit. Tab. V, Fig. 6, 7. 646 Dr. F. Leydig: Zu dem, was ich bereits früher über die Thränendrüse der Eidechse angegeben, füge ich noch bei, dass man am hinteren oberen Augenwinkel die Glandula lacrimalis, trotz aller Kleinheit, doch. als deutlich abgegrenztes Läppchen von weissgrauer Farbe un- schwer wahrzunehmen vermag!). Für die nähere Untersuchung empfiehlt es sich indessen, frische Thiere zu wählen, während an solchen, die in Weingeist gelegen, der histologische Bau etwas ver- wischt ist und man bei Anwendung des Mikroskops beinahe Zweifel empfinden kann, ob die Deutung des Läppchens als Thränendrüse auch wirklich richtig sei. Hat man hingegen das aus dem eben getödteten Thiere genom- mene, eine Linie lange und eine halbe Linie breite, nicht eigentlich gelappte, doch etwas eingekerbte Organ?) vor sich, so sieht man die Drüsenbälge und ihr Epithel sehr rein und schön; auch stellen sich erstere noch gerne von den Biutcapillaren umsponnen dar. Und was den Ausführungsgang betrifft, über den ich mich früher nicht ausgelassen, so ist eine ganze Anzahl von Mündungsstellen vorhan- den: ich zähle deren wenigstens sechs. Es ist hiebei nothwendig, dass die Drüse für den Beschauer günstig liegt, denn es können gar leicht durch Faltung der Conjunetiva die Oeffnungen verdeckt sein. Die Ausführungsgänge sind contractil, wovon man sich dadurch über- zeugt, dass man die aus dem frischen Thiere genommene Drüse, allwo die Oefinungen alsdann weit und klar sich zeigen, längere Zeit im Auge behält: es schliessen sich die Mündungen nach und nach so zu, dass man sie kaum mehr zu erkennen im Stande ist. Ich denke mir, dass die glatte Musculatur?), welche an die Lider sich ansetzt und von der ich auch anderwärts gehandelt, mit einem Theil ihrer Fasern die Gänge umspinnt. Bei der Blindschleiche®) ist die Thränendrüse grösser als bei der Eidechse, dabei von rundlich eckiger Form. Da die Nick- hautdrüse ebenfalls stärker ist, als bei Lacerta, so liegt das Ende der letzteren unmittelbar unter der Thränendrüse, doch deutlich von ihr gesondert. Beide Organe zeigen sich auch schon für die Lupe von einander merklich verschieden: die Thränendrüse ist von 1) Fig. 16, a. 2) Fig. 25. 3) Fig. 25, b. 4) Fig. 15, a. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 647 leicht höckriger Oberfläche und ihre Farbe sticht etwas ins Gelbliche, die Nickhautdrüse erscheint völlig glatt und von rein weisser Farbe. Was den Bau und insbesondere das Verhalten der Ausführungs- gänge betrifft, so sehe ich dasselbe, was ich über diesen Punkt von Lacerta angegeben. Noch ist zum Schlusse in geschichtlicher Beziehung zu gedenken, dass an den Krokodilen Rathke!) die Anwesenheit der Thränen- drüse sowohl wie der Nickhautdrüse nachgewiesen hat. Die Thränen- drüse sei kleiner und schwierig aufzufinden. Von der Harder’schen Drüse sagt er bezüglich ihrer Ausmündung: „aus ihrem nach aussen und vorn gerichteten breiten Ende oder der Basis sendet sie einige in einer Reihe liegende kurze und zarte Ausführungsgänge aus, die sich nach innen von dem angehefteten Rande der Nickhaut, also zwischen dieser und dem Augapfel münden.“ Ich muss es einst- weilen dahin gestellt sein lassen, ob Rathke richtig gesehen hat, wenn er der Drüse mehrere Oeffnungen zuertheilt. Tübingen, Ende December 1872. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXL. Fie. 1 bis 9, dann Fig. 15 u. 16 unter Lupenvergrösserung. ’ g pP g r Fig. 1. Seitentheil des Gesichtes von Tropidonotus natrix. a. Nickhautdrüse (Thränendrüse der Autoren), Nasendrüse, Oberlippendrüse, EReTE besondere gelbliche Partie der Oberlippendrüse (Homologon der Giftdrüse der Vipern). Fig. 2. \wegend der Unterkinnlade und des Bodens der Rachenhöhle von Tropidonotus natrix. a. Unterlippendrüse, b. vordere Unterzungendrüse, c. hintere Unterzungendrüse. 1) Untersuchungen über die Entwickelung und den Körperbau der Kro- kodile. Braunschweig, 1866. 648 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 6. 10. re 12. 13. Dr. F. Leydig: Theil des Gesichtes hinter und unter dem Auge von Tropidonotus tessellatus. a. Nickhautdrüse, b. Oberlippendrüse. Gesichtsgegend hinter dem Auge von Coluber viridiflavus. a. Nickhautdrüse, b. Oberlippendrüse. _ Gesichtsgegend hinter dem Auge von der schwarzen Varietät (Var. carbonarius) der Coluber viridiflavus. a. Nickhautdrüse, b. Oberlippendrüse. Gesichtsgegend hinter dem Auge von Coronella laevis. a. Nickhautdrüse, b. Oberlippendrüse. Gesichtsgegend hinter und unter dem Auge von Vipera berus. a. Nickhautdrüse, b. Giftdrüse nach Entfernung der Muskelhülle, c. Oberlippendrüse, d. Jochband. Gesichtsgegend hinter und unter dem Auge von Vipera berus. a. Nickhautdrüse, b. der die Giftdrüse umhüllende Muskel, c. Jochband. Gesichtsgegend hinter und unter dem Auge von Vipera ammodytes. a. Nickhautdrüse, b. die in ihrer Umhüllung liegende Giftdrüse, c. Ausführungsgang der Giftdrüse, d. Jochband. Längsschnitt durch einen Lappen der Giftdrüse von Vipera berus, geringe Vergrösserung. a. derbe bindegewebige Hülle, b. Lymphräume, c. Drüsenschläuche. Querschnitt durch das Stück eines Lappens, stärker vergrössert. a. bindegewebiges Gerüst von Schläuchen, deren zelliger Inhalt ab- gespült ist, an zwei Stellen sieht man Blutcapillaren, b. noch mit Zellen ausgekleidete Schläuche. Schnitt durch ein Stück der Giftdrüse im »geladenen« Zustande von Vipera berus, stark vergrössert. a. derbe Hülle, b. Lymphräume; ausser einigen Lymphkügelchen ist noch der Durch- schnitt eines Nerven, einer Arterie und Vene wahrzunehmen. e. Epithel der Drüsenschläuche. Einige Schläuche der Giftdrüse von Vipera berus im Querschnitt, Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig.17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 649 starke Vergrösserung, um die von der Lichtung des Schlauches zwi- schen die Zellen sich fortsetzenden Intercellulargänge zu veran- schaulichen. Vom vorderen Ende des Bodens der Mundhöhle von Tropidonotus natrix. Geringe Vergrösserung. a. Verbindungsbogen der Unterlippendrüse, b. die vorderen oder paarigen Unterzungendrüsen, e. ihre Mündungen in muschelförmigen Vorsprüugen, d. Muskeln, welche sich an die Drüse heften und zum Theil um- hüllen; an der Drüse der rechten Seite erscheint die Muskelhülle im optischen Schnitt; e. hintere oder unpaare Unterzungendrüse, f. die beiden Zungenspitzen. Kopf von Anguis fragilis im Umriss; aus der Augenhöhle sind der Augapfel, Muskeln, Nerven und Gefässe entfernt. a. Thränendrüse, b. Nickhautdrüse. Kopf von Lacerta agilis, in gleicher Weise behandelt. a. Thränendrüse, b. Nickhautdrüse. Tafel XXIII. Von der gelblichen Partie (Fig. 1, d) der Oberlippendrüse des Tro- pidonotus natrix, im Querschnitt. Mässige Vergrösserung. Die Zellen sind dunkel erfüllt. a. Lichtung des Ausführungsganges eines Läppchens. Nebenan die Epithelzellen für sich mit sich vermehrenden Kernen. Kleineres Stück derselben Drüsenpartie, stark vergrössert. Die strahligen, sich netzförmig verbindenden Linien in den hellgelassenen Schläuchen bezeichnen die Intercellulargänge. Von der grauen Partie (Fig. 1, d) der Oberlippendrüse des Tropi- donotus natrix im Querschnitt. Mässige Vergrösserung. Die Zellen sind von heller Beschaffenheit. Vom vorderen abgeschnürten Ende (Schnauzenpartie) der OÖberlippen- drüse des Tropidonotus natrix. Mässige Vergrösserung. Zeigt die Art der Verzweigung der Drüsengänge. Freier Rand der Oberlippendrüse von Coronella laevis nach Be- handlung mit Kalilauge; starke Vergrösserung. a. bindegewebiger Balken, den die Drüse umgebenden Lymphraum durchsetzend; die geschlungenen Linien im Inneren sind elastische Fasern. b. Drüsenbälge; im Zwischenbindegewebe verbreiten sich auch hier die elastischen Fasern. 650 Fig. Fig. Fig. Fig. ig. 28. Fig. Fig. 22. 23. 24. 25. BI 29. . 30. sl. 32. Dr. F. Leydig: Ebenfalls vom freien Rande derselben Drüse und desselben Thieres (Coronella laevis). a. Nervenfasern, welche in bindegewebigen Balken durch den Lymph- raum herüber zur Drüse gelangen. Aus dem Querschnitt der Oberlippendrüse von Coronella laevis nach Behandlung mit Osmiumsäure und starker Vergrösserung. a. Lichtung der Drüsenbälge, . davon ausgehende Intercellulargänge, Nervenfasern, . (neben an) die regelmässige, in Querreihen stehende Körnelung der Secretionszellen. Von demselben Präparat eine andere Stelle mit zwei Nervenfasern und deren anscheinendem stumpfen Ende. Thränendrüse von Lacerta agilis bei mässiger Vergrösserung. a. Ausführungsöffnungen, b. glatte Muskeln, welche an die Drüse herangehen. zoo . Zeigt die Form der Nickhautdrüse und ihr Grössenverhältniss zum Augapfel von Tropidonotus natrix, mit der Lupe vergrössert. a. Nickhautdrüse, b. Augapfel. Nickhautdrüse von oben aus demselben Thier und unter gleicher Vergrösserung. Stück der Nickhautdrüse von Tropidouotus natrix, aufgehellt und sehr schwach vergrössert, um das Verhalten des Ausführungsganges darzu- stellen. Stück der Nickhautdrüse von Coluber carbonarius (viridiflavus), im Querschnitt und stärker vergrössert. a. Drüsenschläuche, b. Nerv, c. Blutgefässe (Arterien und Venen). Einzelner Schlauch aus der Nickhautdrüse im Querschnitt, stark vergrössert, um die von der Lichtung zwischen die Zellen sich er- streckenden Gänge zu zeigen. Mündungsstelle der Niekhautdrüse von Anguis fragilis; mässig starke Vergrösserung. a freier Rand der Nickhaut, b. Nickhautknorpel, c. Mündung der Drüse. Von der hinteren Unterzungendrüse der Vipera ammodytes, um dar- zuthun, wie die Schläuche für sich ausmüuden. . Stück des Querschnittes einer der vorderen Unterzungendrüse von Tropidonotus natrix; starke Vergrösserung. a. Drüsenschläuche, b. dickes, die härtliche Beschaffenheit der Drüse bedingendes Binde- gewebe zwischen den Schläuchen. ooa»ProD_D Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. 651 Inhalt. I. Giftlose Schlangen. . Ringelnatter (Tropidonotus natrix). Seite: a. Oberlippendrüse . : -.. ..» RE RE REITEN ZA 599 TEE EIEHBRUÄTHBE, 2 - m anime 6 0a te una re a ae ale 604 er, KESSDISTIEN A rn 0 1 EEE EN (E15: davarserelinierzungendruse ..... a. nee line er 606 eerlpgersUnterzungendrüse . „2 . 2... 2 0 2 une 0 . 608 S WSTEAINENELIRERTI AR aller Er EEE Rule DEREN EN 609 . Würfelnatter (Tropidonotus tessellatus). BRendmsen.. 2... ....2.2 20200 BLU Er OR ® 611 Ber Re aka ter wies miese ehe da ve Defeat 612 . Glatte Natter (Coronella laevis). u es NE En WE TEE PETER 612 LEN ENDE Eee ra er NER 614 ‚ Aesculapsschlange (Coluber viridiflavus). . . . - » 2... 615 . Aesculapsschlange (Coluber viridiflavus, var. carbonarius). . 616 ll. Giftschlangen. . Kreuzotter (Vipera berus). ER EERVERL SEN De N U NEE BBMESERRE | 617 Bee re N MR IM I STE RU 618 sen aa N, VEN OL 618 N Ua N EN N ANDRE 619 Bandwaner (Vipera ammodytes)... . ..... 2... NER, 627 II. Allgemeines über den Bau. . Umriss und Gliederung der Kopfdrüsen . . . 22 2 2220. 629 N Gilzaepe Gifthehälter u." on. lt, Marika. Dat naar ol Slateteelllsnennalb us 2. re, . 632 SNIaE Re Es entdrünen en nen ee 633 NER eRlleuseni ... naiven le ee, 636 . Lymphräume ..... . NERERINNENSEHI LK ARE RR ARRHEANE H 637 652 oa pPODND - Dr. F. Leydig: Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. IV. Deutung der einzelnen Drüsenpaare. Glanqaulae :labiales "sog mare Selen 4 a Glandulae Imguales); N. irre Ne nee A Glanduls nasalisı ara en “Glandula. venenata Ira ae. ne » Glandula menbranaernictitantise m ma ee. re: SGlandularlacrımalismes re Ueber die Drüsen des Nierenbeckens. Von Th. Egli, Assistent am patholog. Institut in Zürich. Hierzu Taf. XXIV. Die Angaben über die Structur der Schleimhaut des Nieren- beckens resp. über das Vorkommen von Drüsen in derselben lauten sehr verschieden. Während Frank (Anatomie der Hausthiere) beim Pferde nur einfache Schleimhautfalten daselbst findet, behaupten Paladino und Sertoli!) das Vorkommen zahlreicher zur acinösen Formation gehöriger Schleimdrüsen im Nierenbecken dieses Thieres. Die Mucosa des Nierenbeckens vom Menschen nennt Koelliker drüsenlos. Andere Anatomen bestätigen diese Angabe oder berühren den Gegenstand überhaupt nicht. Kürzlich hat Unruh?) zuerst Drüsen in der Schleimhaut des menschlichen Nierenbeckens beschrieben. Doch glaubt er, solche allerdings nur in einem Falle gesehen zu haben. Diese Widersprüche einerseits und die Unsicherheit ander- seits haben mich veranlasst, die Schleimhaut des Nierenbeckens einer eingehenderen Untersuchung zu unterwerfen. 1) Centralbl. f. d. medic. Wissensch., 1872, Nr. 2. 2) Ueber Blutungen in Nierenbecken und Ureteren bei Pocken. Archiv für Heilkunde, 1872, 5. Heft, S. 289. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9, 49 654 } Th. Egli: Zu diesem Zwecke habe ich das Nierenbecken des Rindes, Schweines, Pferdes und Menschen in Angriff genommen. Die Wand des Nierenbeckens besteht durchweg aus einer binde, gewebigen Adventitia, einer äussern quer- und einer inneren längs- verlaufenden Schicht glatter Muskelfasern und aus der Schleimhaut. Differenzen ergeben sich besonders in Bezug auf Letztere. Die Nierenbeckenschleimhaut des Rindes ist dünn und glatt, mit einem mehrschichtigen Epithelium versehen, dessen untere Zellen ceylindrisch und kegelförmig, während die oberflächlichen mehr poly- gonal sind. Sie ist drüsenlos; wenigstens konnte ich an einigen hundert Schnitten keine Drüsen entdecken. Die Nierenbeckenschleimhaut des Schweines unterscheidet sich von der des Rindes nur in den unwesentlichen Punkten, dass sie ziemlich gefaltet ist und ein etwas dickeres Epithelium besitzt. Das Nierenbecken des Pferdes enthält eine grosse Menge gelben von massenhaft abgestossenen Epithelien durchsetzten undurchsich- tigen Schleims. Schon daraus lässt sich das Vorkommen von Drüsen in der Schleimhaut vermuthen. Diese Haut ist durchschnittlich 3/4“ dick, von ziemlich tiefen Furchen durchzogen, wodurch in der Längs- richtung verlaufende, lange und schmale inselartige Erhebungen entstehen. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt nun Folgendes. In dünnen senkrechten Schnitten sieht man breite (den inselartigen Erhebungen entsprechende) Wülste, gebildet von einem weichen zellenreichen Bindegewebe, welches eine grosse Zahl runder, ovaler und cylindrischer Räume enthält, die meistens nur durch schmale Binde- gewebszüge getrennt werden. Diese Räume sind ausgekleidet von einer Lage heller Becher- und dunkler, leicht kolbiger, geschlos- sener Cylinderzellen. In Flächenschnitten ergeben sich wieder ungleich grosse, meist runde, seltener ovale oder längliche Räume, mit demselben einschich- tigen Epithel .aus geschlossenen und offenen Cylinderzellen. An etwas dickeren Längsschnitten sieht man übrigens auch einfache und zusammengesetzte cylindrische, im Grund leicht erweiterte Säck- chen, die meist senkrecht oder schräg dem spärlichen Schleimhaut- stroma eingebettet sind und zwischen den warzigen Erhebungen in einen gemeinsamen cylindrischen Gang münden. Auf der äussern und seitlichen Oberfläche der rundlichen Schleimhautwülste münden dagegen mehr einfache eylindrische und retortenmässig erweiterte Drüschen, die aber nie jene Dimensionen , wie die im Grund der Ueber die Drüsen des Nierenbeckens. 655 Schleimhautgruben gelegenen Säcke erreichen. Die bedeutende Ent- wicklung dieser verschiedenen cylindrischen und mitunter auch leicht traubigen Drüsensäckcher, in Verbindung mit einer beträchtlichen Reduction des Schleimhautstromas, wie die wechselnde Richtung der Drüsengänge und die nicht seltene blasige Erweiterung ihrer Säcke sind es, die bei Untersuchung einer geringeren Zahl dünner Schnitte wohl zur Annahme verleiten können, als seien diese Hohlräume nur durch starke Zerklüftung und Faltung der Schleimhaut bedingt (wie Frank’s Angaben lauten). Die Regelmässigkeit, mit der dieselben in Längs- und Querschnitten solcher Schleimhautpartien , deren Drüsen nicht, dilatirt sind, wiederkehren, wie die Art des Epithels in den Drüsenschläuchen, lässt indess kaum mehr einen Zweifel über die drüsige Natur derselben zu. Denn die geschlossenen, grössten- theils aber offenen becherförmigen Cylinderzellen jener Schläuche erstrecken sich nur bis zu den Mündungen dieser Organe; zwischen ihnen, besonders auf der freien Fläche der Schleimhautwülste findet sich ein geschichtetes Epithel, das in der Tiefe aus kurzen cylin- drischen Zellen, in den obersten Lagen aus kubischen und Platten- Epithelien besteht. Es ist also festgestellt: Die Schleimhaut des Nierenbeckens des Pferdes besteht fast durchgehends aus einfachen und zusammengesetzten tubulösen, mit einer einfachen Schicht von Becher- und Cylinderzellen ausgekleideten Drüsen (Fig. 1, b.). Von der Schleimhaut des menschlichen Nierenbeckens beschreibt Unruh dicht unter der Epitheldecke gelegen, platikugelige Drüsen, deren 2—12 einzelne, den Talgdrüsen gleichende, am Rande mehr platte, im Innern mehr rundliche Zellen enthaltende Follikel in einen gemeinschaftlichen Ausführungsgang münden. Meine Beobachtungen stimmen mit denen Unruh’s ziemlich über- ein. Beim Erwachsenen trafich schon im oberen Theil des Ureters auf zerstreute, sehr oberflächlich gelegene Drüsen und im Nierenbecken fand ich solche in grösserer Zahl. Es sind zusammengesetzte Drüs- chen, Zwischenformen zwischen schlauchförmigen und traubigen Drü- sen radiär um einen kurzen, etwas schmalen Ausführungsgang an- geordnet (Fig. 2, A. b.). Der Gang scheint übrigens nicht constant zu sein, denn ich vermisste ihn öfter in einer grösseren Zahl successiver Schnitte. Ein eigentliches Lumen besitzen die Drüsen nicht. Sie sind vielmehr entweder dicht oder bis auf einen kleinen spaltförmigen Raum mit radiär angeordneten cylinder- und spindelförmigen Zellen gefüllt. 656 Th. Egli: Ueber die Drüsen des Nierenbeckens. Was nun die Menge und überhaupt das Vorkommen dieser‘ Drüsen betrifft, so will ich bemerken, dass ich in der abgezogenen Scheimhaut eines Nierenbeckens 1— 2 derselben auf den []Cm. zählte, während ich sie in einem andern Falle viel spärlicher und kleiner traf, und an etwa 100 Schnitten einer dritten Niere gar keine fand. Auch in der Niere Neugeborener vermisste ich dieselben. Es sind diese Drüsen also ziemlich inconstante Gebilde. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. 1. Senkrechter Schnitt durch das Nierenbecken des Pferdes. a) Mus- eularis, b) Schleimhaut, ce) Schleimhautwülste mit meist einfachen eylindrischen Drüsen, d) Gruben mit den Mündungen zusammenge- setzter Drüseneylinder. System 2 und Ocul. 2 Hartnack. Fig. 2. Senkrechte Durchschnitte durch das Nierenbecken eines Erwachsenen. a) Schleimhaut, b) Drüsen. Das Epithel ist in der Zeichnung weg- gelassen. System 4, Ocular 2 Hartnack. Sämmtliche Figuren sind mit der Camera lucida gezeichnet. Einiges über Infusorien. Von ©. Bütschli. Mit Tafel XXV und XXVI. Die im Nachstehenden zu besprechenden Beobachtungen wurden vorwiegend in der Absicht angestellt, einiges über die sogenannte seschlechtliche Fortpflanzung der infusorien zu ermitteln. Seit dem Erschemen der Hauptarbeit Balbiani’s!) haben sich meines Wissens in eingehender Weise nur Engelmann?) und Stein) mit der Erforschung dieser merkwürdigen Erscheinung beschäftigt. Es ergab sich hierbei ein sehr tief greifender Unterschied zwischen der Auffassung des französischen Forschers, dem ganz entschieden das Hauptverdienst bei der Ermittlung dieser Vorgänge zuzu- schreiben ist und derjenigen der deutschen Gelehrten. Es dürfte‘ dieser schneidenden Differenz wegen auch ein kleiner Beitrag zu der Lösung dieser schwierigen Fragen nicht unerwünscht sein. Im Laufe der vorzugsweise auf die Erforschung der Conjugationszu- stände gerichteten Untersuchungen, ergaben sich dann noch nebenbei einige Erfahrungen über mancherlei Bauverhältnisse der Infusorien, die gelegentlich hier eine Stelle finden mögen. Ich verzichte einstweilen an dieser Stelle auf ein genaueres Eingehen in die Geschichte unserer jetzigen Kenntnisse von der 1) Balbiani, G., Recherches sur les phenomenes sexuelles des infusoires in Brown-Söquard, Journal de la Physiologie T. IV. 1861 p. 162. 2) Zeitschrift f. w. Zoologie Bd. XI. p. 347. 3) Stein, der Organismus der Infusionsthiere II. Bd. M, Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd, 9. 43 658 ©. Bütschli: sogenannten geschlechtlichen Fortpflanzung der Infusorien, denn es wird im Laufe der Besprechung der einzelnen Beobachtungen sich Gelegenheit finden näher auf diesen Punkt einzugehen. Nucleus und Nucleolus sind die beiden Organe der Infusorien, die nach den jetzigen Erfahrungen bei der Conjugation die wichtigste Rolle spielen ; aus ihnen sollen sich in Uebereinstimmung der beiden Parteien die Geschlechtsproducte hervorbilden, ja Balbiani geht so weit, dass er den Nucleus für das Ovar, den Nucleolus für den Hoden erklärt, welche beiden Geschlechtsorgane ihre Producte unter dem Einfluss der Conjugation reifen sollen. Es folgt hieraus, dass zur richtigen Beurtheilung der Vorgänge während der Conjugation eine genaue Einsicht in die Bauverhält- nisse des Nucleus und Nucleolus unbedingt nöthig ist. Es ist vielfach und von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, dass sich sehr häufig in dem Nucleus zahlreicher Infusorien körnerartige Einschlüsse finden, jedoch scheint mir eine Art dieses Vorkommens derartiger Einschlüsse in ihrer grossen Regelmässigkeit, nicht vollständig gewürdigt worden zu sein. Bei manchen Infusorien, so z. B. bei den grossen typischen Exemplaren von Paramaecium aurelia findet man durchweg den Kern ganz gleichmässig ieinkörnig und keine Hülfsmittel, weder Zusatz von Essigsäure noch Färbung etc. lassen darin etwas von grössern, sich bestimmt hervorhebenden Körnern wahrnehmen. Dagegen findet man eine ziemliche Anzahl anderer, bei welchen der Kern eine kleinere oder grössere Anzahl oft ziemlich ansehnlicher, dunkler Körner einschliesst. Auf diese Erscheinung wurde schon durch Cohn, Clapar&de und Lachmann, Stein und neuerdings auch Greeff (bei den Vorticellinen) vielfach hingewiesen. Es sind diese Körner meist von rundlicher oder stumpfeckiger bis unregel- mässiger Gestalt und ihre Anwesenheit dürfte vielleicht bei manchen Infusorien an bestimmte Lebensumstände oder Perioden geknüpft Sein, da man sie einmal nicht zu jeder Zeit sieht oder die Kerne verschiedener Thiere doch in sehr ungleicher Weise mit ihnen aus- gestattet sind. Bei einer Anzahl unserer Thiere scheinen diese Körner die einzigen Einschlüsse des Nucleus zu sein, so z. B. bei den Vorticellinen, bei Chilodon cucullus !) und anderen. 1) Der Nucleus von Chilodon eucullus hat bekanntlich einen ziemlich eigen - thümlichen Bau und wird von Balbiani als eine einfache Zelle, ein zu- Einiges über Infusorien. 659 Von verschiedener Seite ist es auch schon versucht worden, diese Einschlüsse mit den nach der Conjugation aus dem Nucleus hervor- gehenden Producten, den Keimkugeln bei den Vorticellinen z. B. in Zusammenhang zu bringen. Eine dritte Form, unter welcher sich der Nucleus einer ganzen Reihe von Infusorien meistens präsentirt, scheint bis jetzt weniger beachtet worden zu sein'!). Man sieht nämlich. bei einer Anzahl von Infusorien, unter welchen ich hervor- hebe: Stentor eoeruleus, Spirostomum teres, verschiedene Oxytrichen, Amphileptus anas, im Nucleus eine sehr beträchtliche Anzahl kleiner ziemlich gleich grosser, stark lichtbrechender Körperchen, die in regelmässigen Abständen von einander stehen, und je von einem hellen Hof umgeben sind. Die matte, sehr fein granulirt erscheinende Grundmasse des Nucleus bildet um diesen Hof eine weitere Umhüllung und die enge Zusammenpackung aller dieser Körperchen macht natürlich, dass da, wo diese Verhältnisse einiger- massen deutlich zu sehen sind, die matte Grundmasse polygonale Figuren bildet (s. die Fig. 13, 14 und 15). In wiefern der helle Hof um die einzelnen Körperchen sein Dasein einer zwischen den- selben und der matten Grundsubstanz vorhandenen Flüssigkeit ver- dankt, oder allein als eine optische Erscheinung betrachtet werden muss, schien mir in manchen Fällen sehr fraglich. So scheint es mir namentlich bei den Nuclei von Amphileptus anas und einer Öxytricha (Fig. 13 und 14), ferner den Nucleusfragmenten von Urostyla grandis (Fig. 15) fast unzweifelhaft, dass diese Erscheinung nicht nur eine optische ist, sondern wirklich um jedes der dunklen Körperchen sich eine Zone eines hellen homogenen, wahrscheinlich flüssigen Körpers findet. Man sieht diesen Bau bei einem einiger- massen günstigen Object auch schon ohne weitere Behandlung mit Reagentien ziemlich deutlich, jedoch tritt er sehr viel besser durch Zusatz von Essigsäure hervor; auch die Färbung mit Karmin leistet künftiges Ei des Thieres betrachtet. Mir scheint der Kern dieses Thiers den Kernen gewisser Amoeben am ähnlichsten zu sehen. So schien es mir namentlich in letzter Zeit wieder, als ich Gelegenheit hatte die interessante Amoeba terricola Greeffs zu studieren. 1) Die hier zu beschreibende Beschaffenheit des Nucleus ist von Wrzesniowski in seiner Abhandlung: „Ein Beitrag zur Anatomie der Infusorien.““ (Archiv für mikrosk. Anatomie, 1869.p. 25) von verschiedenen Infusorien recht gut abgebildet worden. 660 O0. Bütschli: hierbei gute Dienste. Bei einer Anzahl der untersuchten Kerne, so z. B. bei Spirostomum teres, Stentor coeruleus und einer nicht näher bestimmten Prorödonart zeigte sich an den Rändern des Nucleus eine, wenngleich zarte, so doch ziemlich deutliche dunkle Linie, die in ziemlich regelmässigen Entfernungen schwache An- schwellungen zeigte (s. Fig. 17 v. Spir. teres). Es schien demnach bei diesen Thieren eine Art sehr zarter Hülle um den Nucleus zu existiren. Hiermit möchte denn auch in Zusammenhang zu bringen sein, dass sich bei Amphileptus anas eine sehr zarte Verbindung zwischen den beiden Kernen sehen lässt (Fig. 13) und ein gleiches glaube ich auch bei Stentor ceoeruleus, jedoch mit weniger Sicherheit wahrgenommen zu haben. Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass ich mich der Balbiani’schen Ansicht, dass die zahl- reichen Kerne mancher Infusorien in einem gemeinsamen Schlauche stecken, anschlösse. Andere Anzeigen sprechen nämlich entschieden dagegen. Einmal findet man ja bei vielen Infusorien absolut nichts von einem derartigen Schlauch und dann sind die Kerne und die aus ihnen bei der Conjugation hervorgegangenen Producte häufig so beweglich, d. h. sie werden durch die Strömungen des Parenchyms so vielfach durcheinander geschoben, dass sie unmöglich in einer gemeinsamen Hülle eingeschlossen sein können. Die Beweglichkeit des Kernes sah ich sehr schön bei einer grossen Nassula mit sehr lebhafter Strömung, der Kern folgte hier dem Strome anstandslos !); ferner sah ich die Theilproducte der Nuclei von conjugirten Am- phileptus anas (s. Fig. 11 und 12) in so beständiger Verschiebung um einander begriffen, dass der Gedanke an eine gemeinsame Um- hüllung deeselben sogleich schwand. Am Nucleolus sah ich nie etwas von einem feineren Bau. 1) Die Strömungserscheinungen in dieser Nassula erfolgten in sehr auf- fallender Stärke und in unaufhörlich regelmässiger Weise. Das Rinden- parenchym dieses Infusors enthält bekanntlich eine sehr beträchtliche Anzahl ziemlich grosser Trichocysten. Es zeigte sich nun die eigenthümliche Er- scheinung, dass dieselben in ihrer Stellung von dem Strom beeinflusst wurden. Sie waren nämlich fast durchgängig in die Richtung des vor der Leibes- wand vorbeikreisenden Stromes eingestellt. Hieraus folgt, dass diese Tricho - eysten mit ihren innern Enden nothwendiger Weise in die strömende Leibes- masse hineinragen müssen. Bei genauerem Zusehen zeigte sich weiter noch, dass der Strom eine ziemliche Anzahl losgerissener Trichocysten mitführte. Die Gestalt und Beschaffenheit dieser Trichocysten sucht die Abbildung Fig. 20 auf Taf. XXVI wiederzugeben. Einiges über Infusorien. 661 Gehen wir nun nach diesen wenigen Bemerkungen über den Nucleus zu dem über, was mir von der Conjugation zu beobachten gelang. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Balbiani’schen Untersuchungen im Allgemeinen viel Vertrauen verdienen. Sie waren, es hauptsächlich, die Stein aus seinen irrigen Anschauungen über die Längstheilung der Infusorien herausrissen, ferner die Vorgänge bei der Conjugation zuerst näher ermittelten und auf die Bedeutung des ganzen Actes als eines geschlechtlichen, mit der Fortpflanzung im Zusammenhang stehenden zuerst näher hinwiesen. Auch die interessanten Mittheilungen, die Balbiani über die Quertheilung, namentlich über die Rolle, die der Kern dabei spielt, machte, waren ein bedeutsamer Schritt in der Erkenntniss dieser gewöhnlichsten Fortpflanzungsweise der Infusorien. Was Stein am Thatsächlichen der Balbiani’schen Forschungen auszusetzen hat, beschränkt sich im Allgemeinen doch auf sehr wenig und die hauptsächlichsten Differenzen zwischen beiden Forschern bestehen wohl in der Auf- fassung des ganzen Vorgangs und in dem was beide hieraus folgern zu dürfen glauben. Seitdem Joh. Müller und seine Schüler Claparede und Lachmann in dem Nucleus der Paramaecien feine Fädchen oder stäbchenartige Gebilde wahrgenommen hatten, tauchte der Gedanke an eine geschlechtliche Fortpflanzung der Infusorien auf und man brachte natürlicher Weise die schon mehrfach, namentlich von Cohn beschriebenen Embryonen des Paramaecium bursaria und aurelia mit dieser geschlechtlichen Fortpflanzung in Verbindung. Es ist bekannt, dass Stein diese Ansicht weiter verfolgte und ausbildete und die sogenannten acinetenartigen Embryonen der Paramaeeien, Urostylen, Stylonychien und Vorticellen aus dem Nucleus hervorgehen lässt. Andererseits hat Balbiani diese sogenannten Embryonen durchgängig für parasitirende acinetenartige Geschöpfe erklärt, nach ihm geschieht bekanntlich die geschlechtliche Fort- pflanzung der Infusorien durch Eier, die sich erst, nachdem sie ab- gelegt sind, entwickeln. Meine Beobachtungen über die Vorgänge bei der Conjugation unserer Thiere beschränken sich nun im Wesent- lichen auf Paramaecium aurelia, und wenn ich auch nicht im Stande war wesentlich Neues beizubringen, so dürften meine Erfahrungen doch dazu beitragen » einige Streitpunkte zwischen den beiden Forschern etwas näher zu beleuchten. Im Voraus will ich bemerken, dass es mir in den Wässern, in 662 O0. Bütschli: welchen die Conjugationszustände der Paramaecien sehr häufig waren, niemals glückte auch nur ein einziges Embryonen enthaltendes Thier zu finden. Wenn bei P. aurelia die Entwicklung von Embry- onen wirklich eine Folge der Conjugation wäre, so bliebe es mir ganz unbegreiflich, wie mir diese trächtigen Zustände bei anhaltender Untersuchung einer Infusion, in welcher die Conjugation so häufig war, hätten verborgen bleiben sollen. Andererseits habe ich zwar auch nichts von einer Eiablage wahrgenommen, doch dürfte wohl die Beobachtung dieses Vorgangs einem leichter missglücken. Ich kann mir bei dieser Gelegenheit nicht versagen an eine alte Beobachtung Gohn’s zu erinnern; derselbe sagt in seiner Ab- handlung „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Infusorien‘ }) auf S. 272: „Ich fand mehrere Male, dass von zwei in der Längs- theilung (Conjugation) begriffenen Thieren (von Paramaecium bur- saria) das eine eine grosse Anzahl Keimkugeln enthielt, ja dass während des Theilungsactes gleichzeitig die Geburt von beweglichen Embryonen stattfand.‘ Nun findet nach den übereinstimmenden Beobachtungen von Balbiani und Stein bei dieser Art erst nach aufgehobener Conjugation eine Weiterent- wicklung des Nucleus statt, der hier nur in wenige Stücke zerfällt. Wenn demnach die Cohn’sche Beobachtung ihre Richtigkeit hat, so kann dieselbe nur im Sinne der Balbiani’schen Ansicht gedeutet werden. Cohn’s vermeintliche Embryonen dürften daher wohl Parasiten gewesen sein. Ich muss hier ferner noch einer Mittheilung Meznikoff’s gedenken ?), in der er sich mit Entschiedenheit für Balbiani aus- spricht, indem er beobachtet hat, dass die ausgeschlüpften Embryonen sich nach einiger Zeit an andere Paramaecien anhefteten und zu echten Parasiten (Embryonalkugeln) wurden. Meine Beobachtungen über die Conjugation bei Paramaecium aurelia haben mich eigenthümlicher Weise dahin geführt, die beiden etwas verschiedenen Darstellungen dieses Vorgangs von unseren beiden Forschern bestätigt zu finden. lch untersuchte zuerst um Beginn des Jahres 1872 zu Frankfurt a. M. und die sich mir daselbst darbietenden Conjugationszustände zeigten im Wesentlichen ganz 1) Zeitschrift f. w. Zoologie Bd. III 1851. p. 257. 2) Meznikoff, E. Ueber die Gattung Sphaerophrya. Müller’s Archiv für Anat. und Physiologie 1864. p. 258. Einiges über Infusorien. 668 dasselbe, was Balbiani beschrieben und auf Tafel VIT 1. c. abge- bildet hat (vergl. die Taf. XXV dieser Abhdl.) Es zeigte sich nämlich bei diesen conjugirten Paaren schon während der Conjugation neben den sehr deutlichen grossen sogenannten Samenkapseln ein Wachs- thum des Nucleus, wodurch dieser, wie es von Balbiani beschrieben wird, sicli erst in einen langen, bandförmigen, verschlungenen Strang umwandelt und schliesslich noch während des letzten Stadiums der Conjugatien zu zerfallen beginnt '. Stein hat bekanntlich diese Balbiani’sche Schilderung der Nucleusveränderung für unrichtig erklärt. Nach ihm beginnt die Umwandlung des Nucleus erst nach wieder gelöster Conjugation der beiden Thiere und es soll dies die Foige der Einwirkung der in den Samenkapseln zur Reife gekom- menen Spermatozoön sein. Fernerhin hält er auch die dem Zerfall vorhergehende bandförmige Verlängerung des Nucleus für unrichtig, nach ihm soll derselbe direct in eine geringe Anzahl Kugeln zer- fallen, die sich weiter theilen. Als ich in Kiel nochmals Conjugationszustände des P. aurelia untersuchte, fand ich nun die Verhältnisse mehr in der von Stein geschilderten Weise. Diese Paramaecien besassen kurze Zeit nach aufgehobener Conjugation noch einen sehr wenig veränderten Nucleus und von Samenkapseln war nichts mehr zu sehen. An andern Paaren zeigtesich etwa 12—18 Stunden nach aufgehobener Conjuga- tion ein bandförmiger, vielfach verschlungener Nucleus (s. Taf. XXVI Fig. 8), bei andern war dieser Knäuel schon mehr aufgewickelt. 1) Ich muss hier bemerken, dass ich die Balbiani’sche Schilderung und Abbildung dieses Prozesses in etwas anderer Weise verstehe, als Stein. Die Fig. 1—6 auf seiner Taf. VII stellen die aufeinander folgenden Entwicklungs- „ustände conjugirter Paare dar. Fig. 7 und 8 bilden nur einfache Thiere ab, die Figurenerklärung sagt hierzu: „Fig. 7. L’un des deux individus d’un _ eouple“ etc. und weiter ‚Fig. 8. Autre individu dans lequel“ etc.; bei den hierauf folgenden Fig. 9 etc. ist angegeben, dass sie Zustände nach auf- gehobener Conjugation darstellen. Stein folgert nun aus den Fig. 7 und 8, dass die bandförmige Aufwicklung und der Zerfall des Nucleus auch von Balbiani erst nach aufgehobener Conjugation gesehen sei, ich muss jedoch sowohl aus der oben angeführten Erklärung der Figuren, als auch aus der gesammten Beschreibung, namentlich dem, was über die Samenkapseln, ihre Reife und ihre Rückbildung gesagt ist, schliessen, dass die Fig. 7 und 8 nur je ein einzelnes Thier eines in Wirklichkeit conjugirten Paars darstellen sollen. 664 O0. Bütschli: Ein weiteres Paar wurde etwa am 3. Tage nach aufgehobener Con- jugation untersucht, der Nucleus dieser Thiere war schon in etwa 4—5 grössere Kugeln und eine ziemliche Anzahl kleinere zerfallen. (s. Fig. 9. Taf. XXVL) Hieraus ergibt sich nun, dass sowohl die Stein’schen als die Balbiani’schen Angaben ihre Richtigkeit haben müssen, dass dem- nach bei P. aurelia Verschiedenheiten in dem Zeitpunkt der Nucleus- veränderung vorhanden sind. Jedenfalls ergibt sich hieraus ferner, dass Balbianiı nicht Recht haben kann, wenn er die Fäden der Samenkapseln die sogen. Eier, nämlich die grösseren der aus dem Zerfall des Nucleus hervorgegangenen Kugeln befruchten lässt, denn bei der v. Stein gesehenen Entwickelungsform sind ja zur Zeit der Bildung dieser sogen. Eier die Samenkapseln längst voll- ständig verschwunden. Nachdem ich so im Allgemeinen mitgetheilt habe, was auf die Vereinigung der beiden entgegenstehenden Ansichten von Einfluss sein dürfte, wende ich mich dazu, die characteristischsten von mir gesehenen und abgebildeten Zustände, soweit dies noch nicht ge- schehen, etwas näher zu beschreiben. Ich bespreche zunächst die der Balbiani’schen Schilderung ent- sprechenden Vorgänge. In Fig. 1 Taf. XXVI sehen wir den Nucleus schon bandförmig aus- gewachsen und den Nucleolus in je zwei grosse, etwas spindelför- mige Samenkapseln zerfallen. Der Nucleus ist jedoch nicht ein ein- faches Band, sondern ein hie und da verzweigtes, wie sich dies in späteren Stadien bei seinem Zerfall noch besser zeigt. Auf Fig. 2 hat der Nucleus in seinem Auswachsen unzweifelhaft“schon weitere Fortschritte gemacht und zeigt sich fernerhin hier ein sehr eigenthüm- liches Verhalten der sog. Samenkapseln. Es enthält nämlich das eine der conjugirten Thiere gar keine derselben, das andere hin- gegen 4, die in ihrer Grösse auffallend mit denen der Fig. 1 über- einstimmen. Es kann deshalb kaum für möglich gehalten werden, dass die Kapseln des einen Thiers sich bis zu vieren vermehrt hätten, die des andern hingegen vollständig geschwunden seien, sondern es scheint viel wahrscheinlicher, dass die vier Kapseln beider Thiere sich in dem einen derselben angehäuft haben. Dass einem der- artigen Vorgang keine Hindernisse im Wege ständen, dafür bürgt die Innigkeit der Conjugation, für welche Engelmann bekanntlich die ausreichendsten Beweise beigebracht hat. Ich will vorerst nicht ver- Einiges über Infusorien. 665 suchen, aus dieser einmaligen Beobachtung weitere Schlüsse zu ziehen, jedenfalls wäre dieselbe sehr geeignet, den Gedanken an einen Austausch der sog. Samenkapseln zu unterstützen. Aus den Balbiani’schen Untersuchungen sowohl, als aus denen von Stein ist bekannt, dass die zwei Samenkapseln unserer Fig. 1 sich noch weiter zu theilen im Stande sind. Balbiani hat bis 8 kleinere Kapseln in jedem der conjugirten Thiere vorgefunden und hebt nachdrücklich hervor, dass die Veränderungen in den beiden Gefährten stets in völlig entsprechen- der Weise stattfinden. Ich habe zwar die weiteren Theilungen der Spermatozoönkapseln nicht direct beobachtet, dass dergleichen jedoch im weiteren Verlauf des Conjugationsprocesses stattfindet, wird wohl durch das in, Fig. 3 abgebildete Paar bewiesen. Wir sehen hier in dem ersten der beiden Thiere die Zahl der Kap- seln bis auf 3 vermehrt, und ausserdem in dem hintern Theil des- selben noch einige ovale, etwas kleinere Körper, über deren Natur vollständig klar zu werden mir nicht gelang. Im linken Thier sind 2 Kapseln von denen des andern Thiers entsprechender Grösse sehr deutlich, ein kleinerer Körper lässt sich gleichfalls wegen seiner Streifung als Kapsel deuten, daneben liegen jedoch hier auch einige Körper, deren Deutung schwer fällt. Dies letztere ist hauptsächlich desshalb der Fall, weil der Nucleus in diesem Paar schon sehr deutliche Spuren des Zerfalls zeigt und die erwähnten Körper in den Hintertheilen beider Thiere sich daher auch als Nucleusbruch- stücke deuten lassen. — Nachdem der Nucleus deutliche Spuren des Zerfalls zu zeigen begonnen hat, scheint auch das Dasein der Samenkapseln gezählt zu sein, denn in der Fig. 4, wo schon eine ziemliche Zahl Bruchstücke von dem noch bandförmigen Theil des Nucleus losgelöst sind, finden sich nur noch zwei deutliche ziem- lich kleine Kapseln, die fast auf der Grenze zwischen den beiden Thieren liegen. Gegenüber Balbiani muss ich hier betonen, dass ich nach erfolgter Aufhebung der Conjugation nie mehr in einem Thier auch nur eine Spur einer Samenkapsel gesehen habe. Wie ich schon früher hervorhob, wächst der Nucleus nicht zu einem einfachen Band aus, sondern dieses Band theilt sich mehrfach, schickt Zweige und Aeste aus, wie man dies hanptsächlich gut sieht, wenn man ein Thier mit derartigem Nucleus durch Druck zum Zerfliessen bringt (s. Fig. 7). Schliesslich kurz vor oder nach der Trennung der beiden Thiere zerfällt der Nucleus in eine beträcht- 666 O0. Bütschli: liche Zahl Bruchstücke, darunter sind stets einige grössere von etwas hellerem Aussehen (s. Fig. 5), die von Balbiani als die Eier unseres Thiers, von Stein als sog. Keimkugeln betrachtet werden. In den in Frankfurt a. M. beobachteten Thieren, bei wel- chen die Gonjugation in der soeben geschilderten Weise ihren Ver- lauf nahm, zählte ich in einer Anzahl von Fällen deutlich zwischen 5—8 derartiger grösserer Kugeln, die zuweilen regelmässig in dem Thier vertheilt waren, wie dies in Fig. 5 sichtlich ist, wo die 8 vorhandenen Kugeln zu je 4 auf die beiden Seiten vertheilt sind. Sämmtliche aus dem Zerfall des Nucleus hervorgegangenen Bruch- stücke nehmen schliesslich eine kugeliche Gestalt an (Fig. 6) und dann ist es recht schwer eine scharfe Scheidung zwischen den erwähnten grösseren Kugeln und den kleineren zu machen. Auch Stein hält es für unmöglich eine scharfe Grenze zwischen den beiden Arten dieser Körperchen zu ziehen. Ich mache hier haupt- sächlich auf die Fig. 9 Taf. XXVI aufmerksam; man kann hier mit einiger Sicherheit 5 grössere Kugeln unterscheiden, bleibt je- doch schwankend über eine oder die andere der mittelgrossen. Hat man das Thier durch Essigsäure zur Gerinnung gebracht — und dies ist ja die gewöhnliche Art diese Verhältnisse sichtbar zu ma- chen, denn amJebenden Thier nimmt man von all dem geschilderten nichts wahr — dann erscheint um jedes der Kügelchen, sowohl um die grossen als die kleinen ein heller Hof, der von Balbiani und Stein als die Hülle derselben gedeutet wird. Das Erscheinen dieses hellen Hofes ist jedoch gewiss nichts weiter, als ein Schrumpfungs- phänomen zweier wahrscheinlich bei der Gerinnung ungleichmässig sich zusammenziehender Eiweisskörper, von welchen der eine den andern einschliesst. Man sieht diesen hellen Hof bei längerer und übermässiger Einwirkung der Essigsäure sehr bald wieder schwinden, weil die Masse wieder quillt. Die grösseren Kugeln, die sogen. Eier sollen nach Balbiani ein deutliches Keimbläschen mit Keimfleck enthalten und auch Stein bestätigt die Gegenwart eines centralen hellen Bläschens, indem er keinen Unterschied zwischen den grösseren und kleineren Kugeln in dieser Beziehung macht. Gerade bei den vermeintlichen Eiern habe ich nie etwas von einem derartigen hellen centralen Bläschen oder Fleck zu sehen vermocht, sondern ich fand an ihnen mehrfach einen ähnlichen Bau, wie ich ihn oben von dem Nucleus einer Anzahl Infusorien geschildert habe (s. Taf. XXVI Fig.. 9a). Es Einiges über Infusorien. 667 schien sich nämlich die Kugel aus einer Anzahl Bläschen, von welchen jedes ein dunkles Körperchen einschloss, zusammenzusetzen (so ist das Erscheinen natürlich nach Zusatz von Essigsäure). Im Gegensatz hierzu glaube ich an den kleinen Kügelchen mehrfach einen centralen Fleck wahrgenommen zu haben, jedoch nur deutlich an den kleinsten, was sich eben darauf zurückführen liesse, dass diese kleinsten Kügelchen nur eines der Bläschen repräsentirten, welche in mehrfacher Anzahl die grösseren Kugeln bilden. Schliess- lich muss ich in Uebereinstimmung mit Stein hervorheben, dass es mir nie gelungen ist, etwas von einem Schlauch zu sehen, in welchen nach Balbiani die sämmtlichen Nucleusbruchstücke ein- geschlossen sein sollen. Trotzdem ich einige aus der Conjugation hervorgegangene Pa- ramaecien mehrere Tage aufbewahrte, konnte ich bei der darauf- folgenden Untersuchung weder eine Veränderung an den Kugeln noch eine merkliche Abnahme derselben durch etwaiges Absetzen auffinden. Bevor ich mir nun erlaube an diese Befunde einige Betrach- tungen zu knüpfen, sei es mir gestattet, noch einige Beobachtungen über die Conjugation von Paramaecium colpoda und Amphileptus anas hier anzuschliessen. Bei Paramaecium colpoda, wo ich trotz vieler Mühe mich von der Existenz eines Nucleolus im einfachen Thier nicht überzeugen konnte» verändert sich der Nucleus während der Conjugation absolut nicht, dagegen sah ich während derselben in jedem der Thiere eine sehr ansehnliche langgestreckte, halbkreisförmig um das vordere Ende des runden Nucleus herumgebogene Samenkapsel auftreten, nie je- doch mehr als diese eine. Dieselbe ist nach aufgehobener Conjuga- tion verschwunden. Ueber die weiteren Veränderungen des Nucleus, die nach der Conjugation wohl noch stattfinden, habe ich keine Auf- schlüsse erlangt. bei Amphileptus anas, welches Infusor auch Balbiani zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht hat, sehe ich nach er- folgter Conjugation die beiden ovalen Nuclei (Taf. XXVI Fig. 13) jedes Thiers sich so innig zusammenschmiegen, dass nun jedes der conju- girten Exemplare anscheinend nur einen ziemlich ansehnlichen ovalen Nucleus enthält. Diesem liegt eine spindelförmige Samenkapsel dicht an (Fig. 10 Taf. XXVI). Nach 16 Stunden wieder untersucht, ent- hielten die Thiere je 3 fast gleich grosse, helle Kugeln, die durch 668 O0. Bütsehli: die Bewegungen des Leibesinhalts vielfach verschoben wurden (Taf. XXVI Fig. 11). Nach Verlauf weiterer 4 Stunden hatte sich hiezu noch je eine kleinere, helle Kugel gesellt (Taf. XXVI Fig. 12). 4 Stunden später waren die Kugeln des einen Thiers recht undeutlich gewor- den, im andern liessen sie sich noch wahrnehmen. Nach 2 Stunden trat in einem der Thiere ein ziemlich grosser heller Körper deut- lich hervor, daneben waren noch zwei kleine helle Kugeln sichtbar. Jetzt trennten sich die Thiere, leider vielleicht durch einen zufällig auf sie ausgeübten Druck hiezu veranlasst. Das eine der Thiere zeigte noch nach 12 Stunden die grosse helle Kugel und daneben die zwei kleineren, von welchen jede ein dunkles Körperchen zu enthalten schien. Wenn nun auch die soeben geschilderten Vorgänge bei der Conjugation des Amphileptus anas vielleicht nicht ganz normal ge- wesen sind, so möchte daraus doch hervorgehen, dass die Erschei- nungen bei diesem Thier nicht in so einfacher Weise verlaufen, wie dies Balbiani schildert, nach dessen Angaben sich die beiden Kerne einfach zu Eiern entwickeln sollen. Es sei mir gestattet, einigen Bemerkungen und Gedanken, die sich mir bei der Beobachtung der geschilderten Conjugationszustände aufdrängten, hier eine Stelle anzuweisen. Sämmtliche Forscher sind einig darüber, dass die Conjugation der Infusorien, wenn auch nicht ein directer geschlechtlicher Act, so doch die Veranlassung zur Aus- bildung wahrer Geschlechtsproducte sei. Die veränderten Nucleoli bilden sich zu Samenkapseln um, welche die Samenfäden in sich einschliessen. Diese Samenfäden sollen alsdann späterhin ihre be- fruchtenden Wirkungen entweder nach Stein direct auf den Nucleus oder nach Balbiani auf die aus letzterem hervorgegangenen Eier ausüben. Nun ist es ja gewiss sicher, dass der bei der Conjugation vergrösserte Nucleolus nach seiner Gerinnung durch Essigsäure oder dergleichen einen feinfaserigen, streifigen Bau zeigt, dass aber dieses Aussehen beweisen soll, dass er Samenfäden einschliesse, dies vermag ich nach dem bis jetzt Erforschten nicht einzusehen. Zugegeben einmal, dass er wirklich isolirbare Fäden enthalte, so frage ich doch, mit welchem Recht dieselben als Samenfäden in Anspruch genommen werden dürfen? Unter einem Spermatozoon versteht man heutzutage eine in bestimmter Weise metamorphosirte Zelle, die durch-ihre Vereinigung (Conjugation) mit einer anderen, weiblichen Zelle (Ei) in letzterer einen eigenthümlichen Wachsthums- Einiges über Infusorien. 669 process (Entwickelung) veranlasst, oder diesen doch unterstützt oder in bestimmte Bahnen leitet. Nun sind diese sogen. Samenfäden des vergrösserten Nucleolus von Niemanden als veränderte Zellen er- kannt worden, auch hat Niemand ihre Vereinigung mit einer Eizelle beobachtet. Nach Stein sollen sie bekanntlich in den Nucleus ein- dringen, er will dies bei Param. aurelia beobachtet haben, führt jedoch selbst eine ganze Anzahl Gründe ins Feld, die es sehr un- wahrscheinlich machen, dass die im Nucleus beobachteten Stäbchen oder Fäden identisch seien mit den vermeintlichen Spermatozoön der Samenkapseln. Andererseits gibt Stein sich jedoch auch alle mögliche Mühe die von Balbiani vertretene Ansicht, dass der einfache Nucleus oder die einzelnen Glieder der Nucleusketten ein- fache Eizellen seien, als unrichtig hinzustellen. Hiermit fällt für Stein auch das zweite Argument, das er für die Spermatozoön- natur der Nucleolusstreifen anführen könnte. Balbiani ist in letz- terem Punkt correcter, er lässt die Spermatozoön die aus dem Zer- fall des Nucleus hervorgegangenen grösseren Kugeln (seine Eier) befruchten, jedoch lässt er uns, wie Stein schon mit Recht hervor- hebt, über den Befruchtungsvorgang gänzlich im Unklaren. Dass je- doch die Balbiani’sche Ansicht nicht stichhaltig ist, sieht man ja auch daraus, dass sowohl in gewissen Fällen bei P. aurelia als auch P. colpoda die Samenkapseln schon vollständig geschwunden sind, ohne dass eine bemerkbare Veränderung des Nucleus stattgefunden hätte. Von einer Befruchtung der sogen. Eier Balbiani’s kann also wenigstens bei Param. aurelia keine Rede sein. Nun kommt aber ein fernerer Umstand, der die Deutung der Streifen des vergrösserten Nucleolus als Spermatozoön erst recht unglaublich macht. Sowohl Stein wie Balbiani haben nämlich gefunden, dass die Nucleoli bei der Quertheilung der Infusorien stets beträchtlich anschwellen und ein längsstreifiges Aussehen er- langen. Balbiani sucht etwaige Einwendungen, die man hieraus gegen die wahre Spermatozoönnatur der Streifen der sogen. Samen- kapseln vielleicht ziehen könnte, dadurch zu entkräften, dass die Streifung der Nucleoli bei der Quertheilung nur auf die Hülle be- schränkt sei, sagt jedoch hierauf gleich selbst: »Cette striature fibreuse du testicule, peu ou point visible aux autres &poques d’annde, apparait aussi souvent comme le premier stade de son &volution aux epoques sexuelles, et peut en imposer pour un developpement de corpuscules seminaux.« Hieraus geht jedenfalls hervor, dass der 670 O. Bütschli: Unterschied zwischen den beiden Arten von Streifung ein kaum wahrnehmbarer ist und dass die angeblich feinere Streifung der reifen Samenkapseln leicht nur mit der beträchtlicheren Vergrösse- rung der Nucleoli bei der Conjugation zusammenhängen kann. Während der Conjugation vergrössern und theilen sich die Nucleoli in der Regel, sie thun also ganz das nämliche, was auch während der Quertheilung mit ihnen geschieht. Durch die soeben angestellten Betrachtungen scheint mir zur Genüge gezeigt zu sein, dass die sogen. geschlechtliche Fortpflan- zung der Infusorien lange nicht so sicher begründet ist, als man dies wohl hätte vermuthen sollen und dass wir noch weit davon entfernt sind, die eigentliche Bedeutung der Conjugation richtig zu verstehen. Ein vielleicht etwas gewagter Vergleich sei mir, weil wir bei der Erklärung dieser Vorgänge uns auf jede Weise zu helfen suchen müssen, gestattet. Die interessante Urostyla grandis soll nach Stein im gewöhnlichen Zustand gar keinen Nucleus enthalten; Balbiani hat diese Angabe dahin berichtigt, dass der Nucleus dieses Thiers in viele kleine Bruchstücke zerfallen sei. Ich kann dieses letztere nur bestätigeu und habe in Fig. 15 Taf. XXVIeine Anzahl derartiger Nucleusfragmente abgebildet, die sämmtlich sehr schön den.schon mehrfach geschilderten Bau zeigen. Eigenthümlicher Weise fand ich nun neben diesen Nucleusfragmenten mehrfach kleine ovale Kapseln von streifigem Aussehen (s. Fig. 16 Taf. XXVI), die Samen- kapseln ganz ähnlich sehen. In einem Thier fand ich 4—5 dieser Kapseln. Während der Quertheilung der Urost. grandis sind die Nucleusfragmente bekanntlich zu einem einzigen strangförmigen Kern zusammengetreten, der gegen Ende der Theilung allmählig wieder in einzelne Fragmente zerfällt. Durch was unterscheidet sich nun der Nucleus der Urostyla grandis nach jeder Theilung von dem zerfallenen Nucleus der Paramaecien nach der Conjugation und sind die von mir gesehenen streifigen Kapseln nicht auch hier ver- grösserte Nuclei ? Möglicherweise wäre demnach bei Urostyla grandis ein Zustand, der bei anderen Infusorien ein vorübergehender ist, zu einem dauernden geworden. Hiermit bin ich zu Ende mit dem, was ich über die Conjuga- tion der Infusorien vorzubringen im Stande bin, und muss gestehen, dass ich mich augenblicklich in Betreff dieses Phänomens, so weit dies bei dem heutigen Stande unseres thatsächlichen Wissens über- Einiges über Infusorien. 671 haupt möglich ist, der Ansicht zuneige, dass dasselbe sich den in der Organismenwelt anderweitig bekannten Conjugationserscheinun- gen wohl näher anschliesst, als dies bis jetzt vermuthet wurde. Anschliessend an das soeben Mitgetheilte erlaube ich mir einige gelegentliche Beobachtungen über Infusorien zu erwähnen, die, wie ich hoffe, einiges Interesse zu erregen im Stande sind. Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit das Vorhandensein eines amyloidartigen Körpers in einer Gregarine (Gregarina blatta- rum) und einem Infusor (Nyctotherus ovalis) zu beobachten !). Da diese beiden Thiere Parasiten sind, so liesse sich vielleicht ver- muthen, dass diese Eigenthümlichkeit eine Folge des parasitischen Lebens sei; dass dies jedoch nicht der Fall ist, beweist das Vor- kommen eines entsprechenden Stoffes in einem frei im Meer leben- den Infusor, dem Strombidium sulecatum Clap. u. Lachm. Dieses In- fusor, das von den genannten Forschern bei Bergen beobachtet wurde, findet sich auch in der Kieler Bucht. Es ist bemerkenswerth durch die grosse Zahl gelber Körnerklumpen, die es stets enthält und durch den Gürtel von Trichocysten, der dasselbe auf der hintern Grenze des vordern Körperdrittels umzieht (Fig. 19). Der rund- liche, mässig grosse, feinkörnige Kern liegt etwa in der Mitte des Thiers. Beim Zerquetschen beobachtet man in der Leibesmasse eine bedeutende Anzahl heller kleiner Blättchen, die von einer regelmäs- sigen Doppelcontur begränzt werden, so dass sie die Bezeichnung krystallinisch verdienen. Diese hellen krystallinischen Blättchen neh- men nun bei der Behandlung mit Jod und Schwefelsäure eine sehr schöne veilchenblaue Farbe an, indem sie gleichzeitig aufquellen. In Betracht der früheren Beobachtungen dürfte auch hier wohl der Schluss gezogen werden, dass diese Blättchen eine amyloidartige Substanz sind, die hier noch ein besonderes Interesse beansprucht, indem sie in mehr oder weniger regelmässiger, krystallinischer Ge- stalt auftritt. Ich erwähne anschliessend, dass ich früherhin bei den eigenthümlichen Gregarinen, die sich in der Leibeshöhle von Blatta orientalis zuweilen finden und die ganz den Eindruck machen, als seien es krankhaft veränderte Formen der gewöhnlichen Gregarina blattarum (die im Chylusdarm lebt), ähnliche Blättchen von fast 1) Müller’s Archiv für Anatomie und Physiologie 1870. S. 372. 672 O0. Bütschli: demselben Aussehen angetroffen habe. Obgleich ich damals die er- wähnte Reaction an ihnen nicht versucht habe, so zweifle ich jetzt doch nicht, dass sie von derselben Natur sind, wie die Blättchen des Strombidium sulcatum. Bekannt ist der reusenartige Schlund einer Anzahl Infusorien, so Chilodon, Nassula, Prorodon ete.; derselbe ist, so weit ich dies ermitteln konnte, immer so dargestellt worden, als wenn er aus graden etwa in der Form eines spitzen Kegelmantels zusammen- gestellten Stäbchen gebildet sei. Bei Chilodon und Nassula, wo ich Gelegenheit hatte diesen Apparat näher zu studiren, zeigte sich mir jedoch ein andrer Bau. Es laufen nämlich diese Stäbchen nicht grade von der Spitze des Kegels nach der Basis, sondern in lang- gestreckten Schraubenlinien (s. die Fig. 23 von einer Nassula). Es hat diese Erscheinung vielleicht einiges Interesse dadurch, dass durch sie eine Analogie zwischen diesen Stäbchen und den in gleicher An- ordnnng verlaufenden Körperstreifen angedeutet wird. In Bezug auf die soeben erwähnten Körperstreifen erlaube ich mir folgende Bemerkung. Schon Ehrenberg hat bemerkt, dass die Körperwimpern der Infusorien . (Holotricha) in Längsreihen gestellt seien. Aus der Darstellung Stein’s muss ich schliesen, dass er eigentlich diese Meinung nicht theilt. Bei der Beschreibung der Körperstreifen, die er für muskulös hält, bemerkt er, dass auf denselben nämlich den dunkleren, körnchenhaltigen, breiteren Streifen die Wimpern unregelmässig vertheilt seien, während die schmäleren hellen Zwischenstreifen, längs welcher nach seiner Ansicht die Cuticula leistenartig nach Innen etwas vorspringt, wimperlos sein sollen. Dies kann ich nun keineswegs bestätigen, sondern habe ich bei den zu diesen Untersuchungen geeignetsten Infusorien (Spiro- stomum und Stentor) immer grade das Gegentheil zu sehen geglaubt. Einmal stehen bei diesen die Körperwimpern wohl sicher in Längs- reihen und dann ferner nicht auf den körnigen Körperstreifen, sondern auf den hellen schmäleren Zwischenstreifen ; sie sind hier längs einer schwer bemerkbaren, sehr zarten dunkleren Linie in einfacher Längsreihe eingepflanzt (Fig. 18). In der soeben geschil- derten Weise haben sich mir nach vielfach wiederholten Beobachtungen Einiges über Infusorien. 673 diese Verhältnisse dargestellt, deren Erkenntniss zu den, wenigstens für die Leistungen meines Mikroskops, schwierig zu lösenden Auf- gaben gehört. Polykrikos Schwartzi n. sp. Unter diesem Namen erlaube ich mir ein von mir mehrfach beobachtetes infusorienartiges Thier zu beschreiben, weniger wegen seiner etwaigen Neuheit, als wegen seiner interessanten Bauweise. Dieses kleine Thierchen erregt das Interesse hauptsächlich dadurch, dass es mit einem vollkommen in- fusorienartigen Bau das Vorhandensein zahlreicher ächter Nessel kapseln verbindet. Ich fand dasselbe sehr häufig in den Fjorden bei Arendal an der Südküste von Norwegen, wo es sich fast stets in dem gefischten Auftrieb vorfand, ausserdem jedoch auch einmal in sehr brackischem Wasser der Kieler Bucht. Unser Thierchen hat etwa die Gestalt eines schlanken Tönnchens, das an seinem einen Ende, welches wir als das hintere bezeichnen wollen, etwas mehr verschmälert ist, als an dem entgegengesetzten. Was den Vergleich mit einem Tönnchen noch vermehrt, ist das Vorhandensein von etwa S — 16 reifartig das Thierchen umziehenden Rinnen. Hiernach hat es also den Anschein, als setze sich dasselbe aus 9— 17 Segmenten zusammen. Etwa in der Mitte zwischen je zwei der erwähnten Rinnen findet sich jedoch noch eine weitere schwache, ringförmig das Thier umziehende Einschnürung; dieselbe läge demnach auf der Höhe der vermeintlichen Segmente. Die er- wähnten Rinnen sind jedoch nicht vollständig geschlossene Ringe, sondern sie steigen an der einen Seite des Thiers etwas nach vorn und scheinen schliesslich sämmtlich in eine Längslinie umzubiegen (s. die Fig. 22). Die beiden Enden jedes einzelnen Ringes stossen jedoch nicht genau in dieser Längslinie auf einander, sondern scheinen dieselbe fast alternirend zu erreichen. In den Rinnen stehen nun sehr zarte kurze Wimpern, die bei ihren Bewegungen das Bild einer die Rinnen durchziehenden, geschlängelten Linie hervorrufen. Ausser diesen kurzen Wimpern findet sich noch eine geisselartige, jedoch nicht allzukräftige auf dem Vorderende und eine ähnliche schwerer sichtbare. in etwa "/; der Körperlänge Entfernung vom Vorderende, wahrscheinlich auf der erwähnten Längslinie befestigt. Am Vorderende (Fig. 22 c) lassen sich vier hügelartige Erhebungen wahrnehmen, zwischen welchen die Geissel M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 44 674 OÖ. Bütschli: befestigt ist und wo sich auch sehr wahrscheinlich eine Mundöffnung findet. Die Leibesmasse unseres Thieres besteht aus einer granu- lirten, hie und da auch etwas faserig aussehenden, protopläs- matischen Masse, die hie und da grössere das Licht stark brechende Körperchen enthält und in welcher man gelblich braun gefärbte Speiseballen antrifft. Ich habe nie eine Spur eines zelligen Baues gefunden. In der äusseren Leibesregion sieht man nun eine ziemliche Anzahl unregelmässig liegender, ächter Nesselkapseln. Die Fig. 22a und 22b zeigen, dass der Bau dieser Nesselkapseln mit dem der Coelenteraten-Kapseln vollständig übereinstimmt. Durch starken Druck bringt man sie zum Aufspringen. Eine Vacuole habe ich im hintern Theil unseres Thieres mehrfach gesehen, jedoch trotz langen Zuwartens keine Pulsation derselben wahrgenommen. Schliesslich bemerkt man in dem Körper unserer Thiere die rundlichen aus fein- körniger protoplasmatischer Masse bestehenden Nuclei, die gewöhnlich in der Vierzahl vorhanden sind und an einer Seite des Thiers in einer Längsreihe hinter einander liegen. Von Nucleoli habe ich nichts gesehen. Die Gesammtlänge eines in Kiel gesehenen Thierchens betrug 0,115 mm. seine grösste Breite 0,073 mm. — In Arendal traf ich auch häufig Quertheilungszustände (Fig. 22). Unsere Figur zeigt gerade ein Stadium, auf welchem jedes der neugebildeten Indi- viduen noch zwei Kerne besitzt, die jedoch durch eine mittlere Ein- schnürung verrathen, dass sie sich zu theilen im Begriff sind. Wahrscheinlich ist unser Thierchen schon früher beobachtet worden, denn die von Ouljanin !) beschriebene Larve scheint mir wohl mit demselben identisch zu sein. Ich kenne darüber nur den Bericht Leuckart’s ?2) und verdanke der Güte desselben eine Copie der Abbildung, die mir die Identität mit dem von mir be- schriebenen Thier fast zur Gewissheit macht. Ouljanin schreibt seiner Larve 9 Rinnen zu, eine Zahl die sich auch bei unserm Thier zuweilen finden muss, da dasselbe die Zahl seiner Rinnen zwischen je zwei Theilungsprozessen von 8 bis auf 16 erhöhen muss, indem ich es für unwahrscheinlich halte, dass erst während der Theilung die Zahl der Rinnen verdoppelt wird. Thiere mit 12 oder 13 Rinnen habe ich angetroffen. 1) K. Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften 1869. p. 161. (Russisch.) L 2) Leuckart’s Jahresbericht für 1868--69 p. 123. Einiges über Infusorien. 675 Schliesslich muss ich die interessante Eigenthümlichkeit unseres Thiers, nämlich das Vorhandensein von Nesselkapseln noch einen Augenblick ins Auge fassen. Man wird gewiss dieses Umstands halber geneigt sein unser Thier nicht zu den Infusorien zu stellen, oder wenn man dieses letztere dennoch thut hieraus auf ein Vor- handensein ächter Zellen bei demselben zu schliessen, indem man Nesselkapseln bis jetzt, soweit dies erforscht ist, stets in Zellen ent- stehend fand. Wie schon bemerkt, habe ich nun bei unserem Thier nichts davon gesehen, dass die Nesselkapseln irgendwie noch eine besondere Umhüllung hätten. Fernerhin scheint mir jedoch auch das Vorkommen ächter Nesselkapseln selbst mit der Einzelligkeit der Infusorien verträglich. Soweit ich mich über die Entwickelung der Nesselkapseln bei den Coelenteraten durch die Schriften von Moebius, F. E. Schulze und Kleinenberg !) belehren konnte, entsteht die Nesselkapsel stets im dem Protoplasma einer Zelle un- abhängig von dem Kern, sie ist also nicht etwa selbst eine modi- fieirte Zelle, sondern wird nur in einer solchen producirt; es liesse sich daher an und für sich kein Hinderniss einsehen, warum nicht in einer Zelle gleichzeitig eine grössere Anzahl Nesselkapseln ge- bildet werden sollten, welcher Fall denn bei unserem Infusor ein- getreten wäre, wenn wir an dessen Einzelliekeit festhalten. Letzteres scheint mir wenigstens heutzutage noch immer das richtigere und drängt sich mir namentlich immer auf, wenn ich die Reihe von Organismen übersehe, die allmählig von den complicirtesten Infu- sorien zu den einfachsten Flagellaten und schliesslich auch Amoeben hinüberführen, deren Einzelligkeit wohl kaum von Jemanden be- zweifelt wird.» Die gleiche Betrachtung liesse sich natürlieh auch für die Trichocysten anstellen, die bis jetzt wenigstens immer als Hauptargument von den Anhängern der Vielzelligkeit ins Feld ge- führt wurden ?). Wie man zwar die Einzelligkeit der Infusorien auf 1) Moebius, K., Ueber den Bau ete. der Nesselkapseln (Abhandlungen des naturw. Vereins zu Hamburg. Bd. V). F. E. Schulze, Cordylophora lacustris, Leipzig, 1871. Kleinenberg, Hydra, Leipzig, 1871. 2) Bei der Betrachtung der Bauweise der grossen Trichoeysten der Nassula, die auf T. XXVI Fig. 20 abgebildet sind, möchte ich es für das wahrscheinlichste halten, dass diese eigenthümlichen Gebilde im Prineip den eigentlichen Nesselkapseln ganz analog gebaut sind, sich von ihnen wesent- lich jedoch dadurch unterscheiden, dass sie in jedem ihrer zugespitzten Enden einen ausschnellbaren Faden enthalten. Es lässt sich vorstellen, dass 676 O0. Bütschli: der einen Seite und auf der andern eine vom Nucleus und Nucleolus ausgehende geschlechtliche Fortpflanzung derselben vereinigen kann, bleibt mir wenigstens unverständlich. Sowohl die Amoeba terricola als die Amphizonella violacea Greeff’s habe ich in Kiel in der Erde um die Wurzeln von auf einem Dach wachsendem Moos sehr reichlich angetroffen und nament- lich die erstere Form mehrfach untersucht. Auch mich hat dieses höchst eigenthümliche Thier bei seinem ersten Anblick sehr über- rascht. Die Beschreibung und Abbildung Greeff’s gibt von beiden Thieren eine recht gute Vorstellung und sind es nur einige wenige Punkte, zu welchen ich mir eine Bemerkung erlaube. Die gelben Körper, die Amoeba terricola häufig in sehr reicher Zahl enthält, scheinen mir nichts als die Speisereste zu sein. Die Thiere hatten gewöhnlich sehr bedeutende Mengen von Oscillatorienfäden gefressen, deren allmählicher Uebergang in die gelben bis braunen Körper deutlich zu verfolgen war. Wie die Speiseballen der Infusorien sind auch hier diese gelben Körper in Flüssigkeit enthaltende Hohlräume des Leibes-Protoplasma eingeschlossen. Bei Amphizo- nella violacea, die gleichfalls viele Oscillatorienbruchstücke ver- schlingt, verwandeln sich dieselben in völlıg schwarze Körper. Von den eigenthümlich faserigen Körpern, die Greeffin Amoeba terricola getroffen hat, kann ich nicht glauben, dass dieselben mit der Fortpflanzung etwas zu thun hätten. Ich habe dieselben auch recht häufig beobachtet. Ein Thier, das eine beträchtliche Anzahl derselben enthielt, zeigte nachdem es eine Nacht in der feuchten Kammer zugebracht hatte, keinen einzigen dieser Körper mehr, sonst jedoch auch keine weitere Veränderung. Das eigenthümliche Spiel der contractilen Vacuole sah ich bei A. terricola vollständig in der von Greeff beschriebenen Weise, eine Ausstossung der Vacuolenflüssigkeit scheint entschieden nicht stattzufinden. Sehr auffallend war der sehr deutlich strahlige Bau, die dunkeln Endtheile dieser Trichocysten von dem darin aufgerollten Faden herrühren, den geuauer zu erkennen der auflösenden Kraft meines Mikroskops versagt war. Mit dieser Vorstellung des Baues der Trichocysten harmonirt denn auch ihre Gestalt im ausgeschnellten Zustand. Einiges über Infusorien. 677 welchen das Protoplasma in der Umgebung der meisten Vacuolen von einigem Durchmesser zeigte (Fig. 21. Taf. XXVI). Die Be- wegungen unseres Thiers sind von Greeff treffllich beschrieben worden, dagegen kann ich mich der von ihm gegebenen Erklärung dieser Bewegungsart nicht anschliessen. WieKleinenberg in seiner Monographie der Hydra mit Recht auseinandergesetzt hat, lässt sich die amöboide Bewegung nicht unter dem Begriff der Contraction sub- summiren. Auch bei der hier besprochenen grossen Amoebe lässt sich dies nachweisen. Die lebhaften und häufig sehr lokalen Strömungen des körnigen Innenparenchyms können unmöglich das Resultat lokaler Contractionen sein. Wenn ferner, wie Greeff meint, eine Contrac- tion der hellen Aussenschicht an dem Hinterende des Thiers (das dem sich vorwärts bewegenden entgegengesetzte) die Ursache der Weiterbewegung sei, so müsste dem Begriffe der Contraetion nach hier eine Verdickung der hellen Schicht auftreten. Das Gegentheil hiervon hat jedoch statt; die helle Aussenschicht schwillt an dem sich vorwärts bewegenden Ende sehr an. Ebenso ist die Fältelung, die sich am Hinterende bei der Bewegung häufig zeigt, nicht ein Beweis für dort stattfindende Contractionen, sondern rührt davon her, dass das ursprünglich voll ausgedehnte Hintertheil bei der Vorwärtsbewegung passiv, durch den Wasserdruck in sich zusammen- sinkt, wobei dann die äusserste, membranartig modificirte Zone der hellen Aussenschicht sich runzelt, da sie sich in Bezug auf ihren Aggregatzustand wohl den festen Körpern mehr zuneigt. Der eigent- liche Sitz der Bewegnng ist zweifellos die helle Aussenschicht, aber der bei der Bewegung voraneilende Theil derselben. Die hier auf- tretenden Fortsätze sind Strömungserscheinungen, deren Ursache noch immer sehr zweifelhaft erscheint. Kiel im Januar 1873. 678 O0. Bütschli: Einiges über Infusorien. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV und XXVI. Fig. 7. Fig Fig. 9a. Fig. 10 Fig. 11 Fig. 12 Fig. 13 Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16 Rio. 217: Fig. 18. Fig. 19. Fig. 19a Fig. 19b Fig. 20 Fig. 21 Fig. 22 Fig. 22a Fig. 22b Fig. 22e Fig. 23 Tafel XXV. g. 1-4. 4 verschiedene Paare conjugirter Paramaecium aurelia, in Frank- furt a. M. beobachtet. . 5-6. 2 verschiedene Individuen verschiedener Paare nach aufgehobener Conjugation, in Frankfurt a. M. beobachtet. Theil des Nucleus eines conjugirten Paramaecium aurelia; durch Quetschen isolirt. Tafel XXVI. ', 8—9. 2 verschiedene Individuen von P.’aurelia nach aufgehobener Con- jugation; in Kiel beobachtet. 2 der grossen Kugeln des Thiers der Fig. 9, 1 nach der blossen Behandlung mit Essigsäure, 2 nach Färbung mit Carmin. . Amphileptus anas conjugirt. . Dasselbe Paar 16 Stunden später. . Dasselbe Paar noch 4 Stunden später. . Nuclei eines einfachen Amphileptus anas nach Behandlung mit Essigsäure. Einer der Nuclei einer Oxytricha aus dem Kieler u Nucleusbruchstücke von Urostyla grandis. . Eigenthümlicher, einer Samenkapsel ähnlicher Körper aus Urostyla grandis. Nucleus von Spirostomum teres (Fig. 14—17 sämmtlich nach der Behandlung mit verdünnter Essigsäure). 2 Körperstreifen von Spirostomum teres mit den in einer Längs- reihe auf dem hellen Feld stehenden Wimpern. Strombidium sulcatum, Clip. & Schm. n Nucleus, x Trichoeystengürtel. .Krystallinische Blättchen der amyloidartigen Substanz aus diesem Infusor. . Ausgesprungene Trichocysten. 20. Grosse Trichocysten einer Nassula. . Vacuolen von. Amoeba terricola Greeff mit dem eigenthümlich strahligen Bau des umgebenden Protoplasma’s. . Polykrikos Schwartzi, Btschli. Ein. in der Theilung begriffenes Thier. a. Eine geschlossene Nesselkapsel dieses Thiers. . Eine aufgesprungene Nesselkapsel desselben. . Vorderende desselben Thiers mit der geisselartigen Wimper. . Schlund der grossen Nassula sp. Details sämmtlicher Figuren sind mit der Immersionslinse Nr. 7 von Gundlach gezeichnet. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. Von Dr. Alexander Goette. Hierzu Taf. XXV1. I. Der Keim des Forelleneies. Ueber die Entwickelung der Keimblätter der Knochenfische sind erst in neuester Zeit eingehendere Untersuchungen bekannt ge- worden. Von den älteren Embryologen glaubte Rathke auch für die Knochenfische die schon bestehende Lehre von der Zusammen- setzung des Keims aus zwei Hauptschichten, dem serösen und dem Schleimblatte, denen sich später noch das zwischenliegende Gefäss- blatt anschliesse, bestätigen zu können (No. 1 Seite 12—13)). v. Baer folgt derselben Darstellung (No. 2 $. 298), fügt aber dazu einige weitere bemerkenswerthe Angaben über den Keim. Der- selbe sei anfangs in der Mitte dicker als am Rande, später verdünne sich jedoch die erstere und verwandele sich letzterer in einen dicken, in den Dotter eingedrückten Wulst (No. 3 S. 10). Vost lässt an dem Keime der Forelle eine oberflächliche Epi- dermoidalschicht schon frühzeitig von der Masse der darunterliegen- den Embryonalzellen sich absondern (No. 4 8. 33). Diese Epider- moidalschicht, welcher die Rolle einer Schutzhülle zugeschrieben wird (a. a. O. S. 143), bilde die Oberhaut des Embryo, den Dotter- 1) Die Nummer bezieht sich wie in allen folgenden Fällen auf das am Ende dieses Aufsatzes hefindliche Litteraturverzeichniss. 680 Dr. A. Goette: sack, die Nasengrube und die Linse (S. 40. 76. 94 141). Die Embryonalzellen, welche sich unter jener Schicht im excentrischen Primitivstreifen ansammeln (8. 44. 48), liefern die einzelnen An- lagen für alle übrigen Körpertheile mit Ausnahme des primordialen Darmes und der Urnieren, welche ihren Ursprung einem besonderen, erst viel später unter den Embryonalzellen auftretenden Schleim- blatte verdanken (S. 308). Durch jene Ansammlung der Embryonal- zellen aus dem grössten Theile der Keimhaut in den Bereich der Embryonalanlage entsteht eine schon an der verschiedenen Durch- sichtigkeit erkennbare Scheidung zwischen beiden Theilen, nämlich dem Embryo und dem Dottersacke (vessie vitellaire, S. 39. 42). Lereboullet untersuchte die Entwickelung der Forelle (An- nales des seiences naturelles, Zoologie, Tom. XVI 1861), des Hechtes und des Barsches (No. 5). Da er jedoch selbst erklärt (Ann. se. nat. Tom. XIX 1863, S. 15), dass nennenswerthe Unterschiede in der Entwickelung der drei Arten nicht beständen, so benutze ich hier bloss die späteren Mittheilungen über den Hecht. — Der aus dem jildungsdotter hervorgegangene Keim sei nach der Furchung anfangs in der Mitte dicker als am Rande, werde aber dort während der Ausbreitung über den Dotter gerade dünner und erhalte dadurch einen dicken Randwulst (No. 5 S. 42). Er sei schon frühzeitig hohl, also einer abgeplatteten Blase vergleichbar (Keimblase), welche während der genannten Ausbreitung in einen doppelwandigen Sack, eben die Keimhaut, sich verwandle (S. 41. 43. 51). Diese Keimhaut bestehe aus einer ganz oberflächlichen, aus platten Zellen zusammen- gesetzten Epidermoidalschicht, im Uebrigen aus Embryonalzellen, welche die Anlagen zu allen animalischen Theilen liefern (S. 34. 47. 49. 50). An die Unterfläche der Keimhaut trete als Erzeugniss des Nahrungsdotters das Schleimblatt, die Grundlage der Ernäh- rungs- und Fortpflanzungsorgane; es bilde sich aus den »globules vitellins», welche sich unter dem Bildungsdotter oder Keime an- sammeln und in Zellen verwandeln, deren Ausbreitung zu einer den übrigen Dotter unmittelbar umschliessenden Schicht zugleich mit der eigentlichen Keimhaut erfolgt (S. 34. 44. 48—50). Kupffer hat an den Eiern von Gasterosteus, Spinachia, Gobius zuerst nachgewiesen, dass die Zellen des Fischkeims »die directen Endglieder des Furchungsprocesses sind« (No. 6 S. 214). Nachdem/sich der Keim zur Keimhaut ausgebreitet, werde ihr Rand dunkler (Keimsaum), ihre Mitte unter Abplattung der Zellen Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 681 (Epithelialfeld) heller (S. 221). Der Keimsaum schwelle an einer Stelle theils durch energische Zellenvermehrung, theils durch An- sammlung der vom übrigen Umfange auswandernden Zellen stärker an und wachse alsdann zungenförmig in das helle Epithelialfeld aus; dies gebe den Embryonalschild (S. 222. 228). Dieser entwickle alsbald an seiner unteren Fläche einen medianen in den Dotter vorspringenden Kiel (S. 231); doch erst nachdem entsprechend dem- selben an der Oberfläche eine seichte Furche entstanden, würden am Keime drei Keimblätter sichtbar (S. 234). Ven diesen gehörten das obere und das mittlere, welehe vom Kiele aus seitlich fort- schreitend sich von einander trennen, dem aus der Furchung her- vorgegangenen Keime an (S. 243—-245); das dritte unterste scheine unabhängig von diesem Keime aus einer Zellenschicht hervorza- gehen, welche durch freie Zellenbildung in seinem Umkreise ent- stehe und zwischen dem Dotter und der Keimhaut zu einem Blatte auswachse (S. 217—220. 245). Rieneck untersuchte die der Furchung zunächst folgenden Ent- wickelungsstufen des Forellenkeims. — Die oberflächlichste Zellen- lage sondere sich zuerst als eine plattenepithelartige Umhüllungs- haut ab (No. 7 S. 3559). Darauf hebe sich das Centrum des Keims vom Dotter ab, und bilde so eine Keimhöhle !), während die Pe- ripherie auf der Unterlage ruhen bleibt (S. 360). Die oberen Keim- schichten stellen das Sinnesblatt her, welches durch jene oberfläch- liche Sonderung in Horn- und Nervenblatt zerfalle (S. 361). Die tieferen Keimschichten, welche als von den langsamer sich theilen- den Furchungselementen abstammend aus grösseren Zellen bestehen, lösen sich vom Sinnesblatte und bilden zuerst subgerminale Fort- sätze, bis sie endlich vollständig auf den Boden der Keimhöhle herabfallen und dort eine Lage zusamınensetzen, welche erst im Keimrande mit dem Sinnesblatte wieder in Berührung tritt (S. 362 — 364). Dieser Zustand des Keims, »in der Mitte eine Höhle, dar- über die kleineren Zellen als sensorielles Blatt, und darunter die grossen Zellen für den Rest des Embryonalleibese — entspreche . demjenigen der Batrachier und Vögel, indem sowohl dort wie hier die am Boden der Keimhöhle befindlichen grossen Zellen die zwei 1) Die Keimhöhle beschrieb zuerst Stricker, vgl. seine Untersuchun- gen über die Entwicklung der Bachforelle in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie Bd. LI. 682 Dr. A. Goette: unteren Keimblätter bilden. Auch die Art und Weise der Herstellung der letzteren sei bei den Fischen dieselbe wie bei den Batrachiern und Vögeln, indem jene grossen Zellen zur Peripherie wanderten und durch ihre Ansammlung an einer bestimmten Stelle derselben die Anlage des mittleren und untersten Keimblattes lieferten (S. 363—365). Ja, Rieneck will diese Wanderung sogar verfolgt haben (S. 363). Der Zeit nach fände hier meine vorläufige Mittheilung (No. 8) ihren Platz. van Bambecke schliesst sich nach dem eigenen Geständnisse Kupffer an und findet, dass der Keim verschiedener Cyprinoiden aus zwei Theilen bestehe: 1. dem oberen, aus der Furchung her- vorgegangenen, welcher die Furchungshöhle einschliesst, 2. dem unteren, zwischen jenem und dem Dotter gelegenen, „couche inter- mediaire“ (No. 98.4). Ander letzteren, welche aus einer endogenen Zellenbildung im Dotter hervorgehe, könne ein verdickter, unter dem oberen Keimblatte frei zu Tage tretender Rand und eine dünne Mitte unterschieden werden, welche wahrscheinlich vom Rande her- vorgewachsen sei (S. 5. 7). Den Schluss der bisherigen Untersuchungen bilden Oellacher’s ausführliche Mittheilungen. Nachdem die Furchung beendet, werde eine Hälfte des bioncevexen in den Dotter eingesenkten Keimes dünner und hebe sich darauf vom Dotter ab, und zwar zuerst ganz in der Nähe der Peripherie, wodurch die Keimhöhle entstehe (No. 10 8. 1. 2. 19). Mit der Verdünnung jenes Keimtheils geht eine Ausbreitung desselben über den Dotter Hand in Hand, woran die diekere Hälfte sich nur insofern betheilige, als sie einen Theil ihrer Zellenmasse an den dünnen sich ausbreitenden Keimtheil abgebe, während ihr peripherischer Saum nicht von der Stelle rücke (8. 3. 4). Bei der fortgesetzten Ausbreitung erscheine der Keim zuletzt als eine dünne Platte (Decke der Keimhöhie), eingefasst von einem verdickten Rande, dem Keimwulste, in welchem die ursprünglich dickere Keimhälfte eine local beschränkte Verbreiterung und Ver- dickung desselben und schon in ihrer ursprünglichen Zusammen- setzung die primitive Embryonalanlage darstelle (a. a. O.). Die erste Schichtung des Keims beginne schon vor der Bildung der Keimhöhle durch die Sonderung der oberflächlichsten Zellenlage oder des Hornblattes. Die_ anfangs kubischen Zellen desselben sollen im weiteren Verlaufe sich erst an der Peripherie des Keims und Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 683 darauf in der Decke der Keimhöhle abplatten (S. 11. 12. 27). Im Bereiche der letzteren erscheint dann unter dem Hornblatte eine einfache Lage von Cylinderzellen, an welche sich abwärts rundliche Zellen anschliessen (S. 13). Jene Cylinderzellen sind die Anlage des Sinnesblattes, dessen Entwickelung also in der Decke der Keim- höhle beginnt und erst nachträglich in die Embryonalanlage sich fortsetzt, dort eine dickere Zellenschicht umfassend (S. 15.16.28). Die unter dem Sinnesblatte befindlichen rundlichen Zellen der Keimhöhlen- decke fallen. sämmtlich auf den Boden der Höhle hinab und graben sich darauf in den Dotter ein (8. 12). Wenn vielleicht ein kleiner Theil derselben davon eine Ausnahme mache, und gegen den Kein- wulst wandernd dessen Zellenmasse verstärkt, so seien solche Zellen dennoch wesentlich von den Wanderzellen verschieden, welche am Hühnerkeime vom Boden der Keimhöhle aus zwischen zwei schon vorhandene Keimschichten einwandern (S. 33—36). Im Allgemeinen könne eben für den Bereich der Embryonalanlage von einer nach- träglichen Anlagerung der Zellen, welche unter dem Sinnesblatte die Anlagen des motorischen und des Darmdrüsenblattes darstellen (S. 17), nicht die Rede sein; sondern die beiden Hauptschichten sonderten sich in dem unveränderten, ursprünglichen Keimwulste, so dass seine tiefsten Zellen auch zum Darmdrüsenblatte würden (S. 14. 32. 33. 39). Die vollständige Trennung des letzteren voll- ziehe sich jedoch erst während der eigentlichen Embryonalentwicke- lung (S. 39). — Zu erwähnen ist noch, dass Oellacher das Horn- blatt zu einer gewissen Zeit über den Keimwulst hinauswachsen sah (8. 17. 21). Auf die besonderen von Oellacher ausführlich beschriebenen Verschiedenheiten der einzelnen Keimblätter schon während der frühesten Entwickelungsperiode kann in diesem Auf- satze nicht eingegangen werden. In der vorläufigen Mittheilung über die Entwickelung der Fo- relle, welche ich vor nunmehr vier Jahren im Centralblatte für die mediecinischen Wissenschaften erscheinen liess, heisst es wörtlich: „Nach beendigter Furchung bilden die Zellen des Keims eine lin- senförmige Scheibe, welche in einer entsprechenden Vertiefung des Dotters ruht. Darauf verdünnt sich die Mitte des Keims und löst sich vom Dotter, so dass zwischen beiden die Keimhöhle entsteht. Dann schlägt sich der Rand des Keims auf einer Seite nach unten 684 Dr. A. Goette: um und breitet sich an der unteren Fläche des Keims aus. Das- selbe geschieht später an der übrigen Peripherie. So besteht der Keim aus zwei Schichten, welche im verdickten Rande zusammen- hängen. Wo jener Umschlag begann, bildet sich die Embryonal- anlage, indem die tiefere Schicht sich in zwei Blätter sondert, so dass dort im Ganzen drei Blätter über einander liegen.* — Ich habe seit jener Zeit über die vorliegende Frage keine neuen Unter- suchungen angestellt; die folgende Darstellung stützt sich auf die alten, unverändert erhaltenen Präparate und enthält, da bei der nach Jahren erneuerten Durchsicht der letzteren eine Gelegenheit zu Üorreeturen sich nicht bot, lediglich eine weitere Ausführung jener ersten kurzen Niederschrift. Die linsenförmigen, in eine Vertiefung des Dotters eingebetteten Keime übergehe ich in der Beschreibung, da sie ausser dieser Form und der mit den Keimen der nächsten Stufe übereinstimmenden Zu- sammensetzung keine erwähnenswerthen Merkmale besitzen. — Die sich daran schliessenden Durchschnittspräparate bezienen sich auf Keime, welche eben anfingen sich auszubreiten (Fig. 1). Da diese Ausbreitung unter entsprechender Abnahme des Dickendurchmes- sers des Keims vor sich geht, so liegt ihr offenbar eine Verschie- bung der Keim- oder Embryonalzellen zu Grunde, wobei ich be- merke, dass, da jene Abnahme im ganzen Keime stattfindet (Fig. 1—4), auch die Ausbreitung sich auf den ganzen Keim beziehen muss. Zugleich nimmt der Durchmesser der Embryonalzellen stetig ab, d. h. geht die Vermehrung derselben durch Theilung ununter- brochen fort. Diese Gleichzeitigkeit beider Bewegungen, von denen die eine das Ganze, die andere die einzelnen Theile des Keimes be- trifft, legt die Frage nahe, ob dieselben nicht in innigem Zusammen- hange stehen. Wenn man überlegt, dass jede Zellentheilung mit einer Raumverschiebung verbunden ist, so genügte in der That der Nachweis umfassender Theilungsvorgänge, um unter Ausschluss anderer hypothetischer Bewegungsursachen in der Formveränderung des Keims nur den einfachen Ausdruck für die Summirung der vielen kleinen Theilbewegungen zu erkennen. Allerdings muss dabei angenommen werden, dass jene Theilungen nicht gleichmässig nach allen Seiten, sondern überwiegend in einer solchen Richtung (also der senkrechten) erfolgen, dass dadurch die Ausbreitung des Ganzen in einer bestimmten Ebene (nämlich der horizontalen) gewährleistet wird. Eine solche Annahme bestätigt sich aber überall, wo man Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 685 jene Theilungen unmittelbar controliren kann, also im Anfange des sogenannten „Furchungsprocesses“, welcher ja direct in die Zellen- vermehrung des Keims übergeht. Die Zusammensetzung des in Rede stehenden Keims weicht von derjenigen der linsenförmigen Keime nicht ab; die ziemlich eleich grossen, rundlich-eckigen Zellen bilden, indem sie sich viel- fach berühren, eine compacte, aber regellos gefügte Masse, ohne jedoch fest zusammengedrückt zu sein. Eine Ausnahme davon macht wie schon im vorigen Stadium die äusserste Zellenlage an der freien Oberfläche des Keims (Fig. 1. ds), deren Elemente sich zu einem festeren, hautartigen Gefüge zusammenschliessen. Diese Schicht, welche sich während des grösseren Theils der Entwickelungszeit dauernd erhält, kann daher als erste Sonderung des Keims betrachtet werden. Da sie, wie in einem späteren Aufsatze ausgeführt werden soll, an der Entwickelung der darunter gelegenen Embryonalanlagen des oberen Keimblattes keinen Antheil hat, vielmehr den Embryo sammt dem Dottersacke nur äusserlich überzieht, so erscheint sie als eine Art von Schutzhülle für den sich entwickelnden Embryo, deren Bildung vielleicht gerade durch den Einfluss der umgebenden Flüssigkeit hervorgerufen wurde. Diese Bedeutung hat sie aber nur während den früheren Entwickelungsperioden; später schliesst sie sich der übrigen Oberhaut an, welche aus dem oberen Keimblatte hervorgeht, verdient also den Namen einer Umhüllungshaut im Reichert’schen Sinne nicht. Ebenso wenig bildet sie aber auch nur eine besondere Hornschicht der späteren Epidermis, sondern be- theiligt sich alsdann unter Verlust ihrer Selbstständigkeit an ver- schiedenen Hautbildungen. Daraus ergibt sich also, dass sie kein besonderes Keimblatt in dem gewöhnlichen Sinne darstellt, sondern als eine durch besondere Umstände. welche höchst wahrscheinlich in dem umgebenden Medium zu suchen sind, schon am indifferenten Keime hervorgerufene Sonderung aufzufassen ist, welche nach der Entwickelung und ersten Umbildung der Keimblätter sich dem obersten derselben anschliesst und endlich vollständig in dasselbe aufgeht. Diese ihre Bedeutung als zeitweilige Schutzhülle und ihre eigentliche Zugehörigkeit zum oberen Keimblatte offenbart sich be- sonders deutlich an den Eiern und Embryonen der Batrachier; dort ist ihre Selbstständigkeit zeitlich und räumlich viel beschränkter, indem sie in die wichtigsten Embryonalanlagen des oberen Keim- blattes ungesondert übergeht und viel früher als bei den Fischen 686 Dr. A. Goette: mit der tieferen Epidermisschicht verschmilzt. Dass sie aber bei diesen Entwickelungsvorgängen nicht etwa eine besondere, von dem übrigen oberen Keimblatte abweichende und nur der Beobachtung bisher entgangene Rolle spiele, erweist sich aus der Entwickelungs- geschichte der höheren Wirbelthiere, welche keinen hier in Frage kommenden Körpertheil der Betrachier und Fische vermissen lassen, obgleich ihren Keimen und Embryonen die besprochene Schicht fehlt. Ich betrachte daher die letztere als gleichsam anticipirte, vergäng- liche Sonderung des oberen Keimblattes, welche für die morpho- losische Wirbelthierentwickelung ohne Bedeutung, nur den beson- deren physiologischen Verhältnissen der im Wasser sich entwickelnden Eier entspringt und desshalb auch nur die ganz allgemeine Bezeich- nung einer Deckschicht des oberen Keimblattes gegenüber der darunterliegenden Grundschicht verdient. Wenn aber die vorliegende Entwickelungsstufe des Keims be- züglich seiner Zusammensetzung sich von der vorigen nicht unter- scheidet, so sind dagegen in seiner Form und Lage Veränderungen eingetreten, welche zum Ausgangspunkte der weitern Entwickelung werden. Zunächst gehört hierher die Bildung der Keimhöhle (kh). Ob das, was ich von ihr zuerst gesehen, wirklich ihr erster Anfang ist, weiss ich freilich nicht; ich constatire nur, dass sie sich schon an einem Keime, der seine biconvexe Gestalt noch nicht verloren hat, als spaltartiger Raum zwischen seinem mittleren Theile und dem Boden der ihn aufnehmenden Dottergrube befindet, und diese Lage bis zur Bildung der Embryonalanlage beibehält (Fig. 1—5). Ihren Abschluss nach aussen erhält sie dadurch, dass die Peripherie des Keims in einer gewissen Breite am Umfange jener Grube dem Dotter angefügt bleibt; dass dieser peripherische Keimtheil, auf den ich die Bezeichnung des Keimrandes (r und r‘) beschränke, nicht überall gleich breit ist, wie gleich näher ausgeführt werden soll, also der äussere Umfang desselben zum Mittelpunkte der Keim- höhlendecke nicht genau concentrisch liegt, hebt die obige Behaup- tung wenigstens nach allen meinen Präparaten nicht auf, da die Differenz in der Breite des Keimrandes gegenüber der Ausdehnung der Keimhöhlendecke unerheblich bleibt. Noch will ich hier gleich vorausgreifend bemerken, dass während der weiteren Untersuchung des Dotters durch den Keim auch die Keimhöhle sich entsprechend ausbreitet, aber indem ihr Boden dabei sich allmählich convex her- vorhebt, ihre spaltartige Form behält (Fig. 5—7). Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 687 Noch mehr als die Bildung der Keimhöhle fällt die Formver- änderung des sich ausbreitenden Keims in die Augen. Die an- dauernde gegen die Peripherie des Keims gerichtete Zellenverschie- bung verwandelt denselben nicht etwa in eine gleichmässig dicke Scheibe, sondern indem der ganze Keim im allgemeinen dünner wird, rückt sein grösster Dickendurchmesser aus der ursprünglichen centralen Lage gegen eine Stelle des Keimrandes (r‘) vor, welcher breiter und mächtiger bleibt als im übrigen Umfange, so dass also der ganze Keim auf dieser Seite dicker erscheint. Dies erkennt man schon in der Flächenansicht an erhärteten Keimen, indem der diekere Theil weisser aussieht als der dünnere, welcher die Keim- höhle schon von Anfang an etwas durchscheinen lässt. Dadurch wird man in den Stand gesetzt, die Durchschnitte an verschiedenen Keimen fast in derselben bestimmten Richtung, nämlich parallel zu dem Durchmesser, welcher jene beiden Theile halbirt, auszuführen und so den in Rede stehenden Entwickelungsgang des Keims sicher zu verfolgen. Oellacher hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass diese Schnittrichtung nach der Anlage des Embryo zur sagit- talen werde. — Jene sehr frühe erkennbare ungleiche Ausbildung des sich im allgemeinen verdünnenden Keims ist natürlich nur der Ausdruck dafür, dass die eine Hälfte desselben sich leichter und schneller ausbreitet als die andere. Die eigentlich veranlassenden Ursachen dieser Erscheinung konnte ich nicht entdecken, dagegen lässt sich die Frage discutiren, worin der thatsächliche Vorgang dabei beruhe, ob nämlich der Keim sich nur einseitig in der Rich- tung von der dicken zur dünneren Hälfte ausdehne, so dass die letztere die Bewegung einleitet und jene in derselben Richtung einen langsameren Nachschub liefert, während der ihr zugehörige Keim- rand nicht von der Stelle rückt, — oder ob trotz dieses Anscheins der Keim in seinem ganzen Umfange, wenn auch in verschiedenem Grade von der Mitte gegen den Rand, also centrifugal auswachse. Zur Entscheidung der Frage halte ich es für nöthig, zuerst die nächstfolgenden Entwickelungsstufen vorzuführen, wie sie sich an aufeinander folgenden Sagittalschnitten darstellen. Dazu bemerke ich im voraus, dass die absoluten Masse verschiedener Keime auf gleichen Entwickelungsstufen von einander mehr oder weniger ab- weichen, so dass man nur auf die relativen Veränderungen der ein- zelnen Durchschnitte Rücksicht nehmen kann. Wann die bezeichnete Ungleichheit im Keime zuerst auftritt, 688 Dr. A. Goette: ” kann man genau genommen von einer dickeren und einer dünnern Hälfte desselben gar nicht reden; es ist eben nur der grösste Diekendurchmesser aus dem Centrum verschoben, so dass die Mäch- tigkeit des Keims in der Richtung dieser Verschiebung oder der späteren Medianebene bis zum zugeschärften Keimrande auf der einen Seite jäher, auf der andern allmählich abnimmt (Fig. 1). Indem aber jener Durchmesser der dicksten und breitesten Stelle des Keimrandes immer näher rückt, und so die ganze relative Keimverdickung sich nach dieser Seite zusammenzieht, auf der anderen dagegen mit der im allgemeinen zunehmenden Verdünnung eine Vergrösserung des verdünnten Theils Hand in Hand geht, kann man erst zwei ungleiche Keimhälften unterscheiden (Fig. 3), von denen die eine den dickeren Theil der Keimhöhlendecke (e) mit dem stärksten Abschnitte des Keimrandes (r‘), die andere von beiden die schwächeren Hälften enthält. Diese Keimhälften gehen aber so allmählich in einander über, dass von einer thatsächlichen Grenze nicht die Rede sein kann und man gezwungen ist, um sich vor willkürlichen Annahmen zu schützen, die künstliche Grenze in die Mitte der Keimlänge zu verlegen. Bei einer weiteren Prüfung der geschilderten Keime findet man, dass unbeschadet dem eben angeführten Massenverhältniss beider Keimhälften zu einander, in jeder derselben für sich das frühere Verhältniss der Massenver- theilung sich stetig verändert, indem der grösste Diekendurchmesser, welcher in beiden Hälften ursprünglich centralwärts über der Keim- höhle lag, gegen den Rand vorrückt und endlich in denselben über- seht. Auf diese Weise wird die ganze Keimhöhlendecke endlich dünner als der Rand; und dieser, in welchen jene früher verjüngt auslief, verwandelt sich in einen Wulst, den Randwulst (Fig. 3. 4. r, r‘), welcher übrigens sei es unter dem Einflusse der dem Keim äusserlich anliegenden Dotterhaut oder aus einer anderen Ursache, nicht an der Oberfläche, ‚sondern nur gegen den Dotter vorspringt. Dieser Randwulst ist im Umfange des ganzen Keims ebenso ungleich, wie früher der einfache Rand, also am stärksten in der Median- ebene der dickeren Keimhälfte. Da diese Stelle später in die Em- bryonalanlage einbezogen wird, nenne ich sieden Embryonaltheil des Randwulstes. An demselben ist auch die Umwandlung des früher zugeschärft auslaufenden Randes in einen mehr gleichmässig dicken, auch am freien Saume stumpf abgerundeten Wulst am auf- fallendsten. Da die Verschiebung der Zellenmasse des Keimes gegen Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 689 die Peripherie überhaupt nicht zu bestreiten ist, so scheint es mir natürlich, die Bildung des Randwulstes aus einer Anstauung der gegen die Peripherie verdrängten Zellen zu erklären, indem der Widerstand, welchen der Rand der Dottergrube der Ausbreitung des Keims entgegensetzt, langsamer überwunden wird, als das Vor- rücken der einzelnen Zellen erfolgt. Darf aber diese Auffassung für einen Theil des Randwulstes Platz greifen, so wäre es willkür- lich, sie an einer besonderen Stelle, nämlich im Bereiche der diekeren Keimhälfte oder in seinem Embryonaltheile ohne Grund aus- zuschliessen. — Noch mehr als die Bildung des Randwulstes spricht für meine Auffassung von der allseitigen centrifugalen Zellenver- schiebung der wichtige Umstand, dass vom Beginne der Ausbreitung des Keimes an bis zum Erscheinen einer deutlichen Embryonal- anlage dessen dickere Hälfte im Allgemeinen an Masse zunimmt, die dünnere dagegen abnimmt '). Da ich nun nach meinen Unter- suchungen die Behauptung Oellachers, dass die tieferen Schichten der Keimhöhlendecke durch ihre Ablösung von derselben und ihre Einwanderung in den Dotter dem Keime ganz verloren gehen und die Verdünnung jenes Keimtheils herbeiführen, auf das Entschiedenste bestreiten muss, so scheint mir die einfachste Erklärung für die zunehmende Ungleichheit beider Keimhälften, dass im Verlaufe der Ausbreitung ein Theil der Zellen der dünneren Hälfte in die dickere überwandert, also auch in der letzteren eine entschieden centri- fugale Zellenverschiebung besteht. Um jedem Missverständnisse vorzubeugen, erinnere ich daran, dass meine „Keimhälften‘“ nicht identisch sind mit den beiden Keimtheilen, welche der subjectiven Werthschätzung als dickere und dünnere erscheinen mögen. Bei solcher Art der Bestimmung könnte man allerdings aus der Reihe der Durchschnitte Fig. 2—5 unter Umständen gerade das umge- kehrte Verhältniss herausfinden, — eine ständige Abnahme der *) Wie ich schon bemerkte, darf man diese Angabe nicht so prüfen wollen, dass man die entsprechenden Hälften verschiedener Keime mit ein- ander vergleicht. Denn die letzteren unterliegen nicht nur individuellen Schwankungen ihrer Masse überhaupt, sondern die einzelnen Vorgänge treten nicht einmal immer zu relativ gleichen Zeiten ein. Man muss also bei der bezeichneten Prüfung zunächst nur das Verhältniss beider Hälften derselben Durchschnitte und darauf den Unterschied dieses Verhältnisses wesentlich am Anfang und am Ende der angegebenen Periode sich zu veranschaulichen suchen. ° M. Schultze, Archiv f. mikrosk Anatomie. Bd. 9. 45 690 Dr. A. Goette: Verdickung und Zunahme der dünnen Keimpartie, und daraus folgern, dass die letztere aus dem verdickten Theile hervorwachse, welcher alsbald auf den Randwulst reducirt erschiene. Geht man aber alsdann zu den nächstfolgenden Durchschnitten über (Fig. 6), so findet man nicht etwa einen weiteren Fortschritt jenes schein- baren Vorgangs, sondern gerade ein entgegengesetztes Resultat: die Keimhöhlendecke ausserordentlich verdünnt, ohne entsprechend aus- gebreitet zu sein, die Verdiekung dagegen im selben Verhältnisse gewachsen. Zur Lösung dieses Widerspruchs braucht man nicht sich nach besonderen Hypothesen umzusehen : sie ergiebt sich ganz natürlich, wenn man sich erst klar gemacht hat, dass jene Werth- schätzung ohne eine objective ihr zu Grunde liegende Bestimmung zur Deutung der Vorgänge ganz untauglich ist. Die Keimhöhlen- decke besitzt von ihrem erstem Entstehen an niemals eine gleich- mässige Mächtigkeit, sondern schwillt in sagittaler Richtung von der Seite des schmäleren Keimrandes gegen dessen breiteste Stelle allmählich an. Diese Anschwellung bildet anfangs den grössten und mächtigsten Abschnitt des „dickeren Keimtheils“ und der ohne eigent- liche Grenze sich anschliessende Keimrand nur den geringeren Abschnitt desselben (Fig. 1. 2). Dieses Massenverhältniss beider Abschnitte verändert sich darauf, aber immerhin innerhalb der dicker bleiben- den Keimhälfte, so dass also auch jene Anschwellung der Keim- höhlendecke bestehen bleibt (Fig. 3. 4. e). Will man nun die letztere von der Bezeichnung des „dickeren Keimtheils‘‘ ausschliessen und diese auf den Embryonaltheil des Randwulstes beschränken, so gewinnt dieselbe Bezeichnung eine ganz neue Bedeutung; und wenn man dies übersieht, kann man zu dem Trugschlusse kommen, dass jene Anschwellung der Keimhöhlendecke, ursprünglich selbst der grössere Abschnitt des verdeckten Keimtheils, aus diesem hervor- gewachsen sei. Hält man dagegen daran fest, dass sie nur während der allgemeinen Ausbreitung des ganzen Keimes also auch seiner dickeren Hälfte, als Theil der letzteren zu Gunsten des anderen Theils oder des anstossenden Randwulstes an Mächtigkeit verloren hat, so wird man gerade der Auffassung einer centrifugalen Zellen- bewegung auch in diesem Abschnitte des Keims sich nicht ver- schliessen können. Die Zusammengehörigkeit der bezeichneten beiden Theile ergiebt sich aber noch in anderer Beziehung aus den folgen- den Entwickelungsstufen, welche lehren, dass die Anschwellung der Keimhöhlendecke, indem sie sich gegen den anstossenden Embryonal- Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 691 theil des Randwulstes beständig zusammenzieht, mit ihm gemein- sam die Bildung der Embryonalanlage ausführt, und daher als Embryonaltheil der Keimhöhlendecke unterschieden werden kann. Beide Embryonaltheile gehören also von Anfang an zusammen und bilden so den Keimtheil, welcher allein füglich als der dickere unterschieden werden mag. — Ich habe aber von einer Zusammenziehung desselben gegen die zugehörige Peripherie des Keims gesprochen und muss mich beeilen, diesen Ausdruck zu er- läutern. Die ganze bisher betrachtete Umbildung des Keims läuft nach dem Voranstehenden auf Folgendes hinaus. Die Ursache seiner allgemeinen Ausbreitung, die centrifugale Zellenverschiebung, wirkt von Anfang an am stärksten nach der Seite, wo die Embryonal- anlage entstehen wird, und da einer dieser Zellenverschiebung ent- sprechenden Ausbreitung des Keims sich ein Widerstand erhebt, staut sich die gegen die Peripherie gedrängte Zellenmasse erst am Rande an (Embryonaltheil des Randwulstes). Dadurch entzieht sich die noch nicht in gleichem Maasse angehäufte Zellenmasse des anstossenden, immerhin relativ dicken Theils der Keimhöhlendecke zunächst der Anfmerksamkeit. Darauf wächst aber die Zellenan- stauung nach bekannten Gesetzen gleichsam rückwärts, erscheint also im Anschlusse an den Embryonaltheil des Randwulstes auch in dem benachbarten Embryonaltheile der Keimhöhlendecke, so dass beide zu einer ungesonderten Anschwellung zusammentfliessen; und diese fortschreitende von der übrigen Keimhöhlendecke sich ab- hebende stärkere Anschwellung wollte ich durch den Ausdruck „Zusammenziehung‘ bezeichnen. Doch beschränke ich ihn durchaus nicht auf die kurze Verdickung (e), welche während der ersten Bil- dung der Embryonalanlage unmittelbar vor oder centralwärts von deren peripherischem Abschnitte (r‘) erscheint (Fig. 4. 5) Vielmehr beweist schon die folgende Entwickelungsstufe, dass jene An- schwellung gegen das Keimcentrum noch fortwächst, aber nach dem (esagten nicht durch eine active Wachsthumsbewegung, sondern nur durch Anlagerung der gerade in entgegengesetzter Richtung heranwandernden Zellen. Da diese aber zuletzt aus dem nicht embryo- nalen Theile der Keimhöhlendecke stammen, welcher eben dadurch verschmächtigt wird, so ist es klar, dass bis zu der Zeit, wo die Embryonalanlage von dem übrigen Keime ganz bestimmt gesondert ist, von keinem Theile des Keims, am wenigsten aber von einer 692 Dr. A. Goette: Stelle des Randwulstes, ausgesagt werden kann, dass er die Elemente jener Anlage vollständig enthalte. Wenn es nun aber meine Ansicht ist, dass die centrifugale Zellenverschiebung nach der Seite der künftigen Embryonalanlage am stärksten wirke, also mehr als die Hälfte der ursprünglichen Zellenmasse des Keims in dieselbe eingehe, so ist damit nicht ge- sagt, dass diese dickere Keimhältte eine entsprechend stärkere Aus- breitung erfahre. Es ist vielmehr ganz natürlich, dass die stärkere Zellenansammlung in den Embryonaltheilen die Hindernisse der ent- sprechenden Ausbreitung vermehrt, der dünnere Keimtheil dagegen sich leichter ausbreitet; nur ist bei dem’Mangel einer bestimmten Grenze zwischen beiden Keimtheilen ein Maass ihrer verschiedenen Ausdehnung nicht vorhanden. Uebrigens genügt zunächst vollkom- men die aus den angeführten Beobachtungen sich als wahrschein- licehste ergebende allgemeine Annahme, dass die embryonale Seite des Keims an Masse wächst und dabei oder daher sich weniger ausbreitet, der ausserembryonale Keimtheil unter beständiger Ver- dünnung relativ schnell den Dotter umwächst, auf diese Weise die Dottersackhaut herstellend. Einen Punkt will ich noch gleich hier zur Sprache bringen: die Vermehrung der Keimmasse durch Ernährung. Sowie das Vorhandensein der letzteren während der Embryonalentwickelung überhaupt, kann auch die Wahrscheinlichkeit derselben selbst während der ersten Umbildungsacte des Keimes nicht in Abrede gestellt werden. Dabei ist aber wohl zu berücksichtigen, dass so lange die Keimbildung so einfach und alle Keimzellen so vollständig gleichartig bleiben, wie es bis nach der ersten Bildung der Em- bryonalanlage der Fall ist, die Annahme einer in beschränkten Keimtheilen ausserordentlich verstärkten Ernährung und eines daraus folgenden einseitig überwiegenden Wachsthumes durch nichts gerechtfertigt erscheint. Daher halte ich dafür, dass die Ernährung während der genannten Zeit, wenn sie überhaupt nachweisbar ist, bis auf etwaige unerhebliche Schwankungen den ganzen Keim gleichmässig betrifit; und da, wie ich mehrfach bemerkte, nicht die absoluten Maasse verschiedener, sondern die relativen Maassverhält- nisse der einzelnen Keime der Beurtheilung der Vorgänge zu Grunde gelegt werden müssen, so können die Folgen der Ernäh- rung dabei überhaupt gar nicht in Betracht kommen. Mit der Ausbildung des Randwulstes schliesst gewissermassen Beiträge zur Entwickelungsgeschiehte der Wirbelthiere. 693 eine erste Periode der Entwickelung des Keims. Die zweite beginnt mit dem Vorgange, welchen ich in der vorläufigen Mittheilung als Umschlag des Keimrandes bezeichnet habe, und umfasst die eigent- liche Bildungsgeschichte der Keimblätter. Die zuletzt beschriebene Gestalt des Keimes lässt in morphologischer Hinsicht den Unterschied einer düneren Mitte (Keimhöhlendecke) und einer verdickten Rand- zone (Randwulst) hervortreten; im ‚Hinblicke auf die spätere Be- deutung dagegen lassen sich wenigstens annähernd die Grenzen des Embryonaltheils und des für den Dottersack bestimmten Keimtheils erkennen. Abgesehen von den Differenzen in der Mäch- tigkeit des ganzen Keimes, welche jenen Unterscheidungen zu Grunde liegen, enthält er zur selben Zeit unter der Deckschicht keine Spur einer Sonderung innerhalb seiner Zellenmasse; Keimhöhlendecke und Randwulst bilden eine gleichartige Schicht indifferenter Zellen, welehe mit Rücksicht darauf, dass ihr formaler Bestand trotz der folgenden Bildung neuer Schichten erhalten bleibt, als primäre Keimschicht beseichnet werden kann. Die Bedeutung der Deck- schicht habe ich schon auseinander gesetzt; hier schliesse ich nur einige Bemerkungen über ihr Verhalten während der nächstfolgen- den Entwickelungsstufen an. Gerade so wie der ganze Keim bei seiner Ausbreitung verdünnt sich dabei auch die Deckschicht; da sie aber nur aus einer Zellenlage besteht, spricht sich die Ver- dünnung an den einzelnen Zellen durch ihre Abplattung aus. Die letztere erfolgt nach meinen Beobachtungen im allgemeinen gleich- zeitig und gleichmässig an der ganzen Oberfläche des Keims; und wenn ein Theil der Deckschicht darin etwas träger erscheint, so ist es gerade der äusserste Saum, dessen Zellen die anderen an Grösse meist übertreffen. Damit wird aber durchaus nicht die Richtigkeit, sondern nur die ausschliessliche Geltung der gegen- theiligen Beobachtung Oellachers angefochten, wonach die Ab- plattung der Zellen zuerst in einer breiten peripherischen Zone, und erst später in der Mitte erfolgen soll. Ich halte dies für eine der Schwankungen im Verlaufe der einzelnen Entwickelungsvorgänge, die ich nicht selten beobachtete und auf die ich bereits hinwies. Dagegen ist die Oellacher’sche Beobachtung insofern interessant, als sie ein gewisses Zeugniss für meine Auffassung von der Aus- breitung des Keims ablegt. Darf man nämlich die Abplattung der Zellen in der Deckschicht für den Ausdruck ihrer Ausbreitung halten, so folgt aus jener Thatsache, dass wenigstens die Deckschicht 694 Dr. A. Goette: in den Öellacher’schen Objeceten concentrisch und nicht bloss nach einer Seite sich ausbreitete. Hieran schliesse ich gleich die Be- stätigung der anderen Beobachtung Oellachers, dass die Deck- schicht in etwas späterer Zeit am Embryonaltheile des Randwulstes über dessen äussersten Saum mit einigen Zellen hinausragt (Vgl. Oellachers Abbildungen Fig. 4—6). Der Ausgangspunkt eines neuen Entwickelungsvorganges ist der Embryonaltheil des Randwulstes, und zwar zu einer Zeit, wann der anstossende Embryonaltheil der Keimhöhlendecke noch wenig deutlich erscheint. Jener Vorgang, . eben der „Umschlag‘“ der primären Keimschicht beginnt aber nicht immer in demselben Sta- dium der Ausbreitung des Keims; er war noch nicht sichtbar in dem Keime, dessen Mediandurchschnitt in Fig. 3 abgebildet ist, dagegen in dem folgenden (Fig. 4) bereits vorhanden, obgleich dieser weniger verdünnt und ausgebreitet war als jener. Eingeleitet wird er dadurch, dass die untere Hälfte vom Embryonaltheile des Rand- wulstes sich in der Weise von der oberen Hälfte ablöst, dass beide am äusseren Saume im Zusammenhange bleiben, die untere Zellen- masse aber nach innen, gegen die Keimhöhle einen freien Rand er- hält. Die Richtung dieser Sonderung steigt von der Keimhöhle nach aussen ein wenig an, so dass die obere Schicht des Randwulstes von dem an der Sonderung unbetheiligten Embryonaltheile der Keimhöhlendecke an nach aussen sich etwas verdünnt, die untere Schicht dagegen in umgekehrter Richtung gegen die Keimhöhle ver- jüngt ausläuft. Diese zuerst bloss am Embryonaltheile des Rand- wulstes erscheinende Sonderung setzt sich darauf auch auf den übrigen Umfang desselben fort ; nnd indem jene untere Schicht mit ihrem freien inneren Rande, dessen Zellengefüge sich merklich ge- lockert hat, in centripetaler Richtung an der unteren Fläche der früheren Keimhöhlendecke auswächst, entsteht unter der primären Keimschicht eine neue, welche, obgleich aus der ersteren stammend, deren formalen Bestand nicht aufhebt, also mit Recht als secun- däre Keimschicht bezeichnet werden kann. — Bevor ich jedoch auf ihre weitere Entwickelung näher eingehe, will ich ihre Bildung im Allgemeinen einer Betrachtung unterziehen. Dass diese Bildung im weiteren Verlaufe auf einem Auswachsen des freen Randes beruhe, lässt sich nach meinen Untersuchungen nicht wohl bestreiten; anders könnte aber ihr erster Anfang im Randwulste aufgefasst werden. Wenn derselbe auch unzweifelhaft Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 695 ein solches Bild hervorruft, dass man von einem faltenartig nach unten umgeschlagenen Keimrande sprechen kann, so liesse sich dagegen einwenden, dass dieser Ausdruck wohl auf die fertige Erscheinung, nicht aber auf deren Genese passe, da sich dieselbe ohne einen activen Umschlag des Keimrandes auf eine Schichtsonderung zurück- führen lasse, wie sie an ruhenden Zellenmassen vorkomme so z. B. bei der Bildung der Deckschicht. Nun ist aber der Randwulst durchaus keine runende Zellenmasse, sondern stellt nur den Aus- druck dar für die ununterbrochen anhaltende Anhäufung derjenigen an die Peripherie verschobenen Zellen, welche bei dem durch gewisse Widerstände bestimmten Maximum der Ausbreitung der primären Keimschicht den Ueberschuss bilden. Dieser an der unteren Seite des Keimrandes erscheinende Ueberschuss muss nach den Voraus- setzungen seiner Bildung zuerst am äussersten Umfange des Keims auftreten, von wo aus er als der gegen den Dotter vorspringende Bauch des Randwulstes in Folge des anhaltenden Nachschubes auch in centripetaler Richtung -—— in Bezug auf die Mitte des Keims — wächst. Damit .stimmt die Beobachtung überein, dass der noch ungesonderte Randwulst in der Nähe des äusseren Um- fangs am dicksten ist (Fig. 3). Billigt man aber die Vorstellung, dass jene beständig wachsende Zellenansammlung allmählich gegen die Keimhöhle vorrückt, so ergibt sich daraus eine, wie mir scheint ganz natürliche Erklärung für die im Randwulste auftretende Sonderung. Seine obere Hälfte und die an seinem äusseren Umfange aus derselben hervordringende untere Zellenmasse bewegen sich nach dem Gesagten in entgegengesetzter Richtung; dieses Moment muss eh ihre Sonderung im Bereiche der entgegengesetzten Bewegung, also von dem Ursprunge der tieferen Schicht bis zu einem freien inneren Rande derselben, hervorrufen — ein Schluss, welcher sich mit den beobachteten Thatsachen deckt. So glaube ich denn durch die voranstehenden Betrachtungen es mindestens wahrscheinlich gemacht zu haben, dass die secundäre Keimschicht auch in ihrem Anfange oder innerhalb des Rand- wulstes nicht durch eine Abspaltung von der schon ursprünglich darüberliegenden Zellenmasse entstehe, sondern aus dem äussersten Rande der primären Keimschicht hervorwachse, um sich weiterhin an deren unterer Fläche auszubreiten. Und nun überlasse ich es dem Leser zu entscheiden, ob dieses Ergebniss mit dem Ausdrucke, welchen ich in meiner vorläufigen Mittheilung der Kürze halber 696 Dr..A. Goette: gebrauchte, nämlich als „Umschlag des Keimrandes nach unten“ bezeichnet werden durfte. — Es erhellt aus der Entwickelungsgeschichte der secundären Keimschicht, dass sie anfangs einen platten Ring bildet, dessen . äusserer Rand mit dem Saume der primären Keimschicht zusammen- hängt und mit ihm sich über den Dotter ausbreitet. Auch in allen übrigen Beziehungen offenbart die secundäre Keimschicht eine genaue Anpassung an die Verhältnisse der primären Keimschicht. Dass zunächst die letztere unter ihrem Embryonaltheile einen breiteren und dickeren Abschnitt der secundären Keimschicht entwickelt als im übrigen Umfange (Fig. 5, ss‘), ist eine natürliche Folge der ge- schilderten Ungleichheit der allgemeinen Zellenbewegung. Ferner besitzt die secundäre Keimschicht ebenso wie die primäre eine’ stärkere Aussenzone und eine schwächere Mitte. Jene, eine com- pacte Zellenschicht, wächst unter dem Embryonaltheile des Rand- wulstes hervor und in die Keimhöhle hinein, um sich dem Em- bryonaltheile der Keimhöhlendecke ebenfalls anzuschmiegen und so die vollständige zweischichtige Embryonalanlage zu bilden, welche alsdann einem Randausschnitte der gesammten Keimschicht gleichkommt. Im Umfange des übrigen schmäleren Randwulstes geht auch die compacte Aussenzone der secundären Keimschicht niemals über dessen innere Grenze hinaus. Indem nämlich der sich daran schliessende Abschnitt der Keimhöhlendecke einen Theil seiner Zellen an die Embryonalanlage abgibt, also um so viel weniger gegen den eigenen Randwulst vorschiebt, kommen endlich die centri- petale Zellenverschiebung und die peripherische Ausbreitung der Keimhaut ins Gleichgewicht; dadurch fällt der Grund für ein weiteres Wachsthum des peripherischen Zellenüberschusses oder der secundären Keimschicht fort, und wird ihre Aussenzone in dem Maasse als sie zur Ausbreitung der noch zu beschreibenden Innen- zone beiträgt, schwächer, bleibt also mit der sie deckenden, sich gleichfalls stetig verdünnenden primären Keimschicht in Ueberein- stimmung (Fig. 5—7). Bezüglich jener Innenzone der secundären Keimschicht (ss‘) erinnere ich zunächst an die schon früher gemachte Bemerkung, dass der Innenrand der letzteren von Anfang an einen lockeren Zusammenhang der Zellen zeigt. Diese trennen sich mehr oder weniger von einander und rücken scheinbar in kleinen Gruppen oder vereinzelt unter die Keimhöhlendecke vor. Doch halte ich es im Hinblick auf die entsprechenden Entwickelungsvorgänge an den Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 697 Keimen anderer Wirbelthiere für wahrscheinlich, dass jene Durch- schnittsbilder einem lockeren Netzwerke angehören, welches nament- lich mit Rücksicht auf seine Genese als wirkliche Zellenschicht aufgefasst werden darf und die bekannten subgerminalen Fortsätze darstellt. Daher lässt sich auch über das allmähliche Zusammen- ziehen und das endliche Verwachsen ihres freien centralen Randes nichts aussagen und begnüge ich mich mit der Angabe, dass wenigstens unter dem grössten Theile der verdünnten ursprünglichen Keimhöhlendecke sich jene zerstreuten Zellen finden (vgl. Fig. 7). — Beachtung verdient noch das Verhalten der Keimhöhle während der Bildung der Iunenzone der secundären Keimschicht. Zu der Zeit, wann die letztere aus dem Bereiche des Randwulstes hervortritt, ist die Keimhöhle durch die Erhebung ihres Bodens bereits eine flache, ihrer Decke entsprechend gekrümmte Spalte geworden, so dass die eindringende secundäre Keimschicht in ihrem lockeren Zusammen- hang sie gewissermassen ganz erfüllt, indem einige Zellen an der Decke hängen und andere am Boden oder in der Mitte zwischen beiden sich befinden (Fig. 5. 6). Da aber die Höhe der Keim- höhle im weiteren Verlaufe noch mehr abnimmt, so werden schliess- lich alle Zellen der secundären Keimschicht, sowohl die Decke als den Boden der Höhle berühren, also ein noch vollständigeres Bild ihrer Ausfüllung darbieten (Fig. 7). Noch auffälliger und deutlicher tritt dieses Verhältniss dort hervor, wo die compacte Aussenzone der secundären Keimschicht unter dem Embryonaltheile der Keim- höhlendecke in die Keimhöhle hineinwächst ; denn dort füllt sie die letztere thatsächlich ganz aus, so dass der erst später unter der Embryonalanlage zwischen dieser und dem Dotter wieder auf- tretende spaltenartige Raum bereits als Darmhöhle aufzufassen ist. Dieser Schwund der Keimhöhle unter dem Embryonaltheile ihrer Decke hat eine relative Lageveränderung des noch übrigen Raumes zur Folge, indem die Excentrieität desselben ungleich auffallender ist, als diejenige der früheren Keimhöhle, welche immerhin als unter der Mitte des Keims gelegen bezeichnet werden kann (vgl. Fig. 5 und 6). Während der Rückbildung der Keimhöhle gibt sich endlich eine schärfere Sonderung der Embryonalanlage von der übrigen Keim- haut oder der Anlage des Dottersackes zu erkennen. Sowie die früher angegebene Verschmächtigung des Randwulstes den Wider- stand gegen die Ausbreitung der Dottersackanlage vermindert, 698 Dr. A. Goette: steigert sich die Schnelligkeit derselben, womit die zunehmende Verdünnung der primären Keimschicht Hand in Hand geht. Hat endlich die Mächtigkeit derselben bis auf eine einfache Zellenlage unterhalb der Deckschicht abgenommen, so tritt im weiteren Ver- laufe gerade so wie schon früher bei der letzteren eine Abplattung der Zellen ein. Indem die zerstreuten Zellen der secundären Keim- schicht sich in ähnlicher Weise verändern und dabei der primären Keimschicht enger anschliessen, erscheint der seinem vollen Ab- schlusse entgegergehende Dottersack abgesehen von der Deckschicht nur aus einer einfachen Zellenlage zusammengesetzt. Immerhin ist für die allgemeine Auffassung daran festzuhalten, dass Dottersack und Empbryonalanlage bezüglich ihrer Zusammensetzung sich ur- sprünglich nur quantitativ unterscheiden, im Uebrigen aber die ganze den Dotter umschliessende Keimhaut eine gleiche Entwickelung hat. Gegen die Embryonalanlage verdünnt sich die künftige Dotter- sackhaut wenigstens theilweise durch Uebergang der Zellen in die erstere, dadurch deren centrales oder Kopfende verstärkend; in dem Maasse aber, als die Verdünnung dort und hier die Verdiekung zu- nehmen, muss eine schärfere Trennung beider Theile eintreten. (Fig. 6. 7.) Die Embryonalanlage ist also erst dann als wesentlich fertig anzusehen, wenn ihre beiden Keimschichten in ihrem Zellen- inhalte stabil geworden, die primäre weder etwas mehr aus der künftigen Dottersackhaut empfängt, noch an die secundäre Schicht abgibt, und diese ebensowenig mehr Zellen in den Bestand jener Haut übergehen lässt. Diese fertige und bereits schildförmige Embryonalanlage ist natürlich grösser als der frühere Embryo- naltheil des Randwulstes, welcher als erste Spur derselben impo- nirt. Da sie aber weder mit diesem noch mit einem anderen be- stimmt zu bezeichnenden Keimtheile aus früherer Zeit identisch ist, sondern aus einer eigenthümlich geregelten Zellenbewegung und -An- sammlung hervorging, so kann auch, selbst wenn man nach einer früheren Bemerkung eine allgemeine Ernährung annimmt, die Aus- bildung jener Form der Embryonalanlage bloss aus einem eigent- lichen Wachsthume derselben von innen heraus nieht erklärt werden. Wenn ich bisher wohl von den beiden Keimschichten, aber noch nicht von Keimblättern gesprochen habe, so hat dies seinen Grund darin, dass, wie spätere Betrachtungen lehren werden, die bisher unbekannte Bildungsgeschichte jener beiden Schichten von grösserer allgemeiner Bedeutung ist, als diejenige der Keimblätter. — Dass Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 699 die primäre Keimschicht nach der ‘Bildung der Embryonalanlage zum oberen Keimblatte oder dem Sinnesblatte werde, brauche ich einem Eingeweihten kaum zu bemerken; daraus ergibt sich von selbst, dass die secundäre Keimschicht das mittlere und das untere Keimblatt oder das Darmblatt umfasst. Dies berechtigt aber noch nicht, die primäre Keimschicht zu jeder Zeit mit dem: Sinnesblatte zu identificiren und sich die Vorstellung anzueignen, als ob die beiden unteren Keimblätter aus dem Sinnesblatte hervor- wüchsen; bei einem solchen Verfahren könnte man ebenso gut den ganzen ursprünglichen Keim als Sinnesblatt auffassen. Ich verstehe unter den Keimblättern diejenigen definitiven Sonderungsproducte des Keims, welche die unmittelbaren Bildner der einzelnen Organ- anlagen sind. Die Keimschichten, welche die erste Umbildung des indifferenten Keims darstellen, sind insofern wiederum die Vorgänger der Keimblätter, als in ihnen das Material zu den letzteren erst, in der Sonderung begriffen, aber noch nicht definitiv getrennt ist. Die Keimschichten verlieren also ihre eigenthümliche Bedeutung erst dann, wenn die secundäre aus der primären hervorzuwachsen aufhört. Von den Besonderheiten der Blätterbildung erwähne ich noch, dass, wie ich zu sehen glaube das Darmblatt sich schon während der deutlicheren Abgrenzung der Embryonalanlage sondert (Fig. 6); jedenfalls finde ich es als continuirliche Zellenschicht bereits zu der Zeit, wann der Axentheil der Embryonalanlage kaum die erste An- deutung des späteren Kiels und in diesem zwar eine axiale Ver- diekung des mittleren Keimblattes — den Axenstrang — darüber aber noch eine Verdünnung des Sinnesblattes als Vorläufer einer erst später sich entwickelnden Verdickung erkennen lässt (Fig. 8). Das Darmblatt reicht aber nur bis in die Nähe der Grenze der Embryonalanlage; seitlich scheint es mit einem freien Rande aufzu- hören, während das mittlere Keimblatt allein den ursprünglichen peripherischen Zusammenhang beider Keimschichten aufrecht erhält. Am Kopfende gehen aber beide Keimblätter ungesondert in die gemeinschaftliche Keimschicht über (Fig. 7, ss). Vorausgreifend will ich hier noch hinzufügen, dass die einmal gesonderten Keim- blätter zu keiner Zeit und nirgends vorübergehend mit einander verschmelzen; auch am Schwanzende kann von einer solchen Ver- schmelzung natürlich nicht die Rede sein, da dort die Keimschichten schon ursprünglich in einander übergingen. 700 Dr. A. Goette: Sowie ich selbst die Aufgabe der Keimblätter nicht näher bezeichnet habe, enthalte ich mich einer eingehenden Kritik über die bezüglichen Deutungen meiner Vorgänger; denn da mir eine solche Discussion nicht zweckmässig erscheint, ehe ich meine eigenen Untersuchungen über die weitere Entwickelung des Embryo mitge- theilt, so beschränke ich mich hier lediglich auf die Entwickelungs- geschichte der Keimblätter selbst. Die Ergebnisse aller Embryologen, welche bisher über die Bildung der Keimblätter der Fische Untersuchungen anstellten, lassen sich, wie ich glaube, in drei Gruppen scheiden. Die erste umfasst die älteste Lehre von der Keimschichtung, wonach der Keim zunächst in zwei Schichten zerfalle, das seröse und das Schleimblatt, von welch letzterem sich später das mittlere Gefässblatt abspalte (Rathke, v. Baer). So sehr ich auch selbst die Existenz zweier Keimschichten betone, so bedarf es doch nach den vorangegangenen Ausführungen nicht vieler Worte, um den nicht unwesentlichen Unterschied beider Darstellungen hervorzuheben. ‚Jene beiden Blätter der älteren Em- bryologie verhalten sich bezüglich ihrer Genese so zu einander, wie später das dritte, das Gefässblatt zum Schleimblatte, d. h. alle Schichten des Keims werden als Spaltungsproducte desselben auf- gefasst, deren Anlagen schon ursprünglich über einander lagen. Meine Keimschichten dagegen entstehen nicht durch Spaltung der Keimmasse, sondern die secundäre wächst aus dem nach unten und innen umgeschlagenen Rande der ursprünglichen einfachen Keimhaut (primäre Keimschicht) hervor, so dass man diese Bildungsweise — um einen kurzen Ausdruck zu gewinnen — als morphologische Um- bildung jener histiologischen Absonderung gegenübersetzen kann. — Das Gemeinsame in der zweiten Gruppe der Darstellungen (Vogt, Lereboullet, Kupffer, v. Bambecke) besteht darin, dass aus dem ursprünglichen, aus der Dottertheilung hervorge- gangenen Keime nur zwei Keimblätter und zwar wieder durch Spaltung hervorgehen sollen, während das dritte unterste als spätere Neubildung dazutrete. Ueber den Ursprung des letzteren aus dem Dotter sprechen sich jedoch nur Lereboullet und v. Bambecke ganz entschieden aus. Wenn man ganz einseitig nur die Bildungs- geschichte der Keimblätter berücksichtigt, so entfernt sich diese zweite Auffassung noch weiter als die erste von dem Ergebniss meiner Untersuchungen; denn sie fügt den früheren incorreeten Darstellungen die irrthümliche Angabe hinzu, dass die drei Blätter Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 701 eine gemeinsame Grundlage im Keime überhaupt entbehrten. Zudem ist bei Vogt die Neigung nicht zu verkennen, die Bedeutung der Keimblätter, welche er bei den Batrachiern ganz läugnet, auch bei den Knochenfischen auf ein gewisses Maass zu beschränken. Die bei weitem meisten Organe sollen eben aus einer gemeinsamen nicht blattförmigen Grundlage (Embryonalzellen) hervorgehen. Immerhin bieten die bezeichneten Arbeiten in den-Einzelheiten der Unter- suchung nicht unwesentliche Fortschritte dar, gegenüber den spär- lichen älteren Angaben. Namentlich werden v. Baer’s Andeutungen über die Bildung des Randwulstes und den Ausgangspunkt der Embryonalanlage weiter ausgeführt, so durch die im Allgemeinen richtigen Angaben Vogt’s und Kupffer’s, dass jene Anlage durch Zusammenziehung der Zellen aus den tieferen Schichten der an- srenzenden Theile entstehe und in Folge dessen ausserhalb der Em- bryonalanlage endlich nur ein epitheliales Blatt zurückbleibe. Die Bemerkung Lereboullet’s, dass der Keim nach dem Beginne seiner Ausbreitung und Verdünnung einer abgeplatteten Blase ver- gleichbar sei, welche durch die Umwachsung des Dotters zu einer doppelwandigen werde, würde ich mit dem doppelschichtig ge- wordenen Keime, wie ich ihn sehe, in Uebereinstimmung zu bringen suchen, wenn nicht Lereboullet im weiteren Verlaufe seiner Beschreibung unter Vernachlässigung jener ersten Bemerkung zu neuen Angaben überginge und den Leser über seine eigentliche Vor- stellung von der Keimschichtung im Unklaren liesse. Ebenso wenig vermag ich in der Vermuthung v. Bambecke's, dass die Mitte seiner couche intermediaire aus dem Randwulste hervorwachse, eine Be- stätigung der bezüglichen Angabe meiner vorläufigen Mittheilung anzuerkennen, da er jene Keimschicht aus dem Dotter ableitet. Die letzte der von mir unterschiedenen Gruppen von Darstel- lungen umfasst Rieneck’s und Oellacher’s Untersuchungen. Die wichtigste Errungenschaft beider Arbeiten scheint mir zu sein, dass alle Keimblätter wieder gemeinsam vom ursprünglichen Keime ab- geleitet werden. Dagegen wird an der nun einmal herkömmlichen, aber nach meinen Beobachtungen irrigen Auffassung festgehalten, dass die genannten Blätter durch eine horizontale Trennung inner- halb der Keimmasse entständen, so dass auch die gemeinsame Anlage des mittleren und unteren 'Keimblattes in einer anfangs un- gesonderten Schicht ebenso wenig wie bei der ältesten Theorie einen directen Vergleich mit meinen Beobachtungen über die erste Keim- 702 Dr. A. Goette: schichtung zulässt. Rieneck gebührt aber das Verdienst, die Existenz und frühzeitige Bildung der Deckschicht festgestellt zu haben. Ihre Bezeichnung als Hornblatt (Rieneck) oder Epidermis (Oellacher) halte ich aber nicht für passend, da sie nach meinen Beobachtungen weder in eine epidermoidale Hornschicht, noch in die ganze Epidermis übergeht. Im Uebrigen hat Rieneck seine Ansicht über die Entwickelung des Fischkeimes wie es scheint wesentlich unter dem Einflusse der gegenwärtig herrschenden Auf- fassung von der Entwickelung des Hühnerkeims gebildet. Daher lässt er die zu einer gewissen Zeit in der Keimhöhle erscheinenden zerstreuten Zellen, welche nach meinen Untersuchungen der aus- wachsenden secundären Keimschicht angehören, irrigerweise als sub- germinale Fortsätze von der primären Keimhöhlendecke abstammen, und zur Bildung des mittleren und unteren Keimblattes zur Peripherie wandern und sich dort anhäufen. — Diese sowie alle früheren An- sichten über die Anlage des Embryo bekämpft Oellacher auf Grund seiner Untersuchungen, und da er dabei meine vorläufige Mittheilung, welche von seiner Darstellung wohl am meisten abweicht, für die ich aber nunmehr die ausführlichen Belege beigebracht habe, einer be- sonders eingehenden Kritik würdigt (Nr. 10 S. 32. 33), so wird eine entsprechende Ausführlichkeit meiner Antwort erklärlich erscheinen. Zuerst hebt Oellacher hervor, dass ich die Keimhöhle unter dem centralen Theile des Keimes entstehen lasse und daher nicht wisse, „dass von Anbeginn der Entstehung der Keimhöhle der dem Dotter noch aufliegende pheriphere Theil des Keims, der Keimwulst an einer Stelle dicker sei, als an allen übrigen. Alle diese Forscher wurden auf jene verdickte Stelle des Keimsaumes erst aufmerksam, nachdem sie sich bedeutend vergrössert hatte, also kurz vordem der Embryonalschild sich von ihr aus oder vor ihr anzulegen be- ginnt.“ Ich muss allerdings einräumen, dass ich möglicherweise nicht den ersten Anfang der Keimhöhle sah, indem meine erste Abbildung offenbar zwischen die beiden ersten von Oellacher gegebenen fällt. Es mag sein, dass sie, wie er angibt (Nr. 10. S. 19), „unter einem peripheren Theile des Keimes‘ entsteht, obgleich dies aus Oellacher’s erster Figur nicht hervorgeht; denn ein Theil, welcher den Mittelpunkt der Keimscheibe enthält, kann doch nicht wohl „peripher“ genannt werden. Jedenfalls befindet sich aber, nach meinen Beobachtungen, die Keimhöhle sehr bald nach ihrem Ent- stehen und bevor noch aus dem zugeschärften Keimrande ein Wulst Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 703 geworden, unter der Mitte des Keims und behält diese Lage während ihres unbeschränkten Bestandes. Und damit stimmen Oellacher’s betreffende Abbildungen (Fig. 2. 3) vollkommen überein ; in seiner Fig. 4. 5 ist aber bereits die ursprüngliche Keimhöhle nach seinen eigenen Angabe durch das Hineinwachsen der Embryonalanlage an dieser Seite bedeutend verdrängt (Nr. 10. S. 20. 29), gerade sowie ich diese Verdrängung durch das Hineinwachsen der secundären Keimschicht erfolgen sehe. Bei meiner Beschreibung der Keimhöhle ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass die mittlere Lage von Anfang an etwas excentrisch sei !), also der dem Dotter aufliegende Keimrand auf einer Seite breiter sei, als im übrigen Umfange. Wenn ich dies sowie manches andere in der vorläufigen Mittheilung zu bemerken unterliess, und dadurch Oellacher Gelegenheit gab, mir diese Unterlassung als verhängnissvolle Unkenntniss auszulegen, so dürfte dieser Aufsatz, welcher wie gesagt nur nach dem alten Material ausgearbeitet wurde, bekunden, dass ich ohne jene Be- obachtung meine ganze Auffassung von der Entwickelung des Keims nicht wohl hätte coneipiren, ja überhaupt nicht die auch zu einer unvollständigen Mittheilung unerlässlichen Sagittalschnitte ausführen können, deren Richtung gerade durch die äusserlich sichtbare Un- gleichheit des Keims bestimmt wird. Betreffs dieser ursprünglichen Ungleichheit des sich ausdehnenden Keims schliesse ich mich also Oellacher vollkommen an; damit hört aber auch jede Ueberein- stimmung zwischen unseren beiderseitigen Darstellungen auf, so dass ich nicht etwa versuchen kann, dieselbe durch Zurechtstellung unter- geordneter Punkte herbeizuführen, sondern nur auf Einzelnes ein- gehend, die Entscheidung im Grossen und Ganzen dem Urtheile des Lesers oder der Nachuntersuchung überlassen muss. Die erste Differenz betrifft die Art der Ausbreitung des Keims. Oellacher behauptet, dass dieselbe einseitig, nur innerhalb des verdünnten Keimtheils erfolge, und der verdickte Theil seinen ur- sprünglichen Platz nicht verlasse. Zur Begründung dieser Behauptung wird wenigstens für die Periode der Keimblätterbildung auf bestimmte Beobachtungen nicht verwiesen; man muss also annehmen, dass 1) Da Oellacher bisweilen (Nr. 10. S. 11.14) von einer „excentrischen Stelle“ des Keims spricht, an welcher die Keimhöhle beginne, so bemerke ich zur Vermeidung von Missverständnissen, dass „excentrisch‘‘ und ‚‚peripher‘ nieht identische Ausdrücke sind. 704 Dr. A. Goette: Oellacher dies für eine selbstverständliche Folgerung aus dem vorher Mitgetheilten hält. Darunter findet sich aber nur eine hierher bezügliche Angabe, nämlich dass ein grosser Theil der Zellenmasse der verdickten Keimhälfte in die Keimhöhlendecke überginge, also die Zellenbewegung einseitig und zwar eben in jener fraglichen Riehtung der Ausbreitung des Keims stattfände. Dieser Vorgang soll, wie Oellacher später berichtet, eine „lange Zeit“ — bis zur Entstehung des Sinnesblattes im verdickten Keimwulste oder nun- mehr der „primitiven Embryonalanlage‘“‘ — dauern (Nr. 10. S. 19). Folgerichtig müsste die Masse der Keimhöhlendecke während jener Zeit, also mindestens bis zu dem von Oellacher in Fig. 3 veran- schaulichten Stadium, beständig zu-, diejenige der künftigen Em- bryonalanlage in gleichem Verhältnisse abnehmen. Damit stimmen aber weder Oellacher’s eigene Abbildungen Fig. 2.3, noch meine Beobachtungen überein; danach erfolgt vielmehr gerade das Gegen- theil und zwar über jene Zeit hinaus bis zur Vollendung der Em- bryonalanlage. Dieser Widerspruch, auf den ich schon in meiner Darstellung hinwies, liesse sich vom Standpunkte Oellacher’s nur durch die von ihm aufgestellten Hypothesen lösen, dass der dickere Keimtheil oder die Embryonalanlage durch eine ausserordentliche, natürlich auf sie beschränkte Ernährung „enorm“ wüchse (Nr. 10. S. 29. 30), die Keimhöhlendecke aber einen grossen Theil ihrer Zellen, nämlich die tieferen Schichten, vollständig verlöre. Wenn Oellacher die letztere Ansicht aus unmittelbarer Beobachtung zu schöpfen glaubt, indem er die fraglichen Zellen in den Dotter ein- wandern sieht, so befindet er sich eben in einem sehr auffallenden Irrthum. Ich habe an vielen hundert Durchschnitten aus der ersten Zeit der Entwickelung nicht eine Spur von Zellen im Dotter, sondern an den Stellen, wo Oellacher sie abbildet, nur grosse kernähnliche Gebilde gefunden, welche in Form, Grösse und Zusammensetzung nicht die geringste Aehnlichkeit mit den Embryonalzellen besitzen. Wenn aber unter solchen Umständen, wie ich es in der Beschreibung auseinandergesetzt, die grösste Wahrscheinlichkeit sich ergiebt, dass die Keimhöhlendecke einen Theil ihrer Zellen an die sich entwickelnde Embryonalanlage abgibt, so ist natürlich auch jene erstere Hypothese Oellacher’s vom enormen Wachsthume derselben durch ausser- ordentliche Ernährung überflüssig. Damit fällt aber auch jede Stütze für seine Annahme, dass Zellenbewegung und Ausbreitung am Keime nur einseitig erfolgen. Zudem hat er eine aus meinen Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 705 Untersuchungen wie ich glaube sehr deutlich hervortretende und ebenfalls gegen jene Annahme sprechende Thatsache nicht genug beachtet oder nur ungenügend erkannt, — ich meine die Bildung des Randwulstes (Keimwulst Oell.) Er unterscheidet einmal aller- dings den ursprünglichen Keimsaum von dem sich daraus ent- wickelnden Keimwulste, aber nur im Bereiche der dünneren Keim- hälfte (Nr. 10. S. 2. 3); dass die wulstige Randverdickung auch in der dieckeren Keimhälfte sich allmählich ausbilde, dass also der srösste. Dickendurchmesser des Keims anfangs gar nicht im Rande, sondern über der Keiinhöhle liege, dafür liefern weder der Text, noch die Abbildungen Oellacher’s den geringsten Anhaltspunkt. Im Gegentheil wird die breiteste Stelle des dem Dotter aufliegenden Keimtheils von Anfang an „Keimwulst‘‘ genannt (Nr. 10. S. 18. 19. 32) und durchgängig als dickster Theil des Keimes überhaupt abgebildet (Fig. 1—3 Oell.), so dass also offenbar die Stadien, welche ich in meinen Fig. 1. 2 darstelle, auf irgend eine Weise übergangen wurden. Dies mag aber jene von mir bekämpfte Auffassung Oellacher’s über die Zellenbewegung im Keime veranlasst haben, welche zudem nur mit Hülfe der beiden oben bezeichneten, jedoch wie ich zeigte unstatthaften Hypothesen zu halten gewesen wäre. In dieser Auffassung liegt übrigens nicht der Schwerpunkt der Oellacher’schen Darstellung, obgleich die übrigen Ausführungen nur auf jener Grundlage möglich waren. Als Hauptergebniss wird stets in den Vordergrund gestellt, dass jene von Anfang an dickste Stelle des Keimwulstes und des Keims überhaupt thatsächlich als erste Anlage des Embryo anzusehen wäre, weil sie das vollständige Ma- terial der Keimblätter und zwar bereits in der späteren Lageord- nung enthalte, so dass dieselben bloss durch horizontale Trennung fertig gestellt würden. Und diese Behauptung muss ich wiederholt bestreiten. Zur Begründung dessen verweise ich auf die Beschrei- bung der von mir gemachten Beobachtungen, namentlich auf das allmähliche Vordringen des Embryonaltheiles der secundären Keim- schicht in die Keimhöhle, wodurch der darüberliegende Theil der Keimhöhlendecke in die Embryonalanlage hineingezogen wird; ferner auf die Nothwendigkeit der Annahme, dass diese Anlage einen Theil ihrer Masse durch allmähliche Zelleneinwanderung ge- rade vom dünnen Keimtheile her empfängt. — Gegenüber der von Oellacher vertretenen allmählichen histiologischen Differenzirung des Sinnesblattes und des mittleren Keimblattes will ich noch her- Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd, 9. 46 706 Dr. A. Goette: vorheben, dass im Beginne der Existenz beider scharf geschiedenen Blätter der mediane Theil des Sinnesblattes relativ verdünnt er- scheint, d. h. sich noch nicht in dem Stadium"der kielförmigen Ver- dickung befindet, welche Oellacher als die einzige aus der Son- derung hervorgehende Form desselben kennt. Dieser Umstand, sowie die irrige Annahme Oellacher’s, dass beide Blätter später wiederum im Axentheile mit einander verschmelzen (Axenstrang), geben mir die Ueberzeugung, dass Oellacher die Trennungsspalten häufig übersehen hat und zum grösseren Theile wohl dadurch zu seiner unrichtigen Ansicht von der Entwickelung der Keimblätter ge- kommen ist. Ich komme zum Schlusse darauf zurück, dass ich mit Oel- lacher nur in dem einen Punkte übereinstimme, dass der Keim gleich im Anfange seiner Ausbreitung eine ungleichmässige Mäch- tigkeit und an einer Seite eine Verbreiterung seines dem Dotter aufliegenden Randes besitzt. Bezüglich der eigentlichen Entwickelung der Embryonalanlage muss ich Oellacher in jeder Hinsicht wider- sprechen, verzichte jedoch auf ein weiteres Eingehen in die Einzel- heiten, da nach dem schon Gesagten alles Uebrige sich nicht mehr auf eine verschiedene Auffassung ähnlicher Beobachtungen, sondern auf grundsätzliche Widersprüche der letzteren bezieht: was ich We- sentliches sah und abbildete, die Bildung des Randwulstes, seinen „Umschlag“, das Wachsthum der secundären Keimschicht, ihre scharfe Trennung von der primären von Anfang an u. Ss. W., — sucht man vergebens bei Oellacher, und seine Angaben wiederum kann ich an meinen Präparaten nicht bestätigen. Und wenn er meine „Umschlagungstheorie als in jeder Beziehung den Thatsachen nicht entsprechend und mit denselben völlig unvereinbar“ bezeichnet (No. 10 8. 33), so kann ich dieses Urtheil nur insofern anerkennen, als es sich bloss auf die von ihm allein anerkannten Thatsachen bezieht. Strassburg i. E., März 1873. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 707 Litteraturverzeichniss. 1. Rathke, Abhandlungen zur Bildungs- und Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Thiere, II. Theil erste Abhandlung: Bildungs- und Entwickelungsgeschichte des Blennius viviparus oder des Schleimfisches. 9. v. Baer, Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. I. Theil. 3. v. Baer, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Fische 4. Vogt, Embryologie des Salmones. 5. Lereboullet, Recherches d’embryologie comparee sur le developpe- ment du brochet, de la perche et de l’Ecrivisse. 6. Kupffer, Beobachtungen über die Entwickelung der Knochenfische, in M. Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. IV 1868. 7. Rieneck, Ueber die Schichtung des Forellenkeimes, ebendas. Bd. V 1869. 8. Goette, Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. Vorläufige Mittheilung, in: Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1869. No. 26. 9: van Bambecke, Embryogenie. Premiers effets de la fecondation sur les oeufs de poissons etc. aus: Comptes rendus des seauces de l’Acad&mie des Sciences, t. LXXIV .No. 16. 10. Oellacher, Beiträge zur Eintwickelung der Knochenfische nach Beobachtungen am Bachforelleneie, in: Siebold und Kölliker, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXIN. 1873. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVL. Fie. 1. Mediandurchschnitt eines noch biconvexeu Forellenkeimes. ı khd die Keimhöhlendecke, welche die Mitte und überhaupt den grössten Theil des Keims umfasst. r der schmälere, r‘ der breitere Abschnitt des dem Dotter d aufliegenden Keim- randes. ds die Deckschicht, kh die Keimhöhle. Fig. 2. Ein etwas weiter ausgebreiteter Keim gleichfalls im Mediandurch- schnitte; dieselben Bezeichnungen wie in Fig. 1. Fig. 3. Ein gleicher Durchschnitt eines grossen Keims. Der Keimrand r—r‘ hat sich in einen entsprechenden Wulst umgebildet; an der verdünnten Keimhöhlendecke khd zeigt sich die einseitige An- schwellung e, ihr Embryonaltheil, im Anschlusse an deu gleich- namigen Theil des Randwulstes r‘. 708 Dr. A Fig. 3 oh 3 Fig. 8. en Goette: Beitr. zur Entwickelungsgesch. der Wirbelthiere. ‚durchschnitt eines kleinen Keims, welcher Mediaı ‘ärker gewölbt war als die übrigen. Am Embryonaltheile höble a wulstes r‘ ist bereits die Sonderung der oberen primären des Randı * ps und der unteren secundären ss eingetreten; die Keimschiebi det sich jedoch im ersten Anfange ihrer Bildung. letztere befin her. kh, e wie vor \itt eines weiter entwickelten Keims. Die Embryo- Mediandurchsehr nhöhlendecke (e) und des Randwulstes (r‘) stellen naltheile der Ken näre Keimschicht der in der Entwickelung be- nlage dar. über der Keim- gemeinsam die pra griffenen Embryonala. -one der secundären’ Keimschicht im ae ss Die breite Aussen = jener Anlage, an, ‚Sieselle Ener übrig. secundären Keimschicht, in die sg’ die lockere Innenzone der Keimhöhle Wen ee Eu Mediandurchschnitt aus einem Keime. m, sb das obere Keimblatt, — Sinnesblatt, mk das mittlere Keimblatt, db das Darmblatt derselben, ds, kh, ss’ wie vorher. 'en Randwulste r, Zwei Stücke eines Mediandurchschnittes [durch eBıe a Ra Embryonalanlage, links den betreffenden Endabschnitt darsteaı " ? rechts auge dem Bereiche der Grenze zwischen Embryonalanlage e Keimhöhlendecke oder nunmehr der Dottersackhaut Eu Br nungen wie vorker. Die Innenzone er Necualy zn Keimschicht (ss‘) füllt die zusammengedrückte Keimhöhle beinahe ganz aus. Querdurchschnitt etwa durch die Mitte einer eben fertig geworde- nen Embryonalanlage. sb, mk, db wie in Fig. 6. \ axs Axenstrang des mittleren Keimblattes, welcher das darüber- liegende Sinnesblatt gleichsam eindrückt. Ein Beitrag zur Auswanderung der Blutkörperchen aus den Gefässen des Frosches. Von Fritz Schmuziger, stud. med. *) Hierzu Tafel XXVII. Seitdem Cohnheim in seiner allgemein gekannten Arbeit die Auswanderung farbiger und farbjoser Blutkörperchen aus den Gefässen, den Venen und Capillaren dargethan hat, fehlte es be- kanntlich nicht an bestätigenden wie verneinenden Angaben von Seite anderer Forscher. Bei dem hohen Interesse, welches der Gegenstand mit vollstem Rechte in Anspruch nimmt, mag die Ver- öffentlichung einer kleinen Beobachtungsreihe entschuldigt sein, welche höchst prägnante Resultate ergab. Die einzelnen Phasen der sich entwickelnden Entzündungsprocesse nochmals zu schildern, halte ich für höchst überflüssig. Dagegen glaube ich aber, dass Manchem, dessen Zeit die Wiederholung der Cohnheim’schen Beobachtungen entweder nicht oder nur ganz unvollständig erlaubt, die Vorführnng einiger naturgetreuen Zeichnungen nicht uner- wünscht sein dürfte. Als Beobachtungsobjeet diente auch mir die klassische Localität, das Mesenterium des durch Curare gelähmten Frosches. Einmal verwendete ich das Gekröse des Eileiters. Ich injieirte /—3/, Centigramme einer Curarelösung von 0,1°/, und gewann die vollkommenste Bewegungslosigkeit nach 11/—1?/s Stunden. In manchen Fällen war der Kreislauf gleich Anfangs so. schwach, und die Herzaction so unbedeutend, dass von einem Herz- stoss in den Arterien des Mesenteriums nichts zu sehen war und *) Der Verfasser hat während des Dezembers 1872 die betreffenden Studien in meinem Laboratorium angestellt. Die Veranlassung war eine äusserliche; ich bedurfte einiger Zeichnungen für die neue Auflage meiner Histologie. Die Gewissenhaftigkeit der Mittheilung verbürge ich. Haben wir uns doch Stunden lang zusammen erfreut an dem wunderbaren Vorgange! W. Frey. 710 F. Schmuziger: diese Thiere dann auch nicht für die Untersuchung verwendet wurden. Die Versuche wurden an Rana temporaria angestellt. Nicht ohne Einfluss auf die Dauer des Emigrationsprocesses mag der Umstand gewesen sein, dass die Tbiere Winterfrösche waren. Die mikroskopische Prüfung konnte in einzelnen Fällen bis zur 51., ja 53. Stunde fortgesetzt werden. Während dieser ganzen Zeit blieb die Herzaction energisch genug, um den Kreislauf in genügender Stärke zu unterhalten. So war es möglich, alle einzelnen Phasen an demselben Thiere zu durchmustern. Mit diesen Verhältnissen ist wahrscheinlich in Zusammenhang zu bringen, dass die Reizbar- keit des Mesenteriums bedeutend verringert erschien, d. h. dass in jenen Fällen mehr Zeit zu denselben entzündlichen Processen ver- langt wurde, als nach der Cohnheim’schen Darstellung erwartet werden durfte; damit auch im Zusammenhange, dass die Verlang- samung im Kreislaufe der Capillaren, welche für das Austreten und Hindurchschlüpfen der farblosen Körperchen durch die Wandung günstig wirkt, ausserordentlich lange Zeit hindurch nicht er- scheinen wollte, die Mehrzahl der Capillaren wenigstens lange eine uasserordentliche Regsamkeit des Kreislaufes zeigte. Dem ent- sprechend konnte auch der Durchtritt der rothen Blutkörperchen erst dann erfolgen, als eine genügende Verlangsamung und Stauung eingetreten war, um für dieselben den Durchgang zu erzwingen. Der Durchtritt der rothen Blutkörperchen liess sich in einzelnen Fällen erst am 2. Tage, nach Ablauf von 24 Stunden constatiren und auch jetzt erst an wenigen Stellen. War in solchen Fällen die Auswanderung aus den wirklichen Capillaren, deren Wandung deutlich aus einer einzigen Membran gebildet war, auch verzögert, so zeigten dafür die Venen verhältnissmässig früher die Emigrations- verhältnisse; hier begünstigte trotz des energischen Kreislaufes die sich bildende ruhige Randzone farbloser Blutkörperchen offenbar den Durchtritt des einzelnen Individuums. — Umgekehrt aber zeigten andere Versuchsthiere schon nach Verlauf von drei Stunden einen Austritt von rothen Blutkörperchen, nebst massenhafter Aus- wanderung von farblosen. Hervorzuheben ist, was bei halbausgetretenen rothen Blut- körperchen besonders schön. sich zeigte, dass der innerhalb des Gefässes befindliche Theil in Folge des Kreislaufs der übrigen Blut- körperchen pendelnde Bewegungen ausführte; in einzelnen Fällen, Beitr. z. Auswanderung d. Blutkörperch. a. d. Gefässen d. Frosches, 711 wo zeitweise die Stromrichtung im entgegengesetzen Sinne umschlug, der pendelnde Theil jedes Mal im Sinne der neuen Stromrichtune flottirte, ohne dass jemals der Ort der Anheftung an der Gefäss- wand verändert worden wäre. Betrefis der Zeit, welche das einzelne farblose Blutkörperchen für seinen Durchtritt brauchte, lässt sich nur sagen, dass dieselbe sehr verschieden lang war. In vielen Fällen verlangte das weisse Blutkörperchen eine Beobachtung von länger als einer Stunde, bis der Austritt sicher constatirt war und kein Theil der betreffenden Zelle mehr innerhalb des Gefässrohres sich befand. Hinwiederum liess sich der Austritt, und dann natürlich um so schöner und aus- gesprochener, in einem Zeitraume von 15—20 Minuten beobachten, von der Ankunft des Blutkörperchens und seinem Festsetzen bis zum vollendeten Austritt gerechnet. Für die rothen Blutkörperchen freilich gilt diese Beobachtung nicht in derselben Weise, denn oft liess sich ein rothes Blutkör- perchen auffinden, dem ein Austritt aus dem Gefässrohr eigentlich unmöglich wurde ; die eine, noch im Gefässlumen zurückgebliebene Hälfte wurde nämlich so energisch von der Strömung erfasst, dass nur der schon durchgetretene Theil das Wegschwemmen verhinderte, das Blutkörperchen gleichsam am letzteren vor Anker lag. In anderen Fällen wurde der noch im Gefässrohre befindliche Theil einfach abgerissen und verschwand unter der Menge der übrigen Blutkörperchen; ausserhalb des Gefässes aber lag der andere Theil als das Fragment eines rothen Blutkörperchens. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVI. Fig. 1. 24 Stunden nach Beginn der Bewegungslosigkeit. Fig. 2% 30 „ „ „ ” Er) „ Fig. au 50 ” ” ” ” „ ” Fig. 4, 3 » » „ „ „ ” Figur 1—3 sind von demselben Versuchsthiere genommen worden, Figur 4 von einem andern Exemplare. Zu bemerken ist, dass obige Zahlen nicht den Beginn des Auswanderungs- processes angeben sollen, sondern nur die Zeit, zu welcher das vorliegende mikroskopische Bild copirt worden ist. Der Buchstabe a bezeichnet überall das farblose, im Durchtritt befindliche Körperchen, b das rothe im selben Bewegungszustande. Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. Von G. BR. Wagener in Marburg. Hierzu Taf. XXIX A. *) In früheren Mittheilungen (Marburger Sitz.-Ber. 1872, Entwick- lung ‚der Muskelfaser 1869 Marburger Sitz.-Ber. 1868) habe ich dargethan, dass die (später quergestreifte) Muskelfaser erst eine sanz glatte Fibrille ist. Sie entsteht mit vielen anderen ihres Glei- chen zusammen in einem vielkernigen Protoplasma !). Letzteres bildet schliesslich das Sarkolemm, die die contractile Substanz eng umschliesst. Die Querstreifung tritt erst an der Fibrille auf, wenn die Bündelbildung stattgehabt hat. Das Sarkolemm ist dann noch nicht am Schluss seiner Entwickelung. — Die Säulenbildung wird dagegen erst wahrnehmbar, wenn die körnige Axe innerhalb des Bündels verschwunden ist. Das noch sehr schmale, junge Primitivbündel wird durch seitliche Anlagerung von glatten neuen Fibrillenlagen theilweise umschlossen und dadurch vergrössert. Wäh- rend das junge Bündel auf dem Querschnitt das von den Säulen herrührende Netz zeigt, sieht man an den neugebildeten Faserlagen am *) Zur leichteren Verständigung ersuche ich den Leser die Engel- mann’sche Tafel (Pflügers Archiv Bd. VII 1 Heft Taf. 2) sich anzusehn. Fig. 30 zeigt den Querschnitt eines Muskelbündeltheiles. Die schwarzen Punkte sind Fibrillen, die Felder die Säulen, die weissen Linien die letztere trennende Zwischensubstanz. Fig. 3la zeigt dagegen keine Fibrillenquer- schnitte, sondern kleine Tropfen Zwischensubstanz, welche bei getrockneten und nicht ganz frischen Muskeln gewöhnlich erscheinen. Fig. 31b dagegen sind Säulenquerschnitte ohne Fibrillen. 1) Ich kann so wenig wie Merkel einen Unterschied zwischen der die Nervenendplatte bildenden Masse und dem Protoplasma finden. Dieses Arch. 1873 pag. 293—307. u G. R. Wagener: Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. 713 Rande dergleichen nicht. Sie zerfallen erst später in Säulen und sind aus dem kernreichen Protoplasma hervorgegangen, was die Räume zwischen den Bündeln jugendlicher Thiere ausfüllt. Die Ver- längerung. der schon quergestreiften Muskeln wird, wie sich am Herzen junger Thiere nachweisen lässt, durch Zunahme der quer- gestreiften Fibrille an den Enden hergestellt. Der neue Ansatz ist glatt und liest in einem körnigen Protoplasma, welches sich in dem Gewebe des Muskelansatzes vorfindet. Dass auch im vollständig entwickelten Muskel die Fibrille der letzte Bestandtheil des Organes ist, geht ferner aus meinen Beob- achtungen an der Larve von Corethra plumicornis hervor. An dem platten Kopfmuskel des Thieres lösten sich die sonst nur durch sehr schwache feine Längsstreifen angedeuteten Fibrillen bei der Contraction von einander los, so dass jede einzeln von ihren Nach- barn durch eine helle Zwischensubstanz in ihrer ganzen Länge ge- trennt war. Der schnelle einem Wetterleuchten ähnliche Vorgang, dessen Helligkeit durch die plötzlich zwischen den Fibrillen auf- tretende durchsichtige Zwischensubstanz bedingt war, liess ausser- dem eine beträchtliche Anschwellung der Fibrille mit dunkler wer- denden feinen. Linien wahrnehmen, welche die anisotropen Theile von einander trennen. Ob hierbei zwei Fächer oder mehr der Fibrille zu einem einzigen Fache wurden, war wegen des schnellen Ab- laufes des Vorganges nicht wahrzunehmen. Durch diese Beobach- tungen erscheint die Präexistenz der Fibrille ausser Frage gestellt. Es würde also der Erörterung über die Veränderungen des Muskels bei der Contraction die Fibrille zu Grunde gelegt werden müssen, wie es von Merkel geschehen ist, der auf anderen Wegen zur Annahme der Fibrille gelangt ist. Verfolgt man den Process des Quergestreiftwerdens an der glatten Fibrille beim Hühnchen, welche sehr durchsichtig, fast glas- hell und sehr dehnbar ist — eine Eigenschaft, die sie selbst nach der Querstreifung nicht einbüsst, indem (bei jungen Hunden) sich die Bündel des Muskels auf das Vierfache ihrer Länge ohne zu zer- reissen ausziehen lassen, mit Verlängerung der anisotropen Sub- stanz und fast gänzlicher Verstreichung der Querstreifung — so be- merkt man, dass die Faser zuerst mehr oder weniger dichte regel- mässige seichte Einschnürungen erhält, welche später tiefer werden und so die ganze Fibrille zu einer Reihe von gleich grossen Kügel- chen oder eiförmigen Knoten verwandeln, die alle unter sich zu- 714 G. R. Wagener: sammen hängen. Die Scheide fügt sich den Ein- und Ausbuchtungen derselben an !). Geht man bei den höheren Wirbelthieren dieser Erscheinung weiter nach, so findet man, dass die Knoten oder Kügelchen in derselben Faser ungleich gross sind. Sie sind alle anisotrop, und erfolgt die Abwechselung von grossen und kleinen Anschwellungen mit grosser Regelmässigkeit an den Stellen der Faser, wo sich beide Arten vorfinden. An anderen Stellen kommen nur grosse oder kleine zur Beobachtung, deren Anordnung weniger auffällt, als die gleichmässige Grösse der aufeinander folgenden Knoten. Nur selten findet man eine Reihe von Anschwellungen in einer Faser, welche mit sehr kleinen Kugeln beginnt, denen immer grösser werdende folgen. an welche in umgekehrter Reihe die Knoten immer kleiner werdend sich anschliessen. Obgleich diese Anschwellungen alle anisotrop sind, so ist die Stärke der Lichtbrechung derselben sowohl im gewöhnlichen als im polarisirten Lichte sehr verschieden. Die Grösse der Kugeln steht nicht im geraden Verhältnisse mit der Lichtbrechung. Kleine Knoten können stark und schwach polarisiren und heller oder dunkler bei gewöhnlichem Lichte umrandet sein. Aus den Engelmann’schen und Merkel’schen Beobachtungen scheint hervorzugehen, dass entweder der Wassergehalt oder die vermehrte Dichtigkeit der contractilen Substanz die Ursache dieser Erscheinungen ist. Von der isotropen Substanz ist bei den höheren Wirbelthieren eigentlich sehr wenig wahrzunehmen. Das Nichtpolarisiren der feinen schwarzen die anisotropen Theile der Fasern von einander trennen- den Linie ist das einzige, was man darüber weiss. Sind die Quer- streifen wie verstrichen auf dem Muskelbündel kaum zu sehen, so ist auch die Polarisation, wenn auch schwächer als in den aniso- tropen Theilen, doch vorhanden an den sonst isotropen Theilen der Fibrille. Wenn man die grössten Formen der Knoten mit den aller- kleinsten derselben vergleicht, so ergibt sich ein bedeutender Grös- senunterschied zwischen beiden. Man ist genöthigt anzunehmen, dass alle Fibrillen gleiche Eigenschaften besitzen, also auch dass eine Fibrille die kleine Knötchen gebildet hat, aus ihrer Masse so grosse herstellen kann, wie eine andere Fibrille aus demselben Muskel besitzt. Es ist sonach die geistreiche Krause’sche Idee, die 1) Ich habe diesen Vorgang nicht an ein und derselben Fibrille beobachtet. Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. 715 von Merkel weiter geführt ist, dass der Muskel aus abgeschlossenen reihenweis aufgereihten Kasten besteht, in welchen die anisotrope und isotrope Substanz sich vorfindet, nicht durchführbar. Es ist die Faser in allen ihren Theilen für die contractile Substanz durchgängig. Bei den Arthropoden ist von Weissmann der Nachweis ge- liefert, dass bei ihnen wie bei den höheren Thieren die embryonale Form der Muskelfaser glatt ist. Hat er auch nicht die einzelne Fibrille isolirt, so gleicht doch seine von den embryonalen Muskeln gegebene Figur so genau demselben Gebilde beim Hühnchen, dass ich durchaus nicht anstehen kann, dasselbe Verhalten der sich ent- wickelnden Muskelsubstanz bei den Arthropoden vorauszusetzen, wie ich es beim Hühnchen schilderte. Bei den Gliederthieren tritt die isotrope Substanz bedeutend hervor. Ob die Weichheit der Muskelsubstanz dieser Thiere, welche auf einen grösseren Wasserreichthum hinweist, mit dieser Erschei- nung im Zusammenhang steht, ist nur eine Vermuthung, die sich auf das Schrumpfen derselben bei Alkoholzusatz und anderen was- serentziehenden Substanzen stützt. Zugleich zeigen die Muskelfasern dieser Thierklasse noch eine andere Eigenthümlichkeit, die sich bei höheren Thieren in dieser Ausdehnung nicht findet. Es ist dies die Bildung anisotroper Stäb- chen in der Fibrille. Dass hiemit die Knotenbildung nicht ausge- schlossen ist, braucht nicht erwähnt zu werden. Die Stäbchen allein können eine Fibrille ohne Hülfe der Knöt- chen gliedern, wie es das Brücke’sche Schema Fig. 8 zeigt. Isotrope Substanz oder die sich berührenden Endflächen der Stäbe bilden ihre Abgrenzung, welche in regelmässigen Zwischenräumen auftreten. Jeder Stab kann in seiner Mitte durch eine lichtere grössere oder kleinere isotrope oder schwach anisotrope Stelle unterbrochen sein (Merkel), diese ist dann Hensen’s Mittelscheibe oder Streifen. Bei guter Beleuchtung und starker Vergrösserung zuver- lässiger Linsen sieht man sehr häufig die anisotrope Substanz ganz allmählig in die isotrope übergehen. Die Polarisation weist die- selbe Erscheinung auf. Zuweilen sieht man die isotrope Substanz an dieser Stelle nicht so hell, wie an anderen gleich bedeutenden Stellen. Dann tritt der von Merkel erwähnte Fall einer ganz schwachen Polarisation ein. Die unvollkommene Trennung des Stabes durch allmählich in anisotrope übergehende isotrope Substanz kann sich an zwei auch 716 G. R. Wagener: an drei Stellen wiederholen. Bei der Contraction der Fibrille grenzen sich die Stäbchen an diesen Stellen durch schwarze dünne Linien ab, die wie die früher erwähnten Grenzen der Knötchen das Licht nicht polarisiren. In sehr vielen Fällen glaubt man die Glieder (Muskelkästen Krause) der Säulen oder des Bündels aus Stäbchen gebildet zu sehen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Stäbchen sämmtlich nicht glatt sind und eine Masse bilden, sondern dass jeder Stab aus einer Längsreihe von Kügelchen, Anschwellungen oder Knötchen besteht. Dies ist weit häufiger der Fall, als es bisher an- genommen ist. Es liegt dies an der jeweiligen geringen Ausprägung der kleinen Abtheilungen. Dazu gesellen sich noch andere Hinder- nisse. Ich habe schon früher mehrfach auf letztere hingewiesen. Anmerkung. Ich habe zuerst die Muskeln von Blutigel, Schnecken in Fibrillen zerlegt. Viele Beobachter haben vor mir dasselbe Ob- ject angesehen, aber die Längsstreifung nicht bemerkt. Sie hatten von den Muskeln nicht den dicken Schleim entfernt, dessen starke Lichtbrechung der der Muskelsubstanz ziemlich gleich ist. Setzt man Eiweiss, Schleim, Speichel etc. wieder zum Präparat, an wel- chem man eben die Längsstreifung wahrnahm, so verschwindet sie sofort oder wird schwer sichtbar, während sie vorher überaus auf- fällig war. — Dieselbe Erscheinung findet sich bei frisch herausge- rissenen Thoraxmuskeln der Insecten. So lange wie das Blut, was dieselben umspült, nicht verdünnt ist, sieht man von den sonst so deutlichen Querstreifen nicht die Spur. Die Muskeln erscheinen glatt. Setzt man Wasser hinzu, so sieht man die Querstreifen erst mehr wie angedeutet, wie im Nebel, und je mehr die Blutverdün- nung fortschreitet, deren Grad durch die mehr und mehr verschwin- dende Zahl der Blutkörper angegeben wird, um so deutlicher und klarer werden die Querstreifen. Dass die Muskeln während des ganzen Vorganges in ihrer Reizbarkeit nichts Wesentliches einge- büsst haben, geht aus den Contractionen, die sich lösen und wieder von Neuem beginnen, hervor. G. Schwalbe hat in seinen Unter- suchungen über die Muskeln niederer Thiere bei sog. frisch unter- suchten Muskeln nicht Fibrillen gesehen '). Setzte er Alkohol und 1) Dieses Archiv Bd. 5 Taf. 12 Fig. 22 bildet G. Schwalbe spindel- förmige Muskeln ab, die Margo für Sarkoplasten erklärt, G. Schwalbe Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. LT andere Flüssigkeiten von schwächerer Brechung hinzu, so sah er sie. Er gibt nicht an, dass er Schleim und Blut entfernt habe, Ferner wurde die schiefe Beleuchtung sehr wenig angewandt. Die elastischen Fasern des Nackenbandes geben ein lehrreiches Object- Bei gerader Beleuchtung sieht man von Faserung an ihnen sehr wenig. Bei schiefer Beleuchtung erscheinen sie aus den feinen Fasern zusammen gesetzt, welche man aus ihrer Entwickelungsgeschichte her kennt.. Sie sind also Bündel wie die Bindegewebsfasern !) und die Fibrillen der Muskeln, welche beide wie die elastischen Fasern ihren Ursprung aus-der Grundsubstanz der Riesenzellen herleiten ?). Engelmann hatte einen Muskel herausgerissen, ihn ohne Flüs- sigkeitszusatz: betrachtet und erst nicht die Abtheilung des Muskels in Säulen gesehen, sie aber nachher wahrgenommen. Er baut dar- auf den Schluss, dass die Säulen dem Zerfalle des Muskels ihren Ursprung verdanken. Gesetzt auch, dass Engelmann sofort Alles sieht, was man überhaupt an einem Objecte sehen kann, so kann ihm die Säulenabtheilung durch das Blut, was späterhin sich ver- theilt, verdeckt worden sein. Beiläufig sei bemerkt, dass Engel- mann die einzelnen Thoraxmuskeln für die Fibrillen (als solche natürlich untheilbar) erklärt und zugleich dabei sagt, dass noch Niemand etwas von Streifung oder fibrillärem Zerfall an ihnen wahr- genommen hätte. Ich erlaube mir dieser Behauptung gegenüber auf Fig. 20 Taf. 5 Reich. u. Dubois’ Archiv 1863 hinzuweisen, wo beides abgebildet und besprochen ist. Dabei muss ich noch hinzu- setzen, dass ich diese Erscheinung auch in den Marburger Sitzungs- berichten 1872 erwähnt habe. Von wielen Beobachtern, zuletzt von Engelmann, werden feine Körnehen erwähnt, welche zwischen isotropen Streifen und Zwischenstreifen, s. Pflüger Archiv Bd. VII Taf. 2 Fig. 5 etc., zu erörtern ablehnt. Ich habe sie bei verschiedenen Muscheln gefunden, aber stets in Reihen als Anschwellungen einer gewissen Menge von Muskelfibrillen. Es ist also die Erscheinung derselben Art wie die von mir 1863, Beich. u. Dubois’ Arch. Taf. 4 Fig. 1 abgebildete. 1) Ich habe bis jetzt noch keine Abbildungen der letzten oder feinsten Fibrillen vom Bindegewebe gesehen. 2) Bindegewebe und elastische Fasern können in der Knorpel- und Rie- senzellengrundsubstanz entstehen. Muskelfibrillen kennt man bis jetzt nur in letzterer, 718 G. R. Wagener: vorfinden. Was diese sind, ist weder aus Engelmann’s Beschreibung noch aus der Figur zu erschliessen. Nach meinen Beobachtungen sind diese Körnchen entweder sehr kleine Kügelchen contractiler Substanz oder es sind Lücken zwischen den einzelnen Fibrillen. Sind die Körnchen aus Kügelchen contractiler Substanz ge- bildet, so liegen sie immer im Verlaufe der Fibrille und sind ani- sotrop, wenigstens in vielen Fällen. In anderen dagegen versagt die Polarisation !) und dann kann nur die ausgeprägte Kugelgestalt der Körnchen Vermuthungen einigen Anhalt geben. Merkel schlägt au Stelle der Polarisation die Anwendung das Hämatoxylin vor. Da diese Substanz den anisotropen Theil der Muskelfaser stark färbt, den isotropen, also auch das Protoplasma um die Fibrille nnd die Säulen ungefärbt lässt, so würde in zweifelhaften Fällen dieses Mittel ein gutes Reagens sein, da die rothblaue Färbung eine sehr intensive ist. Ich habe das Mittel für den in Rede stehenden Fall noch nicht anwenden können. Sind die scheinbaren Körnchen Lücken, so sind sie, falls sie gross sind, mit zuverlässigen starken Vergrösserungen leicht als solche zu erkennen. Sie enthalten eine klare (isotrope) Substanz und sind von unregelmässiger feinliniger Begrenzung. Ihre Grundform ist ein Rhombus, dessen Seiten und Winkel allerlei kleinen Abän- derungen unterworfen sind. Sie liegen nie im Verlaufe der Fibrille, sondern immer neben derselben, also im isotropen Protoplasma, was die Fibrillen trennt. Sie sind durch die Ein- und Ausbuchtungen der Fibrillen und deren Scheiden erzeugt (s. Fig. 20). Sind die Lücken aber klein, so können sie zu schwarzen Punkten werden, über welche unter gewissen Umständen kein Urtheil zu fällen ist. Die Fibrille des Muskels liegt schon dicht an der Grenze der Lei- stungsfähigkeit der heutigen Mikroskope und da das Erscheinen der Fibrille durch die protoplasmatische Zwischensubstanz, welche sie von einander trennt, bedingt ist, letztere aber je nach dem Zustande des ganzen Muskels und ihrer Weichheit sehr wechselnd ist, so ist auch häufig genug der Weg der Fibrille nicht so klar, um über die Lage dieser feinen Pünktchen sichere Auskunft zu geben. Dass man sie immer in scheinbar unregelmässiger Lage wie die Licht- punkte im Sternnebel sieht, liegt an der Feinheit der Fibrillen über- schwaches Glänzen nur unter den günstigsten Bedingungen wahrnehmen, welche sich nicht häufig zusammenfinden. Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. 719 haupt. Bei genauerer Prüfung der Einstellung wird man bald be- merken, dass die Klarheit der einzelnen Punkte nicht eine gleiche ist. Sie lassen sich vielmehr sehr gut in die Schichten der einzelnen Fibrillen einfügen und ihre Existenz ist an dieselbe gebunden, also nicht jenes wirre Durcheinander der Körnchen im Protoplasma. Die Erscheinungen während der Contraction an den Querstrei- fen der Muskeln sind schon von vielen Beobachtern beschrieben worden. Alle kommen darin überein, dass die Querstreifen sich ein- ander nähern. Nach der Brücke’schen Entdeckung von isotropen Querlinien musste sich die Aufmerksamkeit der Beobachter auf das Verhalten dieser Streifen während der Zusammenziehung des Mus- kels richten. Das übereinstimmende Resultat war das Verschwinden der isotropen Streifen. Engelmann sowohl wie Merkel nehmen eine Vermischung ihrer Substanz mit den anisotropen Theilen der Faser an. Hensen, Merkel (l. e.), Engelmann, Flögel (dieses Arch. Bd. 8 Taf. III Fig. 8, Engelmann Taf. III Fig. 1 in Pflüger’s Archiv Bd. VII, Hensen Arbeiten des Kieler Inst. 1868 Taf. I Fig. 7) und andere bilden contrahirte Fasern ab. Sämmtliche Figuren stellen die Fasern in einem mehr oder weniger vorgeschrittenen Zustande der Contraction dar, keine aber den äussersten Grad derselben. Indess geht aus den Abbildungen hervor, dass die Querreihen von Körnchen verschwinden und die Zwischenscheibe, Neben- und Mittelscheibe eine Masse werden. In der Flögel’schen Figur ist anscheinend die Contraction noch weiter vorgeschritten, wie in der Engelmann’schen. Dort sind die Zwischen- und Nebenscheiben zu dicken Wülsten geworden, welche sogar über den Rand des Bündels hervorragen. Die Anhänger der Krause’schen Anschauung erklären das Verschwinden der Zwischenscheiben in der Art, dass sie sie durch Anlegen der anisotropen Substanz unsichtbar werden lassen. Die von mir beigegebene Figur gibt eine frische Mus- kelsäule aus dem Thorax einer Fliege in noch weiter vorgeschritte- ner Contraction, die deutlich zeigt, dass die anisotropen Knoten eine Grösse erreichen können, die sich nur durch Aufnahme der benach- barten erklären lässt. Ehe die Faser diese Form an dieser Stelle annahm, sah sie dort ebenso aus wie das untere Ende. Die Hensen’- sche Mittellinie zeigt während der Contraction an den unteren Glie- dern der Säule nur eine geringe Verdickung der sie rändernden anisotropen Kugeln. Sie selbst war nur eine tiefer eingeschnittene schwarze Linie. In dem oberen contrahirten Gliede bildete sich die 720 G. R. Wagener: obere aus 6 Querreihen bestehende Abtheilung in 3 um, und der untere Theil des Gliedes weist an der einen Seite 3 Reihen, an der anderen nur 2 auf. Einem solchen Falle gegenüber erscheint die Krause’sche Annahme unanwendbar. Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Säule im Wasser beobachtet wurde, dass sich ferner an der- selben Faser, sowohl an den wenig oder nicht contrahirten Stellen als auch an dem stark zusammengezogenen Theile der Säule kleine Zusammenziehungen als auch Lösung derselben in un- regelmässig wechselndem Spiel und verschiedener Energie während einer längeren Zeit hindurch zeigten. Aendert sich schon bei schwächerer Contraction das Aussehen der anisotropen Substanz, welche stets stärker lichtbrechend bei den höheren Thieren wird, während, vielleicht durch die Beimischung von mehr isotroper Substanz, bei den Arthropoden dieses Aussehen nicht immer, sondern nur bei stärkerem Contractionsgrade vorkommt, so steigert sich dies Glänzen bis zur wachsartigen Entartung bei der stärksten Contraction, wie es die Beobachtungen an lebendigen Larven von Corethra plumicornis lehren. Ich habe diese Erschei- nung an der contractilen Substanz öfters gesehen, nicht allein an sanzen Bündeln und grösseren Theilen derselben, sondern auch an Complexen von sehr wenigen Fibrillen. Zuweilen blieb der atlas- glänzende Fleck bis zum Absterben des Thieres, zuweilen aber löst er sich auch wieder, ohne die geringste Spur seines Daseins zu hinterlassen. Engelmann hält die Veränderung der contractilen Substanz während der Contraction für eine Quellung. Er stützt sich auf das Verschwinden der wasserreicheren isotropen Substanz und deren Mischung mit der anisotropen Masse. Letztere Behauptung, welche ihren Rückhalt in der Wirkung von wasserentziehenden Reagentien auf die anisotropen Theile der Muskelfaser hat, wird von ihm selbst dadurch abgeschwächt, dass er einen Theil des Wassers auch nach aussen hin entweichen lässt. Die Möglichkeit dieser Ansicht muss zugegeben werden, die Beweise indess sind unzureichend, und bleibt Raum noch genug für eine andere Erklärung, welche den Vorgang in einem Festerwerden, vielleicht einer Art Gerinnung der contrac- tilen Substanz sucht. Quetschung und Druck bewirkt die bekannte Wachsentartung der Muskel, ebenso starke Contraction. Essigsäure, die den Muskel quellen macht, hebt den wachsartigen Glanz auf. Bei während der Contraction im lebenden Thiere befindlichen Muskeln ist Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. 721 eine Flüssigkeitssäule plötzlich zwischen Fibrillen und Säulen vor- handen, die möglicherweise ihren Ursprung allein von den Muskel- fibrillen hernimmt. Diese Erscheinungen seien hiermit hervorge- hoben, dasie Engelmann nicht berücksichtigt. Zur Zeit ist der Vorgang innerhalb des Muskels während der CGontrac- tion ganz dunkel. Die Flüssigkeitssäule zwischen den sich con- trahirenden Fibrillen der lebenden Muskeln und das ebenso plötzliche Verschwinden derselben in der Ruhe lässt auf eingreifende Ver- änderung in der Fibrille schliessen. Das einzig sichere ist die Orts- veränderung der contractilen Substanz und Anhäufung derselben in _ den sich verkürzenden Theilen der Faser. Engelmann erklärt, so oft er während der Untersuchung Fibrillen und Säulen findet, dieselben für Zerfallproducte, selbst wenn der Muskel sich noch zusammenzieht. Das hindert ihn aber nicht, die Thoraxmuskeln der Inseeten für Fibrillen zu halten. Dass sie letztere nicht sein können, geht aus meiner schon eitirten Figur, Reichert und Dubois Archiv 1863 und Marburger Sitzber. 1872 (3 Aufsätze) hervor, sie können also nur Säulen sein. Man kann sich leicht von der Präexistenz dieser Gebilde, die selbst an dem Fundort von Engelmann, soviel ich weiss, nicht ange- fochten wird, überzeugen durch Besichtigung der Thoraxmuskeln von Searabaeus- oder Geotrupes-Arten mittelst Nr. 3 oder 4 Hart- nack. Man findet bei diesen Käfern die Säulen zu losen Bündeln nur durch Tracheen und wenig Bindesubstanz vereinigt. Ferner trotz des Mistrauens gegen die Fibrille nimmt Engelmann schliesslich pag. 68 1. Heft 1. c. die Fibrille an. In Fig. 29 Taf. 2 1. e. zeichnet er sie sogar theilweiseab. Engelmann steht, falls ich ihn richtig verstanden habe, für dieselbe Ansicht ein, welche, soweit die heutige mikroskopische Untersuchung reicht, ich vertreten muss. Er kritisirt ganz, wie ich es gemacht habe, die Dönitz’sche Beob- achtung, ist aber selbst nicht im Stande gewesen, eine Säule von einer Fibrille zu unterscheiden. Engelmannn hat in seiner ersten Abhandlung eine sehr verdienstliche und lehrreiche Zusammenstellung der Querstreifen- formen besonders der Arthropoden gegeben. Man hat nicht von Nöthen, die Thierspecies dabei zu berücksichtigen, denn nach meinen bis jetzt gemachten Erfahrungen kann man alle von Engelmann verzeichneten Formen bei ein und demselbem Insect vorfinden, bei frischen sowohl als in Alkohol aufbewahrten. Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd. 9, 47 722 G. R. Wagener: Ehe ich zur Besprechung der Figuren übergehe, muss ich noch bemerken, dass Engelmann die Fibrille, wie ich sie darstelle, und deren Existenz er gegen Dönitz gebraucht, trotz der dieselbe beweisenden Beobachtungen nicht einmal als eine Hypothese in die Erklärung seiner Abbildungen aufnahm. Auf diese Weise sind seine Figuren grösstentheils ungenau geworden. Es sind gewiss an vielen Orten die Längsstreifen, ebenso die feineren Querabtheilungen im Gliede übersehen. Ferner sind Linien gezeichnet als einfache dicke Striche, die es nicht waren, sondern aus Querreihen von kleinen Kügelchen bestanden, so Fig. 17 z, Fig. 24za u. Ss. w. In Fig. 15 befindet sich zwischen n und q eine helle von zwei feinen Linien begrenzte Querscheibe, welche unverständlich ist. Nach meinen Beobachtungen muss ich glauben, dass auch diese Linie oder Linien aus Kügelchen bestanden. Betrachtet man die Bezeichnung der verschiedenen Scheiben in den einzelnen Figuren, abgesehen von der relativ sicheren Unter- scheidung von isotrop und anisotrop, so ergiebt sich der Orienti- rungspunkt, die Zwischenscheibe, als ein ganz uncharacterisirbares Gebilde. ‘In Fig. 27 und in Fig. 24 kann man jede der Quer- linien als Zwischenscheibe ansehen. Spiegelstellung und Höhe oder Tiefe der Einstellung macht dabei keinen Unterschied. In Fig. 20 hat es Engelmann auch aufgegeben, eine Zwischenscheibe aufzu- ‘weisen. In Fig. 16, 17, 24a ist die Zwischenscheibe ein einfacher dicker Strich oder genauer bezeichnet in Fig. 17 ein von zwei dunklen Linien eingefasster blasserer Streifen; alle drei können nach meinen Beobachtungen aus Querreihen anisotroper Kügelchen bestehen. Dass die Polarisation wegen der Kleinheit dieser Gebilde vielleicht ausfällig wird, kann nicht entscheidend sein. In Fig. 9 war der mit z bezeichnete so deutlich aus anisotropen Knötchen zusammen- gesetzt, dass ihn selbst Engelmann nicht übersehen konnte. In anderen Fällen wie in Fig. 3 erscheint die Zwischenscheibe als ein- fache doch körnige isotrope Grenzlinie. Hierdurch erklären sich die verschiedenen Ansichten über die Polarisation der Zwischenscheibe. — Was die Bezeichnung „wärmestarr‘“ zur Erläuterung von Fig. 13, 14, 15 etc. bedeuten soll, ist vollständig unklar, da dieselben Formen sich an Alkoholpräparaten vorfinden und die Anordnung der Quer- scheiben durchaus keine nähere Verwandtschaft unter einander zeigt. Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. 7123 Aus meinen Beobachtungen geht hervor, dass die Muskelfibrille als letzter Theil der Muskeln angesehen werden muss. Ferner: dass alle Arten von Querscheiben nur aus der Vertheilung der contractilen Substanz an verschiedene Orte der Fibrille ihren Ur- sprung nehmen, dass also Absperrungen innerhalb der Fibrillen (Zwischenscheiben), welche der contractilen Substanz den Weg ver- legen, nicht vorhanden sind. Jedes der einzelnen anisotropen Knötchen der Fibrille ist Contractionscentrum. Es können aber auch die benachbarten zu einem einzigen sich vereinigen. Es lässt sich nicht sagen wie viele dies vermögen. Erreicht die Stärke der Contraction einen gewissen Grad, so tritt die „wachs- artige Degeneration‘ ein. | Warum die glatte Fibrille sich in so regelmässige anisotrope Abtheilungen zerlegt, ist nicht anzugeben. Da die Querstreifen in den glatten Muskelfasern der Bivalven, der Echinodermen etc. bis jetzt ausschliesslich von mir an Orten gefunden wurden, wo sie durch andere Gewebe zusammengedrängt wurden, die Knoten aber durch Polarisation und Aussehen nicht von denen an den Muskeln höherer Thiere zu unterscheiden sind, so könnte man an einen Einfluss der umgebenden Gewebe auf die Vertheilung der contractilen Substanz innerhalb der Fibrille denken. Bis jetzt aber bleibt diese Er- scheinung eben so unaufgeklärt, wie die an der Fibrille im Proto- plasma der Riesenzellen (sei es in der Wirbelplatte oder dem Herzen des Embryo oder in dem Protoplasma des Sarkolemms eines im Typhus zerfallenen Muskels), welche gleich bei ihrem Entstehen in ihrer Richtung den kürzesten Weg zu ihren künftigen Be- festigungspunkten einschlägt, mag der Verlauf derselben später so verwickelt wie im Herzen oder so einfach wie im Muskel sein. Siehe Müller Physiologie Bd. II pag. 33 2. Aufl. Schwann’s Beobachtungen. ——— m 724 G. R. Wagener: Erklärung der Figuren auf Tafel XXIX A. Die beifolgenden Figuren sind bis auf 3, schematische, welche die Form verschiedener Fibrillen erläutern sollen. Auf die Dicke derselben ist bei'der Zeichnung kein Gewicht gelegt worden, wohl aber auf die grössere oder geringere Färbung, desgleichen auf die relative Grösse der einzelnen Glieder der Fibrille. Fig. 1—8. Formen der Fibrille bei den höheren Wirbelthieren. Fig. 1. Embryonale Form ganz glatt und blass im Verhältniss zu den schor quergestreiften Formen. Fig. 2. Gleichmässige gröbere Abtheilungen von ovaler Gestalt der embryo- nalen Fibrille. Fig. 3. Gleichmässige feinere schon der Kugelform sich nähernd. Fig. 4. Gleichmässig kuglige im ganzen Verlauf der Faser. Fig. 5—7. Arten der regelmässigen Abwechslung von grossen und kleinen anisotropen Kugeln mit dunklerer Färbung der Fibrille. Das untere Ende a von Fig. 6 stellt eine im Verlauf der Faser sich vorfindede andere Anordnung der anisotropen Theile dar. Fig. 8 zeigt in a eine wachsig entartete Stelle, deren Conturen häufig un- regelmässig sind. Bei b ist die Anisotropie schwächer als an den stärker aufgetriebenen Stellen. Sämmtliche Kugeln sind anisotrop. Sie liegen anscheinend unmittelbar aufeinander. Die hier weissen Zwischenräume sind am Präparate sehr feine schwarze Linien, die wenigstens ebenso feine isotrope im polarisirten Lichte werden. Fig. 9—19. Schemata der Fibrillen a von quergestreiften Arthropodenmuskeln. Die anisotropen Theile liegen weit weniger dicht aufeinander. Fig. 9. Embryonale Fibrille. Fig. 10. Abtheilung in anisotropen Stäbchen. Fig. 11. Einschaltung von anisotropen Kugeln. Fig. 12. Abtheilungen der Fibrille inkürzere Stäbchen, welche anstatt durch klare isotrope Substanz mit einander verbunden zu sein, mit schwach anisotroper Substanz a zusammenhängen. Fig. 13. Fibrille mit; Stäbchen, welche durch den Hensen’schen Mittelstreifen abgetheilt sind und zwischen deren Enden 2 Kugeln eingeschaltet sind. f Fig. 14. Fibrille mit 2 Hensen’schen Mittelstreifen. Zwischen den Stäbchen 3 grössere mit kleineren anisotropen Kügelchen abwechselnd. Fig. 15. Acht kleine Kugeln anisotroper Substanz bilden ein Glied. An beiden Enden der Reihe befinden sich zwei grössere, welche eine kleinere anisotrope Kugel zwischen sich nehmen. Fig. 16. Stäbchen-Bildung mit schwach anisotroper Stelle in seiner Mitte innerhalb einer Fibrille. Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. 725 Fig. 17. Eine andere Combination von den anisotropen Kügelchen. Fig. Fig. Fig. Fig. 18. 19. Fig. 2 22. Ich Faser in b wachsig entartet. ‚Eine andere Aufstellung der anisotropen Kügelchen. Schematische Darstellung der Fibrillenscheiden für die Lücken zwischen ihnen. . Kurze Zeit hindurch macerirte Muskelsäulen aus dem Thorax von Geotrupes stercorarius 920 mal vergr. a Schema einer Fibrille dieser Säule, deren Querstreifen durch Kügelchen-Querreihen regelmässig abständig von einander gebildet werden. b isolirte Fibrillen aus einem anderen Bündel. In allen dreien wechseln anisotrope Stäbe mit dergl. Kugeln ab. Theil einer Muskelsäule aus dem Thorax der Schmeissfliege (920 mal vergr.) a sich stark contrahirender Theil, b der schwach eontrahirte Theil, ce Hensen’sche Mittelscheibe, hier eine einfache Linie etwas tiefer eingeschnitten zwischen zwei dicken Querreihen von Kügelchen. muss den Leser ersuchen, da die mikroskopische Erscheinung der Muskeln ganz genau wiederzugeben zu den schwierigsten Aufgaben für den Zeichner gehört, eine verständige Nachsicht bei der Beurtheilung der Figuren gelten zu lassen. Marburg im Febr. Ueber die hintere Begrenzungsschichte der menschlichen Iris. Von Prof. Dr. A. Gruenhagen in Königsberg i. Pr. Hierzu Taf. XXIX B. Zum Theil wohl in Folge meiner Mittheilung über die Muscu- latur und den Bau der Vogeliris ') hat Merkel?) sich veranlasst gesehen, die menschliche Iris zum Gegenstande einer erneuten Unter- suchung zu machen. Das Ergebniss seiner Bemühungen besteht darin, dass er nach Erhärtung der Regenbogenhaut in Müller’scher Flüssigkeit, vorsichtiger Abpinselung des hinteren Pigment-Epithels und schliessiicher Färbung mit Haematoxylin eine Schichte radiär liegender Faserzellen mit spindelförmigem Kerne dargestellt hat, welche er ohne Bedenken als glatte Muskelfasern auszusprechen sich bewogen findet. Er erklärt dieselben ihrem äusseren Verhalten nach für identisch mit den Spindelzellen des Sphincter pupillae, in welchen jene Zelllage zum Theil umbiegen soll, und beschreibt eine Art zweiten Sphincter’s am Cilien-Rande der Iris, von welchem die radiären Faserzellen ihren Ursprung hernehmen. Merkel glaubt nunmehr den bis jetzt fehlenden Beweis für die Existenz eines be- 1) Dieses Arch. Bd. 9 p. 286. 2) Die Musculatur der menschl. Iris. Rostock, Stiller’sche Hof- und Universitäts-Buchhandl. 1873. Ueber die hintere Begrenzungsschichte der menschlichen Iris. 727 sondern Dilatator pupillae für die menschliche Regenbogenhaut bei- gebracht zu haben und behauptet hinsichtlich des Baues der thierischen Iris, dass hier wesentliche Abweichungen vorkämen, und, dass man daher die Befunde an Thieraugen durchaus nicht auf die menschliche Iris übertragen dürfte. Mit dem Bemerken, dass Merkel die grosse Gefälligkeit gehabt hat mir zwei seiner Präparate auf mein Ersuchen zu übersenden, und, dass also durchaus keine Unsicherheit meinerseits darüber vorausgesetzt werden darf, was Merkel als Dilatator pupillae zu bezeichnen wünscht, habe ich nun Folgendes zu entgegnen: Mit Merkel stimme ich darin überein, dass eine aus Faser- zellen zusammengesetzte Schichte dicht unter dem hinteren Pigment- Epithel der menschlichen Iris gelegen ist, dieselbe Zellschichte, welche ich beim Frosch, bei der Katze, beim Kaninchen, ganz neuer- dings endlich auch bei Vögeln, bei letzteren nach Erhärtung der Iris in Müller’scher Flüssigkeit, am gleichen Orte schon lange vor Merkel aufgefunden und beschrieben habe. Diese Zelllage existirt, wie ich nachträglich gesehen habe, auch beim Pferde und beim Rinde und ist höchst wahrscheinlich allen Thierspecies gemeinsam. Dieselbe ist jedoch, und hierin muss ich Merkel auf das Bestimmteste widersprechen, nicht musculös, ihre Elemente haben nicht die geringste Aehnlichkeit mit denen /des Sphincter pupillae, breiten sich in continuirlicher Lage, über die ganze hintere Irisfläche aus, verlieren sich allmählich! gegen den Pupillen-Rand hin und reichen bis dicht an den Cilien-Rand heran. Da die Zeichnungen, welche Merkel geliefert hat,Zim höchsten Grade schematisirt worden sind und folglich keine richtige An- schauung von dem Aussehen der fraglichen Schichte liefern, so benutze ich die hier gebotene Gelegenheit, um eine mittelst der Camera lucida gezeichnete Abbildung (Fig. 1) zu veröffentlichen. Die Behandlung der Iris vor der Präparation bestand in allen Fällen darin, dass dieselbe im unversehrten,"frischen Auge einer 3—4 bis höchstens Stägigen Einwirkung der Müller’schen Flüssig- keit ausgesetzt wurde. Bei längerem Verharren in der genannten Lösung schrumpfen die betreffenden Iristheile merklich und er- schweren die Herstellung klarer und durchsichtiger Präparate er- heblich. Sobald der gewünschte Härtungsgrad erreicht war, habe ich einen doppelten Weg behufs weiterer Präparation eingeschlagen. In vielen Fällen pinselte ich das hintere Iris-Pigment von einem am 728 Prof, Dr. A. Gruenhagen: Cilienrande sorglältig abgelösten Iris - Segmente vorsichtig ab, wäs- serte das letztere gut aus, brachte es in Alkohol absol.,, dann in Hämatoxylin-Lösung, schliesslich nach abermaliger Auswässerung und darauf folgender Trocknung in Alkohol absol. und Nelkenöl und endlich zur Einkittung in Canadabalsam. In mehreren Fällen zog ich mittelst einer feinen, gut schliessenden Pincette Stücke der hinteren Begrenzungsschichte, selbstverständlich nach vorheriger Entfernung des Pigments, von der hinteren Irisfläche ab und untersuchte die übrigens unschwer erhaltenen, von Stromaresten völlig freien Fetzen nach angemessener Zerkleinerung mit oder ohne Hämatoxylin-Färbung in Glycerin. Präparaten der letzteren Art sind die Bilder der Fig 2 entnommen; zum Vergleich habe ich ihnen in Fig. 3 die in gleicher Weise gewonnenen Spindelzellen einer Vogeliris beigefügt. Hat man nun die Elemente der hinteren Begrenzungsschichte klar freigelegt und isolirt, so überzeugt man sich mühelos davon (Fig. 2 a.), dass die feinen, starren nicht selten geästeten Fasern, in welche dieselben auslaufen, in der Regel den äussersten Grenz- schichten der fraglichen Zellen angeheftet sind und zwar der Art, dass, wenn die letzteren sich in normaler Lage befinden, die Fasern auf der dem Iris-Stroma zugekehrten Seite der Zellen liegen, bei Betrachtung der hinteren Irisfläche von oben also unter den Zellen anzutreffen sind. Hieraus erklärt sich das Bild der Fig. 1, in welchem man spindelförmige Zellen einer deutlichen Faserschichte aufgelagert, nicht eingebettet findet. An guten Isolations-Präpa- raten erlernt man ferner, dass dem Protoplasma der Spindelzellen Pigment-Körnchen fast constant ankleben und demselben ihrer oft- mals sehr regelmässigen dem Zellenleibe entsprechenden Lagerung halber wohl als eigenthümlich zugesprochen werden müssen. Ganz ähnlich verhält sich die Sache in den Regenbogenhäuten der Vögel, auch hier trifft man den Merkel’schen Pseudo -Dilatator deutlich entwickelt an. Ein Uebergang zwischen der radiären Zellenlage der hinteren Irisfläche und den Sphincter-Elementen besteht in der menschlichen Irisfläche ebenso wenig, wie in der Vogeliris. Die morphologische Beschaffenheit der ersteren gestattet nicht sie dem glatten Muskelgewebe beizuordnen; Zellen von dem Aussehen der Fig. 2 und 3 sind eben keine Muskelzellen. Indem ich hiermit den neuen Merkel’schen Angriffen gegenüber meinen alt vertretenen Standpunkt gerettet zu haben glaube, kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, dass eine Bezweiflung des Ueber die hintere Begrenzungsschichte der menschlichen Iris. 729 hier mitgetheilten factischen Materials ihren Zweck vollständig verfehlen müsste, da meine Präparate genau den mitgetheilten Zeichnungen entsprechen und als objective Zeugen meiner Aussagen noch immer fortbestehen. Allerdings kann ich Niemand verwehren, auch die von mir isolirten Spindelzellen für Muskelzellen ansehen zu wollen, allein es wäre doch sehr fraglich, ob die völlige Nicht- achtung aller morphologischen Principien, welche einem solchen Verfahren zu Grunde läge, den erlaubten Oppositionsmitteln zuge- rechnet werden dürfte. Erklärung der Tafel XXIX B. Vergrösserung 600fach. Zeichnungen mit der Camera lucida aufgenommen. Fig. 1. Subepitheliale Spindelzelleu des hinteren Iris-Pigments, an der Perı- pherie mit Pigment-Körnchen besetzt, einem feinfaserigen Gewebe aufliegend. Aus Müller’scher Flüssigkeit nach Stägiger Einwirkung derselben. Fig. 2. Spindelzellen nach gleicher Behandlung isolirt. Fig. 3. Spindelzellen mit reichlichem Pigment an demselben Orte aus der Einten-Iris. Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. Von Dr. Paul Langerhans, Prosector und Privatdocent in Freiburg i. B. Hierzu Taf. XXX. Entfernt man von einem womöglich noch lebenswarmen Haut- stückchen aus einer mit Tastkörpern versehenen Region das subeutane Fett durch flache Scheerenschnitte und legt das Präparat dann in eine reichliche Menge einer halbprocentigen Osmiumsäure, so ist meist nach 24 Stunden eine vollkommene Wirkung des Reagens erfolgt. Das Präparat ist dann sehr gut nach allen Richtungen schneidbar und die verschiedenen Färbungen, welche die Osmiumsäure bewirkt, sind deutlich ausgeprägt. Im bindegewebigen Theile der Haut sind nur die etwa nicht entfernten Fetttropfen und die markhaltigen Nerven dunkelschwarz tingirt; alles übrige zeigt einen leicht gelben Farbenton, der aber nach längerer Ein- wirkung des Reagens sowie ohne diese in Alkohol oder Glycerin nach einigen Tagen eine dunklere, bräunliche Nuancirung annimmt. Das rete Malpighii ist leicht gelbbraun gefärbt, ebenso die Schweiss- drüsen; nur das Stratum corneum zeigt eine grössere Mannigfaltig- keit der Färbung, auf die wir unten zurückkommen wollen. Betrachtet man nun an einem solchen Präparat ein Tastkör- perchen, so findet man in all den Fällen, in denen das Reagens überhaupt das ganze Hautstück durchtränkt hat und dieses selbst im angegebenen Zustande d. h. noch lebenswarm in die Säure ge- legt wurde, ein sehr überraschendes Bild (Fig. 1). Denn es sind Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. - 731 nieht nur die zutretenden Nervenfasern vollständig geschwärzt und dadurch auch in dem Theil ihres Verlaufes, welcher innerhalb des Körperchens liegt wenigstens zum grossen Theil deutlich zu über- sehen, sondern eshat auch ein grosser Theil der als Quer- streifen des Tastkörperchens bezeichneten Gebilde eine intensiv schwarze Färbung angenommen. Die so tin- girten Gebilde zeigen in Form, Grösse und Anordnung eine ausser- ordentliche Mannigfaltigkeit. Ein Theil von ihnen lässt am ge- schlängelten Verlauf, an der bedeutenden Grösse, oft am directen Zusammenhang mit den zutretenden Nerven sofort erkennen, dass wir in ihm eben jene von allen Autoren beschriebenen, auch am frischen und ohne Reagentien untersuchten Organ stets deutlich charakterisirten Theile des Nerven vor uns haben, die bald in einer ganzen oder halben Spiraltour aussen das Tastkörperchen umkreisen, bald als geschlängelte Fasern im Innern desselben verlaufen. Ich habe es nicht für nöthig erachtet von den ersteren besondere Ab- bildungen beizubringen, da dieselben sich ja doch von den in jedem Handbuch zu findenden nur durch die Schwärze unterscheiden würden; von den innen verlaufenden Fasern indess sieht man in Fig. 1 bei a einige leidliche Specimina. Neben diesen längeren, relativ schmalen Nervenfasern finden sich jedoch eine grosse Menge von andern schwarz gefärbten Gebilden, welche deutlich die Form von grösseren oder kleineren Knospen besitzen und bei Betrachtung mit kleinen Vergrösserungen sich oft nur durch die Farbe von Kernen unterscheiden. Dieser Unterschied ist nun aber ein voll- kommen durchgreifender: denn es giebt in keinem Organismus einen Kern, welcher durch Osmiumsäure eine dunkelschwarze Fär- bung annimmt. Bei genauerer Betrachtung erweist sich nun, dass diese schwarzen Knospen doch nur ausnahmsweise eine reine Kernform besitzen. In den meisten Fällen sind sie erheblich kleiner als sonst Kerne zu sein pflegen, und fast immer laufen sie nach einer oder der anderen Seite in feinere Fäden aus, welche dann meist an der Peripherie des Organes umbiegen oder sich direct in’s Innere desselben begeben und in beiden Fällen einer weiteren Verfolgung entziehen. Durchmustert man nun eine grössere Anzahl von Präparaten, so wird man nicht selten auf Tastkörper stossen, an denen es gelingt, den von einer solchen Knospe aus- . gehenden Faden weiter zu verfolgen und in seinem weiteren Verlaufe als identisch mit einem der längeren Elemente zu erkennen, welche 732 Dr. Paul Langerhans: wir so eben als die bekannten und ziemlich allgemein anerkannten Nervenfasern im Innern des Organes genauer beschrieben haben. Ich habe solche Fälle in Fig. 3 und 4 dargestellt; in beiden ist der Nerv durch die angeführten Eigenschaften genügend characterisirt; in beiden erscheint die Endknospe in Uebereinstimmung mit allen anderen auf der Tafel abgebildeten Endknospen als deutliche An- schwellung des Nerven, welche einerseits in ihm ihre unmittelbare Fortsetzung findet, andrerseits zugerundet endet. Obwohl es nun nie gelingt alle oder auch nur die Mehrzahl der Endknospen an einem Tastkörper in Verbindung mit Nerven zu sehen, so sind es doch zwei Momente — ausser den angeführten, vollkommen sichern Beobachtungen — welche mich dennoch bewegen, sie sämmtlich als Endknospen in Ansprnch zu nehmen. Nämlich einmal die eigen- thümliche Gruppirung, welche derjenigen entspricht die Meissner in seiner klassischen Arbeit für seine Endknospen angiebt, und so- dann die Reaction. Es giebt meines Wissens im Körper nur vier Dinge, welche nach dem 24stündigen Aufenthalt in Osmiumsäure eine tintenschwarze Farbe annehmen : nämlich Theile des Stratum corneum, die Aussenglieder der Retinastäbchen, Fett und Myelin. Die ersten drei davon sind hier ausgeschlossen ; es muss also Myelin sein, was sich im Tastkörper schwarz färbt, und alle als Endknospen beanspruchten Gebilde sind somit echt nervöse Elemente, von denen allerdings nicht immer- von jedem einzelnen auch die Continuität sich nachweisen lässt. Legt man nun Querschnitte durch die ebenso wie oben behan- delte Haut, so heben die Tastkörper sich genügend von der übrigen Substanz der Papillen ab um deutlich erkennbar zu sein. Man sieht dann bald neben denselben Durchschnitte von Nerven, bald aber, namentlich gegen die Spitze der Organe hin, also bei ober- flächlichen Handquerschnitten, fehlen dieselben. Im Tastkörper selbst aber (Fig. 2) bemerkt man stets eine grössere Anzahl von schwarzen Punkten, die sich durch Farbe und Gestalt als Nervenquerschnitte documentiren, sieht daneben ebensowohl näher an der Peripherie als mitten im Centrum unzweifelhafte Nervenfasern in gewundenem Verlaufe und ebenso in allen Theilen eines Qnerschnittes, allerdings häufiger an der Peripherie deutliche Endknospen, von denen in Fig. 2a eine mit der Nervenfaser in deutlicher Verbindung steht. Obwohl nun die Untersuchung des Nervenverlaufes am und im Tastkörper durch die angegebene Methode so unerwartet erleich- Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. | 733 tert wird, ist es dennoch schwer, ein deutliches Bild von dem Nervenverlauf im Ganzen zu gewinnen. Man sieht den zutretenden Nerven, oft wie bekannt nach ein- selbst zweimaliger Umkreisung des ganzen Organes, oft wie in Fig, 1, direct in’s Innere desselben eintreten, sich gelegentlich theilen und dann meist sehr stark ver- schmälern; darauf sieht man ihn im Inneren weiterziehen, in mannichfaltiger Weise gewunden und gelegentlich in eine oder die andere Endknospe übergehen. Immer aber bleiben zahlreiche End- knospen wie erwähnt ohne nachweisbaren Zusammenhang mit den zutretenden Nerven und es sind ausser den angeführten Momenten nur die feinen in’s Innere. sich einsenkenden Fortsätze derselben, welche die nicht sichtbare Verbindung mit den Nerven herstellen. Ich würde unnöthiger Weise bereits vielfach Gesagtes wiederholen, wollte ich ausführlich die Gründe anführen, welche diese Schwierig- keiten hervorrufen; ich verweise deshalb auf die Betrachtungen, welche W. Krause auf pag. 111 seiner Monographie über die Terminalkörperchen !) anstellt, und begnüge mich zu erwähnen, dass die Dicke des Organes, die grosse Anzahl der zusammengedrängten Nervenenden und der nothwendig daraus folgende complieirte Ver- lauf der Nervenfasern die glückliche Verfolgung einer Faser bis zur Endknospe natürlich sehr erschweren muss. Die Anschauung, die wir so vom Nervenverlaufe und der Ner- venendigung im Tastkörperchen gewonnen haben, stimmt nun voll- kommen überein mit derjenigen, die Meissner?) von Anfang an aufgestellt hat, und die von allen Nachuntersuchern am conse- quentesten von W. Krause verfochten worden ist. Nur mit dem Unterschied, dass die Nerven in keiner Stelle ihres Verlaufes ihr Myelin einbüssen, sondern vielmehr bis zum Ende mit solchem ver- sehen sind. Es war allerdings vor der Einführung der Osmium- säure in die Histologie unmöglich, das sicher festzustellen; aber mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit folgte es doch schon aus der Natur der Methode, welche Meissner selbst fast aus- schliesslich angewendet hat und welche nach ihm die Parole aller ° derjenigen geworden ist, die seiner Ansicht sich anschlossen: näm- lich aus der Wirkung der Kalilauge. Denn dieses Reagens besitzt bekanntlich die sehr vorzügliche Eigenschaft, myelinhaltige Nerven x 1) Die terminalen Körperchen der einfach sensiblen Nerven. Hannover 1860. 2) Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Haut. Leipzig 1853. 734 | Dr. Paul Langerhans: eine Zeit lang ausserordentlich schön sichtbar zu machen, während sie fast alle anderen Gewebsbestandtheile namentlich, aber blasse Nerven sehr energisch zerstört. Die Endknospen nun treten nach Anwendung der Kalilauge deutlich hervor; ja dieses Reagens ist selbst neben der Osmiumsäure stets zur Untersuchung der Tast- körper auf den Nervenverlauf hin zu empfehlen; aber das eben nur weil die Nerven. bis zum Ende hin myelinhaltig bleiben. Blasse Nerven würden nicht erhalten werden, und darum wird man auch der Opposition gegen Meissners Ansicht eine gewisse Berech- tigung, wenn auch nur mehr eine historische zngestehen müssen. Denn wären die Endknospen blass, wie Meissner noch annahm, so hätten sie durch sein Reagens vernichtet werden müssen. — Wenn ich so einerseits mich freue, in Bezug auf den Verlauf der Nerven im Grossen und Ganzen den Ansichten Meissners eine neue Stütze geben zu können, und zwar eine Stütze, von der ich hoffe, dass sie denselben bald überall da, wo es durch freund- liche Beziehungen zwischen der Anatomie und der chirurgischen Klinik gelingt, frisches Material zu bekommen, zur Anerkennung verhelfen wird, so weichen andrerseits die Beobachtungen, welche ich über den Bau des ganzen Organes gemacht habe, sehr von denjenigen ab, die bis- her aufgestellt worden sind, und erklären die Möglichkeit einer Ansicht, die Tomsa aus seinen eingreifenden Macerationen herausbildelte. Betrachtet man nämlich einen möglichst feinen Schnitt eines Tastkörperchens, der nach der oben angegebenen Methode gewonnen wurde, so bemerkt man überall (Fig. 3, 4, 5, 6) zwischen den schwarzen Nervenelementen grosse helle Kerne, welche von einer namentlich im Längsschnitt äusserst geringen Menge von Zellsub- stanz umgeben werden. Es ist mir leider nicht gelungen, durch Karminlösungen eine vollständige Färbung dieser Kerne an Osmium- präparaten zu erzielen. Aber durch 26 stündigen Aufenthalt feiner Schnitte in einprocentiger Pikrocarminlösung oder auch in Ger- lach’chem Carmin nehmen die Kerne doch einen leichten Sepiaton an, welcher ihre Beobachtung erleichtert. Trotzdem ist es nicht leicht, dieselben zu sehen; hat man sie aber einmal gesehen, so wird man sie bald selbst an dickeren Schnitten wiederfinden und zwar wie erwähnt überall zwischen den Nervenknospen, am deutlichsten aber an den Seiten eines Längsschnittes, da sie hier, wie die Muskel- kerne der Arterien, meist im optischen Querschnitt erscheinen und so durch die grössere Menge ihrer Substanz, welche der Lichtstrahl Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. 735 durchdringen muss, deutlicher hervortreten. Ausserordentlich schöne Färbungen bekommt man jedoch durch Hämatoxylinlösung und dieses Reagens verdient deshalb entschieden hier den Vorzug vor dem Carmin. Die Kerne sind relativ gross, meist erheblich grösser als die Nervenendknospen, und stimmen in ihrem Aussehen fast immer vollkommen überein mit den anderen im Präparat sichtbaren Kernen, namentlich denen im Bindegewebe. Sie sind umsäumt von einer geringen Menge von Zellsubstanz die sich in Längsschnitten in der Richtung der Queraxe des Tastkörperchens hinzieht und somit den Kern deutlich als das Centrum einer wahren Zelle er- kennen lässt. Wir sehen somit zwischen den nervösen Elementen wahre echte Zellen, deutlich von einander getrennt und zwischen ihnen in einer Weise gruppirt, welche oft dem ganzen Gebilde das Aussehen übereinander liegender Stockwerke verleiht. Es kann vorkommen, und ist mir namentlich öfter passirt als ich vor sechs Jahren zum ersten Male mit der Goldmethode an die hier behan- delte Frage mich machte, dass eines oder das andere dieser Stock- werke aus dem Tastkörperschnitte herausfällt, und das ganze Organ: so in der Mitte unterbrochen ist. Auf Querschnitten (Fig. 7 und 8) nun bemerkt man ebenfalls die Kerne sehr deutlich, und es gelingt oft in überraschender Klarheit die ganze Zelle zur An- schauung zu bekommen, wie es z. B. an Fig. 7 und ‘8 bei a der Fall ist. Auch auf Querschnitten finden sich diese Zellen überall zwischen den nervösen Elementen ; sie sind also keineswegs auf die Peripherie beschränkt, sondern kommen ganz ebenso im Innern des ÖOrganes vor, und nicht selten findet man gerade das Centrum von einer oder zwei Zellen eingenommen, wie dies ein Querschnitt zeigt der auf Fig. 7 abgebildet ist. Wir sehen somit das ganze Tast- körperchen aus einer grossen Menge von einzelnen Zellen aufgebaut, welche sich durch Zartheit und ge- ringe Menge von Zellsubstanz characterisiren, nnd zwischen ihnen in allen Theilen des Organes die ner- vösen Elemente angeordnet. Es fällt damit die bis jetzt so streng verfochtene Eintheilung in Bindegewebshülle und Innenkolben ; nie und nirgends existirt ein durchgreifender Unterschied zwischen der Peripherie und dem Innern; niemals findet sich eine Ansamm- lung fein moleculärer Substanz im Centrum des Organes im Sinne der meisten Autoren, ja es besitzt der Zellhaufen, den man Tast- 736 Dr. Paul Langerhans: körper nennt, nicht einmal eine eigene, umschliessende Membran. Ueberall stossen die peripheren Zellen direet an das umgebende Bindegewebe und nur nach längerer Einwirkung eines Reagens kann es vorkommen, dass das starre Aussehen der umgebenden Binde- gewebsschichten eine eigene Membran vortäuscht. Das Tastkör- perchen isolirt sich aus diesem umgebenden Gewebe mit Leichtig- keit, und nie wird man am isolirten Organ, z. B. an isolirten Querschnitten den Anschein einer Membran entdecken. Die Anzahl der einzelnen Zellen, welche das ganze Organ con- stituiren, sowie die Grösse der nervösen Elemente machen oft Schnitte der Tastkörper eines Erwachsenen so complieirt, dass sie ziemlich schwer verständlich sind. Die Menge von Dingen, die man an ihnen wahrnimmt, gestattet mir nicht einmal eine Abbildung eines ganzen Organes; sie würde unverständlich oder allzu schema- tisch sein; und ich habe deswegen nur Theile von Tastkörpern ab- gebildet, bei denen die Schnittrichtung besonders günstig die An- ordnung der einzelnen Elemente erkennen liess. So in Fig. 3 das untere Drittheil, in Fig. 5 ein Stück aus der Mitte, in Fig. 6 die Spitze eines Tastkörperchens. Verhältnissmässig leichter ist es in diesen Beziehungen bei Jüngeren Individuen einen Ueberblick zu gewinnen, nämlich bei Kindern von einigen Monaten. Die nervösen Elemente sind bei ihnen viel kleiner; namentlich die Endknospen erreichen nie eine solche Grösse, dass sie mit Kernen verwechselt werden könnten, und andrerseits liegen die relativ wenigen Zellen, aus denen das Organ sich aufbaut, etwas lockerer, so dass es hier entschieden leichter ist, die Anordnung derselben zu übersehen. Leider ist es schwer, geeignetes Material aus diesem Lebensalter zu bekommen, und das 2!/s monatliche Kind, dessen Zeigefinger Fig. 9 entnommen ist, war auch bereits über 12 Stunden todt, ehe ich es zur Ver- fügung bekam. Dem entsprechend ist die Reaction der Nerven- elemente eine ungenügende; die Zellen aber treten mit aller wünschenswerthen Klarheit hervor. Bei einjährigen Individuen ist die Zahl der Zellen schon eine weit grössere und ihre Untersuchung bietet daher kaum Vortheile vor der der Erwachsenen. Von Neugeborenen hat mir ebenfalls genügend frisches Material durch Zufall gefehlt; ich kann aber Krause’s Angaben, dass auch bei ihnen bereits kleine Tastkörper mit deutlichen Querstreifen, d.h. deutlich markhaltigen Nervenfasern vorhanden sind, bestätigen. Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. 737 Natürlich wirft sich nun die Frage nach der Natur dieser Zellen auf. Leider ist es mir nicht gelungen, dieselben chemisch oder mechanisch zu isoliren und ich kann somit nur aus der Ver- eleichung von Längs- und Querschnitte auf ihre Gestalt schliessen. Es wären danach platte Zellen mit sparsamem Inhalte, welcher von ihren grossen Kernen aus noch nach einer oder beiden Seiten sich erstreckt. Gestalt der Kerne, der Zellen und mehr fast noch ihre Färbung stimmen mit der von Bindegewebszellen überein und es wird daher gerathen sein sie bis auf Weiteres der gemischten Ge- sellschaft dieser Elemente anzureihen. Gegen eine epitheliale Natur sprechen zwei Momente: ihre von der der Rete-Zelien ab- weichende Färbung und der Mangel an Riffen und Stacheln zwischen ihnen. An der unteren Circumferenz des Tastkörpers sind stets einige Zellen deutlich zu erkennen; ebenda sieht man bei jüngern Individuen einige minder fest mit den anderen vereinte Elemente. Nimmt man dazu, dass bei diesen die Nervenenden im oberen Theile des Organs deutlicher und scheinbar früher erscheinen als unten, so liesse sich bei einigem Leichtsinn eine Wachsthums-Hypothese schon motiviren. Um nicht dem Vorwurfe zu grosser Einseitigkeit der Methode zu verfallen, — welcher übrigens was Erhaltung der Formen und die oben besprochene Reaction anlangt, gegen die Anwendung des Osmium nicht erhoben werden kann — habe ich noch mit einigen anderen Methoden die Tastkörper untersucht. Bei Schnitten ge- frorener Haut kann man, wenn dieselben genügend fein sind, die blassen Kerne deutlich wahrnehmen, sowohl auf Längs- als (Querschnitten, und bei einiger Uebung wird man die nervösen Ele- mente von den Kernen unterscheiden lernen. Aber die Grenzen der Zellen treten hier natürlich nicht deutlich hervor. Auch nach Er- härtung in Kali bichrom. gelingt es auf feinen Querschnitten über- all im Innern des Organes unsere Kerne wahrzunehmen und an der Gestalt auch von Nervenelementen zu unterscheiden. In dieser Beziehung ist es übrigens ganz interessant, die Zeichnungen der einschlägigen Arbeiten zu mustern; nicht selten wird man mit Sicherheit bestimmen können, ob ein Kern oder eine Nervenknospe dem gezeichneten Querstreifen zum Objecte diente. Die Beobachtungen, die ich hier über die Structur des Tast- körpers beigebracht, weichen nun allerdings recht erheblich von allen früheren Angaben ab. Aber sie haben nicht nur den Vorzug M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9. 48 738 Dr. Paul Langerhans: mit Hülfe einer den alten so weit überlegenen Methode angestellt zu sein, sondern auch den zweiten, eben aus den Methoden der Forscher zu erklären, dass und warum sie zu ihrer eigenen Ansicht kommen mussten. Man wird mir gern erlassen, die ganze ein- schlägige Literatur hier zu recapituliren. Sie findet sich ausser- dem sehr vollständig zusammengestellt in Krause’s oben ange- führter Monographie. Die alte Controverse spitzte sich hekanntlich in drei Ansichten zu; Meissner liess nur in der „bindegewebigen Hülle“ einige Kerne gelten, und sprach alle anderen „Querstreifen‘ als Nervenknospen an. Wir haben oben bereits gesehen, dass seine Beobachtungen über die Nerven in diesen Zeilen nur eine neue Stütze finden können. Aber alles was nicht myelinhaltig war, hat Meissner mit seiner Natronlauge consequent zerstört, und schon ein Blick auf die Zeichnungen von Meissner und die von andern Autoren, deren Reagentien die Kerne deutlicher machten, wie die Gerlach’s!) oder Oehl’s?), lässt die ganz enorme Differenz zwischen der Anzahl der von Meissner beobachteten und der von jenen gezeichneten „Querstreifen“ erkennen. Der Irrthum Meissners ist also die einfache Folge seiner Methode, die eben alles was nicht Nerv war, in die moleculare Masse verwandelte, Kölliker ist der Repräsentant der zweiten Ansicht. Auch er unterscheidet Innenkolben und Hülle und verfolgt die Nerven nur soweit sie, fast möchte ich sagen, makroskopisch sichtbar sind. Auch diese Beobachtungen lassen sich mit den meinen ganz gut in Einklang bringen, wenn man die Differenz der Methode berücksich- tigt. Essigsäure muss die Kerne deutlich hervortreten lassen und muss die Nervenendknospen zu Dingen coaguliren, welche solchen Kernen ziemlich ähnlich sind. Dass man dann hinter den Kernen, deren Menge eine so bedeutende ist, nur einen ziemlich undeut- lichen Innenkolben wahrnimmt, ist wohl einleuchtend). Tomsa*) endlich hat eine eigene Ansicht vom Baue der Tast- körper aufgestellt, welche sich zwar nur ziemlich absprechender 1) Mikroskopische Studien Taf. VII Fig. 2. 2) Indagini di anatomia microscopiea per servire allo studio dell’ epidermide e della cute palmare della mano. Milano 1857 Taf. VIII 54. 3) Das Quersehnittsbild in Köllikers Histologie von 1867 Fig. 63 B, pag. 106 muss viel Essigsäure bekommen haben. 4) Wiener mediz. Wochenschrift 1865 No. 52. Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. 189 Beurtheilung erfreut hat, aber dennoch recht gut mit meinen Beob- achtungen sich erklären lässt. Er hat bekanntlich die Haut in der Ludwig-Tomsa’schen Mischung von Alkohol und Salzsäure gekocht und die Tastkörperchen dadurch in eine grosse Anzahl von Zellen zerlegt, in die er nun den Nerven direct übergehen lässt. Die an- gegebene Mischung nun macht markhaltige Nerven so vollkommen unkenntlich, dass Tomsa über den Verlauf derselben mit seiner Methode unmöglich etwas sehen konnte. Dafür aber kann man bindegewebige Zellen recht schön mit ihrer Hülfe darstellen, und diese hatte denn auch Tomsa isolirt. Ich muss übrigens bemer- ken, dass mir so vollständige Zerlegungen, wie Tomsa mit der- selben Methode nie gelungen sind. Der Vollständigkeit halber wäre noch zu erwähnen, dass in neuerer Zeit Rouget!) eine Arbeit über die Tastkörper geliefert hat, in der er sich zwar im wesentlichen Meissner anschliesst, aber doch gern die Terminalfasern „wie mit einer Endplatte eines motorischen Nerven“ mit seinem molecularen Innenkolben zusammen hängen lassen möchte. Trotz der grossen Neigung dazu hat er es aber nicht gesehen; ich auch nicht. — Nachdem ich so gezeigt, dass die verschiedenen im Verlaufe der so lebhaft geführten Tastkörpercontroverse zur Geltung ge- brachten Ansichten mit Nothwendigkeit aus den Methoden folgten, welcher ihre Autoren sich bedienten, bleibt mir noch ein Punkt zu besprechen, in dem ich leider keinen Abschluss meiner Untersuchung erzielen konnte. Es ist dies das Verhalten der Nervenscheide. Die- selbe soll wohl nach allen früheren Angaben direct übergehen in die Hülle des Tastkörperchens. Ich vermochte sie nun mit Sicher- heit noch eine Strecke weit als deutlich doppelte Cortouren zur Seite des Nerven mit demselben ins Innere des Tastkörperchens hinein zu verfolgen, wie dies z. B. bei Fig. 1 an dem linken Tastkörperchen zu sehen ist, ohne dass ich jemals im Inneren einen Kern in ihr beobachtet habe. Ob sie aber noch weiter geht und vielleicht um alle Endknospen eigene Scheiden bildet, vermag ich nicht zu ent- scheiden; bisweilen hatte es ganz den Anschein, als wäre es der Fall. Auf Längsschnitten sieht man eine solche Menge von leicht gefärbten Linien, welche oft deutlich scheidenartig die Endknospen umgeben, auf Querschnitten selbst um feine Nervenquerschnitte 1) Comptes rend. Band LXVI par. 825. 740 Dr. Paul Langerhans: herum eine so deutliche Scheide, dass man der erwähnten Ansicht sehr geneigt ist. Aber andrerseits sind die Zellen selbst so inhaltarm, dass die Linien auch von Querschnitten von solchen, oder von Zelleontouren herrühren können. Es ist hier also eine Lücke in meinen Beobach- tungen, die ich zur Zeit nicht auszufüllen im Stande bin. Vor einigen Jahren habe ich einen kurzen Auszug aus einer damals von der Berliner Facultät gekrönten Preisschrift über die pathologische Anatomie der Tastkörper !) veröffentlicht. Der Aus- zug ist so kurz, dass Henle ?) in seinem Jahresbericht pro 1869 mit Recht rügt, es sei weder gesagt, ob stets Anaesthesien vorhanden gewesen noch ob eventuell auch die unteren Extremitäten untersucht worden seien. Ich erlaube mir als Ergänzung dieser Unterlassungen zunächst zu bemerken, dass in der That ausnahmslos die unteren Extremitäten untersucht wurden und zwar sowohl von der gesunden als von der kranken Seite, und dass bei den damals mitgetheilten Fällen cerebraler Erkrankungen stets bedeutende Sensibilitäts- störungen vorhanden waren, wo nicht das Gegentheil bemerkt ist oder aus der kurzen Krankengeschichte hervorgeht, dass keine Möglichkeit vorhanden war die Sensibilität zu untersuchen. Bei den Rückenmarkserkrankungen ist die Angabe über Sensibilitäts- störungen fast immer gemacht; sie fehlt in einigen Fällen von Tabes, lediglich darum, weil die Sensibilitätsstörung bei diesem Leiden bekanntlich oft so wenig hervortritt, dass sie wissenschaftlich — (damals wenigstens — controvers war. Aber noch aus einem andern Grunde erlaube ich mir auf die alte Arbeit zurückzukommen. Ich hatte damals in jedem einzelnen Falle frische Tastkörper in indifferenten Agentien (Speichel oder Jodserum) isolirt, und mich bei dem Stande der Frage nach der Art der Nerven- endigung begnügen müssen, zu constatiren, dass ihr Aussehen mit dem vollkommen gesunder und nach der gleichen Methode behandelter Tastkörper übereinstimme. Versuche die ich damals machte, um über die Nervendigung ins Klare zu kommen, waren resultatlos gewesen. 1) Virchow’s Archiv Band 45. 2) Jahresbericht für 1869 pag. 95. Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. 741 Trotzdem hatte ich damals diejenigen Gebilde, welche ich nun durch ihre Osmiumreaction von ihren Kernen unterscheiden gelernt, stets vor Augen gehabt. Denn an einem frisch isolirten Tastkörper, der nicht mit Agentien behandelt ist, kann man stets wenigstens die grössern Endknospen an ihrem eigenen Glanze deutlich von den Kernen unterscheiden, und da ich sonst nichts merkwürdiges an den Tastkörpern zu sehen hatte, habe ich mich damals immer bemüht, diese leicht glänzenden Knospen aufzufinden. Die Beobachtungen, welche meiner früheren Arbeit zu Grunde lagen, haben also immerhin von dem geringen Interesse, das sie überhaupt boten, auch bei Anerkennung der Resultate dieser Arbeit nichts eingebüsst und sind in dem Sinne verwerthbar, den ich damals hervorhob. I. Bei Besprechung der Einwirkung der Osmiumsäure auf die ver- schiedenen Lagen der Haut habe ich oben bemerkt, dass, während das rete Malpighii einen gleichmässig gelbbraunen Ton annimmt, im Stratum corneum verschiedene Färbungen auftreten. In Fig. 10 habe ich dieselben in der Haut eines 2'/smonatlichen Kindes darzustellen versucht. Das stratum corneum (Fig. 10a) nimmt, wenn genügend Osmiumsäure vorhanden war, eine tiefschwarze Färbung an, die sich von der oberen Grenze fast bis zur unteren erstreckt; doch erreicht sie diese untere Grenze nicht, denn es bleibt hier fast aus- nahmslos eine dünne Schicht frei, welche in der Mehrzahl der Fälle die Dicke von zwei Zellen zeigt, aber auch etwas schichtenreicher vorkommt. Diese nimmt nur einen gelben Farbenton an, der die ganz hell bleibenden Kerne sehr deutlich hervortreten lässt (Fig. 10b). Ist nicht genügend Osmiumsäure vorhanden gewesen, so tritt keine so gleichmässig schwarze Färbung des ganzen Stratum corneum ein; dies ist in der Regel der Fall bei Erwachsenen, deren Hornschicht ja überhaupt dicker ist, und es findet sich dann nur ein schmaler Streifen dunkel schwarz gefärbt. Dieser Streifen entspricht aus- nahmslos dem Theile, den ich in der angegebenen Figur geschwärzt dargestellt habe, und es folgt auf ihn nach unten, noch eine dünne, eben meist aus zwei Zellenlagen bestehende Schicht, welche dann vollkommen weiss und durchscheinend bleibt. Die Elemente dieser 742 Dr. Paul Langerhans: Schicht erscheinen stets in eigenthümlicher Weise längsgestreift, d. h. gestreift in der Riehtung der Längsachse der Coriumpapillen und somit quer zu ihrem eigenen grössten Durchmesser. Diese helle Schicht ist es, welcheOehl und Schön als Stratum lueidum zum retc Malpighii rechnen. Es ist natürlich an sich ziemlich gleichgültig, ob man sie diesem oder der Hornschicht zuertheilen will; aber die vollkommene Gleich- mässigkeit der Färbung, welche alle unter ihr liegenden Zellen- schichten darbieten, wie die ausserordentliche Schärfe, mit der sich ihre Elemente stets von diesen abgrenzen, während sie bei anderen Methoden nach dem Stratum corneum zu keine so scharfe Grenze besitzen, lässt es unzweifelhaft, dass die allgemein angenommene Grenze zwischen rete und Hornschicht unter — nicht über dieser Lage sich befindet. Aber die Lagen des rete Malpighii zeigen doch bei aller Gleichmässigkeit der Färbung eine bemerkenswerthe Diffe- renz; denn die beiden oberen Zellenreihen unterscheiden sich von den tiefern stets durch einen ganz eigenthümlichen körnigen Inhalt, und sondern sich so von den tieferen Lagen als eigene, in der Figur mit ec bezeichneten Schicht ab. Diese Schicht ist, wie bemerkt, meist ebenfalls zwei Zellreihen dick; aber während ihre obere Gränze ausnahmslos sehr scharf ist, tritt ihre untere Begrenzung nicht immer mit der gleichen Deutlichkeit hervor, indem gelegentlich in den nächst anstossenden Elementen auch noch feine Körnchen wenn auch in geringerer Menge erscheinen. Ich habe die besprochenen Lagen in jedem Lebensalter gefunden, und gebe in Fig. 11 die Zeichnung eines Präparates vom Neuge- borenen, in Fig. 12 vom Erwachsenen. In beiden tritt einerseits die helle, tiefste Schicht des Stratum corneum, das Stratum lucidum von Oehl bei (b) deutlich hervor; andrerseits hebt sich unter ihm die körnchenhaltige doppelte Zellenlage bei (c) auch von den tieferen Lagen des rete deutlich ab. Es ist mir an Osmiumpräparaten nicht gelungen, in dieser körnchenhaltigen oberen Schicht des rete die Schuitze’schen Stacheln und Riffe zu sehen, während sie, wie ein Blick auf die Zeichnungen lehrt, unmittelbar unter ihr deutlich her- vortreten. Ueberraschend klar treten die beschriebenen ‚Verhältnisse hervor, wenn man ein noch warmes Hautstück gefrieren lässt und dann feine Schnitte in Pikrocarmin färbt. Es nehmen dann die Zellen des Stratum lucidum eine hellrothe Farbe an, welche nach oben zu Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii. 743 sanz allmählig verstreicht; die Elemente der oberen Reteschicht zeigen eine sehr intensive Färbung ihrer einzelnen Körnchen und heben sich dadurch in der in Fig. 13 wiedergegebenen Schärfe ab. Sie umgeben mit zierlicher Anordnung auch die Trichter der Schweiss- drüsen. Nach unten zu besitzen dann die Zellkerne im rete Mal- pighii eine intensivere Carminfärbung die Zellen selbst nur einen leichten Anflug. Dabei zeigt es sich, dass im unserer körnchenhal- tigen Lage die Körnchen einen peripheren Theil der Zelle frei lassen, welcher als leicht gelblicher Saum zwischen den einzelnen körnigen Zellen erscheint. Flachschnitte, Fig. 14, lassen erkennen, dass unsere körnerhaltigen Zellen in regelmässigen polygonalen Figuren aneinander stossen. Auch die Anwendung der gewöhnlichen Ger- lach’schen Carminfärbung lässt die gleichen Verhältnisse, wenn auch minder deutlich hervortreten. Wir haben so mit Hülfe der beiden angeführten Methoden in den obern Lagen des rete Malpighii Elemente aufgefunden, welche in der lebhaften Zuneigung zur Farbstoffimprägnation wie in ihrem körnigen Inhalt Charaktere besitzen, die man jüngeren Elementen überhaupt zuschreibt. Ausserdem unterbricht diese Schicht sehr stark das acceptirte Schema von der allmähligen Metamorphose der Ele- mente des rete in die Schüppchen des Stratum corneum, welches mit den hohen Cylinderzellen der unteren Reteschicht anzufangen und mit einigen kernlosen Schüppchen des Stratum corneum zu endigen pflegt. Schon das Verhalten des Pigmentes in der Haut der gefärbten Rassen spricht gegen eine Betheiligung der unteren Zelllagen des rete bei der physiologischen Regeneration der Hornschicht. Auch die Kenntniss der so merkwürdig angeordneten stabilen Elemente im rete Malpighii, welche ich früher beschrieben habe !) und welche seitdem von verschiedenen Forschern ebenfalls aufgefunden, von Niemand bestritten worden sind, schien mir dafür zu sprechen, dass man den eigentlichen physiologischen Mutterboden des Stratum corneum über diesen Elementen in den obern Schichten des rete zu suchen habe. Ich glaube, dass die jetzt! beschriebenen Eigen- thümlichkeiten der oberen Reteschichten dieser Hypothese einige Stütze zu verleihen im Stande sind, ohne mich übrigens darüber zu täuschen, dass sie nach wie vor eine erst ferner zu discutirende Hypothese ist. k 1) Virchow’s Archiv Bd. 44. 744 Fig. Fig. g. Fig. Fig. Fig. sonsaPrumn Dr rt = Saul 2. 3: . 14. . Paul Langerhans: Ueber Tastkörper und rete Malpighii. Erklärung der Abbildungen auf Tafel ERR Längsschnitte von Tastkörpern von der grossen Zehe eirca 200 : 1. Querschnitte vom Zeigefinger 200 : 1. Unteres Drittheil eines Längsschnittes. Fusszehe 1100 :1. Schrägsehnitt vom Finger. 1100:1. Mittlerer Theil eines Längsschnittes (vom Fusszehen). 1100 ::1. Spitze eines Längsschnittes ebendaher. 1100 :1. Querschnitt eines Tastkörpers vom Fussrücken 1100: 1. Theil eines solchen ebendaher. 1100: 1. Tastkörperlängsschnitt vom Zeigefinger eines 2!/; Monat alten Kindes TIDURM. . Durchschnitt durch die Epidermis desselben Kindes ebendaher 1100:1. a. Stratum corneum, b. Stratum von Oehl, c. obere‘Lage des rete (d). Dasselbe vom Zeigefinger eines Neugeborenen, 1000:1. Bezeich- nungen hier und in den folgenden Figuren wie in Fig. 10. Ebendasselbe vom Fusse des Erwachsenen. 1100 :1. Ebendasselbe vom Fusse eines 14jähr. Knaben. Frisch gefrorener Schnitt in Pikrocarmin gefärbt. 1100: 1. Ebendasselbe. Flachschnitt, ebenso behandelt, 1100: 1. Ueber die Haut der Larve von Salamandra maculosa. Von Dr. Paul Langerhans. Prosector und Privatdocent in Freibnrg ı. B. Hierzu Taf. XXXI. Die Haut der Larve des Landsalamanders ist mit einem zwei- schiehtigen Epithel bekleidet. Die Elemente der oberen Schicht er- scheinen bei Betrachtung von oben oder unten als sehr regelmässige Polygone; sie wenden der Oberfläche den bekannten, gestrichelten Cuticularsaum zu, den beim Salamander Leydig '), bei den Larven der Frösche Remak, bei Bombinator igneus Eberth ?), bei Tritonen und anderen F. E. Schulze?) beschrieben haben und zeigen an ihren anderen Flächen einen Besatz von äusserst zier- lichen Stacheln und Riffen, der selbst bei sehr schonender Behandlung leicht zerstört wird und nur bei Isolirung der ganz frischen Zellen in 1/0 procentiger Osmiumsäure und Anwendung von Immersions- linsen deutlich zu sehen ist. Die Seitenflächen sind im Ganzen eben, die untere Fläche dagegen in wechselnder Weise eingebuchtet zur Verbindung mit den Zellen der tieferen Schicht. Zwischen Kern und Quticularsaum ist eine bald grössere, bald geringere Menge von Pigment angesammelt. Die regelmässige Anordnung dieser Zellen erleidet nur zweierlei Unterbrechungen: einmal über den sog. Seiten- organen, worauf wir unten zurückkommen wollen, und dann an verschiedenen Stellen des Leibes, am häufigsten am Bauche, dadurch 1) Ueber Organe eines sechsten Sinnes: Verhandlungen der Leopoldino- Carolina Band 34. pag. 20. 2) Dieses Archiv II, 498. 3) Dieses Archiv V, 299 ff. 746 Dr. Paul Langerhans: dass zwischen den grossen Polygonen der platten Epithelien kleinere Felder eingeschaltet sind, die bald ebenfalls polygonal sind, bald eine Gestalt besitzen, welche an die Spaltöffnungen der Pflanzen erinnert (Fig. 1). Diese Stellen sind in der Regel weniger pigmentirt, als (die Nachbarschaft. An Isolations- oder Schnittpräparaten überzeugt man sich, dass sie dadurch hervorgebracht werden, dass zwischen die grossen Epithelien kleinere rundliche Elemente sich einschalten, welche aber ebenfalls eine Cuticula besitzen (Fig. 2) und bis auf ihre Gestalt und geringere Pigmentirung mit den anderen Elementen der oberen Zellschicht vollkommen übereinstimmen. Der Cuticular- überzug der Haut unserer Thiere erleidet also an diesen Stellen keine Unterbrechung; er setzt sich vielmehr — mit alleiniger Aus- nahme der Seitenorgane — gleichmässig über den ganzen Körper, mit Einschluss der Conjunctiva fort, und zwar während des ganzen Larvenlebens, von der Geburt bis zur Metamorphose. Diese Thatsache ist von Wichtigkeit für die Bedeutung einer ganz eigenthümlichen Art von Zellen, welche einen grossen Theil der tieferen Zellenlage des Hautepithels ausmacht und von Leydig !) zuerst unter dem Namen der Schleimzellen erwähnt worden ist. Die Schleimzellen Leydig’s sind nicht über den ganzen Körper des Thiers verbreitet: sie erstrecken sich nämlich am Schwanze nur auf die mittlere Partie der Seitenflächen, fehlen somit dem flossenartigen Saum desselben, und kommen ferner am Rande des Unterkiefers, an den Kiemen und an den Unterschenkeln und Füssen nicht vor. Den anderen Regionen der Haut jedoch kommen sie zu und schalten sich ungefähr in der Weise, wie dies Fig. 3 darstellt, zwischen die übrigen Elemente der tieferen Zelllage ein. Sie sind in mehreren Beziehungen von diesen verschieden. Zunächst durch die sehr beträchtliche Grösse; ihr Durchmesser übertrifft den kleinen Durchmesser der anderen Zellen um das Drei- bis Vierfache. Sodann durch einen eigenthümlichen, grobkörnigen aber stets vollkommen farblosen Inhalt, dessen einzelne Granula durch Osmium einen leichten Sepiaton annehmen (Fig. 5). Ferner durch eigenthümliche Gestaltung des stets genau in der Mitte liegenden Kernes, welcher mehrfach gelappt erscheint nnd durch Osmiumeinwirkung sich schnell bräunt (Fig. 5). Endlich aber durch den Besitz einer eigenen, resistenten und sehr leicht isolirbaren Membran, welche eine äusserst 1) Untersuchungen über Fische und Reptilien pag. 107 und 108. Ueber die Haut der Larve von Salamandra maculosa. 747 zierliche, netzartige Zeichnung besitzt (Fig. 4). Diese Zeichnung tritt durch Reagentien, namentlich Osmium, deutlicher hervor und rührt her von kleinen regelmässigen Verdickungen der Membran, die auf dem optischen Querschnitt (Fig. 5) als dunklere Pünktchen erscheinen. Zwischen diesen rippenartigen Verdickungen erscheint die Membran vollkommen homogen und erst eine ganz leichte Värbung, welche nach Anwendung von Anilin entsteht, giebt die Gewissheit, dass zwischen den Verdickungen in der That eine geschlossene Membran existirt und nicht, wie dies ohne das Reagens scheint, eine vollkommene Unterbrechung ihrer Gontinuität stattfindet. Zwischen diesen Schleimzellen liegen gewöhnliche Gylinderepi- thelien (Fig. 6), welche nur dadurch eine oft recht eigenthümliche Form erhalten, dass sie die Schleimzellen auch an ihrer unteren Circumferenz umgeben und somit vom Bindegewebe der Haut mehr weniger vollständig trennen. Zu diesem Zwecke ist ihre der Leder- haut aufsitzende Basis erheblich grösser, als die mit den Elementen der oberen Schicht sich verbindende, äusserst unregelmässig gestaltete Spitze, und diejenige Seite, welche einer Schleimzelle sich zuwendet, bildet einen Theil einer Hohlkugel, welcher durch gleichgestaltete Seitenflächen andrer Elemente derselben Schicht wie durch die Ein- buchtungen an der Unterfläche der cuticulartragenden Zellen sich zur vollständigen Hohlkugel ergänzt, in der dann die Schleimzelle Platz findet. Mit Ausnahme der Basis sind alle Flächen der be- sprochenen Epithelien mit denselben feinen Stacheln besetzt, die wir oben an den Zellen der oberen Schicht gefunden hatten; die Basis aber ist vollkommen scharf eontourirt und nicht ganz eben, sondern vielmehr in unregelmässiger Weise mit ganz seichten Hervorragungen versehen, welche die Stelle der ausgesprochenen Zähnelung, die sich beim erwachsenen Thiere hier vorfindet, mir äusserst unvollkommen ersetzt. Denn während die unterste Zelllage beim alten Thier sehr fest mit der Lederhaut in Verbindung steht, lässt sich unsere Zell- lage bei der Larve ausserordentlich leicht von jener trennen. Zwischen diesen beiden Schichten des Epithels kommen, wie bekannt, Pigment- zellen in geringer Menge vor. — Die besprochene Structur des Hautepithels bleibt während des ganzen Larvenlebens unverändert. Junge Thiere, welche ich im November und December vollkommen lebensfähig aus den Eileitern frisch getödteter Thiere befreite, zeigten dieselbe ebenso wie Genos- 748 Dr. Paul Langerhans: sen von ihnen, die noch im Februar ohne sich zur Metamorphose anzuschicken die doppelte Grösse erreicht hatten. Leider starb mein sanzer Vorrath Ende Februar aus und machte mir so die Beob- achtung der Metamorphose selbst einstweilen unmöglich. Trotzdem steht jedenfalls fest, dass die Schleimzellen zu keiner Zeit der Larven- periode die Oberfläche erreichen, und somit niemals ihren Inhalt entleeren, nie in secernirende Function treten können. Ich habe des- halb absichtlich den indifferenten Namen der Schleimzellen beibe- halten, ohne damit irgendwie gegen die Ansicht mich aussprechen zu wollen, es seien unsere Zellen junge Becherzellen und würden später zu solchen. Leydig hat nur die Existenz derselben erwähnt und ihnen denselben Namen gegeben, den er allen sog. Becherzellen beilegt. F. E. Sehulze !) aber erwähnt, dass bei Tritonenlarven ähnliche Zellen vorkommen, die er als junge Becher anspricht und von denen er jene Elemente ableitet, welche beim erwachsenen Triton in der dritten Schicht (von oben an gezählt) des Epithels der Haut vor- kommen. Die gleichen Elemente mit der gleichen Anordnung, wie sie der genannte Autor beim Frosch und Triton beschreibt ?), kommen auch dem Landsalamander zu, und es ist darum die Idee eines Zusammenhanges zwischen ihnen und den beschriebenen Schleim- zellen keineswegs von der Hand zu weisen. Immerhin aber schien es mir eben durch das Interesse, mit dem Function und Vorkommen der Becherzellen discutirt werden, gerechtfertigt die Eigenthüm- lichkeiten unserer Zellen hervorzuheben. Nach kurzem Aufenthalt des eben getödteten Thieres in Wasser schwellen dieselben in der That an und bahnen sich zwischen den Zellen der ersten Schicht einen Ausweg. Sie bekommen dann eine vollkommene Becherform und werden den Bechern ähnlich die in der Mundschleimhaut des Thiers stets sich vorfinden. Oben hatte ich bereits erwähnt, dass die Cuticularbekleidung unserer Larven nur eine Art von Unterbrechung erleide: nämlich über den s. g. Seitenorganen. Die Gestalt der Unterbrechung ist hier meist die einer länglichen Spalte 3), nur in der Minderzahl der Fälle die eines Kreises; aber dadurch dass von den Rändern der 1) Dieses Archiv III, 168. 2) Ebenda III, 167. 3) Leydig Ueber Organe des sechsten Sinnes. Fig. 12. Ueber die Haut der Larve von Salamandra maculosa. 749 Spalte aus die Oeffnung nach oben zu sich trichterartig erweitert, entsteht eine oberflächliche mehr zugerundete Oeffnung, die durch die eigene Anordnung des Pigmentes mehr in die Augen fällt als die tiefere feine Längsspalte (Fig. 7). Von den Rändern dieser Oeffnung erhebt sich eine schwer sichtbare vollkommen homogene Röhre, welche mit der von F.E. Schulze bei anderen Amphibien- larven beobachteten so vollkommen übereinstimmt, dass ich mich einer Abbildung enthalten konnte. Das Organ, zu dem die Oeffnung führt, erscheint leicht als ein Haufen von Rundzellen und es ist mir vollkommen erklärlich, dass Leydig durch unvollkommene Methoden dazu geführt wurde, es für einen solchen zu halten und dies sogar gegenüber F. E. Schulze’s sehr bestimmt formulirten Angaben. Bei geeigneten Cautelen der Methode jedoch, namentlich der An- wendung !/s procentiger Osmiumsäure oder besser nach der Unter- suchung des vollkommen frischen Organes in der dünnen Osmium- lösung erkennt man leicht, dass dasselbe vollkommen solide ist und eine Gruppe von Zellen darstellt, welche die Gestalt eines abgestutzten Kegels hat. Seine Basis sitzt der Lederhaut auf, seine abgestutzte Spitze schiebt sich in die Oeffnung im Cutieularsaum ein und seine Seiten werden von Epithelien umgeben, die in keiner Hinsicht von den oben geschilderten abweichen (Fig. S a). Der Zellenkegel selbst aber besteht aus zwei eigenthümlich angeordneten und gestalteten Arten von Zellen. Die untere Reihe (in Fig. 8b) der Kerne nämlich gehört Elementen an, welche mit breiter Basis auf der Lederhaut sitzen, un- mittelbar über derselben einen Zellkörper von ziemlicher Mächtigkeit entwickeln, und dann nach oben hin einen bandartig verdünnten Fort- satz absenden, welcher bis zur abgestutzten Spitze des Kegels reicht und natürlich entsprechend der Grössendifferenz zwischen der oberen und unteren Grundfläche desselben auch in der Breite abnehmen muss. Oben hört dieser Fortsatz mit leicht und deutlich gezähnel- tem Rande auf (Fig. 9 und 10). Diese Zellen legen sich einander ziemlich fest an, und man kann so leicht Theile des ganzen Kegel- mantels isoliren (Fig. 9). Man sieht die Elemente in solchen Stücken stets von ihrer breiten Seite, während die isolirten Zellen (Fig. 10) auf der Kante stehend deutlich die Dickenabnahme des nach oben gehenden Fort- satzes erkennen lassen. Der Inhalt-dieser Elemente ist ein ganz heller; er enthält nur in der unmittelbaren Umgebung des Kernes, namentlich basal von 750 Dr. Paul Langerhans: demselben, einige gröbere Körnchen, ist aber bisweilen mit Pigment versehen. Die Pigmentirung kann eine wechselnde sein: sie bietet oft nur das Bild einer leichten Bestäubung, wie in Fig. 9, während sie in andern Fällen die Höhe der Pigmentirung der Cutieularzellen erreichen kann (Fig. 10). Durch die eigenthümliche Gestalt und Anordnung dieser Elemente bleibt in dem Kegel, den das ganze Seitenorgan bildet, ein zweiter in jeder Dimension kleinerer Kegel frei, welcher von der anderen Zellart ausgefüllt wird. Die Zellen (Fig Sc) dieses Kegels sind im Ganzen birnförmig gestaltet. Der Körper der Birne wird von dem grossen Kerne eingenommen, und schliesst sich unmittelbar an den Körper der stützenden Epithel- zellen an. Der Kern zeigt oft überraschend deutlich die Eimer’sche Körnchenkugel (Fig. 12, 11); neben ihm lagern im hellen Zellinhalt einige gröbere Granula. Complieirter ist der Bau des peripheren oder oberen Theiles dieser Elemente. Derselbe verschmälert sich nach oben zu und geht continuirlich über in ein glänzendes, feines und ziemlich langes Haar, das, wie mir schien, mit gezähnelter Basis aufsitzt. Doch liegt die Grösse dieser Zähnchen so sehr im Grenz- sebiete unserer Immersionssysteme, dass ich die Zähnelung nicht mit positiver Sicherheit behaupten kann. Leider gehört eben dahin auch eine eigenthümliche Zeichnung des peripheren Theiles unserer Zellen, welche ich in den Fig. 11, 12, 13 wieder gegeben habe und welche mir aus einer grösseren Anzahl kleiner, in Reihen an- seordneter Wärzchen oder Protuberanzen hervorzugehen scheint. Es können indess auch unterbrochene Linien oder vielmehr Körnchen- reihen im Inneren der Zelle sein, welche dies Aussehen hervor- rufen. Endlich ist zu erwähnen, dass dieser periphere Theil eine stärkere Verwandtschaft zur Osmiumsäure besitzt, welche zwar nicht so energisch ist wie die vonF. E. Schulze bei Fischen beob- achtete !), aber doch genügt, den Elementen schon nach kürzerem Aufenthalt in dünnen Lösungen des genannten Reagens eine deutlich gelbliche Färbung zu ertheilen. Von dem birnförmigen Körper dieser durch die Haare als Sinneszellen charakterisirten Epithelien sieht man gelegentlich einen Fortsatz nach abwärts ziehen, dessen Verbindung mit einem Nervenästchen zwar nach Analogie der Schulze’schen Beobachtungen sehr wahrscheinlich ist, aber leider nicht constatirt werden konnte. Die Sinneshaare selbst treten in der 1) Dieses Archiv VI, page. 72. Ueber die Haut der Larve von Salamandra maculosa. 751 Oeffnung des Cutieularsaumes frei zu Tage und sind von oben her als glänzende Punkte leicht zu sehen; sie sind (Fig. 7) meist in einer einfachen oder doppelten Längsreihe, seltener im Kreise an- geordnet. Die Literatur über die Seitenorgane der Amphibien ist zur Zeit noch leicht zu übersehen. Leydig ist es bekanntlich gewesen, der in den Seitencanälen der Fische, die bis dahin als Drüsen galten, ein neues Sinnesorgan kennen lehrte. F.E. Schulze hat dann die analogen Organe bei den Amphibienlarven entdeckt und in seiner ersten Abhandiung !) einige Angaben über den Bau dieser Organe gemacht, welche Leydig dann in seiner grösseren Arbeit: ‚Ueber Organe eines sechsten Sinnes“ ?) zum grossen Theil bestritt. Zwei von den Angriffspunkten Leydig’s, nämlich die Bedeutung der bindegewebigen sehr geringen Erhebung der Lederhaut und die blasenförmigen Hohlräume welche die ganzen Organe umgeben sollten, hat Schulze selbst aufgeklärt 3). Die übrigen Differenzpunkte sind indess noch ziemlich erheblich. Schulze hat die Gallertröhre, welche den Organen aussen aufsitzt, und die Sinneshaare, deren Spitzen ebenfalls frei hervorragen und deren Haare namentlich bei der Ansicht von oben deutlich sind, bereits in seiner ersten Abhandlung beschrieben. Dem gegenüber lässt Leydig aus dem Inneren des Organes einen langen Faden hervorkommen, welcher weit in das umgebende Medium hineinreicht und bestreitet sowohl die Gallertröhre als die Sinneshaare; er sieht im Grunde des einen bedeutenden Hohlraum enthaltenden Organes, „eigentlich Becher“, einen Haufen von Rundzellen, in denen der erwähnte Faden wurzeit. In seiner neuesten Mittheilung *) hält Schulze seine Angaben über Sinneshaare und Gallertröhre aufrecht. Ueber die genauere Structur des Organes scheint er keine ein- gehendere Untersuchung gemacht zu haben, bemerkt aber, er halte den Hügel eben so gebaut wie den der jungen Fische“, nämlich aus äusseren, platten Epithelien und centralen haartragenden Sinnes- zellen zusammengesetzt. Die Resultate meiner Untersuchung ent- sprechen nun vollkommen dieser Erwartung von F. E. Schulze. Während ich einerseits seine Angaben über die Existenz der ho- mogenen äusseren Röhre und der Sinneshaare einfach bestätigen 1) Müller’s Archiv 1861, pag. 759. 2) 1. e. 3) Dieses Archiv V, 313 und VI, 80. 4) Dieses Archiv VI, 78. 752 Dr. Paul Langerhans: Ueber die Haut der Larve von Sal. mac. konnte, stimmen andererseits die feineren Verhältnisse der Zellen des Hügels vollkommen mit dem überein, was er in derselben Arbeit über die Seitenorgane junger Fische und des erwachsenen Kaulbarsches angiebt. Als Differenzen wären höchstens die minder energische Vorliebe der Sinneszellen für die Osmiumsäure, die Eigenthümlich- keit der Structur ihres peripheren Abschnittes, sowie die allmählige Verschmälerung gegen das Haar hervorzuheben. In einem Punkte aber bin ich nicht so weit gekommen, wie F. E. Schulze beim Kaulbarsch: nämlich im Nachweis des Nervenzusammenhanges. Die differenten Angaben Leydig’s erklären sich aber zum Theil aus den von ihm angewandten Methoden: denn es kann leicht sich ereignen, dass die peripheren hinfälligen Theile der Sinneszellen zerstört werden und dann vom ganzen Organ wesentlich die re- sistenteren Kerne mit ihrer nächsten Umgebung als Rundzellen in die Augen fallen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. Alle Präparate frisch in 1; procentiger Osmiumsäure. Fig. 1. Schaltzellen in der oberen Epidermislage von oben gesehen 450 : 1. Fig. 2. Dieselben von der Seite, 1000 :1. Fig. 3. Vertheilung der Schleimzellen in der tiefern Epidermislage 300: 1. Fig. 4. Membranfetzen einer Schleimzelle 1000 :1. Fig. 5. Isolirte Schleimzelle, genaue Einstellung auf die Mitte der Zelle. Man sieht den Kern, Inhalt und optischen Durchschnitt der Mem- bran 1000 :1. 2 Fig. 6. Eine andere Epithelzelle der tieferen Schicht. Fig. 7. Seitenorgan von oben gesehen. Man erkennt das Aufhören des Pigmentes, die Böschung des Cuticularsaumes und die feine Längs- spalte mit den optischen Durchschnitten der Sinneshaare 1000 : 1. ie. 8 Ein ganzes Seitenorgan isolirt, 450:1, a. deckende, gewöhnliche Epithelzellen, b. untere Zellenreihe,, gebildet von den blossen Cylinder- epithelien, e. obere Zellenreihe, Sinneszellen mit Haaren. Fig. 9. Eine Gruppe von deckenden Cylinderepithelien des Seitenorganes, leicht pigmentirt 550 : 1. Fig. 10. Dasselbe; bei a. eine Zelle in der Seitenlage, stärker pigmentirt. Fig. 11. Isolirte Sinneszelle 1000: 1 mit Eimer‘'scher Körnchenkugel. Fig. 12 u. 13. Sinneszelle in Anlagerung an deckende Cylinderzellen1100 :1. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. Neue Beiträge von Dr. Franz Leydig in Tübingen. Erster Artikel: Die Haut einheimischer Ophidier. Hierzu Tafel XXXII. Das in gegenwärtigen Blättern Enthaltene hat sich aus Unter- suchungen ergeben, welche ich anstellte,e um die Arten der in Deutschland lebenden Schlangen genauer kennen zu lernen. Hierbei ka:n bald zum Vorschein, dass die feinere Beschaffenheit der Haut, besonders der nach aussen gekehrten Fläche, für die Bestimmung der Species werthvolle Hilfsmittel an die Hand reicht, welche mei- nes Wissens bis jetzt noch nicht benutzt worden sind; trotzdem, dass die Systematiker seit Linn& gerade von den äusseren Be- deckungen wichtige Merkmale zur Abgrenzung der Gattungen und Arten hernehmen. Schon der sorgfältige Oppel') hat, als er die Materialien zu seinem systematischen Werk über die Reptilien sam- melte und sehr viele Schlangenarten prüfend durch die Hände gehen liess, hervorgehoben, dass die Schuppen „bis aufs kleinste Eckchen“ beständige Formverschiedenheiten in den einzelnen Arten, mögen die Individuen jung oder ganz ausgewachsen sein, Zeigen. Man wird durch das Folgende sehen, dass die Speciesverschiedenheit sich noch in feineren Verhältnissen der Schuppen bleibend ausprägt. Aber 1) Die Ordnungen, Familien und Gattungen der Reptilien. München 1811. M, Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 9. 49 754 Dr. Fr. Leydig: auch im übrigen Bau der äusseren Bedeckungen bot sich gar man- ches Bemerkenswerthe dar, dessen Veröffentlichung jene Zoologen, welchen es um eine mehr allseitige Kenntniss eines Thieres zu thun ist, vielleicht willkommen heissen. Ich behandle die einzelnen Lagen der Haut in der Reihe, wie sie von aussen nach innen auf einander folgen, mit gelegentlichem Abbiegen auf einschlägige morphologische und physiologische Fra- gen; dann soll ein geschichtlicher Abriss den Stand der Kenntnisse und der Arbeiten der Vorgänger übersichtlich beleuchten; endlich zum Schluss und wie anhangsweise gebe ich Mittheilungen über das „Horn“ der Sandviper. I. Cutieula. 1. Streifige Sculptur und ihre Abänderung. Ein homogenes Oberhäutchen, Abscheidungsproduet oder verdickte Zellenmembran der äussersten Epidermislage, ist bei allen unseren Schlangenarten leicht und sicher nachzuweisen, wie ich denn diese Cutieularschicht bereits von der Haut der glatten Natter, Coronella laevis, sowie von Trigonocephalus puniceus aus den Kopf- gruben besprochen und dargestellt habe '). Sehon die Thatsache vom Vorhandensein einer homogenen Haut, welche die Grenze des Körpers nach aussen zieht, verdient Beach- tung,. da den früheren Untersuchungen zu Folge zwar die Wirbel- losen sich sehr allgemein und oftmals von mächtig entwickelten Cu- tieularschichten umrissen zeigen, bei den Wirbelthieren aber, mit geringer Ausnahme, die Zellen der Epidermis allein die Grenze des Körpers zu bilden schienen. Dann aber erregt unser weiteres Interesse die Beschaffenheit der freien Fläche der Cuticula, indem sie keineswegs wie Andere sagen „spiegelglatt“ ist, im Gegentheil eine Sculptur erkennen lässt, welche bei sämmtlichen einheimischen Arten ein eigenartiges Gepräge darbietet und es kann daher die Kenntniss dieser Relief- formen zur Abgrenzung der Species wesentlich mitbenützt werden. Im Allgemeinen besteht die Sculptur aus einem feinen Leistenwerk mit Haupt- und Nebenzügen; im Einzelnen aber treten typische 1) Nov. act. acad. Leop. Carol. Tom. XXXIV, z.B. p. 9. Taf. IV, Fig. 32. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 755 Verschiedenheiten auf. Einmal mit dem Gegenstand vertraut, fühlt man sich im Stande ein einzelnes unter dem Mikroskop aufgestelltes Stück Cuticula von den Rückenschuppen des Tropidonotus natrix und Tr. tessellatus, von Coluber flavescens und C. viridiflavus, von Coluber laevis, von Vipera berus und Vipera ammodytes mit Sicher- heit und vergleichungsweise zu unterscheiden. Ich lege von allen eben namhaft gemachten Arten möglichst genaue Abbildungen vor und ein Blick auf dieselben wird genügen, um uns aufzufordern, von jetzt an auch bei anderen „Arten“ der Schlangen die Beschaffenheit der Sculptur der Cuticula mit in Prü- fung und Erwägung zu ziehen. Zur Erläuterung der Figuren sei übrigens noch folgendes be- merkt: Bei Tropidonotus natrix'!) sind die Längsleisten scharf und verlaufen im Allgemeinen der Bezeichnung entsprechend, aber nicht ununterbrochen von einem Ende der Schuppe zum andern, auch nicht streng parallel: sie sind vielmehr unterbrochen, ver- jüngen sich, theilen sich. Ihr Seitenrand ist gezackt und die Zacken- linien verbinden sich zu bogigen Querzügen, die wieder fein’ zackig werden; letzteres namentlich gegen den freien Schuppenrand zu. — Im Uebrigen sind die Rückenschuppen verhältnissmässig schmal, länglich und mit einer mittleren Längserhabenheit oder Kiel ver- sehen; dieser ist von gleicher Farbe wie die übrige Schuppe. Bei Tropidonotustessellatus?) erscheint die ganze Sculp- tur vor Allem um vieles härter und erhabenliniger, so dass die bei Tropidonotus natrix kaum angedeutete Verbindung der Hauptleisten hier sehr markirt wird, ebenso die Verbindung der Nebenleisten : die ganze Sculptur erhält ein entschieden gitteriges Aussehen von scharfer Begrenzung. — Sonst sind die Rückenschuppen schmäler und noch länglicher als bei vorhergehender Art; die mittlere Erhabenheit oder der Kiel ist nicht nur vorhanden, sondern auch schärfer als bei Tr. natrix, und erstreckt sich am Schwanz nach hinten weiter als bei der vorhergehenden Art; auch die letzte Reihe der Seitenschuppen kann noch Spuren haben. Der Kiel hebt sich durch bräunlich gelbe Farbe von dem Grau der Schuppen ab. Während Tr. natrix und Tr. tessellatus bei aller Verschiedenheit 1) Fig. 9, Fig. 18. 2) Fig. 10, Fig. 19. 756 Dr. Fr. Leydig: der Sculptur doch sich verwandter zeigen, entfernt sich hierin Co- luber flaves;cens!) von beiden Arten in auffälligster Weise. Die Hauptleisten stehen äusserst dicht, so dass die Schuppe fein längs- streifig sich ausnimmt; dabei sind die Streifen scharf gehalten, wenn auch nicht in dem Grade wie bei Tropidonotus tessellatus. Zwischen ihnen sind feine und dichte Querlinien zugegen: das Bild erinnert ungefähr an die Zeichnung, welche quergestreifte Muskel- substanz darbietet. — Form der Rückenschuppe breitlich; allgemein gewölbt, aber ohne Kiel. Leider ein anderes Bild gewährt Coluber viridiflavus). Die Wängsstreifen stehen weit auseinander, sind an sich breit und etwas blass, ihr Rand feinfransig. Auch die Flächen zwischen den Leisten sind durch dichte schräge Strichelchen ausgezeichnet. — Form der Rückenschuppen länglich, glatt, ohne Mulde und Er- höhung. Die schwarze Form des Coluber viridiflavus, bekannt unter dem Namen C. carbonarius°), beurkundet auch in der Sculptur der Rückenschuppen ihre nächste Verwandtschaft zu C. viridiflavus, ohne jedoch völlig mit letzterem übereinzustimmen. Die Längsleisten stehen «etwas dichter, sind noch blasser, und da auch die von den Längsleisten abgehenden kurzen Seitenfransen sehr blass sind, so verschwinden jene in den Zwischenräumen befindlichen bei flüch- tigerem Ansehen fast völlig. — Form der Rückenschuppen sonst länglich mit mittlerer flacher Eintiefung *), im Gegensatz zu einem Kiel. Dabei sind sie schmäler als bei viridiflavus und flavescens und haben selbst im Epidermisüberzug mehr dunkles Pigment als alle anderen Arten. Der freie Saum (Hornschuppen) kürzer als bei den übrigen. Bei Coronella laevis?°) erscheinen die Hauptleisten sehr blass und zart, stehen weit auseinander, gabeln sich übrigens da und dort; zwischen ihnen erscheint eine feine Längsstrichelung; die einzelnen Strichelchen sind kurz und so zart, dass nur derjenige sie wahr- nehmen wird, dessen Auge die Sculpturen der anderen Art zur 1) Fig. 13, Fig. 22. 2) Fig. 20, Fig. 11. 3) Fig. 12, Fig. 21. 4) Ich bin nicht ganz sicher darüber, ob die obige muldenförmige Ein- tiefung, die ich auch bei €. laevis beobachtet habe, nicht blose Leichen- erscheinung ist. 5) Fig. 14, Fig. 23. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 757 Vergleichung heranzieht. Der Name laevis passt für unsere Natter gut, auch in Anbetracht der so wenig hervortretenden Reliefbildung der Schuppen. — Form der Rückenschuppen breit, kurz, glatt. Recht eigenartig gestaltet sich die Sculptur bei Vipera berust). Die Leistehen verbinden sich hier so dicht netzförmig, dass man auch sagen könnte, die Oberfläche der Schuppe sei in dichtester Weise mit länglichen Ausschürfungen überzogen, zwischen ‘denen Raine oder Leisten bleiben. Dabei ist die ganze Bildung von zartem Wesen. Die schwarze Abart, Vipera prester, bietet die gleiche Sceulptur dar. — Sonst sind die Rückenschuppen länglich, gekielt, der hintere freie Rand steht weiter hervor als bei den giftlosen, wovon das .bekannte mehr ruppige Aussehen des ganzen Thieres rührt. Bei V. prester liegt sehr viel Pigment in der Hornschuppe, ähnlich wie bei C. carbonarius. Die beiden anderen von mir untersuchten europäischen Vipern, Vipera aspis?) und Vipera ammodytes?), zeigen eine unter sich verwandte, aber bedeutend von jener der Vipera berus ab- weichende Sculptur, was die Ansicht jener Zoologen unterstützen könnte, welche die deutsche Viper als besondere Gattung, Pelias, von den südlichen Arten Vipera aspis und Vipera ammodytes ab- grenzen wollen. Bekanntlich stehen sich auch, in der Schnauzen- bildung und der Beschuppung des Kopfes Vipera aspis und Vipera ammodytes einander näher als der Vipera berus. Auf den Rücken- schuppen der Vipera aspis treten wieder die Hauptleisten, meist schwach bogig verlaufend, scharf hervor; von ihnen weg gehen Zacken ab, zum Theil zu Nebenleisten sich ausziehend, welche sich dann so verbinden, dass in den Räumen zwischen den Leisten eine zellige Zeichnung zu Stande kommt). Noch schärfer und ausge- prägter sind diese Verhältnisse bei Vipera ammodytes, insbesondere tritt eine streckenweise Verdickung der Längsleisten sehr deutlich hervor, während sie beiderends sich zuspitzen; dazwischen verbreitet sich ein scharf gezogenes, übrigens ziemlich unregelmässiges Ma- schennetz. Ganz besonders harte Linien nimmt‘ die Sculptur am Schwanzstachel an. Auch bei den beiden besagten Arten von 2) Fig. 16, Fig. 25. 3) Fig. 17, Fig. 26. 4) Fig. 25. 758 Dr. Fr. Leydig: Vipera stehen die Schuppen mehr von der Haut ab, als bei den ungiftigen Arten und verleihen dadurch dem Thier ein rauheres, ruppiges Aussehen. Zu der Sculptur der Schuppen im Allgemeinen ist auch der Kiel zu rechnen, der den eigentlichen Rückenschuppen zukommt und sich an jenen Schuppen der Seiten verliert, welche allmählich den Bauchschuppen sich nähern. Auch am Rücken des Schwanzes geht er ein, wenn die dortigen Schuppen ihren Charakter ändern. Da der Kiel schon für’s freie Auge, besser für die Lupe wahrnehm- bar ist, und seine Bedeutung für die systematischen Aufstellungen längst erkannt wurde, so geschieht seiner auch allerorts Erwähnung. Er fehlt bei Coronella laevis und Coluber viridiflavus, erscheint an den Schuppen der Coluber flavescens blos auf der hinteren Körper- hälfte und auch dort nur schwach. Er findet sich hingegen bei Tropidonotus natrix und schärfer noch bei Tr. tessellatus; sehr markirt ist er bei den Vipern und hier bei V. aspis mehr als bei V. berus, ebenso ist er bei V. ammodytes hoch und schmal. Den Kiel möchte man, der ersten Besichtigung nach, als den ersten unter seines Gleichen, d. n. unter den beschriebenen Längsleisten ansprechen. Doch steht dieser Auffassung im Wege, dass wie der Querschnitt !) durch die Haut lehrt, derselbe schon im Corium vor- gebildet ist; dann auch, dass bei Vipera berus die vorhin erwähnte Seulptur sich über den Kiel erstreckt, während er mir allerdings bei den obigen giftlosen Schlangen glatt zu sein schien. Selbst die Kopfschilder, deren Oberfläche doch so blank für’s freie Auge sich ausnimmt, zeigen unter dem Mikroskop eine Sculp- tur, welche man im Allgemeinen eine gitterige oder kleinschuppige nennen könnte, wobei die Einzelschuppen wieder so geordnet sind, dass Systeme von Längsstreifen unterschieden werden können. Diese Reliefbildungen treten, wie man erwarten darf, an jenen Arten am merklichsten hervor, deren Rückenschuppen sich auch durch schär- fere Sculpturlinien auszeichnen, so z. B. an Tropidonotus tessel- latus; doch lässt sie sich auch bei den anderen obigen Thieren, selbst bei Coronella laevis, nicht übersehen. Endlich haben die Bauchschienen nicht minder ihre Sculp- turlinien, und zwar sehr feine, nur bei starker Vergrösserung sicht- bare Längsleisten, welche so nahe stehen, dass die Oberfläche dicht 1) Vergl. Fig. 3. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 759 längsstreifig aussieht. Fasst man die Leisten noch genauer in’s Auge, so zeigt sich, dass da und dort schräge Verbindungen zu- gegen sind, somit das Gänze doch unter das Bild von langgezoge- nen, zusammengeschobenen Netzen gebracht werden kann und dar- nach als Abänderung der Relieflinien der Rückenfläche zu gelten hat. Gegen den Rand der Schienen setzt sich dies System von Längs- linien (oder Maschen) in die zellige oder schuppige Sculptur um, wie sie auf gewissen Körperstellen der Arthropoden, Daphniden z. B., so gewöhnlich ist. — Das Vorbemerkte bezieht sich auf Tropido- notus natrix und Tr. tessellatus, sowie auf Vipera ammodytes, welche Arten allein ich bisher bezüglich der Sculptur der Bauch- schienen untersucht habe. Aus den obigen Darlegungen ergiebt sich, dass die freie Fläche aller Schilder, Schuppen und Schienen des Körpers unserer Schlan- gen durch die Cuticula ein Leistenwerk entwickelt, dessen Haupt- linien sämmtlich nach der Länge des Körpers ziehen, dabei sich aber durch Seitenleisten so verbinden können, dass eine längsma- schige oder zellige Zeichnung in verschiedenem Ausdrucke zu Stande kommt; da und dort treten innerhalb derselben noch feinere Leist- chen auf, oder der Rand der Maschen wird zackig; am frei vor- springenden Rand der Schuppen und Schienen erheben sich gerne an ein Ziegeldach erinnernde Erhöhungen. Wenn vorhin gesagt wurde, die Hauptlinien hielten die Längsrichtung ein, so bedarf es doch noch des Zusatzes, dass dieses zum Theil in Bogenlinien ge- schieht, welche auf gewisse Mittelpunkte hinweisen. Für den, welcher zum erstenmal das hier Besprochene nach- untersucht, und sich nicht gleich zurechtfinden sollte, mag bemerkt sein, dass die Sculpturlinien, auch die allerfeinsten und desshalb schwerer wahrnehmbaren, sehr scharf und bestimmt auftreten an jenen Präparaten, über welche sich eine Luftschicht oder plattge- drückte Luftblase ausbreitet. Es ist bekanntlich etwas Gesetzliches, dass die vor der Retina des Auges liegenden Theile, um das einfallende Licht nicht zu be- hindern, möglichst hell und durchsichtig sind. Und so finde ich denn auch bezüglich der das Auge überziehenden Cuticula, dass die Seulpturlinien selbst bei solchen Arten, wo sie auf der übrigen Haut einen sehr scharfen Charakter tragen, bei Vipera ammodytes z. B., zu einer äusserst feinen Längslinirung sich abdämpfen. Am Rande der halbkugeligen Augenkapsel beginnt und zwar ebenfalls in 760 Dr. Fr. Leydie: sachtesten Anfängen die zweite gleich nachher zu berührende höckerige Sculptur. Auch bei Tropidonotus tessellatus gehen die sonst so har- ten Streifen in sehr blasse gezogenzellige und kreisförmig verlaufende Linien über. Am pigmentirten Rande hebt die höckerige Sculp- tur an. 2. Gewisse Farben abhängig von den streifigen Seulpturen. Ueber die Haut der einheimischen Schlangenarten spielt ein eigenthümlicher Schiller hin, der bei guter Beleuchtung an be- stimmten Körperstellen mehr oder weniger auffällt: bei Coronella laevis z. B. ist es eine schöne, bläulich irisirende Färbung. Es un- terliegt keinem Zweifel, dass dieses Farbenspiel als Interferenz- erscheinung durch das System der femeren Cuticularleisten bewirkt wird. G. v. Martens in seinem Berichte über die Menagerien in Stuttgart !) erzählt, wie ıhm eines Tags klar geworden sei, warum die ächte Boa constrietor aus Brasilien den Namen „Brillantschlange“ führe. Zufällig nämlich von der Sonne beschienen, schillerten Rücken und Seiten mit lebhaftem metallischen Glanz in allen Farben des Regenbogens, wie der Hals einer dunkeln Taube oder ein schöner Labradorstein. Diese Mittheilungen des genannten Naturforschers dürfen uns wohl neugierig machen, welche Reliefbildungen die Cu- ticula der Boa constrietor besitzt. — Noch mag an die Anneliden als an ein hieher gehöriges Beispiel erinnert werden, wo ebenfalls ein lebhaftes Irisiren durch eine ähnliche Sculptur des Oberhäutchens hervorgerufen wird. 3. Höckerige Sculptur. Es ist ein weiterer sehr beachtenswerther Punkt, dass die Cuti- cula, welche die Hautflächen zwischen den sich erhebenden Schildern, Schuppen und Schienen überzieht, also jene Stellen, welche für gewöhnlich die bedeckten sind, bei keiner Art die im Vorhergehen- den besprochene, kurz ausgedrückt streifige Sculptur besitzt, sondern eine davon verschiedene, eine rundlich höckerige ?). Man hat es mit der gleichen Höckerbildung zu thun, welche ich gelegentlich der 1) Württembergische naturwiss. Jahreshefte, 1851, S. 9. 2) Fig. 4, vergl. auch Fig. 3 und Fig. 5. Ueber die äusseren Bedeekungen der Reptilien und Amphibien. 761 Kopfgruben der Giftschlangen und vom Wassermolch an einem an- deren Orte!) bereits erwähnt habe. Ihre Entstehung ist hier wie dort leicht zu verfolgen. Der Cutieularhöcker erweist sich als Abscheidungsproduct einer darunter liegenden Warze der Epidermis, welche aus einer bis vier Zellen bestehen kann, wie ich das besonders an Vipera berus näher in’s Auge gefasst habe. In der Form und Grösse der Höcker kommen vielleicht auch an gewissen Körperstellen Unterschiede nach den Species vor. Bezüglich der Vipera ammodytes habe ich mir wenig- stens ausdrücklich angemerkt, dass hier die Höcker grösser seien als bei Tropidonotus natrix. 4. Entwicklung der streifigen Sculptur. Wenn wir auf das Zustandekommen der anderen Sculpturlinien achten, so ist es auch hier die einzelne Epidermiszelle, an welcher die Zacken und Leisten vorgebildet erscheinen. So habe ich nament- lich bei einem Exemplar von Tropidonotus tessellatus, welches län- gere Zeit in sehr schwachem Weingeist aufbewahrt gewesen und dadurch einigermaassen im Zerfall begriffen war, beobachten können, dass an den Bauchschienen die obersten Epidermiszellen sich in feine Leisten erheben, welche in der Seitenansicht wie Borsten oder starre Cilien sich ausnehmen und so als Grundlage für die abzuscheidenden cuticularen Leisten dienen. 5. Sculptur unserer Saurier. Der Cuticula der Blindschleiche, Anguis fragilis, und ihrer Sculptur habe ich in Näherem schon früher ?) gedacht. Auch bei diesem Thiere besteht sie aus feinen, dichten Längslinien mit Quer- leistchen, so dass nach den verschiedenen Köpergegenden eine bald mehr wellige, bald dachziegelige oder querschuppige Zeichnung zu Stande kommt. Bezüglich der Haut unserer Eidechsen habe ich in meiner Schrift über die deutschen Arten die Cuticula ebenfalls erwähnt und ihrer welligen Sculptur gedacht. Wenn dort gesagt wird, die Linien wiederholten die Contouren der darunter liegenden Zellen, so passt dies nur, ähnlich wie bei den Schlangen, auf gewisse, namentlich die 1) Organe eines sechsten Sinnes. Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. 2) Ebendaselbst S. 68. 762 Dr. Fr. Leydig: Randstellen der Rückenschuppen; im Grossen und Ganzen folgen die Wellenlinien einer selbstständigen Zeichnung. An den Kopf- schildern erinnert das Leistenwerk, dessen Linien äusserst gedrängt stehen, in den Hauptzügen des Verlaufes an die Wirbel der Haar- stellungen bei Säugethieren. An den Rückenschuppen der Lacerta agilis ziehen die Linien der schuppig welligen Sculptur derart, dass sie den Umriss der Schuppe wiederholend, den Kiel wie umkreisen. Die Fläche der Haut zwischen den „Schuppen“ zeigt eine zellig- höckerige Sculptur. Vergleiche ich damit entsprechende Schuppen von Lacerta viridis, sowie von L. muralis und L. vivipara, so kehrt im Allgemeinen immer dasselbe System von Linien wieder ohne ähnliche starke Verschiedenheiten zu zeigen, wie sie bei den Species der Schlangen auftreten. Immerhin scheint es mir — ich habe den Gegenstand nicht lange genug geprüft — als ob kleine Besonder- heiten auch hier zugegen wären, insbesondere als ob die Streifen- systeme bei L. viridis und L. agilis bedeutend feiner wären als bei L. muralis und L. vivipara. An ganz jungen Thierchen der L. agilis (L. argus) lässt sich wieder wahrnehmen, wie die Oberfläche der einzelnen Epidermis- zelle sich in quere Leistchen erhebt, die alsdann von Zelle zu Zelle aufeinander treffend, die Cuticula abscheiden und die späteren Wellenlinien erzeugen. 6. Bedeutung der Sculptur für die Systematik. Alle diese Befunde über die Ausbildung und typische Mannig- faltigkeit der Sculptur auf der äusseren Haut der Schlangen kön- nen ein allgemeineres Interesse desshalb beanspruchen, weil es doch eine sehr merkwürdige Sache ist, wie in den Keliefformen der Outi- cularbildungen specifische Unterschiede da und dort sich kundgeben, wo oftmals die „Species“ nach den übrigen Merkmalen weniger scharf ausgeprägt ist. In der Entomologie weiss man bekanntlich seit Langem, wie wichtig die Sculpturen des Hautpanzers für die Aufstellung der Arten sind; die Erfahrung zeigt dort, dass oftmals fast nur die Aussenfläche des Körpers in der Form und Bildung der Leisten, Höcker, Grübchen und dergleichen den Stempel der Besonderheit an sich trägt. Es liesse sich weiter erinnern an die Zahnbildungen auf der Schneckenzunge, ferner an die Cuticula der Begattungsorgane der Eidechsen. Nicht anders ist es mit dem Oberhäutchen der Schlangen und Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 763 wohl auch noch von manchen anderen Gruppen der Reptilien. Während aber bei den Arthropoden die Reliefbildungen der Guti- cula, wohl im Einklang mit der Stärke der letzteren, häufig so derber Natur sind, dass zur Betrachtung, wenigstens der gröberen Verhältnisse, eine gute Lupe hinreicht, so sind die Sculpturen der Schlangen derartig zart, dass eine starke Vergrösserung durchaus erfordert wird. Und dies mag wohl der Grund sein, warum der systematische Zoologe bisher die ihm so bedeutsamen Bildungen ausser Acht gelassen hat. 7. Einfluss der Cuticula auf die Häutung. Das Vorhandensein einer homogenen die Epidermis überziehen- den, und man könnte sagen, zusammenhaltenden Lage liefert vielleicht auch den Grund, warum die Häutung der Reptilien und Amphibien in ähnlicher Art verläuft wie bei Arthropoden, bei welchen die Cutieula der Haut eine ungleich grössere Rolle spielt. Es ist eine bekannte Sache, dass zu gewissen Zeiten des Jahres die Haut der Frösche, Kröten und Salamander in grossen Lappen abfällt, ja wenn das Thier während dieser Abstossung der Oberhaut recht unbehelligt war, so streift es die Theile derart als ein Ganzes ab, dass es, durch einen Schlitz aus der Haut herausschlüpfend, diese wie ein abgelegtes, umgestülptes Kleidungsstück zurücklässt. An den im Zimmer gehaltenen Wassersalamandern lässt sich dies leicht beobachten. Bei den Eidechsen geschieht die Häutung wie es scheint gewöhnlich in Lappen, obschon auch hier zuerst ein grosser Schlitz sich bildet, wie bei den Wassermolchen, und viel- leicht sind es nur die lebhaften unruhigen Bewegungen der Thiere, sowie das rasche Austrocknen der sich schälenden Haut, wodurch ein Abstreifen im Ganzen verhindert oder seltener wird. Häufig tritt letzteres hingegen bei Schlangen ein und"selbst Thiere in der Gefangenschaft, wenn sie nur einigermaassen passend gehalten werden, streifen ein vollständiges ‚Natternhemd‘ mehrmals im Jahre ab!). 1) Gerade der Umstand, dass bei den Schlangen in so deutlicher Weise die Oberhaut als Ganzes abgelegt wird, mag von jeher die Aufmerksam- keit darauf gelenkt haben. Das Alterthum sah darin eine Verjüngung: „senectam exuere“, welcher Ausdruck geblieben ist, und z. B. in Linne’s Systema naturae da, wo die Charaktere aufgezählt werden, ebenfalls angewen- 764 Dr. Fr. Leydig: Betrachtet man nun die abgestossene Haut der Schlangen, so kann man den Eindruck empfangen als ob, wie es ander abge- stossenen Haut bei den Arthropoden in der That der Fall ist, nur die homogene CGuticula das ‚Natternhemd“ bilde; allein die nähere Untersuchung zeigt bald, dass ähnlich wie bei den Batrachiern mehrere Zellenlagen zugleich abgeworfen wurden. Durch Behandlung mit Kalilauge erblicken wir nicht bloss die Cuticula, welche eine zellige Zeichnung an der Unterfläche, als Ausdruck ihres Entstehungsortes, an sich haben kann, sondern auch mehrere Zellenschichten der Epidermis selber, von denen die älteren kernlose Plättchen dar- stellen, während die jüngeren theilweise noch mit ihren Kernen versehen sind. Auch Zellen mit etwas Pigment können unter den abgestossenen sein. I. Zellige Oberhaut, Epidermis. 1. Bau im Allgemeinen. Es sondert sich die Oberhaut wie bei allen Wirbelthieren in eine untere oder weichere Lage und in die obere härtere. Die zelligen Elemente sind in den oberen Schichten, namentlich wenn es gegen die Häutung zugeht, bis zu einem Grade abgeplattet, er- härtet und seitlich zusammengeklebt, dass man auf dem senkrechten Schnitt homogene Lagen mit Schichtungsstreifen vor sich zu haben glaubt. Durch dunkelkörnige Pigmentzellen,, welche zwischen die sewöhnlichen Elemente eingestreut sind, erscheint die Epidermis entweder nur getüpfelt (Tropidonotus natrix z. B.), oder bei grosser Menge von gleichmässig schwärzlichem Ton (Coluber viridiflavus). Eigenthümlich ist eine Art Fettinhalt in den Zellen, auf welchen ich schon früher von Coronella laevis aufmerksam gemacht habe). Da auch in der Epidermis der Blindschleiche das Gleiche wiederkehrt, und selbst unter der Cuticula der Kopfplatten von det wird. In der Schrift Luigi Metaxa’s: Monografia de’ Serpe di Roma e suoi contorni, Roma 1823, dessen Verfasser, wie man bemerkt, mit den Dichtern der Alten wohl vertraut ist, wird die Häutung der Schlangen im „Articolo II, Quando e come si spogliano i serpi“ in anziehender Weise besprochen. — Die genauesten Beobachtungen über die Frage, wie oft Schlangen in der Gefangenschaft ihre Haut wechseln, haben Bibron und Dumeril angestellt. Siehe Erpetologie general. Tom. VI, 1844 p. 109. 1) Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 81, Fig. 23, Fig. 24. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 765 Lacerta agilis eine entsprechende Lage mir begegnet ist, so handelt es sich hiebei wohl um einen den Reptilien gemeinsameren Zug in der Beschaffenheit der Epidermis. Dieser körnige oder bröckelige Inhalt der Zellen erscheint entweder mehr von der Beschattung des Fettes, oder es haben die Klümpchen ein nur mattglänzendes Aussehen. Da sie sich auch, wie ich anderwärts angezeigt, eigenthümlich gegen gewisse Reagentien verhalten, und auch noch sonst manches Besondere darbieten, so darf es als wünschenswerth be- zeichnet werden, wenn sie zum Gegenstande einer eigenen Unter- suchung gemacht würden. Es will mir vorkommen, als ob diese fettige Zellenschicht sich an dem Abstossen der Haut in einer gewissen Weise betheiligt. Schon ein andermal') habe ich gelegentlich erwähnt, dass eine eigen- thümliche Krankheit, welche bei der Blindschleiche die Epidermis befällt, auf Wucherung dieser Schicht beruhen möge; die Thiere entledigen sich alsdann der Oberhaut schwer, gehen auch wohl ohne sich von derselben befreien zu können zu Grunde. Dann treffe ich ferner bei den Schlangen unter der Cuticula auf besondere Körper), weiche ich ebenfalls mit dem Vorgang der Häutung in Beziehung zu bringen geneigt wäre. Bei Vipera ammodytes nämlich waren an bezeichnetem Orte Gebilde zugegen, welche zwar als verschieden von gewöhnlichen Epidermisplättchen, sich auswiesen, aber doch die Tracht einer Zelle hesassen: sie waren rundlich, sehr verschieden gross, von weichem Wesen, und hatten annähernd die scharfrandige Beschattung einer fettigen Sub- stanz. Bei den kleineren unterschied man eine körnige Mitte und eine helle Ringzone, an den grösseren vermehrte sich die Zahl der Ringlagen. Ich habe diese Körper nicht minder an einer frisch eingefangenen Vipera berus var. prester gesehen und auch noch bei anderen Arten bemerkt; sie machen den Eindruck von geschichtetem amyloiden Stoffe und erinnern in Berücksichtigung des Ortes ihres Vor- kommens, so wie durch das Wechselnde in der Grösse, endlich durch die concentrischen Linien ihrer Substanz an die geschichteten Kalk- kugeln, welche an der Unterseite der Schuppen vieler Knochenfische sich finden®). Trotzdem dass ihr Aussehen in frischem Zustande 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872. 2) Fig 27, Fig. 5. 3) Vergl. meine Histologie $. 93. 766 Dr. Fr. Leydig: nieht für Zellen spricht, will ich immerhin nicht unerwähnt lassen, dass sie nach Einwirkung von Essigsäure doch wieder recht das Bild wirklicher Zellen geben, insofern man ein kernartiges Gebilde mit Kernkörperchen innerhalb eines Ballens feinkörniger Substanz unterscheidet. Dann will ich auch nicht verschweigen, dass es mir bei einer sich häutenden Coronella laevis geschienen hat, als ob jene Epidermiszellen, welche als Grundlage der Höcker- und Warzen- bildung zwischen den Schuppen dienen, sich zu solchen Körpern verändert hätten. Da ich diese Amyloidkörper mehrmals gerade an solchen Thieren zahlreicher wahrnahm, welche der Häutung nahe waren, so schien der Zweck derselben zu sein, das Abheben des Oberhäutchens zu bewirken oder zu fördern; allein ich traf sie keineswegs immer unter Umständen an, welche der Ansicht, dass sie ein mit ver- anlassendes Moment bei der Häutung seien, günstig waren. Ich habe mir auch wohl die Frage aufgeworfen, ob das Ganze nicht am Ende eher in das Gebiet pathologischer Vorgänge gehören möge. Jeden- falls ist sicher, dass bei den Schlangen, ebenso wie bei einem sich häutenden Arthropoden unter der alten abzuwerfenden Hautschicht schon eine neue, wenn auch weichere, immerhin bereits fertig ge- bildete ebensolche Lage wartet um ans Tageslicht zu treten. Demnach wird eine Häutung vor Allem dadurch eingeleitet, dass eine neue Cuticula sich schon zu der Zeit gebildet hat, wo noch die alte in Thätigkeit ist; aber das eigentliche Abgestossenwerden muss doch wohl schliesslich durch Abscheidung eines lösenden und wegdrängenden Stoffes bewirkt werden. Die Cuticula sammt ihrer zelligen Matrix erzeugt an den Schuppen und Schienen einen über die Lederhaut frei vorstehenden Saum, welcher dem freien Rand der Nägel, Krallen und ähnlichem zu vergleichen ist und als „Hornschuppe“ im engeren Sinn be- zeichnet werden könnte. 2. Becherförmige Sinnesorgane und ihre Verbreitung. In der Epidermis liegen von mir vor Längerem aufgefundene und näher beschriebene Sinnesorgane !), über deren feineren Bau 1) Organe eines sechsten Sinnes, $. 81. Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, 1868; zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen, Archiv f. mikrosk. Anatomie, 1872, S. 344. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 767 ich im Augenblicke nichts Neues beizufügen habe; wohl aber eine Bemerkung bezüglich ihrer Verbreitung über die Körperoberfläche, was uns wegen anderer nachher zur Sprache kommenden Bildungen von Bedeutung wird. Ich hatte früher bereits angegeben, dass die Organe an der äusseren Haut des Kopfes zahlreich stehen und zwar dicht gehäuft nur an den Lippenrändern, auf dem Schnauzenschild, auf den Nasal- platten; an den genannten Stellen verbreiten sie sich unregelmässig, an anderen Orten, z. B. auf dem Wirbelschild, halten sie bestimmte, wenn auch nicht allzu regelmässige Reihen ein. Wie weit sie über den übrigen Körper sich erstrecken, wusste ich dazumal nicht zu sagen: eine Anzahl Schuppen des Rückens und der Bauchschienen, die ich von Coronella laevis nahm, besassen sie jedenfalls nicht. Ich habe jetzt von neuem ein sehr wohl erhaltenes Exemplar von Coluber viridiflavus, var. carbonarius, genau auf die Frage: wie weit verbreiten sich die in Rede stehenden Sinnesbecher, unter- sucht und gefunden, dass die Organe auch bei dieser Art zunächst auf allen Kopfschildern in der vorhin erwähnten Weise zugegen sind; auf manchen Schildern, z. B. denjenigen der Wangengegend, waren’ sie in geringer Zahl, nur etwa zu fünf oder sechs vorhanden. Jenseits des Kopfes nun, in der Halsgegend, fangen sie an zu ver- schwinden: so besitzen die grösseren und kleineren Schuppen, welche von der Wangengegend aus die Hinterhauptsschilder umsäumen, alle noch die Sinnesbecher, erst auf denen der zweiten und dritten Reihe des Nackens verlieren sie sich. An ihre Stelle rücken die nachher zu besprechenden „hellen Flecke“, die auch schon einzeln auf einigen Kopfschildern zugleich mit den Becherorganen auftauchen. Bezüglich der Ringelnatter habe ich auch anzufügen, dass auf den Schildern und Schuppen der Kehlgegend sich unsere Organe noch, wenn auch schon sehr zerstreut, vorfinden. 3. Eine andre Form von Sinnesorganen. Der vorhin erwähnten eigenthümlichen „hellen Flecken‘ habe ich bereits in einem vor Kurzem veröffentlichten Aufsatz im Vorbei- gehen gedacht '); über ihren feineren Bau bin ich freilich auch jetzt kaum weiter gekommen, doch kann immerhin das Wenige, was 1) Zur Kenntniss der Sinnesorgane der FE IRERN Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 8. S. 343, Anmerkg. 2. 768 Dr. Fr. Leydig: ich zu berichten habe, vielleicht zum Anlass werden, dass andere Beobachter Geduld und Zeit dem Studium dieser Gebilde zu widmen sich entschliessen. Was die Vertheilung und das Vorkommen betrifft, so stehen die hellen Flecken immer nahe dem freien Rande der Rücken- schuppen. Bei Coronella laevis hebt sich entweder ein einziger Fleck ab, den allein ich früher bemerkte, oder es sind zwei vor- handen und dann dicht zusammengerückt; ich finde nicht, dass irgend eine Regel diese Vertheilung beherrscht, vielmehr stehen ein oder zwei Flecken in buntem Wechsel über die Haut hin. Alle Rückenschuppen sind mit den gedachten Punkten versehen, nur nicht mehr jene, welche an die Bauchschienen anstossen. Bei den übrigen deutschen Arten: Tropidonotus natrix !) und Tr. tessellatus ?), Coluber flavescens 3) und C. viridiflavus *), Vipera berus5) und V. ammodytes %) sieht man im Allgemeinen zwei derartige lichte Flecken. Coluber viridiflavus, var. carbonarius, allwo wegen des vielen Pigmentes die hellen Flecken ganz besonders scharf abstechen, lässt überdies auf vielen Schuppen — nicht allen — seitwärts und rückwärts noch einen dritten solchen Fleck erkennen ?). Bei Coluber fiavescens herrscht wie bei Coronella laevis ein ziemlicher Wechsel: auf vielen Schuppen stehen zwei solcher Organe, auf andern ein einziges. Bei den beiden genannten Giftschlangen ®) entfernen sich die zwei Flecken etwas mehr von der Spitze der Schuppe als bei den giftlosen ; bei Vipera ammodytes, wenigstens an dem von mir unter- suchten Exemplare, erschienen die Flecken, obschon bestimmt nach- weisbar, doch weniger deutlich ausgeprägt, als soiches bei den übrigen Arten der Fall war. 3ei jenen Species, deren Haut viel dunkles Pigment in sich schliesst, heben sich in Rede stehende Gebilde wie angedeutet als weisse, scharf umschriebene Punkte schon für die Lupe so gut ab, dass sie unmöglich übersehen werden konnten, wesshalb ihrer auch z. B. von Coluber viridiflavus dieser und jener Zoologe nebenbei als „zweier eingestochener Punkte“ gedenkt. Aus dem angegebenen Grund machen sie sich für die Lupe in der schwarzen Haut des Coluber carbonarius äusserst bemerklich. 1) Fig. 9. 2) Fig. 10. 3) Fig. 13. 4) Fig. 11. 5) Fig. 15. 6) Fig. 17. 7) Fig. 12. 8) Auch bei Vipera aspis sind sie in der Zweizahl vorhanden. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 769 Trotz oftmaligen Versuches das histologische Verhalten mir besser ins Klare zu bringen, habe ich bisher blos Folgendes fest- zustellen vermocht. 1) Die Cuticula der Epidermis verliert da, wo sie auf die Grenze der hellen Flecke trifft, die im Obigen erörterten Seulpturen, sie wird glatt und geht in dieser Weise über die Stelle weg !). 2) Die Substanz des Fleckes besteht aus einem rundlich um- schriebenen Haufen von Zellen, denen ich einstweilen nur so viel abgewinnen kann, dass sie lichter und zarter aus- sehen als die umgebenden gewöhnlichen Epidermiszellen ?). 3) Quer- und Längsschnitte durch den ganzen Schuppenkörper zeigen an, dass ein stärkerer Nerv die Richtung gegen die freie Spitze der Schuppe, somit gegen den oder die hellen Flecke nimmt °). Wenn ich schon nach diesem Wenigen eine Meinung abgeben sollte, in welche Gruppe von Organen die fraglichen Bildungen etwa zu bringen wären oder als was sie aufzufassen seien, so ginge sie dahin, dass ich sie für Abänderungen jener Sinnesbecher, welche am Kopf vorkommen, erklären möchte. Und hierbei stütze ich mich besonders auf den Umstand, dass bei der Blindschleiche, Anguis fragilis, die echten Sinnesbecher nicht blos am Kopf, sondern auf der Hautfläche des ganzen Körpers vorhanden sind: schon früher theilte ich mit, dass ‚‚fast auf jeder Schuppe sich einige solcher Organe bei diesem Thiere nachweisen lassen“, und jüngst machte ich noch besonders aufmerksam, dass man bei reifen Embryonen sich von dieser Verbreitung am leichtesten überzeugen könne. Wenn man nun bedenkt, dass anstatt dieser Organe an gleichem Platze die „hellen Flecken“ stehen, so wird es doch sehr wahrscheinlich, dass beide Bildungen unter einander in näherem Sinne verwandt sind und für einander eintreten können. III. Lederhaut, Corium. 1. Schuppen im Allgemeinen. Dass die Schuppen der Schlangen, gleich den „Hautkörnern“ und „Hautplatten‘“ der Saurier, als grosse niedergedrückte Papillen 1) Fig. 29. 2) Fig. 28, a. 3) Vergl. Fig 5. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9, 50 770 Dr. Fr. Leydig: der eigentlich recht dünnen Lederhaut anzusehen sind, braucht wohl kaum weiter begründet zu werden. Erwähnung verdient es vielleieht, dass diese schuppigen Auswüchse der Lederhaut nicht ursprünglich von eckiger Form sind, sondern eine länglich ovale Gestalt haben; die polygonale, ein riesiges Epithel im Umriss wiederholende, Beschaffenheit entsteht erst nachträglich durch die sich im Ganzen zusammenschiebende Haut. Befindet sich das Thier in gewöhnlicheren Zuständen, so scheinen am Rücken und insbesondere wenn der Leib eingefallen und mager geworden, bei allen Arten die Schuppen so dicht sich zu erheben, dass die eine die andere begrenzt und die hinteren Enden nach Art der Dachziegel sich decken; indessen ziehen schon z. B. in der Kehlgegend zwischen den Schuppen und Schildern glatte Raine hin, augenscheinlich berechnet für die grosse Ausdehnung, welche gerade diese Hautgegend beim Verschlingen der Beute erleidet. Bei trächtigen Thieren aber weichen am Rücken sowohl wie namentlich an den Seiten die Schuppen dergestalt auseinander, dass breite Raine von tiefschwarzer Färbung zwischen ihnen verlaufen. An einer frisch gefangenen Vipera berus, var. prester, zeigten sich diese Raine in zierlicher Weise büschelig quergefaltet; was eben Alles dahin zielen mag, die Ausdehnbarkeit der Haut zu vermehren !). 2. Bindegewebe. Zu wiederholten Malen wurde von mir darauf hingewiesen, dass man in der Lederhaut der Amphibien und Reptilien 2) zu unter- scheiden habe zwischen der Grund- oder Hauptmasse, welche 1) Ich habe an einem andern Orte (Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV) die Kalkschuppen des Scincus ocellatus genauer nach dem histo- logischen Verhalten besprochen und gezeichnet. Unterdessen bin ich mit einem Autor bekannt geworden, der diese Theile ebenfalls mikroskopisch untersucht hat: es ist de Natale in seiner Abhandlung Sullo seinco variegato (Acead. delle Se. di Torino, Ser, II, Tom. XII, 1853). Obschon die Punkte, welche ich im Auge hatte, ausser dem Gesichtskreis des italienischen Zoologen liegen, möchte ich doch auf die Arbeit nachträglich hinzuweisen hier nicht unterlassen. — Die Structur der Schuppen von Caecilia, welche eine andere Form von Kalkschuppen darstellen, habe ich im Einzelnen behandelt in meinem Aufsatz über die Schleichenlurche (Coeciliae), in d. Zeitsch. f. wiss. Zoologie, Bd. XVII. S. 287. 2) Ueber Organe e. sechsten Sinnes, Nov. act. acad. Leop. Carol. 1868, S. 28. — Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 5. Ueber die äusseren Bedekungen der Reptilien und Amphibien. 771 aus derben wagrechten Lagen bestehe, und den zwei Grenz- schichten; letztere seien weich, locker gewebt und setzten sich in charakteristischer Weise, mitten durch die wagrechten Lagen, mittelst senkrecht aufsteigender Züge in Verbindung, wobei sie auch feinere Fortsetzungen wagrecht zwischen die Lagen der derben Binde- substanz absenden. Bei den Schlangen !) kehren im Wesentlichen dieselben Ver- hältnisse wieder, und es heben sich abermals die beiderlei Sorten des Bindegewebes in sehr bestimmter Weise von einander ab. Wahrscheinlich ist auch, gleichwie ihre physiologische Leistung un- möglich ein und dieselbe sein kann, ihre Entwickelung nicht minder eine verschiedene. Den Stock ?) der Lederhaut bilden homogene, wagrecht ziehende Lagen; zwischen ihnen zeigen sich länglich eckige Lücken, die sog. Bindegewebskörper ; da wo die Haut sich zu den schuppigen Er- hebungen verdickt, durchflechten sich nach aufwärts die Lagen, unter Abnahme ihres Dickendurchmessers, so dass im Querschnitt die Begrenzung der Bündel eher das Bild netzförmiger elastischer Fasern giebt 3). Uebrigens unterscheidet man auch nach Aufhellung der Präparate, ausser diesen elastischen Grenzsäumen der Binde- substanzbündel, wirkliche elastische Fasern, welche jedoch durchaus von nur mässiger Dicke sind. Besonders reich an elastischen Ele- menten erweist sich die Haut der Kehlgegend (Vipera berus), wohl bedingt durch die hier nöthige grosse Dehnbarkeit der Haut beim Verschlingen der Beutestücke. Durch die derbe wagrecht streifige Bindesubstanz erhebt sich von unten her in Abständen ein lockeres weiches Bindegewebe '), welches oben angekommen, unterhalb der Epidermis zu einer Grenz- schicht zusammenfliesst, sowie es auch unterhalb der derben Lagen in ununterbrochener Ausdehnung sich verbreitet. Man hat wohl in der eben berührten Anordnung und Sonderung bindegewebig-häutiger Lagen einen weithin geltenden Zug in der Organisation höherer und niederer Thiere anzuerkennen. Ich ver- 1) Fig. 5, Fig. 3, Fig. 1. 2) Fig. 1, d. 3) Fig. 3, f. 4) Fig. 3, g. 772 Dr. Fr. Leydig: weise zur Bestätigung dieser Ansicht auf das,. was ich seiner Zeit über den Bau z. B. des Neurilemms von Hirudineen und Lum- brieinen !) gefunden habe. Das Neurilemm besteht bei den Egeln „aus einer derben Bindesubstanz, vom Habitus einer Cuticula. In ihr sieht man schmale beiderends sich verjüngende Streifen oder Spältchen, in denen ein Kern durch Essigsäure meist noch nach- weisbar ist; häufiger liegt in dem engen Raum eine Reihe kleiner Fettpünktchen. An Thieren, die einige Zeit in Essigsäure aufbe- wahrt wurden, erschienen die Spalträume in scharfe Längsstriche, von der Tracht elastischer Fasern, ausgezogen.‘ Da wegen ihrer geringen Dicke fragliche Haut wie homogen sich ausnehmen kann, so erwähnte ich auch bezüglich der Gattung Lumbrieus, dass „nach Reagentien längliche, spaltförmige, Kügelehen enthaltende Räume (Bindegewebskörper) in der anscheinend homogenen Haut zugegen seien.“ Aehnlich ist das Verhalten bei den Arthropoden ?). Die innere das Nervengewebe zunächst umgebende Scheide ist eine mehr oder minder derbe Haut, bei zarten kleinen Thieren oft nur eine elashelle Membran, in der nach Reagentien kaum Spuren von zel- ligen Elementen in Form kurzer Längsstriche erkannt werden können Dann aber wird sie dicker, derber, erscheint stark streifig, so dass man wirkliche Fasern zu sehen glaubt; nach Behandlung mit Reagentien hat man schmale Bindegewebskörperchen mit Kernen und eine homogene gestreifte Grundsubstanz zur Ansicht.“ Endlich die gleiche entsprechende Sonderung trifft man auch bei höheren Wirbelthieren, sobald Bindesubstanz die Rolle des Stützgewebes von Drüsen, Haarbälgen, Eifollikeln u. s. w. zu übernehmen hat. Und was nun ferner. alle Beachtung verdient: nur das lockere weiche Bindegewebe hat Beziehung zu den Blut- und Lymphbahnen, und ist Träger der Nerven und des Pigmentes. Für die Würm er ‘verweise ich auf meine früheren Angaben ?). Arthropoden mit selbständigen Blutgefässen, z. B. die höheren Krebse, verhalten sich nicht anders; sind im Körper Tracheen zugegen, wie bei den In- secten, so gehören sie zum lockeren Bindegewebe ebenso aus- schliesslich wie die Blutgefässe, und beide stehen zusammen wie Berg und Thal*) Bei Amphibien und Reptilien bietet sich das 1) Vom Bau des thierischen Körpers. Tübingen 1864, 5. 49. S. 151. 2) Ebendaselbst S. 214. 3) Vom Bau d. thierischen Körpers, z. B. S. 151. 4) Ebendaselbst S. 219. Ueber die äusseren Bedeekungen der Reptilien und Amphibien. 773 Gleiche dar: die grösseren Gefässstämme für die Haut liegen unterhalb derselben in den lockeren Schichten; zugleich mit den säulenartig aufsteigenden Zügen desselben durchsetzen sie die derben wagrechten Lagen und gelangen in die oberen lockeren Schichten, um hier die Cäpillarnetze zu entwickeln. Ich hebe dieses Alles aus dem Grunde hervor, weil es in be- stätigendem Zusammenhang zu dem steht, was ich seiner Zeit im Allgemeinen über diesen Gegenstand auszusagen in der Lage war '), und möchte noch auf Eines hindeuten. Die Intercellularsubstanz des Bindegewebes überhaupt wurde von mir schon dazumal nach ihrer Entstehung als eine cuticulare Zwischenmaterie aufgefasst; am Neurilemm der Arthropoden liess sich die zellige Matrix der ho- mogenen derben Lagen sehr bestimmt erkennen ?). Die von andern Forschern gemachten neueren Beobachtungen über die Entstehung des Knochengewebes, d. h. über die Beziehung der Zelle zur Inter- cellularsubstanz, dienen zur Bekräftigung des von mir nach dieser Seite hin längst Vorgebrachten. Hingegen mögen die Zellen, aus welchen das lockere Bindege- webe seinen Ursprung nimmt, noch andere Metamorphosen durch- machen als diejenigen sind, welche ich für die Entstehung der Blutcapillaren, sowie der capillaren Tracheen aufzeigte °); es kann gar wohl richtig sein, dass ein Theil der Zellen, wie spätere Beob- achter wollen, sich zu den faserigen Elementen umgestaltet. Erwähnung verdient auch, dass man an Durchschnitten der Haut, quer zur Längsachse des Thieres, auf einzelne querverlaufende festere Stränge stösst, die in grösseren Abständen stehen und sich sehr deutlich vom übrigen Bindegewebe abheben. Sie erinnern an das Bild, welches der. Durchschnitt einer Sehne gibt. Auch hierbei handelt es sich nach meinen sonstigen Erfahrungen um eine weiter verbreitete Bildung. So habe ich bei Eidechsen einen gleichen Strang gefunden ?), allwo er, wenn auch fester als das umliegende Bindegewebe, doch noch nicht chitinisirt oder verhornt ist. Ein * 1) Ebendaselbst S. 46. ff. 2) Ebendaselbst S. 215. 3) Ebendaselbst S. 51. 4) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 8. 112. 774 Dr. Fr. Leydig: solch weiterer Schritt zeigt sich aber in andern von mir beschriebenen Fällen: so habe ich diese Form des Bindegewebes beschrieben aus der Umgegend der Kloake bei Lacerta ocellata '), noch früher aus der Haut der Pachydermen ?), wie denn auch die sog. Hornfäden in den Flossen der Fische hierher gehören. 3. Pigment. Wie anderwärts bei den von mir bis jetzt untersuchten Amphi- bien und Reptilien, so liegt auch bei den Schlangen die Hauptmasse des Pigmentes?) in der Lederhaut und zwar in den lockeren Sehichten. Dabei ist das Pigment im Allgemeinen von doppelter Art: ein schwarzes in den tieferen Lagen des ‚Papillarkörpers‘“. und darüber weg ein weissgraues, nicht irisirendes, das z. B. bei Tropidonotus natrix dicht netzartig sich verbreitet und stellenweis nicht eigentlich körnig ist, sondern wie eine flüssig gewesene und jetzt erstarrte Masse sich ausnimmt. Ich habe an einem andern Orte *) mich bereits näher über die Pigmente der Lederhaut der Amphibien und Reptilien bezüglich ihrer Lage und Natur ausgesprochen und finde bei diesen meinen spätern Arbeiten nur Bestätigung des dort Bemerkten, insbesondere was die Beziehung des Pigmentes zu dem lockeren Bindegewebe be- trifft, an dessen Verbreitung es sich vor Allem hält. Wenn daher, wie esz.B. an Viperaammodytes der Fall ist, die Lederhaut sehr pigmentirt sich zeigt, entschieden mehr als bei der Ringelnatter, so zieht sich zunächst eine schwarze Zone unter dem derben Corium hin, dann davon weg schwarze senkrecht aufsteigende Züge, welche Querausläufer zwischen die Lagen der derben Binde- substanz schicken, endlich verbreitet sich eine schwarze Hauptzone oben im Schuppenkörper, wenn wir dieses Wort anstatt Papillar- körper brauchen wollen. Auch die Andeutungen, welche ich seiner Zeit über die chemische Beschaffenheit des weissen, aus Körnchen gebildeten und nicht me- tallisch glänzenden Pigments gegeben habe, gelten mir noch. Das weissgraue Pigment kann übrigens auch in den unteren Schichten der Epidermis liegen. Bei einem männlichen Thier von Vipera 1) Ebendaselbst S. 148. 2) Arch. f. Anat. u. Phys. 1859, oder Bau des thierisch. Körpers, S. 48. 3) Vergl. Fig. 1, Fig. 3, Fig. 5. 4) Organe e. sechsten Sinnes, Nov. act. acad. Leopold. Vol. XXXIV, p. 30. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 775 berus fiel mir auf — und wahrscheinlich ist es auch sonst so — dass zwar am Rücken das Weissgrau der Lederhaut angehörte, auf- gelagert dem Schwarz, aber an den Schienen der Bauchseite lag es in.der Epidermis; daher nach Abheben der letzteren die Leder- haut sich tief schwarz ausnimmt. Ferner möchte der Erwähnung werth sein, dass die Lederhaut, in soweit sie sich am Rücken und den Seiten nicht in Schuppen erhebt, nur das schwarze Pigment besitzt; erst in den schuppigen Auswüchsen gesellt sich das weiss- graue in dichtester Füllung hinzu. Da bei Coluber carbonarius auch in dem Epidermisüberzug sehr viel schwarzes Pigment liegt, so kommt das metallische Pig- ment erst dann zum Vorschein, wenn wir die „‚Hornschuppe“ ab- gestreift haben. Das Thier hat jetzt von seiner reinen Schwärze eingebüsst. An Embryonen. von Tropidonotus natrix bemerke ich, dass das dunkle Pigment in Form verästigter Zellen nicht in der Lederhaut, sondern in der Schleimschicht der Oberhaut zuerst auftritt. Gleichwie es ein allgemeiner Zug in der Organisation der Am- phibien und Reptilien ist, dass das so häufig und die verschiedensten Theile des Körpers durchziehende dunkelkörnige Pigment vor Allem die Blutgefässe begleitet und seinen Hauptsitz in deren äusserer Hülle hat, was z. B. bei dunkler Besprenkelung des Muskelsystems sehr deutlich ist, ebenso hält es sich in der Lederhaut in erster Linie an die Umgebung der Blutgefässe und heben sich dadurch die Bahnen derselben, selbst die Endschlingen in den Schuppen, gut ab. Wenn ich mich von Neuem danach umsehe, wie sich denn eigentlich das Pigment zu den nächst benachbarten Theilen in strengerem Sinne verhält, so finde ich, dass meine vor nunmehr fünfzehn Jahren vorgelegten Angaben sich durchaus bewahrheiten. Ich hatte ehe das Wort: „Bindegewebskörperchen“ ausgesprochen war, die damit gemeinten Gebilde in der Haut der Süsswasserfische wahrgenommen !) und richtig als Lücken gedeutet: „Durch die Einschnürungen von Seite der Spiralfasern entstehen Lücken zwischen den Bindegewebsbündeln, welche von hellem scharfeontourirtem Aus- sehen sind und je nachdem man sie im Längen- oder Querschnitt sieht, eine veränderte Gestalt zeigen.‘ Auch hatte ich mich durch die Beobachtung überzeugt, dass aus den Bindegewebskörpern, indem sie sich erweitern, vielleicht auch mehrere zusammenschmelzen, die 1) Zeitschrift £. wissensch. Zoologie, 1850. 776 Dr. Fr. Leydig: grösseren Lücken in der Bindesubstanz hervorgehen !). Als ich ?) daher auf die Beantwortung der Frage mich einliess, wie eigentlich die Bewegungen der Chromatophoren in der Haut der Reptilien zu Stande kommen, sprach ich mich nach meinen dazumal bloss an der Froschhaut gewonnenen Erfahrungen dahin aus, dass die dunkeln Pigmentfiguren — morphologisch aufgefasst — die Bedeutung von pigmenterfüllten Bindegewebskörpern haben; dass man jedoch nur bedingungsweise der Membran dieser Bindegewebskörper eine Selbst- ständigkeit zuerkennen dürfe; denn sie sei eben blos. die festere (Grenzschicht des die Bindesubstanz durchziehenden und in der Histo- logie mit dem Namen „‚Bindegewebskörperchen‘“ belegten Lücken- systems. Die Formveränderungen der Chromatophoren, das Ver- schwinden der Ausläufer an den verzweigten „Pigmentzellen“ und das Kugeligwerden sei das Resultat einer Contraction des hyalinen Inhaltes der Bindegewebskörperchen. Für die Haut der Schlangen gelten nun diese Sätze in völlig gleicher Weise ®). Mit noch mehr Sicherheit nehme ich jetzt wahr, dass erst innerhalb der als ‚‚Bindegewebskörperchen‘ bezeichneten Lücken die Pigmentzellen oder Chromatophoren liegen: der Grenzsaum der letzteren uud die Begrenzungslinie der ersteren sind zwei von ein- ander verschiedene Dinge. Erscheinen beide freilich ganz nahe zusammengerückt, so können sie eine einzige Linie vorspiegeln. Und so wiederhole ich durchaus meinen früheren Vergleich: in dem Lückensystem der Bindesubstanz bewegen sich ähnlich den Körpern der Amoeben und KRhizopoden die Chromatophoren, fliessen in Fäden aus und kugeln sich wieder zu einem Klümpchen zusammen ; bleiben dabei auch nicht an einer und derselben Stelle, sondern ‚steigen auf und nieder. Schon oftmals ist von den Zoologen auf die Veränderlichkeit der Farbe bei den Schlangen hingewiesen worden. Wenn es bei Linn& bereits heisst: „Serpentes ..... colore pro anni tempore, aetate, vitae genere, asservationis artificiis quam maxime variabili‘, so hat er zum Theil vielleicht schon an den lebendigen Farben- wechsel, welchen wir hier im Auge haben, gedacht; denn sein 1) Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien 1853, S. 34, 8. 108 u. Histologie Fig. 4, S. 31. 2) Histologie S. 105. 3) Vergl. Fig. 1, dann besonders Fig. 2. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 777 Schüler Hasselquist spricht ja in dem Bericht über seine Reise nach Palästina !) von Schlangen, welche nach Art des Chamäleons die Farbe ändern. Später scheint man im Allgemeinen den Schlangen mehr feststehende Farben zugeschrieben zu haben. Blos die Gruppe der grünen Baumschlangen (Herpetodryas Schleg.) wurde immer als diejenige bezeichnet, bei welcher ein Farbenwechsel nach Art des Chamäleons stattfinde. Desshalb verdient es hervorgehoben zu werden, dass auch bei den einheimischen Nattern, Abänderungen der Farbe durch beweg- liche Farbzellen oder Chromatophoren sich beobachten lassen, indem ein und dasselbe Thier, besonders unter dem Einfluss verschiedener Temperaturgrade, den Ton der Grundfarbe merklich abstuft. Die südlichen Thiere, wahrscheinlich weil empfindlicher, zeigten mir den Wechsel lebhafter als die gleichen Arten unseres Landes. Ich er- hielt z. B. eine Anzahl lebender Ringelnattern von den Ufern der Etsch bei Verona; es geschah im April und bei allen war die Grundfarbe ein dunkles Olivengrau. Als die warmen Tage kamen, hellte sich die Grundfarbe sehr auf und wurde zu einem lichten Graublau, daher sich jetzt die Zeichnung der dunklen Flecken schön und scharf abhob. — An Thieren welche in Weingeist gelegen, kann der ausgedehnte oder der zusammengezogene Zustand der Chroma- tophoren festgehalten sich zeigen: an dem einen Exemplar tritt daher ein dunkles Netz an Stellen auf wo ein zweites Exemplar nur dunkle Flecken von Kugelform besitzt. In der Zeitschrift Isis, Jahrgang 1819, S. 44, lese ich: „Briton ermahnt, nach seinen Beohachtungen über die Veränderungen der Haut bei Eidechsen und Schlangen, die Zoologen in der Verviel- fältigung der Gattungen vorsichtig zu sein.“ Leider mangelt ein weiterer literarischer Hinweis, so dass man nicht ganz sicher ist, ob mit dem Ausdruck „Veränderung der Haut“ das, worauf ich ziele, gemeint sei, oder nur individuell abändernde aber feststehende Farbentöne. Bei Abfassung meiner Schrift über die auf deutschem Boden vorkommenden Eidechsen, war mir de Filippi’s Abhandlung: Sulla 1) Herausgegeb. von C. Linnäus. Aus d. Schwedischen. Rostock, 1762. 778 Dr. Fr. Leydig: struttura della cute dello Stellio caucasicus !), leider aus dem Ge- dächtniss gekommen, und doch hätte sie namentlich im Hinblick auf den durch Chromatophoren erzeugten Farbenwechsel und den histologischen Bau der Haut der Saurier beachtet werden sollen, schon desshalb weil dieselbe Vieles bringt, was mit meinen an ein- heimischen Thieren gewonnenen Beobachtungen übereinstimmt. Da nun die wesentlich gleichen Verhältnisse bei den Schlangen wieder- kehren, so darf ich wohl noch nachträglich an dieser Stelle auf die Arbeit des verstorbenen Turiner Zoologen vergleichend eingehen. De Filippi fand auf seiner Reise nach ‘Persien den Stellio caucasicus sehr häufig (comunissima dapertutto in Georgia ed in Persia), eine Art, von deren Farbenwechsel bis dahin noch nichts bekannt geworden war?). Er fing bei seinen ersten Ausflügen in der Umgebung von Tiflis mehrere dieser Thiere und sperrte sie in eine Blechkapsel. Indem er sie nach einiger\Zeit herausnahm, sah er mit Ueberraschung, dass einige derselben und besonders die grösseren sehr merklich ihre Farbe in Schwarz umgesetzt hatten. Unser Beobachter erkannte sofort, dass es sich um die gleiche Erscheinung handle, welche das Chamäleon berühmt gemacht, und prüfte die Sache weiter. Ganz wie in dem von mir an einheimischen Sauriern und Schlangen wahrgenommenen Wechsel, und im Gegensatz zum Chamaeleon, wird der Stellio schwärzlich, wenn er im Dunkeln ge- halten wird, und hellt sich wieder auf bei voll auf ihn einwirkendem Licht. Die mikroskopische Untersuchung unterschied zweierlei Pig- mente: ein gelblich weisses, welches oberflächlich sich ausbreitet, und ein dunkles in der Tiefe der Haut gelegenes. Dass die Grund- veränderung der Farbe von dem letzteren Pigment ausgeht, war schon daraus klar, dass der junge Stellio dieses Pigment in seiner Haut noch nicht besitzt und auch die Farbe zu ändern noch ausser Stande ist. 1) Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino. Ser. I, Tom. XXIII, 1865. 2) Ein Exemplar von Stellio vulgaris, herstammend von der Insel Mykonos, auf welche sowie auf einige andere der griechischen Inseln bekanntlich diese Art von Osten her sich erstreckt, hielt ich einige Zeit im lebenden Zustand, ohne auf den Farbenwechsel aufmerksam geworden zu sein. Ent- weder ist er bei dieser Art überhaupt weniger ausgesprochen oder die Jahreszeit — es war Winter und das Thier verschmähte alle Nahrung — trug dazu bei, dass die Contractilitätserscheinungen herabgestimmt waren. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 779 An den durch die Haut geführten Längs- und Querschnitten unterscheidet de Filippi zu äusserst: „produzioni epidermiche“, welche hauptsächlich die Schuppen zusammensetzen. Aus der näheren Beschreibung, welche gegeben wird, glaube ich entnehmen zu können, dass auch hier eine homogene Cuticula vorhanden ist mit feinliniger Seulptur; dahin deute ich wenigstens die ‚„linee trasparentisime, le quali fanno tutta l’impressione di contorni di cellule.‘‘ Unter diesem „primo strato“ kamen dann die Epidermiszellen selber. Unver- ständlich aber, weil im Widerspruch mit dem, was ich sonst bisher bei Reptilien sah, ist die auch auf den Abbildungen deutlich aus- gedrückte Angabe, dass sich von den Furchen zwischen den Schuppen aus eine dünne Lage von Zellen noch einmal über die Fläche der eigentlichen Hornschuppe erstrecke. Auch in dem, was über die Zusammensetzung der Lederhaut gesagt und gezeichnet wird, kann ich mich schwer zurecht finden. Was ich die derben Lagen nenne, ist deutlich ‚il derma propriamente detto“, ein andermal „fibre caline del derma‘; die Lagen lockeren Bindegewebes, welche die Hauptmasse der Chromatophoren enthalten, scheint er gleich früheren Autoren zum rete Malpighi der Oberhaut zu rechnen. Betrachtet man die bildlichen Darstellungen der Haut genauer und vergleicht dazu was de Filippi über Hautpapillen, Gefässknäuel und Alveolen ähnliche Bildungen sagt, so fühlt man dass eine erneute Unter- suchung am Platz wäre, wozu ja recht gut Weingeistexemplare ausreichen könnten. 4. Nerven. Auf Längs- und Querschnitten der Haut zeigen sich im lockeren Bindegewebe unter den derben Lagen, zugleich mit den grösseren Gefässen, Nervenstämme, welche mit letzteren in den säulen- artigen Erhebungen des lockeren Bindegewebes in die Höhe der Lederhaut dringen. Hierbei biegen stärkere Bündel in die Schuppen ein, nach ähnlicher Art, wie es sonst bei Anwesenheit von Haut- papillen geschieht; ein Theil der Fasern nimmt entschieden die Richtung gegen die oben erwähnten, die Becherorgane vertretenden hellen Flecke, sowie am Kopfe an die Sinnesbecher selber, endlich zweigt ein Theil zu den Papillen, welche mit Tastkörperchen ver- sehen sind, ab. Noch glaube ich auch hier beobachtet zu haben, dass ein Theil der Endausläufer sich mit den Chromatophoren verbindet; die Ner- 780 Dr. Fr. Leydig: vensubstanz geht unmittelbar in das contractile Protoplasma über, ähnlich wie bei Protozoen die contractile Leibessubstanz zugleich auch die sensible Materie des Körpers vertritt. Bei den Lacerten sah ich, wie schon anderwärts erwähnt wurde, nicht minder, dass Nervenfasern und Chromatophoren schliesslich in Eins zusammen- fliessen können. 5. Lymphdrüsige Masse. Unter der Haut der Schlangen, und zwar habe ich es bei allen einheimischen Arten gesehen, verbreiten sich zwischen der äusseren Bedeckung und der Musculatur des Stammes Lymphräume!), die sich gerne zu einer Iyınphdrüsenartigen Substanz umgestalten. Dabei zeigen sich schon für’s freie Auge gewisse Unterschiede, welche man füglich in die „Kennzeichen“ der ungiftigen und gif- tigen Schlangen aufnehmen könnte. Bei Vipera ammodytes geht, was ich bereits kürzlich vorge- bracht), die Haut in ähnlicher lockerer und verschiebbarer Weise über den Kopf weg, wie sich die Haut der Batrachier allgemeiner in dieser Weite verhält. Das Gleiche kehrt an Vipera aspis wieder. Mit der Anwesenheit solcher Lymphräume unter der Haut steht offenbar die bei diesen Arten vorkommende Zerfällung der Schilder des Kopfes zu Schuppen im Zusammenhang. Schon bei Vipera berus ist die Verbreitung der Lymphräume auf die Rückenseite des Kopfes eingeschränkt; denn während noch am Hinterkopf und der Wan- gengegend sich die Haut wegen der darunter liegenden Lymph- räume aufheben lässt, erscheint sie dort, wo der Wirbel- und die Hinterhauptsschilder der Vipera ammodytes und Vipera aspis durch Schuppen ersetzt werden, ziemlich dicht angeheftet. Endlich bei unseren Ophidia innocua decken grosse Schilder die Rückenseite des Kopfes durchweg, die Verschiebbarkeit der Haut hat aufgehört, und die grossen Lymphräume an dieser Stelle sind verschwunden. — In der ganzen Kehlgegend mögen wohl bei allen Arten die Lymph- räume sehr weit sein, wie ich wenigstens nach dem Verhalten an Vipera berus, allwo ich darauf geachtet, schliessen möchte. Die Umwandlung der Lymphräume in die Iymphdrüsen- artige Materie lässt sich oftmals beobachten. Ich sah sie z. B. 1) Vergl. Fig. 1, £. 2) Ueber die Kopfdrüsen der Schlangen, Arch. f. mikrosk. Anat. 1873. Ueber die äusseren Bedeekungen der Reptilien und Amphibien. 781 an der Rückenseite des Halses von Tropidonotus natrix, allwo sich "unter der Haut eine schon für’s freie Auge sehr kenntliche Lage von weissgrauer Farbe hinzog, welche zwei- bis dreimal dicker war, als die Haut selbst. Die Füllung des zarten Maschengewebes inner- halb der Lymphräume geschah weniger durch Körnchen, als viel- mehr durch gallertige Einlagerung. Diese Beschaffenheit knüpft somit an das an, was ich über die Füllung der Höhlungen unter der Haut des Frosches mit Lymphe und Gallerte in Näherem be- schrieben habe ). Nicht minder begegne ich dem Iymphoiden Ge- webe, und zwar in grosser Ausdehnung, am Rücken der Vipera am- modytes; die Lymphräume grenzen sich nach unten, gegen die Rückenmuskeln zu, mit einer Fascie ab, über welche einzelne grosse Pigmentzellen hingestreut sind. Auch um das Auge herum, in der Conjunctiva, erscheint das Iymphoide Gewebe z.B. bei Tropidonotus natrix. Wahrscheinlich hat schon Cloquet es an dieser Stelle be- merkt und irrig für ächte Drüsen genommen, da er von einem drüsigen die Conjunetiva umziehenden Saume spricht. IV. Historisches. Ueber den anatomischen Bau der äusseren Bedeckungen der Schlangen verlautet bisher nicht sehr viel im den unsere Thier- gruppe behandelnden Schriften. Die Faunisten beschränken sich auf die Angabe, dass diese Geschöpfe mit hornartigen Schuppen und Schildern von verschiede- ner Form und Lage bedeckt seien; Andere heben auch wohl be- züglich der Färbung hervor, dass sie vom Trüben und Schmutzigen durch alle Abstufungen in die lebhaftesten Töne des Weiss, Gelb, Grün, Blau, Roth, Schwarz sich umbilde, wobei alsdann Zeich- nungen der verschiedensten Art: Netze, Streifen, Bänder, regel- mässige und unregelmässige Figuren entstehen könnten. Wenige gedenken auch der dünnen, dabei sehr elastischen Beschaffenheit der Haut. : Hin und wieder wird es auch einem Beobachter bemerklich, dass zwischen den Schuppen einer Schlange und denen eines Fisches 1) Nov. act. acad, Leop. Carol. Vol. 34, pag. 43. 782 Dr. Fr. Leydig: ein Unterschied bestehe. Ich habe bereits an einem anderen Orte !) auf Schrank hingewiesen, der längst darüber sich ausgesprochen hat. — Linn& nennt die Haut der Schlangen „reticulata“, wobei man kaum wissen kann, ob er damit das Aussehen, welches die Innenseite des „Natternhemdes“ darbietet, gemeint habe, oder die Beschaffenheit der Oberfläche der Lederhaut. Auch aus den Angaben Cuvier’s in seinem System der ver- gleichenden Anatomie fühlt man, dass ihm der Bau der Haut nicht recht klar geworden war; es heisst dort z.B. die Oberhaut bedecke und umhülle die Schuppen vollkommen. Soll damit gesagt sein, rings herum, als sei die Schuppe ein Körper für sich und frei, so wäre dies unrichtig; denn die Schuppe hat neben den freien Flächen auch eine angewachsene. Die Pigmentschicht erklärt er für ein verschieden gefärbtes Schleimnetz; ein Warzengewebe komme nicht vor, doch unterlässt er nicht beizufügen : wenigstens habe es keine zitzenähnliche Gestalt. Carus (Gustav), welcher die sehr bewegliche Schlange auf entfernte Weise einer fassenden Hand vergleicht, meint jedoch im- merhin eine „feine, nervenreiche mit Nervenpapillen versehene Haut sei unentwickelt.“ ?) Ein strengeres systematisches Studium der Haut der Schlangen, sowie der Reptilien überhaupt, haben fast gleichzeitig Blainville in Frankreich und Heusinger in Deutschland begonnen. Das Werk 3) des Ersteren ist leider mir erst später genauer bekannt geworden, was ich zu meiner Entschuldigung bemerken möchte, da ich in manchen meiner früheren Arbeiten auf die Angaben des ge- nannten Zoologen hätte Bezug nehmen sollen. Blainville gibt von dem Bau des Integumentes der Reptilien im Grossen und Ganzen schon recht zutreffende Mittheilungen. Da- hin ist z. B. die Angabe zu rechnen, dass das Pigment seltener in der eigentlichen Haut sich finde, als vielmehr auf der Oberfläche . jener Partie, welche zu Schuppen entwickelt sei. Letztere selber 1) Die in Deutschland lebenden Saurier. S. 6. — Auf die Bildung der Oberfläche der Haut ist bereits Charas in seinem Werk: Sur la Vipere, Paris 1872 ausführlich, doch ohne weitere Vergleiche, eingegangen: mehr nur wie er selbst sagt, um das Thier nach dem Aeusseren kenntlich zu machen. 2) Lehrbuch der vergleichenden Zootomie, 1832. 3) De Vorganisation des animaux, ou principes d’anatomie comparee. Tom. I. Paris 1822. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 783 müsse man betrachten als „une sorte de saillie ou de pincement d’une partie du derme et de ses couches superposees.“ Insofern er aber ausspricht, dass die Haut der Schlangen weniger sensibel sei, eine Angabe, die später von Anderen wie oft wiederholt wird, und obendrein mit dem Zusatze, dass sie nicht als Tastorgan dienen könne, so will das nicht übereinstimmen mit meinen Be- funden über gewisse Sinnesorgane, welche sich über die Haut des sanzen Körpers verbreitet vorfinden. Hingegen ist wieder richtig, wenn er hervorhebt, dass die Haut weniger dick sei, dabei in be- sonderem Grade elastisch. Die Bemerkung: das Blutgefässnetz sei wenig entwickelt, passt zwar auf die derben Lagen oder die Grund- substanz der Lederhaut, keineswegs aber auf das, was ich als die lockeren oder Grenzschichten unterscheide. Die Epidermis, im All- gemeinen die Formen der Oberfläche der Lederhaut wiederholend, springe auch über dieselbe vor, so namentlich an Schuppen, welche sich wie Dachziegel decken. Drüsen seien in der Haut nicht vor- handen. Auch Heusinger !) beurtheilt die gröberen Verhältnisse gut, und ist wohl der erste gewesen, der durch die Abbildung eines Längenschnittes der Haut von Coluber atrovirens (viridiflavus) den Bau dieses Organs erläutert hat. Er zerlegt die äussere Bedeckung in die Oberhaut und in die Lederhaut. Erstere sei ziemlich dick, homogen, hart, trocken, brüchig und vollkommen durchsichtig. Sie begleite die Lederhaut in ihrem ganzen Verlaufe und überziehe da- her alle Falten und Erhabenheiten derselben. Dort wo die Leder- haut ziemlich eben sei, wiederhole sich das auch an der Oberhaut, es entstünden keine sogenannten Schuppen, sondern nur Abtheilun- gen nach den Formen der Lederhaut. Mache dagegen die Lederhaut kleine nach hinten vorspringende Erhabenheiten, so entstünden da- durch Arten von Schuppen, die sich um so mehr dachziegelförmig decken, wenn die Oberhaut jene Erhabenheiten sehr überragt; dann bilde sich aber doch nur eine einfache Falte der Oberhaut und die Schuppe sei immer sehr dünn. Heusinger erklärt, eine solche Schuppe sei mit den Fischschuppen nicht zu vergleichen; wenn er aber beisetzt, sie sei auch nicht mit den Hornschuppen der Pan- goline zu vergleichen, so erleidet dies einige Einschränkungen, wor- 1) System der Histologie, 2, Heft, 1823. S. 223, Taf. II, Fig. 3. 734 Dr. Fr. Leydig: über man meine Untersuchungen über die „Schuppen von Manis“ vielleicht beachten möge !). Die Tafelerklärung belehrt uns noch weiter dahin, dass die Schuppen aus der dünnen, festen, weisslichen Lederhaut als „fase- rigte“ Körper sich erheben und mit einem dünnen gelbgrünen Pig- ment überzogen seien. Die Aussage, dass sie an den Spitzen am härtesten, dichtesten, fast hornartig seien, ist offenbar nicht mehr auf die Schuppe, in so ferne sie Erhebung. der Lederhaut ist, zu deuten; sondern wir müssen sie, obschon dies nicht im Sinne unsers Autors liegt, auf die Epidermis beziehen. Eine in mehrfacher Hinsicht wohl zu beachtende Abhandlung von Hyrtl?), dazumal in Prag, verbreitet sich auch über die Haut der Schlangen; und obschon die Angaben hierüber meist genau sind, so verfällt der genannte Anatom durch die einseitige Unter- suchungsmethode der Injection doch nach einer Seite hin in eine fehlerhafte Auffassung. Ein erstes Ergebniss der Studien dieses Autors ist, dass die für die Haut bestimmten Blutgefässe, nachdem sie an die innere Oberfläche derselben gekommen sind, dort ein Gefässnetz herstellen, aus dessen Maschen Zweige entstehen, „die gegen den Rand der Schuppen verlaufen und sich über dieselbe theils an der unteren, theils an der oberen Fläche verbreiten, um daselbst wahre Haar- gefässnetze zu bilden.“ Auf diese Erkenntniss hin wird alsdann ein Satz ausgesprochen, der an sich ein natürliches Verhalten gut zu- sammenfasst, den Beobachter jedoch etwas vom rechten Weg abge- lenkt hat. Er sagt: „Jede Schuppe erscheint also zwischen zwei Gefässnetzen gelagert, deren äusseres immer mehr entwickelt und regelmässiger ist. Die Netze decken nicht blos die Flächen der Schuppen, sondern senden auch Zweigcehen in ihre Substanz, welche untereinander anastomosirend, beide Netze in Verbindung bringen.“ Nach Hyrtl haben somit die Schuppen der Reptilien gefässreiche Hüllen, in welche sie eingekapselt seien und welche bei der Häutung nie abgestreift werden. Es liegt auf der Hand, dass das, was der Anatom in Wien die „gefässreiche Hülle der Schuppen“ nennt, dasselbe ist, was ich seit 1) Ueber die äusseren Bedeckungen d. Säugethiere. Arch. f. Anat. u. Phys. 1859, S. 704. 2) Ueber die Gefässe in der Haut der Amphibien und Vögel. Medic. Jahrbücher d. österreichischen Staates. Wien 1839. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 785 Langem als lockere Bindegewebsschicht der Lederhaut bei diesen Thieren unterscheide; und was bei ihm die „eigentlichen Schuppen“ heissen, ist ein Theil der derben Lagen der Lederhaut. Die „eigent- liche Schuppe“ ist als flache Papillarerhebung gleich der übrigen Lederhaut aus beiden Arten des Bindegewebes gebildet; was daher Hyrtl gefässreiche, die Schuppe einkapselnde Hülle nennt, gehört zur Schuppensubstanz selber, und nur indem dieses lockere Binde- gewebe der Träger der Capillarnetze ist, hob sich im injicirten Zu- stande die Lage von dem derben gefässreichen - übrigen Theil der Schuppe dergestalt ab, dass sie das Aussehen einer besondern Hülle vorzuspiegeln vermochte. Zustimmen aber muss man, wenn die Schuppen „integrirende Bestandtheile der eigentlichen Lederhaut, nicht der Oberhaut,“ ge- nannt werden und wenn gegen Guvier bemerkt wird, dass die Oberhaut die Schuppen der Eidechsen und Schlangen „nicht voll- kommen“ umhülle. Streitpunkte, die sich übrigens alle von selber erledigen, sobald man die Schuppen dieser Thiere als grosse nieder- gedrückte Papillen der Lederhaut erkannt hat. Hyrtl will die Aenderung der Hautfarbe bei den Schlangen auf dem Wechsel im Volumen der Capillargefässe beruhen lassen ; läugnet das Vorkommen „wahrer Schlingen, wie sie in den Tast- warzen der höheren Thiere vorkommen“; behauptet auch, ‚dass, selbst die Warze an der Hand männlicher Kröten, die in der Be- gattungszeit so anschwelle und zum Festhalten des Weibchens diene, durchaus keine Papillarbildung erkennen lasse* — lauter Aus- sprüche, deren Unrichtigkeit darzuthun wohl nicht mehr an der Zeit ist. Auch an der von Bibron und Dume£ril gelieferten Darstel- lung !) wird der, welcher sich mit dem Gegenstande selber befasst hat, Manches zu verbessern sich geneigt fühlen. Die genannten Zoo- logen nehmen drei Hauptschichten an: die tiefste sei „le derme“, fest und am dicksten, faserig und aponeurotisch, sehr elastisch und innig der darunter liegenden Muskelschicht angeheftet. Sie erhebe sich in manichfache Höcker, Warzen und Platten, nach denen sich die Schuppen modeln. Die zweite Haut sei feiner, wie schleimig und der Sitz der Pigmente. Die dritte oder äusserste ist die Epidermis, welche bei der Häutung sich abstreift. Nähere anatomische oder 1) Erpetologie generale. Tom. VI, 1844. M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 9. 5l 786 Dr. Fr. Leydig: histologische Angaben sucht man in ihrer sonst ziemlich ausführ- lichen Beschreibung vergebens. Ein Autor über Schlangen !), welcher ohne immer die zur Sache gehörige Vorbildung zu besitzen, doch auch von den Eigenschaften der Haut zu sprechen das Bedürfniss hat, meint weil die Haut sehr dehnbar sei, so dünsteten unsre Thiere sehr wenig aus, und dadurch erkläre sich, warum sie so lange hungern könnten und des Trinkens nicht bedürfen. Das letztere ist, was längst Dursy °) berichtigt hat, entschieden falsch: im wohl eingerichteten Zwinger trifft man unsre Schlangen — ich sah es an Tropidonotus natrix, Coronella laevis, Coluber viridiflavus — am Wassergefässe häufig trinkend an; und dass sie stark ausdünsten, scheint mir daraus hervorzugehen, dass sie in der Gefangenschaft rasch einfallen und Hautfalten bekommen, noch bevor Nahrungsmangel die Thiere verändern Kann. Ueber die Entwickelung der Haut bietet Rathke?) Beob- achtungen dar, die wie immer den Charakter der Genauigkeit an sich tragen, obschon man eigentlich histologische Einzelnheiten ver- misst. Von den zwei Hauptschichten des Integumentes unterscheidet er schon früh die Epidermis, sie lasse sich bereits an sehr jungen Embryonen, wenn man sie ein wenig in Weingeist erhärtet habe, in Lappen abziehen. Die Lederhaut erwähnt er aus dieser Zeit noch nicht, wohl aber dass die Substanz des Körpers überhaupt noch „sehr durchsichtig und gallertartig weich“ sei. Erst in der von ihm angenommenen dritten Periode scheint er auch die Leder- haut zu unterscheiden ; wenigstens beziehe ich darauf die Angabe: „an der Haut bilden sich durch partielle Verdickung und Auftrei- bung Schuppen und Schienen, zuerst dicht hinter dem Kopf, zuletzt am Ende des Schwanzes.* Was dann Rathke weiter über die erste Form der Schuppen, welche als kleine Buckeln oder platte rund- liche Hervorragungen der Haut bemerklich werden, sagt und sie den bei Eidechsen vorkommenden Erhöhungen vergleicht, stimmt gut mit dem, was man am fertigen Thier sieht. Interessant ist die Mittheilung, dass die Schienen ursprünglich aus zwei von einander abstehenden Hälften bestehen, welche erst allmählig zu einem Gan- zen verwachsen. In der vierten Periode beginnt die Ablagerung 1) Lenz, Schlangenkunde, 1832. 2) Beiträge zur Naturgeschichte d. deutschen Schlangen. Archiv f. Naturgesch. 1856. 3) Entwickelungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 787 des Pigments. Zuerst geschieht dies in den Rückenschuppen, allwo an der hintern Hälfte der Schuppe kleine schwarze Punkte zum Vorschein kommen, und längere Zeit bleibt es der hintere Rand der Schuppe, in welchem sich das Pigment am stärksten vermehrt; erst nach und nach wird die Färbung eine allgemeinere und nähert sich der des erwachsenen Thieres. V. Das „Horn“ der Sandviper. Die Schnauze der Vipera ammodytes erhebt sich in eine Warze, welche herkömmlich das Nasenhörnchen, corniculum, genannt wurde. Ich habe dasselbe näher untersucht und gefunden, dass der Bau den gebräuchlichen Namen nicht rechtfertigt; auch im Uebrigen bieten sich bemerkenswerthe Verhältnisse dar, weshalb der Theil einer besondern Betrachtung unterzogen sein mag. Das „Hörnchen“ erscheint als eine zwei und eine halbe Linie lange, stumpfspitzige, nach aufwärts und vorn geneigte Warze. Schon dem Längsschnitt !) entnehmen wir mit freiem Auge, dass man es nicht mit einer Verdickung der Oberhaut zu thun hat, viel- mehr sowohl die Lederhaut als auch die Epidermis in gewöhnlicher Dicke, dabei schuppenförmige Abgrenzungen bildend, über eine an- scheinend homogene, weissliche und weiche Grundlage weggehe. Die weissgraue bindegewebige Grundlage, welche ununter- brochen in die Lederhaut sich fortsetzt, besteht nicht aus den der- ben wagrechten Schichten, wie solche in der übrigen Lederhaut den Grundstock bilden, sondern einzig und allein aus dem weichen Gewebe des Papillarkörpers und ist demnach als eine Wucherung des letzteren anzusehen. Noch näher in’s Auge gefasst, erscheint sie aus dicht verflochtenen, schmalen Bälkchen zusammengesetzt, deren Grenzsaum elastisch erhärtet ist. Das Bild des Querschnittes gestaltet sich darnach so, dass eine homogene Substanz, von feinsten elastischen Fasern umgriffen, in kleine rundliche Felder sich zer- legt ?). In die Tiefe und Schräglage verfolgt, erweisen sich die pfla- stersteinartigen Abgrenzungen als die Köpfe von homogenen Cylin- dern, herkömmlich „Bindegewebsbündel“, deren Grenzsaum von dem elastischen Fasergewebe vorgestellt wird. 788 Dr. Fr. Leydig: Dieser Bindesubstanz oder Grundlage der Warze sind contrac- tile Elemente oder glatte Muskeln eingeflochten, und zwar unter der Form verhältnissmässig Kurzer Spindelzellen mit länglichen Kernen !). Recht merkwürdig ist das Verhalten der Blutgefässe in der Warze. Es treten Arterien herein und Venen heraus: man unter- scheidet auch in der Grenzschicht oder der Lederhaut Blutcapil- laren ?). Aber die eigentliche Substanz der Warze erscheint von dicht übereinander sich erhebenden weiten Bluträumen durchzogen, deren Hauptrichtung in’s Quere geht und welche in dem vorhin be- schriebenen Bindegewebe gleichsam wie ausgegraben sich darstellen °). Es sind keine besonderen Gefässwände zugegen und nur das Dasein einer Art Tunica muscularis könnte da und dort angenommen wer- den. Man sieht nämlich nach einwärts von dem begrenzenden, die Wand des Blutraumes herstellenden Bindegewebe, auf Querschnitten, anscheinend zellige Vorsprünge wie ein Epithel; aber dieselben rüh- ren nicht von wirklichen Epithelzellen her, sondern es sind glatte Muskelfasern im Querschnitt ®). Ein anderes bemerkenswerthes Vorkommniss sind grosse Ge- fässknäuel, Glomeruli, die sich schon bei geringer Vergrösserung gut abheben, und unter starker Vergrösserung sehr deutlich als zu einem Ballen zusammengeschobene Blutgefässwindungen sich er- kennen lassen’). Doch zeigen sich solche Glomeruli keineswegs zahlreich, sondern es sind mir nur einige zu Gesicht gekommen, und zwar bloss gegen die Wurzel der Papille zu. Endlich habe ich noch besonders hervorzuheben, dass die Ge- fässknäuel in die vorhin erwähnten grossen venösen Bluträume hin- einragen. Es mag wohl ein Ueberströmen des Blutes aus den Ge- fässknäueln in die Bluträume stattfinden; sowie man denn auch in der Rinde des Organs, allwo sich die gewöhnlichen Blutgefässe ver- breiten, da und dort den unmittelbaren Uebertritt der Lichtung des Blutgefässes in jene des Blutraumes zu erblicken vermag. Dass Nerven in die Warze aufsteigen, wird man von vorm herein für wahrscheinlich halten, und so lässt sich denn auch nach- 1) Fig. 7, d. 2) Vergl. Fig. 6. 3) Fig. 6, c. 4) Fig. 7, di. 5) Fig. 6, d. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 789 weisen, dass eine ganze Anzahl von Stämmchen ihr angehören. Sie nehmen aber vorzugsweise, wenn nicht alle, die Richtung gegen die Rinde oder in die eigentliche Lederhaut, wo sie unter geflecht-- artigem Austausch ihrer Fasern wenigstens theilweise zuletzt an die nachher zu erwähnenden Sinnesbecher gehen. Ich habe darnach gesucht, ob nicht auch die von mir anderwärts !) beschriebenen kleinen Hautpapillen mit „Tastkörperchen“ vorhanden seien, doch nichts davon bemerkt; auch dann nicht, wenn die Epidermis durch Maceration sorgfältig abgehoben worden war ?). Das Corium der Warze hat in Uebereinstimmung mit der Leder- haut des übrigen Körpers, zunächst der äusseren Schicht eine zu- sammenfliessende schwarze Pigmentzone und darüber hinweg erstreckt sich das weissgraue Pigment. Vereinzelt stehende, grosse dunkle Pigmentzellen (Chromatophoren) heben sich noch auf dem weissen Pigment scharf ab °). In der Epidermis fehlen auch nicht die schon erwähnten Sinnesbecher *). Doch ist im Umfang der eigentlichen Warze die Zahl derselben gar nicht gross, während sie an ihrem Fusse, sowie an den Schnauzenschildern recht zahlreich werden. Die homogene Cuticula ist von der feinen Sculptur überzogen, wie sie auf der übrigen Rückenfläche des Tbiers vorkommt. Und während wieder diese scharfen netzförmig verbundenen Leisten sich nach der Längsachse auf der Oberfläche: der schuppigen Abgren- zungen verbreiten, so begegnen wir der einfach höckerigen Sculptur in den Zwischenräumen. Das was in Gegenwärtigem über den Bau des „Schnauzenhorns“ der Sandviper dargelegt wurde, setzt uns in den Stand, die Frage, bei welcher Gruppe von Organen dasselbe unterzubringen sei, zu beantworten. Die Warze zeigt die meiste Verwandtschaft zu den erectilen Fleischtrotteln am Kopfe hühnerartiger Vögel, sowie zu dem Schwellkörper im Begattungsgliede der Eidechsen. Ueber den Bau des Hahnenkammes habe ich nach eigenen Untersuchungen in meiner Histologie 5) berichtet, nur fand ich damals keine Arteriae 1) Fig. 6, e. 2) Zur Kenntniss d. Sinnesorgane der Schlangen. Arch. f. mikrosk. Ana- tomie, 1872. 3) Vergl. Fig. 6. 4) Fig. 8. 5) 8. 81. Dort wird S. 82 auch bemerkt, dass ich in der entsprechenden 790 | Dr. Fr. Leydig: helicinae, die offenbar das Homologon der obigen Glomeruli wären. Ueber die Zusammensetzung der Schwellkörper der Eidechsen habe ich mich vor Kurzem geäussert !). Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, die lebende Sandviper etwa im Terrarium beobachten zu können; nach dem anatomischen Bau darf man aber erwarten, dass die Warze die Fähigkeit des An- und Abschwellens ebenso gut besitzen wird, wie die Caruncula des Truthahnes. Das Horn der Vipera ammodytes wurde bisher von Andern nur mit freiem Auge untersucht; doch haben Alle, welche näher zusahen, wohl bemerkt, dass es eine weiche Warze oder Spitze, aber kein eigentliches Horn sei. Schon Matthiolus?) im Jahr 1558 sagt: ultimo rostro su- periori parte eminentiam quandam habet acutae verrucae similem. Bei Linne?°), welcher von unserm Thier eine Originalzeichnung geben liess, heisst es: Rostrum instar coni erectum, duas lineas altum, cornu-forme, verum non cornea sed carnea materia constans, retrorsum ad caput mobile, squamulis minutissimis. Wenn wir das Wort „Fleisch“ nicht im engeren Sinn nur für Muskeln gebrauchen, sondern allgemein auf weiche Theile des Körpers, welche nicht drüsiger Art sind, beziehen, so ist die Natur des fraglichen Gebildes damit richtig bezeichnet. Von den Späteren, welche das Thier selbst untersuchten, möchte ich noch besonders auf Frivaldszky *) hinweisen; auch er vermeidet nicht blos den Ausdruck Horn (cornu) und nennt den Theil „veruca conica“, sondern er setzt auch weiter bei: „est autem haec duplica- tura integumentorum, squamulis minutis vestita.“ Wagler’) denkt ebenfalls nicht an Horngewebe, wenn er den „Nasenaufsatz der Nasenvipern“ mit den „fleischigen Hörnern der Fleischtrottel, welche beim Puter (Meleagris gallopavo) an der Schnabel- wurzel und an der Kehle herabhängt, ein dichtes Geflecht von glatten Mus- keln wahrgenommen habe; die Nerven seien gleichfalls stark und zahlreich. 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, S. 144 ff. 2) Commentariü in libros VI Dioscoridis. Venetiis. MDLVII. p. 769. 3) Amoenit. acad. I. (Surinamensia Grilliana, Appendix, p. 506). 4) Monographia serpentum Hungariae, Pestini, 1825. 5) Natürliches System d. Amphibien. 1830, S. 268. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 791 Garten- und Wegschnecken“ vergleicht; wobei er freilich die unge- gründete Vermuthung ausspricht, dass sie „vielleicht ebenso wie diese in sich hinein zurückgezogen werden können.“ Aber zu seiner Frage: „sollten zu ihnen wie zu den in ihrer Verrichtung gewiss analogen Bartfäden mancher ‚Fische einige Nervenfäden des fünften Paares gelangen?“ liegt in meinen obigen Beobachtungen die Be- stätigung. — Dazwischen gibt es freilich auch Autoren, welche die Sache weniger genau nehmen und den Ausdruck „Nasenhorn“ nicht blos anwenden, sondern auch wirkliche Hornsubstanz darunter zu begreifen scheinen. Man kennt noch einige andere Schlangen, deren Nasenspitze in eine Art Rüssel ausläuft: so z. B. Arten von Dryiophis, am auf- fallendsten bei Dr. Langaha in Schlegel’s Werk: Abbildungen neuer oder unvollständig bekannter Amphibien, 1837—44. Noch merkwürdiger ist die ebendaselbst von neuem veranschaulichte Ho- malopsis herpeton, welche zwei weiche beschuppte Anhänge an den beiden Seiten des Rüssels besitzt. Es steht zu vermuthen, dass der histologische Bau all dieser Theile mit dem oben von Vipera am- modytes besprochenen übereinstimmt. Ob auch die Hörnchen über dem Auge von Vipera cornuta und Vipera cerastes von gleicher Natur sind, ist mir einstweilen unwahrscheinlich. Heusinger !), welcher sie untersucht haben mag, stellt sie zu den eigentlichen „Hörner- und Nagelgebilden“ und vergleicht ihren Bau dem „der hohlen Hörner der Säugethiere“. Ich hoffe bald in die Lage zu kommen, diese Gebilde, welche, obschon an sich unbedeutend, doch das Alterthum mannichfach beschäftigt haben, selber prüfen zu können. 1) System d. Histologie. 2. Heft. 1823, S. 223. 792 Fig. 1. Dr. Fr. Leydig: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIL Hautschnitt von Tropidonotus natrix, stark vergrössert. a Epidermis, die Cuticula ist weggelassen, b Lage des weisslichen Pigmentes, c das dunkle Pigment, links davon die leeren Bindegewebskörper, a und b zusammen entsprechen der oberen lockeren Grenzschicht der Lederhaut, d die derben wagrechten Lagen der Lederhaut, e untere lockere Schicht der Lederhaut, nach oben säulenartig ver- bunden mit der oberen Grenzschicht und nach unten ausgehend in f die Schicht der Lymphräume; in diesen sieht man auch den Durchschnitt einer Arterie, Vene und eines Nerven. Ein einzelner Chromatophor, ebendaher. a Linie des »Bindegewebskörperchense, b Körper der membranlosen eigentlichen Pigmentzelle. (uerschuitt durch eine Rückenschuppe von Tropidonotus natrix, mässig vergrössert: a sich abhebende Hornschicht nebst Cuticula, b neue Hornschicht, Schleimschicht der Epidermis, weissliche Pigmentschicht der Lederhaut, dunkle Pigmentschicht, zur Schuppe verdickte Partie der Lederhaut, Schicht der Lymphräume; durch sie hindurch treten neben ein- ander eine Arterie nebst Vene und Nerv. Epidermiszellen vom Bauch des Tropidonotus tessellatus, welche sich in Leisten — bei der Seitenansicht in Borsten — erheben. Ein Stückchen Schuppenepidermis von Tropidonotus natrix, theils in der Flächenansicht, theils im Durchschnitt. Ein Stück abgelöster Cuticula, zeigt die höckerige Sculptur, starke Vergrösserung. MR BB 97 ao Längsschnitt durch eine Rückenschuppe von Vipera ammodytes, mässig vergrössert: a sich abhebende Hornschicht, an ihrer Unterfläche die zelligen amyloiden Gebilde, b Schleimschicht der Epidermis, c weissliche Pigmentlage der Lederhaut, d dunkle Pigmentschicht, e zur Schuppe sich erhebender Theil der Lederhaut, f Nerven, welche in die Lederhaut aufsteigend gegen die Spitze der Schuppe vordringen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. o Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. 793 ‘ 6. T. 27. Längsschnitt durch die Schnauzenwarze der Vipera ammodytes, ge- ring vergrösssert. a Epidermis, b Lederhaut, c Schwellkörper, mit seinen Bluträumen, d ein Gefässknäuel, vergleichbar den Arteriae helicinae und in einen der Bluträume vorspringend, e Nerven. Ein Stück des Schwellkörpers, stark vergrössert, um seine feinere Zusammensetzung zu zeigen: a Capillargefäss erweitert sich zu b einem grösseren Blutraum, e Bindegewebe in verschiedener Ansicht seiner Bündel und der „Spiralfasern‘‘ oder elastischen Netze, d glatte Muskeln, dl im Querschnitt scheinbar ein Epithel der Bluträume vorstellend. Ein Sinnesbecher von der Haut der Schnauzenwarze desselben Thieres, stark vergrössert: & Cuticula und Hornschicht der Epidermis, b die äusseren Zellen des Sinnesbechers, ce Nerv. Hornschuppe des Rückens von Tropidonotus natrix. . Dieselbe von Tropidonotus tessellatus. . Dieselbe von Coluber (Elaphis) viridiflavus. . Dieselbe von Coluber (Elaphis) viridiflavus, var. carbonarius. . Dieselbe von Coluber (Zamenis) flavescens. . Dieselbe von Coronella laevis. . Dieselbe von Vipera (Pelias) berus. . Dieselbe von Vipera aspis. . Dieselbe von Vipera ammodytes. . Seulptur der Hornschuppe von Tropidonotus natrix. . Ebenso von Tropidonotus tessellatus. . Ebenso von Coluber (Elaphis) viridiflavus. . Ebenso von Coluber (Elaphis) viridiflavus, var. carbonarius. . Ebenso von Coluber (Zamenis) flavescens. . Ebenso von Coronella laevis. . Ebenso von Vipera (Pelias) berus. . Ebenso von Vipera aspis. . Ebenso von Vipera ammodytes (Fig. 9 bis Fig. 17 sind unter ge- ringer Vergrösserung dargestellt, Fig. 18 bis Fig. 26 unter starker und beidemal in gleicher Vergrösserung). Amyloide zellerähnliche Körper unter der Cuticula von Vipera berus in theils frischem Zustande, theils nach Einwirkung von Weingeist. 794 Dr. Fr. Leydig: Ueber d. äusseren Bed. d. Reptilien u. Amphibien. Fig. 28. Freies Ende einer Schuppe von Coluber viridiflavus, var. carbona- rius, ohne die Cutieula: a die hellen Flecken, welche die Stelle von Sinnesorganen andeuten, b Blutcapillaren. Fig. 29. Cuticula gerade über einem der hellen Flecke der vorigen Figur. Man sieht, wie sie ihre Sculptur verliert und glatt wird. Inhaltsverzeichniss. I. Cuticula 1. Streifige Sculptur kun ihre Abssdorziheke - 2. Gewisse Farben abhängig von den streifigen Sculpturen . . Höckerige Sculpiur . ß t . Entwickelung der streifigen eulahin . Seulptur der Saurier. . Bedeutung der Sculptur für a En . Einfluss der Cuticula auf die Häutung II. Zellige Oberhaut, Epidermis 1. Bau im Allgemeinen. I DU w 2. Becherförmige Sinnesorgane und ihre Verbreitung. 3. Eine andere Form von Sinnesorganen III. Lederhaut, Corium. : 1. Schuppen im Allgemeinen . 2. Bindegewebe . 3. Pigment 4. Nerven 5. Lymphdrüsige Be IV. Historisches 4 V. Das Horn der Sana 2 Seite 754 754 760 760 761 761 762 .763 764 764 766 767 769 769 770 774 779 780 78ı 787 Zur Kritik der Untersuchungen Schöbl’s über die Haare. Von Ludwig Stieda. Meinen gegen die Resultate der Untersuchungen Schöbl’s m Betreff der Haare gerichteten Angriff (dieses Archiv Bd. VII S. 274 — 278) haben sowohl Schöbl (d. Archiv Bd. VII S. 654—-659) als auch Boll (Medicinisches Centralblatt 1872 Nr. 44) beantwortet. In Folge dieser Antworten, insbesondere aber in Folge der neueren Arbeiten Schöbl’s sehe ich mich zu weiteren kritischen Bemerkungen veranlasst. In meinem Angriff auf Schöbl’s angebliche „Terminalkör- perchen“ hatte ich hervorgehoben, dass meiner Ansicht nach jene kleinen an der Haarwurzel der Mäuse und Fledermäuse befindlichen Körperehen nichts weiter als Haarkeime seien, als aus Zellen gebildete Fortsätze der Haarscheide, dazu bestimmt zu einem Er- satzhaar zu werden. Diesem gegenüber schreibt Schöbl, dass er die Verlängerungen oder Fortsätze des „Wurzelzellkörpers‘‘ der Haare wohl kenne, dass aber dieselben mit seinen Nervenringen und Nerven- knäueln nichts zu thun hätten; ferner hälter fest an seiner früheren Aussage, dass die Haare des Ohrs der Mäuse und Fledermäuse niemals eine Papille hätten. Boll drückt sich in ähnlicher Weise aus, will die Fortsätze der Haarwurzel und die Terminalkörperchen auseinandergehalten haben und meint deshalb, meine Polemik gegen die Terminalkör- perchen beruhe auf einem Missverständniss ; er hält in gewissem Sinne das Resultat Schöbl’s aufrecht. Nur in einem mir sehr wichtig erscheinenden Punkt unterscheidet sich die Aussage Boll’s von 796 Ludwig Stieda: derjenigen Schöbl’s. Gegenüber dem von Schöbl behaupteten Mangel einer Papille an den Haaren des Mäuseohrs, sagt Boll: „Diese Nervenendigung ist bei allen Haaren des Mäuseohres vor- handen, mögen dieselben einen zelligen Fortsatz (Schöbl, Haar- keim Stieda) und keine Haarpapille oder eine offene Haarzwiebel und eine deutliche Haarpapille besitzen.“ Diesen Entgegnungen gegenüber halte ich meine frühere Aus- sage aufrecht. — : Schöbl bringt aber in seinen nachfolgenden Arbeiten neue Resultate und neue Deutungen der thatsächlichen Verhältnisse, mit welchen ich ebensowenig einverstanden bin wie mit seinen früheren. In seinem Aufsatz ‚das äussere Ohr des Igels als Tastorgan‘ (d. Archiv Bd. VIII S. 295—316) beschreibt Schöbl auch die Haare. Er sagt: „Am untern verschmälerten Ende des elliptischen Zellkörpers befindet sich ein knopfförmiger rundlich-ovaler Anhang, der zugleich den Haarbalg nach abwärts abschliesst. Er enthält keinerlei Zellen und besteht blos aus schlingenförmigen Umbeugungen der obengenannten Nerven. — Ich nenne dieses ovale Gebilde Nervenknäuel‘“ — ‚noch viel weniger kann von einer Haarpapille die Rede sein, da die Haarwurzel zerfasert zwischen den Zellen des Zellkörpers endend gar nicht vorhanden ist.“ Schöbl hat hier den Ausdruck Terminalkörperchen aufgegeben und braucht dafür Nervenknäuel — auf den Ausdruck kommt es nicht an, wohl aber auf die Bedeutung. Ich behaupte nun in Betreff dieser Resul- tate Schöbl’s, wie früher: Schöbl’s Deutung ist unrichtig. Er hat ein ausgewachsenes Haar mit geschlossener, solider Haarwurzel (Haarkolben) vor sich und der unter dem Haar anhängende Fortsatz (Schöbl’s Nervenknäuel) ist ein Haarkeim. Ein specielleres Eingehen auf die Abhandlung Schöbl’s finde ich nicht nothwendig. Es ist mir aus den Zeitschriften keine den Resultaten Schöbl’s beistimmende Mittheilung (abgesehen von der Boll’s) bekannt geworden, wohl aber gegen Schöb]l gerichtete. Es mag mir daher gestattet sein, hier auf dieselbe zu verweisen, umsomehr da Schöbl sie nicht zu kennen scheint. Jobert (l’Institut journal universel de science I. Section Nr. 1947 Mercredi 21 Fevrier 1372 — Recherches sur les poils du tact etc.) sagt in Betreff der Arbeit Schöbl’s: „J’ai pu depuis me procurer ce memboire, et, apres avoir essay& de verifier les r&sultats qui y sont indiques, je ne puis que les combattre et les con- Zur Kıitik der Untersuchungen Schöbl's über die Haare. 797 sidörer, en ce qui concerne les rapports des nerfs et des poils, comme completement erronds. L’auteur allemand — n’etait point maitre en microscope, a oubli& de faire mention dans son mömoire de la papille nourriciere des poils.“ So geht es weiter fort; zum Schluss: „Du reste, je terminerai cette discussion en imitant Sir Lyonel Beale, qui dans une des seances de Janvier de la Societ& de la mieroscopie de Londres, mettait l’auteur allemand au defi de montrer les dispositions nerveuses, qu'il avait signaldes en connexion avec les capillaires. — Jamais M. Schöbl ne pourra montrer des tubes nerveux lä ou il les a figures, car en ce point se trouve la papille du poil, de lexistence de laquelle il ne parait meme pas se douter.“ — Jobert hat die Ergebnisse seiner Forschungen später ausführlich veröffentlicht: Etudes d’anatoiem comparde sur les organes du toucher chez divers Mammiferes, Oiseaux, Poissons et Insectes. (Annales des Sciences naturelles V. serie Zoologie Tome XVI Art. Nr. 5 publie& le 1. aout 1872.) Der zweite Abschnitt dieser Abhandlung bespricht die Tasthaare und polemisirt gegen Schöbl; ich hebe hier daraus nur hervor, dass Jobert ausdrücklich auf die Existenz einer Haarpapille, welche Schöbl leugnete, hinweist. Im Uebrigen empfehle ich den Auf- satz zur Lectüre und zum Studium. Schöbl hat unterdess seine Untersuchungen eifrig fortgesetzt: das mir eben zugegangene Heft des IX Bandes dieses Archivs enthält Seite 197—220 eine neue durch zwei Tafeln geschmückte Abhandlung: ‚Ueber die Nervenendigungen der Tasthaare der Säuge- thiere, sowie über die feinere Structur derselben.“ Schöbl geht hierin auf meine Einwürfe gar nicht mehr ein und äussert „meine Entgegnung erschien in demselben Bande S. 654, weshalb ich den Gegenstand hier mit Stillschweigen übergehe.“ Allein — der tannen- zapfenartige Fortsatz Schöbl’s (Haarkeim nach meiner Ansicht) wird immer noch beschrieben und abgebildet, aber nicht mehr als Terminalkörperchen, auch nicht als Nervenknäuel aufgefasst, sondern erhält eine andere Deutung, welcher ich ebenfalls nicht beistimmen kann. Ich muss zu diesem Behuf näher auf die Mittheilung Schöbl’s eingehen. Schöbl untersucht vor allem den Igel, welchen er ein „gradezu elassisches Thier“ nennt. „Der Igel“ — heisst es — „ist nämlich das einzige Thier von allen, welche ich kenne, bei welchem sämmtliche Haare der Schnauze Tasthaare sind.‘ Hiergegen muss 798 Ludwig Stieda: ich gleich Protest einlegen, indem ich behaupte, dass an der Schnauze des Igels zweierlei Haare vorkommen: gewöhnliche Haare und Tasthaare. Mit dem Ausdruck Tasthaare dürfen nur die durch (len bekannten Blutsinus (cavernösen Körper) ausgezeichneten Haare bezeichnet werden und Schöbl hat nimmermehr Recht, irgend welche (gewöhnliche) Haare als Tasthaare zu bezeichnen. Schöbl sagt weiter, dass die bisher von ihm beschriebenen Tasthaare (in der Flughaut der Fledermäuse — an dem äussern Ohre der Maus und des Igels) in Bezug auf den Bau der Haarwurzel von der gewöhnlichen Haarform ganz abweichen. Er schreibt dann: „Am untersten Theil des Haarschaftes theilen sich nämlich die Haarzellen der Corticalsubstanz in einzelne Bündel, welche dann strahlig besen- föürmig nach allen Seiten auseinander fahren, wobei die einzelnen Faserzellen ganz allmählig an Länge abnehmen, an Dicke dagegen zunehmen, bis sie sich endlich in länglich polygonale kernhaltige Zellen umwandeln, welche bis gegen die Peripherie die strahlige Richtung der besenförmig auseinanderfahrenden Faserbündel des Haarschaftes einhalten und zusammengenommen einen bald ovalen, bald mehr conischen, bald länglichen soliden Zellkörper darstellen, welcher — unmittelbar mit der Malpighischen Schicht im Zusammen- hang steht.“ Er nennt solche Haare: „Haare mit Wurzelzell- körperchen — zum Unterschied von der gewöhnlichen Haarform mit Haarzwiebel und entwickelter Wurzelscheide.‘‘ Obgleich Schöbl nur den von Henle aufgestellten (und durch mich bestätigten) Unterschied zwischen den beiden Formen der Haarwurzel Kennt und eitirt, so geht er trotz meines früheren Hinweises auf meine Abhand- lung „Ueber den Haarwechsel (Reichels-Archiv 1867 S. 517--541) nicht ein, sondern schliesst: „Diese beiden Formen der Haarwurzel, wie sie Henle aufstellt, als Entwickelungszustände desselben Haares, mögen wohl für die Haare des Menschen und für viele andre Haare, vielleicht für die meisten ganz richtig sein, für alle passen sie jedoch in der Weise, wie sie von Henle präeisirt werden, durchaus nicht. Am allerwenigsten kann ich sie für die von mir beschriebenen Tasthaarformen beibehalten.‘ Als Gründe für diese Ansicht führt Schöbl an: erstens den Mangel einer Papille; zweitens das gleichzeitige Vorkommen eines Wurzelzell- körpers und einer Papille und drittens das bisherige Schweigen der Autoren über den „Wurzelzellkörper bei seiner geschlossenen Haar- form.“ Alle drei Gründe sind nicht stichhaltig: Dem ersten negativen Zur Kritik der Untersuchungen Schöbl's über die Haare. 799 Befunde Schöbl’s stehen gegenüber die positiven Angaben über die Existenz einer Papille (Boll, Jobert, Stieda). Das gleich- zeitige Vorkommen des „Wurzelkörpers“ und einer Papille repräsen- tirt beim Haarwechsel dasjenige Stadium, in welchem sich unterhalb des bereits ausgewachsenen alten Haares aus dem Haarkeim ein neues Haar auf einer neuen Papille zu bilden beginnt. Dass drittens Schöbl’s Wurzelkörper bisher nicht erwähnt ist, ist nicht richtig, ich habe denselben bereits vor Jahren in der eitirten Abhandlung über den Haarwechsel beschrieben und abgebildet. — Nun aber ereignet sich bei Schöbl noch Folgendes: Das „Terminalkörperchen‘‘ des Mäusehaares, welches am Igelohr bereits zu einem „Nervenknäuel‘ wurde, ist jetzt — verschwunden. Schöbl schreibt: „Diese Annahme (von dem schlingenförmigen Umbiegen der Nervenfasern unter dem Wurzelkörper) muss ich zurück- nehmen; sie ist aus einer Verwechselung hervorgezogen mit Faser‘ u. s. w. — Statt dessen beschreibt er unterhalb der Ein- mündung der Talgdrüsen einen ‚„Nervenring.‘ Im weitern Verlauf seiner Abhandlung schildert Schöbl seine vermeintlichen verschiedenen Formen der Tasthaare, der gewöhn- lichen Haare und der wirklichen Tasthaare mit besonderer Berück- sichtigung ihres verschieden gestalteten ‚„Wurzelkörpers,‘‘ der Ab- wesenheit oder Anwesenheit einer Haarpapille. Er kommt dann zu folgenden Schlusssätzen: „Es giebt allmählige Uebergangsformen der kleinen Tasthaare ohne cavernösen Körper zu den grössern, welche diese Gebilde besitzen.“ „Desgleichen giebt es allmählige Uebergangsformen von den grossen Tasthaaren der ersten Grundform (mit kolbenförmiger Haarwurzel oder den Wurzelzellkörpern) zu jener, welche die ge- wöhnliche Haarform, die eine offene Haarwurzel und eine Haar- papille besitzen.‘‘ Die Möglichkeit von Uebergangsformen gewöhnlicher Haare zu den sogenannten Tasthaaren (mit carvernösem Körper) kann a priori nicht geleugnet werden, wenngleich ich auf Grund eigener Unter- suchungen vorläufig die beiden Formen zu trennen wünsche. In Betreff der zweiten Schlussfolgerung Schöbl’s dagegen stelle ich folgende bereits im Eingang berührte Thesen auf: Die von Schöbl als verschiedene Kategorien der wirklichen Tasthaare aufgeführten Formen sind nur die verschiedenen 800 Ludwig Stieda: Zur Kritik d. Untersuchungen Schöbl’s über d. Haare, Stadien, welche beim Wechsel der Haare sich beob- achten lassen. — Ich habe in meiner früheren Abhandlung, zu deren Citation ich mich genöthigt sehe, nur von Haaren im All- gemeinen gesprochen — die Bildung und der Ersatz der gewöhnlichen Haare und der Tasthaare geht in gleicher”.Weise vor sich. Ich bin am Schlusse meiner Kritik: Ich griff zuerst jenen tannen- zapfenartigen Fortsatz an der Haarwurzel der Mäuse an, welchen Schöbl Terminalkörperchen nannte — das Terminalkörperchen wurde darauf bei Schöbl zu einem Nervenknäuel; endlich ver- schwand auch der Nervenknäuel und statt dessen ist nur die Rede von einem Wurzelkörper, welcher von einem Nervenring umsponnen wird. In Hinsicht der Wandlung, welche Schöbl’s Angaben all- mählig durch ihn selbst erlebt haben, gebe ich mich der lloffnung hin, dassSchöbl nach nochmaliger Prüfung seiner eigenen Präparate in den bisher zwischen uns differenten Punkten mir beistimmen wird und empfehle ich das Studium des Haarwechsels ihm aufs Angelegentlichste. Dorpat, Ende März 1872. Mikrographische Mittheilungen. Von Professor Dr. Leopold Dippel. Im Anschlusse an meine Mittheilungen in dem 5. Bande des Archivs (Seite 281) gestatte ich mir in dem Folgenden über eine Reihe neuerer, mir aus eigener Anschauung bekannt gewordener Leistungen unserer vaterländischen Optiker zu berichten, welche für die Leser nicht ohne Interesse sein dürften. Zunächst wende ich mich den neueren Erzeugnissen des altbe- kannten optischen Instituts von F. W. Schieck in Berlin zu, dessen Begründer im Monate März des Jahres 1870 verstorben ist. Seitdem hat der Sohn des Verstorbenen, welcher bei dem Vater einen guten Grund gelegt und sich dann in den besten englischen Werkstätten und bei Hartnack weiter herangebildet hatte, die Leitung des In- stituts übernommen. Die aus der Schieck’schen Werkstätte in neuerer Zeit hervor- gegangenen Stative haben sich den altbewährten Ruf tadelloser und eleganter mechanischer Arbeit bewahrt. Sie haben zugleich, indem sie sich in dem Bau im Wesentlichen den Hartnack’schen Modellen anschliessen, eine für den praktischen Miskroskopiker weit beque- mere und handlichere Gestalt erlangt, als dies bei den älteren hohen Stativen der Fall war. Dass bei den grösseren Modellen die grobe Einstellung durch Zahn und Trieb beibehalten ist, betrachte ich nach meinen Erfahrungen zum mindesten als eine grosse Annehm- lichkeit. Die Mannigfaltigkeit in Form und mechanischer Ausstattung der verschiedenen Modelle gestattet jeglichem Bedürfnisse und den verschiedensten Verhältnissen gerecht zu werden. Namentlich ‘ erscheinen mir das kleine Modell F, ebenso die Stative G und H, für die Zwecke des Studirenden, des praktischen Arztes u. s. w. als von vorzüglicher Brauchbarkeit. Welche bedeutende Fortschritte Schieck in der neuesten Zeit bezüglich der Leistungsfähigkeit des optischen Apparates seiner Mikroskope gemacht hat, davon konnte ich mich an einer Anzahl M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 9. 52 802 Professor Dr. L. Dippel: _ von Objectivsystemen überzeugen, welche derselbe so freundlich war, mir zu eingehender Prüfung zu übersenden. Es waren dies die Nummern 1—10. Die schwächeren Systeme Nr. 1—3 mit einer bezüglichen Brenn- weite von 54, 27 und 20 Mm. geben ein recht scharfes, reines Bild und dürfen mit allen gleichstarken Systemen der Gegenwart völlig in gleiche Linie gestellt werden. Ich glaube mich desshalb und weil diese schwachen Systeme zumeist ziemlich allseitig den an sie gestellten Anforderungen entsprechend geliefert werden, einer Einzelbesprechung derselben entschlagen zu dürfen und gehe gleich zu den höheren Nummern über. Das System Nr. 4 hat eine Brennweite von etwa 12 Mm. und offenbart für diese Stärke eine schon ziemlich weit gehende lösende Kraft. Schon bei geradem Lichte treten bei Anwendung starker Oculare die scheinbaren Querstreifen von dem in Balsam liegenden Pleurosigma balticum und attenuatum hervor und erscheinen bei Gebrauch von mässig schiefer Beleuchtung schön und scharf aus- geprägt. Die Zeichnung organischer Objecte bei centrischer Beleuch- tung ist scharf und correct; nur erscheinen das Gesichtsfeld und (damit das Stärkekorn, der Pinusschnitt und andere organische Ob- jecte durch ihre ganze Masse etwas gelb gefärbt, eine Eigenschaft, welche das System mit vielen gleichstarken anderer Werkstätten theilt. Ein — bei schöner Zeichnung organischer Objecte — ver- hältnissmässig weitgehendes Auflösungsvermögen besitzt das System Nr. 5 von eirca 6 Mm. Brennweite. Bei centrischer Spiegelstellung erscheint die schachbrettförmige Zeichnung des in Balsam liegenden Pleurosigma attenuatum recht schön; darüber hinaus werden unter Anwendung starker und scharfer Oculare Synedra fulgens und (Grammatophora serpentina ferner Nitzschia amphyoxis der Möller’- schen Probeplatte gelöst. Bei schiefer Beleuchtung und Anwendung schwächerer Oculare erscheint die Zeichnung von Pleurosigma angu- latum in der bekannten Form sich durchkreuzender Liniensysteme, _ während starke Oculare eine mehr sechseckige Felderung erkennen lassen. Die gelbe Färbung hat sich dabei bereits sehr vermindert. System 7 mit einer Brennweite von 4 Mm. ist geeignet, schon weiter gehenden Forderungen zu genügen. Die Bilder organischer Ob- jeete sind scharf und bestimmt gezeichnet und dabei fast völlig frei von gelber Färbung. Bei gerader Beleuchtung und gutem Lichte erscheint Pl. angulatum -— wenn auch etwas verschleiert — sechs- eckig gefeldert, während auf Pleurosigma attenuatum und Gramma- Mikrographische Mittheilungen. 803 tophora marina !) (unter letzterer ist das neuerdings von Möller und Rodig ausgegebene, gröber gezeichnete Object, nicht die unter dem gleichen Namen früher von Bourgogne ausgegebene Art -— mein „Mikroskop“ Seite 129, Fig. 88 — zu verstehen. Diese dürfte höchst wahrscheinlich Gr. oceanica Sm. sein, mit welcher Gr. subtilissima, die als Form zu Gr. macilenta gehört, nicht identisch ist, wie mehrere Autoren anzunehmen geneigt sind) die schachbrett- förmige Zeichnung gut erkennbar wird. Schiefe Spiegelstellung er- möglicht bei günstigem Lichte noch die Lösung von Gr. subtilis- sima. Es erscheinen jedoch bei dieser Beleuchtungsweise die Objecte stark gefärbt und das Bild, welches nicht über die ganze Schale gleich deutlich hervortritt, gleichsam über jenem schwebend und etwas verschleiert, so dass es einige Mühe kostet, die schachbrett- förmige Zeichnung mit Sicherheit zu erkennen. Die beiden Immersions- und Correctionssysteme No. 9 und 10 von etwa gleicher Stärke wie die entsprechenden Nummern Hart- nack’s bilden zwei Gläser von im Ganzen vorzüglicher Wirkung. Beide sind in Bezug auf die Leistungsfähigkeit im Allgemeinen ein- ander ziemlich gleich. Doch wird das in meinen Händen gewesene stärkere System an Schönheit und Schärfe der Bilder, welche bei demselben etwas verschleiert erschienen, von dem schwächeren über- troffen. Für feinere histiologische Untersuchung bewähren sich beide recht gut und gewähren dieselben ein völlig ungefärbtes Bild organischer Präparate. Auch in Bezug auf das Auflösungsvermögen bei centrischer wie excentrischer Spiegelstellung, wobei im ersten Falle Pl. angulatum in Balsam, Grammatophora marina (Gr. ocea- nica Sm.) von Bourgogne sowie Navicula veneta, im andern die schwierigeren Probeobjecte mit Einschluss von Navicula crassinervis (Frustulia saxonica) gelöst erscheinen, können dieselben anderen gleichstarken Combinationen an die Seite gestellt werden. Die in 1) Dass ich die hier genannte Diatomee schon länger gekannt und deren Streifenzahl auf 16—18 in 00,1 Mm. angegeben habe, hat Herr Prof. Wiesner wohl nicht gewusst, als er seinen Aufsatz (Sitzungsberichte der Wiener Akademie Bd. 63, 1. Abthlg.) schrieb. Die in meinem „Mikroskop“ befindliche Angabe bezieht sich auf das Bourgogne’sche Präparat, bei welchem die dort ange- gebene Streifenzahl in der That vorhanden ist. Auf die übrigen Bemerkun- gen desselben in Bezug auf meine Darstellung der Probeobjecte einzugehen finde ich keine Veranlassung. Ich überlasse es getrost dem Urtheile unbe- fangener Beobachter, inwieweit meine Fig. 84—86 unter den gegebenen Um- ständen aus der Luft gezeichnet sind. 804 Professor Dr. L. Dippel: allerneuster Zeit von Schieck angefertigten sehr starken Objective Nr. 11—15, von 1,4; 1; 0,8; 0,65 und 0,5 Mm. Brennweite habe ich noch nicht kennen gelernt. Ich hoffe aber auch noch über eines und das andere dieser berichten zu können. Meine Prüfungsresultate zusammenfassend 'kann ich sagen, dass das Schieck’sche Institut den in früheren Jahren behaupteten Platz in der ersten Reihe der deutschen Optiker sich wieder er- obert hat und dass seine Leistungen, sowohl was den mechanischen, als den optischen Apparat der aus ihm hervorgehenden Mikroskope betrifft vollkommen auf der Höhe der Zeit stehen. Das Kellner’sche Institut in Wetzlar, aus dem unter Belthles Leitung so treffliche Leistungen hervorgegangen waren, ist nach dem Ableben dieses Optikers an Herrn E. Leitz übergegangen, der es nicht an emsigstem Eifer fehlen lässt, um der Anstalt den frühern Ruf zu bewahren. Die Stative neuster Construction haben gegen die älteren, in meinem „Mikroskop“ beschriebenen Modellen verschiedene vortheil- hafte Veränderungen erfahren. Das grosse Modell, Nr. I—IIHI des Preisverzeichnisses, ein sehr solides Hufeisenstativ mit vorzüglicher grober Einstellung durch Zahn und Trieb hat ein ausziehbares Rohr erhalten und es ist die Drehung um die optische Achse (welche bei Nr. III fehlt) aus dem Fusse in den Tisch verlegt worden. Das mittlere Stativ Nr. IV, welches für die’billigeren Mikroskope von 50—70 Thaler geliefert wird, ist bei etwas geringeren Dimensionen des Raumes zwischen Objecttisch und Fuss im Bau dem grossen ziemlich ähnlich. Die grobe Einstellung geschieht durch Verschie- bung des nicht ausziehbaren Rohres und die Mikrometerschraube für die eine Bewegung wird je nach Wunsch des Bestellers unter oder über der Säule angebracht. Von den kleineren Modellen ist Nr. V ein recht praktisch und handlich gebautes Hufeisenstativ von solidem Stand, mit grossem Tisch, feiner Einstellung nach Gundlach und Schlittenvorrichtung für. Cylinderblenden. Nr. VI ist etwas einfacher gebaut und ruht mit runden Säulen auf schwe- rem viereckigem Fusse. Statt der Cylinderblenden besitzt es die Drehscheibe. Auch das kleinste Stativ Nr. VO, für die billigsten Mikroskope von 15--20 Thaler bestimmt, ist mit Rücksicht auf seine Bestimmung musterhaft gebaut, indem es bei noch ansehnlich räumlichem Tisch die feine Einstellung an der Tubussäule be- wahrt hat. An gewöhnlichen Ocularen führt das Institut jetzt sechs Num- Mikrographische Mittheilungen. 805 mern W. 0—V, von denen I, III und V den älteren Nummern I, II und III entsprechen. Dazu kommen die orthoskopischen Oculare Nr. I-IV mit ihrem grossen Gesichtsfeld und in neuster Zeit die aus einem Stück geschliffenen Oculare I--IIl. Von diesen entspricht das erste in der Vergrösserung etwa der Nr. V der gewöhnlichen Oculare; Nr. H und III vergrössern dagegen das von dem Objectiv entwor- fene Bild das erstere etwa 25, das letztere 40 Mal. Die Arbeit an diesen Ocularen ist nach den in meinen Händen befindlichen Exem- plaren so vorzüglich und der Lichtverlust so gering, dass sich die- selben, namentlich aber Nr. II, auch bei stärkeren Objectivsystemen noch recht gut verwenden lassen, bei gut construirten schwächern aber gewisse von deren Capacität umfasste Structurverhältnisse zur Anschauung bringen, auf deren klare Sichtbarmachung man anders hätte verzichten müssen. Die Objectivsysteme sind durch die neuen Trockensysteme Nr. 1-9, von denen das stärkste auch mit Correctionsvorrichtung ver- sehen wird, und durch drei Immersionssysteme Nr. 8, 9 und 10 mit Correctionseinrichtung vertreten. Die ersteren, von denen die Nummern 3, 5, 7 und 9 den äl- teren Systemen 1, 2, 3 und 4 entsprechen, zeichnen sich auch jetzt noch durch ihre Billigkeit aus und geht das Streben des gegen- wärtigen Leiters der Kellner’schen Werkstätte dahin, dieselben in ihrer Leistungsfähigkeit immer mehr zu vervollkommnen. Dass dieses Streben nicht ohne Erfolg geblieben ist, davon habe ich mich an mehreren Combinationen überzeugt. Dieselben können bei der correecten Zeichnung, welche sie bei gerader Beleuchtung gewähren, wenn sie auch an auflösendem Vermögen gegen andere Leistungen neuester Zeit noch etwas zurückstehen, dennoch bezüglich ihrer Anwendbarkeit für die weitaus grössere Mehrzahl histiologischer Untersuchungen mit Recht empfohlen werden. Ueber die Eintauch- systeme hoffe ich in nächster Zeit berichten zu können. Bisher hat mir nur Nr. 8 vorgelegen. Die Leistungen liessen für die stärkeren Systeme Gutes erwarten, ohne dass bei dem Mangel der Correc- tionsvorrichtung die volle Ausbeutung des auflösenden Vermögens und demgemäss eine scharfe Vergleichung mit anderen gleichstarken Combinationen möglich war. Neben den alten bewährten Werkstätten zeichnet sich seit we- nigen Jahren das Institut eines jüngeren Optikers, R. Winkel in Göttingen, durch wirklich hervorragende Leistungen aus. Zuerst wurde von Professor Listing, an welchem der Praktiker 806 Professor Dr. L. Dippel: einen unschätzbaren Berather in theoretischer Richtung gefunden hat, auf denselben aufmerksam gemacht (in den Berichten der Göt- tinger gelehrten Gesellschaft); dann geschah auch in diesem Archiv von dessen bezüglichen Arbeiten verschiedentlich durch Professor Dr. Merkel Erwähnung. Von Stativen, deren Preise besonders berechnet werden, fertigt Winkel sechs Nummern, welche den verschiedenartigsten Anforde- rungen zu entsprechen geeignet sind und deren mechanische Aus- führung, soweit ich dieselbe an einem grössern nnd einem mittlern Instrument kennen gelernt habe, als eine vorzüglich schöne und solide bezeichnet werden darf. Das grösste Stativ Nr. 1 mit dreh- barem Objeettische und einer der bei der folgenden Nr. beschriebe- nen gleichen Einstellungsvorrichtung wird mit 52 Thaler berechnet. Das Modell Nr. 2 (Hufeisenstativ) besitzt Drehung um die optische Achse und Schlittenvorrichtung mit Cylinderblenden. Die grobe Ein- stellung ist von eigenthümlicher Einrichtung, wodurch bei richtiger Wahl der für die Reibungsflächen verwendeten Metalle grosse Sicher- heit und Sanftheit der Bewegung erzielt wird. In die äussere, rück- wärts mit einem Spalte versehene Messinghülse, welche das Rohr trägt, ist eine zweite längere von hartem Rothguss genau einge- passt, so dass sich das Rohr ohne Spielraum sanft und leicht aut und ab bewegen lässt. Ein in dieser inneren Hülse sitzender Stahl- zapfen hat seine Führung in dem Spalte der äusseren Hülse und es hängt an ihm eine Zugstange, deren anderes Ende an einem “in der Drehscheibe befindlichen Zapfen befestigt ist. Diese Stange hebt und senkt bei entsprechender Drehung der Scheibe die Roth- gusshülse und damit das mit ihr fest verbundene Rohr. Die feine Einstellung ist nach den Merz’schen Instrumenten construirt und zeichnet sich hier, wie bei den folgenden Instrumenten durch äusserst leichten und sichern Gang aus. Der Preis dieses Statives beträgt 48 Thaler. Das Stativ No. 3 mit Hufeisenfuss besitzt einen für sich drehbaren Objecttisch mit Gradeintheilung und Nonius. Bei Beobachtungen in polarisirtem Lichte können so, Ja die Blen- dungsvorrichtung (Cylinderblendung) darart eingesetzt ist, dass sie an der Tischdrehung nicht theilnimmt, Object, Polarisator und Analysator unabhängig voneinander gedreht werden. Die grobe Ein- stellung geschieht hier, wie bei den folgenden Nummern durch Verschiebung des Rohres. Der Knopf für die feine Einstellung be- findet sich über der Säule. Stativ Nr. 4 hat Aehnlichkeit mit dem bekannten mittlern Hufeisenstativ von Merz, zeichnet sich aber in Mikrographische Mittheilungen. 807 manchen Einzelheiten vor demselben aus. Der Träger des Tisches ist ausgeschnitten, so dass man weder bei Handhabung der nach unten verlegten Einstellschraube, noch bei der Bewegung des Spie- gels, welcher in einem an dem Spiegelträger befindlichen Schlitz auf und ab beweglich ist, gehindert wird. Der Blendungsapparat besteht aus Sehlittenvorrichtung mit Cylinderblenden. Hierdurch, wie durch ddie Grösse des Tisches (75 Mm. Seite) und die in jeder Beziehung solide und handliche Bauart dürfte sich dieses Stativ, welches zu 39 Thaler berechnet wird, ganz besonders als Arbeitsmikroskop für alle Diejenigen empfehlen, welche auf die Drehung um die optische Achse Verzicht leisten wollen. Die Bauart des mit Hufeisenfuss versehenen und zu 20 Thaler berechneten Statives Nr. 5 ist gegen die des vorhergehenden insofern verschieden, als die Dimensionen etwas vermindert erscheinen und der mit Cylinderblenden versehene Blendungsapparat zur Seite gedreht wird, wenn die Tischöffnung für schiefes Licht frei gemacht oder jene gewechselt werden sollen. Das kleinste Stativ zu 11 Thaler besitzt einen runden Fuss und die feine Einstellung am Objecttische (nach H. v. Mohl). Als Blendungsvor- richtung dient eine mit vier Oeffnungen versehene Drehscheibe, welche etwa 1,75 Mm. tiefer liegt, als die Oberfläche der Tischplatte. Um den wichtigsten Theil des Mikroskopes, den optischen Ap- parat, hat sich Winkel neben sorgfältiger Construction der Oculare namentlich durch seine verhältnissmässig sehr billigen (Nr. 1 und 2 a6 Thles; 3°& 7 Thlr.; 4 a 9 Thlr.; 5 und 6 & 10 Thlr.;, 7a 12 Thlr.; 8& 15 Thlr.; 9 mit Correction & 26 Thlr.) Objectivsysteme ein anzuerkennendes Verdienst erworben. Es lagen mir fast sämmt- liche Nummern vor und sie haben die Probe glänzend bestanden. Im Allgemeinen kann ich, ehe ich zur näheren Besprechung der einzel- nen Systeme übergehe, vorausschicken, dass dieselben sämmtlich im Vergleiche zu andern gleichstarken, ein hohes Auflösungsvermögen besitzenden Combinationen (mit Ausnahme derer von Zeiss), was Lichtstärke und Abstand betrifft, einen nicht hoch genug anzu- schlagenden Vorsprung voraus haben. Das schwache System 2 mit einer Brennweite von 18 Mm. be- steht die Prüfung an den Schüppchen von Pieris brassicae und an dem Pinusschnitt, welcher nicht gerade stark aber doch etwas gelb gefärbt erscheint, recht gut und erweist sich als von so gutem Begrenzungsvermögen, dass noch sehr starke helostere Oculare vertragen werden. Bei centrischer Beleuchtung werden die Streifen der Navicula Lyra Ehrbg. der Möller’schen Probeplatte (mit 808 Professor Dr. L. Dippel: 8--9 Streifen auf 0,01 Mm.) noch erkannt. Dagegen verträgt es nicht gut excentrisches Licht. System 4, dessen Brennweite 9,5 Mm. beträgt, gibt zwar noch ein wenig gelb gefärbte, aber sonst sehr schöne Bilder organischer Objecte. Bei geradem Lichte werden die scheinbaren Streifen von Pl. formosum sehr schön, jene von Hipparchia Janira und Pl. attenuatum gut gelöst, während schiefes Licht die Lösungsfähigkeit nicht sehr erhöht. Eine ausgezeichnet schöne Combination ist System 5 mit einer Brennweite von 6,2 Mm. Das Bild organischer Objecte ist selbst bei Anwendung star- ker Oculare scharf und fein gezeichnet und fast ohne Färbung der Masse. Bei gerade einfallendem Lichte erscheint die schachbrettför- mige Felderung des Pl. attenuatum, was schon die prächtige Zeichnung von vornherein erwarten lässt, scharf und deutlich ausgeprägt. Gramma- tophora serpentina und Nitzschia amphyoxis zeigen die Streifen sehr deutlich. Durch excentrische Beleuchtung wird die Lösung des Pl. angulatum ohne Schwierigkeit erzielt und zwar erscheint die Zeichnung je nach Verwendung schwächerer oder stärkerer Oculare in Form von sich schneidendem Liniensystem oder von sechsseitiger Felderung; in beiden Fällen unter bläulicher, wenig störender Färbung, aber mit scharfer Ausprägung und ohne Verschleierung. Ueber das genannte Object hinaus erstreckt sich die Lösung auch auf die Gr. marina (Gr. oceanica Sm.). Die beiden Objective Nr. 7 und 8, von denen . das erstere eine Brennweite von etwa 4 Mm., das andere von 3 Mm. besitzt, stehen sich in ihren Leistungen einander sehr nahe. Das begrenzende Vermögen ist bei ihnen ebenso vortrefflich entwickelt, wie bei den in meinem Besitze befindlichen in dieser Beziehung ausgezeichneten Systemen von Hartnack, Zeiss und Belthle, während die auflösende Kraft gesteigert erscheint. Bei centrischer Beleuch- tung tritt die Zeichnung von Pl. angulatum trocken und in Balsam, mit Deutlichkeit hervor, während bei Verwendung excentrischen Lichtes die Querstreifen von Grammatophora subtilissima und Nitz- schia sigmoidea mittelst der Nr.S auch die scheinbar wellenförmigen Querstreifen der Surirella Gemma sichtbar gemacht werden können. Das bis jetzt stärkste Trockensystem 9 von 2 Mm. Brennweite und mit äusserst praktischer Correctionseinrichtung, bei welcher sich, ähnlich wie bei den Gundlach’schen Systemen, die hinteren Linsen gegen die vordere während Ausführung der Correction fest- stehende Linse bewegen, hat in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit meine nach Kenntnissnahme der schwächeren Systeme schon ziemlich gesteigerte Erwartung weit übertroffen. Mikrographische Mittheilungen. 809 Für histiologische Arbeiten erweist sich dasselbe in Folge seiner wunderbar schönen, klaren Zeichnung sämmtlicher Structurverhält- nisse, seines Verhaltens gegen die von mir für das Begrenzungsvermögen benutzten Probeobjecte, wie durch die Gestattung eines verhältniss- mässig grossen Spielraumes der Deckglasdicken von unter 0,1--0,3 Mm. als ganz vorzüglich. An Auflösungsvermögen übertrifft es alle mir bis dahin bekannten trockenen Systeme von gleicher und auch von bedeutenderer Stärke. Bei centrischer Beleuchtung tritt die Zeichnung des Pl. angulatum trocken und in Balsam liegend, wie diejenige der Grammatophora ocenanica Sm. (ev. marina Bourgogne’s) recht schön hervor, während bei schiefem Lichte,. soweit die bis jetzt bekannten natürlichen Probeobjecte ein Urtheil darüber ge- statten, seine Leistungen hinter denen der mir bisher bekannten Immersionssysteme nicht zurückbleiben. Auch die feinsten Objecte werden unter Anwendung vorzüglicher, starker Oculare von dem- selben ohne grosse Schwierigkeit bewältigt. So erkennt man z. B. die scheinbaren Querstreifen der Navicula crassinervis (Frustulia saxonica) und Nitzschia curvula vollkommen gut und die Ober- flächenstructur der Surirella Gemma, welche je nach der ange- ‚wandten Vergrösserung, dem Wechsel der Beleuchtung u. s. w. das Bild von sich kreuzenden Quer-, Längs- und Schrägstreifen hervor- rufen kann, zeigt sich als aus schachbrettartig mit einander ab- wechselnden, nach der einen Diagonale (parallel der Mittelrippe) stark in die Länge gezogenen hellen und dunkeln Rhomben gebildet '). Wenn die in neuerer Zeit von Winkel in Angriff genommenen starken Eintauchsysteme in dem Masse an optischer Kraft fort- schreiten, wie die letzten Nummern seiner Trockensysteme, dann dürfen wir wohl ganz Bedeutendes erwarten. Von Carl Zeiss in Jena haben mir in neuster Zeit und nach- dem die voranstehenden Beobachtungen bereits niedergeschrieben waren, säinmtliche Nummern der nach den Berechnungen des Herrn Professor Abbe ausgeführten neuen Objectivsysteme mit grösserem Oeffnungswinkel (neben denen auch die älteren Combinationen noch abgegeben werden) vorgelegen. Dieselben liefern, wie sich im Nach- 1) Auch das vielseitig besprochene Object Amphipleura pellucida zeigt äusserst feine Streifen, welche ich in der Oberflächenstructur begründet halte und nicht als falsche Streifen (Sullivant & Wormley) betrachten kann. Ich habe diese Streifen Herrn Dr. Pfeffer aus Marburg mit Nr. 9 gezeigt und auch Winkel hat sie später gesehen, ohne das Object zu kennen, um dessen Namen er mich gebeten. 810 Professor Dr. L. Dippel: stehenden zeigen wird, den Beweis, dass hier wiederum ein bedeu- tender Fortschritt diesers bewährten Werkstätte, deren ältere Sy- steme schon mit voller Berechtigung in die ersten Reihen der neueren Leistungen gestellt werden konnten, zu verzeichnen ist. Das aus einer einfachen achromatischen Linse von (je nach Wunsch) 60, 48 oder 30 Mm. Brennweite bestehende System a ist zum Zeichnen bei sehr schwacher Vergrösserung bestimmt, und zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht allzuweit von dem Object entfernt zu werden braucht und das Ocular demgemäss nicht höher zu stehen kömmt, als beim Gebrauch stärkerer Systeme. Das System aa von 32 Mm. Aequivalentbrennweite und 209 Oeffnung zeichnet sich durch eine so vortreffliche Zeichnung der passenden Objecte aus, wie ich dieselbe bis jetzt von einem derarti- gen schwachen Systeme nicht in gleicher Vollkommenheit gesehen habe. Selbst das Netzwerk der primären Zellhüllen des Pinus- schnittes tritt bei starker Ocularvergrösserung so scharf und klar hervor, wie man es nur bei stärkeren Systemen zu sehen gewohnt ist. Ebenso erkennt man die Querstreifen der Schüppchen von Pieris brassicae noch ganz deutlich. Die Nr. AA mit 16 Mm. Brennweite und 33° Oeffnung bewährt sich wie durch Schönheit und Bestimmtheit der Zeichnung orga- nischer Objecte, so durch entsprechend gesteigertes Auflösungsver- mögen. Bei centraler Spiegelstellung erscheinen die Querstreifen von Navicula Lyra, wie die schiefen Streifensysteme von Pleurosigma formosum (in Balsam) klar ausgesprochen, während bei excentrischer Spiegelstellung Pleurosigma attenuatum noch eben zur Auflösung gelangt. Eine für den praktischen Gebrauch höchst werthvolle Combi- nation bildet System BB mit 10 Mm. Brennweite und 60° Oeffnung. Die Bilder organischer Objecte — auch solcher mit feiner Structur, geschiehteter Zellhüllen, der Stärke, der quergestreiften Muskeln — sind vorzüglich correct und scharf gezeichnet und es werden sehr starke Oculare noch recht gut vertragen. Das Auflösungsvermögen ist dabei so hoch gesteigert, wie es bei der Stärke des Objectives und ohne andere, hier wichtigere Eigenschaften zu beeinträchtigen zulässig ist. Bei centraler Beleuchtung wird Pleurosigma attenuatum sehr schön, bei schiefer Beleuchtung Pleurosigma angulatum aus- reichend schön gelöst. Aehnliche Eigenschaften zeigt das Objectiv CC von 6,4 Mm. Brennweite und 90° Oeffnung. Das Auflösungsvermögen ist bei Mikrographische Mittheilungen. 811 demselben jedoch der grösseren Oeffnung entsprechend gesteigert, so dass bei centrischer Spiegelstellung Pleurosigma acuminatum der Möller’schen Probeplatte, bei schiefer Spiegelstellung Grammato- phora marina (Pariser Präparat Gr. oceanica Sm.?) vollkommen ge- löst erscheinen. DD ist in der neuen Ausführung eine für die weitaus grössere Anzahl wissenschaftlicher Untersuchung ebenso brauchbare Combi- nation, wie es das ältere ausgezeichnet schöne System D war. Zwar ist sie um etwas schwächer als dieses, da seine Aequivalentbrennweite jetzt 4,2 Mm. beträgt; aber das hier vorhandene vorzügliche Be- grenzungsvermögen hat sie vollkommen bewahrt und die auflösende Kraft erscheint dem auf 100° vergrösserten Oeffnungswinkel ent- sprechend gesteigert. Bei gerader Beleuchtung tritt die Zeichnung auf der Schale von Pleurosigma angulatum deutlich hervor, während bei schiefem Lichteinfalle bei Nitzschia sigmoidea die Querstreifen scharf gezeichnet erkannt werden. Die Systeme E und F, ersteres mit einer Brennweite von 2,8, letzteres von 1,5 Mm. und 105° Oeffnung stehen sich in ihren Lei- stungen annähernd gleich. Die Bilder organischer Objecte sind wun- derschön gezeichnet und es vertragen beide Systeme noch sehr starke Ocularvergrösserung, ohne dass jene wesentlich beeinträch- tigt werden. Bei centraler Stellung des Spiegels lösen beide Pleuro- sigma angulatum und die Grammatophora marina eines Pariser Präparates (F noch schöner als E), während bei schiefer Spiegel- stellung auch hier die Lösung von Nitzschia sigmoidea die Grenze bildet. Als allen beobachteten Trockensystemen gemeinschaftliche Eigenschaften will ich noch folgende hervorheben. Bei gerader Be- - leuchtung ist die Farblosigkeit organischer Präparate vollkommener, als ich sie sonst wahrgenommen. Nur bei sehr starker Okularver- grösserung und nur bei den schwächsten Systemen tritt eine Spur gelber Färbung des Gesammtobjectes ein. Dann erscheinen die Grenzlinien feinerer Structurverhältnisse auch bei den schwächeren Nummern bei grosser Bestimmtheit und Schärfe möglichst fein ge- zogen. Endlich ragen sie in Bezug auf die Darstellung der Einzel- heiten bei den Beobachtungen über Auflösung hervor. Wenn auch andere gleichstarke Systeme quantitativ Gleiches, selbst hie und da noch etwas mehr leisten, so habe ich doch die Schönheit der Zeich- nung in Bezug auf Färbung, ‚Auftreten von theilweiser Verschleie- rung, gleichzeitiges scharfes Hervortreten von Objectgrenze und Detail- BR 2 ‚So ” 812 Professor Dr. L. Dippel: Mikrographische Mittheilungen. y zeichnung (bei Bruchstücken von Diatomeenschalen z. B.) von anderen Objeetiven — mit Ausnahme von Winkels IX — nicht ganz er- reicht gesehen. - [en Von ganz ausgezeichneter Wirkung sind die drei Eintauch- systeme Nr. 1, 2 und 3 — letzteres mit Correctionseinrichtung — von je 3 Mm., 1,7 Mm. und 1 Mm. Aequivalentbrennweite und über 180° Oefinung in Luft. Dieselben suchen in Bezug auf Abstand und Lichtstärke ihres Gleichen, während die Zeichnung der feinsten or- ganischen Objecte (selbst bei starker Ocularvergrösserung) eine Schönheit und Schärfe besitzt, wie ich sie an den bisher durch meine Hände gegangenen Immersionssystemen in ganz gleichem Maasse nicht wiedergefunden habe. Die Abbildung äusserst zarter und gleichmässiger Querschnitte geschichteter Zellhüllen, der quer- gestreiften Muskelfasern, der Schüppchen von Vanessa cardui, na- mentlich aber auch der Schalen von Pleurosigma angulatum trocken und in Balsam legt davon sprechendes Zeugniss ab. Das Auf- lösungsvermögen ist soweit irgend möglich entwickelt und treten in Folge der eben geschilderten Eigenschaften die entsprechenden Zeich- nungen auch bei den Objecten, welche an der Grenze des ersteren stehen, noch sehr scharf hervor. Bei centraler Spiegelstellung und unter vollständigem Ausschlusse abnormen Lichteinfalles von in der Umgebung des Mikroskopes befindlichen hellen Gegenständen, finde ich die Grenze des Auflösungsvermögens bei Nitzschia sigmoidea. Mittelst schiefen Lichteinfalles werden sämmtliche Objecte der Möller’schen Probeplatte, somit die schwierigsten der zur Zeit be- nutzten natürlichen Probeobjecte, ohne grosse Schwierigkeit gelöst. Nächstdem darf ich aber im Vergleiche zu früheren, mit anderen Systemen erlangten Resultaten nicht unterlassen zu bemerken, dass ich mittelst des Eintauchsystems Nr. 3 und ohne Anwendung der berührten Vorsichtsmassregeln, bei centraler Spiegelstellung noch die schachbrettartige Zeichnung auf Grammatophora subtilissima und Surirella Gemma, wie die scheinbaren Querstreifen auf Navicula erassinervis (Frustulia saxoniea) nicht allein selbst gesehen, sondern auch von Anderen habe beobachten lassen. Die Preisnotirungen der Zeiss’schen Systeme betragen für aa 7 Thlr.; AA 9 Thlr.; BB 11 Thlr.; CC 14 Thlr.; DD 18 Thlr., E 21 Thlr.; F. 28 Thlr; Immersion Nr. 1 30 Thlr.; Nr.2 48 Thlr.; Nr. 390 Thlr. mt Ku la Pe EB a Bw. NE) Fa: Pi ‚» * — ’ x ; - - 5 x ; . E er & ” x 2 E = ’ 0 BR Cienkowsky dei Lie, Ansuv.J).G.Baon, Leipaif Lith.Anstv.J.G-Bach, Leipzif Cienkowsry, de.. Lith.Anst.v.J;6.Bach,Leipzig ‚Archiv. fmikroskop. Anatomie Bd.IKX. 4 ) Smikreskon. Anaterme. BEIE. LID Zm Arco fmikresken. Anatomie. Be. IE. er lie: Ba IX. _ rm "Archin f. \mikreskom- Anatı Uraber dei Peg . ‚Archiv R mikroskzu. Anatomie. Bd... da Erde ne ENT RZ ) An ax: EERIL \ } ie EN) ER Ib D! Schöbl del unit EEE ET 000 se Sort Do SS ago ERhklen] Ye} ST TejeR [el TLR Sek) 5 m ie nn Lith Anst.v. J. Bach, Leipzig / Archiv f mikroskp Anatomie Ba.IX. Taf: XI. = ai >| SS Sur be ER —— RENT UNRRRRN » D . » & . 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