a ER nn yN 7 ‘ e 037 TS : : 174% KEN j, ECT > ’ AN > a DA N N ? En D A % RT, KL Ni, ARD, % x 3% NR Bu gi ae BRR Se RN BT % = BEN BR Ar AN HL: PER Y RA AR y f ie ” g E A A = En BER < Kr EI + ed york ENT Br) ee T RER u IE Y > E a a a EN VER —EIFE MT a Fe un = a DIN RD Z ee rt en u. rs AS EN RE AN Fr ar r RN NER a SE x N I IL, ; (% "2 4 RR A Hi Y ‘ag % Pi he » 3 7 E ZEN ; NT T EN? va N . KIND N ax NE Re Arehiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Dreizehnter Band. Mit 50 Tafeln und mehreren Holzschnitten. Bonn, 1877. Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen). FIAaL N SE ec vr, In’ 2 a FINDER TIETEOTT eh } Fr 4 uny ü eg BR T 2 i F De nuod ai agi09D .+A sole al uf - ot 1 y A Bun ’ a > Y J Ri} & & E / vom i hi aa ni Toyo "7 » f U; ' Fr 5 u 5 Bi. a ni Hit einen! Aartindea SuM 1 i Ar: b Kur | t e } 4 e ‚busd woitılesisı@t '?. EN Au 4 an Brain In ler rd UM u F . ty B > 5 1 y er A % A y — | MEHRERE RG, =, 20: . je’ \ h r - er ro OR lo) FR my aarat IR Dipl: tief et) ı i @ u Inhalt. Ueber den feineren Bau der markhaltigen Nervenfasern von Dr. A. J. Lauterman (Cleveland). (Aus dem anatomischen Institute zu Strass- burg.) Hierzu Tafel I. TREE OL RT Rhizopodenstudien von Franz Eilhard Se Be VI. Hierzu Tafel I und III. an en a a a Sy Tue Beiträge zur Anatomie ad Histologie der Pflanzenläuse , insbesondere der Coceiden. Von E. L. Mark aus Hamlet, U. S. A. Hierzu Tafel IV. Vound. VI. Die Lymphwurzeln der Bee wa Dr. A Ihr a DR Kein am anat. Institut in Greifswald. Hierzu Tafel VII. aRifkre Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. Von Dr. N. Bobretzky aus Kiew. Hierzu Tafel VIII—XII. { Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel XIV. Ueber Mikrotome. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Weitere Studien über die ee esksokiohte des Amphioxus lan- ceolatus, nebst einem Beitrage zur Homologie des Nervensystems der Würmer und Wirbeltbiere. Von Prof. A. Kowalevsky in Odessa. Hierzu Tafel XV und XVI. er Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere, Von Coenrad Kerbert aus Amsterdam. Hierzu Tafel XVII bis XX. Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen und ihrer Verwendung in der mikroskopischen Technik. Von P. Ehrlich, cand, med. (Aus dem physiologischen Institutder Universität Freiburg.) Hierzu Taf. XXI. Ueber die sogenannte ungestielteHydatide der Hoden. VonW. Waldeyer Zur feineren Anatomie und Physiologie der Speicheldrüsen, insbesondere der Orbitaldrüse. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Von Dr. M. Lavdowsky aus Petersburg. Hierzu Tafel XXII, XXIII und NEIN NIIT» Ueber die Endigung ah on im ektaifken et E Wirbel- thiere. Von E. Fischer. (Aus dem histologischen Laboratorium von Professor Kollmann in München.) Hierzu Tafel XXV und XXVI. Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen. Von Dr. Ale- xander Brandt, Privatdocenten an der Universität zu St. Petersburg. Ueber das Verhältniss der nervösen und contractileun Substanz des quer- gestreiften Muskels. Von Prof. J. Gerlach in Erlangen. Hierzu Tafel XXVII - Beiträgezur Histologie der Bohne u Dr. K ola ” sc " ews k y. Vorläu- fige Mittneilung. (Aus dem histologischen Laboratorium zu Kiew.) Hierzu Tafel XXVII. ua nt. at Zur Frage vom Verwachsen der peripherischen Nerven. Von Dr. Ba- kowiecki. Vorläufige Mittheilung. (Aus dem histologischen Labo- ratorium in Kiew.) Hierzu Tafel XXIX. Seit® 281 399 415 420 Die peripherische markhaltige Nervenfaser. Von Dr. Julius Hermann Kuhnt.(Aus dem anatomischen Institut in Rostock.) Hierzu Taf. XVII. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Knorpelfische. Von Alexander Schuttz.” Hierzu Tafel XX.’ v0, hi Ueber das Eosin als Reagens auf Iämoglobin und die Bildung von Blutgefässen und Blutkörperchen bei Säugethier- und Hühnerembryonen. Von Dr. N. Wissozky, Docent der kaiserl. Universität zu Kasan. (Russland) Hierzu Tafel XXXI. le real ; Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. Von Dr. M. Lavdowsky. Hierzu Tafel XXXI—XXXV Die Bindesubstanz der Acephalen. Von Prof. Kollmann in München. Mit Tafel XXXVI und XXXVI . . ..7.% Al na Ueber unmittelbare Einmündung kleinster Arterien in Gefüssäste venösen Charakters. Von Prof. H. Hoyer in Warschau. Hierzu Tafel XXXVII und XXXIX. 2. MU EBEN ; Beiträge zur anatomischen Re nelogiechei Technik. Von Prof. H. Hoyer in Warschau. 2 - Cudul s Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes, nö SÜRERRENERN zur - Phylo- genese der Drüsen des Darmrohres. Von Dr. Ludwig Edinger. Hierzu Tafel XT, und XLI. (Aus dem anatom. Institute der Univer- sität. Strassburg.) N ee REN AR BEER 2 Sr En Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. Von Prof. Walther Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XLII. Berichtigung von Prof. E. Klein in London und Zusatz von Prof, Waldeyer EEE Ueber den Bau und die Thätigkeit er Dröien, ug; Mittheilung. Die Fermentbildung in den Drüsen. Von Dr. Moritz Nussbaum, Assistent am anatomischen Institut zu Bonn. Hierzu Tafel XL. Ueber formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon pisciformis. Ein Beitrag zur Histogenese des Thierorganismus. Von Dr. Aurel v. Török, Prof. in Klausenburg. Hierzu Taf. XLIV. Beitrag zur Kenntniss der modifieirten (Moll’schen) Schweissdrüsen des Lidrandes. Von Prof. Dr. Hubert Sattler. Hierzu zwei Ab- bildungen in Holzschnitt. “Kann, nes Spongicola fistularis, ein in Spongien wohnendes Hydrozoon. Von Franz Eilhard Schulze in Graz. Hierzu Tafei XLV, XLVI und XLVI. re ‚Au8 - u Ueber Bindesubstanz did Gefiheiäng im Gchwöfigeweie der Mu- scheln. Von Walther Flemming. Hierzu Tafel XLVIII, XLIX u. L. Ueber Conservations-Flüssigkeit für mikroskopische Objecte. Von Fr. Meyer, Apotheker a. D. Berichtigung. Von Balfour. Seite 427 465 47% 497 558 603 645 651 693 718 721 756 783 Ueber den feineren Bau der markhaltigen Nervenfasern von Dr. A. J. Lanterman. (Cleveland.) (Aus dem anatomischen Institute zu Strassburg.) Hierzu Taf. I. Bereits im verflossenen Jahre habe ich auf Veranlassung einer Arbeit von H. D. Schmidt (New-Orleans) »On the construction of the dark or double-bordered Nerve-Fibre« Monthly microscopical Journal, Mai 1. p. 200, eine kurze Mittheilung im Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften (1574 Nro. 45) gebracht, welche sich auf ein bisher kaum beachtetes Structurverhältniss der mark- haltigen Nervenfasern bezieht. Ich habe mittlerweile das Unter- suchungsverfahren, welches dieses Structurverhältniss am besten sehen lässt, weiter zu vervollkommnen gesucht und wünsche nun durch eine etwas genauere Beschreibung, sowie durch einige von Herrn Wittmaack naturgetreu gezeichnete Abbildungen meine frühere vorläufige Publikation zu ergänzen. Schon die frischen Nerven sänmtlicher Wirbelthiere zeigen in mehr oder minder grossen Abständen kleine, ringsum verlaufende Einkerbungen der Märkscheide, welche die Nervenfasern in einzelne kurze Abtheilungen bringen. Der Ausdruck »Einkerbungen« (inden- tations Clarke und D. H. Schmidt) bezieht sich auf Bilder, wie sie an Profilansichten des frisch untersuchten Nervenfaserrandes, oder häufiger noch an Osmiumpräparaten erscheinen. Man erhält da, vgl. Fig. 2. Taf. I, den Eindruck, als ob die Markscheide der Fasern durch schief zur Faserlängsaxe gerichtete Einschnitte von Strecke zu Strecke eingekerbt sei. In der That handelt es sich, wie namentlich die Osmiumpräparate lehren, um einzelne Ab- theilungen einer Nervenfaser, welche meist so miteinander verbunden Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd, 13. 1 8 A. J, Lanterman: sind, wie etwa opisthocoele oder procoele Wirbelkörper, das heisst, es steckt für gewöhnlich eine Abtheilung der Nervenfaser — wir werden sie der Kürze halber »Faserglieder« nennen — mit einem stumpf kegelförmig zulaufenden Ende in einer entsprechenden Aus- höhlung des folgenden, bez. voraufgehenden Glieds. Der Vergleich mit einer aus opisthocoelen oder procoelen Wirbeln gegliederten Säule passt um so besser, als diese Gliederung beim Nerven den Axencylinder nicht trifft, der also wie die Chorda, falls sie erhalten bliebe, continuirlich durch alle Glieder weiter zieht, einem Bande gleich, auf das die letzteren gleichsam aufgereiht sind. Dass es sich in der That um solche Gliederstücke handelt, be- weisen Zerzupfungspräparate von Nerven, welche mit Osmiumsäure behandelt wurden. Man kann dann leicht konstatiren, dass in der eben geschilderten Weise ein Glied in dem andern steckt, und wenn die Nerven bei der Präparation zu stark gezerrt werden, so fallen sie eben in diese einzelnen Glieder auseinander. Wir haben übrigens die obige Beschreibung in einzelnen Punkten zu modificiren und zu vervollständigen. Zunächst sind nicht alle Glieder von gleicher Länge, wenn auch ein gewisses Durchschnitts- maass für die einzelnen Thierspecies charakteristisch ist. Beim Menschen finden sich, soviel ich sehe, die kürzesten Glieder; sie haben eine Länge von 0,005—0,020 mm; beim Frosch sind sie er- heblich länger: 0,010—0,040 mm. Ausserdem habe ich noch die Nerven von einzelnen Fischen, Reptilien, Vögeln und Säugethieren untersucht und auch hier ziemlich constante Maasse angetroffen. Auch die Art und Weise, wie die einzelnen Glieder in einander stecken, ist nicht stets dieselbe. Man trifft mitunter eine grössere Anzahl von Gliedern, die in regelmässiger Folge an ihrem einen Ende zugespitzt, an dem andern ausgehöhlt sind, um die Spitze des folgenden Gliedes aufzunehmen. Dann schieben sich Glieder ein, die an beiden Enden zugespitzt, oder ausgehöhlt sind; natürlich sind die angrenzenden Nachbarglieder immer entsprechend gestaltet. Auf eine Reihe längerer Glieder von ganz gleichem Maass folgen einzelne kürzere und umgekehrt. | Durch die verschiedensten Behandlungsweisen der Nervenfasern kann man die besprochene Abtheilung derselben in Faserglieder zur Anschauung bringen. Ich habe bereits erwähnt, dass sie an frischen noch lebenden Nerven sehr deutlich zu sehen sind, z. B. an den Nerven des Mesenteriums eines lebenden Frosches oder an den ganz frischen Nickhautnerven desselben Thieres, sowie an den Ueber den feineren Bau der markhaltigen Nervenfasern. 3 Nerven der Pacinischen Körperchen vom Mesenterium der Katze. "Ausser der Behandlung mit Osmiumsäure, auf deren besondere An- wendung ich am Schlusse noch zurückkomme, empfiehlt sich die einfache Tinction des frischen Nerven in Terpentinöl, welches mit Alkannin gefärbt ist, die Behandlung mit Chloroform oder mit Col- lodium nach Pflügers Vorschrift, oder mit dünner Chromsäurelösung von 1: 5000. Ist die Osmiumbehandlung recht gut gelungen, so bekommt man Bilder wie Fig. 3 sie darstellt: die Grenzen der einzelnen Faserglieder erscheinen da wie schmale, etwas dunklere Ringe, welche um die Fasern gelegt sind. Dieselben Bilder erhält man mit Chloroform oder mit dem alkanninhaltigen Terpentinöl, und scheinen mir gerade diese Bilder die Verhältnisse, wie sie am Jebenden Nerven bestehen, möglichst unverändert wieder zu geben. Sehr be- achtenswerth ist das Verhalten der Kerne, welche an der Innenfläche der Schwann’schen Scheide gelegen sind, zu den Fasergliedern. Man sieht nämlich dieselben an manchen Präparaten derart disponirt, dass auf jedes Faserglied je ein Kern kommt. Es gelingt freilich nicht an jeder Nervenfaser dieses Verhalten mit voller Klarheit zur Anschauung zu bringen, zumal an den Osmiumpräparaten die Kerne nicht leicht zu sehen sind; ich constatirte dasselbe aber so oft, dass ich nicht zweifle, die Kerne seien meist so angeordnet, und jedes Faserglied entspreche einer Kernabtheilung der markhaltigen Nerven- fasern. | Die Schwann’sche Scheide erscheint an den Kerbstellen häufig nicht unterbrochen, sondern zieht sich, wie günstige Präparate lehren, von einem Fasergliede auf das andere wie eine dünne Linie fort, vgl. Fig. 2. Die Trennungslinie scheint daher nur im Marke zu liegen; es ist übrigens unmöglich zu bestimmen, ob sie das ganze Mark betrifft, oder ob nicht doch eine dünne Schicht desselben auf dem Axencylinder auch an den Kerbstellen liegen bleibt. Ausser von H. D. Schmidt, dessen Angaben ich in meiner vorläufigen Mittheilung in extenso angeführt habe, liegen ältere Angaben von Remak, Stilling, Lockhart Clarke und neuere Notizen von Axel Key und Retzius, Thin, Ranvier, Frey und M’Carthy vor, welche ähnliche oder gleiche Verhältnisse berühren und welche hier noch zu besprechen sind. Remak (Froriep’s Neue Notizen III. Band 1837, p. 38) spricht ganz kurz von »in einander gesteckten Trichtern« bei der Beschreibung des Ausschens der Nervenfasern, doch lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob er dasselbe meint, was hier in Rede 4 A. J. Lanterman: steht. Dasselbe Bild gebraucht Stilling (Ueber den Bau der Nervenprimitivfaser und der Nervenzelle, Frankfurt a./M. 1856 p. 14). Taf. II, Fig. 16, 17 und 23 bildet er auch unverkennbar die Ein- kerbungen ab, erwähnt aber das Verhalten zu den Kernen nicht und legt überhaupt keinen Werth auf diese Bildungen, da er seine Beweisführung auf die Existenz der von ihm beschriebenen Elemen- tarröhrchen concentrirt. Clarke in seiner gegen Stillings Ele- mentarröhrchen gerichteten Arbeit (Observations on the structure of Nerve-Fibre, Quart. Journ. micr. Se. Vol. 8. 1860. p. 72) gebraucht zuerst für die hier besprochenen Bildungen den Ausdruck »Inden- tations« or »fissures«, hält sie aber für Kunstproducte. Die Angaben Thin’s sind späteren Datums als meine vor- läufige Mittheilung; ausserdem sind sie in der mir bisher bekannt gewordenen Fassung so formulirt, dass ich nicht im Stande bin, zu entscheiden, ob Thin dasselbe meint, was hier beschrieben wird, oder ob er, wie er selbst sagt, nur die gleich zu besprechenden ächten Ranvier’schen Schnürringe gesehen hat. Es heisst (On the anatomy of the connective tissue, Proceed. royal Soc. Nro. 158, 1875): »In nerve-bundles after 24 hours’ maceration in aqueous humour, some of the medullated fibres may be seen to have their contour broken transversely by straight hyaline spaces. The author assigns this appearance to the peculiarity of structure described by Ranvier.« Da bis jetzt keine Abbildungen vorliegen, ist es in der That schwer, darüber zu entscheiden, was Thin gesehen hat. Die von Frey p. 314 und 316 in der 4. Auflage seines Lehr- buches der Histologie gegebenen Abbildungen lassen ebenfalls die Einkerbungen erkennen. Das gleiche gilt von einzelnen Figuren zu der bekannten Abhandlung von A. Key und Retzius im neunten Bande dieses Archivs. Auf die Ranvier’schen Schnürringe (anneaux constriceteurs) und ihr Verhältniss zu den hier in Rede stehenden Fasergliedern muss ich eiwas näher eingehen, um so mehr, als diese höchst inte- ressanten Bildungen noch nicht die Beachtung gefunden zu haben scheinen, welche sie verdienen. Obgleich diese Schnürringe schon 'an älteren Abbildungen markhaltiger Nervenfasern uns begegnen, z. B. bei Ecker, Icones physiol. Leipzig 1854, Taf. 13 Fig. VII, wo der Verfasser expressis verbis auf die »eingeschnürte« Stelle in der Figurenerklärung aufmerksam macht, muss ohne Zweifel Ranvier als ihr Entdecker angesprochen werden; er hat diese Bildungen zu- Ueber den feineren Bau der markhaltigen Nervenfäsern. 5 erst als regelmässige erkannt, sie nach verschiedenen Richtungen hin untersucht und ihnen eine sehr beachtenswerthe physiologische Deutung gegeben, welche ich, namentlich mit Rücksicht auf das Ver- halten der Silberpräparate, vollauf acceptiren möchte. Die jüngsten mir zugängigen Angaben über die Schnürringe in Frey’s Grund- zügen der Histologie p. 205, sprechen sich noch etwas zweifelnd aus; Eichhorst in einer unter EE Neumann’s Leitung angestellten Untersuchung (Virchows Arch. LIX. Band: »Ueber Nervenregene- ration«) hat sie überhaupt für unbeständige Dinge, für Kunstprodukte angesehen. Diesem gegenüber bemerke ich zuvörderst, dass ich die Angaben Ranviers durchaus bestätigen kann und die Schnürringe für eine regelmässige anatomische Einrichtung an den markhaltigen Nervenfasern ansehe. Wem noch Zweifel bleiben, dem empfehle ich besonders die Silbertinction, bei der die von Ranvier so treu be- schriebenen Figuren der lateinischen Kreuze an den Nervenfasern auftreten. Der Längsbalken des Kreuzes besteht aus einem in Silber tingirten Stücke des Axencylinders, an welchem man auch — vgl. die Abbildungen bei Ranvier und Frey (Grundzüge der Histologie 1875) — noch die nach Silberbehandlung auftretenden Querstreifen erkennen kann; der Querbalken entspricht dem geschwärzten Schnür- ringspalt. Vorzügliche Bilder erhält man von den Nervenstämmen des Diaphragmas kleiner Säuger (Ratte, Meerschweinchen) nach Behandlung des Diaphragmas mit Silber nach v. Recklinghausens Vorschrift. Leider sind die Präparate nicht dauerhaft, da die Nach- dunkelung die Figuren der lateinischen Kreuze in einigen Wochen mehr oder weniger verwischt. - Aber auch an frischen Nerven, an Osmium- und Chloroformpräparaten sieht man die Schnürringe bei allen Thieren mit solcher Regelmässigkeit an den markhaltigen Nervenfasern auftreten, dass an der Richtigkeit der thatsächlichen Angaben Ranviers und der Deutung der Schnürringe als regu- lärer Bildungen kein Zweifel obwalten kann. Es ergibt sich aber zugleich an solchen Präparaten, dass die hier beschriebenen Einkerbungen von den Schnürringen ganz verschieden sind. Zunächst treten Bilder, wie die lateinischen Kreuze, an der Grenze zweier Faserglieder nicht auf; überhaupt ist das Silbernitrat ein sehr wenig günstiges Reagens für die Faserglie- derung; dann liegen die einzelnen Kerbstellen viel näher an ein- ander als dieSchnürringe, und endlich ist die Form beider Bildungen durchaus verschieden. Es ist nicht nöthig, hier weiter auf diese Dinge einzugehen, da ein Blick auf ein gelungenes Osmiumpräparat, 6 A. J. Lanterman: welches Beides zur Erscheinung bringt, ohne Weiteres das hier vor- gebrachte bestätigt. Fragen wir nach allem diesen nach der Bedeutung der Kerb- stellen und Faserglieder, so dürfen wir zweierlei Antwort fordern: Es handelt sich nämlich darum, festzustellen 1) ob die Faser- glieder Kunstproducte sind und 2) falls sie keine Kunstproducte sind, wie sie zu erklären seien. Dass in den Fasergliedern ein normales Structurverhältniss der markhaltigen Nervenfasern vorliege oder, um mich vorsichtiger über diesen schwer zu entscheidenden Punkt auszudrücken, dass die Gliederzeichnung durch ein normales Strukturverhältniss bedingt sei, dürfte nach dem Mitgetheilten kaum noch zweifelhaft sein. In erster Linie ist hier zu betonen, dass man die Einkerbungen am lebenden Nerven sehen kann und dass die Kerne an der Innenfläche der Schwann’schen Scheide in einem bestimmten Verhältnisse zu den Gliedern zu stehen scheinen. Wenn ferner Reagentien so verschie- dener Art, wie die vorhin aufgeführten, ein- und denselben Er- folg erzielen, so darf man den beregten Bildungen wohl mehr als den Charakter rein zufälliger oder künstlich gemachter Dinge vin- dieiren. Immerhin schien es mir nicht überflüssig, auch unter der Annahme, dass diese Erscheinung durch die Präparation an den Nerven erst hervorgerufen werde, auf ihre grosse Constanz hinzu- weisen, und die eigenthümlichen Bilder, welche sie uns vorführt, eingehender zu besprechen, als es bisher gesehehen ist. Halten wir aber die Faserglieder für natürliche Bildungen, so dürfen wir zur Erklärung derselben, mit Rücksicht. auf das angegebene Verhalten der Kerne, diejenige Bedeutung für sie in Anspruch nehmen, welche Ranvier für die zwischen zwei seiner Schnürringe gelegenen Nervenabtheilungen angenommen hat, d. h. die Faserglieder werden wahrscheinlich den einzelnen Zellen entsprechen, aus deren Zusam- menwachsen je eine Nervenfaser entsteht, wenn wir der Ansicht von der Entwickelung der Nervenfasern folgen, welche zur Zeit am besten gestützt erscheint. Wenigstens kann ich bestimmt behaupten, dass beiallen von mir untersuchten Thierspecies die Zahl der Nerven- kerne erheblich grösser ist, als die der Ranvier’schen Schnürstücke. In meiner vorläufigen Mittheilung 1. c. hatte ich sub Alin. 6 noch einer eigenthümlichen Bildung Erwähnung gethan, welche an Osmiumpräparaten hervortritt, und welche jüngst von Me Carthy: Some remarks on Spinal Ganglia and Nerve-Fibres, Quarterly Journ. mier. Sc. October 1875 p. 377 bestätigt worden ist. Mc Carthy Ueber den feineren Bau der markhaltigen Nervenfasern. 7 bespricht auch meine Angabe, aber in einer nicht zu billigenden Weise, indem er das Falsche daran citirt, das Richtige, und zwar einen Vergleich, den er selbst braucht, aber auslässt, so dass er dann zum Schluss sagen kann, es habe noch Niemand vor ihm diese Bildungen gesehen. Ich hatte eine eigenthümliche Stäbehenstrucetur des Nervenmarkes, gegen Schmidts Darstellung opponirend, mit folgenden Worten beschrieben. »Die von Schmidt l. ce. s. beschrie- bene Faserschicht unterhalb des Neurilems habe ich nicht gesehen; dagegen erhielt ich Bilder ähnlich den von Stilling beschriebenen, als sei das Mark aus kleinen Röhrchen (Stilling) zusammenge- setzt. Darf man den Osmiumpräparaten trauen, so möchte ich annehmen, dass sich das Mark aus kleinen stäbchenförmigen Ele- menten aufbaue, welche in schräger Richtung, aber sämmtlich parallel, vom Axencylinder zum Neurilem verlaufen, ähnlich den Stäb- chen, welche von Heidenhain u. A. jüngst in manchen Epithelzellen beschrieben wordensind. Ob diese Stäbchen hohl seien, vermag ich zur Zeit nicht zu entscheiden.« Genau diese Stäbehenstructur des Markes hat nun neuerdings Mc Carthy beschrieben und die Stäbchen ebenfalls ausdrücklich mit den Heidenhain’schen Nierenstäbchen verglichen. Aus meiner vorläufigen Mittheilung eitirt er aber nur den ersten Satz, worin der von Stilling beschriebenen Bilder gedacht wird und kann dann allerdings mit scheinbarem Rechte sagen, dass die von mir gesehenen Bildungen mit den von ihm beschriebenen nicht identisch sein könnten. Er hätte aber auch den zweiten Satz hinzufügen müssen und sich dann in seinem Urtheile bezüglich der Priorität seiner Angaben etwas vorsichtiger ausdrücken können. Denn offenbar spricht der zweite hier eitirte Satz meiner vorläufigen Mittheilung meine Auffassung der Sache am klar- sten und entschiedensten aus. Dass ich Stilling citirte, geschah ein- fach deshalb, weil ich zur Zeit meiner vorläufigen Mittheilung dessen Originalarbeit mir nicht hatte verschaffen können; ich war daher einfach auf die Citate Anderer angewiesen, und die lauteten zum Theil so unbestimmt, dass ich wohl zu der Annahme berechtigt war, das, was Stilling beschrieben habe, sei vielleicht dasselbe mit meinen Angaben gewesen. Ueber die Arbeiten eines so verdienten Forschers wie Stilling wollte ich aber nicht einfach hinweg- gehen und erinnerte desshalb an dieselben, selbst auf die Gefahr hin, es überflüssig gethan zu haben und mich Missverständnissen auszusetzen. Jetzt weiss ich, nach Einsicht des Stilling’schen Originalwerkes, 1. c., sehr wohl, dass seine Röhrchen, wieMe Carthy 8 A. J. Lanterman: Ueber den feineren Bau der markhaltigen Nervenfasern. richtg bemerkt, durchaus nichts mit der von mir und Me Carthy beschriebenen Stäbehenformation zu thun haben ; wenigstens stimmen die Abbildungen nicht. Me Carthy hat die Stäbchenbildungen genauer verfolgt als ich; er hat gezeigt, dass sie genau radiär ver- laufen, wenn man an Längs- und Querschnitten untersucht und dass die schräge Richtung, von der ich sprach, nur am Flächenbilde her- vortritt. Ich will auf diese genaueren Details, da dieMc Carthy’sche klare Darstellung mit guten Abbildungen vorliegt, nicht weiter ein- gehen und begnüge mich damit, constatirt zu haben, dass meine frühere Darstellung in den wesentlichsten Punkten mit seinen Be- funden in Uebereinstimmung gewesen ist. Schliesslich muss ich noch auf die zierliche netzförmige Zeich- nung aufmerksam machen, welche an den Osmiumpräparaten oft in sehr grosser Regelmässigkeit hervortritt, vgl. Fig. 2. Was dieselbe bedeute, vermag ich zur Zeit nicht anzugeben. Bezüglich des Untersuchungsverfahrens führe ich an, dass man am besten die ganz frischen Nerven in eine Osmiumlösung von 1: 1000 für 15—30 Minuten einlegt, bei dünneren Lösungen sind 1—2 Stunden nöthig. Die Nervenscheide braucht vorher nicht be- seitigt zu werden; hat man sie jedoch entfernt, so lässt sich die Dauer der Einwirkung des Reagens abkürzen. Man kann die Nerven nachher in Kali aceticum, Glycerin oder Damarlack etc. einbetten. Ich ziehe den Lackeinschluss, da er klarere Bilder gibt, vor!). Erklärung der Abbildungen auf Tafel I. Fig.1. Markhaltige Nervenfaser vom Hunde, Osmiumpräparat. Fig. 2. Markhaltige Nervenfaser vom Frosch. a Schwann’sche Scheide, brückenförmig über die Einkerbungen hinwegziehend. b Neurilem. ce Faserglieder mit feinen netzförmigen Zeichnungen. Osmium. Fig. 3. Markhaltige Nervenfaser vom Frosch; die Faserglieder erscheinen nicht durch Einkerbungen, sondern durch einfache Querbänder von einander getrennt. Alkannin-Terpentin-Präparat. 1) Die im Frey’schen Laboratorium angestellten Untersuchungen von Toel konnten leider nicht mehr berücksichtigt werden, da die betreffende Dissertation: »Die Ranvier’schen Schnürringe markhaltiger Nervenfasern und ihr Verhältniss zu den Neurilemmakernen«, Zürich 1875, zu spät in meine Hände gelangte. Waldeyer., Rhizopodenstudien von Franz Eilhard Schulze. vl. Hierzu Tafel II. und II. 1. Ueber den Kern der Foraminiferen. Die Aufgabe, die bis jetzt bekannten Rhizopoden nach ihrer natürlichen Verwandtschaft oder, was dasselbe ist, nach ihren phylo- genetischen Beziehungen zu gruppiren, wird, ganz abgesehen von der Unsicherheit der in Betracht kommenden geologischen Urkunden, einerseits durch unsere Unbekanntschaft mit ihrer Ontogenie, andrerseits durch die Lückenhaftigkeit unserer Kenntnisse von ihrem anatomischen Baue sehr erschwert. Ist es doch bisher noch nicht einmal gelungen, bei einer ihrer gestaltenreichsten Abtheilungen, bei den kalkschaaligen Foraminiferen, die Frage nach dem Fehlen oder Vorhandensein des Kernes zu entscheiden !). Ich gestehe, dass gerade diese letztere Frage mir bei dem Be- streben, eine bestimmte Vorstellung von den Verwandtschaftsver- hältnissen der Rhizopoden zu gewinnen, so hindernd in den Weg trat, dass ich beschloss, noch einmal den Versuch zu ihrer Lösung zu machen, bevor ich es wagte, die während meiner Rhizopoden- studien und durch dieselben gewonnenen Vorstellungen von den ver- wandtschaftlichen Beziehungen der Rhizopoden unter einander, zu einem abgerundeten Ganzen verbunden, hier mitzutheilen. 1) Man vergleiche die Nachschrift zu diesem Aufsatze. 10 Franz Eilhard Schulze: Dem Berichte über die zu diesem Zwecke angestellten Unter- suchungen und deren Ergebnissen will ich zunächst eine kurze Zu- sammenstellung der betreffenden Angaben früherer Forscher vor- ausschicken. Von den älteren, ohne ausreichende optische Hülfsmittel aber mit um so mehr Phantasie entworfenen Beschreibungen des Fora- miniferenweichkörpers, wie sie d’Orbigny und Andere gaben, will ich dabei absehen und zuerst die Angaben des um die Erkenntniss der Organisation der Rhizopoden so hoch verdienten Dujardin be- rücksichtigen. Dieser Forscher fasste den Weichkörper der Rhizo- poden überhaupt und speziell den der Foraminiferen als eine gleich- artige feinkörnige kontraktile Substanz ohne irgend welche morpho- logisch differenzirten Gebilde im Innern auf, und nannte sie Sarkode!). Wenn nun gleich dem gegenüber einzelne Forscher wie z. B. Ehrenberg, Harting u. A. noch an einer höheren Organisation des Foraminiferenkörpers, derjenigen der Bryozoen, Polypen etc. vergleichbar, festhalten wollten ?),. so stimmten doch die meisten be- deutenden Zoologen, besonders Milne Edwards, Deshayes und später der bekannte Foraminiferenforscher Williamson auf Grund eigener Untersuchungen den Angaben Dujardins durchaus bei. Auch die für die Kenntniss des Foraminiferenkörpers besonders wichtigen und bedeutungsvollen, sogleich eingehender zu berück- sichtigenden Untersuchungen von Max Schultze führten im Wesentlichen zu einer Bestätigung der Auffassung Dujardins. »Die Grundmasse des von der Kalkschaale umschlossenen Weich- körpers«, soschreibtMax Schultze inseinem Werke: Ueber den Organismus der Polythalamien. 1854. p. 19, »ist eine farbiose, äusserst feinkörnige, zähe Substanz, derjenigen der contractilen Faden (der Pseudopodien) dem Ansehen noch durchaus gleichend, ebenso wie sie zahlreiche kleine Körnchen und kleine Fetttröpfchen einschliessend. Ausser diesen enthält sie stets grössere Fetttropfen von 0,001—0,002‘' Durchmesser und Farbstoffbläschen von molekulärer Kleinheit bis zu 0,003—0,004° Durchmesser« ; ferner ebendaselbst pag. 20: » Ausser den Farbstofien finden sich in dem Körper der Foraminiferen gleich- mässig zerstreut äusserst blasse Bläschen von 0,002--0,003‘ Durch- messer, theils ganz homogen, theils fein granulirt oder mit einzelnen 1) Annales des sciences nat. Zool. 1835. T. V. p. 343. 2) Abhandlungen der Berliner Akademie 1839. p- 106. Rhizopodenstudien. 11 Körnchen erfüllt«. Kernhaltige Bläschen, die in dem gewöhnlichen Sinne als Zellen gelten könnten, finden sich durchaus nicht unter ihnen.« Deutliche Zellkerne konnte Max Schultze mit Sicherheit nur bei Gromia oviformis und bei einer Gromia ähnlichen, provi- sorisch der Gattung Ovulina zugerechneten zweifelhaften Foraminifere in Gestalt von hellen, mit kleinen sehr blassen Bläschen dicht er- füllten Kugeln nachweisen, welche bei jüngeren Individuen eine oder zu zweien in der Mitte, bei älteren in grösserer Zahl nahe dem blinden hinteren Ende frei in die feinkörnige Grundmasse eingebettet lagen. Die Versuche, bei den vielkammerigen Foraminiferen etwas diesen Kernen Aehnliches zu entdecken, hat er selbst als gescheitert bezeichnet; indessen stiess er doch hie und da auf eigenthümliche Gebilde, welche er zwar nicht für Zellkerne ausgeben wollte, bei denen er aber immerhin die Möglichkeit einer solchen Deutung nicht ganz ausschliessen zu dürfen meinte. So giebt er z. B. an, bei einigen Exemplaren junger Rotalia veneta in der unverletzten ersten Kammer einen hellen Fleck erkannt zu haben, welcher auch bei Essigsäurezusatz sich erhielt, jedoch auf keine Weise isolirt und histologisch untersucht werden konnte, allerdings in vielen anderen Exemplaren gänzlich zweifelhaft blieb. Bei Textularia picta konnte er aus jeder der beiden letzten Kammern ein kernartiges Gebilde isoliren, welches sich als ein zäher solider Körper ohne anderen als feinen Körncheninhalt darstellte. Jedoch versichert M. Schultze ausdrücklich, dass er bei seinen zahlreichen Untersuchungen junger durchsichtiger Foraminiferen häufig mit aller Entschiedenheit die Abwesenheit eines solchen Kernes habe feststellen können. Aus diesen Ergebnissen der durch ihre Genauigkeit und Gründ- lichkeit mit Recht berühmten Untersuchungen Max Schultze’s durfte man demnach wohl den Schluss ziehen, dass die kalkschaligen Foraminiferen kernlos seien. Zu dem gleichen Resultate sind die meisten späteren Forscher gekommen, welche seibstständige Untersuchungen über den Bau des Foraminiferenkörpers angestellt haben, vor Allem der als Fora- miniferenkenner hochberühmte Carpenter, welcher auf pag. 14 seiner Introduction to the study of the Foraminifera sich über diesen Punkt folgendermassen ausspricht: »In the cases, in wich this differen- tation has proceeded furthest, so that the body of the Rhizopod 12 Franz Eilhard Schulze: bears thestrongest resemblance to an ordinary »cell« (asisthe case with Amoeba and its allies), a nucleus may be distinetly traced; in those, on the other hand, in which the original protoplasmic condition is most completely retained (as seems to be the case with Gromia, and with the Foraminifera generally) no nucleus can be distinguished.« Dem entsprechend findet sich denn auch die Kernlosigkeit der kalkschaligen Foraminiferen in fast sämmtlichen neueren Lehr- und Handbüchorn als feststehende Thatsache stillschweigend oder ausdrück- lich angenommen. Den prägnantesten Ausdruck hat dieser Auffassung noch vor Kurzem Haeckel in seiner Gastraea-Theorie I p. 29 des Separat- abdruckes in folgenden Worten gegeben: »Bei den Urthieren (Pro- tozoa) besteht der ganze Körper entweder 1) aus einer einfachen Cytode, (Moneren, Monothalamien) oder 2) aus einem Aggregate von Oytoden (Polythalamien) oder 3) aus einer einfachen Zelle (Amöben, emzellige Gregarinen, Infusorien) oder 4) aus einem Aggre- gate von einfachen gleichartigen Zellen (vielzellige Gregarinen, Synamöben) oder endlich 5) es sind zwar die Zellen des Körpers in geringem Grade differenzirt, aber sie bilden noch keine Keim- blätter und umschliessen noch keine wahre Darmhöhle.« Obwohl ich nun selbst bereits früher bei einer Foraminifere, nämlich bei Quinqueloculina fusca, Brady einen Kern mit Kern- körperchen aufgefunden und von dieser Beobachtung auch in diesem Archive Bd. XI p. 136 Mittheilung gemacht hatte, so hatte ich doch andrerseits die Erfahrung häufig genug machen müssen, dass weder bei der einfachen Betrachtung der Foraminiferen im unversehrten Zustande noch beim Durchmustern der durch Zertrümmern der Schale frei gewordenen Sarkode gewöhnlich Zellkerne wahrgenommen werden können, aber freilich ‚auch deren Abwesenheit keineswegs mit Sicherheit behauptet werden kann, weil einerseits die Schale oder die im Weichkörper vorhandenen Fettkügelchen, Farbstoffkörnchen, Speisereste, ja die körnige Sarkode selbst den Einblick in das Innere des lebenden Thieres hindern, und andrerseits sich zwischen . den Trümmern eines zerdrückten Kalk- oder Sandgehäuses ein etwa vor- handener Kern leicht verbergen kann. So nahm ich mir denn vor, zunächst kleinere Foraminiferen mit sehr zarter durchsichtiger Schale bei starker Vergrösserung im Leben zu studiren und alsdann sowohl bei diesen als auch bei Rhizopodenstudien. 13 einigen grösseren Formen den Weichkörper durch Anwendung von Säuren seiner Kalkhülle zu entkleiden und darauf mit Tinktions- mitteln zu behandeln, um den etwa vorhandenen Kern schärfer zu markiren. Wenn es mir nun gelungen ist, auf jedem dieser beiden Wege zu einem positiven sicheren Resultate zu gelangen, so ist dies haupt- sächlich dem glücklichen Umstande zu danken, dass ich durch die von der K. K. Oesterreichischen Regierung in Triest errichtete und mit dem zoologischen Institute der Grazer Universität in Verbindung gesetzte zoologisehe Station in Triest den ganzen Winter hindurch zahlreiche lebende Foraminiferen verschiedener Art frisch auf mei- nen Arbeitstisch geliefert erhalten und somit in Ruhe und mit allen Hülfsmitteln ausgerüstet, zunächst die zweckmässigste Untersuchungs- methode ermitteln und alsdann mittelst derselben grosse Mengen von Foraminiferen untersuchen konnte. In der an den Küsten des Adriatischen Meeres zwischen zar- ten Algen und Diatomeenrasen ziemlich häufigen Eintosolenia globosa Williamson, fand ich zunächst eine Anzahl von Bedingungen ver- einigt, welche mir für meine Bemühungen in der oben zuerst er- wähnten Richtung Aussicht auf Erfolg zu versprechen schienen. Diese nur circa 0,2 Mm. grosse einkammerige Foraminifere ge- hört zu den Perforata und zwar zur Familie der ZLagenidae, hat eine zarte glatte, von vielen äusserst feinen Poren durchbohrte hya- line Kalkschale von eiförmiger oder sackförmiger gewöhnlich seitlich ein wenig abgeplatteter Gestalt, an deren einem schwach abgestutzten Ende sich die Schalenwand nach innen umschlägt, um in eine ziemlich grade lange Röhre überzugehen, welche tief in das Innere (oft über die Hälfte) eindringt und hier dann offen endigt. An dem der Mündung gegenüberliegenden geschlossenen Schalen- ende findet sich oft eine geringe Zuspitzung. Die gänzlich farblose Kalkschale selbst ist ausserordentlich dünn, ganz glatt und bei der grossen Feinheit ihrer zahlreichen Po- ren so völlig durchsichtig, dass sie die Betrachtnng des inliegenden Weichkörpers in keiner Weise stört. Dieser letztere füllt gewöhnlich das Einen des Gehäuses voll- ständig oder fast vollständig aus, kann aber auch auf einen in dem hinteren Theile gelegenen Klumpen reduzirt erscheinen, wie es be- sonders bei schlecht genährten Thieren der Fall zu sein pflegt. Zwar finden sich auch hier, wie bei den meisten Foraminife- 14 Franz Eilhard Schulze: ren, in dem feinkörnigen Protoplasma zahlreiche grössere und klei- nere stark lichtbrechende, währscheinlich fettartige, theils farblose, theils braungefärbte rundliche Körperchen eingebettet, indessen ge- lang es mir doch bei allen genauer geprüften Exemplaren dieser Entosolenia in einer bestimmten Region des Weichkörpers, nämlich in der Nähe des hinteren Endes etwas neben der Centralaxe schon an den lebenden Thieren einen deutlich markirten hellen kugeligen Körper zu erkennen, dessen Form und Lage am Besten bei lang- samem Umwälzen des Thieres mittelst eines schwachen Wasserstro- mes festgestellt werden konnte. Dass übrigens wirklich ein besonde- rer kugeliger Körper und nicht etwa nur eine Vakuole oder eine körnchenfreie Plasmaparthie vorlag, liess sich schon aus der Con- stanz seiner Lage und seines Vorkommens, ferner aus den, wenn auch theilweise verdeckten, so doch scharfen Conturen, so wie aus dem von der Umgebung völlig differenten stärkeren Lichtbrechungs- vermögen besonders in solchen Fällen erschliessen, in welchen der Weichkörper der Entosolenia durch längeres Fasten auf einen klei- nen im Hinterende der Schale gelegenen Klumpen zusammenge- schrumpft war. Indessen konnte in dieser Beziehung auch volle Sicherheit erreicht werden. Nach Zusatz von etwas verdünnter Essigsäure oder von Holzessig zu dem das lebende Thier enthalten- den Wassertropfen, trat zunächst in der bis dahin nur ganz undeut- lich punktirt erscheinenden Schale eine eigenthümliche Trübung ein, indem die für gewöhnlich schwer sichtbaren feinen Poren deut- lich wurden, darauf löste sich die Schale fast vollständig auf, und es erblassten die zahlreichen im Weichkörper enthaltenen fettglän- zenden Kügelchen so sehr, dass der jetzt durch eine ganz scharfe Randcontur gegen die blasse Umgebung deutlich abgesetzte, dureh und durch feinkörnig getrübte kugelige Körper als ein zweifelloser Zellkern hervortrat (Taf. II, Fig. 2). Schwieriger als hier wurde mir der Nachweis des Kernes bei vielkammerigen Foraminiferen. Aus mehreren Gründen wählte ich zum Ausgangspunkte die- ser Untersuchung die im Sande der Europäischen Küsten so über- aus häufige Polystomella striatopunctata Fichtel und Moll. Erstens konnte ich diese Form in verschiedenen Varietäten und verschiede- ner Grösse stets frisch in Menge haben, zweitens versprach der re- gelmässige Bau eine gewisse Erleichterung des Studiums, drittens fand ich, dass gerade die Schale von Polystomella verhältnissmässig Rhizopodenstudien. 15 wenig organische Masse enthält, hier also durch Anwendung schwa- cher Säuren die Weichkörper wirklich so vollständig frei gelegt werden konnten, dass kein erheblicher organischer Schalenrest als unbequemes Hinderniss der Untersuchung zurückbleibt. Als ein besonders wichtiger Grund aber, grade die Polystomella zu wählen, erschien mir der Umstand, dass hauptsächlich an dieser Form die bedeutendsten früheren Beobachter, wie Max Schultze und Car- penter ihre Untersuchungen über den Foraminiferenweichkörper angestellt hatten. Bekanntlich haben die in einer uhrfederartig gewundenen Spi- rale auf einander folgenden und nach ihrer Folge an Umfang wach- senden, symmetrisch zur Spiralebene gebildeten Kammern im Allge- meinen die Gestalt einer nach der Fläche gebogenen V-förmigen Kapsel mit vorderer Convexität, von deren zugeschärftem Seiten- rande jederseits eine Reihe fingerförmiger Fortsätze nach hinten abgehen, um sich, äusserlich vorspringend, an die nächsthintere Kam- merwand anzulegen. Nur die allererste, im Centrum des linsen- förmigen Thieres gelegene Kammer hat Kugelform. Diese Verhältnisse lassen sich zwar schon am unversehrten Thiere, besonders jüngeren Exemplaren, ermitteln, weit leichter und besser aber nach der Auflösung der Kalkschale an dem alsdann allein zurückbleibenden körnerreichen Weichkörper erkennen. Die- ser letztere pflegt nämlich das Innere sämmtlicher Kammern, mit Ausnahme etwa der letzten, so vollkommen auszufüllen, dass er einen vollständigen Ausguss des ganzen Gehäuses darstellt (Taf. I. Fig. 4). Schon Max Schultze war es gelungen, mittelst dieser Methode der Freilesung des körnigen Sarkodekörpers durch Auf- lösen der Kalkschale (mit verdünnter Salpetersäure) die oben erwähnten Form- und Lagebeziehurgen der einzelnen Kammern festzustellen, doch hat derselbe die Art der Verbindung der in den verschiedenen Kammern enthaltenen Weichkörpersegmente mit ein- ander nicht erkannt. Er sagt S. 34 seines Buches: »Ein Zusam- menhang der einzelnen Abtheilungen des Thieres (Polystomella stri- gillata) lässt sich nach Auflösen der Schale mit Säuren nicht nach- weisen, den feinen, am Grunde jeder Kammer gelegenen Siphonen entsprechende Lücken sind auch bei grösster Vorsicht nicht aufzu- finden. Die einzelnen Kammerausfüllungen lassen sich isoliren, ohne dass eine Spur eines früheren direkten Zusammenhanges an ihnen zu entdecken ist«, und auch an seiner Zeichnung Taf. V. 12—13 16 Franz Eilhard Schulze: ist keine Andeutung von Verbindungsbrücken der Weichkörperseg- mente zu sehen. Erst Carpenter hat diese Verbindungsstränge zwischen den benachbarten Segmenten entdeckt und dieselben 1862 in seiner Introduction of the study of the Foraminifera p. 279 mit folgenden Worten charakterisirt: From the neighbourhood of the inner arch of each segment, on the other hand, there proceeds a series of threads of sarcode much slenderer than the »retral processes« just described, which unite each segment to the two contiguous segments before and behind, passing through the row of pores already men- tioned as visible along the inner margin of the septum. The sub- stance forming the spiral lamina is finely tubular; but no such tubuli are diseernible in the septa, which exhibit ouly the > sheped rows of septal pores, whose number progressively increases with the dimensions of the septal plane and indications of interseptal canals etc. Ich selbst habe die Verbindungsstränge stets sehr deutlich ge- sehen und will hier der sehr kurzen Beschreibung Carpenters einige Ergänzungen hinzufügen. Die Sarkodebrücken, welche die aufeinanderfolgenden Weich- körpersegmente verbinden, sind stets drehrund und in der Mitte ein wenig eingeengt. Sie finden sich zwar im Allgemeinen in der von Carpenter angegebenen Weise parallel dem inneren Rande jedes Segments einreihig in > Form angeordnet, zeigen jedoch hinsicht- lich der Stellung sowohl an den zuerst gebildeten, also ältesten, als an den zuletzt gebildeten Septen grösserer Thiere insofern Ab- weichungen von dieser Regel, als die Verbindung zwischen dem In- halte der kugeligen Centralkammer und der zweiten schon flach gewölbten Kammer nur durch einen einzigen Verbindungsstrang hergestellt wird, auch die nächstfolgenden Segmente nur durch je ein oder höchstens 3 solcher Brücken verbunden werden und als zwischen den letzten, also jüngsten Segmenten grösserer Thiere, da, wo die beiden Schenkel des V zusammentreffen, nicht ein Verbin- dungsstrang, sondern gewöhnlich eine ganze Gruppe unregelmässig gestellter Verbindungsstränge zu sehen ist, welche sich oft weit gegen die Mitte der betreffenden Septalfläche erstreckt. Die Zahl der Brücken steigt im Allgemeinen mit der Ordnungszahl der Seg- mente in der Weise, dass etwa das fünfte Segment 3—5, das zehnte 6—8, das fünf und zwanzigste 14—16 Verbindungen zeigt u. S. w. Merkwürdig ist es mir gewesen, dass bei den von mir angewandten sogleich näher zu besprechenden Macerationsmethoden die Substanz Rhizopodenstudien. 17 der Verbindungsstränge nicht wie diejenige des übrigen in den Kammern geborgenen oder in Pseudopodienform vorgestreckten Weich- körpers durch Einlagerung zahlreicher Körnchen getrübt, sondern vielmehr durchaus hyalin und gleichmässig lichtbrechend erscheint, auch durch besonders starke Anziehungsfähigkeit für färbende Lösun- gen, etwa Campecheholzdekokt vor der körnigen Weichmasse sich auszeichnet. An isolirten Segmenten des Weichkörpers bemerkte ich oft ausser den fingerförmigen Fortsätzen der beiden Seitenränder und den eben beschriebenen nach vorne und hinten abgehenden dreh- runden Verbindungsbrücken noch einige mehr oder minder unregel- mässig geformte, gewöhnlich etwas verjüngt zulaufende symmetrisch und paarig gestellte Fortsätze des körnigen Sarkodeleibes, welche von den beiden V-förmig gestellten inneren Kanten schräge nach unten herabragten. Taf. II. Fig.5. Ich glaube diese übrigens ziem- lich unregelmässigen und variabeln Fortsätze auf Büschel von Sarkode- fäden beziehen zu müssen, welche durch die Poren von je zwei in radiärer Richtung aneinanderstossenden Kammern durchtreten und so diese in Verbindung setzen. Meine ersten Versuche in dem so gearteten Weichkörper der Polystomella striatopunctata einen Kern aufzufinden, richteten sich auf den Inhalt der central gelegenen kugeligen ersten Kammer; in- dessen wie mannichfach ich auch die Methoden der Untersuchung variirte, es gelang mir niemals, hier etwas einem Zellenkerne zweifel- los Entsprechendes wahrzunehmen. Zwar liessen sich häufig nach dem Auflösen der Schale mittelst Säuren oder Holzessig in der körnigen Sarkodemasse der Centralkammer einige helle rundliche Flecke erkennen, dieselben stellten sich aber beim Zerdrücken stets als einfache wandungslose Tropfen einer wahrscheinlich fettartigen Substanz heraus. Die Zahl solcher hellen Klümpchen schwankte sehr; häufig waren ihrer nur wenige, etwa 3—5 zu erkennen, in anderen Fällen stieg die Zahl bis auf 10 und mehr; zuweilen waren sie auch überhaupt nicht nachzuweisen. In der Fig. 4 der Taf. II. habe ich diese wahr- scheinlich aus einer fettähnlichen Substanz bestehenden Körper an- gegeben. Fast wäre ich nach diesem negativen Ergebnisse von weiteren Be- mühungen abgestanden, wäre mir nicht eines Tages bei einem mitttelst Holzessig der Schale entkleideten Thiere mitten in einem der Seg- mente mittlerer Ordnungszahl eine different erscheinende Stelle auf- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 2 18 Franz Eilhard Schulze: gefallen. Ich färbte alsbald den ganzen noch im Zusammenhange befindlichen Weichkörper der betreffenden Polystomella mit Cam- pecheholzdekokt und hellte ihn, da er hierbei ziemlich undurchsichtig geworden war, nachträglich durch Behandeln mit einer mässig ver- dünnten Ammoniaklösung wieder auf. Zu meiner grossen Freude sah ich nun an der vorhin bemerkten Stelle in der jetzt hellblau erscheinenden körnigen Sarkode einen violett gefärbten kugeligen Körper von etwa 0,056 Mm. Durchmesser, an welchem sich eine deutliche derbe äussere Membran, ein hellerer Inhalt und innerhalb des letzteren mehrere stark lichtbrechende rundliche Gebilde erkennen liessen, also ein Zellkern von fast typischem Baue. Als ich darauf eine grosse Anzahl von Polystomellen aller Varietäten und aller Altersstufen in der nämlichen Weise behandelte, fand ich in sämmtlichen Exemplaren den nämlichen Körper an entsprechender Stelle, wenngleich in verschiedener Modifikation wieder. Gewöhnlich war in jeder Polystomella nur ein solcher Kern zu finden und zwar lag derselbe dann immer in der Mitte einer der (der Ordnungszahl nach) mittleren Segmente; in seltenen Fällen traf ich indessen auch wohl zwei getrennte Kerne der gleichen Art in zwei aufeinander folgenden Segmenten; nur ein einziges Mal sah ich beide Kerne durch eine kernfreie zwischenliegende Kammer getrennt; und einmal fand ich sogar drei Kerne in einem Thiere, von denen zwei in aufeinander folgenden, der dritte in einem von diesen noch durch eine kernlose Kammer getrennten Segmente lag. Wenn sich nun auch die Ordnungszahl der den Kern beher- bergenden Kammer nicht durch eine bestimmte Ziffer oder einen all- gemein gültigen Zahlenausdruck im Verhältniss zur Gesammtzahl der Segmente eines Thieres ausdrücken lässt, so habe ich doch durch eine grössere Anzahl genauer Zählungen so viel feststellen können, dass die Ordnungszahl der den Kern enthaltenden Kammer in der Regel zwischen 1/; und ?/s der ganzen Kammerzahl liegt, dass also, falls die Zahl sämmtlicher Segmente etwa 30 wäre, der Kern in der 10. bis 20. Kammer zu suchen wäre. Beispielsweise will ich hier das Resultat einiger Zählungen in der Weise notiren, dass ich mit dem Zähler des Bruches die Ord- nungszahl der kernhaltigen Kammer, mit dem Nenner die Zahl der überhaupt bei dem betreffenden Thiere vorhandenen Kammern angebe. 10 11 9 9und 10 11 10 10 10 13 12 10 262726 29 28'25°25°28°33°27 21 Rhizopodenstudien. 19 Bei ganz jungen Individuen, mit etwa 4—10 Kammern traf ich den Kern gewöhnlich noch weit zurück, bis zur zweiten Kammer. Nicht immer ist übrigens der einfache Kern auf eine einzige Kammer beschränkt, vielmehr findet sich verhältnissmässig häufig ein Theil desselben in der einen, der andere in der benachbarten Kammer. Beide Abschnitte hängen dann durch einen engen Ver- bindungsstiel zusammen, welcher in einer der oben erwähnten rund- lichen Communikationsöffnungen liegt. Dabei können diese in zwei verschiedenen Kammern gelegenen Kerntheile annähernd gleich oder sehr verschieden gross sein; ja sehr häufig ist sogar der eine Theil verschwindend klein gegen den anderen. Endlich kommt es auch oft genug vor, dass nur ein zipfel- förmiger Fortsatz eines Kernes in einer Verbindungsröhre zweier Kammern steckt, während der Haupttheil ganz in einer derselben liegt. (Taf. II, Fig. 4.) Aus einer Vergleichung dieser verschiedenen Form- und Lage- rungsverhältnisse des Kernes kann mit Sicherheit auf eine allmälige Wanderung resp. Fortführung desselben von einer Kammer zur anderen durch einen der Verbindungscanäle geschlossen werden, welche Ueberführung ja auch schon aus der Abhängigkeit der Lage des Kernes von der Gesammtzahl der Kammern wahrscheinlich werden musste. Uebrigens will ich noch erwähnen, dass ich den vorhin be- schriebenen zipfelförmigen Fortsatz des Kernes stets nur in einem zu der nächsthinteren, also älteren, Kammer führenden Verbindungs- canale habe stecken sehen, demnach den betreffenden Kern nur im letzten Momente des Ausschlüpfens aus der älteren Wohnstätte be- merkt habe. Vielleicht hat dies seinen Grund darin, dass die Be- dingungen zum Eindringen des Kernes in eine neue Kammer in der Gefangenschaft weniger günstig gewesen sein mögen. Natürlich wird die ursprünglich und normalerweise entschieden kugelige Form des Kernes beim Hindurchpassiren durch so enge Canäle, wie es die Verbindungsröhren der Kammern sind, gewaltig alterirt. Solche Verzerrungen sind aber immer aus den gegebenen Bedingungen leicht zu verstehen. Ich habe in Fig. 6a—d auf Taf. II. einige der häufigsten Kern-Gestalten abgebildet. Eine oft zu beobachtende Impression an der dem Centrum des ganzen Thieres zugewandten, also inneren Seite lässt sich wohl aus der hier vor- 30 Franz Eilhard Sehulze: kommenden Anlagerung des Kernes an die gewölbte innere Kammer- wand erklären. Die einzelnen Theile des Kernes stellen sich nach Anwendung der oben erwähnten Behandlungsweise der Polystomella, nämlich nach mehrstündiger Einwirkung von starkem Holzessig, Färbung mit verdünntem Campecheholzdekokt und kurzer Behandlung mit ver- dünntem Ammoniak folgendermassen dar. An der Oberfläche findet sich eine derbe, deutlich doppelt conturirt erscheinende glashelle gleichmässig dicke Membran. Der von dieser umschlossene Kern- inhalt besteht aus einer hellen, wahrscheinlich flüssigen Substanz, in welcher eine grössere Anzahl (oft 20 und mehr) ziemlich gleich grosser, stark lichtbrechender kugeliger Körper und einige der Kern- membran dicht anliegende halbkugelig in das Innere vorspringende Bildungen von dem nämlichen Lichtbrechungsvermögen vorzukommen pflegen. Häufig ragt unter den im Innern gelegenen Kugeln auch die eine oder die andere durch bedeutendere Grösse hervor und zeichnet sich durch eine mehr ovale Gestalt sowie durch annähernd centrale Lage aus. Es scheint mir durchaus zulässig, diese stark lichtbrechenden Körper als Nucleoli zu deuten; ganz unmöglich ist es aber auch nicht, dass es erst nachträglich durch die Präparation entstandene Bildungen sind. Bei ganz jungen, nur erst wenige Kammern aufweisenden Polystomellen traf ich gewöhnlich nur einen solchen stark lichtbrechenden kugeligen Körper in dem Kerne an. Nachdem es mir nun gelungen war, den Kern bei Polystomella sicher zu erkennen, stellte sich von selbst die Aufgabe, denselben noch bei einer grösseren Anzahl vielkammeriger Foraminiferen aus anderen Familien nachzuweisen und zu studiren, indessen überzeugte ich mich bald, dass diese Arbeit einen längeren Zeitaufwand erfor- dere, als ich ihn augenblicklich für diesen Zweck mir gestatten wollte. Ich begnüge mich deshalb hier einstweilen mit der Notiz, dass es mir gelungen ist, ganz ähnliche Kerne auch noch bei anderen Poly- thalamien z. B. bei einer Rotalina aufzufinden. Wenn demnach durch die vorstehend mitgetheilten Beobachtungs- und Untersuchungsresultate der Nachweis von dem Vorhandensein eines Kernes zunächst nur bei den allerdings sehr weit auseinander- stehenden namhaft gemachten Formen wirklich geliefert, damit aber natürlich noch keineswegs die Frage entschieden ist, ob allen Foraminiferen ein Kern zukommt, so sind wir doch, wie ich glaube, jetzt schon berechtigt, die Foraminiferen im Allgemeinen — die Rhizopodenstudien. 21 Möglichkeit von Ausnahmen zugegeben — zu den kernhaltigen Rhizopoden zu stellen. Durch den Umstand, dass dem ganzen Weichkörper der viel- kammerigen Polystomellen und Rotalinen regelmässig nur ein ein- ziger Kern zukommt, demnach das ganze Thier nur den Werth einer Zelle hat, ist auch die alte Frage, ob die Polythalamien einzelne Thiere oder Thiercolonien darstellen, ohne Weiteres in dem ersteren Sinne endgültig entschieden, und wir können — wiederum die Möglichkeit von Ausnahmen zugegeben — die Foraminiferen im Allgemeinen als einzellige Thiere bezeichnen. 2. Hypothetischer Stammbaum der Rhizopoden. Dem Versuche, die Verwandtschaftsverhältnisse der Rhizopoden festzustellen, muss naturgemäss eine Entscheidung über die Aus- dehnung, welche man diesem Classenbegriffe geben will, vorausgehen. Durch meine Untersuchungen bin ich zu der Ueberzeugung ge- führt, dass alle diejenigen niederen Lebewesen, welche die grösste Zeit ihres Lebens hindurch und besonders zur Zeit ihrer höchsten körperlichen Ausbildung mittelst vorstreckbarer Fortsätze der zäh- flüssigen Leibessubstanz, welche vollständig wieder in diese letztere zurückfliessen können (Pseudopodien), mit der Aussenwelt in Ver- kehr treten, sich bewegen und ihre Nahrung aufnehmen, eine im Wesentlichen übereinstimmend organisirte einheitliche Gruppe bilden ; mag es dabei zur Differenzirung eines Kernes, pulsirender Vakuolen, eines inneren oder äusseren Skeletes kommen oder nicht, mögen die Pseudopodien die Gestalt breiter Lappen, feiner Fäden, eines Netz- werkes oder irgend welche andere Form zeigen. Demnach fasse ich den Begriff der Rhizopoden etwas weiter als manche neueren Zoologen. Ich rechne dazu auch die Moneren und Protoplasten Haeckels. Dagegen scheinen mir die Myxomy- ceten und die Flagellaten, bei welchen Pseudopodien nur vorüber- gehend zur Entwickelung kommen, und wesentlich andere Organi- sationsverhältnisse bestehen, zunächst wenigstens ausgeschlossen werden zu müssen, ebenso die Labyrinthuleen, deren Gleitbahnen bildende Sarkodefortsätze mit den wahren Pseudopodien der Rhizo- poden nicht völlig übereinstimmen. Will man sich nun über die Verwandtschaft und die Ableit- 22 Franz Eilhard Schulze: barkeit der Formen von einander innerhalb dieser so begrenzten Gruppe von Organismen eine bestimmte Vorstellung bilden, so kann dies bei dem äusserst mangelhaften Zustande unserer Kenntnisse von der Entwickelungsgeschichte derselben wohl nur in der Weise geschehen, dass man nach den bisher erkannten Organisationsver- hältnissen urtheilend, die einfacher gebauten als die älteren, d.h. _ den Stamm- und Urformen mehr gleichenden, die complicirter organi- sirten aber als die von jenen ableitbaren später entstandenen ansieht; falls nicht etwa besondere Gründe dazu nöthigen sollten, diese oder jene einfacher gebaute Form als eine rückgebildete aufzufassen. Fragen wir nun, dies Prinzip auf die Rhizopoden anwendend, zunächst nach den allereinfachsten, d. h. den am Wenigsten in sich differenzirten Formen derselben, so kann es keinem Zweifel unter- liegen, dass dies diejenigen sind, in deren Plasmaleibe sich noch kein Kern nachweisen lässt, also die Moneren Haeckels. Wir wollen dieselben hier als kernlose, Rhrzopoda innucleata, den übrigen, den kernhaltigen, Rhizopoda nucleata, gegenüberstellen; und be- trachten sie als die den Ur- und Stammrhizopoden noch am meisten gleichenden Wurzelfüsser. Wir verdanken die Kenntniss solcher niederster Rhizopoden hauptsächlich den Forschungen Haeckels. Derselbe hat uns mit einer ganzen Reihe von Formen bekannt gemacht, welche sich haupt- sächlich durch den Charakter der Pseudopodien, dann aber auch durch den zeitweiligen Besitz einer Hülle oder Schale und gewisse Eigenthümlichkeiten des Baues und der Lebenserscheinungen, zumal der Fortpflanzungsweise oft sehr wesentlich unterscheiden. Die kalkschaligen Foraminiferen aber, welche nach den Ansichten der früheren Forscher auch hätten zu den Moneren gestellt werden müssen, werden wir jetzt, nachdem ihre Kernhaltigkeit dargethan ist, nicht zu diesen, sondern zu den höher stehenden Rhizopoda nucleata rechnen. Sehr bemerkenswerth ist es, dass die bis jetzt bekannt ge- wordenen Innuclata so grosse Differenzen in Betreff der Pseudopodien- form aufweisen. Während die Amoeba primitiva Haeckels nur ganz einfache unregelmässig buckelförmige Vortreibungen zeigt, lässt Protogenes primordialis Hckl. einen Wald feinster fadenförmiger Pseudopodien radiär ausstrahlen, zieht sich der Sarkodekörper der Vampyrellen in ganz allmälig sich zuspitzende Fädchen aus, besitzen Rhizopodenstudien. 23 Myxodietyum und Protomyxa netzförmig verschmelzende Schein- füsschen. Man darf wohl aus dieser Thatsache den Wahrscheinlichkeits- schluss ziehen, dass die Pseudopodienform schon sehr früh, das heisst bei den ältesten Urrhizopoden nach verschiedenen Richtungen hin varüirte, und dass durch die nach und nach eintretende Fixirung “ gewisser Pseudopodienformen bei einzelnen entwickelungsfähigen Zweigen des ganzen Stammes schon zu jener Zeit, als noch sämmt- liche Rhizopoden kernlos waren, gerade die Pseudopodienform zu einem wesentlichen Charakter der verschiedenen Hauptzweige wurde. Um sich diesen Vorgang nach dem Prinzipe der natürlichen Zuchtwahl verständlich zu machen, kann man sich vorstellen, dass die Pseudopodien der ersten Rhizopoden wenig ausgebildet und ganz uncharakteristisch waren, d.h. also weder die bestimmte Fadenform, noch die Gestalt breiter abgerundeter Lappen, noch die Netzform ausgebildet zeigten, sondern eben unregelmässig variirend bald dieser bald jener Form sich näherten, und überhaupt kurz und unentwickelt waren. Je nach den verschiedenen Lebensbedingungen und dem sich alsbald geltend machenden Kampfe ums Dasein dürfte sich aber allmälig hier die eine, dort die andere Gestalt der Pseudopodien nützlicher erwiesen haben und dem entsprechend zur vorwiegenden, endlich vielleicht ausschliesslichen Ausbildung gekommen sein. Ich kann mir wenigstens sehr wohl denken, dass in einem nahrungs- armen Quarzsande feine fadenförmige, sehr weit ausstreckbare und durch netzförmige Verbindung haltbare Pseudopodien, wie sie den jetzt am und im sandigen Meeresboden lebenden Foraminiferen zu- kommen, für ihre Verhältnisse bei Weitem zweckentsprechender sind, als die verhältnissmässig kurzen lappenförmigen Scheinfüsschen der im nahrungsreichen Süsswasserschlamme häufigen Arcellen, Dif- flugien etc. Die Ausbildung kapselartiger Hüllen sehe ich als eine weniger tiefgreifende und bedeutungsvolle für den gelegentlich erforderlichen Schutz des Thieres wirksame Anpassungserscheinung an, welche nicht so früh zu einem typischen Charakter ganzer Gruppen sich ausbildete wie die Pseudopodienform, und daher auch für das natürliche System erst sekundäre Bedeutung hat. Wenn wir nun die Rhizopoda nucleata aus den noch auf der Cytodenstufe stehenden Innucleaten durch die Entwicklung eines Kernes im Innern uns entstanden denken, so wird dabei wohl die 24 Franz Eilhard Schulze: Annahme am Nächsten liegen, dass während dieses bedeutenden Fortschrittes der phylogenetischen Entwicklung bei den verschiedenen Zweigen der Rhizopoda innucleata die jedem einzelnen derselben eigenthümliche Pseudopodienbildung bewahrt blieb. Man wird, meine ich, annehmen dürfen, dass aus kernlosen Rhizopoden mit langen fadenförmigen Pseudopodien, kernhaltige mit langen fadenförmigen Pseudopodien, aus den Innucleaten mit kurzen abgerundet lappen- förmigen Pseudopodien aber Nucleata mit gleicher Pseudopodien- form hervorgingen, u. s. w. So scheint es mir, um diese Vor- stellung noch durch die Aufstellung von bestimmten Beispielen zu erläutern, sehr wohl denkbar, dass aus einem Moner, ähnlich der Protamoeba agilis Haeckels, eine Form wie Amoeba agilis Ehrenberg, aus einer Vampyrella vorax oder einem ihr ähnlichen Wesen, ein Thier von dem Charakter der Nuclearia Cienkowsky — durch Entwicklung eines oder mehrerer Kerne und der pulsirenden Vakuole — hervorgegangen sein könnte. Auch innerhalb der Rhizopoda nucleata bleibt danach der Pseudopodientypus der wesentlichste Unterscheidungscharakter der bereits im Innucleatenbereiche zur Divergenz und Sonderung ge- langten Hauptzweige, wie dies auch von Carpenter erkannt und in seinem bekannten Rhizopodensysteme ausgedrückt ist. Dabei soll natürlich die Vorstellung keineswegs ausgeschlossen werden, dass auch die Pseudopodien selbst gelegentlich noch weiterer Umgestaltung unterliegen können; jedoch würden in solchem Falle die Verwandtschaftsbeziehungen der Formen sich wohl hinlänglich deutlich aus dem Vereine der übrigen Charaktere erkennen und feststellen lassen. Gewiss wird es noch eines sorgfältigen und ins Einzelne gehen- den Studiums der Pseudopodien bedürfen, um nach dem eben ent- wickelten Prineipe eine ganz befriedigende Gruppirung der bis jetzt bekannten und voraussichtlich noch in reicher Fülle zu ent- deckenden lebenden und fossilen Formen treffen zu können. Dass ausser den bisher angenommenen Pseudopodiencategorien,‘ wie sie z.B. Carpenter bei der Aufstellung seines Systems verwerthet hat — den lappenförmigen, den gradlinig fadenförmigen und den netzförmigen — noch eine ganze Anzahl eigenthümlicher Formen unterschieden werden können und müssen, beweisen eine Reihe von Pseudopodien- bildungen, welche eben in jene drei Categorien nicht hineinpassen, z. B. die keilförmigen von Cochliopodium pellucidum Hertw. u. Lesser, die plattenförmigen von Plakopus ruber u. a. m. Rhizopodenstudien. 25 Die hauptsächlich durch ihre Pseudopodienform charakterisirten Zweige der Nucleaten haben nun freilich eine sehr verschiedene Höhe der Ausbildung erlangt. Während z. B. der mit platten- förmigen Pseudopodien versehene Zweig gar keine Weiterentwicklung über das einfach amöboide Stadium hinaus erfahren hat und nur noch in einer vereinzelten nackten Form existirt, haben andere, wie die mit netzartig verbundenen fadenförmigen Pseudopodien ausge- rüsteten Nucleaten in der grossen Gruppe der Foraminiferen eine typische Skeletbildung mit reicher Variation der Einzelformen er- langt, und haben die mit gradlinig und radiär ausstrahlenden faden- förmigen Pseudopodien versehenen Radiolarien sogar durch die Ent- wicklung der Centralkapsel im Innern eine wesentliche höhere Bildungsstufe erreicht. Die soeben entwickelten hypothetischen Vorstellungen über die natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen der Rhizopoden untereinander habe ich in Form eines Stammbaumes auf Taf. III wiederzugeben und im Einzelnen darzustellen versucht, da ich der Ansicht bin, dass diese Art der Darstellung an Durchsichtigkeit und Klarheit alle anderen übertrifft. Daneben wird es aber nothwendig sein, einige in jenem Stammbaume nur angedeuteten Verhältnisse noch etwas ausführlicher in Worten auszudrücken, und ferner einige neu ge- bildete Familien bestimmt zu charakterisiren und scharf zu um- grenzen. Während durch den unteren der beiden Horizontalstriche die Innucleata als niedrigste, einfachst organisirte Gruppe von den höher stehenden Nucleata geschieden werden, trennt der obere Horizontalstrich die nicht mit einer Centralkapsel versehenen Nucleaten, die Acyttaria (Haeckel), von den durch die Entwick- lung einer solchen ausgezeichneten und desshalb höchst gestellten Radiolarien. Wieaber die verschiedenen Nucleatenformen aus den Innucleaten sich hervorgebildet haben dürften, wie sie sich untereinander mehr oder minder nahe stehen, aus welcher Acyttarengruppe die Cyto- phora sich entwickelt haben werden, das wird durch die baum- oder strauchartige Verzweigung, welche im Aoaneinen bis zu den Familien durchgeführt ist, angegeben. Da ich in Betreff der kernlosen Rhizopoden keine über Haeckels Mittheilungen wesentlich hinausgehende Beobachtungen vorzubringen habe, so will ich hier nur darauf aufmerksam machen, dass wir 26 Franz Eilhard Schulze: uns aus solchen oder ähnlichen Formen, wie sie Haeckel in seiner Gattung Protamoeba beschrieben hat, ohne Schwierigkeit die mit mehr oder minder breit abgerundeten Pseudopodien versehenen Nucleata entstanden denken können, welche schon von Carpenter als lobosa zusammengefasst wurden. Unter diesen möchte ich die durch manche Eigenthümlichkeit ausgezeichnete Familie der Pelomyxidae, welche die von Greeff entdeckte Pelomyxa palustris und nahe verwandte Formen umfasst, als eine sehr früh sich abzweigende mehr isolirte Gruppe darstellen. Daneben gelangt ein starker Stamm, charakterisirt durch eigen- thümlich fingerförmige abgerundete Pseudopodien zu breiterer Ent- wicklung und höherer Ausbildung. Zunächst treibt derselbe einige niedere Seitenzweige, welche in einesehr gemischte, nur provisorisch als Amoebidae zusammengefasste, durch Schalenlosigkeit und pul- sirende Vakuolen charakterisirte Abtheilung hineinführen, deren ein- zelne Glieder wahrscheinlich zum grossen Theile aus besonderen Innucleatenformen entstanden sind und deshalb nicht selten Pseu- dopodien besitzen, welche von der breitlappigen Fingerform mehr oder minder erheblich abweichen. Weiter aufwärts spaltet sich dann der Lobosenstamm in vier ziemlich gleichwerthige Familien, welche hauptsächlich durch die Bildung der mit einer Endöffnung versehenen Schale unterschieden sind, nämlich 1. Hyalosphenidae, ausgezeichnet durch eine völlig homogene membranöse durchsichtige Chitinschale; dahin Hyalosphenia Stein; 2. Arcellidae, deren Chitinschale mit einem Gitterleistenwerk versehen ist, Arcella Ehrenberg; 3. Quadrulidae, mit einer aus hyalinen Chitinplatten zusammen- gesetzten Schale, Quadrula; 4. Difflugidae, deren Schale zum grössten Theil aus Sandkörn- chen oder anderen fremdea Körpern besteht. Difflugia, Echinopyxis. Neben den oben besprochenen Amöbenformen sind wahrschein- lich auch noch andere nackte Nucleaten mit besonderen eigenthüm- lichen Pseudopodienformen aus entsprechenden Innucleaten hervor- gegangen, wie z. B. das mit keilförmigen Scheinfüsschen versehene Cochliopodium pellucidum Hertw. u. Lesser, der membranöse plattenförmige Pseudopodien aussendende, von mir in Bd. XI p. 348 dieses Archives beschriebene Plakopns ruber, ferner das eigenartige Pseudopodien zeigende Podostoma filigerum Clap. u. Lachm., und Rhizopodenstudien. 27 der von denselben Forschern beschriebene sonderbare Petalopus diffluens Clap. u. Lachm., dessen breite Pseudopodienplatten in ganz feine Fädchen ausstrahlen. In der letzten Pseudopodienform kann man eine Annäherung an jene fadenförmigen, graden, radiär gerichteten Pseudopodien er- kennen, welche den jetzt zu besprechenden Radiaria zukommen, Dass übrigens diese letzteren einen mit den Reticularia eng ver- bundenen und mit denselben wahrscheinlich aus gemeinsamer Wurzel hervorgegangenen Zweig darstellen, scheint durch gewisse Formen angedeutet, welche zwar im Allgemeinen mit den Reticularia so nahe verwandt sind, dass sie zu denselben gerechnet werden müssen, jedoch Pseudopodien besitzen, welche nur geringe Neigung zum Ver- schmelzen zeigen und sich mehr den gradlinig ausstrahlenden Schein- füss@hen der Radiaria nähern. Man könnte demnach auch wohl zu der Vorstellung gelangen, dass die sämmtlichen mit fadenförmigen (sei esgraden oder netzförmigen) Pseudopodien versehenen Rhizopoden einen, etwa als Filigera zu bezeichnenden, gemeinsamen Zweig bilden, an welchem die beiden Gruppen der Radiaria und Reticularia minder deutlich getrennt seien; indessen finde ich doch, dass sich bei der überwiegend grossen Mehrzahl aller Repräsentanten jeder dieser Abtheilungen der betreffende Pseudopodiencharakter ganz prägnant herausstellt. Uebrigens ist esauch denkbar, dass einige hinsichtlich ihrer Pseudopodiengestalt etwas abweichende Familien der Reti- cularia wie die Diplostomidae und Euglyphidae sich durch conver- girende Anpassung den Radiaria genähert haben, ohne durch Ab- stammung mit ihnen nahe verwandt zu sein. Zu den kernlosen Radiaria lässt sich mit Sicherheit Haeckels Myxastrum radians zählen. Als eine durch die Entwicklung von Kernen sich höher erhebende Form sehe ich die von Cienkowsky zuerst entdeckte, von Greeff als Heliophrys variabilis, von mir unter dem Namen Heterophys varians, von Hertwig und Lesser als Leptophrys elegans beschriebene Nuclearia simplex Cien- kowsky an, Etwas höher differenzirt, aber doch noch der eigentlichen Cen- tralkapsel entbehrend erscheinen die sogenannten Heliozoa, welche sich in mindestens zwei besondere Familien spalten lassen, in die skelet- losen. Actinosphaeridae, mit den Gattungen Actinosphaerium, Actinophrys etc. und die mit einem Kieselskelet versehenen Acanthocystidae, mit Acanthocystis, Pinacocystis, Hyalolampe u. a. 28 Franz Eilhard Schulze: Als eine von den Heliozoa sich abzweigende, wegen der grossen Differenz der zugehörigen Glieder indessen zunächst nur provisorisch hinzustellende Abtheilung fasse ich die mit einem Stile versehenen festsitzenden Radiaria unter dem Namen der Pedunculata hier zu- sammen. Zu denselben gehören die Gattungen Clathrulina Cienk., Lecythia Wright, der von mir beschriebene Actinolophus, ferner Hedriocystis Hertwig und Lesser u. a. Endlich erheben sich aus den Radiara als höchster Gipfelzweig des ganzen Rhizopodenbaumes die mit einer echten Centralkapsel versehenen Radiolaria, auf deren weitere Gliederung ich hier nicht eingehen, sondern einfach auf Haeckels classische Monographie dieser Gruppe verweisen will. Neben den Radiaria breitet sich schliesslich der vielästige Zweig der Reticularia aus, welcher bereits in der Zone der Innucleata durch Haeckels Protomyxa und Myxodietyum vertreten erscheint. Ober- halb der Nucleaten Grenzlinie sendet er zunächst einen aus nackten Formen, wie Liberkühnia Wagneri (Clap.), gebildeten Zweig der Nuda ab, und spaltet sich dann in zwei Hauptäste, die Imperforata und Perforata (Carpenter). Die mit einer einzigen terminalen oder mit zwei polar entgegen- gesetzten grösseren Oeffnungen versehene Schale der Imperforata zeigt sowohl hinsichtlich der Substanz als der Struktur wesentliche, zur Unterscheidung von Familien führende Differenzen. Zunächst wird man die mit zwei weiten Schalenöffnungen ver- sehenen Formen nach Hertwigs und Lessers Vorgang als Am- phistomata (wozu Diplophyrs Barker und Amphistoma Archer), von den nur eine grössere Schalenöffnung besitzenden Monostomata zu scheiden haben. Man kann die ersteren als einen besonderen Nebenzweig der Imperforata ansehen. Die letzteren dürften sich ganz naturgemäss in folgende vier Familien spalten: Gromidae, Euglyphidae, Miliolidae und Lituolidae. Die Schale der @romidae, zu denen Gromia, Microgromia, Platyoum gehören, ist membranös und gänzlich structurlos, die der Zuglyphidae, mit Euglypha, Trinema, Cyphoderia, aus vielen einzelnen Platten zusammengesetzt. Die Schale der Miliolidae (in Carpenters Sinne und Begrenzung) ist starr, solide, fast stets stark kalkhaltig und meistens durch periodisch auftretende Verengerungen gekammert; diejenige der Lituolidae endlich (gleichfalls in Carpenters Sinne Rhizopodenstudien. 29 gefasst und begrenzt) besteht zum grossen Theile oder ganz aus fremden Körpern, besonders Sandkörnchen. Der letzte grosse Zweig der Reticularia endlich, die mit poren- reicher Kalkschale versehenen Perforata, kann. man mit Carpenter in die drei Hauptfamilien, der ZLagenidae (Carp.), Globigerinidae (Carp.) und Nummulinidae (Carp.) sich spalten lassen. In dem vorstehend entwickelten auf Taf. III graphisch darge- stellten Stammbaume bitte ich nun nichts mehr sehen zu wollen, als einen Versuch, diejenigen Ideen über die Verwandtschaftsverhältnisse der Rhizopoden leicht fasslich darzustellen, welche sich mir während meiner Beschäftigung mit diesen Organismen gleichsam von selbst aufgedrängt haben. Nachsechrift. Diese Abhandlung war bereits in der vorliegenden Fassung niedergeschrieben, als ich die Arbeit von R. Hertwig »Bemerkungen zur Organisation und systematischen Stellung der Foraminiferen« aus der Jenaer Zeitschrift. Bd. X p. 41—55 durch die Güte des Herrn Verfassers zugesandt erhielt. Hertwig ist es gelungen, bei sehr durchsichtigen, 1—4kamme- rigen Exemplaren einer Miliolide (wahrscheinlich der von mir früher beschriebenen Spiroloculina hyalina), ferner bei einer kleinen 1—5 Kammern zeigenden Rotalia, endlich in einer fünfkammerigen und einer siebenkammerigen Textilaria nach Anwendung von Chrom- säure und nachfolgender Carminfärbung — zuweilen auch schon am lebenden Thieree — das Vorhandensein von einem oder mehreren Zellkernen festzustellen. Bei den noch auf eine einzige Kammer beschränkten jungen Spiroloculinen und Rotalien fand sich stets nur ein im Centrum gelegener Kern, bei den mehrkammerigen Exemplaren derselben Arten wurden auch mehrere Kerne (bis 7) beobachtet, welche in den verschiedenen Kammern, mit Ausnahme der zuletzt gebildeten, zerstreut lagen. Aus den an diese Mittheilungen sich anschliessenden Bemer- kungen Hertwigs über die systematische Stellung der Foraminiferen will ich hier nur hervorheben, dass Hertwig die mit einer äusseren Skelethülle versehenen kernhaltigen Rhizopoden mit monaxoner 30 Franz Eilhard Schulze: Rhizopodenstudien. Grundform ohne Rücksicht auf die Pseudopodiengestalt unter dem neuen Namen TZhalamorpha in eine Gruppe vereinigt, welche nach der Struktur dieser Schale in beiden Unterabtheilungen der Imperforata und Perforata (in Carpenters Sinne) zerfallen. Wenn nun auch hiernach unsere beiderseitigen Ansichten über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Foraminiferen differiren, so stimmen doch die Ergebnisse unserer unabhängig von einander an ganz verschiedenen Foraminiferenarten durchgeführten Unter- suchungen über die Kernhaltigkeit derselben hinlänglich überein, um sich gegenseitig zu stützen und zu ergänzen. Erklärung der Figuren auf Tafel II u. IM. Fig. 1. Entosolenia globosa Williamson, von Triest, lebend, ohne ausgestreckte Pseudopodien. Vergr. 400 : 1. Fig. 2. Dasselbe Thier nach Behandlung mit schwacher Essigsäure. Vergr. 400: 1. Fig. 3. Ein anderes Exemplar derselben Art nach längerem Hungern. Vergr. 400 : 1. Fig. 4. Weichkörper einer circal Mm. grossen Polystomella striatopunctata Fichtel und Moll nach dem Auflösen der Schale mittelst Holzessig, Färbung durch Campecheholzdekokt und Klärung mit verdünntem Ammoniak. Vergr. 100 : 1. Fig. 5. Ein Weichkörpersegment einer ähnlich behandelten Poiystomella striatopunctata von gleicher Grösse wie die in Fig. 4 dargestellte. Vergr. 100 : 1. Fig. 6. Verschiedene Kernformen aus verschiedenen Exemplaren von Poly- stomella striatopunctata. Vergr. 150 : 1. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse, insbesondere der Cocciden. Von E. L. Mark aus Hamlet, U. S. A. (Hierzu Tafel IV, V und VI) Eine, sowohl durch ihre anatomischen und physiologischen Ver- hältnisse, als auch durch ihr Eingreifen in das practische Leben in nicht geringem Grade interessante Thiergruppe bilden die Pflanzen- läuse, und es ist daher nicht zu verwundern, wenn sich so viele bedeutende Naturforscher, von Leeuwenhoek, Reaumur, Bonnet und De Geer an bis auf Dujardin, Ratzeburg, Huxley, Leydig, Signoret, Targioni-Tozzetti, Lubbock Balbiani, Leuckart und viele Andere mit der genauen Untersuchung dieser Thiere beschäftigt haben. Wurden durch diese Untersuchungen ganz besonders die Fort- pflanzungsverhältnisse und die Systematik in helleres Licht gestellt, so blieben doch in Bezug auf Anatomie und Histologie noch manche Fragen zu erledigen, was in erster Linie von den Coceiden gilt. Angerest durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Leuckart, in dessen Laboratorium nachfolgende Untersuchungen angestellt wurden, machte ich es mir zur Aufgabe, zur genaueren Kenntniss dieser Thiergruppen, und besonders der Cocciden in ana- tomischer und histologischer Hinsicht, nach Kräften beizutragen, und es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle Herrn Professor Leuckart für seine guten Rathschläge sowohl, als auch für das 32 E. L. Mark: lebhafte Interesse, welches er meiner Arbeit schenkte, meinen auf- richtigen und herzlichen Dank auszusprechen. Obwohl sich meine Untersuchungen über sämmtliche Organ- systeme und über Entwickelungsgeschichte erstreckt haben, sollen im Folgenden doch nur die Mundtheile und der Verdauungsapparat Berücksichtigung finden, weil gerade hierüber die Autoren vielfach entgegengesetzte und irrthümliche Ansichten haben. Jedoch behalte ich mir vor, die durch aussergewöhnliche Schwierigkeit des Unter- suchungsobjectes bedingten Lücken in meinen Beobachtungen über Nervensystem, Sinnesorgane, Geschlechtswerkzeuge und Entwicke- lungsgeschichte auszufüllen und später zu veröffentlichen. Ein ausgedehntes Verzeichniss der betreffenden Literatur, so- wohl in wissenschaftlicher als commerzieller Beziehung, findet sich in Signoret’s »Essai sur les Cochenilles« (17), einem umfang- reichen, in systematischer Hinsicht vortrefflichen Werke. Am Schlusse meiner Arbeit findet sich eine Zusammenstellung der von mir be- nutzten Literatur, auf welche im Texte vermittelst Nummern hin- gewiesen wird. Hauptwerk für Anatomie und Histologie der Coceiden ist Targioni-Tozzetti’s »Studii sulle Coceiniglie«, und es wird sich oft Gelegenheit finden, im Verlaufe meiner Erörterungen auf Letzteres zurückzukommen. Die Thiere, welche ich untersuchte, stammten grösstentheils aus dem zu der Universität Leipzig gehörigen botanischen Garten, und ich ergreife gern die Gelegenheit, Herrn Hofrath Dr. Schenk für bereitwillige Ueberlassung derselben verbindlichst zu danken. Folgende Zusammenstellung giebt eine Uebersicht der Namen, Wohnpflanzen und Fundorte der Species, auf welche sich meine Untersuchungen beziehen. Nr. Name des Thieres. | Wohnpflanze. | Fundort. 1. | Dorthesia Characias Bose. |Urtic Leipzig. 2. \Coccus Ulmi Baerensprung (1). || Ulmus. Daselbst. 3. |Coecus Adonium (Daetylopius Adon. Targ.-Tozz.) Coffea arabica. Daselbst (Treibh.). Nerium Oleander. | Daselbst. Phoenix dactyli- fera. Daselbst (Treibh.). Hedera Helix. Daselbst. 4. |Lecanium Hesperidum Burm. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 38 Nr. Name .des Thieres. Wohnpflanze, | Fundort. 5. | Aspidiotus Nerii Bouch£. Nerium Ol., Knigh- tia. Daselbst (Treibh.). 6. |Chionaspis Aspidistrae Sig. (17). | Plectogyne var. Lk. | Daselbst. T: E; vaceinii Bouche. Vaccinium Myrt. |llmenau (Thürin- | gen). 8. | Mytilaspis pomorum Bouch£.|Pyrus Malus. r Leipzig. 9. | Aphis Sambuci. Sambucus nigra. |Daselbst. 10. |Sehizoneura Ulmi. Ulmus. Daselbst. 1l. |Chermes Abietis. Pinus Abies. Daselbst. Mundtheile. Die Mundtheile der Cocciden stimmen insofern mit denen der anderen Hemipteren überein, als sie im Wesentlichen aus einem langen Schnabel bestehen, welcher aus zwei Paaren ') feiner, flexibler, chitiniger Borsten von sehr gleichmässiger Dicke zusammengesetzt ist, welche Letztere theilweise in einer Scheide stecken. Man hielt früher diese Mundtheile denen der übrigen Insecten für homolog, und zwar sollte das erste Paar Borsten den Mandibeln, das zweite Paar den Maxillen, die Scheide der Unterlippe ent- sprechen. Aber Mecznikoff (14), veranlasst durch das Resultat seiner embryologischen Studien über Aphiden, verwarf diese Homo- logie in Bezug auf Homopteren; die für die Heteropteren aufge- stellte Homologie wurde nicht von ihm angefochten ?). 1) Dass von mancher Seite gewissen Hemipteren nur drei Borsten zuge- schrieben werden, ist als ein Irrthum zu bezeichnen; denn immer sind deren vier vorhanden, wie schon Savigny (16) wusste: „Le fait n’est pas exact; le sucoir des Hemipteres se compose toujours de quatre soies bien distinctes, c’est-A-dire, de deux mandibules et de deux mächoires“ [Pag. 14]. 2) Nach diesen Untersuchungen erscheinen die unteren Maxillen bei Aphiden zu gleicher Zeit mit den ersten drei Fusspaaren, und zwar entstehen sie aus der peripherischen Schicht des vorderen gekrümmten Endes vom Keim- streifen; später liegen sie tief am Keimstreifen in grösster Nähe bei einander. Die Mandibeln und die oberen Maxillen entstehen später, zu der Zeit, wo sich die Antennen anlegen. Bei weiterem Wachsthum nehmen diese Theile an Länge zu; die Basaltheile der Mandibeln erwachsen mit dem Vorderkopf, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, ‘ 3 34 E. L. Mark: Die Mundtheile der Coceiden sind von denen der anderen Rhynchoten verschieden durch die ausserordentliche Länge und Feinheit der Borsten und durch eine hiermit augenscheinlich. in Zu- sammenhang stehende Rückbildung der Scheide, die bei anderen Hemipteren drei- bis viergliederig, hier jedoch nur zwei- oder sogar eingliederig ist. Auch die Oberlippe erleidet eine Rückbildung und ist nur als eine unbedeutende fleischige Falte wahrzunehmen, die seitlich zuweilen von zwei anderen ebenfalls fleischigen Falten be- gleitet ist. Dagegen nehmen die bei Leidig als Horngräten be- zeichneten Chitintheile eine ziemlich complieirte Structur an. Da ich die Mundtheile ganz besonders von Aspidiotus, Chionaspis und Dorthesia untersucht habe, werde ich mich im Nachfolgenden die oberen Maxillen zeigen die erste Anlage der Taster, und die unteren Maxillen fangen an, zu einer Unterlippe zu verwachsen, die endlich die Rüssel- scheide darstellt. Durch fortschreitendes Zusammenwachsen der Mandibeln mit den seitlichen Vorderkopftheilen stellen Erstere nun warzenförmige Körper dar. Die Maxillen jedoch behalten stets ihre ursprüngliche Grösse und ver- wandeln sich schliesslich in dornartige Gebilde. Bei der Häutung der Aphis- embryonen fallen sogar die letzten Spuren der Mandibeln und oberen Ma- xillen ab. Nach Mecznikoff wären also die Borsten den Maxillen und Mandibeln nicht homolog, vielmehr beschreibt er ihre Entstehung auf folgende Weise: „Die Rüsselstilette bei Homopteren bilden sich aber auf eine ganz besondere Weise. Sie werden von besonderen Körpern secernirt, welche jederseits neben den Mandibeln und Maxillen im Laufe der dritten Entwickelungsperiode ent- stehen (Fig. 37u). Bei ihrem Wachsthum nehmen diese Körper eine reterten- förmige Gestalt an, wie es in der Figur 53 abgebildet ist; es schnürt sich dann von ihnen eine dünne pgripherische Schicht ab, welche das Licht stärker bricht und, sich verlängernd, einem schmalen Faden den Ursprung giebt. Es entstehen somit jederseits zwei solcher Fäden, welche nunmehr in die fraglichen Stilette übergehen und dabei die Fähigkeit erhalten, nach aussen in die Rüssel- scheide ausgestülpt werden zu können. Die Retortenform der beschriebenen, aus einer Menge kleiner, gleichgestalteter Zellen bestehenden Körper verursacht es, dass im ruhigen Zustande das fadenförmige Stilet spiralig aufgerollt liegt.“ Bei Aspidiotus Nerii lässt Mecznikoff ähnliche Vorgänge, wie bei Aphis, gelten. Die Mandibeln und oberen Maxillen verkümmern auf ähnliche Weise, während die unteren Maxillen sich in die Rüsselscheide verwandeln, welche eine eigenthümliche Form annimmt. Die langen Lanzetten (Borsten) entstehen bei Coceiden auf dieselbe Weise, wie bei Aphis. Sie werden von ähnlichen, retortenförmigen Organen gebildet, welche gerade bei Aspidiotus sehr entwickelt sind. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 35 auf diese Genera beschränken und dabei folgende Anordnung ein- halten: 1) Horngräten, 2) Schnabel, 3) Scheide. Die Haupttheile der Horngräten liegen bei Aspidiotus und bei den meisten anderen Genera in zwei nahezu parallelen und hori- zontalen Ebenen, von welchen die eine zwischen oder ein wenig vor dem ersten Fusspaare auf der ventralen Oberfläche des Körpers ge- legen, die andere aber über dieser ersten etwas gegen dieselbe ge- nejgt verlaufend, gedacht wird. Jede dieser Ebenen ist von einem chitinigen Rande begrenzt, der selbst einen Theil der Horngräten bildet. Jede dieser abgegrenzten Flächen möchte ich der Kürze wegen als Area (a) bezeichnen. Beide weichen in ihrer Form von ein- ander ab; auch ist die dorsale gewöhnlich etwas kleiner. In den verschiedenen Genera ist die Form ebenfalls etwas modificirt, aber immer lässt sich dieselbe annähernd auf die Form eines Dreiecks zurückführen, dessen Basis nach vorn und dessen Spitze nach hinten gerichtet ist. Die Spitzen beider nähern sich einander, lassen jedoch den Borsten Raum zum Durchtritt in die Scheide. Die Theile des chitinisirten Randes, welche der Basis des Drei- ecks entsprechen, werde ich im Nachfolgenden mit Arcus (Bogen) bezeichnen, und zwar soll der dorsale kleinere Theil Arcus superior (as), der ventrale grössere Arcus inferior (ai) genannt werden; die den Seiten des Dreiecks entsprechenden Theile bezeichne ich mit Costae (Rippen), die dorsalen heissen beziehungsweise Costae superiores dextrae (csd) und sinisträae (css), die ventralen Costae inferiores dextrae resp. sinistrae. Die Bogen (Arcus) sind auseinander gehalten durch zwei Chitinstäbchen Columellae, (ec), welche an den Enden der Bogen sich anheften. Beide Dreiecke begrenzen einen pyramidenförmigen Raum, dessen Spitze nach hinten gerichtet ist. Die Grundfläche dieser Pyramide bildet ein Trapez, dessen nicht parallele kleinere Seiten von den Columellae, dessen parallele Seiten von den Bogen gebildet werden. Gewöhnlich liegt zwischen den Dreiecksebenen nahe der Spitze ein eigenthümlicher Apparat, den man im Hinblick auf seine Func- tion mit der sogenannten Steuerung bei Maschinen vergleichen könnte, und den ich Clavus nennen will. Dieser Apparat hat an jeder Seite einen bandartigen Fortsatz, der sich in horizontaler Richtung nach vorn und nach aussen erstreckt und allmälig schmäler wird. Wie schon aus der oben gegebenen Bezeichnung ersichtlich ist, 36 E. L. Mark: hat dieser Apparat eine Oefinung, durch welche die Borsten vor ihrem Eintritt in die Scheide gehen und so eine bestimmte Richtung erhalten. Die Oefinung steht hinten in continuirlichem Zusammenhange mit dem chitinisirten Canal der Scheide. Vor dem vorderen Ende und etwas iiber der Steuerung ist ein Saug- apparat gelegen, während noch weiter nach vorn und ventral der von Tozzetti »Infundibulum« genannte Theil sich befindet. Nahe der Mitte der Costae inferiores entspringen zwei Paar Chitinleisten, welche unregelmässig spiralig gewunden die Basis der Borsten umgeben. In der Ebene der unteren Area oder Dreiecks- fläche liegen zwei schmale Chitinleisten, welche sich von dem ver- dickten Ende des Arcus inferior halbwegs nach dem Centrum der Area erstrecken. Bei Aspidiotus Nerii ist der Rahmen der unteren Fläche schmäler, als der der oberen, welcher ungefähr i0 « dick ist. Der Arcus inferior ist vorn etwas convex, 5 « breit, und verdickt sich an seinen Enden, wo er sich mit den Costae und den Columellae verbindet. Die Costae inferiores bilden vorn mit dem Arcus und hinten mit einander continuirliche Curven, welche mit ihrer concaven Seite nach dem Mittelpunkt der Dreieckfläche gerichtet sind; unge- fähr in der Mitte derselben befindet sich eine seichte Einbuchtung. Vorn sind sie am Breitesten und nach hinten vermindert sich die Breite bis zu 2« (Taf. IV, Fig. 1). Der Arcus superior ist nach vorn im Allgemeinen convex, in der Mitte jedoch zeigt er eine stumpfe Einkerbung. Er vereinigt sich mit den Costae superiores, ohne sich zu verdicken, doch gehen beide in starker Krümmung in einander über. Die Costae sind ebenfalls nach aussen convex. Die Länge der oberen Area beträgt im Maximum 90 «, die der unteren 120 «, während die Breite je 70 « und 120 « im Maxi- mum beträgt. Die Columellae verdicken sich etwas an ihren Enden, sind i/g oder ?/s so lang als der Arcus superior und werden 7 bis 8 w dick. Die Steuerung ist dick und stark chitinisirt; sie ist so un- durchsichtig, dass man die von ihr eingeschlossenen Theile nicht leicht untersuchen kann. Diese soeben für Aspidiotus beschriebenen Organe unterliegen Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. "37 bei Dorthesia (Taf. IV, Fig. 2) einigen Modificationen. Der Arcus superior fehlt und die Costae superiores vereinigen sich mit den Columellae zu einem Bogen, dessen convexe Seite dorsal gerichtet ist. Die hinteren Enden der Costae superiores vereinigen sich nicht mit einander, sondern treten mit den Costae inferiores an der Stelle zusammen, wo sich dieselben nach innen umbiegen. Die mit den Columellae vereinigten Costae superiores dienen der Basis der Borsten als Stützorgan, und demgemäss ist die Mitte des von ihnen gebildeten Bogens verdickt. Die Costae inferiores stehen rechtwinkelig zu dem Arcus inferior, wenden sich jedoch da, wo die Verschmelzung mit den Costae superiores erfolgt, plötzlich nach innen, um sich unter einem stumpfen Winkel zu vereinigen. Der so entstandene Rahmen erreicht durchschnittlich eine Breite von 15 u; der Arcus inferior ist nun leicht nach vorn convex; die Costae inferiores verlaufen einander parallel, bis sie ungefähr die Länge des Arcus inferior erreicht haben; ihre Vereinigungsstelle liegt etwas weiter nach hinten. Von hier verläuft ein schmales Chitinleistehen nach hinten und oben, welches sich mit zwei feinen Chitinbändern vereinigt. Diese Bänder («, «‘) hängen mit den Costae superiores an den Stellen zusammen, wo die Borsten angewachsen sind (Taf. IV, Fig. 2A). Die Steuerung (Clavus) unterliegt ebenfalls einer Modification: die zwei seitlichen Fortsätze erstrecken sich, anstatt schief nach vorn zu verlaufen, zuerst ein wenig seitwärts, dann biegen sie plötz- lich nach hinten um, kommen zusammen und bilden so einen ovalen Ring von 100 « Länge und 70 « Breite, welcher verhältnissmässig breit und stark ist (10 «). Am vorderen Ende der Steuerung be- findet sich auf der ventralen Seite eine breite, etwas abgeplattete Hervorragung ($). Die übrigen Theile des Horngrätengerüstes liegen hier weiter von der Steuerung entfernt, als bei den oben erwähnten Coceiden. Der Schnabel selbst ist bei den Coceiden weit einfacher ge- baut (Taf. IV, Fig. 1—8, ro). Bei Aspidiotus ist er häufig sehr lang; in einem eben ausgeschlüpften Embryo zum Beispiel übertraf seine Länge die des Körpers um das 8!/2-fache. Bei Dorthesia ist er verhältnissmässig viel kürzer, indem er hier nur !/, der.Körperlänge erreicht; doch ist er hier weit stärker gebaut, als bei Aspidiotus. 38 E. L. Mark: Wie schon oben erwähnt, besteht der Schnabel aus zwei Paaren symmetrisch gestellter Borsten. Diese Borsten sind glatt und von sehr gleichmässiger Dicke; in der Länge sind beide Paare ungefähr gleich, während das eine Paar gewöhnlich etwas stärker ist, als das andere. Betrachten wir zuerst den Theil, der vor der Steuerung liegt, und den ich Conus (co) nennen werde (Taf. IV, Fig. 1-3). Er bildet bei allen vier Borsten einen hohlen, von krummen Flächen begrenzten, unregelmässigen, im Allgemeinen kegelförmigen Körper, dessen Grundfiäche, nach vorn. und nach aussen gerichtet, zwischen den dorsalen und ventralen Costae liegt. An den freien Enden des Conus findet man immer Spuren des retortenförmigen Körpers, welcher die Borsten secernirt hatte. Die Spitze des Kegels reicht bis in den vorderen Theil der Steuerung und setzt sich hier in die eigentliche Borste fort, welche aus der Steuerung, nach hinten ge- richtet, heraustritt. Die Basaltheile des etwas schmäleren Paares liegen dorsal und ein wenig vor denjenigen des dickeren Paares. Der Conus des ersteren Paares hat bei ausgewachsenen Weibchen von Aspidiotus einen Durchmesser von 8 «, der des letzteren von 12 «; die Länge des Conus bis zum Uebergang in die Borste be- trägt 50 bis 60 u. Bei eben ausgekrochenen Embryonen indessen scheinen die Theile kleiner zu sein. Aus angestellten Messungen ergab sich in der That, dass sie nur halb so gross sind (Dicke 4« und 6 u, Länge 25 «). Diese beträchtliche Differenz scheint mir schwer zu erklären, wenn man nicht annimmt, dass die betreffenden Gebilde zu verschiedenen Zeiten entstehen, wie dies ja auch bei anderen chitinigen Theilen (z. B. Trachealintima) geschieht. Uebrigens habe ich über diesen letzten Punkt keine direeten Beobachtungen ange- stellt, muss also diese Frage unentschieden lassen. Bei ausgewachsenen Thieren von Chionaspis sind die Basal- theile der Borsten nahezu ebenso gross, wie bei dem ausgewachsenen Aspidiotus (40 bis 50 « lang, 7 und 9 « breit), doch "bilden die Borsten der entgegengesetzten Seiten mit einander einen spitzeren Winkel und sind weniger gekrümmt. Bei Dorthesia sind sie viel dicker (20 «) und gestreckter. Die eigentlichen Borsten liegen dicht gedrängt beisammen in einem Bündel, welches bei Dorthesia 10 «, bei Aspidiotus und Chion- aspis aber nicht mehr als 3 bis 4. im Durchmesser hat. Aus dem Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 39 hinteren Theile der Steuerung mit einer aufwärts gerichteten Krüm- mung austretend, biegen sie sich entweder leicht abwärts und er- strecken sich direct in die Vagina (Scheide), oder sie steigen zuerst innerhalb des Körpers längs seiner ventralen Oberfläche rückwärts, sogar manchmal bis an den Anus; plötzlich findet eine Biegung nach vorn statt, die Borsten kehren in den Basaltheil der Scheide zurück, durch welche sie nun in einer Richtung hindurchtreten, als wenn keine Schlinge gebildet worden wäre. Diese Schnabelschlinge ist in einem blind endigenden Sack (ce u) enthalten, welcher eine Ausstülpung des Anfangstheiles der Scheide bildet. Im Zusammenhang mit Letzterer wird dieser Sack später Berücksichtigung finden. Bei Chionaspis, Aspidiotus und anderen verwandten Genera mit sehr langem Schnabel ist die Bildung dieser Schlinge oft noch complieirter, indem sie noch ein Mal gewunden ist; die letzte Schlinge liegt dann weit hinten im Körper, während die ursprüng- liche vorn in der Nachbarschaft der sogenannten Horngräten liegt, und zwar der Art, dass sie entweder seitlich oder vor derselben zu liegen kommt. Bei Dorthesia andrerseits bleibt diese Schlinge ein- facher gestaltet, indem sie sich nicht weiter nach hinten erstreckt, als bis zur Mitte oder dem hinteren Ende des Unterschlundganglions. Ueber die Art und Weise, wie die spiralig entstandenen und bis zur Geburt so verbleibenden Borsten, nach aussen gelangen, will ich einige Beobachtungen, die ich an jungen Thieren von Aspidiotus Nerii machte, hier hinzufügen. Die betreffenden Thiere waren wahr- scheinlich sehr bald nach ihrer Geburt in meine Hände gelangt, da die Embryonalhaut noch vorhanden war. Ich fand sie auch noch unter dem Mutterleibe verborgen. Die Borsten lagen auf jeder Seite der Horngräten in zwei Spiralen gewunden (Taf. IV, Fig. 4); die freien Enden derselben lagen in der Steuerung oder in dem darauf folgenden Chitinrohre der Scheide, was ich nicht deutlich unter- scheiden konnte, da diese Theile sehr stark chitinisirt sind. Die erste Hervorragung aus der freien Spitze der Scheide war das gebogene Ende einer schon gebildeten Schlinge, wie ich denn überhaupt niemals bei meinen Beobachtungen die freien Spitzen der einzelnen Borsten hervorragen sah. Die Hervorstülpung der letzt- genannten Borstenschlinge steht im Zusammenhange mit der Ent- fernung der Embryonalhaut, welche Letztere in unregelmässiger Weise am vorderen Ende des Körpers reisst. Diese Ruptur sowohl, als auch das vollständige Ausschlüpfen aus der Haut wird bewirkt 40 E. L. Mark: durch heftige, periodisch wiederkehrende Bewegungen der Abdomi- nalsegmente an einander. Diese Bewegung der Abdominalsegmente sowohl, wie auch ganz besonders die der vorderen Körpertheile scheint auch einen wichtigen Einfluss auf die Hervorschiebung der Borsten auszuüben. Indem sich nämlich die Abdominalsegmente einander nähern, wird die Schnabelschlinge weiter hervorgetrieben. Umgekehrt hat aber das Auseinanderweichen der Segmente auf die Lage der Schlinge (und der Embryonalhaut) keinen Einfluss, — ein Umstand, der uns erklärlich wird, sobald wir annehmen, dass das Lumen der Steuerung, durch welches die Borsten passiren und viel- leicht auch die Röhre der sogenannten Scheide, mit kleinen rück- wärts gerichteten Zähnchen oder ähnlichen Gebilden bewafinet sei. Vielleicht dürften auch die Muskeln, welche vom Arcus inferior ausgehen und sich am vorderen Theil der Steuerung (Clavus) in- seriren, durch ihre Contraetion die longitudinalen Körpermuskeln _ beim Vorwärtsziehen der Steuerung und der damit zusammenhängen- den Scheide unterstützen. Dabei schieben sich Steuerung und Scheide nach vorn über die Borsten, die aber unverändert in ihrer Lage bleiben, hin; hierdurch nimmt natürlich die Länge der nach hinten gerichteten Schlinge zu, da ja ein Stück der Borsten aus der Scheide herausgetreten ist. Durch die nun erfolgende Er- schlaffung der Längsmuskeln und Contraction der querverlaufenden (resp. dorso-ventralen) Muskeln werden Scheide und Steuerung nach rückwärts gedrängt, wobei dann die wahrscheinlich im Lumen der Steuerung vorhandenen, rückwärts gerichteten Zähnchen oder ähn- lichen Hervorragungen die Borsten mit sich nehmen. Auf diese Weise wird die Schlinge nur allmälig vergrössert; es wurden z. B. in einer Zeit von 20 Minuten die Stadien « bis d (Fig. 4) durch- laufen. Bald früher, bald später erleidet diese Schlinge nech eine Krümmung, wodurch die scharf gegeneinander gebogenen Schenkel, die leicht mit dem freien Ende des Schnabels verwechselt werden können, nach vorn gerichtet bleiben und eine secundäre, aus dop- pelter Anzahl von Borsten bestehende Schlinge entsteht, die nach hinten gerichtet ist. Diese Letztere ragt weit über die Grenzen des Körpers nach hinten hinaus, wird aber endlich aufgelöst, da die primäre Schlinge häufig mit der abgestossenen Haut zusammenge- klebt bleibt (vergl. Fig. 5). Ob dies normale Vorgänge sind, und, wenn solches der Fall, auf welche Weise die Borsten wieder in die Leibeshöhle (resp. in Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 41 das taschenförmige Organ) gelangen, dies sind Fragen, die ich einst- weilen unentschieden lassen muss. Borstenmuskeln nachzuweisen war ich nicht im Stande, obwohl ich an den oben beschriebenen Larven nach vollendeter Hervorstülpung der Borsten Erscheinungen beobachtete, die sich nicht gut mit der Abwesenheit von Borsten- muskeln vereinigen lassen. Hierher gehören namentlich gewisse zuckende Bewegungen der Basaltheile der Borsten und der mit ihnen im innigen Zusammenhange stehenden retortenförmigen Körper (Fig. 6), die darin bestehen, dass Erstere rasch nach innen, resp. rückwärts gezogen wurden, während Letztere wegen des Vorhanden- seins eines festen Körpers («) nach vorn um diesen sich drehten, wodurch dann natürlich die Basaltheile der Borsten nach vorn ge- drängt wurden. Nach einiger Zeit nahmen alle Theile ihre normale Lage wieder ein. Diese Bewegungen gingen in ziemlich regelmässigen Zeitintervallen, und zwar auf beiden Seiten abwechselnd, vor sich. Der feste Punkt « könnte vielleicht ein dorso-ventral verlaufender Muskel sein. Indem wir nun zu der genaueren Betrachtung der Form der einzelnen Borsten zurückkehren, muss ich vor allen Dingen hervor- heben, dass ich nicht mit Tozzetti’s (19) Angabe (Pag. 15) überein- stimmen kann, nach der dieselben prismatisch seien. Man kann freilich leicht zu diesem Irrthum durch Betrachtung der Basaltheile kommen. Die auf der Fläche hinziehende Linie, die Tozzetti für den optischen Ausdruck einer Firste hielt, rührt von einer Rinne her, wie auf das Bestimmteste die Bilder beweisen, die man erhält, wenn man gebrochene Borsten untersucht. An diesen sind nämlich die durch jene Linie abgesetzten Hälften oftmals in ungleicher Ent- fernung von der Basis gebrochen, so dass sie, von der Seite gesehen, ein Bild geben, wie Fig. 3A. Ausdrücklich will ich hervorheben, dass diese Erscheinung nicht etwa durch das Brechen zweier Borsten bedingt ist. Wie schon oben erwähnt, und wie es auch schon aus der Dicke der Basaltheile hervorgeht, ist die Stärke der beiden Borstenpaare in Etwas verschieden. Dabei behalten die Borsten übrigens fast über ihre ganze Länge so ziemlich die gleiche Dicke, nur nahe dem freien Ende sind sie etwas zugespitzt. Das schmälere Borstenpaar scheint sich hier zwischen das andere einzulegen, wie es denn auch, soviel ich beobachten konnte, dieses ein Wenig an Länge übertrisft. Bevor ich zur Beschreibung der Scheide selbst übergehe, noch 42 E. L. Mark: einige Worte über ein sackartiges Organ, welches ich Tasche (Crumena, cu) nennen will. Ich glaube, dass Dujardin (5a) der Erste gewesen ist, der die Aufmerksamkeit der Forscher auf dieses Organ gelenkt hat. Seine Beobachtungen beziehen sich hauptsächlich auf Dorthesia und Cocceus Cacti. Er giebt an, dass diese Tasche sich bei allen Coceiden finde, und beschreibt dieselbe als ein contractiles, mehr oder weniger faltiges und im Innern des Körpers liegendes Gebilde; es mache mehrere Krümmungen und umschliesse die langen Borsten. Dieser contractile Sack bewirkt nach Dujardin das Hervordringen der Borsten aus der Scheide und ihr Eindringen in das Gewebe der Pflanze. Einige kurze Muskeln, die mit einem Ende an den Basal- theilen der Borsten, und mit dem andern an die sogenannten Horn- gräten angeheftet seien, sollen das Aufsaugen der Pflanzensäfte ver- mitteln. Mit den Bewegungen der Borsten hätten diese Muskeln nach Dujardin nichts zu thun!). Targioni-Tozzetti scheint das betreffende Werk Dujardin’s nicht gekannt zu haben, als er seine Memoria (1867) schrieb, denn er führt dasselbe nicht an. In seiner späteren »Introduzione alla seconda Memoria ete. 1868« erwähnt er jedoch das Werk Dujar- din’s. Er sieht sich dabei veranlasst, einen Theil der Angaben des französischen Forschers in Abrede zu stellen (20). Ausserdem giebt er an, dass, soweit er sehen könnte, keine Spur einer Tasche vor- handen war?). Nichtsdestoweniger kann ich in dieser Beziehung einem so sorg- fältigen und oft angeführten Forscher der Coceiden, wie Targioni- Tozzetti, nicht beistimmen; vielmehr muss ich mit Dujardin die Anwesenheit dieses Organs allgemein bei den Cocciden annehmen, denn ich habe bei Aspidiotus Nerii, Lecanium Hesperidum, Coccus 1) Diese Angabe Dujardin’s trifft nicht ganz zu, denn wir haben oben gesehen, dass einige Muskeln der ventralen Dreiecksfläche indirekt die Hervorstreckung der Borsten bewirken. Doch functioniren, wie wir später sehen werden, einige dieser Muskeln nur beim Saugen. 2) In einer Anmerkung (Pag. 9) macht Tozzetti Dujardin verantwort- lich für die Ansicht, als ob die Tasche eine Fortsetzung der Mandibeln und Maxillen sei, während Dujardin in Wirklichkeit sagt, dass die Letzteren in der Tasche enthalten seien. Tozzetti wollte vielleicht »contiene« Statt »continua« sagen. Er lässt ferner in derselben Note Dujardin sagen: »La bouche (statt hanche) comme chez les acriens ete.« » Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 43 Adonium und Dorthesia Urticae dasselbe nachgewiesen, also bei Re- präsentanten aller vier von Tozzetti aufgestellten Gruppen der Coceiden. Die Tasche (Taf. IV u. VI, Fig. 7, 26, 27 cu) ist eine Ausstülpung der Röhre, die in dem Basaltheile der Scheide enthalten ist. Sie erscheint als ein einfaches, blind endigendes, dehnbares Organ, welches, anstatt immer frei in .die Leibeshöhle hineinzuhängen, zu Zeiten mir mit seinem blinden Ende an die Nachbartheile geheftet zu sein schien. Wenn die Borsten vollständig innerhalb des Körpers liegen, so erfüllen sie die Tasche und dehnen sie aus, so dass dieselbe weniger sichtbar ist; sind jedoch die Borsten theilweise hervorge- streckt, so erscheint die Tasche der Quere nach in Falten gelegt. Ihr blindes Ende folgt gewöhnlich, wenn auch nicht immer, der Schnabelschlinge. Der letzterwähnte Umstand spricht eher für eine elastische Beschaffenheit der Tasche, als für eine contractile, welche Dujardin annahm. Da die Tasche aber nur innerhalb gewisser Grenzen sich zusammenzieht, so kann sie wohl nicht die einzige Ursache der Hervorschiebung der Borsten sein. Wenn der Schnabel vollständig ausgestreckt ist, so hängt die Tasche gewöhnlich frei innerhalb des Körpers in einem sehr zusammengezogenen und faltigen Zustand, wie es in Fig. 26 (cu) zu sehen ist. Sie hat in diesem speciellen Falle eine Länge von nur 60.«, und einen Durchmesser von 15«. Ob diese Gestalt die Folge einer activen Zusammen- ziehung ist, konnte ich nicht feststellen, da ich keine Muskulatur in der Tasche gefunden habe. Zu äusserst unterscheidet man eine sehr zarte, structurlose Membran, die vielleicht als Tunica propria zu bezeichnen ist. Unter ihr liegt eine Zellschicht, auf welche eine mehr oder weniger stark lichtbrechende, zuweilen bräunlich gefärbte, chitinige Intima folgt, die sich in das chitinisirte Rohr der Scheide fortsetzt. Bei CGoceus Adonium (Taf. IV, Fig. 7Tp) sah ich die Propria am blinden Ende in eine lange conische, zarte Scheide ausgezogen, auf welcher ich jedoch vergebens nach Muskelfasern suchte. Die Zellschicht ist ziemlich dick, und umhüllt mit ihrer Intima das Borstenbündel. Zwischen dem aufsteigenden und absteigenden Schenkel der Schnabel- schlinge sieht man die runden Zellkerne (3 bis 4 « im Durchmesser). Aus den Intervallen der Kerne kann man schliessen, dass die zu- gehörigen Zellen ungefähr 10 « im Durchmesser haben müssen, ob- wohl Zellgrenzen nicht gesehen werden können. Die Intima ist 44 E. L. Mark: manchmal in hervorragendem Grade entwickelt, und zeigt bei der Contraction der Tasche unregelmässige Falten. Die Scheide ist ein mehr oder weniger conisches Organ, welches zwischen dem vorderen Beinpaare liegt, und mit seiner Spitze nach hinten gerichtet ist. Die obere Seite der Scheide ist mit der ventralen Aussenfläche des Körpers auf eine grössere oder geringere Strecke verwachsen, während die gegenüberliegende Seite einen tiefen Canal zur Auf- nahme der Borsten bildet. Dieser Canal hat eine. chitinige Be- schaffenheit und ist in der That nichts Anderes, als eine Fortsetzung der äusseren euticularen Wand der Scheide, hervorgebracht durch eine Einfaltung, so dass sein Querschnitt c-förmig ist. Vorn steht der Canal in Zusammenhang mit der Tasche und dem Lumen der Steuerung, während er sich nach hinten bis zum freien Ende der Scheide erstreckt. Seine freien Ränder sind bei den verschiedenen Genera in verschiedenem Grade einander genähert, können voll- ständig zusammenwachsen und so eine Röhre bilden. Die Scheide ist weniger lang, als bei den meisten Hemipteren. Bei den Aphiden zerfällt sie gewöhnlich in drei hinter einander liegende Segmente, wäh- rend man bei den Cocciden deren nur zwei, oder sogar nur eins (Lecanium, Chionaspis, Aspidiotus) findet. Bei Dorthesia (Taf. IV, Fig. 2 vsc) ist die Scheide annähernd rechteckig und in dorso-ven- traler Richtung abgeplattet. Das Basalsegment ist etwas breiter (130 «), als das terminale Segment (100 «), die Länge jedes Seg- mentes beträgt 80 «. Das terminale Segment ist mit einigen steifen Haaren besetzt. Die Ränder des stark chitinisirten Canals stehen nicht sehr weit auseinander. Bei Coccus Adonium ist die Scheide gleichmässiger, aber scharf zugespitzt, hat ebenfalls einen offenen Canal aber eine weniger deutliche Segmentation. Das Basalsegment ist ungefähr 100 « lang und an seinem Grunde eben so breit; das Terminalsegment dagegen ist 3/, so lang und viel schmäler. Letzteres ist gleichfalls mit zahl- reichen Haaren an der Spitze versehen. . Wie erwähnt, ist bei Lecanium, Chionaspis und Aspidiotus keine Segmentation der Scheide vorhanden. Ihr Längsschnitt ist herzförmig, ihr Querschnitt rund. Der Canal ist längs seiner ven- tralen Fläche geschlossen, aber zeigt gewöhnlich die Verwachsungs- linie als eine äusserliche seichte Furche. Bei Lecanium (Taf. VI, Fig. 27) ist die Scheide etwas länger, als bei Chionaspis und Aspidiotus. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 45 Bei ausgewachsenen Exemplaren beträgt die Länge und auch die Breite derselben 50 «. Vor der ersten Häutung indessen ist sie nur 25 « lang und eben so breit. Ausser diesen so eben beschriebenen Theilern gehören zu den Mundorganen noch andere, welche in dem Winkel liegen, der durch die zusammenstossenden Borsten gebildet wird. Diese Organe setzen den Zuleitungsapparat des Oesophagus zusammen und repräsentiren die wahre Mundhöhle und den Pharynx. Targioni-Tozzetti (19) hat dieselben beschrieben als aus einer dünnen Lamelle be- stehend, welche nach Art der Scheide gefaltet ist, und in der Mitte eine längliche Oeffnung hat. Nach Demselben bildet dieses Organ einen in den Oesophagus führenden Trichter, der in morphologischer Hinsicht eher der Glottis als der Zunge vergleichbar sei. Er nennt es Infundibulum. Er sagt weiter: »Von wirklichem Saugen ist keine Rede; das Aufsteigen des Saftes kann wohl durch Einwirkung der Capillarkräfte des engen Schnabelrohres geschehen, wird aber wahrscheinlich durch allgemeine Bewegungen des Körpers erleichtert.“ Obgleich in Bezug auf diese kleinen und schwer zu unter- suchenden Theile keineswegs alle Fragen durch meine Bemühung ihre Erledigung gefunden haben, glaube ich doch so viel gesehen zu haben, um der festen Ueberzeugung sein zu dürfen, dass Tozzetti diese Organe nicht richtig beschrieben hat. Mag auch Tozzetti der von Seiten Dujardins gegebenen Deutung dieser Organe mit einigem Recht widersprochen haben, so muss ich meinerseits auf das Entschiedenste behaupten, dass ein wirkliches Saugen bei diesen Insecten beobachtet werden kann. Den Angaben Tozzetti’s kann deshalb nicht volles Zutrauen geschenkt werden, weil alle seine Zeichnungen von der ventralen Seite aufgenommen sind, von wo aus einige der in Rede stehenden Organe wenig oder gar nicht gesehen werden können. Das Saugen wurde von mir allerdings nur an einer Species (Chionaspis Aspidistrae) beobachtet; da aber ganz ähnliche Organe bei anderen Species und Genera ebenfalls nachgewiesen sind, glaube ich zu dem Schluss berechtigt zu sein, dass dieselben auch hier in derselben Weise functioniren. Von der dorsalen Fläche aus ge- sehen ist bei jungen Chionaspis über der Verwachsungsstelle der Borsten ein im optischen Durchschnitt rechtwinkliges, hinten fest mit der Steuerung verbundenes Organ (Taf. IV, Fig. 8, 9) zu be- merken, welches sich jedoch auf Querschnitten (Taf. IV, Fig. 12) als 46 E. L. Mark: eylindrisch erweist. Muskeln (ins), welche von der ganzen Länge des Arcus superior und dem vorderen Theil der Gostae supe- riores ausgehend nach ihrem Insertionspunkt an einem chitinigen Stabe convergiren, sind deutlich zu beobachten. Der Chitinstab verläuft rückwärts in der Medianebene und steht an seinem hinteren Ende mit einem eigenthümlichen Körper in Verbindung, den ich Kolben (Embolus, eb) nennen werde. Dieser Kolben spielt innerhalb des oben er ahnen ceylindrischen Körpers (Cylindrus, ey), jedoch nur in sehr geringen Intervallen; seine hintere Fläche steht in der Ruhe mit der hinteren Fläche des Cylinders in innigem Contact. Der in ähnlicher Weise wie eine Kolbenstange wirkende Chitinstab soll der Kürze wegen im Naeh folgenden mit Regula (rg) bezeichnet werden. Der Kolben (Embolus) ist elastisch; durch die Contraction der oben beschriebenen Muskeln wird zunächst die Regula und also auch der Kolben selbst nach vorn gezogen, Letzterer jedoch in der Mitte stärker, als an den Rändern. Hierdurch wird ein leerer Raum gebildet, der in direktem Zusammenhange mit dem schmalen Canale der Steuerung, also auch mit dem durch die Borsten gebildeten Gange steht. Wie dieser Raum mit dem mehr ventral liegenden Oesophagus communicirt, war ich nicht im Stande zu constatiren. Die Contraction der Muskeln indessen und die dadurch bedingte Vorwärtsbewegung des Kolbens, ferner die Entstehung des Raums konnte ich an ver- schiedenen Individuen und wiederholt beobachten. Die merkwürdige und interessante Einrichtung dieses Apparates deutet auf seine Function als Saugwerkzeug ; der Vergleich derRegula mit der Kolbenstange, des Embolus mit dem Kolben, des cylindrischen Körpers mit dem Stiefel einer Saugpumpe liegt auf der Hand. Bei Aspidiotus sind diese Theile (Taf. IV, Fig. 10) von etwas verschiedener Gestalt, wirken aber wahrscheinlich im Wesentlichen auf gleiche Weise. Die Muskeln convergiren ebenfalls und inseriren sich an einer Regula, wie bei Chionaspis. Der Cylinder ist in zwei Theile getheilt, in einen vorderen, dünnwandigen, und einen hinteren dickwandigen; beide erscheinen im optischen Durchschnitt mehr abgerundet als bei Chionaspis. Der vordere Theil ist stark licht- brechend, als ob er eine farblose Flüssigkeit enthalte, während der hintere Theil weniger durchsichtig ist, und manchmal Granu- lationen, annähernd radial geordnet, enthält. Ungefähr in der Mitte der dorsalen Oberfläche des hinteren Theiles sah ich, wenn auch Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 47 nicht in allen Fällen, eine Einmündungsstelle («), welche ich als Mündung des Ausführungsganges der paarigen Speicheldrüsen an- sehen zu dürfen glaube. Auch unterschied ich (Fig. 10) nach Behandlung mit Kali ein chitiniges steigbügelartiges Gebilde (Stapes, st), welches an dem hinteren Ende der Regula angeheftet ist. Ob Letzteres dem Embolus homolog ist, und wie dieses in dem Cylinder wirkt, kann ich nicht angeben, da bei allen den Thieren, welche ich in dieser Hinsicht der Untersuchung unterwarf, eine Bewegung dieser Theile nicht zu bemerken war. Der Cylinder scheint im Allgemeinen etwas länger bei Aspidiotus, als bei Chionaspis zu sein; bei letzterem Genus ist er 10 « lang und nahezu ebenso breit, während er bei Aspidiotus 20 « lang und vorn ebenso breit ist, hinten aber nur 12 bis 15 « Breite zeigt. Die Regula ist sehr dünn (1) und manchmal an ihrem vor- deren Ende zweiästig. In der Rückenlage sieht man von den nebenbeschriebenen Organen fast nichts, und deswegen übersah Targioni-Tozzetti dieselben. Seine »dünne, faltige Lamella« ist nach meinen Beob- achtungen eine Röhre, und keineswegs eine Platte. Auch konnte ich den directen Zusammenhang dieser Röhre mit dem Oesophagus constatiren, und bin dadurch veranlasst, dieselbe als Anfangstheil des Letzteren (resp. Pharynx) anzusehen. Tozzetti’s »verlängerte Oefinung in der Mitte« ist keine Oeffnung, sondern ein chitiniger Vorsprung (Zapfen, Uva, uv, Fig. 1 und 11). Letzteres geht zur Evidenz aus der für Chitin so charac- teristischen bräunlichen Farbe dieses Gebildes hervor. Der Pharynx ist etwas angeschwöllen, und mit dicken, unregelmässig welligen Wänden versehen. Die Wände werden nach vorn, wo sie in den eigentlichen Oesophagus übergehen, allmälig dünner, das von ihnen begrenzte Lumen ist in der Umgebung des Zapfens etwas weiter, und erreicht das Maximum seiner Weite gegenüber dem hinteren Ende des Zapfens. Ob das Lumen direct oder vermittelst des Saug- apparates mit der durch die Borsten gebildeten Röhre im Zusammen- hang steht, konnte ich nicht constatiren. Der Zapfen (uv) ist auf dem angeschwollenen Theile des Pharynx, und zwar auf der ven- tralen Seite angewachsen; seine, mit der Wand des Pharynx ver- wachsene Basis ist hinten lanzettförmig, vorn breiter und in der Mitte eingekerbt; die von der Verwachsungsfläche aufsteigenden 48 E. L. Mark: Seiten divergiren, jedoch der Art, dass die nach unten gerichtete freie Fläche hinten breiter ist, als vorn, vorn aber sich fast gar nicht von der Wand des Pharynx abhebt, vielmehr mit derselben einen nach hinten offenen spitzen Winkel bildet. Von dem Arcus inferior und den Costae inferiores gehen zahlreiche Muskeln aus, welche nach dem Zapfen zu convergiren. Dieser dient ihnen als Insertionspunkt. In Thätigkeit habe ich diese Muskeln nie gesehen, ich kann also auch nicht sagen, ob dieser Apparat mit dem dorsalen Saugorgane in einem engeren Verhältnisse steht oder nicht. Es wäre die Möglichkeit vorhanden, dass bei der Contraction der Muskeln durch den auf den Zapfen bewirkten Druck, das Lumen des Oesophagus (resp. Pharynx) vergrössert würde, ein Umstand, welcher der Saugthätigkeit Vorschub leisten würde. Verdauungscanal. Von allen saugenden Insecten sind die Hemipteren vielleicht diejenigen, welche die grösste Mannichfaltigkeit in der Form ihres Verdauungstractus darbieten, und am häufigsten eine Organisation zeigen, die in hervorragender Weise das Interesse des Forschers in Anspruch nimmt. Nicht die Ausdehnung, auch nicht die Anzahl der Abtheilungen, sondern ganz besonders die Lage der einzelnen Abschnitte und deren gegenseitige Beziehung sind von besonderem Interesse und haben bedeutende Meinungsverschiedenheiten in Betreff der Homologie dieser Organe veranlasst. Letzteres ist in hohem Grade der Fall bei den Coceiden }). Bis zu dem Jahre 1838 glaubte man, dass der hintere, darm- artige Theil des Magens bei einigen Hemipteren (resp. Homoptera) in den vorderen, erweiterten Theil des Magens münde, und so einen in sich selbst zurücklaufenden Canal darstelle, während der eigent- liche Darm von einem dieser Mündungsstelle direct gegenüber liegen- den Punkt des Magens seinen Ursprung nehme’?). Doye&re (3) ist es, dem wir die ersten Aufschlüsse über die 1) Nach Ramdohr (15) zeigt der Verdauungstractus von Chermes Alni einen sehr einfachen Bau. Derselbe ist augenscheinlich dem der Aphiden ähnlicher, als dem der Coceiden. Nach der vorliegenden Beschreibung (Pag. 198) ist der Darmcanal fast drei Mal so lang, als der Körper, und zerfällt in 4 hintereinander liegende Segmente: eine kurze und enge Speiseröhre, einen vorn erweiterten, völlig durchsichtigen Magen, einen leeren, bisweilen faltigen Dünndarm und einen quergefalteten Mastdarm. Gallengefässe fehlen. 2) Vergl. Dufour (4) Pag. 220, 235, 240 und Tab. VIII und IX. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzen!äuse. 49 wahren Beziehungen dieser Theile zu einander verdanken. In seiner »Note sur le tube digestif des Cigales« sagt er (Seite 83): »Mais au lieu de se d&gorger dans cette cavite, il ne fait que sSintroduire dans les parois, pour ramper, en serpentant, entre les tuniques dont elles se composent, et resortir en k, ä peu de distance de l’orifice cardiaque B, sans aucune solution de continuite.« Nach dieser Entdeckung war es zu vermutlien, dass ähnliche Verhältnisse auch bei den verwandten Thieren, denen gleichfalls ein zurücklaufendes Darmrohr beigelegt wurde, Statt finden würden. Dies wurde für Dorthesia und Psylla ausdrücklich zuerst von Leuckart (8) im Jahre 1847, und für Dorthesia später (1852) noch von Dujardin (5) ausgesprochen. Der Darmeanal von Coccus (Lecanium) Hesperidum wurde zu- erst von Leydig (9) beschrieben. Er belehrte uns, dass sich an den kurzen Oesophagus ein länglicher Magen von weit stärkerem Caliber anschliesse, und dass der Letztere im Zusammenhang mit einem Darme stehe. Nach seiner Abbildung beträgt der Durch- messer dieses Darmes nur ein Viertel von dem des Magens. Nach seinen weiteren Angaben endigt der Darmtractus nach zahlreichen Windungen am hinteren Ende des Körpers mit dem After und giebt ungefähr im letzten Dritttheil zwei Blindsäcke ab, von denen der eine einen einfach gekrümmten, frei in die Leibeshöhle ragenden Schlauch bildet, der andere knäuelförmig zusammengerollt ist und nach seinem Abgange vom Darmcanal in einer Blase steckt, die sich bis zum Hautskelet zu verlängern und dort anzuheften scheint. Im Jahre 1858 beschrieb Lubbock (12) das Nerven- und Verdauungssystem von Coccus Hesperidum. Er hebt dabei hervor, dass die Beschreibung Leydig’s eine irrthümliche sei, und der Berichtigung bedürfe. Nach Lubbock ist der Oesophagus ziemlich lang und ausserordentlich eng; an ihn schliesst sich ein birnförmiger Sack mit einer merkwürdigen, zelligen, gewundenen Drüse im Innern (»internal gland«). Nun folgt ein sehr kurzer Darm (von Lubbock »Ilium« genannt), welcher allmälig zu einem elliptischen Reetum anschwillt. Letzteres ist weit ansehnlicher als der birnförmige Sack, den er in der Folge »birnförmiger Kropf« oder »Magen« (»pear-shaped crop or stomach«) nennt. Das Rectum zieht sich in eine enge Röhre zusammen, welche auf der dorsalen Körperfläche am hinteren Ende in den After (»vent«) ausmündet. Ferner beschreibt Lubbock eine Reihe von Gebilden, die mit dem Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13. 4 50 E. L. Mark: birnförmigen Magen an seinem vorderen Ende in Verbindung stehen: 1) die zwei Enden eines in sich zurücklaufenden Darmcanals (»re- current intestine«), und 2) einen freien Blindsack (»Coecum«), der an seiner Basis angeschwollen ist und den er für homolog dem Saugmagen anderer Insecten hält. Am vorderen Ende sind ausser- dem 3) die oben erwähnte innere Drüse (»internal gland«) und 4) der Oesophagus angewachsen. Lubbock’s Ansichten über die Beziehungen dieser Theile zu einander sind, obgleich sie der Wahrheit weit näher kommen, als die Leydig’s, ebenso wenig richtig, so dass ich seinen Versuch, die Irrthümer Leydig’s zu berichtigen, nicht als gelungen be- trachten kann, wie das im Verlauf meiner Arbeit im Einzelnen be- gründet werden wird. Lubbock schreibt: „Wir müssen uns den Verdauungstractus in Leydig’s Figur etwas hinter dem Pylorus des Magens (Leydig) abgeschnitten denken; das so entstandene vordere Ende des Darmes muss mit dem anderen, von Leydig After ge- nannten Ende verbunden gedacht werden, wodurch dann das in sich zurücklaufende Darmrohr (»recurrent instestine«, Lubbock) ent- steht. Das Pylorusende des Magens soll dann mit der Blase (Leydig) in Verbindung stehen!). Durch obige Transposition der von Leydig gezeichneten Abschnitte des Darmcanals und durch die Annahme, dass der Hals der Blase, welcher nach Leydig sich bis zur Haut erstreckt, identisch sei mit dem schmalen Oeso- phagus, kommt Lubbock zu der Ansicht, dass die Blase, der Magen, der Oesophagus und der Mund nach Leydig beziehungsweise als birnförmiger Magen (»pear-shaped stomach«), als Rectum, als ver- engtes Ende des Rectum und als After (»vent«) nach seiner Auf- fassung zu deuten seien. Den einfach gekrümnten, frei in die Leibes- höhle ragenden Blindsack Leydig’s nennt Lubbock Coecum (Homologon des Saugmagens), den anderen, gewundenen bezeichnet er als eine innere Drüse (internal gland«). Im Obigen sind die Meinungsverschiederheiten zwischen Lu b- bock und Leydig hervorgehoben. Welchem Organe in Ley- dig’s Figur Lubbock’s Ilium correspondirt, ist von letztge- nanntem Autor nicht angegeben. Vielleicht ist es das kurze Stück des Darmcanals, welches nach dem von Lubbock angenommenen Schnitte mit dem Pylorusende des Magens im Zusammenhang bleibt. 1) In welcher Weise dies geschieht, ist nicht angegeben. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 51 Wenn nach der Annahme Lubbock'’s der Hals der Blase der Oesophagus ist, so kann man sich nicht vorstellen, wie der Magen (Leydig) so mit der Blase (Leydig) verbunden sein kann, dass dadurch das Reetum (Lubbock) repräsentirt ist. Denn nach Lubbock ist das Rectum mit dem birnförmigen Magen, vermittelst des Ilium, an einem diametral der Insertionsstelle des Oesophagus gegenüberliegenden Punkte in ganz normaler Weise verbunden. Wollte man aber in Leydig’s Figur den Magen an dieser Stelle sich angeheftet denken, so würden natürlich die zwei Blind- säcke (»Coecum, internal gland«, Lubbock) ihre Anheftungsstelle am hinteren Ende der Blase (resp. »pear-shaped stomach« Lub- bock), anstatt am vorderen Ende haben. Ausser dieser Unklar- heit sind seine weiteren Auseinandersetzungen zwar genügend ver- ständlich, aber nicht in jeder Hinsicht correct, wie wir später sehen werden. Targioni-Tozzetti (19) hat diese Theile von 8 Species von Coceiden, die zu 7 verschiedenen Genera gehören, beschrieben _ und durch eine Reihe von Figuren dargestellt. Bei denjenigen Species, welche ich genau untersucht habe, fand ich seine Zeich- nungen und seine Beschreibungen in den meisten Fällen correct, aber nichtsdestoweniger stimmen meine Beobachtungen in Bezug auf einige wesentliche Punkte mit den seinigen nur wenig überein. Meine Erörterungen werden sich hauptsächlich auf Lecanium beschränken, wo in dieser Hinsicht die complicirtesten Verhältnisse obwalten. Ich unterscheide drei verschiedene Theile in dem eigentlichen Darmcanal, nämlich 1) Vorderdarm oder Oesophagus (oe), 2) Mit- teldarm oder Ventriculus (v) und 3) Hinterdarm oder Rectum (rt). Obwohl ich für die zweite dieser Abtheilungen die Benennung Chylusmagen beibehalte, glaube ich doch, dass man sie sowohl aus histologischen Gründen, als auch wegen ihrer Beziehungen zu den Malpighi’schen Gefässen in zwei Unterabtheilungen bringen kann, von denen die eine kurz ist, die andere lang, die eine vom Ende des Oesophagus bis zur Insertion der Malpighi’schen Gefässe geht, die andere von da bis zum Reetum. Obwohl diese beiden Abschnitte sich nicht anders, als durch die Insertion der Malphigi’schen Gefässe gegen einander absetzen, auch in histologischer Beziehung allmälig in einander übergehen, glaube ich dieselbe doch dem eigentlichen Magen und dem Dünn- 52 E. L. Mark: darm der Insecten parallelisiren zu dürfen. Die Aehnlichkeit mit den Verhältnissen bei Dorthesia ist ganz überraschend, obwohl bei Lecanium der Dünndarm im Vergleich nicht. so dünn ist, als bei Dorthesia, auch der Blindsack bei Lecanium eher das blinde Ende des Dünndarmes darstellt, als des Rectums, wie bei Dorthesia. Betrachten wir nun vom morphologischen Standpunkte aus den Verdauungscanal etwas genauer. Was das Lumen betrifft, so ist immer der folgende Theil weiter, als der vorhergehende. Der Oeso- phagus ist verhältnissmässig kurz, überall gleichmässig breit und sehr eng. Der Chylusmagen hat einen nur innerhalb enger Grenzen variirenden Durchmesser und ist drei oder vier Mal so lang, als das umfangreichere Rectum. Das Letztere ist zwei oder drei Mal so lang, als der Oesophagus, und verjüngt sich an seinem hinteren Ende ziemlich plötzlich zu einem schmalen After (Taf. V, Fig. 13). Nachdem der Oesophagus in der Leibeshöhle zunächst eine kurze Strecke aufwärts gestiegen ist, biegt er sich etwas nach hinten. Der Chylusmagen beginnt mit einer plötzlichen Erweiterung des Ver- dauungsrohres, behält auf eine kurze Distanz die nach hinten gehende Richtung des Oesophagus bei, biegt dann aber plötzlich nach vorn um, eine kurze Strecke neben dem Oesophagus laufend, und bildet so mit diesem eine schmale Schlinge, welche ich nach Targioni- Tozzetti »Ansa minor« (An) nennen will. Alsdann wendet sich der Ventriculus allmälig von dem Oesophagus ab und bildet eine ausgedehnte Schlinge (»Ansa major«, Am) dadurch, dass er zu dem Punkte des Oesophagus zurückkehrt, von dem er ausging. Der Anfang dieser grossen Schlinge liegt auf der linken Körper- seite (Lecanium Hesperidum) und nimmt die Malpighi’schen Ge- fässe bald nach dem Verlassen des Oesophagus auf; alsdann geht er vor dem Oesophagus auf die rechte Körperseite über, und erstreckt sich weit nach hinten in unregelmässigem Verlaufe; endlich biegt er sich um, verläuft in der Medianebene des Körpers nach vorn, indem er sich dicht an das Rectum anschliesst, und bildet, nachdem er die Schlinge vollendet hat, noch einen kurzen, nach vorn gerichteten, blind endigenden Sack (Coecum, ce). Auf der Seite dieses letzteren Theiles des Chylusmagens (resp. Dünndarms), gegenüber der oben erwähnten Abgangsstelle, entsteht das Rectum (rt). Dasselbe verläuft direct rückwärts bis zum Anus. Die bisher besprochenen Verhältnisse sind an sich sehr einfach; Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 53 aber die Klarstellung derselben wird durch das Zusammenwachsen gewisser Partieen ausserordentlich erschwert. Das hintere Ende der kleinen Schlinge (An) nämlich, die von dem Ende des Oesophagus und dem Anfang des Magens gebildet wird, ist fest mit der Wand des Rectums verwachsen, gerade an der Stelle, wo Letzteres von dem Magen seinen Ursprung nimmt. Ausser- dem ist diese ganze Schlinge in eine taschenförmige Vertiefung des Rectums eingesenkt, ohne dass jedoch die Wände des Rectums dabei eine Durchbohrung erlitten hätten, wie man früher annahm. Nach dem soeben Gesagten muss Lubbock den aus der Einstülpung des Rectums hervorragenden vorderen Theil des Oesophagus für den ganzen Oesophagus gehalten haben, während er die kleine Schlinge als »internal gland« beschrieb; ebenso ist sein in sich zurückläufendes Darmrohr (»recurrent intestine«) nichts Anderes, als die grosse Schlinge des Ventriculus (Am). Ferner muss der von ihm als Coecum beschriebene Theil das blinde, nach vorn gerichtete Ende des Chylusmagens (ce) sein. Der birnförmige Magen nach Lubbock muss der Anfang, das von ihm »Ilium « genannte Gebilde der mittlere Theil, und der von ihm als »Rectum« angesehene Theil nur die hintere Portion des Rectums sein. Was Leydig’s Beschreibung anbelangt, so ist das von ihm als Blase bezeichnete Organ dasselbe, welches von mir als Rectum gedeutet wurde. Der Hals der Blase ist sicherlich nicht, wie Lub- bock glaubt, der Oesophagus, auch nicht am Munde mit der Körper- haut im Zusammenhang, sondern das durch den After ausmündende Ende des Rectums. Was das von Leydig als Magen aufgefasste Organ sein mag, ist schwer anzugeben; doch will mir fast scheinen, als ob er zwei Individuen zugleich untersucht habe und das Rectum des zweiten für den Magen des ersten gehalten habe; denn sicherlich hat er mehr Theile von bedeutender Ausdehnung beschrieben, als in einem einzigen dieser Thiere gefunden werden können. Wie damit freilich die genaue histologische Beschreibung zu vereinigen sein dürfte, die Leydig gegeben hat, weiss ich nicht. Meine Ansicht über die Aufeinanderfolge der einzelnen Theile des Darmcanals steht in einem Punkte übrigens auch der Darstellung Targioni-Tozzetti’s entgegen. Derselbe betrifft die Frage nach dem oesophagialen und dem rectalen Ende der Ansa major. 54 E. L. Mark: Aus der alphabetischen Ordnung der Buchstaben, welche die Figuren 4, 5 und 6 auf Tafel V der Arbeit Targioni-Tozzetti’s erklären, sowie der Beschreibung der Ansa majer könnte man viel- leicht schliessen, dass Tozzetti die Malpighi’schen Gefässe in das oesophagiale Ende einmünden liesse. Man sucht freilich ver- gebens nach einer direct darauf hindeutenden Bemerkung, findet aber später bei der Beschreibung der Malpighi’schen Gefässe selbst (Pag. 47) das Gegentheil angegeben !). Wenn auch die Abbildung der Verdauungswerkzeuge von Le- canium depressum (Taf. V, Fig. 4) in der Arbeit Tozzetti’s nicht von einer solchen überzeugenden Klarheit ist, dass die An- nahme eines Beobachtungsfehlers dadurch ausgeschlossen würde, so kann Gleiches doch nicht für Fig. 5 und 6, welche diese Organe von Dactylopiuslongispinus undChermes Bauhini darstellen, angenommen werden. Ob sich trotzdem auch für diese beiden Genera meine Ansicht bestätigt, muss ich unentschieden lassen, bis sich mir Gelegenheit zu weiterer Untersuchung darbietet. Ich hoffe, alsdann auch in der Lage zu sein, in Bezug auf Dorthesia und einige andere Genera, über welche meine Beobachtungen noch nicht beendet sind, nähere Details mittheilen zu können. Betrachten wir nun die einzelnen Abtheilungen des Darmcanals etwas genauer, so ist zunächst zu bemerken, dass bei Lecanium Hesperidum der Oesophagus (oe) überall einen gleichen und sehr geringen Durchmesser hat (15 «), obwohl er die beträchtliche Länge von 700 « erreicht. Er nimmt seinen Verlauf von der Steuerung (el) aus vorwärts nach der Einbuchtung des Arcus superior, läuft unter diesem weg, biegt sich aber bald wieder nach oben über denselben zurück und geht fast bis zu dem hinteren Ende der in der Einstülpung des Reetums liegenden kleineren Schlinge (An), wo er mit einer kleinen Einschnürung endigt (Struetura cardiaca, sc; vergl. Taf. V, Fig. 15). Der Chylusmagen (v), welcher nahe dem hinteren Ende der Ansa minor beginnt, hat anfangs den doppelten Durchmesser des ÖOesophagus, biegt sich bald, unter fortwährender Erweiterung, nach vorn zurück, und macht, indem er weiter vorrückt, verschiedene eigenthümliche Windungen, welche Targioni-Tozzetti »eine 1) »due corpori tubulari riuniti in uno simplice e breve, che sbocca nell’ intestino, poco prima che questo si allarghi formando il sacco rettale«. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 55 Spirale um den Oesophagus als Axe« genannt hat. Dies ist jedoch nicht völlig richtig; vielmehr ist der Chylusmagen nur gefaltet, ohne dass der Oesophagus von ihm umwunden wird. Man denke sich diese Falten in einer Ebene liegend, welche sich zu einer Rinne ein- biegt, in der dann der Oesophagus gebettet ist. Nach vier- oder fünfmaliger Windung steigt er dann aus der Einstülpung des Rec- tums hervor, um als Ansa major in obenbeschriebener Richtung zu verlaufen. Er nimmt allmälig im Durchmesser zu, bis er das Rectum verlässt. An dieser Stelle misst er 40 bis 60 «, und diese Dicke vermindert sich während seines weiteren Verlaufs nur um Weniges. Den Blindsack fand ich nie in der starken Ausbildung, wie ihn Targioni-Tozzetti für Lecanium laevis an- giebt, eine Species, welche er mit der vonLeydig und Dubbock untersuchten (Lecanium Hesperidum) für identisch hält. Das Rectum (rt) wird gewöhnlich in zusammengefallenem Zustande aufgefunden, in welchem dasselbe wenig geeignet ist, eine genaue Anschauung seiner wahren Form gewinnen zu lassen. Ge- legentlich findet man es jedoch mit einer transparenten Flüssigkeit angefüllt, welche sogar in solcher Menge auftreten kann, dass das Rectum einen ganz beträchtlichen Durchmesser (400 «) bekommt. Da, wo es die Ansa minor umschliesst, ist es etwas ange- schwollen, aber hinter dieser Stelle erleidet es eine Einschnürung. Auf diese folgt ein ellipsoidischer Theil, der in einen kurzen und engen, als After mündenden Canal sich fortsetzt. Die Länge des ganzen Rectums beträgt in manchen Fällen drei Mal so viel, als seine Breite im angeschwollenen Zustande. Es liegt in der Median- ebene des Körpers. Der Anus (a) wird durch eine trichterförmige Einstülpung (f) der äusseren Haut gebildet, die am hinteren Ende des Körpers im Grunde einer tiefen medianen Spalte liegt. Die chitinige Einstülpung ist mit zwei conischen Hervorragungen versehen, die ebenfalls aus Chitin bestehen und die nach vorn gerichtet sind; dieselben dienen als Insertionspunkte von Muskeln, deren Function ich nicht zu con- statiren vermochte. Um den After herum befindet sich immer eine Anzahl langer Haare. Vom Rücken her ist das hintere Ende der trichterförmigen Einstülpung durch zwei dreieckige Klappen (Valvae, vs, vs‘) geschützt. In histologischer Hinsicht ist als besonders auffallend hervor- 56 E, L. Mark: zuheben, dass auf dem ganzen Verdauungstractus keine Muskelfasern nachzuweisen sind. Der Oesophagus zeigt eine Tunica propria, eine Zellschicht und eine Tunica intima. Die erstere ist dünn und bei Lecanium augenscheinlich structurlos; bei Dorthesia (Taf. V, Fig. 14) indessen sind abgeplattete Kerne in der Propria leicht zu erkennen. Dieselben zeigen, von der Fläche aus gesehen, einen Durchmesser von 5 «, sind aber nur halb so dick und stehen in Zwischenräumen von un- gefähr 15 «. Die darunter liegende Zellschicht des Oesophagus ist bei Lecanium weder von beträchtlicher Dicke, noch sind auch die Kerne, selbst nach der Tinction, deutlich zu sehen. Die Intima ist häufig in longitudinaler Richtung gefaltet, schliesst aber ein Lumen ein, welches im Durchmesser mehr als ein Drittel der ganzen Dicke des Oesophagus misst. Die Propria der kleinen Schlinge (Ansa minor) ist mit der der umgebenden Rectaltasche zusammengewachsen und Letztere als selbständige Tunica propria nur an gewissen Punkten (Tp, r) nach- weisbar. Die Propria des umhüllten Theiles vom Magen ist nur theilweise im Innern mit einer Zellschicht bekleidet, welche in Form eines spiraligen Bandes um das Lumen sich herumzieht. Die Zellen sind concav gegen das Lumen der Röhre hin, so dass dasselbe im Querschnitt linsenförmig erscheint (Taf. V, Fig 17 «). Im Profil erscheinen die Zellen gewöhnlich keilförmig; sie sind transparent, messen 20 bis 30 « im Durchmesser und enthalten je einen Kern und ein einziges Kernkörperchen (n]). Nachdem der Chylusmagen aus der Einstülpung des Rectums herausgetreten ist, ändern die Zellen allmälig Form und Aussehen. Ihr Inhalt wird granulös; sie verlieren ihre frühere Durchsichtigkeit, nehmen eine unregelmässige Form an, wobei sie zugleich in Grösse varjiren und nur lose an die Tunica propria sich anlegen. Oft sind zwei Kerne von sehr verschiedener Grösse vorhanden, von denen dann jeder Kernkörperchen in unbestimmter Anzahl in sich ein- schliesst. Der Bau des Blindsackes stimmt mit dem der Ansa major überein. Eine Intima fehlt von dem hinteren Ende des Oesophagus bis zum Rectum. Im Rectum dagegen erreicht die Intima eine ganz beträchtliche Entwickelung; sie bildet die innere von den zwei Häuten, welche Leydig in der Blase fand und ist gewöhnlich in stark markirte, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 57 longitudinale Falten gelegt. Aber die Kerne, welche Leydig be- schreibt, färben sich nicht in Carmin und zeigen im Allgemeinen nur die Beschaffenheit der Intima selbst, wodurch ich zu der Ansicht veranlasst bin, dass sie nur Verdickungen derselben darstellen. Eine Zellschicht, welche Targioni-Tozzetti nicht finden konnte, habe ich mehrmals beobachtet; indessen muss ich hinzufügen, dass sie keineswegs immer unterschieden werden kann. Die betreffenden Zellen (car) sind sehr transparent und scheinen nicht überall eine zusammenhängende Schicht zu bilden. Sie sind am vorderen Ende des Rectums zahlreicher als hinten, und lassen sich auch auf den eingestülpten Theil desselben verfolgen, wo sie eine schmale, längliche Form haben, und gewöhnlich kreuzweise zur Richtung des Magens liegen. Jede Zelle enthält einen einfachen kleinen Kern ($, Fig. 17). | Die Propria ist dünn und ebenfalls transparent. Obgleich longitudinale und transversale, seichte Streifen auf ihrer Oberfläche beobachtet werden können, war ich doch nicht im Stande, Muskeln, welche hiernach vermuthet werden könnten, nachzuweisen. Anhangsorgane des Verdauungskanals. A. Speicheldrüsen. Was in der Literatur über die Speicheldrüsen der Cocciden und auch der Aphiden!) enthalten ist, lässt sich dahin zusammen- fassen, dass die Gegenwart solcher Organe von den meisten Autoren .negirt wird. L&on Dufour (4) sagt (Pag. 268—269): »Je n’ai point mis clairement & decouvert l’organe secreteur de la salive dans la Psylle, malgr&e de nombreuses dissections dirigees vers ce but; mais jai reconnu dans la cavit& thoracique des granulations arron- dies assez distinetes, semi-diaphanes, qui, suivant les apparences, se rattachent ä cet appareil. 1) Nachdem ich wahre Speicheldrüsen bei den Cocciden nachgewiesen zu haben glaubte, schien es mir nicht ohne Interesse, auch die Aphiden in den Kreis meiner Untersuchungen zu ziehen. Da meine Bemühungen auch hier nicht ohne Erfolg waren, so halte ich es für angemessen, die Speichel- drüsen dieser Familie gleichfalls in meiner Arbeit zu beschreiben, resp. zum Vergleich herbeizuziehen. 58 E. L. Mark: La Dorthe6sie, dont l’organisation visc6rale a plusieurs traits de ressemblance avec celle de la Psylle, m’a offert, de chaque cöte de l’origine du bec, quatre ou einq spherules blanchätres qui m’ont paru attönuces en un col propre et qui vraisemblablement constituent la glande salivaire. Je n’ai pas 6t& plus heureux dans mes investigations relatives a lappareii salivaire des diverses especes de Pucerons soumises ä mes dissections; je n’y en ai pas reconnu la moindre trace.« Burmeister (2) sagt dagegen auf S. 64: »Bei einigen (Coceina) glaube ich Speichelgefässe bemerkt zu haben.« Auf Pag. 70, wo er von Lecanium Hesperidum spricht, sind seine Worte: »Neben dem Darm liegen die beiden dicken, undurchsichtigen Speichel- gefässe (ii)« (Taf. I, Fig. 11). Das Letztere steht augenscheinlich in Beziehung zu dem auf Pag. 64 Gesagten. Aus seinen Zeichnungen indessen geht zur Evidenz hervor, dass die von ihm als Speichel- drüsen gezeichneten Organe die Malpighi’schen Drüsen sind. Meckel’s (13) Ausdrucksweise ist wohl zu allgemein, wenn er sagt, dass alle saugenden Insecten wenigstens ein Paar, oft zwei Paare Speicheldrüsen besässen, denn wenige Seiten später (Pag. 26) finden wir die Angabe, dass die Coceiden, Aphiden und Psylloden keine Speicheldrüsen hätten. Leydig (9) macht (Pag. 3) in Beziehung auf diese Organe folgende Mittheilung: »Von Speichelgefässen ist keine Spur vor- handen. Bekanntlich fehlen diese Organe unter den Hemipteren auch den Aphiden und Psylliden.« Künckel (7) bemerkt in einer vorläufigen Mittheilung, wel- cher meines Wissens noch nicht die in Aussicht gestellte ausführ- liche Darstellung gefolgt ist, über die Secretionsorgane der Blatt- läuse Nachstehendes: »On sait que dans la famille des Pucerons certaines especes determinent par leurs piqüres la production ex- croissances sur les vegetaux; il m’a paru interessant de rechercher quelle action la piqüre des H&mipteres exercait sur la vege- tation.« Die anatomischen Details, die diesen Worten vorhergehen, be- ziehen sich nur auf die Heteropteren. Mithin erweitert er unsere Kenntnisse über die Form und Structur der Speicheldrüsen bei Cocciden und Aphiden nicht, obgleich aus dem Titel seiner Mittheilung hervorgeht, dass er seine Untersuchungen keineswegs auf die Heteropteren beschränkte. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 59 Meeznikoff (14) erwähnt in seinen embryologischen Studien über Inseeten die Speicheldrüsen der Hemipteren nicht, allein er beschreibt und zeichnet bei der Entwickelung der Aphiden Drüsen- organe, die in der dritten Periode erscheinen, deren Functionen an- zugeben er aber nicht in der Lage ist. Seine wenigen Worte hierüber seien im Folgenden eitirt: »In diesem Abschnitt will ich noch eines drüsigen Organes Erwähnung thun, dessen Eigenthümlichkeit in der paarigen Anordnung und in der verhältnissmässig frühen Entstehung besteht. — Dieses Organ, dessen nähere Function mir unbekannt ist, entsteht auf beiden Seiten des Körpers in Form von je zwei kleinen Zellenbaufen, welche sich auf der Grenze des Urkopfes und des Urthorax befinden (Fig. 30, gl). Die Zeit des Entstehens dieser Drüsen fällt in den Anfang der jetzt behandelten Entwickelungsperiode; die Gestalt der Drüsen ist anfangs eine ovale, wie es auf der Fig. 31, gl zu sehen ist. Bei weiterer Entwickelung findet eine Verwachsung der Vordertheile der beiden jederseits liegenden Drüsen und zugleich die Bildung einer centralen Höhle in deren Inneren statt (Fig. 46, gl und Fig. 50).« In Uebereinstimmung wit dem bis jetzt Erwähnten stehen die Angaben der Handbücher; so lässt z. Be Gegenbaur (6) die Exi- stenz der Speicheldrüsen bei Aphiden dahingestellt, wenn er (Pag. 289) schreibt: »Nur wenigen (Insecten) scheinen sie (Speicheldrüsen) gänzlich zu fehlen, wie den Ephemeriden, Libellen und Aphiden«. Von den oben erwähnten Naturforschern hat also nur einer, nämlich Dufour, die Speicheldrüsen bei den in Rede stehenden Thieren als solche gedeutet, und auch dieser nur bei Dorthesia. Alle übrigen haben dieselben entweder gar nicht gesehen oder mangelhaft und unrichtig interpretirt. Meinen Untersuchungen zu Folge sind nun aber Speicheidrüsen ganz allgemein und in ansehn- licher Entwickelung bei den Schild- und Blattläusen vorhanden, auch schon oftmals gesehen, aber ihrer Bedeutung nach fast überall ver- kannt worden. . Soviel ich weiss, sah Leydig (9) die in Rede stehenden Organe bei Lecanium zuerst, und beschrieb sie (Pag. 5—8) als Theile des Unterschlundganglions!). Er giebt an, dass bei Coceus (Lecanium) Hesperidum Bauchmark und untere Gehirnportion nur als eine einzige 1) Diese Ansicht hält Leydig (11) auch noch aufrecht in seinem Handb. d. vergl. Anatomie. 1864. Pag. 95 und 261. 60 E. L. Mark: grössere Masse gesehen werden, »die in ausgebildeten weiblichen Thieren traubig-gelappt erscheint«. »In den Puppen hingegen (den weichen, gelbgrünen und fusslosen, unter der vertrock- neten, abgesetzten Haut liegenden Thieren),« sagt er, »besteht die untere Gehirnportion blos aus einigen grösseren Lappen, die nur Einkerbungen zeigen, welche wahrscheinlich, indem sie nach und nach tiefer greifen, die traubig-gelappte Form hervorrufen«. Die letzte Beobachtung Leydig’s beruht sicherlich auf einem Irrthume, da die von ihm als Puppen bezeichneten Thiere nach meiner Meinung wahrscheinlich nichts Anderes, als ausgebildete weibliche Individuen von Aspidiotus Nerii waren; denn Letztere sind gelb-grün und fusslos. liegen auch unter einer vertrockneten, abge- setzten Haut, und leben neben Lecanium auf Oleander, während hingegen Coccus (Lecanium) Hesperidum immer Füsse hat und nie unter einer abgesetzten vertrockneten Haut liegt. Auch Targioni- Tozzetti wies schon auf diesen Irrthum hin. Die genauere Beschreibung!), die Leydig giebt, muss nach dem soeben Gesagten von vorn herein mit Vorsicht aufgenommen werden, da seine Untersuchungen sich auf zwei verschiedene Thiere beziehen, aus welchem Grunde es immer schwierig ist, zu sagen, ob er die Speicheldrüsen von Lecanium oder von Aspidiotus meint. Indessen ist es wahrscheinlich, dass die Worte: »grosse Lappen« (s. Anmerkung) sich auf die Speicheldrüsen der fälschlich von ihm als Puppen bezeichneten, ausgebildeten Thiere von Aspidiotus Nerii beziehen. Auch alles Uebrige seiner Beschreibung passt auf das letztgenannte Thier weit besser, als auf Coccus. Leydig glaubt nun durch seine Untersuchungen eine Homologie aufstellen zu können zwischen den von ihm für Theile des Nerven- systems gehaltenen Drüsen der Coceiden und den feinen blassen Längsstreifen, welche in den sogenannten Primitivfasern des Nervus 1) Jeder der grossen Lappen besitzt, entsprechend den Einbuchtungen, einen grossen, 0,0120‘ messenden Kern (aaa), der vollkommen wasserklar ist und einen scharf contourirten, 0,003‘ haltenden Nucleolus einschliesst. Um jeden dieser Kerne herum zieht sich eine Zone von feinpulveriger, blasser Substanz (bbb), und, was alle Beachtung verdient, die Molecüle derselben ordnen sich nach aussen zu so zu einander, dass von der bezeichneten Zone weg je ein feinstreifiger Zug (cee) abgeht, der als ein Bündel von Nerven- fibrillen angesprochen werden kann. Op. citat. Pag. 5. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 61 olfactorius und der Remak’schen Fasern oder an den Axencylindern der Wirbelthiere beobachtet werden. Durch meine Untersuchungen bin ich indessen zu der Ueber- zeugung gelangt, dass die in Rede stehenden Gebilde mit dem Nerven- system in keinerlei Beziehung stehen, sondern vielmehr als die Speicheldrüsen der genannten Thiere anzusehen sind. Aus diesem Grunde muss ich nicht nur gegen oben erwähnte Homologie, sondern auch gegen die weiteren auf Seite 9 vonLeydig gezogenen Schluss- folgerungen mich aussprechen. Lubbock (12) scheint sich der Auffassung Leydig’s anzu- schliessen, indem er diese Gebilde bei seiner Beschreibung des Nervensystems erwähnt, und sie als mehre kugelige Körper bezeichnet, welche um die Ganglienmassen sich lagern. Andererseits glaubt er, dass dieselben den »Zellenkörpern«, welche Leuckart in der Um- gebung des Oberschlundganglions der Larve des Melophagus be- schreibt, homolog seien )). Der oben oft erwähnte italienische Naturforscher Targioni- Tozzetti hat diese Organe eingehender und besser studirt; aber auch er deutet sie als Theile des Nervensystems. In dem Kapitel ?), in welchem er das Letztere beschreibt, und die Ansichten Leydig’s und Lubbock’s über dasselbe bespricht, bemerkt er, dass die soge- nannten Zellenkörper im Vergleich zu dem Oberschlundganglion so gross seien, das sie das Letztere vollständig verdecken. Bei der ‚Beschreibung der fraglichen Gebilde in den Puppen von Diaspis (Asp.) äussert Targioni-Tozzetti Folgendes: »Die von Leydig beschriebenen Lappen bilden auf beiden Seiten des Hauptganglions genau hinter oder über dem Munde eine gelappte, lange und gefaltete Lamelle, und jedem dieser Lappen entspricht eine Zelle.« Die von Lubbock beschriebenen ganglionären Zellen findet er bei Lecanium, wo er sie als kugelige, freiliegende Zellen beschreibt, die nur an einer Stelle durch eine Art Stiel mit ein- ander in Zusammenhang stehen, eine Membran haben, eine, mit kleinen, sehr glänzenden Granulationen und weniger durchsichtigen Kügelchen gemischte Flüssigkeit enthalten, und einen deutlichen Kern mit sehr unregelmässigen Kernkörperchen in sich einschliessen. 1) Letzteres ist schon deshalb unrichtig, weil dieZellenkörper Leuckart’s nichts Anderes sind, als Imaginalscheiben. 2) Mem. eit. Pag. 38 und ff. 62 E. L. Mark: Bei Lecanium depressum sollen diese Zellen, die er hier direct als Nervenzellen bezeichnet (»cellule nervose« [Op. eit. pag. 39]) einen Durchmesser von 0,05‘ bis 0,08‘ besitzen. Ebenso soll bei Diaspis (Aspidiotus) jeder Lappen einen oder zwei selbsständige Kerne mit je einem Kernkörperchen enthalten. Der Durchmesser der Ersteren ist nach Tozzetti 0,020 bis 0,026‘, der der Kernkörperchen 0,005‘ ; nach Leydig hingegen beträgt der Durchmesser der Kerne 0,012, und der der Kernkörperchen 0,003‘. Die Kerne sollen in einer Masse liegen, die an der nach aussen gerichteten und gewölbten Seite durchscheinend, aber an der nach innen gerichteten Seite undurchsichtig und den ächten ganglionären Zellen ähnlicher ist. Durch die Gegen- wart dieser Kerne hält sich nun Targioni-Tozzetti berechtigt, anzunehmen, dass jeder einzelne Lappen gewöhnlich auch eine einzige Zelle enthalte, deren Membran jedoch an den Stellen nicht sichtbar sei, wo sie mit der äusseren Umhüllung verwachsen ist. Er erwähnt jedoch nirgends, dass er die Zellenmembran irgendwo gesehen habe. In dem granulären Inhalt beschreibt Tozzetti zahlreiche, kleine Körnchen, die sich in geradlinige Reihen ordnen, und dadurch das Ansehen einer flibrillären Structur geben; dieser Umstand habe auch Leydig veranlasst, von Nervenfibrillen zu reden bei Thieren, bei welchen die Nerven nie fibrillär seien. Indessen giebt er zu, dass der Inhalt dem der Zellen des Ober- und Unterschlundganglions ziemlich ähnlich ist. Ferner entdeckte Tar gioni-Tozzetti im Innern des lappigen Organs einen Canal, den er als ein sehr dünnes Rohr bezeichnet, welches scharfbegrenzte und widerstandsfähige Wände habe; das- selbe sei an seinem Anfange einfach, erleide aber später eine Gabe- lung; jeder der beiden Schenkel setze sich nun in die Lamellen fort, und theile sich wiederholt in den hintersten grösseren Lappen. Er sagt ausdrücklich in Bezug auf den Canal: »Wir kennen nicht die Natur und die wirkliche Bedeutung dieses Organs, welches nach Grösse und Festigkeit die Eigenschaften von Tracheen bei Diaspis hat; aber es hat nicht die Farbe der Tracheen und steht in keinem Zusammenhänge mit den Hauptästen, von welchen sämmtliche Tracheen dieser Thiere ihren Ursprung nehmen.« In einer späteren Arbeit (20) wiederholt Targioni-Tozzetti die eben erwähnten Ansichten in gedrängter Kürze, indem er an- giebt, dass das Oberschlundganglion an seinen Seiten mit gestielten, Beiträge zur Anatomie und Ilistologie der Pflanzenläuse. 63 ganglienartigen Zellen, die in zwei traubenartig-gelappte Massen zer- fallen, versehen sei. Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, diese so verschieden gedeuteten Organe einer genauen Untersuchung zu unterwerfen, und bin zu der festen Ueberzeugung gelangt, dass diese Organe bei den Coceiden und bei den Aphiden sowohl ihren anatomischen, als auch ihren histologischen Verhältnissen nach nichts anderes als ächte Speicheldrüsen sind. Meine Beobachtungen über die Speicheldrüsen erstrecken sich über fünf Genera von Cocciden (Aspidiotus, Chionaspis, Lecanium Coceus, Dorthesia) und drei Genera von Aphiden (Aphis, Schizo- neura, Chermes). Wie bekannt, bieten die Hemipteren in Bezug auf-die Zahl und die Bildung der Speicheldrüsen eine Mannichfaltigkeit dar, die kaum von irgend einer andern Klasse von Insecten erreicht wird. Nicht nur, dass zwei oder gar drei Paare jener Organe vorhanden sind, es unterliegen dieselben auch einer grossen Varietät in Structur und Gestaltung, indem namentlich Letztere fast immer von der ur- sprünglichen, durch einen einfachen, blindendigenden Schlauch repräsentirten Grundform mehr oder weniger abweicht. In Ueberein- stimmung hiermit findet man diese Organe auch bei den Aphiden und Coceiden einer weitgehenden Modification unterworfen ; ein Um- stand, der wohl mit ein Grund der irrigen Deutungen ist, welche dieselben erfahren haben. Bei einigen hierher gehörigen Genera ist übrigens die Grund- form verhältnissmässig nur wenig modifieir. Da wir nun weiter auch im Stande sind, Uebergänge zwischen den verschiedenen Formen zu constatiren, wird es möglich, einen einzigen Typus der Bildung unseren Auseinandersetzungen zu Grunde zu legen. Dieser lässt sich durch Folgendes charakterisiren. Die Speicheldrüsen unserer Thiere repräsentiren ein paariges, schlauchförmiges, mehr oder weniger gelapptes Organ, dessen zwei Hälften in einem gemeinsamen kurzen, in die Mundhöhle mündenden Stamm zusammenkommen. Am Wenigsten weicht Chionaspis von dieser Grundform ab; denn hier (Taf. V, Fig. 22) bestehen die Speicheldrüsen aus zwei symmetrisch gelegenen Schläuchen mit sehr stark verdickten Wandungen, welche einen engen chitinisirten Canal umschliessen. Die Schläuche sind an zwei oder drei Stellen geknickt, in unregel- 64 E. L. Mark: mässigen Intervallen angeschwollen, eng an einander gedrängt, und unterliegen gewöhnlich an den freien Enden einer Bifurcation. Bei Aspidiotus sind die Verhältnisse etwas complieirter, indem eben die unregelmässigen Anschwellungen, die bei Chionaspis erwähnt ‚wurden, hier entschiedener, und (Taf. V, Fig. 24, 25) die zwischen den Anschwellungen gelegenen Einschnürungen schärfer sich aus- prägen !). Auch hier tritt eine Bifurcation an den freien Enden auf, doch erstreckt sich dieselbe in den meisten Fällen nur auf das Lumen der Röhre. Bei den Aphiden ist das hintere freie Ende der Drüse birnförmig angeschwollen, während die Röhre (Taf. VI, Fig. 30) sich nach ihrer Mündung zu allmälig verschmälert. Manch- mal finden sich auch zwei oder mehrere solcher birnförmiger An- schwellungen, die in verschiedenem Grade entwickelt sind und an beiden Seiten liegen können. Die grösste Abweichung von der normalen Form findet sich indessen bei Lecanium, Coccus und Dorthesia, indem sich hier (Taf. VI, Fig. 27 und 28) das freie Ende der Drüse in mehrere Zweige spaltet, von denen jeder an einem Ende einen nahezu sphärischen Körper trägt. Letzterer entspricht offenbar den birnförmigen An- schwellungen, die sich bei den Aphiden finden, obwohl er sich sehr scharf, ohne allmäligen Uebergang, von seinem kurzen Stiele ab- grenzt. Der Schlauch selbst zeigt durchaus keine Anschwellungen und Einschnürungen mehr, wie bei Chionaspis; vielmehr ist derselbe zu einer engen Röhre geworden, welche nur als Ausführungsgang functionirt. Mit diesen Modificationen in morphologischer Hinsicht geht eine solche auch in physiologischer Hand in Hand. Während bei Chionaspis und Aspidiotus die Secretionsthätigkeit des Organs sich über die ganze Länge des Schlauchs erstreckt, ist bei Lecanium, Dorthesia und Coccus eine Arbeitstheilung in der Weise eingetreten, dass nur noch die Zellen der sphärischen Gebilde die Speichelflüssigkeit, und zwar in erhöhtem Maasse, absondern, die Function der den Schlauch zusammensetzenden Zellen jedoch nur auf Abscheidung einer chitinigen, einen Canal (Intima) bildenden Masse sich beschränkt. 1) Der Ausdruck Targioni-Tozzetti's »Lamina«, welcher diese Form bezeichnen soll, scheint mir etwas unglücklich gewählt und geeignet, eine falsche Vorstellung zu erzeugen, zumal ich keine Tendenz zur Abplattung entdecken konnte. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 65 So verschieden übrigens die Gestaltungsverhältnisse der Speichel- drüsen bei den von mir untersuchten Thieren sich darstellen, so übereinstimmend ist die Lage derselben. Sie liegen symmetrisch in nächster Nähe des Mundes, seitlich von dem vorderen Ende des Unterschlundganglions und den Commissuren, und ziehen sich mit den freien Enden über dieses Ganglion hin, indem sie theilweise dessen vorderes Ende sowohl, als auch die Commissuren und ein Stück des Oberschlundganglions umhüllen und verbergen. Der Ver- lauf der feinen Ausführungsgänge geht Anfangs nach unten, und (gewöhnlich) ein wenig nach vorn, alsdann krümmen sich die Canäle nach Innen, umfassen das Unterschlundganglion (resp. die Com- missuren), bis sie sich in der Medianebene des Körpers unter dem vorderen Theile des Unterschlundganglions vereinigen und weiterhin den kurzen, unpaaren Ausführungsgang bilden. Letzterer verläuft, fast rechtwinkelig, zu den paarigen Ausführungsgängen schief nach unten und nach hinten bis zu seiner Ausmündungsstelle an der Verbindung der vier, den Schnabel zusammensetzenden Borsten. Es herrscht aber nicht nur eine bemerkenswerthe Einförmig- keit in Bezug auf die Lage der Drüsen, wie das aus Gründen der Grösse und Function schon von vornherein erwartet werden konnte, — auch in Betreff des Entwickelungsgrades sind dieselben bei den ver- schiedenen Species einer nur geringen Verschiedenheit unterworfen. Doch darf nicht übersehen werden, dass immerhin einige Abwei- chungen existiren. Obwohl es z. B. den Anschein hat, dass die Speichel- drüsen bei den Aphiden im Allgemeinen grösser sind, als bei den Cocciden, so trifft dies doch für Dorthesia nicht zu, denn hier sind dieselben grösser, als bei den von mir untersuchten Aphiden. Ebenso ist die Grösse der Drüsen, wenn auch im Ganzen von der Grösse der Species abhängig, doch keineswegs immer dazu im gleichen Ver- hältniss. Dorthesia z. B. ist die grösste Species, und übertrifft die kleinsten der von mir untersuchten um das Zehnfache. Nichts- destoweniger haben ihre Speicheldrüsen kaum die doppelte Grösse. Was die Drüsenbläschen betrifft, so gilt die allgemeine Regel, dass dieselben bei den Coceiden zahlreicher und demgemäss kleiner sind, als bei den Aphiden. Bei den Letzteren finde ich deren nur eins oder zwei auf jeder Seite, während ich bei den Cocciden, mit Ausnahme von Chionaspis, nie eine kleinere Anzahl beobachtet habe, als vier bis zehn. Bei den Aphiden ist ausserdem die Tendenz zu einer sehr ungleichen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 5 66 E. L. Mark: Entwickelung der Lappen auf derselben Seite vorhanden, indem da, wo davon mehr als einer vorkommt, der Endlappen bei Weitem der grösste ist. In Bezug auf den chitinisirten Ausführungsgang kann wohl als allgemein gültig angenommen werden, dass das Lumen desselben immer von fast gleichem Durchmesser (1,5 bis 2) ist, mögen die Drüsen gross oder klein, lang oder kurz, dickwandig oder dünnwandig sein. Was die Nerven betrifit, welche die Speicheldrüsen versorgen, so ist zu erwähnen, dass sie aus dem vorderen Theile des Unter- schlundganglions ihren Ursprung nehmen. Ihren näheren Zusammen- hang mit den Speicheldrüsen habe ich nicht weiter verfolgt. Die allgemeine Form der Speicheldrüsen bei Chionaspis ist schon oben beschrieben. Die unregelmässig angeschwollenen Schläuche variiren beträchtlich in der Weite und haben im Durchschnitt einen Durchmesser von 50 «. Sie sind etwa halb so breit, als das Unter- schlundganglion. Die seitlichen Ränder des Letzteren werden vom Rücken her von den Schläuchen bedeckt, und zwar erstrecken sich die Letzteren so weit nach hinten, als das Ganglion selbst. In ähnlicher Weise ist auch die Mitte des Unterschlundganglions von einem ovalen Organe überdeckt, welches weiter unten nähere Erwähnung finden soll. Die zwei Schläuche der Drüsen verlaufen also zwischen diesem Organe und dem Ganglion: sie sind einander genähert, ohne sich jedoch in der Mitte zu berühren. Wenn man bei der Untersuchung von der Peripherie zur Axe der Drüse fortschreitet, dann bemerkt man zuerst eine sehr dünne, structurlose Membran, ferner eine pro- troplasmatische Masse, welche die Erstere in allen ihren Theilen ausfüllt, und endlich eine mässig dicke chitinige Röhre, die das Lumen des Schlauches bildet. Die äusserste Membran ist als Tunica propria (Tp) zu deuten; sie umschliesst eine zellige Masse (ca), welche zwar als Matrix der Tunica intima (Ti) angesehen werden kann, deren Hauptfunction indessen in der Absonderung der Speichel- flüssigkeit gefunden werden muss. Die Tunica propria ist beinahe von unmessbarer Dünne, und zeigt nichts Besonderes. Sie stellt einfach einen blindendigenden, verschieden breiten Sack dar, der in mehr oder weniger schroffer Weise nach seiner Mündung zu, d. h. gegen den Punkt, an dem er mit dem von der anderen Seite kommenden zusammen- trifft, sich verengt. Die Tunica propria zeigt keinerlei Oeffnungen und steht in keiner Verbindung mit anderen Organen, als den Mund- Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 67 theilen. Mit den umgebenden Organen hängt sie nur lose zusammen. Die Tracheen des vorderen Paares, welche zahlreiche Zweige an das Unterschlundganglion ') abgeben, kommen wohl mit der Tunica propria in Contact, aber ich sah sie nie durch dieselbe hindurch- dringen. Die protoplasmatische Masse bildet den bei Weitem grössten Theil der Drüse. Sie ist farblos und zeigt feine Granulationen, welche sehr gleichmässig vertheilt sind; obwohl sie sich in der Nähe der Tunica intima in geringer Anzahl finden und in radialer Ord- nung zusammen gruppiren, wie dies auch schon von anderen Forschern beschrieben ist. Es war mir nur in wenigen Fällen möglich, durch die Anwendung von Reagentien die Grenzen der Zellen, aus welchen diese granulöse Masse sich zusammensetzte, deutlich zu machen. Gebilde, welche man als Zellkerne (n, n) deuten muss, sind vorhanden und zwar von nicht unbedeutender Grösse, indem sie im Durchmesser von 25 « bis 35 « variiren. Sie sind immer sphärisch und haben sehr zarte Umrisse. Die Kerne enthalten gewöhnlich eine grosse Anzahl (40 bis 50) unregelmässig ange- häufter Kernkörperchen (nl). Wie erwähnt, gelang es nur in wenigen Fällen, Zellengrenzen nachzuweisen. Immer waren es nur die End- lappen, die diese Beobachtung zuliessen, und auch diese erst von da an, wo der Ausführungsgang ganz undeutlich wird. Die Zellen (ca) zeigen verschiedene Grössen. Wie in Fig. 22 zu sehen, liegen die grösseren auf der convexen Seite: dieselben haben etwa 40 « im Durchmesser und enthalten je einen Kern (10 « bis 15 «) mit zahlreichen (10 bis 12) Kernkörperchen. Die auf der concaven Seite befindlichen Zellen haben kaum ein Dritttheil der Grösse der vorigen und enthalten einen viel kleineren Kern (4 bis 5«) mit nur wenigen Kernkörperchen. Da ich, abgesehen von der Grösse, keinen Unterschied zwischen diesen beiderlei Zellen finden kann, glaube ich annehmen zu dürfen, dass sie identisch sind, obwohl es mir nicht gelingen wollte, Zwischenformen zwischen den- selben nachzuweisen. Im Vergleich zu den Zellkernen dieser Zellen sind die von mir in dem übrigen Theile der Drüsen als solche gedeuteten 1) Entgegen allen Figuren und Beschreibungen der Autoren konnte ich nicht einen einfachen Tracheenast von jeder Seite in das Unterschlund- ganglion eintreten sehen, sondern ein ganzes Bündel von Tracheenästen, welches bei Lecanium mit noch grösserer Deutlichkeit hervortritt, als bei Chionaspis. 68 E. L. Mark: Gebilde weit grösser und mit viel zahlreicheren Kernkörperchen ver- sehen. Auch stehen diese Nuclei in weiteren und unregelmässigen Zwischenräumen von einander, so dass die ihnen correspondirenden Zellen im Vergleich zu denen der Endlappen von sehr verschiedener und bedeutenderer Grösse sein müssen. Trotzdem aber glaube ich die Ansicht aussprechen zu dürfen, dass alle diese Zellen nur im Grade der Entwickelung und vielleicht im Alter von einander ab- weichen, keineswegs aber als Zellen verschiedener Art und ver- schiedener Function zu deuten seien. Eine Anhäufung der granulären Theilchen in eineperipherische oder subperipherische Schicht, wie sie aus Targioni-Tozzetti’s Fig. 9, b, Taf. 4 (18) zu ersehen ist, konnte ich bei frisch untersuchten Individuen weder von Chionaspis, noch von Aspidiotus finden. Durch die längere Einwirkung meiner Präparirflüssigkeit trat jedoch ziemlich constant eine Anordnung der granulären Partikelchen in Schichten und Häufchen ein (Taf. VI, Fig. 26 A). Die radiale Anordnung der Granulationen ist indessen überall deutlich zu bemerken (Taf. V, Fig. 22), selbst dann noch, wenn durch Anwendung von schwachem Kali die ganze übrige Protoplasmamasse homogen und durchscheinend geworden ist. Durch längere Einwirkung von Kali wird übrigens schliesslich auch der grösste Theil der radial geordneten granulären Masse zerstört. Was nun die Deutung dieser Erscheinung betrifft, so bin ich zu der Annahme geneigt, dass die radiäre Anordnung bedingt ist von einem System äusserst feiner chitinisirter Röhrchen, welche die Protoplasma- masse durchziehen und von der Tunica intima ausstrahlen. Dass es sich hier um eine besondere Structur handelt, geht übrigens nicht bloss aus der grossen Widerstandsfähigkeit der strahligen Masse her- vor, sondern auch daraus, dass, wenn bei der Präparation die Zellen- masse von der Intima abgetrennt wird, an der Letzteren oftmals radial geordnete Granulationen hängen bleiben (Taf. V, Fig. 22 A). Die Intima verläuft nicht in der Axe der Drüse, sondern liegt mehr an der concaven Seite der von der Drüse gebildeten Biegungen, beschreibt also den kürzesten Weg. Sie beginnt in der Mitte eines Endlappens mit sehr feinem, aber allmälig weiter werdendem Caliber, vereinigt sich bald mit den übrigen Ausführungsröhren, wenn solche vorhanden sind, und läuft schliesslich nach der Mittellinie, um sich hier mit der Intima der anderen Seite zu verbinden, ohne dabei jedoch das Lumen zu vergrössern. Der Durchmesser beträgt an der Verbindungsstelle 2 «, wird aber gegen das freie Ende hin Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 69 kleiner, bis die Tunica intima schliesslich fadenartig erscheint. Eine Verbindung mit einer Blase, wie Leydig (10) dies bei ähnlichen Drüsen anderer Thiere beschreibt, war ich nicht im Stande nach- zuweisen. Das Lumen nimmt von dem Totaldurchmesser ungefähr die Hälfte ein, so dass die Wände eine Dicke von 0,5 « haben. Letztere sind von fester chitiniger Structur, brechen stark das Licht, und zeigen bei fast gleichmässiger Dicke eine etwas dunkelgelbliche Farbe. Nach längerer Einwirkung von Kali zeigen sie feine chitinige Erhebungen, die ihre Oberfläche rauh erscheinen lassen, und wohl jeden Zweifel ausschliessen, dass wir es hier mit Rudimenten feiner, radiärer, chitinisirter Canälchen zu thun haben, wie das oben an- genommen wurde. Aehnliche Bilder mögen Leydig veranlasst haben, von Nervenfibrillen im Innern unserer Gebilde zu sprechen. Bei dem nahe verwandten Genus Aspidiotus (Taf. V und VI], Fig. 24—26) stimmen die Verhältnisse im Allgemeinen mit den eben geschilderten überein; indessen ist der Drüsenschlauch hier nicht seiner ganzen Länge nach von so gleichmässiger Dicke, es traten vielmehr tiefe Einschnürungen und dadurch bedingte angeschwollene Segmente dem Beobachter entgegen. Als weitere bemerkenswerthe Abweichungen von Chionaspis ist zu erwähnen, dass wir anstatt 40 bis 50 Kernkörperchen in jedem Kerne nur ein einziges, grosses (n]) finden, welches, stark lichtbrechend, wie ein Fetttröpfchen und von bräunlichgelber Farbe ist. Unterwerfen wir die Speicheldrüsen von Aspidiotus einer ge- naueren Betrachtung, so fällt zunächst der Umstand in die Augen, dass die hier wieBläschen aussehenden Lappen um so grösser werden, je weiter wir von der Mittellinie seitwärts gehen. Nur am hinteren Ende ist die Grösse wieder geringer. Die Anzahl der Bläschen ist übrigens keineswegs immer leicht festzustellen, denn häufig ver- wachsen die benachbarten Zellen mehr oder weniger. In der Regel sind acht bis zehn Paare zu unterscheiden, von welchen das mittlere oft zu einem nierenförmigen Gebilde (Taf. VI, Fig. 26) zusammen- wächst. Die übrigen zeigen eine länglich-ovale und unregelmässige kugelige Form und variiren in der Grösse zwischen 30 « und 100 a. Die Tunica propria (Tp) ist äusserst fein, wie bei den früher betrachteten Arten. Ebenso besteht die mittlere Zellmasse aus der- selben körnigen, protoplasmatischen Substanz, die in der Nähe der Intima auch ganz die nämliche radiale Anordnung zeigt. Zellgrenzen - konnte ich nirgends auffinden; man kann jedoch annehmen, dass 70 E. L. Mark: jedes Bläschen einer einzigen Zelle entspricht, denn man findet in jedem nur einen Zellkern (n), und zwar im Centrum. Auch die Grösse der Bläschen spricht für eine derartige Annahme. Nichtsdestoweniger findet man übrigens manchmal zwei oder sogar drei Kerne in einem Bläschen, so dass man nicht sagen kann, ob man es immer nur mit einer Zelle zu thun hat. Ich bin indessen eher zu der Meinung geneigt, dass in derartigen Fällen die Zell- grenzen verwischt sind, als dass eine einzige Zelle mit zwei oder drei Kernen vorliegt. Die Kerne (n) sind gewöhnlich sphärisch, manchmal auch etwas eiförmig und von variablem Durchmesser (von 12 « bis 30 «). Da die kleinen übrigens weniger häufig sind, als die grossen, so stellt sich das Mittel auf etwa 25 «. Der Nu- cleus zeigt eine ähnliche fein granulirte Masse, wie seine Umgebung, und enthält beinahe immer einen stark lichtbrechenden Nucleolus. Erst nach längerer Einwirkung von Reagentien wird die gleich- mässige Vertheilung der Körnchen aufgehoben; ein Theil derselben gruppirt sich zu Bällchen, während ein anderer sich an der Peri- pherie des Nucleus anlegt (Taf. VI, Fig. 26A). Die Kernkörperchen (nl) sind kugelig und ihr Durchmesser variirt zwischen 4. und 9 u. Nur einmal fand ich einen so kleinen Nucleolus, wie Leydig, der die Grösse desselben im Mittel auf 3 « angiebt. Es war dies aber jedenfalls eine Ausnahme, denn statt eines waren hier in demselben Zellkern drei Kernkörperchen, mit Durchmesser von 2 «, 3u und 5 vorhanden. Eine ganz besondere und meines Wissens noch nicht beob- achtete Eigenthümlichkeit der grösseren dieser Kernkörperchen ist die Gegenwart einer beschränkten Anzahl (2—7) sphärischer Körperchen, Nucleoluli, deren Durchmesser 1 « bis 2 u beträgt, und die noch stärker das Licht brechen, als der Nucleolus. Auch insofern ver- halten die Nucleoli sich abweichend, als durch Einwirkung von Kali immer nur einzelne peripherische Theile derselben aufschwellen. Dieselben bilden dann stärker gekrümmte Figuren, als die übrig- bleibenden Theile, so dass das Ganze aussieht, als ob Theile von kleineren Kugeln auf einer etwas grösseren Kugel auflägen (Fig. 33 A). Dabei zeigt der angeschwollene Theil in seinen optischen Eigen- schaften gegenüber dem übrigen Theil gewisse Verschiedenheiten, so dass es den Eindruck macht, als ob der Inhalt von der Masse des Nucleolus verschieden wäre. Die Intima verhält sich in Beziehung auf die radial gestellten Röhrchen wie bei Chionaspis. Dabei aber ist sie ein wenig stärker, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 71 indem sie an der Vereinigungsstelle der beiden seitlichen Hälften einen Gesammtdurchmesser von 3 « erreicht, eine Dicke, von der auch der ungefähr 20 « lange gemeinschaftliche Ausführungsgang nur unbedeutend abweicht. Wie Aspidiotus und Chionaspis im Bau der Speicheldrüsen so viel Gemeinschaftliches zeigen und ihre nahe Verwandtschaft dadurch documentiren, so zeigen auch Lecanium, Coccus und Dorthesia in den allgemeinen Gestaltungsverhältnissen dieser Organe eine unleugbare und überraschende Aehnlichkeit. Bei Lecanium bieten die Speicheldrüsen dem Beobachter solche Schwierigkeiten dar, dass es mir lange unmöglich war, die Mündungsstelle der kugeligen Drüsen aufzufinden, obgleich ich der festen Ueberzeugung war, dass die Verhältnisse nicht sehr von denen bei den bisher beschriebenen Genera abweichen würden. Es sind nämlich die Speicheldrüsen dieser Schildlaus so dicht bei dem Unter- schlundganglion gelegen und mittelst zahlreicher Tracheen so fest damit verbunden, auch mit einem so dünnen und so zarten Aus- führungsgang versehen und so ausserordentlich durchsichtig, dass es nur durch Anwendung der äussersten Sorgfalt gelingt, dieselbe ohne Zerstörung frei zu präpariren!). 1) Nach langen, vergeblichen Versuchen fand ich folgende Methode als die geeignetste: Nachdem das Thier auf den Rücken gelegt ist, wird die biegsame Haut der Ventralfläche mit scharfen Nadeln von der viel dickeren, weniger biegsamen, schildartigen, dorsalen Haut längs des Körperrandes ab- getrennt; alsdann kann mittelst eines stumpfen, sehr kleinen Scalpels der ganze Körper von der dorsalen Haut weggenommen werden, ohne dass die Speicheldrüsen verletzt oder dislocirt werden. Nachdem dies geschehen ist, kehrt man die inneren Organe, die noch mit der ventralen Haut zusammen- hängen, nach oben und präparirt mit feinen Nadeln. Die Festigkeit der ven- tralen Haut ermöglicht es, mit der einen Nadel das Thier festzuhalten, während mit der anderen präparirt wird. Im Laufe der Untersuchung werden alle Theile, mit Ausnahme des Ober- und Unterschlundganglions, der Drüsen und der Mundtheile nebst einem be- trächtlichen Theile der Ventralhaut, entfernt; endlich wird diese Haut ebenfalls sorgfältig in kleinen Stückchen abgerissen. Das von den kugeligen Lappen freigemachte Unterschlundgarglion wird nun nach vorwärts über das Ober- schlundganglion gelegt (Taf. VI, Fig. 27 gb). Trotzdem bleiben die Ausführungsgänge wegen der Undurchsichtigkeit der darunter liegenden Mundtheile solange noch undeutlich, bis Letztere durch vorsichtige Behandlung mit sehr schwacher Kalilösung allmälig auf- gehellt sind. 72 E. L. Mark: Die allgemeine Form der Speicheldrüsen bei Lecanium (Taf. VI, Fig. 27) ist bereits berücksichtigt. Die kugeligen, mit einer feinen, granulären Masse gefüllten Lappen sind zum Theil weniger durchsichtig, als bei den schon beschriebenen Genera. Ihre Anzahl beträgt vier bis sieben auf jeder Seite und ihr Durchmesser varürt zwischen 40 « und 100 «u. Während einige derselben auf einem freien Stiele sitzen, scheinen andere vermittelst eines da- zwischen liegenden Bläschens mit dem Ausführungsgang in indirecter Verbindung zu stehen. Die Verbindung ist freilich so zart, dass es kaum möglich ist, sie mit absoluter Bestimmtheit zu demon- striren. Die Weite des Ausführungsganges beträgt ungefähr 10 «. Sein unpaarer Stamm erreicht eine Länge von 30 « bis 40 «, während die seitlichen Aeste vielleicht das Vierfache messen (140 « bis 150 u). Eine zarte Tunica propria (Tp) legt sich über jedes Bläschen (ac) und setzt sich in die äusseren Umhüllungen der Stielchen (p) und Ausführungsgänge fort. Unter den Granulationen, welche sich in dem Inhalte der mittleren Zellmasse finden, begegnet man einer verschiedenen Anzahl von Kernen (in Bläschen mittlerer Grösse etwa deren vier bis fünf). Messungen gaben ziemlich schwankende Resultate. In einem Bläschen von 60 « Durchmesser fanden sich vier ovale Kerne (n) (8 « bis 10 « Durchmesser), von denen jeder einen bis sechs Kernkörperchen (nl) enthielt. Die Grösse derselben stand im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Anzahl. Wo nur ein einziger in einem Kerne vorhanden war, besass derselbe einen Durchmesser von 4,5 u. Die Anwesenheit einer Zellmembran konnte ebenso wenig nachgewiesen werden, wie bei Aspidiotus. | Das Lumen der seitlichen Aeste des Ausführungsganges konnte ich bis zum Beginn der Blasen verfolgen, doch gelang es nicht zu entscheiden, ob es erst an dieser Stelle seinen Ursprung nimmt. Der mit Carmin gefärbte Ausführungsgang nimmt eine beinahe gleich- mässige Färbung an, ohne die Zellkerne zu zeigen, welche ich nach Analogie von Dorthesia finden zu müssen glaubte. Das von der Intima gebildete Lumen hat einen Durchmesser von 2 «. Die Wände desselben sind aber weit dünner, als bei Aspidiotus und Chionaspis. Die Speicheldrüsen münden, wie bei den übrigen Genera, da, wo die Borsten zusammenstossen. Der Bau der Speicheldrüsen von Coccus (C. Adonium) ist Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 73 nicht sehr abweichend. Die Bläschen (75—85 u im Durchmesser), welche zu 4 oder 5 an jeder Seite des Unterschlundganglions liegen, sind mehr gleichmässig dick und durchscheinender, als bei Lecanium; sie enthalten eine kleine Anzahl von ziemlich grossen Kernen. Dorthesia (Taf. VI, Fig. 28) hat im Allgemeinen weniger Drüsenbläschen (ac) als Lecanium, indem nicht mehr als vier oder fünf auf jeder Seite sich befinden. Sie stehen auf Stielchen (p) von be- trächtlicher Länge und öffnen sich in die verhältnissmässig grossen seitlichen Ausführungsgänge, welche schliesslich wie bei allen Cocei- den und Aphiden zu einem kurzen, gemeinsamen Gang zusammen- treten. Die Drüsenfollikel erscheinen durch die verschiedene Dichtigkeit der in ihnen enthaltenen granulären Masse an einigen Stellen dunkler, als an anderen. Die Grösse dieser undurchsichtigen Partieen ist so beträchtlich, dass sie reichlich ein Viertheil oder gar ein Dritttheil des Follikels und noch mehr in Anspruch nehmen. Die Drüsen reichen nicht weit hinter die Mitte des Unterschlundganglions, und liegen mehr neben, als über demselben. Wie bei den vorher besprochenen Genera, ist die Tunica propria auch hier von zarter Beschaffenheit. Die Zellkerne (n) sind in der granulären Masse entweder gleichmässig oder paarweise angeordnet. Dabei ist ihre Anzahl be- deutender, als bei Lecanium; man findet in den grösseren Bläschen deren sechs bis zwölf, sogar bis fünfzehn. Sie sind von sphärischer Gestalt, haben 15. im Durchmesser und enthalten eine grössere Anzahl (20 bis 25) sehr kleiner und stark lichtbrechender Kernkörperchen (n]). Spuren von Zellgrenzen in der die Bläschen zusammensetzen- den Masse sind nur hier und da zu beobachten. Deutlicher wird dieselbe in dem Ausführungsgang, woselbst die Zellen eine Grösse von nur ungefähr 12. im Durchmesser erreichen. Jede dieser Zellen umschliesst einen einfachen, ovalen Kern, dessen längste Axe 6 «u und dessen kürzeste 4,5 u misst. Die Längsaxe ist constant etwas vorwärts und gegen das Lumen des Ganges gerichtet. Durch Carmintinetion treten die Kerne sehr deutlich hervor; ihre Entfernung beträgt auf dem Ausführungsgang ziemlich gleichmässig 12 u, auf den Stielchen etwas weniger. Was die Speicheldrüsen der Aphiden betrifft, so weichen diese, wie schon oben erwähnt wurde, nur in unwesentlichen Details von denen der Cocciden ab. Bei Aphis Sambuci (geflügelte Weibchen) 74 E. L. Mark: sind die paarig vorhandenen Speicheldrüsen (Taf. VI, Fig. 29) herz- förmig, von weisslicher Farbe und von sehr beträchtlicher Grösse (250 u); sie legen sich über das Unterschlundganglion, so dass sie sich einander in der dorsalen Längsaxe begegnen. Das nach vorn gerichtete Ende geht allmälig in einen kurzen Ausführungsgang (rd, r‘d) über, der sich mit dem der anderen Seite vereinigt (d). Nicht selten ist jederseits übrigens noch ein zweiter viel kleinerer Drüsenlappen (ac‘) vorhanden, der mit dem grösseren an dessen Einmündung in den Ausführungsgang zusammenschmilzt. Auch sind die Bläschen nicht immer herzförmig, sondern manchmal auch birn- förmig. Jedes der grösseren Drüsenbläschen wird gewöhnlich mit einem Tracheenzweig (tr) versorgt, der sich in der Mitte des hinteren Ran- des in die Drüse einzusenken scheint. Die äussere Umhüllung wird von einer zusammenhängenden und structurlosen Tunica propria gebildet, wie bei den Coceiden. Dagegen aber besteht die Masse aus deutlichen Zellen von unregel- mässiger, polyedrischer Gestalt, in deren feingranulirtem Protoplasma ein einziger Kern mit einem oder zwei Kernkörperchen zu beobachten ist. Die Zellen erreichen häufig eine Grösse von 50 « im Durchmesser, während die unregelmässig ovalen Kerne von 10 bis 30 « im Durch- messer variiren. Die Kernkörperchen sind stark lichtbrechend, und haben einen Durchmesser von ungefähr 5 u. Die chitinige Intima ist eine Strecke weit in den Drüsenbläschen zu verfolgen; dann aber verästelt sie sich, bis die Aestchen schliesslich so fein werden, dass sie nicht mehr unterschieden werden können. Durch die Einwirkung von Kali schwillt der peripherische Theil der Intima beträchtlich auf; doch geschieht das immer nur an einzelnen, unregelmässig ver- streuten Stellen. Die dazwischen liegenden engen Stellen glaube ich entweder als Einmündungsstellen kleiner Canälchen, die wegen ihrer Feinheit nicht gesehen werden können, oder als Oeffnungen in der Intima, deren Ränder intensiver chitinisirt sind und deswegen der Einwirkung von Kali länger Widerstand leisten, als die äusseren peripherischen Theile der Intima, ansehen zu dürfen; Fig. 29 A stellt eine schematische Zeichnung dieser Verhältnisse dar. Bei Schizoneura Ulmi (Taf. VI, Fig. 30) sind die Drüsen zwar kleiner, aber das Endbläschen geht mehr allmälig und un- merklich in den Ausführungsgang über. Die Länge des Letzteren Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 75 beträgt 100 «, ebenso viel, wie die des gemeinschaftlichen Aus- führungsganges. Das birnförmige Drüsenbläschen (ac), welches 150 « im Quer- durchmesser hat, verjüngt sich bis zur Vereinigung der beiden Aus- führungsgänge allmälig auf 12 bis 15«. An der Stelle, wo das Drüsengewebe anfängt sich stärker zu verschmälern, findet sich häufig ein kleines (50 bis 60 «) ungestieltes Bläschen (ac‘). Die Intima erreicht eine Dicke von zwei bis drei «, und ist weit in die centrale Zellmasse zu verfolgen, in die sie während ihres zickzack- förmigen Verlaufes eine Anzahl Aeste abgiebt. Bei Chermes Abietis wurden nahezu dieselben Verhältnisse und Beziehungen beobachtet, wie bei Schizoneura; nur zeigten die Bläschen hier eine mehr sphärische Gestalt und die accessorischen Lappen einen längeren Stiel. Wie oben erwähnt, wurden die Speicheldrüsen früher als Theile des Nervensystems gedeutet. In Folge eines ähnlichen Irrthums hat Targioni-Tozzetti noch ein anderes unpaares Organ ebenfalls dem Nervensystem zugezählt, obwohl dasselbe meiner Meinung nach ebenso wenig nervöser Natur ist, wie die paarigen Speicheldrüsen. Dieses unpaare Organ fand ich übrigens nur bei Chionaspis und Aspidiotus, hier aber ganz regelmässig. Soviel ich weiss, ist Targioni-Tozzetti (19) der einzige Autor, der dasselbe ab- gebildet und beschrieben hat; er nennt es (Pag. 39 und Taf. 4, Fig. 15ge, und Fig 13), — zum Unterschied von den lateralen Massen oder Lappen, wie er die Speicheldrüsen bezeichnet, die centrale Masse des Oberschlundganglions. Obwohl übrigens Tozzetti ver- sichert, dieses Oberschlundganglion, ungeachtet der Schwierig- keit der Präparation, bei Coccus Hesperidum auct. (Le- caniumlaevis),L.depressum,L.OleaePulvinaria, Dactylopius und Diaspis gefunden und deutlich gesehen zu haben, beschreibt und zeichnet er es nur von Lecanium und Diaspis (Aspidiotus). Da jedoch Beschreibung und Abbil- dungen des Oberschlundganglions von Lecanium mit meinem Befunde völlig übereinstimmen, bin ich nicht im Stande, zu entscheiden, ob er wirklich das fragliche Organ bei einem anderen Genus, als A spi- diotus, für das Oberschlundganglion gehalten hat. 76 E. L. Mark: Bei Diaspis beschreibt er das in Rede stehende Gebilde als eine ovoidale, quergelegene Masse, welche zellige Wände und einen centralen Hohlraum zeige; der Letztere sei entweder durch die Prä- parationsflüssigkeit entstanden, oder er sei eine normale Bildung. In der Erklärung seiner Figuren hebt er den Zusammenhang des ganzen Gebildes mit den seitlichen Massen (Speicheldrüsen) hervor. Diese von Targioni-Tozzetti gegebene Beschreibung ist insofern richtig, als das fragliche Gebilde (Taf. V und VI, Fig. 22—25 u. 31) ovoidal ist, querliegt und einen Hohlraum enthält, der von Zellwänden um- geben ist. Bei Chionaspis ist es nach meinen Beobachtungen zuweilen mehr sphärisch und bei beiden Genera in dorso-ventraler Richtung leicht abgeplattet. Sonst aber ist die Bildung dieses Organs (gs) bei Chionaspis und bei Aspidiotus nahezu übereinstimmend, so dass die nachfolgende Beschreibung im Allgemeinen für beide gilt. Es liegt in der Mittellinie des Körpers oberhalb des Ober- schlundganglions und ist der dorsalen Oberfläche des Thieres so an- genähert, dass es unter günstigen Umständen, besonders bei Jugend- zuständen, ohne Präparation durch die Haut hindurch gesehen wird. Seine Seiten berühren sich mit den Speicheldrüsen, welche es von dem Unterschlundganglion abtrennen. Der vordere Rand liegt über den Commissuren (resp. dem vorderen Ende des Unterschlund- ganglions), und erstreckt sich so weit nach hinten, dass es das Unter- schlundganglion mehr oder weniger vollständig verdeckt. Bei Aspidiotus ist das fragliche Organ etwas grösser als bei Chionaspis, denn bei Ersterem erreicht der Querdurchschnitt 200 x, der Längsdurchschnitt 250 «u, während bei Letzterem beide Quer- schnitte 150 « nicht überschreiten. Bei auffallendem Licht zeigt es eine gelblich weisse Färbung, die nur insofern eine Abänderung erleidet, als einzelne Stellen in Folge der Durchsichtigkeit des Inhaltes dunkel erscheinen !). Besonders auffallend ist eine grosse Anzahl gelblichbrauner Fettkugeln (go) von beträchtlichen aber verschiedenen Dimensionen, nahe an der Oberfläche liegend. Das Organ ist mit den Speichel- 1) Die Bläschen der Speicheldrüsen, mit denen man unser Organ wohl verwechseln könnte, sind durchsichtiger, dunkler gelblich gefärbt und auch kleiner. Auch in histologischer Hinsicht zeigen sich beiderlei Gebilde ver- schieden. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. ef drüsen nur durch einige Stränge von Bindegewebe verbunden, welche offenbar zu gegenseitiger Unterstützung dienen. Eine Verbindung mit dem Unterschlundganglion findet nicht statt!). Dagegen aber glaube ich berechtigt zu sein, dem fraglichen Organ eine Verbindung mit dem Oesophagus zu vindiciren, obwohl ich andererseits gestehen muss, dass meine Beobachtungen in dieser Beziehung nicht den Grad der Sicherheit erreichen konnten, der jede Spur eines Zweifels aus- schliesst. Von dem vorderen Theil der unteren Seite des fraglichen Körpers sah ich nämlich einige Male einen Canal abgehen, der direct nach der Mitte des »Arcus superior« hinzieht und unter demselben rückwärts laufend die Richtung des Oesophagus einschlägt. Ich glaube auch die Ueberzeugung gewonnen zu haben, dass sich der Canal ein wenig vor der Mitte der dorsalen »Area«, wo der Oeso- phagus anfängt, dünnhäutiger zu werden, damit vereinigt. Wenn diese Beobachtung richtig ist, dann würde der Oeso- phagus unter diesem Organ und über dem Unterschlundganglion verlaufen. Was nun die histologische Beschaffenheit des ovalen Körpers 1) Wenn dieser Körper wirklich das Oberschlundganglion bildete, so wäre es doch äusserst merkwürdig, dass er in Bezug auf den Bau in so hohem Grade von dem Unterschlundganglion abweicht, Bei dem Vergleich mit dem wirklichen Oberschlundganglion von Lecanium und anderen Coceiden ergeben sich überdies nicht blos im Bau, sondern auch in der Form sehr bedeutende Unterschiede. Was schliesslich aber jeden Zweifel hebt, ist der Umstand, dass es mir gelungen ist, daneben noch das wahre Oberschlund- ganglion aufzufinden und dabei die Ueberzeugung zu gewinnen, dass Letzteres von dem der anderen Cocceiden nur wenig abweicht. Es ist bei Aspidiotus nur wenig kleiner, als das oben beschriebene Organ, indem seine grosse Axe 100 bis 120 « beträgt, die kleine nur etwa halb so gross ist. Auf seiner ven- tralen Fläche unterscheidet man einen Spalt, der sich von vorn nach hinten erstreckt. Auch die dorsale Oberfläche zeigt eine, allerdings seichte, Ver- tiefung, welche, sich ebenfalls von vorn nach hinten erstreckend, in die Ein- buchtung der unteren Seite übergeht, und so dem Organ, auch wenn es von oben betrachtet wird, ein zweilappiges Ansehen giebt (Fig. 31). Jeder dieser Lappen entsendet von dem äusseren vorderen Winkel einen starken Nerven von 7 bis 94 Durchmesser. Die Durchsichtigkeit der neuri- lemmaähnlichen Umhüllung gestattet zu erkennen, dass dieses Organ aus einer Anzahl Zellen von nahezu gleichem Durchmesser besteht. Dieselben erscheinen durch ihren gegenseitigen Druck mehr oder weniger polygonal und zeigen in jeder Beziehung die Structur der Nervenzellen des Unterschlundganglions, 78 E. L. Mark: anbelangt, so ist Folgendes hervorzuheben. Eine ziemlich dicke, structurlose Membran, die man als Tunica propria (Tp) ansehen muss, trägt auf ihrer inneren Fläche sehr grosse Zellen (ca), die nicht sehr fest mit einander verwachsen sind; jede derselben enthält einen Kern (n) mit einem Kernkörperchen (nl) und eine oder mehrere Fettkugeln (go). Ein unregelmässig gestaltetes Lumen, welches eine farblose Flüssigkeit enthält, konnte ich wohl beobachten, aber keine Spur von einer Intima. Die Tunica propria ist farblos und wenigstens zwei oder drei Mal so dick, wie die der Speicheldrüsen; doch kann man aus ihrer oft unregelmässigen und eckigen Form (unter Voraussetzung einer gleichmässigen Elastieität) schliessen, dass sie nicht prall gefüllt ist. Im optischen Querschnitt gesehen machen die Zellen den Ein- druck halbkugeliger Körper, die mit ihrer flachen Seite an die ° Tunica propria angewachsen, mit dem freien convexen Ende jedoch gegen die Höhlung gerichtet sind. Die Zellen ragen ungleich weit in die Höhlung hinein, wodurch denn auch die unregelmässige Ge- stalt dieser Letzteren bedingt ist. Die Ausdehnung der Zellen, ge- messen in der Richtung gegen den Mittelpunkt des ovalen Körpers, beträgt im Mittel 50 «, während der Durchmesser nahe der Ober- fläche 75 « misst. Wenn die Tunica propria zerrissen wird, so lösen sich diese Zellen leicht von derselben ab und nehmen dann eine sphärische Gestalt an. Der Kern ist ebenfalls abgeplattet oder scheibenförmig und hat bei Aspidiotus einen Durchmesser von 25 bis 30 « (bei Chionaspis etwas weniger) und eine Stärke von l5ö«. Er enthält eine granuläre Masse von ungefähr derselben Consistenz, wie die der Zellen. Ein im Innern vorhandenes Fetttröpfchen könnte beim ersten Anblick leicht für das Kernkörperchen gehalten werden, da es sowohl in Bezug auf seine Farbe, als auch auf sein grosses Lichtbrechungs- vermögen dem Kernkörperchen in den paarigen Speicheldrüsen sehr ähnlich ist. Der wirkliche Nucleolus indessen ist ein ganz farbloses und wenig sichtbares Körperchen, das in allen Zellen dieselbe Grösse hat, gewöhnlich aber kleiner ist, als das Fetttröpfchen. Er liegt bald im Centrum, bald nicht, und unterscheidet sich von dem mehr kugeligen Nucleolus der paarigen Speicheldrüsen durch seine ausgeprägte ovale Gestalt. Wenn nun die Zellen der Einwirkung von Kali ausgesetzt Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 79 werden, so schwillt das Kernkörperchen wohl auf, aber ich habe nie ein ungleichmässiges Aufschwellen beobachten können, wie dies oben bei den Kernkörperchen der Zellen in den paarigen Speicheldrüsen von Aspidiotus beschrieben wurde (Fig. 33 B). Nucleoluli (nl) sind selten zu sehen; doch fand ich dieselben bei einigen Individuen. In einem Falle zählte ich deren vier. Der oben erwähnte Ausführungsgang erreicht eine Länge von 120 « und ist ungefähr 10 « dick. Seine Tunica propria ist die Fortsetzung derjenigen des ovalen Körpers selbst. Im Innern des Ausführungsganges konnte ich keine Zellen nachweisen. Seine In- tima erstreckt sich bis in das Lumen des ovalen Körpers, wo sie sich fast trichterartig erweitert, an die Membran der an ihrer Ein- mündung liegenden Zellen vollständig anlegt und hier endet. Be- sonders durch diesen Umstand wurde ich von dem gänzlichen Fehlen einer Intima im Innern des ovalen Körpers überzeugt (Fig. 31 A). Der reichliche Fettgehalt dieses Organs machte mich zuerst geneigt, es als einen besonders modificirten und gelagerten Theil des Fettkörpers zu betrachten, zumal ich lange Zeit keine Verbin- dung mit anderen Organen finden konnte. Schliesslich aber führte mich die Entdeckung des Zusammenhanges mit dem Oesophagus zu der Vermuthung, dass es eine andere Function habe, und zwar eine solche, welche zur Verdauungsthätigkeit in Beziehung steht. Man könnte, besonders auch durch die Lage dieses unpaarigen Organs verleitet, an eine Homologie mit dem Saugmagen der Di- pteren und Lepidopteren denken; aber mit dieser Function würde sein Bau nicht im Einklange stehen. Die beträchtliche Entwicke- lung der Zellen spricht für eine mehr drüsige Beschaffenheit. Im Hinblick auf diese Thatsachen sehe ich mich denn auch veranlasst, das fragliche Organ als eine Speicheldrüse zu deuten, welche ich zum Unterschied von den oben beschriebenen, in der Zweizahl vor- handenen die »unpaarige Speicheldrüse« nennen will. Da sie weiter hinten im Oesophagus mündet, so wird ihr Secret wohl ausschliesslich bei dem Verdauungsprocesse verwendet, während dasjenige der paarigen Speicheldrüsen wahrscheinlich durch den von den Borsten gebildeten Canal in das Gewebe der Wohnpflanze tritt, wodurch ein vermehrter Zufluss der diesen Insecten als Nahrung dienenden Säfte bedingt sein dürfte. 80 E. L. Mark: B.Malpighi’sche Gefässe!). Bei den meisten Cocciden begegnen wir diesen Organen unter der Form von zwei grossen, mehr oder weniger sackartigen Gebilden (Taf. V, Fig. 13 re, re‘), welche symmetrisch in der Dorsalregion des Körpers liegen. Jede endigt hinten frei in der Leibeshöhle, vorn vereinigen sich beide und münden vermittelst eines gemeinschaft- lichen Ausführungsganges (M) nicht weit vom Oesophagus in den Verdauungstractus, in die vordere Partie desjenigen Theiles also, welcher bei Lecanium und verwandten Genera die sogenannte Ansa major bildet. Dorthesia weicht insofern von diesem allgemeinen Plane ab, als die beiden Säcke durch eine continuirliche Schlinge vertreten sind, die mit ihren Ausführungsgängen (Taf. V, Fig. 57 M‘) schliess- lich in einen kurzen gemeinschaftlichen Ductus zusammenkommen, der dann direkt in den Darm mündet. Die Malpighi’schen Gefässe sind übrigens keineswegs immer sackartig, denn häufig ist kein Lumen vorhanden, wie z. B. bei Lecanium und Aspidiotus. Anders bei Coccus Ulmi, beidem sich ein Rohr continuirlich von der Nähe des blinden Endes bis zum Munde erstreckt. Eine dünne, structurlose Propria setzt sich ohne Unterbrechung in die des Darmes fort. Die Zellen, welche dieselbe umfasst, sind in ihrem Umrisse oft durch Anhäufung fester Substanzen verdunkelt, sie haben eine grosse Ausdehnung, und sind manchmal (Lecanium) so hinter einander gelegen, dass jenes knollige Aussehen entsteht, welches Malpighi veranlasste, diese Gebilde ‚„Vasa varicosa“ zu nennen. In anderen Fällen sind die Zellen mehr linear angeordnet, und von solcher Form, dass dadurch das Malpighi’sche Gefäss eylindrisch wird, und überall ziemlich denselben Durchmesser zeigt (Aspidiotus, Coccus Ulmi). In noch anderen Fällen (Dorthesia) sind die Zellen alternirend in zwei Reihen neben einander gruppirt. Bei Lecanium Hesperidum (Taf. VI, Fig. 34) beträgt der Durchmesser der Zellen (ca) ungefähr 75 «. Sie enthalten fast durchgängig zwei Kerne (15 bis 20 « im Durchmesser) mit kleinen 1) Man vergleiche das ausführliche Werk von Sirodot. (18). Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 81 Kernkörperchen (n I) in verschiedener Anzahl. Bei Lecanium sowohl, wie auch bei Aspidiotus war es mir nicht möglich, eine Intima nach- zuweisen. Bei Aspidiotus (Taf. V, Fig. 35) misst die Röhre 50 « im Durchmesser. Die Ausdehnung der Zellen ist in der Längsrichtung geringer, als der Querdurchschnitt der Gefässe. Sie enthalten blasse Kerne, die nicht leicht sichtbar sind und grosse, eigenthümlich ovoidale oder spindelförmige Massen, die aus stark lichtbrechenden Partikelchen und Tröpfchen von verschiedener Grösse bestehen. Bei Goceus Ulmi (Taf. V, Fig. 36) hat der leicht hin- und, hergebogene Schlauch denselben Durchmesser, wie bei Aspidiotus (50 «). Er enthält ein deutliches Lumen von gleichmässiger Weite (15 «), welches durch eine deutliche, obgleich nicht sehr dicke Intima begrenzt wird. Die Zellgrenzen sind manchmal deutlich zu sehen. Jede Zelle umschliesst einen Kern und zahlreiche feine Granulationen. Der Kern liegt immer auf der convexen Seite der Krümmungen. Auf der concaven Seite habe ich öfters eine eigenthümliche radiale Anordnung der granulären Protoplasmamasse beobachtet. Ob dies durch die Präparirflüssigkeit (sehr verdünnte Chromsäure) veranlasst war, kann ich nicht angeben. | Bei Dorthesia (Taf. V, Fig. 37) haben die Drüsenschläuche einen Durchmesser von 75 «. Die Zellen, die unter der Tunica . propria in zwei Reihen geordnet sind, haben die Gestalt eines Kugel- ausschnittes, und enthalten ausser dem Kern eine feine granuläre Masse. Das ziekzackförmige Lumen, welches die scharfen Ränder dieser Zellen zwischen sich lassen, ist von beträchtlicher Grösse. Von der Gegenwart einer Intima konnte ich mich nicht überzeugen. 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Targioni-Tozzetti, Adolfo, Indroduzione alla seconda Memoria per gli studj sulle Coceiniglie, e Catalogo dei generi e delle specie della famiglia dei Coccidi, rivista ed ordinata. In Estratto dagli. Atti della Societä ital. di scienze naturalıi. Vol. XI, Fasc. II. 1868. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV, V und VI. »Area«. (Dreiecksfläche.) Bläschen der paarigen Speichel- drüsen. Area dorsalis. »Arcus inferior«. Ansa major. Ansa minor. After. »Ärcus superiore«. Antennen. »Area ventralisc«. »Columella«. Zelle. Coecum. »Costa inferior dextra«. a „ sinistra«. »Clavus«. (Steuerung.) »Conusc, (Basaltheile der Borste.) »Costa superior dextra«. as sinistra«. (Borstentasche.) „ »Crumena«. Cylinder. Untere Hälfte des Cylinders (bei Aspidiotus). Ausführungsgang der paarigen Speicheldrüsen. Ausführungsgang der unpaari- gen Speicheldrüsen. »Embolus«. (Kolbe.) Chitintrichter des Afters, Unterschlundganglion. Paarige Speicheldrüsen. Oeltröpfchen. Oberschlundganglion. Unpaarige Speicheldrüsen. Retortenförmige Körper, welche die Borsten secerniren. Unpaariger Stamm der Mal- pighi’schen Gefässe. Die zwei Aeste derselben. Nucleus. Nucleolus. Nucleololus. Nervus opticus. Auge. Oesophagus. Stielchen der Speicheldrüsebläs- chen. Erstes Fusspaar. Zweites > Drittes e Laterale Aeste desAusführungs- ganges der paarigen Spei- cheldrüsen Schläucheder Malpighi’schen Gefässe. »Regula«. (Kolbenstange.) Schnabel, aus vier Borsten be- stehend. Rectum. Strietura cardiaca. Setae. (Borsten.) 84 E. L. Mark: st »Stapes«. (Steigbügel.) uv Uva. (Chitinzapfen des Schlun- Te Tunica cellula. des.) Ti „ intima. v Ventrieulus. (Chylusmagen.) Ah „ Propria. vs TB, r , propria des Rectums auf vs‘ | anpen. »Ansa minor«, vsc Vagina. (Vagina setas con- tr Tracheen. tinens; Scheide.) Fig. 1. Aspidiotus Nerii. (Nerium Oleander.) Mundtheile von unten ge- sehen, nach Behandlung mit Kali. Vergrösserung: 370. Fig. 2. Dorthesia Characias. Mundtheile von unten, nach Behandlung mit Kali. Vergr.: 175. Fig. 2A. Dieselben, schräg angesehen. Schematisch. Fig. 3. Chionaspis Aspidistrae. Männliche Larve nach erster Häutung. Mundtheile von unten gesehen. Vergr.: 800. Fig. 3A. Chionaspis Aspidistrae. Schematisch, um die vermuthete Zu- sammensetzung der einzelnen Borsten zu zeigen. Fig. 4 Aspidiotus Nerii. Ausstülpung des Schnabels. Fig. 5. 55 r Larve mit ausgestülpter Schnabelschlinge. Vergr.: 370. Fig. 6. Aspidiotus Nerii. Andeutung der Bewegung im sogen. retorten- förmigen Körper, « Feste Punkte. Fig. 7. Coccus Adonium. »Tasche« mit ausgezogener Propria, die Schnabel- schlinge enthaltend. Vergr.: 465. Fig. 8. Chionaspis Aspidistrae. Männliches Thier. Mundtheile von oben gesehen. Vergr.: 770. Fig. 9A. Chionaspis Aspidistrae. Saugorgane von oben während der Ruhe der Muskeln ms. Fig. 9B, B. Chionaspis Aspidistrae. Verschiedene Phasen des Organes während der Zusammenziehung der Muskeln. Fig. 10. Aspidiotus Nerii. Saugorgane von oben. « Einmündungsstelle der paarigen Speicheldrüsen. Vergr.: 800. Fig. 11. Aspidiotus Nerii. Das sog. Infundibulum. Anfangstheil des Oeso- phagus von unten gesehen. A. Uva im Profil, schematisch. Fig. 12. Aspidiotus Nerii. Larve, Centraltheile eines Querschnittes mit der Umgebung der Mundtheile von vorn gesehen. Einbettung in Glycerinseife. Vergr.: 370. Fig. 13. Lecanium Hesperidum. (Phoenix dactylifera.) Verdauungscanal in natürlicher Lage von oben gesehen. Rectum prall gefüllt. Vergr.: 55. Fig. 14. DorthesiaCharaecias. (Urtica.) Stück des Oesophagus, Vergr.: 175. Fig. 15. Lecanium Hesperidum. (Nerium Ol.) Verdauungscanal von oben gesehen. Die Stelle des Zusammenwachsens. Malpighi’sche Gefässe. deuten den Lauf des Canales an. Oesophagus. >Ansa Die Pfeile minor«., Coecum. Rectum. Vergr.: 150. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. 85 16. Lecanium Hesperidum. (Phoenix dactyl.) Rectum nebst anderen Theilen des Verdauungstractus. Vergr.: 80. A. Kerne der Tunica . cellula, stark vergrössert. 17. Lecanium Hesperidum. (Phoenix dactyl.) »Ansa minor« (resp. Anfangstheil des Chylusmagens), von der Seite gesehen. «. Lumen des aufsteigenden Theiles der Ansa. /#. Tunica ceilula des einge- stülpten Theiles des Rectums im Profil gesehen. Vergr.: 175. . 18. Leecanium Hesperidum. (Phoenix dactyl.) Stück der Ansa major . 19. Coeeus Ulmi. Querschnitt des Chylusmagens. Vergr.: 270. g. 20. Lecanium Hesperidum. Hinteres Ende des Rectums. After- trichter und Klappen, von unten gesehen. Vergr.: 150. .21. Lecanium Hesperidum. Afterklappen und tiefe Spalte am hin- teren Leibesende. Vergr.: 150. . 22. Chionaspis Aspidistrae. Speicheldrüsen umgeschlagen, um die untere Seite derselben zu zeigen. Vergr.: 175. . 22A. Chionaspis Aspidistrae. Stück des Ausführungsganges mit anhängender radialgeordneter Protoplasmamasse der paarigen Speichel- drüsen. Stark vergrössert. 23. Chionaspis Aspidistrae. Männliche Larve. Paarige und un- paarige Speicheldrüsen nebst Unterschlundganglion in natürlicher Lage von oben gesehen. Vergr.: 175. . 24. Aspidiotus Nerii. Speicheldrüsen von oben nach Entfernung der Ganglien. Unpaarige Drüse nach vorn umgeschlagen. Vergr.: 115. . 25. Aspidiotus Nerii. Speicheldrüsen und Malpighi’sche Gefässe in natürlicher Lage von oben. . 26. Aspidiotus Nerii. Mundtheile von oben nach Behandlung mit Kali. Paarige Speicheldrüsen und Borstentasche rechts umgeschlagen. Vergr.: 370. .26A. Aspidiotus Nerii. Paarige Speicheldrüsen dicht an der Ein- mündungsstelle. Vergr.: 800. . 27. Lecanium Hesperidum. (Phoenix dactyl.) Umgebung des Mun- des von oben. Unterschlundganglion ist nach vorn umgeschlagen. Präparat mit Carmin gefärbt und darnach mit schwacher Kalilösung behandelt. Vergr.: 175. .28. Dorthesia Characias. Linke Hälfte der paarigen Speicheldrüsen von unten. Carmin. Vergr.: 150. .28A. Dorthesia Characias. Zellkern aus derselben. Vergr.: 500. Fig. 29. Aphis Saınbuci. Hauptbläschen der paarigen Speicheldrüsen, linke “ Seite, von oben. Vergr.: 270. 29A. AphisSambuci. Schematische Darstellung der Intima derselben nach Behandlung mit Kali. 30. Schizoneura Ulmi. Paarige Speicheldrüsen, rechte Seite nach Zusatz von Kali. Vergr.: 150. 86 E. L. Mark: Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. Fig. Fig. Fig. 31. Aspidiotus Nerii. Unpaarige Speicheldrüse nebst den Schlund- ganglien von unten. Drüse vorwärts gezogen. Vergr.: 115. 31A. Aspidiotus Nerii. Ausführungsgang nebst Theil der unpaarigen 32. . 33. . 34. . 35. . 36. 37. Drüse. Vergr.: 600. Aspidiotus Nerii. Ein Stück der unpaarigen Speicheldrüse. Vergr.: 600. Aspidiotus Nerii. Kernkörperchen nach Zusatz von Kali: A. der paarigen Speicheldrüsen; B. der unpaarigen Speicheldrüsen. Lecanium Hesperidum. (Phoenix dactyl.) Stück eines Mal- pighi’schen Gefässes. Carmin-Präparat. Vergr.: 175. Aspidiotus Nerii. (Nerium Ol.) Endstück eines Malpighi’schen Gefässes. Vergr.: 370. Coccus Ulmi. Endstück eines Malpighi’schen Gefässes mit deut- licher Intima. Vergr.: 370. Dorthesia Characias. Einmündungsstelle der Malpighi’schen Gefässe. — Ein Gefäss A im optischen Durchschnitt, B an der Oberfläche. Die Lymphwurzeln der Knochen. Von Dr. Albrecht Budge, Assist. am anatom. Instit. in Greifswald. Hierzu Tafel VII. Eine Untersuchung über die Blutgefässe des Knochens und ihre Beziehung zur Knochenentwickelung führte mich zu einem Be- funde, der mir für die Lymphgefässe des Knochens von Bedeutung erschien und mich zur weiteren Verfolgung bestimmte. Wie bekannt kommen in den Havers’schen Canälen Blutge- fässe in verschiedener Anzahl vor, so dass auf die grösseren zwei und mehr, auf die mittleren zwei, die kleinsten nur eins kommt. Die Wandung derselben besteht bei letzteren nur aus einem ein- fachen Endothelschlauche, wie er vielen Capillaren eigen ist. An diesen kleinsten Havers’schen Canälchen fällt die grosse Anzahl von Endothelzellen auf, die so dicht stehen, dass sie unmöglich einem einzigen Rohre angehören können. Häufig finden sich zwei Endo- thelkerne vollkommen nebeneinander, während sie sonst mehr oder weniger alternirend und in geringerer Menge vorkommen. Ich be- nutzte meistens die Knochen ausgewachsener Katzen, welche in 1°/siger Chromsäure entkalkt waren und färbte Schnitte davon mit essigsaurem Carmin nach der bekannten Methode von Schweigger- Seidel. Hierdurch treten die Endothelkerne schön und deutlich hervor. Zur Controlle bediente ich mich ebenso behandelter Präparate von Knochen, deren Blutgefässe mit blauem Leim injicirt waren. 88 Albrecht Budge: Dadurch war die Möglichkeit gegeben, Endothel, welches der Blut- capillare angehört, von etwa anliegendem anderen Endothel zu unter- scheiden. Es zeigte sich nun wirklich auf ganz unzweideutige Weise, dass im Havers’schen Kanale zwei Endotheleylinder vorhanden sind. An vielen Stellen solcher Schnitte kommt es vor, dass die blau injieirten Blutgefässe zum Theil aus den Kanälen herausge- hoben sind und daneben liegen, während ein anderes Stück desselben Gefässes noch in denselben sich befindet. Ein Abschnitt des Havers’schen Canals wird dadurch leer und durchsichtig, ein anderer noch mit dem blaugefärbten Blutgefässe erfüllt. An letzterem ist nun einmal die Anzahl der Endothelzellen viel häufiger, als in dem anderen. Zweitens erscheint das freiliegende Blutgefäss, welches auf Druck in der Flüssigkeit flottirt, noch mit seinen Endothelzellen besetzt, während gleichzeitig noch eine einfache Schicht solcher Zellen den vom Gefäss entblössten Canal auskleidet. Hieraus muss man schliessen, dass wirklich zwei Endothelrohre in den kleinsten Canäl- chen vorkommen. Dass man nicht etwa daran denken kann, die Endothelien seien Knochenzellen, die an erweichten Knochen man- cherlei Gestalten annehmen können und häufig in der Nähe der Canäle liegen, geht schon allein daraus hervor, dass diese Endo- thelien im Canal und nicht dicht daran sich finden, und zweitens, dass die Knochenkörperchen unregelmässig, bald näher bald weiter um den Canal gruppirt sind. Mit Markzellen sind sie gleichfalls nicht zu verwechseln, da, abgesehen von der völligen Verschieden- heit des Aussehens, solche überhaupt in den kleinsten Canälchen nicht vorkommen. Diese Befunde mussten mich natürlich auf den Gedanken führen, dass hier vielleicht ebenso, wie im Gehirn, in der Leber etc. peri- vascnläre Lymphräume vorkommen !). Diese Vermuthung hat sich 1) Mit dem Niederschreiben vorliegender Arbeit beschäftigt, erhalte ich die Untersuchung über »Rlastieität und Festigkeit der Knochen« von Prof. Rauber. Ich führe seine eigenen Worte über diesen Gegenstand an: »Die nächste Auskleidung der Havers’'schen Canäle ist eine endotheliale. Sie be- grenzt, wie ich es vorläufig auffasse, eircumvasculäre Lymphcanäle. Die Mitte wird von einem oder mehreren Blutgefässen eingenommen.« pag. 72. Die Abbildung (Taf. 2 Fig. 4) ist zutreffend, wenn auch, mit meinen Präparaten verglichen, etwas schematisch gehalten. Ich habe den Raum zwischen Blut- gefässendothel und der endothelialen Auskleidung des Havers’schen Canals, in dem nur ein einziges Blutgefäss enthalten ist, nieht so breit, wie es nach der Abbildung scheint, gefunden. Die Lymphwurzeln der Knochen. 89 nun auch vollkommen bestätigt. An und für sich machen es schon die doppelten Endothelien höchst. wahrscheinlich. Der sichere Be- weis war aber nicht eher beizubringen, bis der Zusammenhang zwischen Lymphgefässen und diesen Räumen sich durch Injection darstellen liess. Um diesen Zweck zu erreichen, trieb ich, nachdem das Mark entleert war, in Wasser lösliches Berlinerblau in den Markkanal mittelst des bekannten Quecksilber-Druckapparates ein und liess den Druck lange Zeit wirken. Indessen war dieser Ver- such, den ich mehrmals wiederholte, ohne Erfolg, wahrscheinlich weil der Farbstoff sich zu früh an den Wänden niedergeschlagen und so diese feinen Gänge verstopft hatte. Viel günstiger erwies sich die zweite Stelle, von der aus ich einzudringen versuchte. Zunächst behandelte ich sorgfältig abpräparirte Stücke des Periost’s mit Arg. nitr., um mich über das Vorkommen und die Lage der Lymphgefässe im Periost zu orientiren !). Ich fand ein weit verzweigtes Netz, das aus mehreren Lagen besteht und sich überall eng an die Blutgefässe anschliesst. Fig. 1 zeigt ein solches Präparat, welches dem Periost des Mittelfusses vom Kalb entnommen ist. In dem Periost älterer Thiere (Kuh) sind die Lymphgefässe nicht so zahlreich vorhanden. Einstichinjeetionen mit Berlinerblau zeigten dieselben Bilder. Die Lymphgefässe, wie sich leicht an einer Reihe von Flächenschnitten zeigt, sind in den äussersten Lagen am zahlreichsten, während sie in der elastischen Lage, ebenso wie die Blutgefässe an Menge ab- nehmen. Auch gelang es mir nur an Kalbs- und Kuhfüssen, an welchen die Knochen mit einem auffallend starken und derben Periost um- kleidet sind, vollständige Injeetionen darzustellen. Katzen und Kaninchen eignen sich weniger zu solchen Versuchen. Besondere Schwierigkeiten bietet der innige Zusammenhang der periostalen Lymphgefässe mit denen des umliegenden lockeren Bindegewebes, der Sehnen etc., weil man bei der Präparation des Periost’s eine Menge grösserer Stämme durchschneiden muss, aus denen die Injectionsmasse abfliesst, anstatt in den Knochen einzudringen. Ich 1) Vor ungefähr anderthalb Jahren hatte Prof. Schwalbe die Güte mir periostale Lymphgefässe zu zeigen, die die oberflächlichen Gefässe als starke Stämme begleiten. 90 Albrecht Budge: benutzte meist die Mittelfussknochen oben genannter Thiere, die man sich leicht frisch verschaffen kann. Ein grosser Theil dieser oberflächlichen Lymphgefässe mündet in zwei starke Lymphgefässstämme, die unmittelbar auf dem Periost aufliegen und die Blutgefässe des Fussrückens begleiten. Sehr feine Glascanülen lassen sich in dieselben einbinden, jedoch ist es mir nie geglückt, von diesen aus kleinere Stämme zu füllen, wenn ich auch Tage lang einen constanten Druck anwendete und die Pr¶te mit verdünntem Alkohol behandelte, was bekanntlich empfohlen ist, um die Klappen nachgiebiger zu machen. Nach vielen vergeblichen Versuchen fand ich Stellen am Mittel- fussknochen, an denen sich Sehnen weit ins Periost hineinsenken und allmählich in dasselbe übergehen. An den Sehnen lassen sich bei einiger Uebung leicht schöne Lymphgefässnetze darstellen, während in mehr lockerem Bindege- webe häufig wenigstens an der Einstichstelle Extravasate entstehen, was auch für die meisten Stellen des Periost’s gilt. Ferner hatte ich hier den Vortheil, dass ich das eigentliche Periost nicht freizu- legen brauchte, wobei natürlich viele Lymphgefässe der Nachbar- schaft, wie schon bemerkt, zerschnitten werden. Es lassen sich da- durch Lymphgefässnetze auf weite Strecken hin füllen und für das Periost leicht auf Flächenschnitten untersuchen. Ist das Periost sorgfältig entfernt, so markiren sich bei wohlgelungenen Injectionen an dem freiliegenden Knochen einzelne blaue Punkte, die man schon mit blossem Auge, sehr deutlich mit der Loupe, sehen kann. Das vereinzelte Vorkommen derselben spricht schon dafür, dass man es mit Lymphgefässen, nicht mit Blutgefässen zu thun hat. Ist man beim Einstechen mit der Nadel in ein Blutgefäss gekommen, so sieht man entsprechend der grossen Anzahl der in den Knochen eindringenden Blutgefässe eine grössere Fläche mit solchen Punkten besetzt. Ueberraschend war es mir, an feinen abgespaltenen Splittern, die ich in Glycerin mit etwas Salzsäure (1: 100 Glye.) untersuchte, schon bei schwacher Vergrösserung blaue Körperchen zu finden, die in Form und Grösse den Knochenhöhlen entsprechen. Bei genauerer Beobächtung präsentirten sich dieselben als wirklich mit Injections- massen gefüllte Knochenhöhlen. Fig. 2!) zeigt ein solches Prä- 1) Abbildung 2, 3, 4 verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Sommer in Greifswald, wofür ich ihm hier meinen Dank ausspreche. Die Lymphwurzeln der Knochen. 9 parat, auf dem drei Knochenhöhlen und deren Ausläufer mit In- jectionsmasse gefüllt, enthalten sind. Die Knochenzelle selbst ist etwas zusammengedrückt, markirt sich aber deutlich dadurch, dass auf ihr das Berlinerblau dichter niedergeschlagen ist. Man könnte bei flüchtiger Betrachtung auf den Gedanken kommen, dass hier blaue Injectionsmasse von benachbarten Gefässen während des Schneidens zufällig aufgetragen sei und dies eine Täuschung veranlasst hätte. Dieses war bei dem abgebildeten Präparat von vorn herein auszuschliessen, da die injieirten Knochenhöhlen nicht an der Ober- fläche des Knochens lagen, sondern beiderseits von einer dünnen Knochenschicht bedeckt waren. Jeder Zweifel aber wurde entfernt, nachdem ich feine Schnitte untersuchen konnte, die dem durch lprocentige Chromsäure erweichten Knochen entnommen und dann mit essigsaurem Carmin tingirt waren, wodurch die blaue Farbe der Injectionsmasse sich sehr deutlich abhebt. Hier fand ich nun in sehr grosser Anzahl injieirte Knochen- höhlen, die sich als blaue mit längeren oder kürzeren Fortsätzen versehene, sternförmige Gebilde zeigen und in deren Mitte man die scharf begrenzte, schön roth gefärbte Knochenzelle sieht. Schon bei schwacher Vergrösserung erblickt man dieselben als rothe Punkte, die von einem blauen Hofe umgeben sind. In beigegebener Figur 3 ist ein solches Knochenstückchen dargestellt, an dem die Knochen- höhlen in oben angegebener Weise injieirt sind. Von geringerem Interesse sind mancherlei Modificationen. Bald ist eine Knochenhöhle mit mehr, bald mit weniger Injectionsmasse gefüllt, so dass die Zelle bald ganz überdeckt, bald ganz zusammen- gedrückt sich findet, während bei anderen eine kaum sichtbare Menge von Masse, die Knochenhöhle nur mit der Zelle ausgefüllt erscheinen lässt. Ebenso variabel ist die Injection der Ausläufer, die nur stellenweise, auf Strecken hin, gefüllt sich zeigen. Dass man sie nicht in ihrer vollen Ausdehnung und Gestalt erkennt, erklärt die anerkannte Thatsache, dass die Ausläufer der Knochenhöhlen nur dann deutlich sichtbar sind, wenn sie mit Luft erfüllt sind und fast nie an feuchten Präparaten die bekannten Bilder geben. Es war nun noch übrig, auch den Weg deutlich vor Augen zu haben, auf dem die Injectionsmasse in die Knochenhöhlen eindringen kapn. Dieses ist mir nun auch geglückt. Die Blutgefässe, die durch Carminfärbung und noch darin be- 92 Albrecht Budge: findliche Blutkörperchen als solche deutlich hervortreten, zeigen auf dem Querschnitt einen feinen concentrischen Rirg, der nach innen von dem Endothel der Blutcapillare, nach aussen von dem des Havers’schen Canals begrenzt ist. Fig. 4 zeigt dieses Verhalten. In der Umgebung des Gefässes finden sich die früher beschriebenen injieirten Knochenhöhlen. "Solche Bilder kommen nun nicht vereinzelt vor, sondern finden sich an geeigneten Untersuchungsstellen in grosser Anzahl. Analog diesem Befunde sieht man auf dem Längsschnitt, wenn das Gefäss gespalten ist, feine blaue Streifen, die aussen dasselbe saumartig umgeben. Ist das Gefässchen unverletzt, so erscheint es schwach blau, so dass man an eine Blutgefässinjection glauben könnte, wenn ıman nicht an Stellen, die schief durch den Schnitt getroffen sind, in das Blutgefäss, wie in eine offene Röhre hineinsehen und sich überzeugen könnte, dass keine Spur von Farbstoff darin ist. Besonders instructiv sind etwas dickere Schnitte, in denen Quer- und Längsschnitte Havers’scher Canälchen vorhanden sind. An ihnen sieht man schon bei schwacher Vergrösserung durch die blauen Ringe und Streifen die Blutgefässe gegen die Knochensub- stanz sich abgrenzen. Jene Räume sind somit als perivasculäre Lymph- räume aufzufassen. Dieselben lassen sich einmal von Lymph- gefässen aus injieiren, stehen also mit ihnen im Zusammenhang und zweitens besitzen sie ein nachweisbares Endothel, zwei Eigenschaften, die ihre Lymphgefässnatur untrüglich darthun. In grösseren Havers’schen Canälen habe ich eigene Lymph- sefässe mit besonderen Wandungen gefunden, die von den periostalen Lymphbahnen aus direkt in den Knochen eindringen. Sie sind so gross, dass man sie schon mit blossem Auge, besser mit der Loupe, wie oben bemerkt, erkennt. Die Injection hat nun nachgewiesen, dass mit den perivasculären Lymphräumen die Knochenhöhlen durch ihre Ausläufer zusammenhängen. Man muss also annehmen, dass in letzteren Lymphe während des Lebens eireulirt. Es findet sich hier sicher eine grosse Aehnlichkeit mit den Safteanälchen des Bindegewebes wieder, die dem Knochengewebe mehr und mehr seine Stellung unter den Bindesubstanzen sichert, vielleicht es als typisch hinstellt. So schwierig die Erforschung des Knochens wegen seiner Festig- Die Lymphwurzeln der Knochen. 93 keit zu sein scheint, so bietet er doch auch wieder grosse Vortheile, die grade in seiner Festigkeit und Unnachgiebigkeit der Zwischen- substanz beruhen. Während beim Bindegewebe sich leicht künst- liche Gänge und Spalten durch Injectionsdruck bilden, oder dicht aneinander verlaufende Canälchen sich bei der Nachgiebigkeit der Gewebe, wenn ein oder das andere durch Injectionsmasse mehr als normal ausgedehnt ist, gegenseitig zusammendrücken, ist man beim Knochen grade gegen diese beiden Hauptfeinde der Injection ge- schützt. — Fasst man das Gesagte noch einmal kurz zusammen, so muss man zwei verschiedene Ernährungssysteme am Knochen unterschei- den, die nicht direkt mit einander zusammenhängen, wohl aber in innigster Berührung stehen, nämlich das Blutgefäss- und das Lymph- gefäss-System l). Sie gestatten einen gegenseitigen Austausch ihrer flüssigen und gasförmigen, vielleicht auch ihrer festen Bestandtheile (weisse Blut zellen). Das Lymphgefässsystem ist innig mit dem Knochen verschmolzen, während die Blutgefässe nur durch ersteres, also indirekt mit dem- selben in Verbindung stehen. Somit kann also allen Punkten des Knochens durch die Safteanälchen Ernährungssaft zugeführt werden. Auf diesem Wege werden auch wohl die dünnen Siebbeinplatten, die sar keine Blutgefässe haben, ernährt werden müssen. Unwillkürlich kommt der Gedanke, wie wird die Circulation der Lymphe in einem so starren Gewebe ermöglicht? Denkt man sich die Knochenzellen als contractile Gebilde, die, unterstützt von der Capillarität der Aus- läufer von Knochenhöhlen, durch Contraction . Lymphe ansaugen, durch Nachlassen derselben letztere weitertreiben, also das Ganze als ein Saugwerk, das durch Bewegung der Knochenzellen in Thätig- keit erhalten wird, so kann in dieser Weise wohl ein Verständniss der Lympheireulation gewonnen werden. Die Lymphwurzeln der Knochen liegen, wenn man so sagen darf, in den Knochenhöhlen. Durch die Ausläufer communiciren sie mit perivasculären Räumen, die wie- derum mit den periostalen Lymphgefässen in Zusam- menhang stehen. 1) Zum leichteren Verständniss füge ich eine schematische Abbildung in Fig. 5 bei. Die Theile, die blau gezeichnet sind, entsprechen den Lymph- bahnen. 94 Albrecht Budge: Die Lymphwurzeln der Knochen. Das Verhältniss der Lymphgefässe in den grösseren Canälen zu den perivasculären ist mir bis jetzt nicht gelungen zu ermitteln. Ebenso reichen meine Untersuchungen über die Lymphgefässe des Markkanals und die des sich noch entwickelnden Knochens noch nicht hin, um über sie berichten zu können. Ich hoffe im Verlauf des nächsten Sommers nebst genauer Angabe der Literatur diese Fragen im Zusammenhang mit den Untersuchungen über die BJut- gefässe beantworten zu können. Greifswald, den 27. Februar 1876. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Fig. 1. Lymphgefässnetz der oberflächlichen Periostschicht (Mittelfussknochen. Kalb). Blutgefässe blau. Lymphgefässe durch Arg. nitr. dargestellt. Hartn. Oc. 4. Obj. 4. (Diese, sowie Fig. 4, ist von dem Universitäts-Zeichenlehrer, Herrn Weiland, angefertigt.) Fig. 2. Ein von nicht erweichtem Knochen abgespaltener Splitter, in dem die Knochenzellen mit Injectionsmasse gefüllt sind. (Mittelfuss- knochen. Kuh.) Hartn. Oc. 3. Obj. 8 ausg. Tub. Fig. 3. Ein Schnitt von in 1°/,iger Chromsäure erweichtem Knochen, der mit essigsaurem Carmin gefärbt ist. Es ist, nach sorgfältiger Entfernung des Periost’s, etwa der dritte Schnitt von der Oberfläche aus ge- rechnet. Er enthält Knochenhöhlen mit deutlich roth gefärbten Zellen, um welche blaue Injectionsmasse gelagert ist, die auch noch die Ausläufer theilweise füllt. Hartn. Oc. 3. Obj. 8 ausg. Tub. Fig. 4. Das Präparat ist wie voriges hergestellt, ebenfalls vom Mittelfuss- knochen einer Kuh. In der Mitte befindet sich ein querdurchschnit- tener Havers’scher Canal, in dessen Centrum ein mit deutlichem Endothel versehenes Blutgefäss ist. Concentrisch um letzteres ein mit blauer Masse gefüllter Raum, der von dem Knochen durch Endo- thelzellen getrennt ist; also der perivasculäre Lymphraum. Einzelne injieirte Knochenhöhlen sind um denselben gelagert. Fig. 5. Schematische Darstellung der Lymphwurzeln der Knochen. Die blaue Farbe deutet die Lymphbahnen an. Knochenzellen und Blutgefäss roth. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. Von Dr. N. Bobretzky aus Kiew. Hierzu Taf. VIII—XIN. Die vorliegenden Untersuchungen wurden von mir im Winter und Frühling 1874—75 in Dr. Dohrn’s zoologischer Station zu Neapel angestellt. Es freut mich, vor Allem der gütigen Unter- stützung zu gedenken, welcher alle dort Arbeitenden von Seiten des Dr. Dohrn und seiner Gehülfen begegnen, und meinerseits erfülle ich die angenehme Pflicht, dem Herrn Dohrn für seine freundliche Theilnahme meinen herzlichen Dank auszusprechen. Ich bemühte mich, auch bei den Eiern der Gastropoden die Schnittmethode anzuwenden; eine grosse Schwierigkeit aber, welche ich nicht hinreichend überwinden konnte, erwies sich in der unge- meinen Zartheit des Eies, der blasenförmigen Gestalt der jungen und der Asymmetrie der älteren Embryonen. Nur mit grösster Mühe gelang es mir, einige unverletzte gute Schnitte anzufertigen; aber auch an den Bruchstücken konnte man viel mehr und sicherer sehen, als es am lebenden Eie möglich ist. Ein anderes Verfahren, welches mir von grossem Nutzen war, ist die Untersuchung der mit schwacher Chromsäurelösung behan- delten Eier im auffallenden Lichte. Bei der Einwirkung der Chrom- 96 N. Bobretzky: ‘säure bekommt der Nahrungsdotter eine dunkle Farbe, die Zellen aber werden undurchsichtig und weisslich, so dass sie auf der dunklen Oberfläche des Dotters klar ins Auge fallen. Leider war es mir bei sehr reichlich zufliessendem Material oftmals nicht möglich, näher zu bestimmen, welcher Schneckenart die Eierkapseln angehörten, indem in den malacologischen Werken in dieser Hinsicht noch weite Lücken übrig bleiven. Da ausserdem die Anfertigung der Schnitte sehr viel Zeit und Mühe erforderte, so musste ich mich nur auf wenige häufig vorkommende Arten be- schränken. Ich habe meine Aufmerksamkeit besonders auf die Bil- dung der ersten Anlagen von Organen in ihrer Beziehung zu den Keimblättern gerichtet, und obwohl ich mehrere Lücken in meiner Arbeit anerkenne, hoffe ich jedoch einige wichtige Thatsachen, be- sonders in Bezug auf die so streitige Frage über die Entwickelung des Darmkanals, feststellen zu können. Ich erwähne an dieser Stelle zuvörderst noch einiger Unter- suchungen, welche, nachdem schon meine Arbeit ganz zu Ende ge- bracht war, erschienen. Von den schönen Untersuchungen H. Fol’s über die Entwickelung der Pteropoden konnte ich bis jetzt nur die erste Hälfte!) erhalten, und es freut mich sehr, dass, so viel ich aus dieser letzteren und aus der kurzen vorläufigen Mittheilung?) schliessen kann, meine ganz unabhängig, vermittelst einer anderen Methode und an einer anderen Cephalophorengruppe angestellten Beobach- tungen mit denen von H. Fol in den Hauptzügen übereinstimmen. Nur in Bezug auf die Beziehung der Anlage des Nervensystems zu den Keimblättern kam ich zu einem ganz anderen Resultate. Auf die mit grossen Ansprüchen geschriebene »Ontogenie der Süsswasser-Pulmonaten« von Carl Rabl?) werde ich später noch zurückkommen, vgl. namentlich das Schlusscapitel bei der Bildung des Darmcanales. In der Arbeit von Dr. Hermann von Ihering‘) finden wir nur wenige Angaben über die inneren Embryonalvorgänge. 1) Archives de Zool. experimentale et generale. Tome quatriöme. N. 1 1875. p. 1—144, pl. I-VI. 2) Idem. Tome troisieme. N. 3, 1874. 3) Jenaische Zeitschrift. Neunter Band, zweites Heft. 1875. 4) Ibid. Drittes Heft. Ueber die Entwickelungsgeschichte von Helix. Zugleich ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Phylogenie der Pul- monaten. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 97 1. Embryologie der Nassa mutabilis Lam. (Fig. 1—41.) Die Eier der Nassa mutabilis erhielt ich in grosser Menge, sowohl aus den kleineren Aquarien (Mitte Januar bis Mitte Mai), als auch von den Fischern der Station. Ihrer allgemeinen Form nach erinnern die Kapseln der N. mutabilis an die von N. retieulata: sie sind wasserhell und zusam- mengedrückt becherförmig; ihr stumpfes, schräg geschnittenes Ende ist mittelst einer häutigen Basis befestigt. Der Hauptunterschied besteht in einer sehr charakteristischen Sculptur ihrer freien Ober- fläche, welche in polygonale Felder getheilt ist, an deren Grenzlinien sich senkrechte membranartige Rippen erheben, so dass das Ganze der Oberfläche einer Honigscheibe ähnlich sieht. Das spitzere Ende hat eine seitwärts gerichtete, mit einer dünnen Membran geschlossene Oefinung, und die Kanten der Kapsel ziehen sich über dieselbe als spitze Hörnchen weg, welche paarweise mit einander bogenförmig zusammentreten. In einer jeden Kapsel finden sich 5—15 Eier von 0,5 mm. Durchmesser, welche stets beinahe denselben Grad der Ent- wickelung aufweisen. An den Wänden des Aquariums legte N. mutabilis ihre Eier- kapseln gewöhnlich reihenweise neben einander; die von den Fischern gebrachten Kapseln bildeten oft ziemlich grosse, an den Stengeln der Meergräser, sehr oft auch an den Tuben der Spirographis befestigte Klumpen, in welchen die Kapseln gedrängt über und neben einander liegen. Dabei waren die näher der Oberfläche des Klumpens liegen- den Kapseln stets die jüngsten, und man konnte oft in demselben Klumpen sehr verschiedene Stadien der Entwickelung finden. Die Dotterfurchung bei N. mut. stellt uns einige interessante Besonderheiten dar. Die frisch gelegten Eier haben eine kugelrunde Form und bestehen aus fettähnlichen, stark lichtbrechenden Dotter- bläschen, welche dem Eie eine tiefbraune Farbe geben. An einer Stelle seiner Oberfläche lässt das Ei einen kleinen weisslichen Fleck sehen. Schon bald nach dem Ablegen nimmt man gewöhnlich zwei Richtungsbläschen wahr, welche durch einen zarten Faden mit dem Eie beinahe im Centrum des weissen Fleckes verbunden und mit einigen sehr kleinen Eiweisstropfen umgeben sind. Der Kern war gewöhnlich im Eie nicht aufzufinden; ein Mal aber konnte ich in Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 7 98 N. Bobretzky: einem gepressten Eie, welches schon mit Richtungsbläschen versehen war, den Kern sehr klar beobachten. Er lag unmittelbar unter der Oberfläche des Eies, liess aber kein Kernkörperchen erkennen. Sein Inhalt hatte ein ganz homogenes, wasserhelles Aussehen, so dass das Ganze einer Vacuole ähnlich sah. Etwas später verändert das Ei seine kugelrunde Form in eine längliche, und an dem Pole, welcher den hellen Fleck zeigt, sammelt sich eine feinkörnige, helle, im auffallenden Lichte weissliche Masse. Der allgemein angenommenen Terminologie folgend, werde ich die- selbe als Bildungsdotter, und den Eipol, wo sie sich sammelt, als Bildungspol bezeichnen. Bald darauf macht sich an dem verlängerten Eie eine anfangs sehr seichte, später immer schärfer werdende quere Furche bemerklich, welche seine obere, halb aus dem Bildungsdotter bestehende Hälfte von der unteren, grösseren, ganz und gar aus tiefbraunem Nahrungsdotter zusammengesetzten abgrenzt (Fig. 1). Weder in der oberen Hälfte des Eies noch in der unteren kann man um diese Zeit einen Kern auffinden. Die durch ein solches Ei an- gefertigten feinen Schnitte lassen uns aber inmitten des Bildungs- dotters der oberen Hälfte des Eies jene strahligen Figuren sehen, welche zuerst von H. Fol!) in den Eiern der Geryonia und einiger anderen Thiere, von W. Flemming?) im Eie der Teichmuschel be- schrieben wurden. Fig. 23 stellt einen Durchschnitt von einem solchen Stadium dar. Man sieht hier inmitten der feinkörnigen Substanz zwei helle Flecke, ohne Körnchen; von ihnen aus gegen die Peripherie gehen Strahlen, welche durch die in geraden Linien aneinander gereihten Körnchen gebildet sind. Die gegen einander gerichteten Strahlen der beiden Sterne vereinigen sich in der Mitte zwischen beiden Flecken und bilden jederseits der durch die Centra dieser letzteren gehenden Linie mehr und mehr convexe Curven. Dieses Curvensystem tritt stets sehr klar ins Auge auf den Durch- schnitten, welche durch die beiden Flecke gehen, es ist ganz in der Mitte zwischen beiden Flecken von einem sehr schmalen Streifen stark glänzender und etwas gröberer Körnchen quer unterbrochen. Das die Mittelpunkte beider Sterne verbindende Curvensystem mit seinem queren Streifen entspricht ganz dem, von O. Bütschli?°) 1) Jenaische Zeitschr. B. VII. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. B. X. 3) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie B. XXV. Zweites Heft p. 201. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 99 im Cucullanuseie beobachteten spindelförmigen Körper mit seiner aequatorialen Zone von dunklen glänzenden Körnern. Diesen spindel- förmigen Körper betrachtet Bütschli in seinem letzten Aufsatze!) als den verwandelten Kern, welcher nach ihm bei der Zelltheilung thatsächlich nicht schwindet, sondern nur eine höchst eigenthümliche Neubildung erfährt. Mit der Umwandlung des Kernes in einen solchen spindelförmigen Körper soll die Vorbereitung zur Theilung beginnen, während radiäre Strahlung im Protoplasma um die Enden des letzteren nur später auftritt, wenn »die aequatoriale Körnerzone sich in zwei theilt, die auseinanderrücken, bis sie schliesslich in den Enden des spindelförmigen Körpers anlangen« 2). Während Bütschli eine Hauptrolle bei der Zelltheilung seinem spindelförmigen Körper zutheilt, legt hingegen Fol der radiären Strahlung einen verzüglichen Werth bei. In seiner neuen Arbeit über die Embryologie der Pteropoden beschreibt H. Fol nicht nur das von ihm bei Geryonia unbemerkt gebliebene Curvensystem mit der es unterbrechenden Linie, sondern er giebt auch eine ausführ- liche Beschreibung des ersten Auftretens und des späteren Schick- sals der Sterne. Ich war nicht so glücklich, diese delicaten Vor- gänge an dem lebenden Eie beobachten zu können: alle meine An- gaben beziehen sich auf die Durchschnitte, also auf die der Einwirkung der Chromsäure ausgesetzten Eier, und können noch jetzt an meinen : Präparaten verificirt werden. Hiernach kann ich mich der Meinung von Bütschli nicht anschliessen. Obschon der spindelförmige Körper oftmals auf den Durchschnitten etwas schärfer auftritt und mit Indigocarmin ein wenig mehr intensiv gefärbt ist, als die radiären Strahlen, so scheint er dennoch ganz von derselben Natur wie diese letzteren zu sein. Nicht nur lässt er keine Hülle sehen, deren An- nahme Bütschli für wahrscheinlich hält, sondern ich kann in demselben auch nicht die wirklichen Fasern unterscheiden, welche, ganz den Strahlen ähnlich, nichts anderes als aneinander gereihte Körnchen sind. Dann finde ich, mit den Beobachtungen F o 1 ’s übereinstimmend, dass das Auftreten von zwei strahligen Mittelpunkten dem Entstehen eines spindelförmigen Körpers vorangeht. So war ich im Stande in den späteren Stadien der Furchung einige Male die Sterne in den 1) Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd. XXV. 4. Heft. p. 426. 2) l. c. pag. 428. 100 N. Bobr etzky: Zellen schon dann zu bemerken, wenn diese letzteren ihren Kern noch fast unverändert zeigten. Auf einigen Schnitten durch ein Ei, welches nur die erste Spur der queren Furche sehen lässt, konnte ich in der Mitte zwischen beiden Sternen auch den alten verschwindenden Kern auffinden. Fig. 24 stellt uns einen solchen Schnitt dar. In der Mitte zwischen den Centra beider strahligen Figuren bemerken wir einen rundlichlänglichen heilen Raum, welcher sich durch seine optischen Eigenschaften nur sehr wenig von dem umgehenden Pro- toplasma unterscheidet und sich hauptsächlich-nur dadurch bemerk- lich macht, dass an seinen Grenzen die ihn durchsetzenden Strahlen beider Sterne unterbrochen sind. Die Grenzen dieses Raumes werden auf diese Weise durch etwas grössere Körnchen, als diejenigen, aus welchen die Strahlen gebildet sind, klar bezeichnet. Ich glaube in diesem blassen, kaum bemerkbaren Körper die letzte Spur des seiner Auflösung nahen alten Kernes zu erkennen. Obschon der Kern wenigstens in seiner äusseren Form noch unverändert erscheint, kann man schon hier den sogenannten spindelförmigen Körper unter- scheiden, dessen Entstehung also keineswegs auf eine Umwandlung des Kernes zurückzuführen ist. — Das Vorhandensein des Kernes sowohl, als auch die schwache Ausbildung der queren Furche (Fig. 24f.) zeigen uns, dass dieser letztere Schnitt einem etwas jüngeren Eie, als der oben beschriebene (Fig. 23), angehört, und vielleicht wäre es möglich, die an den Grenzen des Kernes befindlichen glänzenden Körner mit dem queren Körnerstreifen der vorigen Figur gleichzustellen, woraus man den Schluss ziehen dürfte, dass die aequatoriale Körnerzone sich, der Meinung Bütschli’s ganz entgegengesetzt, aus zwei, sich einander nähernden und in der Mitte des aufgelösten Kerns zusammen- tretenden Körnerreihen bildete. Das Ei erscheint auf den Schnitten (Fig. 23 und 24) von einem sehr feinen, dicht dem Dotter anliegenden Häutchen (h) bedeckt, welches durch die Richtungsbläschen sackförmig abgehoben ist und dieselben mit dem Eie in Verbindung hält. Die Richtungsbläschen, gewöhnlich zwei, enthalten im Innern ein kernähnliches Körperchen, was ihnen das Aussehen einer kleinen Zelle giebt. Während die besprochene, das Ei in zwei ungleiche Halbkugeln theilende Furche, welche von einer dünnen Schicht der feinkörnigen Substanz überzogen erscheint (Fig. 24 f.), immer schärfer und tiefer wird, beginnt auch die obere, den Bildungsdotter mit seinen zwei Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 101 strahligen Sternen enthaltende Halbkugel sich zu theilen. Es bildet sich an der aus dem Bildungsdotter bestehenden Seite des Eies eine ganz durch den Eipol und den Befestigungspunkt der Richtungs- bläschen gehende Rinne, welche sich nur um die obere Halbkugel zieht und dieselbe in zwei gleiche Hälften theilt (Fig. 2). Auf den Durchschnitten durch das Ei, welches das erste Auftreten dieser letzteren Rinne sehen lässt (Fig. 25), fand man leicht zwei kleine Kerne, welche inmitten des Bildungsdotters liegen und mit einander durch sehr feine, körnige Linien verbunden sind. Diese die Kerne verbindende Commissur entspricht wohl demjenigen Curvensystem, welches in dem vorhergehenden Stadium die Mittelpunkte beider Sterne verband. Das die Kerne unmittelbar umgebende Protoplasma ist hell und körnerlos; die äussere, aus feinkörniger Substanz be- stehende und sehr kleine, stark lichtbrechende Dottersbläschen ent- haltende Schicht lässt noch um das helle Protoplasma strahlige Linien sehen; der untere Theil der oberen Hälfte des Eies, so wie die ganze untere grössere Hälfte, besteht aus groben Dotterkügelchen, und man kann keinen Kern in dieser letzteren wahrnehmen. In Fig. 26, welche einen Durchschnitt aus einem nur wenig späteren Stadium darstellt, bemerken wir, dass die Kerne grösser geworden sind, während die Kern-Commissur schon fast nicht mehr zu sehen ist. Die Furche erscheint hier als ein tiefer Einschnitt, welcher bis in die Mitte zwischen die beiden Kerne gelangt und in welchem man ein Richtungsbläschen sieht. Bütschli beschreibt ebenfalls die Verbindung zweier nahezu ausgebildeter Kerne durch Fasern, die ihre schliessliche Endigung in den Kernkörperchen finden, welche er aus den auseinanderge- rückten dunklen Körnern der aequatorialen Zone seines spindel- förmigen Körpers entstehen lässt '). Ein ähnliches Verhalten wurde schon früher von Kowalevsky bei Euaxes bemerkt. »Der Kern- körper«, sagt er, verscheint auf den Schnitten nicht wie ein sich theilendes Bläschen, sondern zeigt uns in der alten wie auch sich neu bildenden Zelle zwei körnige Anhäufungen, welche mit einander durch feine körnige, aber sehr deutliche Protoplasma (?)-Stränge ver- bunden sind« 2). Was die Frage über die Bildungsweise der Kerne betrifft, so 1) 1. c. pag. 429. 2) Embryol. Studien an Würmern und Arthropoden, p. 13. 102 N. Bobretzky: kann ich darüber nichts entschiedenes sagen. In dem eben be- schriebenen Stadium glaube ich in dem hellen centralen Flecke der Sterne eine Anhäufung von sehr kleinen blassen Bläschen wahrzu- nehmen, von welchen man die Bildung neuer Kerne ableiten könnte, Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass ich ein Mal in einer Zelle (Fig. 29 B. m) zwei neue Kerne nebst den strahligen Sternen klar unterscheiden konnte. Dabei lagen jene nicht in den Mittelpunkten dieser, sondern in einiger Entfernung von denselben, näher an einander. Sonderbarer Weise konnte H. Fol!) bei den Pteropoden nur dann die Kerne in den Furchungskugeln finden, nachdem sich diese letzteren schon ganz abgetrennt hatten und sich an einander abzu- platten begannen, während ich stets mit der ersten Spur der verti- calen Furche zwei kleine Kerne antraf. Beide Furchen, die horizontale und die verticale, fahren immer mehr sich zu vertiefen fort, so dass das Ei endlich in drei ganz von einander abgetrennte Kugeln zerfällt (Fig. 3): zwei gleiche kleine, obere und eine grosse, untere. Beide kleine Kugeln bestehen halb aus dem Bildungs- und halb aus dem Nahrungsdotter, wobei jener die obere Hälfte der Kugeln einnimmt, während ihre untere, gegen die grosse Kugel gerichtete Hälfte aus dem grobkörnigen Nahrungsdotter zusammengesetzt ist und darum eine tief braune Farbe hat. Jede der beiden kleinen Kugeln besitzt ihren Kern, den ein helles Protoplasma umgiebt, welches in den in Chromsäure er- härteten Eiern an der Oberfläche der Kugel als ein kleiner weiss- licher Fleck bemerklich ist, während die umgebende feinkörnige Masse dabei bräunlich erscheint. Die grosse untere Kugel besteht . ganz und gar aus dem tiefbraunen Nahrungsdotter und lässt weder beim Pressen, noch an Schnitten einen Kern auffinden. Da aber in den kleinen Kugeln die Kerne beim Pressen so deutlich und so leicht zu finden sind, so glaube ich mit Grund das Fehlen eines Kernes in der grossen Kugel behaupten zu können. Sonach sind nur die kleinen, den Bildungsdotter und Kerne enthaltenden Kugeln als ächte Furchungszellen zu betrachten, während die grosse, kernlose Kugel nur ein abgesonderter Theil des Nahrungsdotters ist. Die drei Kugeln bleiben nur kurze Zeit von einander gesondert; 1) Sur le developpement des Ptöropodes, Archives de Zoologie ex- perim. et generale. T. IV. ‘1875. p. 112. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 103 denn bald drückt sich eine der kleinen Kugeln an die grosse und fliesst allmälig mit dieser in der Berührungsfläche zusammen, so dass nach und nach nur eine Furche die Grenze beider Kugeln zeigt (Fig. 4). lch konnte zu wiederholten Malen den ganzen Pro- cess des Zusammenfliessens an demselben Eie Schritt für Schritt verfolgen. Dieser Process geht rasch vor sich: die die beiden sich verschmelzenden Kugeln begrenzende Furche verflacht und verwischt sich mehr und mehr, indem der Inhalt der grossen Kugel allmälig in die kleine fliesst, und eine Stunde ungefähr nach dem Anfange des Zusammentreffens kann man schon keine Spur von der Grenze zwischen beiden Kugeln bemerken. Das Ei zeigt uns nun (Fig. 5) zwei sehr ungleiche, neben einander liegende Kugeln, zwischen denen der Bildungsdotter so vertheilt ist, dass die kleine sowohl als auch die grosse Kugel eine fast gleiche Menge des letzteren enthalten. Was aber die Kerne betrifft, so kann man nun wieder, ebenso in der kleinen Kugel wie auch in der grösseren, keineswegs einen Kern auf- finden, obschon in dem vorhergehenden Stadium die Kerne in beiden kleinen Kugeln so leicht und deutlich zu sehen waren. Anstatt der Kerne bemerkt man auf den Durchschnitten in jeder von beiden Kugeln zwei solche strahlige Figuren, wie ich sie schon beschrieben habe. Fig. 27 stellt uns einen Durchschnitt dar, welcher durch beide Kugeln ging und darum in jeder von ihnen nur eine stern- förmige Figur treffen mochte, da vier Sterne durch ihre Anordnung ein Viereck bilden. Der Mittelpunkt des Sternes erscheint als ein heller Fleck, von welchem Strahlen ausgehen, und in der kleineren Kugel (k) bemerkt man hier bei starker Vergrösserung ganz deutlich die schon. oben besprochene Anhäufung von sehr kleinen Bläschen. Das Auftreten der Doppelsterne geht unmittelbar der weiteren Theilung voran. Anfangs kommt an der grösseren Furchungskugel eine leichte Rinne zum Vorschein, welche einen oberen, an Grösse der kleineren Kugel beinahe gleichen Theil abgrenzt (Fig. 6). Wäh- rend dieser obere Theil der grossen Kugel sich mehr und mehr von dieser letzteren abtrennt, zerfällt er, sowie auch die kleinereFurchungs- kugel, in zwei gleiche Hälften, und wir erhalten also das Stadium (Fig. 7), welches uns fünf ganz abgesonderte Kugeln zeigt: vier gleiche kleine und eine verhältnissmässig sehr grosse. Die kleinen Kugeln liegen über der grossen kreuzartig und der Mittelpunkt, in welchem alle vier zusammentreffen, entspricht ganz den Anheftungs- punkten der Richtungsbläschen. Den Elementen ihres Inhalts nach 104 N. Bobretzky: sind sie halb feinkörnig, halb aus dem tiefbraunen Nahrungs-Dotter zusammengesetzt, wobei in allen vieren der Bildungsdotter die obere Hälfte der Kugel einnimmt, und man kann sich leicht überzeugen, dass jede der vier kleinen Kugeln ihren von hellem Protoplasma umgebenen Kern besitzt. Die grosse Kugel lässt aber, ganz wie auch in dem Stadium mit drei Kugeln, weder feinkörnige Substanz, noch einen Kern wahrnehmen. Wenn die fünf Kugeln sich hinreichend gesondert haben, so wiederholt sich derselbe Vorgang, welchen wir oben in dem Stadium mit drei Kugeln gesehen haben: eine der vier kleinen Kugeln schmilzt mit der grossen zusammen, anfangs in einer sehr engen Berührungs- fläche, welche dann mehr und mehr sich ausdehnt, so dass endlich die grosse, kernlose Kugel ganz in einer der vier kleinen aufgeht. Das Ei erscheint dann (Fig. 8) nur aus vier Furchungskugeln zu- sammengesetzt, von denen eine weit grösser als die drei übrigen ist. Ein ganz ähnlicher Vorgang der Zusammenschmelzung wurde schon von Loven!) bei Modiolaria marmorata Forb. beschrieben, bei welcher die ersten Stadien der Dotterfurchung, nach Loven’s Angabe, in derselben Weise vor sich gehen, wie es bei Nassa mut. der Fall ist. So finden wir bei Modiolaria ein Furchungsstadium mit drei Kugeln?), und der Hauptunterschied besteht nur darin, dass bei Modiolaria, ganz entgegengesetzt dem, was wir bei Nassa gesehen haben, die untere oder, wie Loven sie bezeichnet, centrale Kugel aus heller feinkörniger Substanz zusammengesetzt erscheint, während die Elemente von den zwei oberen oder peripherischen Kugeln grob- körnig und dunkel sind. Die untere centrale Kugel, in welcher Lovenjeinen Kern zu sehen glaubte, geht bald in eine der peri- pherischen auf und das Ei zeigt dann nur zwei sehr ungleiche Furchungskugeln®). Bei der folgenden Theilung tritt die centrale* Kugel wieder selbstständig hervor, und es bilden sich also fünf ge- sonderte Kugeln: vier peripherische und eine centrale*). Diese Zahl 1) Bidrag till Kännedomen om Utvecklingen af Mollusca Acephala Lamellibranchiata. Aftryck ur Kongl. Vetenskaps-Akademiens Handlingar för är 1848. Leider konnte ich in der Originalarbeit Loven’s nur die Tafeln benutzen. Deutsche Uebersetzung im Arch. f. Naturgeschichte. XV. Jahrg. 1849. p. 312. 2) 1. c. Fig. 11. 3) Fig. 12 und 13, 4) Fig. 17 und 18. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 105 redueirt sich bald auf vier durch die Zusammenschmelzung der cen- tralen Kugel, welche diesmal kernlos ist, mit einer der vier peri- pherischen, welche dadurch grösser als jede der übrigen drei wird). Bei Modiolaria wiederholt sich, nach Loven, solche Zusammen- schmelzung noch einige Male im weiteren Verlaufe der Furchung, bei welchem jedesmal »die centrale Partie selbstständig hervortritt, wonach sich die peripherischen in mehrere Kugeln theilen, klar und kernlos werden, aber wieder zusammenschmelzen, wobei die centrale in einer von ihnen aufgeht (p. 222)«. Der Furchungsprocess bei der Nassa mutabilis zeigt uns nur zwei Mal ‘das selbstständige Auftreten der Dotterkugel und ihr späteres Zusammenschmelzen mit einer der Furchungskugeln, anfangs auf dem Stadium mit drei und dann auf diesem mit fünf Kugeln. In späteren Stadien der Dottertheilung beobachtet man nichts ähnliches, und besonders konnte ich niemals eine Verschmelzung von ächten Furchungszellen bemerken. Lereboullet behauptet, dass bei Limnaeus stagnalis nach der Theilung des Eies in zwei Kugeln diese letzteren wieder in eine Kugel mit zwei Kernen zusammenflössen, um später von neuem in zwei zu zerfallen?). Dieser Vorgang scheint.mir aber nicht normal zu sein. Ich habe bei Nassa einige Male beobachtet, dass, nachdem das Ei schon in drei Kugeln getheilt war, diese letzteren wieder mit einander zusammenschmolzen; solche Eier zeigten aber darauf _—_ weitere Entwickelung. Die vier Kugeln rücken nun im weiteren Verlaufe der Furchung etwas näher aneinander, so dass sie von der oberen Fläche aus gesehen eine kreuzartige Figur bilden (Fig. 8B). In keiner von ihnen findet man mehr einen Kern, und feine Durchschnitte zeigen uns wieder in jeder Kugel zwei den oben beschriebenen ähnliche Sterne. Fig. 28 stellt uns einen Durchschnitt dar, welcher durch die grosse Kugel und die gegenüberliegende kleine ging, und wir können hier in beiden, besonders klar aber in der kleinen Kugel (kk), zwei strahlige Sterne mit dem sie verbindenden Curvensystem, sowie auch die körnige Linie, welche dieses letztere unterbricht, unter- scheiden. Dieses Auftreten der strahligen Figuren bereitet die weitere Theilung, und zwar Hervorsprossung von vier kleinen hellen Zellen vor, welche genau in derselben Weise stattfindet, wie es fast bei 1) Fig. 20 und 21. 2) Annal. des sc. natur. IV. Ser. T. XVIIL 1862, p. 93. 106 N. Bobretzky: allen anderen Gastropoden der Fall ist. Schon in Fig. 8B bemerken wir, dass die centralen Enden der vier Kugeln je mit einem weiss- lichen Flecke versehen sind, welcher nichts anderes als helles Proto- plasma ist. Diese vier Flecke erheben sich bald in Gestalt kleiner Höcker, welche sich immer mehr von den Kugeln abtheilen und dabei etwas links rücken, so dass eine jede von den hellen Zellen (a) an- fänglich fast an der Grenze zweier Furchungskugeln liegt (Fig. 9). Die kleinen Zellen, wie auch die vier grossen Kugeln, besitzen, wie man sich durch Pressen überzeugen kann, jede ihren Kern, welcher in den grossen Kugeln dicht neben der entsprechenden kleinen Zelle liegt und von einem feinkörnigen Protoplasma umgeben ist. Ein wenig später werden die vier grossen Kugeln kernlos, wäh- rend in den kleinen Zellen die Kerne noch immer ganz deutlich und leicht zu sehen sind. Dies ist das Zeichen der weiteren Theilung und erweist uns ausserdem, dass die vier kleinen Zellen daran keinen Antheil haben. In der That sondern sich bald von den vier Furchungs- kugeln, ganz in derselben Weise wie es vorher der Fall war, neue vier helle Zellen, welche den vier primitiven, unverändert gebliebenen Zellen seitwärts anliegen. So erhalten wir also 8 kleine helle Zellen, welche auf den vier grossen Furchungskugeln liegen. Ich muss hier ein für alle Mal bemerken, dass, sobald eine Zelle gebildet ist, sie stets einen Kern enthält, dessen Verschwinden das Zeichen der be- ginnenden Theilung ist. Das bald darauf folgende Verschwinden der Kerne in den vier grossen Furchungskugeln bereitet die Bildung von vier neuen Zellen vor, welche ganz unabhängig von den vorher gebildeten und in der- selben Weise stattfindet. Fig. 10 stellt uns das Ei in solchem Furchungsstadium. dar. Man sieht hier an der Oberfläche der vier Furchungskugeln einen kleinen Haufen von hellen Zellen, in dessen Centrum die vier primitiven Zellen (a) kreuzartig liegen. Die Winkel dieses Kreuzes sind von vier etwas grösseren Zellen der zweiten Kategorie (b) eingenommen, zwischen welchen man noch nicht ganz von den Furchungskugeln abgetheilte, als helle Buckel erscheinende Zellen dritter Kategorie (c) sieht. Nunmehr erst geht die Theilung in den vier primitiven, bis jetzt unverändert gebliebenen Zellen (a) vor sich, indem eine jede von ihnen einer sehr kleinen Zelle (a‘) den Ursprung giebt. Etwas später theilt sich auch eine jede von den Zellen der zweiten Kate- gorie (b) in zwei (b‘), und so erhalten wir das Stadium (Fig. 11A), Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 107 in welchem auf den vier grossen Furchungskugeln 20 helle Zellen in einer ganz regelmässigen Lage angeordnet sind. Im Centrum des Haufens liegen kreuzartig vier zuerst gebildete Zellen (a), ein Rechteck bildend, dessen Winkel von vier sehr kleinen Zellen (a‘) eingenommen sind. An der Peripherie sind 12 Zellen so gelagert, dass einer jeden Seite jenes Rechteckes drei Zellen (b‘, b’ und c) anliegen. Ausserhalb derselben sieht man an der Oberfläche der Furchungskugeln, deren oberer Theil aus feinkörniger Substanz be- steht, helle Flecke, welche nichts anderes als sich bildende Zellen sind. Fig. 11B stellt uns dasselbe Stadium von der entgegen- gesetzten Seite betrachtet dar. Bei weiterem Verlaufe der Furchung fahren immer neue Zellen fort, sich von den Furchungskugeln abzusondern, wie auch die schon gebildeten sich weiter theilen. So zählen wir in Fig. 12 nicht weniger als 36 Zellen, von denen 8 neu gebildet sind, während die übrigen durch die Theilung von den früheren Zellen abstammen. Indessen rücken die drei kleinen Furchungskugeln immer näher an einander und alle zusammen an die grosse Kugel. So zeigt uns Fig. 13, welche uns ein etwas späteres Stadium im Profil darstellt, dass die drei kleineren Furchungskugeln nicht mehr an der Oberfläche des Eies hervorragen, sondern sie liegen der grossen Kugel so eng an, dass das ganze Ei eine länglich gerundete Form bekommt und nur die kleinen Furchen an seiner Oberfläche die Grenzen der einzelnen Furchungskugeln bezeichnen. Das ist in Fig. 14 besonders scharf zu sehen. Die hellen Zellen breiten sich über die Furchungskugeln immer mehr und mehr aus, so dass nur ein kleiner Theil der Ober- fläche der drei kleinen Kugeln unbedeckt übrig bleibt. Diese un- bedeckte Oberfläche lässt uns in den kleinen Furchungskugeln noch eine geringe Menge feinkörniger Substanz sehen, deren Hauptmasse zur Bildung der hellen Zellen verbraucht ist. Anden Durehschnitten kann man noch einige weitere auffallende Veränderungen wahrnehmen. Machen wir einen Schnitt in dem der Fig. 12 entsprechenden Stadium der Art, dass er durch die grosse Furchungskugel und die gegenüberliegende kleine geht, so bemerken wir vor Allem (Fig. 29 A), dass im Centrum der Keimscheibe die Zellen sich von den Furchungs- kugeln abgehoben haben, so dass hier eine ziemlich geräumige Höhle entstand. Die Lage dieser Höhle, sowie ihre Bildungsweise, geben uns vollen Grund, sie mit der sogenannten Segmentations- oder 108 N. Bobretzky: Baer’schen Höhle der eine totale regelmässige Furchung erleidenden Eier zu parallelisiren. Sie ist einerseits von den hellen Zellen, an- dererseits von den grossen Furchungskugeln umgeben, und das er- klärt uns genug ihre excentrische Lage im Innern des Eies. — In der kleinen Furchungskugel (kk) sehen wir auf dem Durchschnitte einen grossen Kern, welcher, unmittelbar unter der Oberfläche, in- mitten der feinkörnigen Substanz liegt; die innere, in die Segmen- tationshöhle hineinragende Hälfte der kleinen Kugel besteht aus dem Nahrungsdotter. Die grosseFurchungskugel (gk) behält ebenfalls ihren Bildungsdotter, und wenn sie hier keinen Kern sehen lässt, so ist es einfach aus dem Grunde, dass der Durchschnitt nicht diesen letz- teren traf. — Die noch aus wenigen an einander gedrängten Zellen bestehende Keimscheibe verdünnt sich an ihrem der kleinen Kugel anliegenden Rande, während sie an der grossen Furchungskugel mit einer verhältnissmässig sehr grossen Zeile (m) endigt. Die letztere, sowie die von derselben etwas aufgehobene benachbarte Zelle (n) lassen uns die Vorgänge wahrnehmen, welche die Theilun& vorbereiten. Ich habe diese beiden Zellen in Fig. 29B bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet. In der oberen Zelle (n) sehen wir noch einen grossen, blasenförmigen Kern, welcher eine ovale Form hat und mit .einem- Kernkörperchen versehen ist. Ganz an der Grenze des Kernes gegen das Protoplasma kann man zwei einander gegenüber liegende Punkte bemerken, von denen aus kleine Strahlen in das Protoplasma gehen. Da man im Innern des Kernes keine Strahlen wahrnimmt, so hat jede von beiden strahligen Figuren das Aussehen eines Halbsterns, dessen Centrum fast an der Oberfläche des Kernes liegt. In der unteren, grösseren Zelle (m) sind schon zwei kleine Kerne mit der sie verbindenden sehr feingestreiften Commissur zu sehen; ungeachtet dessen beobachtet man ganz klar beide Sterne, deren Strahlen mit Indigocarmin stärker als das übrige Protoplasma gefärbt werden. Die Mittelpunkte beider Sterne liegen in einiger Entfernung nach aussen vom Kerne. Der in derselben Richtung (d. h. durch die grosse Kugel und die gegenüberliegende kleine) geführte Schnitt durch das nächst- folgende Stadium (Fig. 30) zeigt uns, dass an der Seite der grossen Kugel (gk) eine verhältnissmässig grosse Zelle in die Segmentations- höhle hineinragt und von benachbarten Zellen so überdeckt ist, dass nur ein kleiner Theil ihrer Oberfläche aussen frei bleibt. Die Ver- gleichung dieser Figur mit der vorigen (Fig. 24) lehrt uns, dass Studien über die embryonale Entwickelang der Gastropoden. 109 diese grosse Zelle sowohl, als auch die sie etwas bedeckende kleine (m‘) von der vorigen Zelle m und die Zellen n‘ und n‘ von der Zelle n der vorigen Figur abstammen. Auf dem Durchschnitte durch ein etwas späteres Stadium (Fig. 31) bemerken wir, dass die Zellen mehr platt und kleiner ge- worden sind und noch immer nur eine Schicht bilden. Einzig an der Stelle, wo in dem vorigen Stadium eine grosse Zelle in die Seg- mentationshöhle hineinragte, sieht man hier schon zwei Zellen (ms), welche ganz von den anderen Zellen bedeckt sind und keinen Theil ihrer Oberfläche mehr aussen sehen lassen. Diese unter das obere Blatt hineingeschobenen Zellen bilden die Anlage des mittleren Keimblattes. Ein noch späteres Stadium (Fig. 32) zeigt uns auch an der Seite der kleinen Kugel (kk) eine Zelle (ms‘), welche unter der schon ziemlich dünn gewordenen äusseren Zellenschicht liegt und dem mittleren Keimblatte angehören soll. Die Betrachtung der Fig. 32 überzeugt uns, dass die betreffende Zelle nicht von der kleinen Furchungskugel (kk), welche gegen dieselbe ihre mit dem Nahrungs- dotter erfüllte Hälfte richtet, sondern von der benachbarten hellen Zelle abgetheilt worden ist. Der centrale über der Segmentations- höhle liegende Theil der Keimscheibe besteht aus sehr platten Zellen und geht plötzlich an beiden Seiten in die verhältnissmässig sehr grossen Zellen (z) über, welche, in die Segmentationshöhle etwas hineinragend, den Mesodermzellen dicht anliegen und dadurch ihre Theilnahme an dem Ursprung der letzteren klar offenbaren. Die Zellenschicht bedeckt schon fast ganz, sowohl in der kleinen Kugel als auch in der grossen, die feinkörnige Substanz, inmitten deren sich in jeder von den Kugeln ein Kern befindet. Während die Keimscheibe die Oberfläche des Eies mehr und mehr umwächst, verändern die drei kleinen Furchungskugeln, welche der grossen Kugel sehr dicht anliegen, aber von deutlichen Furchen abgegrenzt sind, ihre Lage an dieser letzteren und rücken allmählich von dem Bildungspole des Eies zu dem gegenüberliegenden hin, so dass sie stets unweit von dem Rande der Keimscheibe und von dieser bedeckt liegen. Man ersieht diese Lageveränderung der kleinen Kugeln in Bezug auf die grosse aus den Figuren 11—15 sehr deut- lich. In Fig. 15 spannt sich das Blastoderm schon fast über zwei Drittel des Eies, als eine sehr dünne und etwas vom Eie abgehobene Schicht, welche sich nur an einer Stelle (p) verdickt zeigt. Diese 110 N. Bobretzky: Stelle entspricht, wie wir es bald sehen werden, der Hinterseite des Embryo. Feine Furchen (t), welche man an der Oberfläche des Nahrungsdotters bemerkt, bezeichnen uns die Lage der kleinen Furchungskugeln, welche also nun im mittleren Drittel des Eies die vordere und die Seitenflächen einnehmen. An ihrem Rande er- scheint das Blastoderm mehr weisslich als an anderen Stellen, was schon auf eine Zellenverdickung hindeutet. Die Schnitte von einem solchen Stadium lehren, dass am Rande des Blastoderms schon überall zwei Schichten von Zellen vorhanden sind. Die obere Schicht besteht aus hellen, sehr platten Zellen; die Zellen der unteren Schicht sind verhältnissmässig sehr gross und enthalten in ihrem feinkörnigen Protoplasma kleine Dotterbläschen in grösserer oder geringerer Menge. Was die Frage über die Entstehung dieser letzteren Zellen, welche sich durch ihre Grösse und das Aussehen von den zu dieser Zeit ebenfalls klein gewordenen Zellen des mittleren Keimblattes klar unterscheiden, betrifft, so können wir uns leicht überzeugen, dass sie die letzten Produkte der Furchungskugeln sind. Fig. 33 stellt uns einen, dem in Fig. 15 abgebildeten Stadium entsprechenden Schnitt dar, welcher durch die oben besprochene Verdickung (p) ging und also nach der verticalen Längsfläche des Embryo geführt wurde. Die untere Zellenschicht erscheint hier neben dem vorderen Blastodermrande nur durch zwei Zellen dargestellt, von denen die obere, grössere (kk) nichts anderes als eine der kleinen Furchungs- kugeln ist und in ihrem oberen Theile ganz und gar aus Dotter- bläschen besteht. Die untere, viel kleinere Zelle (en) zeigt uns durch ihre Lage hinreichend, dass sie sich von der oberen, d. h. von der Furchungskugel, abgetheilt hat. Diese von den Furchungs- kugeln zuletzt abgetrennten Zellen bilden die Anlage des Darmdrüsenblattes. Am hinteren Rande des Blastoderms bemerkt man in Fig. 33 schon drei ziemlich kleine Entodermzellen (en), und oben, unter der genannten Verdickung, welche aus ziemlich hohen, fast cubischen Ectodermzellen besteht, sind einige Zellen des mittleren Keimblattes (ms) zu sehen. Die Anlagen der drei Keimblätter kommen also bei Nassa mutabilis bereits zum Vorschein, wann das Blastoderm nur ein wenig mehr als eine Hälfte der Eioberfläche bedeckt. Die Bildung der Keimblätter geht auf eine Weise vor sich, welche uns an das Ver- Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 111 halten bei Euaxes!) erinnert. Durch die aufeinanderfolgende Ab- sonderung der hellen Zellen von den vier Furchungskugeln entsteht anfangs eine einschichtige Keimscheibe, welche dann sowohl durch die Zellentheilung als auch durch die Abtrennung von neuen Zellen vom Keime weiter wächst. Dabei werden einige grosse, sich langsam theilende Zellen neben dem Rande der Keimscheibe von den anderen benachbarten bedeckt und in die Segmentationshöhle eingedrängt: sie bilden die Anlage des mittleren Keimblattes oder Mesoderms. Da aber die Theilung der hellen Zellen schneller als die sich immer mehr verzögernde Bildung neuer Zellen (vom Keim aus) vor sich geht, so spannt sich bald das Blastoderm über die feinkörnige Sub- stanz der Furchungskugeln hinweg. Die neuen Zellen, welche sich darauf von diesen letzteren auf Kosten ihres Bildungsdotters langsam abtrennen, werden auf diese Weise von dem äusseren Blatte bedeckt und bilden die Anlage des Darmdrüsenblattes oder Entoderms. Der Hauptunterschied in der Bildung der Keimblätter bei Nassa von diesem Vorgange bei Euaxes besteht darin, dass bei diesem letzteren die Furchungskugeln eine totale Furchung erleiden, während sie bei Nassa, nachdem ihre feinkörnige Substanz zur Bildung der Zellen verbraucht ist, als ächter Nahrungsdotter übrig bleiben. Die grosse Furchungskugel liefert, wie es leicht begreiflich ist, die Haupt- masse des Nahrungsdotters, welcher die Reste der drei kleinen Kugeln - als kleine Dotterschollen anliegen. In den Hauptzügen auf ähnliche Weise beschreibt auch Fo] das Entstehen des Entoderms?) bei den Pteropoda Thecosomata, mit dem Unterschiede aber, dass die Bildung desselben erst nach der vollständigen Umwachsung des Eies vom Blastoderm stattfindet. Drei innere Furchungskugeln geben dann an ihrem Zusammen- treffiungspuncte dem Entoderm den Ursprung in gleicher Weise, wie sie an der Bildung des Ectoderms theilnahmen. Bei den Pteropoden bildet sich das Entoderm, so zu sagen, in loco, während bei Nassa die sehr früh auftretende Entodermanlage sich mit dem allmählichen Schliessen des Blastoderms noch hinüberschieben muss, um ihre Lage an der Bauchseite des Embryos einzunehmen. 1) Embryol. Studien an Würmern und Arthropoden. Von A. Kowa- levsky. h 2) Von dem Mesoderm sagt Fol in seiner vorläufigen Mittheilung wie auch in der ersten Hälfte seiner Arbeit nichts. 112 N. Bobretzky: Noch bevor die Blastodermschicht das ganze Ei umwachsen hat, kommen die ersten Anlagen der Organe zum Vorschein. In Fig. 16 sehen wir im Profil das Ei, an dessen Oberfläche noch eine kleine, von Blastodermzellen unbedeckte Stelle (x) übrig bleibt. Rings um diese Stelle herum scheinen die Wände des Em- bryo verdickt zu sein und erscheinen weisslich getrübt, während sie in einiger Entfernung allmälig so dünn und durchsichtig werden, dass sie an der hückenseite des Embryo kaum bemerkbar sind. An der Hinterseite des Embryo, wo wir schon im vorhergehenden Stadium eine durch das Wachsen der Zellen in die Höhe verursachte schildförmige Verdickung gesehen haben, findet man hier eine rund- liche Vertiefung (schg). Es ist das Organ, welches neuerdings von Ray Lankester als »Shellgland« und von H. Fol unter dem Namen »invagination praeconchylienne« bei den Embryonen mancher Mollusken beschrieben wurde. Ich will sie einfach als »Schalen- srube« bezeichnen. Der Längsschnitt durch ein solches Stadium (Fig. 34) zeigt uns, dass die Schalengrube (schg) von den cylindrischen Zellen ausgekleidet ist, welche an den Rändern der Grube etwas höher als an ihrem Boden sind. — Unmittelbar hinter der von Blastodermzellen unbedeckten Stelle (x) bildet die Bauchwand des Embryo einen kleinen Vorsprung (fs), welcher sich schon am frischen Eie im Profil (Fig. 16) bemerklich macht und auf dem Durchschnitte aus den hohen cylindrischen Zellen des oberen Blattes zusammen- gesetzt erscheint. Es ist die erste Anlage des Fusses. Unter dem oberen Keimblatte der Fussanlage, von demselben nur durch sehr wenige kleine Mesodermzellen getrennt, liegen die grossen, viele Dotterbläschen enthaltenden Zellen des Entoderms in einer Schicht, welche sich neben dem verdickten Rande der Schalengrube wieder nach vorn umbiegt, um bald aufzuhören. Auf diese Weise entsteht an dem Entoderm ein kleiner hohler Vorsprung (dr), welcher zwischen der Fussanlage und der Schalengrube dem hier sehr dünnen oberen Keimblatte anliegt. Wir werden uns bald überzeugen, dass dieser Vorsprung die erste Anlage des Darmes darstellt. — Vor der von Blastodermzellen unbedeckten Stelle (x) findet man in diesem Durch- schnitte unter dem aus abgeplatteten kleinen Zellen bestehenden Ectoderm wenige in einer Reihe liegende Entodermzellen (en), welche von hinten nach vorn immer an Umfang zunehmen. Um das Verhältniss des Entoderms verständlicher zu machen, gebe ich von demselben Embryo noch einen Längsschnitt (Fig. 35), Studien über die embryonale Entwiekelung der Gastropoden. 113 welcher ausserhalb der vom Blastoderm unbedeckten Stelle geführt wurde und die kleine Darmanlage nicht traf. An der Bauchseite des Embryo erscheint hier das Entoderm zwischen dem Nahrungs- dotter und der Körperwand, als eine Reihe von grossen Zellen (en), welche von der Mitte gegen die Ränder immer an Höhe und an Breite zunehmen und dadurch dem Ganzen eine sichelförmig gebogene Figur geben. Es liegt dem Nahrungsdotter nicht nur durch seine innere Fläche, sondern auch durch seine Ränder an. Die mit kleinen Dotterbläschen gefüllten Entodermzellen haben ihren grossen, von feinkörnigem Protoplasma umgebenen Kern stets nahe der dem Nahrungsdotter anliegenden Wand. — Wir bemerken noch in diesem Durchschnitte, dass das Ectoderm aus einer Schicht von kleinen, abgeplatteten Zellen besteht, welche nur im Bereiche der Schalen- grube (schg) und in der Fussanlage (fs) als cylindrisches Epithel erscheinen. Unter dem Ectoderm sind die weit von einander liegen- den kleinen Mesodermzellen zu sehen, welche sich nur in der Fuss- anlage etwas anhäufen. Wir haben oben gesehen, dass die von Blastodermzellen unbe- deckt bleibende Stelle vor der Fussanlage liegt und also keineswegs der Lage des künftigen Afters entsprechen kann, wie es Ray Lan- kester!) vermuthet. Es ist nicht nöthig Schnitte zu machen, um sich davon zu überzeugen: die einfache Untersuchung der in Chrom- säure erhärteten Embryonen führt ebenso gut zu diesem Zwecke. Auf einem etwas späteren Stadium (Fig. 17) tritt die Fussanlage (fs) viel schärfer hervor und grenzt sich an ihrem hinteren Rande ganz deutlich vom übrigen Körper ab, so dass man keinen Zweifel an ihrer Deutung haben kann, während an ihrer vorderen Grenze noch im Blastoderm eine kleine rundliche Oeffnung (x) bleibt, wo der Nahrungsdotter unbedeckt an der Oberfläche liegt. Sich immer ver- engernd, schliesst sich diese Oefinung bald ganz, und etwas später macht sich an der Stelle derselben eine kleine Eetodermeinsenkung bemerklich (Fig. 18B, md), aus welcher der Vorderdarm mit dem Munde sich bildet. An Fig. 36 haben wir einen Längsschnitt durch ein Stadium, wo das Blastoderm sich eben geschlossen hat. Vor allem bemerkt man hier über der schon mehr platt gewordenen Schalengrube die 1) On the Invaginate planula, or Diploblastic phase of Paludina vivipara. Quarterly Journ. of Mierose. science. April, 1875. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 13. 8 114 N. Bobretzky: erste Anlage der Schale (sch), welche als ein sehr feines Cuticular- häutchen erscheint. Sie verwächst nur an ihren Rändern mit den verdickten Rändern (sgr) der Schalengrube, während sie in der Mitte frei von dem Boden derselben absteht. Der Boden der Schalengrube ist noch mit dem ceylindrischen Epithel ausgelegt; bei der weiteren Entwickelung, während die Schalengrube, sich immer ausdehnend, allmälig verstreicht, platten sich ihre Zellen mehr und mehr ab, bis sie endlich eine sehr dünne Schicht von Pflasterepithel bilden. Nur an den mit der Schale verwachsenen Rändern der früheren Grube bleiben die Zellen des oberen Blattes ziemlich hoch und be- halten eine mehr oder weniger cylindrische Form. Da diese ver- dickten Ränder (sgr) beim Wachsthum der Schale eine Hauptrolle spielen, so kann man sie als die Anlage des Mantels be- trachten. Im Bereiche des Entoderms kann man an diesem Schnitte (Fig. 36) zwei in einander übergehende Abtheilungen unterscheiden: eine weite vordere (mg), welche wir als die Anlage des Magens all- gemein bezeichnen Können, und eine kleine hintere (dr) oder den Darm, welcher als ein kurzer, röhriger Anhang des Magens erscheint. Die enge Magenhöhle ist nur an der Bauchseite des Embryo durch eine Zellenwand begrenzt, während sie an der Rückenseite unmittelbar durch den Nahrungsdotter geschlossen ist. Sie zeigt nun keine Communication mit der Aussenwelt. An der vom Blastoderm zuletzt bedeckten Stelle findet man an der Magenwand kleine, niedrige Zellen; von hier nach der Peripherie des Magens hin werden die Zellen immer breiter und höher, so dass die dem Nahrungsdotter unmittelbar anliegenden Zellen am grössten sind. Sie behalten ganz das charakteristische Aussehen der Darmdrüsenzellen, d. h. ihr In- halt ist mit vielen kleinen Dotterbläschen versehen und ihre Kerne liegen nahe der die Magenhöhle begrenzenden Wand. Die Zellen des Darms sind kleiner als die des Magens und haben schon eine cylindrische Form angenommen. Die Bauchwand des Darmes geht in die entsprechende Magenwand fast unbemerkbar über; seine Rückenwand liegt dem Nahrungsdotter an und hört bald an diesem auf. Diese Bauverhältnisse des primitiven Magens erklären sich ganz gut durch seine Bildungsweise. Wir haben oben gesehen, dass das Entoderm ursprünglich als eine ziemlich enge, unter dem Rande des Blastoderms liegende Ringzone auftritt, welche nur aus wenigen grossen Zellen besteht. Während das Blastoderm endlich das ganze Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 115 Ei umwächst, nimmt auch das Entoderm in dieser fortschreitenden Ausbreitung Theil und erscheint dann an der Bauchseite des Em- bryo als ein ziemlich flacher Napf, welcher mit seiner concaven Seite gegen den Dotter gerichtet ist. Durch das Abstehen der Ento- dermschicht von dem Nahrungsdotter entsteht die anfangs sehr enge Magenhöhle. Noch bevor aber das Entoderm sich an der Bauchseite schliesst, bildet sich an ihrem hinteren Rande eine kleine Aus- stülpung, welche die Darmanlage darstellt. Nassa mutabilis ist ein sehr günstiges Object, um die Ent- wickelung des Darmes zu verfolgen. Während bei den Gastropoden- embryonen der Darm gewöhnlich so schwer zu bemerken ist, dass wir nur in wenigen Untersuchungen einige Angaben über seine Ent- wickelung finden, kaun man bei Nassa auch an den lebendem Em- bryonen (Fig 15A) im Profil den durch die Körperwände durch- scheinenden Darm (dr) ziemlich leicht beobachten und dadurch die Ueberzeugung gewinnen, dass er an seinem Ende noch blindge- schlossen ist und mit dem Magen in unmittelbarer Verbindung steht. Ebenfalls leicht ist der Darm an den in Chromsäure erhärteten, von der Bauchseite aus betrachteten Embryonen (Fig. 18B) zu sehen, wobei er als ein weisslicher Streifen (dr) genau in der Längsachse des Embryo erscheint. In Fig. 37 sehen wir einen Längsschnitt durch. das Stadium, in welchem die Mundeinstülpung (md) noch als eine sehr flache Ein- senkung des Ectoderms erscheint, und die Vergleichung dieser Figur mit der vorigen (Fig. 36) überzeugt uns genug, dass sich die Mund- einstülpung an derselben Stelle bildet, welche zuletzt von Blasto- dermzellen bedeckt wird. Die Fussanlage, welche sich schon in dem vorhergehenden Stadium mit einem feinen Wimperkleide bedeckte, zeigt uns nun an ihrer hinteren, fast senkrecht zum Körper stehen- den Fläche ein noch sehr zartes Chitiahäutchen, die Anlage des Deckels (dk). Nach vorne ist die Fussanlage nicht von dem üb- rigen Körper abgegrenzt, und ihr aus ziemlich hohen cylindrischen Zellen bestehendes Ectoderm geht unbemerkbar in das der Mund- einstülpung über. Das Entoderm zeigt uns nur wenige Veränderungen. Der Darm tritt hier als ein gerades, aus hellen cylindrischen Zellen bestehendes Rohr sehr klar ins Auge: sein hinteres, blindgeschlos- senes Ende liegt dem Ectoderm eng an, während nach vorne der Darm in den Magen übergeht. Die Magenhöhle ist viel grösser ge- worden, zeigt aber ganz dasselbe Verhältniss, wie wir es schon früher 116 N. Bobretzky: gesehen haben, d. h. sie hat an der Rückenseite keine Zellenwand und ist hier von dem Nahrungsdotter unmittelbar begrenzt. Der durch den Magen geführte Querschnitt von demselben Stadium (Fig. 38) zeigt uns, dass die Seitenränder des Magens sich an der Grenze des Nahrungsdotters gegen einander etwas umbiegen und zwischen einander eine weite Lücke lassen, welche durch den in die Magenhöhle etwas hineinragenden Nahrungsdotter geschlossen ist. Zur Zeit, da die erste Anlage der Mundeinstülpung auftritt, bemerken wir vor dieser letzteren einen kleinen Wall (Fig. 18B, sg), welcher quer an der Bauchseite des Körpers hinläuft, um sich an der Rückenseite bald zu verlieren. Dieser Wulst, an dessen Ober- fläche bald immer mehr wachsende Wimpern hervortreten, ist die erste Anlage des Segels. Wenn wir die Seite des Embryo, an welcher die Schalenanlage auftritt, als die hintere bezeichnen, so hat die Mundöffnung ursprünglich ihre Lage fast im Centrum der Bauch- fläche des Embryo. Da aber die Mundöffnung bei der weiteren Ent- wickelung immer mehr nach vorn rückt, so bildet sich dadurch an der vor dem Munde liegenden Segelanlage ein mehr und mehr scharfer Einschnitt, welcher sie in zwei Segellappen theilt. Wie ich schon mitgetheilt habe, ist der Wimperwall anfangs nicht ringförmig geschlossen; beide Segellappen gehen an der Rückenseite nie in ein- ander über, sondern sie sind hier durch einen Zwischenraum ge- trennt, welcher aber bei der weiteren Entwickelung immer kleiner wird. An der Bauchseite läuft der Wimpersaum von dem einen Segellappen auf den anderen über; an der Uebergangsstelle sind aber die Wimpern viel kleiner und kürzer. Ich muss noch bemerken, dass gleichzeitig mit den äusseren Organen auch die Urnieren zum Vorschein kommen als zwei kleine Gruppen von Ectodermzellen, welche ganz symmetrisch jederseits der Fussanlage liegen und allmälig immer mehr über die Oberfläche des Körpers hervorragen. Die bilaterale Symmetrie des Körpers wird in dem letzten von mir beschriebenen Stadium (Fig. 18) nur dadurch etwas verletzt, dass die kleine napfförmige Schale ein wenig links von der Längs- achse des Embryo zu liegen kommt. Bei der weiteren Entwickelung, nebst dem Wachsthum des Embryo in die Länge und der mehr und mehr scharfen Abgrenzung des Fusses und des Kopfes mit den Segeln vom übrigen Körper, wächst die Schale nach links weit schneller als nach rechts, und obschon der Embryo seine äussere Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 117 symmetrische Form noch behält, verändert auch der Darm seine frühere Lage in der Längsachse des Körpers. Dieses Verhältniss kann man in Fig. 19A und B sehen, welche uns einen Embryo im Profil (A) und von der Bauchseite aus (B) darstellen. Wir bemerken in dieser letzteren Figur vor Allem, dass die Schale links bis an die linke Urniere (urn) reicht, während rechts der Schalenrand noch weit von der entsprechenden Urniere entfernt ist. Das vorher blind- geschlossene hintere Ende des Darmes lässt schon eine kleine Anal- öffnung (af) erkennen, welche noch beinahe in der Medianlinie des Körpers liegt; der Darm aber hat zur Längsachse des Embryo eine schiefe Stellung, welche dadurch verursacht wird, dass das vordere mit dem Magen verbundene Ende des Darmes nach rechts verrückt ist und hier zwischen dem Fusse und der rechten Urniere durch die Körperwände durchscheint. Zwischen dem Darm und dem Magen einerseits und dem überliegenden Ectoderm andererseits findet sich eine ziemlich geräumige Körperhöhle, welche besonders in dem Fusse und in dem Kopftheile des Embryo ausgebildet ist, während an anderen Stellen das Entoderm noch eng dem Nahrungsdotter anliegt. — Bei der Betrachtung des lebenden Embryo (19 A) bemerkt man, dass er schon Gehörbläschen und Augen besitzt, über deren Ent- stehungsweise ich später berichten werde. Wenden wir uns wieder zu den Durchschnitten. Fig. 39A stellt uns einen etwas schiefen Längsschnitt durch das in Fig. 19 abgebildete Stadium dar. Der Schnitt ging gerade nach der Länge des Vorderdarms, welcher als ein noch ziemlich kurzer und breiter, etwas nach hinten gekrümmter, blindgeschlossener Sack erscheint. Die hohen cylindrischen Zellen, welche die Wände des Vorderdarms bilden, nehmen an seinem blindgeschlossenen, dem Magen anliegenden Ende an Höhe ab und werden platter und breiter, so dass in der Verbindüngsstelle zwischen dem Magen und dem Vorderdarm die Wand des letzteren viel dünner als anderswo ist. Ebenso verhält sich an der betreffenden Stelle auch die Magenwand, welche hier beinahe eine Lücke zeigt, so dass die Höhle des Vorder- darms und die des Magens nur durch die ziemlich dünne Vorder- darmwand abgetrennt zu sein scheinen. Die Zellen des Magens haben sich in sofern verändert, als sie an Umfang etwas kleiner geworden sind: ihr Protoplasma bleibt mit kleinen Dotterbläschen gefüllt und die Kerne behalten ihre frühere Lage an dem gegen die Magenhöhle gerichteten Ende der Zellen. Die Magenwände 118 N. Bobretzky: biegen sich an der Grenze gegen den Nahrungsdotter um und ver- lieren sich bald, so dass der Magen die Gestalt eines abgeplatteten, dickwandigen Sacks hat, welcher nach oben breit geöffnet und nur von dem Nahrungsdotter geschlossen ist. Ganz am Rande dieser Oeffnung liegt auch die Communikationsstelle des Magens mit dem Darm. Der Krümmung des Darmes wegen sehen wir in diesem Schnitte, welcher den Darm schief der Länge nach traf, die Verbin- dung mit dem Magen nicht. Der andere aus demselben Embryo angefertigte Schnitt (Fig. 39B) ging durch den Darm in der Nähe seines Analendes und zeigt uns auch eine Verdickung des Ectoderms, welche sich um die Analöffnung durch eine Höhenzunahme der Zellen bildet. An die äussere Fläche des Magens sowohl, als auch des Darmes, heften sich viele kleine, isolirt von einander liegende Mesodermzellen, welche die Anlage der Darmfaserschicht bilden. Das aus hohen cylindrischen Zellen bestehende Ectoderm, welches den Fuss bekleidet, zeigt an der Bauchfläche des letzteren eine kleine Einstülpung (cn), welche nicht weit von dem Rande der hinteren, mit dem Deckel versehenen Fläche und, wie ich mich über- zeugen konnte, in der Längsaxe des Fusses liegt. Bei der weiteren Entwickelung wächst diese Einstülpung immer mehr in die Länge und erscheint als ein langes, röhrenförmiges, nach innen blind ge- schlossenes und andererseits mit der Aussenwelt in Communication stehendes Säckchen, welches ich auch bei einigen anderen Gastro- podenembryonen beobachtete. Was für eine Bedeutung dieses Organ hat, kann ich nicht entschieden sagen; vielleicht stellt es die Anlage desjenigen Canalsystems dar, welches bei vielen Schnecken den ganzen Fuss durchzieht und sich an der Fusssohle nach aussen öffnet. Dasselbe cylindrische Epithel, welches das Ectoderm des Fusses bildet, geht auch auf den vorderen Theil des Embryo über, welcher als eine kleine Kopfblase erscheint. An der Rückenseite des letzteren bemerken wir an der Grenze des hohen Epithels gegen das aus sehr platten Zellen bestehende, die Rückenfläche des Embryo überziehende Ectoderm einige sehr grosse Zellen (s). Ueber die weitere Entwickelung der Nassa mutabilis werde ich nur kurz berichten, da es mir, trotz allen Bemühens, nicht gelang, die Ausbildung der Organe auf Durchschnitten zu verfolgen. Mit dem fortschreitenden Wachsthum des Körpers und der Schale ver- stärkt sich auch die Krümmung des Darmkanals immer mehr. Die Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 119 \ Vergleichuug der Figuren 19, 20 und 21 lässt uns die Hauptmomente dieses Vorgangs sehen. Die frühere schiefe Richtung des Darms zur Längsachse des Körpers verändert sich bald in die quere. In- dem das mit dem Magen verbundene Ende des Darms sich immer mehr nach hinten verrückt, schiebt sich sein Analende nach der ganz entgegengesetzten Richtung hinüber und nähert sich allmälig dem Fusse.. Da der Darm unmittelbar unter der sehr dünnen Körper- wand liegt, so wird er bei den in Chromsäure conservirten Em- bryonen als ein weisser Streifen an dem braunen Dotter ziemlich gut bemerkbar. So zeigt uns Fig. 20, dass der Darm (dr) ganz an der rechten Seite des Embryo seine Lage hat und sein Magenende schon hinter und über der rechten Urniere (urn) durchscheint. Auf dem noch etwas späteren Stadium (Fig. 21) ist der Darm schon in der zur Längsachse des Körpers beinahe senkrechten Fläche gelagert, und über der Verbindungsstelle des Darms und des Magens erkennen wir hier die Anlage der Kiemenhöhle (kmh), als eine sichelförmige Ectodermeinsenkung, welche nach hinten von einem verdickten Wall begrenzt und etwas überdeckt ist. Die Kiemenhöhle hat also bei ihrer Entstehung eine ganz asymmetrische Lage an der rechten Seite des Embryo. Zwischen der Kiemenhöhle und der vor derselben liegenden rechten Urniere erhebt sich die Körperwand in Gestalt einer sehr dünnen, rundlichen Blase (Ih); deren rhythmische Contrac- tionen sowohl, als auch die eigenthümliche Anordnung der spindel- förmigen Zellen zeigen uns genug, dass wir es hier mit dem so- genannten »Larvenherzen« zu thun haben. Die Kiemenhöhle wächst dann in die Tiefe und in die Breite, so dass sie bald die ganze Rückenseite des Embryo einnimmt. Da- bei rückt auch die stets unter dem blinden Ende der Kiemenhöhle gelagerte Verbindungsstelle des Darms mit dem Magen immer mehr nach hinten hin, so dass: der Darm ganz neben dem rechten Rande der Kiemenhöhle, etwas in die Decke derselben eingebettet, zu liegen kommt und sein Analende nach vorn gerichtet wird. Am Grunde der Kiemenhöhle, gerade über dem Berührungspunkte des Darms, des Magens und des Nahrungsdotters, tritt eine compacte Anhäufung von Mesodermzellen auf, in welcher sich späterhin eine Höhle bildet, und aus welcher das definitive Herz entsteht. Die schnell wachsende Schale bekommt eine spirale Windung, und die wulstige, ringförmige Ectodermverdickung (Mantelrand), auf Kosten deren die Schale in die Länge wächst und welche zur Zeit des ersten Auftretens der 120 N. Bobretzky: Kiemenhöhle noch entfernt hinter dieser lag, bildet bald den vor- deren Rand der Kiemenhöhlendecke. Was den Magen betrifit, so nimmt er an Umfang bedeutend zu, indem er den Nahrungsdotter immer mehr verdrängt. Seine Höhle, welche in früheren Stadien leer zu sein schien, wird dabei sehr geräumig und mit einer flüssigen Masse erfüllt, welche bei dem Erhärten des Eies gerinnt und auf den Durchschnitten als eine feinkörnige Substanz erscheint. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese flüssige Masse auf Kosten des Nahrungsdotters entsteht, aus diesem so zu sagen herausgezogen wird und ein schnell verbrauch- bares Nahrungsmaterial bietet. Die Wände des Magens sind schon, wie der in Fig. 40 abgebildete Schnitt zeigt, viel dünner geworden, haben aber noch kein regelmässiges, epithelartiges Aussehen: die Zellen ragen oft an der inneren Magenfläche höckerartig hervor. Besonders stark verdünnt erscheint die Magenwand an der Rücken- seite, wo sie unmittelbar unter der Körperwand liegt, während sie an der Grenze des Nahrungsdotters aus grossen, mit Dotterbläschen gefüllten Zellen besteht und noch eine weite Oeffnung gegen den Nahrungsdotter darbietet. Bei der sorgfältigen Betrachtung der lebenden sowohl als auch der conservirten Embryonen, kann man leicht bemerken, dass der Magen sich nicht nach allen Seiten gleichmässig vergrössert. Hin- gegen wächst eran der linken Seite viel schneller als an der rechten, sich immer mehr über den Nahrungsdotter ausdehnend, bis er end- lich an die Spitze der spiralgewundenen Schale reicht, während an der rechten Seite des Embryo der Dotter unmittelbar unter der sehr dünnen Körperwand liegt und dadurch ganz klar durchscheint. Nach- dem der Magensack in seinem einseitigen Wachsthum an der linken Seite die Spitze der Schale erreicht hatte, nimmt er bald das obere Ende der Schale ein, und verdrängt von hier den Nahrungsdotter mehr und mehr nach vorn. Fig. 22 stellt einen Embryo auf solchem Stadium von der rechten Seite betrachtet dar. Die Kiemenhöhle ist schon fast ganz ausgebildet, und in einer wulstigen Verdickung an der inneren Oberfläche der Kiemenhöhlenendecke (br) kann man schon die Anlage der Kiemen erkennen, während an dem blinden Ende der Kiemenhöhle das Herz (hz) als eine kleine, noch dick- wandige Blase erscheint, welche schon einige schwache, unregel- mässige Contractionen zu zeigen beginnt, obschon das Larvenherz (Ih), welches bei dem Wachsthum der Kiemenhöhle in die letztere Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 121 theils hineingezogen wird, noch in der Blüthe seiner Ausbildung ist und sehr energische Pulsationen ausführt. Der Darm (dr) macht sich auf diesem Stadium scharf bemerklich dadurch, dass sich in seinen Wänden ein schwarzes Pigment niederschlägt!). Unter dem Herzen beginnend, geht er in schiefer Richtung an der Grenze des Dotters, über dem Magensacke, 'zuni vorderen Mantelrande hin, neben welchem er seine Analöffinung hat. Von dem Magensack sehen wir in Fig. 22 nur den vorderen, unter dem Larvenherzen liegenden Theil (vl) und die kleine hintere Portion (hl), welche das obere Ende der Schale einnimmt, beide durch die unmittelbar unter der Körperwand liegende Masse des Nahrungsdotters von einander abgetrennt. Wenn wir aber den Embryo von seiner linken Seite betrachten, so werden wir uns leicht überzeugen, dass diese beiden Abtheilungen ein Ganzes bilden und dass der Magensack sich hier über den Dotter ausdehnt. Durch das fortschreitende Wachsthum des Magensacks immer mehr von dem oberen Ende der Schale weggedrängt, kommt der Nahrungs- dotter ganz asymmetrisch, an die rechte Seite des Körpers, neben der Verbindungsstelle des Magensacks und des Darms zu liegen, wo er auch bei den ausgeschlüpften Embryonen noch lange bleibt. Der in Fig. 41 abgebildete Längsschnitt (wie auch Fig. 40) hat zum Zwecke, das Verhalten des Magensacks zum Nahrungsdotter zu erklären, und deswegen ist in der Zeichnung Alles andere weg- gelassen. Wir sehen hier, dass die Magenwand sich, an der Grenze des Dotters umbiegend, an demselben eine Strecke weit fortsetzt und sich dann fast unbemerkbar verliert. Also ist auch um diese Zeit der Magensack nicht gegen den Dotter geschlossen, und ob- schon man an der Stelle, wo die Magenhöhle unmittelbar durch den aussen liegenden Nahrungsdotter begrenzt ist, keine Zellen finden kann, erscheint aber die Grenze zwischen dem Dotter und der die Magenhöhle erfüllenden Flüssigkeit ganz klar und glatt, als ob die Dotterfläche hier durch eine Protoplasmaschicht überzogen wäre. 1) Die Ablagerung eines schwarzen Pigments in den Wänden des Darm- canals hatte ich auch bei einigen anderen Gastropoden-Embryonen beobachtet. Aus der von Salensky gegebenen Zeichnung (Zeitschr. f. wiss. Zool. B. XII. XXXVII, Fig. 20) glaube ich schliessen zu können, dass es sich ebenso auch mit Calyptraea verhält, und dass das Pigment von Salensky als »Dotter- tröpfchen« gedeutet wurde. 122 N. Bobretzky: Ich habe bis jetzt für den grossen Entodermsack, welcher einer- seits mit dem aus der Eetodermeinstülpung gebildeten Oesophagus und andrerseits mit dem Darm in Communication steht, den allge- meinen Namen des Magens oder Magensacks gebraucht. Es ist aber klar, dass fast der ganze Sack zur Bildung der Leber verbraucht werden soll, und nur ein kleiner, zwischen dem Oesophagus und dem Darm liegender Theil desselben als eigentlicher Magen bleibt. Wie aber bei Nassa die Umwandlung dieses geräumigen Sacks in die Leber stattfindet, konnte ich nicht verfolgen. Ich war in dieser Hinsicht etwas glücklicher bei einer andern Schnecke, deren Ent- wickelung ich im nächstfolgenden Capitel beschreiben werde. II. Entwickelung von Fusus sp. (Fig. 54—99.) Ich kann leider auch hier nicht die Gattung genau bestimmen, welcher die Eier angehören, deren Entwickelung in diesem Capitel meiner Arbeit auseinandergesetzt werden soll. Die Eierkapseln, welche mir das Material für die Untersuchung lieferten, findet man besonders oft an Ascidien (Asc. intestinalis vorzüglich), dann an Spongien, Muschelschalen u. s. w. vereinzelt befestigt. Sie haben die Gestalt einer rundlichen, planconvexen, lederartigen Scheibe (von 8 Mill. im Diameter), welche durch ihre platte Seite an die Oberfläche der genannten Körper befestigt ist, während ihre freie, uhrglasförmig convexe, ziemlich derbe Wand im Centrum eine rund- liche, 1,5 Mill. im Diam. grosse, durch ein feines Häutchen ver- schlossene Oeffnung besitzt (Fig. 54). Von dieser Oefinung an, welche später zum Ausgange der Embryonen dient, gehen in der Wand der Kapsel bis zu den membranartig verdünnten Rändern derselben zwei beinahe in einer geraden Linie liegende oder einen stumpfen Winkel unter einander bildende narbenähnliche Stricke, welchen oft am Rande der Oefinung zwei mehr oder weniger grosse Ausschnitte entsprechen. Die Kapselwand zeigt auch sehr feine concentrische Strichelehen. In den Kapseln, welche an den Ascidien befestigt sind, wird die freie convexe Wand später etwas abgeplattet, während die hintere, befestigte Kapselwand sich allmälig mehr und mehr in die Mantelsubstanz der Ascidie vertieft, so dass die Kapsel in eine Grube zu liegen kommt. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 123 “ Jede Kapsel enthält 7—20 orangenröthliche, beinahe 0,8 Mill. grosse Eier, welche in einer zähen, milchweissen, an der Oberfläche membranartig verdichteten Flüssigkeit eingebettet sind, und durch die Kapselwand klar durchscheinen. Aehnliche Eierkapseln wurden nach der »British Conchology« von John Gwyn Jeffrey!) bei Trophon, Defrancia und einigen Fusus- arten beobachtet. h Die aus ihren Kapseln ausgeschlüpften, genug ausgewachsenen Embryonen, welche man oft in der Nähe der leeren Kapseln an den Ascidien frei kriechend findet, erinnern nach der Form ihrer Schale, welche in einem Falle schon drei Spiralwindungen zeigte, an die des Fusus syracusanus Brug. am meisten. Ich will die unbekannte Schnecke einfach als Fusus sp. bezeichnen. Der Furchungsprocess beginntin der ganz regelmässigen Weise. Nach dem Hervortreten des Richtungsbläschen (Fig. 55) theilt sich das Ei in zwei ganz gleiche Hälften (Fig. 56), welche durch ihre weitere Theilung vier Furchungskugeln den Ursprung geben. Von dem Bildungspole des Eies betrachtet, zeigt uns dieses Stadium (Fig. 57 A) vier kreuzartig gelagerte Kugeln, welche an ihrem nach dem Centrum gerichteten Ende die helle, feinkörnige Bildungsmasse mit einem Kern enthalten. Wenn wir aber dieses Stadium von der ent- gegengesetzten Seite betrachten (Fig. 57 B), so scheinen die vier Kugeln nicht gleich an Umfang zu sein und nur zwei grössere gegen- überliegende berühren einander breit im Centrum des Eies, während die zwei kleinen diesen seitwärts anliegen. — Von nun an geht die Furchung in ähnlicher Weise, wie es bei Nassa beschrieben ist, vor sich. Von den Furchungskugeln sondern sich vier kleine, helle, ganz und gar aus dem Bildungsdotter bestehende Zellen ab, welchen etwas später vier andere, auf dieselbe Weise entstehende Zellen hinzutreten. Fig. 58 stellt uns das Stadium dar, auf welchem diese letzteren sich zu bilden beginnen und noch als kleine, aus dem Bil- dungsdotter bestehende Hügel (b) an den centralen Enden der Furchungskugeln erscheinen. Wir bemerken in dieser Figur, dass die vier zuerst gebildeten kleinen Zellen (a) so liegen, dass jede von ihnen sich etwas nach links von der Furchungskugel, welcher sie ihren Ursprung verdankt, abhebt. Diese schiefe Stellung der hellen Zellen der ersten Generation zu den Furchungskugeln, welche wir 1) Vol. IV. 1867. p. 315, 331, 370 u. a. 124 N. Bobretzky: schon bei Nassa gesehen haben, und welche ich bei allen von mir beobachteten Gastropodeneiern fand, verändert sich bald dadurch, dass eine jede von den vier kleinen Zellen der zweiten Generation, bei ihrer Absonderung die benachbarte Zelle der ersten Generation nach rechts wegschiebt. Auf dem folgenden Stadium theilt sich jede von den Zellen der ersten Generation (a) in zwei ungleiche Theile und das Ei zeigt uns dann auf den vier Furchungskugeln 12 kleine Zellen. Diese Zahl vermehrt sich bald durch die Absonderung von vier neuen Zellen (c) bis 16 (Fig. 59), und durch die Theilung der Zelle 6 bis 20. So sehen wir in Fig. 60 eine aus 20 kleinen Zellen bestehende Keim- scheibe, an deren Rande noch vier neue Zellen (d) auf dem Wege der Absonderung von den Furchungskugeln sind. Was die Kerne betrifft, so konnte ich ihr Schicksal nicht so ausführlich verfolgen, wie es mir bei Nassa gelang. Ich kann nur sagen, dass ich manchmal in den Zellen keine Kerne fand und auf den Durchschnitten die bei Nassa beschriebenen ähnlichen Figuren beobachtete. Deswegen hege ich keinen Zweifel, dass die Kerne sich in derselben Weise wie bei Nassa verhalten. Durch die Absonderung von neuen Zellen sowohl als auch durch die Theilung der schon gebildeten, wächst die Keimscheibe immer mehr (Fig. 61) und breitet sich weiter und weiter auf der Oberfläche der vier grossen Furchungskugeln aus. Dabei platten sich ihre Zellen stark ab, besonders an dem Bildungspole des Eies, wo die Keimscheibe sich von den Furchungskugeln sehr früh etwas abhebt, und es entsteht hier auf diese Weise eine enge Segmen- tationshöhle (Fig. 62). Die vier grossen Furchungskugeln drücken sich indessen mehr und mehr an einander, so dass das ganze Ei eine glatte kugelrunde Form erhält, und die Grenzen der einzelnen Furchungskugeln nur durch feine, schwer bemerkbare Furchen markirt werden. Beim fortschreitenden Wachsthum dehnt sich die Keimscheibe bald auch auf die dem Bildungspole entgegengesetzte Seite des Eies aus und die von Blastodermzellen unbedeckte Oberfläche verengert sich mehr und mehr (Fig. 63). In der Umgebung dieser unbedeckten Stelle (x) werden die Zellen etwas höher und schmaler. Um diese Zeit der Entwickelung treten auch die ersten Anlagen der äusseren Organe auf. Es ist schr bemerkenswerth, dass am frühsten die Urnieren erscheinen und zwar als zwei Kleine Gruppen von d—6 Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 125 Zellen, welche sich später an Umfang bedeutend vergrössern und über die Oberfläche des Embryo immer stärker hervorragen (urn). Fast gleichzeitig mit den Urnieren oder ein wenig später kann man auch die Anlage der Schalengrube als eine schildförmige durch das Wachsthum der Zellen in die Höhe verursachte Blastodermverdickung wahrnehmen, an welcher sich bald eine grubenförmige Einsenkung bildet (Fig. 64 B). Die symmetrisch an den Seitenflächen des Embryo liegenden Urnieren und die Schalengrube, welche uns den hinteren Rückentheil des Embryo anzeigt, dienen uns von nun an zur be- quemen Orientirung. Wir können also ganz entschieden sagen, dass die von den Blastodermzellen unbedeckte Stelle der Bauchseite des Embryo, die gegenüberliegende Seite oder der Bildungspol des Eies seiner Rückenfläche entsprechen. Während die von den Zellen unbedeckte Stelle sich immer mehr verengert, erheben sich die diese letztere umgrenzenden Blas- todermränder als ein ringförmiger Wall, wie es uns Fig. 64 A zeigt. Mit grösster Mühe gelang es mir einige Schnitte von diesem Stadium anzufertigen. Fig. 72 stellt uns einen Längsschnitt dar, welcher durch die Schalengrube ging. Wir bemerken hier, dass diese letztere schon gut ausgebildet ist und als ein kleines, etwas abgeplattetes Säckchen (schg) erscheint, dessen äussere Oefinung ein wenig enger als sein Grund ist. Das kleinzellige cylindrische Epithel, welches die Wand dieses Sacks bildet, breitet sich auf eine kleine Strecke rings um die Oeffnung herum aus und geht bald in die sehr platten breiten Ectodermzellen über, welche die Rückenseite des Embryo überziehen. An der Bauchseite des letzteren bemerken wir eine weite, flache Grube, welche nichts anderes ist, als die von den Blas- todermzellen unbedeckte Stelle. Am Rande dieser Grube biegt sich das Blastoderm um und tritt im enge Berührung mit der inneren, aus den vier an einander gedrängten Furchungskugeln bestehenden Dottermasse, von welcher es überall anders etwas abgehoben ist. Die platten Zellen, welche das Blastoderm bilden, werden am Rande dieser Grube (br) viel höher und erhalten ein mehr oder weniger epithelartiges Aussehen. Im Grunde der Grube, an der nach Aussen schauenden Oberfläche der Dottermasse, sieht man auf dem Durch- schnitte zwei nebeneinander liegende Anhäufungen von heller, fein- körniger Bildungsdottermasse. Jede von ihnen besitzt einen grossen Kern mit Kernkörperchen (kd). Diese zwei Anhäufungen entsprechen den beiden Furchungskugeln, welche der Längsschnitt traf. Obschon 126 N. Bobretzky: auf den Durchschnitten die Grenzen der einzelnen Furchungskugeln sich gewöhnlich verwischen, kann man an einigen von mir ange- fertigten Schnitten diese Grenzen klar unterscheiden. Jeder Fur- chungskugel gehört dabei eine Protoplasmaanhäufung mit dem Kerne als ihr untrennbarer Bestandtheil an. Der in Fig. 73 abgebildete Querschnitt zeigt uns dieses Verhalten ganz deutlich, und wenn wir hier in den protoplasmatischen Enden (kd) der zwei Furchungs- kugeln keine Kerne finden, so ist es einfach aus dem Grunde, dass der Schnitt dieselben nicht traf. Ich konnte in einigen Schnitten feine Wimpereilien an der Oberfläche dieser Protoplasmaklumpen sicher unterscheiden. Auch bei den lebenden Embryonen findet man leicht durch Drücken vier Kerne im Dotter, welche sich durch ihre bedeutende Grösse auszeichnen. Die vier grossen Furchungskugeln sind also ächte Zellen, und die Lage ihrer Kerne erklärt sich hin- länglich durch den Wachsthumsprocess. Während auf den früheren Furchungsstadien die neuen hellen Zellen sich immer von den grossen Kugeln absondern , wird die in den letzteren enthaltende Bildungs- dottermasse, auf Kosten deren sich die hellen Zellen bilden, nie ganz verbraucht. Sie wird in den Furchungskugeln stets von Neuem in derselben Menge erzeugt, wahrscheinlich aus dem Nahrungsdotter herausgezogen, und liegt immer am Rande der Keimscheibe, wo sie zur Bildung von neuen Zellen dient. Bei der fortschreitenden Aus- breitung der Keimscheibe auf der Oberfläche des Eies, erleidet auch die mit einem Kerne versehene protoplasmatische Masse einer jeden von den vier Furchungskugeln eine ähnliche Verschiebung, und rückt immer weiter von dem Bildungspole zu dem gegenüberliegenden Pole des Eies hin, stets dem Blastodermrande vorangehend. Wenn die Blastodermschicht fast die ganze Oberfläche des Eies umwachsen . hat und nur noch eine kleine Stelle an der Bauchseite unbedeckt lässt, so treten die mit Kernen versehenen Protoplasmaklumpen der vier Furchungskugeln an der dem Bildungspole des Eies ent- gegengesetzten Stelle in Berührung miteinander und schliessen da- durch die Zellenschicht um das Ei. Wollen wir die schon aufge- tretenen Anlagen der Organe bei Seite lassen, so kann man dieses Stadium mit einer Keimhautblase oder Blastosphaera vergleichen, deren Höhle durch vier kreuzartig neben einander liegende auflallend grosse Zellen ihrer Wand fast ganz erfüllt ist. Die flache Grube, welche durch die Erhebung und Umbiegung der Blastodermränder entsteht und deren Grund durch die mit Kern Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 127 und Protoplasma versehenen Enden der vier Furchungskugeln ge- bildet wird, ist die erste Anlage der Verdauungshöhle. Die sich mehr und mehr erhebenden Ränder dieser Grube verengern allmä- lig ihre Oefinung, welche sich aber niemals ganz schliesst, sondern als Mundöffnung bleibt. Bezüglich dieser Thatsache lassen für mich meine Untersuchungen absolut keinen Zweifel. Ich habe Hunderte von Embryonen durchgesehen und fand niemals das Stadium, auf welchem die Mundhöhle blindgeschlossen wäre, oder der Magen keine Mündung nach Aussen hätte. Von Anfang an steht die Verdau- ungshöhle in Communication mit der Aussenwelt und erscheint als ein Ganzes, an welchem sich erst später einzelne besondere Abthei- lungen kenntlich machen. Selbstverständlich konnte ich nicht an einem und demselben Embryo das allmälige Verengern der Oefi- nung der früheren Grube Schritt für Schritt verfolgen, denn die aus ihren Kapseln genommenen Eier entwickeln sich nicht weiter. Die Vergleichung der verschiedenen Embryonen, welche auf diesem oder auf einem etwas älteren Entwickelungsstadium stehen, enthüllt uns aber alle aufeinanderfolgenden Phasen der Ausbildung des Ver- dauungscanals und stellt das oben Gesagte für uns vollkommen fest. Dieser Bildungsmodus der Verdauungshöhle ist also mit der Bildung des Darmkanals durch die Einstülpung in eine Furchungs- höhle ganz zu parallelisiren, und er unterscheidet sich von der eigent- lichen Einstülpung nur dadurch, dass in unserem Falle vier grosse Furchungskugeln fast die ganze Segmentationshöhle erfüllen. Aus diesem geht hervor, dass hier das Entoderm anfänglich keineswegs scharf von dem Ectoderm abgegrenzt ist, und man zwischen beiden Keimblättern nur ganz fictive Grenzen stellen kann, indem man die zur Bildung des Oesophagus dienende Zellenschicht als dem Ecto- derm, und die die übrige Verdauungshöhle ausmachende Schicht als dem Entoderm angehörend betrachtet. Was aber das Mesoderm betrifft, so bin ich über seine Bildung bei Fusus nicht ganz im Klaren. Auch zur Zeit, da die helle Zel- lenschicht schon mehr als die Hälfte der Eioberfläche bedeckt, er- scheint das Blastoderm noch einschichtig, und ich konnte auf den Durchschnitten keine Spur des Mesoderms finden. Daraus muss man schliessen, dass das Mesoderm hier nicht auf dieselbe Weise entsteht, wie es bei Nassa der Fall ist, und dieser Schluss wird noch wahrscheinlicher dadurch, dass auch die Bildungsweise des Entoderms hier, wie wir es gesehen haben, eine verschiedene ist. 128 N. Bobretzky: Meine Beobachtungen führen mich zu dem Schlusse, dass bei Fusus sp. das Mesoderm sich sehr spät, erst wenn die helle Zellenschicht nur noch eine kleine Stelle der Eioberfläche unbedeckt lässt, bildet und dass es an dem die unbedeckte Stelle begrenzenden Blastoderm- rande seinen Ursprung nimmt. Indem das Blastoderm sich hier umbiegt, springen einige Zellen unter die obere Schicht vor und bilden die Anlage des mittleren Keimblattes. Auf den in Fig. 72 und Fig. 73 abgebildeten Durchschnitten findet man nur wenige, kleine, entfernt von einander liegende Mesodermzellen. Wenden wir uns nun zur Beschreibung der weiteren Ent- wickelung des Embryo. Während die Mundöffnung sich immer verengert, erheben sich ihre Ränder in Gestalt eines trichterförmigen Rohres, welches die Anlage des Oesophagus darstellt. Gleichzeitig mit diesem hebt sich in der Umgebung der Mundöfinung das Ectoderm von dem inneren Dotter immer mehr blasenförmig ab, so dass an der Bauchseite des Embryo, zwischen den Anlagen des Verdauungscanals und den Furchungskugeln einerseits und dem Ectoderm andererseits eine mehr und mehr wachsende Höhle entsteht. Bei der Betrachtung des Eınbryo im Profil (Fig. 65) bemerkt man dann leicht einen kurzen, trichierförmigen Oesophagus (oe), welcher in eine schmale Magenhöhle führt. Diese letztere (mg) dehnt sich nach hinten von der Mündungsöffnung des Oesophagus aus, und man sieht klar, dass die hintere Wand des letzteren, sich fast unter einem rechten Winkel nach hinten umbiegend, in die Bauchwand des Magens un- mittelbar ‘übergeht. Von der Rückenseite scheint die Magenhöhle nur von den vier Dotterkugeln begrenzt zu sein. Ich muss hier bemerken, dass um diese Zeit der Entwickelung die Grenzen der einzelnen Dotterkugeln merkwürdiger Weise wieder sehr scharf her- vortreten. Die Dotterkugeln unterliegen keiner weiteren Theilung, so dass ihre Zahl immer dieselbe bleibt. Durchschnitte geben nun weitere Aufschlüsse. Fig. 74 stellt uns einen von dem in Fig. 65 abgebildeten oder noch etwas Jünge- ren Stadium angefertigten Längsschnitt dar, welcher durch den Mund und die Schalengrube geführt wurde Vor Allem zeigt uns dieser Sehnitt, dass die Schalengrube weit breiter, aber auch viel flacher geworden ist, und ihre Ränder nicht mehr so scharf hervorragen, wie es früher der Fall war. Sie ist von einem cylindrischen Epithel überzogen, welches an ihren Rändern bald in das sehr dünne, aus Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 129 platten und breiten Zellen bestehende Ecetoderm übergeht. Ueber dem Epithel bemerken wir ein feines, structurloses Häutchen (sch), welches, an den Rändern der Grube befestigt, über dieselbe frei sich hinerstreckt und in welchem wir die erste Anlage der Schale erkennen. Die Verdauungshöhle ist noch sehr klein, lässt aber schon zwei Abtheilungen unterscheiden: einen kurzen, weiten Oesophagus (oes) und eine vom Rücken nach dem Bauch hin sehr abgeplattete- Magenhöhle (mg). Die Wände des Oesophagus bestehen aus ziem- lich hohen cylindrisehen Zellen, welche an ihrer gegen das Lumen gerichteten Oberfläche ein feines Wimperkleid zeigen. Die vordere Oesophaguswand lehnt sich auf dem Durchschnitte mit ihrem in- neren Rande fast senkrecht an die Dottermasse an, während seine hintere Wand sich bald nach hinten umbiegt und die Bauchwand des Magens bildet. Ein durch die Mundöffnung gehender Querschnitt von einem fast ebenso alten Embryo ist in Fig. 75 dargestellt. Aus beidden Schnitten (Fig. 74 und 75) erweist sich, dass die Magenhöhle sich nur seitwärts und besonders nach hinten von der Mündungs- öffnung des Oesophagus ausdehnt, während sie nach vorn nicht weiter als dieser reicht. Das erklärt sich dadurch, dass die frühere Grube hauptsächlich durch das Wachsthum ihres hinteren Randes verengert wird. An der Rückenseite ist die Magenhöhle von den mit Kern und Protoplasma versehenen Enden der vier Dotterkugeln begrenzt, wie es uns Fig. 74 und 75 zeigen. Schon um diese Zeit, bei der Betrachtung eines lebendigen Embryo im Profil, kann man bemerken, dass der Magen nach hinten mit einem sehr kurzen und schmalen, hohlen Zapfen endigt, welcher dem Ectoderm anliegt und, wie nachfolgende Beobachtung zeigt, die erste Anlage des Darmes ist. Man kann die Darmanlage schon in Fig. 74 und noch klarer in Fig. 76, welche einen Längsschnitt durch ein nur wenig späteres Stadium darstellt, wahrnehmen. Dieser letztere Schnitt zeigt uns, dass die Bauchwand des Magens an seinem hinteren Rande nach vorn wieder umbiegt, um sich an der Grenze mit der Protoplasmaschicht der Dotterkugel zu verlieren. Dass diese Umbiegung (dr) wirklich die Darmanlage in ihrem Längsschnitte ist, beweist uns ihre enge Anlagerung an das Eetoderm und ihre Lage, welche ganz der des Analendes des Darmes entspricht. Wie ich schon oben mittheilte, hebt sich die Körperwand in der Umgebung des Mundes, an der Bauchseite des Embryo, blasen- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 9 130 N. Bobretzky! förmig ab, und der vordere Theil zeichnet sich bald als Kopfblase (kb) aus, während der hinter dem Munde liegende, hügelartig her- vorragende Theil die Anlage des Fusses (fs) bildet. Dabei vollzieht sich in den Ectodermzellen der Kopfblase eine Veränderung, welche dieselben von den übrigen Zellen des oberen Blattes scharf unter- scheidet und welche darin besteht, dass ihr Protoplasma mit vielen dunklen, fettartig glänzenden Tröpfchen erfüllt wird und ihre äussere Fläche sich mit feinen Wimpern bekleidet. Die Zellen zerfliessen dabei nicht in eine homogene Schicht, wie es Salensky für Ca- lyptraea annimmt, sondern lassen ihren Contour klar sehen, beson- ders bei den der Einwirkung der Chromsäure überlassenen Em- bryonen. Von der Fläche aus betrachtet erscheint dann das Eetoderm der Kopfblase als ein aus breiten, je mit einem grossen ovalen Kern versehenen polygonalen Zellen’ bestehendes Pfiasterepithel. Das ganz ähnliche Aussehen nehmen auch die Zellen des oberen Keimblattes an der Bauchfläche der Fussanlage und an einer eng begrenzten Stelle (wp) unmittelbar hinter dem Analpunkte an, wel- cher durch das Anliegen des blinden Darmendes bezeichnet wird, während an andern Stellen das Ectoderm aus kleinen, mehr oder minder platten, nicht wimpernden Zellen zusammengesetzt ist. . Erst auf diesem Stadium (Fig. 66) konnte ich auch die früheste Anlage des Segels (sg) in Gestalt eines unmittelbar vor dem Munde liegenden queren Walls, welcher von mehr hohen Eetodermzellen gebildet war und eine energische Wimperung zeigte, erkennen. Man konnte denselben nur bis auf die Seitenflächen des Embryo verfol- gen, wo er sich bald verlor. Bei der weiteren Entwickelung wachsen die Kopfblase und der Fuss besonders stark und ragen immer mehr an der Oberfläche des Embryo hervor. Der Körper des Embryo behält noch ganz seine bilaterale Symmetrie, welche, wie die Schnitte erweisen, auch durch die Lage der inneren Organe nicht gestört wird; nur die Kleine napfförmige Schale reicht an der linken Seite des Embryo weiter, als an der rechten. Der in Fig. 77 abgebildete Längsschnitt durch dieses Stadium zeigt uns, dass der Darmcanal noch ganz in der Längsachse des Embryo liegt, seine Abtheilungen sich aber bereits klarer hervorheben. Der Oesophagus (oes) erscheint als ein langes, mit weitem Lumen versehenes Rohr, welches an der Grenze gegen den Magen (om) eine bemerkbare Verengerung aufweist. Seine hohen eylindrischen Zellen zeigen eine ungleiche Vertheilung des Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 131 feinkörnigen Protoplasma, welches sich an ihren inneren, gegen das Lumen gerichteten Enden sammelt, während die äusseren Enden der Zellen glashell und homogen erscheinen. Die Magenzellen sind etwas breiter und nicht so hoch. Um die Verhältnisse des Magens verständlicher zu machen, gebe ich hier zwei von demselben Embryo angefertigte Querschnitte, von denen einer (Fig. 78) durch die Längs- achse des Oesophagus und der zweite (Fig. 79) durch den Fuss und den hinteren Theil des Magens ging. Auf dem ersten von diesen Querschnitten (Fig. 78) bemerken wir, dass die Magenhöhle über der Mündungsöffnung des Oesophagus viel breiter als dieser letztere ist, aber noch eine geringe Höhe hat. Die Magenwände biegen sich an der Grenze des Dotters um und gehen bald, sich allmälig ver- dünnend, in die protoplasmatische Schicht der Dotterkugeln über. Nach hinten hin verengert sich die Magenhöhle schnell, und die Zellenwand des Magens hat schon auf dem zweiten Querschnitte (Fig. 79) die Gestalt einer halbeylindrischen Rinne (mg), welche von zwei Dotterkugeln dachförmig überdeckt ist. Die vier grossen Dot- terkugeln, welche fast die ganze Körperhöhle des Embryo ausfüllen, bilden also noch jetzt den Grund der Magenhöhle. Sie sind deutlich von einander abgegrenzt und haben noch immer an ihrer die Magen- höhle begrenzenden Fläche je einen von feinkörnigem Protoplasma umgebenen Kern. Mit der Ausdehnung der Magenhöhle sind aber die Protoplasmenklümpchen der Dotterkugeln dünner geworden, und die Kerne (kd) liegen nun (Fig. 77) viel weiter von einander entfernt, als es früher der Fall war. — Der noch sehr kurze Darm (dr), welcher sich einerseits in die Magenwand fortsetzt und andererseits in die protoplasmatische Schicht der Dotterkugeln übergeht, liegt mit seinem blind geschlossenen Ende dem Ecetoderm dicht an. Auf dem in Fig. 77 abgebildeten Längsschnitte sehen wir nur wenige Mesodermzellen, deren einige den Wänden des Darmcanals und andere der Körperwand anliegen. Sie finden sich in etwas grösserer Menge auf den Querschnitten und erscheinen als kleine längliche oder auch spindelförmige Zellen (ms), welche manchmal mittelst feiner Ausläufer unter einander verbunden sind. Die betreffenden Schnitte zeigen uns auch einige Veränderun- gen im Gebiete des Ectoderms. So besteht nun der von der Schale bedeckte Theil des Ectoderms aus sehr dünnen und breiten Zellen, welche nur unter dem Schalenrande etwas höher und enger werden. Dadurch bildet sich um die Ränder der Schale herum eine ring- 132 N. Bobretzky: förmige Eetodermverdickung (mr), an welcher sich diese letztere befestigt und auf Kosten derer sie immer weiter wächst. Von der früberen Schalengrube kaun man fast nichts mehr bemerken, be- sonders bei den lebenden Embryonen, bei welchen die von der Schale bedeckte Oberfläche des Körpers gewölbt erscheint. Bei der Ein- wirkung der Chromsäurelösung plattet sich dieselbe, wahrscheinlich in Folge der endosmotischen Processe, weiche dabei stattfinden, im- mer mehr ab, sich von der Schale ablösend, und wird oft auch concav, wie man es in Fig. 66A und 77 sieht. Die freie Oberfläche des Körpers wimpert nur an der Kopf- blase, an der Bauchseite des Fusses und an der kleinen Stelle (wp) zwischen dem Mantelrande und dem Afterende des Darmes, und an allen diesen Stellen haben die Eetodermzellen ein eigenthümliches, von mir oben besprochenes Aussehen angenommen. Die übrige, nicht wimpernde Körperoberfläche ist von den sehr platten Eeto- dermzellen bedeckt, welche nur an der hinteren Fläche und den Seitenllächen des Fusses und an den Segeln den etwas höheren Zellen Platz geben. Der in Fig. 79 dargestellte Querschnitt lässt uns auch nie Ur- nieren (urn) in ihrer vollen Ausbildung sehen. Wir haben erfahren, dass diese Larvenorgane sehr früh während der Entwickelung als sich auffallend an Umfang vergrössernde Ectodermzellen entstehen, welche an jeder Seitenfläche des Embryo eine neben dem Grunde des Fusses liegende Gruppe bilden. Sie ragen jetzt sehr stark auf der Oberfläche des Embryo hervor, und die dünne Ectodermschicht geht schon unter denselben fast ununterbrochen fort. Der anfäng- lich ganz deutlich grosse Kern ist nun in den Urnierenzellen gar nicht wahrzunehmen, und die Grenzen der einzelnen colossal grossen, ganz mit einander verschmolzenen Zellen werden nur durch Furchen an der Oberlläche der Urnieren bezeichnet. Was die innere Structur der Urnierenzellen betrifft, so finden sich in ihrem feinkörnigen Protoplasma viele kleine rundliche Hohlräume, in welchen sich kleine bräunliche Coneremente inmitten der hellen Flüssigkeit sammeln. Der Inhalt der Urnierenzellen wird wahrscheinlich durch das Bersten der Zellwand nach aussen ausgeleert, was auch bei leichtem Druck auf den Embryo mit dem Deckgläschen oftmals geschieht. In den späteren Stadien der Entwickelung fliessen alle diese Hohlräume zusammen, und die Urnieren erscheinen mit einer bräunlichen kör- Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 133 nigen Masse ganz ausgefüllt, welche sich an der Peripherie bedeu- tend verdichtet. In demselben Querschnitte (Fig. 79) bemerken wir auch bereits ein Gehörbläschen (gb). Es ist sehr schwer, das erste Entstehen eines so kleinen Gebildes auf Durchschnitten klar zu verfolgen; ich konnte aber einen Schnitt bekommen, welcher für mich keinen Zweifel über die Bildung der Gehörbläschen durch eine Eetoderm- einstülpung lässt. Fig. SO zeigt uns das Gehörbläschen (gb) noch mit der Körperwand zwischen dem Fusse und der Umiere verbun- den, und man sieht, dass die kleine Höhle des Gehörbläschens nach aussen unmittelbar ausmündet. Wenige Zellen, aus welchen die Wand der Gehörkapsel gebildet ist, sind fast kuglig, ragen in die Höhle derselben vor und gehen am Rande der Oeffnung in die Ecto- dermzellen des Fusses über. Fast um dieselbe Zeit mit den Gehörbläschen und auf die ganz gleiche Weise entstehen auch die Augen, wie es uns der in Fig. 81 abgebildete Querschnitt darstellt. Der Schnitt wurde in etwas schiefer Richtung geführt und traf nur an einer Seite die Augenanlage. Wir sehen hier den mit der dünnen wimpernden Bauchwand und den etwas verdickten Seitenwänden versehenen Fuss, jederseits dessen die Segel (sg) mit ihren grossen Wimperzellen flügelartig hervorragen. Oberhalb des Segels findet man rechts eine kleine sackförmige Ectodermeinstülpung (au), welche nichts anderes als die Augenanlage ist. Von dem letzten beschriebenen Stadium (Fig. 66) an beginnt der Embryo sehr stark zu wachsen; sich von der die Eikapsel er- füllenden Eiweissmasse, welche durch die Wimpern des Oesophagus in den Magen hineingetrieben wird, ernährend. Da diese Eiweiss- masse sehr zähe und an der Oberfläche fast membranartig verdickt ist, so muss man um diese Zeit nicht wenig Mühe und Umsicht an- wenden, um die mit ihrem Munde angehefteten Embryonen, ohne sie zu beschädigen, aus der Kapsel herauszunehmen. Die Verän- derungen, welche dabei in dem Embryo stattfinden, bestehen in Folsendem. Zuerst rückt der Mund aus seiner früheren Lage an der Bauchfläche des Embryo allmälig immer weiter nach vorn hin. Die Kopfblase bekommt ihre grösste Ausbildung und geht auch auf den Rücken des Embryo über. Die Segel erheben sich als zwei halbkreisförmige, mit einem wulstigen Saum versehene Lappen immer mehr auf der Körperoberfläche, Obschon der Embryo 134 N. Bobretzky: noch lange seine äussere bilaterale Symmetrie behält, welche auch durch die an der linken Seite des Körpers etwas schneller wachsende Schale nur wenig gestört wird, beginnt die Anlage des Verdauungs- canals aus der Längsachse hinauszutreten und sich ungleichmässig aus beiden Seiten des Embryo zu entwickeln. Die noch immer kurze Anlage des Darmes rückt etwas nach rechts, während der Magen in seinem vorderen Theile sich an der linken Seite des Embryo mehr zu vergrössern beginnt. Die Zellen der Magenwand erleiden dabei eine bemerkenswerthe Veränderung in ihrem histologischen Bau. So bemerken wir bald, schon bei lebenden Embryonen (Fig. 67), dass die Elemente der oberen Magenwand (la) als verhältnissmässig grosse, glashelle, stark glänzende, mit deutlichen Contouren ver- sehene Zellen erscheinen. Sie nehmen fortwährend an Umfang zu (Fig. 68), bis sie eine auffallende Grösse erreichen, dieselben optischen Eigenschaften behaltend, so dass in der Flächenansicht (Fig. 69) die Magenwand glashell und homogen, in regelmässige polygonale Felder zertheilt erscheint. Diese letzteren entsprechen, wie die Profilansich- ten es uns zeigen, den grossen, mehr oder weniger pyramidalen Elementen, aus welchen die Magenwand gebildet ist. Ohne Anwen- dung der Reagentien kann man in diesen ganz und gar homogen zu sein scheinenden Elementen nichts wahrnehmen. Die Schnitte von den in Chromsäure erhärteten Embryonen erlauben uns die Veränderungen im histologischen Bau der Magenelemente Schritt für Schritt zu verfolgen. Fig. 82 stellt uns einen dem in Fig. 67 abgebildeten Stadium entsprechenden Längsschnitt dar, welcher etwas rechts von der Längsachse des Embryo geführt wurde und die rechte Urniere (urn) an ihrem unteren Rande traf. Dieser Schnitt zeigt uns den Ver- dauungscanal fast in seiner ganzen Länge von dem Munde an bis an den kurzen Darm (dr), von dem nur ein kleiner hinterer, mehr gekrümmter Theil hier nicht zu sehen ist. Die Magenhöhle erscheint in ihrer vorderen Hälfte ziemlich geräumig und mit der schon be- sprochenen Eiweissmasse erfüllt, während sie sich nach hinten hin stark verengert und in das Lumen des Darmes fortsetzt. Die untere Wand des Oesophagus geht unter einer scharfen Einbiegung in die Bauchwand des Magens über, welche man bis in den als ihre unmittelbare Fortsetzung erscheinenden Darm verfolgen kann, wo sie sich an dem Nahrungsdotter bald verliert. Sie besteht aus den nicht hohen, fast cubischen, ziemlich grossen Epithelzellen, welche Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 135 neben und in dem Darme an Umfang bedeutend abnehmen. Die obere (oder vordere) Wand des Oesophagus stellt anfangs eine be- merkbare, durch die starke Verlängerung der Zellen in die Höhe bedingte Verdickung (t) dar, verdünnt sich aber allmälig gegen den Magen hin, an dessen Grenze sie sehr dünn wird und sich ohne alle Biegung in die obere Mägenwand fortsetzt. Die Zellen dieser letzteren nehmen von der Grenze des Oesophagus an schnell an Umfang zu und erreichen bald eine bedeutende Grösse (la). Ihr besonderes Aussehen ist dadurch verursacht, dass im Innern des Protoplasma einer jeden Zelle sich ein Tröpfchen fettartig glänzen- der Substanz vorfindet, welches, immer mehr wachsend, das Zell- protoplasma mit seinem Kerne in die unmittelbare Nähe der Zell- membran drängt. Auf den Durchschnitten scheint diese während des Lebens wahrscheinlich flüssige Masse fest zu sein und in einem deutlich begrenzten Hohlraume, aus welchem sie an den Präparaten oftmals herausfällt, frei zu liegen, was man aber der Einwirkung der Reagentien zuschreiben kann. Sie wird mit Indigocarmin und Haematoxylin sehr leicht und gleichmässig gefärbt und behält dabei ganz ihr homogenes, glashelles Aussehen. Auf einem etwas späteren Stadium füllt diese Substanz die grossen Zellen ganz aus, so dass man den wandständigen Kern mit sehr dünnem Rest vom Proto- plasma auch auf den gefärbten Schnitten nur mit Mühe wahr- nehmen kann. Die auf solche Weise entstandenen, auffallend grossen, glas- hellen Zellen, welche bei der Einwirkung der Chromsäure eine bräunliche Farbe bekommen, erinnern mich sehr an die sogenannten Dotterpyramiden, aus welchen im Flusskrebseie das Entoderm zu- sammengesetzt ist '), und dadurch wird es noch wahrscheinlicher, dass auch hier die sich in den Magenzellen ablagernde Substanz auf Kosten des Magendotters ihren Ursprung nimmt. Auf dem in Fig. 82 abgebildeten Längsschnitte biegt sich die aus den so veränderten Elementen gebildete obere Magenwand (la) an der Grenze des Nahrungsdotters um, dehnt sich eine Strecke lang auf der gegen den Magen gerichteten Oberfläche desselben aus und hört bald auf. Von dieser Stelle an bis an die dem Dotter 1) Siehe meine russische Arbeit »Ueber die Entwickelung des Fluss- krebses und des Palaemon« in den Schriften der Kiew’schen Gesellschaft der Naturforscher (Bd. III, Heft 2). 136 N. Bobretzky: anliegende Darmwand ist die Magenhöhle unmittelbar von dem Nah- rungsdotter begrenzt, welcher an seiner, gegen die Magenhöhle ge- richteten Fläche eine sehr dünne helle Schicht, aber keine Kerne sehen lässt. Was aber die mit Kernen versehenen Protoplasma- klumpen betrifft, welche in den vorigen Stadien einer jeden Dot- terkugel angehörten, so glaube ich annehmen zu können, dass sie bei der Erweiterung der yprimitiven Magenhöhle sich den Rändern der Magenwand anschliessen und dadurch den Nahrungsdotter ent- blössen. Fig. 83 stellt uns einen anderen von demselben Embryo an- gefertigten Längsschnitt dar, welcher etwas näher der Längsachse des Körpers geführt wurde und den Darm (dr) nur in seinem Analende traf. Die Bauchwand des Magens zeigt hier eine eben solche Umbiegung wie die obere Magenwand, ohne diese letztere zu erreichen. Die weitere Ausbreitung der aus den in der beschriebenen Weise veränderten Zellen gebildeten Abtheilung des Magens zeigt uns klar, dass dieselbe zur Bildung der Leber dient. Ich werde sie darum als »Lebersack« und ihre Elemente als »Leber- zellen« bezeichnen. Der Lebersack dehnt sich an der linken Seite des Embryo immer weiter nach hinten, den Nahrungsdotter über- deckend, aus, bis er in seinem fortschreitenden Wachsthum endlich das hintere, kuppelartig gewölbte Ende der Schale erreicht. Seine Beziehungen zu dem Darmcanal sowohl als auch zum Nahrungs- dotter können wir uns auf Durchschnitten zur Ansicht bringen. Fig. 54 stellt uns einen dem in Fig. 69 abgebildeten Stadium ent- sprechenden Längsschnitt dar, welcher nahe der linken Seitenfläche des Embryo geführt wurde, so dass er den Lebersack in seiner grössten Länge traf. Der geräumige, mit homogener Eiweissmasse erfüllte Lebersack erscheint hier nach hinten schon ganz geschlossen, während er auf den anderen, näher der Medianlinie des Embryo geführten Längsschnitten noch immer weit gegen den Nahrungs- dotter geöffnet ist. Die Wände des Lebersacks gehen unmittelbar in die des Magens über, obschon die Grenze zwischen diesem und jenem, des grossen Unterschieds im histologischen Bau wegen, ganz klar hervortritt. Eine Reihe der hinter einander geführten Querschnitte er- klären uns noch mehr. In Fig. 85 sehen wir einen Querschnitt, welcher durch die beiden Urnieren und den Fuss geführt wurde Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 137 und den Magen so eben hinter der Mündungsöffnung des Oesopha- gus traf. Der Magen (mg) erscheint hier sehr geräumig, fast die ganze über dem Fusse liegende Körperhöhle erfüllend. Seine Bauch- wand ist aus grossen, beinahe cubischen Zellen zusammengesetzt, während die Seitenwände des Magens auffallend dünn sind und aus sehr platten, breiten Zellen bestehen. Die Magenzellen zeigen auf ihrer inneren Oberfläche ein feines Wimperkleid. An der Rücken- seite des Magens treten schon in diesem Querschnitte die Leber- zellen (la) hervor. — Auf dem etwas weiter nach hinten geführten Querschnitte (Fig. 86) finden wir, dass die Leberelemente fast aller- ‚seits die Verdauungshöhle umgrenzen und nur an der Bauchwand eine kleine Stelle (mg) übrig bleibt,, welche noch durch die Magen- zellen eingenommen ist. Ich habe in dieser Figur einige Leber- elemente so gezeichnet, wie dieselben nach dem Herausfallen der sie erfüllenden glashellen Substanz aussehen. Sie zeigen dann im Innern einen grossen Hohlraum (lz), welcher seiner Form nach dem herausgefallenen Stücke ganz entspricht und welcher auf dem Durch- schnitte mit der dünnen Zellwand wie mit einem Rahmen umgrenzt ist. An einer, nicht für alle Leberelemente gleichen Stelle findet man einen dicht der Zellwand anliegenden Kern, welcher von einer sehr dünnen Schicht Protoplasma umgeben ist. Die Leberelemente haften fest an einander. so dass man sie nur mit Mühe isoliren kann. Die, die Verdauungshöhle erfüllende Eiweissmasse bleibt auf den Durchschnitten an der inneren Oberfläche des Lebersacks dicht kleben, während sie von der wimpernden Magenwand frei absteht. Der noch mehr nach hinten geführte Querschnitt von demsel- ben Embryo (Fig. 87) zeigt uns schon, dass der Lebersack nur die grösste linke Hälfte des Schnittes einnimmt, während die rechte Hälfte von dem Nahrungsdotter eingenommen ist. Der schmale kleinzellige Streifen (mg‘), welchen wir im vorhergehenden Schnitte gesehen haben, ist hier noch mehr verengert und auf die rechte Seitenfläche des Embryo verrückt, wo er links in die Wand des Lebersacks übergeht und mit seinem rechten Rande dem Dotter anliegt. Der Lebersack ist nicht mehr geschlossen, stellt aber an seiner rechten Seite eine Lücke dar, wo der Nahrungsdotter seine Höhle unmittelbar begrenzt. Auf dem nach hinten folgenden Querschnitte (Fig. 88) bemer- ken wir an der kleinzelligen Stelle einen schmalen, nach rechts ge- richteten hohlen Vorsprung (dr), welcher nichts anderes als der 138 N. Bobretzky: . schief geschnittene Darm ist. Endlich zeigt uns der durch den hin- tersten Theil des Lebersacks geführte Querschnitt (Fig. 89) die Wand desselben sichelförmig gebogen und weit gegen den Dotter geöffnet. An ihren Rändern hört die Wand des Lebersacks plötzlich auf, und da die Leberzellen sich fortwährend vergrössern und keine Zeichen der Theilung sehen lassen, so muss man annehmen, dass der Lebersack fast ausschliesslich durch das Wachsen seiner Zellen, zu welchen an seiner vorderen dem Magen anliegenden Grenze immer neue Zellen hinzutreten, zunimmt und sich weiter und weiter ausdehnt. Der in Fig. 70 abgebildete Embryo zeigt uns auch die erste Anlage der Kiemenhöhle in Gestalt einer sichelförmigen Einsenkung (kmh), welche an der rechten Seite des Embryo, in einiger Entfer- nung vor dem Mantelrande liegt. Neben dem rechten Ende der Kiemenhöhlenanlage bemerken wir eine kleine Stelle (nr), an welcher die Eetodermzellen sich scharf von den in ihrer Umgebung liegenden Elementen unterscheiden. Sie sind viel grösser an Umfang, ragen an der Körperoberfläche hügelartig hervor und enthalten im Innern viele glänzende Bläschen, welche schon bei einem leichten Druck nach aussen ausgeleert werden. Bei der weiteren Austiefung der Kiemenhöhle wird auch die aus den so veränderten Ectodermzellen gebildete Stelle in dieselbe hineingeschoben, wo sie der bleiben- den Niere den Ursprung giebt. Die Niere der Gastropoden bildet sich also aus den veränderten Ectodermzellen, wie es schon aus vorhergehenden Untersuchungen wahrscheinlich erschien, und bei einigen Gastropodenembryonen konnte ich ihre Anlage schon dann bemerken, wenn man von der Kiemenhöhle noch keine Spur sieht. Die Anlage der stationären Niere sieht dann den Urnieren sehr ähnlich und unterscheidet sich von denselben hauptsächlich durch ihre symmetrische Lage an der rechten Seite des Embryo, weit hinter der Urniere, fast in einer queren Ebene mit dem Afterende des Darms, nebst welchem sie allmälig nach vorn rückt. Ich gebe in Fig. 100 die Zeichnung eines Embryo, welcher nach der Form der Eikapseln dem Murex echinatus angehören dürfte und welcher uns ein sehr frühes Auftreten der Nierenanlage sehen lässt. Rechts von der Nierenanlage, in einiger Entfernung, sehen wir in Fig. 70 das am Rande des stark nach aussen gewölbten Nahrungs- dotters durchschimmernde Afterende des Darms (ad). Auch um diese Zeit erscheint der Darm als ein noch kurzer, gekrümmter, Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 139 blindgeschlossener Zapfen, welcher mit der fortschreitenden Aus- bildung der Kiemenhöhle stark in die Länge wächst. So zeigt uns Fig. 71 den Darm schon als ein langes, enges, zwischen dem rechten Rande der Kiemenhöhle einerseits und dem Nahrungsdotter andererseits liegendes Rohr, welches schon nach aussen ausmündet und eine starke Wimperbewegung im Innern erkennen lässt. Neben dem Darmrohr sieht man die Nervenanlage als einen dunklen Streifen (nr), welcher am Rande der Kiemenhöhle bis an das sich neben dem hinteren Ende derselben bildende Herz (hz) reicht. Die Querschnitte (Fig. 90) zeigen uns, dass die Nierenanlage (nr) um diese Zeit die Gestalt einer halbeylindrischen Rinne hat, deren Ränder sich zu schliessen beginnen und deren Wand aus sehr grossen, viele Hohlräume mit dunklen glänzenden Concrementen enthaltenden Zellen besteht. In der Decke der Kiemenhöhle bemerken wir eine dichte Anhäufung von Mesodermzellen (kv), inmitten deren eine kleine, auf dem Durchschnitte mit feinkörniger Masse ausgefüllte Höhle auftritt. Um diese Höhle herum gruppiren sich Mesoderm- zellen derart, dass sie einen besonderen, deutlich begrenzten Haufen bilden. In diesem mit einer sich bildenden: Höhle versehenen Haufen wäre vielleicht die Anlage der Kiemenvene zu sehen. Der in Fig. 71 abgebildete Embryo zeigt uns das Larvenherz (th) auf der Höhe seiner Ausbildung. Hinsichtlich des Baues dieses provisorischen Organs, welches nebst den Urnieren bei den Proso- branchiern sehr verbreitet erscheint, stimmen meine Beobachtungen in den Hauptzügen mit der von Salensky für Calyptraea gegebe- nen Beschreibung überein. Es ist ein umgewandelter Theil der Körperwand, welcher rhythmische Contractionen zeigt und aus dem sehr dünnen, nicht wimpernden Ectoderm und den demselben dicht anliegenden verzweigten Muskelzellen besteht. Eine jede von den Muskelzellen lässt einen ziemlich grossen ovalen Kern sehen, welcher von dem die Ausläufer entsendenden Protoplasma umgeben ist. Die Hauptausläufer der Muskelzellen liegen quer zur Längsachse des Embryo und anastomosiren mit einander durch ein Netz von sehr feinen Aestchen. Der Nahrungsdotter liegt jetzt ganz in der vorderen Hälfte der Schale, an der rechten Seite des Embryo, unmittelbar unter der Körperwand und erscheint noch immer aus vier ganz deutlich begrenzten Kugeln zusammengesetzt, während die ganze hintere spiralgewundene Hälfte der Schale von dem aus colossal grossen 140 N. Bobretzky: Zellen bestehenden Lebersacke (la) eingenommen ist. Dieser letztere ist schon, wie uns der Querschnitt zeigt (Fig. 91), in seinem hinteren Theile gegen den Nahrungsdotter abgeschlossen, welcher nur neben der Einmündungsstelle desDarmes mit der Magenhöhle und der von derselben noch nicht abgegrenzten Höhle des Lebersacks in offener Communication steht. Da der Nahrungsdotter eine röthliche Farbe hat, so macht er sich dadurch leicht bemerklich, und man kann sich überzeugen, dass sich in der Magenhöhle gewöhnlich kein Dotter findet und dass an der Stelle, wo der Nahrungsdotter die Magen- höhle schliesst, die Grenze zwischen dieser und jenem ganz klar und scharf hervortritt; bei dem geringsten Drucke auf den Embryo dringen aber die Dotterbläschen in die Magenhöhle sehr leicht ein. Ich konnte, trotz alles Bemühens, die weitere Ausbildung des Darmcanals auf Durchschnitten nicht verfolgen. Es bleibt mir nur zu bemerken, dass auch bei den aus ihren Kapseln ausgeschlüpften Embryonen der Nahrungsdotter noch an der rechten Seite des Magens, zwischen den Leberlappen übrig bleibt und erst während des freien Lebens des Embryo allmälig verbraucht wird. Was aber die von mir bis jetzt als Leberelemente bezeichneten grossen Zellen betrifft, so erleiden sie noch bedeutende Veränderungen, ehe sie sich in die wirklichen Secretionszellen der Leber verwandeln. Den Weg dieser Umwandlung erklären uns die schönen Untersuchungen von Leydig über Paludina vivipara. Auch bei den Embryonen der letztgenann- ten Schnecke besteht die erste Anlage der Leber aus grossen Zellen, welche »von Anfang an fettzellenähnliche Umrisse und desshalb auch bei auffallendem Lichte ein weissliches Aussehen haben«!). Die anfänglich einfach kuglige Lebermasse zertheilt sich später all- mälig in immer kleinere Lappen, bis es zur Bildung der läng- lichen Leberfollikeln gekommen ist, während »die fetthaltigen Zellen durch Umwandlung ihres Inhalts in gallenstoffhaltige unmittelbar übergehen«. Die Anlagen der Nervenganglien kommen sehr spät zum Vor- schein, wenn der Lebersack schon gut ausgebildet ist und beinahe die ganze linke Seite der hinteren Hälfte des Embryo einnimmt. Die Gehirnganglien und die Fussganglien bilden sieh fast zleichzeitig, jene in der unmittelbaren Nähe der Augen, diese diclıt neben den 1) Zeitschr. für wiss. Zoologie. Bd. II. 1850, p. 143, 167—168, Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 141 Gehörbläschen, die Ganglien der linken Seite also ganz von einander und von denen der rechten Seite abgesondert. Obschon ich auf Durchschnitten, welche allein in der Frage nach der Herkunft der Nervenelemente entscheidenden Aufschluss zu geben im Stande sind, oftmals die ersten Anlagen der Nerven- ganglien bemerken konnte, fand ich dieselben niemals mit dem Ecto- derm unmittelbar verbunden und kam ich demgemäss bezüglich der Bildung des Nervensystems zu einem Schlusse, welcher mit den all- gemein herrschenden Ansichten in keiner Uebereinstimmung steht. Die erste Anlage des Fussganglions sieht man auf dem in Fig. 85 dargestellten Querschnitte. Vor Allem bemerken wir hier, dass die Bauchwand des Fusses sehr dünn und aus den schon beschrie- benen wimpernden Zellen zusammengesetzt ist, während an den Seitenflächen des Fusses das Ectoderm sich verdickt und aus hohen cylindrischen Zellen gebildet erscheint. An der Grenze zwischen Fuss und Körper, wo die Seitenwand jenes, allmälig an Dicke ab- nehmend, in,das dünne, von den Urnieren bedeckte obere Blatt des Körpers übergeht, sehen wir das Gehörbläschen (Gb). Die Ent- stehung der Gehörbläschen habe ich oben beschrieben. Bald nach ihrer Bildung zeigen sie dicke, aus einer Schicht von rundlichen Zellen bestehende Wände und eine sehr kleine innere Höhle, welche bei dem weiteren Wachsthum der Gehörsbläschen immer mehr zu- nimmt, während die Wände sich verdünnen. Auf dem angeführten Durchschnitte (Fig. 85) sieht man schon im Innern des Gehörbläs- chens einen kleinen stark glänzenden, kugeligen Otolithen, welcher der Wand des Bläschens noch dicht anliegt. Von dem einen Ge- hörbläschen zu dem andern geht quer durch die Körperhöhle ein feiner Faden hin, welcher aus den mit einander verbundenen spindel- förmigen Mesodermzellen besteht. Die Verbindung der Gehörbläs- chen mit der Körperoberfläche konnte ich nicht mehr finden, ob- schon auf einigen Schnitten (Fig 96) an dem Gehörbläschen ein kleiner zugespitzter, zum Gehirnganglion gerichteter Vorsprung zu sehen ist. Unter dem Gehörbläschen, demselben und dem Eetoderm dicht anliegend, findet sich in Fig. 55 ein kleiner, nicht scharf begrenzter Zellenhaufen (fg), welcher die Anlage des Fussganglions darstellt. Die kleinen rundlichen Zellen, aus welchen die Ganglienanlage be- steht, sind den jungen, nicht verlängerten Mesodermzellen, denen wir noch in der Nähe begegnen, sehr ähnlich. Sie ragen auf der 142 N. Bobretzky: Oberfläche des Haufens hervor, wodurch dieser sehr ungleich und hügelig wird. Obschon die Ganglienanlage.dem Ectoderm dicht an- liegt, ist die Grenze zwischen beiden sehr scharf, und ausserdem unterscheiden sich die Ectodermzellen an dieser Stelle von denen des Haufens zu sehr, um eine Theilnahme des Eetoderms bei der Bildung desselben zulassen zu können. Die sehr geringe Grösse der Ganglienanlage, ihre unbestimmte Form und ungleiche Ober- fläche, Alles spricht gegen die Vermuthung, dass die Ganglienanlage durch eine locale Verdickung und Abschnürung des Ectoderms ge- bildet sei. Auf den Durchschnitten durch die der Bildung des Ner- vensystems vorhergehenden Stadien konnte ich niemals eine mehr- schichtige Ectodermverdickung finden, welche der Ganglienanlage den Ursprung zu geben vermöchte. Noch weniger Grund haben wir, hier die Bildung der betreffenden Ganglienanlage durch eine Eetodermeinstülpung zu vermuthen. Alles hingegen führt uns zu dem Schlusse, dass die Ganglienanlage als eine An- häufung von Mesodermzellen entsteht. Fast auf gleicher Stufe der Ausbildung finden wir die Anlage des Fussganglions auch in Fig. 92, welche uns dazu die Anlage des Gehirnganglions (gg) sehen lässt. Ich gebe in Fig. 93 von dem- selben Embryo noch einen andern Querschnitt, in welchem man die Gehirnganglienanlage sieht. Alles von mir über die Fussgang- lienanlage Gesagte trifft auch bei der Anlage des Gehirnganglions zu, mit dem Unterschiede, dass diese letztere dem Auge, wie jene der Gehörkapsel, anliegt. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass der kleine Zellenhaufen, welcher die Anlage des Ganglions bildet, nur undeutlich von den benachbarten Mesodermzellen abge- grenzt ist. Das Auge erscheint in Fig. 92 als ein kleines Bläschen (au), dessen ziemlich dicke, aus einer Schicht von rundlichen Zellen be- stehende Wand eine kleine Höhle umschliesst. An der inneren Oberfläche des Augenbläschens beginnt schon ein schwarzes Pigment !) sich abzulagern, mit Ausnahme einer engen Stelle, wo man die sehr kleine, der Wand des Augenbläschens anliegende Anlage der Linse bemerkt, welche ihrem Aussehen 'nach an den Otolithen der Gehör- bläschen erinnert. 1) Nach Carl Rabl (l.c.p. 209) soll das Auge bei Pulmonaten anfangs als einfacher Pigmentfleck (!) erscheinen, welcher sich später (!) grubenförmig vertieft und von dem Ectoderm abschnürt. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 143 Ueber dem Auge und der diesem anliegenden Anlage des Ge- hirnganglions findet sich eine etwas nach aussen gewölbte, aus cylin- drischen Zellen gebildete Ectodermverdickung (fh), welche sich ver- dünnend, nach oben in das wimpernde Ectoderm der Kopfblase (kb) und nach unten in die obere. Wand des Segels übergeht. Diese Verdickung dient später zur Bildung des Fühlers. Auf den angeführten Querschnitten erscheint uns das Segel als eine stark nach aussen hervorragende Hautfalte (sg), an deren Rande grosse mit langen Wimpern versehene Zeilen liegen. Die beiden Wände des Segels stehen noch weit von einander ab, und ‘ die Entfernung zwischen ihnen vermindert sich allmälig mit der Ausbildung der Muskelzellen im Segel (Fiz. 95 sg.). Die weitere Entwickelung der oben beschriebenen zwei Paare von Ganglienanlagen besteht in dem fortschreitenden Wachsthum und der schärferen Abgrenzung derselben von den umgebenden Ge- weben (Fig. 94 und 95). Dabei nähern sich die beiden Fussganglien immer mehr einander, bis sie sich endlich unter dem Oesophagus berühren (Fig. 97). Im Fusse entwickelt sich indessen ein immer dichteres Netz von spindelförmigen, durch Ausläufer verbundenen Zellen, so dass die Ganglienanlagen, welche früher in der Körper- höhle frei lagen, bald in dasselbe eingehüllt werden. Die Gehirn- ganglien, über welche sich die Fühler (Fig. 95 fh) bilden, nähern sich allmälig dem Oesophagus und senden über demselben einen feinen Ausläufer einander zu, die spätere Commissur. So sehen wir in Fig. 96, dass das Gehirnganglion (gg) sich aufwärts in einen sehr dünnen Strang (oc) fortsetzt, welcher über dem Oesophagus gegen das andere (in der Zeichnung nicht dargestellte) Ganglion sich wendet. In diesem Strange bemerkt man nebst den kleinen Zellen auch eine helle, sehr feingestreifte Substanz. Abwärts sendet das betreffende Gehirnganglion gegen die Gehörkapsel einen dicken Fortsatz (Ue), welcher, wie es uns ein nachfolgendes Stadium (Fig. 97) zeigt, mit dem entsprechenden Fussganglion in Verbindung tritt. Es wird dadurch der den Oesophagus umgebende Ganglienring vollständig geschlossen. Fig. 97 und Fig. 98 stellen uns zwei von demselben Embryo angefertigte etwas schiefe Querschnitte durch den Oesophagus und seinen Ganglienring dar, an welchen diese Verhältnisse zu über- sehen sind. } Auf dem in Fig. 99 abgebildeten Längsschnitte sieht man dicht 144 N. Bobretzky: hinter dem Fussganglion noch einen dritten Ganglienknoten, welcher das Visceralganglion darstellt. Die Bildung des letzteren habe ich nicht genauer verfolgt. Zwischen dem Visceralganglion bildet die untere Oesophaguswand ein taschenförmiges Divertikel, welches die sogenannte Zungenscheide (zs) darstellt. Ill. Zur Embryologie der Natica. (Fig. 42—53). Während der Monate März bis Mai erhielt ich öfters sonder- bare, breite, aus zusammengeklebten Sandkörmern gebildete Streifen welche in Gestalt eines weiten Trichters zusammengerollt erschienen. In diesen Streifen lagen reihenweise kleine, zarte, nur ein einziges Ei enthaltende kugelrunde Kapseln. Die Maasse dieser Sandtrichter betrugen bei einem derselben an der grösseren Oeffnung bis 100 Mm., an der kleineren etwa 50 Mm. bei einer Höhe von 35 Mm. Die Beschreibung des Laichs von Natica in der Britisch Conchology von John Gwyn Jeffreys!) entspricht diesen Bil- dungen ganz, und die hinreichend alten Embryonen liessen nach der Form ihrer Schale und besonders ihres Deckels eine Aehnlichkeit mit Natica klar sehen. Ich habe zwei verschiedene Sorten von solchen Sandstreifen beobachtet, welche wahrscheinlich zweien Naticaarten angehören, Die eine derselben war aus feinkörnigem Sande gebildet und ent- hielt in ihren Kapseln kleine gelbliche Eier, während die andere, gewöhnlich etwas grössere, aus groben Sandkörnern zusammengesetzt war und ihre grauweissen Eier beinahe 1,2 Mm. massen. Die nachstehenden Bemerkungen beziehen sich vorzüglich auf diese letzteren Eier. Der Furchungsprocess geht in den früheren Stadien ganz ähn- lich vor sich, wie bei den vorher beschriebenen Eiern. Eine Ab- weichung tritt nur dann ein, wenn die helle Zellenschicht die ganze Bildungsseite des Eies schon bedeckt und auf die gegenüberliegende Eifläche sich auszubreiten beginnt. Um diese Zeit hat das Ei die Gestalt einer dicken rundlichen oder auch etwas viereckigen, plan- convexen Scheibe, an deren flacher Seite vier grosse Furchungs- 1) Vol. IV, p. 215—214. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 145 kugeln unbedeckt liegen. Bald darauf bildet sich im Centrum dieser letzteren Eioberfläche, also dem Bildungspole des Eies genau gegen- über, eine anfangs flache Grube, welche sich allmälig vertieft, und das Ei wird dadurch concavconvex. Inzwischen beginnen auch die grossen Furchungskugeln sich zu theilen, und jede von ihnen zerfällt bald in zwei mehr oder minder gleiche Hälften, so dass wir endlich acht grosse, aus dem Nahrungsdotter bestehende Furchungs- kugeln erhalten; die Theilung geht aber jetzt und auch weiterhin nicht in allen Furchungskugeln gleichzeitig vor sich, so dass die Zahl der Furchungskugeln unregelmässig zunimmt. " Fig. 42 stellt uns einen Durchschnitt durch ein Ei dar, an welchem die Grube schon ganz klar ausgeprägt ist, obschon sie noch sehr flach erscheint. Wir bemerken hier, dass fast die ganze gewölbte Oberfläche des Eies von hellen Blastodermzellen bedeckt ist, welche am Bildungspole des Eies, dem Centrum der Grube gegenüber, noch umfangreich und hoch sind, sich aber zur Peripherie hin immer mehr abplatten. Vier grosse Furchungskugeln, welche man auf dem Durchschnitte sieht, bilden den Grund und die Seiten- flächen der Grube, und jede von ihnen besitzt einen verhältniss- mässig sehr grossen, mit 1—3 Kernkörperchen versehenen, blasen- förmigen Kern, welcher nahe der die Grube begrenzenden Oberfläche der Furchungskugel, mit einer geringen Menge von heller Bildungs- substanz umgeben liegt. Der aus den dicken Zellen bestehende centrale Theil des Blastoderms steht etwas von den Furchungs- kugeln ab, während an der Peripherie die sehr platten Blastoderm- zellen dicht den letzteren anliegen. Mit der fortschreitenden Vertiefung der Grube, erheben sich ihre Ränder immer mehr und wachsen gegen einander, die Oeffnung der Grube allmälig verengend, während die gegenüberliegende Fläche des Eies sich stark hervorwölbt (Fig. 43). Die Erhebung der Ränder macht sich besonders an einer Seite der Grube bemerk- lich, wo die Furchungskugeln sich etwas schneller theilen. So ist in Fig. 43 die schon ziemlich tiefe Grube von fünf Furchungskugeln umgränzt, deren zwei den Boden bilden, während wir an den Seiten- flächen der Grube links nur eine und rechts zwei Furchungskugeln sehen. Man sieht, dass dieses Stadium ganz der so genannten Gas- trula entspricht, und wir können auch schor zwei Keimblätter unter- scheiden. Die helle Zellenschicht, welche die jetzt stark gewölbte Oberfläche des Eies bedeckt und am Rande der Oeffnung der Grube Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 13. 10 146 N. Bobretzky: aufhört, bildet das Ecetoderm, während das Entoderm durch die Oefinung der Einstülpung sehr verengert ist. Die Ectodermverdickung, welche früher an dem der Grnbe gegenüberliegenden Eipole lag, rückt etwas abwärts, und ihre Zellen nehmen eine cylindrische Form an. Die weitere Beobachtung erweist, dass diese schildförmige Ecto- dermverdickung (schg) der Vorgänger der Schalengrube ist, welche sich etwas später an dieser Stelle bildet. Wir können nun also sagen, dass die Seite des Eies, an welcher sich die Ectodermzellen etwas schneller theilen, der Hinterseite des Embryo entspricht. Die kleine Einstülpungshöhle liegt auf dem in Fig. 44 abge- bildeten Durchschnitte beinahe im Centrum des Eies und mündet nach aussen durch einen engen Canal (x) aus. Durch die allmälige Annäherung seiner Wände verengert sich bald dieser letztere fast bis zum Verschwinden, und an der Stelle der früheren Gastrulaöffnung bleibt nur eine kleine conische Grube übrig, an deren Boden die Eetodermränder mit einander verwachsen. Die an der Stelle der früheren Gastrulaöffnung entstandene, vom Eetoderm ausgekleidete Grube wird zur Anlage des Vorder- darms mit der Mundöffnung. Es gelang mir nicht, das allererste Auftreten der Anlage des Vorderdarms auf Durchschnitten Schritt für Schritt zu verfolgen. Da aber die Schalengrube noch vor der vollständigen Schliessung der Gastrulaöffnung zum Vorschein kommt und schnell ihre grösste Ausbildung erreicht, so konnte ich mich bei der Betrachtung der Eier gut orientiren und dadurch die Ueber- zeugung gewinnen, dass der Mund ganz an der Stelle der früheren Gastrulaöffnung entsteht. Ich gebe in Fig. 45 einen Schnitt durch das Stadium, auf welchem der Mund schon ganz klar ausgebildet ist. Der durch die Schalengrube und den Mund (md) geführte Längsschnitt zeigt uns den Vorderdarm als eine kleine, trichterförmige Ectodermeinstülpung, welche nach aussen weit geöffnet und an ihrem gespitzten Ende blind geschlossen ist. Die eylindrischen Zellen, welche den Vorder- darm bilden, setzen sich eine Strecke weit auch in das die Mund- öffnung umgebende Ectoderm fort und erreichen die grösste Höhe in einem gewölbten Vorsprung (fs) der Körperwand, welcher sich unmittelbar hinter dem Munde bemerklich macht und in welchem wir die erste Anlage des Fusses erkennen. Das die kleine centrale Höhle umgrenzende Entoderm ist aus wenigen (auf dem Durch- schnitte nur 7) grossen, mehr oder minder conischen Zellen zu- Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 147 sammengesetzt, welche fast ganz und gar aus Dotterbläschen be- stehen und nur an ihren zugespitzten, gegen die Centralhöhle ge- richteten Ende eine kleine Menge von heller feinkörniger Substanz mit einem grossen Kerne sehen lassen. Der Vorderdarm dringt von Aussen in einen engen Zwischenraum ein, welchen die Ento- dermzellen an der Bauchseite zwischen einander lassen und welchen man als eine kleine Spalte (sp) von dem blinden Ende des Vorder- darms bis in die Centralhöhle verfolgen kann. Diese von dem Ende der Mundeinstülpung in die Centralhöhle führende Spalte, welche auf mehreren Durchschnitten leicht zu schen ist, stellt uns die letzte Spur des Canals dar, durch welchen früher die Gastrulahöhle nach aussen mündet, und beweist uns zweifellos, dass der Mund sich an der Stelle der sich schliessenden Gastrula- öffnung bildet. Ueber die Entstehungsweise des Mesoderms, dessen kleine ovale Zellen wir auf dem Durchschnitte in der Umgebung des Vorder- darms und der Schalengrube zerstreut finden, kann ich nichts sicheres sagen. Ich will nur bemerken, dass man auf den von mir früher be- schriebenen Schnitten noch keine Spur von Mesoderm sieht, was beweist, dass das Mesoderm sehr spät, erst im Gastrulastadium, auftreten müsse. Derselbe Schnitt (Fig. 45) zeigt uns auch die Schalengrube (schg) in ihrer vollen Ausbildung. Die verdickten Ränder der Schalengrube treten fast zusammen und lassen nur eine kleine Oefinung übrig. Oftmals habe ich die Beobachtungen von H. Fol über das anormale Wachsthum der Schalengrube auch bei Natica- embryonen bestätigen können. Wenn man die Eikapseln eine lange Zeit in kleinen Gefässen mit Meerwasser liegen lässt, so zeigen ge- wöhnlich die sich in solchen Kapseln entwickelnden Embryonen eine ausserordentliche Ausbildung der Schalengrube. Diese letztere nimmt in der Breite sowohl als auch nach der Tiefe zu, und in ihrer Höhle sammelt sich eine glänzende Masse an, welche wie ein Pfropfen die kleine Oeffnung zustopft und nach aussen hügelartig hervorragt. Oftmals auch schliesst sich die Oefinung der Schalengrube ganz durch Verwachsen ihrer Ränder. In solchen Fällen kann dann, da die Grube sich nicht der Fläche nach auszubreiten vermag, keine Schale gebildet werden. Beiläufig will ich bemerken, dass ein anderes für die sich unter unnatürlichen Bedingungen entwickelnden Embryonen wichtiges Mo- ment die Bildung der Kiemenhöhle ist. 148 N. Bobretzky: Bei der weiteren Entwickelung wächst die Fussanlage schnell in die Höhe und grenzt sich immer mehr von dem übrigen Körper ab. An der hinteren, fast senkrecht zur Körperoberfläche stehenden Seite des Fusses macht sich sehr früh die Anlage des Deckels be- merklich. Seitwärts, am Grunde des Fusses bilden sich die kleinen Urnieren. Der früher weite trichterförmige Mund verengert sich in eine kleine quere Oefinung (md), und vor demselben tritt die Segel- . anlage als ein dicker querer Wall (sg) auf, welcher sich an seinen Enden etwas nach vorne krümmt und bald mit langen Wimpern bekleidet (Fig. 47). Die Schale beginnt besonders stark zu wachsen, so dass sie die ganze hintere Hälfte des Embryo bedeckt, welcher dabei seine frühere ovale Form in eine längliche verändert. Bei dem in Fig. 49 abgebildeten Embryo nehmen der schon grosse Fuss (fs) nebst dem stark vorspringenden, die Segel tragenden Kopftheile des Embryo das mittlere Drittel der Bauchfläche ein. Die Schale bedeckt schon das hintere Drittel des Körpers und ihre Ränder reichen fast bis zum Fusse. An der rechten Seite des Embryo, zwischen der Urniere und der ringförmigen Ectodermver- dickung, welche den Mantelrand (mr) darstellt, findet sich die noch sehr kleine Anlage der Kiemenhöhle (kmh). Dieselbe liegt anfangs so nahe dem Fusse, dass sie auch bei der Betrachtung des Embryo von der Bauchfläche aus (Fig. 49B) klar zu sehen ist. Bei der weiteren Entwickelung dehnt sie sich allmälig zum Rücken hin aus (Fig. 50), und vor der Kiemenhöhle bildet sich das Larvenherz. Der hintere von der Schale bedeckte Theil des Körpers wächst immer mehr auf Kosten des vorderen, welcher nach und nach ab- nimmt, der stark entwickelte Fuss und der Kopftheil mit den Segeln werden allmälig nach vorne gerichtet, und endlich bekommt der Embryo die Fähigkeit, sich ganz in der Schale zu verbergen. Nach diesen kurzen Bemerkungen über die äussere Ent- wickelung des Embryo, wende ich mich zur Beschreibung der Bildung des Darmcanals. Nebst dem sehr schnellen Wachsthum der Schale tritt auch sehr früh die Krümmung des Darmcanals auf, was die Untersuchung der Beziehungen, in welchen seine Abtheilungen zu einander stehen, auf Durchschnitten sehr erschwert. Ein anderes Hinderniss für die Unter- suchung besteht darin, dass auf den Durchschnitten dieGrenzen der einzelnen Entodermzellen sich gewöhnlich verwischen, die Kerne der- selben sehr schwer zu finden sind, auch die Centralhöhle wenig scharf Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 149 abgegrenzt erscheint. Deswegen konnte ich, trotz aller Mühe, die im Bereiche des Entoderms auftretenden Veränderungen nur sehr unvollständig verfolgen. Indem der Vorderdarm in die Länge wächst, fahren die grossen Entodermzellen, wie es die oberflächliche Betrachtung zeigt, sehr langsam sich zu theilen fort, und nur in dem hinteren Theile des Entoderms geht diese Theilung etwas schneller vor sich. Bei den in Chromsäure erhärteten und der Längsaxe nach halbirten Embryonen konnte ich eine sehr enge, rückwärts gehende Verlängerung der Centralhöhle beobachten (Fig. 40 dr), welche von den verhältniss- mässig kleinen Entodermzellen begrenzt ist und nahe dem Ectoderm, an der Stelle endet, wo bei den jungen Gastropodenembryonen das Analende des Darmes liegt. Der in seinem mittleren Theile ziem- lich erweiterte Oesophagus biegt sich mit seinem verengerten blinden Ende leicht rückwärts um und reicht bis in die Nähe der Central- höhle, nicht weit von der Stelle, wo die soeben besprochene Ver- längerung derselben beginnt, während die Centralhöhle (ch) sich vorzüglich nach vorne ausdehnt. Dass die beschriebene Verlängerung der centralen Entoderm- höhle zur Darmhöhle werden soll, muss ich nicht nur aus ihrer Lage, sondern auch daraus schliessen, dass ich auf Durchschnitten durch ein etwas älteres Stadium an der entsprechenden Stelle den Darm finden konnte. So zeigt uns der in Fig. 48 abgebildete etwas schiefe Längsschnitt das Analende des Darmes (dr) als einen kleinen hohlen Zapfen, welcher an der Bauchseite des Embryo, vor der den Schalenrand tragenden Ectodermverdickung (mr), im Dotter liegt und aus kleinen, mit Dotterbläschen erfüllten Zellen gebildet ist. Das enge Lumen dieses Zapfens setzt sich eine Strecke in den Dotter als ein schmaler Riss fort, ich konnte aber nur am hinteren blinden Ende des Darmes die Zellen mit ihren von Indigocarmin gefärbten Kernen deutlich unterscheiden. Obschon der angeführte Schnitt uns nur sehr dürftige Angaben über die Bildung des Darmes giebt, beweist er dennoch zur Genüge, dass der Darm wirklich aus dem Entoderm entsteht. Die oben be- schriebene, durch eine lokale Theilung der Entodermzellen verur- sachte canalartige Verlängerung der Centralhöhle ist der Ausgangs- punkt der Bildung des Darmes, welche vom hinteren oder Analende desselben allmälig nach vorne geht, indem die Darmzellen, sich immer vermehrend, von Dotterbläschen etwas frei werden und ein 150 N. Bobretzky: epithelartiges Aussehen annehmen. Da aber, wie wir es in Fig. 46 gesehen haben, der primitive Darm in die Centralhöhle nicht weit von dem blinden Ende des Oesophagus einmündet, so muss er bald in Verbindung mit diesem treten, und es scheint dann, als ob der Darm eine unmittelbare Fortsetzung des Oesophagus wäre. Leider war ich nicht im Stande, besonders der früh auftretenden starken Krümmung des Darmcanals wegen, die Beziehungen des Darms zum Magen und dieses letzteren zum Oesophagus ganz aufzuklären ; ich konnte nur die Ueberzeugung gewinnen, dass der Darm ganz un- abhängig von dem Oesophagus entsteht, welcher bei dem ersten Auftreten des Darmes noch blindgeschlossen ist, und dass er nicht durch eine Ectodermeinstülpung, sondern aus dem Entoderm seinen Ursprung nimmt. | Was das übrige Entoderm betrifft, so zeigt uns eine oberfläch- liche Betrachtung, dass seine Zellen noch eine Zeit lang sich zu theilen fortfahren und späterhin in eine gemeinsame Nahrungsdotter- masse zu verschmelzen scheinen, an deren glatter Oberfläche keine Grenzen der einzelnen Zellen mehr wahrzunehmen sind. Die cen- trale Entodermhöhle wird mit dem fortschreitenden Wachsthum des Embryo spaltenförmig eng, erfüllt sich mit einer flüssigen Masse und dehnt sich immer mehr gegen das hintere von der Schale be- deckte Ende des Embryo aus. Wenn die Spiralwindung des Embryo auftritt, ss nimmt daran auch die vom Nahrungsdotter umgebene Höhle Theil. So sehen wir auf dem durch den hinteren Theil eines schon gut ausgebildeten Embryo geführten Längsschnitte (Fig. 51), dass die primitive Entodermhöhle als eine sichelförmig gekrümmte, schon ziemlich breite Spalte im Dotter erscheint, welche sich oben gabel- förmig in zwei theilt (md, lb). Der zwischen beiden auseinander- gehenden Schenkeln (md und Ib) der Entodermhöhle liegende Dotter zeigt in der Mitte einen deutlichen Riss (fl), welcher sich bis in eine Furche an der äusseren Oberfläche des Dotters fortsetzt, so dass das Ganze das Aussehen hat, als ob die Dotterwand ein von den Entodermzellen unabhängiges Nahrungsmaterial zu betrachten ist, sondern dass er mit diesem in einem innigen organischen Zu- sammenhange steht. Diese Vermuthung findet eine Stütze auch da- rin, dass man an der inneren die centrale Höhle begrenzenden Fläche des Dotters deutliche Kerne unterscheiden kann. Alles führt uns also zum Schlusse, dass auch um diese Zeit das Entoderm aus Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 151 Zellen zusammengesetzt sei, welche mit Nahrungsdotter ganz erfüllt sind. Dass wir auf dem Durchschnitte keine solche Zellen und nur die Kerne klar unterscheiden können, beweist dagegen nichts, denn auch auf den früheren Stadien, wie wir es gesehen haben, verwischen sich gewöhnlich die Grenzen der einzelnen noch sehr grossen En- todermzellen auf den Durchschnitten. In späteren Stadien der Entwickelung wird die Centralhöhle auf Kosten der Dotterschicht, welche sich allmälig verdünnt, immer geräumiger, untl dann kann man sich überzeugen, dass der homogen zu sein scheinende Nahrungsdotter wirklich aus nicht scharf be- grenzten Zellen besteht, welche den grossen Entodermsack bilden. Ich gebe in Fig.52 einen Längsschnitt durch den hinteren Kör- pertheil eines noch mehr ausgebildeten Embryo, welcher der anderen, sich durch die etwas kleineren, mit feinkörnigem Sande verklebten Eier auszeichnenden Art angehört. Da aber die Entwickelung beider Arten ganz ähnlich vor sich geht, so können die an dieser letzteren Art angestellten Beobachtungen zur Erklärung der embryonalen Vorgänge jener verwendet werden. Der Schnitt erweist uns vor Allem, dass der Entodermsack durch drei tief in seine schon geräumige Höhle vorspringende Falten seiner Wand in drei Abtheilungen eingetheilt ist, welche dreien Hörnchen der vorigen spaltenförmigen Höhle (Fig. 51) ent- sprechen. Die obere von diesen drei Abtheilungen (mg) unterscheidet sich von den zwei anderen durch den histologischen Bau ihrer Wand und die Wimperung ihrer inneren Oberfläche. Bei hinreichender Vergrösserung erscheint die Wand der oberen Abtheilung aus hohen eylindrischen Zellen zusammengesetzt, welche (Fig. 53A) nebst einem von feinkörnigem Protoplasma umgebenen Kerne auch gelb- liche, stark lichtbrechende, spiessige Krystalle enthalten. Diese letzteren liegen frei in einem mehr oder minder grossen, auf dem Durchschnitte leer erscheinenden Hohlraume, und gewöhnlich hat eine Zelle nur einen oder sehr wenige Krystalle. Es ist höchst wahrscheinlich, dass diese Krystalle die umgewandelte Nahrungs- dottersubstanz darstellen, obschon ich eine solche Umwandlung un- mittelbar nicht verfolgte. — An ihrer gegen die Entodermhöhle gerichteten Oberfläche lassen die Zellen eine dünne, glänzende struc- turlose Membran sehen, auf welcher die Flimmerhärchen aufzusitzen scheinen. Diese Structurverhältnisse geben uns vollen Grund die obere Abtheilung des Entodermsackes als eigentlichen Magen zu 152 N. Bobretzky: betrachten, dessen Epithelwand auch bei den ausgewachsenen Ga- stropoden eine ähnliche Beschaffenheit besitzt!). An dem vorderen Ende des Magens wird auf dem angeführten Längsschnitte seine Wand viel dünner (q) und besteht aus gewöhn- lichen, keine Krystalle enthaltenden Epithelzellen. Die zwei anderen Abtheilungen”des Entodermsacks (lb und Ib‘) können nun als zwei Leberlappen angesehen werden, und wirklich erkennen wir schon in den diese beiden Abtheilungen zusammen- setzenden Zellen characteristische Züge der LeberzeHen. Die Wände beider Leberlappen erscheinen nur aus einer Schicht von hohen cylindrischen Zellen zusammengesetzt, welche (Fig. 53B) in ihrer äusseren Hälfte ganz ähnliche Hohlräume mit spiessigen Krystallen zeigen, wie wir es oben in der Magenwand gesehen haben, während die innere, gegen die Höhle gerichtete Hälfte der Zellen mit dunklen glänzenden Körnchen dicht erfüllt ist. Diese letzteren ballen sich oftmals innerhalb der Zelle zu einem rundlichen Klum- pen zusammen, welcher neben dem inneren, in die Höhle des Leber- sacks hervorgewölbten Ende der Zelle liegen. Bei der Betrachtung der Zellen von ihrer inneren Fläche aus (Fig. 53C) treten solche Klumpen besonders klar ins Auge, während die Kerne der Leber- zellen nur in Profilansichten zu sehen sind und gewöhnlich nahe der Grenze zwischen der hellen äusseren Hälfte der Zelle und der körnigen inneren Hälfte liegen. Die dunklen sich zu rundlichen Klumpen zusammenballenden Körnchen stellen nichts anderes als Galle dar, welche. auch in den Leberzellen der ausgewachsenen Gastropoden in derselben Form auftritt. Durch das Platzen der Zellenmembran an dem kuppel- artig gewölbten inneren Ende der Zellen soll Galle in die Höhle des Lebersacks ausgeleert werden, und wirklich finden wir in der letz- teren die dem Secrete der Leberzellen ähnlichen Körnchen, woraus man den Schluss ziehen muss, dass schon um diese Zeit der Em- bryonalentwickelung die Gallenabsonderung stattfindet. Nachdem wir zur Ueberzeugung gekommen sind, dass die zwei besprochenen Abtheilungen des Entodermsacks zu Lebern werden, so ist uns ihre weitere Umwandlung in die länglichen cylindrischen 1) Siehe Leydig’s Arbeit über Paludina vivipara. Zeitschr. f. wiss, Zool. B.11, p. 125. Auch bei den Embryonen von Paludina vivipara wurden von Leydig in der Leberwand gelbe spiessige Krystalle beobachtet. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 153 Leberfollikel des fertigen Thieres durch eine allmälige Faltung der Wand leicht verständlich. Nach allem Gesagten, wie unvollständig es auch sein mag, kann man als festgestellt betrachten, dass bei Natica der durch Einstülpung entstandene Entodermsack dem Darm und dem Magen sammt der Leber den Ursprung giebt. Junge Entwickelungsstadien von Natica sind denen des Ver- metus sehr ähnlich, wie man es nach der nahen systematischen Stellung beider Thiere voraussetzen kann. Einige Beobachtungen, welche ich über die Embryologie des Vermetus besitze, machen es für mich sehr wahrscheinlich, dass die Entwickelung des letzteren ganz mit der von Natica übereinstimmt. So will ich besonders darauf aufmerksam machen, dass auch im Vermetuseie an der von grossen Furchungskugeln eingenommenen Seite eine ganz ähnliche Einstülpung stattfindet, welche dem Entoderm den Ursprung giebt. Das Einstülpungsstadium wurde von Lacaze-Duthiers ganz über- sehen, und die Vergleichung der 6. und 7. Figur (Pl. 7) in seiner Arbeit!) zeigt uns schon, dass zwischen beiden Phasen noch eine Lücke übrig bleibt. Da er ausserdem die auch bei Natica an der Bildungsseite des Eies auftretende Blastodermverdickung (Fig. 6a) mit der später entstehenden Zellenanhäufung an der Stelle der ge- schlossenen Einstülpung verwechselte, so wurde er zu dem irrigen Schlusse geführt, dass die Anlagen des Fusses und der Segel an der Bildungsseite des Eies auftreten. Bei der grossen Uebereinstimmung in der Entwickelung bei Vermetus und Natica ist es sehr merkwürdig, dass die Embryonen jenes keine Urniere und kein Larvenherz besitzen. IV. Rückblicke und Folgerungen. Die oben mitgetheilten Thatsachen aus der Entwickelungs- geschichte von drei verschiedenen Gastropodengattungen, wie dürftig sie auch sein mögen, erlauben uns einige allgemeine Schlüsse in Bezug auf die embryonale Entwickelung der Gastropoden überhaupt zu machen. Diese Folgerungen zu formuliren und sie mit den An- l) Annales des sciences naturelles. 4. Ser. T. XIII, 1860, 154 N. Bobretzky: gaben der früheren Beobachter zu vergleichen ist das Ziel des fol- genden Capitels. Wie wir es gesehen haben, zeigen drei betreffende Prosobran- chier, ausser einigen mehr oder weniger wichtigen Abweichungen, eine grosse Uebereinstimmung in den Hauptmomenten der Ent- wickelung. Die grösste Verschiedenheit erweist sich vor Allem in der Bildungsweise der Keimblätter, besonders zweier Hauptblätter: des Eetoderms und des Entoderms. Bei Nassa geschieht die An- lage derselben durch Umwachsung, oder, um den von Selenka eingeführten Ausdruck zu gebrauchen, durch Epibolie, während Fusus sp. und Natica uns zwei verschiedene Variationen der Bildung der Keimblätter durch Einstülpung, Embolie, darstellen. Diese Verschiedenheit darf uns keineswegs überraschen, denn die Bildungs- weise der Keimblätter steht im innigen Zusammenhange mit dem Modus der Dotterfurchung, welcher, wie wir es aus zahlreichen Bei- spielen kennen, auch bei sehr nahe stehenden Thieren oftmals sehr verschieden ist. Ebenso zeigen auch die Eier von Gastropoden viele Variationen in dem Furchungsprocesse, welche auf die nach- folgenden Vorgänge der Entwickelung, vor Allem auf die Bildung der Keimblätter, Einfluss haben. Grosser Verschiedenheiten ungeachtet, stimmt jedoch der Fur- chungsprocess bei allen Gastropoden in einigen Hauptzügen überein. Die regelmässige totale Furchung geht niemals weiter als bis zur Theilung in vier Kugeln; dann!) beginnen kleine helle Zellen von vier grossen Furchungskugeln abgesondert zu werden. Man hatte gewöhnlich angenommen, dass nur vier zuerst gebildete kleine Zellen, durch ihre Vermehrung dem Blastoderm den Ursprung geben. H. Fol in seiner schönen Arbeit über die Embryologie der Ptero- poden gab zuerst eine ausführliche und genaue Beschreibung des Furchungsprocesses und wies nach, dass nicht nur die neuen hellen Zellen sich immer von den grossen Furchungskugeln abzusondern fortfahren, sondern auch die Theilung der schon gebildeten Zelien so vor sich geht, dass die Zellenvermehrung stets der arithmetischen Progression: 4, 8, 12, 16, 20, 24 u.s. w. entspricht. Ohne die Be- obachtungen von Fol über die Pteropoden noch zu kennen, konnte ich sie in Bezug auf die Gastropoden bis anf’s Genaueste vollständig 1) Bei einigen, z. B. bei Aplysia, Bulla u.a., schon auf dem Stadium mit zwei Kugeln. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 155 bestätigen. Auch in den Fällen, wenn der Unterschied an Umfang und an Inhalt zwischen kleinen Zellen und grossen Furchungskugeln nicht so gross wie bei den oben beschriebenen Eiern ist, folgt der Furchungsprocess stets dem besprochenen Gesetze. In innigem Zusammenhange mit diesem Furchungsgesetze steht der Umstand, dass man bei allen Gastropodeneiern einen Bildungs- pol unterscheiden kann, welcher sich anfänglich durch Abstossung der Richtungsbläschen, und später durch Absonderung der ersten hellen Zellen auszeichnet. Dieser Bildungspol des Eies hat eine ganz bestimmte Stellung zu den künftigen Organen des Embryo. Bei allen unseren drei Gastropoden bildet sich der Mund genau an dem dem Bildungspole gegenüber liegenden Punkte des Eies. Wenn die Bildung der primitiven Magenhöhle durch Einstülpung geschieht, so kann die Oefinung dieser Einstülpung, welche ebenfalls stets an der dem Bildungspole gegenüberliegenden Seite des Eies auftritt, entweder als Mund bleiben (Fusus), oder sich schliessen, wobei dann später der Mund als eine Ectodermeinstülpung ganz an derselben Stelle erscheint (Natica). Bei Nassa, wo die Anlage der Keimblätter durch Umwachsung, Epibolie, stattfindet, bildet sich der Mund an der Stelle, welche zuletzt von Blastodermzellen bedeckt wird, also gegenüber dem Bildungspole des Eies liegt. Zu einem ähnlichen Schlusse über die Bildung des Mundes wurden schon einige frühere Erforscher der Embryologie der Gastro- poden geführt. Lacaze-Duthiers, welcher zuerst dem wahren Verständniss des Furchungsprocesses bei den Gastropeden nahe war, beobachtete bei einigen Arten die Bildung des Mundes an der Stelle, welche von dem umwachsenden Blastoderm stets unbedeckt übrig bleibt!). Ganz auf dieselbe Weise beschreibt auch Selenka das Entstehen des Mundes bei Purpura lapillus?2). Für die theco- somen Pteropoden, bei welchen die Bildung der Keimblätter durch Epibolie geschieht, betrachtet es H. Fol als höchst wahrscheinlich, dass der Punkt, wo sich das Blastoderm schliesst, dem oralen Pole des Embryo entspricht?). 1) Anatomie et embryogenie des Vermets. Annales des seienc. nat. IV.Ser. T. XIII, 1860. p. 280. 2) Die Anlage der Keimblätter bei Purpura lapillus. Niederländisches Archiv für Zool. B.I. Heft 2. 1872. Sy Lerp. 119. 156 N. Bobretzky: Die neuerdings von einigen Seiten!) ausgesprochenen Zweifel in Bezug auf das Vorkommen der Embolie bei den Mollusken muss man als unbegründet betrachten. Ich konnte die Angaben von Ray Lankester über das Vorkommen der Einstülpung bei meh- reren Dorisarten, Polycera quadrilineata, Eolis und Elysia viridis durchaus bestätigen. Bei dieser letzteren Art wurde die Einstül- pung schon von C. Vogt bemerkt und unter dem Namen »la fente mamelonnaire« beschrieben?). Der Aufmerksamkeit dieses vortreff- lichen Forschers, dessen Arbeit über die Entwickelung der Gastro- poden, ungeachtet dreissig verflossener Jahre, noch jetzt als muster- gültig betrechtet werden muss, entschlüpfte auch der Umstand nicht, dass der Mund ganz an der Stelle seiner »fente mamelonnaire« auf- tritt. Ebenfalls scheint die Bildung des Entoderms durch Einstül- pung bei den Pulmonaten (Ray Lankester, H. Fol, Carl Rabl), Heteropoden (Fol) und den Gymnosomen Pteropoden (Fol) sehr verbreitet zu sein. Nach den Beobachtungen von H. Fol persistirt die Einstülpung bei Heteropoden und Pulmonaten stets als Mund- öffnung?). Ray Lankester, welchem das Verdienst gebührt, die Auf- merksamkeit auf die grosse Verbreitung der Bildung des Entoderms durch Einstülpung bei den Mollusken zuerst gerichtet zu haben, kam zu einem ganz anderen Schlusse über die Beziehung, in welcher die Einstülpung zum Munde steht. Sich auf eigene Beobachtungen stützend, behauptet er, dass die Einstülpung sich meistentheils schliesse, und wenn dieses nicht der Fall sei, so bleibe sie nicht mit dem Munde, sondern mit dem After in Verbindung. Die be- treffenden Beobachtungen von Ray Lankester beziehen sich haupt- sächlich auf Paludina vivipara®), und die zwei von ihm gegebenen 1) Ganin. Zur Lehre von den Keimblättern bei den Mollusken. Nach- richten der Warschauer Universität. 1873. Salensky. Bemerkungen über Haeckel’s Gastraea-Theorie. Archiv f. Naturgesch. 1874. 2) Recherches sur l’embryogenie des Mollusques Gasteropodes (Actaeon viridis). Annales des sc. nat. III Ser. T. VI. 1846. 3) H.Fol (l.c. p. 122) sagt, dass die Einstülpung sich an dem Bildungs- pole (pole formatif) des Eies bildet. Diese Angabe mit anderen Stellen seiner Arbeit zusammenstellend, muss ich hier an einen Schreib- oder Druck- fehler glauben. 4) On the Invaginate Planula of Paludina vivipara. Quarterly Journal of Microsc. Science. April, 1875. p. 159, Studien über die embryonale Entwickelung der Gaströpoden. 157 schematischen Zeichnungen scheinen mir in dieser Hinsicht keines- wegs entscheidend zu sein. Da wir aber keinen Grund haben, in dem engen Kreise der Gastropoden eine so wichtige Abweichung in der Embryonalentwickelung wie die Umwandlung der Gastrula- öffnung entweder in den Mund oder in den After anzunehmen, ohne über allen Zweifel festgestellte Thatsachen zu besitzen, so glaube ich mich berechtigt, die Richtigkeit der Folgerungen von Ray Lan- kester zunächst zu bezweifeln und die von mir constatirte Bildung des Mundes aus der Einstülpungsöffnung oder an der dieser ent- sprechenden Stelle als ein für alle Gastropoden gemeinsames Ent- wickelungsgesetz, bis auf Weiteres zu betrachten. Die Bildung des Mundes an dem ganz bestimmten Punkte bei den sich sowohl durch Embolie als auch durch Epibolie entwickeln- den Eiern erlaubt uns diese zwei Bildungsmodi ganz gleichzustellen. Die epibolische Bildungsweise, wie sie sich z.B. bei Nassa darstellt, kann ungezwungen als eine Einstülpung aufgefasst werden, welche sehr früh, noch bevor das Blastoderm geschlossen wird, abzulaufen beginnt. Bei der epibolischen Entwickelung wird also das Stadium der so genannten Keimhautblase (Blastosphaera) übersprungen, und die zar Bildung des Entoderms dienenden Zellen, welche in diesem letzteren Stadium die eine Hälfte der Eioberfläche überziehen, werden hier sehr früh von dem Rande des Ectoderms bedeckt oder, so zu sagen, biegen sich unter den Ectodermrand. Die nach der Bildung der Entodermanlage stattfindende Ausbreitung der an ihrem Rande schon aus zwei Schichten bestehenden Keimscheibe entspricht dann der Annäherung der Ränder um die Oeffnung der Einstülpung. Die Vergleichung wird noch treffiender dadurch, dass nach den schon besprochenen Angaben von Lacaze-Duthiers und von Selenka bei einigen Gastropodeneiern die vom Blastoderm unbedeckt blei- bende Stelle in den Mund des Embryo unmittelbar übergehen soll. Ich konnte eine solche Bildung des Mundes bei keinem der sich durch Epibolie entwickelnden Embryonen constatiren; da aber bei der embolischen Entwickelungsweise die Oeffnung der Einstülpung sich entweder schliesst oder in den Mund übergeht, so scheint mir auch das gleiche Verhalten der vom Blastoderm unbedeckten, der Einstülpungsöffnung entsprechenden Stelle der sich durch Epibolie entwickelnden Eier sehr möglich und wahrscheinlich zu sein. Wir haben oben gesehen, dass das durch Einstülpung ent- stehende Gastrulastadium bei der Entwickelung vieler Gastropoden 158 N. Bobretzky: wirklich auftritt. Die anderen Gastropoden stellen uns in ‚ihrer Entwickelung Zustände dar, welche, wie es die so eben angeführten Erwägungen zeigen, auf ein etwas verändertes Gastrulastadium leicht zurückzuführen sind. Die Gastrula ist also bei der Entwickelung der Thiere viel mehr verbreitet, als es einige Kritiker der Gastraea- Theorie behaupten. Aus dem Entoderm bilden sich bei allen unseren drei Gastro- poden nicht nur der Magen und die Leber, sondern auch der Darm, welcher als ein kleiner hohler, mit seinem blindgeschlossenen Ende dem Ectoderm anliegender Zapfen schon sehr früh auftritt. Der so genannte »pedicle of invagination« von Ray Lankester!) ist nichts anderes als die Darmanlage und hat gar nichts mit der Oeff- nung der Einstülpung zu thun. Da meine Beobachtungen in Bezug auf die Bildung des Darmes aus dem Entoderm ganz mit denen von Fol bei den Pteropoden in Uebereinstimmung stehen, so können wir die Frage als entschieden betrachten. Ich will nur bemerken, dass schon Vogt bei Actaeon und später Semper bei Ampullaria die Bildung des Darmes aus dem Entoderm beschrieben haben. Was den Oesophagus betrifft, so bildet er sich stets aus der Mund- einstülpung; bei Fusus, wo die primitive Einstülpung stets bleibt, entsteht der Oesophagus als eine, röhrenförmige Verlängerung der die Oeffnung begrenzenden Ränder und ist also auch hier auf das Eetoderm zurückzuführen. Nachdem die Furchungskugeln auf Kosten ihres Bildungs- dotters den Keimblättern den Ursprung gaben, bleiben sie bei Nassa als ächte Nahrungsdottermasse übrig, welche anfänglich fast die ganze Körperhöhle des Embryo ausfüllt. Dieser Nahrungsdotter zeigt eine berıerkenswerthe Beziehung zur primitiven Magenhöhle, welche, wie wir es gesehen haben, an der Rückenseite gegen den Dotter weit geöffnet ist. Aehnliches wurde auch von H. Fol bei den Pteropoden bemerkt: so sagt er, dass der primitive Magen an seiner Rückenseite eine oder zwei Oeffnungen zeigt. Nach der Bil- dung des Magens und Darmes gruppiren sich bei den Pteropoden die Nahrungsdotterelemente in einen Sack (le sac nourricier), dessen Höhle mit der Magenhöhle neben dem Pylorus in Communication. 1) Observations on the Development of the Pond-snail (Lymnaeus Stagnalis) and on the early Stages of other Mollusca. Quarterly Journ. of microsc. science. 1874, p. 365. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 159 steht. In unserem Falle, bei Nassa, verhält sich der Nahrungsdotter etwas anders. Wir können hier keineswegs von histologisch gebauten Nahrungsdotterelementen sprechen, da der Nahrungsdotter bei Nassa keine Zellen enthält und also keinen Sack bilden kann. Er ist da- durch dem Nahrungsdotter der meroblastischen Eier ähnlich und liegt in der Körperhöhle frei. Mit der fortschreitenden Ausdehnung des primitiven Magens kommt der Nahrungsdotter bei Nassa endlich ganz asymmetrisch an die rechte Seite des Magens zu liegen, wo er auch bei den zum Ausschlüpfen reifen Embryonen mit der Ma- gerhöhle in unmittelbarer Verbindung gefunden wird und die Magen- öffnung, an deren Rande der Darm beginnt, schliesst. Durch seine Lage und Beziehung zur Magenhöhle entspricht also der Nahrungs- dotter von Nassa dem Nahrungssacke der Pteropoden durchaus. Es ist sehr bemerkenswerth, dass auch die Cephalopoden uns nicht nur die gleiche Bildung des Darmcanals darstellen, sondern auch ihre primitive Magenhöhle eine ähnliche Beziehung zum Nah- rungsdotter zeigt, wie es bei Nassa der Fall ist. Meine eingehenden Untersuchungen haben mich über die Embryologie der Cephalopoden zu ganz bestimmten Ansichten geführt, über welche ich baid zu berichten hoffe. Auch bei den Gephalopoden bildet sich der Magen mit der Leber und der Darm mit dem Tintenbeutel als ein Ganzes und stehen anfänglich weder mit dem Oesophagus noch mit dem After in Verbindung, wie es schon Ray Lankester!) und Fol?) bemerkt haben. Ich konnte mich auch überzeugen, dass die pri- mitive Magenhöhle der Cephalopoden gegen den Nahrungsdotter an- fänglich nicht geschlossen und von demselben nur durch die dünne Wand des den gesammten Nahrungsdotter überziehenden Zellensacks abgetrennt ist?). Wenn wir nun von diesem Sack absehen, so ver- hält sich die primitive Magenhöhle der Cephalopoden zum Nahrungs- dotter ganz ähnlich, wie es bei den sich durch Epibolie entwickeln- den Gastropoden der Fall ist, wodurch der epibolische Entwicke- 1) Obseryations on the Development of the Cephalopoda. Quart. Journ. of mier. Science: January, 1875. 2) Archives de Zool. exper. et gen. T.IIl, 1874. p. XXX. . 3) Siehe auch die oben eitirte Arbeit von Ray Lankester. Es wundert mich, dass dieses, auf den Durchschnitten so scharf ins Auge tretende Verhalten des primitiven Darmcanals von Ussow (Arch. f. Naturg. 1874) ganz übersehen wurde. 160 N. Bobretzky: lungsmodus sich der Entwickelungsweise der eine partielle Dotter- furchung erleidenden meroblastischen Eier nähert. Bei Purpura lapillus, deren Entwickelung durch Epibolie ge- schieht, soll der Nahrungsdotter nach Selenka') in der Magen- höhle liegen. Durch meine Untersuchungen bin ich zu einigem Miss- trauen gegen diese Angabe berechtigt und glaube, dass auch bei Purpura die Sache sich ganz ähnlich wie bei Nassa verhält. Durch das leichteste Drücken auf den Embryo, was besonders bei dem Herausnehmen der Eier aus ihren Kapseln schwer zu vermeiden ist, dringt der Nahrungsdotter an der Stelle, wo er die Magenhöhle begrenzt, in dieselbe hinein, so dass man oft in der Magenhöhle eine mehr oder minder grosse Menge von Nahrungsdotter findet. Durch dieses wurde wohl auch Selenka getäuscht, und da er dazu die Umbiegung der Magenwand an der Grenze des Nahrungsdotters übersah und einige auf der äusseren Oberfläche des letzteren zer- streut liegende Mesodermzellen als eine Fortsetzung der Magenwand deutete, wurde er- zu dem Schlusse geführt, dass die Magenwand den gesammten Nahrungsdotter überziehe. Bei gut ausgeprägter Embolie zeigt sich auch eine ganz an- dere Beziehung des Nahrungsdotters zur Magenwand. so fahren bei Natica, auch nachdem die Einstülpung gebildet ist, die grossen Furchungskugeln sich immer zu theilen fort, und das dadurch ge- bildete Entoderm, welches aus den mit Dotterbläschen ganz aus- gefüllten Zellen besteht, geht bei dem allmäligen Verbrauchen und Auflösen der Dotterbläschen in das Epithel des Magens, der Leber und des Darms unmittelbar über. Bei Natica stelıt also der Nahrungsdotter stets in einem innigen Zusammenhange mit dem Entoderm, als ein Bestandtheil der Entodermzellen, so dass hier kein Nahrungsdotter im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. als eine von den Zellen unabhängige Nahrungsmasse vorhanden ist, und man nur von den Dotterbläschen als Elementen der Entoderm- zellen sprechen kann. Andererseits stellt uns Fusus sp., obschon die Bildungsweise seines Entoderms nicht anders als eine schwach ausgeprägte Embolie zu betrachten ist, in mancher Hinsicht eine Annäherung zu dem epibolischen Entwickelungsmodus dar. Vier grosse Furchungskugeln, welche den Grund der primitiven Magenhöhle bei Fusus sp. bilden, 1) Niederländisches Archiv für Zoologie. B.I. Zweites Heft. p. 211. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 161 unterliegen keiner weiteren Theilung, und nachdem ihre mit Kernen versehenen Protoplasmenklumpen sich den Rändern des primitiven Magens anschliessen, verhalten sich die vier Nahrungsdotterkugeln bei weiterer Ausbildung der Magenhöhle ganz ähnlich, wie es auch bei Nassa der Fall ist. Ich muss dabei einiger höchst sonderbarer Angaben von Carl Rabl') hinsichtlich der Entwickelung des Darmcanals bei den Pul- monaten erwähnen. Diesem Beobachter zufolge soll die primitive Magenhöhle ganz verdrängt werden und später eine neue, secundäre Magenhöhle sich bilden, wobei eine besondere Differenzirung des Entoderms stattfindet. Das Entoderm zerfalle nämlich »in einen äusseren, aus theilungsunfähigen Zellen (Nahrungszellen) bestehenden Theil und einen inneren, welcher aus theilungsfähigen Zellen (Bil- dungszellen) besteht«. Dieser letztere Theil spalte sich später* in das Darmdrüsenblatt und das Darmfaserblatt und gebe dem ganzen Darmcanal (nur die Mund- und Afterhöhle ausgeschlossen) den Ur- sprung. Indem ich in keine weitere Berücksichtigung dieser, den Forderungen einiger Theoretiker so entsprechenden Angaben ein- gehe, will ich nur bemerken, dass ich in den theilungsunfähigen Nahrungszellen, die einer ähnlichen Umwandlung unterworfenen ZeJlen zu sehen glaube, wie wir es bei Fusus sp. in den Leberele- menten gesehen haben. Die bedeutende Vergrösserung der Zellen der Leberanlage und die Ausfüllung derselben mit Fetttröpfchen wurde bei vielen Gastropoden-Embryonen schon längst bemerkt. Nach seinen Beobachtungen an Paludina vivipara, kam Leydig zum allgemeinen Schlusse, dass die Leber des Embryo, ehe die Gallenabsonderung eintritt, aus Fettzellen besteht, welche durch Umwandlung ihres Inhalts in gallenstoffhaltige unmittelbar über- gehen. In seinen »Beiträgen zur Entwickelungsgeschichte der Proso- branchier?) wollte Salensky bei den Gastropoden zwei verschie- dene Entwickelungsarten unterscheiden, welche sich hauptsächlich durch die Bildung der Mundeinstülpung hinter den Segeln oder zwischen denselben auszeichnen. Eine solche Unterscheidung ist keineswegs treffend: die Mundeinstülpung tritt stets hinter den Segeln, nie innerhalb derselben auf. Die Segel bilden sich bei 1) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. IX. Band. 195. 2) Zeitschrift für wiss. Zool. B.XXII, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 13. 11 162 N. Bobretzky: allen Gastropoden in ganz ähnlicher Weise, als ein erhabener Wim- perwall, welcher bei den einen Gastropodenembryonen gürtelförmig geschlossen ist, bei den anderen aber auf dem Rücken unterbrochen bleibt. Bei der allmählichen Verschiebung des ursprünglich beinahe im Centrum der Bauchseite liegenden Mundes nach vorn theilt sich das Velum immer schärfer in zwei Segellagen, zwischen welchen der Mund zu liegen kommt. Meine Ergebnisse hinsichtlich der Beziehung der Nerven- ganglienanlagen zu den Keimblättern stehen mit den allgemein herrschenden Ansichten in vollständigem Widerspruche. Obschon ich diesem Gegenstande specielle Aufmerksamkeit widmete und mehrere gute Schnitte der verschiedenen Entwickelungsstadien an- fertigte, konnte ich ebenso wenig auch bei den Cephalopoden die Bildung des Nervensystems auf das Eetoderm zurückführen, und die von Fol gegebene Zeichnung?), welche die Ganglienanlagen des Sepiolaembryo in Verbindung mit dem Eetoderm darstellt, scheint mir keineswegs beweiskräftig zu sein. Zu demselben Schlusse über die Bildung des Nervensystems der Gephalopoden aus dem mittleren Keimblatte wurde auch Ussow?) nach einer langen Reihe- vielfach wiederholter Beobachtungen geführt. Die Aehnlichkeit in der Entwickelung des Nervensystems bei den Cephalopoden und Gastropoden zeigt sich nicht nur in seinem Entstehen aus demselben Keimblatte, sondern auch in der ganz ähnlichen Bildungsweise, da auch bei den Cephalopoden alle Ganglien- knoten ganz von einander abgesondert auftreten und erst später sich verbinden. Die Entwickelung des Nervensystems bei den Mollusken er- scheint also von der Bildung desselben bei anderen Thiertypen ganz verschieden. Bei den Wirbelthieren, Arthropoden und Würmern tritt das aus dem Ectoderm abstammende Nervensystem stets als ein Ganzes auf, welches bei den zwei letzteren Thiertypen erst später der Länge und der Quere nach in einzelne Ganglien zerfällt. Hingegen entstehen bei den Mollusken die einzelnen Ganglien als ganz von einander abgesonderte Anhäufungen von Mesodermzellen und treten erst später mit einander in Verbindung. Wenn man also in der Embryologie einige Gründe finden kann, das Nerven- 1) Arch. de Zool. experim. et generale. 1874. T. III, Pl. XVII, Fig. 14. 2) Zoologisch-embryologische Untersuchungen. Arch.f.Naturgesch. 1874. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 163 system der Wirbelthiere, Arthropoden und Würmer gleichzustellen, wie es Einige neuerdings versuchen, so ist das in Bezug auf das Nervensystem der Mollusken ganz unmöglich. Aus der ontogene- tischen Entwickelung auf die Stammverwandtschaft schliessend, muss man annehmen, dass die Mollusken (die Brachiopoden ausgeschlos- sen) eine scharf begrenzte Gruppe bilden, welche mit anderen Thier- typen nur die Gastrulaform gemeinsam hat. D' Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII bis XIH. Zur Entwickelung der Nassa mutabilis (Fig. 1—41). [Fig. 1—21 sind bei Ocul.2 und Syst. 4 (Hartnack) dargestellt; or . 34—39 bei Ocul. 2 Syst. 5; alle übrigen bei Ocul. 3 und Syst. 4.] Tafel VII. Ei, an welchem die quere Furche erschien. Ei, dessen obere Hälfte sich in zwei theilt. Zwei kleine Furchungskugeln haben sich ganz von einander und von der grossen, kernlosen Dotterkugel abgetrennt. Die eine von den zwei Furchungskugeln ist in Verschmelzung mit der grossen Dotterkugel begriffen. Das Stadium mit zwei ungleichen Furchungskugeln: A im Profil; B von der Bildungsseite des Eies aus. Der obere Theil der grossen Furchungskugel beginnt sich von dieser letzteren abzugrenzen. Das Stadium mit vier kleinen Furchungskugeln und einer grossen Dotterkugel. Eine von den kleinen Furchungskugeln (]) beginnt schon mit der grossen Kugel zusammenzufliessen. Das Stadium mit vier Furchungskugeln, von denen eine weit grösser als die drei übrigen ist. A im Profil, B von der Bildungsseite des Eies aus. Von den vier Furchungskugeln haben sich vier erste helle Zellen (a) abgesondert. Neue vier helle Zellen (b) haben sich von den Furchungskugeln ab- gesondert, während andere vier (c) auf dem Wege der Abson- derung sind. 164 Fig. 11A. Fig.11B. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. 1) N. Bobretzky: Die vier primitiven Zellen (a) zerfallen in zwei ungleiche Theile (a’ und a‘), jede Zelle b theilt sich in zwei (b‘ und b‘). Dasselbe Stadium von der gegenüberliegenden Seite aus. Die schon aus 36 hellen Zellen bestehende Keimscheibe. Ein etwas späteres Stadium im Profil. Ein noch ein wenig späteres Stadium von der vorderen!) Seite aus betrachtet. Drei kleine Furchungskugeln liegen schon dicht der grossen an. Das Blastoderm spannt sich fast über zwei Drittel des Eies hinweg, p Blastodermverdickung an der Hinterseite des Embryo. t Grenzen der kleinen Kugeln. Ein Embryo mit Schalengrube (schg). x die vom Blastoderm un- bedeckte Stelle; t wie in Fig. 15. Ein etwas späteres Stadium; A im Profil; B von der Bauchseite aus. Die Fussanlage (fs) tritt schon klar auf; vor derselben findet sich noch eine kleine, vom Blastoderm unbedeckte Stelle (x); schg, t wie oben. Stadium, in welchem die Mundeinstülpung (md) sich bildet. A Ein lebender Embryo im Profil dargestellt; B Ein in Chromsäure er- härteter Embryo von der Bauchseite aus; C Derselbe Embryo von | der Rückenseite. sch Schale; dr Darm; sg Segel; urn Urniere; fs Fuss. Ein älterer Embryo, welcher schon die Asymmetrie des Darmcanals und der Schale zeig. A im Profil; B von der Bauchseite aus. gb Gehörbläschen ; au Auge; af After; übriges wie oben. Weiter entwickelter Embryo, von seiner rechten Seite betrachtet; en röhrenförmige Eetodermeinstülpung an der Bauchseite des Fusses. Embryo, welcher die Anlage der Kiemenhöhle (kmh) und des Lar- venherzens (lh) sehen lässt. Tafel IX. Gut ausgebildeter Embryo. br die Kiemenanlage; hz Herz; Ih Larvenherz; vl vordere und hl hintere Leberlappen; dr Darm; en röhrenförmige Einstülpung an der Fusssohle. Durchschnitt durch das in Fig. 1 abgebildete Ei. Das zarte Dotter- häutchen (h) ist durch die Richtungsbläschen sackförmig abgehoben. Durchschnitt durch ein etwas jüngeres Ei, in welchem zwischen beiden sternförmigen Figuren noch der Kern zu sehen ist. h der Von den vier Furchungskugeln entspricht die grosse der Hinter- seite des künftigen Embryo, die gegenüberliegende kleine Kugel der vor- deren Seite. Studien über die embryenale Entwickelung der Gastropoden. 165 Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. "Fig. 36. Fig. 37. Fig. 38. Fig.39 A. abgerissene Theil des Dotterhäutehens. Die quere Furche (f) ist von einer dünnen Schicht des Bildungsdotters überzogen. Durchschnitt durch ein Ei, welches an seiner Bildungsfläche die erste Spur der Furche zeigt. Durchschnitt durch das ein wenig spätere Stadium. Durchschnitt durch das in Fig. 5 abgebildete Stadium; k kleine; g grosse Furchungskugel. Ein durch die grosse Kugel (gk) und die gegenüberliegende kleine (kk) geführter Durchschnitt von dem in Fig. 8 abgebildeten Stadium. . Ein durch die grosse Kugel (gk) und die gegenüberliegende kleine (kk) geführter Durchschnitt von dem der Fig. 12 entsprechenden Stadium. Zwei Zellen (n und m) sind in Fig. 29B bei Ocul.2, Syst. 7 dargestellt. Ein in derselben Richtung geführter Schnitt durch das nächstfol- gende Stadium. Die Zelle n der vorigen Figur theilt sich in zwei (n‘, n‘), die Zelle m in m‘ und m‘. gk grosse Kugel; kk gegen- überliegende kleine. Ein in derselben Richtung geführter Durchschnitt durch ein etwas späteres Stadium. ms Mesodermzellen; kk, gk wie oben. Durchschnitt von einem noch späteren Stadium. ms‘ Mesodermzelle an der Seite der kleinen Kugel (kk); z grosse Zellen, welche den Mesodermzellen anliegen. Ein Durchschnitt von dem der Fig. 15 entsprechenden Stadium; p Ecetodermverdickung an der Stelle der künftigen Schalengrube; kk Rest einer kleinen Furchungskugel; en Entodermzellen; ms Mesodermzellen. Längsschnitt von dem in Fig. 16 abgebildeten Stadium; schg Schalen- grube; fs Fussanlage; dr Darmanlage; en Entodermzellen; x die vom Blastoderm unbedeckte Stelle. Ein anderer Längsschnitt von demselben Embryo. ms Mesoderm- zellen; sgr Rand der Schalengrube; übriges wie oben. Ei-Längsschnitt durch das Stadium, auf welchem das Blastoderm sich eben geschlossen hat. sch die Schalenanlage; sgr Rand der Schalen- grube oder Mantelrand; mg primitive Magen; dr Darm; fs Fuss. Ein Längsschnitt durch den Embryo, welcher die Bildung der Mund- einstülpung (md) zeigt; dk Anlage des Deckels; mg, dr wie oben. Querschnitt durch den Magen von demselben Stadium. Tafel X. Ein etwas schiefer Längsschnitt durch das in Fig. 19 abgebildete Stadium. oe Oesophagus; mg Magen; dr Darm; s grosse Zellen an der Rückenseite des Kopftheils. 166 N. Bobretzky: Fig. 39B. Ein anderer Längsschnitt von demselben Embryo; dk Deckel; en Ectodermeinstülpung an der Bauchfläche des Fusses, Fig. 40. Längsschnitt durch einen viel weiter entwickelten Embryo. Fig. 41. Ein dem in Fig. 22 abgebildeten Stadium entsprechender Längs- schnitt, welcher, wie auch der vorhergehende, zum Zwecke hat, das Verhalten des Magensacks zum Dotter zu erklären; desswegen ist in beiden Zeichnungen fast alles andere weggelassen. Zur Entwickelung der Natica. (Fig. 42-53). Fig. 42—45, 48 und 51 sind bei Ocul. 2, Syst. 4 dargestellt; Fig. 46, 47, 49 und 50 bei Ocul. 2, Syst. 2. Fig. 42. Durchschnitt durch ein Ei, an welchem die Einstülpung sich zu bilden beginnt. p Verdickung des Blastoderms an der Bildungseite des Eies. Fig. 43. Durchschnitt durch das Stadium, in welchem die Einstülpung gut ausgebildet ist. Fig. 44. Die Höhle der Einstülpung beginnt sich zu schliessen und mündet nach aussen nur durch einen engen Canal (x) aus. schg schildförmige Ectodermverdickung, an welcher sich später die Schalengrube bildet. Fig. 45. Ein Längsschnitt durch das Stadium, welches die Mundeinstülpung (md) schon klar sehen lässt. eh centrale Entodermhöhle; sp die von dem Ende des Vorderdarms in die Centralhöhle führende Spalte; fs, Fussanlage; ms Mesodermzellen; schg Schalengrube. Fig. 46. Ein der Länge nach halbirter Embyo; schg die sehr stark, fast anormal ausgebildete ‘Schalengrube; md Mund; oe, Oesophagus; eh Entodermhöhle ; dr Darmhöhle. Fig. 47. Ein Embryo von demselben Stadium von der Bauchseite betrachtet. urn Urniere; sg Segel; md und fs wie oben. Fig. 48. Ein etwas schiefer Längsschnitt durch ein wenig späteres Stadium; sch Schalenanlage; mr Mantelrand; oe Oesophagus; eh Entoderm- höhle; dr Analende des Darmes; dk Deckel; s grosse Ectoderm- zellen an der Rückenseite des Kopftheils. Fig. 49. Ein Embryo mit eben auftretender Anlage der Kiemenhöhle (kmh) A von der rechten Seite aus; B von der Bauchseite. Fig. 50. Ein noch mehr entwickelter Embryo von seiner rechten Seite ans betrachtet; fh die Anlage des Fülılers. Fig. 51. Ein Längsschnitt durch den hinteren Theil eines schon gut ausge- bildeten Embryo; mg und Ib zwei vordere Abtheilungen der spalten- förmigen Entodermhöhle; Ib‘ hintere Abtheilung; fl Falte der Ento- dermwand. Fig. Fig. Fig. ig. 54. . 55. . 56. Fig. 57. ig. 67. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 167 52. Ein durch den hinteren Theil geführter Längsschnitt von einem noch 53. mehr ausgebildeten Embryo einer anderen Naticaart; mg Magen; q verdünnte vordere Magenwand; 1b vordere Leberlappen; Ib‘ hintere Leberlappen. Vergr.: Ocul. 3, Syst. 4. A Magenzellen im Profil; B Leberzellen im Profil; C dieselben von der inneren Fläche aus betrachtet. Vergr.: Ocul. 2 und Syst. 7. Zur Entwickelung von Fusus sp. (Fig. 54—99). 55—71 und Fig. 91 sind bei Ocul. 2. Syst. 4 dargestelit; Fig. 80 bei Ocul. 2 und Syst. 7; alle übrigen Figuren bei Ocul. 3, Syst. 4. . 58. . 59. . 60. . 61. . 62. . 63. ig. 64. . 65. ig. 66. 68: Taf. XI. Eikapsel in natürlicher Grösse. Ei vor der Dotterfurchung. Ein in zwei Furchungskugeln getheiltes Ei. Das Stadium mit vier Furchungskugeln; A von der Bildungsseite des Eies; B von der entgegengesetzten Seite. Ausserhalb der vier zuerst gebildeten kleinen Zellen (a) sind vier neue (b) auf dem Wege der Absonderung von den Furchungskugeln entstanden. Jede Zelle a hat sich in zwei ungleiche Zellen (a‘ a‘) getheilt; vier neue Zellen (c) beginnen sich abzusondern. Auch jede Zelle b ist in zwei (b‘b‘) getheilt; weitere vier neue Zellen (d) sind in Absonderung von den Furchungskugeln begriffen. Eine mehr entwickelte Keimscheibe. Die Keimscheibe überzieht fast eine Hälfte der Eioberfläche; sie ist schon sehr dünn und an der Bildungsseite des Eies von den Fur- chungskugeln etwas abgehoben. Am Ei bleibt nur eine kleine Stelle (x) vom Blastodern unbedeckt übrig; die Urnieren (urn) kommen zum Vorschein. Ein etwas mehr entwickelter Embryo; A von der Bauchseite; B von der Rückenseite aus. Man sieht schon die Schalengrube (schg). Embryo, bei welchem man die Anlagen des Oesophagus (oe) und des Magens (mg) unterscheidet; sch Schalenanlage; kb Kopfblasse;; fs Fuss. Ein noch mehr entwickelter Embryo. A im Profil; B von der Bauch- seite aus. sg Segel; mr Mantelrand; dr Darm; übriges wie oben. Ein etwas späteres Stadium, von der rechten Seite aus. Die Kopf- blase (kb) ist schon sehr gross geworden. Man bemerkt auch die Leberanlage (la). Ein noch älterer Embryo von seiner linken Seite aus betrachtet, Die Zellen der Leberanlage (la) vergrössern sich immer mehr. 168 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 69. 70. 73. 74. 75. 76. 7: 78. 19. 80. 81. 82, 83. N. Bobretzky: Ein noch späteres Stadium. Ein Embryo zur Zeit des Auftretens der Anlage der Kiemenhöhle (kmh); nr Anlage der Niere; ad Afterende des Darms. Der Leber- sack (la) nimmt schon das hintere Ende der Schale (sch) ein. . Ein Embryo, welcher schon die Spiralwindung der Schale zeigt; br Kiemenanlage; Ih Larvenherz:; hz Herz; nr Nierenanlage; dr Darm; ndk Nahrungsdotter; fh Fühler; kb Kopfblase; sg Segel; urn Urniere; fs Fuss; la Lebersack. Taf. XII. . Längsschnitt durch das der Fig. 64 entsprechende Stadium, schg Schalengrube; br die’ sich umbiegenden Blastodermränder; kd Kerne der grossen Furchungskugeln ; ms Mesodermzellen. Querschnitt von demselben Stadium. Man unterscheidet zwei grosse Dotterkugeln mitihren protoplasmatischen Enden (kd); urn Urnieren; br Ränder der Einstülpung. Längsschnitt durch das in Fig. 65 abgebildete oder auch durch ein etwas jüngeres Stadium; sch Schalenanlage; oe Oesophagus; mg primitiver Magen. Ein durch die Mundöfinung gehender Querschnitt von demselben Stadium. Man sieht, dass jeder von den zwei durch den Schnitt getroffenen Dotterkugeln ein Kern (kd) angehört. Ein von einem etwas älteren Stadium angefertigter Längsschnitt, auf welchem man schon die Darmanlage (dr) unterscheidet. kb, Kopf- blase; fs Fussanlage; wp wimpernder Punkt hinter dem Analende des Darmes. Längsschnitt durch das in Fig. 66 abgebildete Stadium. mr Mantel- rand; om Grenze des Oesophagus und des Magens; übriges wie oben. Querschnitt durch den Oesophagus von demselben Stadium; ms, Me- sodermzellen. Querschnitt von demselben Stadium, welcher durch den Fuss (fs) und die Urnieren (urn) geführt wurde und den Magen in seinem hinteren Theile (mg‘) traf. gb Gehörbläschen. Querschnitt von einem etwas jüngeren Stadium. Das Gehörbläschen (gb) ist noch in Bildung begriffen. Querschnitt welcher uns die Bildung des Auges (au) zeigt; sg Segel mit seinen grossen Wimperzellen; fs Fuss. Ein durch das in Fig. 67 abgebildete Stadium geführter Längs- schnitt, welcher auch die rechte Urniere (urn) an ihrem Rande traf. t Verdickung der vorderen Wand des Oesophagus; la Leberanlage; mg Magen; dr Darm. Ein anderer Längsschnitt von demselben Embryo. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Studien über die embryonale Entwickelung der Gastropoden. 169 ig. 84. . 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 35. 96. 31. 98. 99. Ein von dem in Fig. 69 abgebildeten Stadium angefertigter Längs- schnitt, welcher nahe der linken Seitenfläche geführt wurde und den Lebersack (la) in seiner grössten Länge traf. q kleine nieht wim- pernde Stelle der Körperwand, welche später in das Larvenherz über geht. Ein durch den Fuss (fs) und die Urnerien (urn) geführter Quer- schnitt von demselben Stadium; gb Gehörbläschen; fg Anlage der Fussganglie; mg Magen; la Leberanlage. Ein etwas weiter nach hinten geführter Querschnitt von demselben Stadium; la Lebersack; mg‘ enge kleinzellige Stelle; 1z Leberzellen, aus welchen die sie erfüllende Substanz herausgefallen ist. Taf. XI. Querschnitt weiter nach hinten gelegen, von demselben Embryo. Ein noch weiter nach hinten geführter Querschnitt von demselben Embryo. dr Darm. Ein von demselben Embryo angefertigter Querschnitt, welcher nahe dem hinteren Ende des Lebersacks (la) gsführt wurde. Ein durch die Kiemenhöhle (kmh) geführter Querschnitt von dem in Fig. 71 abgebildeten Stadium; nr Nierenanlage; dr Darm; nd Nahrungsdotter; mg Magen; kv Kiemenvene ? Querschnitt durch den hinteren spiralgewundenen Körpertheil von demselben Stadium; la Lebersack; kmh Kiemenhöhle; ar Gefäss- anlage? Querschnitt, welcher uns die Anlagen des Fussganglion (fg) und des Gehirnganglion (gg) zeigt; gb Gehörbläschen; au Auge; fh die erste Anlage des Fühlers; sg Segel; kb Kopfblase; fs Fuss. Querschnitt von demselben Embryo (gg), Gehirugauglienanlage. Die Anlagen der Fussganglien (fg) sind weit grösser geworden. Querschnitt durch ein noch späteres Stadium; über dem Gehirn- ganglion sieht man den Fühler (fh); oe, gb, sg wie oben. Gehirnganglion (gg) mit den Anlagen der oberen (oc) und der unteren Commissur (uc). Zwei von demselben Embryo angefertigte Querschnitte; oc die beide Gehirnganglien verbindende Commissur; ue Cummissur des Gehirnganglions (gg) zum Fussganglion (fg); zs Zungenscheide. Längsschnitt von demselben Stadium; man sieht auch das Visceral- ganglion; übriges wie oben. 100. Embryo von Murex echinatus (?) ; urn Urniere; nr Niere; sg Segel, en röhrenförmige Einstülpung an der Bauchfläche des Fusses. Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel XIV. Entladungshypothese hat Du-Bois-Reymond!) die von mir?) zur Zeit der Auffindung motorischer Endplatten aufgestellte Hypothese genannt, dass die Muskelfaser vor ihrer Contraction von der zugehörigen Endplatte einen electrischen Schlag erhalte. Obgleich Kühne?) bald darauf sich für diese Aufstellung er- klärt hatte, ist doch nur in Du-Bois-Reymond’s Laboratorium der Versuch gemacht worden, die Hypothese experimentell entweder zu beweisen oder zu widerlegen. Sachs) reizte nämlich eine isolirte Nervenfaser im Frosch- muskel durch Inductionsströme und constatirte unter dem Mikros- kop, dass die zugehörige Muskelfaser allein, nicht aber auch benach- barte in Contraction geriethen. Wäre letzteres eingetreten, so hätte man das als eine Unter- stützung der Entladungshypothese ansehen dürfen. Der entgegengesetzte Ausfall des Experiments mag dazu bei- getragen haben, dass Du-Bois-Reymond (l. c. 551) eine Auf- 1) Experimentalkritik der Entladungshypothese über die Wirkung von Nerv auf Muskel. Sep.-Abdr. aus d. Monatsber. d. k. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1874. — Jahresbericht für 1874 von Hofmann und Schwalbe, 1875. Bd. II, S. 12. 2) Zeitschr. f. ration. Mediein. 1863. Bd. XXVIIl. S. 152. 3) Arch. f. pathol. Anat. 1864. Bd. XXIX. S. 449. 4) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 92. Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. 171 stellung einführte, welche er selbst als »modificirte Entladungshypo- these« bezeichnete und welche den Umstand für wesentlich ansieht, dass die Enden der blassen Terminalfasern als natürliche Querschnitte von Nervenfasern die Muskelfaser-Substanz berühren. Die Entladungshypothese basirt auf der Existenz der Endplatten im Muskel, welche von Gerlach (S. unten) neuerdings bestritten worden ist. Nach Du-Bois-Reymond (I. ce. S. 521) »verbietet nämlich die Dazwischenkunft der Endplatte, an unmittelbare Fort- setzung eines unbekannten Molecularvorganges von der erregten Nervensubstanz auf die Muskelsubstanz zu denken«. Die Wirkung muss eine electrische sein, da sie eine chemische schon wegen der Zeitverhältnisse nicht sein kann. Hiernach scheint die Aufgabe vorzuliegen, einige Thatsachen mehr hervorzuheben, welche der ursprünglichen (oder auch der modi- fieirten) Entladungshypothese günstig sind. Dabei ist zu bemerken, dass es sich hier nur um morphologische Erörterungen handelt, und dass eine im December 1874 zwischen Du-Bois-Reymond und mir geführte Correspondenz auf den Inhalt der vorliegenden Ab- handlung nicht ohne Einfluss geblieben ist. Der erwähnte Versuch von Sachs ist zwar an dem durch- sichtigen Brusthautmuskel des Frosches, dessen Nervenvertheilung seit Reichert!) so genau bekannt ist, angestellt worden. Aber es wurden eine nicht mehr als 90fache Vergrösserung und schwache galvanische Ströme dabei angewendet. Man könnte desshalb den Einwand machen, dass eine stärkere Vergrösserung oder intensivere Reizung noch anderweitige, unter jenem schwachen Linsensysteme nicht zu constatirende Contractionen benachbarter Muskelfasern ge- zeigt haben würde, deren gleichzeitige Erregung in Wahrheit von der Erregung einer einzigen motorischen Endplatte abhängig ge- wesen wäre. Da eine solche Hülfshypothese jedoch zur Zeit durch keine besondere Gründe gestützt wird, so wollen wir sie fallen lassen und im Folgenden annehmen, es sei feststehend bewiesen, dass aus- schliesslich die zugehörige Muskelfaser durch Erregung ihrer End- platte zur Contraction gebracht werde. Wir werden ferner zunächst die Unterschiede vernachlässigen, welche bekannter Maassen zwischen den Endplatten der Froschmus- 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 29. 172 W. Krause: keln etc. einerseits, der höheren Thiere andererseits bestehen. Denn Du-Bois-Reymond (l. e. S. 530) sagt mit Recht, die Entladungs- hypothese mache keinen wesentlichen Unterschied zwischen den End- platten des Frosches und denen anderer Thiere, sowie dass schwerlich Jemand glauben werde, die Wirkung der Endplatte beschränke sich beim Frosch auf die zugehörige Faser, während sie bei anderen Thieren auch Nachbarfasern treffe. Wir nehmen also fernerweit an, der Sachs’sche Versuch könne auch bei den höheren Wirbelthieren mit analogem Erfolge angestellt werden. Dies vorausgesetzt, fragt sich, ob die Thatsache aus einer anatomischen Anordnung erklärt werden könne. Abstrahiren wir dabei vorläufig von der vielleicht noch controversen Nerven-Endi- gung im Muskel des Frosches, so ergiebt sich, dass bei Reptilien, Vögeln und Säugern allerdings ein derartiger Grund sich an- geben lässt. Die motorische Endplatte ist nämlich concav. Sie umgreift bei jenen höheren Wirbelthieren, speciell im M. retractor bulbi der Katze !/,; bis '/; des Umfanges ihrer zugehörigen Muskelfaser. Ent- sprechend dem Cylindermantel des Sarcolemms ist sie gebogen. Für diese Behauptung können wir uns direct auf die Untersuchung von Querschnitten motorischer Endplatten berufen, welche Querschnitte zugleich die Längsrichtung der Muskelfasern rechtwinklig schneiden. Solche Durchschnittsansichten sind sowohl aus dem getrockneten }), als aus dem gefrorenen?), als aus dem ohne Zusatz °) frisch unter- suchten *) Muskel mehrfach abgebildet. Nun ergiebt sich von selbst, dass die Stromdichtean der concaven Seite der Endplatte beträchtlicher seın muss, als an der convexen. Während der Ausgleichung electrischer Spannung, die in der End- platte durch Nervenreizung erzeugt wurde, wird die zur Endplatte gehörige Muskelfaser von dichteren Stromeurven durchsetzt, als die benachbarten Muskelfasern. Dies gilt natürlich nur für den Muskel- querschnitt. 1) W.Krause, Zeitschr.f. ration. Mediein. 1863. Bd. XVII. Taf. VI, Fig.6. 2) W. Kühne, Arch. f. pathol. Anat. 1865. Bd. XXXIV, S. 414. 3) W. Krause, die motorischen Endplatten der quergestreiften Mus- kelfasern. Hannover 1869. S.67. Fig. 32. — Allgemeine und mikr. Anatomie. Hannover, 1876. S. 494. Fig. 275. 4) W. Kühne, Arch. f. path. Anat. 1864. Bd. XXIX. Taf. VII, Fig. 1 u. 2. Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. 173 Ist die Muskelfaser im Leben nicht eylindrisch, sondern pris- matisch wie am getrockneten Muskel, so umgreift doch jedenfalls die Endplatte mehr als nur eine Seite eines solchen Prisma: entweder zwei oder wahrscheinlich meistens drei Seiten. Dies folgt aus den direkten Messungen der Endplatten-Durchmesser in deren Flächen- ansicht im Vergleich zu den Seitenlängen des polygonalen Muskel- faserquerschnitts. Die experimentell gefundene Bevorzugung der zugehörigen Muskelfaser bei Reizung ihrer Endplatten ist also für die höheren Thiere erklärt. Anders beim Frosch, insofern die Nerven-Endigung bei diesem überhaupt noch für controvers gehalten wird. Der Frosch hat hauptsächlich weidenblattförmige Endplatten (Taf. XIV, Fig. 2), die mit ihrer Längsrichtung der Muskelfaserrichtung folgen. Nimmt man an, dass beide Richtungen nicht genau parallel sind, dass vielmehr dieLängsrichtung der Endplatte ein wenig schräg zur Muskelfaserrichtung gestellt ist, so ergiebt sich, wie der Muskel- querschnitt darthun würde, genau dasselbe Verhältniss, welches bei den höheren Wirbelthieren vorliegt. Mit anderen Worten: die im Raume ein wenig spiralig verlaufende Endplatte umgreift mit ihrer concaven Seite einen Theil des Muskelfaser-Umfanges. Wird die Froschmuskelfaser als im Leben prismatisch vorausgesetzt, so hindert nichts die Annahme, das Ende der Endplatte könne über eine Kante des Prisma auf die nächstfolgende Seite des letzteren hinübergreifen. Für die Deutung der betreffenden mikroskopischen Bilder aus dem Froschmuskel stehen sich seit langer Zeit zwei Ansichten gegen- über. Dass man mit verdünnten Säuren allein oder mit Gold- chlorid sehr häufig Bilder wie in Fig. 2 erhält, darüber sind wohl die Meisten einig. Im Wesentlichen vollkommen übereinstimmende Abbildungen liegen von Kühne!), Kölliker?), W. Krause°), Gerlach) und vielen Anderen vor. 1) Ueber die Endigung der Nerven in der quergestreiften Muskelsub- stanz. 1862. Taf. V, Fig. 19. Striekers Handbuch der Lehre von den Geweben. 1868. S. 154. 2) Gewebelehre, 1867. S. 168. 3) Die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskelfasern. Hannover 1869. S. 100. Allgemeine und mikroskopische Anatomie. 1876. S. 497. Fig. 280. 4) Das Verhältniss der Nerven zu den willkürlichen Muskeln. 1874. Taf. I, Fig. 2. Taf. III, Fig. 13. 174 W. Krause: Die Frage ist nur die, wie jene Bilder (Fig. 2) zu deuten sind. Nach der von Kühne herrührenden Annahme, die zuletzt noch von Calberla!) adoptirt worden ist, handelt es sich um Profilan- sichten der Nervenendigung. Die Nervenfaser durchbohrt das Sarcolemm und verzweigt sich mit vielen blassen Terminalfasern (Axencylindern mit Endknospen) im Innern der contractilen Substanz. Nach der richtigen Auffassung repräsentirt das fragliche Bild eine Flächenansicht der motorischen Endplatte. Dieselbe liegt ausserhalb des Sarcolemms und die sog. Endknospen sind Kerne der motorischen Endplatte oder des Neurilemms. Ob die Endplatte innerhalb oder ausserhalb des Sarcolemms liegt, kommt an diesem Orte nicht in Frage. Denn, wie Du-Bois- Reymond (l. ce. S. 526) die Sache betrachtet, ist die bezügliche Anordnung für die Entladungshypothese, principiell genommen, irre- levant. Dass die fraglichen Abbildungen, speciell die von Fig. 2, aber in Wahrheit eine Flächenansicht repräsentiren, ergiebt sich ohne Weiteres, sobald man eine solche vergoldete Muskelfaser um ihre Längsaxe rotirt. Diesen Versuch können Diejenigen nicht angestellt haben, welche die erstere für eine Profilansicht halten. Denn sonst würden die wahren Profilansichten der sehr dünnen Endplatte nicht übersehen worden sein, welche Profilansicht Fig. 3 darstellt. Letztere Figur ist nach einer etwas abweichenden Methode darge- stellt. Eine wirklich um ihre Längsaxe rotirte Muskelfaser wurde dagegen schon früher ?) abgebildet, worauf hier verwiesen werden kann. Der Unterschied der Frosch-Endplatten von denjenigen höherer Thiere besteht in ihrer grösseren absoluten und relativen Länge, resp. weidenblattförmigen Gestalt. Die Terminalfasern sind weiter auseinander gelegt, die Kerne der Endplatte (sog. Endknospen) einzeln verstreut, die ganze Anordnung gleichsam eine gröbere. Desshalb fehlt die für die Endplatten höherer Thiere so charak- teristische feinkörnige Substanz, wie sie bei diesen im absolut frischen Zustande erscheint. Mit starken Vergrösserungen löst sie sich in eine Anzahl feinster verästelter Terminalfasern auf. Dieselbe Nerven-Endigung, resp. Terminalfaser-Verzweigung findet man in 1) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 1874. Bd. XXIV. S. 164. 2) W. Krause, Allgemeine u. mikroskopische Anatomie. 1876. S. 497. Fig. 280 u. 281. Ueber die extramusläre Lage der Endplatten s. daselbst Ss. 493—501. Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. 175 der electrischen Endplatte von Torpedo!) — sie ist daselbst und im Eidechsenmuskel durch Boll?) als feinpunktirt geschildert worden. In Wahrheit stehen die feinsten Terminalfasern (wie die Haare einer Bürste) senkrecht zur Oberfläche der quergestreiften Muskelfaser und gerade diese Stellung ist es, welche die modificirte Entladungs- hypothese von Du-Bois-Reymond verlangt (S. oben S. 171). Beim Frosch sind freie Enden von Terminalfasern gewöhnlich spar- sam vorhanden, letztere selbst dieker. Zuweilen findet man jedoch an Goldchlorid-Präparaten schräge Flächenansichten 3), deren der Muskelfaser zugekehrte Begrenzung ganz an diejenigen bei höheren Thieren *) erinnert. Da die Plagiostomen sich den höheren Wirbelthieren wiederum anschliessen, so ist die Homologie der motorischen Endplatten bei den Wirbelthieren überhaupt als festgestellt zu erachten. Im Gegensatz zu dieser Behauptung hat Gerlach?) eine Ansicht über die Nervenendigung im Muskel aufgestellt, von der zunächst hervorzuheben ist, dass sie der allgemein verbreiteten und auch durch mikroskopische Experimente®) gestützten Lehre von der Muskel-Irritabilität widerspricht. Ferner ist zu bemerken, dass nach diesen Beobachtungen (l.c. S. 59), die Endplatten »in ihrer Existenz hinfällig werden«. Ausserdem hält Gerlach (l. ec. S. 56) es für höchst wahrscheinlich, dass zwischen den intravaginalen Axencylindern und der isotropen Substanz ein continuirlicher Zusammenhang exi- stire. Engelmann’) ist derselben Meinung. Die durch Gerlach beschriebenen Bilder sind leicht zu er- halten, wenn man seine Methode (l. c. S. 41—43) genau befolgt, wie es für Fig. 2 geschehen ist. Beiläufig mag hier erwähnt werden, dass Gerlach mit Unrecht bedauert, ich hätte die von mir benutzte 1) W. Krause, die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskel- fasern. Hannover, 1869, S. 192. — Zeitschr. f. Biologie. 1869. Bd, V. S. 424. 2) Arch. f. mikrosk. Anatomie. 1873. Bd. X. S. 101 u. 253. 3) W. Krause, die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskel- fasern. 1869. S. 98. Fig. 53. 4) Daselbst S. 75. Fig. 40. 5) Sitzungsber. d. physik. medic. Societät zu Erlangen 1873. — Das Verhältniss der Nerven zu den willkürlichen Muskeln der Wirbelthiere. 1874. 6) W. Krause, Zeitschr. f. ration. Medicin. 1863. Bd. XVIII. S. 154. — Die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskeln. 1869. S. 167. 7) Arch. f. die gesammte Physiol. 1875. Bd. XI. S. 463. 176 W. Krause: Vergoldungsmethode nicht angegeben. Die Angabe erfolgte aller- dings nicht in der vorläufigen Mittheilung!), wohl aber in der defini- tiven Monographie ?). Prüft man die nach der Gerlach’schen Methode erhaltenen Bilder an denjenigen Stellen, wo die schwärzende Einwirkung der Reagentien sich allmälig vermindert, so zeigt sich, dass die angeb- lichen feinsten intramusculären Nervennetze nichts weiter sind, als Reihen interstitieller Fettkörnchen. Am reinen Längsschnitt sind dieselben einander ziemlich genau parallel. In optischen Schräg- schnitten aber, welche bei zufällig etwas um ihre Längsaxe torquirten Muskelfasern häufig sich darstellen, wird der Anschein von Anasto- mosen und damit von einem intravaginalen Nervennetz durch sie hervorgerufen. Bekanntlich sind solche Fettkörnchen in den Frosch- muskeln meist sehr entwickelt und incl. der Muskelfibrillen-Inter- stitien auch schon von Margö?®) für terminale Nervennetze ange- sprochen worden. Der (optische oder physische) reine Querschnitt der betreffenden Muskelfasern, den Gerlach nicht beachtet zu haben scheint, lässt darüber keinen Zweifel. Was die von Gerlach sogenannte punktirte Sprenkelung nach Goldbehandlung anlangt, so ist sie am schönsten beim Proteus anguinus wegen der absoluten Grösse der Elementartheile, auch der Muskelkerne bei diesem Thiere zu studiren. ‚Wenigstens bei den in Gefangenschaft gehaltenen Exemplaren zeichnen sich die interstitiellen Körnchen durch ihre Grösse und auffallend längliche Form aus (Fig. 1). Letztere verdanken sie der Compression durch die in ver- dünnter Säure bei der Gerlach’schen Vergoldungsmethode auf- quellende von Sarcolem noch fortwährend umspannte contractile Substanz *). 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 646. 2) Die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskelfasern. 1869. S. 94. Fig. 49. S. 99. Fig. 54. Figuren-Erklärungen. 3) Ueber die Endigung der Nerven in der quergestreiften Muskel- substanz. 1862. 4) Die mehrfach beschriebenen sog. Nebenscheiben, welche zwischen den Quermembranen (Querlinien) und der benachbarten Scheibe anisotroper Substanz die isotrope Substanz der Muskelfasern in querer Richtung durch- setzen sollen, sind in Abrede zu stellen. Die betreffenden Bilder erscheinen häufig an etwas schräg liegenden oder mit Reagentien behandelten Insecten- muskelfasern. Untersucht man aber genau horizontal liegende lebende Fasern Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. 177 Beim Frosch ist die absolute Grösse der Körnchen geringer, Ihre Anzahl und dichtes Gedrängtsein, welches am meisten den Anschein jenes intravaginalen Nervennetzes hervorruft, hängt wohl zum Theil von der Untersuchungsmethode ab. Hierbei kommt der Tetanus in Betracht, welchen G erlach durch Aufschlagen des Frosch- kopfes auf eine Tischkante erzielte und ferner ist die verdünnte Chlorwasserstoffsäure wesentlich. Nach dem Gesagten sind auch die Gerlach’schen Anschau- ungen über die Nervenendigung im Muskel weder der ursprünglichen, noch der modificirten Entladungshypothese, noch der Muskel-Irrita- bilitätslehre mehr im Wege. Vergleichen wir nun mit den vorliegenden histologischen Er- gebnissen die Schwierigkeiten, welche nach Du-Bois-Reymond (l. e. S. 552) der ursprünglichen Entladungshypothese entgegenstehen. »Erstens, dass die Endplatten nach der Entladungshypothese die Muskelsuhstanz in weiterem Umkreis erregen müssten, da sie doch histologisch nur Einer Faser zugehören und nach Sachs auch wirklich nur diese Faser erregen«. Dieses Bedenken fällt wegen der concaven Form der End- platte. »Zweitens, dass nach Marey dem Schlage von Torpedo ein Stadium latenter Reizung von gleicher Länge mit dem der Zuckung vorausgeht. Nur durch die Annahme, dass die unvermeidliche Er- müdung des Organs Herrn Marey getäuscht habe, lässt dieser letzteren Thatsache gegenüber die Entladungshypothese sich noch halten«. Nach den Resultaten, die seitdem Steiner!) in einer ander- weitigen Versuchsreihe an Torpedo erhalten hat, kann die Ermüdung als notorisch vorausgesetzt werden. Wir kommen zum Schluss: die ursprüngliche sowohl als die modifieirte Entladungshypothese sind zulässig aber nicht bewiesen. Für beide spricht das nun einmal nicht zu läugnende Dasein der motorischen Endplatten im Muskel. Für die erstere so gewichtig die der den Oberschenkel bewegenden Muskeln z. B. grösserer Fliegen, so erhält man auch unter den stärksten Immersionssystemen (Seibert u. Krafft IX, Oe. 1-3 = Hartnack XVII) genau dasselbe einfache Bild (Allg. Anat. Fig. 53), weiches schon öfter abgebidet wurde. 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 684. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 11* 178 W. Krause: Analogie mit der electrischen Endplatte. Für die modifieirte Ent- ladungshypothese. die Anordnung der senkrecht zur Muskelfaser- Richtung gestellten Terminalfaser-Enden. Zwischen beiden Hypo- thesen mag einst der Versuch z. B. an den mit freiem Auge sicht- baren!) motorischen Endplatten von Torpedo) entscheiden, womit das phyiologische Gebiet betreten wird. Nachschrift. Die von mir (Allg. Anat. 1876, S.535) gelieferte Nachweisung, dass das Gerlach’sche sog. intravaginale Nervennetz keineswegs nervöser Natur ist, wurde kürzlich durch die Arbeiten von Fischer), der bei Kollmann, und von Ewald 3), welcher in Kühne’s Labora- torium arbeitete, erfreulicher Weise bestätigt, so dass die Angelegen- heit damit wohl als erledigt betrachtet werden kann. — In Betreff der Discussionen über Silberbilder und Flottiren im leeren Sarcolemma- schlauch, die Ewald von Neuem aufgenommen hat, genügt es auf meine *) früheren Auseinandersetzungen zu verweisen. 1) W. Krause, Zeitschr. f. Biologie, 1869. Bd. V. S. 423. 2) Medic. Centralblatt 1876. Nro. 20. S. 354. 3) Arch. f. d. gesammte Physiologie. 1876. Bd. XII. S. 529. 4) W. Krause, Die motorischen Endplatten der quergestreiften Muskei- fasern. Hannover, 1869. $. 146 u. 152. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Die Entladungshypothese und die motorischen Endplatten. 179 Erklärung der Figuren auf Tafel XIV. Muskelfasern der Zunge von Proteus anguinus. Nach der Gerlach’- schen Methode (l. ce.) vergoldet. Vergr. 400. Die geschwärzten Pünktchen sind interstitielle Körnchen. Muskelfaser aus dem Brusthautmuskel von Rana temporaria genau nach der Gerlach’schen Methode (Das Verhältniss der Nerven zu den willkürlichen Muskeln der Wirbelthiere 1874. S. 41--45) be- handelt. Vergr. 200. N Nervenfaser, durch Gold geschwärzt und sich in einer motorischen Endplatte mit ebenfalls geschwärzten Terminalfasern t verästelnd. Kerne sind nicht sichtbar. Die End- platte erscheint in Flächenansicht. Muskelfaser wie Fig. 2. Wahre Profilansicht der motorischen End- platte. Durch zweistündiges Einlegen in Goldchlorid von 1: 1000 und 24stündiges in Chlorwasserstoffsäure (1: 1000) sind die Nerven- fasern schwarz gefärbt. Vergr. 200. N Nervenfaser. k Kern der Endplatte. Um die Details zu sehen, mussten natürlicher Weise stärkere Ver- grösserungen angewendet werden, als die angegebenen, die nur jene Ziffer darstellen, nach welcher die gemessene Muskelfaser auf dem Papier ver- grössert worden ist. Ueber Mikrotome. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Da ich veranlasst worden bin, das von mir!) angegebene Mikro- tom im April d. J. auf der Ausstellung wissenschaftlicher Apparate zu London vorzuzeigen, so wird es nothwendig eine Bedenklichkeit zu beseitigen, welche kürzlich?) erhoben worden ist: man könne keine grossen Schnitte mit dem fraglichen Instrument anfertigen. Dies ist jedoch sehr wohl thunlich, falls man ein längeres Messer oder eine in eine Bogensäge statt deren Blattes eingespannte Klınge benutzt, wie bereits früher hervorgehoben wurde. Selbst mit einem kurzen Messer können grössere Schnitte gemacht werden, insofern man auf den Hauptvorzug, den das Instrument gegenüber anderen darbietet, verzichten will: auf den Vortheil, mehr durch Zug als durch Druck zu schneiden. Dagegen lässt sich bei dem heutigen Stande industrieller Technik die Einwendung nicht beseitigen, das Mikrotom habe einen relativ hohen Preis. Wenn es nur dafür Entsprechendes leistet! Das Wichtigste scheint bei einem doch immer zu besonderen Zwecken (Schnitt-Serien) bestimmten Apparate, dass man denselben vielseitig adaptiren und umändern könne. Dies gestattet aber die Einrichtung, insofern sowohl Messer als der Halter des Präparates beliebig ge- wechselt und modifieirt werden können. Wie bei allen derartigen Instrumenten, muss übrigens auf die Vorbereitung und gleichmässige Erhärtung der zu schneidenden Präparate besondere Sorgfalt verwandt werden. 1) Archiv f. mikrosk. Anat. 1874. Bd. XI. S. 227. 2) Schiefferdecker, daselbst 1875. Bd. XI. S. 100. Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amphioxus lanceolatus, nebst einem Beitrage zur Homologie des Nervensystems der Würmer und Wirbelthiere. Von Prof. A. Kowalevsky in Odessa. Hierzu Tafel XV und XVl. I. In verschiedenen Schriften, welche die Homologie der cen- tralen Nervensysteme der Wirbelthiere und Wirbellosen behandeln, wird es von vielen Forschern als ausgemacht angesehen, dass das Rückenmark der Wirbelthiere dem Bauchstrang der Anneliden homo- log sei. In meiner Arbeit über die Entwickelung der Würmer und Arthropoden!) habe ich diese Homologie auf embryologische Daten zu stützen versucht. Meine Ansicht wurde von der neueren Schule im Grossen und Ganzen angenommen. Semper, der anfangs mir so heftig?) entgegentrat, ist jüngst?) einer der eifrigsten Verthei- diger dieser Anschauung geworden. — Die allgemeine Annahme derselben hatte bald neue Fragen im Gefolge: in wie weit diese Homologie auf die einzelnen Theile des Nervensystem beider Classen auszudehnen, ob namentlich das Gehirn der Wirbelthiere mit 1) Memoires de l’Academie Imp. de St. Petersburg VII. Serie. T. XVI Nro. 12, p. 27, 28, 58, 59. 2) Kritische Gänge, 2. Gang. 3) Die Stammesverwandtschaft der Wirbelthiere und Wirbellosen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 12 182 A. Kowalevsky:! dem Kopfganglion der Anneliden homolog sei, oder ob die Homo- logie nur das Rückenmark und die Bauchnervenkette der Annelieden umfasse ? Diese Fragen werden von verschiedenen Forschern sehr verschieden beantwortet: so meint Semper!): »Es wird durch meine Deutung das gegliederte Bauchmark der Anneliden mit dem Rückenmark und Gehirn der Wirbelthiere identificirt«. In Bezug auf das obere Schlundganglion spricht Semper die Ver- muthung von der »Möglichkeit eines Vergleichens des letzteren (Ge- hirns) mit den Spinalganglien der Vertebraten aus«. Ein anderer Forscher, A. Dohrn?) neigt sich der Ansicht zu, dass das Kopfganglion der Anneliden dem Gehirne der Wirbeltheile homolog sei, und meint dabei, dass »die Vorfahrer der Wirbelthiere den Schlundring besessen haben müssten« und weiter, dass »die ursprüng- liche Mundöffnung der Wirkelthiere zwischen den Crura cerebelli, oder, genauer gesprochen, in der Fossa rhomboidea gelegen hätte. Eine oesophagusartige Einstülpung senke sich von dieser Stelle aus nach innen gegen den Mitteldarm hin, um sich in der Weise des Vorder- darms der Insecten-Embryonen mit dem Mitteldarm zu verbinden und die Vereinigung der einzelnen Hohlräume des gesammten Darm- canals herzustellen. Diese Mundöffnung und der von ihr ausgehende Oesophagus wären homolog mit den gleichen Organen der Arthro- poden und Anneliden«. Entgegengesetzt den Meinungen von Semper und Dohrn spricht sich der berühmte Morpholog Gegenbaur°) mit der grössten Heftigkeit gegen jedes Homologisiren der centralen Ner- vensysteme der Wirbelthiere und Anneliden aus, und findet auch wirklich eine starke Waffe in deın Punkte, dass das Nerven- system der Anneliden aus zwei durch den Oesophagus von ein- ander getrennten Theilen bestände — Gehirn und Bauchstrang — von denen ein Theil unter, ein anderer über dem Darmcanal läge. — Er nennt selbst dieses Homologisiren ein »unwissenschaft- liches«, und drückt sich folgendermaassen aus: »So wandelt eine solche unwissenschaftliche Vergleichung wie in einem Labyrinthe, in dem an den ersten Irrweg nur neue sich anreihen«. — 1) 1. c. pag. 27. 2) A. Dohrn, Der Ursprung der Wirbelthiere und das Prineip des Functionswechsels. 1875. p. 3. 3) Gegenbaur, Die Stellung und Bedeutung der Morphologie. Mor- phologisches Jahrbuch. Erster Bd. p. 6. Weitere Studien über die lintwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 183 Aus den angeführten Citaten, welche alle den Schriften ent- "nommen sind, welche im laufenden Jahre erschienen, ersieht wohl der Leser, wie schwankend noch die Frage steht, und dass dabei von beiden Seiten aus Hypothesen angeführt werden und keine ein- zige Thatsache, welche uns als Ausgangspunkt der Erklärung dieser so verwickelten Beziehungen dienen könnte. Vor einigen Jahren und namentlich im Jahre 1870 habe ich einen Aufsatz!) publicirt, in welchem eine Erklärung der Lagerung des Nervensystems der Anneliden zu beiden Seiten des Darmcanals vorgeschlagen wurde. Da aber diese Arbeit in einer russischen Zeitschrift erschien, so blieb sie ganz unbeachtet und doch kann sie, so hoffe ich, wenigstens einige Anhaltspunkte geben, um die Frage der Homologie des gesammten centralen Nervensystems der Würmer und Wirbelthiere aus dem Bereiche der Hypothesen auf eine mehr reellere Basis zu stellen. Ich erlaube mir deshalb, die in dem citirten Aufsatze ent- haltenen Thatsachen und die damals von mir vorgeschlagene Er- läuterung hier noch einmal zu wiederholen. Der angeführte Aufsatz enthält eine Beschreibung meiner neueren Beobachtungen über die Entwickelung des Amphioxus, welche ich im Sommer 1868 in Neapel angestellt habe und durch die es ınir gelang, mehrere wichtige Punkte der Embryologie dieses interes- santen Fisches zu lösen und einige fehlerhafte Angaben meiner früheren Beobachtungen zu corrigiren. — In Folge der besseren Technik wurde es möglich, Querschnitte aus verschiedenen Am- phioxuslarven herzustellen, welche eine genauere Einsicht in die embryonalen Pocesse gestatteten. Ich werde die Beschreibung meiner neueren Untersuchungen über die Entwickelung des Amphioxus mit dem Stadium beginnen, in welchem die Einstülpung der einen Hälfte des Blastoderms bereits beendigt ist, der Embryo seine runde Form schon verloren hat, und die Einstülpungsöffnung (Fig. 1 eo) sich inForm eines kleinen Loches darstellt, welches am hinteren Ende des Embryo liegt und in die centrale, resp. Darmhöhle (dh) direkt führt. Wir gehen aus von dem jetzt so allgemein bekannten Stadium, welches Haeckel mit dem Namen Gastrula belegt hat 1) Schriften der Naturforschergesellschaft in Kiew. Bd. I. p. 327. Zur Entwickelung des Amphioxus (neuere Studien). 184 A. Kowalevsky: und werden zunächst die Bildung des Nervenrohrs und später die des mittleren Blattes behandeln. Die erste Veränderung besteht nur darin, dess die Einstülpungsöffnung — Urmund von Haeckel — excentrisch wird, d. h. auf eine Seite und zwar auf die Rückenseite verschoben. Zugleich mit dieser Verschiebung der Einstülpungs- öffnung flacht sich der Embryo etwas ab in Folge der bedeutenden Einsenkung fast des ganzen Rückentheils, an dessen hinterem Ende die Einstülpungsöffnung (Fig. 1eo) liegt. Diese Einsenkung des Rückens (mr) ist anfangs von keinen bestimmt ausgeprägten Rändern begrenzt, allmählich aber werden dieselben immer mehr deutlicher bis sie endlich eine nicht schwer zu erkennende Rückenfurche be- grenzen. Das hintere Ende dieser Rückenfurche umgiebt die Ein- stülpungsöffnung nach rückwärts, wobei deren hinterer Rand auch den hinteren Rand der Rückenfurche bildet. Die jetzt beginnende Schliessung der Rückenfurche geht hier, so wie bei den anderen Wirbelthieren, von hinten aus, wobei die ganz hinteren Ränder, welche die Einstülpungsöffnung (eo) rückwärts begrenzten, sich aufheben, eine Art Dach über diese Oeffnung bilden und immer mehr und mehr nach vorne wachsend und mit den seitlichen Rändern der Rücken- furche verschmelzend den Rücken resp. das Nervenrohr zu bilden beginnen. Auf der Fig. 2 sehen wir ein solches Stadium, in welchem sich schon ein kurzes Rückenrohr (von Ibis II) gebildet hat, wobei auch die bedeutend aufgehobenen Ränder der Rückenfurche sich schon bis zur Stelle III fortsetzen. Legt man einen solchen Embryo auf die Seite, so findet man folgende Beziehungen sehr deutlich ausgesprochen. Die Falte f Fig. 3, welche den hinteren Rand der Einstülpungs- öffnung bildete, ist jetzt bedeutend nach vorne verlängert und die Einstülpungsöffnung (eo) selbst ist zu einem Spalt geworden, welcher das Lumen der darunter liegenden Darmhöhle mit dem Lumen der sich jetzt schliessenden Rückenrinne verbindet. — Auf der Fig. 4 habe ich ein etwas mehr ausgebildetes Stadium abgebildet, auf dem das Rückenrohr — Medullarrohr — viel weiter geschlossen ist und die stark aufgehobenen Ränder der Rückenrinne fast bis zu dem vorderen Ende der Larve reichen. In der Fig. 5 sehen wir einen noch weiter fortgeschrittenen Zustand, in welchem das Medullarrohr in seinem ganzen hinteren Theile schon geschlossen ist und nur ganz am vorderen Ende ein bedeutendes Loch (Fig. 5n) enthält. Ein etwas älterer Embryo von der Seite gesehen, ist auf der Fig. 6 abgebildet und stellt uns die schon bekannten Verhältnisse Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 185 dar. Er besteht aus zwei. übereinander liegenden Röhren, dem Darm (dd) und Nervenrohr (n), welche beide am hinteren Ende, ver- mittelst des Restes der Einstülpungsöffnung (oe), unmittelbar in ein- ander übergehen. Zwischen den beiden Röhren liegt der Rücken- theil des unteren Blattes, die sich schon bildende Chorda (ch), und zu beiden Seiten dieser beiden Röhren die Urwirbel. Die weiteren Veränderungen der uns jetzt am nächsten interessirenden Gebilde bestehen darin, dass bei dem Wachsthum der Larve das Medul- larrohr länger und freier wird, seine vordere Oeffnung kleiner (Fig. 7 n), bis endlich dasselbe sich vollständig schliesst. Während diese Veränderungen mit dem Nervenrohre vor sich gehen, bilden sich auch die inneren Organe der ar aus, worauf wir aber etwas später zu sprechen kommen. Auf allen diesen Stadien, sowie auf den früheren sieht man sanz deutlich den unmittelbaren Uebergang (oe) des Darm- und Nervenrohrs. Diese Verbindung der beiden Röhren besteht bis zur Bildung der Schwanzflosse, zu welcher Zeit sich auch der Anus bildet und das Nervenrohr vom Darmrohre abschnürt. Auf der Fig. 8 haben wir den hinteren Theil des Thieres aus diesem Stadium mit der auswachsenden Schwanzflosse abgebildet. Das hintere Ende des unlängst vom Darmrohre abgeschnürten Medullarrohres (Fig. 8h) liegt noch unter der Chorda. Beim weiteren Wachsthume der Larve und der Ausbildung der Chorda rückt allmählich das hintere Ende des Medullarrohres auf die Chorda, wo es noch lange die Form einer kleinen Blase behält (Fig. 9 b). Schon auf dem Stadium, aus welchem die Abbildung auf der Fig. 8 entnommen ist, sieht man den schon gebildeten und seitlich liegenden Anus. Es ist mir nicht gelungen, zu beobachten, ob die Bildung des Anus der Trennung des Darm- und Nervenrohres vor- angeht, oder nicht. Bei Acanthias beginnt die Bildung des Anus noch zu der Zeit, wann das Darm- und Nervennetz ohne geringste Abgrenzung in einander übergehen !). Auch nach der Bildung der Analöffnung bei Acanthias sieht man noch einen sehr langen röhren- artigen Fortsatz, welcher vom Hinterdarm nach hinten gegen das unlängst abgeschnürte hintere Ende des Nervenrohres hinzieht. Aus mehreren von diesen Embryonen, welche ich, wie gesagt, in Glycerin aufbewahrte, ist es mir jetzt gelungen, Querschnitte dar- 1) Schriften der Naturforschergesellschaft in Kiew. Bd. I. p. 180. Taf. VII. Fig. 18. 186 A. Kowalevsky: zustellen, welche eine etwas tiefere Einsicht in die Einzelheiten der von uns beschriebenen Vorgänge erlauben. Auf der Zeichnung Fig. 10 gebe ich einen Querschnitt der Gastrula und es ist hier schon sehr klar zu sehen, dass die Medul- larplatte (mm) angelegt ist, und dass dieselbe aus allen mittleren Zellen des Rückentheils des oberen Blattes besteht. Wir gewahren auf dem Querschnitte nämlich, dass eine ganze Reihe von Zellen (m m) sich direkt einzusenken beginnt und an ihren peiden Rändern von denzur Seite liegenden Zellen (r) desselben Blattes überwachsen wird. Beidieser Einsenkung wird der unmittelbare Uebergang der Zellen des oberen Blattes in die Zellen der Medullarplatte (rm) gewissermassen zer- rissen; die Medullarplatte trennt sich schon jetzt, also lange vor der Schliessung der Rückenrinne, vom oberen Blatte ab. Bei anderen Wir- belthieren ist es bekanntlich ganz anders, die Medullarplatten trennen sich vom oberen Blatte erst in dem Moment der Schliessung des Nerven- rohrs. Nur durch die Vermittelung dieses Stadiums, resp. durch die frühzeitige Trennung der Medullarplatte vom oberen Blatte ist es mir gelungen, die Lagerung der Medullarplatte auf dem folgen- den Stadium zu erklären. Auf der Fig. 11 gebe ich einen Quer- schnitt des Embryo aus einem Stadium , welches zwischen den auf Fig. 4 und 5 abgebildeten zu stellen ist; auf diesem sehen wir die Medullarplatte schon vollständig unter dem oberen Blatte liegen und dabei bedeutend gebogen, so dass ihre beiden extremen Ränder (r) sich gegenseitig einander zukehren. Das obere Blatt, welches jetzt nur eigentlich das äussere Epithel bildet, ist vollständig von der Medullarplatte getrennt. Schon auf der Zeichnnng Fig. 6, auf der der Embryo von der Seite abgebildet ist, also im optischen Querschnitte, habe ich gesehen, dass die obere, die Medullaranlage bedeckende Platte nach vorne nur aus einer Schicht von Zellen be- steht, dass also die Rückenrinne, obgleich von anssen vollständig bedeckt, innen — unter der Haut — noch offen ist. Die Querschnitte der Gastrula und der zuletzt angeführte Querschnitt auf der Fig. 11 erklären uns diese Erscheinung ganz einfach. Querschnitte der etwas weiter ausgebildeten Larve Figg. 12 u. 13 zeigen uns nun, dass die oberen Ränder der Medullarplatten sich bald verbinden, anfangs vermittelst einer sehr feinen und platten Brücke, welche sich aber bei den weiter ausgebildeten Larven bedeutend verdickt und so ein Verhältniss annimmt, wie bei dem ausgewachsenen Amphioxus. Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 187 Nachdem wir jetzt mit den allgemeinen Vorgängen der Bildung des Nervenrohres bekannt sind, wenden wir uns zu den inneren ‚Organen der Amphioxuslarve, wobei wir besonders die Bildung des sogenannten mittleren Blattes zu untersuchen haben. In meiner früheren Schrift über die Bildung des mittleren Blattes des Amphioxus verfiel ich bei der Betrachtung des optischen Querschnittes in einen groben Fehler, indem ich annahm, dass dasselbe aus zwei, vom oberen und unteren Batte abgetrennten Platten sich bilde. Nach meinen neueren, auf wirkliche (nicht optische) Querschnitte basirten Untersuchungen finde ich, dass die Muskelplatten und die Chorda aus dem unteren Blatte abstammen und weiter, dass dieselben nur ein zusammenhängendes resp. mittleres Blatt bilden. Die erste Entstehung der Urwirbel, resp. des mittleren Blattes, ist schon an der Gastrula des Amphioxus zu sehen. Beim Betrachten der Gastrula (Fig. 1) von oben findet man am oberen Ende derselben zwei Einsenkungen des unteren Blattes (v), welche die ersten Andeutungen der jetzt auftretenden Urwirbel sind. Auf der Fig. 4 sieht man jederseits vier solche durch Falten abgetrennte Theile des unteren Blattes. Auf dem nächst folgenden Stadium Fig. 5 ist derselbe Process, resp. die Faltenbildurg des unteren Blattes, viel weiter fortgeschritten und die schon erwähnten Falten sind jetzt im Begriffe, sich vom unteren Blatte abzutrennen. In diese Falten des unteren Blattes resp. der Urwirbel geht selbst- verständlich die von dem letztern umgebene Höhle ein und auf der Fig. 5 sind dieselben bei zwei verschiedenen Einstellungen des Mikroskops dargestellt. Auf der linken Seite bei etwas höherem (oberflächlichem), auf der rechten bei tieferem Einstellen des Mikros- kops; im ersten Falle, also bei oberflächlicher Einstellung des Mikros- kops, sieht man in der erstenFalte einen noch breiten mit der cen- tralen Höhle communicirenden Raum. Die zweite Falte ist viel mehr vom unteren Blatte abgetrennt und bei der erwähnten Einstellung des Mikroskops scheint die Höhle der Falte (2a) vonfder centralen Höhle ganz abgetrennt zu sein; bei tieferer Einstellung des Mikros- kops aber, wie es links dargestellt ist, sieht man, dass die Höhle central der Falte 2, wenn schon auch bedeutend abgeschnürt, doch mit der inneren, resp. Darmhöhle noch communieirt. In der 3. und 4. Falte ist die Communication noch breiter. Auf der Fig. 6, d.h. bei dem Betrachten des Embryo von der Seite, sieht man schon deutlich, dass die gleich zu besprechenden Falten nichts anderes sind, 188 A. Kowalevsky: als die sog. Urwirbel des Amphioxus und dass dieselben eine Höhle enthalten, wobei die Höhlen der letzten hinteren Urwirbel, oder genauer die Höhle des fünften Urwirbels mit der Höhle der sich hinten noch bildenden Urwirbel unmittelbar zusammenhängt. Schon auf diesem Stadium sowohl, wie auf den früheren sah man, dass die Höhle des ersten Urwirbels durch einen breiteren Spalt mit der centralen Höhle communicirt, sowie dass dessen Wandungen (Fig. 6. 1.) auch etwas dünner als die der anderen sind. Auf dem folgenden Stadium wird dieser Unterschied im respectiven Verhalten des ersten und aller anderen Urwirbel immer mehr ausgesprochen. Nament- lich auf der Fig. 7, wo schon eine grössere Zahl der Urwirbel vor- handen ist, sieht man, dass der erste Urwirbel zu einem dünnwan- digen epithelialen Sacke resp. Drüse wird, im Gegensatz zu den anderen, in denen man keine Höhle mehr unterscheiden kann, son- dern nur ein einfaches muskulöses Plättchen sieht. Der erste Ur- wirbel wird also zu der schon längst bekannten Drüse, welche von Max Schultze und später auch von mir bei den Larven des Am- phioxus beschrieben wurde. Diese Entstehung der Urwirbel aus dem unteren Blatte, diese, so zu sagen, Abschnürung derselben vom unteren Blatte wurde auch auf den Querschnitten der vorhin be- schriebenen Stadien bestätigt. Wenden wir uns zum Querschnitt, welcher auf der Fig. 11 dargestellt und durch einen Embryo geführt ist, welcher etwas älter als der auf der Fig. 4 abgebildete war, so finden wir, dass das untere Blatt in seiner oberen Hälfte in drei Falten zerfällt, von denen die beiden seitlichen (x) sehr stark ent- wickelt sind, und sich in die untere resp. Darmhöhle unmittelbar fortsetzt. In der Mittellinie findet man auch eine kleine Falte (c) oder genauer eine Rinne, da dieselbe von oben sehr schwach abgegrenzt ist. Aus einem etwas mehr entwickelten Embryo, welcher zwischen die Stadien, die auf den Fig. 6 und 7 abgebildet sind, zu stehen kommt, habe ich mehrere Querschnitte erhalten, von denen ich einen aus der hinteren Hälfte auf der Fig. 12, und einen aus der vorderen Hälfte auf der Fig. 13 darstelle. Auf dem ersten Quer- schnitte (Fig. 12) sieht man schon das vollständig geschlossene Nervenrohr (nr), darunter die scharf von den umgebenden Geweben getrennte Chorda dorsalis (ch), und unter derselben eine sehr feine Schicht des unteren Darmdrüsenblattes; zu beiden Seiten der Chorda sieht man die Urwirbelanlagen (x) als Ausstülpungen des Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 189 unteren Blattes; in‘diese Ausstülpungen zieht sich die untenliegende Höhle hinein. Ein Querschnitt desselben Amphioxus nur aus dessen vorderer Hälfte ist auf der Fig. 13 abgebildet und unterscheidet sich von dem gleich zu beschreibenden durch die beginnende Abschnürung der Urwirbel vom unteren Blatte. Die Communication der Ur- wirbelhöhle mit der Darmhöhle ist hier vollständig unterbrochen und die die Urwirbelhöhle umgebenden Zellen beginnen auch sich vom unteren Blatte abzuschnüren. Ein Querschnitt des hinteren Theiles eines schon bedeutend weiter entwickelten Amphioxus, welcher auf der Fig. f abgebildet ist, zeigt (Fig. 14), dass das Nervenrohr, die Chorda, Darmrohr und Urwirbel oder genauer Seitenplatten schon vollständig von ein- ander abgetrennt sind. Die Urwirbelhöhle ist ganz verschwunden und nur ein undeutlicher Streifen zeigt die Stelle, wo dieselbe war; die einzelnen fadenartigen Gebilde sind als auftretende Muskelfasern zu deuten. Die unteren Zellen (m) der Urwirbel resp. Muskel- platten setzen sich nach unten fort und keilen sich hier zwischen dem aus dem Darmdrüsenblatte bestehenden Darmrohre und dem äusseren Hautepithel ein. — Zwei Muskelplatten oder überhaupt eine dieselben trennende Leibeshöhle konnte ich an den Querschnitten gar nicht unterscheiden. — Aus der Larve, an der schon die Mund- öffnung und ein Kiemenspalt gebildet sind und dessen hinteres Ende auf der Fig. 8 abgebildet ist, ist es mir auch gelungen, einige brauchbare Querschnitte zu erhalten, von denen ich einen auf der Fig. 15 anführe; wir treffen hier dieselben Verhältnisse wie auf dem gleich oben angeführten Querschnitte, mit dem einzigen Unterschiede, dass auf dem letzten die Muskelfasern in grösserer Zahl auftreten. Dass ich die Leibeshöhle auf diesen letzten Querschnitten nicht unterscheiden konnte, hängt wahrscheinlich von schlecht aufbewahr- ten Embryonen und vielleicht auch davon ab, dass dieselbe, auch bei viel reiferen Larven, nur unter dem Darmrohre (Fig. 16 Ih) zu sehen ist. Aus allem nun Angeführten, sowohl bei der Beobachtung der ganzen Larven, sowie deren Querschnitten, kann man mit Sicherheit schliessen, dass das sogenannte mittlere Blatt oder, genauer ge- sprochen, die Urwirbel unmittelbar aus dem unteren Blatte ab- stammen und dabei durch einfache Ausstülpung desselben. Das weitere mittlere Blatt im Sinne einer zusammenhängenden Zellen- schicht tritt nicht auf, sondern die Urwirbel, wenigstens alle vor- 190 A. Kowalevsky: deren, bilden sich unmittelbar aus dem unteren Blatte. Weiter haben wir gesehen, dass die Urwirbelhöhle unmittelbar aus der durch Einstülpung des Blastoderms entstandenen Höhle sich abtrennt. Es ist mir nicht gelungen, das weitere Schicksal der Urwirbelhöhle zu verfolgen, obgleich ich es doch für sehr möglich halte, dass die- selbe zu dem Spalt wird, welcher das Darmrohr mit seinem Peri- toneum und Mesenterium von der Leibeswand trennt, resp. zur Leibeshöhle. Dieser Satz ist allerdings von mir nicht bewiesen, obgleich ich an mehreren Querschnitten und auch an den beiden auf den Figg. 14 u. 15 angeführten, einen Streifen sehe, der wahr- scheinlich die auf diesen Stadien stark zusammengefallene Leibes- höhle darstellt. An einer schon ganz ausgebildeten, mit vielen Kiemenspalten versehenen Larve sieht man die Leibeshöhle sehr deutlich, aber ob dieselbe aus dem Spalt (s’ s) Fig. 14 u. 15 entstan- den ist, ist noch nicht bewiesen. Jedenfalls, was die Bildung des mittleren Blattes resp. seiner beiden Haut- und Darmplatten überhaupt betrifft, so ist seine Ent- stehung beim Amphioxus dem ganz ähnlich, was von mir für die Sagitta!), Brachiopoden?) und von Metschnikoff>) für die Echi- nodermen bewiesen ist. Aus demselben wäre auch zu schliessen, dass die Leibeshöhle der Sagitta und die Urwirbelhöhle des Am- phioxus homologe Bildungen seien, mit dem quantitativen Unter- schiede, dass bei Sagitta nur ein Segment (wenn man aber den Schwanz auch zurechnet, zwei), so zu sagen ein Urwirbel, beim Amphioxus mehrere derselben auf einmal entstehen. Was die späteren Stadien des Amphioxus betrifft, so habe ich nur Präparate solcher Amphioxus, an denen der Kiemenraum seine definitive Form anzunehmen beginnt und deren Zeichnung schon in meinem Aufsatze‘) auf der Taf. III Fig. 33—40 abgebildet wurde. Schon in dem letzt eitirten Memoire habe ich mich in dem Sinne ausgesprochen (S. 9), dass die Kiemenhöhle des Amphioxus der 1) Embr. Studien an Würmern und Arthropoden. Taf. I, Fig. 5 bis 9. 2) Entwickelung der Brachiopoden. Taf. I, Fig. 6, 7 u. 8. 3) Studien über die Entw. der Echinodermen und Nemertinen. Me- moires de l’Acad. de Science. de St. Petersbourg. VII. Serie Tom. XIV No. 8. Taf. XI, Fig. 1 u. 2. 4) Studien über den Amphioxus lanceolatus,. Memoires de l’Acad. Imp. de St. Petersbourg,. VII. Serie. T.XIX, No.7 p. 29 u. f. Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 191 Kiemenhöhle der anderen Fische vollständig entspricht und mit der, den Darm umgebenden Leibeshöhle nicht verglichen werden kann. Es wurde auch damals gezeigt, dass die Kiemenspalten sehr früh, eine nach der andern entstehen und dass, wenn die Larve schon eine grössere Zahl derselben besitzt, sich zu beiden Seiten des Körpers (Rumpfes) zwei längliche Falten bilden, welche gegenseitig nach unten wachsend, sich endlich begegnen und verschmelzen ; von dem breiten Spalt bleibt nur der sog. Porus abdominalis übrig, durch welchen das aus den Kiemen ausströmende Wasser nach aussen tritt, dass, mit einem Worte, die Kiemenhöhle des Amphioxus der Kiemenhöhle anderer Fische homolog sei. Letztens aber tritt gegen diese Ansicht Prof. Stieda!) auf, wobei derselbe sich auf Untersuchung schon ausgewachsener, geschlechtsreifer Exemplare stützte. Ich habe auch einige derselben untersucht, finde aber, dass sich bei denselben die einzelnen Hautschichten viel schwerer entziffern lassen, obgleich man auch bei den ausgewachsenen immer die Haut findet, welche die Leibeshöhle von dem Kiemenraume trennt. Ich werde hier einige Querschnitte der Amphioxus-Larve mit 12 Kiemenspalten anführen, von denen eine in meinem Memboire auf Taf. III Fig. 40 abgebildet wurde und welche dem reifen Am- phioxus schon sehr nahe steht. Auf der Fig. 16 gebe ich die Zeichnung eines Querschnittes, welcher durch das hintere Ende des Amphioxus geht, nach hinten von dem Porus abdominalis, also aus dem Schwanztheil. Auf diesem Querschnitte (Fig. 16) finden wir eine deutlich ausgesprochene Leibeshöhle (7) und einen Canal (ec) zwischen dem Darme und Chorda. Die Leibeshöhle ist überall von einem sehr flachen Epithel (Peritoneum) ausgekleidet und nach unten liegt dieselbe auf einem homogenen Gewebe, eine Art Stütz- substanz für die hier schon gebildete kleine flossenartige Hautfalte. Dies Gewebe zieht sich auch nach oben, überall unter dem äusseren Epithel eine feine durchsichtige Schicht bildend und wurde von Prof. Stieda »Unterhautgewebe«?) (Ug) genannt, welchen Namen wir auch beibehalten werden. Weiter sieht man auf dem Querschnitte das Darmrohr (d), die Chorda (ch), das Rückenmark (rm) und die seitlichen Muskeln von ihren festen skeletartigen Fascien umgeben. 1) Entwickel. des Amphioxus lanceolatus. Mem. de l’Acad. Peters- bourg. VI. Serie T.XI. No. 4. 2) 1. ce. p. 19. 192 A. Kowalevsky: Unter dem Darmrohr, zwischen dessen innerem Epithel und dem feinen peritonealen Ueberzuge (p) sieht man zwei sehr flachgedrückte und kleine Gefässstämmchen (gg). Von diesem Querschnitte beginnend, werden wir einige nach vorn liegende Schnitte beschreiben, auf denen wir die den Kiemen- raum umgrenzenden Falten auftreten sehen und weiter auch die Kiemen selbst. Aus diesen Querschnitten wird es, so hoffe ich wenigstens, sich ergeben, dass der Kiemenraum nicht mit der eigent- lichen, den Darm umgebenden Leibeshöhle (Ih) zu verwechseln sei. Um die ganzen Querschnitte nicht zu zeichnen, führe ich auf den folgenden fünf Figuren nur deren untere Hälften an, welche uns allein auch interessiren und nur den letzten Querschnitt, wo zwei Kiemenspalten zu sehen sind, zeichne ich wieder ganz ab. Auf der Fig. 17 sehen wir einen Querschnitt von der Gegend, wo die beiden, den Kiemenraum umgebenden Falten (f) erst auftreten; sie liegen zu beiden Seiten der noch hier vorhandenen, wenn auch klein ge- wordenen Bauchflosse (bf). Auf dem folgenden Querschnitte (Fig. 18) sind die beiden Falten schon bedeutend entwickelt und bestehen nicht nur aus der Haut, sondern aus der ganzen Leibeswand, wobei auch die Leibeshöhle und das dieselbe auskleidende Epithel in die Falte eindringt. Von der Bauchflosse ist in der Mittellinie keine Spur mehr vor- handen und die äussere Haut liegt jetzt ganz dicht dem unteren Theil des Darmes an, wobei man aber zwischen den beiden zwei Gefässstämmchen im Querschnitte sieht. Auf dem weiter nach vorn folgenden Schnitte (Fig. 19) sehen wir die beiden Falten schon mit einander verschmolzen und es ent- steht der von beiden Seiten geschlossene Raum (kr), welcher durch den sog. Porus abdominalis nach aussen mündet. Die denselben von beiden Seiten umgebenden Wandungen stellen dicke Säcke dar, deren dünne, aus zwei Zellenschichten bestehende Wände einen weiten Raum, die Leibeshöhle, umgeben. Die Wandungen, welche diese Höhle begrenzen, bestehen aus dem äusseren Epithel (ae), dem Unterhautgewebe (ug) und dem inneren, die Leibeshöhle (Ih) auskleidenden Epithel (e). Die innere, den geschlossenen Kiemen- raum begrenzende Wand besteht aus denselben Schichten, mit Aus- nahme des Unterhautgewebes, welches hier nicht vorhanden ist. Das Epithel, welches den Kiemenraum von unten und den Seiten aus- * Weitere Studien über die Entwiekelungsgeschichte des Amph.lanc. 193 kleidet, bildet auch dessen obere Wandung, wo er dicht an die Darm- wandung stösst. Auf einem etwas mehr nach vorn geführten Schnitte, welcher auf der Fig. 20 abgebildet ist, sehen wir im Wesentlichen dieselben Verhältnisse, nur treten hier die sonderbaren Drüsen (d) auf, welche aus bedeutend ausgewachsenen Zellen des Epithels der Kiemenhöhle entstehen und nach innen von dem die Leibeshöhle auskleidenden Epithel begrenzt sind. An einem, noch viel weiter nach vorn geführten Schnitte treffen wir endlich den ersten, etwas seitlich liegenden Kiemenspalt (ks\. Dieser Kiemenspalt stellt eine bedeutend grosse Lücke dar, ver- mittelst derer das Lumen des Darmrohrs direet mit dem Kiemen- raume sich verbindet. Da die übrigen Häute ganz dieselben Ver- hältnisse beibehalten wie auf den schon beschriebenen Querschnitten, so wird es schon aus diesem Schnitte klar, dass der eigentliche Kiemenraum (kr) und Leibeshöhle (Ih) ganz verschiedene Höhlen sind. Noch klarer tritt dieses Verhältniss auf dem folgenden Schnitte (Fig. 22) hervor, wo wir zwei Kiemenspalten treffen; beide münden in den Kiemenraum und derselbe bleibt auch hier durch dieselben Scheidewände von der Leibeshöhle getrennt. Ueber die Lagerung der Geschlechtsdrüsen und deren Bezie- hung zu den verschiedenen, um den Kiemenraum liegenden Höhlen habe ich keine neuere Beobachtung anstellen können. Einige Am- phioxus, welche ich im Laufe dieses Sommers im Schwarzen Meere, an den Ufern der Krim, gefunden habe, waren noch ohneGeschlechts- organe; es waren wohl auf den Querschnitten kleine rundliche Drüsen zu sehen, welche aller Wahrscheinlichkeit nach unentwickelte Geschlechtsdrüsen sind; dieselben lagen aber nicht im Kiemenraume, sondern in einem seitlichen Raume der Leibeshöhle, und waren immer von der Kiemenhöhle durch eine deutliche Haut getrennt. Auf Fig. 23 gebe ich einen 'T'heil der unteren Partie des Am- phioxus auf einem Querschnitte, aus der Gegend, wo der Blindsack von dem Darmrohre abgeht. Wir sehen einen Theil des Darmes (d) von zwei deutlichen Häuten umgeben, von denen die innere (mt) das eigentliche Peritoneum ist, die andere (k) uns die Haut darstellt, welche den Kiemenraum überall auskleidet und in Folge von uns oben auseinander gesetzten Gründen dem äusseren Haut- epithelium entspricht. Unter demselben, in einem freien Raume, welcher zwischen dem Epithelium und den Muskeln (m) liegt, be- 194 A. Kowalevsky;: merken wir eine kleine, von allen Seiten geschlossene Drüse (g). Ob der Raum, in welchem diese Drüse liegt, von einem Epithel ausgekleidet sei, kann ich nicht auf meinen Präparaten entscheiden. Wäre diese Drüse eine der Geschlechtsdrüsen des Amphioxus, wie ich es vermuthe, so ist verauszusetzen, dass dieselbe zur Zeit der Geschlechtsreife selbstverständlich stark aufquillt und in Form einer gestielten Blase in den Kiemenraum einragt. Beim Reifen der Geschlechtsproducte kann die äussere, die Drüse umgebende Haut zersprengt werden und die Eier und Samen in den Kiemen- raum gelangen. Ich hoffe, künftigen Frühling genauere Beobachtungen über diese, bis jetzt noch dunklen Punkte der Geschlechtsverhältnisse des Amphioxus anzustellen. II. Indem wir uns jetzt zum zweiten Abschnitt unserer Unter- suchung wenden, nämlich zur Besprechung der Frage, inwieweit aus der Amphioxus-Entwickelung gewonnene Resultate uns zur Vergleichung des Nervensystems der Vertebraten und Anneliden dienen können, müssen wir anfangs noch einen Blick darauf werfen, wie das Nervensystem bei anderen Vertebraten entsteht und beson- ders die Frage des Zusammenhanges des hinteren Endes des Nerven- und Darmrohres bei Vertebraten-Embryonen besprechen. Der Zusammenhang des hinteren Endes des Darm- und Ner- venrohrs resp. deren unmittelbare Fortsetzung ineinander, wurde von mir im J. 1867 an den Acanthiasembryonen entdeckt und im J.1869 genau beschrieben !) und abgebildet. Beim Acanthias stellt die Keimscheibe eine echte Plano-Gastrula dar. Die beiden Keimblätter, oberes und Darmdrüsenblatt, gehen am Rande der Keimscheibe ineinander über; die Primitiv-Rinne oder Furche bildet sich an dem Rande der Keimscheibe (Fig. 24) und setzt sich von oben nach unten (unter der Keimscheibe) fort; bei Schliessung der Rinne wird der obenliegende Theil zum Medullarrohr (Fig. 25 n) und der nach unten gerichtete Theil der auf der unteren Fläche der Keimscheibe sich befindenden Rinne hauptsächlich zum hinteren 1) Schriften der Naturforschergesellschaft in Kiew. Bd.I. Taf. VII. Figg. 17 u. 18. Weitere Studien über die Entwiekelungsgeschichte des Amph.lanc. 195 Einde des Darmrohrs (d). Der Zusammenhang beider Röhren bei Acanthias besteht bis zur Bildung des Anus, zu welcher Zeit er vergeht; der unter der Chorda liegende Theil des Nervenrohrs schiebt sich allmählich nach oben, auf die Rückenseite der Chorda und besteht noch hier sehr lange in Form einer grossen dünnwan- digen Blase. Diese Beschreibung wurde von den meisten Forschern ignorirt, welche über die Entwickelung des Plagiostomen neuestens Beobachtungen angestellt haben und was den speciellen Punkt des Zusammenhanges der hinteren Enden des Nerven- und Darmrohrs anbetrifft, so schreibt sich Balfour!) diese Entdeckung ganz mit Unrecht zu. Ausser der schon erwähnten russischen Schrift habe ich ' über denselben Punkt in meinem anderen Aufsatze?) gesprochen, wo auch die Acipenseriden und AxolotIn erwähnt wurden. Balfour könnte also leicht erfahren, wem diese Entdeckung an- gehört. Semper, der auch meinen Aufsatz über die Entwickelung des Acanthias unter der Hand?) hatte, will ihn nicht eitiren, weil er russich geschrieben ist. Bequeme Methode, das schon Bekannte neu zu entdecken. Von den anderen Vertebraten wurde dieser Zusammenhang des Nerven- und Darmrohres, resp. die unmittelbare Fortsetzung des einen Rohres in das andere um das hintere Ende der Chorda bei den Acipenseriden schon im J. 1870*) beschrieben; für den Axolotl von Bobretzky°) entdeckt. In dem Aufsatze über die Entwickelung des Acipenser wurde diese Erscheinung genau besprochen und dabei das schon seit Baer’s Untersuchungen bekannte Eindringen des sog. Pfropfens der Rusconischen Oefinung in das Nervenrohr in dem Sinne erklärt®), 1) F. M. Early Stoges in the Development of Vertebrates p. 8. 2) Weitere Studien über die Entw. d. Aseidien, Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd.7 p. 114. 3) Semper, Stammesverw. d. Wirbelth. u. Wirbellosen p.15. »Ko- walewsky’s Arbeit kann ich leider nicht citiren, da sie russisch geschrie- ben ist.« 4) Die Entwickelungsgeschichte der Störe. Melanges Biolo- giques. Tires du Bulletin de ’Academie Imp.de St. Petersbourg. Tome VII. (1869—1871) p. 171. 5) Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd.7 p. 114. 6) Was neuerdings auch von Goette geschieht, ohne aber unseren Aufsatz über die Entwickelung der Störe zu erwähnen. 196 A. Kowalevaky: dass das Nerven- und Darmrohr bei Embryonen eigentlich nur eine, am hinteren Ende gebogene Röhre bilden, und dass also der aus Nahrungsdotterzellen bestehende Pfropf leicht in den Medullarcanal eindringen konnte. Also für die Embryonen des Amphioxus, Aci- penseriden, Plagiostomen und wenigstens einige, wenn nicht alle, Amphibien ist es als ausgemacht anzusehen, dass das Nerven- und Darmrohr ein einfaches, am hinteren Ende um die Spitze der Chorda gebogenes Rohr bilden. In der letzten Zeit ist dieser Zusammenhang des Nerven- und Darmrohrs von Goette in seiner Entwickelungsgeschichte der Unke genau untersucht worden. Ich entnehme aus seinem Atlas einige Figuren, um uns diese Verhältnisse auch hier genauer zu veran- schaulichen. Auf der Fig.26 führe ich ein Stadium der Entwicke- lung der Unke an, auf dem wir noch den Rest der Rusconischen Oeffnung oder den Urmund, resp. die Einstülpungsöffnung (eo) sehen, und die um dieselbe liegenden und sich mehr nach vorn er- streckenden Medullarplatten. Dies Stadium ist für uns von beson- derem Interesse, da wir hier ganz klar und unzweideutig sehen, dass ebenso wie bei den Acipenseriden !), die Rusconische Oeffnung resp. der Urmund oder die Einstülpungsöffnung auch von hinten von den Medularplatten umgeben ist. Dieser Punkt ist von höchster Wichtigkeit für die später zu erörternde Homologie des Nerven- systems der Wirbelthiere und Anneliden. Auf der Fig. 43 bringt Goette ein weiter entwickeltes Stadium welches wir auf unserer Fig. 27 copiren, wobei ich aber den Urmund (oe) nicht so wie es Goette angiebt zeichne, sondern so wie es bei den Acipenseriden zu sehen ist, namentlich als einen noch sehr leicht sichtbaren weissen Fleck resp. Oeffnung, durch welchen der aus weissen Zellen bestehende Dotterkeim durchschim- mert. Bei der Schliessung der Rückenrinne resp. beim Zusammen- wachsen der Medullarplatten zum Nervenrohre, wird der Urmund (oe) zu einem Canal, welcher die darunterliegende Darmröhre mit dem gleichgebildeten. Nervenrohre verbindet. Das sehen wir auch sehr schön auf der Fig. 33 von Goette abgebildet und auf der Fig. 25 bei Acanthias, sowie bei Amphioxus Fig. 7. Wenden wir uns den embryonalen Vorgängen der den Wirbel- thieren am nächsten stehenden, wenn nicht zu denselben gehö- nen 1) 1 0. p.174, 176 u,177, Eieg, 29,,5u.6, Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 197 renden Ascidien zu, so treffen wir bei ihnen ganz ähnliche Vorgänge nur in ihrer ganz einfachen und sehr leicht übersichtlichen Form. Auch bei diesen liegt die Einstülpungsöffnung resp. der Urmund am hinteren Ende der Rückenfurche!), auch hier wird er von dem sich schliessenden Medullrohr umwachsen?) und bleibt noch lange als eine Communicationsöffnung zwischen dem Nerven- und Darmrohr?). Dieser Zusammenhang reisst nur viel später, zur Zeit des Auswachsens des Schwanzes, wenn die Chordazellen so stark in die Länge zu wachsen beginnen. In Folge der geringen Zahl der Zellen, aus welchen der Embryo der einfachen Ascidien zusammengesetzt ist sind die Verhältnisse so schön als möglich zu übersehen‘). Somit können wir für diejenigen Wirbelthiere, bei denen die Entwickelung vermittelst der Einstülpung des einschichtigen Blasto- derms vor sich geht, als ausgemacht ansehen, dass die Einstülpungs- öffnung resp. der Urmund von den Medullarplatten rings um- geben und in Folge des starken, energischen Wachsthums der Me- dullarplatten von denselben überbrückt und bedeckt wird, wobei sie in das Lumen des Nervenrohrs zu liegen konımt. Was jetzt den Bau der Medullarplatten betrifft, so stellen dieselben entweder einfache, durch Zellenvermehrung des oberen Blattes bedingte Längsstreifen dar, oder zeigen uns stark verdickte Stellen einer besonderen, unter dem äusseren Epithel liegenden sog. Nervenschicht, welche von Stricker entdeckt und beschrieben wurde. Ich entnehme eine Zeichnung dieser Platten aus dem Atlas von Goette, nämlich seine Fig. 74, auf welcher wir Fig. 28, die beiden symmetrisch zur Mittellinie liegenden Medullarplatten (mp) und deren Verhältniss zum oberen Blatte sehen. Wir finden, dass dieselben aus zwei parallelen Streifen, hauptsächlich der unteren Schicht des oberen Blattes bestehen und wissen weiter, dass nach der Schliessung der Rinne die äussere Schicht zum Epithel des Centralcanals wird und sich die ganze nervöse Masse hauptsächlich aus der unteren Schicht entwickelt. Also auch hier entsteht das Nervensystem nicht aus der äusseren epithelialen Schicht, sondern hauptsächlich aus den unter derselben liegenden Zellen. ’ 1) l.c. Arch. f. mikr. Anat. Bd.7. Taf.XI. Fig. 13 (eo)... 2) l.e. Tab. XI. Fie.15 u. 16. 3) l.c. Fig. 16 eo. 4) l.e. Figg. 16, 20 u. 23. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 13 198 _ A. Kowalevsky: Ich habe mich bei diesen schon bekannten Verhältnissen des- halb so lange aufgehalten, weil dieselben für uns von der grössten Wichtigkeit bei der nächstfolgenden Vergleichung mit der Ent- wickelung des Nervensystems der Würmer sein werden. Um jetzt zu diesen selbst überzugehen, vergleichen wir einen Embryo des Regenwurms- (Fig29) seiner Form, Bau und Ent- stehung nach mit einem von uns schon beschriebenen Stadium des Amphioxus, welches auf der Fig. 1 dieses Aufsatzes abgebildet ist. Nach der Furchung entsteht beim Lumbrieus die von einer Zellen- reihe umgebene Furchungshöhle und später stülpt sich eine Hälfte des Blastoderms in die andere ein. Die Einstülpungsöffnung bleibt auf einer Seite liegen und durch dieselbe dringt in die innere Höhle des Embryo das umgebende Eiweiss ein. Die Einstülpungsöffnung, der Urmund der Wirbelthiere, wird also von Anfang an zum Munde und bleibt als solcher auf allen weiteren Stadien und auch beim erwachsenen Wurme. Um die Einstülpungsöfinung und längs der Rückenseite (resp. Bauchseite) (Fig. 29) des Embryo ziehen sich zwei Stränge, welche den Kernstreifen bilden und aus der Ver- dickung des oberen Blattes und des darunter liegenden mittleren Blattes bestehen. Die Verdiekung des oberen Blattes zeigt aus zwei Längsstreifen (mp), welche die Mundöfinung umgeben und, der Rückenseite folgend, bis zum hinteren Ende des Embryo gehen. Auf dem Querschnitte des Lumbricusembryo Fig. 30, welchen wir hier abbilden, sehen wir diese verdickten Stellen des oberen Blattes, welche uns an ähnliche Verdickungen bei den Amphibien erinnern. Sie sind nichts anders, als die Medullarplatten, d.h. Zel- lenstränge, aus denen das centrale Nervensystem entsteht. Bei den Würmern, so wie bei den Amphibien werden diese eigentlichen Me- dullarplatten von einer Schicht von Zellen des oberen Blattes bedeckt und bei der Bildung der Nervenstränge trennen sich dieselben von dieser äusseren Schicht, welche bei den Würmern zum äusseren Epithel, bei den Amphibien zum Epithel des Centralcanals wird; in beiden Fällen zu einem epithelialen Gebilde, welches keinen di- recten Antheil an der Bildung des Nervensystems nimmt. Bei dem Lumbricus (Fig. 29), so wie bei der Unke (Fig. 27) und anderen Am- phibien umgeben die Medullarplatten die Einstülpungsöffnung (eo) von hinten und vorne, und in dieser Beziehung resp. in Beziehung zur Einstülpungsöffnung ist die Lagerung der Medullarplatten bei Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lane. 199 dem Lumbricus und Amphibien ganz gleich. Der Unterschied be- steht nur in der quantitativen Ausbildung dieser Medullarplatten, welche bei den Wirbelthieren weit über die Oberfläche des Embryo hervorragen und imıner mehr nach oben wachsend sich begegnen und sich nur zum Nervenrohr schliessen, wobei die Einstülpungs- öffnung in den Centralcanal des Nervensystems gelangt. Es wird bei den Wirbelthieren nie zur Mundöffnung und kann hier also wirk- lich, wie es Haeckel vorschlägt, als Urmund gelten. Bei den Würmern kommen die Medullarplatten nie zu einer Entwickelung wie bei den Wirbelthieren ; sie bleiben immer ziem- lich fach und heben sich nicht bedeutend auf der Oberfläche des Embryos auf. Indem somit auf den ersten Stadien, bei dem ersten Auftreten der Medullarplatten dieselben bei den Würmern und Wirbel- thieren ganz gleich angelegt sind, erscheint später eine Differenz in ihrer respectiven Ausbildung. Bei den Würmern heben sich die- selben nie so auf, dass sie die Einstülpungsöffnung bedecken und diese wird zur Mundöffnung des Embryo und Wurmes selbst. Nachdem wir jetzt die Hauptmomente der Bildung des Nerven- rohrs der Wirbelthiere und der Ganglienkette der Anneliden ge- sehen haben, wollen wir einen Versuch machen, dieselben Vorgänge miteinander zu vergleichen. Die ersten Vorgänge der Furchung, die Einstülpung der einen Hälfte des Blastoderms und die Verschiebung der Einstülpungs- öffnung auf die Neuralseite sind bei den Würmern und Wirbel- thieren ganz gleich. In derselben Weise, als einfache, paarige sym- metrische Längsverdickung des oberen Blattes entstehen auch die Medullarplatten bei den beiden erwähnten Thierclassen. Die Nerven- resp. Medullarplatten der Würmer (Fig. 29 mp) in den ersten Stadien ihrer Bildung haben eine ganz gleiche Lage und stehen in demselben Verhältniss zum Embryo, wie die Medullar- platten beim Amphioxus (Fig. 1) oder bei den Amphibien (Fig. 27). Vergleicht man die Embryonen der Unke (Fig. 27) und Lumbricus (Fig. 29), so sieht man ganz dieselben Beziehungen der verschiedenen Organanlagen: eo auf beiden Figuren stellt die Einstülpungsöffnung dar; mp die Mittelplatten, welche in gleicher Weise die Einstülpungs- Öffnung umgeben und längs der Neuralseite des Embryo sich fort- setzen. Ihre respective Lagerung und ihre Entstehungsweise sind so identisch, dass man die Medullarplatten des Lumbricusembryo und der Amphibien als homologe Bildungen ansehen muss. 200 A. Kowalevsky: Die weiteren Vorgänge der Nervensystembildung aus diesen homo- logen Medullarplatten sind in der Beziehung verschieden, dass bei den Würmern dieselben in gleicher Lage bleiben bis zum Auftreten der histologischen Diflerenzirung der nervösen Elemente, resp. deren Abtrennung vom oberen Blatte, während bei den Wirbelthieren, in Folge der stärkeren Massenentwickelung der Medullarplatte neue embryonale Processe sich einschieben, namentlich die Aufhebung der Medullarplatte und deren Schliessung zum Nervenrohr. Da aber das Aufheben der Medullarplatten und Schliessung derselben zum Nervenrohre bei den Wirbelthieren nur die Folgen einer stärkeren Ausbildung der embryonalen Anlage des “Nerven- systems bei dieser Classe sind, so können auch diese, so zu sagen, nur quantitativ verschiedenen Vorgänge dem Homologisiren der Nervensysteme der Würmer und Wirbelthiere gar nicht schaden. Aus allen angeführten Daten dürfen wir also annehmen, dass die Medullarplatten des Lumbrieus und Amphibien homo- loge Bildungen sind. Wird das anerkannt, so müssen wir auch weiter annehmen, dass die aus denselben entstandenen Nerven resp. Bauchkette und Gehirn den Würmern und das Nervenrohr den Wirbelthieren homolog sind. Diese Homologie muss auf das ganze centrale Nervensystem der beiden Thierclassen ausgedehnt werden, mit anderen Worten das ganze über der Chorda lie- gende Nervensystem der Wirbelthiere ist homolog dem sanzen centralen Nervensystem der Würmer resp.deren Gehirn und Bauchseite, Mit dem jetzt schon genau bewiesenen Factum, dass die Ein- stülpungsöffnung bei den Embryonen der Wirbelthiere (Amphioxus, Acipenseriden, Amphibien und auch Ascidien) und Würmern (Anne- liden) von den Medullar- oder Nervenplatten umgeben ist, und dass diese Oeffnung bei schwächerer Entwickelung der Medullarplatten ‚unmittelbar in die Mundöffnung (Anneliden) übergeht, bei stärkerer aber (Wirbelthieren) von den Medullarplatten überbrückt wird und in den Centralcanal führt, wird sogleich klar, dass die Lagerung des Gehirns der Anneliden auf der Rückenseite und der Bauchgang- lienkette auf der Bauchseite des Darmcanals eigentlich in keinem Widerspruche steht mit der Lagerung des Nervensystems der Wirbel- thiere auf der Rückenseite des Darmeanals. Das Gehirn oder Kopf- ganglion der Anneliden entwickelt sich aus dem Theile der Medullar- platten, welcher bei den Embryonen der Wirbelthiere hinter der Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph. lanc. 201 Einstülpungsöffnung liegt, also dem Theile, aus dem bei den Wirbel- thieren das hintere Ende des Rückenmarks entsteht. In der Lage- rung der centralen Theile des Nervensystems der Würmer zu beiden Seiten des Darmcanals kann man keinen Grund gegen die Homologie des Nervensystems der Würmer und Wirbelthiere finden. Diese Er- scheinung erklärt sich sehr einfach, und ist nur die Folge einer bedeutenden Massenentwickelung der embryonalen Anlage des Ner- vensystems der Wirbelthiere. Die Stärke der Entwickelung eines und desselben Organs, zu welchen äusseren Verschiedenheiten sie auch führen könnte, spricht doch nie gegen die Homologie. In den angeführten Daten haben wir also eine feste Grund- lage, auf der wir die Lösung der Frage über die Homologie des centralen Nervensystems der Wirbelthiere und Wirbellosen versuchen können. Aus diesen Daten folgt es, dass wir das@Gehirn der Wirbel- thiere und Wirbellosen nicht für einander entsprechende Theile halten können; diese Gebilde sind nur in soweit homolog, als dieselben Theile des allgemeinen Nervensystems sind, aber nicht in einzelnen Partien. Im Gegentheile kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit sagen, dass das Kopfganglion der Anneliden und Gehirn der Wirbelthiere nur physiologisch einander entsprechende Bildungen, d. h. dass die- selben im engeren Sinne einander analog, aber nicht homolog seien, mit anderen Worten, die Nervensysteme dieser Thierclassen sind homolog im Ganzen, in den einzelnen Theilen aber nur anolog. Die angeführten Thatsachen geben uns aber die Möglichkeit, das Nervensystem der Anneliden und Wirbelthiere zu homologisiren, wobei sie uns den Grund der Lagerung des Nervensystems der Anneliden zu beiden Seiten des Darmcanals erklären. Eine der Schwierigkeiten, welche dem Homologisiren entgegentritt, ist also weg- geräumt, aber jetzt erscheint wieder eine wichtige Frage, wo und wie wir die Uebergangsform zwischen den beiden Formen des Nerven- systems zu suchen haben. Die sonderbare Bildung des Nervensystems bei den Embryonen vieler Wirbelthiere (Amphioxus, Amphibien, Störe, Plagiostomen), bei denen Darm- und Nervenrohr ein zusammenhängendes Rohr dar- stellen, lässt uns vermuthen, dass vielleicht solche Thierformen exi- stirten oder auch existiren, welche ein dem Nervenrohr der Wirbel- thiere homologes Rohr besitzen, obgleich dasselbe eine andere Function erfüllt, dass es z. B. ein Theil des Darmcanals sei. Wenn eine solche 202 A. Kowalevsky: Annahme auch sehr befremdend erscheint, so stimmt sie doch ınit der jetzt herrschenden Anschauung, dass embryonale Bildungen, embryonale Stadien wirklich existirende Formen darstellen. Solehe Formen wie Bryozoen zeigen in Wahrheit etwas Aehnliches; sie besitzen einen U-förmigen Darmcanal, zwischen dessen oberen Enden das Nervenganglion liegt. Wäre man das Nervensystem der Wirbelthiere als von diesen Formen abzuleiten geneigt, so müsste man annehmen, dass aus einem der Schenkel dieses U das Nerven- system der Wirbelthiere, aus dem anderen der Darmcanal abzu- leiten wäre. Wollte man sich an diesem Erklärungsgang halten, so könnte man hier auch seine Zuflucht zu den ausgestorbenen Thier- formen nehmen. Man dürfte sagen, dass die Zwischenformen, welche ein Nervensystem besassen , welches seiner Form nach zwischem dem Nervensystem der Würmer. und Wirbelthiere stand, ausge- storben seien. Mit grösserem Rechte würde man vielleicht behaupten, dass das Nervensystem der Anneliden und Wirbelthiere als zwei, ihrer Form und Richtung nach verschiedene Stämme anzusehen seien, welche aus einer allgemeinen, von den beiden jetzt existiren- den Formen sehr verschiedenen Grundform abzuleiten wären, dass direkte Uebergangsformen jetzt nicht zu suchen seien, dass dieselben nie existirten und dass dieselben nur in einer gemeinsamen Ausgangs- form beständen. Ein anderer Erklärungsversuch läge darin, dass man keine Uebergangsformen suchte und keine Thierformen voraussetzte, bei denen das Nervensystem der Wirbelthiere einen Theil des Darm- canals darstellte und einfach die Bildung des die Einstülpungsöffnung umschliessenden Nervenrohrs als Folge der stark entwickelten Medul- larplatten annähme. Welche von diesen Anschauungen richtiger ist, oder ob beide irrthümlich, ist jetzt noch nicht zu entscheiden. Es sind eben Ver- suche, die Verschiedenheiten in der Bildung der Nervensysteme beider Classen zu erklären. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die von mir vorgeschlagenen Erklärungen sehr mangelhaft sind, wir kennen noch so wenig davon, wie das Nervensytem bei verschiedenen Wir- bellosen; entsteht es sind bis jetzt kaum die ganz allgemeinsten Fragen entschieden worden. Ich glaube, zu der Lösung derselben könnten besonders solche Untersuchungen beitragen, welche auf das Schicksal der Einstül- pungsöffnung und ihrer Ränder bei verschiedenen Thieren ge- Weitere Studien über die Entwickelungsgeschichte des Amph, lanc. 208 richtet werden. Eine genauere Untersuchung des Schicksals der Einstülpungsöffnung bei Sagitta, Gephyreen, Bryozoen und Echino- dermen könnte, glaube ich, von grösster Wichtigkeit sein. In dieser Beziehung sınd die allerwichtigsten Fragen noch nicht gelöst. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XVI. Taf. XV. Fig. 1. Gastrula eines Amphioxus; eo Einstülpungsöffnung, mr Primitivrinne, u unteres, h oberes Blatt, v Bildung des ersten Urwirbels D&D Fig. 2. Eine etwas mehr entwickelte Larve des Amphioxus. Hinten von I bis II ist die Primitivrinne schon zu einem Rohr geschlossen, III stellt die vordere Gränze der aufgehobenen Ränder der Rinne dar; eo Einstülpungsöffnung. Fig. 3. Dieselbe Larve von der Seite. Fig 4. Eine weiter entwickelte Larve; pe Primitivrinne, co seit der Ein- stülpungsöffnung von oben von den verwachsenen Rändern der Primitivrinne geschlossener; » der noch nicht geschlossene Theil der Primitivrinne. Fig. 5 Eine weiter entwickelte Larve; 1, 2, 3, 4 die Anlagen der Urwirbel; n die Oeffaung, durch welche das Nervenrohr noch nach aussen mündet, auf der rechten Seite sind die Urwirbel bei etwas ober- flächlicherer Einstellung des Mikroskops, auf der linken bei etwas tieferer gezeichnet. Fig. 6. Eine noch mehr entwickelte Larve von der Seite; 1, 2, 3, 4, 5 die Urwirbel; 2» Nervenrohr oder Medullarrohr, n‘ deren Oeffnung nach aussen, eco Rest der Einstülpungsöffnung. Fig. 7. Eine noch mehr ausgebildete Larve von der Seite gesehen. Fig. 8. Dashintere Ende eines jungen Amphioxus; fSchwanzflosse, h hinteres Ende des Nervenrohrs, «@ Anus, ch Chorda, n Medullarrohr. Fig. 9. Chorda und Nervenrohr einer mit vielen Kiemenspalten versehenen Larve; n Medullarrohr, b dessen hinteres blasig aufgetriebenes Ende. Fig. 10. Querschnitt der Gastrula; mm Medullarplatte, r Ränder der Primi- tivrinne, « unteres Blatt, o äusseres Blatt. d Darmhöhle. Fig. 11. Querschnitt einer Larve, welche zwischen die auf den Figg. 4 u. 5 abgebildete gestellt werden muss; die Primitivrinne ist schon ge- schlossen; r Medullarplatte, % Urwirbel, ce Anlage der Chorda, d Darmhöhle, db Darmhöhlenblatt. Fig. 12. Querschnitt einer Larve welche der auf Fig. 7 abgebildeten sehr nahe steht, vielleicht nur etwas jünger, aus dem hinteren Ende; woh Urwirbelhöhle, nr Rückenmark; die übrige Bezeichnung wie auf der Fig. 11. Fig. 13. Querschnitt derselben Larve nur aus der vorderen Hälfte, die Ur- wirbelhöhle ist schon von der Darmhöhle vollständig getrennt. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fie. © Fig. Fig. Fig. Fig. des A. Kowalevsky: . 14. Querschnitt einer Larve, welche reifer als die auf der Fig. 7 abge- bildet ist, aber noch vor der Bildung der Mundöffnung. . 15. Querschnitt einer Larve, deren hinteres Ende auf der Fig. 8 darge- stellt ist und bei welcher die Mundöffnung und ein Kiemenspalt schon gebildet sind. Taf. XVI. 16. Querschnitt einer Amphioxuslarve bei der der Kiemenraum schon gebildet ist aus dem hinteren Theile, hinter dem Porus abdominalis ; rm Rückenmark, ch Chorda, m Muskeln, »g Unterhautgewebe, d Epi- thel des Darmeanals p Peritoneum, 9 Gefäss, Ih Leibeshöhle. 17. Querschnitt desselben Amphioxus, etwas näher zum Porus abdomi- nalis, bf Bauchflosse, f die beiden seitlichen Falten. Die übrige Bezeichnungen wie auf der Fig. 16. 18. Ein Querschnitt noch weiter nach vorne, die Bauchflosse ist schon nicht mehr zu sehen, die beiden Seitenfalten f sind bedeutend ent- wickelt und in dieselben dringt auch die Leibeshöhle ein. 19. Ein Querschnitt noch weiter nach vorne, die beiden Falten sind verschmolzen und umgeben den Kiemenraum kr; Ih Leibeshöhle, ae äusseres Epithel; e Epithel, welches die Leibeshöhle auskleidet. 20. Ein Querschnitt noch weiter nach vorne; ng Drüsen. 21. Ein Querschnitt noch weiter nach vorne, auf dem wir die erste Kiemenspalte ks antreffen. 22. Ein Querschnitt desselben Amphioxus, noch weiter nach vorne, wo wir schon zwei Kiemenspalten auf dem Schnitt treffen. 23. Ein Theil des Querschnittes eines ausgewachsenen Amphioxus; kr Kiemenraum, e Epithel des Blindsacks, mt Peritoneum oder Mesen- terium, h Epitheldes Kiemenraums, unentwickelte Geschlechtsdrüse (?). 24.1) Keimscheibe des Acanthias; ea Embryonalanlage, p Primitivrinne. 25. Ein junger Acanthiasembryo, mit zwei Kiemenspalten, auf dem der Uebergang des Nervenrohrs nin den Darmcanal dsehr schön zu sehen ist. 26, 27 u. 28 entnehme ich dem Atlas von Goette, »Die Entwickelungs- geschichte der Unke«; auf allen Fig. dieselbe Bezeichnung; eo Ein- stülpungsöffnung, mp Medullarplatten, r Primitivrinne, ch Chorda. 29 u. 30, welehe zur Entwickelung des Lumbricus gehören, entnehme ich meinem Aufsatze, »Zur Entwick. der Würmer und Arthropoden« ?). 29 stellt uns ein Lumbricusembryo dar; eo Einstülpungsöffnung oder Mundöffnung des Embryo, mp Medullarplatten. 30. Querschnitt desselben Embryo: d Darmdrüsenblatt, m mittleres Blatt, n Medullarplatten. 1) Die beiden Figg. sind aus meinem Aufsatze über die Entwickelung Acanthias gezogen. Schriften der Naturforschergesellschaft in Kiew. Bd. I. 1871. 2) Memoire de l’Acad. de Science de St. Petersbourg. VII. Serie, Tom. XVI. Nro. 12. Taf. VII. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. Von Coenraad Kerbert aus Amsterdam. Hierzu Tafel XVIIfbis XX. Folgende Arbeit wurde in dem Zoologischen Laboratorium des Herrn Prof. Dr. Leuckart in Leipzig gemacht. Es ist mir ein wirkliches Bedürfniss, meinem hochverehrten Lehrer für die hülf- reiche Anleitung und für die freundliche Theilnahme, die er stets meiner Arbeit gewidmet hat, meinen innigsten und wärmsten Dank auszusprechen. Die Literatur über unser Thema ist nicht sehr reichhaltig Die früheren Arbeiten beschränken sich nur auf äussere Beschrei- bungen, deren Verständlichkeit in mancher Beziehung viel zu wünschen übrig lässt. Cuvier, der in seinen »Lecons d’anatomie Comparee« behauptete, »dass die Oberhaut der Schlangen und Eidechsen die Schuppen vollkommen bedecke und umhülle«, zeigte dadurch, dass selbst der gröbere Bau dieser Gebilde ihm eigentlich noch unver- stöndlich war. Im Jahre 1822 erschienen aber zwei grosse Werke, welche auch die äusseren Bedöckungen der Reptilien mit in Betracht zogen — das eine von Blainville!), welches mir aber leider nicht zu Gesicht gekommen ist — das andere von Heusinger?), in welchem schon eine ziemlich exacte Darstellung von dem »Ober- hautgebilde« unserer Thiere gegeben wird. Heusinger geht in 1) »De l’organisation des animaux, ou principes d’anatomie ccmparee.« Tom. I. Paris 1822. 2) »System der Histologie.« Eisenach 1822. 206 Coenraad Kerbert: seiner Beschreibung mit Recht aus von der einfachsten Form der Schuppen, wie sie bei einigen Sauriern vorkommen, und welche weiter nichts darstellen als »kleine Buckelchen der Lederhaut, worüber sich die Oberhaut in eine Art von Schuppe verdickt«. Es ist dies diejenige Form, welche wir bei der Entwickelung der Schuppen als erste Anlage werden kennen lernen und welche bei vielen Sauriern (bei Ascalobotae, Amphisbaeniden, Lacertinae, auch an den Extremitäten der Chelonier) ziemlich unverändert persistirt. Wachsen diese »Buckelchen« oder Erhebungen der Lederhaut weiter und »springen diese zu gleicher Zeit nach hinten vor, so entstehen dadurch Arten von Schuppen, die sich um so mehr dachziegelför- mig decken, wenn die Oberhaut jene Erhabenheiten sehr überragt.« Hiermit giebt Heusinger uns schon eine ganz richtige Darstellung von den Schuppen, wie sie bei den Ophidiern vorkommen, — ja, er erläutert dieses Ganze durch die Zeichnung eines Längsschnittes der Haut von Coluber atrovirens. Endlich bringt er uns noch Mittheilungen über »k nochenartige, denen der Fische ähnliche Schuppen unter der Oberhaut der Scincoiden — obwohl er meint, dass man es hier nicht zu thun habe mit einer Verknöcherung der Le- derhaut, sondern mit einem Absonderungsproduct »im Malpighi'- schen Schleime« — eine Behauptung, deren Unrichtigkeit ich wohl nicht näher nachzuweisen brauche. Sind also die gröberen Ver- hältnisse in der Structur der Reptilienhaut von Heusinger schon sehr richtig erkannt, so lässt er uns doch über die feineren histo- logischen Details noch vollkommen im Unklaren, — was uns aber nicht Wunder nehmen kann, wenn man berücksichtigt, dass Heu- singer’s »System der Histologie« zu einer Zeit erschienen ist, in welcher der Begriff der »Zelle« noch nicht begründet war. Obwohl Hyrtl in seiner Arbeit »Ueber die Gefässe in der Haut der Amphibien und Vögel«!) zu dem richtigen Resultate ge- langt, dass die Reptilienschuppen weiter nichts seien als Erhebungen der Lederhaut, kam er jedoch in vieler Beziehung zu einseitigen Anschauungen, welche aber schon von Leydig?) genügend widerlegt worden sind. Dasjenige, was uns Bibron und Dumeril?) über die äusseren 1) Medie. Jahrbücher des Oesterr. Staates. 28. Band. Wien 1839. 2) »Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien.« Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. 1873. 3) »Erpetologie generale.« Tom. VI, p. 107. 1844. Ueber die Iaut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 207 Hautbedeckungen mittheilen, ist, was die gröbere Anatomie betrifft, ausführlich genug, lehrt uns jedoch weiter nichts über die wichtigen histologischen Verhältnisse. Obgleich es seit Heusinger und Hyrtl als ausgemacht gelten konnte, dass die Reptilienschuppen in der Categorie der Pa- pillarbildungen unterzubringen sind, so gebührt doch das Verdienst, diese Thatsache durch eine Reihe von angehenden Untersuchungen nachdrücklich betont zu haben, dem unermüdlichen Forscher Franz Leydig!) in Bonn. , Dass die Behauptung, die Höcker der Saurier und die eigent- lichen Schuppen der Ophidier seien weiter nichts als wahre Gutis- papillen, welche bei der zuletzt genannten Ordnung nach hinten zu niedergedrückt sind, eine in jeder Beziehung berechtigte Behaup- tung ist, wird uns auch die Entwickelungsgeschichte dieser Gebilde lehren. Wir werden sehen, dass die erste Anlage der Schuppe, ebenso wie die der Federn und Haare (Reissner, Goette), weiter nichts ist als eine Erhebung der Cutis oder eine Papille, welche ent- weder als buckelförmige Papille zeitlebens bestehen bleibt (Saurier), oder welche gewissen näher zu besprechenden Veränderungen unter- liegt, in Folge deren dann dasjenige Gebilde entsteht, was wir ge- wöhnlich eine Schuppe nennen (Ophidier). War also das Grundprineip: »die Schuppen der Reptilien sind Cutispapillen« zuerst von Heusinger, Hyrtl und hauptsächlich von Leydig hervorgehoben, so lagen doch noch keine angehenden Untersuchungen über die feinere Structur dieser Gebilde vor. Auch eine Abhandlung von Emile Blanchard »Recherches anatomiques et physiologiques sur le Syst&me tögumentaire des Reptiles«?), welche hauptsächlich zu beweisen versuchte, dass die Haut der Reptilien — wie die der Amphibien — auch als Athmungsorgan (»Organe respiratoire«) functionire, enthält sehr wenige Mittheilungen über den feineren Bau. Sein Versuch, die Schuppen der Reptilien als eine Art von Kiemen aufzufassen, hat sich aber, nach späteren ‘ Untersuchungen von Leydig, als ein durchaus verfeblter heraus- gestellt, wie a priori zu erwarten war. Da erschien in 1863 eine Arbeit von dem zu früh verstorbenen 1) »Lehrbuch d. Histologie 1857. p. 80. „Ueber Org. eines sechsten Sinnes« in Nov. Act. Acad. Oaes. Leop. Car. Germ. Nat. Cur. Tom. XXXIV. Dresden 1868. 2) in Ann. des Sc. Nat. IV. Serie Zool. Tome XV. 1861. 208 Coenraad Kerbert: Professor in Turin, F. de Filippi: »Sulla struttura della Cute dello Stellio Caucasieus«!) — die erste Arbeit, welche uns Mitthei- lungen bringt über die histologische Beschaffenheit sowohl der eigent- lichen Epidermis als der Cutis unserer Thiere. De Filippi unter- scheidet an der Haut aller Reptilien vier verschiedene Schichten: 1) Epidermisgebilde (»produzioni epidermiche«), 2) das Rete Malpighii, 3) die eigentliche Cutis (»derma«), 4) das Stratum adiposum. Er sagt nun weiter, dass die Schuppen hauptsächlich aus Epi- (lermisgebilden zusammengesetzt sind und dass ein Theil dieser Epidermis bei der Häutung abgeworfen werden kann, entweder in grossen Lappen oder in emem Stücke. Ueber verschiedene Verhält- nisse, welche die Epidermis und die Häutung betreffen, bringt de Filippi uns weiter in seiner Abhandlung interessante Mittheilungen, die ich unten zu gelegener Zeit berücksichtigen werde. Nur ist es, meiner Meinung nach, schwer zu verstehen, wie de Filippi sich die die eigentliche Cutis zusammengesetzt denkt, und wie er überhaupt die Schuppen auffasst. Wohl spricht er (l.c. p- 371) von Papillen, und etwas weiter selbst von einem Papillar- körper (»Corpo papillare«), doch — wie ich seine Angabe verstan- den habe — meint er darunter nicht die ganze Schuppe, sondern nur denjenigen Theil des Bindegewebes, welcher sich am hinteren oder freien Theile der Schuppe befindet, m. a. W. die Spitze der Schuppe. Wenigstens so deute ich »che la loro posizione corris- ponde al margine piu rilevato delle squame.« Betrachtet man neben seiner näheren Beschreibung auch seine Zeichnungen, so liegt die Möglichkeit vor, dass de Filippi dasjenige als Papillarkörper deutet, was wir jetzt nach Leydig als »die obere Grenzschicht« der Cutis bezeichnen, welche viel weicher und lockerer ist als der mittlere Theil oder die »Grundmasse«, eine grosse Menge Capillar- Gefässe enthält, sehr reichhaltig mit Pigmentzellen gefüllt und am freien Ende der Schuppe besonders stark entwickelt ist; lauter That- sachen, die mit de Filippi’s Beschreibung der Papillen überein- stimmen können. Nach de Filippi hat sich, wie schon erwähnt, hauptsächlich Leydi g mit der Untersuchung der Reptilienhaut beschäftigt. Seine 1) in Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino. Serie sec. Tomo XXIII. 1866. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere., 209 erste, diesen Gegenstand behandelnde Arbeit: »Zum feineren Bau der Haut der Reptilien« macht ein ganzes Capitel aus in seinem bekannten Aufsatz: »Ueber Organe eines sechsten Sinnes« und er- schien im Jahre 18681). Weiter finden wir Mittheilungen über die äussere Haut in seinem Werke: »Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier«, Tübingen 1872, und im darauf folgenden Jahre erschien eine ausführlichere Arbeit: »Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien.« Erster Artikel: die Haut einheimischer Ophidier?2). Ganz neuerdings wurde derselbe Gegenstand noch be- handelt in einem Aufsatze: »Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien). Von der Hand des Herrn Dr. Oscar Cartier erschienen un- gefähr zu gleicher Zeit zwei Arbeiten, eine: »Studien über den fei- neren Bau der Epidermis bei den Geckotiden«*), und eine zweite: »Studien über den feineren Bau der Haut bei den Reptilien «°). Ich werde im Laufe meiner Arbeit Gelegenheit genug finden, sowohl die Arbeiten von Leydig als die von Cartier ausführlich zu erwähnen. Als Resultat aller bisherigen Untersuchungen hat sich nun herausgestellt, dass die Haut der Reptilien, wie bei allen anderen Wirbelthieren, aus zwei Theilen zusammengesetzt ist; erstens aus einem Theile, welcher aus dem oberen Keimblatte hervorgegangen ist: die Epidermis; und zweitens aus einem Theile, welcher aus dem mittleren Keimblatte stammend, die wichtigste Rolle bei der Entstehung der Schuppen spielt: die Cutis. Was nun die Epidermis betrifft, so finden wir bei den Reptilien einen gewissen Unterschied gegenüber den zwei höheren Wirbelthier- classen. Während zwar bei den Vögeln und Säugethieren die Zellen der Hornschicht lamellenartig angeordnet sind, so darf man doch diese Lamellen nicht als scharf von einander getrennte einfache Zellenschichten auffassen. Es findet denn auch bei diesen Thieren keine eigentliche Häutung, d. h. eine Ablösung von verschiedenen, unter einanderliegenden Zellschichten, auf einmal Statt, wie das vor- x 1) Noy. Act. Acad. Leop. Caes. Germ. Nat. Cur. Tom. XXXIV. Dres- dae 1868. 2) Archiv f. mikrosk. Anatomie, IX. Band, 1873. 3) Archiv f. mikr. Anat. Bd. XII. 1876. 4) Verh. d. Würzburger phys.-med. Gesellschaft. N. F. III. Bd. 1872, 5) Ebendaselbst. N.F. V. Bd. 1873. 310 Coenraad Kerbert: komnit bei den Amphibien und Reptilien, sondern die Hornschicht schilfert sich ab, d. h. die einzelnen Epidermisschüppchen werden allmählich unabhängig von einander abgestossen. Eine wirkliche Häutung kommt bei den höheren Wirbelthieren nur während des Eimbryonallebens, was wir später noch berücksichtigen werden, und in gewissen pathologischen Zuständen vor. Ein anderes Verhältniss finden wir nun bei den Amphibien und Reptilien. Hier besteht die Hornschieht der Epidermis aus bisweilen scharf von einander getrennten, dicht unter einander liegenden Zell- schichten — bei den meisten Amphibien aus zwei, bei den Rep- tilien aus mehreren Schichten bestehend. Bei diesen Thieren findet eine wirkliche Häutung statt, die Hornschicht wird entweder in einem zusammenhängenden Stücke (»Natternhemd« der Ophidier) oder auch in mehr oder weniger grossen Lappen abgestossen (Saurier, Amphibien). Schon vor der Häutung war die neue Hornschicht vollständig entwickelt und tritt nach der Häutung an die Oberfläche. Während es noch immer von Manchen bezweifelt wird, ob sich bei den ausgewachsenen Vögeln und Säugethieren die Epidermis be- ständig regenerirt aus den unteren Zellschichten des Rete Malpighii, so kann man sich leicht und mit aller Bestimmtheit davon über- zeugen, dass im Gegentheil das Rete Malpighii bei den Reptilien in beständiger Thätigkeit sich befindet, indem wie wir später sehen werden, immer wieder eine neue Hornschicht aus ihm gebildet wird. Unterwerfen wir Jetzt die verschiedenen Schichten der Epidermis einer eingehenden Betrachtung und halten wir dabei den Gang von oben nach unten ein. Unter den verschiedenen Schichten der Reptilienhaut ist nament- lich die alleräusserste von’ besonderer Wichtigkeit. Es war Leydig, der in seinen verschiedenen Arbeiten über die Reptilienhaut diese äussere Schicht einer sehr eingehenden Untersuchung und Betrachtung unterzogen hat. Er fasst dieses Oberhäutchen als eine wahre Cuticula auf, eine Ansicht, welcher sich Cartier in seinen schon erwähnten Arbeiten mehr oder weniger angeschlossen hat. Obwohl es nun nach den schönen Untersuchungen von Franz Eilhard Sehulze!) und Eberth?) wohl nicht mehr 1) »Ueber cutieulare Bildung und Verhornung von Epithelzellen bei den Wirbelthieren«. Arch. f. mikr. Anat. V. Band. 1869. 2) Arch. f. mikr. Anat. II. Band. p. 498. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 2ıl zweifelhaft sein kann, dass bei Amphibienlarven, bei den Perenni- branchiaten, Amphibien und Fischen die Epidermis nach aussen von einer Cuticula begrenzt wird, in welcher selbst Porenkanälchen vor- kommen können (bei Petromyzon, zuerst von Leuckart gesehen), so bin ich doch durch meine Untersuchungen — hauptsächlich der Entwickelungsgeschichte der Epidermis — zu dem Resultate gekommen, dass eine wahre Cuticula, im Sinne von Leydig und Cartier, bei den Reptilien nicht vorkommt. Ich muss F. E. Schulze voll- kommen beistimmen, wenn er behauptet:!) »wahre Guticular- bildungen kommen in der Epidermis der drei höheren Wir- belthierclassen nicht vor«. Da das Oberhäutchen der Reptilien, wie schon erwähnt, durch Leydig’s Untersuchungen?) von wichtiger Bedeutung ist für die Systematik und, wie ich bei Besprechung der Entwickelungsgeschichte unserer Gebilde darzuthun hoffe, interessante Verhältnisse bei den drei höheren Wirbelthierelassen darbietet, so werde ich mir erlauben, aus näher zu besprechenden Gründen dieses Häutchen als »Epi- trichialschicht« zu bezeichnen. - Epitrichial-Schicht. Bei der Betrachtung der verschiedenen Hautschichten werde ich immer ausgehen von denjenigen Reptilien, deren Schuppen zeitlebens den Bau zeigen, welchen wir ontogenetisch als Anfangsstadium be- trachten müssen. Es sind die Saurier, und zwar unter diesen in erster Linie die Ascalobotae und Chamaeleoniden, welche dieses Stadium uns vorführen. -Von eigentlichen Schuppen ist hier noch keine Rede, — obwohl die Bedeckungen am Bauche schon den wirk- lichen Schuppen sich nähern. Die Haut ist überall bedeckt mit ganz kleinen Erhebungen oder »Körnchen« (Fig. 1) zwischen welchen dann und wann grössere Höcker auftreten (Fig. 3). Von genannten Familien habe ich untersucht Platydactylus guttatus und Chamaeleon vulgaris. Was nun bei diesen Thieren die Epitrichialschicht betrifit, so sagt uns Gartier?°), dass es ihm bei den Geckotiden »durch kein Reagens 1) 1. ce. p. 29. 2) Arch. f. mikr. Anat. IX. Band. 1873. 3) »Studien über den feineren Bau der 'Epidermis bei den Gecko- tiden«, pag. 8. 212 Goenraad Kerbert: gelungen sei, die Grenzschicht der Epidermis nach aussen in zellige Elemente zu zerlegen«, obwohl er sich hier nicht zu der Annahme einer abgeschiedenen Cuticularmembran hinneigt. Vielmehr nimmt er hier eine Auflösung und Verschmelzung der platten Epidermis- zellen zu feinen homogenen Lamellen an. Bei der Untersuchung von Platydactylus guttatus sah ich aber das äussere Häutchen aus schönen polygonalen Zellen zusammengesetzt, in welchen hier und da deutliche Spuren eines Kernes wahrnehmbar waren (Fig. 2e). ‘Ich muss aber hinzufügen, dass ich erst dann in der Lage war, diese zellige Structur beobachten zu können, nachdem das Präparat einer ungefähr viertelstündigen Behandlung mit Moleschott scher Lösung unterworfen war, ein Reagens, was mir auch sonst bei meinen Unter- suchungen der Epidermis erhebliche Dienste bewiesen hat!). Die Frage wäre nun berechtigt: ist die zellige Structur: der äusseren Schicht nicht vielleicht ein Abdruck der Contouren der unterliegenden Zellen? Doch auch diese Frage muss bei der näheren Betrachtung entschieden verneinend beantwortet werden. Während die Zellen der äusseren Schicht polygonal sind und kleine Kerne zeigen, sind die Zellen der darunter liegenden Schicht mehr oder weniger rund und mit viel grösseren Kernen (Fig. 2h) versehen. Hieraus geht also mit Bestimmtheit hervor, dass wir es hier noch mit einer Auflösung und Verschmelzung zu thun haben, wie das Cartier gesehen haben will, noch mit einer Cuticula, wie Leydig für alle Reptilien annimmt. In Analogie mit dem, was ich auch bei anderen Reptilien gesehen habe, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Leisten, die nach Cartier »auf der Oberfläche mancher Arten ein zierliches Maschenwerk darstellen« und welche er als dritte bei den Geckotiden vorhandene Form von Cutieularbildungen bezeichnet, gleichfalls nicht unter der Rubrik Cutieularbildungen unterzubringen seien, sondern dass wir es hier mit wahren Zellen zu thun haben, deren Ränder stark nach oben umgekrümmt sind; eine Erscheinung, welche ich bei einigen Sauriern und ÖOphidiern deutlich wahrge- nommen habe. Sagt doch Cartier auch weiter, dass die Linien der Seulptur die Contouren der darunter liegenden Zellen bei den Geckotiden 1) Dass doch die Wirkung der Kalilösungen auf die Horngewebe eine sehr verschiedene sein kann, je nach Procentsatz der Lösung und Dauer der Einwirkung, hat Donders zuerst betont. Hier hat sich die Moleschott’sche Lösung am besten bewährt. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 213 nicht wiederholen, was für meine Ansicht spricht, dass die Seulptur- linien Zellenränder sind. Auch Leydig, der in seinem Werke über »die Deutschen Saurier« ausdrücklich hervorhob, dass die Seulpturlinien die Con- touren der darunter liegenden Zellen wiederholen, hat diese Be- hauptung später wieder zurückgenommen !). Bei Chamaeleon vulgaris bin ich in Betreff des äusseren Häutchens zu gleichen Resultaten gelangt (Fig. 3 u. 4e). Die Epitrichialschicht besteht bei diesem Thiere ebenfalls aus polygo- nalen Zellen, in welchen überall deutliche Kerne wahrnehmbar sind. Auch weichen hier wieder" die Zellen der darunter liegenden Horn- schicht (h) in Gestalt und Grösse bedeutend von dem der oberen Schicht ab. Auch das Oberhäutchen bei den Lacertinen kann ich eben so wenig als eine Cuticula auffassen. An der freien Fläche der Schuppe, sagt Leydig, zeigt die Cuticula eine »wellige Sculptur«. Allerdings kommt nun bei Lacerta agilis dieselbe wellige Zeichnung zu Tage, welche man am Öberhäutchen von Anguis fragilis, Pseudopus Pallasii und Tropidonotus Natrix wahrnehmen kann; ob diese Zeichnung aber ihre Ursache findet in einer Cuticu- larbildung, das ist eine Frage, welche wir jetzt näher erörtern wollen. Betrachten wir von den eben genannten Thieren das äussere Häutchen von oben in der Flächenansicht bei 380-facher Vergrösse- rung, so sehen wir (Fig. Se‘, Fig. 10 e’‘, Fig. 1lee‘) auf der freien Fläche der Schnppe feine, wellige oder gezackte Linien, die mehr oder weniger quer auf die Längsrichtung der Schuppe verlaufen und bei genauerer Beobachtung deutlich mit einander in Verbindung stehen. Weiter treten mehr oder weniger parallel mit der Längs- axe der Schuppe, hauptsächlich bei den Ophidiern (Fig. 11) scharfe Leisten hervor, welche ebenfalls gezackt sein können. Das Ganze macht den Eindruck von dicht aneinander gelagerten Zellen, über welche Längsleisten verlaufen. Besonders deutlich tritt dies bei Tropido- notus Natrix hervor, wenn man das Vorderende der Schuppe be- trachtet, wo das Oberhäutchen der freien Fläche allmählich in das der Verbindungshaut übergeht. Hier sind nämlich die Längsleisten ver- schwunden oder wenigstens abgeschwächt und es treten nur die 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. p. 761. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 13. 14 214 Coenraad Kerbert: zellenartigen dicht an einander gedrängten Gebilde zu Tage (Fig. 11 bei e‘). | Dass diese Gebilde wirklich eine grosse Zellenähnlichkeit haben, sagt auch Leydig, der sich eingehend mit der Structur dieses Oberhäutchens beschäftigt hat, bei Betrachtung der Schuppen von Vipera aspis und Vipera ammodytes!). Aber es ist nicht bloss eine Zellenähnlichkeit, diese Gebilde sind wirkliche Zellen. Am Vorderende der Schuppe und in den interstitiellen Partien tritt dies auf sehr evidente Weise hervor; hier doch findet man den all- mählichen Uebergang von den dicht aneinander gelagerten, zackigen und welligen Gebilden zu anderen, deren’ Zellennatur nicht zu be- zweifeln ist. Denkt man sich Fig. 11 und 12 bei e‘ aneinander befestigt, so hat man das Bild des Oberhäutchens, wie es am vor- deren Ende der freien Schuppenfläche (Fig. 11) und an den inter- stitiellen Partien (Fig. 12) hervortritt. Die zellenartigen Gebilde (e‘ von 0,022—0,070 mm. Länge) nehmen allmählich im Längsdurch- messer ab, um mehr in die Breite zu wachsen (vergl. auch Fig. 8 und 10e) und zeigen an einigen Stellen (Fig. 12 e‘) deutliche Spuren eines Kernes, aber erst nach Behandlung mit Kalilösung von 35 %0. Diese Zellen, welche 0,02 bis 0,056 Längsdurchmesser besitzen, werden nun immer grösser und nehmen eine mehr oder weniger polygonale Gestalt an. Zu gleicher Zeit aber kommt eine über- raschende Erscheinung zu Tage. Es treten in der Mitte jeder Zelle runde, körnige Flecken hervor (Fig. 12e‘“), die mir erst den Ein- druck von grossen Kernen machten, bei genauerer Betrachtung aber als locale Erhebungen sich zu erkennen gaben. An einzelnen Stellen sieht man in dieser Erhebung sehr deutlich noch den eigentlichen Zellkern liegen. Diese Erhebungen sind an den verschiedenen Zellen auch von verschiedener Höhe, ja ungefähr in der Mitte der Ver- bindungshaut haben die Erhebungen so grosse Dimensionen ange- nommen, dass jede einzelne eine ganze Zelle repräsentirt (Fig. 12 e‘). Die Erhebungen stehen hier dicht neben einander und zeigen meistens noch einen deutlichen Kern. Auch Leydig hat diese eigenthümlichen Gebilde an den inter- stitiellen Stellen der Schuppen gesehen und beschreibt sie als »höcke- rige Sculptur«?), welche er der sogenannten »streifigen Sculptur« auf der freien Schuppenfläche gegenüberstellt. 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. p. 757. 2) Arch. f, mikr. Anat. Bd. IX. p. 760. »Org. eines sechsten Sinnes« p. 92, Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 215 In Uebereinstimmung aber mit seiner Annahme einer Cuti- ceula auf der freien Fläche, fasst er auch hier diese Höcker oder Zellenerhebungen als wahre Cuticularbildungen auf, welche von einer darunter liegenden Warze der Epidermis abgeschieden werden sollen. Auch Cartier!) schliesst sich dieser Meinung an. Dass ich diesen Ansichten nicht beistimmen kann, scheint mir durch das Vorher- gehende genügend motivirt zu sein. Meiner Auffassung nach haben wir es bei dem ÖOberhäutchen sowohl auf der oberen und unteren Schuppenfläche als in den interstitiellen Partien mit einer wahren Zellenschicht zu thun, die in Betreff ihrer Zellen merkwürdige Modificationen darbietet. Auf der freien Fläche der Schuppe sind es die sogenannten »Querleisten« (Leydig), welche wirkliche Zellencontouren vorstellen. Diese Zellränder sind fein gezackt, oder wellig und nach oben hin umgekrümmt, so dass die schmale Zelle dadurch eine mehr oder weniger concave Oberfläche zeigt. Die »Hauptleisten« sind weiter nichts als lokale Erhebungen des Zellenkörpers, die regelmässig in Linien angeordnet sind und am Vorder- und Hinterende sowohl, als an den Seiten der Schuppe, vollständig verschwinden. Hier werden die schmalen Zellen deutlicher, sie nehmen eine mehr oder weniger poly- gonale Gestalt an und zeigen dann und wann einen deutlichen Kern. Endlich treten an diesen sogenannten polygonalen Zellen Erhebungen auf, die auf Kosten der ganzen Zelle in die Höhe wachsen, so dass schliesslich jede Erhebung, jeder Höcker, die ursprüngliche Zelle vorstellt. In einigen von diesen Erhebungen sieht man ebenfalls einen Kern, welcher gleichfalls auf die Zellennatur des Gebildes hin- deutet. Diese zuletzt besprochenen Gebilde sind zwar sehr merkwürdige, stehen aber in der Histologie nicht vereinzelt. Franz Eilhard Schulze fand am Öberhäutchen von Triton taeniatus, Triton Cristatus und Pipa dorsigera ganz ähnliche Zellen mit Er- hebungen, in welchen er ebenfalls deutliche Spuren eines Kernes ge- sehen hat?). Aber man findet am Oberhäutchen der Reptilien nicht nur Zellen die einen einzigen Höcker zeigen, sondern bei einem eben ausgeschlüpften Exemplare von Tropidonotus natrix sah ich 1) »Studien über den feineren Bau der Haut der Reptilien«. p. 201. 2) ken. 267. u. 299, 216 Coenraad Kerbert: an den interstitiellen Stellen der Bauchschienen schöne polygonale Zellen mit deutlichem Kern (Fig. 13 e‘) und fünf bis vierzehn, bis- wejlen noch mehr, kleine Erhebungen oder Höckerchen, die einen feinkörnigen Inhalt zeigten. Weiter ist hier bemerkenswerth, dass diese Zellen, nach der freien Schuppenfläche zu, immer polygonal bleiben und nicht schmaler und wellig-zackig werden, wie wir das beim ausgewachsenen Thiere an den Rückenschuppen gesehen haben. Auch auf der freien Fläche dieser Bauchschiene waren diese poly- gonalen Zellen noch deutlich wahrnehmbar, mit schönen Kernen und einer feinen Streifung an der Oberfläche (Fig. 13e). Die feine Strei- fung rührt auch hier offenbar von feinen, regelmässig angeordneten Erhebungen der einzelnen Zellen her. Dasselbe Verhältniss sah ich bei Vipera berus (Fig. 14 e), nur waren hier die Zellen der Epitrichialschicht nicht polygonal, sondern von mehr unregelmässiger Gestalt. Was die Epitrichialschicht betrifft, welche die sich über das Auge der Reptilien ausbreitende Epidermis nach aussen begrenzt, so fand ich auch hier keine Veranlassung, dieses Häutchen als eine Cutieula aufzufassen. Im Gegentheil, es ist aus schönen polygonalen Zellen von 0,018—0,02 mm. Durchmesser zusammengesetzt, deren Uebergänge zu den eigenthümlichen, schmalen, zackigen Zellen der interstitiellen Partien man Schritt für Schritt verfolgen kann. Dass diese polygonalen Zellen keine Abdrücke der darunterliegenden Horn- zellen sein können, bewies mir erstens die unregelmässige Gestalt dieser letzteren, und zweitens ihre weit grösseren Längsdurchmesser. (c. 0,036 mm.) Wir sehen also, dass die Epitrichialschicht der Reptilien zwar überall eine sehr merkwürdige Struktur zeigt, dass aber durchaus keine Veranlassuug bestehen kann, sie als eine Cuticula aufzufassen. Im Verlaufe dieser Arbeit hoffe ich zu zeigen, dass auch durch die Entwickelungsgeschichte der Epidermis meine Ansicht bestätigt wird. Will man aber jedes dünne, äussere Häutchen, welches Seulp- turen trägt, ohne Weiteres eine »Cuticula« nennen, so ist dies im strengen histologischen Sinne unrichtig, und man giebt dadurch nur Veranlassung zu einer grossen Verwirrung in der wissenschaftlichen Terminologie. Ueber den Einfluss der Epitrichialschicht auf die Häutung unserer Thiere hoffe ich nach Behandlung der Entwickelungsgeschichte noch Einiges mittheilen zu können. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 217 Epidermis. Obwohl natürlich auch die vorherbesprochene Epitrichialschicht zu der Epidermis gehört, so habe ich es doch vorgezogen, diese Schicht wegen ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit und der ein- gehenden Betrachtung, welche frühere Autoren ihr gewidmet haben, in einem gesonderten Capitel zu besprechen. Die unter der Epitrichialschicht liegende Epidermis (im engeren Sinne) zerfällt auch hier, wie bei allen Wirbelthieren, in zwei Haupt- schichten: zu oberst das Stratum corneum, zu unterst das Stratum mucosum. Das Stratum corneum besteht aus stark abgeplatteten, ver- hornten Zellen, worin man entweder manchmal (bei Platydactylus, Chamaeleon Fig. 5h) noch deutliche Kerne wahrnehmen kann, oder worin diese Kerne weniger deutlich sind und erst nach Zu- satz von Kalilösung hervortreten. In letzterem Falle ist die Horn- schicht scheinbar homogen wie bei Anguis fragilis (Fig. Th) und Pseudopus Pallasii (Fig.9h). Auch bei Lacerta agilis (Fig. 6h) und Tropidonotus natrix (Fig. 15h) sind meistens noch deutliche Kerne zu erkennen, und zwar daran, dass hier in den Hornzellen Pigmentkörnchen vorkommen, welche sich um den Kern herum gruppirt haben. Eine eigenthümliche Beschaffenheit besitzt die Zellenschicht, welche direkt unter der Epitrichialschicht gelegen ist. Diese Zellen sind meist von unregelmässiger Gestalt, bisweilen mehr oder weniger polygonal und sind dadurch charakterisirt, dass sie einen fein- oder grobkörnigen Inhalt besitzen (Figg. 2, 4, 8, 10, 11h). Schon Blan- chard!) hat diese Zellen gesehen und nach ihm hat Leydig?) sie näher untersucht und beschrieben. Leydig hält die Körnchen in den Zellen für eine eigenthümliche Fettsubstanz. Mir ist es aber nicht gelungen, die Fettsubstanz nachzuweisen. Jedenfalls ist es sehr merkwürdig, dass diese Zellen in den oberen Epidermisschichten nirgends fehlen. Auch in der Epidermis von Hühnchenembryonen habe ich ganz ähnliche Zellen gesehen, wie wir später noch be- 1) 1. c. p. 380. ’ 2) »Histologie« p. 98. »Org. eines sechsten Sinnes« p. 81. »Arch. f, mikr, Anat,« Bd. IX. p. 764, ı 218 Goenraad Kerbert: sprechen werden. Interessant ist eine Mittheilung von Leydig, dass bei Anguis fragilis eine eigenthümliche Krankheit vorkommt, wobei das Thier sich von der abzustreifenden Haut nicht befreien kann; eine Erscheinung, welche zusammenfällt mit einer starken Wucherung der eben besprochenen Zellenschicht. Wir wollen diese Schicht, ihrer Beschaffenheit wegen im Laufe dieser Arbeit »Körner- schicht« nennen. Die übrigen Zellen der Hornschicht bieten keine besonderen Eigenthümlichkeiten dar. Wie ich schon im Anfang hervorgehoben habe, ordnen sich die Zellenschichten im Stratum corneum der Reptilien lamellenartig an, sodass man auf Quer- und Längsschnitten die ganze Hornschicht mit der Nadel in einzelne Lamellen zer- fasern kann. Unter der Hornschicht kann nun entweder direkt das Rete Malpighii auftreten, oder es tritt zwischen beiden noch die neue Hornschicht auf. Man findet den ersten Fall bei Thieren, die sich eben gehäutet haben, den zweiten Fall dann, wenn das Thier gerade in der Häutung begriffen ist. Den ersten Fall sehen wir dargestellt in Fig. 5, wo die neue Hornschicht sich erst zu bilden anfängt. Unter der alten Hornschicht bemerken wir eine ganz dünne Zell- schicht (e‘), welche bei Anwendung von Carmin sich noch intensiv färbt und welche weiter nichts ist, als die Epitrichialschicht der neu zu entstehenden Hornschicht, eine interessante Erscheinung, über welche ich später noch einiges mitzutheilen Gelegenheit haben werde. Der zweite Fall, wo zwischen Stratum corneum und Rete Malpighii schon die neue Hornschicht entstanden ist, ist öfter zu beobachten, besonders im Frühling, wenn unsere Thiere sich zu häuten anfangen, und es nicht an reichlicher Nahrung fehlt. Fig. 16 führt uns diesen Fall vor in einem Querschnitt durch die Epidermis von Pseudopus Pallasii. Die Epitrichialschicht (e‘‘) der dritten, noch nicht gebil- deten Hornschicht ist deutlich wahrzunehmen. Dieser zweite Fall betrifft nun die Darstellung, welche de Filippi von der Haut von Stellio Caucasicus gegeben bat!). Beide Horn- schichten werden ganz genau von ihm beschrieben und abgebildet. Die äussere Schicht, welche bestimmt ist bei der nächsten Häutung abgeworfen zu werden, ist nach ihm ohne Zweifel »una formatione epidermica«, weil er, nach Behandlung mit Kalilösung, deutliche 1). 1.%6.'p. 369, Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 219 Linien auftreten sah, »le quali fanno tutta l’impressione di contorni di cellule«. Ja, in der zweiten, darunter liegenden Schicht beob- achtete er deutliche Kerne. Es kann nach de Filippi’s Beschreibung nicht zweifelhaft sein, dass diese beiden Schichten die bei allen sich in der Häutung befindenden Reptilien wiederkehrenden Hornschichten darstellen. In Uebereinstimmung damit wird noch bemerkt, dass die obere Schicht die ältere sei, und bei der Häutung abgeworfen werde. Merkwür- digerweise aber fasst de Filippi diese Schichten nicht als Horn- schichten auf, sondern als Stratum lucidum. Als eigentliches Stratum Corneum wird ein sehr dünnes Epidermishäutchen (»una sottilissima pellicola epidermica«) gedeutet, welches die äusseren Zellenschichten umhüllt und deren Matrix, immer nach de Filippi, zu suchen sei in den interstitiellen Partien der Schuppen, wo sich ein Haufen von Epidermis-Zellen befinde, der sich von hier aus über die ganze Schuppe verbreite. Weiter theilt er noch mit, dass »lo strato esterno«, d. h. die unter der »sottilissima pellicola epidermica« liegenden Zelleuschichten, sich nicht in die interstitiellen Partien der Schuppen fortsetzt, sondern aufhört, wo diese Partien anfangen (»esso finisce tronco nel l’infossatura che separa le squame«). Haben wir es nun hier mit einer nicht genauen Beobachtung zu thun, oder weicht die Epidermis von Stellio Gaucasicus wirk- lich so kolossal von der der übrigen Reptilien ab? Meiner Mei- nung nach, glaube ich annehmen zu dürfen, dass de Filippi die Verbindungen zwischen den verschiedenen älteren Hornschichten (»strati esterni) einfach übersehen hat. Denn, wäre es wirklich so, dass die alte Hornschicht überall aufhört, wo die interstitiellen Stellen der Schuppen anfangen, wäre diese Schicht also auf jede Schuppe ohne weitere Verbindung mit derselben Schicht an den nächst- liegenden Schuppen, so wäre es eine Unmöglichkeit, dass die Epi- dermis in grossen Lappen (»a grandi lembi«) oder in toto (»in un pezzo solio«) abgeworfen wird, wie doch de Filippi selber mit- theilt. In dieser Beziehung also enthalten die Mittheilungen des italienischen Forschers ganz bestimmt Widersprüche. Was das dünne äussere Häutchen betrifft, welches jede Schuppe nach aussen begrenzt, so kann dieses, meiner Meinung nach, weiter nichts sein als die »Epitrichialschicht.« Dass dieselbe vielleicht stärker entwickelt ist als bei anderen Reptilien, kann uns nicht überraschen. Werden wir doch später sehen, dass es auch unter » 220 Coenraad Kerbert: den Säugethieren Arten giebt, deren Epitrichialschicht entweder aus dickeren Zellen, oder aus mehreren unter einander liegenden Zellen besteht. Wenn nun aber diejenige Epidermispartie, welche von de Filippi als Stratum lucidum bezeichnet wird, weiter nichts ist als das wirkliche Stratum corneum, so bleibt uns noch die Frage zu beantworten übrig, ob die Epidermis der Reptilien des eigentlichen Stratum lucidum entbehrt oder nicht. Da Schrön!) überall da, wo ein Stratum lucidum vorkommt, die Hornschicht aus den Talg- und Schweissdrüsen der Haut entstehen lässt, so wäre, vorausgesetzt dass diese Annahme berechtigt sei, zu erwar- ten, dass bei den Reptilien, deren Hautdrüsen bekanntlich fehlen, auch das Stratum lueidum fehlen müsste; aber mit nichten. Ueber- all in der Epidermis ist zwischen Hornschicht und Rete Malpighii eine helle, sich mit Karmin schwach färbende Schicht zu finden, welche ob ihres Aussehens als Stratum lucidum aufgefasst werden kann. Merkwürdigerweise stützt nun Schrön seine Hypothese von der Entstehung der Hornschicht aus den Hautdrüsen auf die Un- tersuchungen von de Filippi bei Stellio Caucasicus, welche wir eben besprochen haben. Schrön vergleicht hier die interstitiellen Stellen der Schuppen mit den Hautdrüsen der höheren Wirbelthiere und meint, dass die Hornschicht bei Stellio (»sottilissima pellicola epidermica« von de Filippi) aus den interstitiellen Stellen auf die- selbe Weise entstehe, wie bei den Söugethieren aus den Hautdrüsen. Abgesehen davon, dass die Hornschicht bei Stellio (de Filippi), wie wir gesehen haben, nicht dem wirklichen Stratum corneum, sondern der Epitrichialschicht entspricht, brauche ich kaum zu be- tonen, dass die Gleichstellung der Hautdrüsen bei den höheren Wir- belthieren mit den interstitiellen Stellen an der Reptilienhaut durch- aus verfehlt ist. Entstehen doch die Hautdrüsen bei den höheren Wirbelthieren durch Wucherung der Schleimschicht in die Gutis, während die interstitiellen Partien zwischen den Schuppen passiv dadurch entstehen, dass sich die Cutis ringsum in Form von Pa- pillen resp. Schuppen erhoben hat. Kommen wir nun wieder zurück auf die helle, durchscheinende Schicht zwischen Rete Malpighii und Hornschicht, so zeichnet sich 1) »Contribuzione alla Anatomia, Fisiologia e Patologia della Cute umana« pel Ottone Schrön. Torino e Firenze 1865. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 221 diese von den anderen Zellenschichten hauptsächlich dadurch aus, dass sie sich gegen Farbstoffe anders verhält. Während die Zellen der Hornschicht keine Färbung annehmen und das Rete Malpighii immer lebhaft gefärbt erscheint, nimmt das Stratum lucidum auch in dieser Beziehung die Mitte zwischen beiden genannten Zellenlagen ein. Sehr schön habe ich dies ge- sehen in der Epidermis von Pseudopus Pallasii (Fig. 16), wo die neue Hornschicht schon gebildet war. Betrachtet man hier die mittlere Schicht — also das neue Stratum corneum — bei starker Vergrösserung (Fig. 17), so sehen wir, dass sich das Stratum lucidum (1) schärfer gegen das Rete Malpiehii (ekr) als gegen den oberen Theil der Hornschicht abgrenzt. Ueberhaupt scheint das Stratum lucidum immer einen Theil der eigentlichen Hornschicht auszumachen und nicht zum Rete Malpighii zu gehören, wie das Schrön, Oehl, Krause u.s. w. annehmen. In der Beziehung muss ich denn auch vollständig Langerhans!) beistimmen, wenn er behauptet, dass wegen der vollkommenen Gleichmässigkeit der Färbung, welche alle unterhalb des Stratum lucidum . liegenden Zellenschichten darbieten, und wegen der grossen Schärfe, mit der sich die Elemente derselben gegen letztere abgrenzen, die Grenze zwischen Rete Malpighii und Hornschicht nicht über dem Stratum lueidum, sondern darunter sich befindet. Bei Reptilien tritt dies sehr evident hervor. Das Stratum lu- eidum ist hier, ohne weitere Frage, ein Theil des Stratum corneum und wird bei der Häutung in Zusammenhang mit dieser letzteren Schicht abgestossen. Auf (Querschnitten der abgestreiften Haut kann man dies ganz deutlich erkennen (Fig. 15). Was Cartier in der Hornschicht als »äussere Häutungszellen- lage« oder »äussere Cylinderzellenlage« bezeichnet, mag wohl weiter nichts anders sein als die unteren jüngeren Zellen des Stratum lu- cidum. So scharf wie Cartier?) die Zellen dieser Schicht gezeichnet hat, habe ich sie aber niemals gesehen. Auch grenzen sie sich nicht so scharf gegen die übrigen Zellen des Stratum lucidum ab. Gehen wir vom Stratum lucidum nun weiter zur Betrachtung des Rete Malpighii über, so treffen wir unter dem ersteren auch 1) »Ueber Tastkörperchen und Rete Malpighii« im Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. 1873. 2) »Studien über den feineren Bau der Haut bei den Reptilien«. 222 - CGoenraad Kerbert: wieder dieselben grossen, mehr oder weniger spindelförmigen, von einem fein- oder grobkörnigen Inhalt versehenen Zellen an, welche wir vorhin in den oberen Schichten des Stratum corneum gefunden haben (Fig. 17 k.) Es ist deutlich, dass diese Zellenschicht der späteren »Körner- schicht« entspricht, da nach Abwerfung der Hornschicht diese grob- granulirte Zellen an der Oberfläche zu liegen kommen. Merkwür- digerweise fand auch Langerhansin der Epidermis des Menschen gerade an derselben Stelle, unter dem Stratum lucidum, ganz ähn- liche Zellen. Dass diese Zellen aber jüngeren Datums sein sollen als die unter ihnen liegenden Zellenschichten, kann ich, wenigstens in Betreff der Reptilienhaut, nicht zugeben. Bei Betrachtung der Entwickelungsgeschichte der Epidermis werden wir nämlich sehen, dass diese Zellen viel früher auftreten als die unter ihnen liegenden rundlichen Zellen. Auch diese körnerhaltigen Zellen mögen wohl dieselben sein, welche Cartier!) als »innere Gylinderzellen« oder »innere Häu- tungszellen« deutet, und welche nach ihm die CGuticula der neuen Hornschicht abscheiden soll. Allerdings sehen wir oberhalb der betreffenden Schicht noch eine sehr dünne (Fig. 17 e) Lage, aber abgesehen davon, dass in ihr Kerne wahrzunehmen sind, wird uns auch die Entwickelungsgeschichte lehren, dass diese Schicht viel früher gebildet wird als die unter ihr liegende körnerhaltige Zellen- schicht. Es kann also hier von einer Cuticula keine Rede mehr sein, und es ist leicht einzusehen, dass wir in dieser dünnen Zellen- schicht wieder weiter nichts zu sehen haben als die neue Epitrichial- schicht, welche von allen Zellenschichten zuerst gebildet wird und da- durch am meisten nach oben gerückt ist. Die unter ihr liegende »Körnerschicht« behält nicht fortwährend dieselben Dimensionen; die Zellen platten sich mehr und mehr ab, behalten aber ihren körni- gen Inhalt vollständig und werden auf diese Weise zu den Zellen, die bei der Untersuchung der Hornschicht sofort auffallen. Es sind also dieselben Zellen, welche von Leydig als »fetthaltige Zellen« der Hornschicht beschrieben sind. Unter dieser »Körnerschicht« befinden sich ovale, runde und endlich mehr oder weniger cylinderförmige Zellen, welche letztere 1) l.c. p. 199 ff. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 223 auf der Cutis aufsitzen. Riffzellen, die nach Brümmer'!) weiter verbreitet sind als man bis jetzt angenommen hatte, habe ich in der Epidermis der Reptilien nicht gesehen. Zum Schluss dieses Capitels sei noch hinzugefügt, dass man die stark verhornte Epidermis bei den Reptilien als »Hornschuppe« den eigentlichen Schuppen oder » Papillarkörpern« gegenüber- stellen kann. Cutis. Dass die Schuppen der Reptilien nichts sind als Papillen der Lederhaut, welche entweder einfache, mehr oder weniger stark ent- wickelte Höcker bilden, oder plattgedrückt und nach hinten um- gebogen sind, dies Alles ist schon im Anfang dieser Arbeit aus- drücklich betont worden. Es war hauptsächlich wieder Leydig, der, in seinen schon erwähnten Arbeiten. sich eingehend mit der Untersuchung der Gutis beschäftigt hat. Was namentlich die Structur des Bindegewebes anlangt, so muss ich hauptsächlich auf die betreffenden Arbeiten dieses Forschers verweisen, da ich in der Beziehung wenig hinzu- zufügen habe. Nur so viel will ich erwähnen, dass bei Platy- dactylus guttatus (Fig. 1) der eigenthümliche Bau des Binde- gewebes in der Reptilienhaut ausgezeichnet zu Tage tritt. Sehr deutlich sieht man hier die derben horizontalen und parallel ver- laufenden Lagen der »Grundmasse«, überall senkrecht und palli- sadenartig durchzogen von Strängen lockeren Bindegewebes. Diese senkrecht aufsteigenden Stränge stellen die Verbindung dar zwischen der »oberen und unteren Grenzschicht« des Bindegewebes und führen Blutgefässe, Nerven und Pigmentzellen. Daneben sind mir aber in der »oberen Grenzschicht« (Fig. 1a) der Cutis bei Platydactylus guttatus merkwürdige Gebilde zu Gesicht gekommen, Gebilde, die ich in der Haut von anderen Reptilien nicht wiedergefunden habe. Das Bindegewebe zeigt hier nämlich, nach der Epidermis zu, grössere und kleinere Maschen, die überall mit bläschenförmigen Gebilden gefüllt sind und dann und wann einen gelben Anflug zeigten. Es kommen auch Bläschen vor, welche in grösseren Bläschen eingeschlossen waren. Kerne habe ich nicht gesehen. 1) »Stachel- und Riffzellen in der Magenwand verschiedener Säuge- thiere«. Centralbl. f. med. Wissensch. 1875. No 28. 224 Coenraad Kerbert: Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als ob wir es hier mit Zellen zu thun hätten, die mit Fett oder irgend einer öligen Substanz gefüllt sind; doch gelang es mir nicht Fett oder Oel nach- zuweisen. Behandlung mit Aether und Ueberosmiumsäure gaben mir in der Beziehung gar keine Resultate. Ich muss aber hinzu- fügen, dass ich nur solche Exemplare habe untersuchen können, die schon lange in Weingeist aufbewahrt waren und dass es mir leider nicht gelang, frische Exemplare zu beziehen. Ich fühle mich also veranlasst, auch die Aufmerksamkeit Anderer auf diese merk wür- digen Gebilde hinzulenken. Ebensowenig gelang es mir, über die Natur der grossen maschenartigen Räume zwischen Cutis und Mus- kulatur (Fig. Ic) bestimmten Aufschluss zu gewinnen. Obwohl es auf der Hand liegt diese Maschen als »Lymphräume« aufzufassen, so weiss ich doch nicht, ob diese Deutung das Richtige trifft. Die Behandlung mit Silberlösung blieb natürlich an Weingeistpräparaten vollständig fruchtlos, und so kann also auch hier nur die Unter- suchung an frischen Thieren entscheiden. Dabei will ich übrigens bemerken, dass Leydig zwischen der äusseren Bedeckung und der Muskulatur bei allen von ihm unter- suchten Schlangen ähnliche Maschen und Räume gesehen hat, und sie wirklich als »Lymphräume« deutet. Schon von Heusinger?*) hervorgehoben ist, dass bei einigen Reptilien unter der Epidermis Knochen vorkommen. Es versteht sich von selbst, dass wir jetzt diese Knochen nicht mehr, wie Heu- singer gethan hat, als Abscheidungsproducte »im Malpighi’schen Schleime« auffassen, sondern dass wir es hier mit verknöchertem Bindegewebe zu thun haben. Wie als bekannt vorausgesetzt werden darf, kommen die Haut- ossificationen unter den Reptilien sehr verbreitet vor. Abgesehen von den Krokodilen und Schildkröten, die knöcherne Hautschilder zeigen, sind es unter den Sauriern die Seineoiden, welche uns ver- knöcherte Schuppen vorführen. Hauptsächlich war es wieder Leydig?) der bei den letzt- genannten Thieren diese Knochenschuppen näher untersucht hat. Für eine derartige Untersuchung ist es empfehlenswerth, das Bindegewebe erst lange Zeit in Wasser, noch besser in schwacher 1) 1. c. p. 222. 2) »Histologie« p.90, »Org. eines sechsten Sinnes« p. 71, »Saurier« p.15. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 225 Kalilösung, zu maceriren, so dass man die einzelnen Knochentafeln vollkommen isolirt erhält. Um aber Quer- und Längsschnitte ver- fertigen zu können, ist es natürlich nothwendig, die Knochen erst zu entkalken. In dieser Beziehung muss ich hervorheben, dass ich der von Strelzoff!) empfohlenen Untersuchungsmethode gefolgt bin. Die besten Präparate bekommt man nämlich nicht nach Ent- kalkung mit Salzsäure, welche Methode mit Recht völlig zu ver- werfen ist, sondern mit concentrirtem Holzessig, Nach einigen Tagen nimmt man die Haut aus dem Holzessig heraus und bringt sie in starken Alkohol. Nach dieser Behandlung kann man nicht blos die feinsten Schnitte durch das Object legen, es gelingt darnach auch eine vollständige Färbung der Präparate, was nach Entkalkung mit Salzsäure nicht der Fall ist. Längsschnitte durch die ganze Schuppe des Thieres, — ich habe nur Pseudopus Pallasii und Anguis fragilis untersucht, — zeigen folgende Bilder (Fig. 7 u. 9). Unter dem Rete Malpighii (s) findet ınan die Knochentafeln mitten in der lockeren Bindegewebsmasse der oberen Grenzschicht liegen. Das Bindegewebe lagert sich überall sehr eng an die Knochen an, so dass diese vollständig von einer sogenannten »Schuppentasche« umhüllt sind. In dieser Beziehung nähern sich diese Schuppen denjenigen einiger Fische, wo ebenfalls die Hautknochen in einer Bindegewebstasche liegen (einige Cyprinus-Arten u. s. w.). Sehr schön ist dies, beiläufig erwähnt, zu sehen bei den unter der äus- seren Haut liegenden, kleinen Schuppen von Anguillula vul- garis,.über welche ich ebenfalls einige Untersuchungen angestellt habe, die ich aber erst später mit Berücksichtigung anderer Haut- ossificationen bei den Fischen, zu veröffentlichen gedenke. Das Bindegewebe umhüllt nicht nur die Knochenschuppen vollkommen, es steht auch das der oberen Seite mit dem der un- teren Seite in Verbindung, und zwar durch die sogenannten Mark - kanäle oder Havers’schen Kanäle. Diese Kanäle dienen zur Ernährung, sie beherbergen daher die Blutgefässe, welche dann weiter von Bindegewebe nicht blos, sondern auch von Nerven und Pigment begleitet werden können. Die Zahl und der Verlauf dieser Markkanäle fand ich aber bei Pseudopus und Anguis wesent- 1) »Ueber die Histogenese der Knochen« in Unters. aus dem Patholo- gischen Institut zu Zürich. 1. Heft 1873. 296 Coenraad Kerbert: lich verschieden. Bei dem letzten Thiere sah ich ungefähr in der Mitte der unteren Fläche der Knochenschuppe nur ein Ernährungs- loch. Der Kanal steigt von hier aus senkrecht in die Höhe und verzweigt sich, an der oberen Seite angelangt, mehr oder weniger radiär. Diese radiären Verzweigungen bilden aber an der Oberfläche keine wirklichen Kanäle, sondern Rinnen, die nur stellenweise über- brückt sind. Auf Quer- und Längsschnitten habe ich denn auch niemals Löcher wahrgenommen, welche auf Kanäle im Innern des Knochens hindeuten können. Ganz anders ist dies aber bei Pseu- dopus (Fig. 9kn), wo man auf Quer- und Längsschnitten grosse Löcher wahrnimmt, welche natürlich weiter nichts sind als durch- schnittene Kanäle, die von verschiedener Gestalt bisweilen zu grös- seren Markräumen zusamınenschmelzen. Diese Kanäle fangen, meist zu zwei oder drei, am vorderen und unteren Ende der Knochen- schuppen an, verzweigen sich im Innern vielfach und münden dann am hinteren Ende der oberen Fläche wieder aus, wo sie, wie bei Anguis, stellenweise überbrückte Rinnen bilden. Bei Pseudo- pus kann man von einer Substantia spongiosa reden, welche in der Mitte, nach der oberen Fläche der Knochen zu, liegt, während die Substantia dura mehr an der unteren Fläche sich befindet. Der verschiedene Bau der Hautknochen bei Anguis und Pseu- dopus dürfte wohl auf die verschiedene Massenhaftigkeit resp. Dicke der Knochen Bezug haben. Ueberall aber, sowohl bei Anguis als bei Pseudopus, findet man die schönsten Knochenkörperchen mit deutlichen Knochenzellen und Knochenkanälchen. Ihre Längs- richtung verläuft meistens parallel mit der Längsachse des Knochens. Diese Knochenschuppen scheinen bei allen Scincoiden vorzu- kommen und auch bei den Brevilinguia nicht selten zu sein. Wie schon früher erwähnt, war es Blanchard, der in seiner Arbeit über »le Systeme tegumentaire des Reptiles«?) die Behaup- tung aufgestellt hat, dass die Schuppen der Reptilien als Respira- tionsorgane functionirten, eine Behauptung, die er hauptsächlich auf das Vorhandensein der Markkanäle in den Knochenschuppen der Seincoiden zu stützen versuchte, indem er diese als »espaces aeri- feres des &cailles« auffasste. Abgesehen nun davon, dass wir jetzt den Markkanälen in den Knochen eine andere physiologische Be- deutung beilegen, hat auch Leydig mit Recht gegen die Ansichten 2) .120.. 9.377, Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 227 von Blanchard eingewendet, dass überall da, wo ein Organ als Respirationsorgan functioniren soll, die Capillarverzweigung der Ge- fässe eine viel grössere und zahlreichere sein muss wie sonst, was man von den Schuppen der Reptilien durchaus nicht behaupten kann. | Ueberall in der Cutis der Reptilien kommen verzweigte Pigmentzellen vor, und zwar immer in den beiden lockeren Grenzschichten des Bindegewebes. Selten kommen diese verzweigten Pigwentzellen auch in der Epidermis, bei ausgewachsenen Thieren vor, wie z. B. bei einigen Lacertinae. Häufiger ist dies letztere zu beobachten bei Embryonen, worauf wir bei der Entwickelungs- geschichte näher zurückkommen. Am stärksten ist das Pigment entwickelt in der Lederhaut von Chamaeleon vulgaris (Fig. 3), wo sich die Pigmentzellen als zierliche baumförmig verzweigte Gebilde zeigen. Man unter- scheidet zwei Arten von Pigmentzellen. Die einen enthalten ein tiefschwarzes Pigment und liegen meistens in der Tiefe des Binde- gewebes, die anderen sind von gelblicher oder weissgrauer Farbe und liegen meist direct unter der Epidermis. Für die weiteren Details und die Erscheinungen des Farbenwechsels, die unter den Reptilien bekanntlich weit verbreitet sind, muss ich auf die betref- fenden Arbeiten verweisen. Entwickelung der Schuppen. Ueber die Entwickelung der Reptilienschuppen liegen bis jetzt noch keine Angaben vor. Wohl hat schon Heinrich Rathke in seiner »Entwickelungsgeschichte der Natter«, Königsberg 1839, uns Einiges über das erste Auftreten der Schuppen mitgetheilt und schon ganz richtig diese Gebilde als »partielle Verdickungen der Haut« beschrieben, die sich als »kleine Buckel oder platte rundliche Hervorragungen bemerklich machen«, doch fehlen in seinen Angaben noch vollständig die so wichtigen histologischen Einzelnheiten. Ueber- haupt ist die Entwickelung der äusseren Haut ein Thema, welches von den Forschern bis jetzt sehr vernachlässigt worden ist. Bei der Altersbestimmung der von mir untersuchten Embryo- nen werde ich mir erlauben, dieselbe Eintheilung in Entwickelungs- perioden zu Grunde zu legen, welche Rathke in seiner eben er- wähnten Arbeit aufgestellt hat. 228 Coenraad Kerbert: Die erste Periode der Entwickelung fängt mit der Befruch- tung des Kies an und endet mit dem Erscheinen sämmtlicher Kie- menspalten, und mit dem Schliessen des Darmnabels. Die zweite Periode dauert bis zu der Zeit, in welcher sich die Kiemenspalten völlig schliessen. Die dritte Periode umfasst die Entwickelungsgeschichte von dem gänzlichen Verschwinden der Schlundöffnungen an, bis zu der Färbung der Hautbedeckung. Die vierte Periode endlich fängt mit dieser Färbung der Hautbedeckung an und schliesst mit der Abstreifung der Eihüllen. Obwohl die erste Anlage der Schuppen erst in der dritten Ent- wickelungsperiode bemerkbar wird, möchte ich doch zuvor Einiges mittheilen über die Structur der Haut in der früheren Periode. Leider ist es mir nicht gelungen, Embryonen zu bekommen, die noch in der ersten Entwickelungsperiode sich befanden, was ich um so mehr bedaure, als es begreiflich von Interesse gewesen sein würde, um die Structur des Ectoderms kennen zu lernen. Ich kann somit nur mittheilen, dass bei den Embryonen von Tropidonotus natrix aus der zweiten Periode die äussere Haut oder die Epi- dermis zweischichtig ist (Fig. 18 e. s.). Zu oberst liegt eine sehr dünne Schicht von noch nicht 0,002 Mm. Dicke, und zu unterst eine dickere Schicht von 0,006 Mm. Die obere Zellenschicht (e) be- steht aus unregelmässigen, an einzelnen Stellen schon polygonalen Zellen mit feinkörnigem Inhalt und grossen Kernen. Die Zellen haben von 0,015—0,02 Mm. -Längsdurchmesser und die Kerne, welche meist zwei Kernkörperchen zeigen, sind von 0,010—0,012 Mm. gross. Die Zellen der unteren Schicht sind kleiner, stehen mit ihrer Längs- achse senkrecht auf der oberen Zellschicht und zeigen ovale Kerne von 0,006 Mm. Die obere Zellenschicht ist in Fig. 19, von der Fläche gesehen, dargestellt. Unter der unteren Zellenschicht (s) sieht man eine dritte Zellenlage (Fig. 18c). Sie besteht aus grossen runden Zellen, zwischen welchen sich einzelne Fasern befinden und repräsentirt die erste Anlage der Cutis. In dieser zweiten Entwickelungsperiode ist die Cutis noch voll- kommen flach und eben, d. h. sie zeigt noch keine Erhebungen oder Papillen !). 1) Dass auf der Abbildung (Fig. 18) jedoch die Cutis mit Erhebungen Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 229 Die Thatsache, dass hier die Epidermis aus zwei, deutlich von einander verschiedenen Schichten besteht ist eine Erscheinung, welche in hohem Grade unsere Aufmerksamkeit in Ansprüch nimmt. Ob- wohl die Untersuchungen in dieser Hinsicht noch nicht sehr zahlreich sind, scheint es nämlich, dass die Zweischichtigkeit des sensoriellen Blattes (Remak) bei allen Wirbelthieren in einer gewissen Ent- wickelungsperiode vorkommt. So meldet Stricker in seinem Auf- satz über die »Entwickelung der einfachen Gewebe«!), dass das äussere Keimblatt der Batrachier aus zwei Lagen bestehe, »aus einer oberflächlichen einfachen Lage brauner Zellen und aus einer tieferen, stellenweise einfachen, stellenweise mehrfachen Lage weiss- licher Zellen«. Rieneck fand dasselbe bei den Fischen?) und sagt: »die oberflächlichen Zellenschichten sind schon abgeplattet und bilden förmlich eine Reihe von Pflasterepithel, während die tieferen Lagen sich mehr cylindrisch anordnen«. Von beiden wird die ober- flächliche Schicht als Hornblatt, die tiefere als Nervenblatt bezeichnet. Was die Vögel und Säugethiere betrifft, so sagt Stricker, dass bei diesen Wirbelthierclassen „die beiden Schichten so enge mit einander verbunden sind, dass eine Differenzirung auf den besten Querschnitten nicht wahrnehmbar ist. Kölliker?) fand aber bei einem menschlichen Embryo von fünf Wochen die Epidermis aus zwei Zellenlagen zusammengesetzt, »einer oberen von schönen polygonalen Zellen gebildeten und einer unteren aus kleineren Elementen bestehenden, welche den zwei späteren Lagen der Hornscehicht und Schleimschicht entsprechen.« In Be- - treff der Vögel kann ich mittheilen, dass bei Hühnchen-Embryonen am 7. Tage der Bebrütung die Epidermis ebenfalls aus zwei ver- schiedenen Zellschichten besteht, wie wir das bei Betrachtung der Entwickelung der schuppenartigen Gebilde am Laufe näher werden kennen lernen. erscheint, rührt daher, dass das betreffende Präparat unter dem Deckgläschen nicht flach genug ausgebreitet war, was in der Abbildung, welche mit Hülfe der Camera lucida gezeichnet ist, natürlich wiederkehrt. 1) Stricker »Handb. d. Lehre von den Geweben« 1872. p. 1199. 2) »Ueber die Schichtung des Forellenkeims«e. Arch. f. mikr. Anat. Bd. V. 1869. 3) »Zur Entwickelungsgeschichte der äusseren Haut« in Zeitschrift f. wiss. Zool. II. Bd. 1850. »Mikr. Anat.« II. Bd. 1. Ilälfte p.69ff, »Entwicke- lungsgesch. d. Menschen« 1861. p. 377 ff. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 13. 15 230 Coenraad Kerbert: Endlich ist die Zweischichtigkeit der Epidermis, wie wir ge- sehen haben, auch bei Embryonen der Reptilien deutlich wahr- zunehmen. Wenn nun aber von Stricker, Rieneck und Kölliker die obere Schicht als »Hornblatt« oder »Hornschicht« aufgefasst wird, so werde ich mir erlauben, gegen die Wahl dieser Namen folgendes Bedenken zu erheben. Der Name »Hornblatt« oder »Hornschicht« kann, meiner Mei- nung nach, für die betreffende Schicht nur dann Berechtigung haben, wenn bewiesen wird, dass aus ihr das später ausgebildete Stratum corneum der Epidermis entsteht, d. h. dass sie durch fortwährende Wucherung ihrer Zellen die bisweilen sehr dicke eigentliche Horn- schicht bildet. Dies aber behaupten zu wollen, wäre entschieden unrichtig. Wie wir im Verlaufe unserer Betrachtung uns überzeugen werden, entsteht die ganze spätere Epidermis aus der embryonalen unteren Schicht, die wir mit Kölliker »Schleimschicht« nennen können !) (Fig. 18 s). Sie ist, möchte ich sagen, Hornschicht und Rete Malpighii zu gleicher Zeit. Die obere Schicht (Fig. 18. 19e) betheiligt sich an dem Aufbau der späteren Hornschicht gar nicht; sie vergrössert sich zwar in demselben Verhältniss als der Embryo, bleibt aber meistens eine einfache Zellenschicht. Bei den verschie- denen Wirbelthierclassen geht sie entweder schon während des Em- bryonallebens verloren, oder sie bleibt bestehen bis nach der Geburt und wird dann, bisweilen mit einem Theile des unter ihr gebildeten Stratum corneum, abgestossen. Es ist von Interesse, das Schicksal dieser oberflächlichen embryonalen Epidermisschicht unter den ver- schiedenen Wirbelthierclassen etwas eingehender zu verfolgen. Fangen wir in dieser Hinsicht mit den Säugethieren an, so begegnen wir merkwürdigen Erscheinungen. Bei dem Menschen liegen, so viel ich weiss, über das Schick- sal dieser embryonalen Schicht nur Angaben von Kölliker?) und von Hermann Welcker?°) vor. Kölliker, der genaue Mes- 1) Ich sehe auch keinen Grund, diese untere Schicht der embryonalen Epidermis mit Stricker als »Nervenblatt« zu bezeichnen. Geht doch das Nervensystem ans einem verhältnissmässig sehr kleinen Theile dieser Schicht hervor. 2) In seinen schon erwähnten Arbeiten. 3) »Ueber die Entw. und den Bau der Haut und der Haare bei Bra- dypus«. Halle 1864. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 251 sungen an den Zellen dieser oberen Schicht bei menschlichen Em- bryonen angestellt, und sie zuerst an Embryonen von fünf Wochen beobachtet hat, sagt, dass diese Zellenschicht bei älteren Embryonen (sechs bis sieben Wochen) »mehr einer homogenen Membran mit ver- wischten Zellencontouren- und undeutlichen Kernen gleich wird«. Et- was weiter sagt er, dass diese Zellenschicht sich im zweiten bis vierten Monat in ein fast strukturloses Häutchen umbilde und dann nicht mehr aufzufinden sei; woraus er den Schluss zieht, dass sie abgeworfen sei. Aehnliche Beobachtungen hat Weleker!) gemacht. Er theilt uns mit, dass bei menschlichen Embryonen von acht Monaten die äussere Schicht schon abgestossen sei. Wahrscheimlich betheiligen sich die abgestossenen Zellen an der Bildung der sogenannten »Fruchtschmiere« (Vernix caseosa). Eine theilweise und allmähliche Abstossung der Zellen dieser oberen Schicht während des embryonalen Lebens kommt nach Wel- eker noch vor bei den folgenden Geschlechtern: Felis, Ursus, Didelphys,Bos,Ovis,Cervus,Hydrochoerus,Dasy- procta, Coelogenys, Dasypus. Die obere Schicht bleibt aber nicht immer einfach, sondern kann bei verschiedenen Säuge- thieren aus zwei bis fünf Zellenschichten bestehen. Ganz anders verhält diese Schicht sich nun bei den übrigen Säugethieren und hauptsächlich bei Bradypus. Schon längst hatten verschiedene Forscher ihre Aufmerksam- keit auf eine eigenthümliche Hülle hingelenkt, die bei einigen Em- bryonen gewisser Säugethiere den Körper dicht umgab, und unter welcher man deutlich die Haare des Thieres beobachten konnte. Doch war man über die Bedeutung dieser Hülle durchaus nicht im Klaren. Der Eine betrachtete sie als ein zweites »Amnion«, der Anaere als veine für den Foetus eigenthümliche Haut«, der Dritte als veine eigene ausserepidermatische Schicht«. Es war nun Welcker, der nachwies, dass dieses Häutchen bei Bradypus, weiter nichts ist, als die »obere embryonale Schicht der Epidermis«, welche von den unter ihr liegenden emporwachsenden Haaren auf mechanische Weise von den unteren Zellenschichten abgehoben wird. Wegen der grossen Rolle, welche nun die Haare bei diesem Prozesse spielen, nannte er diese oberflächliche Zellschicht der Epidermis: 1 cp. 2. 232 Coenraad Kerbert: »Epitrichium«. Dieses Epitrichium bleibt bei Bradypus tri- dactylus bis zur Geburt bestehen, bei dem Schweine aber wird es schon während des embryonalen Lebens zerrissen, bildet aber vorher auch hier eine eigene Hülle. Ausser bei diesen zuletzt ge- nannten Thieren kommt noch ein wahres Epitrichium vor, bei Cho- loepus, Myrmecophago, Dicotyles und wahrscheinlich auch beim Pferde. Bei den Vögeln, wo ebenfalls die Epidermis im Anfang zwei- schichtig ist, kommt kein wahres Epitrichiuam vor, in dem Sinne, dass die oberflächliche Schicht der Epidermis eine zusammenhängende »Hülle« bildet, wie bei Bradypus u.s. w. Vielmehr wird bei den Vögeln, wie es auch bei einigen Säugethieren (bei dem Menschen z. B.) der Fall ist, diese obere Epidermisschicht theilweise und all- mählich abgestossen. Die sogenannte »Hornscheide«, welche um die Embryonaldune der Vögel noch bei dem Auskriechen aus dem Eie, eine vollständige Hülle bildet, ist weiter nichts, als die betreffende oberflächliche Epidermisschicht. Vielleicht auch betheiligt sich noch - eine wirkliche Schicht von Hornzellen an der Bildung dieser »Horn- scheide«. Ein anderes Verhältniss werden wir nur bei den Reptilien antreffen. Wohl bleibt auch hier, wie bei den Vögeln, die obere Epidermisschicht in ihrem vollen Zusammenhange während der ganzen Fötalzeit bestehen, aber sie verwächst fest mit der darunter liegenden Hornschicht und wird erst nach dem Auskriechen aus dem Eie mit einem Theile der letzteren Schicht bei der ersten Häutung vollständig abgeworfen. Es ist die Schicht, welche die sogenannten »Sculpturen« trägt (»Cuticula« Leydig und Cartier) und welche merkwürdigerweise vor jeder Häutung immer wieder neu gebil- det wird. Da nun bei allen Wirbelthieren die Epidermis im Anfang zwei- schichtig ist, und die oberflächliche Schicht vor oder nach der Geburt abgestossen wird, entweder stellenweise und allmählich, oder als eine zusammenhängende »Hülle«s, so habe ich vorgeschlagen, sie als »Epitrichialschicht« zu bezeichnen, weil sie vollständig homolog ist mit derjenigen Zellschicht, welche von Welcker »Epitrichium« genannt worden ist. Ich verstehe also unter »Epitrichialschicht« diejenige ober- flächliche embryonale Schicht der Epidermis, welche, entweder all- mählich und theilweise vor oder nach der Geburt des Thieres Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 233 verloren geht (Säugethiere, Vögel), oder welche mit der eigentlichen Hornschicht verwächst und in Zusammenhang mit dieser Hornschicht nach der Geburt bei der ersten Häutung abgeworfen wird (Reptilien und Amphibien). Leydig kommt in seinem neuesten Aufsatze ') »Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien«, der mir erst nach Abschluss dieser Arbeit zu Gesicht gekommen ist, auf die Frage, ob die äusser- sten Epidermiszellen bei den Reptilien eine »Cuticula« abscheiden, oder ob diese Zellen einfach »verhornen«, ausführlich zurück und beantwortet dieselbe im erstgenannten Sinne. Nach meinen Beob- achtungen aber geht eine Beantwortung im letzteren Sinne hervor, was ich nach dem Vorhergehenden kaum näher auseinander zu setzen brauche. Was Leydig uns in diesem interessanten Auf- satze über »verhornte Zellen« mittheilt, stimmt vollständig mit Allem überein, wasich an der äussersten Epidermis- oder Epitrichial- schicht bei den Reptilien wahrgenommen habe, und kann ich also nur unterschreiben, obschon Leydig für seine Person die Existenz solcher verhornter Zellen an der Oberfläche der Epidermis bei Rep- tilien verneint. Kehren wir jetzt zu der Betrachtung der Entwickelungsge- schichte der Schuppen zurück. Zeigt uns in dieser zweiten Entwickelungsperiode die Cutis noch keine Erhebungen oder Papillen, welche als erste Anlage der späteren Schuppen aufgefasst werden können, so begegnen wir diese doch im Anfang der folgenden Periode. Bei Embryonen, deren Kiemenöffnungen also schon voll- ständig geschlossen waren, und ungefähr eine Länge hatten von 67 mm., sieht man hinter dem Kopfe und zwar an den Seitentheilen des Halses die ersten Anlagen der späteren Schuppen auftreten. Sie zeigen sich als kleine Höckerchen, entstanden durch partielle Wucherung des unter der Epidermis liegenden Bindegewebes. Ein Querschnitt durch eine solche Erhebung oder Papille macht uns diese Verhältnisse klar (Fig. 20). Da wo sich diese Erhebung gebildet hat, sind die Bindegewebskörperchen stärker angehäuft als rings- herum, d. h. es entsteht eine Cutispapille, weiche anfängt sich von der übrigen Lederhaut !abzugrenzen. Die Epidermis ist im Allge- meinen noch beschaffen wie in der zweiten Periode, nur zeigen sich 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII. 1876. 234 Coenraad Kerbert: an den Erhebungen zwischen Epitrichial- und Schleimschicht einige runde Zellen, die durch Quertheilung der darunter liegenden cylin- drischen Zellen der Schleimschicht entstanden sind. Zu gleicher Zeit mit der Entstehung der Papille entsteht also auch die erste Anlage der »Hornschuppen« im engeren Sinne. Die Epitrichialschicht be- steht aus Zellen, die nicht mehr unregelmässige Contouren zeigen, wie in der früheren Periode, sondern mehr oder weniger polygonal erscheinen, eine Folge der stärkeren Vermehrung (Fig. 21). Betrachtet man diese Zellen bei starker Vergrösserung, so sieht man, dass kleine Er- bebungen auf ihnen entstanden sind, die an einigen Stellen noch in Gestalt von Pünktchen, an anderen Stellen aber die Form von feinen, hellen Leisten angenommen haben. Sehr deutlich sind diese Leisten zu sehen, wenn man das Präparat vorsichtig mit der Nadel zer- zupft; man sieht dann am Rande des Präparates die einzelnen Leisten hervortreten. An einigen Stellen dieser Zellschicht traten diese Leisten mehr auf in der Form von stark lichtbrechenden Stäbchen, die aber alle nach einer Richtung und vollkommen parallel neben einander verlaufen (Fig. 22). Diese letzte Form ist wohl eine mehr entwickelte von der, welche in Fig. 21 abgebildet ist. Zwischen den Pünktchen und Leisten sind noch überall deutliche Kerne wahr- zunehmen , die meisten noch immer mit zwei Kernkörperchen. Es kann nun, wie ich meine, keinem Zweifel unterliegen, dass wir in diesen Leistchen die erste Anlage zu sehen haben von den soge- nannten »Längsleisten«, die‘ wir beim erwachsenen Thiere an der Epitrichialschicht antreffen, und welche schon bei der Besprechung des Baues der Schuppen hervorgehoben worden sind. Während dieser Entwickelungsperiode wachsen nun die Br- hebungen oder Papillen immer gleichmässig in die Höhe weiter, so dass sie immer mehr Aehnlichkeit mit den Höckern bekommen, die wir bei den Geckotiden und bei Chamaeleon kennen ge- lernt haben (Fig. 3). Es ist klar, dass die Höcker bei diesen Thieren vollständig den Papillen entsprechen, die wir in der dritten Periode bei den Schlangen auf der Haut antreffen. Die Längsaxe der Papille resp. Schuppe steht in beiden Fällen senkrecht auf der allgemeinen Richtung der Haut, die Papille ist radiär-symmetrisch ge wachsen. Nirgends finden wir in der dritten Entwickelungsperiode Papilllen, die sich schon nach hinten umgebogen haben. Diese erste Anlage der Reptilienschuppe erinnet uns nun lebhaft an die erste Entstehung der Embryonaldunen der Vögel Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 235 und an die erste Anlage der Haare bei den Säugethieren. Die ersten Anlagen dieser für die höheren Wirbelthiere so typischen Gebilde sind im Anfang des Embryonallebens durchaus nicht von einander zu unterscheiden. Die erste Anlage von Schuppen, Federn und Haaren ist immer eine einfache Erhebung der Cutis — eine Papille. Die Arbeiten von Reclam!), Schrenk?), Stieda?°), Per- nitza®) und Studer?) haben uns dies genügend für die Vogel- feder bewiesen. Für die Haare war es Reissner®) und in neuerer Zeit Goette”), welche ebenfalls in schönen Untersuchungen darge- than haben, dass die erste Anlage des Haares nicht eine Einsenkung des Rete Malpighii in die Cutis sei, sondern wie bei den Schuppen und den Federn eine Erhebung der letzteren in die Epidermis, m. a. W. eine wahre Papille. Die Einsenkung der Federpapille in die Cutis, und ebenso die der Haarpapille, ist immer eine secundäre Erscheinung. Die genetische Verschiedenheit zwischen Federn und Haaren, welche noch immer von vielen Forschern, u. A. noch von Gegen- baur in seiner »Vergleichenden Anatomie« angenommen wird, ist daher nach den letzten Untersuchungen durchaus nicht mehr stich- haltig. Die erste Anlage des Haares ist ebensowenig »eine papillen- artige Epidermisverdickung« (Gegenbaur), als eine. Einsenkung der Epidermis in die Cutis. Schuppen, Federn und Haare sind homologe Gebilde. Während bei der Haarpapille bald dadurch eine Veränderung eintritt, dass sie durch die wuchernde Schleimschicht umwachsen und allmählich in die Tiefe gedrängt wird (G oette®°), ist dies bei der Schuppen- und Federpapille nicht der Fall. Beide Anlagen wachsen erst eine Zeit lang radiär-symmetrisch weiter und bilden auf diese Weise mehr oder weniger konische Zapfen. Aber dieses Wachs- 1) »De plumarum Evolutione«. Lipsiae 1846. 2) >De formatione plumae«. Mitau 1846. 3) »Bau u. Entw. der Feder«. Petersb. med. Zeitschr. Bd. XVII. 1869. 4) »Bau u. Entw. d. Erstlingsgefieders«. Sitzb. d. k. Ak. d. Wiss. Wien 1871. 5) »Die Entw. der Federn«. Bern 1873. 6) »Beitr. zur Kenntniss d. Haare des Menschen u. d. Säugethiere«. Breslau 1854. 7) »Zur Morphologie d. Haare«, Arch. f. mikr. Anat. Bd. IV. 1868. Byte. 93277. 236 Coenraad Kerbert: thum dauert bei der Schuppenpapille nur während der dritten Ent- wickelungsperiode. Am Ende dieser Periode hört dieses »radiär- symmetrische« Wachsthum auf, die Papille biegt sich etwas nach hinten um und wird mehr oder weniger abgeplattet. Jetzt wächst die Papille also bilateral-symmetrisch weiter. Bedingt durch dieses Wachsthum kann man natürlich alsbald eine obere und eine untere Fläche an der Schuppe unterscheiden. Dies ist also der wichtige Unterschied zwischen Schuppen- und Federpapillen. Bevor ich mit der Beschreibung der vierten und letzten Periode der Entwickelung anfange, möchte ich noch eine andere, sehr merk- würdige Thatsache hervorheben, und zwar in Betreff der Bauch- schienen bei den Schlangen. Diese Bauchschienen bestehen nämlich im Anfang aus zwei Hälften. Die Betrachtung von Fig. 23 macht uns diese Verhältnisse klar. Es ist die Abbildung eines Querschnittes von einem Embryo von 80 Mm. Länge. Wir sehen hier, dass die Anlagen der Schuppen am Rückentheile noch gar nicht vorhanden sind. Diese treten erst an den Seitentheilen hervor und werden von oben nach unten hin grösser und mehr entwickelt. Unten finden wir die stärksten Wuche- rungen der Cutis resp. der »Hautplatten«, und diese sind es, welche die späteren Bauchschienen bilden werden. Mit der Hineinwucherung der »Muskelplatten« in die ursprüngliche Bauchwand (»Membrana reuniens inferior« Rathke) nähern sich auch die Hautplatten mehr und mehr, und damit auch natürlich die beiden Hälften der zu- künftigen Bauchschiene. Am Ende der dritten Periode sind sie einander schon voll- ständig genähert, und im Anfang der folgenden Periode verwachsen sie. Am Schwanze verwachsen die beiden Hälften nicht miteinander, sondern greifen abwechselnd zwischen einander ein. Wir haben also hervorgehoben, dass, — obwohl im Anfang nicht von einander zu unterscheiden, — die Feder- und Schuppenpapille bald von einander in ihrem Wachsthum abweichen. Diese Differenz sehen wir schon auftreten am Ende der dritten Entwickelungsperiode, doch tritt dieselbe in der letzten Periode schon deutlicher hervor. Fig. 24 zeigt uns ein Stadium, wo die Papille anfängt sich nach hinten umzubiegen, und in Fig. 26 ist die wirkliche Schuppennatur schon nicht mehr zu verkennen und deutlich ausgeprägt. Wir haben hier dasselbe Stadium der Entwickelung vor uns, was zeitlebens bei den Lacertinae anwesend ist. (Fig. 6.) Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 237 Das Charakteristische aber für die letzte Entwickelungsperiode ist das Auftreten von Pigment in der Haut. Schon Rathke hat darauf hingewiesen, und das erste Auftreten des Pigmentes an den verschiedenen Körperstellen genau beschrieben. Seiner Beschreibung habe ich denn auch in dieser Beziehung nichts Neues hinzuzufügen. Rathke theilt mit, dass zuerst am Halse, zuletzt am Schwanze schwarze Flecken auftreten, weiche allmählich an Grösse zunehmen, und auf dem Rücken jederseits eine einfache Reihe bilden. Nach- her „nimmt die Färbung immer mehr überhand und wird der Fär- bung der erwachsenen Natter ähnlich‘. Diese Angaben Rathke’s kann ich nur bestätigen. Eine andere und, meiner Meinung nach, wichtigere Frage ist aber, an welchem Theile der Haut tritt diese Färbung zuerst auf, ist dies in der Epidermis oder in der Cutis? Nach Analogie dessen, was wir beim erwachsenen Thiere im Allgemeinen antreffen, wo wir das Pigment hauptsächlich und vorzugsweise im Bindegewebe vor- finden, könnte man vielleicht a priori erschliessen, dass dies auch beim Embryo der Fall sein müsste, aber mit Nichten! Querschnitte durch die Haut von Embryonen aus der vierten Periode belehren uns auf überzeugende Weise, dass das Pigment nicht zuerst in der Cutis, sondern in der Epidermis auftritt, wie dies denn auch in Fig. 24 und Fig. 26 dargestellt ist. Und zwar tritt die Färbung in der Epidermis in Form von verzweigten Pigmentzellen auf. Die Erscheinung, dass verzweigte Pigmentzellen in der Epidermis vorkommen, ist keine so sehr seltene. Machte doch schon Leydig!) auf ihr Vorkommen aufmerksam in der Epidermis einiger Fische und Reptilien. (Rana, Menopoma, Lacerta.) Auch H. Müller?) nahm diese Zellen in der Epidermis von Acipenser und Anguilla wahr. F. E. Schulze vermeldet ihre Anwesenheit in der Oberhaut der Fische und der Amphibienlarven?). Obwohl bereits die genannten Forscher die Aehnlichkeit dieser verzweigten Pigmentzellen mit den wandernden Bindegewebszellen ausgesprochen haben, wär man doch eigentlich bis jetzt über die Herkunft dieser Zellen noch vollkommen in Ungewissheit. Ich werde daher versuchen, dasjenige, was ich in dieser Beziehung gesehen habe, genau und eingehend mitzutheilen. 1) »Histologie« p. 97. 2) Würzb. Verh. Bd. X. p. 23. Würzb. naturw. Zeitsch. Bd. I. p. 164. 3) »Ueber Epithel- und Drüsenzellen.« Arch. f. mikr. Anat. Bd. III. 1867° 238 CGoenraad Kerbert: Im Anfang der zweiten Periode sind die Pigmentzellen in der Epidermis noch nicht sehr zahlreich (Fig. 24), und da wo sie vor- kommen, verhältnissmässig wenig pigmenthaltig.. An einzelnen Stellen sah ich zwar die verzweigten Zellen sehr deutlich hervor- treten, aber das Pigment war nur auf den Rand der Zellen be- schränkt, und in den Ausläufern wenig vorhanden. Ausser diesen verzweigten, fast pigmentlosen Zellen sah ich aber in der Epidermis, und zwar meistens in den unteren Schichten dicht an der Cutis, noch andere, mehr oder weniger glänzende aber runde oder ovale Zellen, die mit einer stark lichtbrechenden Flüssigkeit gefüllt waren und meistens keinen Kern wahrnehmen liessen. Dieselben runden oder ovalen Zellen sah ich an anderen Stellen deutlich mit Pigment gefüllt (Fig. 25). Sowohl die noch pigmentlosen als die Pigment enthaltenden Zellen waren meist von verschiedenem Durchmesser und dieser wechselte von 0,006—0,012 mm. Eine Erscheinung aber war es, die mir sofort auffiel, nämlich dass direct unter der Epidermis in der Cutis ganz ähnliche runde oder ovale glänzende Zellen vorhanden waren, wie ich in der Epidermis gesehen hatte. Einige dieser zeigten ganz deutlich einen wandständigen Kern (Fig. 26 ine) und hatten Aehnlichkeit mit gefüllten Fettzellen. In grösserer Anzahl traten diese Zellen auf in einem späteren Ent- wickelungsstadinum (Fig. 26), wo auch die Pigmentzellen in der Epidermis stark in Anzahl zugenommen hatten. Auffallender Weise waren die meisten dieser runden glänzenden Cutiszellen an der Spitze der Schuppe angehäuft, wo das Wachsthum des Bindegewebes auch am stärksten erscheint. Hier an der Spitze sah ich nun ganz deut- lich, wie diese hellen runden Zellen zu einer Hälfte in der Epidermis, zur anderen in der Cutis sich befanden. Aehnlich verhielten sich einige pigmenthaltende Zellen, die mit ihrem Körper noch in der Cutis steckten, während die Ausläufer schon in die Epidermis hin- eingedrungen waren. Ueber die Herkunft der verzweigten Pigmentzellen in der Epidermis kann jetzt, wie ich meine, kein Zweifel mehr obwalten. Wir haben es in ihnen mit wandernden Bindegewebs- zellen zu thun, welche in die Epidermis eindringen, sich hier ver- zweigen und Pigmentkörnchen bilden. Sieht man doch dieselben hellen, glänzenden Zellen sowohl in der Cutis als in der Epidermis, und daneben Zellen, die zu einer Hälfte in der Cutis, zur anderen im Rete Malpighi stecken. Uebrigens muss ich bemerken, dass Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 239 die meisten verästelten Pigmentzellen in der unteren Schicht des Rete Malpighii sich befinden, im Gegensatz .zu dem Verhalten der Fische, wo nach H. Müller und F.E. Schulze diese Pigment- zellen die „aus cylinderförmigen Zellen bestehende Epidermisschicht stets frei lassen“. Eigenthümlich ist die Erscheinung, dass bei dem ausgewachsenen Thiere von diesen Pigmentzellen in der Epidermis keine mehr zu sehen ist, sondern dass sie hier alle in die Cutis hinuntergerückt sind. Nur bei den ausgewachsenen Lacertinen werden sie dann und wann noch in der Epidermis angetroffen, bei Thieren, deren Schuppen, wie schon betont, im ausgewachsenen Zustande vielfach mit dem eben besprochenen Entwickelungsstadium der Ophidier eine sehr auffallende Uebereinstimmung zeigen. Dass die verästelten Pigmentzellen in der Epidermis auch Be- wegungserscheinungen zeigen, ist schon von H. Müller!) beobachtet worden. Die gleiche Erscheinung kehrt nach den schönen Unter- suchungen von Brücke?) an den Pigmentzellen des Bindegewebes wieder, sodass nun auch hierdurch die volle Uebereinstimmung zwischen beiderlei Gebilden sich ausspricht. Das Einwandern von Zellen aus der Cutis in die Epidermis steht durchaus nicht einzeln da. Beobachtete doch schon Biesia- decki glänzende, sich intensiv in Karmin färbende Zellen in der Epidermis des Menschen, von welchen er ebenfalls einige „zur Hälfte zwischen den Zellen der Schleimschicht, zur anderen dagegen noch im Corium“ auftreten sah. Auch sollen in pathologischen Zuständen (spitzen Condylomen, Eczemen) diese Wanderzellen in der Epidermis nicht selten sein. Die Pigmentzellen sind entweder rund, oval oder vielfach baum- förmig verzweigt. In dem letzteren Falle sind die Aeste meistens nach der Oberfläche der Epidermis zugekehrt. Worin die physiologische Bedeutung dieser verzweigten Pig- mentzellen besteht, bei Embryonen, die noch nicht aus dem Eie ausgekrochen sind, dürfte schwer zu bestimmen sein, zumal das spätere Verschwinden aus der Epidermis die Sache noch complicirter macht. Es wäre vielleicht nicht so unmöglich, dass wir es hier mit einer Vererbungserscheinung zu thun haben. 1) Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. I. p. 164. 2) »Untersuchungen über den Farbenwechsel des Afrikanischen Chamae- leons.«e Wien 1852. 240 Coenraad Kerbert: Dieselben verästelten Pigmentzellen sah ich auch in der Epi- dermis eines Hühnchen-Embryo von 15 Tagen. Doch ich komme hierauf noch später zurück. Die Epitrichialschicht ist bis in der Mitte der vierten Periode auf Querschnitten noch sehr deutlich zu erkennen. (Fig. 24 und 25e.) Bei der Flächenansicht sah ich die Zellen an einigen Stellen sehr zusammengedrängt, mit schönen Kernen in der Mitte. (Fig. 27.) Diese Zellen erinnern in ihrer Form schon lebhaft an jene, die wir in der ausgewachsenen Epitrichialschicht haben kennen gelernt (Fig. 11 u. 12e), wie es denn überhaupt nicht mehr zweifelhaft sein kann, dass jene Zellen aus der eben besprochenen, nach Verlust ihrer Kerne, hervorgehen. Unter der Epitrichialschicht finden wir hier eine andere Schicht von merkwürdigen Zellen (Fig. 24 u. 26k), die wir auf einem späteren Entwickelungsstadium ebenfalls schon, bei Beschreibung der Epidermis des ausgewachsenen Thieres besprochen haben. Es ist dies die so- genannte „Körnerschicht“, welche beim ausgewachsenen Thiere unter dem Stratum lucidum gelegen ist (Fig. 17k). Dass diese Schicht also nicht jünger sein kann als die anderen Epidermiszellen, geht hier entschieden aus ihrer Entwickelung hervor. Es sind dieselben runden Zellen, die wir in Fig. 20 zwischen Epitrichial- und Schleimschicht haben auftreten sehen. Nur insofern besteht noch zwischen beiden ein Unterschied, als diese Zellen durch das spätere Nachschieben abgeplattet werden und direct gegen die Epitrichialschicht an- drängen, sodass sie sich hier regelmässig in einer Schicht anordnen. Ich habe schon bei Besprechung der ausgewachsenen Epidermis da- rauf hingewiesen, dass diese „Körnerschicht“ wahrscheinlich dieselbe sei, welche von Cartier als „innere Cylinderzellenlage“ oder „innere Häutungszellenlage“ bezeichnet wird und nach diesem Autor die Cuticula an der Oberfläche der Schuppe abscheidet. Da die Cuticula nach Leydig und Cartier diejenige Schicht ist, die ich Epitri- chialschicht nenne, eine Schicht, welche, wie wir gesehen haben, viel früher entsteht als die unter ihr liegende „Körnerschicht‘“, so versteht es sich von selbst, dass die Cartier’sche Anschauung nicht stichhaltig sein kann. Wir werden auch unten noch sehen, dass der Häutungsvorgang bei den Reptilien auf denselben Principien beruht, wie die allererste Entstehung der Epidermis. FEbensowenig wie die erste Epitrichialschicht ein Ausscheidungsproduct oder eine Cuticula vorstellt, ebensowenig ist dies der Fall mit der bei der Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 241 ersten Häutung auftretenden zweiten Epitrichialschicht, und später mit der dritten, vierten u. s. w. Die unter der „Körnerschicht‘“ liegenden Zellen sind mehr oder weniger abgeplattet, und gehen durch einige runde Zellen in die Cylinderzellen des Rete Malpighii über. Bei der fortschreitenden Entwickelung verlieren endlich die Zellen der Epitrichialschicht auf der freien Schuppenfläche ihre Kerne, die unter ihr liegenden Zellen- schichten platten sich immer mehr ab und unterliegen allmählich dem Verhornungsprozesse. (Fig. 28.) In Betreff der Cutis ist noch folgendes zu bemerken. Anallen Präparaten aus der vierten Entwickelungsperiode sah ich die so- genannte ‚‚Hauptmasse‘‘ und die „Grenzschichten“ (Leydig) schon überall in ihren ersten Anlagen angedeutet. Unter dem Papillar- körper, welcher aus lockerem Bindegewebe besteht, bildet sich ein deutlicher Strang von derbern Bindegewebsfasern, welcher von hinten nach vorn hinläuft (Fig. 26H.). Dieser Strang ist die Anlage der „Haupt- oder Grundmasse“. Ungefähr in der Mitte der Schuppe gibt dieser Strang einen Seitenstrang ab (Fig. 26 S), welcher direct nach der Spitze der Schuppe verläuft und durch sein Wachsthum in dieser Richtung wohl die Ursache sein mag, dass sich die Papille nach hinten umbiegt und jetzt bilateral symmetrisch wird. Die Papille plattet sich nun immer mehr ab, sodass man die obere und untere Fläche von jetzt an deutlich unterscheidet. Beim Auskriechen aus dem Eie ist die Schuppe schon voll- ständig ausgebildet und hat schon genau dieselbe Beschaffenheit, welche wir früher bei den ausgewachsenen Thieren kennen gelernt haben. (Fig. 28.) Es ist nun interessant, bei dem aus dem Eie gekrochenen Thiere die Struktur der Epidermis näher kennen zu lernen, da uns dieselbe über die Vorgänge des Häutungsprozesses voraus- sichtlich den besten Aufschluss gibt. Fig. 29 zeigt uns die Abbildung eines Querschnittes der Epidermis. Zu oberst haben wir die Horn- schicht (h) mit der Epitrichialschicht (e); die letztere kenntlich an ihrem gezähnelten Aussehen. Die Zähne oder Erhebungen ergeben sich als die Durchschnitte der „Längsleisten“. Unter der Hornschicht nun, welche bei der ersten Häutung abgeworfen werden soll, wird schon jetzt wieder die neue Hornschicht gebildet, und zwar ganz genau auf dieselbe Weise, wie überhaupt die Epidermis, oder besser die erste Hornschicht, entstanden ist. Wir sehen, direet unter der 242 Coenraad Kerbert: Hornschicht, zu oberst die neue Epitrichialschicht (e‘), unter dieser die neue „Körnerschicht“ (k) und endlich die Zellen des Rete Mal- pighii, welche hier schon wieder ein paar kleinere, runde Zellen ge- bildet haben. Es hält übrigens schwer, sich von der wirklichen Anwesenheit der neuen Epitrichialschicht zu überzeugen, da die Zellen in Folge des Druckes, der von der Hornschicht und den darunter liegenden Zellen darauf ausgeübt wird, sehr abgeplattet sind. Hebt man aber von einigen Schuppen vorsichtig die Horn- schicht ab, was leicht geschehen kann, und macht dann durch diese hornschichtlose Schuppen Querschnitte, so passirt es mitunter, dass sich die neue Epitrichialschicht loslöst und sich flach ausbreitet. Man sieht dann, bei Anwendung der Tinktionsmethoden, ganz deut- lich die Kerne. Die Schnitte dürfen aber für diesen Zweck selbst- verständlich nicht zu dünn gemacht werden. Mit Anwendung des- selben Verfahrens erhielt ich die gleichen Resultate bei Untersuchung der Epidermis eines eben geborenen Exemplares von Anguis fragilis. (Fig. 30.) Auch bei ausgewachsenen Individuen von Tropidonotus, Vipera, Anguis, Pseudopus und Lacerta sah ich nirgends eine Cuticula, sondern immer eine deutliche Zellenschicht mit Kernen zwischen alter und neuer Hornschicht. Vergleicht man die Epidermis von Pseudopus (Fig. 16 u. 17) bei Exemplaren, welche in der Häutung begriffen sind, mit der von ausgewachsenen Embryonen (Fig. 29 u. 30), so geht deutlich hervor, dass bei der Häutung die- selben Vorgänge wiederkehren, welche bei der ersten Entstehung der Epidermis ins Spiel kommen. Bildung der Epitrichialschicht war der erste Vorgang bei der Entstehung der Epidermis, Bildung der Fpitrichialschicht ist auch wieder der erste Vorgang bei der Ent- stehung der neuen Hornschicht. Zwischen Epitrichial- und Schleim- schicht entstehen dann in beiden Fällen noch andere Zellen, die sich abplatten, verhornen und endlich die Hornschicht zusammen- setzen, welche bestimmt ist, abgeworfen zu werden. Die Bildung der neuen Hornschichten ist bei den Reptilien eine Wiederholung der Epidermisbildung beim Embryo. Auf diese Weise werden die Vorgänge der Häutung auf einen viel einfacheren Prozess zurückgebracht, als jener ist, welcher von Gartier ange- nommen wurde. Wenn es wirklich richtig wäre, dass die äusseren Bedeckungen der Reptilien mit einer Cuticula überdeckt sind, ‘dann müsste auch diese Cuticula schon bei Embryonen gebildet werden, Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 243 und dies ist bestimmt nicht der Fall. Wie in der vergleichenden Anatomie so ist es auch in der vergleichenden Histologie, die Ent- wickelungsgeschichte gibt uns in den meisten Fällen erst den Schlüssel zu dem richtigen Verständniss, der, dem ersten Anscheine nach, schwer zu verstehenden Erscheinungen. Vielleicht auch, dass die noch unaufgeklärte Thatsache in der Epidermis des Menschen, wo eine scharfe Grenze besteht zwischen Hornschicht und Schleimschicht, auf ähnlichen Vorgängen beruht, wie die sind, welche wir bei der Entstehung und dem Bau der Epidermis bei Reptilien kennen gelernt haben. Meiner Meinung nach wäre es nicht so unwahrscheinlich, dass beim Menschen und überhaupt bei den Säugethieren, in einer gewissen Periode der Ent- wickelung unter der Epidermis eine neue gebildet wird, wie bei den Reptilien nach der Geburt. Ich muss aber zugeben, dass, je schärfer die Grenze zwischen Horn- und Schleimschicht sich ausprägt, desto schwieriger die Regeneration der Hornschicht zu erklären wird. Jedenfalls wären vergleichende Untersuchungen, und überhaupt embryologische Nachforschungen in dieser Hinsicht sehr wünschens- werth. Gern hätte ich hier noch etwas hinzugefügt über die Ent- stehung der Schuppen und die Entwickelung der Hautknochen bei Anguis fragilis, worüber ich ebenfalls einige Untersuchungen angestellt habe. Doch fehlten mir zur Zeit noch mehrere Zwischen- stadien, so dass ich es vorziehe, die Veröffentlichung meiner Beob- achtungen auf eine spätere Gelegenheit zu verschieben. Entwickelung der Schuppen am Laufe des Hühnchens. Dass die Schuppen, Schilder oder Schienen am Laufe und an den Zehen der Vögel homolog seien mit den Schuppen der Rep- tilien, war a priori zu erwarten. Es kam mir aber interessant vor, auch diese Gebilde in Betreff ihrer Entwickelungsgeschichte in Betracht zu ziehen, um so mehr, weil mir damals noch keine Schlangen- embryonen zur Untersuchung vorlagen. Folgende Untersuchungen sind sämmtlich an Hühnerembryonen angestellt, die durch künstliche Bebrütung gewonnen wurden. Während die ersten Anlagen der Embryonaldunen am Schwanze schon am fünften bis sechsten Tage auftreten, sich am achten Tage auch auf dem Rücken und bis zum elften Tage über den ganzen 244 Coenraad Kerbert: Körper verbreiten, entstehen die Papillen, welche die ersten Anlagen der zukünftigen Schuppen am Laufe bilden sollen, überhaupt erst am elften Tage. Vor dieser Zeit zeigt die Epidermis noch eine sehr einfache Beschaffenheit. Am siebenten Tage der Entwickelung finden wir, gerade wie wir das an der zweiten Entwickelungsperiode der Natter gesehen haben, die Epidermis ebenfalls zweischichtig (Fig. 31). Zu oberst sehen wir wieder eine Schicht von abgeplatteten polygo- nalen Zellen, die Epitrichialschicht (e), zu unterst eine einfache Schicht von runden Zellen, die Schleimschicht (s). Am neunten Tage haben sich zwischen diesen beiden Zellenschichten einige runde Zellen gebildet, die durch Theilung aus den unteren Zellen hervor- gegangen sein müssen. Wir sehen hier also ganz genau denselben Vorgang Statt finden, welchen wir bei der Bildung der Epidermis der Natter zu beobachten Gelegenheit hatten. Die obere Zellenschicht ist auch hier ebensowenig »Hornschicht« (Stricker, Kölliker u.a.) wie dort, sie betheiligt sich an der Bildung des späteren Stratum Corneum durchaus nicht. Wie wir auch‘hier wieder sehen werden entsteht die wirkliche Hornschicht, wie alle Zellen der Epidermis, aus der unteren Zellenlage, der ursprünglichen Schleimschicht im engeren Sinne (Ss). Hat sich bis jetzt die Cutis vollständig indifferent verhalten, so sehen wir am elften Tage die ersten Erhebungen derselben auf- treten, die ersten Anlagen der künftigen Schuppen (Fig. 33). Auch die Epidermis betheiligt sich lebhaft an diesem Vorgange. Während sie nämlich zwischen diesen Erhebungen oder Papillen überall noch aus den oben beschriebenen drei einfachen Zellenschichten besteht, sehen wir dagegen an denjenigen Partien, welche die Papillen be- decken, eine lebhafte Zellenvermehrung. Wir finden in Folge dessen zwischen Epitrichial- und Schleimschicht schon vier bis fünf Zellen- lagen (Fig. 34). In der Epitrichialschicht ersieht man überall noch deutliche Kerne. Die Zellen der Schleimschicht, die vorhin rund oder oval waren, erscheinen deutlich eylinderartig. Die durch Wuche- rung der Cutis entstandene Papille wächst nun noch eine Zeit lang radiär-symmetrisch weiter, so dass sie von der Anlage der Embryonaldune gar nicht zu unterscheiden ist. Bald aber tritt eine Veränderung ein. Schon am 13. Bebrütungstage nämlich zeigt die Papille eine Neigung sich nach hinten umzubiegen (Fig. 35), wie das auch bei Betrachtung von Fig. 36 hervortritt. Die Figur zeigt uns einen Längsdurchschnitt durch die Haut, gerade an der Uebergangs- Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 245 stelle zwischen Lauf und Unterschenkel. Wir sehen, dass sich hier am Unterschenkel die Papille F verschieden zeigt von den beiden links von ihr gelegenen. Sie ist, stark in die Länge gewachsen, radiär-symmetrisch, die Anlage einer Embryonalfeder. Die anderen Papillen links von ihr sind Schuppenpapillen, deren Entwicke- lung am Laufe von oben nach unten fortschreitet. Die zwei der Federpapille am nächsten liegenden zeigen schon deutlich eine Ver- änderung in ihren Wachsthumsverhältnissen; sie haben sich etwas nach hinten zu umgebogen und wachsen jetzt in dieser Richtung bilateral-symmetrisch weiter, während die übrigen Papillen alle noch vorläufig radiär-symmetrisch wachsen. Am 15. Tage der Bebrütung tritt das bilaterial-symmetrische Wachsthum der Schuppenpapille schon sehr deutlich hervor (Fig. 37). Um diese Zeit macht sich auch zum ersten Male die Differenzirung zwischen oberer und unterer Schuppenfläche bemerklich. Die Epidermis zeigt während dieser Entwickelungsperiode weiter viele Eigenthümlichkeiten, die uns lebhaft an gewisse Ver- hältnisse im Anfang der vierten Periode bei der Schuppenentwicke- lung der Natter erinnern. (Fig. 24.) Wie sich hier unter der Epi- trichialschicht eine eigenthümliche Zellenschicht (k) zu bilden anfängt, welche sich allmählich abplattet uud sich während des ganzen Em- bryonallebens durch ihren grobkörnigen Inhalt kennzeichnet, ebenso hier an den Schuppen am Laufe des Hühnchens. Direct unter der Epitrichialschicht (Fig. 38 u. 39e) gruppiren sich die Zellen dicht an einander. Sie werden grobkörnig und fangen an sich scharf gegen die anderen Zellenschichten abzugrenzen (k). Wir wollen dess- halb auch diese Schicht als »Körnerschicht« bezeichnen. Eine zweite interessante Erscheinung ist das Auftreten von verzweigten Pigmentzellen in der Epidermis. Auch hier sind es wieder aus der Cutis eingewanderte Zellen, die Pigment ge- bildet haben. Es besteht aber ein gewisser Unterschied gegenüber jenem Verhalten, was wir bei den Schlangenembryonen gesehen haben. Während bei den Natterembryonen die hellen Bindegewebszellen, die ich auch beim Hühnchen gesehen habe, erst in die Epidermis einwandern, sich hier verzweigen und im Innern des Protoplasma Pigment ausscheiden, bilden die betreffenden Bindegewebszellen bei den Hühnchenembryonen schon Pigment, während sie sich noch im Bindegewebe befinden. Die Folge davon ist, dass man bei den Hühnerembryonen, viel öfter als bei den Schlangenembryonen, in der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 16 246 Coenraad Kerbert: Lage ist zu beobachten, wie die mit Pigment gefüllten Zellen zu einer Hälfte noch in der Cutis sich befinden, während ihre baum- förmig verzweigten Ausläufer schon alle in die Epidermis einge- drungen sind. (Fig. 38.) Auch hier befinden sich die kernhaltigen Stellen der Pigmentzellen meist alle in den- unteren Schichten der Epidermis, während sich-die Ausläufer weit hinauf begeben, ohne jedoch jemals in die sogenannte »Körnerschicht« zu dringen. An dieser Schicht biegen sich die Ausläufer meistens plötzlich um, und machen auf diese Weise die Grenze zwischen der »Körnerschicht« und den darunter liegenden Zellenschichten nech schärfer. Das Vorkommen dieser verzweigten Pigmentzellen in der Epi- dermis von Hühnchenembryonen, ist um so auffallender, als die Zellen im Laufe der Entwickelung wieder vollständig verschwinden, sodass man bei Embryonen von 23 Tagen keine Spur von ihnen, selbst nicht im Bindegewebe, mehr wahrnimmt. Am 13. Bebrütungstage sieht man noch einige wenige Ueberreste der Pigmentzellen in der Epidermis. (Fig. 41.) Uebrigens stimmt die Schuppe am 18. Tage (Fig. 40) wieder in vieler Beziehung mit derjenigen überein, welche bei der Natter in der vierten Entwickelungsperiode vorkommt. (Fig. 26.) Die Epitrichialschicht, welche am 15. Tage (Fig. 39) aus schönen, polygonalen Zellen von 0,026—0,03 Mm. ınit deutlichen Kernen zusammengesetzt war, zeigt am 18. Tage wohl noch eine ähnliche Beschaffenheit der Zellen, doch fangen schon in einigen die Kerne zu verschwinden an. Eine ganz merkwürdige Gestalt hat hier die »Körnerschicht« angenommen. Waren die Zellen dieser Schicht am 15. Tage noch von geringem Breitedurchmesser, sodass die Kerne dicht neben einander standen, so haben sich hier diese Zellen beträchtlich verbreitert und eine polygonale Gestalt ange- nommen (Fig. 42k). Diese einfache Schicht ist 0,008 Mm. dick. Auffallend ist ihr grobkörniger Inhalt; man findet in ihr Körner, die allerlei Form annehmen können. Meist aber sind sie stäbchen- förmig, und stehen dann mit ihrer Längsachse senkrecht gegen die Oberfläche der Epidermis. (Fig. 41k.) Es ist mir nicht gelungen über die chemische Beschaffenheit dieser Stäbchen Auskunft zu bekommen. Während es vielleicht zu vermuthen wäre, dass wir es hier mit einer Fettsubstanz zu thun haben, wie dies Leydig für die betreffende Schicht von Anguis fragilis annimmt, so zeigen sich auch hier beim Hühnchen diese Stäb- chen und Körner gegen die gewöhnlich auf Fett gebräuchlichen Reagentien vollkommen indifferent. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 247 Unter der »Körnerschicht« liegt noch eine zweite Zellenlage, die sich mehr oder weniger scharf gegen die Zellenschichten abgrenzt (Fig. 41 u. 42r). Die Zellen derselben sind sehr fein granulirt, zeigen deutliche Kerne, meistens mit zwei Kernkörperchen, und greifen mit sehr feinen Zähnchen in einander ein. Riffzellen, im wahren Sinne des Wortes sind es eigentlich nicht, weil die Stacheln sehr kurz sind. Bemerkenswerth ist noch die Thatsache, dass die letztgenannte Schicht mit der über ihr liegenden »Körnerschicht« verwächst, wobei sie beide ihre Struetur mehr oder weniger verlieren. Am 23. Tage fangen sie an sich in Zusammenhang mit der Epitrichialschicht von den unteren Zellenschichten abzulösen (Fig. 43k). Da ich beim ausgewachsenen Thiere diese Zellenschichten nirgends mehr vorfand, so schliesse ich daraus, dass sie nach dem Auskriechen aus dem Eie abgestossen werden. Wahrscheinlich findet dies zu gleicher Zeit mit dem Abwerfen der sogenannten »Hornscheide« der Embryonal- dunen statt. Am 23. Tage ist die Schuppennatur durchaus nicht mehr zu verkennen. Der Unterschied zwischen oberer und unterer Fläche tritt ausgeprägt hervor (Fig. 43). Die Zellen, die unter den abfal- lenden Zellenschichten liegen, sind ebenfalls verhornt und verlieren allmählich ihre Kerne (h). Diese Hornschicht grenzt sich auch hier wieder scharf gegen die Schleimschicht ab, obwohl ich die eigen- thümlichen körnerhaltigen Zellen, die bei den Reptilien unter der Hornschicht gefunden werden (Fig. 17k) und auch beim Menschen vorkommen (Lan gerhans), hier nicht gesehen habe. Tritt also die wahre Schuppennatur aın 23. Tage ausgeprägt hervor, so ist dies beim ausgewachsenen Huhne doch insofern wieder anders, als unsere Gebilde hier mehr die Gestalt von Schildern als von Schuppen besitzen. (Fig. 44.) Die Papille hat merklich an Länge ab- und an Höhe zugenommen, was wohl durch Wachsthumsprozesse des Bindegewebes in der Richtung des Pfeiles entstanden sein mag (Fig. 43). Wie schon bemerkt, fehlen beim ausgewachsenen Huhne den Schuppen des Laufes Epitrichial- und Körnerschicht, was als ein Unterschied, wenn auch untergeoridneter, von den Schuppen der Reptilien aufgefasst werden kann. Auch kommt an den Schuppen und Schildern des Laufes keine Häutung vor, wie das bekanntlich an den Reptilienschuppen der Fall ist. Eine eigenthümliche Struetur zeigt die Epidermis beim aus- 248 Coenraad Kerbert: gewachsenen Huhne am Laufe. Betrachtet man nämlich dieselbe bei ge- ringer Vergrösserung (180:1), so sieht man in den unteren Schichten eine feine Streifung (Fig. 44s). Im Anfang kommt man auf die Vermuthung, dass die unteren Zellen der Schleimschicht dicht neben- einander gelagert sind und nach oben hin feine Ausläufer zeigen, wie das auch wohl bei anderen Thieren in der Epidermis vorkommen soll. Eine stärkere Vergrösserung des Objectes lehrt uns aber anders (Fig. 45). Wir bemerken dann, dass zwar die unteren Zellen der Schleimschicht deutlich spindelförmig sind, und dicht neben- einander stehen, dass aber zwischen diesen Zellen sich noch Aus- läufer der Cutis befinden, in Form von sehr feinen Papillen, die mehr oder weniger senkrecht in die Höhe steigen. Sehr deutlich treten diese feinen Papillen hervor, wenn man das Präparat wäh- rend einiger Zeit in schwacher Kalilösung macerirt und nachher auf einem Objectträger abpinselt. Die Papillen sind dann nicht mehr zu verkennen. Man findet sie von verschiedener Länge, von 0,008—0,024 Mm. Dieselben Gebilde sah ich auch an den Schildern _ am Laufe eines ausgewachsenen Meleagris gallopavo. Ihre Länge war hier von 0,012—0,04 Mm. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Ausläufer der Cutis durch Vergrösserung der Oberfläche des Papillarkörpers, dazu beitragen, die Ernährung der Hornschuppen zu erleichtern. Zum Schluss dieses Abschnittes noch Einiges über die homogene (renzschicht (Basement membrane der englischen Autoren), welche nach den meisten Forschern die Cutis nach Aussen begrenzen soll. Nachdem Debove in seinem »Memoire sous la couche endothe&liale sous-£pitheliale des Membranes muqueuses«!) nachgewiesen hat, dass die ‚glasartige subepitheliale Schicht der Schleimhäute weiter nichts als em Endothelhäutchen darstellt, welches nach ihm jedes Binde- gewebe überhaupt nach Aussen begrenzen soll, habe ich der soge- nannten homogenen subepidermoidalen Grenzschicht bei meinen Un- tersuchungen eine genauere Aufmerksamkeit gewidmet. Ich muss auch gestehen, dass mir das Vorhandensein einer solchen „homogenen“ Grenzschicht zwischen Epidermis und Cutis jetzt sehr zweifelhaft geworden ist. Niemals habe ich nämlich unter der Epidermis der Vögel und Reptilien eine solche »homogene« Grenz- 1) Arch. de Phys. normale et pathologique. Deux. Serie. Tome premier Six@ annde 1874. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 249 schicht deutlich wahrgenommen, wohl aber, nach vollkommener Fär- bung der Präparate, direct unter dem Rete Malpighii eine Reihe stark abpeplatteter, an der Epidermis parällal verlaufender Kerne, welche man in Analogie mit demjenigen was Debove bei den Schleimhäuten vor- gefunden hat, als Kerne von Endothelzellen ansehen kann. Dieselbe Er- scheinung sah ich an einem Präparate der menschlichen Haut, welches Herr Privatdocent Dr. Flechsig auf dem physiologischen Laborato- rium mir zu zeigen die Güte hatte. Nur ist es mir nicht gelungen, dieses Endothel an den papillären Ausläufern der Cutis, die ich am Laufe des Hühnchens erwähnt habe, zu verfolgen. An anderen Hautstellen des Hühnchens und auch beim Pinguin treten die betreffenden Kerne direet unter der Epidermis sehr evident hervor. Beobachtung von der Fläche und Behandlung mit Silberlösung (1:300) blieben aber vollständig resultatlos, hauptsächlich weil es sehr schwierig ist die Epidermis vollkommen von der Cutis zn entfernen. Noch schwie- riger wird dieses Verfahren bei den Reptilien, wo zwar die Epi- dermis sich mehr oder weniger entfernen lässt, die grosse Menge von Pigmentzellen an der Oberfläche der Cutis aber jeder eingehen- deren Untersuchung auf Endothel im Wege steht. Erwähnen muss ich aber, dass schon CGzerny!) in der sogenannten homogenen Grenzschicht nach Behandlung mit Silberlösung einzelne Felder, welche auf das Vorhandensein von Endothelien hindeuten können, erkannt hat. Jedenfalls würden auch hier Untersuchungen Anderer am Platze sein. Haut von Dasypus. Mit der Untersuchung der Knochenschuppen bei einigen Rep- tilien beschäftigt, erschien es mir wünschenswerth, die verwandten Gebilde anderer Wirbelthierclassen gleichfalls kennen zu lernen. Die Hautknochen der Fische, die sehr allgemein verbreitet sind, erfordern, wie ich mich bald überzeugte, eingehendere Untersuchun- gen, als ich zur Zeit darauf verwenden konnte. Um so freudiger ergriff ich die von Herrn Prof. Leuckart mir dargebotene Gele- genheit, die Hautknochen des Dasypus novemeinctus an zwei Embryonen zu untersuchen. Die früheren Autoren, die sich mit dem Bau von Dasypus beschäftigt haben, beschränken sich im grossen Ganzen, was die 1) Handb. d. Lehre v. d. Geweben d. Menschen u. d. Thiere. Leipzig, Engelmann, 1870. (Haut, Haare u. Nägel, p. 586.) 250 Coenraad Kerbert: Haut betrifft, auf äussere Beschreibungen. Wilhelm von Rapp!) ist wohl der erste gewesen, der etwas mehr in’s Einzelne geht. Er nennt namentlich das Vorkommen von Hautknochen in dem Panzer, giebt aber sonst nur eine ziemlich oberflächliche Beschreibung. Ge- nauer sind die Untersuchungen von Hermann Meyer?), während die übrigen Arbeiten, besonders von Ant. Alessandrini®), kaum Eigenes geben und sich hauptsächlich auf die Arbeiten von von Rapp stützen. Da ich, wie gesagt, nur an Embryonen untersucht habe, ist es vielleicht nothwendig, eine kurze Beschreibung der Haut eines ausgewachsenen Thieres vorhergehen zu lassen. An der Haut von Dasypus novemeinctus Linn. (Das. Peba. Desm.) kann man, wie bei allen Gürtelthieren, einen Unter: schied machen zwischen dem eigentlichen Panzer und den Gürteln. Der Panzer besteht aus verknöcherten Erhebungen der Cutis, welche von einer stark verhornten Epidermis, die nach hinten zu schup- penartig erscheint (»Hornschuppe«) bedeckt ist. Zwischen diesen grösseren oder »Hauptschuppen« treten kleinere Schuppen auf, deren Bindegewebe ebenfalls Knochen enthält und welche man mit Herm. Meyer als »Furchenschuppen« bezeichnen kann. Die Gürtel befinden sich nur auf dem Rücken und an den Seiten. Sie erscheinen als kolossale, nach hinten umgeschlagene Hautfalten, deren Oberfläche gleichfalls Hornschuppen trägt, die nach hinten zu breit auslaufen. Zwischen diesen Hornschuppen stehen wieder kleinere, nach hinten spitz zulaufende Schuppen. Meistens entspricht jeder Hornschuppe eine innere Knochenschuppe. In Bezug auf die histologische Structur der Haut beim aus- gewachsenen Thiere muss ich mich hier an die Beschreibung von Herm. Meyer halten. Derselbe unterscheidet natürlich zu oberst die Epidermis und darunter die Cutis, worin die Knochenplättchen liegen. Diese Knochen sind ringsum von Bindegewebe umgeben, so dass sie förmlich in einer »Hauttasche« liegen, wie wir das auch 1) »Anat. Unters. über die Edentaten«. Tübingen 1843. 2) »Ueber den Bau der Haut des Gürtelthierese. Müller’s Arch. 1848. »Ueber den Bau der Haut von Dasypus und der Stacheln von Raja«, in Mitth. d. naturf. Ges. in Zürich. Bd. I. 1849. 3) »Structura integ. Armadillic in Novi Comm. Ac. Sc. Inst. Bonon, Tom. IX, 1849. »Sull’ Anatomia del Das. minimo« in Mem. della Ac. delle Scienze dell’ Inst. di Bologna. Tom. VII. 1856. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 251 bei Anguis fragilis und bei Pseudopus gefunden haben. von Rapp dagegen behauptet, dass »sofort auf der äusseren Fläche der Knochentafeln das dünne Malpighi’sche Netz mit der Oberhaut liegt«. Auch Leydig sagt, dass bei Dasypus novemeinctus »die Epidermisschilder der Knochensubstanz unmittelbar aufliegen«'). Die einzelnen Knochenplättchen zeigen auf der inneren Ober- fläche die Beschaffenheit der Substantia spongiosa, auf der äusseren die der Substantia dura. Was Herm. Meyer über die Ernährungslöcher der Knochen an der unteren Fläche mittheilt, stimmt völlig überein mit dem- jenigen, was ich bei den Hautknochen von Anguis vorgefunden habe. Er fand nämlich an der unteren Fläche der Hautknochen immer nur »ein« Ernährungsloch, »welches in der Mitte derselben zu finden ist. An den Knochenplättchen des Gürtels dagegen »trägt die untere Seite meistens drei Ernährungslöcher, von welchen aber zwei gewöhnlich zu einem bisceuitförmigen zusammengeflossen sind«e. Obwohl Herm. Meyer die Markkanäle nicht erwähnt, so sind diese doch von Leydig?) nachgewiesen worden. Die Epidermis besteht »aus einem geschichteten Pflasterepithel, mit meist deutlichen grossen Kernen«. Endlich macht er uns Mittheilungen über das Vorkommen von Haaren, welche sich zwischen den Hornschuppen befinden. Die Haare sind hell, marklos und kurz. Aber nicht nur zwischen den Hornschuppen, sondern auch am hinteren Rande der Hornschuppen an den Gürteln habe ich deutliche und ähnliche Haare gesehen. So viel über das ausgewachsene Thier. Gehen wir jetzt über zur Besprechung der Embryonen, so muss ich zunächst über die äussere Beschaffenheit der Haut Folgendes mittheilen. An dem einen Exemplar waren nur acht Gürtel vollständig ausgebildet; der neunte oder hintere Gürtel war auf dem Rücken noch nicht wahrzunehmen, wohl aber sah’ ich ihn an den Seiten des 'Thieres durch eine Falte schon vorgebildet. Es scheint also, dass die Gürtel zuerst am vorderen Ende des Körpers auftreten. Die »Haupt- schuppen« an den Gürteln waren erst in ihrer Anlage bemerkbar, als einfache Erhebungen der Cutis oder Papillen. Auch am Panzer 1) »Ueber die äusseren Bedeckungen der Säugethiere« in Reichert’s und Du Bois-Reymond’s Arch. 1859. p. 703. 2) Ebendaselbst p. 703. 2352 Coenraad Kerbert: war dies der Fall; zuerst traten die Anlagen der späteren »Haupt- schuppen« hervor, nachher die der »Furchenschuppen«. Von den letzteren waren an den beiden Exemplaren, die mir zu Gebote standen, noch keine wahrzunehmen. Die Papillen sind auf Querschnitten durchaus nicht zu unter- scheiden von denen, welche wir in der dritten Entwickelungsperiode bei der Natter, und am 11. Tage der Bebrütung beim Hühnchen am Laufe vorgefunden haben. Ueber die histologische Structur der Haut giebt uns übrigens auch Fig. 46 Aufschluss, welche einen Längsschnitt durch die Anlage der Gürtel darstellt. Wir sehen hier ganz deutlich, dass die Gürtel grosse Hautfalten vorstellen, die nach dem hinteren Ende des Thieres umgebogen sind. In dem Präparate, welchem die Abbildung ent- nommen ist, hat sich diese Hautfalte vollkommen glatt in derselben Fläche ausgebreitet, so dass hier der Gürtel eine grössere Dimension zu haben scheint, als es in der Wirklichkeit der Fall ist. Zum näheren Verständniss diene noch, dass der Theil bei A die obere Fläche des Gürtels ist, während der andere Theil B sich in nor- maler Lage — in vielen Falten zusammengeschlagen — unter dem Theile A befindet. Fangen wir nun mit der Betrachtung der Epidermis an, so sehen wir, dass diese nach aussen durch eine helle, aus platten Zellen bestehende Schicht begrenzt wird (Fig. 46, 48e). An einigen Stellen sieht man noch deutliche Kerne. Diese Schicht grenzt sich sehr scharf von den darunter liegenden Zellenschichten ab. Man trifft sie aber nicht an allen Stellen der Epidermis an; sie ist sehr bröckelig, ihre Zellen lösen sich sehr leicht von der übrigen Epi- dermis ab. Dabei besitzen die Zellen, welche ungefähr 0,006 bis 0,008 Mm. Dicke haben, ein starkes Lichtbrechungsvermögen; gegen Farbstoffimprägnationen verhalten sie sich vollkommen indifferent. Da nun erstens sich die betreffenden Zellen leicht ablösen, ja an einigen Stellen gar nicht mehr anwesend sind, sie sich zweitens scharf gegen die darunter liegenden Zellenschichten abgrenzen, und drittens sich vollkommen indifferent verhalten gegen Farbstoff, glaube ich annehmen zu dürfen, dass sie der »Epitrichialschicht« ent- sprechen, welche wir bei den Reptilien und Vögeln schon kennen gelernt und besprochen haben, und welche bei Säugethieren “meistens sehr stark entwickelt ist. Auch Welcker !) erwähnt 1) le. p.19. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 253 diese Schicht bei Dasypus, meint aber, dass sie fest mit den späteren Hornschuppen verwachse, wie wir das an den Schuppen der Reptilien und an denen am Laufe der Vögel gesehen haben. Nach meiner Meinung aber ist dies nicht der Fall, und wird die Epitrichialschicht bei Dasypus während des Fmbryonallebens allmählich abgestossen. Ich erwähnte schon, dass sie an einigen Stellen der Epidermis vollständig verloren gegangen war. Unter der Epitrichialschicht (Fig. 48 e) befinden sich drei oder vier Lagen anderer Zellen. Die Zellen der oberen Lage sind ab- geplattet und zeigen noch deutliche Kerne. Der Inhalt der an- deren Zellen ist fein granulirt und die Ränder sind fein gezackt. Die untere Zellenschicht besteht aus schönen Cylinderzellen von 0,01—0,012 Mm. Die ganze Epidermis, mit Inbegriff der Epitrichial- schicht, ist!0,024 Mm. dick. In Betreff der Epidermoidalbildungen ist zu erwähnen, dass sich am freien Rande jeder Hornschuppe ein oder zwei Haare vorfinden (Fig. 46 hr). Im Allgemeinen scheinen sich die Haare zuerst an den Gürteln zu entwickeln, wenigstens sah ich bei dem einen Embryo am Panzer, zwischen den Anlagen der »Hauptschuppen«, zunächst nur die Anlagen der Haare, in Form von Zellenwucherungen der Schleimschicht in die Cutis, obwohl sie, wie bemerkt, an den Gürteln schon vollständig entwickelt waren. Eine Marksubstanz ist, wie schon Herm. Meyer hervorgehoben hat, nicht zu finden. Auch die Talgdrüsen waren schon vollständig entwickelt (Fig. 46tg). Die Lederhaut hatte schon einen ausgeprägt faserigen Bau. Es ordnen sich die Fasern direct unter der Epidermis so, dass die meisten eine senkrechte Richtung gegen die letztere hin annehmen. An denjenigen Stellen (Fig. 46 B), die gewöhnlich unterhalb der oberen Theile des Gürtels (A) versteckt sind, kommt ein beson- ders schönes Netz von elastischen Fasern vor, welches die ganze Masse (B) durchzieht. Unter diesem Netze findet man überall grosse und starke Bündel von quergestreiften Muskeln (m). In Bezug auf die Hautknochen muss bemerkt werden, dass beide Embryonen nicht auf gleichem Stadium der Entwickelung standen. Bei dem einen Exemplare, dem auch der neunte Gürtel noch fehlte, war die erste Anlage der Hautknochen nur an den vorderen Gürteln und zwar immer am hinteren Theile der so- genannten »Hauptschuppen« zu sehen, 254 CGoenraad Kerbert: An dem zweiten Exemplar aber hatten diese Knochenanlagen in den Hauptschuppen der Gürtel schon grössere Dimensionen an- genommen. Auch waren diese Knochenanlagen hier schon am hin- teren Theile der Höcker des Panzers. Isolirt man durch Maceration diese Hautknochen,, gleichgültig von welcher Körperstelle, so sieht man, dass sie noch überall von einer sehr unregelmässigen Gestalt sind. Auch die Dicke der Knochenplättchen zeigt sich sehr verschieden, obwohl sie über 0,04 Mm. nicht hinausgeht. Auf Quer- und Längsschnitten sieht man überall die schönsten Knochenkörperchen mit den Virchow-Donders’schen Knochen- zellen und Knochenkanälchen. Meistens verläuft ihre Längsachse mit der Längsrichtung der Knochen parallel. Dabei durchziehen zahlreiche Havers’sche Kanäle die gesammte Masse. In isolirten Knochen sieht man am Rande auch derbe Bindegewebsfasern, die aus der Knochensubstanz hervorragen und an einigen Stellen deut- liche Spuren von Verkalkung zeigen, die Sharpey’schen Fasern. Zwischen diesen Fasern (Fig. 47 shf) befinden sich epithelartig an- geordnet die Osteoblasten (os), membranlose, feingranulirte Zellen von sehr verschiedener Gestalt und Grösse. Es kamen sowohl rundliche, cylinderartige, spindelförmige, als auch mehr unregel- mässige unter diesen vor. Auch habe ich Osteoblasten gesehen, welche deutliche Fortsätze zeigten. Alle haben einen Kern, — ja, in einigen waren zwei Kerne zu beobachten, was die Vermuthung Waldeyer’s!) über die selbständige Vermehrung der Osteoblasten unterstützen könnte. Ebenso waren in einigen Kernen zwei Kern- körperchen zu sehen. Nach Untersuchungen von nur zwei Embryonen können über den Ossificationsprozess keine endgültigen Resultate erwartet werden. Es kann aber, meiner Meinung nach, keine Frage ‚mehr sein, dass die Bildung der Hautknochen bei unserem Thiere in derselben Weise vor sich geht wie bei der sogenannten secundären Knochenbildung. Ueberhaupt ist zwischen intermembranöser, periostaler und intra- cartilaginöser Knochenbildung keine scharfe Grenze mehr zu ziehen, nachdem verschiedene Forscher nachgewiesen haben, dass die Be- dingungen zur Entwickelung von Knochen nicht abhängig sind von }) »Ueber den Össificationsprocess«, Arch. f. mikr. Anat. Bd. Il, p. 365. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 255 dem Orte wo die Knochen entstehen, sondern einzig und allein von dem Auftreten eines »osteogenen Gewebes«, der Osteoblasten. Diesem Auftreten von Osteoblasten geht die Verkalkung der Grundsubstanz voraus. Bei dem einen Embryo von Dasypus, welcher noch keine Knochen in den Höckern des Panzers zeigte, sah man an denjenigen Stellen, wo später der Knochen auftritt, die Bindegewebstasern netzartig angeordnet und mit feinen Körnchen besetzt, die auf eine Verkalkung hindeuten. Dieselben Kalkkörnchen findet man auch an den Sharpey’schen Fasern. An anderen Stellen waren schon die Osteoblasten aufgetreten. Ueber das Her- kommen dieser Osteoblasten sind die Meinungen noch sehr ver- schieden. Nach Gegenbaur, Rollett, Stieda, Frey u. A. sollen diese Zellen aus Lymphoidzellen entstehen, welche aus den Blutgefässen ausgewandert sind ; nach anderen, z. B. nach Nikolsky, aus spindelförmigen Bindegewebskörperchen. Auch über die Entwickelung der Knochensubstanz aus den Östeoblasten herrschen noch verschiedene Meinungen. Nach der einen Ansicht, welche hauptsächlich von Gegenbaur vertreten wird, sollen die Osteoblasten die Knochensubstanz secerniren, wäh- rend nach der anderen Ansicht (Waldeyer) die peripherischen Theile der Osteoblasten sich in Knochensubstanz umwandeln. Die Thatsache aber, erstens, dass in dem fertigen Knochen die Osteo- blasten grösser sind als die Knochenkörperchen, welche die Reste der Osteoblasten darstellen, zweitens, dass viele Osteoblasten ihren körnigen Inhalt verlieren und sich, statt partiell, vollständig in Knochensubstanz umwandeln, scheint mir entschieden für die Ansicht von Waldeyer zu sprechen. Verschiedene Messungen, die ich bei den betreffenden Embryonen an Osteoblasten und Knochenkörperchen angestellt habe, gaben ähnliche Resultate, wie Waldeyer gefunden hat. Die Osteoblasten hatten eine grösste Länge von 0,026 Mm. und eine grösste Breite von 0,016 Mm., während die grösste Länge und Breite der Knochenkörperchen nie über 0,016 resp. 0,014 hin- ausging. Auch scheint mir die Waldeyer’sche Ansicht der Um- wandlung mehr in Einklang zu sein mit der Bindegewebstheorie von Max Schultze, nach welcher die fibrilläre Grundsubstanz des Bindegewebes »das Protoplasma wandungsloser und bis zur Ver- schmelzung genäherter Embryonalzellen seic. Ob es aber nothwen- dig ist, einen grossen Unterschied zwischen beiden Ansichten zu machen, scheint mir zweifelhaft geworden, nachdem man allgemein 256 Coenraad Kerbert: wahrgenommen hat, dass bei den Drüsen z. B. Secretion und Um- wandlung der Zellensubstanz immer zusammen gehen. Was endlich die Frage betrifft, ob die Hautknochen bei Da- sypus in einer »Bindegewebstasche« stecken, wie bei Anguis und Pseudopus, und wie auch Herm. Meyer gesehen zu haben glaubt, — oder ob dies nicht der Fall sei, wie von Rapp und Leydig behauptet haben, — so kann man dies an Embryonen, wo die Knochen zwar allenthalben von Bindegewebe umringt aber noch nicht vollständig ausgebildet sind, natürlich nicht entscheiden. Federn vom Pinguin. Auf die sonderbare schuppenartige Gestalt der Federn an den Flügeln vom Pinguin durch Herrn Prof. Leuckart aufmerksam semacht, fühlte ich mich veranlasst, auch diese Gebilde zu unter- suchen, zumal mir von Herrn Prof. Leuckart ein Stückehen einge- salzener Haut zur Verfügung gestellt wurde. Betrachten wir den äusseren Bau dieser Federn, so können wir denjenigen Theil, welcher in der Haut steckt, auch hier als Spuhle und deren Fortsetzung als Schaft bezeichnen. Im wahren Sinne des Wortes ist hier aber der Schaft nicht gleichwerthig mit dem gleichnamigen Theile anderer Vogelfedern, wenn wir unter »Schaft« diejenige kegelartige Fortsetzung der Spuhle verstehen, welche die Strahlen (Radii) trägt und so die Fahne bildet. Vielmehr ist hier der Schaft aus zusammengewachsenen, unzählbaren Strahlen gebildet, die unten fest mit einander verbunden sind, nach oben hin etwas lockerer werden und hier mehr oder weniger diver- siren. Ein eigentlicher Hauptstrahl ist durchaus nicht anwesend. Man vergleicht die Pinguinfedern am besten mit Embryonaldunen, welche eine unzählige Menge Strahlen besitzen, die nicht auseinander fallen ‘können, sondern fest miteinander verwachsen sind. Diese Verwachsung der einzelnen Strahlen hat vorzugsweise in einer Fläche stattgefunden, so dass unsere Feder abgeplattet erscheint und mit vollem Rechte »schuppenförmig« genannt wird. Jede Em- bryonaldune ist eigentlich weiter nichts als eine cylindrische Horn- schuppe, deren Rand nach oben hin in einzelnen Strahlen ausgefranzt erscheint. Ebenso aber verhält sich die Pinguinfeder. Während jedoch bei der Embryonaldune die einzelnen Strahlen in einem Kreise auf der Spuhle stehen, entspringen dagegen die Strahlen der Pin- Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 257 guinfedern aus einem Punkte der Spuhle und breiten sich in einer Fläche aus. Endlich muss ich noch bemerken, dass ich nirgends »Markzellen« im Schafte gesehen habe, was als ein wichtiger Un- terschied mit anderen Vogelfedern gelten darf. Sehr merkwürdig ist auch die Spuhle gebaut (Fig. 49 sp). Findet man in der Spuhle anderer Vögel überall noch die Reste der ausgetrockneten Papille (»Seele«), so ist dies hier nicht der Fall. Man sieht die Wände der Spuhle im Innern an einigen Stellen . . mit einander in Verbindung stehen, so dass das Innere gekammert ist, wie die Schale eines Nautilus. Auf Längsschnitten erscheinen die Scheidewände natürlich als Querleisten (q). Diese Querleisten bestehen aus demselben Gewebe wie die Spuhle selbst, also aus Hornsubstanz. Die Spuhle steckt in einer Hauttasche (Follikel), deren Innen- fläche von einer Zellenlage bekleidet ist, die eine unmittelbare Fort- setzung der Epidermis darstellt. Die Schleimschicht setzt sich in die Hauttasche als »äussere Wurzelscheide« (as), die Horn- schicht als vinnere Wurzelscheide« fort. Während nun bei anderen Vögeln die äussere Wurzelscheide gewöhnlich theilweise verhornt, so bleibt sie beim Pinguin von derselben Beschaffenheit wie das Rete Malpighii. Dafür aber ist umgekehrter Weise die »innere Wurzelscheide« verhornt. Diese Hornscheide des Follikels wird, beim Ausziehen der Feder, nicht mit ausgezogen. Im Grunde des Follikels befindet sich nun die gefässreiche Papille (P), welche nicht, wie bei den übrigen Vogelfedern, nach Ausbildung der Spuhle zu Grunde geht und vertrocknet, sondern merkwürdigerweise zeit- lebens bestehen bleibt. An keiner Feder, in den verschiedenen Entwickelungsstadien, fehlt die Papille.e. Im Gegentheil entsteht dann und wann an ihrer Oberfläche, durch Verhornung der auf ihr liegenden Epidermiszellen, eine neue Hornschicht, die sich zwar von der Papille ablöst, aber immer mit der Wand der Spuhle in Ver- bindung bleibt. Auf diese Weise entstehen die Kammern in der Spuhle, die wir eben besprochen haben. Es ist klar, dass durch diesen Verhornungsprozess der Epi- dermiszellen an der Papillen-Oberfläche das Längen-Wachsthum der Feder bedingt wird. Bei der ersten Bildung der Spuhle wird vor- aussichtlich die Kammerung noch fehlen, die Spuhle also nur von der obersten Kammerwand repräsentirt sein. Die Thatsache, dass beim Pinguin in den Federn eine blei- 258 Coenraad Kerbert: bende Papille vorkommt, ist eine höchst wichtige. Obwohl man die Feder als eine cylindrische, ausgefaserte Schuppe betrachten kann, so war doch immer noch ein Unterschied zwischen Federn und Schuppen vorhanden. Während bei den letzteren die Papille zeitlebens bestehen bleibt, so geht bekanntlich die Papille der Federn mit der Zeit zu Grunde. Jetzt, nun wir näher mit der Feder des Pinguins bekannt geworden sind, ist der Unterschied zwischen Schuppen und Federn vollständig aufgehoben worden. Uebrigens giebt es auch weiter noch genug Uebergänge zwischen Schuppen und Federn, Federn nämlich, von welchen weiter nichts als die Spuhlen ausgebildet sind (z. B. unter den Reihern an gewissen Körperstellen) und die eine vollständige Aehnlichkeit besitzen mit den kegelförmigen Schuppen bei Moloch unter den Reptilien. In beiden Fällen haben wir es mit cylindrisch-entwickelten Schuppen zu thun. Kurz und gut, es kann jetzt keine Frage mehr sein, dass Federn und Schuppen durchaus homologe Gebilde sind. Dass es auch unter den Säugethieren Individuen giebt (Da- sypus, am Schwanze von Gastor) mit schuppenartigen Hautbe- deckungen, kann uns um so weniger wundernehmen, nachdem durch die Untersuchungen von Reissner und Goette nachgewiesen worden ist, dass auch die erste Anlage des Haares eine wirkliche Papille darstellt. Es ist nun anzunehmen, dass diese Papillen nicht nur beim Menschen, sondern bei allen übrigen Säugethieren die ersten Anlagen der späteren Haare bilden. Während diese Papillen aber bei den meisten Säugethieren durch die wuchernde Schleim- schicht in die Tiefe der Cutis gedrängt werden, um hier die Haare zu bilden, so. bilden sie sich dagegen am Schwanze von Castor und bei Dasypus zu schuppenartigen Gebilden aus, auf dieselbe Weise wie wir das bei den Reptilienschuppen kennen gelernt haben. Obwohl von vielen Forschern, u. A. von Leydig!), die so- genannten »Schuppen« von Manis als wirkliche Schuppen auf- gefasst werden, so kann man sich doch mit voller Bestimmtheit davon überzeugen, dass sie nicht in der Kategorie der wahren Schuppen, sondern in der der »Nägel« unterzubringen sind. Schon Harting?) erwähnt, dass der vordere Theil dieser Gebilde in einer Hauttasche 1) »Ueber die äusseren Bedeckungen der Säugethiere«, l.c. p. 704. 2) Leerboek van de Grondbeginselen der Dierkunde. 1866. II. Deel, II Afd. p.47. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 259 resp. in einem Falze steckt, fügt aber hinzu, dass sie sich durch den Besitz von langen Faserzellen in der Peripherie (Rindensubstanz) den Haaren der übrigen Säugethiere nähern. Fig. Fig. Fig. a ” 10. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII—XX. Querschnitt durch die Haut von Platydactylus guttatus. 180:1. e Epitrichial-Schicht. h Hornschicht. s Schleimschicht. a Obere Grenzschicht der Cutis. b Hauptmasse. ce‘ Lymphräume (?). Epitrichialschicht desselben Thieres. 380: 1. he wie in Fig. 1. Querschnitt durch die Haut von Chamaeleon vulgaris. 73,5:1. ehs wie vorher. ce Cutis. Epitrichialschient desselben Thieres. 380:1. eh wie vorher. Querschnitt durch die Epidermis desselben Thieres. 380:1. ehs wie vorher. e‘ neugebildete Epitrichialschicht. Längsschnitt durch eine Schuppe von Lacerta agilis. 73,5:1. hes wie vorher. e Cutis. Längsschnitt durch eine Schuppe von Anguis fragilis. 300:1. cehs wie vorher. kn Hautknochen. Epitrichialschicht desselben Thieres. 380:1. es wie vorher. Bei e‘ die Vorderseite der Schuppe, bei e die interstitiellen Stellen. Längsschnitt durch die Schuppe von Pseudopus Pallasii. 45:1. Buchstaben wie vorher. Epitrichialschicht desselben Thieres. 380:1. Buchstaben wie in Fig. 8. 260 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 14. 15. 16. 17% 18, 19, 20. 21. 29 ir 23. 24, 25. Coenraad Kerbert: Epitrichialschicht von Tropidonotus natrix. 380:1. Buchstaben wie vorher. Epitrichialschicht an der unteren Schuppenfläche und an den inter- stitiellen Stellen desselben Thieres. 380 :1. Epitrichialschicht der Bauchschienen desselben Thieres (Embryo). 380 :1. e Vorderer Theil der Schiene. e’ Interstitielle Stelle. Epitrichialschicht bei Vipera berus. 380:1. Querschnitt durch die abgestreifte Haut von Tropidonotus na- trix. 380:1. eh wie vorher. l Stratum lucidum. Querschnitt durch die Epidermis von Pseudopus Pallasii. 380:1. ehs wie vorher. e‘ Epitrichialschicht der neuen Epidermis. h‘ Neue Epidermis. e“ Epitrichialschicht der sich bildenden dritten Epidermis. Dasselbe. 720:1. h Hornschicht. l Stratum lucidum. e Epitrichialschicht. k Körnerschicht. r Rete Malpighii. Quersehnitt durch die Haut eines Embryo von Tropidonotus natrix (2. Periode). 291:1. e Cutis. e Epitrichialschicht. s Schleimschicht. Epitrichialschicht (2. Periode). 880 :1. Querschnitt durch die Haut eines Schlangenembryo (3. Periode). EN ET Buchstaben wie vorher. Epitrichialschicht (3. Periode). 380:1. Dieselbe von einer anderen Stelle (3. Periode). 380: 1. Querschnitt durch einen Schlangenembryo von 80 Mm. (3. Periode). 45:1. h Hornblatt. Hp Hautplatten. Bs Anlage der Bauchschiene. Längsschnitt durch die Haut eines Schlangenembryo (Anfang der 4. Periode). 300:1. Buchstaben wie vorher. Querschnitt durch die Epidermis desselben Embryo. 380:1. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. Fir. 36. Fig. 37. Fig. 38. Fig. 39. Fig. 40. Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. 261 Längsschnitt durch die Haut eines Schlangenembryo (aus der Mitte der 4. Periode). 291: 1. Buchstaben wie vorher. Epitrichialschicht aus der 4. Periode. 380 :1. Längsschnitt durch die Haut eines ausgekrochenen Schlangenembryo. IHR Querschnitt durch die Epidermis desselben Thieres. 291:1. Querschnitt durch die Epidermis eines eben geborenen Exemplares von Anguis fragilis. 380:1. Querschnitt durch die Epidermis am Laufe des Hühnchens (7 Tage). 380: 1. Querschnitt durch die Epidermis am Laufe des Hühnchens (9 Tage). 380: 1. . Längsschnitt durch die Haut am Laufe des Hühnchens (11 Tage). 180 :1. Querschnitt durch die Epidermis desselben Embryo. 380: 1. Längsschnitt durch die Haut am Laufe des Hühnchens (13 Tage). 180 :1. Längsschnitt durch die Haut an der Uebergangsstelle zwischen Lauf und Unterschenkel eines Hühnchens (13 Tage). 80:1. F Papille einer Embryonaldune. Längsschnitt durch die Haut am Laufe eines Hühnchens (15 Tage). 180: 1. Querschnitt durch die Epidermis desselben Embryo. 380:1. Epitrichialschicht. desselben Embryo. 380: 1. Längsschnitt durch die Haut am Laufe eines Hühnchens (18 Tage). 180 :1. Querschnitt durch die Epidermis desselben Embryo. 380:1. Flächenansicht der Oberfläche der Epidermis desselben Embryo (die Epitrichialschicht ist weggelassen). 380:1. k Körnerschicht. Längsschnitt durch die Haut am Laufe eines Hühnchens (23 Tage). 180: 1. Längsschnitt durch die Haut am Laufe eines ausgewachsenen Huhnes. 180: 1. Querschnitt durch die Epidermis desselben Thieres. 720:1. Längsschnitt durch den Gürtel eines Embryo von Dasypus no- vemecinctus. 180:1. e Epitrichialschicht. s Schleimschicht. hr Haar. tg Talgdrüse. gf Gefäss. kn Hautknochen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. j7f 262 Coenraad Kerbert: Ueber d. Haut d. Reptilien u. a. Wirbelthiere. m Muskeln. A Obere Fläche des Gürtels. B Elastisches Fasernetz. Fig.47. Theil eines Hautknochens desselben Thieres. 460:1. kn Hautknochen. os Osteoblasten. shf Sharpey’sche Fasern. Fig.48. Querschnitt durch die Epidermis desselben Thieres. 380:1. Fig.49. Längsschnitt durch eine Flügelfeder vom Pinguin. 85:1. h Hornschicht. s Schleimschicht. as äussere Wurzelscheide. is innere Wurzelscheide. sp Spuhle. q Scheidewände in der Spuhle. P Zeitlebens bestehende Papille. Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen und ihrer Verwendung in der mikroskopischen Technik. Von P. Ehrlich, cand. med. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg.) Hierzu Tafel XXI. Während die Anilinfärbung in der Textilindustrie eine ausge- dehnte Verbreitung gefunden, hat sie sich der mikroskopischen Tech- nik nur in geringem Maasse dienstbar erwiesen, trotzdem der Histo- loge ihr gegenüber viel günstiger situirt ist, als der Färber. Von der diesbezüglichen Literatur der letzten Jahre dürfen besonders die Arbeiten von Cornil, Jürgens und Heschl über die Färbung des Amyloid durch Methyl-Violett als bedeutender Fortschritt angesehen werden. Zum Theil in Anschluss an letztere Arbeiten hatte ich Gelegenheit, einige Beobachtungen über Anilinfärbung zu machen. Wenn auch die Resultate dieser Untersuchung, die ich fortsetze, noch unvollständig sind, hielt ich mich doch berechtigt, schon jetzt einen Theil meiner Ergebnisse zu veröffentlichen. Das Dahlia, welches ich fast ausschliesslich angewandt habe, wurde zuerst von Zuppinger (Dieses Arch.X. pag. 256) erwähnt, jedoch wegen seiner Löslichkeit in Kreosot ungeeignet befunden. Kurze Zeit darauf wurde es von Huguenin (Correspondenz-Bl. f. Schweiz. Aerzte 1874 pag. 55), allerdings ohne genauere Anweisung auf's Wärmste empfohlen. Das Dahlia (Monophenylrosanilin) schliesst sich in seiner Con- stitution sowie seinen Eigenschaften auf's Engste an das Parme 964 P. Ehrlich: bleu (Diphenylrosanilin) und das Anilinblau (Triphenylrosanilin) an. Im Handel kommt neben der ursprünglichen spirituslöslichen Form noch eine, von mir angewandte, wasserlösliche Modification vor, deren röthliche Nüance ich besonders empfehle!). Das wasserlösliche Dahlia färbt in neutraler Lösung die meisten thierischen Gewebe und zwar ausserordentlich stark ?); um so auffälliger erscheint es, dass gegenüber der intensiv blau-violetten Färbung des Protoplasma der Kern fast gar nicht oder nur blassröthlich tingirt erscheint. In dieser Beziehung erinnern solche Präparate sehr an die durch Glycerin partiell entfärbten Chinolinblau-Bilder, wie sie Ranvier beschrieben hat (Trait& techn. d’histolog. p.102). Für Schnitte ist diese Methode jedoch wenig be- friedigend, da die massige Färbung meistens sehr störend ist. Be- handelt man solche Dahlia-Präparate mit essigsäurehaltigem Wasser, so tritt, während ein Theil des Farbstoffes in die Waschflüssigkeit diffundirt, eine schöne blauviolette Kernfärbung ein, während das Protoplasma und Bindegewebe, entsprechend dem Säuregehalt, mehr oder weniger entfärbt wird, so dass diese Bilder vollständig mit den durch Hämatoxylin erzielten concurriren können. Zugleich treten in dem geklärten Bindegewebe — an geeigneten Präparaten — gewisse zellige Elemente durch ihre intensive Färbung hervor, von denen ich im Verlauf der Arbeit zeigen werde, dass sie mit den von Wal- deyer (Dies. Arch. XI. pag. 176) unter dem Namen »Plasmazellen« beschriebenen Gebilden identisch sind. So erlangte Präparate lassen sich eine gewisse Zeit in essig- saurem Wasser aufbewahren, empfehlenswerther ist es dagegen, sie nach vorhergehender Entwässerung durch Alkohol in verharztem Terpentin einzuschliessen. Die Schnitte kann man stundenlang mit absolutem Alkohol auswaschen, ohne befürchten zu müssen, der Kern- färbung Abbruch zu thun. Was das verharzte Terpentin anbetriftt, so bietet es, abgesehen von der bekannten Schonung des histologi- schen Details, solche Vortheile für die Erhaltung difficiler Anilin- farben, dass es jedem andern Mittel vorzuziehen ist. 1) Ich habe diese und noch andere Farbstoffe (z. B. Cyanin) von Herrn J. Frank, Apotheker in Freiburg bezogen und bin ihm für seine freundlichen Bemühungen zu grossem Danke verpflichtet. Auf meinen Wunsch hat er sich bereit erklärt, sie grösstentheils auf Lager zu halten. 2) In alkalischer Lösung färbt sich die amyloide Substanz schön roth, Alkohol zieht die Farbe aus. Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen ete. 265 Bei einer cursorischen Untersuchung der einzelnen Organe, be- sonders sehr zellenreicher, kann es wünschenswerth sein, auch die Kernfärbung zu vermeiden um eine möglichst isolirte Färbung der Plasmazellen zu erhalten. Man erreicht dies auf folgende Weise: Die Organe müssen gut in starkem Alkohol (Chromsalze sind nicht zu verwenden) gehärtet sein, und ist es daher zweckmässig, sie einige Tage darin zu belassen. Die Farbflüssigkeit enthält: Alcohol absolut. 30, ‚De. Aqua 100 ‚Ge. Acid. acet. glacial. 121/, Ce. Zu dieser Mischung gibt man so viel Dahlia, dass eine fast gesättigte Lösung entsteht. In dieser Farbflotte bleiben die Präpa- rate mindestens 12 Stunden, werden dann in Alkohol entwässert und in verharztem Terpentin untersucht. Gut gelungene Präparate lassen sich schon daran erkennen, dass die Entfärbung in Alkohol sehr schnell vor sich geht, d.h. natürlich mit Erhaltung der Färbung der Plasmazellen, die selbst durch einen wochenlangen Aufenthalt in Alkohol nicht tangirt wird. Die Entfärbung der Präparate hängt — ceteris paribus — von der Ansäurung ab. Eine Lösung, die 7!/; Ce. Eisessig auf 150 Ce. Alcohol ä& tiers enthielt, tingirte die Präparate schon ziemlich intensiv. Nach diesen Angaben wird es leicht sein, sich für jedes Organ die zweckentsprechende Lösung darzustellen; während man bei vorwiegendem Bindegewebe schwächere Säuremischungen wird anwenden können, scheint es gerathen, an zellenreichen Orten die stärkeren Lösungen vorzuziehen. Uebrigens darf man mit dem Säurezusatz eine gewisse Grenze nicht überschreiten, ohne die Zellen zu gefährden. Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass Lösungen, die nur Plasmazellen färben, unter gewissen Umständen noch Schleim (z. B. Becherzellen) und den Inhalt von Fettzellen tingiren. Die Färbung des Mucin hängt vielleicht mit einer ungenügenden Härtung des Präparates zusammen; für die Färbung des Fettes weiss ich keinen Grund anzugeben. Eine intensive Fettfärbung trifft man überhaupt nur an wenigen Präparaten, auch in diesen ist sie nu- merisch hinter der Zahl der gar nicht oder schwach gefärbten Fett- zellen zurückstehend. Der Farbenton des Fettes ist mit der ange- wandten Nüance übereinstimmend. Wie schon a priori zu erwarten, gelingt es noch mit einer Reihe anderer Anilinfarben, die Plasmazellen distinet zu färben. 266 P. Ehrlich: Die folgenden Farbstoffe sind sämmtlich wasserlöslich und wurden in einer Lösung angewandt, die auf 7!/; Ce. Eisessig 150 Ce. Alco- hol & tiers enthielt; die nachfolgende Behandlung war die gewöhn- liche. Es wurden angewandt: 1. Primula. 2. Jodviolett. 3. Methylviolett. 4. Eine unter dem Namen »Purpurin« käufliche rothe Anilinfarbe. 5. Saffranin. 6. Fuchsin. Diese Reihe zerfällt, was die Schönheit der Präparate anbe- trifft, in 2 Gruppen; bei der ersten, zu welcher neben Primula, Jod- violett, Methylviolett und Purpurin auch Dahlia zu rechnen ist, sind die Plasmazellen durch eine nur ihnen zukommende bestimmte Re- aktionsfarbe gekennzeichnet; bei der zweiten nur durch eine grössere Farbenintensität hervorgehoben. Benutzt man die Grösse der Ent- färbung als Werthbestimmung, so erweisen sich die mit Methyl- violett und Saffranin erhaltenen Präparate als ganz entfärbt. Daraus * ergibt sich, dass von allen schon erwähnten Farbstoffen das Methyl- violett die schönsten Resultate erzielt. Spirituslösliches Anilinblau, Parme bleu, Anilin-neuviolett, zeigen unter geeigneter Behandlung ebenfalls die Plasmazellen. Die Reihe der anwendungsfähigen Farbstoffe noch zu vermehren, wäre leicht, aber zwecklos. Zum Schlusse muss ich noch das von Ranvier empfohlene Chinolinblau erwähnen. Präparate, die in einer schwach alkoholischen Cyanin-Lösung gefärbt waren, zeigten auch nach Be- handlung mit alkalischem Glycerin (selbst noch nach Wochen) schön roth-violett gefärbte Plasmazellen, während das Protoplasma blau, und das Fett, wenn überhaupt, rein bläulich gefärbt war. Das von mir verwandte Cyanin zeigte die von Ranvier angegebene Entfär- bung durch Säuren; ob es mit dem von Ranvier benutzten Prä- parate identisch war, konnte ich nicht entscheiden, da ich die von ihm angegebene violette Kernfärbung nicht erhalten habe. Für Zerzupfpräparate ist eine Dahlia-Mischung, die 10 Ce. Fisessig auf 900 Ce. Alcohol & tiers enthält, geeignet. Die frischen Organe werden in toto heremgeworfen und können längere Zeit darin verweilen. Die Entfärbung in Alkohol geht prompt vor Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen etc. 267 sich und liefert der Einschluss in verharztem Terpentin die schönsten Präparate. Nachträglich finde ich in einem von Flemming (Dies. Arch. XII. 3. Heft) soeben veröffentlichten Aufsatze die intensive Färb- barkeit gewisser grosser Zellen des Unterhautbindegewebes, die wohl als Plasmazellen zu bezeichnen sind, erwähnt, leider ohne Angabe des Tinctionsmittels. | Für die Untersuchung der Plasmazellen ist die Wahl der Thier- species von der grössten Bedeutung, indem sowohl in der Häufigkeit des Vorkommens als der Grösse der einzelnen Zellen, ausserordent- liche Differenzen bestehen. Dieses Verhalten ist für die Haut und das subcutane Gewebe schon von Flemming constatirt, der angibt, dass die vorhin erwähnten Gebilde regelmässig und reichlich bei der Katze vorhanden sind, spärlicher beim Meerschweinchen, selten bis zum Verschwinden beim Kaninchen, Hund und Meerschweinchen. Ich kann bestätigen, dass die Plasmazellen beim Kaninchen in jeder Beziehung verkümmert sind, nach meiner Erfahrung sind Ziege, Hund, Kalb und Frosch zu empfehlen; zur Controlle habe ich einige Organe von Mensch, Ratte und Taube untersucht. Was die Färbung der Zellen anbetrifft, so zeigt sie, wie ich nochmals betonen muss, bei Anwendung einer grössern Reihe Farb- stoffe gegenüber dem Grundton eine ausserordentlich scharfe Nüan- eirung, die an Schönheit und Klarheit durchaus nicht der Färbung des Amyloid durch Methylviolett nachsteht. Man überzeugt sich mit Leichtigkeit, dass die Intensität der Färbung an den meisten Orten, hauptsächlich von dunkler dem Protoplasma eingelagerter Körnung herrührt, z. B. im Duodenum des Hundes. Der Kern der Zelle ist ungefärbt, selbst an Präparaten mit schönster sonstiger Kernfärbung. Die so erhaltenen Bilder erinnern sehr an die vonCohnheim gegebene Schilderung der Plasmazellen der Froschzunge; auch hier erscheint der helle Fleck nur durch Abwesenheit der Körnung charakterisirt, so dass man den Eindruck von Lücken im Zellkörper erhält. Ueber die Färbung der Grund- substanz ist es in vielen Fällen schwer ein Urtheil zu gewinnen; ich habe mich jedoch an einer Anzahl Präparaten von einer an- scheinend diffusen Färbung des Protoplasma überzeugt. Uebrigens begegnet man beim Frosch neben den geschilderten typischen Formen auch hie und da Plasmazellen mit blauviolettem Kern (Fig.5.) Den Grund dieser Erscheinung glaube ich nicht der Präparationsmethode 268 P. Ehrlich: zuschieben zu dürfen. An einer versilberten Fascia lumbo-dorsalis eines Frosches fand ich in dem ungefärbten Fleck einen länglichen, scharf contourirten Körper, der sich intensiv gefärbt hatte. (Fig. 1.) Cohnheim hat schon ein ganz ähnliches Verhalten erwähnt. Nach- träglich will ich noch bemerken, dass man durch Anwendung einer sehr stark essigsauren Dahlia-Lösung eine diffuse röthliche Färbung der Grundsubstanz neben einer schön roth-violetten der Kerne erzielt. Da, wie schon erwähnt, die Körnung der Tinetion so evident ist, lag der Gedanke, diese Färbung auf moleculares Fett zu be- ziehen, ziemlich nahe. Dass diese Frage von hohem Interesse ist, soll folgende Aeusserung Flemmings beweisen. »Es würde mich nicht wundern, wenn auf Grund des Waldeyer’schen Aufsatzes von irgend welcher Seite Angaben über massenhafte Plasmazellen an Gefässnetzen der Unterhaut und des Mesenteriums hervortreten wollten, weil es mir dann a priori klar sein würde, dass es sich um atrophische Fettzellen handelte«. Um diese Frage zu entscheiden, wurden sowohl ungefärbte als dahliagefärbte Präparate gut ent- wässert und 2!/; Stunden mit siedendem Aether, 3 Stunden mit siedendem Schwefelkohlenstoff und dann nochmals 2'/;, Stunde mit kochendem Aether behandelt. Die gefärbten Präparate liessen nach dieser Behandlung noch sehr gut die Plasmazellen erkennen; die andern Präparate zeigten nach Behandlung mit Dahlia die gewöhn- liche Färbung. Uebrigens gibt schon Kühne (Untersuchung über das Protoplasma) an, die im auffallenden Lichte glänzend weissen, bei durchfallendem Lichte trüben Plasmazellen des Froschbindege- webes vergebens auf Fett untersucht zu haben. Stelle ich die Gründe. welche gegen die Fettnatur der Körnchen sprechen, zu- sammen, so sind dies folgende: 1. Die negativen Resultate der Entfettung. 2. Das oben geschilderte Verschwinden der Körnung unter dem Einflusse starker Essigsäure. 3. Die differente Färbung des Fettes und der Plasmazellen (Dahlia, Uyanin). 4. Der Umstand, dass nach Härtung in doppelt chromsaurem Kali eine Tinction der Plasmazellen nicht mehr eintrat. Welcher Körper die Reaktionsfärbung hervorruft, kann ich nicht angeben, von seinen sonstigen Eigenschaften sind folgende constatirt. Er ist in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich, Alkalien scheinen ihn nicht anzugreifen, auch der Fäulniss widersteht er gut. Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen etc. 269 Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch folgende Thatsache er- wähnen. An einem mit Dahlia tingirten Durchschnitte eines vorsichtig entkalkten Humeruskopfes des Kaninchen, zeigten sich folgende Ver- hältnisse: die Grenzzone der Gelenkfläche war ganz ungefärbt, die darauffolgende Knorpelschicht war diffus und leicht roth-violett tingirt und setzte sich in einer scharfen Linie gegen eine bedeutend intensiver gefärbte schmale Zone ab, die neben einer diffusen, mässig starken Färbung der Grundsubstanz, eine starke körnige der Knor- pelkapseln aufwies. Die Begrenzung gegen den von Kölliker ge- schilderten verkalkten Knorpel war der obern Grenzlinie parallel ; letzterer sowie die Knochensubstanz waren nicht tingirt. Ich über- zeugte mich bald, dass der Knorpel erwachsener Thiere ausserordent- lich oft ein wenigstens ähnliches Verhalten zeigte, welches in gewissen Beziehungen an das bekannte Bild verkalkter Knorpel erinnert. Ich habe diese Verhältnisse am Trachealknorpel des Hundes, dem Femur- kopf der Ziege, sowie an dem Skleral-Knorpel der Frösche wieder- gefunden. Diese letztere Färbung des Knorpels zeigt in Bezug auf die Resistenz gegen Alkohol und der erhaltenen Farbennüance eine grosse Aehnlichkeit mit der Färbung der Plasmazellen. Besonders präg- _ nant habe ich mich an Cyanin-Präparaten von der identischen Farben- nüance überzeugt, jedoch zeigen auch die andern Farbstoffe die gleichen Verhältnisse. Auch Ranvier gibt an, dass Chinolinblau den Knorpel violett färbe, und dass diese Färbung der Einwirkung von Kalilauge widerstehe, während die von ihm beschriebene violette Kerntinetion unter ihrem Einflusse schwindet. Ein mit Chromsäure entkalkter Knorpel zeigt diese Verhältnisse nicht mehr. Ueber die Natur dieser die Färbungen bedingenden Körper, und eine etwaige Identität, gedenke ich noch weitergehende Untersuchungen anzu- stellen. Im Anschluss an die am Knorpel gewonnenen Erfahrungen drängt sich die Frage auf, ob die Färbung der Plasmazellen durch Dahlia etc. nicht nur ein nebensächliches, wenn auch häufiges Aceidens ist. Ich kann diese Frage nicht ohne weiteres als unberechtigt zu- rückweisen, da ich beim Frosch, allerdings sehr selten, ausserordentlich schwach gefärbte Plasmazellen gesehen habe, kann jedoch vorläufig noch nach keiner Seite hin eine entscheidende Thatsache vor- bringen. Bei der Bedeutung der Veröffentlichung Waldeyers hat es natürlich nicht an gegnerischen Stimmen gefehlt. So glaubt Ranvier, 270 P. Ehrlich: die Annahme von Plasmazellen durch die Bemerkung beseitigen zu können, dass man nicht alles, was im Bindegewebe liege, für Binde- gewebe halten dürfe, z. B. eine Muskelfaser. Auch Flemming glaubt, dass ein Theil der von Waldeyer herangezogenen Autoren atrophische Fettzellen vor sich gehabt hätten. Nach den Feststellungen von Waldeyer wurden die Plasma- zellen als grosse mehr rundliche Gebilde aufgefasst; Flemming sucht sogar ihre polyedrische Form und den Mangel an Ausläufern und Zusammenhängen mit andern zur Differentialdiagnose mit jungen Fettzellen zu benutzen. Nach meinen Erfahrungen zeigen die Plas- mazellen in Bezug auf die Grösse so bedeutende Differenzen , wie sie sich nur selten in der Histologie vorfinden, indem sie Exemplare von colossalem riesenzellenartigem Charakter bis zu den kleinsten zelligen Elementen herab aufweisen. Was den Frosch anbetrifft, so lassen sich die Verhältnisse sehr gut an Zerzupfpräparaten demonstriren. Man kann im Ganzen und Grossen 2 Typen unterscheiden, zwischen denen allerdings Ueber- gangsformen vorhanden sind. Die ersteGruppe umfasst die längst bekannten polyedrischen mas- sigen Zellen, wie sie besonders S. Mayer aus dem Sympathicus des Frosches geschildert hat (Fig. 6). Ich habe sie dort besonders gruppen- weis oder isolirt, an anderen Orten auch in den von Kühne geschilder- ten wurstförmigen Strängen vorgefunden; ihre kleinstenFormen sah ich in der Chorioidea. Ihr Tinktionsvermögen ist im allgemeinen ausseror- dentlich stark, so dass der Kern zum grössten Theile verdeckt zu sein pflegt. An einem Präparate aus dem Bindegewebe des Unterschenkels, wo ich mehrere solche Zellenreihen (Fig. 2) vorfand, fand ich ausser- dem einige massige Zellen mit 2 und 3 Kernen (Fig. 3); weiterhin waren darin noch Gruppen von je zwei sich dicht berührenden kleineren Zellen vorhanden. Durch die Bilder erhielt ich den Eindruck, dass die geschilderten wurstförmigen Körper aus einer in der Richtung der Gewebspannung erfolgenden Theilung entständen. Die zweite Gruppe sind Spindelzellen ; man findet sie sehr häufig, z. B. in der Muskulatur (Augenmuskeln Fig. 4), der Fascia lumbo- dorsalis (besonders reich in der Nähe der Muskelinsertionen) im Sympathicus, dem Bindegewebe der grossen Gefässe und noch an andern Orten (Fig. 1, 4, 7 und 8). Im Ganzen sind sie bedeutend grösser, als die zuerst beschriebenen Gebilde, sie färben sich aber weniger intensiv und zeigen auch keine Erscheinung von Kerntheilung. Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen et. 271 Die erwähnten, schwach gefärbten Zellen gehörten dieser Gruppe an. Was ihre Form anbetrifft, so bietet sie alle nur denkbaren Variationen der Spindelzelle,, von klumpigen kurzen @Gebilden findet man Uebergänge zu ausserordentlich langen, schmalen und sehr regelmässigen Formen. (Fig. 1, 4, 5 und 7). Zieht man in Betracht, dass der Kern und die umgebende Protoplasmamasse bald in der Mitte, bald an einem Ende der Zelle sitzt, dass, abgesehen von einer ursprünglichen Differenz des Calibers der Fortsätze, diese während ihres Verlaufes Verschmälerungen und Auftreibungen zeigen und ausserdem noch mannichfache Verkrümmungen eingehen, so kann man sich aus diesen Daten eine Fülle von Formen construiren. Hie und da trifft man eine Andeutung von 3 Fortsätzen, ohne dass jedoch der Typus der Spindelzelle dadurch beinträchtigt würde. Eine schön dreigetheilte Zelle habe ich einmal zwischen den Mus- kelfasern gefunden; während der Hauptstrang in dem Interstitium zweier Muskelfasern lag, wurden diese von den zwei Fortsätzen um- spannt. Diese Zellenart, besonders die längeren Formen zeigen eine Neigung, mit einander zu verschmelzen; es entstehen dann ausser- ordentlich lange Gebilde mit mehreren Kernen, die sich an den Ver- lauf der Capillaren anschliessen. Was die Form der Plasmazellen bei höheren Thieren (Ziege, Kalb, Hund etc.) anbetrifft, so ist es schwer, eine genauere Schil- derung zu geben. Abgesehen davon, dass die einzelnen Species schon an und für sich bedeutende Differenzen in Betreff der Grösse auf- weisen, variirt dieselbe auch bei demselben Individuum an den ver- schiedenen Orten ganz ausserordentlich. Neben rundlichen Formen zeigt sich auch hier die Neigung zur Entwickelung von ein bis zwei, oft sehr feinen Fortsätzen. Häufig erschienen die Zellen abgeplattet. Die Form der Zellen hängt, wie ich besonders hervorheben muss, in hohem Maasse von der Umgebung ab. Ich beschränke daher meine Bemerkungen auf 2 Punkte. Der erste, welcher eine Bestim- mung der Form (es handelt sich hiebei meistens um platte Zellen) oft illusorisch macht, besteht darin, dass die Körnungen sehr weit auseinander stehen; da von der Grundsubstanz in solchen Fällen nichts zu sehen ist, ist der Eindruck dieser Zellen durchaus nicht vertrauenerweckend. Jedoch lernt man bald, sie als Zellen anzuer- kennen, da Uebergänge zu den scharf definirten Plasmagebilden vor- kommen. Als solches möchte ich z. B. die Anwesenheit solcher un- 2372 - P. Ehrlich: regelmässigen Körnungen in der nächsten Nähe gut begrenzter Plas- mazellen erwähnen. ‘Als zweiten Punkt möchte ich hervorheben, dass man, ganz wie beim Frosch, auch bei den höheren Thieren, z. B. Kalb, Ziege Bilder antrifft, die auf ziemlich häufige Theilungsvorgänge schliessen lassen; ich erwähne als solche eingeschnittene Kerne, doppelte Kerne in einer Zelle, die auch ihrerseits Einkerbung zeigen kann, Zwillings- gruppen. Angioblastische Riesenzellen habe ich leider nicht unter- suchen können. Auf die angegebene Weise überzeugt man sich sowohl von der durch Waldeyer urgirten Allgemeinheit des Vorkommens der Plas- mazellen, als auch von einer jede Erwartung übersteigenden Reich- lichkeit ihres Vorkommens in einer Reihe wichtiger Organe, selbst- verständlich unter Voraussetzung der geeigneten Thierspecies. Es bietet sogar ihr Nachweis in den einzelnen Organen viel weniger Interesse, als die Constatirung ihrer Abwesenheit. Für das Studium des lamellären Bindegewebes kann ich neben ‚der Untersuchung der Dura und des Mesenterium die verschiedenen membranösen Kapseln drüsiger Organe empfehlen (Serosa der Leber, Kapsel der Thymus). Auch die Choroidea enthält beim Frosch, Kaninchen und Hund constant Plasmazellen. An diesen Orten con- statirt man ganz beträchtliche Differenzen im Habitus der einzelnen plasmatischen Gebilde; während im Mesenterium und der Dura der Ratte grosse rundliche Zellen vorhanden sind, findet man in der Serosa der Kalbsleber eine ungeheuere Anhäufung protoplasmaärmer, an den Typus der platten Bindegewebszellen erinnernder Formen, und in der Kapsel der Kalbsthymus neben andern auch Elemente, die den Lymphkörperchen sehr ähneln. Während die Plasmazellen des Mesenterium sich fast ausschliesslich dem Verlauf der Gefässe anschliessen, konnte ich diese Anordnung an den beiden andern er- wähnten Orten nicht wiederfinden. Wie allgemein bekannt, hat Waldeyer zuerst die perivasculäre Lagerung als eine oft vor- handene Eigenthümlichkeit dieser Gebilde hingestellt. Diese Grup- pirung ist nicht das einzige geltende Anordnungsschema, jedoch ohne Zweifel das am weitesten verbreitete. An Präparaten aus dem Binde- gewebe der Organe, z. B. der Submucosa des Darmes überzeugt man sich häufig von der durch Waldeyer betonten Eigenschaft, sich mit Vorliebe an den Verlauf der Arterien zu halten; jedoch finden sich auch in einzelnen Organen die Plasmazellen um Venen Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen etc. 273 und Capillaren auf’s Reichlichste ausgebildet. Für einen Zusammen- hang dieser Elemente mit der Gefässvertheilung im allgemeinen kann man vielleicht die folgenden Thatsachen heranziehen, dass die Aorta (Hund) und die grossen Nervenstämme, deren Ernährung — wenig- stens in Bezug auf die Circulation des Blutes — eine ziemlich un- günstige ist, nur ausserordentlich wenig Plasmazellen aufweisen; ein gleiches gilt von der Sclera. Im Gegensatz hiezu findet man in dem intervasculären Gewebe des Plexus pampiniformis (Hund) sehr zahlreiche, schön entwickelte derartige Gebilde, die in Haufen von 20, 30, 40 und mehr angeordnet sind. Auf Einzelheiten komme ich später noch zurück. Was das Fettgewebe anbetrifft, so habe ich darüber nur zıemlich spärliche Erfahrungen (Fettkapsel der Mesenterialdrüse des Hundes und der Nebenniere der Ziege, Zunge des Hundes); ich finde die Plasmazellen besonders an den Bindegewebssepten und den Gefässen lokalisirt ; jedoch sehe ich sie auch zwischen den Fettzellen. Ein sehr interessantes Verhalten constatirte ich in der Parotis einer Ziege; es fanden sich hier isolirte intensiv gefärbte Fettzellen vor, in deren unmittelbarster Nähe ich sehr häufig schön entwickelte Plasmazellen vorfand. Aus dem bis jetzt Gesagten ist ersichtlich, dass ich an den von Waldeyer erwähnten Orten — soweit ich sie untersucht habe — der Form und der Vertheilung nach Plasmazellen durch Dahlia-Färbung wiedergefunden habe; wenn ich nun auch Elemente, die in Bezug auf Grösse, Aussehen und Vertheilung grosse Diffe- renzen aufweisen, als Plasmazellen bezeichne, so geschieht dies: 1) auf Grund von Uebergangsform; 2) in Rücksicht auf die so scharf charakterisirte Färbung (Farben- nüance, ungefärbter Kern). Vom chemischen Standpunkte aus ist gewiss diese Reaktions- nüance viel bestimmender als die in der Histologie vielfach ange- wandte Reduktionsfähigkeit, z. B. von Goldsalzen. Interessante Verhältnisse habe ich beim Hund am Magen und dem Darmtractus constatiren können. Man überzeugt sich, dass diese Organe Plasmazellen in reichster und schönster Vertheilung aufweisen. Dicht auf der Muscularis mucos. liegt im Duodenum des Hundes eine Schicht sehr kleiner, unregelmässiger, oft Doppelformen zeigender Plasmazellen, die in Bezug auf Zellenreichthum dem cyto- genen Gewebe nicht nachstehen. Diese Schicht, die sogar eine drei- 274 P. Ehrlich: fache Uebereinanderlagerung zeigen kann, ist oft ausserordentlich scharf ausgesprochen. Die nach oben folgende Lage des Stromal- gewebes ist sehr arm an Plasmazellen, die sich erst in der Höhe der Insertion der Lieberkühn’schen Drüsen, und zwar in merk- würdig verzwickten Formen einstellen. Ohne im interglandulären Gewebe ganz zu fehlen, halten sich die Plasmazellen doch haupt- sächlich an die Membrana propria der Lieberkü hn’schen Schläuche, der sie als platte, bald rundliche, bald spindelige Elemente in regel- mässiger Vertheilung anliegen. Auf diesem Wege gelangen sie in das Gewebe der Zotte, um dort eine reiche Entwickelung zu er- langen. Während sie im Parenchym der Zotte fast ganz fehlen, condensiren sie sich unterhalb der Grundmembran zu einer zellenreichen, scharf ausgesprochenen Schicht. Den hier nahe liegenden Ausdruck »Mantel« vermeide ich in Rücksicht darauf, dass Plasmazellen hier und an allen Orten, wo sie der Fläche nach geordnet sind, nie eine endo- thelartige Verbindung eingehen, sondern sich immer isolirt erhalten. Die Plasmazellen der Zotte sind natürlich platte protoplasmaarme Gebilde, deren Grösse ebenso wie die Reichhaltigkeit der Vertheilung gewissen, ziemlich bedeutenden Schwankungen unterworfen ist. Ich brauche jetzt kaum zu erwähnen, dass ihr Habitus durchaus nicht an lymphoide Elemente erinnert. Diese Thatsache ist für die Entschei- dung der Frage von Werth, ob man die Plasmazellenschicht der Zotte nicht mit einer Ausbreitung gewöhnlicher Bindesubstanz in Zusammenhang bringen könnte. Was die übrigen Schichten des Darmes anlangt, so zeigen sich sämmtliche Lagen von der Muscularis mucos. bis zur Serosa herab aufs Reichlichste von Plasmazellen durchsetzt. In Bezug auf die Anordnung in der Muscularis bemerke ich nur, dass sie sich an den Verlauf der gröberen und feineren Bindegewebssepten hält. Diese Verhältnisse sind am schönsten in den obersten Partien. des Darm- tractus ausgesprochen, sowohl in Bezug auf die reiche Anzahl, als auch in Rücksicht auf die intensive körnige Färbung der einzelnen Zellen; am Ende des Ileum findet man — von dem follikulären Apparat abgesehen — die Zellen in allen Schichten spärlicher und in ziemlich difiuser, abgeblasster Färbung. Das gleiche gilt in noch höherem Maasse vom Dickdarm. Die Wand der Gallenblase zeigt ähnliche Verhältnisse wie der Darm. Vom Magen (Hund) habe ich nur die Mucosa untersucht; sie zeigt Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen etc. 375 reichliche, mässig intensiv. gefärbte Zellen in derselben Anordnung wie um die Lieberkühn’schen Schläuche. Ich komme jetzt zur Betrachtung einer Gruppe von Organen, die dem Iymphatischen Systeme angehören und Verhältnisse von hoher Wichtigkeit aufweisen. Ich habe vom Hunde die Tonsille, die Peyer’sehen Plaques, die Mesenterialdrüsen und dieMilz unter- sucht, sowie die Thymus des Kalbes. In allen genannten Organen findet man Plasmazellen, die vollständig den Charakter von Lymph- körperchen haben; Formen von abweichendem Typus, z. B. mit Fort- sätzen finden sich nebenbei in der Mehrzahl der Organe, stellen je- doch nur Uebergangsformen dar. Was die Färbung der Iymphoiden Plasmazellen anbetrifft, so ist sie an den Organen, wo sie reichlich vorkommen (Thymus, Peyer’sche Plaques), ausserordentlich intensiv. In den Follikeln der Tonsille, wo sie nur höchst vereinzeltsich zeigen, fand ich sie nur schwach tingirt. Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass mir eine grosse Tinktionsfähigkeit auf günstige Vegetationsverhält- nisse der Zellen hinzudeuten schien. Diese lymphoiden Plasmazellen kommen in einigen dieser Organe ganz isolirt vor, z. B. in der Tonsille; in vielen Fällen überzeugte ich mich dort, dass sie einem Gefässe aufsassen. An Orten, die reichlich Iymphoide Plasmazellen aufweisen, bemerkt man eine Neigung dieser Gebilde, sich dicht an- einander zu legen und Gruppen zu bilden, die bei grosser Ausbil- dung vollständig, wie ich hervorhebe, an den Charakter des reti- culirten Bindegewebes erinnern. In den Follikeln der Peyer’schen Plaques fand ich diese Haufen nur wenig zellenreich, dagegen er- reichen sie in der Kalbsthymus eine ganz ausserordentliche Entwicke- lung und enthalten sehr viele Zellen. Die Frage, ob diese An- häufungen an das Gefässsystem gebunden seien, konnte ich an meinen uninjieirten Präparaten noch nicht entscheiden; jedoch habe ich in der Thymus- und der Mesenterialdrüse Capillaren gesehen, die ziem- lich dicht mit Iymphoiden Plasmazellen bedeckt waren. Ueberhaupt muss ich noch nachträglich erwähnen, dass die Infiltration mit Plas- mazellen nie einen diffusen, sondern eher einen netzförmigen Charakter zeigt, der besonders in den letztgenannten Organen deutlich ist. Von sonstigen Einzelheiten will ich nur erwähnen, dass die Ver- theilung der Plasmazellen in den Follikeln der Peyer’schen Plaques eine sehr ungleiche ist, indem sie in der Richtung zum Darmlumen hin abnehmen, resp. verschwinden. In ihren unteren Partien er- weist sich das Centrum als am meisten begünstigt, ein Ver- 276 P. Ehrlich: hältniss, welches sich auch in den Follikeln des Thymus wieder- findet. In der Leber des Hundes liegen ächte Plasmazellen auch in dem secernirenden Parenchym (Fig. 9). Ihrer Form nach ent- sprechen sie den Elementen, die sich in reichster Entwickelung um die grösseren interlobulären Venen vorfinden, auch um die Vena centralis vermisse ich sie nie. Die Vertheilung der Zellen im Acinus ist keine regelmässige; die centralen und peripheren Partien scheinen mir bevorzugt. Beim Kaninchen sind diese Verhältnisse etwas anders. An Dahliapräparaten finde ich neben’ der exquisit körnigen Färbung der sehr spärlichen Plasmazellen des Bindegewebes auch die sogenannten »Sternzellen« tingirt, wenigstens glaubte Prof. Wal- deyer in einigen meiner ihm vorgelegten Präparate diese von Kupffer jüngst (dieses Arch. XII) entdeckten Gebilde zu erkennen. Die Färbung dieser Zellen ist diffus, anscheinend aber in dem charakteristischen Reaktionston; der Kern ist auch bei ihnen unge- färbt. Ich möchte also der Ansicht Kupffers beistimmen, dass die Sternzellen der Leber zu den Plasmazellen zu rechnen seien. Was das Verhalten der übrigen drüsigen Organe anbetrifft, so findet man folgende Verhältnisse: Im Pancreas (Hund) zeigen sich Plasmazellen nur in dem gröberen Bindegewebe und zwar in der Nähe der Gefässe und der Ausführungsgänge. In anderen drüsigen Organen dringen die Plasmazellen viel weiter in das secernirende Parenchym, indem sie sich an die Mem- brana propria des Acinus anlegen (Parotis des Hundes, Mamma und Thyeroidea der Ziege). Sehr schöne Bilder gewährt die Parotis der Ziege, in welcher die kleinsten Ausführungsgänge mit grossen Plas- mazellen belegt sind, deren Anordnung — das Prinzip der Discon- tinuität vorausgesetzt — die dichtmöglichste ist. In der Trachea fand ich kleine, ziemlich reichliche Plasma- zellen in der subepithelialen Schicht; in der Lunge (Hund) fand ich Plasmazellen sowohl in der Umgebung der Gefässe und Bronchien als auch in der Wand der Alveolen. In der Muskulatur, sowohl der glatten als der quergestreiften, fand ich constant Plasmazellen (wenigstens beim Hund). Ich habe noch in einer Reihe von Organen diese Zellen con- statiren können, z. B. der Haut (Ziege), Uterus (Ziege), Zunge (Hund) etc. Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen etc. 277 In der Niere (Hund) sind die Plasmazellen sehr selten, ich sah sie nur, und auch dann sehr spärlich, in der Nähe von gröberen Gefässen; ein gleiches gilt vom Gehirn des Hundes. Ganz vermisst habe ich sie bis jetzt nur in folgenden Organen, Nebenniere (Hund, Ziege, Kaninchen), Hoden (Hund) und Hypophysis (Ziege). Die interstiellen Zellen des Hodens waren nicht gefärbt, Diese Befunde würden zunächst gegen die Annahme Waldeyers sprechen, dass Parenchymzellen der Nebenniere und die Zwischensubstanz des Hodens den Plasmazellen zuzurechnen seien. Ob solche Zellgruppen neben den oben beschriebenen Plasmazellen in der Mamma und den Speichel- drüsen vorkommen, wie es von Brunn angiebt, kann ich nicht entscheiden. ii Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass diese Zellen auch bei denselben Thierarten Schwankungen zeigen, deren Studium viel- leicht manches interessante, pathologisch-anatomische Resultat er- geben würde. Erklärung der Figuren auf Tafel XXI. Fig. 1. Zelle aus der versilberten Fascia jumbo-dorsalis des Frosches. Fig. 2. Zellenhaufen aus dem Bindegewebe des Unterschenkels vom Frosch. Fig. 3. Mehrkernige Zellen von demselben Ort. Fig. 4. Muskelfaser des Frosches (Augenmuskeln). Fig. 5, 6, 7. Zellen aus der Nähe des N. sympathicus (Frosch). Fig. 8. Gefässe aus der Submucosa des Duodenum (Hund). Fig. 9. Interacinöse Plasmazellen der Leber (Hund). Fig. 10. Basis einer Zotte (Duodenum des Hundes). (Fig. 4, 8 und 10 sind mit Zeiss DD, Oc. 2 von Herrn Maler Lerch gezeichnet, alle anderen Präparate sind mit einem starken Objectiv von Gund- lach gezeichnet und ungefähr 3mal vergrössert. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 18 Ueber die sogenannte ungestielte Hydatide des Hoden. Von W. Waldeyer. Das jüngst erschienene Heft der Zeitschrift für Anatomie und Entwickelungsgeschichte von W.His und W.Braune (Bd. II. p. 128) bringt eine Mittheilung von Roth über die ungestielte Hydatide des Hoden, welche mich nöthigt, die Ergebnisse meiner bereits im Jahre 1871 über diesen Gegenstand angestellten und neuerdings wieder aufgenommenen Untersuchungen hier wiederzugeben. Roth sagt, 1. c. p. 128: »Neuerdings ist nun von Fleischl (Centralbl. f. die med. Wisschensch. 1871, Nro. 4) eine wesentlich andere Deutung der ungestielten Hydatide versucht worden, der auch bereits Waldeyer (bei Fleischl in Strickers Handbuch II. 1872, 8.1236) und W. Krause (inC. Krause’s Handbuch I. 1876, S. 265) zugestimmt haben« etc. — und weiterhin ibid: »Indem Fleischl das Flimmerepithel mit dem Keimepithel, das Bindegewebe mit dem Stroma des Eierstockes und die Epitheleinstülpungen mit ähnlichen Vorkommnissen am Eierstock parallelisirt, gelangt er dazu, die Morgagnische Hydatide als ein Analogon des embryonalen Eier- stocks aufzufassen, und bezeichnet sie als Ovarium masculinum. Den gegen die Basis der Hydatide führenden, mit Cylinder-(Flimmer?) epithel ausgekleideten Kanal hält er für das Analogon der Tube des Weibes«. Roth hat also offenbar, wie aus obigen Worten hervorgeht, die Darstellung Fleischls (Strickers Handbuch der Gewebelehre), soweit sie meines Antheils an der Untersuchung dieses Gegenstandes gedenkt, dahin aufgefasst, als ob ich ebenso wie Krause, einfach der von Fleischl im Centralblatte f. d. med. Wissenschaften ausge- sprochenen Ansicht, die Hydatide sei das Homologon des Eierstockes, Ueber die sogenannte ungestielte Hydatide des Hoden. 279 zustimme. Das ist aber der Hauptsache nach durchaus nicht der Fall. Allerdings konnte das Roth aus der etwas unbestimmt ge- haltenen kurzen Mittheilung Fleischls in Strickers Handbuch auch nicht entnehmen. Da nun aber einmal, offenbar in Folge der Kürze der Fleischl’schen Mittheilung, Missverständnisse bezüglich meiner Auffassung vorliegen, und da sich jüngsthin W. Krausel.c. wieder ganz positiv im Sinne eines Ovarium masculinum ausgesprochen hat, so finde ich mich veranlasst, auf die Resultate meiner Unter- suchungen über die Bedeutung und Entwickelung der Anhangsgebilde desHodens, soweit sie die ungestielte Hydatide betreffen, etwas ein- gehender zurückzukommen. Meine auf die eitirte erste Mittheilung Fleischls hin an Letzteren gerichtete briefliche Mittheilung sprach sich bereits ganz bestimmt gegen die Deutung der in Rede stehenden Hydatide als eines Ovarium masculinum aus. Ich hatte damals den Nachweis des Flimmerepithels bestätigen können, fand aber bald den kurzen Kanal, den Fleischl inzwischen auch gesehen hatte (Striekers Hand- buch, p. 1236 Anm.) und kam zu dem Resultate, dass die Hydatide selbst nicht dem Eierstocke, sondern vielmehr der pars infundibuli- formis Tubae homolog sei, jener kurze Canal aber als ein Rudiment des Tubenkanals aufzufassen sei. Fleischl hat nun, wie aus seiner Publikation in Strickers Handbuch hervorgeht, diese Auf- fassung des Canais acceptirt, lässt sich aber auf eine bestimmte Deutung der Hydatide selbst nicht ein, wenn er auch die Beziehung »ovarium masculinum« nicht mehr in Anwendung bringt. Auf Anlass der ganz bestimmt lautenden W. Krause ’schen Deutung habe ich in letzter Zeit meine diesbezüglichen Unter- suchungen wieder aufgenommen und kann als Ergebniss derselben hier mittheilen, dass ich meiner früheren (1571) an Fleischl brieflich mitgetheilten Ansicht durchaus treu bleiben muss. Demnach ist der Körper der ungestielten Hydatide ein Homologon der parsinfundibuliformis Tubae, und der kurze Canal, falls ein solcher existirt, was nicht allemal der Fall ist, das Homologon eines Stückes des anstossenden Tubenganges. Dafür sprechen die einfache anatomische Unter- suchung sowie die Entwickelung des Gebildes. Auf das Flimmer- epithel möchte ich nicht so hohes Gewicht legen, obgleich ich keines- wegs der Ansicht bin, dass die von E. Neumann erwähnten Be- funde (siehe Arch. für mikrosk. Anatomie XII p. 570) die Ver- 380 W.Waldeyer: Ueber die sogen. ungestielte Hydatide des Hoden. werthung solcher verschiedener Epithelformen illusorisch machten. Wir finden aber gar nicht selten, dass die ungestielte Hydatide — man untersuche an sorgfältigausgespannten Präparaten unter Wasser — vollkommen einem Tuben-Pavillon en miniature gleicht, mit kleinem Trichter, der in den erwähnten Canal übergeht, und — was das Massgebende ist — die Entwickelung dieses Anhanges vollzieht sich in derselben Weise, wie es für die morphologisch gleichwerthigen Theile der Tube bekannt ist. Demnach atrophirt also der M üller’sche Gang bei männlichen Individuen auch in seinem obersten Abschnitte nicht vollkommen, sondern es erhält sich die ursprüngliche Anlage des Tubentrichters und wächst sogar, wenn auch in viel geringerem Maasse, zu einer Art Pavillon aus. Wie die blasenförmige gestielte Hydatide entstehe, darüber kam ich bis jetzt zu keinem sicheren Ergebnisse. Gegen die obige Deutung kann man die älteren Befunde Beckers und Luschka’s, wie es Roth gethan hat, nicht anführen ; denn es ist sehr leicht möglich, dass bei der nahen räumlichen Beziehung, in welcher die Anlagen des Nebenhoden und des Müller’schen Ganges zu einander stehen, beiderlei Canäle dann und wann im Laufe der Entwickelung eine secundäre Communication eingehen. Ich habe übrigens eine solche Communication niemals angetroffen ; auch scheint Roth eine solche selbst nicht beobachtet zu haben. Es ist auch schwer zu sagen, ob das, was von den verschiedenen Autoren als ungestielte IIydatide beschrieben worden ist, immer dasselbe Gebilde war. Ich beschränke mich hier auf diese kurzen Mittheilungen, deren nächster Zweck es ist, meine Auffassung in dieser immerhin ein ge- wisses embryologisches und vergleichend anatomisches Interesse be- anspruchenden Frage klar zu legen und damit ferneren Missver- ständnissen vorzubeugen. Zur feineren Anatomie und Physiologie der Speichel- drüsen, insbesondere der Orbitaldrüse. (Aus dem physiologischen Institute zu Breslau.) Von Dr. M. Lavdowsky aus Petersburg. 2 Hierzu Tafel XXII, XXIH und XXIV. In vorliegender Abhandlung sollen eine Reihe successiver Be- obachtungen über die morphologischen Vorgänge an den ihr Secret in die Mundhöhle absondernden Drüsen bei ihrer gewöhnlichen, vorzugsweise aber bei jener durch Reizung der secretorischen Nerven hervorgerufenen Thätigkeit vorgelegt werden. Dass jedes vergleichende Studium der Structurverhältnisse an thierischen Organen in ihren mannigfaltigen physiologischen Zu- ständen von der allergrössten Wichtigkeit ist, unterliegt natürlich nicht dem geringsten Zweifel. Selbstverständlich ist eine derartige »mikrophysiologische« Methode, besonders wenn man eine gleich- zeitige Anwendung der mikroskopischen Beobachtung und des phy- siologischen Experiments im Auge hat, nicht auf allen Gebieten des Organismus möglich: auf manchen von ihnen ist die ausser- ordentliche Feinheit der morphologischen Erscheinungen für unsere Instrumente bis jetzt unerreichbar; so viel steht indessen doch fest, dass in einigen Organen die erwähnten Erscheinungen deutlich genug sind, um mehr oder minder sicher erforscht werden zu können. Solche Organe sind unter andern die meisten Drüsen des thierischen Körpers. 282 M. Lavdowsky: Die Beobachtungen von R. Heidenhain!) haben bekanntlich erwiesen, dass man an der Structur dieser Organe je nach ihrem physiologischen Zustand sehr wesentliche, in einigen Fällen sogar überaus scharf ausgeprägte Veränderungen, die noch dazu mit un- abänderlicher Regelmässigkeit und beständig wiederkehren, beob- achten kann. Am auffallendsten sind nun diese Erscheinungen an den Organen, die ich hier behandeln will, an den Schleimspeichel- drüsen. Schon beim ersten Versuch, den ich mit Letzteren im physiologischen Institute zu Breslau anstellte, zeigten sich die zu erörternden Veränderungen mit überraschender Klarheit: sie waren so augenscheinlich, dass sie mitunter (in den höchsten Stadien der Reizung) das typische Bild des Organs gänzlich umgestalteten. Wenn auch indessen die Erscheinungen, die so augenschein- liche Veränderungen hervorrufen, in der That verhältnissmässig leicht zu beobachten sind, so kann man darum doch noch lange nicht behaupten, dass sie völlig erforscht und an allen angegebenen, wie auch an den gewöhnlichen Schleimdrüsen geprüft worden wären. Und andererseits, wie klar auch die von R. Heidenhain beschrie- benen morphologischen Vorgänge der gereizten Drüsen sein mögen, so lässt sich doch ebensowenig leugnen, dass sie als physiologische Erscheinungen in der Wissenschaft noch nicht völlig aufgeklärt sind. So giebt es z. B. eine Untersuchung von Ewald?), in welcher er diese Vorgänge in ganz anderem Lichte darzustellen sucht. Fast in eben demselben Sinne spricht sich, was ihre Entstehung betrifft, Pflüger), zum Theil auch Ebner ®) aus. Diese interessante Frage einer möglichst genauen Prüfung zu 1) a. R. Heidenhain, Beiträge zur Lehre von der Speichelabson- derung. Studien d. physiolog. Instituts zu Breslau IV, 1868. b. Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Arch. für mikro- skopische Anatomie, VI. Bd. S. 368. c. Mikroskopische Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Nieren. Dasselbe Arch. X. Bd. S.1. d. Beiträge zur Kenntniss des Pancreas. Pflüger’s Arch. f. Physio- logie, X. Bd. 8.557. 2) Ewald. Beiträge zur Histologie und Physiologie der Speichel- drüsen des Hundes, Inaug.-Dissert., Berlin, 1870. 3) Pflüger in Strieker’s Gewebelehre 8. 329 (Capit. üb. d. Speichel- drüsen). 4) Ebner. Die acinösen Drüsen der Zunge, Graz, 1873. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 283 unterziehen und auch an den bisher in dieser Hinsicht noch nicht erforschten Drüsen zu untersuchen, ist das nächste Ziel unserer Abhandlung. Doch bevor ich daran gehe, halte ich es für nothwendig die Resultate meiner Untersuchungen in Betreff des Drüsenbaues aus- führlich darzulegen, da ohne solche Auseinandersetzung die weiter- hin besprochenen Abweichungen von jenem Bau, wie sie sich zum Theil an ruhenden, besonders aber an gereizten Drüsen finden, nicht völlig verständlich wären. Erklären wir das mit ein paar Worten. Ich erwähnte soeben meine Absicht, die Abweichungen vom gewöhnlichen Bau der »ruhenden« Drüsen zu besprechen (»ruhend« will ich hier der Kürze wegen die Organe im Zustande ihrer ge- . wöhnlichen Thätigkeit nennen im Gegensatz zu den künstlich, in Folge directer oder reflectorischer Reizung secernirenden Drüsen). Im Verlaufe meiner Untersuchungen bin ich nämlich zu dem Er- gebniss gelangt, dass auch in völlig normalem Zustande das Drüsen- gewebe stellenweise in seinem Bau überaus beachtenswerthe Eigen- thümlichkeiten aufweist. Diese Eigenthümlichkeiten, schon an und für sich interessant als ein Factum, das den Forschern — mit Aus- nahme eines einzigen (R. Heidenhain, op. eit. 1a, 8.58) — ent- gangen ist, sind für uns auch darum noch von der grössten Wich- tigkeit, weil sie eine Uebereinstimmung mit den Anfangsphasen der Erscheinungen, wie man sie auch an gereizten Drüsen beobachten kann, aufweisen. Ein fernerer Grund, auf den Bau der ruhenden Drüsen ein- zugehen, liegt darin, dass ich die Resultate meiner Untersuchungen vorzugsweise um eine noch wenig erforschte Drüse, nämlich die »Orbitaldrüse«, gruppire und somit nothgedrungen eine vergleichende Beurtheilung des Baues der verschiedenen Speicheldrüsen werde an- stellen müssen; denn die genannte Drüse bietet zwar bei gewis- sen Thieren alle Eigenschaften der gewöhnlichen Speicheldrüsen, nichtsdestoweniger aber auch einige sehr merkliche Verschieden- heiten. I. Bau der ruhenden Drüsen. Ich werde mir erlauben, meine Auseinandersetzung mit einer kritischen Bemerkung über die übliche Classification der Speichel- drüsen zu beginnen, da in der Beziehung keine Einigkeit in der Wissenschaft herrscht. 284 M. Lavdowsky: Während die Physiologen unter der allgemeinen Bezeichnung »Speicheldrüsen« mindestens die Gruppe der drei grossen Drüsen- organe: Submaxillaris, Sublingualis und Parotis, verstehen, rechnen umgekehrt einige Anatomen, wie z. B. Henle!), nur die Parotis zu der Abtheilung der Speicheldrüsen, indem sie die zwei ersten Organe einfach Schleimdrüsen benennen. Der Ausgangspunkt für eine solche Auffassung war für Henle der Umstand, dass seiner Meinung nach die Parotis um ihres Baues und des von ihr abgesonderten Secrets willen als ein »speeifisches« Organ gerechnet werden muss im Vergleich mit den andern der genannten grossen Drüsen (Submaxillaris, Sublingualis); die Letz- teren aber sollen mit den bekannten Mundhöhlenschleimdrüsen iden- tisch sein und als solche nur »gewöhnliche« Drüsen vorstellen. Doch finden sich eine Menge Thatsachen, die einerseits einer derartigen Anschauung der Anatomen widersprechen, andererseits, ohne die obenerwähnte Einheit zu stören, uns zu einer etwas abweichenden, rationelleren Eintheilung berechtigen. Von derartigen Facten, die der Auffassung der Anatomen widersprechen und die Grundlage der von mir behaupteten These bilden, will ich zunächst folgende drei als die hauptsächlichsten anführen: 1) Eine Specifieität der Parotis kann auf keinen Fall zugestanden werden, da es unter den gewöhnlichen (Mundhöhlen-)Schleimdrüsen auch solche giebt, die nach ihrem Bau und zum Theil auch nach dem Secret, das von ihnen abgesondert wird, sich im Wesentlichen durch Nichts von der Parotisdrüse unterscheiden (die »serösen« Drüsen der Zunge, s. unten). 2) Umgekehrt findet sich unter den grossen Schleimdrüsen ihrerseits eine (die Submaxillaris des Menschen), die keineswegs eine blosse Schleimdrüse genannt werden kann. 3) Mögen auch die gewöhn- lichen Schleimdrüsen den grossen schleimabsondernden Drüsen äus- serlich ähnlich sein, so unterscheiden sie sich dennoch nicht unbe- deutend von einander. — Endlich passt Henle’s Auffassung auf die Speicheldrüsen der Thiere durchaus nicht (vgl. unten die Sub- maxillaris des Kaninchens u. and. derartiger Thiere). Indem ich mich also auch an die von Henle vorgeschlagene Eintheilung nicht halten kann, wähle ich eine andere, deren Grund- prineip zum Theil bereits in der Anatomie vorliegt, zum Theil von mir näher erläutert werden soll. 1) Henle. Systematische Anatomie, 1873 (Eingeweidelehre S. 137). Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 285 Ausgehend von den Untersuchungen A. Heidenhain’s!), die auch Henle nicht unbekannt waren, und den an diese sich an- schliessenden von Ebner (op. eit.), deren Beobachtungen in Betreff der serösen Drüsen ich durchaus bestätigen kann, bin ich zu der Ansicht gelangt, dass gegenwärtig die Anatomie die ihr Secret in die Mundhöhle absondernden Drüsen in folgende zwei Gruppen zu scheiden hat: die eine davon ist jene ganze Reihe der gewöhn- lichen Schleimdrüsen (Mundhöhlschleimhautdrüsen im engeren Sinne, Zungendrüsen etec.), als deren Repräsentant die Submaxillaris des Hundes (oder die Sublingualis des Menschen) dienen kann. Die zweite Gruppe der Drüsen bilden diejenigen, deren einen Vertreter zuerst A. Heidenhain in der Nasenschleimhaut genau beschrieben hat, die von ihm sogenannten serösen Drüsen, welche ihrem Bau nach der Parotis des Menschen (und anderer Säugethiere) überaus ähnlich sind. Das Secret der Drüsen der ersten Gruppe besteht in der That hauptsächlich aus Schleim, ihr Bau aus den charakteristischen Zellen, die diesen Schleim enthalten; doch darf man dabei nicht vergessen, dass ausser diesen Elementen zu den Bestandtheilen des Gewebes der grossen Schleimdrüsen in nicht geringerer Quantität Elemente anderer Art (die Zellen der Halbmonde) gehören, die einen proto- plasmatischen Charakter tragen und deren Bedeutung man bei der Untersuchung auf keinen Fall unberücksichtigt lassen darf. Diese letzteren Elemente fehlen der Mehrzahl der gewöhnlichen Schleim- drüsen und finden sich nur ausnahmsweise in einigen von ihnen und auch das nur an einigen Thieren. Das Secret der Drüsen der zweiten Gruppe dagegen enthält keine Spur von Schleim und demgemäss fehlen auch ihrem Gewebe durchaus die Schleimzellen, indem dieses ausschliesslich aus proto- plasmatischen Elementen besteht. Ueberdies entsprechen diese Ele- mente nicht ganz denen, die ich soeben als einen der Bestandtheile der Schleimspeicheldrüsen erwähnt habe, sondern müssen als Zellen, die nur der serösen Drüsengruppe angehören, betrachtet werden. Verweilen wir jetzt einen Augenblick bei unserer Classification der Drüsen in zwei Gruppen. Schon aus dem Gesagten wird uns klar, wie gross der Unter- 1) A. Heidenhain. Ueber die acinösen Drüsen der Schleimhaut, insbesondere der Nasenschleimhaut. Inaug.-Dissert., Breslau 1870. 286 M. Lavdowsky: schied zwischen den beiden Gruppen ist; weiter unten werden wir uns noch mehr davon überzeugen. Doch müssen wir gleich hier eines Umstandes gedenken, welcher vielleicht als widersprechendes Factum gegen die von uns vorgeschlagene Eintheilung angeführt werden könnte. Aus den Beschreibungen einiger Autoren (Boll u.a.) hatte sich zum Theil die Erkenntniss ergeben, dass beim Men- schen die oben erwähnte Unterkieferdrüse gemischten Baues existirt. Und wirklich besteht sie, wovon man sich an jedem beliebigen Object überzeugen kann, zum Theil aus schlei- migen, zum Theil aus protoplasmatischen Elementen, welche den Zellen der serösen Drüsen durchaus entsprechen !). Einem solchen Factum gegenüber könnte der von uns oben bezeichnete Unter- schied zwischen den beiden Drüsengruppen zum Theil schwinden und man könnte vielleicht an eine dritte, zwischen beiden liegende Gruppe von Drüsen, an eine »schleimig-seröse« Drüsengruppe, denken; doch gegen eine solche Auffassung sprechen die einfachsten Erwä- gungen und vor allem die Art der Beziehungen der Schleimdrüsen zu den serösen. Verfolgt man die Vertheilung der Drüsen beiderlei Art im Organismus der verschiedenen Thiere, so bemerkt man leicht eine im höchsten Grade interessante Thatsache, nämlich die, dass die Drüsen der zweiten Gattung nicht selten sich neben denen der ersten Art finden. So finden sich in der Nasenschleimhaut (A. Heidenhain, op. cit.) und nach den oben- eitirten Angaben von Ebner auch in der Zunge an bestimmten Stellen dieses Organs, wie ich es ebenfalls gefunden habe, und zwar an den verschiedensten Säugethieren, an Katzen, Hunden, Kälbern u. a. m. bis zum Menschen inclusive, neben den Schleimdrüsen beständig auch seröse. Hier und da liegen sie sogar in unmittelbarer Berüh- rung mit den Schleimdrüsen und haben im Vergleich mit ihnen einen so ausgeprägten Charakter, dass man sich nur darüber wun- dern kann, wie diese Thatsache vor der Untersuchung A. Heiden- hain’s der verdienten Beachtung* entgangen ist. Am schärfsten und sichersten kann die Verbreitung der Drüsen beiderlei Art an der Zunge des Kaninchens beobachtet werden. Dieselbe Erschei- l) Fr. Boll führt in seiner Abhandlung »über die Bindesubstanz der Drüsen« (Arch. f. mikr. Anat. V. Bd. S. 347) die Submaxillaris des Meer- schweinchens als einen solchen Bau an. Ich kann aber leider diese seine Angabe nicht bestätigen. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 287 nung, nur nicht in so ausgedehntem Maasse, konnte ich ferner an der Schleimhaut des Kehlkopfs und den Vordertheilen des Schlundes (beim Kaninchen) beobachten. Dies Prineip der offenbar nicht seltenen Erscheinung, dass neben den Schleimdrüsen sich seröse finden, hat denn auch aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Ausdruck in dem oben erwähnten »gemischten« Bau der Submaxillaris des Menschen gefunden. Der ganze Unterschied besteht hier nur darin, dass im letzteren Organ diejenigen Drüsenmassen, welche dem Bau nach den serösen Drüsen entsprechen, sich mit den Massen, die aus Schleimzellen bestehen, so eng verbunden und vermischt haben, dass das dadurch entstan- dene einheitliche Organ topographisch ebenso untrennbar geworden ist, wie die seinen beiden morphologischen Hauptbestandtheilen ent- sprechenden Massen in den andern oben angegebenen Theilen des Organismus (in der Nase, der Zunge, dem Kehlkopf und dem Schlunde) trennbar sind'). ’ Wenn wir somit auf Grund alles Gesagten mit Recht bei der Eintheilung der sich in die Mundhöhle öffnenden Drüsen in zwei Gruppen: Schleim- und seröse Drüsen (für die Speicheldrüsen im engeren Sinne mit der Nebenbezeichnung: Schleimspeichel- und seröse Speicheldrüsen) bleiben können, so wollen wir jetzt, an die specielle Erforschung derselben herantretend, alle jenen beiden Grup- pen entsprechenden Drüsen der verschiedenen Säugethiere, so weit wir sie zu behandeln gedenken, anführen: Aus der I. Gruppe (Schleim- Aus der zweiten Gruppe (seröse speicheldrüsen):: Speicheldrüsen): Orbitalis des Hundes. Orbitalis der khinheih Submaxillaris der Katze. Submaxillaris a | des Hundes. | des Hundes. der Katze. der Katze. bli li i RR BEUR r | des Kaninchens. Rarakie | des Kaninchen». des Menschen. »+ des Menschen. Anmerkung. Ausser den angeführten Drüsen habe ich, wie bereits aus dem Obengesagten erhellt, auch die verschiedenen gewöhnlichen Drüsen 1) Den positiven Nachweis für meine Behauptung über die Submaxil- laris des Menschen müsste man natürlich vor allem aus den Thatsachen der embryonalen Entwickelung der Speicheldrüsen führen. Diese Frage zu be- handeln werde ich um so weniger unterlassen, als sie eine Lücke in der Embryologie bildet. 288 M. Lavdowsky: beiderlei Art (besonders die des Gaumens, ferner die Drüsen der Schleimhaut des Kohlkopfs, des Schlundes u. a. m.) untersucht. Die Gründe, die mich be- wogen haben, eine möglichst grosse Anzahl der gewöhnlichen Drüsen zu er- forschen, werden sich weiterhin ergeben. Unter den angeführten Schleimspeicheldrüsen findet der Leser in erster Linie die Orbitaldrüse. Diese Drüse steht, wie sich aus ihrer Vergleichung mit den anderen Speicheldrüsen ergiebt, an Ver- schiedenheit des Baues bei verschiedenen Säugethieren wohl kaum der Unterkieferdrüse nach. Bekanntlich hat beim Menschen und einigen anderen Säugethieren das ihr entsprechende Drüsenorgan (die sogen. Harder’sche Drüse) gar nicht den Charakter und die Bedeutung der Speicheldrüsen. Dafür ist bei denjenigen Thieren (wie z. B. beim Hunde, bei der Katze u. a.), deren Orbitalis die Eigenschaften der letzteren Drüsen hat, der Bau derselben ebenso typisch, wie wir ihn an der Submaxillaris beobachten. Doch finden sich in diesem ihrem Bau bei alle dem auch einige Besonderheiten, die uns hier eben beschäftigen sollen. Von mikroskopischen Arbeiten über die Orbitaldrüse giebt es, so viel ich weiss, nur eine Specialuntersuchung von Kehrer'!). Andere Beobachter, wie Asp), behandeln ihren Bau nur gelegent- lich und fragmentarisch. Wie kurz auch die Andeutungen Kehrer’s sein mögen, der uns zuerst nach Cuvier einigermassen mit dem feinen Bau des be- treffenden Organs bekannt gemacht hat, so war auch ihm bereits eine der Eigenthümlichkeiten der Orbitaldrüse nicht entgangen; es ist dies der Umstand, dass sie überaus mueinhaltig ist. Dies sieht man deutlich sowohl aus ihrer Absonderung, die sogar dicker, zäher und klebriger ist als das Secret der Sublingualis, als auch aus den Eigenschaften ihres &ewebes selbst; das Secret der ruhenden Or- bitraldrüse fliesst kaum aus den Büretten heraus und lässt sich dann in ungemein lange Fäden ziehen, das Gewebe aber quillt so leicht und schnell im Wasser -— geschweige denn in alkalischen Flüssigkeiten, — dass eine Untersuchung desselben unter solchen Umständen kaum möglich ist. Daraus ergiebt sich denn von selbst die Methode, die ich bei einer genauen Untersuchung dieser Drüse 1) F. Kehrer. Ueber den Bau und die Verrichtung der Augenhöblen- drüse. Zeitschrift f. rat. Medic. 1867, S. 88. 2) G. Asp. Bidrag till spottkörtlarnes mikroskopiska anatomie (eit. nach einem Referat von Retzius in Schwalbe’s Jahresber. II, S. 195.) Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 289 anwenden musste. So erweisen sich die sonst gebräuchlichen Flüssig- keiten, als da sind: Jodserum oder die neuerdings von R. Heiden- hain angegebene 5 pet. Chloralhydratlösung — treffliche Mittel zur Untersuchung seröser Speicheldrüsen — für unsere Zwecke aus besagten Gründen als unzulänglich. Dagegen erweisen sich alle Flüssigkeiten, die eine neutrale oder schwachsaure Reaction be- wirken, als zweckmässig für die Behandlung der Orbitaldrüse. Am zweckmässigsten von ihnen habe ich nun das neutrale 5 pet. chromsaure Ammoniak gefunden, vermittelst dessen R. Heiden- hain so glänzende Resultate bei seinen Untersuchungen über die Nieren erzielt hat, ferner Osmiumsäure (0,3—0,5 °/,) und Chlorgold (0,5°%/0). Untersuchungen über die Orbitalis im frischen Zustande habe ich an einem ganz frisch herausgeschnittenen Organ ohne jeg- liche Zusatzflüssigkeit angestellt. Betrachten wir in solchem Zustande das Gewebe unseres Organs, das von einem ausgewachsenen Hund genommen ist, so finden wir es ziemlich einförmig gebildet: verhältnissmässig sehr grosse, helle Zellen, die aus einer grobkörnigen, Mucin enthaltenden Masse be- stehen und ebensolche relativ grosse Acini ausfüllen, welche durch ein schwach ausgebildetes Bindegewebe von einander getrennt sind; ferner hier und da in den peripherischen Theilen der Alveolen halb- mondförmige Anhäufungen einer mehr feinkörnigen,, schwach glän- zenden Masse — wie es scheint, des Protoplasma — das ist alles, was sich aus einer unmittelbaren Analyse der Orbitaldrüse ergiebt. Analysirt man sie dagegen in chromsaurem Ammoniak nach 24- bis 30stündiger Einwirkung desselben auf das Gewebe, so findet man unter den Elementen, aus welchen dies besteht, zunächst die- selben beiden Arten, aber in folgender, scharf ausgeprägter Form (s. Fig. 1). Die einen von diesen Elementen (A), es sind dies die ersteren von den obenerwähnten, grosse eiförmige oder kegelförmige Zellen, sind stets mit Ausläufern versehen und bestehen aus einer Masse, die nunmehr schwach gekörnt, aber ebenso klar und durch- sichtig erscheint, mit einem ovalen oder abgeplatteten Kern, welcher gewöhnlich an der Stelle sitzt, wo die Zellkörper in die Fortsätze übergehen. Die andern Elemente (B) bestehen aus einer viel kör- nigeren Substanz und die Körnchen selbst sind sehr wenig durch- sichtig und sehr dicht gelagert, woher denn auch die ganze Masse solcher Elemente, zumal wenn sie dem Auge ihr Profil zukehren, viel dunkler erscheint als die Masse der Zellen ersterer Art und 290 M. Lavdow sky: schon äusserlich wie ein protoplasmatisches Gebilde aussehen, welches viel Albuminstoff enthält. Ferner beobachten wir sie gewöhnlich ohne jegliche Ausläufer (in Wirklichkeit sind sie aber doch mit äusserst feinen, fadenförmigen Fortsätzen, die später ausführlicher behandelt werden sollen, versehen) und immer sind sie vielkörnig und haben eine überaus charakteristische Form: im Gegensatz zu den durchsichtigen Zellen, die bläschenförmig sind, haben diese dunklen Elemente den Bau dicker Plättchen, die gewöhnlich mehr oder minder gebogen sind, und stellen sich in Folge dessen je nach ihrer Lage zumeist in zweierlei Gestalt dar: entweder in Gestalt von unregelmässigen fladenförmigen Ovalen (einfach abgeplattete Form a,a) oder als concav-convexe, »halbmondförmige« Massen (Form im Profil b,b). Wenn sie aber in einer Lage, die zwischen den eben beschriebenen die Mitte hält, d. h. im Halbprofil, gelagert sind, so ergiebt sich eine noch charakteristischere Form für sie, die der Leser unter b’, b‘ sehen kann. Schon aus dieser meiner Auseinandersetzung über die Form und die Eigenschaften der beschriebenen Elemente der Orbitaldrüse ist nicht schwer zu ersehen, welchen unter den bekannten Zellen der übrigen Schleimspeicheldrüsen sie entsprechen. Die hellen Ele- mente der Orbitalis entsprechen offenbar den bekannten Gentral- oder Schleimzellen, die dunkeln dagegen den charakteristischen »Halbmonden« Gianuzzi’s!), die von Heidenhein als Proto- plasma- oder Randzellencomplexe genauer geschildert sind (op. eit. 1 a). Betrachten wir nun die Struktur der Elemente der Orbitalis näher und vergleichen wir sie ferner mit den entsprechenden Zellen z. B. der Submaxillaris des Hundes, wenn sie uns unter gleichen Bedingungen gegeben sind (nach Behandlung mit chrom- saurem Ammoniak, s. Fig. 4 A’ und B‘), so leuchtet uns diese Aehn- lichkeit noch mehr ein, jedoch finden wir dabei folgenden Unter- schied zwischen beiden. Die Schleimzellen der Orbitaldrüse (Fig.1 A: a—f) sind grösser als die der angegebenen Drüsen (4 A’: a—d), selbst wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass sie leichter aufquellen, weil sie mehr Schleim enthalten. Sie sind ebenfalls mit einem, seltner mit 1) S. Gianuzzi. Von den Folgen des beschleunigten Blutstroms für d. Absonderung d. Speichels. Ber. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. zu Leipzig, 27. Nov. 1865. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 291 zwei (b, b‘) glänzenden, nach der Peripherie hin zugespitzten Aus- läufern versehen; aber meistentheils sind diese Fortsätze (wenn man die Gesammtmasse der Zellen beider Drüsen vergleicht) dünner und, muss man hinzufügen, bedeutend zarter als die der Schleimzellen der andern Drüsen und der Submaxillaris. Unsere Zellen sind aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls mit einer Membran versehen; und diese Membran ist an durchgeschnittenen oder isolirten Zellen be- sonders deutlich als glänzendes Häutchen zu sehen. Für ihre Existenz sprechen auch die gar nicht seltenen Fälle, wo die Schleimzellen bei starker Aufquellung die sogenannten becherartigen Formen an- nehmen (vgl. die Zellen d, d‘). Diese Formen entstehen nun im vor- liegenden wie auch in manchen andern Fällen in Folge des Platzens der Zellenhäutchen, welches durch die erwähnte übermässige Auf- quellung (unter gewissen physiologischen Bedingungen wahrschein- lich durch Ueberfüllung mit ihrem Secret) hervorgerufen wird. — Was ferner den Inhalt und den Kern der Schleimzellen der Orbital- drüse betrifft, so kann man auch hier ausser dem Schleim als Haupt- ' masse des Zelleninhalts Spuren von Protoplasma verfolgen, aber in so geringer (Quantität, dass man sie nur in der Substanz der be- schriebenen Zellenfortsätze in der Nähe der Stelle, wo der Zellkern sich befindet, und zum Theil in der Schleimmasse selbst in Gestalt eines wie Spinneweben feinen, sie durchziehenden Netzes nachweisen kann (s. dieselben Fig. 1 u. 4). Letzteres könnte man übrigens nur dann mit Sicherheit behaupten, wenn man die gleiche Erscheinung auch an ganz frischen Elementen zu constatiren vermöchte; sonst könnte man sie vielleicht auch als künstlich, in Folge einer Gerin- nung der Schleimsubstanz, erzeugt erklären. Doch muss ich hier ausdrücklich. betonen, dass es andererseits gerathen ist das Wort »Kunstproduct« möglichst sparsam anzuwenden. Als Kriterium der Naturwahrheit dieses oder jenes mikroskopischen Bildes, wie es uns wenigstens die Erfahrung lehrt, darf — so meine ich — nicht so sehr die Möglichkeit oder Unmög- lichkeit seines Nachweises an »frischen« Elementen dienen, — unsere Wissenschaft würde alsdann nicht weit gekommen sein, da in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle das »frische« Element uns sehr wenig zeigt, — sondern vielmehr die con- stante Wiederkehr desselben mikroskopischen Bildes bei einer möglichst grossen Anzahl verschiedener Be- dingungen. — Demnach kann ich, um wieder auf die Netzgestalt 292 M. Lavdowsky: des Schleimzelleninhalts zurückzukommen, nicht umhin darauf hin- zuweisen, dass es doch auffallend ist, dass sie sogar in solchen Zellen existirt, welche in neutralem chromsaurem Ammoniak, einer, wie wahrscheinlich vielen schon bekannt sein wird, ziemlich indifferenten Flüssigkeit isolirt sind. Ferner muss ich bemerken, dass das be- schriebene Netz aus denjenigen Theilen des Zellkörpers hervorgeht, in denen der Kern liegt und in denen ohne Zweifel Spuren des Pro- toplasma bemerklich sind. Die Existenz der Letzteren in diesen Theilen halte ich aber desshalb für unzweifelhaft, weil diese Theile stets das Vorhandensein einer ganz andern Masse als des Schleims hervortreten lassen, die überdies zugleich mit den Kernen durch carminsaures Ammoniak sehr lebhaft gefärbt wird. Ich habe mich desshalb ausführlich hierüber ausgesprochen, wejl man über die Frage, ob denn Protoplasma in grösserer oder geringerer Beimischung von Albuminsubstanz zu dem Schleiminhalt in den Schleimzellen überhaupt existirt, endlos streiten könnte, — der genaue Nachweis seiner Existenz in diesen Zellen ist noch viel schwerer zu führen als in irgend welchen anderen Elementen (Fett- zellen ete.). — Vielkann bei dieser Controverse auch davon abhängen, von welchem Standpunct aus wir die Zelle im Allgemeinen und ihren Inhalt im Speciellen betrachten. Betrachte ich z. B. den Zellen- inhalt von Beale’s Standpunct nach seiner Theorie über »germinal matter« und »formed material« (die so sicher in dem Bau und der Metamorphose der eben erwähnten Arten von zelligen Elementen sich nachweisen lassen), so kann ich nicht umhin im Inhalt der Schleimzellen die betreffenden Substanzen — die protoplasmatische und die Schleimsubstanz — nicht nur als existirend, sondern auch als unter einander im innigsten (genetischen) Zusammenhange stehend zu betrachten. Einen directen und schönen Beweis für das Gesagte werden wir im II. Capitel finden, wenn wir die Veränderungen der Schleimzellen während ihrer Thätigkeit beschreiben werden. Doch auch abgesehen von dem erwähnten Standpunct, werden wir uns dort überzeugen, dass die Existenz des Protoplasma, sogar im Sinne eines Bildungsmaterials in den Schleimzellen mehr als wahrscheinlich ist, wenn nicht der Leser auf Grundlage alles bisher Vorgebrachten mit mir einverstanden sein sollte. Indem ich jetzt wieder zur eigentlichen schleimigen Substanz zurückkehre und daran erinnere, dass sie sich wie an frischen Zellen so auch an solchen, die mit chromsaurem Ammoniak behandelt Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen. insbes. d. Orbitaldrüse. 298 sind, als körnig erweist, halte ich es für nothwendig hier darauf aufmerksam zu machen, dass diese Körnigkeit ganz anderer Art ist als diejenige, die wir an dem Inhalt der protoplasmatischen Elemente, die zu den hier zu besprechenden Drüsen gehören, beobachten, anders auch als die, welche sich an dem Inhalt der Zellen der serösen Drüsen zeigt: die Körnchen der Schleimzellen sind voll- kommen hell und durchsichtig, was denn auch wahrscheinlich R. Heidenhain dazu veranlasst hat, die sie enthaltenden Zellen für »nicht körnige« (op. cit. La, S. 11) zu halten und weshalb ich die Letztern als »hellkörnige« Zellen geschildert habe. In den Zellen der Orbitaldrüse sind diese Schleimkörnchen sogar sehr gross und glänzend im Vergleich zu denen der Submaxillardrüse (vergl. Fig. 1A u. 4A‘) und unterscheiden sich sowohl in dieser wie in jener Drüse scharf von den Protoplasmakörnchen wie auch von den Fett- körnchen, welche sich in Schleimzelleninhalt dieser beiden Drüsen, mitunter in den Ausläufern der Zellen finden (s. die Zellen x x). Die Vertheilung der Schleimkörnchen bietet in den Zellen der Drüsen ausgewachsener Thiere nichts Besonderes:. die Körnchen sind in allen Zellen gleichmässig vertheilt. Höchst beachtenswerth sind aber die Drüsen neugeborner Thiere, wo im Gegensatz dazu die Schleimkörnchen sich vornehmlich an den Rändern, in den peri- pherischen Theilen der Zellenkörper gruppiren (Fig. 5B, acin. c), indem sie auf diese Weise Bilder darbieten, die nach meinen Beob- achtungen an die Vertheilung der sogen. körnigen Zone des Inhalts in den Pancreaszellen (der Ratten und Mäuse) erinnern. Was ist das nun für eine Erscheinung in unseren Drüsen, steht sie nicht mit der Entwickelung des Schleimes in Verbindung und weist sie nicht in gewisser Beziehung auf den Verlauf, den dieser Process in den sich entwickelnden Drüsen nimmt, hin? — Wie mir scheint, ist dies sehr wahrscheinlich, obgleich ich es in diesem Augenblick nicht ganz sicher zu entscheiden vermag. Was endlich die Kerne der Schleimzellen der Orbitalis be- trifft, so will ich zu dem Obengesagten nur so viel bemerken, dass sie hier grösser sind als in der Submaxillaris, dass ihre Gestalt aber ganz dieselbe ist wie in der Letzteren: sie haben nämlich keine kegelförmige Gestalt, sondern sind immer ziemlich abgeplattet; da- her erscheinen sie en face selten ais runde Kerne, meistenstheils, zumal in Querschnitten (im Profil), sind sie ei- oder plattenförmig. Nur finden sich auffallender Weise zu gleicher Zeit Zellen mit ganz Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 13. 19 294 M. Lavdowsky: kugelförmigen, mitunter grösseren Kernen, wie man umgekehrt nicht selten Schleimzellen ganz ohne Kern finden kann. Und diese beiden Umstände sind nicht zufällig: weiterhin, im II. Capitel, werden wir ihre Ursache klar erkennen. Mehrere Kerne aber, wie auch jegliche Theilung eines Kerns in zwei habe ich so wenig wie Asp jemals gesehen, wie ich denn auch nie irgend eine Streifung an gut conservirten und natürlich ganz gebliebenen Zellen habe beob- achten können. Die Zellen der zweiten Art, die »halbmondförmigen« oder Lunulazellen der Orbitalis, gleichen in mancher Beziehung den entsprechenden Elementen der andern Schleimspeicheldrüsen. Wie Heidenhain’s Untersuchungen für die Submaxillaris und ähnliche Drüsen dargethan haben, dass die sogen. Halbmonde Gia- nuazzi’s nicht einfache Zellen sind, sondern zusammengesetzte Ele- mente, bestehend aus mehreren Zellen (Randzellen Heidenhain’s); so sind auch die Lunulae der Orbitalis, wie ein Blick auf Fig. ). unter B zeigt, als Zellencomplexe aufzufassen. Und diese ihre Zu- sammensetzung ist ebenso gut in chromsaurem Ammoniak wie in Müller’scher Flüssigkeit, in sehr verdünnter Chromsäure oder in diluirtem Alkohol (von Ranvier) erkennbar. Gewöhnlich bestehen die kleinern von ihnen aus 2 bis 3, die grössern aus 5 bis 6 kleinen Zellen. Diese Zellen sind meistens unregelmässig eckig, immer aber spitzwinklig und so dicht an einander gelagert, dass man mitunter kaum ihre Grenze sehen kann. Daher ist es auch so schwer sie von einander zu isoliren. Doch ist mir dies an der Submaxil- laris des Hundes vollkommen gelungen: in den kleinen eckigen Zellen, die von mir unter c,c‘ an Fig. 2B‘ dargestellt sind, wird der Leser leicht die einzelnen Bestandtheile der neben ihnen liegenden ganzen Halbmonde (a,h) erkennen; ebendaselbst unter c‘ wird er auch einen von diesen finden, an welchem der Process des Zerfallens in die einzelnen Zellen, aus denen er besteht, gezeigt ist. So viel mir be- kannt ist, sind bisher diese einzelnen Zellen, die ich kurz Primi- tivzellen nennen will, mit solcher Genauigkeit noch nicht unter- sucht worden!). 1) Sagt doch R. Heidenhain selbst: »Nicht bei jeder Behandlungs- weise gelingt es, die Grenze dieser kleinen Zellen gegen einander sichtbar zu machen, so vielfach man auch Gelegenheit hat, das ganze eigenthümlich gestaltete Zellenaggregat zu isoliren« (s. Op. eit. S. 17), Zur feineren Anatomie u. Physiol.d.Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 295 Ferner ist es beachtenswerth, dass die eine oder die andere von ihnen mit einem sprossförmigen Anhängsel, das ziemlich lang ist und sich sogar verzweigt, versehen ist. Diese Anhängsel sind eben jene, von denen ich oben bemerkt habe, dass sie sich an den Halb- monden finden (b”x, b“). Da sie nun von nicht geringer Wichtig- keit in der Structur der acini sind, so werde ich später noch auf sie zurückkommen. Dass die beschriebenen Elemente protoplasmatischen Charakter an sich tragen und wenn nicht ausschliesslich aus Albumin, so doch wenigstens aus einer stark albuminhaltigen Substanz bestehen, geht, auch abgesehen von dem Öbengesagten, aus ihrem Verhalten zu Reagentien und verschiedenen Tinctionsmitteln hervor. Der oben eitirte schwedische Forscher Asp nennt sogar die Lunulae »Albu- minzellen« zum Unterschied von den schleimigen Elementen, die er als »Mueinzellen« bezeichnet. Und bereits aus den Versuchen R. Heidenhain’s ist bekannt genug, wie diese Elemente in andern Speicheldrüsen sich zu concentrirten Mineralsäuren, salpetersaurem Silberoxyd, carminsaurem Ammoniak u. a. m. verhalten. Auch die Lunulae der Orbitaldrüse verhalten sich zu diesen Reagentien in gleicher Weise, und nehmen in Silber und Carmin eine starke Färbung an; während die Schleimzellen mit Ausnahme ihrer Kerne auch hierin keine Spur von Farbstoff annehmen und dieser gewöhn- lich nur mechanisch an ihrem schleimigen Inhalt haftet oder im äussersten Falle sie sehr schwach durchdringt. Indessen muss be- merkt werden, dass eine völlig tadellose Carminfärbung der Orbital- drüse, selbst wenn diese bereits vorher nur mit absolutem Alkohol behandelt ist, sich sehr schwer herstellen lässt und besondere Ver- haltungsmaassregeln erfordert. Deshalb halte ich es bei der Unter- suchung des Baues der ruhenden Drüsen, so lange man keinen Ver- gleich zwischen ihnen und den gereizten Drüsen bezweckt, für zweck- mässiger die Präparate mit Haematoxylin zu färben; überdies kommen die Objecte, die durch dieses Mittel erzielt werden, wenn es jedesmal neu hergestellt wird, recht sauber heraus und sind in- structiv (Fig. 2). Die Schleimzellen werden auch in diesen Präpa- raten sehr schwach gefärbt, alle protoplasmatischen Elemente aber, und besonders die Halbmonde wie auch die Kerne beider, sehr stark. Wenn der Leser das angegebene Bild weiter betrachtet, so wird er sich auch davon überzeugen, dass auch in diesem Falle der zusammen- gesetzte Charakter der Orbitaldrüsenlunulae sich vollkommen be- 296 M. Lavdowsky: stätigt, doch wird er zugleich Stellen finden (a, a‘), wo umgekehrt diese Lunulae in ihrer Gesammtheit nur aus einer Zelle bestehen. Diesen wichtigen Umstand werden wir in den folgenden Zeilen er- klären. Hier will ich zunächst noch einige Worte über den Einfluss des Chlorgolds auf die Elemente der Orbitalis und der andern Speicheldrüsen sagen, — da dieser Einfluss sehr beachtenswerth ist und alles Obengesagte wiederum bestätigt. Während die Schleimzellen sich zum Gold fast indifferent ver- halten, und sich darin sehr schwach färben, redueirt die Substanz, aus welcher die Lunulae bestehen, das Goldmetall sehr leicht, wes- halb sie denn auch sich so intensiv färben, dass sie als tiefdunkle, ja sogar ganz schwarze Sicheln, als dunkelgefärbte »Halbmonde« erscheinen. Ohne Zweifel muss die Ursache dieser ihrer intensiven Färbung vor allem ihr starker Albumingehalt sein. Wenn man nun ein solches Präparat mit einem Tropfen schwefelsaures Ammonium behandelt, so geben in Folge der Wirkung, welche dieses Reagens auf vergoldete Objecte ausübt !), diese Letzteren ein überaus zartes und zu gleicher Zeit klares Bild (Fig. 3). Dabei bemerken wir Fol- gendes am Drüsengewebe: die heller und schöner gewordenen Lunulae zeigen wiederum die ihnen eigene Zusammensetzung aus einzelnen Primitivzellen und ausserdem treten in ihnen die Kerne deutlich hervor, vom Ammonium grünlich-gelb gefärbt; dieselbe Färbung zeigen auch die Kerne der Schleimzellen, während die Contouren derselben jetzt durch feine dunkelviolette Linien, den bekannten Linien des Epithels vergleichbar, bezeichnet werden. Mit der Zeit, wenn die Lunulae wiederum dunkel zu werden beginnen, wird auch sehr klar, wie stark sie in einigen Regionen der Drüsensubstanz vertreten sind, welches ferner ihre Beziehung zu den Schleimzellen und den anliegenden Theilen der Alveolen ist und wie auch an diesen Präparaten wiederum jene merkwürdigen Ausläufer ihrer Primitiv- zellen, auf die wir weiterhin näher einzugehen versprochen haben, vorkommen. Nicht minder interessant ist der Einfluss des Goldes auf die 1) Siehe darüber meine »Bemerkungen zur mikroskopischen Technik«, die im Medicinskij Wiestnik Nr. 37—39 des Jahres 1874 abgedruckt und in Schwalbe’s Jahresberichten für das Jahr 1875 Band III, 1, S. 9 angezeigt sind. Zur feinerer Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 297 protoplasmatischen Elemente der Speicheldrüsen auch in dem Fall, wenn diese Elemente und das ganze Drüsengewebe noch keine oder nur leise Spuren von Färbung aufweisen: auch in diesem Falle nämlich bewirkt das Gold eine äusserst deutliche Ver- anschaulichung des Zellenbaues der Lunulae. Besonders stark tritt dies hervor, wenn als Reductionsflüssigkeit Wasser mit einem Zusatz Spiritus (auf 3—4 Th. Wasser 1 Th. absol. Spiritus) genommen wird. Ich kann sogar behaupten, dass bei keiner der bisher von mir angegebenen Methoden der Bestand der Lunulae so klar hervor- tritt wie bei der letztgenannten. So habe ich denn, wie mir scheint, genügend dargethan, dass die Halbmonde der Orbitaldrüse denselben Charakter des Baues an sich tragen wie die der anderen Drüsen. Desgleichen ersehen wir aus dem Gesagten, ob unter anderm auch jene meine Behauptung stichhaltig ist, dass als Kriterium für die Richtigkeit eines mikros- kopischen Bildes nicht der Umstand dienen kann, ob es sich an frischen Objecten zeigt oder nicht, sondern die Beobachtung, mit welcher Stabilität es bei den verschiedensten Untersuchungsmethoden wiederkehrt. Folgendes ist der Grund, der mich veranlasst hier darüber zu sprechen: es ist lange nicht so leicht die Lulunae an der Orbitaldrüse zu untersuchen wie an andern Drüsen; wollte man nun das Bild zur Richtschnur nehmen, das sie im frischen Zustande bieten, so könnte man nicht bloss an ihrer beschriebenen Zusammensetzung, sondern auch an ihrer Existenz überhaupt zweifeln. Dasselbe kann auch bei oberflächlicher Untersuchung von Schnitten erhärteter Drüsen stattfinden, besonders wenn man nicht das geeignete Carmin zur Färbung genommen hat. Auf diesen Umstand möchte ich denjenigen Leser hinweisen, der sich etwa an die Untersuchung der Orbitaldrüse machen wollte. Ist es doch eine bekannte That- sache, dass das Vorhandensein von Halbmonden als Zellenbil- dungen von einigen Gelehrten (Pflüger) wirklich geleugnet wurde und zwar für alle Schleimspeicheldrüsen überhaupt. Es wäre doch _ interessant zu wissen, was wohl diese Gelehrten behauptet haben würden, wenn sie zum Object ihrer Untersuchungen die Orbitaldrüse und nun gar in frischem Zustande genommen hätten. Es erübrigt noch einige Worte über die Arten der Lu- nulae zu sagen. Wie schwer aber diese Frage zu entscheiden ist, wird uns wieder die Submaxillaris, besonders aber die Orbitaldrüse lehren. Nicht selten habe ich in der Ersteren und sehr oft in der 298 M. Lavdowsky: Letzteren zugleich mit den beschriebenen auch solche Lunulae ge- funden, in denen sich gar keine Zellengrenzen beobachten liessen (s. z. B. a‘, a’ in Fig. 1, a,a‘ in Fig. 2, a in Fig. 3). Sie erscheinen alsdann in Formen, welche an die zuerst von Gianuzzi beschriebenen erinnern. Freilich könnte man glauben, dass das Vorkommen solcher Lunulae durch den Einfluss des Reagens oder sonstige äussere Einflüsse erzeugt wird. Die Sache liegt aber so, dass gegen eine derartige Annahme erstens der oft beobachtete Mangel jeglicher Zellenabgrenzungen um die Kerne herum und zweitens auch die Unmöglichkeit spricht, diese durch Anwendung irgend einer der bekannten Untersuchungsmethoden aufzudecken. Es fragt sich nun, was für eine Bildung das ist: eine besondere Form von Zellen oder eine Art derselben Lunulae, nur mit mehreren Kernen? Meine Untersuchungen haben zu dem Ergebniss geführt, dass diese Zellen in der That nichts Anderes als eine Art der Lunulae oder, genauer gesprochen, eine von ihren Entwicke- lungsstufen sind. Doch bevor ich dies nachweise, muss ich einen kleinen Excurs über einige Beobachtungen Pflüger’s machen. In der von uns gleich zu Anfang eitirten Abhandlung (S. 330), wo er R. Heidenhain’s Beobachtungen über die grosse Menge junger, im Vermehrungszustande begriffener Zellen in gereizten Drüsen bespricht, sagt Pflüger unter anderm, dass er auch in den ruhenden Drüsen in Vermehrung begriffene Epithelzellen habe nachweisen können und in der Sublingualis des Kaninchens sie sogar zu »Tausenden« gefunden habe. Es entsteht daher die Frage, ob nicht unsere Elemente etwas mit diesen von Pflüger beobachteten Zellen gemein haben. Weiss man, woraus Pflüger die Entstehung seiner jungen Zellen ableitet, so könnte es scheinen, dass von einer Aehnlichkeit seiner Zellen mit den unseren hier nicht die Rede sein kann: ich rede ja nur von einer Art der Lunulae, Pflüger dagegen, der, wie wir gesehen, die Lunulae nicht kennt, spricht von Elementen, die sich bei Regeneration des Epithels der Gänge bilden, ein Process, dem er eine grosse Bedeutung zuschreibt und mit dem er sogar die Entstehung der Schleimzellen in Verbindung bringt‘). Doch 1) Pflüger op. eit. S. 324—330 und sein Aufsatz im Arch. f. mikr. Anat. Bd. V, S. 193: Die Endigung der Absonderungsnerven und die Ent- wickelung der Epithelien. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 299 lassen wir einen Process bei Seite, dessen Bedeutung nicht richtig aufgefasst ist, wie auch die Neubildung der Schleimzellen, welche zu jenem in gar keiner Beziehung steht. In die Untersuchung Pflüger’s über die Entstehung »junger« Zellen hat sich ein positiver Irrthum eingeschlichen und dieser Irrthum war unvermeidlich; denn wie kann man mit Gewissheit über irgend welche junge Epithelzellen sprechen, wenn einmal die Beobachtungen so erfolglos gewesen sind, dass sie nicht einmal zur Auffindung der Halbmondzellen geführt haben? Liegt doch der Kern der ganzen Frage in diesen. — Ferner ist es zu bedauern, dass Pflüger seine jungen Zellen sehr kurz charak- terisirt und (mit Ausnahme von Fig. 95 in Stricker’s Handbuch) in Betreff dieser Letzteren uns so gut wie gar nichts bietet. Wie sehr er uns dadurch die Entscheidung erschwert hat, so kann ich doch nichtsdestoweniger Folgendes nachweisen: Die meisten der jungen Zellen, welche Pflüger erwähnt, sind offenbar protoplasmatische Elemente der Drüsenalveolen, obgleich er sie durchaus nicht zu diesen rechnet, und diese proto- plasmatischen Elemente sind wiederum nichts Anderes als unsere Lunulae, da sie, abgesehen von den gewöhnlichen Cardinaltypen, noch in folgenden zwei Formen erscheinen: a) als sehr kleine, selten zu beobachtende Zellen, dieselben, die es mir gelungen ist zu isoliren, — »Primitivzellen«; b) verschieden nach ihren verschiedenen Ent- wickelungsstufen, darunter auch als vielkernige Zellen. Diese ent- sprechen jener andern Art, von welcher oben die Rede war. Beide Formen hat nun Pflüger wahrscheinlich als junge Epithelzellen gesehen. — Dass die Zellen, die er beschrieben, keine Schleimzellen sind, kann, wie mir scheint, nicht bezweifelt werden; und überdies finden sich Letztere nach meinen und Asp’s Beobachtungen niemals im Vermehrungszustand. Von andern Elementen, wie z. B. weissen Blutkörperchen oder »grossen Bindegewebszellen« (s. unten), die sich in ziemlicher Menge in ruhenden Drüsen finden, kann ebenfalls nicht die Rede sein, — Pflüger hätte sie wohl kaum mit den »Epithelzellen verwechseln können. Es bleiben also die Zellen der Ausführunggänge der Drüsen, die denn auch Pflüger, wie gesagt, wirklich im Sinne hat. Hier muss ich aber das Eine bemerken, dass ich in den Massen von Schritten, die ich aus ruhenden Drüsen gemacht habe, kein einziges Mal irgend welche Vermeh- rung an den analysirten Epithelzellen entdeckt habe; ebensowenig zeigte sie sich auch an Zerzupfungspräparaten, so dass ich mich Pz 300 M. Lavdowsky: davon überzeugen musste, dass die meisten jüngeren Formen der Zellen in mehr oder minder inniger Verbindung mit den Lunulae stehen und aus ihnen hervorgehen, wie auch jene Bildungen, welche Pflüger unter A auf der von uns eitirten Fig. 95 dargestellt hat, wahrscheinlich aus den Lunulae hervorgegangen sind (wenn sie nicht noch weniger bedeuten: nämlich nur abgesonderte Primitivzellen, die oben erwähnt wurden). Und wenn mir hierbei etwas unver- ständlich ist, so ist es nur der Umstand, wie Pflüger in den ruhenden (NB) Drüsen zu Tausenden, wie er sagt, junge Elemente hat ent- decken können, falls dieser Ausdruck ernstlich gemeint ist. Hält man sich streng an die Wirklichkeit, so darf man die genannten Elemente in ruhenden Drüsen bloss nach Zehnern zählen. und auch das bei weitem nicht an jedem Präparate, was eben ein wesent- liches Merkmal dieses Zustandes der Drüsen ist. Doch kehren wir nunmehr zu den Lunulae der Orbitaldrüse zurück und liefern wir den Beweis, dass diejenigen von ihnen, bei denen wir verweilt haben, nämlich die vielkernigen Zellen, in der That eine Art von protoplasmatischen Zellen der Drüsenalveolen sind, nur auf einer gewissen Entwickelungsstufe stehend, wie bereits ge- sagt wurde. Schon auf Fig.1B. können wir unter den dort dargestellten isolirten Zellen (unter bx) solche Lunulae sehen, die nur mit einem Kern versehen sind. Dass diese Elemente nicht Primitivzellen in dem Sinne, wie ich sie auffasse, sind, d. h. nicht solche Zellen, welche in Folge einer Abtrennung von gleichartigen Zellen aus irgend einem völlig entwickelten Halbmond hevorgegangen sind, dies erhellt schon aus ihrer Grösse ‘im Vergieich zu den Primitivzellen. Betrachten wir jetzt genau einen guten Schnitt aus der Orbitaldrüse, so werden wir uns durch die Anschauung unmittelbar davon überzeugen (s. Fig. 2 u. 3). Auch hier kann man stets an mehreren Stellen genau solche einkernige Lunulae finden (a, a). Aus diesen Zellen, die ich zum Unterschied von den entwickelten Lunulae »Keimlunulae« nennen werde, entstehen die obengenannten vielkernigen Zellen. Dies ergiebt sich: 1) aus dem Vorhandensein von Keimlunulae mit zwei Kernen (a’‘,a‘), ohne dass diese Letzteren irgend wie von einander geschieden wären: sie gehören dem Protoplasma einer und derselben Zellen an; 2) aus der Existenz ähnlicher Zellen mit drei Kernen (b,b). Nun können diese beiden Arten von Zellen nur aus den einkernigen Lunulae und zwar durch Wucherung ihrer Kerne hervorgehen. Da aber die vielkernigen Zellen sich unmittelbar an Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 301 die obigen Zellenarten anschliessen, so ist ihre Entstehung ohne Weiteres klar. Doch darf man nicht glauben, dass mit dem Gesagten die Frage über die vielkernigen Zellen bereits erledigt wäre: die ange- führten Thatsachen weisen nur auf einen genetischen Zusammen- hang zwischen den vielkernigen Zellen und den Keimlunulae hin; ob sie aber auch zu den entwickelten Lunulae in demselben Ver- hältniss stehen, wenn sie diesen auch noch so ähnlich sind, — darauf geben die angeführten Thatsachen keine genügende Antwort. Es fragt sich also: wie kommen denn die vielkernigen Zellen zu dieser Entwickelungsstufe, da sie sich selbst aus Primitivzellen bestehend erweisen, oder kommen sie vielleicht gar nicht zu dieser Stufe und bleiben für immer bei der von uns beschriebenen Form, so zu sagen, der Form der nicht völlig entwickelten Lunulae, stehen? Auf diese Frage können wir nur mit dem Hinweis auf Folgendes antworten. Das Auseinanderfallen in Primitivzellen lässt sich an den Lunulae auf den verschiedensten Stufen ihrer Entwickelung beobachten und oft kann man bereits an einer solchen, die nur zwei Kerne hat, deutlieh eine Halbirung wahrnehmen, so dass jede Hälfte einem der Kerne entspricht. Wie diese Halbirung vor sich geht, ist mir noch nicht bekannt; dass sie aber stattfindet, ist nicht zu bezweifeln (S. Fig 2b‘, 3b/,c). — Derselbe Vorgang findet wahrscheinlich auch in Zellen mit drei, vier und mehr Kernen statt, so dass dem entsprechend auch völlig entwickelte Lunulae mit drei, vier und mehr Primitivzellen entstehen. Aus dem Gesagten erklärt es sich auch, dass es so manigfaltige, an Grösse und Gestalt verschiedene »Halbmonde« giebt, — Halbmonde, die kaum zwei angrenzende Schleimzellen bedecken, bis zu solchen, welche die Hälfte des acinus umfassen. Eine solche Ausdehnung jedoch, wie sie die Lunulae einiger andern Schleimspeicheldrüsen, z. B. der Submaxillaris der Katze, annehmen, erreichen die der Orbitaldrüse in der Regel nicht, und nur ausnahmsweise findet sich eine so bedeutende Aus- dehnung in einem oder dem anderen alveolus, welcher mehr als alle übrigen secernirt, z. B. alv. d in Fig. 2 links (Beweis folgt später). Auch werden sie hier, in der Orbitaldrüse nie in der Menge vor- gefunden, in welcher sie etwa in der Sublingualis des Kaninchens vorkommen. Ueberhaupt steht, — ich wiederhole es, — was die Ausbil- dung der Lunulae betrifft, die Orbitalis in letzter Linie und es be- 302 M. Lavdowsky: darf einer mühsamen und sorgfältigen Behandlung ihres Gewebes, ehe diese Elemente mit der Klarheit hervortreten, wie ich sie auf der Tafel dargestellt habe. Demnach muss ich mich gegen Asp aussprechen, der fälschlich annimmt, dass in der »Infraorbitaldrüse« (d. h. unteren Orbitalis) wie auch in der Sublingualis die Anzahl der Lunulae grösser sei als in der Submaxillaris. Beziehung der Drüsenzellen zu den anliegenden Theilen und Structur der Letzteren. — Treten wir nun an die Untersuchung der gegenseitigen Beziehungen der von uns be- schriebenen Zellen beiderlei Art, an ihr Verhältniss zur Membrana acini, an die Frage über das sogen. »intraalveolare Netz«, über die »Drüsenkanälchen« u. s. w. heran. Wie die Zeichnungen 2 und 3 zeigen, ist die Vertheilung der Elernente beiderlei Art in der Orbitaldrüse und besonders der Schleimzellen ziemlich regelmässig und ganz so wie in den übrigen ähnlichen Drüsen. Mit ihren breiteren Theilen um das verhältniss- mässig grosse Lumen gelagert, sind die Schleimzellen auch hier mit ihren verengerten Enden immer gegen die Peripherie der acini ge- kehrt und stossen daher mit diesen Enden bald an die membrana propria, baldan die Lunulae, an welche von ihnen sie gerade grenzen. Die von den Enden ausgehenden Ausläufer biegen sich sofort nach ihrem Austritt um und lagern sich gewöhnlich in der Weise, dass sie einen Theil der Zellkörper der benachbarten Schleimzellen be- decken. Diese dachziegelartige Lagerung ist übrigens nicht bloss für die Schleimspeicheldrüsen charakteristisch: sie findet sich auch an den gewöhnlichen Schleimdrüsen (der Mundhöhle, des Magens u. s. £.). Daher hat sie in beiden Fällen auch noch die Bedeutung, dass sie mitunter Anlass zur Entstehung solcher Bilder geben kann, welche mehr oder weniger den Lunulae gleichen und daher auf den ersten Blick mit ihnen verwechselt werden können (wofür sich Belege in der Litteratur finden, s. unten), wie auch die Verdickungen der Acinusmembran, über die wir sogleich reden werden. Die Ursache der Bildung der lunulaähnlichen Figuren liegt in diesem Falle darin, dass die Ausläufer und die gleich an ihrem An- fang liegenden Kerne der Schleimzellen sich ebenso leicht färben wie die Lunulae. Wo aber die Letzteren in Wirklichkeit vorhanden sind, da ist es nicht schwer, sie von den »Pseudolunulae« zu unter- scheiden. Als Kriterium müssen hierbei vor allem Zerzupfungsprä- parate dienen, von Schnitten aber nur besonders gut gefärbte und Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 3083 zwar vergoldete, äusserst feine Regionen, an denen der allgemeine Cha- rakter der echten Lunulae, ihre Grösse und ihr Bestand aus zelligen Elementen so scharf ausgeprägte Merkmale bietet, dass bei genauer Untersuchung eine Verwechselung mit den erwähnten Figuren nicht möglich ist. Deshalb brauche ich nicht näher darauf ein- zugehen. In Betreff der Verdickungen der Acinusmembran, in welcher einige Forscher auch eine Aehnlichkeit mit den Lunulae gefunden haben, fällt eine Unterscheidung beider ebenfalls nicht besonders schwer. Die Membranverdickungen in den Schleimspeicheldrüsen überhaupt (mit Ausnahme des sehr seltenen Falles, wenn sie sich aus irgend einer vorspringenden und im Profil sichtbaren Korbzelle bilden) haben niemals Kerne nnd die von ihnen gebildeten Figuren sind meist unregelmässig und überaus schmal. Leider liefert die Orbitaldrüse solche Bilder nicht selten und man kann sich über sie bei weitem nicht immer mit unzweifelhafter Sicherheit entscheiden: so sind z. B. in Fig. 2 u. 3 die nur mit x bezeichneten Stellen. In zweifelhaften Fällen muss man folgende Probe anstellen. Man muss den zu untersuchenden Schnitt eine Zeitlang dem Ein- fluss irgend einer alkalischen Flüssigkeit aussetzen (etwa mit 4—5 Theilen Wasser verdünntem Ammoniak). In Folge der starken Auf- quellung sondert sich dann die Membrana pr. von der Zellenmasse des acinus ab und, wenn die zweifeihafte Bildung ihr angehört, so trennt sie sich natürlich mit ihr zugleich ab; im entgegengesetzten Falle bleibt sie in Verbindung mit den Zellen des acinus. Noch besser lässt sich dieser Vorgang an Schnitten und Zerzupfungspräparaten beobachten, welche einer Drüse entnommen sind, in welche durch den Ausführungsgang (im frischen Organe) 5 pet. Chlornatrium- lösung oder eine ähnliche Flüssigkeit injieirt ist. Unter diesen Be- dingungen löst sich die membrana pr. ganz von der Masse der Alveolen ab, indem sie ihren Inhalt (von Zellen beiderlei Art) ohne Hülle zurücklässt, ohne dabei irgend wie seine normale Lagerung zu stören. In gewöhnlichen Schleimdrüsen sind alle Bildungen, die das Aussehen von Lnnulae annehmen könnten, um so leichter zu unter- scheiden, als in der überwiegenden Mehrzahl dieser Drüsen und vor allem in den Mundhöhlenschleimdrüsen gar keine wirklichen Lunulae existiren. Unserer Auffassnng des Unterschieds zwischen den falschen 304 M. Lavdowsky: und echten Lunulae widerspricht nicht im mindesten die Thatsache, dass wie von den letzteren, so auch von den erstgenannten lunula- ähnlichen Figuren (den beschriebenen Verdickungen) auf gleiche Weise konische Vorsprünge ins Innere der Alveolen ausgehen. Es widerspricht nämlich dieser Umstand unserer Ansicht deshalb nicht, weil die Vorsprünge der falschen Lunulae absolut nicht zu der Acinusmembran gehören und: nur eine trügerische Erscheinung bieten, welche, wie es sich später zeigen wird, von denselben Besonder- heiten der Lagerung der Schleimzellen und ihrer Fortsätze zu ein- ander abhängt, die bereits oben besprochen worden sind. Ferner bilden auch in ihrem weiteren Verlauf die Sprossen der echten Lunulae ganz andere Dinge als diejenigen, die in den Alveolen von verschiedenen Autoren beschrieben und mehr oder weniger mit der Membran in Verbindung gesetzt werden. Um den wahren Charakter und Bedeutung der von diesen Autoren geschilderten »intraalveolaren« Bildungen zu prüfen, wollen wir zunächst näher betrachten, ‘was in der That im acinus mit den echten Lunulasprossen geschieht — eine Frage, deren Ent- scheidung wir uns zur Aufgabe gestellt haben (s. oben). So viel ich weiss, hat R. Heidenhain allein uns an Garmin- präparaten gezeigt (op. eit. S. 18), dass von den Halbmonden und zwar von ihrer den acini zugekehrten Seite nach dem Innern der Letzteren »konische Verlängerungen« ausgehen. Dass diese Ver- längerungen denselben protoplasmatischen Charakter haben wie die Lunulae selbst, ist ganz sicher: an jedem mit Carmin, Haematoxylin oder, wie wir oben gesehen, Chlorgold gut gefärbten Präparat (Fig. 2b“, Fig. 3) sind fast in jedem acinus, besonders in der Submaxil- lardrüse (des Hundes) diese konischen Ausläufer sehr deutlich zu sehen, die mit ihrer breiten Basis aus der Substanz der protoplas- matischen Elemente heraustreten, mit ihren sich verengenden Spitzen aber sich zwischen die Schleimzellen versenken. Am interessan- testen ist nun der Umstand, dass sie nicht selten verzweigt er- scheinen (vgl. Fig. 7: 1, 2, 3, 4), ferner verbinden sie sich mit andern Sprossen derselben Art und können demnach ganze Protoplasma- netze bilden. Dies geschieht, indem jeder Halbmondschössling sich schnell zu einem feinen Faden verdünnt und diese Fäden sich mit einander vereinigen, indem sie sich einander zuwenden (selten in gerader Richtung, häufiger in Windungen) entweder direct durch Uebergang des einen in den andern (1) oder nach einigen Zerthei- Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse, 305 lungen und Verzweigungen, die sich wiederum ihrerseits vereinigen (3,4). Aus einer solchen Vereinigung der Fäden entsteht im Innern des acinus eben jenes Netz, welches sich stellenweise durch kleine Verdickungen an den Vereinigungspunkten der Fäden auszeichnet. Es ist somit das Schicksal unserer Bildungen in den Alveolen klar genug und ofienbar spielen sie nicht die unbedeutendste Rolle in der Structur der Letzteren. Desgleichen ist ihr Charakter selbst so scharf ausgeprägt, dass man sie nicht mit irgend welchen andern Bildungen, die in den Alveolen auftreten, verwechseln kann. Nur muss man wissen, dass die Protoplasmafäden und die ganzen aus ihnen bestehenden Netze vermöge ihrer Zartheit und Feinheit über- aus leicht reissen; deshalb werden denn auch so oft an den Lu- nulae gar keine derartigen Anhängsel wahrgenommen, deshalb sind, wie man vermuthen muss, diese von mir geschilderten Gebilde den Beobachtern entgangen. Aus dem Ebengesagten und aus der gegebenen Charakteristik des Protoplasmanetzes ersieht also der Leser, dass ich dies Netz keineswegs mit dem sogen. »intraalveolaren« Netze der Autoren indentificire. Auch in Betreff der netzartigen Bildungen, aus welchen die Acinusmembran gebildet wird, ist es kaum nöthig zu sagen, dass unser Netz gar keine Beziehungen zu ihnen hat. — Wenden wir uns jetzt zur Litteratur, so werden wir für unsere Vorstellung die vollständigste Bestätigung finden, wobei wir auch sehen werden, was von den Autoren bis jetzt als Architektonik der Drüsenalveolen, besonders als besagtes intraalveolares Netz beschrieben wurde und wie weit dies mit der Wirklichkeit übereinstimmt. In den Alveolen wurden von den Gelehrten dem Anschein nach sehr verschiedene Dinge beschrieben: zum Theil waren es Netze aus Bälkchen oder Fasern (Boll, Ebner u.a.m.), aus denen sich das Gerüst der Alveolen aufbaute, zum Theil Secretionscanäl- chen oder Spalten (Gianuzzi, Langerhans, Pflüger, Ranvier, Asp u. a.), die jedoch ebenfalls als solche Netze dargestellt und von einigen Autoren (z. B. von Boll) an dieselbe Stelle gesetzt wurden wie die Fasernetze. Die Beobachtungen des ersten unter diesen Forschern, Boll’s, sind, soweit sie sich bloss auf die Acinus- membran, abgesehen von ihren Beziehungen zu den anderen Theilen der Alveolen, beziehen, am richtigsten (s. unten meine Beschreibung der genannten Membran). Wozu aber seine Ansichten über die intraalveolaren Bildungen geführt haben, werden wir am besten 306 M. Lavdowsky: ersehen, wenn wir ins Auge fassen, wie z. B. Ebner, der zuletzt auf diesem Gebiet gearbeitet hat, sie beschreibt. | »Ein System netzartig verbundener, doppeleontourirter, glän- zender Linien in polygonale Felder zerlegt, welche den Grenzen der Schleimzellen entsprechen« — das ist es, was Ebner unter dem Namen »intraalveolares Netz« beschreibt (s. oben seine Arbeit über die Drüsen der Zunge, 8. 18). Fügt man noch hinzu, dass er es einerseits mit der Acinusmembran in Verbindung setzt, anderer- seits zu den Ausläufern der Schleimzellen in Beziehung bringt und es zum Theil sogar aus diesen entstehen lässt; dass er es ferner - bald als »euticuläre« Bildung (als Ausscheidung der Drüsenzellen), bald als epithelioides Gebilde, jedenfalls aber nicht als bindegewe- biges,. betrachtet und diese seine Auflassung, wie er selbst sagt, auf kleine Bruchstücke gründet, da das ganze Netz sich schwer, in einigen Organen (in der Zunge nach Ebner’s eigenen Worten) auch gar nicht im isolirten Zustande darstellen lässt, — so können wir uns eine deutliche Vorstellung sowohl von dem Gebilde selbst, welches Ebner schildert, als auch von der Beschaffenheit der Ob- jecte, die ihm vorgelegen, machen. Kurz gesagt, was Ebner gesehen hat, ist nichts Anderes als das Netz, welches der Leser auch bei mir auf Fig.4c sehen: kann. Bei alle dem meint er, dass aus eben diesem Netz das Gerüst der Drüsenacini entsteht und stellt es der Darstellung, wie Boll sie geliefert hat, gegenüber. Da er nun sein Netz auch an frischen Objecten gesehen hat und es daher für natürlich hält, so verwechselt Ebner es scheinbar nicht mit den Drüsencanälchen, die er neben jenem beobachtet haben will, oder mit den »Zellenhäutchen«, da »die Doppelcontouren (der Linien), wie er sagt, durch die Fasern, oder vielleicht röhrenartige (!), jedenfalls nicht rein membranöse Bildungen bedingt sind« (S. 26). Dass die Ebner ’schen Linien (nicht aber die Doppelcontouren derselben, s. unten) nichts mit den Zellenhäutchen gemein haben, ist theilweise richtig: diese »Linien«, wie Ebner selbst bemerkt hat, kann man nicht nur am Rande der Zellen beobachten, sondern auch auf der Oberfläche ihrer Körper, wo sie nicht selten sich verknüpfen und durchkreuzen, wie man es auch unter f meiner Fig. IA sehen kann. Doch wird durch letzteren Umstand die Erklärung unserer Frage nicht im mindesten gefördert. Wie zweifelhaft die von Ebner beschriebene Bildung ist, ergiebt sich, abgesehen von dem Obenge- ae se ee Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 307 sagten, aus seinen eben angeführten Worten. Bald ist das Netz »faserig« und doch zu gleicher Zeit »nicht bindegewebig« , bald ist es »röhrenartig« und zu gleicher Zeit »neben den Drüsencanälchen« liegend, obwohl diese nirgends von dem Verfasser als neben dem Fasernetz befindlich abgebildet werden. (Im Gegentheil, in einer der früheren Arbeiten Ebner’s über die Drüsencanälchen!) sehen wir jenes gerade an den Stellen, wo an andern Präparaten diese Canälchen abgebildet wurden, vgl. z. B. seine Zeichnung 1 oder 6 mit 7 oder 10 auf der XX. Tafel des eitirten Bd. des Archivs.) Hieraus ergiebt sich, dass das Gebilde, welches Ebner so aus- führlich beschreibt, in Wirklichkeit durchaus nicht klar ist. Auf Grund unserer Beobachtungen müssen wir sogar behaupten, dass das »intraalveolare« Netz ein blosses Artefact ist und in dem Sinne, wie Ebner es auffasst, gar nicht existirt. Die Bilder, durch welche die Autoren eine Art von Gerüst- netzen im Innern der Drüsenalveolen zu schildern veranlasst wurden, hatten, wie mir scheint, ihren Grund in zwei morphologischen That- sachen: 1) in dem ganz eigenartigen Bau der Acinusmembran, welche aus netzförmig verbundenen Zellen (Korbzellen v. Boll) besteht, 2) in jenem bekannten Bilde, welches die glänzenden, »in polygonale Felder zerlegten Linien« geben und welches beständig zwischen den Drüsenzellen, namentlich zwischen den Schleimzellen gesehen wird. Dies zweite Bild, diese glänzenden Linien lenkten am meisten die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich, wie sie andererseits ihnen am räthselhaftsten blieben. Doch schon seit den Beobachtungen Langerhans’?) und Saviotti’s®), die zuerst das System der capillaren Drüsen- canälchen zwischen den Zellen des Pancreas beschrieben haben, und seit den bekannten Andeutungen Gianuzzi’s über die Speichel- drüsen, mit denen er bereits vor den genannten Autoren aufgetreten war *), hätte man in diesen letzten Drüsen die räthselhaften Gebilde als solche betrachten können, die mit den »capillaren Drüsen- 1) Ebner. Ueber die Anfänge der Speichelgänge in d. Speicheldrüsen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VIII, S. 481. 2) P. Langerhans. Beitr. z. mikroskop. Anatomie d. Bauchspeichel- drüse. Inaug.-Dissert. Berlin 1869. 3) G. Saviotti. Untersuchungen üb. d. feineren Bau des Pancreas, Arch. f. mikr. Anat. Bd. V, S. 404 (1869). 4) Gianuzzi op. eit. (1865). 308 M. Lavdowsky: canälchen« etwas gemein haben; denn auch in diesen Drüsen fanden sich und wurden, wenigstens nach Pflüger’s Aussagen !) und nach den eitirten Untersuchungen Ebner’s, canälchenartige Gebilde ge- rade an den Stellen mit Injectionsmassen gefüllt, wo sie ohne Zweifel von Gianuzzi und Saviotti gesehen worden waren. Viele Forscher, die diesen Letztern folgten, wie z.B. Boll?), haben denn auch anfangs diese Gebilde so betrachtet. Doch bald hat Boll seine Ansicht ge- ändert?) und, von der Ueberzeugung ausgehend, dass die fraglichen glänzenden Linien mit der Membrana pr. in Verbindung stehen und die Constitution faseriger Massen besitzen, hat er sie zu der von ihm sogenannten bindegewebigen Gerüstsubstanz der Drüsen ge- rechnet. Diese Meinungsänderung beruht indessen auf einem Grund- fehler, welcher unter anderen den oben citirten Irrthum Ebner’s nach sich zog. Die interessanten Beobachtungen Asp ’s (op. cit.) weisen uns deutlich darauf hin. Im Gegensatz zu Boll und Ebner findet Asp gar kein »intraalveolares«, faseriges Netz und nach seiner Untersuchung weist die zusammenhängende Haut der Alveolen keine Spur von Sprossen, die sich ins Innere der Letzteren erstrecken sollten, auf (vgl. meine Angabe hierüber); umgekehrt findet er spalt- förmige Secretionscanälchen in den Alveolen, indem er es unent- schieden lässt, ob sie physiologisch präformirte Gebilde repräsentiren oder nur durch den Injectionsdruck entstehen. Was sind das nun für sonderbare Dinge, die von den Gelehrten so verschieden aufgefasst werden? Nimmt man noch dazu, dass wir gerade an den Stellen, wo die fraglichen Gebilde sich befinden sollen, eine Art protoplasmatischer Fäden gefunden haben, — so möchte nach alle dem unsere Frage in der That »räthselhaft« erscheinen. Und doch ist sie es nur dank jenen Untersuchungen, welche das in Wirklichkeit einfache Bild durch weitschweifige und widerspruchsvolle Beschreibung seiner Eigenschaften verwirrt haben. Thatsächlich finden wir in den Präparaten Folgendes: 1) Die von den Forschern geschilderten doppelcontourirten Ge- bilde finden sich als solche nur in den Schleimspeicheldrüsen und 1) Pflüger op. eit. in Arch. f. mikr. Anat. Bd. V, S. 203. (Nachschrift). 2) Fr. Boll. Ueber den Bau der Thränendrüsen. Dasselbe Arch. Bd. IV, S. 146. 3) S. seine oben eit. Arbeit: »Bindesubstanz der Drüsen« u. Inaug.- Dissert. Berlin 1869, Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 309 anderen Schleimdrüsen, in den serösen Drüsen dagegen haben sie nur die Gestalt einfach contourirter Bildungen. Dieser Umstand hat seinen Grund darin, dass sie in den ersteren Drüsen von Zellen begrenzt werden, die mit Häutchen versehen sind, in denen der zweiten Gattung dagegen von hautlosen Zellen. Daher erscheinen sie auch im ersten Fall so glänzend (vgl. oben die Eigenschaft der Schleimzellenhäute), im zweiten umgekehrt haben sie nie solches Aussehen. 2) Die von den Autoren angenommene Verbindung zwischen den fraglichen Gebilden und der Membran der Acini ist auch nur scheinbar und hängt ab von dem engen Anliegen der Zellenfortsätze an jene, von ihrer eigenthümlichen (s. oben) Lage unter ihr und von der Dichtigkeit der Lagerung der Zellkörper selbst, was eben, alles zusammengenommen, besonders in erhärteten Präparaten, das Bild ununterbrochener Linien, die von der Membran bis an das lumen acini selbst gehen, bietet. 3) Bei Isolirung der Zellen dagegen zeigt sich zwischen ihnen nichts Besonderes ausser den obengeschilderten Proto- plasmafäden und einer geringen Quantität Zwischen- substanz. Diese Substanz ist aber von der grössten Wichtigkeit für unsere Frage. Man hat nämlich Grund anzunehmen, dass die Menge jener Zwischensubstanz sich nicht immer gleich bleibt, sondern je nach dem Zustande der Drüsen bald grösser, bald kleiner ist. So wird sie in einer stark thätigen Drüse offenbar verbraucht, woher denn auch in diesem Falle die Elemente sich relativ sehr leicht isoliren lassen (s. unten); umgekehrt ist in ruhenden Drüsen, in denen be- kanntlich die Elemente sehr schwer zu isoliren sind, die Menge der Zwischensubstanz am grössten. Wie schwer es auch sein mag ihren Charakter zu bestimmen, so scheint es doch, dass sie zum Theil aus Schleim besteht; denn durch Einwirkung von Säuren und dergl. Mitteln gerinnt sie ebenso leicht wie echter Schleim und färbt sich durch Farbstoffe ebenso schwach oder gar nicht, wie die Substanz der Schleimzellen. Bei Erhärtung in Alkohol gerinnt sie natürlich noch leichter und es ist daher begreiflich, weshalb sie an solchen Präparaten am deut- lichsten hervortritt. Nach dem, was über die verschiedene Quantität dieser Substanz in Drüsen von verschiedener Activität gesagt ist, kann man sie also für nichts Anderes als für jene Ausschei- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 20 310 M. Lavdowsky: dung der Schleimzellen halten, welche das Lumen der Alveolen ausfüllt. Diese Substanz nun ist im Zustande der Gerinnung fähig in grösserer oder geringerer Menge sich von den Zellen bald in einzelnen »Fäden« oder »Fasern«, bald als zusammenhängendes Maschenwerk zu isoliren und erzeugt nach meiner Ansicht jene Bilder, die von den Forschern als intraalveolares Netz beschrieben worden sind. Sowohl Ebners’s Zeichnungen, als auch meine mit ihnen völlig übereinstimmende Fig. 4 c sprechen entschieden dafür. Zudem sind an diesen netzartig verknüpften »Fäden« weder Kerne zu sehen noch sonst etwas, was uns irgendwie das Recht gäbe sie für Fasern zu halten. Ebenso ist es auch an Tincetionspräparaten, wenn in den Alveolen überall gefärbte, gleichsam an ein tingirtes Fasergerüst erinnernde »Netze« angetroffen werden, nicht schwer zu sehen, dass man es auch hier in Wirklichkeit (s. meine Zeichnungen) gar nicht mit einem Gerüst zu thun hat: wie es uns bereits die vergoldeten Präparate gezeigt haben, liegt uns hier nichts weiter als gefärbte Zellencontouren vor, deren Lagerung zu einander den Alveolen ein netzartiges Ansehen giebt. Endlich sprechen in unserem Sinn auch die Injectionspräparate, die aus den Drüsenorganen durch Anfüllung mit irgend einer ge- färbten Masse durch den Ausführungsgang gewonnen werden, Zu den Resultaten, die auf solche Weise gewonnen werden, wollen wir hiermit übergehen, zumal da sie zugleich auch viel zur Ent- scheidung einer wichtigen Frage über die Seeretionscanälchen beitragen werden. In dieser Hinsicht ist vor allemein Umstand der Beachtung werth, welcher uns unter anderm auch den Grund jener sonderbaren Er- scheinung erklären wird, dass diese »Canälchen« von den Forschern gerade an den Stellen gesehen worden sind, wo nach ihrer Schilderung das faserige Netz sich befindet. Diese Forscher, wie auch diejenigen, welche so weit gingen den capillaren Drüsencanälchen eine Art von Wänden beizulegen, haben eben ausser Acht gelassen, dass die von ihnen angenommenen »Canälchen« unter keiner Bedingung sich isoliren. Demnach lag schon a priori kein Grund zu der Annahme vor, dass die capillaren Canälchen eine Art selbständiger Röhrchen bildeten wie etwa die Gallencapillaren, mit denen man sie zusammengestellt hat. Und in der That bieten uns die Zerzupfungs- präparate, mögen sie noch so sorgfältig mit noch so zweckdienlichen Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 311 Mitteln, wie einfach chromsaurem Ammoniak, gewonnen sein, den- noch nicht den geringsten Anhalt jene Annahme der Forscher zu bestätigen. Betrachten wir nun die Injectionspräparate, so finden wir auch in ihnen nur Folgendes. Zunächst ist zu beachten, dass die Injectionsmasse, besonders Berlinerblau, wenn sie einmal in das System der grossen Canälchen und in das Lumen der acini selbst gedrungen ist, einen bedeutend stärkeren Druck erfordert und dabei doch — selbst auf Umwegen — eher unter die Membrana pr. dringt, als in die dem Acinuslumen zu- nächst liegenden Theile. Endlich dringt sie nur hier und da aus diesem Letzteren in sehr feinen Streifen in die Zellenlage der aeini und zwar zwischen den Schleimzellen hindurch. Ununterbrochene und zahlreiche Wege vom Lumen bis zur Acinusperipherie, Wege, die etwa die einzelnen Zellen abgrenzen sollten, giebt es also in den Schleimspeicheldrüsen nicht. Demnach könnte man vielleicht meinen, dass wir sie zum Theil nur künstlich schaffen, indem wir durch die Injectionsmasse die Zellen auseinandertreiben. Versuchen wir nun diese Wege möglichst genau mit Hülfe starker Linsen zu untersuchen, so werden wir uns nirgends davon überzeugen, dass sie eine Membran haben und überhaupt den Charakter selbstständiger Röhrchen an sich tragen; wenn wir sie endlich zu isoliren versuchen, so finden wir gar nichts ausser der zwischen den Zellen durchge- drungenen Masse. Daraus aber geht klar hervor, dass die sogenannten Secretions- canälchen, wenigstens in den Schleimspeicheldrüsen, nichts weiter als Spalten zwischen den Zellen sind, worauf mit Recht schon Gianuzzi und in neuester Zeit Asp hingewiesen haben. Bemühen wir uns jetzt an solchen Präparaten das »intra- alveolare« Netz zu suchen, so finden wir auch hier gar nichts, was für seine Existenz spräche. Im Gegentheil, vergleicht man die mit Injectionsmasse gefüllten Stellen mit denen, die von dieser Masse nicht berührt sind, so stellt sich offenbar heraus, dass in den ersteren eine ganz andere Substanz war als irgend welche Fasern. Diese Substanz aber ist augenscheinlich jene oben beschriebene, deren Ge- rinnung das Bild des faserigen Netzes giebt. Als letzter und bester Beweis für die Richtigkeit des Ebengesagten kann unsere Orbital- drüse dienen; denn in keiner der bekannten Drüsen fallen die Bilder, welche den Schilderungen des genannten Netzes entsprechen sollen, so sehr in die Augen, wie in der Orbitalis, deren überaus bedeu- 312 M. Lavdowsky: tenden Schleimreichthum wir gleich zu Anfang hervorgehoben haben. Aus all dem Angeführten können wir folglich 1) schliessen, dass das »intraalveolare« Netz der Autoren in Wirklichkeit nichts Anderes ist als ein blosses Artefact, das überdies unter ganz ge- wöhnlichen Bedingungen entsteht, und 2) auch darüber zur klaren Einsicht gelangen, woher die Forscher an ganz denselben Stellen so- wohl dies Netz als auch eine Art »Canälchen« gesehen. Wenn wir ferner wiederholen, dass im Gegensatz zu den »Canälchen« welche nie isolirt auftreten, weil sie einfach Spalten sind, die Substanz, mit welcher sie angefüllt sind, nicht selten sich isolirt, so wird uns wohl klar werden, warum auch an Zerzupfungspräparaten die Beobachter Netze aus letzterer Substanz für Netze aus jenen »Canäl- chen« angesehen und ihnen fälschlich die Bedeutung solcher zuge- schrieben haben, da siesich nur nach Injectionsbildern oder gar nur nach einfachen Bildern der Letzteren an Schnitten richteten. Somit hätte vielleicht die Frage über das »intraalveolare« Netz kaum eine so eingehende Besprechung, wie wir sie ihr gewidmet haben, verdient; aber mit ihr stand ja eine andere Frage in Ver- bindung und deshalb haben wir uns nicht entschliessen können mit ein paar Worten eine Sache abzuthun, mit welcher sich die besten Mikroskopiker unserer Zeit eifrig beschäftigt haben. Was nun die grösseren CGanälchen und zwar die, welche Pflüger beschreibt, anlangt, so wäre es, nach den Injectionen zu schliessen, trotzdem dass es mir nicht gelungen ist sie an jedem Präparate (im isolirten Zustande) zu beobachten, dennoch übereilt, wie es einige Autoren gethan haben, ihr Vorhandensein zu bestreiten. Das sie bedeckende Epithelium besteht aber keineswegs aus Pflasterzellen, wie Pflüger sie aufgefasst hat, sondern aus den- selben Epithelzellen stäbchenartiger Structur (die in den betrefien- den Kanälen nur kurz-ceylindrisch oder kubisch sind), mit welchen alle übrigen Gänge bestimmter Arten von Speicheldrüsen bedeckt sind, — aus jenen bemerkenswerthen Epitheizellen, mit denen uns R. Heidenhain in seiner Arbeit über die Nieren, op. eit. 1 c., be- kannt gemacht hat. Da der Bau dieses Epithels sehr interessant und zweifellos weiterer Untersuchung werth ist, so will ich hier aus eigener Beobachtung einiges darüber mittheilen. Beiläufig will ich, da dies zur Entwickelungsgeschichte des Stäbchenepithels gehört, vorausschicken, dass wie in den entwickelten Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 313 Nieren, so auch in den embryonalen harnabson dernden Organen (in den sogenannten Wolff’schen Körpern) die fungirenden Canälchen bei Säugethierembryonen mit einem Stäbchen- epithelium bedeckt sind. Und wie dort, so bestehen auch hier ihre Zellen aus zwei Zonen, einer inneren (homogenen) und einer äusseren (gestreiften), zwischen welchen sich stets ein Kern be- findet. Von diesen ist die erste Zone in den Ganälchenzellen der Wolff’schen Körper ganz homogen, bei der zweiten aber heben sich, obwohl sie ein ebenso unzweifelhaftes Bild stäbchenartiger Streifung bietet, wie in den entwickelten, bleibenden Harnorganen, die Stäbchen in den Zellen der W olff’schen Körper nicht so scharf ab; sie sind noch zarter und jedes von ihnen besteht aus einer Reihe oder Kette feiner Körnchen, die sich mithin nicht ganz zu jener »Stäbchenform«, wie wir sie an den erwähnten bleibenden Harn- organen (d. h. an den Nieren ausgewachsener Thiere) beobachten, differenzirt hat !). Wenn wir jetzt die Speicheldrüsencanäle bei unvollendeter Entwickelung, etwa von Embryonen aus dem Ende der Schwanger- schaft oder von eben geborenen Fötus, betrachten, so weisen auch ihre Zellen denselben Bau auf (s. Fig. 8 C, b—c): die Stäbchen dieser Zellen bestehen ebenfalls aus einzelnen Partikelchen, welche reihen- oder kettenweise verbunden sind. Und da nun auf früheren Ent- wickelungsstufen eine solche Lagerung der Partikelchen nicht ange- troffen wird und die sie enthaltenden Zellen nur das Bild gewöhn- licher körniger Körper darbieten, in denen auch keine Theilung in Zonen zu sehen ist; in späteren Stadien dagegen diese Theilung klar ist und in der äussern Zone die Ketten der Partikelchen sich in compacte Stäbchen verdichten, — so muss man daraus schliessen, dass die stäbchenartige Structur des entwickelten Canälchenepithels in den Organen, wo es vorkommt, eine Form der Differenzirung desselben Protoplasma ist, aus welchem die ganzen Körper der Jungen Zellen dieses Epithels bestehen. Kehren wir zu dem Epithelium der Canäle -völlig entwickelter Drüsen zurück, wo die Stäbchen alle Eigenschaften ausgebildeter, compacter Massen zeigen, so muss ich zunächst bemerken, dass ein 1) Die Details über diese interessante Erscheinung im Bau des Epi- thels der Canäle Wolff’scher Körper verspare ich mir bis zum Schluss meiner Untersuchungen auf dem Gebiete der Entwickelungsgeschichte des Urogenitaisystems, die mich augenblicklich beschäftigt. 314 M. Lavdowsky: derartiges Epithel auch für die uns hier beschäftigende Orbitaldrüse wahrzunehmen ist (Fig. 2ag, 8C, a). Auch an ihr lassen sich wie an andern (vgl. Fig. SB, 13 k) in den Zellen verschiedener, grösserer und kleinerer Gänge ganz deutlich zwei Schichten unterscheiden: eine innere, welche enger und etwas körnig ist, und eine äussere, die breiter ist und aus aufrechtstehenden Reihen von matt-glänzen- den, rund-cylindrischen und nach aussen abgestumpften Stäbchen besteht. Ob nun diese Letzteren »Stäbchen« im eigentlichen Sinne vorstellen oder ob sie mit einer feinen Masse angefüllte Röhrchen sind, wie Heidenhäin annimmt, dies ist für die Orbitaldrüse schwer zu entscheiden. Aber für die Submaxillaris ist, wenigstens wenn man aus ihren optischen Querschnitten schliessen darf (vgl. die Fig.SB, ©), die letztere Annahme nicht unwahrscheinlich. Auf- fallend bleibt dabei, dass sie bei langdauernder Behandlung mit ver- schiedenen Farbstoffen diese sehr schwach in sich aufnehmen oder nur gewissen Mitteln den Vorzug geben; so färben sie sich z. B. bei Behandlung mit Pikrocarmin nur mit Pikrinsäure, indem sie in diesem Falle als eine gelb-gestreifte Schicht sehr klar hervortreten, was man auf meiner Zeichnung 13 aus der Submaxillaris des Kaninchens sehen kann. ' Bei Betrachtung dieser Zeichnung will ich noch auf einen Um- stand anfmerksam machen, der nicht ohne Wichtigkeit sein möchte. In dieser typischen serösen Speicheldrüse, deren Zellen sich so scharf von den Elementen der Schleimspeicheldrüsen unterscheiden, haben einige von diesen Zellen an ihrer Peripherie eine ziemlich dicke Schicht irgend einer homogenen Masse, die gewöhnlich als Saum und nur an einer Seite des Zellkörpers gelagert ist. — Nun ist es inte- ressant, dass wir einen ganz ebensolchen Saum, der aus ebender- selben homogenen Substanz besteht, auch an den die Gänge bedeckenden Zellen und zwar derjenigen Drüsen (Sublin- gualis, vgl. Fig. SA—x, x), welche bekanntlich des Stäbchen- epithels ermangeln, vorfinden. Welche Bedeutung diese Gebilde haben, die hier die Stäbchen vertreten, und in welcher Beziehung sie zu der entsprechenden Bil- dung in den serösen Drüsen stehen, wo sie an den Parenchymzellen selbst beobachtet werden, kann ich nicht entscheiden. Um mit der Structur des Drüsengewebes abzuschliessen, habe ich nur noch wenig zu sagen. So kann ich in Betreff der Membran der Gänge und der Zur feineren Anatomie u. Physiol, d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 315 Alveolen selbst, die ich oben noch nicht speziell behandelt habe, die Untersuchungen Boll’s in der Hauptsache vollkommen bestätigen und bin gezwungen, mich wiederum gegen Ebner auszusprechen. Während der letztgenannte Forscher behauptet, dass die Acinus- membran keine durchlöcherte Haut ist, wie Boll sie geschildert, sondern ein zusammenhängendes Gebilde ausmacht, finde ich sie um- gekehrt in allen von mir untersuchten Drüsen als durchlöcherte Membran, deren charakteristische ästige Zellen (s. Fig. 5A, a—g, 5B, a—b, 6A, a—c) nur durch Fortsätze mit einander verbunden sind und auf diese Weise in der That eine netz- oder »korbartige« Hülle (Boll) entstehen lassen. Es ist also in den Löchern dieser Hülle nichts von einem weiteren Häutchen, das sie zu einer com- pacten Membran vereinigen sollte, wie Ebner annimmt!), zu sehen. Und nur an der Orbitaldrüse neugeborner Hunde, bei denen die Korbzellen so ausgezeichnet entwickelt sind (Fig. 5B, a—b), habe ich ein einziges Mal in den Maschen der Hülle zwischen den Ausläufern dieser Zellen das Vorhandensein einer überaus zarten, schwach körnigen Masse entdeckt, deren Dichtigkeit allerdings der Art war, dass sie vielleicht als Häutchen bezeichnet werden könnte. Aber an ausgewachsenen Thieren finden wir selbst derartige Massen nicht: die Maschen zwischen ihren Membranzellen entbehren jeg- licher Häutchen und umfassen unmittelbar die im Acinus liegen- den Zellen. Nicht ohne Interesse ist dabei der Umstand, dass an der Orbitaldrüse ausgewachsener Thiere zu gleicher Zeit auch die Korbzellen selbst schwach entwickelt sind und nur mit grosser Mühe constatirt werden können. Ferner muss ich hier darauf hinweisen, dass die ästigen Mem- branzellen nieht selten, wie man es an der Zeichnung 5 der Fig. 7 sehen kann, als mit den Drüsenzellen und zwar mit den Halbmonden in enger Verbindung stehend wahrgenommen werden und dann durch- aus jene Bilder liefern, welche Pflüger unter dem Namen »multi- polare gangliose Zellen« zusammen mit den »Drüsenzellen« beschrieben hat. Hier liegt aber der Fehler so klar vor, dass auf ihn fast vor zehn Jahren bereits Kölliker mit Entschiedenheit hingewiesen und mit Recht Pflüger’s Zellen zu den »indifferenten Umhüllungs- gebilden der Drüsenbläschen« oder, um unsern Ausdruck zu ge- brauchen, zu den ästigen Membranzellen gerechnet hat!). 1) Ebner. Drüsen der Zunge. Graz. 1873. S. 23. 2) Kölliker. Gewebelehre, 5. Aufl. Leipzig 1867. S. 360. 316 M. Lavdowsky: Ueberdies muss auch das als bekannt gelten, dass die echten gangliosen Zellen der Speicheldrüsen mit den von Pflüger ge- schilderten Zellen absolut nichts gemein haben. Sieht man sich die Sache noch genauer an, so findet man nicht schwer, dass ein Zu- sammenhang der »multipolaren« (Membran-)Zellen mit den Drüsenzellen ebenfalls nur scheinbar ist, und an derselben Fig.7 (sub 5) können wir wahrnehmen, dass die Ausläufer der ersten Zellen nur eng an die letzteren anliegen und dass sie dort, wo es uns gelingt sie un- verletzt zu sehen, sich zwischen diesen weiter erstrecken, um sich mit ähnlichen Ausläufern anderer, benachbarter Membranzellen zu vereinigen. Ebenso wenig existirt auch ein organischer Zusammenhang zwischen den »multipolaren« Zellen und den Schleimzellen, welche ebenfalls mit ihren peripherischen Theilen eng an die Maschen der Acinusmembran stossen und auf diese Weise nur dicht zwischen den Fortsätzen der Membranzellen liegen (s. Zeichn. 5 u. 6 auf Fig. 7). Besonders leicht lassen sich die Membranzellen aus den Gaumen- schleimhautdrüsen des Kaninchens isoliren (Fig. 6 A, a—c); auch sind sie sehr gut in der Sublingualis desselben (Fig.5 A, e—g) zu sehen. In der Letzteren sind sie übrigens verhältnissmässig klein und mit sehr dünnen, vielverzweigten Auswüchsen versehen. In den Ersteren aber sind sie ziemlich stark entwickelt und heben sich deutlich von den Acinuszellen ab, sowie von dem Epithelium der Drüsengänge, an dessen Wänden sie als vorhanden be- trachtet werden müssen. Hält man dies fest und weiss man, dass die Korbzellen auch in den Drüsengängen vorhanden sind und, en face betrachtet, zwischen den Epithelzellen dieser Gänge liegend erscheinen, so kann man auf die Vermuthung kommen, ob nicht die Membranzellen auch Mit jenen Gebilden, welche Langerhans unter dem Namen »centro- acinäre« Zellen beschrieben hat, etwas gemein haben. Es hat in der That den Anschein, als wenn diese Zellen, die von vielen Be- obachtern nicht gesehen worden sind und in neuester Zeit (von Asp) sogar geleugnet werden, als besondere Art von Zellen nicht existiren. Ich wenigstens habe überall, wo sich nur Bilder zeigten, die an sie erinnerten, gefunden, dass sie entweder aus Epithelzellen, die in eine unregelmässige, eckige Form zusammen- gedrückt waren, oder aus kleinen Membranzellen hervorgingen. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 317 Endlich darf ich nicht unerwähnt lassen, dass in den gewöhn- lichen Schleimdrüsen, und zwar in denselben Gaumenschleimhaut- drüsen, ausser den soeben beschriebenen Membranzellen noch ästige Elemente besonderer Art sich finden, die der Leser unter 1—4 auf Fig. 6B sehen kann. Zum Theil gleichen sie diesen Membranzellen, andererseits aber unterscheiden sie sich auch in mancher Beziehung von ihnen. So sind sie mit vielen Ausläufern versehen, haben ge- wöhnlich einen relativ grossen Kern und eine bedeutende Quantität einer körnigen Masse rings um den Letzteren. Zudem sind sie auch darum beachtenswerth, dass sie in einigen ihrer Bestandtheile sehr eigenthümliche Eigenschaften haben, weshalb denn auch ihre ganze Gestalt charakteristisch ist. Jede dieser Zellen stellt nämlich einen körnigen, unregelmässig-kubischen , hautlosen Körper dar, von wel- chem (bald gleichmässig nach allen Seiten, bald vorzugsweise von den beiden Polen, wie an den Zellen 2 und 3) völlig homogene, cylinderförmige Fortsätze ausgehen. Gewöhnlich sind diese Aus- läufer von ungleicher Länge; bei vielen Zellen aber sind sie gleich lang, endigen alle auf einer und derselben Höhe, als wenn sie be- schnitten wären, und erweitern sich an ihren Enden zu einer Art Schaufelchen, die überdies ein wenig gekrümmt sind. Die Gestalt ‘ dieser Zellen ist demnach so eigenthümlich, dass man sie kaum mit anderen Elementen, die sich in der Gaumenschleimhaut finden, ver- wechseln könnte. Darum beschreibe ich sie auch für sich; weiter aber zu bestimmen, was für Bildungen es sind und ihnen einen Namen zu geben, enthalte ich mich einstweilen, zumal da es sehr wichtig ist sie noch an anderen Drüsen zu suchen. Nur so viel will. ich bemerken, dass, wie in den Speicheldrüsen überhaupt, so auch in der Orbitaldrüse diese Zellen sich nicht vorfinden. Die Zwischengewebe der verschiedenen von uns behan- delten Drüsen anlangend, ist schon aus den Untersuchungen R. Heidenhain’s (op. eit. 1a) bekannt, dass in dem schwach ent- wickelten faserigen Gewebe der Speicheldrüsen (in der Orbitaldrüse ist es noch schwächer entwickelt) neben den Bindegewebskörperchen in verschiedener Menge runde und eckige Zellen zerstreut sind, welche er für Lymphkörperchen hielt. Aehnliche Zellen können wir auch in der Orbitaldrüse beobachten (Fig. 2c u. and.). — Aber es sind nicht alle von den eckigen Zellen in dem Zwischengewebe der Speicheldrüsen zu den Lymphkörperchen zu zählen; im Gegen- theil, in Aussehen, Gestalt und Charakter der Lagerung nähert sich 318 M. Lavdowsky: die Mehrzahl von ihnen eher einer eigenen Art Bindegewebszellen, nämlich denen, welche vor Kurzem in der Zwischensubstanz ver- schiedener Organe von W. Waldeyer') beschrieben sind, den grossen protoplasmareichen Bindegewebskörperchen (»Plasmazellen«). Diese Elemente, auf die auch andere Forscher aufmerksam gemacht haben und die sich in grossen Massen in der Zwischen- substanz der Hoden (Mihalkowies) 2) vorfinden, sind besonders stark in der Sublingualdrüse entwickelt, wo sie ganze Strassen zwischen den Alveolen bilden, wie auch in den Hoden zwischen den Samencanälchen. In anderen Schleimspeicheldrüsen finden sie sich in geringer Menge, in der Orbitaldrüse in noch geringerer und in den serösen Drüsen nie. — Was die eigentlichen Lymphkörperchen betrifft, so kann man sie stets zwischen solchen Alveolen, die mehr als die anderen secernirt haben, finden und besonders in gereizten Drüsen, wo wir sie in Massen antreffen werden. In erhärteten Prä- paraten nehmen diese Elemente leider ebenfalls eine mehr oder we- niger eckige Form an und sind dann nicht immer von den Plasma- zellen zu unterscheiden. Am Schlusse dieses Capitels will ich noch kurz darauf hin- weisen, dass ich bei meinen Untersuchungen über die Drüsen nicht wenig Sorgfalt auch auf die Entscheidung der Frage über ihre Nerven und vornehmlich auf die Auffindung ihres von Pflüger (op. eit.) beschriebenen Zusammenhanges mit den Drüsenzellen ver- wandt und zu dem Zwecke die verschiedensten Methoden, von der Osmiumsäure ganz abgesehen, angewandt habe. Doch bin ich, wie auch früher, als ich mich in Petersburg mit dieser Frage befasste, stets nur zu negativen Resultaten gelangt: nicht nur, dass ein Zu- sammenhang zwischen den Nerven und Drüsenzellen sich nicht auf- finden lässt, sondern es ist mir auch unbegreifliich, wie man mit Ösmiumsäure Dinge der Art erlangen kann, wie sie Pflüger sy- stematisch für das Pancreas und die Leber immer wieder vorbringt. Mit den Nerven des Pancreas habe ich pich ebenfalls ein- gehend beschäftigt und habe dabei wohl weitverzweigte Verflechtun- 1) W. Waldeyer. Ueber Bindegewebszellen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI, S. 176. 2) W. Mihalkowics. Beiträge zur Anat. u. Physiologie des Hodens. Ber. d. k. sächs. Gesellsch. zu Leipzig. Sitz. 26. Juli 1873. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 319 gen der Nerven mit colossalen Massen von gangliosen Zellen gefun- den, niemals aber etwas, was Pflüger’s Beschreibung der Nerven- endigungen entspräche. Die meisten Forscher, mit Ausnahme von. Kupffer und Paladino, haben ebensowenig Pflüger’s Angaben bestätigen können. Dem sei, wie ihm wolle; da aber einmal eine Ausnahme statuirt werden muss — und hier sind ihrer zwei — und da ich aus eigener Erfahrung weiss, wie schwer überhaupt die Auf- findung der Nervenendigungen ist, so kann ich mich nicht ent- schliessen, der Meinung der Majorität beizustimmen und die Mög- lichkeit eines Zusammenhanges der Nerven mit den Drüsenzellen entschieden in Abrede zu stellen; denn für den Letzteren sprechen gewichtige physiologische Erwägungen, die sich aus Versuchen mit gewissen Giften ergeben. Entschieden muss ich aber behaupten, dass diejenigen Bilder, die sich in der That und constant finden, z. B. die merkwürdige Streifung oder Faserung des Epithels der Drüsengänge, welchen Pflüger ebenfalls Nervencharakter zuschreibt, von ihm falsch verstanden sind; diese Streifung ist nichts weiter als ein Aus- druck derselben stäbchenartigen Structur der Epithelien der Gänge, die oben besprochen worden ist und die Pflüger selbst nicht unbekannt war. Ueber die »Muskelfasern der Speicheldrüsen« (Schlütter, Pflüger) werden wohl einige Worte in unserer Darlegung der Untersuchungsmethoden genügen, da sie nach meinen Beobachtungen zum Drüsengewebe selbst kaum in Beziehung stehen. Da wir gerade bei der Untersuchung der morphologischen Er- scheinungen sind, welche die gereizten Drüsen bieten, so wird hier der geeignete Ort sein, die stellenweise auch in der Structur der ruhenden Drüsen bemerkbaren Eigenthümlichkeiten zu beschreiben, welche, wie ich gleich zu Anfang hervorgehoben, in causalem Zu- sammenhang mit ihrer physiologischen Function stehen und trotz- dem, wie ebendaselbst bemerkt worden ist, von allen Beobachtern übergangen, nur von R. Heidenhain (l. c.) kurz angedeutet wor- den sind. Betrachtet man die glatt abgeschnittene Oberfläche irgend einer Schleimspeicheldrüse, die vorher in Alkohol erhärtet worden, so kann man schon mit blossem Auge oder mit Hülfe einer kleinen 320 M. Lavdowsky: Lupe leicht bemerken, dass das Drüsengewebe bei weitem nicht auf der ganzen Oberfläche das gleiche Ansehen hat, vor allem nicht die gleiche Farbe und Consistenz. In der. gleichmässig weissen, fast undurchsichtigen Masse des gewöhnlichen Gewebes sind graue und durchsichtigere, gleichsam gallertartige, ziemlich scharf begrenzte Stellen, die wie Flecke aussehen und unregelmässig vertheilt ‚sind. Bald sehr klein, wie Punkte, bald wiederum bis zu '/; Mm. im Durchmesser, treten diese Flecke in ebenso schwankender Quantität auf: mitunter sind ihrer so wenige, dass man sie ganz übersehen kann; in anderen Fällen finden sich ihrer gegen 5—8. Bemerkens- werth ist aber, dass sie sich am zahlreichsten in solchen Drüsen, die lange Zeit und zwar schwach secernirt haben, beob- achten lassen, wie z. B. in reflectorisch-gereizten Organen (s. weiter unten), und am schärfsten heben sie sich an denjenigen von ihnen ab, welche am meisten Mucin absondern (Örbitaldrüse). — Wenn ich nun etwas vorgreife und gleich hier anführe, dass ma- kroskopisch durch ganz dieselben Vorgänge des Auftretens jener Flecke ein Process von Veränderungen auch in direct durch ihren Nerv gereizten Drüsen sich kund giebt, dass hier ferner bei andau- ernder Reizung diese Flecke, immer grössere Massen des Drüsen- gewebes erfassend, endlich in einander verschwimmen, so dass das ganze Gewebe ein anderes, ihnen entsprechendes Aussehen bekommt, so muss man bereits auf Grundlage alles dessen schliessen, dass die angegebenen örtlichen Eigenthümlichkeiten im äusseren Cha- rakter des Gewebes »ruhender« Drüsen offenbar mit ihrer Abson- derungsthätigkeit in Zusammenhang stehen und dass sie augenschein- lich auf die Existenz gewisser morphologischer Veränderungen in demselben, je nach seiner Activität, hinweisen. Auch die mikros- kopische Untersuchung bestätigt vollkommen die Richtigkeit dieser Folgerung. Stellt man einen guten, feinen Schnitt her und färbt ihn lege artis mit Carmin, so hat an allen Stellen, die wir auf die ange- gebene Weise verändert sahen, die Structur der Drüsengewebe fol- gende Besonderheiten. Zunächst erscheinen die Lunulazellen an diesen Stellen sehr scharf ausgeprägt; sie sind hier und da ein wenig angeschwollen und erscheinen daher als vergrössert. Zu gleicher Zeit sind auch in den Schleimzellen Veränderungen bemerk- bar, aber nur an ihren Kernen, die ebenfalls etwas grösser und stellenweise abgerundet sind, was an einigen kleinen Zellen, die in En Zur feineren Anatomie u. Physiol. d.Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 321 diesem Falle spärlich vorkommen, besonders deutlich zu Tage tritt. Hingegen hat der Inhalt der Schleimzellen dem Anscheine nach keine Veränderungen erlitten, er ist ebenso hell und klar wie sewöhnlich; wie denn auch das Aussehen der Alveolen im All- gemeinen seinen typischen Charakter durchaus bewahrt. Alle diese Eigenthümlichkeiten sind, einzeln genommen, natür- lich nicht bedeutend; in ihrer Gesammtheit aber werden sie‘ für uns sehr wichtig. Das zeigt uns mit grosser Klarheit auch die Analyse der Structur der gereizten Drüsen, wo sie alle mit manchen andern im höchsten Grade entwickelt sind. Zu dieser Analyse wollen wir nunmehr übergehen. 1. Bau und Funetion der gereizten Drüsen. Rulsckine Bemerkungen über Versuche mit Spei- chel- und anderen Drüsen. — Meine Versuche zum Zweck der Erforschung der Formveränderungen an gereizten Drüsen habe ich zum Theil mit der Submaxillaris durch Reizung der chorda tympani, hauptsächlich aber aus den von uns oben angeführten Gründen mit der Orbitalis des Hundes und zwar durch Reizung des ramus buccinatorius nervi trigemini angestellt. Da aber die Schleimspeicheldrüsen allein für meinen Zweck nicht ausreichten und überdies die noch von Niemand berührte Frage zu entschei- den war, wie die gewöhnlichen Schleimdrüsen im gereizten Zustande morphologisch sich verhalten, so habe ich auch mit diesen einige Versuche gemacht, indem ich zu diesem Zweck die Schleim- drüsen der Gaumenschleimhaut und des Schlundes vom Kaninchen nahm (Reizung des Nervus glossopharyngeus, welcher als se- cretorischer Nerv für die Drüsen dieser Organe betrachtet werden kann). Zur Reizung der Nerven habe ich bei meinen Versuchen zu- meist einen Inductionsstrom angewandt, wiewohl ich auch chemische Agentien nicht ausser Acht gelassen habe. Da indessen eine un- mittelbare Anwendung der Letzteren auf die Nerven nicht leicht, mitunter auch gar nicht herzustellen war, eine indirecte aber (z.B. Einreibung der Mundhöhle mit Essigsäure und anderen Agentien selbst in concentrirtem Zustande) keine beachtenswerthen Verän- derungen an den Drüsen nach sich zog, so habe ich ein anderes Mittel versucht, nämlich Einspritzungen von infusum Jaborandi ins Blut, ein Mittel, dessen bemerkenswerthe Wirkung auf Absonderungen überhaupt in neuester Zeit so sehr gerühmt wird. 322 M. Lavdowsky: Anmerkung. Die Wirkung des von Coutinho (Note sur un nouveau medicament diaphoretique et sialagogue de Jaborandi. Bresil. gaz. hebdoma- daire 1874, No. 15) vorgeschlagenen Mittels auf den Organismus ist in der That auffallend. DBereitet man ein Infus aus 1 Th. des trockenen Krautes auf 20 Th. siedenden destillirten Wassers (die Behandlung mit Wasser habe ich !/, Std. fortgesetzt) und spritzt man einem Kaninchen mittlerer Grösse auch nur 4 Cem. dieses Aufgusses durch die v. jugularis ins Blut, so ist schon von dieser Quantität und nicht länger als nach 5 Minuten eine be- deutende Absonderung aus Mundhöhle und Nase bemerklich. Mit der Zeit wird diese Absonderung natürlich schwächer, aber man braucht nur die Einspritzung zu wiederholen und sie tritt aufs Neue ein und zwar gleich unmittelbar nach der Injection. Auf diese Weise kann man einem Kaninchen grosse Massen Secret entziehen. Dabei ist der Umstand zu beachten, dass dies Secret von Anfang bis zu Ende sich durch starke Verdünnung auszeich- net, woraus man schliessen kann, dass die Wirkung des Jaborandi auch in Bezug auf die von uns behandelten Drüsen besonders an solchen von ihnen sichtbar ist, welche vornehmlich seröse Flüssigkeit absondern (an den serö- sen Drüsen). Beiläufig will ich hier bemerken, dass ich bei meinen Versuchen mit Jaborandi eine ebenso starke Einwirkung desselben auf den Darmecanal und auf die Leber beobachtet habe: jene gab sich durch erhöhte Peristaltik, verbunden mit colossalen Kothabgängen, kund (zuerst war der Koth dick, dann aber immer dünner); diese zeigte sich in vermehrter Gallenabsonderung. Endlich fand sich auch in der Bauchhöhle eine abnorme Menge Flüssigkeit. Wie weit an allen diesen Vorgängen das Gefässsystem thätigen Antheil nimmt, ist eine Frage, deren Behandlung nicht ins Bereich vorliegender Arbeit gehört). In Bezug auf den Einfluss auf das Drüsengewebe selbst hält jedoch das Jaborandi einen Vergleich mit der Eleetricität nicht aus: die durch Jaborandi hervorgerufenen Veränderungen gehen doch in quantitativer Beziehung nicht über das Bereich derjenigen Erschei- nungen hinaus, die wir weiterhin als Charakteristik der »zweiten« Phase der elektrischen Reizung anführen werden; deshalb wollen wir sie auch nicht speciell beschreiben und werden sie nur in so weit berühren, als es für die Bestätigung und Erklärung der Ver-- änderungen, die durch elektrische Reizung erzeugt werden, uner- lässlich ist. Auf welche Weise nun die Experimente mit dieser Form der 1) Späterer Zusatz. Bei der Correctur dieser Blätter halte ich es für meine Pflicht nachzutragen, dass dieselben bei Jaborandieinspritzungen ein- tretenden Erscheinungen im Darmcanal in nenester Zeit auch von Dr. Schwahn in Giessen beobachtet worden sind (s. Centralbl. f.d. med. Wissensch. 1876. Nr. 25). De _ Zur feineren Anatomie u. Physiol. d.Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 323 Reizung gemacht werden, um die uns beschäftigenden Wirkungen auf die Drüsen zu erzielen, dies ist, glaube ich, für die Unterkiefer- drüse bekannt genug. Ebenso wenig liegt eine besondere Noth- wendigkeit vor, hier die Versuche an den Gaumenschleimhautdrüsen zu beschreiben. Deshalb will ich mich, zu meinen Experimenten übergehend, über alles, was die Reizungsversuche mit der chorda tympani und dem n. glossopharyngeus anlangt, kurz fassen und werde nur bei meinen Versuchen mit der Orbitaldrüse länger ver- weilen, weil die Experimente mit dem ramus buceinatorius nervi trigemini ziemlich schwer sind und die Form derselben, bisher nur in allgemeinen Zügen von Kehrer angedeutet, einiger Berichtigun- gen bedarf. Den grössten Theil meiner Versuche habe ich natürlicher Weise an narkotisirten Thieren angestellt!); die Reizung der Nerven stets mit den schwächsten Inductionsströmen (34—32 Millimeter — Stand der secundären Rolle von Du-Bois’ Apparat, Element — mittleres Modell von Grove), indem ich sie im Laufe mehrerer Stunden (s. unten) allmählich und in Pausen von 2—4 Minuten nach jeder Reizung von 5—7 Minuten bis auf 20—25 Millimeter erhöhte. War aber die Operation ganz sauber gemacht und der Nerv nicht im Geringsten angegriffen, so konnte man weit stärkere Inductions- ströme zur Anwendung bringen und ich habe Versuche, bei denen ich die Reizung beispielsweise mit 25 Mm. Abstand der secundären Rolle begann und mit 8 Mm. endigte. — Auf diesen Punkt muss ich besonderes Gewicht legen und für diejenigen Beobachter, welche mit ihren Reizungsversuchen unglücklich gewesen sind, bemerke ich, dass solche Misserfolge eher in ungenügender Reizung über- haupt oder in unzarter Behandlung des Nervs als in irgend welchen anderen Ursachen, wie Ueberreizung u. a., ihren Grund haben. Besondere Behutsamkeit in der Reizung und schwächere Ströme verlangen übrigens die Nerven der Kaninchen; darum habe ich an Ihnen die Reizung stets mit kaum auf der Zunge zu spürenden 1) Die Narkotisirung (vermittelst Einspritzung von Curare oder Opium durch die v. jugularis) ist für unsere Untersuchungen nicht zweckwidrig: weder Opium noch Curare weisen einen merklichen Einfluss auf den morpho- logischen Charakter der Drüsengewebe auf und wirken nur auf die Ge- schwindigkeit der Absonderung. Für Versuche aber, die meistentheils so lange dauern und so blutig sind, wie die Experimente mit der Orbital- drüse, ist es unumgänglich nothwendig, das Thier in völlige Ruhe zu versetzen. 324 M. Lavdowsky: Strömen angefangen und habe trotzdem die Reizungsversuche nicht länger als 3—31/; Stunden hinziehen können. Aus diesem Grunde werden wir die morphologischen Veränderungen an den Drüsen (der Gaumenschleimhaut und des Schlundes) dieser Thiere nicht auf so hohen Stufen der Entwickelung beobachten können, wie an den Drüsen des Hundes. — In Betreff der genannten Drüsen des Ka- ninchens kann ich hier nicht umhin zu bemerken, dass ich die Rei- zung derselben meistens durch Anlegen von Elektroden an den nicht durchschnittenen nervus glossopharyngens angestellt habe. Dies Verfahren schlug ich deshalb ein, weil die Reizung des peri- pherischen Endes des durchschnittenen Nervs zuweilen gar keine morphologische Wirkung in dem Drüsengewebe erzielte. Mag auch ein solches Resultat auf Rechnung des Misserfolges gesetzt werden, immerhin halte ich es für meine Pflicht darauf hinzuweisen, weil das Nichtvorhandensein von Veränderungen in letzterem Falle (d.h. wenn man das peripherische Ende des durchschnittenen nervi glossopharyngei reizt) offenbar die Richtigkeit meiner zu Anfang dieses Capitels vorgebrachten Behauptung über die Bedeutung des genannten Nervs als Absonderungsnervs für die Gaumenschleim- hautdrüsen und die vorderen Theile der Schlunddrüsen des Kanin- chens einigermaassen verringern muss; denn bei Reizung des nicht durchschnittenen Nervs kann das Eintreten morphologischer Vor- gänge im Drüsengewebe als auf reflectorischem Wege entstanden erklärt werden. Refleetorische Veränderungen im Drüsengewebe sind aber, wie wir weiter sehen werden, etwas Gewöhnliches und werden beständig beobachtet. Versuche mit der Orbitaldrüse: Blosslegung und Reizung des n. buceinatorius. — Dank der gütigen Mitwir- kung R. Heidenhain’s ist es mir gelungen folgende Form des Experimentirens mit dieser Drüse auszuarbeiten. Nachdem man bei einem curarisirten Thiere (einem möglichst grossen Hunde) eine künstliche Athmung eingeleitet und seinem Kopf eine feste Lage gegeben hat und zwar so, dass eine der beiden Seiten dem Experimentirenden zugekehrt ist, muss die Operation mit"einem 3—4 Centimeter langen Einschnitt in die Haut am vor- deren Rande des muscul. masseter beginnen. Wenn wir alsdann die darunter liegende Fascia vorsichtig ablösen, so stossen wir in der Regel sofort auf den ziemlich grossen Ast der Facialvene, der doppelt unterbunden und zwischen den Ligaturen durchschnitten nr Fan A Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 325 werden muss. In der Furche zwischen dem vorderen Rande des m. masseter und buccinatorius zerreisst man sodann das Bindegewebe und trifft dann in ihr in der Höhe der Unterkieferzähne auf den nervus buceinatorius. Darauf werden um die muskulöse Masse des masseter zwei Ligaturen geführt und der Muskel zwischen ihnen durchschnitten. (Da wir nunmehr auf den proc. coronideus treffen und genöthigt sind, tief hinter ihm mit der Hand hineinzugreifen, so ist es am besten, das Maul des Hundes zu Öffnen und in dieser Lage mit einem Querholz zu fixiren.) Indem wir also den masseter durchschnitten haben, reinigen wir zunächst den proc. coronideus und zerbrechen ihn dann vorsichtig auf ein Mal oder bruchstück- weise mit Knochenzangen. — Nachdem wir jetzt in dem vorderen Winkel der Wunde den ramus buccinatorius aufgesucht, verfolgen wir ihn möglichst tief nach hinten, wobei wir das Bindegewebe, welches sich nach der Orbita hinzieht, möglichst schonend abtrennen. Sobald es gelungen ist den Nerv bis zu der Tiefe blosszulegen, dass man einen hinreichend langen Abschnitt desselben erlangen kann, führen wir sofort eine Ligatur um ihn, unterbinden ihn fest und endlich, nachdem wir ihn durchschnitten, lösen wir mit der Ligatur seinen peripherischen Abschnitt ab. Mit diesem nun Elektroden in Verbindung zu setzen, ist das Werk eines Augenblicks !). Kaum sind die Elektroden angesetzt, so wird in der Mundhöhle am dritten Backenzahn ein Tropfen dicker Flüssigkeit sichtbar, der immer grösser wird und endlich herabfliesst. Meistens erscheinen schon sofort zwei, drei, ja sogar vier solcher Tropfen, die von ver- schiedener Grösse sind und in geringer Entfernung von einander hervortreten. Ihr Auftreten in solchen Quantitäten hat seinen Grund darin, dass die Orbitaldrüse sich in mehreren Gängen nach der Mundhöhle zu öffnet und einer oder zwei von ihnen (die grosse Schleimtropfen geben) zur Hauptmasse der Drüse, die andern aber zu den unter der Backschleimhaut liegenden »accessorischen« Drüs- chen gehören. — Zu Anfang geht die Schleimabsonderung langsam von Statten, dann immer energischer, bis sie endlich nach lange 1) Im Verlaufe eines jeden Versuchs der Art, besonders während des Durchschneidens des m. masseter, finden sehr starke Blutungen statt. Beim Stillen des Blutes muss man sehr vorsichtig sein, um eine Verletzung des Nervs, zumal — ich hebe dies nochmals hervor — beim Aufbrechen des proc. coronideus, zu vermeiden. f Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 13. 21 326 M. Lavdowsky: anhaltender Reizung allmählich schwächer wird, wobei auch der Schleim nach und nach an Dichtigkeit verliert. Nach jeder Pause, sobald man nur die Elektroden aufs neue ansetzt, tritt der Schleim sofort hervor und zwar in grösseren Massen und dicker als während der unmittelbar vorhergegangenen Reizung, was dar- auf hinweist, dass er sich während der ganzen Dauer des Ver- suchs unaufhörlich bildet und während der Pausen am stärksten ansammelt. — Indem wir die Kraft des Stromes allmählich erhöhen und den Versuch einige Stunden fortsetzen, können :wir auf diese Weise eine grosse Masse (bis zu 140 Cem. und darüber) erlangen und das Organ auf die höchsten Stufen seiner Thätigkeit bringen. Die Stärke der Reizung innerhalb der oben angegebenen Grenzen variirend, können wir diese Stufen seiner Thätigkeit früher oder später erreichen und wenn wir zu einer bestimmten Zeit innehalten (in der 3., 5., 7. Stunde der Reizung), so vermögen wir alle Phasen, den ganzen Verlauf der Entwickelung seiner Action zu verfolgen. Analyse der morphologischen Erscheinungen, welche diese Action charakterisiren. — Die Dauer meiner Versuche entspricht meistentheils der eben angegebenen Zeit. Um aber nicht in einen Irrthum zu verfallen und irgend welche Erschei- nungen zu übersehen, um also im strengsten Sinne des Wortes den ganzen Verlauf der Entwickelung der Thätigkeit der Drüsen, so weit sie sich durch morphologische Anzeichen zu erkennen giebt, zu erforschen, habe ich auch solche Versuche angestellt, die auch die Zwischenstadien der angegebenen Zeiträume ausfüllten, so dass ich im Allgemeinen folgende Scala der Versuche aufzustellen habe: die kürzesten dauerten 1 Stunde, daran schlossen sich solche von 2 und 2!/s, 3, 4l/s, 5, 6, 7 Stunden und endlich, als der längste, einer von 73/4 Stunden an!). Sollte man indessen die Resultate selbst, die jedem der ange- gebenen Zeiträume entsprechen, in derselben Reihenfolge betrachten, so würden sie, wie sich erwarten lässt, nicht sehr unter einander differiren und Präparate von Drüsen nach 4!/s- oder 5-stündiger 1) Die angegebene Scala stelle ich nach Experimenten nicht mit der Orbitaldrüse allein, sondern auch der Submaxillardrüse zusammen. In der unten folgenden Schilderung der Stadien selbst werde ich mich aber haupt- sächlich an die Orbitaldrüse halten, während die Unterkieferdrüse nur da erwähnt werden soll, wo es nothwendig ist. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d.Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 397 Reizung unterscheiden sich z. B. kaum von einander, so wenig wie solche, die einer Reizung von 6 und 7 Stunden unterworfen waren, merkliche Unterschiede aufweisen. Demnach halte ich es für erlaubt, alle von mir beobachteten morphologischen Erscheinungen an ge- reizten Drüsen blos in drei Kategorien zu gruppiren. Die erste davon wird die Reihe der aller primärsten Stufen der Verän- derungen enthalten, die zweite die der weiter gehenden und die dritte die höchsten Stufen derselben. Erstes Stadium der Veränderungen. Nach 2—21/z Stun- den schwacher und bereits nach 1 Stunde stärkerer Reizung ent- decken wir merkliche Veränderungen im Drüsengewebe. Makro- skopisch werden sie durch eben jene graulichen, durchsichtigen Flecke ausgedrückt, welche wir an den veränderten Stellen der ruhenden Drüsen sahen; nur sind jetzt die Flecke zahlreicher und nehmen einen ziemlich grossen Theil des Gewebes ein, obwohl immerhin die Masse des Letzteren bedeutend überwiegt. Betrachtet man nun ge- nügend grosse und gut mit Carmin gefärbte Schnitte, so bieten sie, dem eben Gesagten entsprechend, Folgendes (s. Fig. 9). Die ganze Drüse erscheint als in Geweberegionen getheilt. Diese Regionen, die bald mehr bald minder scharf unter einander abgegrenzt sind, unterscheiden sich deutlich durch ihre Structur, da ein Theil von ihnen (A) alle Kennzeichen der gewöhnlichen Structur beibehält, der andere dagegen (B) überall Veränderungen zu Tage treten lässt. Wie an den erwähnten Stellen der ruhenden Drüsen fallen diese Veränderungen im ersten Stadium der Reizung zuerst an den Ker- nen der Schleimzellen auf. Diese Kerne sind nämlich abge- rundet(d.h. sie sind völlig kugelförmig geworden); ferner haben sie sich bedeutend vergrössert und zwar lässt sich dies an allen acini der veränderten Stellen beobachten; endlich haben sie sogar ihre Lage verändert — haben sich ins Centrum der Zellen ver- legt. Die Zellen selbst sind dagegen stellenweise und wenig kleiner geworden. — Wie gering indessen diese ihre Verkleinerung auch sein mag, so beginnen in Folge derselben doch schon auf dieser Stufe der Drüsenthätigkeit hier und da die acini sich zu ver- ändern, indem sie sich auch zu verkleinern anfangen. Die Zellen der zweiten Art, die Halbmonde, sind als Ganzes wie in ihren einzelnen Bestandtheilen (Primitivzellen) in dem vor- liegenden Stadium besonders scharf ausgeprägt; von den Schleim- zellen sind sie auch klar abgegrenzt, ihr Umfang hat sich an einigen, 328 M. Lavdowsky: zumal an den kleinen acini sogar vergrössert, — sie sind ein wenig angeschwollen; wiewohl ihre Substanz, wie auch die der Schleimzellen noch keine Veränderungen aufweist. Zweites Stadium der Veränderungen. — Nach 4 Stun- den schwacher oder 3 Stunden stärkerer Reizung — es ist dies der Zeitraum, welcher diesem zweiten oder mittleren Stadium der Ver- änderungen entspricht — gehen in den Drüsen eine Reihe noch interessanterer und ungemein wichtiger Erscheinungen vor sich (Fig.10). Darunter frappirt uns am meisten die starke Anschwel- lung der Halbmonde (k, vgl. diese Fig. mit 9A) und die Bildung einer Art von Ausbuchtungen an ihnen (k‘, k‘), woher sie denn auch bedeutend und unregelmässig vergrössert erscheinen. In Folge desselben Umstandes verschwimmen zu gleicher Zeit die Grenzen der Zellen, aus welchen sie zusammengesetzt sind, So dass diese jetzt stellenweise kaum von einander geschieden sind. Auf gleiche Weise sind ihre gefärbten Zonen, welche gewöhnlich und wie wir eben gesehen haben, zu Anfang der Reizung neben den Schleimzellen sich scharf markiren, hier gerade im Gegentheil schwach von ihnen geschie- den; in einigen Alveolen fliessen siesogar mit derSchleim- zellenlage zusammen (In) und hier sehen wir eine neue, ganz unerwartete Erscheinung, nämlich die, dass die Halbmonde in solchen Alveolen gleiehsam verschwinden. Ein anderer, ebenso frappanter Vorgang auf dieser Stufe der Veränderungen liegt darin, dass, während die Grösse der Zellenkerne, die bis jetzt-gewachsen war, nun keine besondere Zunahme mehr bietet (sie bleiben wie sie auf der ersten Stufe waren, oder haben sich stellenweise etwas verkleinert), ihre Zahl offenbar wächst, wobei überall in ihnen die Kernkörperchen scharf hervortreten. Das ist auf den ersten Blick zu sehen und wenn man solche Stellen wie etwa b, 1 x in den Alveolen n näher betrachtet, so wird die Vermehrung der Kerne unzweifelhaft (ein noch mehr directer Beweis wird später folgen — bei den Zerzupfungspräparaten). Ferner lässt sich ohne Mühe nachweisen, dass diese Vermehrung sich vornehm- lich an gewissen Stellen concentrirt, nämlich in den peripherischen Theilen der Alveolen und besonders denjenigen, welche von den Halbmonden eingenommen werden, — Was ist nun die Ursache dieser Vermehrung, steht sie nicht irgendwie mit dem partiellen Verschwinden der Halbmonde in Verbindung, was ist ihre Bedeu- tung und findet denn das Verschwinden der Halbmonde wirklich Zur feineren Anatomie u. Physiol. d.Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 329 statt? Auf alle diese Fragen werden wir nicht verfehlen zu ant- worten, sobald wir mit der Charakteristik aller Veränderungen ab- geschlossen haben. Die dritte ebenso klar ausgeprägte Erscheinung in der uns beschäftigenden Phase ist die überall eintretende Verkleinerung der Schleimzellen. Demnach haben auf dieser Stufe zum grossen Theil die Alveolen einen verringerten Umfang und werden in solcher Gestalt fast an jedem Präparat gefunden. Einige von ihnen (m, m) sind sogar so klein, dass es schwer hält sie aus der Ver- kleinerung der Schleimzellen zu erklären, und ich werde weiterhin zu beweisen suchen, dass derartige acinı in der That eine andere Entstehung haben, dass sie neue Bildungen sind. Ein vierter wichtiger Vorgang in dem vorliegenden Stadium, wenn auch kein so deutlich bemerkbarer, besteht endlich darin, dass die Veränderungen nunmehr sich auf den speeifischen Inhalt, auf die Substanz der Drüsenzellen, besonders der Schleimzellen erstrecken. So kann man schon an manchen der Letzteren be- merken, dass ihre Substanz allmählich ihren schleimigen Charakter verliert: sie wird schwach durchsichtig, trübt sich, nimmt stellen- weise ein besonderes körniges Aussehen an und erhält die Fähigkeit sich im Carmin zu färben. Da nun diese vierte Erscheinung viel schärfer in den letzten Stadien der Veränderungen an den Drüsen hervortritt und das hauptsächlichste Merkmal für sie ist, so wird sie in der folgenden, dritten Phase ausführlich behandelt werden. Neben all diesem lassen sich in dem vorliegenden Stadium noch einige andere, weniger wichtige Vorgänge beobachten, wie z.B. in dem Zwischengewebe eine stärkere Ansammlung der weissen Blutkörperchen denn je im Verlauf der ganzen Reizung. Eine ge- wisse Vermehrung derselben ist schon im Anfang der Reizung be- merklich, wenn auch nicht überall im Gewebe. Jetzt aber kann man sie in ganzen Reihen zwischen den Alveolen finden (c, ce Fig. 9, 10). Ihr Auftreten hat indessen keine specifische Bedeutung bei gesteigerter Thätigkeit der Drüsen und stellt nur ein gewöhnliches Ergebniss der Reizung des Gefässsystems dar. Weil ich sie hier erwähnt habe, halteich es für angebracht, gleich hier die Bemerkung anzuschliessen, dass mit der Zeit ihre Zahl sich wieder verringert und fast auf den normalen Stand zurückkehrt, was, wie mir scheint, ihren ganzen Antheil an der Funktion der Drüsen ausmacht. Wenig- 330 M. Lavdowsky: stens habe ich während der ganzen Dauer dieses Processes keine Matamorphosen an ihnen beobachtet. Ehe ich nun zum dritten und letzten Stadium der Verände- rungen übergehe, will ich zuvor angeben, wie grosse Massen des Drüsengewebes, makroskopisch betrachtet, auf der beschriebenen zweiten Stufe in Mitleidenschaft gezogen sind. Während zu Anfang der Reizung die gewöhnliche weisse Drüsensubstanz überwog, domi- nirt jetzt umgekehrt das veränderte, graue Gewebe, auf welchem nur als kleine Flecke die gewöhnliche Substanz zu sehen ist. Im weiteren Verlauf des Processes verlieren sich fürs blosse Auge auch jegliche Spuren der Letzteren: das ganze Organ verwandelt sich in eine gleichmässig graue Masse und nur unter dem Mikroskop kann man an irgend einem vereinzelten Präparat zwei oder drei Stellen, zwei oder drei Alveolen auffinden, die ihre gewöhnliche Structur bewahrt haben. Wenn die Drüse bis zu diesem Zustand gelangt ist, so verringert sie sich fast um die Hälfte ihres Umfangs, wird weich, schwach gallertartig und die Veränderungen, die in ihr vor sich gegangen, sind bis zu den höchsten Stufen ihrer Entwicke- lung gesteigert, die wir jetzt als letztes Stadium behandeln wollen. Drittes und letztes Stadium der Veränderungen (nach 7—7!/, Stdn. schwacher oder 5—6 Stdn. starker Reizung). — Die mit diesem Stadium verknüpften morphologischen Vorgänge (s. Fig. 11) sind der Art, dass das Ansehen und die Structur der Schleimspeicheldrüse so sehr durch sie umgestaltet werden, dass, so zu sagen, ihr Typus selbst sich verändert, und zwar hat sich, in- dem sie eine mehr wässerige Flüssigkeit absondert, ihr morpholo- gischer Typus jenem andern, für die serösen Drüsen charakteristischen (vgl. Fig. 13) genähert. Man darf jedoch nicht annehmen, das in dieser Aehnlichkeit etwas mehr als grosse äussere Analogie ent- halten sei, was eine Vergleichung beider Drüsen mit „einander uns lehren wird. Ein einziger aufmerksamer Blick auf Fig. 11 genügt schon, um zu sehen, dass die einen der Bestandtheile der Drüsenacini — die Halbmonde — als solche jetzt völlig verschwunden sind: die Alveolen bestehen nur aus einer Art Zellen, in denen aber von Schleim keine Spur vorhanden ist!); ihr gesammter 1) Auf der beschriebenen Reizungsstufe findet sich der Schleim selbst in den gröberen Gängen nicht immer, wo er sich aber findet, ist er immer Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 331 Inhalt, ihre Substanz, erweist sich als Protoplasma oder als eine ungemein albuminreiche Masse: er ist stark und dunkel ge- körnt und hat den Carmin gierig aufgesogen, so dass die Drüsen- acini röther denn je erscheinen !). Form und Grösse der Zellen sind auch ganz anders als in den ruhenden Drüsen: sie entbehren gröss- tentheils jeglicher Fortsätze, sind sehr klein und ihre Zahl ist — wenn man Alveolen von annähernd gleicher Grösse an zwei Drüsen, einer ruhenden und einer so stark gereizten, vergleicht — augenscheinlich grösser. Die jetzt deutlich hervortretende Verklei- nerung der Alveolen und das Vorhandensein überaus kleiner acini (m, m Fig. 11) bildet jedoch eine Erscheinung, welche über die eben- erwähnte, die Vermehrung der Zellen der Zahl nach, überwiegt; deshalb erscheint auch das ganze Organ auf dieser Stufe als stark verkleinert. Es versteht sich von selbst, dass nicht alle Alveolen ohne Ausnahme auch in dem zu behandelnden Stadium gleich verändert erscheinen: ich habe schon erwähnt, dass sogar eine oder die andere von ihnen ihre ganz gewöhnliche Structur aufweist. Dieser Umstand ist aber von grosser Wichtigkeit und Interesse (s. unten). Auf dem Präparat eines 5 stündigen Versuchs habe ich indessen eine Stelle, wo die ganze Hälfte eines Läppchens von den ihre Umgebung ergreifenden Veränderungen frei geblieben ist. — Noch interessanter ist folgende Erscheinung anderer Art. Während die Zellen einer Masse von Alveolen in der oben beschriebenen Weise sich verändern, finden sich im vorliegenden, wie auch nicht selten dünn und bildet bei weitem nicht solche Coagula, wie man sie an Drüsen auf früheren Stufen der Thätigkeit beobachten kann. 1) Ich muss mich somit gegen die Ansicht erklären, dass die Zellen einer lange gereizten Drüse oder auch nur ihre Kerne sich »schwächer « in Carmin färben. Mir istselbst die Entstehung einer solchen Auffassung unverständlich, weil in Wirklichkeit, gerade umgekehrt, die ruhenden Drüsen stets schwächer gefärbt sind; denn der grösste Theil ihrer Zellen (die Schleimzellen) nehmen die Farbe schlecht an (s. oben). In den stark gereizten Drüsen hingegen überwiegen durchaus die albuminreichen Zellen. Wie können sie demnach sich »schwächer« färben? Bei Beurtheilung der Intensität der Färbung der Kerne muss man aber überdiess noch das Gesetz der Contraste im Auge be- halten, wodurch zur Genüge erklärt wird, dass die rothen Kerne auf dem ebenfalls roth gefärbten Fond des Zellkörpers natürlich nicht so scharf her- vortreten können wie in dem Falle, wenn sie auf hellem Grunde liegen. 332 M. Lavdowsky: im vorhergehenden Stadium solche Alveolen (s. die Alv. z, z auf Fig. 11), deren Zellen nur regulär veränderte Kerne bieten, sie selbst aber (d. h. ihr Inhalt) zeichnen sich durch verhältnissmässig grössere Helligkeit und durch eine früher nicht existirende Streifung aus und enthalten nur wenig neugebildetes Protoplasma an den Rändern. Derartige Zellen haben nun — darauf will ich hier aufmerksam machen — das Aussehen, als wenn sie zerrissen oder vom Druck ihres Inhalts geplatzt wären. Mit ihren zerriscenen Enden sind sie immer nach dem Innern des Lumen gerichtet und haben sogar eine besondere Lagerung: — jede Zelle ist ein wenig gebogen und wenn sich Schleim im Innern erhalten hat, so sieht man, dass die Richtung dieser Lagerung durch den Lauf des vorangegan- genen Schleimausflusses bestimmt wird. Den Lauf des Schleimausflusses kann man aber leicht aus den Schleimpartikelchen, die sich oft in Streifen ablagern, erschliessen. Die Richtung dieser Streifen ist gleichfalls mit der Richtung der ebenerwähnten Strei- fung der Zellen selbst identisch. Aus dem Gesagten ist mithin klar, dass wir in derartigen acini Zellen im Zustande einer ganz be- stimmten Art von Zerstörung, nämlich in dem des Platzens und der Entleerung ihres Inhalts, vorfinden, was wir hier als eins der weiteren Facta, welche im hohen und mittleren Stadium der Drüsenfunction eintreten!), verzeichnen. Der letzte und wichtigste Vorgang endlich, dessen Anfänge wir ebenfalls in der mittleren Phase beobachtet haben, besteht in der ungemein reichen Bildung junger Elemente, die nunmehr auf den verschiedensten Entwickelungsstufen angetroffen werden. — Da dieser Vorgang am genauesten an Zerzupfungsprä- paraten constatirt werden kann, so wollen wir uns zu einem solchen wenden, indem wir es einer beliebigen anderen Drüse, beispielsweise der Submaxillaris (Fig. 12), entnehmen, um zu zeigen, wie grossen Veränderungen auch ihre Elemente unterworfen sind. Dies Präparat wird uns Folgendes zeigen: 1) Die kleinen, 1) Dass die beschriebene Erscheinung durchaus nicht künstlich her- vorgebracht ist und nicht vom Schnitt des Präparats oder von irgend etwas der Art abhängt, ergiebt sich: 1) aus dem Vorhandensein von acini im Zu- stand der Zellenzerstörung an jedem Präparat, 2) durch die Probe mit dem Immersionsverfahren, wobei die Risse in den Zellen ad oculos constatirt werden. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 333 stark granulirten, bald einzeln liegenden, bald zu Reihen verbun- denen Zellen a,c bieten nicht die leisesten Anzeichen von Schleim- zellen, sondern sind denen, aus welchen die Lunulae bestanden (den Primitivzellen), sehr ähnlich; die mehr dunkelkörnigen unter ihnen (a) erinnern aber stark an die Zellen der serösen Drüsen. — Wie jedoch bemerkt worden ist, darf man sie mit den Letzteren nicht identificiren, so wenig wie diese wiederum mit den Zellen der Lunulae: die Zellen der serösen Drüsen sind noch kleiner, ihr Pro- toplasma besteht aus gröberen, die Lichtstrahlen stärker brechenden Körnchen, ihre Kerne sind im Verhältniss zu dem Umfang der Zell- körper sehr gross; endlich sind diese Elemente stationäre Formen, in denen die Reizung der Nerven der sie enthaltenden Drüsen keine merklichen Wirkungen erzeugt, wie auch keine Wucherung unter diesen Bedingungen an ihnen zu bemerken ist!). Dagegen sehen wir an den erstgenannten, von gereizten Schleimspeicheldrüsen stam- menden Elementen eine sehr in die Augen fallende Wucherung (8. die Zellen c). 2) Diese ihre Wucherung kann sowohl an ihren Kernen, wie auch an den Zellkörpern selbst nachgewiesen werden. Der erste Vorgang äussert sich im Vorhandensein von 2, 3 und 4 Kernen in ihnen mit fast derselben Anzahl Kernkörperchen,; der zweite in der Theilung der Zellkörper in zwei, drei und mehr Theile (s. die Zellen unter d). 3) Denselben Typus der Zellen und dieselben Vorgänge ihrer Wucherung weist unser Präparat auch an Elementen auf, die im Verein mit den acini isolirt worden (b, d) und in diesen enthalten sind. — Ausser den hier vorgelegten Formen, als den sich am häu- figsten in der vorliegenden Reizungsphase findenden, werden bestän- dig noch folgende auch auf den vorhergehenden, Stufen angetroffen: a. Ein- und vielkernige Zellen (letztere in bedeutender Masse), die sich durch ihre Grösse auszeichnen und gewöhnlich rundliche oder ovale Gestalt haben — sie entsprechen darin den »vielker- nigen Lunulae«, von denen im ersten Capitel die Rede war. 1) In Bezug darauf verweise ich nur auf die Versuche R. Heidenhain’s (op. eit. la, S.62) mit der Submaxillaris des Kaninchens und seine bekannten negativen Resultate. Ich selbst habe leider nicht die Zeit zu gleichmässig sorgfältigen Experimenten mit den serösen Drüsen gehabt. 334 M. Lavdowsky: b. Zellen, die alle Eigenschaften der Schleimzellen an sich tragen, aber grösstentheils wenig durchsichtig sind, mit einem runden Kern versehen (an denen Anzeichen von Theilung und von Wucherung überhaupt nicht ein einziges Mal zu bemerken waren). c. Die geringe Zahl so kleiner Zellen — bei grösster Fre- quenz im letzten Stadium, — wie sie auf Fig. 12 dargestellt sind, die sich aber von diesen durch bedeutendere Helligkeit aus- zeichnen; sie sind gleichsam oedematös, haben einen Kern und eine grössere Beimischung von Fettkörnchen zu ihrem Inhalt. Diese Zellenform kann ich nicht anders denn als regressiv und unmittel- bar aus den Schleimzellen hervorgegangen betrachten. Endlich: d. Schleimzellen im Zustande der Zerstörung (jene oben be- schriebenen zerrissenen oder geplatzten Zellen) und e. Die Zellen der kleinen Ausführungsgänge. (Diese Epithel- zellen erweisen sich als ebenfalls verändert; denn nunmehr lassen _ sie sich als sehr kleine Körperchen mit verringerten, ovalen, stark licehtbrechenden Kernen beobachten und liegen meistens in Häufchen oder in ganzen compacten Schichten, in denen die Grenzcontouren der Zellen oft gar nicht zu sehen und nur die ovalen Kerne, als glänzende Kügelchen, sichtbar sind. — Da ich auch an Schnitten in der Epithelmasse der Gänge eine abnorme Fülle von Kernen vorfinden konnte, so lässt sich daraus schliessen, dass auch in den Gängen bei Drüsenthätigkeit ein Process unbedeu- tender Wucherung vor sich geht; doch ist dies nur ein Wahrscheinlichkeitsschluss, da an einzelnen und isolirten Epithel- zellen der Gänge eine Wucherung zu entdecken mir bis jetzt nicht gelungen ist.) Damit will ich die Schilderung aller wesentlichen Veränderun- gen des Gewebes gereizter Schleimspeicheldrüsen schliessen. — In Betreff der Vorgänge in reflectorisch gereizten Drüsen halte ich es für nicht unwichtig das eine Factum anzuführen, dass wie bei den Versuchen mit der Submaxillaris, wenn der Nerv der einen Seite gereizt wird, die Drüsen der anderen reflectorisch se- cernirt(»Mitabsonderung« s. Heidenhain op.cit.1a, s. 82), — so auch bei der Orbitaldrüse, wenn etwa der peripherische Theil des durchschnittenen linken n. buceinatorii gereizt wird, stets und ausnahmslos auch das entsprechende Organ der andern (rechten) Seite mitabsondert. Wenn man nun das Letztere (wie ich es immer gethan habe) untersucht, so verhält es sich mikroskopisch Zur feineren Anatomie u.Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 335 genau so wie die direct gereizte Drüse und der ganze Unterschied zwischen ihren Veränderungen ist nur ein quantitativer: es sind nämlich in der mitabsondernden Drüse die Veränderungen weit schwächer ausgedrückt. So stehen sie z. B., wenn sie in der direct gereizten Drüse einen hohen Grad erreicht haben, in der mitabsondernden nur in den Anfängen der mittleren Stadien, bieten aber qualitativ nur eine Wiederholung des von uns Beschriebenen Aus diesem Grunde lässt sich auch wahrscheinlich jenes bemerkens- werthe fleckige Ansehen, durch welches der Functionszustand ma- kroskopisch charakterisirt wird und das in den Anfangs- und Mit- telstadien besonders klar ausgeprägt ist, so schön an den Organen während ihrer reflectorischen Function beobachten (s. oben). Es erübrigt noch ein Wort darüber zu sagen, wie die ge- wöhnlichen Schleimdrüsen bei Reizung ihrer secre- torischen Nerven morphologisch sich verhalten. Dass sie sich überhaupt dabei verändern müssen, war schon a priori an- zunehmen; wie aber ihre Veränderungen sein können, das ist na- türlich eine Frage, über die man nur vermuthungsweise urtheilen kann. Bei genauer Untersuchung stellt sich in der That heraus, dass die gewöhnlichen Schleimdrüsen während ihrer Action sich merklich verändern und sich dabei, qualitativ betrachtet, auf gleiche Weise verhalten, einerlei ob sie nun durch elektrische oder chemische Rei- zung (durch Jaborandi) ihrer Nerven dazu gebracht worden sind. Ferner gleichen sie in ihren Veränderungen vollkommen den Schleimspeicheldrüsen und unterscheiden sich von ihnen nur in so weit, als sie der protoplasmatischen Elemente (Halbmonde) entbeh- ren. In Folge dieses Umstandes indessen ist das mikroskopische Bild ihrer Veränderungen bedeutend einfacher; denn die Schleim- zellen, die, wie gesagt, ihre einzigen Elemente ausmachen, sind gar zu gleichförmig. Wie bei den Schleimspeicheldrüsen, so gehen auch bei den ge- wöhnlichen Schleimdrüsen die Veränderungen vom Kern der Schleim- zellen aus, welcher wächst, sich abrundet und alsbald sich stark vergrössert; dann erstreckt sich der Process auf den Zelleninhalt selbst, indem dieser allmählich den schleimigen Charakter verliert und durch eine albuminreiche Masse ersetzt wird, die auch hier aus der Vermehrung des Protoplasma der Schleimzellen hervorgeht. In Folge dessen verändern diese Elemente, wie auch an den Spei- 336 M. Lavdowsky: cheldrüsen, mit der Zeit ihre Gestalt und Grösse, indem sie klein und körnig werden, wodurch wiederum auch die Gestalt der Alveolen selbst verändert wird: sie nehmen denselben Charakter an und verkleinern sich ebenfalls. — Was weiter mit ihnen und ihren Elementen geschieht, ob diese irgend welche Wucherung erleiden und ob sie sich der Zahl nach vermehren, kann ich nicht mit Sicher- heit sagen da ich, wie bereits gesagt, die gewöhnlichen Schleim- drüsen nicht bis zu den höchsten Stadien der Veränderungen habe bringen können. Wir werden übrigens weiter unten auf einen Um- stand stossen, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach dafür sprechen wird, dass im weiteren Verlaufe des Processes die eben erwähnten Wucherungserscheinungen in diesen Drüsen stattfinden müssen. Das wäre das Factische an der Sache. Jedermann sieht daraus, dass in dem eigentlichen Gewebe, so- wohl der Schleimspeicheldrüsen als auch der gewöhnlichen Schleim- drüsen, in jedem beliebigen Stadium seiner Function von dem an, wo es, so zu sagen, ruhig, physiologisch arbeitet, bis zu dem, wo seine Thätigkeit den höchsten Grad erreicht — deutliche, mit un- abänderlicher Stabilität sich wiederholende morphologische Umwäl- zungen grösstentheils activer, zum Theil auch passiver Art vor sich gehen. — Versucht man nun diese Wandlungen zu erklären, den Ursprung einer jeden von ihnen zu beleuchten, so wird man leicht erkennen, welch hohen Sinn und Bedeutung sie haben. Weitere Analyse derselben Erscheinungen; Problem der Schleimbildung. — Bekanntlich hat R. Heidenhain (op. eit. $$ 17 u. 28) angenommen, dass bei der Secretion die specifischen Drüsenelemente, die Schleimzellen, unter Einwirkung des Nerven- systems »zerstört« werden und dass ihre Erneuerung von anderen, albuminreichen Elementen ausgeht, welche ihren Ursprung in der lebhaften Wucherung der Randzellen haben und sodann, sich schlei- mig metamorphosirend, die alten »zu Grunde gegangenen« Schleim- zellen ersetzen. Die Schleimbildung geschieht also nach Heiden- hain »durch schleimige ai des Protoplasma und Zer- störung der Zellen«. Die von mir vorgelegten Thatsachen bestätigen in vielen Punkten diese Annahmen Heidenhain’s, wie auch zum Theil selbst seine Hypothese über die Schleimbildung aufs beste. Dabei erschöpft jedoch, wie die weiter unten folgende Analyse der von uns gefun- denen neuen Facta zeigen wird, Heidenhain’s Annahme die Zur feineren Anatomie u.Physiol. d.Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 337 während der Funetion der Drüsen zu beobachtenden Erscheinungen bei weitem nicht vollständig und legt andererseits einigen von ihnen (der Zellenzerstörung) zu grosse Bedeutung bei. Wie es in jedem andern morphologischen Vorgang, welcher irgendwie mit einem Entwickelungsprocess zusammenhängt, Stufen giebt, die vorzugsweise die Frage erhellen, so muss man sich auch in unserem Fall nach solchen Stufen der Drüsenveränderungen um- sehen. Als solche können manche Punkte in allen Perioden der Drüsenthätigkeit dienen, doch als die instructivsten greifen wir die- jenigen heraus, welche das oben beschriebene zweite oder mittlere Stadium der Veränderungen (Fig. 10) in so reichem Masse bietet. Im Allgemeinen gesprochen, treten zwei Factoren in den Vor- gängen des secernirenden Drüsengewebes hervor. Es sind dies: die radicale Veränderung ihrer specifischen Elemente (der Schleimzellen), verbunden mit partieller Zerstörung derselben einerseits und Bildung junger Drüsenzellen mit neuen Alveolen andererseits. Beide Processe hängen eng zusammen und alle übrigen Erscheinungen, von denen oben die Rede war, gruppiren sich nur um sie allein. Zu den wich- tigsten dieser Erscheinungen muss man bemerkenswerthe Vorgänge in der Sphäre der Halbmonde rechnen, wie sie denn auch die Ver- bindungsbrücke zwischen jenen beiden Processen bilden. Betrachten wir zunächst den ersten von ihnen. In ihm treten wiederum zwei einander entgegengesetzte, ob- wohl nicht gleich starke Factoren zu Tage: 1) Die activen Verän- derungen der Schleimzellen und 2) rein passive Erscheinungen an ihnen (ihre Zerstörung). — Dass die ersteren, — die Veränderun- gen der Schleimzellen, welche sich im Verlauf des ganzen Processes progressiv entwickein, — den Charakter wirklicher Activität an sich tragen, halte ich für überflüssig zu beweisen; auch wird es sich in der weiteren Auseinandersetzung von selbst ergeben. Auf die Letz- teren, die passiven Veränderungen, hat schon, wie oben erwähnt, Heidenhain hingewiesen und hat daher die Schleimzellen zu den transitorischen Elementen gerechnet, Elementen, deren Natur er etwa mit den Epithelzellen der Talgdrüsen vergleicht. — Die Mehr- zahl der Autoren, die seine Ansicht geprüft, haben ihn, wie es scheint, nicht verstanden und haben diese seine Annahme über die Zerstö- rung der Schleimzellen verworfen (Ebner, Ranvier). In dem kritischen Theile dieses Capitels werden wir ihre Ansicht einer Prüfung unterziehen; hier, wo wir die Thatsachen untersuchen, 338 M. Lavdowsky: sehen wir, dass ihre entgegengesetzten Meinungen diesen wider- sprechen. Nicht ganz zutreffend ist aber auch Heidenhain’s Annahme, indem er, wie gesagt, der Erscheinung der Schleimzellen- zerstörung eine gar zu grosse Bedeutung beilegt oder, richtiger aus- gedrückt, sie zu weit ausdehnt. Denn, wenn auch diese Erscheinung ein unleugbares Factum ist, so findet sie doch nur in dem Umfange statt, als im den Schleimzellen der Process activer Veränderungen vor sich geht und sie von diesem unmittelbar abhängt. Von dieser Abhängiskeit wollen wir denn auch ausgehen. Schon bei der conereten Untersuchung der morphologischen Erscheinungen im Gewebe der gereizten Drüsen haben wir deutlich gesehen, dass in den Umwandlungen der Schleimzellen zwei Vor- gänge, die Verminderung des Schleims in Letzteren und das Auf- treten der Albuminsubstanz, Hand in Hand gehen. Im weiteren Verlaufe sieht man noch deutlicher, wie diese Substanz immer mehr wächst, während der Schleim zu gleicher Zeit stetig abnimmt. Auf rein mechanischem Wege kann man die Sache nicht erklären. Ebenso äussert das Drüsengewebe bei künstlichen Vorbedingungen (s. weiter unten die Wiederholung von Ewald’s »Versuchen«) nicht im Geringsten die active Seite dieser Erscheinungen. Demnach liest es klar vor Augen, dass das Auftreten der Albuminsubstanz in den Schleimzellen und ihre allmähliche Ansammlung nach Maass- gabe der Abnahme des Schleimes von anderen Ursachen herrührt und ihre bestimmte Bedeutung hat. Diese Ursachen sind nun fol- gende: die Zunahme (Wachsthum) eines Theiles des Zelleninhalts zu dem Zwecke, dass der Abgang eines anderen Theiles ersetzt werde. Erklären wir uns hierüber etwas ausführlicher. Wie der Leser sich erinnern wird, fanden wir, dass in den Schleimzellen ausser dem Schleim auch unzweifelhaft Spuren von Protoplasma existiren. Wie gering es auch sein mag, so hat es, da es lebensfähig ist, natürlich die Fähigkeit neue Massen aus sich heraus zu entwickeln. In Folge besgnderer Vorbedingungen, die durch die Reizung der secretorischen Nerven gegeben werden, wächst nun dies Protoplasma. Die Ansammlung des Albuminstoffs in den Schleim- zellen gereizter Drüsen ist also nur das Resultat der Vermehrung des in ihnen vorhandenen Protoplasma. Wenn nun einmal ein solcher Vorgang eintritt — und wir sehen ihn — so kann er offenbar in derartigen Elementen, wie Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 339 den Schleimzellen, kaum einen anderen Zweck haben, als nur die Bildung desjenigen Theiles ihres Inhalts, welcher sich absondern muss, d. h. des Schleimes. Für unsere Annahme spricht so manches: 1) das Vorhandensein solcher (gewöhnlicher) Schleimdrüsen, die ausschliesslich aus Schleimzellen bestehen und in denen somit die Bildung von Schleim nur im Protoplasma der Schleimzellen selbst ihre Quelle haben kann; 2) die (nach dem auf Seite 293 Gesagten) höchst wahrschein- liche Schleimbildung aus derselben Quelle und vielleicht nach dem- selben Typus auch in sich entwickelnden Schleimspeicheldrüsen; 3) die Analogie des Fettbildungsprocesses (in den Zellen der Fett- und Talgdrüsengewebe, auf die ich mich bereits berufen habe). Nur eine Thatsache könnte gegen uns sprechen: es ist dies die allmähliche Verdünnung der Absonderung im Verlaufe der Rei- zung, was nämlich auf den ersten Blick Veranlassung geben könnte zu meinen, dass die Neubildung von Schleim zeitweise gar nicht stattfindet. Aber dieser Widerspruch ist nur scheinbar. In der verdünnten Absonderung nehmen bekanntlich nur die festen Bestand- theile des Schleimes, vor allem das Muein, ab. Die eben erwähnte Thatsache spricht demnach nur dafür, dass im Laufe der Zeit die schleim-(muein-)bildenden Bestandtheile des Protoplasma wahrschein- lich verbraucht werden, und das in grösseren Massen als sie zu- nehmen und zwar um so mehr, je länger die Reizung dauert. Von der Richtigkeit dieser Erklärung zeugt die aufs Neue bemerkbare Verdichtung der Absonderung, wenn man die Ruhe- pausen verlängert und somit den erschöpften Theilen des Protoplasma Zeit lässt, sich wieder zu füllen. — Bei fernerer Dauer der Reizung wird der Verbrauch an Protoplasma natürlich so gewaltig, dass die Zellen fast ganz aufhören Schleim zu bilden, was wiederum bestätigt wird: a. durch ihren so sehr veränderten Charakter in andauernd secernirenden Drüsen, dass sie sich dem Charakter der Zellen serö- ser Drüsen nähern, die, wie bekannt ist, gar nicht fähig sind Schleim zu bilden; b. durch das gleichzeitige Auftreten junger Elemente (aus den Halbmonden) zum Ersatz für die alten Zellen, die die Fähigkeit Schleim zu bilden verloren haben; c. durch die Bildung sogar neuer Alveolen zu demselben Zweck (s. unten). Stellen aber die alten (bereits in Thätigkeit gewesenen) Zellen, die solchen Wandlungen unterworfen sind, die Schleimbildung ganz ein oder verlieren sie zum wenigsten sämmtlich diese Fähigkeit? 340 M. Lavdowsky: Eine bestimmte Antwort auf diese Frage zu geben ist schwierig, weil man dazu Versuche in entgegengesetzter Richtung machen, nämlich nach einer gewissen Dauer der Reizung die Drüse, end- gültig und für lange Zeit in Ruhe lassen und alsdann erst unter- suchen müsste. Da ich solche Versuche noch nicht angestellt habe, kann ich die aufgeworfene Frage nur auf Grund indirecter Beob- achtungen beantworten. An den gewöhnlichen Schleimdrüsen kann für die einmal thätig gewesenen Zellen die Möglichkeit einer Erneuerung ihrer schleimbildenden Fähigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach zugegeben werden ; denn in diesen Drüsen ist, wie gesagt, eine andere Quelle der Schleimbildung ausser dem Protoplasma der Schleimzellen selbst nicht vorhanden. Anden Schleimspeicheldrüsen dagegen findet diese Möglichkeit nur in beschränktem Maasse Raum, denn in ihnen finden sich oft Schleimzellen (s. oben), die keine Kerne haben und keine activen Veränderungen aufweisen, also abgestorbene Zellen, die keiner Thätigkeit fähig sind; — die erwähnte Möglich- keit wird. noch dazu durch das Factum der Unfähigkeit der Schleimzellen der letzten Drüsen zu wuchern verringert: an ihnen kann man, wie wir gesehen haben, nicht einmal eine Theilung der Kerne aufdecken. Nun können wir aber auf Grundlage des zuletzt Angeführten nach allem Gesagten nicht umhin zu schliessen, dass, obwohldie Schleim- zellen (der Schleimspeicheldrüsen), wenn sie einmal entwickelt sind, in bestimmten Momenten, nämlich bei Anreizung ihres Proto- plasma zur Thätigkeit, eine bedeutende Rolle bei der Schleim- bildung spielen, d. h. bei den erwähnten Vorbedingungen neue Schleimmassen erzeugen können, sie hernach dennoch zu Grunde gehen und zwar wahrscheinlich um so schneller und in um so grösserer Menge, je energischer sie arbeiten, je mehr Schleim sie in einer bestimmten Zeiteinheit hervorbringen. Und dieser Theil der zweiten Behauptung ergiebt sich direct aus den Hinweisen der Versuche: je stärker innerhalb der oben angegebenen Grenzen die Reizung war, um so schneller trat der Process der beschriebenen Veränderungen ein?). 1) Einen grossen Einfluss auf die Zerstörung der Schleimzellen hat ausser- dem unter sonst gleichen Bedingungen dieGeschwindigkeit der Schleim- absonderung, welche direct von der Stärke der Reizung der Drüsenge- Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 341 Es liegt demnach klar zu Tage, dass die einmal ausgebildeten Schleimzellen nach einer gewissen Dauer ihrer Action in der That »transitorisch« werden und in diesem Sinne darfman Heidenhain’s Ansicht über sie annehmen. Letzere Deduction führt uns auch zu dem Schluss, dass die uns beschäftigenden Zellen in den Schleimspeicheldrüsen sich ganz aus sich selbst heraus nicht zu erneuern ver- mögen, dass folglich eine andere Quelle ihrer Neubildung vorhan- den sein muss. Und als solche erscheinen die Halbmonde, diese zusammengesetzten Zellen der zweiten Art an den Drüsen der letzten Kategorie, an denen wir einen so stark ausgeprägten Wuche- rungsprocess während der Reizung beobachtet haben. Diesen Process haben wir bei der Schilderung der verschiedenen Stadien Schritt vor Schritt von seinen allerersten Stufen bis zu den letzten beschrieben. Es erübrigt also nur ihn zu erklären, nämlich zu zeigen: 1) dass er zuletzt wirklich zur Bildung von Elementen führt, welche die zu Grunde gegangenen Schleimzellen zu ersetzen haben, 2) dass zu dem Zweck in der That ganz neue acini sich bilden und zwar in Folge der örtlichen Steigerung dieses Processes in denselben Halbmonden; 3) dass folglich die Halbmonde unzweifelhaft eine wichtige Rolle in der Function des Drüsengewebes spielen, obwohl sie nur als Hülfs- und Ersatzfactoren nach erlahmter Thätigkeit der Schleimzellen selbst auftreten; endlich 4) dass demnach der Schleimbildung in den Schleimspei- webe abhängt, und bei gleicher Stärke der Reizung wiederum der Reich- thum des Drüsenorgans an Mucin. — Die Begründung dafür entnehme ich folgenden directen Versuchen und Beobachtungen: Wenn man in zwei Drüsen, etwa der Submaxillaris und Orbitalis (die natürlich Thieren derselben Gattung entnommen und durch Inductionsströme von derselben Stärke ge- reizt werden müssen), die annähernd gleichen Veränderungen vergleicht, so werden in der letzteren, mucinreicheren Drüse diese Veränderungen nach bedeutend kürzerer Zeit, um loder 2 Stunden früher, als in der ersteren (Submaxillaris) eintreten. Ferner, wenn wir die Veränderungen in diesen beiden Drüsen im Allgemeinen, aber für jede bei verschiedener Stärke des Stromes erzeugt, vergleichen, so wird sich herausstellen, dass wir z. B. an Präparaten von einer 5 Stunden schwach gereizten Sub- maxillaris fast überall die Schleimzellen ganz und an ihrer Stelle finden, während wir sie in der Orbitaldrüse umgekehrt schon an vielen Präparaten von 3- bis 4-stündiger (sehr starker) Reizung zerstört finden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 22 342 M. Lavdowsky: cheldrüsen die Metamorphose des Protoplasma in den Drüsenzellen beiderlei Art zu Grunde liegt, nur dass sie fürjede dieser Arten in bestimmter Reihenfolge eintritt. An Zerzupfungspräparaten aus dem zweiten und dritten Stadium finden wir eine ganze Masse junger Elemente (s. die oben beschrie- bene Fig. 12). Dass diese aus den Halbmonden hervorgegangen sind, unterliegt keinem Zweifel: die Schleimzellen, wie gesagt, ver- mehren sich ja nicht und geben keine neuen Generationen; von allen übrigen Zellen der Drüsen (den Epithelzellen der Gänge, Plasma- zellen etc.) unterscheiden sich unsere Ersatzelemente ganz scharf; und doch, wenn man sie mit den Zellen (Primitivzellen) der Halb- monde vergleicht, so wird Jedermann eine positive Aehnlichkeit zwischen beiden finden. Augenscheinlich sind die Ersatzelemente Primitiv- zellen im Zustande der Vermehrung oder zum Theil gar ein Nach- wuchs derselben. Das wäre eins. Zum andern haben wir an ge- reizten Drüsen eine grosse Menge jener merkwürdigen vielkernigen Lunulae gefunden, die wir als Entwickelungsstufe zwischen den Keim- und den entwickelten Halbmonden mit grosser Wahrschein- lichkeit, schon für die ruhenden Drüsen nachgewiesen haben. Dass ‚die vergrösserte Anzahl dieser vielkörnigen Zellen in den gereizten Drüsen mit dem Auftreten der besprochenen jungen Elemente in den Letzteren im Zusammenhange stehen muss, liegt wiederum auf der Hand. — Gehen wir zu den Schnitten über. Da wir sie in folgerechter Ordnung, der sich steigernden Dauer der Reizung und folglich auch der sich steigernden Function der Drüsen entsprechend, betrachteten, sahen wir, wie die Lunulae sich immer mehr vergrösserten — und sicherlich nicht bloss durch Hyper- trophie (etwa aus Ueberfluss an Nahrungsstoff in Folge des bei der Reizung verstärkten Blutstroms), — sondern gewiss und vor allem in Folge der allmählich wachsenden Wucherung ihrer Zellen, — und wie sie endlich als »Halbmonde« verschwanden. Aber in Wahr- heit verschwunden sind sie doch nicht. Ich habe schon früher Gelegenheit gehabt (s. das zweite Stadium) dies anzudeuten und habe bei der Darlegung dieses Stadiums auf die Stellen hinge- wiesen (Fig. 10 1, In, Inx, k, k), an denen sichtbar ist, dass die ge- steigerte Ansammlung der Kerne in den Alveolen vornehmlich in solchen Theilen sich concentrirt, welche von den Halbmonden ein- genommen sind, und in den Halbmonden selbst (k, k). Ebenso habe ich dort auch darauf aufmerksam gemacht, dass, obwohl mit der Zeit Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 343 die Halbmondzellen (Primitivzellen) nicht scharf von den Schleim- zellen abgegrenzt zu sein pflegen, man nichtsdestoweniger sehen kann, dass Erstere so zu sagen in die Alveolen hineinragen und sich mit jenen vermischen. Es ist also klar, welches Schicksal die Halbmonde in Wirk- lichkeit haben: nach Maassgabe dessen, wie die Schleimzellen, — ihr Secret, d. h. den Schleim, absondernd und zum Theil, neuen bil- dend, — schliesslich ihrem Untergang entgegeneilen, rücken junge Elemente aus den Halbmonden heraus an ihre Stelle, um alsbald selbst sich schleimig zu metamorphosiren. Auf diese Weise nun geht der Process der Erneuerung untergegangener Schleimzellen durch junge vor sich. In welcher Art und Weise die Schleimmetamorphose in diesen neugebildeten Elementen von Statten geht, kann ich nicht sofort mit Bestimmtheit sagen, obgleich ich z. B. sehr kleine, theils aus Proto- plasma, theils schon aus einem hellen, an einem der Ränder befind- lichen Schleimklümpchen bestehende Zellen gesehen habe. Denn solcher Beobachtungen sind in meinen Aufzeichnungen nur zwei vermerkt und desshalb kann ich sie nicht für unumstösslich aus- geben; ausserdem steht die Sache so, dass es umgekehrt kleine alte Schleimzellen mit angesammeltem Protoplasma gewesen sein können. In solchen Fällen muss man sehr vorsichtig sein und vor allem zu jener rückläufigen Untersuchung, die ich oben berührt habe, seine Zuflucht nehmen. Dann erst wird es möglich sein diese Frage zu entscheiden. Jetzt aber will ich meine Beobachtungen mit der Er- klärung, wie die aciniin gereizten Drüsen sich neu bilden, abschliessen. Ich will aber gleich im Voraus bemerken, dass wenn auch die Sache in Wirklichkeit einfach ist, es dennoch schwer ist sie nach allen Seiten hin ad oculos zu demonstriren. — Wie gesagt, kann man an den Präparaten gereizter Drüsen nicht selten finden, dass einige von den Halbmonden im Verhältniss zu andern sich stark und sehr unregelmässig vergrössern, so dass die sie tragenden Al- veolen gleichsam mit Ausbuchtungen, etwa wie mit Knospen ver- sehen (s. Fig. 10 und 11 k‘, k‘) zu sein scheinen. Andererseits trefien wir in den späteren Stadien der Drüsenthätigkeit (Fig. 11m, m) so kleine Acini und dabei so zahlreich, dass sie die Erklärung ihrer Entstehung auf gewöhnlichem Wege, nämlich aus der Verringerung der alten Alveolen und zwar durch Verkleinerung der Zellen der 344 M. Lavdowsky: Letzteren (in Folge von Schleimverlust), absolut nicht zulassen, weil diese Erklärung nur für die Masse der andern neben den kleinen gelegenen und, wie wir gleich sehen werden, mit ihnen verbundenen Alveolen Anwendung findet. Es fragt sich nun, auf welche Weise diese kleinen Acini ent- stehen und ob die erwähnten, übermässig wachsenden Lunulae nicht auch zu ihnen in irgend welcher Beziehung stehen. Und in der That finden wir, dass die an den Alveolen befindlichen Knospen, wenn sie im Durchnitt zu liegen kommen und sich neben ihren Trägern befinden, sich durch nichts Anderes als das Fehlen eines Lumen von den kleinen Acini unterscheiden : diese bestehen nämlich aus kleinen, körnigen, um ein verhältnissmässig schmales Lumen gelagerten Zellen. Einen solchen Bau haben, abgesehen von dem Lumen, auch die Lunula-Knospen. Ebenso kann man immer ver- folgen, dass die kleinen Acini auch mit den grössern (alten) Alve- olen in Zusammenhang stehen (vgl. z.B. auf Fig. 11 die Stellen mz) und demnach ihrerseits als für sich liegend nur in dem Fall erscheinen, wenn sie abgeschnitten sind. Daraus geht deutlich hervor, dass die geschilderten Acinusbildungen den an den alten Alveolen spriessenden Knospen völlig ähnlich sind, und nur auf den ersten Blick bleibt es unklar, weshalb in Letzteren kein Lumen sichtbar ist. Berücksichtigt man jedoch, dass hier ein Ent- wickelungsprocess vor sich geht, dass an Längsschnitten das Lumen natürlicher Weise eher sichtbar wird als an Querschnitten, — so wird uns zum Theil erklärlich, warum es hier nicht zu erkennen ist. Endlich muss man hinzufügen, dass die Knospen mit der Zeit wahrscheinlich noch mehr wachsen, was man schon aus den ver- schiedenen Formen und Grössen, die sie bereits jetzt haben, sehen kann: während beispielsweise die kleinen unter ihnen nur gewöhn- liche Ausbuchtungen an den Alveolen vorstellen (vgl. Fig. 10 und 11), sind die grossen mehr oder weniger von diesen abgespalten oder stehen sogar nur durch eine schmale Zellenbrücke mit ihnen in Ver- bindung. Völlig von den alten Alveolen abgelöst sind sie indessen nirgends und schon hieraus ergiebt sich mit Sicherheit, dass die jungen Acini eine eigenartige Entwickelung der Lunulae sind. — Somit sind die neugebildeten Acini Zugaben zu denalten, hervorgegangen ausdem ausserordentlichen Wachsthum ihrer Lunulae. Ob sie sich dann von den alten ablösen, — auf diese Frage Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 345 müssen wir verneinend antworten; ich habe wenigstens niemals eine Abtrennung beobachtet und in anderen Fällen erklärt sich, wie ge- sagt, die Sache immer aus dem Querschnitt; und schliesslich kann man auch dies nicht zugeben, denn wie kämen dann die neugebil- deten Acini zu der Verbindung mit den Ausführungsgängen ? Da- her bleiben sie wohl auch wahrscheinlich länger mit ihren Trägern (den alten Alveolen) in Verbindung; sobald ferner in einer sie aus- machenden Zelle die schleimige Metamorphose eingetreten ist, die andern dagegen, sich zu »Halbmonden« zusammenfügend, in dieser Form auf der Stufe der Protoplasma-(»Ersatz-«)bildungen bleiben, — so unterscheiden sich solche Alveolen durch gar nichts mehr von den alten, mit ihnen verbundenen, und zugleich damit wird auch selbstverständlich ihre Function dieselbe sein wie in den Letzteren. — Dieser Schluss, wenn auch zunächst nur hypothetisch ausgesprochen, hat einige Thatsachen für sich: in einigen der neugebildeten Acini ist es nicht schwer unter der Masse der protoplasmatischen eine oder die andere Zelle im Zustand der Schleimmetamorphose zu finden. Folglich kann nur die Frage der Erörterung unterliegen, ob in jedem Falle solche acini neugebildete sind; denn wenn sie einmal auch nur eine Schleimzelle enthalten, so können sie sich schwer aus solchen Alveolen differenzirt haben, die etwa nach ge- steigerter Thätigkeit ihre Schleimzellen so weit eingebüsst haben, dass von diesen vielleicht eine oder zwei übrig bleiben mitten unter protoplasmatischen Elementen, welche ebenfalls solche acini ausmachen (vgl. Fig. 10m‘). Da nun eine derartige Erscheinung in den höchsten Stadien der Thätigkeit der Drüsen keine Seltenheit ist, so liegt da- rin die erwähnte Schwierigkeit unserer Aufgabe. Uebrigens kann, wenn ich nicht irre, die Neubildung der acini bei anhaltender Thätigkeit der Drüsen um so mehr für ein positives Factum angesehen werden, als sie nach ihrer Bedeutung mit den activen Processen, die in diesen Drüsen stattfinden, völlig übereinstimmt. Kritische Bemerkungen (zum letzten Kapitel) und Schlussfolgerungen. Wenn es mir somit gelungen ist den Charakter und die Be- deutung der mannigfaltigen morphologischen Erscheinungen, die jedes Mal den Zustand der Drüsen, welchen wir ihre »Thätigkeit« 346 M. Lavdowsky: nennen, begleiten, deutlich zu schildern, so ist damit selbstverständ- lich auch die Natürlichkeit dieser Erscheinungen als physiologischer Vorgänge dargethan. Eine kurze kritische Uebersicht über die den meinigen voran- gegangenen Beobachtungen, welche sie in anderem Sinne auffassen, wird die Richtigkeit unserer Ansicht mit noch grösserer Sicherheit beweisen. Unter diesen Beobachtungen treten zunächst, wie ich schon zu Anfang hervorgehoben, die Dissertation Ewald’s und die uns be- kannte Abhandlung Pflüger’s hervor. Ausserdem existiren über den- selben Gegenstand Bemerkungen von Ranvier!) und einige An- - deutungen in der oben eitirten Arbeit Ebner’s, welche zwar kurz sind, aber um so mehr hier geprüft werden müssen, als sie, wie auch die von Ranvier, zum Theil meinen Untersuchungen wider- sprechen, zum Theil jedoch mit ihnen übereinstimmen. Da nun die Bemerkungen dieser beiden Forscher zudem grössere Aufmerksam- keit verdienen, so wollen wir sie zuerst durchnehmen. Bei der obigen Analyse der in den Schleimzellen vor sich gehen- den Erscheinungen habe ich bemerkt, dass das Wesentliche an einigen Hinweisen Heidenhain’s offenbar falsch verstanden worden ist, Vor allem gilt das von seiner Behauptung über die Zerstörung der Schleimzellen, gegen welche Ebner aufgetreten ist (s. seine Arbeit über die Drüsen der Zunge, S. 32—34 u. folg.). Schrickt man jedoch vor dem Worte »Zerstörung« nicht zurück (obwohl Heidenhain frei- lich betont, dass die Schleimzellen »zu Grunde gehen«, und, wie ge- sagt, ihr Schicksal sogar mit den Epithelzellen der Talgdrüsen ver- gleicht s. oben), — so wird man leicht ersehen, dass Heidenhain weder auf die Erscheinung der Zerstörung der Schleimzellen, noch auf die schleimige Metamorphose der ersetzenden, protoplasmatischen Zellen als aufdie einzigen und ausschliesslichen Facetoren der Schleimbildung hinweist. »Die Schleimbildung geschieht«, heisst es bei Heidenhain, »innerhalb gewisser Zellen der Drüsenalveolen durch schleimige Metamorphose des Protoplasma und Zerstörung der Zellen« (op. eit.S. 102). Zieht man zugleich die von ihm sub 1 angeführten Beweise für diese seine Behauptung in Betracht und vergleicht man sie mit dem, was er auf pag. 59 (ebenfalls sub 1) 1) Ranvier. Note sur la structure de glandes acineuses. In Spiel- mann’s Uebersetzung von Frey's Histologie. Paris 1870. S. 437. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüe, 347 über die granulirten Schleimzellen sagt, so wird uns klar, dass er bei weitem nicht alle Schleimzellen dem Untergange anheimfallen lässt und die Quelle der Schleimbildung unter anderm auch in ihrem Protoplasma sucht. Die Sache besteht also darin, dass Heiden- hain das, was er vermuthet (unsere activen Vorgänge in den Schleim- zellen) nicht völlig ausspricht und, wie gesagt, die Zerstörungsvor- gänge, welche nur in bestimmten Grenzen, unter bestimmten Be- dingungen stattfinden, zu sehr verallgemeinert und ausgedehnt hat. So hätten wir in Bezug auf die activen Erscheinungen in den Schleimzellen gefunden, dass sie die erste und hauptsächlichste Quelle der Schleimbildung sind, eine Quelle, die für diesen Zweck in- den gewöhnlichen Schleimdrüsen sogar als die alleinige erscheint. Trotzdem haben dieselben Thatsachen uns gezeigt, dass die Schleim- zellen zuletzt doch zu Grunde gehen, obwohl in sehr beschränktem Masse; und für die gewöhnlichen Schleimdrüsen haben wir sogar zugeben müssen, dass sie bei ihrer Secretion in noch geringerer, fast verschwindender Menge zu Grunde gehen und diejenigen von ihnen, welche erhalten bleiben, sich aus sich selbst heraus erneuern. — So sehen wir denn, dass der Sachverhalt hier complieirt ist und ohne weitere Erwägungen nicht als Gesetz für alle mehr oder minder ähnlichen Drüsen aufgestellt werden darf. Indessen versteht Ebner denselben Sachverhalt so (l. e.): »Wenn man das schöne regelmässige Mosaik ansieht, in welchem die Drüsenzellen um ein scharf umgrenztes Lumen knapp anein- ander gelagert sind... .. ‚ wenn man ferner bedenkt, wie die Drüsen, in denen unzweifelhaft eine Abstossung morphotischer Elemente, wie z. B. in den Hoden, vor sich geht, sich verhalten«, — so kann man nach seiner Meinung und auf Grundlage einer solchen Vergleichung eine Ausstossung der Schleimzellen absolut nicht zugeben. Was in den Hoden während ihrer Thätigkeit vor sich geht, welcher Art die Abstossung in ihnen ist, das ist eine Frage, die man hier am besten mit Stillschweigen übergeht; denn was können in diesem Punkte die Speicheldrüsen mit den Hoden gemein haben, mit Ausnahme etwa jener Theile der Letzteren (den Nebenhoden, die Ebner aber hierbei nicht im Auge hat), von denen man — und auch das ohne sichern Beweis — annimmt, dass sie als absondernde Organe (Mihalkowicz) fungiren? — Was aber das »schöne, regel- mässige Mosaik« der Schleimspeicheldrüsen betrifft, so liegt die Sache 348 M. Lavdowsky: hier einfach: aus dem, was sich in ruhenden Drüsen findet, darf man nicht a priori darauf schliessen, wozu es in thätigen (gereizten) wird, sondern muss natürlich diese selbst nehmen und sehen, wasinihnen thatsächlich vorgeht. Alsdann wird sich herausstellen: 1) in allen jenen Alveolen gereizter Drüsen, wo die Zellen unversehrt sind oder wenig Schleim abgesondert haben, sind sie trotz aller Verkleinerung, Veränderung ihres Inhalts u. s. w. mosaikartig gelagert (s. unsere Zeichnungen) und das um so regel- mässiger, je gleichmässiger die Erhärtung des Organs (die ja vor allem eine solche mosaikartige Lagerung in unserem Fall bewirkt) vor sich gegangen ist; 2) wo hingegen die Zellen viel Schleim ab- gesondert haben, besonders aber, wo sie vollständig geplatzt sind, da ist nicht nur keine solche Lagerung zu bemerken, sondern es ist an solchen Alveolen der grösste Theil auch der Schleimzellen gar nicht zu sehen: sie sind abgestossen und haben die Alveolen entweder ganz leer oder mit dem in ihnen gewesenen Schleim ange- füllt gelassen (was zum Theil meine Fig. 11 bei z zur Anschauung bringt). Ebner selbst vermuthet an einer Stelle seiner Schrift (1. e.) dass, wenn die Zellen zerstört würden, die sie enthaltenden Alveolen »leer« sein müssten. Und in der That verhält es sich so auf einer bestimmten Stufe der Drüsenthätigkeit, wie wir gesehen haben, und dies beweist aufs schlagendste meine oben ausgesprochene Behaup- tung. 3) An solchen Alveolen endlich, welche bereits neugebildete Elemente enthalten, lässt sich die mosaikartige Lagerung wiederum beobachten. — Was beweist nun »das schöne regelmässige Mosaik«? Es kommt hier ein anderer wichtigerer Umstand in Betracht, den Ranvier am besten formulirt hat und der anscheinend der von uns behaupteten Erscheinung widersprechen könnte. Es ist dies folgen- der. Da er nämlich unzweifelhaft eine Verringerung der Alveolen und einige andere den gereizten Drüsen eigene Veränderungen findet und an Schleimzellen eine Reihe Metamorphosen in ihrem Proto- plasma, die unsern activen Veränderungen so ziemlich entsprechen, constatirt, — so meint Ranvier, dass die Schleimzellen, obwohl sie allmählich, aber augenscheinlich sich ihres Inhalts entledigen, dennoch nicht zu Grunde gehen. Für uns ist es jedoch ein Leichtes, seine Beobachtungen zu er- klären. Zum Ersten können wir uns der Vermuthung nicht er- wehren, dass Ranvier es nicht mit hohen Stadien der Drüsenver- änderungen zu thun hatte. Dies kann manz. B. daraus sehen, dass Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 349 er in Bezug auf die Halbmonde nur von einer bedeutenden An- schwellung ‚spricht, ihren Wucherungsprocess dagegen — und um so: weniger das Erscheinen junger Zellen im Drüsengewebe — nicht erwähnt; in diesem Falle aber hätte man offenbar an manchen Prä- paraten die Zerstörung der Schleimzellen gar nicht entdecken können, da diese Erscheinung, wie wir gesehen, in den letzten Stadien der Drüsenthätigkeit am deutlichsten zu beobachten ist. Zum Andern, zugegeben, dass Ranvier auch diese letzten Stadien beobachtet, hat, so ist die Sache auch dann noch erklärlich : auf diesen Stufen sind . ihrerseits ganze Massen von Alveolen so sehr mit neugebildeten Elementen angefüllt, dass Letztere in solchen Alveolen von den Schleim- zellen schwer zu unterscheiden sind, wenn diese Zellen noch im’ Zustande ihrer activen Veränderungen verharren; denn dann haben sie gerade das Aussehen protoplasmatischer Zellen und sitzen noch an ihrer Stelle fest. Drittens endlich hat Ranvier bei seinen Untersuchungen die Unterkieferdrüse im Auge, während, wie wir bereits hervorgehoben, der Zerstörungsprocess besonders an den Drüsen beobachtet werden kann, welche mucinhaltiger sind (Or- bitaldrüse). Diesen Umstand müssen wir auch Ebner vor Augen führen. — Was die andern Bemerkungen Ranvier’s anbelangt, als hätten auf die Struktur der Drüsen die Narkotisirung der Thiere mit Curare und die Behandlung der Drüsenorgane direct mit absolutem Alkohol grossen Einfluss, so haben wir über die vermeintliche Einwirkung der Ersteren unsere Meinung bereits ausgesprochen, über die der Letzteren werden wir bei den Methoden der, Untersuchungen ein Wort sagen. Wenn nun Ranvier hinsichtlich der Processe in den Halb- monden diese wenigstens vergrössert gesehen hat, so weiss ich nicht, was ich zu Ebner’s Beobachtungen sagen soll, dem auch dies nicht gelungen ist. Ich berufe mich deshalb nochmals auf meine Copien von den Präparaten. Uebrigens ist Ebner geneigt, den Halbmonden die, Bedeutung einer »Keimstätte« für die Schleimzellen beizulegen, obwohl nicht ganz in dem Sinne wie der Urheber dieses Ausdrucks, Heidenhain, ihn verstanden wissen will. Hauptsächlich nimmt Ebner an dem Umstand Anstoss, dass einige (gewöhnliche) Schleim- drüsen der Halbmonde entbehren. Freilich ist das ein sehr wichtiger Umstand, doch haben wir ihm, so weit es unsere Untersuchungen gestatten, in der vorliegenden Abhandlung seine Bedeutung ange- 550 M. Lavdowsky: wiesen und erlauben uns daher uns wiederum auf das, was bereits angeführt worden ist, zu berufen. Endlich weist Ebner zur Be- stätigung seiner Ansicht auf die Beobachtung Boll’s über die Struetur der Submaxillaris des Meerschweinchens hin. Dieser Beobachtung konnten wir aber, wie gesagt, nicht beistimmen und wenn es ge- stattet wäre anzunehmen, dass besagtes Organ am Meerschweinchen dennoch einen gemischten Bau aufweist, so drückt sich an ihm in dieser Struktur wahrscheinlich nur eben jenes Princip der Verbindung, seröser Drüsen mit Schleimdrüsen aus, über welches wir bei Be- trachtung der Submaxillaris des Menschen gesprochen haben und welches Ebner selbst, der die Gruppe der serösen Drüsen so sorg- fältig bearbeitet hat, kaum bestreiten wird. Hier wäre der passende Ort einiges über eine Bemerkung Boll’s, die gereizten Drüsen betreffend (s. Bindesubstanz der Drüsen, S. 345), zusagen. Dieser Forscher hat sich, wenn auch nicht speciell, ebenfalls mit den in Thätigkeit begriffenen Drüsen beschäftigt und war sogar der erste, dem es gelungen ist, einige Angaben Heiden- hains zu bestätigen. Dennoch nimmt er — so weit man dies aus seinen nicht bestimmt genug ausgesprochenen Ansichten schliessen darf, — zu gleicher Zeit an, dass für die »Herkunft« der Rand- zellen auch noch eine andere Quelle sich auffinden liesse, nämlich »die Einwanderung der weissen Blutkörperchen« (l. c.), welche, wie Boll mit Recht bemerkt, in den gereizten Drüsen in Massen auf- treten. Aus diesem Umstande folgt jedoch nichts; überdies haben wir deutlich gezeigt, dass die weissen Blutkörperchen in keinerlei directtem Zusammenhange mit dem secernirenden Drüsengewebe stehen und sogar zu einer Zeit verschwimmen, wo die specifischen Erscheinungen im Letzteren noch in vollem Gange sind. Nunmehr muss ich mich endlich der wenig beneidenswerthen Mühe unterziehen, Ewald’s Beiträge zu prüfen. Diese Beiträge sind der Art, dass man nach alle dem, was eben im Anschluss an Ebner’s und Ranvier’s Beobachtungen zur Aufklärung beige- bracht worden ist, am besten thäte, sie gar nicht zu erwähnen; leider stehen sie aber mit Pflüger’s Angaben in einigem Zusam- menhang und sind die eigenen Anschauungen des Letzteren von denen Ewald’s nicht sehr verschieden. In diametralem Gegensatz zu Heidenhain erklärt Ewald alle an den gereizten Drüsen zu beobachtenden Veränderungen als nur mechanisch oder künstlich erzeugt: — »Der capitale Unter- Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 351 schied, sagt er uns, zwischen der gereizten und ungereizten Drüse, wie sich derselbe besonders an Alkohol-Präparaten zeigt, beruht nicht auf Neubildung junger Zellen, sondern auf Schleiment- ziehung der alten (op. eit. S. 31).« Und diese seine Schlussfolgerung baut er vor allem auf fol- genden Versuch: »Man entnimmt einer frischen, ungereizten und in einer Kältemischung gefrorenen Hundedrüse möglichst feine Schnitte und lässt sie 18—24 Stunden in einer relativ grossen Menge einer schwach ammoniakalischen Carminlösung liegen. Untersucht man nun die erhaltenen Präparate in Glycerin, so überzeugt man sich auf den ersten Blick von ihrer ausserordentlichen Aehnlichkeit mit Alkohol-Präparaten der gereizten Drüse. Statt der in Carmin sich nicht röthenden Zellen mit platten, peripherisch gelegenen Kernen haben wir jetzt prachtvoll gefärbte, mit stark prononeirten runden und in der Mitte gelegenen Kernen vor uns. Ein Unterschied zwischen centralen und Randzellen ist nicht mehr zu constatiren. Kurzum, das Bild zeigt alle (!) die für die gereizte Drüse charakteristischen Merkmale und ist ihr zum Verwechseln ähnlich.« Wir wollen zunächst Ewald’s Versuch selbst betrachten. Was für ein sonderbares Ziel hat sich der Verfasser gesteckt! Statt ge- reizte Drüsen, deren Veränderungen er doch zu erforschen bezweckt, zu nehmen, nimmt er einen Schnitt aus ruhenden Drüsen, entzieht ihm den Schleim mit Ammoniak (wobei er ihn, wie wir bald sehen werden, zum Theil sogar zerstört) und überträgt die an ihm zu be- obachtenden Erscheinungen ohne Weiteres auf die thätigen leben- digen Drüsen. Die Masse der ganz verschiedenen und complicirten Bedingungen, die für die Letzteren in Betracht kommen, die Me- thode selbst, welche bei ihrer Erforschung anzuwenden ist, lässt Ewald ganz unbeachtet und — identifieirt trotzdem die an so verschiedenen Objeeten erzielten Erscheinungen mit einander und macht sogar ein Postulat. Dieses Postulat, diese Logik erinnert uns lebhaft an die »Untersuchungen« eines Forschers, welcher aus der Beobachtung, dass von Krystallen der Kalilauge und ähnlichen Substanzen, wenn sie ins Wasser geworfen werden, Vorgänge aus- gehen, welche anscheinend der amoeboiden Bewegung gleichen, ge- schlossen hat, dass wahrscheinlich auch den Bewegungen der Amoeben dieselben Ursachen, welche die genannten Erscheinungen hervor- rufen, zu Grunde liegen! 352 M. Lavdowsky: Ewald’s Versuch haben wir natürlich mehr als einmal wie- derholt und was haben wir dabei gefunden? Für die Orbitaldrüse, dass in Folge der enormen Aufquel- lung des ungemein mucinhaltigen Gewebes die Elemente (Schleim- zellen) zum grossen Theil zerstört werden und demgemäss nichts, was Ewald’s Beschreibung ähnlich wäre, zu sehen ist. Für die Submaxillardrüse, dass eine grosse Menge von Elementen ebenfalls zerstört werden und in den übrigen die Kerne, obwohl sie freilich hier und da sich abrunden, in Grösse (zum gröss- ten Theil), Lage (überall) und Charakter des sie umgebenden Zel- leninhalts (auch überall) dieselben bleiben wie in den nicht ausgelaugten, ruhenden Drüsen. Etwas, was sie mit den ge- reizten Drüsen gemein hätten, finden wir also in allen diesen Be- ziehungen mit Ausnahme der Abrundung der Kerne gar nicht. — Nimmt man nun einen Schnitt direct von einem frischen (nicht ge- frorenen) Organ und bearbeitet ihn weiter nach Ewald’s Anwei- sung, so kann man vielleicht mit grosser Anstrengung in einem solchen Präparat einige Aehnlichkeiten mit einer gereizten Drüse herausfinden, nämlich körnigere Zellen und relativ verkleinerte acini entdecken; aber alles dies erinnert so deutlich an künstlich durch das Ammoniak erzeugte Veränderungen des Or- gans, dass man daran nicht im Geringsten zweifeln kann. Ueber die stärkere Färbung der ausgelaugten Drüsen urtheilt Ewald ebenso unrichtig und wenn es eine solche giebt, so tritt sie erst nach langer Dauer ein und ist in solchen Fällen die Car- minflüssigkeit selbst verdorben: es bildet sich in ihr ein Niederschlag, der auch den Schnitt selbst durchdringt. Was endlich Ewald’s Bemerkung über die angebliche Unmög- lichkeit betrifft, in ausgelaugten ruhenden Drüsen einen Unterschied zwischen centralen und Randzellen zu beobachten oder, mit anderen Worten, über die Möglichkeit auch in ihnen etwas dem »Verschwin- den« der Lunulae Aehnliches, wie Heidenhain und ich es anneh- men, zu constatiren, eine Erscheinung, in welcher Ewald eine weitere Aehnlichkeit der ausgelaugten Drüsen mit den gereizten 'er- blickt (s. obiges Citat über seine Beobachtungen), — so enthält diese Bemerkung eine thatsächliche Unrichtigkeit. Denn auch an solchen verunstalteten Drüsen wie den nach Ewald be- arbeiteten kann man stellenweise Randzellen nachweisen. Zweitens, angenommen, dass man sie wirklich nicht nachweisen könnte, so Zur feineren Anatomie u. Physiol. d.Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 358 beweist auch dann noch Ewald’s Bemerkung nichts, weil es ganze Stadien im thätigen Zustand der Drüsen giebt, wo als eins der »Merkmale« nicht das Verschwinden, sondern im Gegentheil das scharfe Hervortreten der Lunulae und ihrer Zellen sichtbar wird (während ihr Verschwinden später, in ferneren Stadien eintritt und zwar als eine Erscheinung, welche von jenen besondern Umstän- den abhängt, die Ewald, wie wir gleich sehen werden, durchaus entgangen sind). Das wäre Ewald’s cardinaler Versuch oder »Methode«, wie er selbst sich ausdrückt. Doch nehmen wir an, er hätte Recht: seine Methode wäre rationell, seine Beobachtung richtig, wir dagegen wären im Irrthum. Alsdann müssen wir nur fragen: werden denn durch die von Ewald aufgefundenen Erscheinungen die wichtigsten, geschweige denn »alle« Merkmale, die für die gereizten Drüsen charakteristisch sind, erschöpft? Wo sind aber die vergrösserten Halbmonde mit ihren Zellen in vergrösserter Anzahl? Wo ist die Constatirung des Wucherungsprocesses an den Letzteren? Wo die Masse junger Zellen, welche gerade die auffallendste Erscheinung in jenen Stadien aus- machen, mit denen Ewald seine künstlichen Producte vergleicht? Davon findet sich nichts in Ewald’s Präparaten und doch macht gerade dies alle die »Merkmale« aus, durch welche vor allem der thätige Zustand der Drüsen charakterisirt wird. Sodann finden wir in Ewald’s Beiträgen ganz unrichtige Be- obachtungen, die zum Theil auf eben solchen Grundlagen wie der von uns geprüfte Versuch beruhen. Wenn er unter andern sagt, dass er in den auf die angegebene Weise behandelten Schnitten bei Erhärtung in Spiritus zusammen- geschrumpfte, verkleinerte acini findet und in den Flüssigkeiten, den neutralen so gut wie den saueren, welche die einer erhärteten normalen Drüse entnommenen Stücke enthalten, keine Spur von Schleim entdeckt hat, so ist dies für die neutralen Flüssigkeiten nicht richtig: »Spuren« von Schleim finden sich in ihnen und wenn man Schnitte aus der Orbitaldrüse in sie hineinlegt, so ist die Entziehung des Schleimes durch die Flüssigkeit mit blossem Auge sichtbar; dabei muss man beachten, wie viel Flüssigkeit man genommen oder wie viele und wie grosse Schnitte man hineingelegt hat. — Was nun die Verkleinerung der acini betrifit, so hat es nichts Auffallendes, dass bei Erhärtung einer Drüse, die zwar nicht 354 M. Lavdowsky: gereizt, aber gleich einer gereizten ihres Schleimes beraubt worden ist, die Alveolen sich verkleinern ; ob aber diese Verkleinerung (eher wohl Zusammenschrumpfung) dieselbe ist, welche wir an den gereizten, physiologisch ihres Schleimes beraubten Drüsen gesehen haben, ob sie auseiner Quelle entspringt, ob sie nicht auch durch die Lebenspro- cesse in diesen Drüsen erzeugt wird, — auf alle diese Fragen geht Ewald gar nicht ein. Fügt man noch hinzu, dass nach seiner Meinung wie in gesäuerter, so in neutraler Carminlösung die Zellen im Ganzen ein »etwas« stärker granulirtes Ansehen zeigen (ganz abgesehen davon, dass man verschiedene Arten Körnigkeit unter- scheiden muss); dass ferner in neutralem Glycerin ihr Protoplasma nicht vom Schleim zu unterscheiden, in gesäuertem aber es plötzlich sichtbar werden soll, wie dasselbe mit dem Kern an die Ränder der Zellen gedrängt wird; dass man endlich, ein Präparat mit allzu starker Alkalilösung behandelnd »den von Heidenhain »sub 2« ange- führten gleichende Elemente finden kann«, obschon zu gleicher Zeit und nach Ewald’s eignen Worten die daneben liegenden Alveolen voll- kommen aufgelöst sind, eine Angabe aber darüber, ob auch nur eine oder zwei solcher Zellen, wie Heidenhain »sub 3« sie beschrieben (s. Heidenhain, op. eit. S.60), sich finden, Ewald wiederum nicht macht, — so kann man aus all diesem mehr als genügend sehen, wie verstümmelte Präparate aus ruhen- den Drüsen die Eigenschaften fein behandelter Objecte aus thätigen, gereizten Drüsen simuliren können. Was muss man aber von der Beweisfähigkeit von Ewald’s Präparaten halten, wenn ich noch an etwas erinnere, was er nun gar nicht beachtet hat, nämlich wie sich stellenweise auch die ruhenden Drüsen in morphologischer Beziehung verhalten, welchen Charakter in den uns bekannten stärker secernirenden (fleckigen) Stellen dieser Drüsen die Schleimzellenkerne haben'!). So bleibt 1) Bei der Gelegenheit dürfen wir nicht verschweigen, dass die gleiche Erscheinung in den Kernen (die Abrundung und Vergrösserung) auch an den Zellen anderer Organe in ihrer Thätigkeit bemerkbar ist: z. B. in den Pan- ereaszellen — nach Heidenhain’s Beobachtung — wie an den Hauptzellen des Magens. Endlich findet sie sich nicht bloss an den speeifischen Drüsen- zellen: so habe ich bei andauernder Thätigkeit der Speicheldrüsen auch an den Kernen der Fettzellen dieselbe Erscheinung bemerkt, — was ein deutlicher Hinweis darauf ist, wie weit auch rein trophische Processe in den Drüsen gehen können, Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Örbitaldrüse. 355 denn schliesslich von der ganzen Arbeit Ewald’s nur sein. oben angeführtes Postulat mit dem Ausdruck »Schleimentziehung«. Dieser Vorgang, der Schleimverlust der Schleimzellen, hat na- türlich auf den Charakter des mikroskopischen Bildes einen Einfluss, aber nur in gewissem Grade — an gereizten Drüsen sogar in sehr bestimmter Form —; denn zugleich damit gehen in den Schleim- zellen auch noch andere und wichtigere Processe vor sich. Auf diesen Einfluss hat auch Ranvier hingewiesen, ist aber darum doch nicht zu so unlogischen Folgerungen wie Ewald gekommen. Ebenso gross ist der Unterschied zwischen den beiden Autoren (trotz Boll’s Versicherung, s. Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1870, S. 486) auch in ihren Beobachtungen wie in deren Anlage und in ihren Objeceten selbst; denn Ranvier hat doch Thatsächliches — ge- reizte Drüsen — beobachtet und die Veränderungen in den Schleim- zellen, wie sie von ihm geschildert werden, nähern sich entschieden den unsrigen, nicht aber denen Ewald’s. Was ferner die Ansichten Pflüger ’s anbelangt, so sprechen die einzigen von ihm gemachten Notizen über die gereizten Drüsen, die sich in der oft eitirten Abhandlung in Stricker’s Handbuch finden, zu wenig gegen das Thatsächliche der ganzen Sache, als dass sie hier geprüft werden sollten: so ist z. B. (S. 329) die haupt- sächlichste unter ihnen, wonach »von Theilungszuständen der jungen Zellen an der Peripherie der Alveolen nichts zu sehen« sein soll, offenbar bloss das Product unzulänglicher Beobachtungen. Seine übrigen Notizen sind mehr oder weniger den eben ge- prüften Beobachtungen Ewald’s gleich und es lässt sich daher bis zu einem gewissen Grade sachlich alles, was über Ewald gesagt ist, auch auf sie anwenden. Ewald hat leider Pflüger’s Ge- danken bis zu einer so eigenartigen Form entwickelt, dass aus ihr die von seinem Lehrer ausgesprochenen Worte: »ich kann aber nicht läugnen, dass der so total verschiedene Eindruck (der gereizten Drüsen, Ref.) sehr stark im Sinne Heidenhain’s spricht« — gar nicht mehr herauszuerkennen sind. Zum Schluss meiner Kritik muss ich noch die Frage berühren, in wie weit die an den thätigen Drüsen bemerkbaren morpholo- gischen Processe mit dem nervösen Einfluss in Zusammenhang ge- bracht werden können. Darüber spricht sich, wie bekannt, Heidenhain in dem Sinne 356 M. Lavdowsk'y: aus, dass die Nerven diese Processe unmittelbar durch directe Ein- wirkung auf die Drüsenzellen hervorrufen. Und es ist schwer dies zu bestreiten; denn in seinem Sinne sprechen bekanntlich rein phy- siologische Erwägungen. — Die Sache liegt aber so, dass das Fehlen eines anatomischen Beweises für den Zusammenhang zwischen Nerven und Zellen ein Beweisgrund ist, der ebenso gewichtig dagegen zeugt. ‘Es bildet daher diese Frage nach meiner Meinung noch ein Problem im vollsten Sinne des Worts und zwar ein Problem, das um so fühlbarer ist, als seine Entscheidung wohl kaum für die nächste Zeit abzusehen. ist. | Andererseits kann man der Meinung Ranvier’s (l. c.), als würde die Reizung der chorda tympani schneller im Epithelium der Drüsengänge als in den eigentlichen Drüsenzellen refleetirt, unmög- lich beistimmen. Indem nämlich Ranvier der Stäbchenschicht dieses Epithels die Eigenschaft der Contractilität zuschreibt (die wir übrigens kein einziges Mal bemerkt haben), nimmt er an, dass durch seine Thätigkeit in Folge der Chordareizung die Ver- drängung des Speichels bewirkt wird. Nehmen wir an — die Ver- drängung allein; aber was für Gründe giebt es, sei es auch nur für eine solche Rolle des Epithels, wenn — ganz abgesehen von der willkürlichen Annahme der Contractilität dieses Epithels — die Verbindung derselben Nerven mit seinen Zellen eben eine noch dunklere Sache ist als für die eigentlichen Drüsenzellen? Oder man müsste die Identität des Stäbchenepitheliums mit dem Flimmerepi- thelium zugestehen, — doch das wäre ebenfalls willkürlich; denn obgleich es Stellen giebt (und auch das nur in den Nieren der Am- phibien), wo dieses Epithelium theils jenes vertritt, theils neben ihm liegt, so spricht doch da, wo es nur das Stäbchenepithelium giebt, der anatomische Charakter und die Lage der Stäbchenschicht direct gegen jegliche Identität mit dem Flimmerepithel. Ein solches Epithel ist aber das der Speicheldrüsen. Die nothwendigen Schlussfolgerungen aus vorliegender Arbeit werde ich kurz machen, da ich, wie mir scheint, der Deut- lichkeit wegen mich ohnedies oft wiederholt habe. Also: da ich die Möglichkeit fand, alle sich nach der Mund- höhle zu öffnenden Drüsen in zwei Gruppen — Schleimdrüsen und seröse Drüsen — zu theilen, bin ich für diejenigen von Zur feineren Anatomie u, Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d.Orbitaldrüse. 357 ihnen, welche ich hier unter dem Namen Schleimspeichel- drüsen behandelt habe, die Orbitalis gewisser Thiere mitgerech- net, zu folgenden Resultaten gekommen: Der ruhende und der active Zustand der letzteren Drüsen unterscheiden sich in morphologischer Hinsicht durch deutliche, un- abänderliche, unter allen Umständen und bei allen Vergleichungs- methoden sichtbare Merkmale. Folglich darf man auf keinen Fall diese ihre Verschiedenheit anders erklären denn als ein Product physiologischer Bedingungen, die in diesen Drüsen bei der Ausar- beitung ihres Secrets Statt haben und so oder anders durch Inner- vation der in diesen Drüsen sich verästelnden »secretorischen« Nerven erzeugt werden. Aehnliche Merkmale der Differenz wie die sie hervorrufenden Bedingungen finden sich auch an den gewöhnlichen Schleimdrüsen ; jene zeichnen sich hier jedoch durch geringere Mannigfaltigkeit aus; denn in den Bildern, die sie darstellen, kommen keine Veränderun- gen an Halbmonden in Betracht, da diese Drüsen ihrer entbehren. Aus diesem Umstand erhellt, dass im Process der Schleim- bildung zunächst und vor allem die Elemente eine Rolle spielen, die schon den Charakter von »Schleimzellen« erworben haben; da aber die Letzteren in einem gewissen Grade (in höherem für die Schleimspeicheldrüsen, in geringerem für die gewöhnlichen Schleim- drüsen) dennoch nach Vollendung ihrer Arbeit zu Grunde gehen, so besteht in den Drüsen, in denen sich protoplasmatische Elemente (Halbmondzellen) finden, die Rolle dieser in der Ersetzung und Er- neuerung jener zu Grunde gehenden. Dass der Ersatz dieser Letzteren von den Halbmonden aus in der That stattfindet und zudem unablässig vor sich geht, wird un- zweifelhaft bewiesen: a) durch die lebhafte Wucherung in den Halb- monden, d. h. durch Bildung junger Elemente vermittelst Theilung der sie ausmachenden Zellen u. s. w. bei künstlich erzeugter Thätig- keit der Drüsen, b) durch dieselbe Erscheinung in ruhig arbeitenden Drüsen, wo man die in den Halbmonden (von den Keimlunulae an gerechnet) stattfindenden Processe verfolgen kann. Aber diese Processe, wie auch die weiter folgenden bis zu der Schleimbildung inclusive, gehen in ruhig arbeitenden Organen nur sehr langsam und in ungemein beschränktem Umfange vor sich, woraus auch die Schärfe der Differenz dieses Zustandes der Drüsen- organe von dem durch Reizung erzeugten sich erklärt. In den- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 23 358 M. Lavdowsky: selben Regionen ruhender Drüsen, die energischer als die übrigen arbeiten, entspricht auch der anatomische Charakter, schon für das blosse Auge wahrnehmbar, den Anfangsstadien der (in Folge der Reizung) stärker arbeitenden Drüsen. In den höchsten Stadien ihrer Thätigkeit verändern die Schleim- speicheldrüsen sogar den Typus ihrer Structur: sie nähern sich den serösen Drüsen, obwohl sie nie ihnen ganz gleichen, — ein Umstand, der am meisten für die Grundverschiedenheit zwischen den Drüsen der einen und der andern Art und somit auch für die Richtigkeit unserer Eintheilung spricht. Die chorda tympani hat wohl kaum eine directe Beziehung zu dem Stäbchenepithel der Drüsengänge, wie man auch der unbe- kannten Thätigkeit des Letzteren eine rein mechanische Bedeutung (im Sinne Ranvier’s) nicht wohl zuschreiben kann. Ebenso zwei- felhaft ist es, ob die Stäbchenschicht mit den regenerativen Pro- cessen überhaupt und in den Drüsengängen speciell irgend etwas zu thun hat, da die meisten dieser Processe nicht in den Gängen, sondern in den Drüsenalveolen, nämlich in der Sphäre der proto- plasmatischen Elemente der Letzteren — eben in den Halbmonden —, stattfinden. Die Structur dieser Alveolen selbst, so weit in ihnen histioide, »intraalveolare« Netze beschrieben werden, und andererseits die »röhrenartigen Secretionscanälchen« stimmen ebenso wenig zu der Wirklichkeit: die Letzteren sind nichts Anderes als einfache Spalten — wenn man will, Secretionsspalten — zwischen den Drü- senelementen, nämlich zwischen den Schleimzellen, und die Ersteren (die Gerüstnetze) sind ein künstlicher Ausdruck des Inhalts, welcher diese Spalten ausfüllt und aus der Zwischensubstanz mit einer Bei- mischung von Schleim, der bei verschiedenen Behandlungsweisen leicht gerinnt, besteht. Aber in den Drüsenalveolen existiren zwischen den Zellen an- derer Art Bildungen, die in günstigen Fällen sich als Netze isoliren. Es sind dies die feinsten protoplasmatischen Fäden, die aus der Verästelung und localen Verbindung der Auswüchse, die zu den Lunulazellen gehören, hervorgehen. Mit den Netzen der Autoren dürfen sie aber auf keinen Fall verwechselt werden, wie sie auch von allen jenen faserigen Bildungen, aus.denen die Acinusmembran gebaut ist, unterschieden werden müssen. | \ | | Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 359 Nachträge zur Untersuchungsmethode. Ueber die Mehrzahl der von mir bei meiner Untersuchung der ruhen- den wie der gereizten Drüsen angewandten Mittel: einfach (neutrales) chrom- saueres Ammoniak (5°,)., Müller’sche Flüssigkeit, verdünnte Chromsäure (1—30000), Chloralhiydratlösung (5°/,), diluirtes Alkohol von Ranvier, Chlor- gold (0,3—0,5°/,) mit oder ohne dar:uf folgende Behandlung mit schwefel- saurem Ammonium, Osmiumsäure (0,5—1°/,), earminsaures Ammoniak und Haematoxylin, — habe ich bereits vorhin gesprochen. Ebenso habe ich, wo es speciell nöthig war, den Modus der Anwendung einiger der genannten Mittel (z. B. des Chlorgolds, des chroms. Ammoniak) angegeben. Es bleibt mir also nur weniges zu ergänzen. Vor allem möchte ich noch auf eine An- wendung der Chloralhydratlösung hinweisen und etwas über einen neuen Eosinfarbstoff sagen, dessen Wirkung auf das Drüsengewebe ich erst später, als ich im Strassburger anatomischen Institut arbeitete, kennen lernte, In der Chloralhydratlösung sehe ich eine treffliche Flüssigkeit zur Constatirung und Isolirung der glatten Muskelfasern überhaupt und beson- ders auch bei Speicheldrüsen. Dies Mittel ist übrigens delicat, so dass aus den rein muskulösen Theilen, wie z. B. der Musculosa der Darmwände u. a., die Muskelelemente mit Hülfe desselben sich etwas schwerer isoliren lassen, als aus den parenchymatösen Organen, wie etwa der Milz, den Lungen, unseren Drüsen und dergl., was indessen für die Untersuchung eben derartiger Or- gane gerade sehr wichtig ist, denn die Chloralhydratlösung in 5petiger Con- centration conservirt zugleich die Structur der übrigen Elemente gut. — Ihre Anwendung ist sehr einfach: man nimmt ein kleines Stück von einem ganz frischen Organ und legt es für 20—40 Stunden in eine möglichst grosse Quantität solcher Lösung und zerzupft es darauf in ihr selbst. Hat man Speicheldrüsen, so kann man die Muskelfasern, trotzdem dass sie an diesen spärlich vorkommen, fast an jedem sorgfältig zerzupften Präparat bald vereinzelt, bald in Zügen liegend antreffen; dabei sind sie besser er- halten als bei Isolirung in andern alkalischen Flüssigkeiten und sind voll- kommen unversehrt. — Als Ergänzung zum 2. Capitel- meiner Arbeit muss ich nun hier hinzufügen, dass die sogen. Muskeln der Speicheldrüsen nur auf das Gefässsystem dieser Drüsen beschränkt und vornehmlich in den feinen Arterien und Venen enthalten sind. Dagegen habe ich sie im Gegensatz zu Pflüger in der Zwischensubstanz nicht gefunden. Auch muss ich die Richtigkeit seiner Beobachtungen über die Constatirung von Muskel- fasern im Drüsenstroma an carmingefärbten Schnitten bestreiten: ich besitze prächtig erhaltene, mit Carmin und Haematoxylin doppelgefärbte Schnitte, an welchen man sehen kann, dass die Muskelfasern ausschliesslich den Drüsen- gefässen angehören. Deshalb habe ich in obiger Darstellung die Bedeutung der Muskeln bei der Thätigkeit der Drüsen nicht berührt; denn ihre Bedeu- 360 M. Lavdowsky: tung ist augenscheinlich vasomotorisch und hat durchaus nicht jene Beziehung zum Drüsenparenchym wie Pflüger sie angenommen hat. Absoluter Alkohol und Tinetionsmittel in Bezug auf ihre Anwendbarkeit beim Gewebe gereizter Drüsen. Ueber ‘den Alkohol habe ich hier nur eine Bemerkung bezüglich der Meinung Ranvier’s zu machen, welcher angibt, dass derselbe sich für die Untersuchung der Drüsen nicht eigne. Anfangs war ich derselben Meinung, bin aber jetzt zu einer ganz entgegengesetzten Ansicht gelangt. Gerade für die Drüsen ist absoluter Alkohol ein vortreffliches Mittel. Dies liegt nämlich darin, dass der absolute Alkohol, indem er die Albuminate sehr schnell gerinnen lässt, keine weiteren Veränderungen im Gewebe ge- stattet, was Heidenhain bereits ausgesprochen hat. Darum ist der Alkohol für unsere Zwecke sehr wichtig, wie er denn auch die schönsten Carminfär- bungen zulässt. Wie wenig er aber das Gewebe verändert und wie geringe Veranlassung er zu falschen Schlüssen gibt, sieht man aus einem Vergleich der in ihm erhärteten Drüsen mit frischen Zerzupfungspräparaten. Man muss aber nie die peripherischen Theile zur Untersuchung wählen, denn in diesen leidet in der That das Drüsengewebe sehr unter der schnellen und starken Entziehung des Wassers, sowie durch die starke Schrumpfung der Drüsenkaspel die peripherischen acini sehr verunstaltet werden. Deshalb müssen die Schnitte immer aus den der Mitte der Drüse möglichst nahe liegenden Theilen hergestellt werden. — Desgleichen ist bekannt, welch schöne Objecte die ebenfalls in absolutem Alkohol erhärteten Magen- und Darmdrüsen abgeben, während doch hier der Alkohol schnell durch die ganze Dicke der Drüsen dringt und anscheinend ihre Structur arg verändern müsste. In Betreff*der Färbemittel und der Artihrer Anwendung bei ruhen- den und gereizten Drüsen muss ich zu dem früher Gesagten vor allem hinzufügen, dass ich, bald diese, bald jene Farbe nehmend, bald diese, bald jene Art Färbung anwendend, für jede Serie der verglichenen Prä- parate, die aus verschiedenen Stadien genommen waren, stets eine ein- zige beliebige Methode in Anwendung gebracht habe; ebenso habe ich ver- sucht, auch stets dieselbe Zeit der Färbung für die zu vergleichenden Schnitte einzuhalten. Der Grund, welcher mich zu diesem Verfahren veran- lasst hat, ist, glaube ich, leicht verständlich und ich habe es nur deshalb er- wähnt, um allen Einwürfen zuvorzukommen, die man mir sonst in der Vor- aussetzung machen könnte, dass vielleicht der Unterschied in der Färbung an Objecten aus verschiedenen Stadien von der verschiedenen Concentration der Farbe, der verschiedenen Zeit der Färbung etc. herrühren kann. Aus demselben Grunde habe ich meistentheils Carmin benutzt und habe mich hauptsächlich an zwei Färbungsmethoden damit gehalten: an die von Hei- denhain (Färbung mit neutr. Carminlösung in essigsaurem Dampf) und die von Ranvier (Färbung mit Pikrocarmin). In dem Letzteren kommen die Bilder noch schärfer und klarer heraus und deshalb habe ich häufiger mit diesem Mittel gefärbt. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 361 Doppelfärbung (Carmin mit Haematoxylin) habe ich in umgekehrter Reihenfolge, wie sie sonst üblich ist, hergestellt: zuerst mit der ersten, da- rauf mit der zweiten Farbe; auch habe ich es zweckdienlicher gefunden, statt des einfachen Carmins das Pikrocarmin zu nehmen. Die Stäbchenschicht der Epithelien der Drüsengänge war auch hierbei oft gelblich gefärbt wie in blossem Pikrocarmin; — alsdann entstand eine Triplefärbung. Uebrigens bot diese complieirte Färbung nichts Besonderes, nur dass sie schönere Bilder hervorbrachte, und wurde daher von mir seltener gebraucht. Färbung mit Eosin. Ueber dieses neuerdings von E. Fischer!) vorgeschlagene Mittel habe ich hier nicht so sehr in Beziehung zu den Spei- cheldrüsen als im Allgemeinen und über seine dem Carmin verwandte Be- ziehung zu den Labdrüsen zu sprechen. Fischer bereitet eine »Lösung« des Eosin in Wasser oder Spiritus. Aber das Eosin löst sich weder im Wasser noch im Spiritus genügend auf und diese Lösungen färben überdies beide mehr diffus. In Ammoniak da- gegen lässt sich Eosin wie Carmin viel leichter auflösen und gibt mit Wasser verdünnt, eine sehr starke, echte Lösung, welche jedenfalls besser färbt als die Fischer’sche. Ebenso kann man auch mittelst einer ammoniakalischen Lösung einige Verbindungen und Mischungen herstellen, unter denen ich zu- nächst nur die Mischung mit Pikrinsäure — Pikroeosin — anführen will. Dieses stelle ich in der Weise her, dass ich zu einer zwei bis drei Tage an der freien Luft abgestandenen ammoniakalischen Lösung so lange concen- trirte Pikrinsäure zusetze, bis Neutralisation eintritt, und brauche es dann je nach dem Zweck in verschiedener Concentration. — Noch besser ist die einfache ammoniakale Eosinlösung, welche ich unter folgenden Bedingungen, denselben wie bei Heidenhain’s Carmin- färbungsmethode, nützlich gefunden habe. Die Lösung muss neutral oder ganz schwach ammoniakalisch sein; wenn man einen oder zwei Tropfen derselben soweit mit destillirtem Wasser verdünnt hat, dass sie auf weissem Grund kaum gefärbt erscheint, legt man die, am besten von in Alkohol erhärteten Organen genommenen, Schnitte hinein und lässt sie 24 Stunden darin unter schwacher und allmählich gesteigerter Einwirkung essigsaurer Dämpfe (zu dem Zweck stellt man unter eine Glaskuppel neben das die Schnitte enthaltende Gefäss ein kleines Uhrschälchen mit gesäuertem Wasser: auf 3 Kubiccent. 1 bis höchstens 2 Tropfen eoncentr. Säure). — Wenn man nun eine solche Färbungsmethode mit Eosin an Labdrüsen versucht, so stelit sich heraus, dass die Beleg- und die Hauptzellen sich zum Eosin ebenso wie zum Carmin und Anilinblau verhalten: jene saugen die Farbe gierig auf (indem sie eine besonders schöne Rosa-Färbung annehmen), diese hingegen nehmen keine Spur davon an. Auf diese Weise wird das merkwürdige Verhalten der Labdrüsenzellen zu gewissen Farbstoffen aufs neue bestätigt. 1) E. Fischer. Eosin als Tinetionsmittel für mikroskopische Prä- parate. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII, S. 349. 362 M. Lavdowsky: Untersucht man aber das Verhalten des Eosins zu den Speicheldrüsen, so kann man sehen, wie unvorsichtig es ist einige von den Elementen dieser Drüsen, die Halbmonde, mit den erstgenannten Zellen (Belegzellen) der Lab- drüsen zu vergleichen (wie z.B. Asp es thut: op. eit.), wenn beiderlei Zellen äusserlich einander auch noch so ähnlich wären. Denn das Eosin färbt beide Arten der Elemente der Speicheldrüsen fast gleich und zugleich mit ihnen beinahe ebenso stark die Acinusmembran. — Auf den letztern Umstand (das Verhalten des Eosins zur Membran) weise ich übrigens nur beiläufig hin, um bei der Gelegenheit zu sagen, dass man auch mit diesem Farbstoffe die Ge- webe vorsichtig behandeln muss und mit Vermeidung jeglichen Ueberschusses an Ammoniak wie an Säure, da die Färbung sonst ebenso leicht diffus geräth wie mit den Fischer’schen Lösungen. Ebenfalls muss man auch dann, wenn man die Färbung rascher erzielen will, nur neutrale und schwache Lösungen nehmen, da schon 3—4 Tropfen concentr. ammoniak. Eosin auf ein ganzes Uhrschälchen Wasser vollständig genügen, um bereits in einigen Minuten ein schönes Präparat herzustellen, besonders wenn dies vorher mit einem andern Färbungsmittel, etwa mit Haematoxylin, gefärbt war. | Strassburg, im April 1876. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI—XXIV. Alle Zeichnungen ohne Ausnahme sind von mir bei 570 mal. Vergrösse- rung, vermittelst des Hartnack’schen Zeichenprismas in Combination mit Linse Nr. 8, angefertigt worden. — Ich will aber auf ein kleines Versehen hinweisen, nämlich darauf, dass auf Fig. 13 alle Zellen etwas kleiner als in natürlicher Grösse gerathen sind und zu Fig. 5B bemerken, dass sie bei verschiedener Lage des Tubus gemacht ist. Fig. 1. u. 4. In chromsaurem Ammoniak isolirte Elemente einer ruhenden Orbitaldrüse (1) und desgleichen einer ruhenden Submaxillaris (4) des Hundes. A (von a bis f) Schleimzellen der ersteren, A’ (a—d) Schleimzellen der letzteren Drüse. B, B‘ protoplasmatische, halb- mondförmige Zellen dieser beiden Drüsen in ihren verschiedenen Formen und Arten: entwickelte Lunulae a, b, b‘, in Eintwickelung begriffene Lunulae — vielkernige Zellen — a‘, a’ und Keimlunulae — einkernige Zellen — b“, b’. c, c‘ Bestandtheile entwickelter Lunulae (Primitivzellen) in isolirtem Zustande. © Theil eines isolirten »intraalveolaren« Netzes der Autoren mit Schleimzellen um dasselbe und in ihm. Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen, insbes. d. Orbitaldrüse. 363 Fig. 2. Fig. 3. Fig.5A. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Kie.. 9. Alkoholschnitt aus einer Orbitaldrüse (ebenfalls des Hundes) mit Haematoxylin gefärbt. a, a’, b, b‘, bX, d u. s. w. siehe im Text. ce weisse Blutkörperchen und Plasmazellen im Zwischengewebe. v eine Vene, an deren Wänden die ersten dieser Körperchen haften. ag ein breiter Secretionsgang mit seinem Stäbchenepithel im Durch- schnitt. Orbitaldrüse desselben Thieres nach Behandlung im frischen Zu- stande mit Chlorgold. (Der Schnitt ist einem schwach in Alkohol erhärteten Organ entnommen und darauf mit schwefelsaurem Am- monium behandelt, wie es in der Darstellung angegeben ist.) Die Buchstabenbezeichnung (mit Ausnahme von e — eine Lunula nach ihrer Theilung) dieselbe wie auf der vorigen Figur. b‘ bezeichnet ausser- dem die Stellen, an denen die von den Halbmondzellen ins Innere der Alveolen gehenden Protoplasmasprossen besonders schön zu sehen sind. g eine Capillararterie. In chromsaurem Ammoniak isolirte Zellen der Acinusmembran (Korbzellen): a—d aus der Orbitalis eines ausgewachsenen Hundes, e—g aus der Sublingualdrüse eines Karinchens. B drei Alveolen aus der Orbitalis einer neugebornen Hündin: a, b solche, die keine Drüsenzellen haben und die Structur ihrer Membran sehen lassen, c— mit diesen Zellen, an denen die Gruppirung ihres körnigen In- halts vornehmlich an den Rändern zu sehen ist (vergl. den Text); dicht neben c der Halbmond in Form einer Keimlunulae. g Capil- largefäss. A, a—c in derselben Flüssigkeit dargestellte Elemente der Acinus- membran aus den Gaumenschleimhautdrüsen eines Kaninchens. B, 1—4 besondere Art Elemente derselben Drüsen, die sich von den Mem- branzellen unterscheiden (s. den Text). ä Aus der Submaxillaris eines Hundes in derselben Flüssigkeit: 1—4 Halbmondzellen, durch Protoplasmafäden (Sprossen) unter einander verbunden, die aus ihnen hervorgehen und Netze bilden (vgl. Fig. 3 u. and.). Ueber 5—--6 siehe den Text. In chromsaurem Ammoniak isolirt: A ein Stück (mittlerer Grösse) des Secretionsganges der Sublingualis eines Kaninchens (Epithel ohne jede Streifung, aber mit einem Saum an den Zellenx) x’ — ein Theil desselben Epithels in Flächenansicht. B ein Stück desselben Ganges aus der Submaxillaris eines Hundes (Streifung, resp. stäb- chenartige Structur seines Epithels, besonders dargestellt sub b und ec) d im Lumen des Ganges erhaltener Schleim. C dasselbe im Quer- schnitt: a— aus der Orbitaldrüse eines ausgewachsenen, b — eines neugeborenen Hundes (sub ce die isolirt liegenden Zellen). Alkohol-Carminpräparat aus der Orbitalis eines Hundes nach 1stün- diger starker Buccinatoriusreizung. A ein Theil des Gewebes im Zustande der Ruhe (gewöhnliche Structur, vgl. Fig. 2 u. 3), B im 364 M. Lavdowsky: Zur feineren Anatomie u. Physiol. d. Speicheldrüsen etc. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12 Fig. 13. Zustande des ersten Stadiums der Veränderungen (siehe den Text). ce weisse Blutkörperchen. Ebensolches Präparat aus der Orbitaldrüse eines Hundes im Zu- stande des zweiten oder mittleren Stadiums der Veränderungen (nach 3stündiger starker Reizung des nervus buccinatorius). Desgleichen aus der Orbitalis eines Hundes im Zustande des dritten oder letzten Stadiums der Veränderungen (nach 5stündiger gleicher Reizung). Für sich isolirte Elemente dieses Stadiums zum Vergleich mit den ruhenden, dargestellt auf: neben Fig. 4 und, wie die Letztere, der Submaxillaris des Hundes (aber nach 7stündiger — schwacher — Reizung der Chorda) ent- nommen. a am meisten veränderte Drüsenelemente, e im Zustande verschiedener Form der Wucherung, b—d dasselbe für beide Fälle in isolirten Alveolen, m — Membran der Alveolen. In chromsaurem Ammoniak frisch hergestelltes Präparat. Typisches Bild der Structur einer serösen Drüse (Submaxillaris eines ausgewachsenen Kaninchens), die ganz so behandelt ist wie die Präparate auf Fig. 9, 10 u. 11, d. h. mit Alkohol und Pikrocarmin. k Secretionsgänge in Quer- und Schrägschnitten mit ebensolcher stäbehenartigen Structur ihres Epithels wie in gewissen Schleimspei- cheldrüsen (vgl. Fig. 2 und 8B). Unter x Drüsenzellen, mit einem ebensolchen Saum bedeckt wie die Epithelzellen der Gänge der- selben Drüsen, die einer stäbchenartigen Structur ermangeln (vergl. Fig. 8 A — Sublingualis des Karinchens). 1 schmales Lumen der Alveolen dieser Drüsen, m Zwischengewebe, das ausser den gewöhn- lichen Bindegewebskörperchen keine anderen Elemente enthält. Die Buchstabenbezeichnung der Fig. 10 u. 11 ist in den betreffenden Stellen des Textes erklärt (Beschreibung des zweiten und dritten Stadiums der Drüsenthätigkeit, Capit. II). Ueber die Endigung der Nerven im quergestreiften Muskel der Wirbelthiere. Von E. Fischer, stud. rer. nat. (Aus dem histologischen Laboratorium von Prof. Kollmann in München.) Hierzu Tafel XXV und XXVI. In Bezug auf die Endigung der Nerven im willkürlichen Muskel hat vor Kurzem Gerlach!) die Ansicht aufgestellt, dass die Nerven- fasern nicht, wie man früher annahm, mit motorischen Endplatten endigen, sondern dass sie in netzförmig zusammenhängende, feine Fasern übergehen, welche im Inneren der Muskelfäden, der ganzen Länge derselben nach, verlaufen und hiebei mit den isotropen Ele- menten der contractilen Substanz wahrscheinlich in Verbindung treten (intravaginale Nervennetze). Nun habe ich bei Gelegenheit von Untersuchungen, die ich über Nervenendigungen in der Haut und zwar beim Meerschweinchen anstellte, das Vorhandensein von Endplatten an den Muskelfäden bestätigt gefunden und habe darauf hin eine Untersuchung der Ner- venendigung im quergestreiften Muskel zuerst bei verschiedenen Säugethieren, dann in absteigender Reihe bei den übrigen Klassen der Wirbelthiere vorgenommen, deren Resultate ich in Folgendem kurz mittheilen will. 1) Sitzgsber. d. phys.-med. Societät zu Erlangen. Jahrg. 1873. Heft V. pag. 97. — Das Verhältniss d. Nerven z. d. willkürl. Muskeln der Wirbelthiere. Leipzig 1874. 366 E. Fischer: Von Säugethieren habe ich Meerschweinchen, Kaninchen, Hund, Katze, Schwein und den Menschen untersucht. Zur Untersuchung verwandte ich Hautmuskeln, vom Menschen den M. orbicularis oris, vom Schwein die im subeutanen Gewebe und der Cutis der vorderen Fläche des Rüssels gelegenen Muskeln, von den übrigen der genannten Thiere die Muskeln in der Haut der Wangengegend. Durch diese Verwendung von Hautmuskeln wurde ich in die Lage versetzt, bei Anwendung der von Löwit’schen Goldmethode, deren ich mich zur Darstellung der Nervenfasern und ihrer Endigung in erster Linie bediente, genau in der Weise vorzugehen, wie ich von dem erwähnten Verfahren, einer mündlichen Mittheilung Löwit’s fol- gend, schon behufs Darstellung des Nervenfaserverlaufs in den Tastkörpern des Menschen Gebrauch gemacht hatte. Ich kann demnach bezüglich der Methodik auf die Abhandlung von Löwit!) und auf meine Arbeit über die Tastkörper ?) verweisen. An Schnitten der nach dem Löwit’schen Verfahren vergol- deten Hautstückchen fand ich die Muskelfasern der genannten Säuge- thiere in den Fällen, in welchen mir die Darstellung von Endplatten gelungen war, entweder farblos oder in verschiedenen Tönen diffus gefärbt. Distinkte mit Gold gefärbte Längsstreifen oder längs ver- laufende und netzförmig zusammenhängende feine Fasern waren in diesen Fällen an denselben nicht wahrzunehmen. Dagegen war die Längs- und Querstreifung an den farblosen Muskelfäden häufig noch deutlich ausgeprägt. — Das Verhalten der zutretenden Nervenfasern an den Muskelfäden ist nach dem Effekt der Vergoldung folgendes: An einer, häufig, jedoch nicht immer (s. die Figg. 3A, 4A u.B), hügel- artig erhobenen Stelle (s. d. Figg. 7 u. 10) der Muskelfasern ange- kommen, gehen die beim Zutritt durch das Aufhören der Mark- scheide sich plötzlich verdünnenden Nervenfasern in eigenthümlich verbreiterte Fasern über, welche, während sie sich mannigfach ver- zweigen und gegen einander biegen, einen abgegrenzten Bezirk der Oberfläche der Muskelfasern inne halten und auf diese Weise platten- ähnliche Gebilde formiren (s. d. Figg. 1, 2, 5, 6, 8 und 11). Die Endigung dieser, die Endplatten bildenden Fasern geschieht nach Goldpräparaten meistens mit einer verschieden geformten Verdickung 1) Wien. Sitzgsber. Bd. LXXI. Abth. III. 1875. pag. 1. 2) Dieses Archiv Bd. 12. pag. 366. u u nn a Be Fe ee ne nee ee Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 367 (s. d. Figg. 1—9 und 11 bei a), manchmal aber enden die Fasern auch nur zugerundet (s. d. Figg. 1 und 7 bei b) oder zugespitzt (Fig. 2, 5, 6 bei e). Verdickungen von ähnlicher Form, wie diese die Fasern abschliessenden, finden sich auch, und zwar nicht selten, in dem Verlauf der Fasern eingeschaltet (s. d. Figg. 1—6, 8 und 11 bei d). Aehnlich geformte Gebilde kommen ferner häufig auch isolirt in den Endplatten vor (s. d. Figg. 6, 7, 10 und 11 bei e), und sind diese Fälle zurückzuführen entweder auf den von Kühne!) beschriebenen Zerfall der Endplatten oder vielleicht auch darauf, dass feine Fasern, welche diese Verdickungen mit anderen verbunden hatten (wie sie in Fig. 11 bei f noch vorhanden sind), durch die Goldbehandlung nicht gefärbt worden sind. Wie die Figuren 1—11 lehren, zeigen sich die Fasern der Endplatten scharf begrenzt und sind weder an dem Ende noch an der den Muskelfasern zugekehrten Fläche (s. d. Profilbilder 4, 7 und 10) Andeutungen einer Fort- setzung derselben in feinere, nach dem Innern der Muskelfäden aus- strahlende Fasern vorhanden. Nur in einzelnen Fällen, deren einen ich in Fig. 2 abgebildet habe, ging eine Faser von der Platte weiter, trat aber, an der Oberfläche der Muskelfaser sich haltend, zu ähn- lichen goldgefärbten Verdickungen, wie sie innerhalb der Endplatten sich so häufig finden. Vergleicht man nun die gegebene Beschreibung und die ge- zeichneten durch Gold dargestellten Endplatten mit den Angaben und Abbildungen von Kühne, so ergiebt sich, dass die Richtigkeit der letzteren auf das Vollkommenste bestätigt wird. Es zeigt nämlich dieser Vergleich, dass gerade das Hauptmoment der Kühne’schen Auffassung des Baues der Endplatten durch die Vergoldung seine Bestätigung findet, dass nämlich die eigentliche Endplatte, d. h. der äussere homogene T'heil des Nervenhügels von Kühne, eine Ausbreitung des Axencylinders selbst darstellt, gebildet durch eine flach ausgebreitete Verzweigung?). Was den inneren Theil des Ner- venhügels, die Sohle fein granulirter Substanz, betrifft, welche Kühne als Unterlage der nervösen Ausbreitung beschreibt, so ist über diese nach Goldpräparaten nichts Sicheres zu ermitteln und kann ich nur angeben, dass ein feinkörniger Goldniederschlag in vielen Endplatten, bei Profilbildern (Fig. 4, 7 und 10) unter, bei Flächenbildern (Fig. 1, 1) Strickers Handb. d. Gewebelehre. pag. 159. 2a) le. p. 165. 368 E. Fischer; 2, 5, 6 und 8) zwischen den vergoldeten Nervenfasern sich findet, welcher vielleicht als eine durch die Goldbehandlung hervorgerufene Färbung der Plattensohle zu betrachten ist. Immer aber ist hierbei zu bedenken, dass dieser Niederschlag in vielen der vergoldeten Endplatten (s. d. Figg. 3, 9 und 11) fehlt. Gegen die contractile Substanz scheint sich der erwähnte Niederschlag mit einer ziem- lich scharfen Grenze abzusetzen (s. d. Figg. 4, 7 und 10); Bezie- hungen der die Endplatten bildenden Fasern zu dem vielleicht als gefärbte Plattensohle zu betrachtenden Niederschlag waren an den (oldpräparaten nie zu ermitteln. Das Vorkommen getrennter Terminalfasern in den Endplatten und die beschriebene Endigung derselben in Anschwellungen findet sich bei Kühne nicht besonders erwähnt, dagegen sind diese beiden Momente schon durch W. Krause!) hervorgehoben worden. Bei den Vögeln, von denen ich die Ente und Taube unter- suchte, habe ich ebenfalls Endplatten darstellen können. Zur Unter- suchung verwandte ich hier den M. complexus, den ich auf folgende Weise behandelte. Der abgetrennte Muskel wurde der Länge nach in ca. 1—2 Mm. dicke Scheiben zerlegt, diese wieder in kürzere ca 10 Mm. lange Stückchen zerschnitten und diese Stückchen mit ver- dünnter Ameisensäure (Säure von 1,06 spec. Gew. 1 Thl. zu 2 Thln. aqu. dest.) behandelt, bis sie durchsichtig wurden. Während die Muskelstückchen sich in der Ameisensäure befanden, wurden sie mit Nadeln möglichst auseinandergezerrt, damit die Goldlösung leichter ° eindringe; in diese (Goldchlorid 1: 100) wurden die Stückchen direkt aus der Ameisensäure gebracht und blieben darin eine Viertelstunde. Nachdem die Muskelstückchen dann mit aqu. dest. abgewaschen worden waren, legte ich sie, nach der von Löwit beschriebenen Methode, in eine Lösung von Ameisensäure von 1:3 Thln. aqu. dest., in welcher sie 24 Stunden blieben. Die von Löwst angegebene Nachbehandlung mit der unverdünnten Säure liess ich weg. — Die vergoldeten Endplatten der Vögel nun sind besonders dadurch aus- gezeichnet, dass in ihnen sehr häufig und zahlreich isolirte Ver- 1) S. Krause. Motor. Endplatten. Hannov. 1869. pag. 192. — Zeitschr. f. Biologie 1869. Bd. V. pag.. 425 und: Handb. d. menschl. Anatomie v. C. Fr. Th. Krause. Hannover 1876. Bd. I. pag. 491. Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 369 dickungen sich finden (s. d. Figg. 12—14). Indem nun aber nach der Aneinanderreichung dieser Gebilde (sei es, dass in diesen Fällen Fasern in kleine Theile zerfallen sind oder dass feine die Ver- dickungen unter einander verbindende Fasern bei der Vergoldung sich nicht gefärbt haben) ein Zusammenhang derselben unter einander wohl anzunehmen sein dürfte, stellt sich der Bau der Endplatten bei den Vögeln in ganz analoger Weise dar, wie bei den Säuge- thieren, nämlich in der Weise, dass eine faserartige Fortsetzung des Axencylinders durch Verzweigung und Gegeneinanderbiegen der Thei- lungsfasern Platten bildet. Manchmal aber (s. d. Fig. 14) krümmen die Fasern sich nicht gegen einander, sondern verlaufen nur parallel neben einander, bilden also keine Endplatten im eigentlichen Sinne. Der Uebergang der Endplatten in die gestreckte Faserausbreitung scheint mir durch die Reihenfolge der Figg. 12—14 ziemlich gut illustrirt zu werden. Was die Endigung der die Endplatten bilden- den Fasern bei den Vögeln anbelangt, so ist es in Endplatten, wie Fig. 12 eine darstellt, allerdings nicht möglich, die die Fasern ab- schliessenden Verdickungen genau zu erkennen, doch treten auch in solchen Fällen an einzelnen Stellen (wie in Fig, 12 bei a) Endan- schwellungen hervor und sind solche in anderen Endplatten, wie in den Figg. 13 und 14 bei a, vollkommen deutlich ausgeprägt. Es enden somit auch bei den Vögeln die die motorische Nervenendigung darstellenden Fasern in Verdickungen oder Anschwellungen. Zu bemerken habe ich noch, dass an der Nervenendigungs-Stelle bei den Vögeln keine ausgeprägte, hügelartige Erhebung der Muskel- fasern sich vorfand und dass der bei den Endplatten der Säuge- thiere beschriebene, zwischen den Nervenfasern befindliche Goldnieder- schlag bei den beobachteten Endplatten von Vögeln fehlte. Was noch das Verhalten der Muskelfäden der Vögel nach der Vergoldung betrifft, so zeigen sich dieselben häufig von deutlichen goldgefärbten Längsstreifen durchzogen, die eine hellere Farbe be- sitzen, als die Substanz der vergoldeten Endplatten, und bei Betrach- tung mit starken Vergrösserungen aus aneinander gereihten, kleinen Kügelchen ähnlichen Gebilden bestehen, wodurch sie ein rosenkranz- ähnliches oder gekerbtes Ansehen gewinnen (s. d. Fig. 12). Diese goldgefärbten Längslinen waren jedoch nicht an allen vergoldeten Muskelfäden wahrzunehmen, an welchen Endplatten zur Darstellung gelangt waren, sondern statt derselben fanden sich häufig, wenn die Muskelfäden nämlich farblos geworden waren, farblose Quer- und 370 E. Fischer: Längsstreifen (s. die Figg. 13 u. 14). Es ergiebt sich demnach ein Unterschied in dem Verhalten der Längsstreifen und der die End- platten bildenden Fasern gegen Gold. Ein Zusammenhang der ge- färbten Längsstreifen mit der Substanz der Endplatten konnte in keinem Falle nachgewiesen werden. Bei Vergleich der bei den Vögeln sich findenden Endplatten - mit der Anschauung von Kühne ergibt sich, dass sie derselben vollkommen entsprechen. Auf das in Fig. 14 dargestellte Verhält- niss werde ich später zurückkommen. Den Endplatten der Säugethiere. sehr ähnlich sind die End- platten der Reptilien, von denen ich nur Lacerta viridis unter- scheiden konnte. Ich vergoldete nach dem Löwit’schen Verfahren die Muskeln des Oberschenkels und Oberarms dieses T'hieres und verfuhr hiebei ganz nach der bei den Vögeln beschriebenen Weise. Wie bei den Säugern bestehen die Endplatten aus einer verzweigten Ausbreitung des Axencylinders, deren Fasern sich gegen einander biegen und mit verschieden geformten Verdickungen enden (s. die Fig. 15). Es ergibt sich demnach auch für die Reptilien eine voll- kommene Bestätigung der Kühne’schen Befunde. Dagegen konnte ein Uebergang der Endplatten-Fasern in die auch an den Muskel- fäden der Eidechse sich findenden goldgefärbten Längsstreifen nicht nachgewiesen werden (s. die Fig. 15). Diese Längsstreifen hatten bei der Behandlung mit Gold eine vollkommen andere, hellere Nuance angenommen, als die Fasern der Endplatten und zeigten eine un- gemein deutliche, rosenkranzartige Beschaffenheit, indem sie aus in der Längsrichtung an einander gereihten Körperchen von ungefähr rundlicher Gestalt bestanden, die meistens völlig isolirt hinter ein- ander lagen (s. die Fig. 17), manchmal jedoch, an einer Schnur auf- gezogenen Perlen ähnlich, gleichsam lokale Verdickungen eines Fadens ' darstellten (Fig. 15 bei a). Indem nun diese Körperchen gleichsam durch überspringende Linien mit einander verbunden werden (s. die Fig. 15), entstanden Querstreifen der Muskelfäden und zwar fanden sich bald diese Querstreifen, bald die erwähnten Längsstreifen an den einzelnen Muskelfäden überwiegend entwickelt. Durch genauere Einstellung konnte ich in einzelnen Fällen, besonders an recht dünnen Stückchen der Muskelfäden, mich auch davon überzeugen, dass die genannten, überspringenden Linien nur scheinbar waren und nur u ÄTTEDÄUTT ne 0 Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 371 einer nahen Aneinanderlagerung der erwähnten kleinen Körperchen ihr Hervortreten verdankten, welche in Wirklichkeit auch in der Querrichtung isolirt neben einander lagen (s. Fig. 17). Wie bei den Vögeln, so gelangten auch bei den Reptilien die goldgefärbten Längs- streifen häufig nicht zur Darstellung in Fällen, in denen die End- platten sich aufs Deutlichste gefärbt hatten (s. Fig. 16). Nachzu- tragen habe ich noch, dass an den vergoldeten Muskelfäden der Eidechse deutliche Nervenhügel sich finden (s. Fig. 16) und dass, wie bei den Säugethieren, meistens ein feinkörniger Goldniederschlag zwischen den Endplatten-Fasern vorhanden ist, der meistens sogar sehr stark ausgeprägt sich vorfindet). Fig 15 und 16). Ich gehe jetzt zu den Amphibien über, von denen ich nur den Frosch untersucht habe. Mein Verfahren betreffend, so verwandte ich zur Darstellung der Nervenendigung mittelst der Löwit’schen Methode die Muskeln an der Beugeseite des Oberschenkels, nach- dem ich am Gastrocnemius einige resultatlose Versuche gemacht. Vor der Einlegung in die Goldehloridlösung liess ich die Muskel- stückchen, da ich mit der Quellung in verdünnter Ameisensäure längere Zeit keine günstigen Resultate erlangte, in verdünnter Essig- säure quellen, verfuhr aber dann ganz, wie ich es im Absatz über die Nervenendigung bei den Vögeln beschrieben. Was nun die Nervenendiguzg an den Muskelfasern des Frosches betrifft, so wurde bei diesem als terminale Ausbreitung der Nervenfasern bekanntlich von Kühne?) ein System sich verzweigender Fasern beschrieben, die in gestrecktem Verlaufe parallel der Längsaxe der Muskelfäden hin- ziehen und endlich zugerundet oder zugespitzt enden, vor dem Ende jedoch manchmal eigenthümliche Körper zeigen, die Kühne zur Endigung in Beziehung bringt und als Endknospen bezeichnet. Von anderen Autoren, wie Kölliker?), Krause?), Engelmann‘) u.A. wurden diese Körper jedoch als Kerne und zwar als Kerne des Neu- 1) W. Kühne, Comptes rendues pag. 316. 1861. 18 Fev. und: Ueber d. peripher. Endorgane d. motor. Nerven. Leipz. 1862. 2) Untersuchungen über d. letzt. Endigungen d. Nerven. I. Abhandlung. pag. 8. 3) Zeitschr. f. rat. Medizin. Bd. 21. pag. 77. 4) Untersuchungen üb. d. Zushg. v. Nerv- u. Muskelfaser. Teipz. 1863. pag. 21. 372 E. Fischer: rilemms erkannt. Die Angaben von Kühne in Betreff der soge- nannten Endknospen konnte ich auch nicht bestätigen, sondern fand, wie die vorher genannten Autoren, einfache, den Nervenfasern direkt anliegende Kerne, wie ich sie in Fig. 19 bei a von der Fläche, bei b von der Seite gesehen abgebildet habe. Die übrigen Verhältnisse der Nervenendigung, wie sie nach Anwendung des Löwit’schen Verfahrens sich darstellt, sind folgende: An den Muskelfasern an- gekommen, gehen die durch Verlust der Markscheide zu feinen Axencylindern gewordenen Nervenfasern in verbreiterte und mit eigenthümlich zackigen Umrissen versehene Fasern über, die sich häufig noch mannigfach verzweigen und endlich meistens ganz deut- lich abgesetzt enden (s. die Figg 18—20). Die Vergoldung ergibt somit eine völlige Bestätigung der Angaben von Kühne (mit Aus- nahme der Beschreibung der Endknospen), Kölliker, Krause und Engelmann. Was nun die Muskelfasern selbst betrifft, so zeigen sich diese nach Anwendung der Löwit’schen Methode ihrer ganzen Länge, Breite und Dicke nach von deutlich hervortretenden, dunkelroth ge- färbten Längsstreifen durchzogen, welche in einer hellen, meist blass- röthlich gefärbten, gleichartigen Zwischensubstanz eingelagert sind und in nahezu gleichen Abständen parallel zu einander verlaufen. Diese Längsstreifen bestehen aus hinter einander gelagerten kleinen Kör- perchen, die bald mehr Kügelchen, bald mehr Strichen ähnlich sind (s. Fig. 18), stellen aber auf verschieden langen Strecken manchmal auch continuirliche Linien dar (Fig. 18 bei a, Fig. 20). Die Länge der Längsstreifen anlangend, so ist diese meist eine sehr verschiedene, manchmal durchziehen sie alle die ganze Länge der Muskelfäden, manchmal sind sie ziemlich kurz (Fig. 20); die Dicke der Streifen ist die von 1 w. im Mittel, beträgt aber häufig auch weniger oder mehr, obwohl sie die Dicke von 2 «. nicht erreichen. Ein Ver- hältniss der die erwähnten Streifen zusammensetzenden Körperchen zu den Querstreifen, ähnlich dem an den Muskelfäden der Eidechse beschriebenen, konnte ich nur in ganz einzelnen Fällen wahrnehmen; in diesen (s. Fig. 25) bestanden die Längslinien aus Kügelchen, die in derselben Entfernung, wie die Querstreifen, hinter einander lagen und durch überspringende Linien manchmal deutlich zu den Quer- streifen in Beziehung traten. Meistens aber war die Lagerung der erwähnten Körperchen in den Längsstreifen im Verhältniss zu ihrer Lagerung in den benachbarten Streifen eine vollkommen unregel- Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 373 mässige (s. Fig. 18). Statt der beschriebenen Längsstreifen fanden sich in anderen Muskelfäden kürzere Streifen von geraden oder auch wellig gebogenem Verlauf, die in den verschiedensten Winkeln zu einander verliefen und in Folge ihrer hiedurch bedingten unregel- mässigen Lagerung den Muskelfäden ein eigenthümlich gesprenkeltes Ansehen verliehen (s. Fig. 23). Auch diese Streifen zeigten eine rosenkranzartige Beschaffenheit, waren aber hie und da auch un- gekerbt. Mit den beschriebenen goldgefärbten Streifen der Muskelfäden stehen die die nervöse Ausbreitung bildenden Fasern in keinem Zu- sammenhang. Ist der Muskelinhalt stark gefärbt, die Nervenfasern dagegen nur mittelmässig oder gar schwach, so erscheinen zwar manchmal einige der Längsstreifen wie feine direkte Fortsetzungen der Nervenfasern, allein in anderen Fällen, namentlich bei intensiver Schwärzung der Nervenfasern, kann man mit der vollkommensten Sicherheit davon sich überzeugen, dass die Nervenfasern scharf ab- gesetzt aufhören und dieL.ängsstreifen völlig unabhängig von denselben neben oder unter ihnen verlaufen. Da man nun durch den Wechsel der Einstellung häufig die ganz bestimmte Ueberzeugung gewinnen kann, dass die Nervenfasern über den Längsstreifen der Muskelfasern liegen, ist die scheinbare Fortsetzung der Nervenfasern in die Längsstreifen dadurch leicht zu erklären, dass, indem die Längsstreifen unter den Nervenfasern hinlaufen und eine ähnliche Färbung, wie die letzteren, bei der Goldbehandlung angenommen haben, der Zusammenhang beider nur vorgetäuscht wird. Dass dem so ist, davon überzeugte ich mich auch in einem Falle, in dem ich Anfangs schon einen Uebergang von Nervenfasern in Längsstreifen wahrzunehmen glaubte. Es ging indiesem Falle nämlich eine der zutretenden Nervenfasern ın eine diffus ge- färbte Masse über, von der ich deutlich Längsstreifen weiter gehen sah (Fig. 18 bei b). Bei genauerer Betrachtung aber ergab sich, dass als Fortsetzung der Nervenfaser nicht die ganze goldgefärbte Masse, sondern nur eine ziemlich unregelmässige Platte (Fig. 18 c) zu betrachten war, die bei höherer Einstellung erschien als die in die Längsstreifen sich fortsetzende goldgefärbte Masse. Ich glaube somit eine Verbindung der Nervenfasern mit den nach Anwendung der Löwit’schen Methode in den Muskelfäden auftretenden Längsstreifen, auch für den Frosch in Abrede stellen zu dürfen. Da nun aber die die nervöse Ausbreitung bildenden Fasern in den nach dem Löwit schen Verfahren vergoldeten Frosch- Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 13. 24 374 E. Fischer: muskeln deutlich abgesetzte Enden zeigen, und nicht in feine netzförmig zusammenhängende Fasern weiter gehen, andrerseits aber solche netzförmig verbundene Fasern, wie sie Gerlach als Fasern des intravaginalen Nervennetzes beschreibt, in den nach dem Löwit’- schen Verfahren vergoldeten Muskelfäden überhaupt nicht aufzu- finden waren, ist die Frage aufzuwerfen, ob nicht die mittelst der Löwit’schen Methode dargestellten Längsstreifen vielleicht dasselbe sind, was Gerlach für intravaginale Nervenfasern hielt, oder ob die Gerlach’schen Nerven nur mit der Methode des genannten Forschers, nicht aber durch das Löwit’sche Verfahren darstell- bar sind. Nach Gerlach treten in den Muskelfasern des Frosches nach Anwendung seiner Methode zweierlei Gebilde durch ihre Goldfärbung hervor. Die einen sind die intravaginalen Nervenfasern. Diese schildert Gerlach!) als feine durch Theilung und Wiedervereinigung ein Netz mit, nach den Zeichnungen, langgestreckten Maschen dar- stellende Fasern, welche durch die Behandlung mit Gold eine dunkel- rothe Farbe annehmen und an ihren Rändern zahlreiche, manchmal bis zu völliger Unterbrechung des Zusammenhangs sich steigernde Einkerbungen zeigen, wodurch sie ein den varikösen Fasern des Uerebrospinalorgans ähnliches, rosenkranzartiges Ansehen erlangen. Trotz ihrer zahlreichen Theilungen und Wiedervereinigungen behalten die intravaginalen Nervenfasern einen constanten Durchmesser von 0,001—0,015 Mm. Die zweite Art der goldgefärbten Elemente in den Muskelfäden sind die sogenannten Sprenkelungen Gerlach’s. Diese Gebilde besitzen nach Gerlach?) eine kaum messbare Breite, welche jedenfalls unter 0,001 Mm. liegt, sind etwas länger als breit und machen hie und da selbst einen faserähnlichen Eindruck. Nach der Fig. 10 von Gerlach, welche ein Präparat darstellt, an welchem ein Theil der quergestreiiten Substanz aus dem Sarcolemm heraus- gedrängt war, und nach der Aehnlichkeit der an Präparaten nach der Löwit’schen Methode gesehenen Bilder, wobei auch der con- traktile Inhalt aus dem Sarcolemm vorgequollen war, muss ich die Längsstreifen der Gold-Ameisensäure-Präparate von Muskelfäden für Analoga der faserähnlich gewordenen Sprenkelungen Gerlachs erklären. Auf der anderen Seite aber haben die Längsstreifen die 1) 1.c. p. 48. 2) 1. c. p. 50. Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 375 den Sprenkelungen Gerlachs abgehende rosenkranzartige Beschaffen- heit und nach den mitgetheilten Dickenverhältnissen Dimensionen, die mit den Angaben Gerlach’s über die Dicke der intravaginalen Nervenfasern ziemlich übereinstimmen. Hierzu kommt noch, dass den erwähnten Längsstreifen voll- kommen gleiche Gebilde manchmal in den nach dem Lö wit’schen Verfahren vergoldeten Muskelfäden, unregelmässig hin und her ge- bogen verlaufen, wobei durch Deckung der wellig gebogenen Gebilde der Anschein eines netzförmigen Zusammenhanges derselben her- vorgerufen werden kann (Fig. 22). Indem aber nach dem blossen Vergleich der mittelst der Löwit’schen Methode gewonnenen Bilder mit den Angaben und Abbildungen Gerlachs nicht zu urtheilen war, wandte ich die @erlach’sche Methode genau in der von ihm beschriebenen Weise an, fand aber auch an den auf diese Weise erhaltenen Präparaten stets nur den Längstreifen der Gold-Amei- sensäure-Präparaten vollkommen analoge, rosenkranzartige Streifen, deren Darstellung nur nicht, wie bei Anwendung der Löwit’schen Methode, in der ganzen Länge und Breite der Muskelfäden gelungen war. An einigen der nach der Methode Gerlachs vergoldeten Muskelfasern aber, die ich Muskelstückchen des Oberschenkels und Öberarms eines vor 9 Stunden getödteten Frosches entnommen hatte, fand ich ganz dieselbe Nervenausbreitung, wie sie Kühne zuerst beschrieben und wie sie nach Anwendung des Löwit’schen Ver- fahrens auftritt; ich habe eine solche mit der Methode Gerlachs dargestellte Nervenendigung in Fig. 21 abgebildet, aus welcher zu ersehen ist, dass die Muskelfasern, obwohl die Nervenfasern deutlich gefärbt sind, farblos sich darstellen und intravaginaler Streifen voll- kommen entbehren, dass ferner die Fasern der nervösen Ausbrei- tung, auch nach Anwendung der Gerlach’schen Methode, nicht in feinere Fasern sich fortsetzen, sondern in Uebereinstimmung mit den mittelst des Löwit’schen Verfahrens erhaltenen Befunden, in der That frei enden, wie Kühne dies beschrieben und nach ihm viele andere Autoren es bestätigt haben. Es folgt nun hieraus, dass in Bezug auf das durch Vergoldung zur Anschauung kommende Verhalten der Nerven- und Muskelfasern des Frosches eine vollkom- mene Uebereinstimmung besteht, zwischen dem Erfolg der Löwit’- schen Methode und den Resultaten, wie sie sich mir aus der An- wendung des Gerlach’schen Verfahrens ergaben, dass somit der Einwurf mir nicht mehr gemacht werden kann, es könnten die intra- 376 E. Fischer: vaginalen Nervenfasern sich vielleicht gegen das Löwit’sche Ver- fahren völlig indifferent verhalten und seien nur mittelst der Gerlach’schen Methode, durch diese aber mit Sicherheit, darzu- stellen. In Anbetracht der vollkommen gleichen Resultate des Löwit’schen, Gerlach’schen und (nach Fig. 20) auch des Cohn- heim’schen Verfahrens nun muss ich mit aller Bestimmtheit die Sätze aufstellen: 1) Die die motorische Nervenendigung an den Muskelfäden des Frosches bildenden Fasern enden frei. 2) Das intravaginale Nervenfasernetz von Gerlach existirt nicht. Für den sub 2 aufgestellten Satz und für die freie Endigung der Nervenfasern gebe ich noch folgende Beweise: Durch Anwendung der Löwit’schen und Gerlach’schen Methode gelingt es, die ner- vöse Ausbreitung vollkommen gefärbt zu erhalten, während die Muskelfäden selbst nahezu farblos bleiben, d. h. die erwähnten Streifen in denselben nicht zur Darstellung gelangen. Es ergibt sich hieraus, dass ein Unterschied der durch Gold darstellbaren ‘Streifen der contraktilen Substanz und der die nervöse Ausbreitung bildenden Fasern existirt in Bezug auf ihr Verhalten gegen Gold. Ein solcher Unterschied aber wäre, falls die Streifen auch von ner- vöser Natur waren, nicht leicht zu erklären. — An Muskelfäden, die nach der Löwit’schen Methode vergoldet wurden, ist man, nament- lich nach Maceration der vergoldeten Muskelstückchen in Wasser, im Stande, durch Quetschen den contraktilen Inhalt aus dem Sar- colemm zu pressen. In solchen Präparaten nun findet man Bilder, wie das in Fig. 19 dargestellte, wo die die nervöse Ausbreitung bildenden Fasern in vollkommen gleicher Lage, wie sie an den mit gefärbten Längsstreifen versehenen Muskelfäden sich befinden, wie isolirt auf einem mehr weniger farblosen Grunde liegen. Es kann dies wohl nicht anders gedeutet werden, als so, dass in diesen Fällen die nervöse Ausbreitung, auf oder unter dem bei der Ver- soldung nahezu farblos bleibenden Sarkolemm liegend, von dem durch den Druck hinausgepressten mit goldgefärbten Längsstreifen versehenen Inhalt der Muskelfasern sich getrennt hat. Mit dieser Erklärung will ich jedoch die auch noch mögliche Deutung dieser Erscheinung, dass nämlich die Nervenfaserausbreitung durch den Druck in diesen Fällen ganz und gar von den Muskelfäden ab- gelöst worden sei, nicht völlig ausschliessen, doch scheint mir die ersterwähnte Annahme immer noch mehr Wahrscheinlichkeit für Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 377 sich zu haben, da man nach dem erwähnten Verfahren an den Prä- paraten erstens zusammengefaltete, homogene Membranen sieht, die man wohl nur für leere Sarcolemmschläuche halten kann, und da zweitens solche Membranen unter oder über den isolirten Nerven- endigungen, wenngleich nicht in allen Fällen, wahrzunehmen sind. Die Trennung der Nervenendigung von dem gefärbten Muskelinhalt und ihr vollkommenes Intaktbleiben hierbei scheint mir aber jeden- falls zu beweisen, dass eine Fortsetzung der Nervenfasern in, die Muskelfäden ihrer ganzen Länge nach durchziehende, feine Fasern nicht besteht, da sonst wohl in einigen Fällen Theile von intravagi- nalen Fasern an den Nervenfasern hängen geblieben oder die ner- vöse Ausbreitung zerrissen, jedenfalls aber nicht in so vollkommener Integrität erhalten worden wäre. — Dass nun Gerlach ein intravaginales Nervennetz angenommen, beruht darauf, dass erstens Bestandtheile der contraktilen Substanz in hervorstechender Weise mit Gold sich färben und hierbei Fasern ähnlich werden, dass dieselben zweitens ein den rosenkranzförmigen feinen Nervenfasern ähnliches Ansehen zeigen und manchmal auch netzförmig unter einander zusammenzuhängen scheinen und dass drittens, weil die goldgefärbten Streifen der contraktilen Substanz unter den Nervenfasern weglaufen, bei der ähnlichen Farbe beider eine Continnität zwischen ihnen leicht vorgetäuscht werden kann. Die faserartigen Gebilde von rosenkranzartiger Beschaffenheit, die Gerlach für Nervenfasern gehalten, sind die Längsstreifen der Gold-Ameisensäure-Präparate, deren scheinbar netzförmiger Zu- sammenhang aus Fig. 22 sich ergibt. Dass die letzteren wirklich Gerlach’s intravaginalen Nervenfasern entsprechen, ergibt sich aus der gleichen Färbung, dem gleichen gekerbten Aussehen und den nahezu ähnlichen Dickenverhältnissen derselben und der intravagi- nalen Nervenfasern Gerlach’s. Indem somit die intravaginalen Nervenfasern Gerlach’s als Theile der Muskelsubstanz aufgefasst werden müssen, andererseits aber die Sprenkelungen der Muskelfäden, auch nach den Angaben Gerlach’s ebenfalls Bestandtheile der contraktilen Substanz sind, handelt es sich noch um das Verhältniss dieser beiden Gebilde zu einander. Nach Anwendung der Löwit’schen Methode treten in den Muskelfäden des Frosches, wie ich oben erwähnt, zweierlei goldgefärbte Elemente hervor. Dieselben sind entweder Längs- streifen von rosenkranzartiger Beschaffenheit, die, von verschiedener ® 378 E. Fischer: Länge, untereinander und mit der Längsrichtung der Muskelfäden parallel verlaufen, oder kurze, mehr strichähnliche Streifen von un- regelmässigem Verlaufe, welche den Muskelfäden ein gesprenkeltes Ansehen verleihen. Da sich nun der Nachweis liefern lässt, dass die kurzen Streifen dasselbe sind, wie die parallelen Längsstreifen, weil sie im Verlaufe einer Muskelfaser sich deutlich zu parallelen Längsstreifen an einander lagern können (s. Fig. 24), so sind die beiden nach Anwendung der Löwit’schen Methode hervortretenden und theils durch ihre Länge, theils durch ihren Verlauf sich unter- scheidenden goldgefärbten Streifen einerlei Art. Wie erwähnt, be- stehen die goldgefärbten Längsstreifen und die kurzen Streifen aus kleinen, theils Kügelchen, theils Strichen ähnlichen Gebilden, die sich linienförmig an einander reihen. Ist die lineare Anordnung dieser kleinen Körperchen nun vollkommen ausgeprägt, so entstehen parallele Längsstreifen, reihen sich dagegen nur wenige Körperchen an einander und erhalten die dadurch entstehenden Streifen, viel- leicht in Folge der präparativen Behandlung, eine nicht parallele, sondern unregelmässige Lagerung, so entstehen die Sprenkelungen der Muskelfäden an Gold-Ameisensäure-Präparaten. Die Sprenke- lungen Gerlach’s nun entsprechen zu einem Theil diesen Spren- kelungen, zu einem anderen Theil (in den Fällen nämlich, in welchen nach Gerlach nur ein punktirtes Ansehen der Muskelfäden vor- handen war) sind sie vielleicht den noch mehr isolirten punktförmi- gen Körperchen gleich, deren lineare Anordnung sich nicht ausge- prägt hatte. Die von Gerlach als faserähnlich bezeichneten Sprenkelun- gen ferner sind gleich Längsstreifen, die durch das Gerlach’sche Verfahren nur in geringer Länge dargestellt worden waren. Dass nun in der That dieselben Formelemente der Muskel- fasern von Gerlach theils als Nervenfasern, theils als Bestand- theile der contraktilen Substanz gedeutet worden sind, dafür spricht auch der Umstand, dass die intravaginalen Nervenfasern und die Sprenkelungen der Muskelfasern nach den Angaben Gerlachs stets dieselbe Farbe nach der Goldbehandlung zeigen. Zu erklären habe ich noch, warum Gerlach in einer Muskelfaser neben den intravaginalen Nervennetzen auch die Sprenkelungen auffinden konnte, und ferner, auf welche Weise Gerlach zur Annahme eines Zu- sammenhangs zwischen den als intravaginale Nervenfasern und den als Sprenkelungen der Muskelfäden aufgefassten Gebilden gelangt Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 379 ist. Den ersterwähnten Befund Gerlach’s, der durch dessen Fig. 11 versinnlicht ist, bin ich nur auf die Weise zu erklären im Stande, dass die erwähnten kleinen Körperchen, die zur Bildung von Längsstreifen zusammentreten, theils zu langen und unregel- mässig verlaufenden Streifen sich vereinigt hatten, theils völlig isolirt seblieben oder nur zu ganz kurzen Streifen zusammengetreten waren; die Möglichkeit dieser Erklärung ergibt sich wenigstens daraus, dass in einzelnen Muskelfäden, die nach der Löwit'schen Methode ver- goldet worden waren, an ein und derselben Stelle theils parallele Längsstreifen theils Sprenkelungen zu sehen waren. Auf welche Weise Gerlach zu der Annahme eines Zusammenhangs zwischen intravaginalen Nervenfasern und den Sprenkelungen der Muskel- fasern kam, war ich aus meinen Befunden nicht zu ermitteln im Stande. Was noch die letzte Klasse der Wirbelthiere, die Fische, an- belangt, so gelang es mir bei diesen, trotz wiederholter Versuche, nicht, das terminale Verhältniss der Nervenfasern an den Muskel- fäden aufzudecken. Ich verwandte zur Untersuchung hauptsächlich die Augenmuskeln vom Hecht und vom Karpfen, später auch die Flossenmuskeln dieser Thiere und verfuhr hierbei ganz nach der Methode, die ich oben (im Absatz über die Nervenendigung bei den Vögeln) beschrieben habe. Gefunden habe ich bei diesen Versuchen, dass die zwischen den Muskelfasern hinlaufenden Nervenfasern, wie esja nach den Untersuchungen von Joh. Müller und E. Brücke!) längst bekannt ist, vielfachen Theilungen unterliegen, dass sie in Folge dieser sehr fein und endlich durch Aufhören des Goldnieder- schlags unsichtbar werden. Ein Uebergang in feine, nach dem Innern der Muskelfäden ausstrahlende Fasern konnte nie nachgewiesen werden, dagegen fanden sich an einigen Stellen der Muskelfasern durch Gold gefärbte, spindelförmige Gebilde von der Farbe der gold- gefärbten, markhaltigen Nervenfasern, die auf der einen Seite zuge- rundet oder zugespitzt endigten, auf der andern aber in feine, end- lich auch verschwindende Fortsätze übergingen. Einen Zusammen- hang dieser Fortsätze mit den feinen Fortsetzungen der Nervenfasern konnte ich nie nachweisen, wonach ich nicht im Stande bin, die er- 1) Handb. d. Physiologie v. Joh. Müller. 4. Aufl., Bd. I, pag. 524. 380 E. Fischer: wähnten spindelförmigen Gebilde als nervös und als Endigungen der Nervenfasern aufzufassen. Ich habe jetzt noch einen Ueberblick zu geben über die Ge- sammtverhältnisse der Endigung der motorischen Nerven bei den vier ersten Klassen der Wirbelthiere. Zunächst ist hierbei zu berühren, in welcher Weise die durch Anwendung der Löwit’schen Methode bei den drei ersten Wirbelthierklassen gewonnenen Befunde zu den Angaben Gerlach’s sich verhalten. Meine Darstellung sowie die beigegebenen Abbildungen zeigen, dass einmal das Vorhandensein von Endplatten Gerlach gegenüber jedenfalls mit aller Entschie- denheit festzuhalten ist. Da nun aber weder bei den Säugern, noch bei den Vögeln, noch bei den Reptilien Fortsetzungen der die End- platten bildenden Fasern jemals nachzuweisen waren, sondern diese Fasern stets scharf umrissen enden, muss, wie für die Amphibien, so auch für die drei ersten Klassen der Wirbelthiere die terminale Bedeutung der Endplatten behauptet und die Existenz intravaginaler Nervennetze in Abrede gestellt werden. Zu bemerken habe ich ferner, dass diean den Muskelfasern bei den drei ersten Wirbelthier- klassen erhaltenen Befunde die oben (im Absatze über die Nerven- endigung beim Frosche) aufgestellte Behauptung bestätigen, wonach die goldgefärbten, durch ihre rosenkranzartige Beschaffenheit aus- gezeichneten Streifen als Bestandtheile der contraktilen Substanz zu betrachten sind. Es zeigen nämlich auch die Muskelfasern der Säugethiere (hauptsächlich in Fällen, in denen mir die Darstellung von Endplatten nicht gelungen war oder in welchen dieselben nur schwach gefärbt hervortraten) deutliche Längtstreifen, die denen der Vögel, der Reptilien und Amphibien sehr ähnlich sind, zuweilen ungekerbte Linien darstellen, zuweilen, wie in den Muskelfasern der Eidechse, aus hintereinander liegenden kleinen Körperchen bestehen, welche durch Aneinanderreihung in der Querrichtung Querstreifen bilden (s. Fig. 26). Schon dieses Verhältniss zwischen Längs- und Querstreifen beweist, dass diese Formelemente Theile der Muskel- substanz sind; es wird aber diese Annahme auch dadurch noch be- stätigt, dass bei allen Klassen der Wirbelthiere die Längsstreifen ein anderes Verhalten gegen Gold zeigen, als die Fasern der ner- vösen Ausbreitung. Auf die bestimmte Entscheidung der Frage aber, welche Theile der contraktilen Substanz es sind, welche mit Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 381 Gold in so hervorstechender Weise sich färben, darauf koennte ich bis jetzt theils wegen Mangel an Zeit, theils, weil ich die vorliegende Mittheilung nur als eine kurze Bestätigung der Existenz von End- platten betrachtete, nicht eingehen. Demnach lasse ich es unent- schieden, ob die Längsstreifen der Muskelfäden bei allen untersuchten Thierklassen denselben Bestandtheilen der contraktilen Substanz entsprechen und in welcher Weise die sie zusammensetzenden Kör- perchen zu den anisotropen und isotropen Elementen und zu den interstitiellen Körnchenrreihen sich verhalten). Vergleichen wir nun die durch das Verfahren von Löwit dar- gestellten Formen der motorischen Nervenendigung bei den vier ersten Klassen der Wirbelthiere unter einander, so ergibt sich, dass bei den drei ersten Klassen die in Eorm von Endplatten auftretende Ner- venendigung im Wesentlichen aus verbreiterten Fasern besteht, die, auf einen verhältnissmässig sehr kleinen Raum der Oberfläche der Muskelfasern sich begrenzend, hier sich gegeneinander biegen, während bei den Amphibien die nervöse Ausbreitung über eine ziemlich grosse Fläche der Muskelfäden sich erstreckt und die Terminalfasern nur parallel neben einander hinlaufen?). Solche aus parallelen Fasern bestehende Endausbreitungen kommen aber nicht bei den Amphibien allein, sondern, wie schon erwähnt, auch schon bei den Vögeln, aber selten, vor. Aus dem Zusammenhalt der motorischen Nerven- endigung bei den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und der Nerven- endigung bei den Amphibien ergibt sich nun, dass ein Unterschied zwischen denselben der Hauptsache nach nicht besteht, da als wesent- licher Charakter der Nervenendigung in übereinstimmender Weise verbreiterte Fasern sich darstellen, die nur durch die Verschieden- heit ihrer Lagerung, Länge und ihres Verhältnisses zu der Grösse des bedeckten Theils der Muskelfasern bei den verschiedenen der genannten Wirbelthierklassen verschiedene Endausbreitungen bilden. Analysiren wir aber die Verhältnisse der motorischen Nervenendi- gung bei den erwähnten Klassen der Wirbelthiere noch genauer, 1) Was noch die Lage der Nervenausbreitung an den Muskelfäden an- belangt, so ist es mir nieht gelungen, definitive Aufschlüsse darüber zu er- langen, ob dieselbe ausser- oder innerhalb des Sarcolemms gelegen ist. 2) In einzelnen Fällen finden sich auch bei Amphibien, wie ich jüngst bei Salamandra maculata gefunden, deutliche Endplatten, denen der Vögel sehr ähnlich. 382 E. Fischer: so ergibt sich erstens, dass das charakteristische Moment der Ner- venendigung ganz allein in den das Ende des Axencylinders dar- stellenden, verbreiterten Fasern liegt, da weder die hügelartigen Erhebungen (die manchmal schon beim Menschen, dann auch bei den Vögeln und stets bei den Amphibien fehlen) noch die (den Amphibien stets mangelnde) granulirte Plattensohle als wesentliche Merkmale angesehen werden können. Als zweites Ergebniss der vergleichenden Betrachtung der Nervenendigung aber stellt sich, wie mir scheint, ein Fortschritt dar in Bezug auf die Erkenntniss des allgemeinen Prineips der Nervenendigung im quergestreiften Muskel. Schon Kühne macht in Strickers Handbuch der Gewebelehre pag. 163—165 den Versuch, die Endigung der Muskelnerven unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt aufzufassen und kommt hierbei zu dem Schlusssatze: »An allen quergestreiften Muskeln entspricht das Ende des Axeneylinders einer Ausbreitung mit bedeutend ver- mehrter Oberfläche, welche stets durch eine flach ausgebreitete Ver- zweigung gebildet wird. Diese Nervenendplatte ist bald mehr mem- branartig, bald einem Fasersysteme vergleichbar«. Ist nun auch die Kühne’sche Auffassung, nach dem durch die Vergoldung eben- falls bestätigten Prineip der Oberflächenvermehrung durch Ver- zweigung, vollkommen richtig, so scheint sie mir doch das Grund- prineip der motorischen Nervenendigung noch nicht einzuschliessen. Gehe ich, bei dem Versuche, dieses darzulegen, von der Nervenen- digung bei den Säugethieren aus, so ist die plattenförmige Endaus- breitung bei diesen dadurch gebildet, dass das verbreiterte Nerven- faserende sich vielfach verzweigt und die einzelnen Terminalfasern gegen einander sich hinkrümmen. Eine ziemlich einfache Nervenendi- gung nun zeigt Fig. 3 (vom Menschen); dieser liegt schon weniger eine Oberflächen-Vermehrung durch Verzweigung zu Grunde, son- dern das Ende des Axencylinders wird nur von verbreiterten und in Anschwellungen endenden Fasern dargestellt, die während ihres Verlaufs sich allerdings, aber viel weniger, als in den übrigen End- platten, verzweigen und, indem sie nicht auf einem kleinen Raume sich gegeneinander biegen, keine ausgeprägte Endplatte bilden. Dass im Wesentlichen die Nervenendigung an der quergestreiften Muskelfaser nur von einer Verbreiterung oder Anschwellung des Axencylinders gebildet wird, scheint sich mir noch mehr aus der Fig. 9A zu ergeben, nach welcher die zutretende Nervenfaser ein- fach in zwei verbreiterten Anschwellungen endet. Aehnliche Fälle, Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 383 in welchen die durch Verzweigung des Nervenfaserendes ausge- sprochene Bildung eigentlicher Endplatten zurücktritt und in denen mehr einfache Anschwellungen als die Nervenendigung charakteri- sirend hervortreten, zeigen die Figg. 9B u. 3A—C. Aus dem Zu- sammenhalt der Figg. 3, 3A—C u. 9A u. B mit den übrigen For- men von Endplatten ergibt sich aber, wie mir scheint, dass die Endplatten nur eine auf Verzweigung beruhende Complication der Endigung in einfachen Anschwellungen des Axencylinders darstellen. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich auch die Nervenendigung bei den Amphibien auffassen, nur erlangt bei diesen die terminale An- schwellung des Axencylinders stets die Beschaffenheit langer Fasern und complieirt sich auch meistens durch Verzweigung. Die erwähnte Annahme, wonach der motorischen Nervenendigung im Wesentlichen eine Anschwellung der Nervenfasern zu Grunde liegt, erhält ‘noch mehr Wahrscheinlichkeit durch einige bekannte Thatsachen bei Wirbellosen, namentlich durch das bekannte Verhältniss der Nerven- endigung an den Muskelfasern von Milnesium tardıgradum,, welche von Doyer&!) entdeckt una später von Greeff?) bestätigt wurde. An diese Thaätsache reihen sich noch die Befunde von Quatrefages?) bei Eolidina und Amphioxus, von Kölliker*) bei einer Chironomus- larve, von Meissner) bei Mermis und Ascaris, vonWedl®), Walter”) und Munk‘°) bei anderen Nematoden, bei denen die Endigung der Nerven in Anschwellungen auch von Bütschli®) und Krause!) später noch bestätigt wurde. Nach allen diesen Befunden ist es klar, dass bei Wirbellosen häufig die Nervenfaser mit einer an die Muskelfaser sich anlegenden, einfachen Anschwellung endet, eine That- 1) Memoire sur les tardigrades. Ann. des sciences natur. 2. Serie. 1840. Pl. 17. Fig. 1—4. 2) Archiv f. mikr. Anatomie v. M. Schultze. Bd. I]. pag. 101. 3) Ann. d. scienc. nat. II. Serie 1843. Taf. XIX. pag. 299. 4) Mikr. Anat. Bd. II. 1. Hälfte. pag. 238. 5) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. V. 1854. pag. 234 und Bd. VH. 1856. pag. 26. 6) Wien. Sitzungsber. Bd. VHI. pag. 298. 7) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VII(. pag. 163. 8) Götting. Nachr. 1858. Nro. 1. pag. 11. 9) Arch. f. mikr. Anat. v. M. Schultze. Bd. 10. pag. 79. 10) Nach einer Notiz im Lehrb. d. Anatomie v. C. F. Th. Krause. Hannov. 1876. pag. 499. 384 E. Fischer: sache, die im Zusammenhalt mit den durch das Lö wit’sche Verfahren bei den höchsten Klassen der Wirbelthiere erhaltenen Resultaten vielleicht zu dem Satze berechtigt: Dem Prinzip nach kommt die EndigungderNervenfaser an derwillkürlichen Mus- kelfaser dadurch zu Stande, dassdieNervenfaser durch eine terminale Anschwellung mit der contraktilen Sub- stanz in Berührung tritt!). Diese terminale Anschwel- lung wird bei den höheren Klassen der Wirbelthiere meistfaserartigundcomplicirtsich durch Verzweigung, wodurch theils terminale Fasersysteme (bei den Am- phibien) theils Endplatten (bei den Reptilien, Vögeln und Säugern) gebildet werden. — Dem genannten Prineipe nun scheint der von Gerlach?) an- gezogene Befund Kleinenbergs?®) an Hydra einigermassen zu widersprechen. Nach dem letztgenannten Autor sind die zwischen Ektoderm und Entoderm verlaufenden Muskelfasern dieses Thieres Fortsätze von Ektodermzellen, d. h. sie stehen in Continuität mit den Reiz empfindenden und leitenden Zellen. Nimmt man aber an, dass mit der Vereinfachung der Organisation die Contiguität zwischen Reiz leitenden und sich verkürzenden Fasern in eine Continuität über geht, was allerdings hypothetisch ist, so lässt sich auch das Verhältniss bei Hydra dem erwähnten Prinzipe unterordnen und muss mit diesem sogar in ähnlicher Weise in Beziehung gebracht werden, nachdem für die Muskelfaser der höheren Wirbelthiere die Existenz 1) Nach dem übereinstimmenden Ergebniss sämmtlicher mittelst der Goldmethode angestellter Untersuchungen ist es klar, dass bei den höheren Wirbelthieren zwischen Nerven- und Muskelsubstanz stets nur eine Contig- nität, nie eine Continnität vorhanden ist Der Contakt zwischen contraktiler und nervöser Substanz scheint aber ein direkter nur bei den Amphibien zu sein, weil diesen dis granulirte Plattensohle fehlt, bei den übrigen Klassen der Wirbelthiere scheint dasselbe durch die feinkörnige Protoplasmaunter- lage vermittelt zu werden, die von den Autoren für die Endplatten beschrieben ist. Doch lässt sich an Goldpräparaten, so viel ich gesehen habe, niemals eine Beziehung der Endplatten-Fasern zu dem vielleicht als gefärbte Platten-- sohle zu betrachtenden Goldniederschlag, den ich bei den Endplatten be- schrieben habe, nachweisen. 2) 1. e. pag. 15 und 56. 3) Hydra. Eine anatomisch -entwicklungsgeschichtliche Untersuchung. Leipz. 1872. pag. 11. Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 385 intravaginaler Nervenfasernetze, mit welchen Gerlach die Neuro- muskelzellen von Hydra verglichen, nach dem Voranstehenden be- stimmt in Abrede zu stellen ist. Anlässlich einer Angabe von W. Krauset), dass auch an den Muskelfäden des Herzfleisches die Nervenfasern mit Endplatten endigen, habe ich auch den Herzmuskel (des Hundes) unter Anwen- dung der Löwit’schen Methode vergoldet. Die hiebei erhalteneen Resultate sind folgende: Unter den Muskelfasern, welche bei der Vergoldung an vielen Stellen der Muskelstückchen vollkommen farb- los geblieben waren, verlaufen in ungemein grosser Menge und meist parallel der Längsrichtung der Muskelfäden gestellt, intensiv ge- schwärzte Nervenfasern von sehr verschiedener Dicke, deren hervor- stechendstes Merkmal darin liegt, dass sie unter einander sehr zahl- reiche Verbindungen eingehen, wodurch langmaschige Netze zu Stande kommen. Diese den Muskelfäden parallelen Nervenfasern kommen durch alimähliche Theilung aus sehr dicken Fasern hervor (s. Fig. 31), die häufig senkrecht oder schief, manchmal auch parallel zur Längs- richtung der Muskelzüge herantreten. Was ihre Endigung anbelangt, so waren Endplatten niemals aufzufinden, statt derselben sah ich, ausser scheinbar frei endenden Fasern, auf die ich gleich zurück- kommen werde, nur netzförmige Vereinigungen der Nervenfasern, welche sowohl unter den feinen, wie unter den gröberen Fasern zu Stande kommen (s. d. Figg. 28 und 29). Nun ist es nicht unwahr- scheinlich, dass diesen Nervenfasernetzen die Bedeutung von Endnetzen zukommt; es ist nämlich die netzförmige Verbindung der Nerven- fasern ungemein häufig zu constatiren, ferner verbinden sich auch die feinsten Fasern auf diese Weise mit einander und endlich ist nie eine andere Art der Endigung mit. Sicherheit nachzuweisen. Gegen die erwähnten freien Enden der Nervenfasern nämlich ist einzuwenden, erstens, dass in diesen Fällen die betreffenden Nervenfasern nicht weiter zur Darstellung gelangt sein können und zweitens dass an diesen Enden (wie Fig. 28 bei a eines zeigt) kein besonderes die Endigung kennzeichnendes Verhältniss aufzufinden ist, sondern die Fasern wie abgerissen aufhören. Eine andere Erscheinung, die mit 1) Anatomie d. Kaninchens. Leipz. 1868. pag. 178. 386 E. Fischer: der Endigung in Beziehung gebracht werden könnte, ist eine hie und da sich findende lokale Goldfärbung der Muskelfäden; an manchen Stellen der letzteren nämlich findet sich ein eigenthümlicher körniger Goldniederschlag, der eine mehr oder minder lange Strecke der Mus- kelfäden einnimmt, an manchen Punkten am intensivsten vorhanden ist, und von hier aus nach beiden Seiten gegen die Enden der Mus- kelfäden hin allmählich verschwindet (s. Fig. 32). In diesem Nieder- schlag finden sich nicht selten dieselben lIinienförmigen Punktreihen, theils Quer- theils Längsstreifen darstellend, welche ich von den ver- goldeten willkürlichen Muskelfasern beschrieben habe. Dass sich nun mit den erwähnten goldgefärbten Stellen der Muskelfasern die Ner- venfasern verbunden hätten, war ich nie mit Sicherheit wahrzuneh- men im Stande, doch will ich die Möglichkeit eines solchen Zusam- menhangs nicht gänzlich in Abrede stellen. Was nun die Lagerung der beschriebenen, wahrscheinlich als terminal zu betrachtenden Nervenfasernetze im Verhältniss zu den Muskelfäden anbelangt, so zeigt vor Allem das (Querschnittsbild (Fig. 30), dass die Nervenfasern (wenigstens die stärkeren Calibers mit Bestimmtheit) zwischen den Muskelfäden gelegen sind. Die feinsten Fasern konnte ich an (uerschnitten allerdings nicht mit Sicherheit auffinden, doch fanden sich weder am Querschnitt noch auch am Längsschnitt Andeutungen vor, dass die Nervenfasern in das Innere der Muskelfäden eintreten. Ich glaube somit auch für die Nerven des Herzens einen intravaginalen oder intramuskulfren Verlauf in Abrede stellen zu dürfen. — Die Beschaffenheit der Ner- venfasern im Herzen anlangend, so zeigen dieselben erstens eine sehr wechselnde Dicke. Die feinsten Fasern, die ich wahrnahm, massen 0,001 Mm., die mittleren 0,003—0,010 Mm., die dieksten 0,015 bis 0,027 Mm. im Mittel. Ausgezeichnet sind die vergoldeten Nerven- fasern im Herzen zweitens durch Verdünnungen und Verdickungen, die sich während des Verlaufs in sehr ausgesprochener Weise und sehr zahlreich auftretend vorfinden (s. die Figg. 27—29) und dann durch intensiv geschwärzte Stellen, die theils längere und gleich- mässig dieke Strecken der Fasern betreffen (s. Fig. 28 bei b), theils auf die verdickten Stellen sich beschränken (Fig. 28 u.29c), welche dadurch als in eigenthümlicher Weise hervortretende intercalare Anschwel- lungen sich darstellen. Diese intensive Färbung, welche manche Stellen der Nervenfasern bei der Vergoldung annehmen, ist aber nicht, wie man vermuthen könnte, dadurch bedingt, dass diese Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 887 Stellen von markhaltigen Strecken der Nervenfasern gebildet werden. Es zeigt nämlich die Behandlung des lebenswarmen Herzmuskels mit Osmiumsäure, dass zwischen den Muskelfäden keine entsprechen- den tintenschwarz gefärbten Stellen hervortreten, sondern die Schnitte des Muskels stellen sich ihrer ganzen Ausdehnung nach an jeder Stelle gleichmässig gelblich oder grünlich gefärbt dar. Fasse ich nun das Verhalten der Nerven in der Herzmuskulatur noch kurz zusammen, so ergibt sich, dass die durch Theilung aus den dicksten Nervenfasern hervortretenden Fasern zwischen den Mus- kelfäden und parallel deren Längsaxe hinziehen und hiebei durch Verbindung unter einander Netze mit sehr langgestreckten Maschen bilden. Während ihres Verlaufs verdünnen und verdicken sich die Fasern sehr häufig und zeigen oft eigenthümliche durch besonders intensive Goldfärbung ausgezeichnete Stellen. — Zu bemerken habe ich noch, dass, wenn die terminale Bedeu- tung- der beschriebenen intermuskulären Nervennetze sich bestätigt, in Bezug auf die Nervenendigung im Herzen eine sehr grosse Ana- logie mit den von Löwit!) in jüngster Zeit über die Nerven der glatten Muskulatur gemachten Angaben sich herausstellen würde. Die vorliegenden Untersuchungen sind im hiesigen histologischen Laboratorium von Herrn Prof. Kollmann ausgeführt worden. Für die mir zu Theil gewordene überaus freundliche Unterstützung spreche ich Herrn Prof. Kollmann meinen besten Dank aus. * München, im April 1876. Kurz vor Abschluss vorliegender Arbeit erhielt ich eine jüngst erschienene Abhandlung von Dr. Leo Gerlach »Ueber die Nerven- endigungen in der Muskulatur des Froschherzens«. In dieser Ab- handlung stimmt L. Gerlach in Bezug auf die Nervenendigung in der willkürlichen Muskelfaser ganz mit J. Gerlach überein, in Be- zug auf die Nervenendigung im Herzen des Frosches hat er Nerven- netze gefunden, die theils die Muskelbündel, theils die Muskelzellen umspinnen. Von den letzteren Nervennetzen, die L. Gerlach in- tramuskuläre nennt, sollen feine Nervenfibrilien auch in das Innere der Muskelzellen eindringen können. Was nun die Aufrechterhaltung Uirlise: 388 E. Fischer: der Angaben von J. Gerlach durch L. Gerlach anbelangt, so muss ich auf die Resultate, die ich der Methode von Löwit ver- danke, gestützt, auch diesem Autor gegenüber die Existenz der intra- vaginalen Nervennetze in Abrede stellen, da er keine neuen Beweis- gründe für das Vorhandensein derselben beibringt. In Betrefi der Befunde L. Gerlach’s über die Nerven des Froschherzens steht mir kein Urtheil zu, da ich über die letzteren keine Untersuchungen gemacht habe. Die Angaben des genannten Autors stimmen übrigens, bis auf die Annahme, dass feine Nervenfasern ins Innere der Muskel- fäden eindringen können, ziemlich vollständig mit den Resultaten überein, die ich in Bezug auf das Verhalten der Nerven im Herzen des Hundes erhalten. Bei dem letzteren aber konnte ich, wie er- wähnt, nie ein Eindringen von Nervenfasern in Muskelfäden con- statiren. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV und XXVI. (Sämmtliche Figuren mit Ausnahme von Fig. 20 und 21 sind nach Gold- Ameisensäure-Präparaten gezeichnet.) Fig. 1 u. 2. Muskelfäden mit Endplatten in Flächenansicht vom Menschen. 1 mit Seibert Immers. VII/I. 2. m. VII/O. a Endanschwellungen der Terminalfasern. b Zugerundetes Ende derselben. ce Zugespitztes Ende derselben. d In den Verlauf der Fasern eingeschaltete Verdickungen. Fie. 3. u. 3A—C. Motorische Nervenendigung an Muskelfäden des Menschen ohne ausgeprägte Endplattenbildung. 3 mit Seibert Immers. VN/O. 3 A—C mit VII. a Endanschwellungen der Terminalfasern. d Intercalare Verdickungen derselben. Fig. 4. A u. B. Muskelfäden mit Endplatten in Seitenansicht vom Menschen. Seibert Immers. VIII. a Endanschwellungen der Terminalfasern. d Intercalare Verdickungen derselben. vn > Ueber d. Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 389 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 5 u. 6. Muskelfäden mit Endplatten in Flächenansicht vom Meerschwein- chen. Seibert Immers. VIl/I. a Endanschwellungen der Terminalfasern. b Zugerundetes Ende derselben. ce Zugespitztes Ende derselben. d Intercalare Verdickungen. e Isolirte Verdickungen. 7. Muskelfaden mit Endplatte in Seitenansicht vom Meerschweinchen. Seibert Immers. VII/I. a Endanschwellungen der Terminalfasern. b Zugerundetes Ende derselben. e Isolirte Verdickungen. ig. 8, 9A u. B. Muskelfäden mit Endplatten in Flächenansicht vom Hund. Seibert Immers. VII/O. a Endanschwellungen. d Intercalare Verdiekungen. . 10. Muskelfaden mit Endplatte in Seitenansicht vom Hund. Seibert Immers. VII/O. e Isolirte Verdickungen. . 11. Muskelfaden mit Endplatte in Flächenansicht vom Schwein. Seibert Immers. VII/I. a Endanschwellungen. d Intercalare Verdickung. e Isolirte Verdickungen. 11 A u. B. Muskelfäden mit Endplatten in Flächenansicht vom Kaninchen. Seibert Immers. VII/I. a Endanschwellungen. d Intercalare Verdickungen. e Isolirte Verdickungen. 11 C. Muskelfaden mit Endplatte in Flächenansicht von der Katze. Seibert Immers. VII/I. a Wahrscheinlich Endanschwellung. (Der Zusammenhang der goldgefärbten Fasern nicht erhalten, wes- wegen sie isolirte Verdiekungen darstellen.) 12. Muskelfaden mit Endplatte in Flächenansicht von der Ente. Seibert. Immers. VII/I. a Endanschwellungen. 13 u. 14. Muskelfäden mit Endplatten in Flächen- und theilweise auch in Seitenansicht von der Taube. Seibert. Immers. VII/I. a Endanschwellungen. 15. Muskelfaser mit Endplatte in Flächenansicht von Lacerta viridis (Oberarmmuskel) Seibert Immers. VII/I. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13, 25 390 Fig. Fig. E. Fischer: Endigung d. Nerven im quergestreiften Muskel d. Wirbelthiere. 16. iT: . 26. 21: , 20. . 30. en . 32. Muskelfaden mit Endplatte in Seitenansicht aus einem Oberschenkel- Muskel desselben Thieres. Seibert Immers, VII/IIT. (Muskelstructur nach Immers. VII/III eingezeichnet.) Stück einer vergoldeten Muskelfaser von demselben Thiere. Seibert Immers. VII/II. . Muskelfaden mit der Nervenendigung vom Frosch. Seibert Immer- sion VII/I. (Die Fasern d und e sind verkürzt gezeichnet.) . Motorische Nervenendigung vom Frosch, durch Druck vom contrak- tilen Inhalt getrennt. Seibert Immers. VII/O. a Kerne d. Terminalfasern von der Fläche, b dieselben von der Seite gesehen. . Muskelfasern mit Nervenendigung vom Frosch. Cohnheim’sche Methode. Seibert Immers. VII/T. . Muskelfasern mit Nervenendigung vom Frosch (Oberarm-Muskel). Gerlach’sche Methode. gl. Vergr. . Goldgefärbte Streifen aus einem Muskelfaden des Frosches. Unregel- mässiger, völlig gebogener Verlauf derselben, in Folge dessen die- selben netzförmig zusammen zu hängen scheinen. Seibert. Immers. VII/T. . Muskelfaden des Frosches mit Sprenkelungen, gl. Vergr. . Muskelfaden des Frosches, an welchem die Sprenkelungen (a) in parallele Längsstreifen (b) übergehen, gl. Vergr. . Stück einer Muskelfaser des Frosches. Beziehung der goldgef. Kör- perchen zu d. Querstr. Seibert Immers. VIT/l. Stück einer Muskelfaser des Meerschweinchens. Seibert Immers. VIT/T. Nervenfasern aus dem Herzen des Hundes. Nur die in einer Ein- stellungsebene gelegenen Fasern sind gezeichnet, um die Dichtigkeit der Lage derselben zu zeigen. Muskelfasern weggelassen. Hartnack vıı/s. . Netzförmig zusammenhängende Nervenfasern gröberen Calibers, eben- daher. Hartnack VIII/3. a Scheinbar feines Ende einer Nervenfaser. b Intensiv geschwärzte Stelle einer Nervenfaser. e Intercalare und intensiv geschwärzte Anschwellungen. Netzförmig zusammenhängende Nervenfasern feinsten Calibers, eben- daher. Seibert Immers. VII/T. Querschnitte der vergoldeten Muskelmasse des Herzens. Seibert Immers. VII/I. Verästelung einer dicken Nervenfaser. Uebergang in die der Längs- richtung der Muskelfäden parallel laufenden Nervenfasern, die später- hin netzförmig zusammenhängen. Oberhäuser Syst. 4/Ok.3. Muskelfäden des Herzens vom Hund, durch lokalen Goldniederschlag geschwärzt. Seibert Immers, VII/T. Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen. Von Dr. Alexander Brandt, Privatdocenten an der Universität zu St. Petersburg. Entgegen der allgemeinen Annahme, haben bekanntlich einige Forscher, so namentlich Böttcher (Virchow’s Arch. Bd. 36 u. 39), mittelst Reagenzen, in den rothen Blutkörperchen des Menschen einen Kern nachweisen wollen. Neuerdings ist Böttcher nochmals hierzuf zurückgekommen, wie aus einem Aufsatze zu ersehen ist, welchen er kürzlich der K. Akademie der Wissenschaften zu St. Peters- burg zum Drucke übersandt hat. Angeregt durch diesen Aufsatz, sah ich mich veranlasst einige Controlibeobachtungen anzustellen. Indem ich hiermit die bestätigend ausgefallenen Resultate derselben der Oeftentlichkeit übergebe, erlaube ich mir ihrer Darlegung einige Erwägungen vorauszuschicken, welche mir schon seit längerer Zeit theoretisch das Vorhandensein des fraglichen Kernes möglich er- scheinen liessen. Allerdings werde ich hierbei etwas weit ausholen. Bereits vor einer Reihe von Jahren fand ich Gelegenheit ein- gehendere Studien über das Blut der Sipunculiden zu machen). 1) Anatomisch -histol. Unters. üb. d. Sipunculus nudus L. St. Petersb. 1870. 4. (Auch in den Memoires de l’Acad. de St. Petersb. VII. ser. T. XVI. No.8.) — Sipunculus und Phascolosoma besitzen in ihrer Leibeshöhle ein hellröthliches Blut mit rothen und farblosen Blutkörperchen, deren Unter- suchung den Histologen nicht warm genug empfohlen werden kann. Es sind nämlich beide Arten von Blutkörperchen der genannten Würmer in Form und Farbe denen des Menschen höchst ähnlich, übertreffen sie jedoch an 392 Alexander Brandt: In den rothen Blutkörperchen von gegen 100 lebenden Sipunculus nudus, deren Blut an und für sich ohne jeden Zusatz untersucht wurde, konnte durchaus keine Spur eines Kernes wahrgenommen werden, während bei 2 Exemplaren, merkwürdiger Weise, in allen Blutproben viele oder auch sämmtliche Blutkörperchen einen deut- lichen Kern enthielten; — als eines dieser beiden Thiere am anderen Tage wieder angestochen wurde, boten seine Blutkörperchen keine Kerne mehr dar. Bemerkenswerth- ist es, dass die Blut- körperchen der dem Sipunculus so nahe stehenden Phascolosomen (Ph. laeve und granulatum) stets einen ganz exquisiten Kern zeigten, sich im Uebrigen aber von denen des Sipunculus kaum un- terscheiden liessen. In Anbetracht dieser Beobachtungen sah ich mich veranlasst die Frage aufzuwerfen, ob man nicht vielleicht an- nehmen dürfte, dass die Kerne labile Gebilde seien, die durch ganz leichte Einflüsse hervorgebracht oder sichtbar gemacht, aber auch wieder zerstört oder unsichtbar gemacht werden können? (Bei dieser Gelegenheit schon wies ich darauf hin, es könnten fort- gesetzte Untersuchungen an Sipunculiden das Ihrige dazu beitragen zu»erklären, wie es käme, dass bei den verschiedenen Wirbelthier- classen die rothen Blutkörperchen hier gekernt, dort nicht gekernt sind.) Nach Zusatz von Essigsäure tritt in den rothen Blutkörper- chen des Sipunculus ein rundes, umschriebenes Gebilde, ein Kern auf. Dieser liegt entweder central oder mehr oder weniger peri- pherisch und variirt beträchtlich in der Grösse. In ihm ist eine Anzahl kleiner, glänzender Körnchen eingebettet, die man immerhin als Kernkörperchen bezeichnen mag, obgleich ähnliche Körnchen hin und wieder auch im Protoplasma vorkommen. Auch zwei Kerne, statt des einen, wurden gelegentlich beobachtet. Sehr ähnlich in ihren optischen Erscheinungen ist die Einwirkung von Carminlösungen, welche überschüssiges Ammoniak enthalten. Der hierbei auf- tretende Kern erscheint bei stärkerem Zusatz dieses Reagenz viel intensiver gefärbt, als die übrigen Theile des Blutkörperchens. Je länger das Reagenz einwirkt, desto mehr vergrössert sich der Kern (Quellung ?). Grösse, die rothen um das Doppelte des Durchmessers. Dabei tragen die rothen eigenthümliche, auf amöboide Beweglichkeit zurückführbare Formen zur Schau, führen auch gelegentlich bereits bei Zimmertemperatur ergiebige Bewegungen aus und vermehren sich durch Theilung. \ r I Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen. 393 Unter den soeben angeführten Thatsachen ist, ohne Zweifel am merkwürdigsten erstens, dass von zwei so nahe stehenden Grenera das eine die Blutkörperchenkerne besitzt, das andere nicht; und zweitens, dass beim Sipunculus gelegentlich zeitweilige Kerne auf- treten. Neuerdings tauchte mir zur Erklärung dieser Thatsachen die Vermuthung auf, ob nicht das Verschwinden resp. anscheinende Fehlen des Kernes darauf beruhe, dass derselbe eine amöboid-zer- flossene, platte Gestalt annimmt; liess sich ja diese Vermuthung auch auf die Wirbelthiere ausdehnen zur Erklärung dessen, wie es käme, dass bei den Warmblütern die Kerne vermisst werden, nicht aber bei den Kaltblütern. Und in der That, in den farblosen Blut- körperchen und Uebergangsformen zu den rothen, sowie in den rothen des Embryo, fehlt der Kern ja auch beim Menschen und den übrigen Warmblütern nicht. Wenn er später wirklich zerstört werden sollte, warum fällt er hierbei nicht der sonst in der Regel eintretenden fettigen Degeneration anheim ? Allerdings könnte doch immerhin ausnahmsweise ein absterbendes Gebilde, statt zu dege- neriren, direct aufgelöst werden; doch wie kommt es, dass ein Pro- toplasma, welches bisher sich für den Kern als durchaus unschäd- liches, passendes Substrat auswies und bei anderen Thierformen zeit- lebens ausweist, mit einem Male den Kern in sich auflöst? Soll die eben angedeutete Vermuthung, ob nicht vielleicht das Fehlen des Kernes bei den Warmblütern ein scheinbares, durch seine amöboid-zerflossene Gestalt bedingtes sei, berechtigt erscheinen, so bedarf es zunächst des Nachweises, dass Blutkörperchen- kerne überhaupt contractil sein können. — In einer vor zwei Jahren publicirten Abhandlung!) widmete ich einen besonderen Abschnitt (p. 13—29) der Besprechung amöboider Erscheinungen an kernartigen Gebilden des Eies und der Zelle und führte hierbei unter anderem an, dass die Blutkörperchenkerne der Blatta von unbeständiger Gestalt sind: hier trifft man einen runden, dort einen länglichen oder eckigen. Eine ähnliche Inconstanz der Kernform fiel mir auch an den Blutkörperchen des lebenden, unverdünnten 1) Ueb. d. Eiröhren d. Blatta (Periplaneta) orientalis. St. Petersb. 1874. 4. (Auch in d. Memoires de l’Acad. de St. Petersb. VII. ser. T. XXI No. 12.) Eine kurze vorläufige Mittheilung, die activen Formveränderungen des Keim- fleckes von Periplaneta betreffend, erschieh in Bd. 10 dieses Archivs p. 505 bis 509. 394 Alexander Brandt: Blutes von Rana temporaria auf und veranlasste eine nähere Unter- suchung. Es erwies sich hierbei, dass die Kerne der rothen Blut- körperchen meistens zwar elliptisch, viele von ihnen jedoch lanzett- oder stabförmig, einzelne rund erscheinen. Die von verlängerter Gestalt waren gewöhnlich, doch lange nicht immer, der Länge nach in den betreffenden Blutkörperchen gestellt. Bald erschienen die Kerne, so besonders die mehr rundlichen und elliptischen, scharf umschrieben und auf ihrer Oberfläche glatt, bald von einem un- gleichmässigen, zackigen und höckerigen Contur begrenzt. In letz- terem Falle hätte man irrthümlich den Inhalt der Kerne für gra- nulirt halten können, während es nur ihre Oberfläche war. Ein genaueres Zusehen und Experimentiren bei erhöhter Temperatur auf einem heizbaren Objecttische ergab für die Kerne der Blutkör- perchen das Vorhandensein autochtoner Gestaltveränderungen, ähn- lich wie sie für die Kernkörperchen und Keimflecke von Anderen und mir selbst nachgewiesen wurden. Die Kerne der Froschblut- körperchen schienen mir allerdings in ihren Bewegungen träger, als die Keimflecke der Blatta zu sein. Uebrigens nehmen auch sie ge- legentlich sogar eine wolkenförmige Gestalt an!). — Wie wäre es 1) Erst unlängst wurde ich darauf aufmerksam, dass nicht alle Forscher den hellen Körper im Froschblutkörperchen für einen Kern ge- halten haben, ja dass man mitunter in ihm ein postmortales Gebilde hat erblicken wollen. So behauptet Funke (Lehrb. d. Physiol. 4. Aufl. Bd. I p. 17), dass die Froschblutkörperchen innerhalb der Gefässe des lebenden Thieres keinen Kern zeigen, »höchstens in einigen eine centrale Schattirung, welche für den Ausdruck eines Kernes gehalten worden ist, welche aber von der Convexität herrührt.« Erst wenn die Blutkörperchen in einem entleerten Tropfen einige Zeit ausserhalb des Organismus verweilt haben, so erscheine in ihrer Mitte ein ovaler Fleck, welcher wie ein Kern aussieht. Das fragliche Gebilde scheide sich im entleerten Blute unter dem Auge des Beobachters aus, wobei gleichzeitig der übrige Bläscheninhalt erblasst, es finde mithin im Blutkörperchen eine Zersetzung und Ausscheidung statt. — Um mir ein selbstständiges Urtheil über diese Funke’schen Angaben zu bilden, habe ich die in der Schwimmhaut des Frosches kreisenden Blutkörperchen mit System IX von Hartnack ins Auge gefasst. Hierbei habe ich Folgendes constatiren können. Es ist allerdings äusserst schwierig in den kreisenden, sich über einander schiebenden Blutkörperchen den Kern zu sehen, doch lässt er sich unschwer nachweisen, wenn man durch Unterbinden der Froschpfote den Blutstrom sistirt oder auf ein Minimum reducirt und vereinzelt in weniger breiten Capillaren liegende Blutkörperchen fixirt. In solchen gewahrte ich - Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen. 395 nun, wenn sich die wolkenförmig verschwommene Gestalt des Kernes in den rothen Blutkörperchen der Warmblüter' wiederfände? Aller- dings würde der in dieser Frage enthaltenen Hypothese erst dann der Stempel der Wahrscheinlichkeit aufgedrückt, wenn sich Fälle anführen liessen, in denen amöboides Verschwimmen kern- artiger Gebilde so weit geht, dass letztere sich den Augen erfahrener Beobachter gänzlich entziehen. Nun kommen aber solche Fälle in der That vor, wie ich neuerdings nachgewiesen habe). Bekanntlich wurde bisher, besonders nach Beobachtungen an viviparen Aphiden, angenommen, dass bei eintretender Embryonal- entwickelung des Insecteneies zunächst das Keimbläschen seinen Keimfleck verliere, und auch die darauf an Stelle des Keimbläs- chens tretenden Descendenten desselben keinen dem Keimflecke entsprechenden Körper enthielten. Diese Angaben beruhen aber auf einem ganz entschiedenen Irrthume, wie ich an Aphiden sowohl, einen durchaus unregelmässig gelappten, äusserst blassen Kern, konnte aber direct verfolgen, wie er im Verlaufe von einer Minute mehrmals ganz ex- quisit seine Gestalt änderte, sich wohl auch zeitweilig zur regelmässigen Ellipse gestaltete und alsdann scharf und äusserst deutlich als heller Körper markirte. Nach diesen Beobachtungen dürfte auch der letzte Zweifel an der Präexistenz des Kernes in den Froschblutkörperchen fallen und dürften gleich- zeitig die Angaben von Funke ihre naturgemässe Erklärung finden: inner- halb der Capillaren konnte er nämlich leicht den Kern übersehen, im ent- leerten Blute aber die gelegentliche Rückkehr eines amöboid gestalteten Kernes zu seiner scharf umschriebenen ursprünglichen Form für eine Neu- bildung durch Niederschlag ansehen. 1) Zur Kenntniss d. weibl. Sexualdrüsen d. Insecten. Vorl. Mitth. in: Bulletin de l’Acad. de St. Pötersb. XXI. p. 21—24 u. Mölanges biol. T. IX. p. 492—496. Die betreffende ausführliche Arbeit ist gegenwärtig unter der Presse und wird vor der Hand in russischer, später auch in deutscher Sprache erscheinen und zwar unter dem Titel: Vergl. Unters. üb. d. Eiröhren u. d. Ei d. Inseeten. (Wie schon in der vorläufigen Mittheilung angedeutet und in der ausführlichen Arbeit ein Langes und Breites auseinander gesetzt wird, halte ich die alte Ansicht für richtig, dass das Keimbläschen an sich die ur- sprüngliche Eizelle darstelle und der Keimfleck mithin nicht als Kernkörper- chen, sondern als Kern zu betrachten ist.) Das Schlusscapitel der Arbeit bespricht die bisher vorliegenden fremden und eigenen Beobachtungen über amöboide Formveränderungen an den einzelnen Formbestandtheilen des Eies und der Zelle. 396 Alexander Brandt: als neuerdings auch an anderen Insecten nachgewiesen habe. Der Keimfleck schwindet nicht, derselbe wird nur schwerer wahrnehm- bar, weil er immer mehr und mehr an amöboider Beweglichkeit zunimmt und meist eine irreguläre, verschwommene Gestalt dar- bietet. Dem entsprechend haben auch die näheren Descendenten des Keimbläschens alle einen verschwommenen, sich rastlos bewe- genden Keimfleck, welcher erst in den entfernteren Descendenten, den Embryonalzellen, eine concentrirtere Gestalt annimmt und leicht wahrnehmbar wird. Genau dasselbe bestätigte sich auch für die Eier von Distomum ceylindraceum !). Nach allem bisher Angeführten lag es nahe, bei den rothen Blutkörperchen der Warmblüter die Existenz eines Kernes zu ver- muthen, der sich in seinen amöboiden Eigenschaften zum Kern der farblosen Blutkörperchen und dem der rothen bei den Kaitblütern etwa so verhalten möchte, wie ein Keimfleck bei den Insecten zur Zeit der ersten Embryonalentwickelung zu einem solchen im wer- denden oder erst eben ausgebildeten Eie. Auf diesem hypothetischen Standpunkte angelangt, wurde ich von der neuen Böttcher’schen Arbeit angenehm überrascht und ergriff daher mit Freuden die Ge- legenheit, dessen Originalpräparate zu prüfen, welche Herr Akade- miker Owsjannikow die Gewogenheit hatte, mir anzuvertrauen. Diese Präparate, zwei an der Zahl, stellen mit Alkohol behandelte Blutkörperchen dar. Das eine davon ist mit Haematoxylin, das andere mit Anilinroth gefärbt. Das erstere ist leider ausgeflossen und zur Untersuchung wenig tauglich, das zweite hingegen ist um so ausgezeichneter. An diesem glaube ich nun in der That mit der grössten Bestimmtheit, bereits mit System XI, und noch ungleich besser mit System XV, von Hartnack den Kern sehen zu können. Allerdings bedarf es hierzu einer genauen Einstellung des Tubus auf den grössten Querschnitt?) der Blutkörperchen, wobei diese aussen eine sehr helle Zone zeigen, auf welche ein dunkler Ring und dann ein ziemlich helles Mittelfeld folgt. In letzterem liegt nun mehr oder weniger central ein vom Anilin merklich dunkler 1) Hieran reiht sich das in einer der vorstehenden Anmerkungen Ge- sagte über das angebliche Fehlen des Kernes im lebensthätigen Blutkörper- chen des Frosches. N 2) Cf. A. Rollett in Stricker, Handb. d. Lehre v. d. Geweben, p. 274. De nn u u u Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen. 397 gefärbter, unregelmässig, »amöboid« gestalteter Fleck, hinreichend scharf differenzirt, um als Kern gelten zu können. Jedermann weiss zur Genüge, wie leicht bei Anwendung von Reagenzen histologische Kunstproducte entstehen, und dass sich daher in der neueren Zeit das Bestreben Bahn gebrochen, die histo- logischen Objecte, wo irgend möglich, lebend in indifferenten Medien zu studiren; kann man doch gewiss mit Fug und Recht den Satz aufstellen, dass ein jeder mit Hülfe von Reagenzen gewonnene Befund so lange mit Misstrauen zu betrachten ist, bis es gelingt, ihn am lebenden Präparat zu bestätigen. Von dieser Maxime ausgehend, habe ich nun wiederholentlich die rothen Blutkörperchen des Men- schen in frischem Hühnereiweiss untersucht, mit welchem ich über- haupt in den letzten Jahren die günstigsten Erfahrungen gemacht habe. Auf die Spitze eines Fingers wird ein Tröpfchen Eiweiss gebracht und darauf mit einer Nadel die Haut an der entsprechen- den Stelle angestochen, so dass ein Minimum von Blut sich direct dem Eiweisstropfen beimischt. Dieser wird nunmehr auf einen Ob- jeetträger gestrichen und mit einem verhältnissmässig grossen Deck- gläschen bedeckt, damit er sich in möglichst dünner Schicht aus- breite und hierdurch das störende Hin- und Herflottiren der Blut- körperchen vermieden werde. Zunächst suchte ich mir möglichst genau die successiven Ansichten, welche ein und dasselbe Blutkör- perchen bei verschiedenen Einstellungen der Mikrometerschraube bietet, einzuprägen, so namentlich die abwechselnde Zu- und Abnahme der Flächenausdehnung, das Wechseln von Hell und Dunkel in den einzelnen Zonen, ferner die Spiegelungserscheinungen dieser für die Untersuchung so ungünstig geformten Gebilde nach Kräften zu be- rücksichtigen. Ferner wurden auch mit dem Deckgläschen gequetschte Präparate, in welchen die Blutkörperchen stachelig und höckerig geworden, geprüft. Ich erwähne dieser einfachen, so selbstverständ- lichen Vorsichtsmassregeln, um der Beschuldigung vorzubeugen, als hätte ich ohne Weiteres irgend einen centralen Schatten, Reflex oder optischen Durchschnitt einer höckerigen Hervorragung für einen Kern genommen. Dasjenige Gebilde, welches ich für einen solchen zu halten geneigt bin, entspricht in Gestalt und Lage genau dem Böttcher’schen Kern und tritt, wie dieser bei der mittleren Focal- einstellung, wenn die Blutkörperchenscheibe am grössten und gleich- zeitig aussen vollkommen scharf umschrieben erscheint, hervor. Man gewahrt alsdann, um es nochmals zu wiederholen, an dem Blut- 398 Alexander Brandt: Bemerk. über d. Kerne d. rothen Blutkörperchen. körperchen aussen eine sehr helle Zone, welche nach innen ver- schwommen in einen sehr dunkelen Saum übergeht; auf diesen folgt ein Mittelfeld, welches wiederum hell, doch dunkler, als die Rand- zone ist. Nahezu im Centrum dieses Mittelfeldes bemerke ich nun stets einen Fleck, welcher etwas dunkler als seine unmittelbare Um- gebung erscheint. Seinen Durchmesser schätze ich annähernd auf 0,001 Mm.; seine Form ist unregelmässig rundlich oder sternförmig, in jedem einzelnen Körperchen verschieden, sein äusserer Contur fein, aber durchaus scharf. Aeusserst platt und unregelmässig um- schrieben, wie er ist, konnte der Kern bei seiner Kleinheit leicht, besonders bei Anwendung von weniger starken Vergrösserungen, als beispielsweise Syst. XV Hartn., übersehen werden, obgleich es kaum einen Mikroskopiker geben dürfte, der nicht mit besonderem Interesse die Blutkörperchen studirt hätte. Wäre nicht dieser letztere Umstand und hätten wir es vielmehr mit einem wenig bekannten oder neuen histologischen Gebilde zu thun, so würde ich mit apo- dictischer Bestimmtheit die Existenz des fraglichen Kernes behaupten. So aber zwingt die Vorsicht immerhin zur Reserve. Daher soll denn auch die gegenwärtige Notiz lediglich den Zweck haben, die Auf- merksamkeit erfahrener Beobachter abermals auf die Frage vom Sein oder Nichtsein des Kernes zu richten, und zwar vom neuen Standpunkte der muthmasslichen amöboiden Eigenschaften dieses Gebildes aus. (Active Formveränderungen habe ich an dem fraglichen Kern allerdings nicht mit Bestimmtheit wahrnehmen können, doch dürfte dies übrigens auch nicht leicht sein, wenn man bedenkt, wie klein und dünn der Kern ist und welchen relativ grossen Einfluss auf seine scheinbare Gestalt schon die geringsten Verschiebungen am Mikroskope ausüben müssen.) . Tg ur 1 a u ee Zu. a ne au EZ: i Ueber das Verhältniss der nervösen und contractilen Substanz des quergestreiften Muskels. Von Prof. 3, Gerlach in Erlangen. Hierzu Tafel XXVII. Das wesentliche Ergebniss der in dem vorigen Jahre von mir veröffentlichten Schrift: Ueber das Verhältniss der Nerven zu den willkürlichen Muskeln der Wirbelthiere, bestand in dem Nachweise, dass der contractile Inhalt des Sarcoleınmas der Muskelfäden ganz und gar durchsetzt ist von einer Substanz, welche in continuirlichem Zusammenhang steht und demnach identisch ist mit jener, die den Axencylinder der Nerven bildet. Damit musste die frühere Ansicht über die Beziehungen der Nerven zu den will- kürlichen Muskeln, nach welchen die ersteren in besonderen Termi- nalorganen, kurz nach dem Durchtritt durch das Sarcolemma en- digen sollten, fallen und das Verhältniss der Nerven zu den Muskeln in der Art aufgefasst werden, dass an allen Stellen der Muskelfäden neben der eigentlich contractilen, auch Nervensubstanz vorhanden sei. Ich characterisirte dieses Verhältniss der Nerven zu den Muskeln mit Kleinenberg!), der auf vergleichend histologischem Wege bei Wirbellosen zu derselben Anschauung gelangte, kurz durch den Satz: Die Muskeln sind als die contractilen Endausbrei- tungen der Nerven zu betrachten. 1) Hydra. Eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuchung, Leipzig 1872. 400 J. Gerlach: Nur durch die Goldmethode war es möglich, das Verhalten der Axenfasern in den Muskelfäden weiter zu verfolgen und zwar lassen sich die mittelst dieser Methode gewonnenen Resultate in folgenden drei Punkten zusammenfassen: 1) Es existirt innerhalb des Sarcolemmas ein Axenfasernetz, welches die contractile Substanz durchzieht, das intravaginale Ner- vennetz. 2) Bei günstiger Goldeinwirkung erscheint der ganze Muskel- faden von strichartigen Punkten durchsetzt und zwar haben diese gesprenkelten Stellen ganz dieselbe Farbe, wie die intravaginalen Nerven. Demnach muss in dem contractilen Inhalt des Sarcolem- mas eine Substanz vorhanden sein, welche Goldsalze in derselben Weise reducirt, wie die intravaginalen Nerven. 3) Durch weitere Behandlung der Goldpräparate mit Cyankali gelingt es den sicheren Nachweis zu führen, dass zwischen den in- travaginalen Nerven und diesen Sprenkelungen directe Continuitäts- beziehungen existiren. Diese drei mittelst der Goldmethode gewonnenen Untersuchungs- ergebnisse in irgend eine Beziehung mit den bis jetzt bekannten Structurverhältnissen des quergestreiften Sarcolemmainhaltes zu bringen, schien zunächst unmöglich und ich beschränkte mich daher in meiner ersten Mittheilung über das Verhältniss der Nerven zu den quergestreiften Muskeln !) auf die Bemerkung, dass von den beiden in dem contractilen Sarcolemmainhalt von Brücke nach- gewiesenen Bestandtheilen die eine wegen ihres continuirlichen Zu- sammenhanges mit den intravaginalen Nerven als nervös anzusehen sei. Dass diese nervöse Eigenschaft nicht dem doppeltbrechenden, sondern dem isotropen Bestandtheil des Sarcolemmainhalts zukomme, schloss ich aus der isotropen Beschaffenheit des Axencylinders. In dem Sommer dieses Jahres spielte mir der Zufall eine Me- thode in die Hand, welche geeignet sein dürfte die Beziehungen des nervös-isotropen zu dem anisotropen Bestandtheil der quergestreiften Muskulatur etwas mehr aufzuhellen. Schon lange benutze ich als ausgezeichnetes Mittel zur Isolation der Muskelfäden, namentlich der sich vielfach ramifieirenden aus der Zunge des Frosches, ver- dünnte Salpetersäure mit Glycerinzusatz. Zunächst um durch Iso- 1) Sitzungsberichte der physik.-med. Societät zu Erlangen. Heft V. pag. 93. Jahrg. 1873. cr Das Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 401 lation der Muskelfäden auf längere Strecken die Nerveneintritts- stellen besser wahrnehmen zu können, legte ich feine Bündel ver- goldeter Muskelfäden in eine derartige Mischung, wobei ich jedoch die Salpetersäure durch Salzsäure ersetzte und zwar nahm ich ein bis zwei Theile Säure auf 20 Theile Glycerin vermischt mit der gleichen Menge destillirten Wassers. Durch mehrtägiges Liegen in dieser Mischung wird die Isolation der Muskelfäden allerdings er- leichtert, jedoch nicht in dem Grade, als dieses bei nicht mit Gold behandelten Muskeln der Fall ist. Dagegen tritt bei Muskelfäden, welche mehrere Tage in der Glycerinsäure-Flüssigkeit gelegen haben, die Vertheilung der intravaginalen Nerven viel deutlicher hervor und zwar auch an solchen, welche nach der Goldbehandlung die diffuse bläulich-violette Färbung zeigen. Dieses ist aber um so werth- voller, da ja die günstige Goldeinwirkung, unter deren Einfluss die intravaginalen Nerven sowie die eigenthümliche Sprenkelung der contractilen Substanz schon ohne weiteren Zusatz sichtbar werden, nur ausnahmsweise eintritt und die diffuse Färbung die Regel ist. Lässt man die vorher mit Gold behandelten Muskelfäden länger als drei Tage in der Säureglycerinmischung liegen, so beginnt unter gänzlichem Verluste der Querstreifung eine merkwürdige Farben- differenzirung in dem diffus gefärbten Objecte. Der früher gleich- mässig mehr oder weniger intensiv bläulich-violett gefärbte Muskel- faden wird lichter und exquisit längsgestreift (Fig. 1). Die Längs- streifen liegen gegen 3 «. von einander entfernt und sind kaum 1 u. breit. Der von der Behandlung mit der sauren Glycerinflüs- sigkeit-diffus blau-violett gefärbte Muskelfaden zeigt jetzt sehr in- tensive roth-violette Längsstreifen, während die zwischen den Längs- streifen befindliche Substanz nur einen blassen Farbenton besitzt. Die dunklen Längsstreifen sind durchaus nicht gleichmässig breit, sondern breitere Stellen sind durch haarfeine Fädchen verbunden, welche letztere bis zum Verschwinden dünn werden können. Nur ganz ausnahmsweise und zwar in der Regel nur in der unmittel- baren Nähe der Nerveneintrittsstellen sind quer oder schräg ver- laufende Linien zu sehen, welche gleich intensiv roth-violett gefärbt, benachbarte Längsstreifen untereinander verbinden (Fig. 5 u. 6). Unterwirft man Muskelfäden, bei welchen das Goldsalz keine diffuse Färbung, sondern die sogenannte günstige Wirkung, durch die eigenthümlich dunkelrothe Sprenkelung der contractilen Substanz characterisirt, hervorgerufen hatte, der Behandlung mit der sauren 402 J. Gerlach: Glycerinflüssigkeit, so treten auch hier die Längsstreifen unter Ver- lust der Sprenkelung mit tiefrother Farbe auf, während die Zwischen- substanz nahezu farblos erscheint. Dass man durch längere Behandlung mit verdünnten Säuren an frischen Muskelfäden dunkle Längsstreifen durch breitere farb- lose Bänder geschieden hervorrufen könne, war mir längst bekannt und in meiner oben erwähnten Schrift findet sich auf Taf.I Fig. 4 eine derartige Abbildung eines Muskelfadens des Frosches zehn Stunden nach dem Tode mit Argent.nitr., das die Muskelkörperchen braun färbte und hierauf mit Salzsäure 1 pro Mille behandelt, welche die Längsstreifen deutlich erkennen lässt. Auch in dem Handbuch der Histologie von Frey!) ist pag. 298, Fig. 285 ein Muskelfaden des Frosches nach längerer Einwirkung sehr verdünnter Salzsäure abgebildet, an welchem die Längsstreifen fast zu scharf markirt hervortreten. Das Auffallende in unserem Falle ist aber dieses, dass die länger fortgesetzte Einwirkung verdünnter Säuren auch an mit Gold behandelten Muskelfäden die Längsstreifen in der Art zur Erscheinung bringt, dass, während früher der Goldniederschlag mehr oder weniger gleichmässig über dem ganzen Muskel verbreitet war (diffuse Färbung), jetzt derselbe nach der längeren Säureeinwirkung hauptsächlich an den Längsstreifen haftet und sich dahin von den übrigen Theilen des Sarcolemmainhalts gleichsam zurückzieht. Noch schärfer tritt diese Scheidung zwischen dunklen Längsstreifen und lichten Zwischenbändern hervor, wenn man dem Präparate eine 1%/,ige Lösung von Cyankali zusetzt. Dadurch werden nämlich die Zwischen- bänder noch heller, während die tief roth-violetten Längsstreifen an Farbenintensität kaum etwas verlieren. Eine längere Einwirkung des Cyankalis. auf den vergoldeten und mit der Glycerinsäuremischung behandelten Muskelfaden bewirkt aber noch eine andere auffallende Erscheinung. Es tritt nämlich an verschiedenen Stellen eine Sprengung des Sarcolemmas der Mus- kelfäden ein und aus den dadurch entstandenen Oefinungen tritt in grösseren oder geringeren Massen der Inhalt aus. Diese Sprengung der Sarcolemmaschläuche und der Austritt ihres Inhalts scheint durch die alkalische Beschaffenheit des Cyankalis bedingt zu sein; denn noch viel intensiver wird das Phänomen, wenn man statt der Cyankalilösung Glycerin, dem eine geringe Quantität caustischen 1) 4. Auflage. Leipzig 1873. Das Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 403 Kalis zugesetzt ist, angewendet. Es reisst das Sarcolemma dann mächtig ein und in einem sehr lebhaften Strome fliesst dessen In- halt in ganz kleine Partikelchen zerbröckelt aus. Eine weitere mikroskopische Analyse dieser Partikel, die übrigens ach sehr rasch zerfliessen, war mir nicht möglich. Dagegen sind die grösseren Massen des Sarcolemmainhalts, welche nach Behandlung mit Cyan- kali austreten, morphologisch in hohem Grade interessant. Dieselben sind zum Theil länger, zum Theil sehr kurz. Die ersteren präsen- tiren sich in dem Längsschnitt, während die letzteren wegen ihrer Kürze den Querschnitt dem beobachtenden Auge zuwenden. Be- sitzen die austretenden Massen keinen sehr grossen Querdurchmesser, so können an demselben Objecte gleichzeitig Längsschnitt und Quer- schnitt beobachtet werden Fig. 4. Zuerst von dem Querschnitt Fig. 2. Es haben mich wenige Bilder, die ich zum erstenmal in meinem Leben sah, so überrascht als diese Querschnitte, da ich mir nach dem, was ich an dem unverletzten noch von dem Sarcolemma um- gebenen Muskelfaden gesehen hatte, eine ganz andere Vorstellung von dem Querschnitte derselben gemacht hatte. Auf den ersten Blick war es mir nämlich klar, dass ich hier ein ganz exquisites Bild jenes morphologischen Verhältnisses vor mir hatte, das in der Histologie unter dem Namen der Cohnheim’schen Felder bekannt ist. Cohnheim !) beschrieb nämlich schon 1865 an von Quer- schnitten frischer Muskeln, welche unmittelbar, nachdem sie dem lebenden Thiere entnommen, zum Gefrieren gebracht und dadurch schnittfähig geworden waren, mosaikartige dreieckige, viereckige und fünfeckige Felder einer matten Substanz, die von einander ‘durch schmale Säume einer durchsichtigeren Substanz geschieden werden. Auch zeigte bereits Cohnheim, dass nach Behandlung mit Argent. nitr. sich die matte Substanz der Felder färbt, während die durch- sichtige Zwischensubstanz ungefärbt bleibt, eine Thatsache, welche deshalb von Bedeutung ist, weil damit schon von vorneherein eine nahe liegende Hypothese, die zwischen den Feldern befindliche Masse als eine Art Kittsubstanz zu beobachten, ausgeschlossen ist. Diese eigenthümlichen an dem Muskelquerschnitt wahrnehmbaren Structur- verhältnisse, welche bereits Steffan ?) an dem Querschnitt getrock- 1) Ueber den feineren Bau der quergestreiften Muskelfaser in Virchow’s Archiv. Bd. 34. pag. 606. 2) Die kernähnlichen Gebilde des Muskelprimitivbündels. Inaugural- Dissertat. Erlangen 1860. Taf. I. Fig. 4 und 5b. 404 J. Gerlach; neter und dann mit Essigsäure behandelter Muskeln allerdings in einer durch das Trocknen etwas verzerrten Gestalt gesehen und ab- gebildet hatte, von denen aber erst Cohnheim zeigte, dass sie keine postmortale Erscheinung, sondern auch in dem lebenden Muskel nachweisbar sind, wurden von den späteren Autoren über Muskel- structur weniger beachtet, da man sich mehr an die verschiedenen und das Auge so sehr fesselnden Arten der Querstreifung hielt, was zur Aufstellung einer neuen Hypothese des Muskelsbaus führte, zu der sogenannten Kästchentheorie, in welche die Cohnheim’schen Felder nicht gut passten. Ausser Kölliker!), welcher kurz nach Cohnheim den Muskelschnitt mit Rücksicht auf die Angaben dieses Forschers untersuchte, hat hauptsächlich nur Engelmann?) in einer Abhandlung, welche weitaus Alles überragt, was in neuerer Zeit auf diesem Gebiete der Histologie erschienen ist, auf die Cohn- heim’schen Felder Rücksicht genommen und gezeigt, dass man in vielen Fällen, namentlich gut beim Krebs, aber auch bei anderen Arthropoden und bei Wirbelthieren, bei guter centrischer Beleuch- tung und mit den besten Linsen die Zusammensetzung dieser Felder aus kleinen, durch äusserst schmale Zwischenräume von einander getrennten Kreisen direct beobachten könne. Die Felder entsprechen also nicht den doppelt brechenden sarcous elements, den Disdiaklasten von Brücke, wie Cohnheim glaubte, sondern jedes Feld stellt ein Aggregat dieser kleinsten, den Molekülen schon näher stehenden doppelt berechenden Körperchen dar. Kehren wir nun zu dem Bilde, welches im Querschnitt der mit Gold und dann mit angesäuertem Glycerin behandelte Mus- kelfaden bietet, zurück, so erscheinen die Cohnheim’schen Felder äusserst blass gefärbt, nahezu farblos aber nicht ganz homogen, sondern sehr fein granulirt, ohne dass jedoch diese Granulirung durch irgend welche Farbendifferenz angedeutet ist. Die saumartige Umgebung der Felder, Cohnheims durchsichtige Substanz, ist da- gegen tief roth-violett gefärbt. Die Breite dieser dunkelrothen Säume erscheint aber an verschiedenen Stellen durchaus nicht gleich; 1) Ueber die Cohnheim’schen Felder der Muskelquerschnitte in der Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie 1866. Bd. XVI. pag. 374. 2) Mikroskopische Untersuchungen über die quergestreifte Muskelsub- stanz in Pflüger’s Archiv. Bd. VII. Erster Artikel pag. 33. Zweiter Artikel pag. 155. Taf. II. Fig. 50 und 31. Das Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 405 an den meisten Stellen sind sie ausserordentlich fein, während an den Knotenpunkten, an welchen der Zusammentritt der die Felder tren- nenden Linien stattfindet, der Durchmesser der Säume um das Drei- bis Vierfache zunimmt. In dem zweiten Holzschnitt, welcher der Abhandlung von Kölliker beigegeben ist und der den Querschnitt eines gefrorenen und hierauf mit verdünnter Essigsäure behandelten Muskelfadens des Frosches darstellt, tritt an zahlreichen, wenn auch nicht an allen Knotenpunkten diese Verdickung der intramediären Substanz prägnant hervor. Auch an den beiden Figuren der Steffan’schen Dissertation ist dieses Verhältniss deutlich wieder zu erkennen, während an den Gohnheim ’schen Bildern die Verdickung an den Knotenpunkten fehlt. Da Cohnheim seinen Präparaten keine Säure zusetzte, was bei jenen von Kölliker und Steffan ge- schah, so scheint die Einwirkung von Säuren in causaler Beziehung zu dem Auftreten dieser Verdickungen an den Knotenpunkten der Umsäumung der Cohnheim’schen Felder zu stehen. Diese Ver- diekungen machen auch das Bild des Längsschnitts verständlich, an welchem von dem feinen Theile der Umsäumung gar nichts zu sehen ist, während nur der verdickte unter der Form von Längs- - streifen auftritt. Die Cohnheim’schen Felder des Querschnitts er- scheinen auf dem Längsschnitt als die nahezu farblosen Zwischen- bänder, welche von einander durch die intensiv gefärbten Längs- streifen getrennt werden. Hie und da finden sich auf dem Querschnitt auch Muskelkörperchen Fig. 2a. Dieselben liegen niemals in den Cohnheim’schen Feldern sondern immer in der intermediären roth-violett gefärbten Substanz, welche an den betreffenden Stellen etwas verbreitert auftritt. Die Muskelkörperchen bestehen aus einer ovoiden centralen Substanz, welche die Hauptmasse derselben bildet und kaum die Andeutung einer Färbung zeigt, dem Kern und einer diesen umgebenden tief roth-violetten Umsäumung, welche in Con- tinuität mit der zwischen den Coh nheim’schen Feldern befindlichen intermediären Substanz steht und von derselben weder durch eine Farbennüance, noch durch eine sonst wahrnehmbare Differenz ge- schieden ist. ; Auch der Längsschnitt der aus dem Sarcolemma ausgetretenen Massen Fig. 3 wird dadurch lehrreich, dass gewisse Verhältnisse der gefärbten Längsstreifen zu den blassen Zwischenbändern wahrnehm- bar werden, welche an dem ganzen von dem Sarcolemma noch um- gebenen Muskelfaden deshalb weniger deutlich sind, weil eine haar- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 26 406 J. Gerlach: scharfe Einstellung des Sarcolemmainhaltes wegen der Dicke der Muskelfäden nicht möglich ist. Die an sich schon dünneren aus- getretenen Massen dagegen vertragen einen gewissen Druck, durch welchen sie in eine Ebene von verschwindender Dünne übergeführt werden können, ohne dass merkliche Zusammenhangstrennungen an denselben sichtbar werden. An derartigen Präparaten zeigt sich, dass die Längsstreifen eine sehr verschiedene Breite besitzen Können; denn während die feinsten in ihrem Durchmesser unter 1 «. fallen, messen die andern nahezu 2 u. Die Contouren der Längsstreifen sind nie glatt, sondern immer mehr oder weniger zackig. Sind diese zackigen Hervorragungen besonders stark ausgesprochen, so ist namentlich an solchen Längsstreifen, welche durch Druck mehr isolirt worden sind, eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung der Zacken nicht zu verkennen. Dieselbe giebt sich dadurch kund, dass einmal zwei Zacken in gleicher Höhe von den Längsstreifen abgehen , sowie dadurch, dass die Abstände zwischen dem Abgang von je zwei Zacken nahezu die gleichen sind. Die Annahme, dass diese Verhältnisse in Beziehung zu der Querstreifung des Sarcolem- mainhaltes stehen, liegt ausserordentlich nahe und wird auch direet durch die Beobachtung in der Art bestätigt, dass das Bild von Querstreifung an diesen ausgetretenen Massen um so deutlicher wird, je mehr das zackige Verhalten der Längsstreifen entwickelt ist. Auch an dem Längsschnitt sind Muskelkörperchen zu sehen Fig. laa. Dieselben sind hier länger gestreckt, als an dem Querschnitt, be- stehen aber hier wie dort auseiner centralen farblosen Hauptmasse, dem Kern, welcher von einem nur an den beiden Endpolen etwas brei- teren rothvioletten Hofe umgeben ist, der sich dann weiter continuirlich in die Längsstreifen fortsetzt. Die Anzahl der Muskelkörperchen erscheint an dem Längsschnitt immer beträchtlicher, alsan dem Quer- schnitt. Vergleicht man das Bild, welches der mit Gold behandelte Mus- kelfaden bei günstiger Goldeinwirkung bietet mit jenem des nach- träglich mit saurem Glycerin behandelten, so liegt der Unterschied zwischen beiden darin, dass in dem ersteren Falle die Färbung über den ganzen Muskelfaden in Form feiner strichartiger Punkte ver- breitet ist, während in dem letzteren die Färbung in regelmässiger Vertheilung unter der Gestalt von Längsstreifen auftritt, die wie der Querschnitt lehrt, Verdickungen feiner Scheiden darstellen, welche die nicht gefärbte Substanz des Muskelfadens umhüllen. Zeigt der Das Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 407 Muskelfaden die characteristische Längsstreifung, so ist damit das frühere gesprenkelte Verhalten desselben gänzlich geschwunden. Während der Unterschied zwischen den Muskelfäden bei günstiger und minder günstiger Goldeinwirkung ein sehr bedeutender in der Art ist, dass erstere das gesprenkelte Verhalten, letztere jene dif- fuse Färbung zeigen, schwindet nach der mehrtägigen Einwirkung der sauren Glycerinflüssigkeit dieser Unterschied, wenn auch nicht ganz, doch in soweit, dass bei der früheren günstigen Goldeinwirkung die zwischen den Längsstreifen gelegene Muskelsubstanz farblos ist, während dieselbe bei der minder günstigen Goldeinwirkung einen leichten röthlichen Farbenton besitzt, der aber von dem tief Roth- violettblau der Längsstreifen sich scharf abhebt. Wie ich bereits oben mitgetheilt habe, gelingt es zwischen den intravaginalen, d. h. den Nervenfasern oder vielmehr deren Axen- eylindern, welche durch das Sarcolemma getreten sind und jenen Sprenkelungen, welche der Muskelfaden bei günstiger Goldeinwirkung zeigt, durch vorsichtige Anwendung von Cyankali Continuitätsbe- ziehungen nachzuweisen. Nachdem ich mit der Thatsache bekannt geworden war, dass durch das längere Liegen in der sauren Glycerin- flüssigkeit die Sprenkelungen vergoldeter Muskelfäden in Längs- streifen umgewandelt werden, war meine Aufmerksamkeit natürlich darauf gerichtet zu beachten, in welchem Verhältniss die intrava- ginalen Nerven zu den Längsstreifen stehen. Diese Beobachtung wurde wesentlich dadurch erleichtert, dass in Folge der lösenden Einwirkung der sauren Glycerinfiüssigkeit auf das zwischen den Muskelfäden vorhandene Bindegewebe die Isolation der Muskelfäden sehr gefördert wird, da der Zusammenhang derselben unter einander fast nur durch die Capillargefässe hergestellt ist, welche theilweise auch Gold aufgenommen haben und deshalb von der sauren Glycerin- flüssigkeit weniger angegriffen werden. Auch der Umstand, dass durch die längere Einwirkung der sauren Glycerinflüssigkeit sowohl der gesprenkelte, wie der diffus gefärbte Muskelfaden viel lichter wird, während die vergoldeten Nerven an Farbenintensität darin nichts verlieren, trägt wesentlich dazu bei das Auffinden der Eintrittsstellen der Nerven in die Muskelfäden zu erleichtern. Erstaunt war ich zunächst über die Häufigkeit dieser Stellen und es kam mir nur selten ein Präparat zu Gesicht, an-dem ich nicht drei bis sechs solcher Eintrittsstellen beobachten konnte; oft befanden sich deren vier in dem Bereiche eines Sehfeldes. Fast immer liegen die Ein- 408 J. Gerlach: trittsstellen benachbarter Muskelfäden einander sehr nahe. Erinnert man sich, wie schwierig früher die Auffindung dieser Eintrittstellen war, so ergiebt sich schon hieraus der hohe Werth der durch nach- trägliche Behandlung mit saurer Glycerinflüssigkeit und Cyankali verbesserten Goldmethode. Noch höher ist freilich der Vortheil an- zuschlagen, dass durch diese Methode die Möglichkeit gegeben ist, auch an Muskelfäden mit diffuser Färbung, welche ja weitaus am häufigsten nach der Goldbehandlung eintritt, das Verhältniss der intravaginalen Nerven zu dem isotropen Bestandtheil des Sarcolem- mainhaltes zu beobachten, da dieses sonst nur bei der günstigen Goldeinwirkung mit nachfolgender Cyankalibehandlung möglich ist. Das Erzielen der günstigen Goldeinwirkung setzt aber eine grosse Vertrautheit mit der so delikaten Goldmethode voraus, welche nur durch langjährige Uebung erlangt werden kann. Ich habe das Ver- hältniss der intravaginalen Nerven zu der isotropen Substanz an vergoldeten und nachher längere Zeit in der sauren Glycerinflüssig- keit gelegenen Muskelfäden des Frosches und der Eidechse unter- sucht und beginne mit der Schilderung dieses Verhältnisses bei dem Frosche. Die allein durch das Sarcolemma getretene Axenfaser eines motorischen Nerven erleidet alsbald nach ihrem Durchtritt wieder- holte Theilungen. Die aus diesen Theilungen hervorgegangenen Nervenfäden sind nur um weniges schmäler, als die eintretende Axenfaser und ziemlich reichlich mit ovoiden Zellkernen besetzt. Diese Fäden verbinden sich untereinander auf das Vielfachste, wo- durch ein Netz entsteht, welches ich das intravaginale Nervennetz nannte und das ich als den ganzen Muskelfaden durchsetzend be- schrieb. An sehr gelungenen Goldpräparaten sind die Faserelemente dieses Netzes mehrere Millimeter von der Eintrittsstelle ab zu ver- folgen; allein seitdem ich die Erscheinungen kenne, welche die längere Einwirkung der sauren Glycerinflüssigkeit auf vergoldete Muskel- fäden ausübt, ist es mir zweifelhaft geworden, ob wirklich der ganze Muskelfaden von dem intravaginalen Nervennetze durchzogen, oder ob das letztere nur auf die der Eintrittsstelle näher gelegenen Partien desselben beschränkt ist. Nach längerer Behandlung mit angesäuertem Glycerin sind nämlich die intravaginalen Nerven an Goldpräparaten weit deutlicher zu übersehen, »während ohne Anwendung dieses Re- agens auch an den besten Goldpräparaten die intravaginalen Nerven durch die intensive Sprenkelung immer mehr oder weniger verdeckt Das Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 409 werden und die Sprenkelungen selbst, wenn dieselben, was gar nicht selten vorkommt, einigermassen regelmässig in Reihen angeordnet sind, von den an vergoldeten Muskelfäden immer exquisit varikös auftretenden intravaginalen Nerven kaum sich unterscheiden. Na- mentlich wurde ich in meiner früheren Ansicht schwankend durch die Beobachtung eines auf eine sehr lange Strecke isolirten Muskel- fadens des Frosches, an welchem zwei Nerveneintrittsstellen zu be- obachten waren. Dass an einem Muskelfaden sich mehrere Nerven- eintrittsstellen finden können, zeichnet schon Kühne!); dieselben sind übrigens nach meinen Erfahrungen ziemlich selten. An dem erwähnten Muskelfaden waren nach Behandlung mit der sauren Giyce- rinflüssigkeit die mit den eintretenden Nerven in Verbindung stehen- den intravaginalen Netze ausserordentlich deutlich, aber zwischen beiden befand sich eine nahezu 5 Mm. lange Strecke des Muskel- fadens, an welcher das intravaginale Netz nicht sichtbar war. Uebri- gens ist immer der Umstand auffallend, dass an den Muskelfäden des Frosches die mit den eintretenden Nerven in Verbindung stehen- den intravaginalen Nervennetze bald noch in ziemlichen Entfernungen von dem eintretenden Nerven zu sehen, bald nur auf die nächste Umgebung desselben beschränkt sind. Es hat daher die Annahme eine gewisse Berechtigung, dass in dem einen Falle die Vergoldung der intravaginalen Nerven, wodurch dieselben allein deutlich werden, weiter, als in dem anderen vorgeschritten sei und es liegt demnach immer noch die Möglichkeit vor, dass durch Vervollkommung der Goldmethode ein den Muskelfaden in seiner ganzen Länge durch- setzendes intravaginales Nervennetz nachgewiesen werden kann. Bei dem gegenwärtigen Stande der Frage scheint es mir jedoch zweckmässiger, den Namen »intravaginales Nervernetz« durch intra- vaginalen Nervenplexus zu ersetzen, unter welcher Bezeichnung die netzförmige Ausbreitung der eintretenden Axenfaser innerhalb des Sarcolemmas zu verstehen ist. Mit dem intravaginalen Nervenplexus des Frosches stehen die Längsstreifen in direeter Continuität und zwar ist das gewöhnliche Verhältniss dieses Zusammenhanges der Art, dass von dem intra- vaginalen Nervenplexus feinste Fädchen abgehen, welche in der Regel sich dichotomisch theilend auf- und abwärts laufen und so zu 1) Peripherische Endorgane der motor. Nerven. Taf. III. Fig. 14. Leipzig 1862. 410 J. Gerlach: _ Längsstreifen werden. Diese Längsstreifen sind in der unmittelbaren Nähe des Nervenplexus durch schräg und quer verlaufende Linien verbunden, welche ganz dieselbe Beschaffenheit, wie die Längsstreifen haben. Auf diese Weise setzt sich das netzförmige Verhalten der intravaginalen Nerven auch über den eigentlichen Plexus fort, jedoch mit dem Unterschied, dass die Fäden und Maschen des den Längs- streifen angehörenden Netztheiles beträchtlich feiner sind als die des Nervenplexus. Neben dieser Verbindung von Längsstreifen und intravaginalen Nerven findet sich eine zweite, weit seltener vorkom- mende. Dieselbe ist durch einen Kern vermittelt, welcher an seinem einen Endpole mit einem Faden des intravaginalen Nervenplexus, durch den anderen dagegen mit einem Längsstreifen in Verbindung steht. Beide Arten des Zusammenhangs der Längsstreifen mit den Fäden des intravaginalen Nervenplexus zeigt Fig. 5. Das terminale Verhalten der motorischen Nerven der Eidechse Fig.6 unterscheidet sich von jenem des Frosches hauptsächlich nur durch die verschiedene Configuration des intravaginalen Nervenplexus. Die eintretende Axenfaser löst sich nämlich alsbald in ein mehr rund- lich als oval contourirtes Netzwerk auf, das eine auffallende Aehn- lichkeit mit einem schwach injieirten Gefässkörper der Niere hat, an welchem das abführende Gefäss nicht mehr gefüllt ist. Die Aus- dehnung des intravaginaler Nervenplexus der Eidechse ist eine viel geringere und schärfer umschriebene, als bei dem Frosch, was ge-- wiss der wesentliche Grund der Annahme terminaler Endplatten war. Die Kerne sind an den intravaginalen Nerven der Eidechse seltener als an jenen des Frosches. Auch konnte ich hier nur eine Art des Zusammenhanges der Längsstreifen mit dem intravaginalen Nervenplexus beobachten, nämlich jene, die durch kurze feine Aus- läufer des letzteren, welche wie bei dem Frosche in Längsstreifen übergehen, vermittelt wird. Dagegen gelang es mir bis jetzt nicht, hier die Verbindung von Längsstreifen mit dem intravaginalen Ner- venplexus durch Vermittlung von Kernen zu sehen. Durch den der directen Beobachtung zugänglichen Nachweis des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Fäden des intra- vaginalen Nervenplexus und den Längsstreifen werden wir zu der Annahme gedrängt, dass der isotrope Bestandtheil der Muskelfäden, welcher nach Behandlung mit verdünnten Säuren zunächst unter der Form von Längsstreifen auftritt, als nervös aufzufassen sei. Diesem nervösen Bestandtheil der Muskelfäden gehören auch .die Das Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 411 Muskelkörperchen an, welche wie wir eben sahen, nur von isotroper Substanz umgeben sind. Die Kerngebilde der intravaginalen Nerven und die Muskelkörperchen sind demnach ganz auf die gleiche Linie zu stellen. Der anisotropen doppeltbrechenden Substanz dagegen wird die Fähigkeit sich zu verkürzen, die Contractilität allein zu- fallen. Dafür sprechen ganz entschieden die Ergebnisse einer aus- gezeichneten Arbeit von Engelmann!), welche zeigt, dass nicht nur die Contractilität der Muskeln, sondern auch die Bewegungser- scheinungen der Flimmerorgane, der Spermafäden des Protoplasmas an die Gegenwart doppeltbrechender Theilchen geknüpft ist. Bei der ausserordentlichen Wichtigkeit dieser Thatsache für die Physio- logie kann ich mir es nicht versagen, Engelmann’s Schlusssatz hier wörtlich anzuführen: »Contractilität, wo und in welcher Form sie auftreten möge, ist gebunden an die Gegen- wart doppeltbrechender positiv einaxiger Theilchen, deren optische Axe mit der Richtung der Verkürzung zusammenfällt«. Rücksichtlich des isotropen Bestandtheiles der Muskelfäden äussert sich Engelmann?) dahin, dass nach Entfernung der con- tractilen doppeltbrechenden Theilchen aus dem Muskelfaden ein Gebilde übrig bleibe, das in physiologischer Hinsicht von einem Nerven nicht wesentlich abweichen würde. Denn ihm würden die Eigenschaften der Reizbarkeit, sowie des Reizlei- tungsvermögens und auch der Hauptsache nach dieselben electro- motorischen Wirkungen wie einem Nerven zukommen. Die isotrope Substanz der Muskeln würde demnach als eine, wenn auch etwas modifieirte Fortsetzung des Axencylinders der motorischen Nerven- faser zu betrachten und als »nervöse« von der contractilen oder »motorischen« zu unterscheiden sein. Wahrscheinlich sei es auch, dass sie die anatomisch mit dem Axencylinder am innigsten ver- bundene sei. Die Feststellung des letzteren Punktes sei von grösster Wichtigkeit, scheine aber mit unseren gegenwärtigen Hülfsmitteln nicht wohl erreichbar zu sein. Soweit Engelmann. Der Vervoll- kommnung der Goldmethode war es nun vorbehalten, auch dieser letzteren Anforderung gerecht zu werden. Schon in meiner Schrift 1) Contractilität und Doppeltbrechung in Pflügers Archiv f. Phys. Bd. XI. pag. 432. 2) l. c. pag. 462 und 463. 412 J. Gerlach: über das Verhältniss der Nerven zu den Muskeln konnte ich zeigen, dass die gesprenkelten Stellen, wie sie nach günstiger Einwirkung der Goldsalze auf die Muskelfäden sichtbar werden und die ich als den isotropen Bestandtheil des Muskels deutete, nach vorsichtiger Anwendung von Cyankali einen continuirlichen Zusammenhang mit den intravaginalen Nerven erkennen lassen. In der vorliegenden Arbeit glaube ich die hochwichtige Frage über das Verhältniss von Nerv und Muskel der Lösung einen Schritt näher dadurch geführt zu haben, dass es mir gelang, die Lagerungs- verhältnisse der nervösen zu der contractilen Substanz des Muskels nach der Einwirkung verdünnter Säuren aufzufinden. Die Vorstel- lung, welche sich uns nach den oben mitgetheilten Beobachtungen über die Lagerung beider Substanzen unmittelbar aufdrängt, ist die, dass wir die contractile Substanz als einen Cylinder ansehen, welcher von einem dünnen Mantel nervöser Substanz umgeben ist, der an einer Stelle sich streifenartig verdickt. Diese streifenartige Ver- dickung des nervösen Mantels ist die Ursache des Auftretens der an dem Längsschnitt des Muskels allein sichtbaren Längsstreifen. Die Grundlage dieser Vorstellung, welche unwillkürlich an das Schema der kleinsten Massetheilchen, das Du Bois-Reymond zur Erklärung des elecetromotorischen Verhaltens der Muskeln auf- stellte, erinnert, bilden die Cohn heim’schen Felder und die Längs- streifen der Muskelfäden, die ja auch an nicht vergoldeten Präpa- raten durch verdünnte Säuren hervorgerufen werden können und schon lange bekannt sind. Merkwürdig in dieser Beziehung erscheint mir der Umstand, dass verdünnte Säuren, durch welche allein schon eine mikroskopisch wahrnehmbare Differenz zwischen nervöser und contractiler Substanz des Muskels erzielt werden kann, früher ganz allgemein auch als das beste Hülfsmittel zur Darstellung des ter- minalen Verhaltens der motorischen Nerven betrachtet wurde. Allein verdünnte Säuren reichen nicht aus, den Zusammenhang zwischen den intravaginalen Nerven und den verdickten Streifen des nervösen Mantels der contractilen Muskeleylinder erkennen zu lassen. Dieser physiologisch weitaus wichtigste Punkt ist uns nur durch die Ver- vollkommung der Goldmethode zugänglich geworden. Die Goldsalze haben nämlich die für die Histologie so werthvolle Eigenschaft, dass sie von der Substanz der Axenfaser, also dem Substrate nervöser Struktur leichter und stärker unter gewissen Verhältnissen reducirt werden, als von anderen Geweben. Darin, dass uns diese Das Verhältn.d. nervösen u. contractilen Subst. d. quergestreift. Muskels. 413 Verhältnisse, welche von dem Uebergang aus dem lebenden in den todten Zustand hauptsächlich abhängig zu sein scheinen, nahezu unbekannt sind, liegt die Schwierigkeit der Anwendung der’ Gold- methode und die Unsicherheit ihrer Resultate, welche derselben so vielfach zum Vorwurf gemacht werden. Nur ein langes, sehr langes Arbeiten mit dieser Methode giebt jene Uebung, fast möchte ich sagen Tact, wodurch häufig, wenn auch nicht immer, günstige Resul- tate erzielt werden. Ich bin natürlich weit davon entfernt zu behaupten, dass das von mir aufgestellte Schema des Muskelbaues das allein vorkommende sei, sondern kann nur sagen, so erscheint der Muskel nach Behand- lung mit verdünnten Säuren. Ja ich muss es sogar für ungewiss hinstellen, ob überhaupt während des Lebens ein Zustand des Mus- kels vorkommt, in welchem seine Grundform als contractiler Cylinder mit nervösem Mantel aufgefasst werden kann. Für die Wichtigkeit des Vorkommens dieses Lagerungsverhältnisses beider Muskelsub- stanzen zu einander in dem lebenden Muskel spricht übrigens die bekannte Thatsache, dass der thätige Muskel aus der neutralen in die saure Reaction übergeht, dass also der contractile Muskel der Einwirkung verdünnter Säuren unterliest, welche jedoch ihren mor- phologischen Einfluss vielleicht erst bei dem Beginn des Eintritts des Ruhestadiums geltend machen. Das Characteristische für den Muskelbau scheint mir im Gegentheil darin zu liegen, dass nervöse und contractile Substanz in ihrer gegenseitigen Lagerung durchaus keine constanten, sondern ausserordentlich verschiedenartige Ver- hältnisse darbieten. Wie in physikalischer und chemischer Beziehung, so muss auch morphologisch der lebendige Muskelfaden als ein exquisit labiles Gebilde betrachtet werden. Nur in dieser Auffassung liegt der Schlüssel zu der richtigen Beurtheilung der so ausserordent- lich wechselnden Bilder, welche der quergestreifte Muskelfaden dem bewaffneten Auge bietet, nur hierdurch kann verständlich werden, dass in dem lebenden Muskel bald Längsstreifung, bald Querstreifung vorherrscht und dass die letztere unter den verschiedensten Modi- ficationen auftreten kann. Zum Schlusse noch die Bemerkung, dass der weitere Fortschritt auch auf diesem Gebiete der Histologie, deren Endziel doch immer ein weiteres Vordringen in dem Verständniss physiologischer Vor- gänge sein und bleiben wird, weniger von der Steigerung der Ver- grösserung der Linsen, als von dem Auffinden geeigneter Objecte 414 J. Gerlach: Verhältn. d. nervösen u. contractilen Subst. etc. und namentlich von der Einführung neuer und Vervollkommnung bereits existirender Untersuchungsmethoden abhängen wird. Die meisten Thatsachen der neueren Histologie verdanken wir ja fast ausschliesslich den Fortschritten der modernen mikroskopischen Technik. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVl. Fig. 1. Ganzer Muskelfaden des Frosches mit Längsstreifen in den letzteren bei a a Muskelkörperchen gelegen. Bruchstück des Sarkolemmainhaltes eines Muskelfadens des Frosches» welches nach Berstung des Sarcolemmas ausgetreten ist und sich [$) Fig. auf dem Querschnitt präsentirt. Auch ist bei a, umgeben von ner- vöser Substanz, ein Muskelkörperchen sichtbar und ein Längsstreifen, wahrscheinlich durch die lange Säureeinwirkung isolirt, steht et- was vor. Fig. 3. Bruchstück des Sarcolemmainhaltes eines Muskelfadens des Frosches sich in dem Längsschnitt präsentirend. Die Längsstreifen treten hier deutlicher hervor, als in Fig. 1 und sind exquisit varikös. Fig. 4. Bruchstück aus dem Sarcolemmainhalte eines Muskelfadens des Frosches, welches sowohl den Längsschnitt, wie den Querschnitt zeigt. Fig. 5. Intravaginaler Nervenplexus zweier Muskelfäden des Frosches und Uebergang feiner terminaler Nervenfasern in Längsstreifen. Fig. 6. Intravaginaler Nervenplexus eines Muskelfadens der Eidechse und Uebergang feiner terminaler Nervenfäden in Längsstreifen. Sämmtliche Figuren sind unter dem Hartnak’schen Mikroskop Linse 8 Ocul. 3 nach Präparaten, welche zuerst mit Goldchlorid-Kalium und hierauf mit der sauren Glycerinlösung behandelt waren, von meinem Sohne Dr. Leo Gerlach gezeichnet und in derselben Farbennüance, welche die Präparate unter dem Mikroskope darboten, colorirt. Beiträge zur Histologie der Leber. Von Dr. Kolatschewsky. Vorläufige Mittheilung. (Aus dem histologischen Laboratorium zu Kiew.) Hierzu Tafel XXVIII. Ueber den Anfang der Gallengänge in der Leber wird bis jetzt noch viel gestritten: man kann die gegenwärtig darüber herr- schendenAnsichten in zweiHauptgruppen theilen: Chrzonszcewsky'), Hering?) und Andrejevitsch°) nehmen an, dass die Gallen- gänge als feine Kanälchen beginnen, welche zwischen den Leber- zellen liegen und nach Chrzonsezewsky und Andrejevitsch eine eigene Membran besitzen. Pflüger‘) behauptet, dass die Gallengänge zwar als dünne Kanälchen von den Leberzellen ihren Ursprung nehmen; die Leberzellen der Autoren aber stellen nach Pflüger ein Conglomerat von Zellen dar, die von einer Membran umgeben sind, welche sich in die Wandungen der Ausführungsgänge fortsetzt. Ich halte die Ansicht Chrzonscezewsky’s über den Bau und die Vertheilung der Gallengänge innerhalb der Lobuli für ganz richtig; es fragt sich nur, ob das von ihm beschriebene Netz der 1) Virchow’s Archiv. 1866. Bd. 35. 8. 153. 2) Stricker’s Gewebelehre. 1871. 3) Sitzungsber. der Wiener Akad. d. Wissensch. 1861. Bd. 43. 1. Abth. 4) Archiv f. Physiologie v. Pflüger 1869. 9. u. 10. Heft. 416 Kolatschewsky: Gallengänge als der Anfang derselben anzusehen ist. Wenn man ganz kleine Stücke einer frischen Leber von einem beliebigen Thiere, besonders vom Hunde, in Jodserum 3—4 Tage lang macerirt, darauf in eine Yıo—!/ı5°/o Lösung von doppeltehromsaurem Ammoniak bringt, so wird das Gewebe der Leber nach etwa 4 Tagen derart weich, dass man die Leberzellen durch Zerzupfen von einander leicht iso- liren kann. Sie zeigen unter dem Mikroskop sehr scharfe Contouren, die Kerne sind auch deutlich zu sehen. Nicht selten sieht man Zellen mit dünnen Fortsätzen (Fig. 1). Diese Fortsätze sind rund (wovon man sich leicht überzeugen kann, indem man die Zelle in verschiedenen Lagen beobachtet) und verschieden lang. Unmittelbar an der Zelle bestehen sie offenbar aus derselben körnigen Masse wie die Zelle selbst; in einiger Entfernung aber von dieser zeigen sie sich als hohle Kanälchen. Diese Kanälchen werden hie und da enger, um sich dann wieder zu erweitern. Von der Zelle gehen sie unter verschiedenen Winkeln ab. Ich habe gesehen, dass die Ka- nälchen von zwei solcher Zellen bald in der Nähe ihrer Körper, bald in einiger Entfernung in einen gemeinschaftlichen Gang zusammen flossen, welcher dann seinerseits weiter wiederum in zwei Zweige sich theilte (Fig. 1 c). Zuweilen war eine Zelle mit der anderen durch eine dicke Brücke verbunden, so dass sich eine Doppelzelle bildete und von der einen derselben ging das Kanälchen ab. Die Leber des Foetus ist ganz besonders zur Anfertigung solcher Prä- parate geeignet, ihr Gewebe ist sehr mürbe und sie verfällt daher leichter der Maceration. Wenn also die von den Leberzellen abgehenden Kanälchen eigene Wandungen besitzen, so fragt es sich, wo und wie diese Wan- dungen beginnen. Kölliker, Frey. u. A. lassen die Existenz einer Hülle in den Leberzellen zu. Wenn diese Annahme richtig ist, so wären die Wandungen der Kanälchen als Fortsetzungen der Zellen- hülle anzusehen; an frischen Präparaten aber ist ziemlich schwer zu entscheiden, ob die Zelle eine Hülle besitzt oder nicht; es zeigt sich zwar nach der Einwirkung von doppeltchromsaurem Ammoniak ein dunkler scharfer Contur um die Zelle; es bleibt aber dem Zweifel immerhin Raum, ob das nicht Folge der Reagenzwirkung sei. Was die Frage über die Bedeutung dieser Kanälchen betrifft so kann ich die Bilder Fig. 1 nicht anders deuten, als dass die feinsten Leberausführungsgänge unmittelbar von den Leberzellen beginnen; aus dem Umstande, dass die von den Zellen stammenden Beiträge zur Histologie der Leber. 417 Kanälchen, wie ich oben erwähnte, nicht selten sich zu einem ge- meinschaftlichen Ausführungsgange verbinden, halte ich mich für berechtigt diesen Schluss zu machen. Pflüger nimmt, wie be- kannt, einen directen anatomischen Zusammenhang der Leberzellen mit den Nervenfasern an; wir haben aber keinen Grund die be- schriebenen Kanälchen für Nervenfasern anzusehen, da ihnen die Eigenschaften der Nervenfasern abgehen. Auf Grund der angeführten Angaben komme ich zur Ueberzeugung, dass die Gallengänge mit den feinen unmittelbar von den Zellen abgehenden Kanälchen be- ginnen, und indem sie weiter gehen, fliessen mehrere zu einem zu- sammen um ein Gallencapillargefässnetz zu bilden, welches bereits von Chrzonsczewsky u. A. beschrieben worden ist. Behandelt man die mittelst des Richardson’schen Apparates gefertigten und ausgepinselten feinen Schnitte der Leber mit Chlor- sold (!/,—!/s/o) im Laufe von 10 bis 20 Minuten und legt sie darauf in mit Essigsäure angesäuertes Wasser, um sie hierauf 1—2 Wochen lang der Lichteinwirkung auszusetzen, so erhält man rosa- violet gefärbte Präparate. An den auf diese Weise erhaltenen und in-Glycerin oder Damarlack untersuchten Präparaten war folgendes zu sehen: stellenweise waren die von den sie ausfüllenden Zellen reingepinselten Gefässschlingen schwach lila gefärbt; hie und da verliefen in den Interlobularräumen oder auch in den Lappen selbst in der Nähe der Gefässe feine etwas dunkler als das umgebende Gewebe gefärbte Fasern. Diese bald geschlängelten, bald geraden Fasern zerfallen (namentlich die dicken) in förmliche Bündel der feinsten die Capillaren umspinnenden Fäserschen. Einige dieser Fäserchen gingen zu den Kernen der Capillaren (Fig. 2). Manchmal waren sie durch die Schlingen der Gefässe hindurchgezogen oder bildeten ein Netzwerk im Lumen der Schlingen (Fig. 5. 3). Ich habe die jüngst von Gerlach für die Untersuchung der Muskelnerven beschriebene Methode auch zur Untersuchung der Lebernerven verwendet mit dem Unterschiede, dass ich das Doppelt- goldchloridnatrium gebrauchte, da ich das von Gerlach empfohlene Goldchloridkalium nicht bekommen konnte. Diese Methode fand ich unbequem, da die Schnitte des erhärteten Gewebes sich nicht aus- pinseln lassen, woher die sehr stark gefärbten Leberzellen die Klar- heit des Präparates beeinträchtigten. Ich habe daher diese Methode 418 Kolatschewsky: dahin modificirt, dass ich die mit einer !/,o—!/ı5°/o Lösung des doppelt- chromsauren Ammoniak behandelten Stücke zuerstgeschnitten und aus- gepinselt habe und dann erst in die erwähnte Lösung von Goldchlorid- natrium von der von Gerlach empfohlenen Concentration einlegte. An den auf diese Weise erhaltenen Präparaten namentlich aus der Leber eines verhungerten Hundes waren die Gefässschlingen schwach grau gefärbt, die hie und da übrig gebliebenen Leberzellen aber schwach violet. In den Interlobularräumen waren ganze Bündel derselben Fasern zu sehen, die oben von mir beschrieben sind ; nur aber war die Färbung höchst intensiv, so dass sie fast schwarz er- schienen. Diese Fasern verzweigten sich, gingen in die Tiefe der Läppchen und bildeten hier meist längs den Gefässen verlaufend dichte Netze, welche die Capillaren umspannen. Rings nm die grösseren Gefässe bildeten diese Fasern weniger dichte Netze; ähn- liche Netze umspannen auch die Wände der Centralvenen. In den Interlobularräumen kommen im Verlaufe der mehr gröbern Fasern manchmal unbedentende Verdickungen vor, aus welchen ganze Bündel von feineren in die Läppchen eindringenden Fäserchen abgehen, diese spalten sich wiederum in noch feinere Zweige, welche ein die Capillaren umspinnendes Netz bilden. Es fragt sich nur, welcher Art diese Fasern sind. Nach der Einwirkung, welche das Chlorgold auf dieselben ausübte, nach dem Character ihrer Verzweigungen und der Netzbildung zu urtheilen (Fig. 2—5) kann man sie nur für Nervenfasern ansprechen. Die Gefässe sind mit diesen Fasern kaum zu verwechseln, indem die Gefässe viel dicker sind, und die Verzweigungen sich anders aus- sprechen; die Gefässe färben sich ausserdem nur schwach violet. Gleiche Färbung kommt auch dem Bindegewebe zu. Ich halte demnach die von mir beschriebenen Fasern für Nerven, obwohl ich gestehen muss, dass mir das Haupteriterium zur Be- stimmung der Nervennatur der Fasern fehlte. Es ist mir nament- lich nie gelungen, die Verbindung dieser Fasern weder mit den dickeren dunkeleontourirten Nervenfasern, noch mit den Nervenzellen zu sehen; diese letzteren habe ich überhaupt in der Leber nicht gesehen. An den auf die beschriebene Weise bereiteten Schnitten habe ich einen Zusammenhang dieser Fasern mit den Leberzellen nicht gesehen, wie ihn Pflüger!) beschreibt. Indem ich übrigens den y 1%. Beiträge zur Histologie der Leber. 419 ausgewaschenen und ausgepinselten Schnitten nicht volles Vertrauen schenkte, zerzupfte ich kleine sowohl mit Goldchlorid als auch mit dessen Doppeltsalz ebenfalls gefärbte Stücke und, ungeachtet der grossen Menge der von mir untersuchten Präparate, konnte ich mich von einem direkten anatomischen Zusammerhange der Nervenfasern mit den Leberzellen nicht überzeugen. Fast dieselben Resultate hat Nesterowsky!) bekommen. Erklärung der Figuren auf Tafel XXVIN. Fig. 1. Leberzellen mit den von ihnen abgehenden Kanälchen von ver- schiedenen Thieren, Jodserum und Ammonium bichromicum-Präparat. (8 obj. 3 ocul. von Hartnack.) Fig. 2—4. Ein Schnitt der Leber eines verhungerten Hundes; die Präpa- rate sind ausgepinselt und mit Goldchlorid behandelt. a Schlingen der Capillaren, b die übriggebliebenen Leberzellen-Nervenfasern, ce dem Laufe der Capillargefässe folgend, gehen feine Zweige zu deren Kernen ab. (Fig. 2 d). (Obj. 7. oc. 3. Hartnack.) Fig. 5. Ein Theil des Schnittes von der Leber eines verhungerten Hundes aus doppeltehromsaurem Ammoniak. Das Präparat ist reingepinselt und mit Goldehloridnatrium behandelt. Die Bedeutung der Buch- staben a, b, e ist dieselbe, f Verdickungen einer Nervenfaser, von welchen Verdiekungen ganze Bündel feinerer Fäserchen zu den Ca- pillargefässen abgehen. — 1) Virchow’s Archiv. Bd. 63. Zur Frage vom Verwachsen der peripherischen Nerven. Von Dr. Bakowiecki. Vorläufige Mittheilung. (Aus dem histologischen Laboratorium in Kiew.) Hierzu Tafel XXIX. Die nachfolgenden Untersuchungen sind über den N. Hypo- glossus Ischiad. und Vagus an Hunden, Kaninchen, Katzen, Fröschen und hauptsächlich an weissen Ratten angestellt. — Dem einen Thiere durchschnitt ich den Nerven, dem anderen Thiere von der- selben Gattung und an derselben Stelle schnitt ich aus demselben ein Stückchen von der Grösse von 1—3 Linien heraus, dem dritten durchschnitt ich den Nerven und vernähte ihn wieder. Die Naht führte ich folgendermaassen aus: durch die Scheide beider Enden der durchschnittenen Nerven zog ich eine Ligatur aus Kat-Gut, nach der Methode von Lister zubereitet; die äussere Wunde nähte ich mit einer Knotennaht zu. — Diese vergleichsweise angestellten Versuche erwiesen, dass der Nerv in allen drei Fällen verwuchs, nur in der Zeit war ein bedeutender Unterschied. Beim einfachen Durchschnitt des Nerven zeigte sich die Verwachsung desselben und die Wiederherstellung seiner Functionen nicht früher als nach einem Monate; bei dem Ausschnitte eines Stückchens von der Länge von drei Linien stellte sich die Function erst nach 3'/;, Monaten wieder her, aber bei Anlegung der Naht nach dem Durchschnitt stellte sich Zur Frage vom Verwachsen der peripherischen Nerven. 421 die Function am achten Tage wieder ein. Hiervon überzeugte ich mich in Betreff des N. Isch. und Hypogl. vermittelst eines electri- schen Stromes; bezüglich der Herstellung der Function des N. Vagus überzeugte ich mich auf folgende Weise: nachdem ich den N. Vagus durchschnitten und die Naht angelegt hatte, durchschnitt ich nach Verlauf von 8 Tagen demselben Thiere den Vagus von der anderen Seite ohne die Naht anzulegen, das Thier blieb am Leben; nach Verlauf von 15 Tagen wurde das Thier getödtet und es zeigten sich bei Eröffnung desselben keinerlei Symptome, die auf Parali- sirung der Stimmfalten gewiesen hätten. Das beste Material für die Naht ist Kat-Gut, denn es reizt die Nerven nicht und wird mit der Zeit aufgesogen, wodurch jede Gefahr eines Tetanus beseitigt wird, die durch das Vorhandensein eines fremden Körpers im Nerven erzeugt werden würde. Im Jahre 1864 unternahmen Eulenburg und Landois (Berliner klin. Wochenschrift 1864 Nro. 46, 47, und 1866 Johan- sen in Petersburg Versuche an Thieren, um die Frage zu entscheiden, ob eine Nervennaht anwendbar sei, — sie erhielten aber negative Resultate. — Ich erkläre mir das Misslingen ihrer Versuche 1) da- durch, dass sie metallische und seidene Ligaturen anwandten und 2) dadurch, dass sie die Ligatur durch die ganze Dicke des Nerven zogen. In Hinsicht der histologischen Veränderungen führe ich zuerst in Kürze die Meinung verschiedener Autoren über diesen Gegen- stand an. Die einen, Hasse !), Walter?), Bruch?) und Benecke®) meinen, dass die degenerativen Veränderungen durch die ganze Länge des peripherischen Nervenendes gehen, bei dem Centralende hin- gegen sollen sie sich nur in der Nähe des Durchschnitts zeigen. Das Wesentliche des degenerativen Processes bestehe in der Fettumwand- lung aller Bestandtheile des Nerven. Andere (Lent°), Hertz °), behaupten, dass nur das Myelin 1) Müller’s Archiv 1839. S. 405. 2) Müller’s Archiv 1852. S. 392. 3) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. VI. 1854. S. 134. 4) Virchow’s Archiv. Bd. IX. S. 491—511. 5) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. VI. 1855. S. 148. 6) Virchow’s Archiv XLVI. S. 258— 285. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 27 422 Bakowiecki: degenerirt, der Axencylinder und die Schwann’sche Scheide sich nicht verändern. — Nach den Erforschungen von Schiff!) und Leveran?) degenerirt nur das Myelin, die Schwann’sche Scheide aber verändert sich nicht. Nach Neumann?) und Eichhorst ®) sind Myelin und Axencylinder der Degeneration nicht unterworfen, sondern erleiden nur eine gewisse chemische Veränderung (?). In Hinsicht der Regeneration sind die Meinungen gleichfalls verschieden: nach Lent und Benecke regeneriren sich die Ner- venfasern aus den Kernen der Schwann’schen Scheide; Remak°) und Neumann behaupten, dass die Nervenfasern sich im Inneren der Schwann’schen Scheide wiedererzeugen, wahrscheinlich in Folge einer Längenspaltung des alten Axencylinders. Nach Leveran und Hertz regeneriren sich die Nervenfasern aus den weissen Blutkörperchen. Nach Ranvier °) geht die Wiedererzeugung der Nervenfasern von dem Centralende aus, nämlich aus den nicht degenerirten Ner- venfasern; in der Höhe des letzten Schnürringes stehen 4, 5 oder noch mehr neugebildete Nervenfasern hervor. Die auf diese Weise entstehenden Büschel bilden zuerst Fasern (filaments) welche sich bis zum peripherischen Ende fortsetzen und sich mit den periphe- rischen Enden der durchschnittenen Nerven vereinigen. Endlich spricht Bilrot in einer kurzen Anmerkung die Hypothese aus, dass der Nerv sich aus dem alten Axencylinder regenerire; in welcher Weise dies geschieht, wird aber nicht näher angegeben. Was meine Beobachtungen anbetrifit, so habe ich an dem durchschnittenen Nerven folgendes bemerkt: Fünf Tage nach dem Durchschnitte machen sich an beiden Enden beträchtliche Ver- dickungen bemerkbar. — Die mikroskopische Untersuchung erweist, dass diese Verdickungen durch die Vermehrung des Bindegewebes und der Kerne der Schwann’schen Scheide bedingt werden. 1) Archiv des Vereins für gemeinschaftl. Arbeit. Bd. I. 1854. S. 617. 2) Journal de l’anat. et de la phys. 1868. p. 305. 3) Archiv der Heilkunde IX. S. 193. 1870. 4) Virchow’s Archiv LIX. S. 1—25. 5) Vircho w’s Archiv 1862. XXII. S. 441. 6) L. Ranvier de la Regeneration des nerfs sectiones. Comptes ren- dus 1873. LXXVI. S. 491—49. Zur Frage vom Verwachsen der peripherischen Nerven. 423 Das Myelin zerfällt vom 2ten oder 3ten Tage an in gesonderte Stückchen (Fig. 1) und darauf in Kügelchen verschiedener Grösse (Fig. 2); diese Kügelchen werden mit der Zeit aufgesogen. Die Axencylinder werden schon vom dritten Tage an dicker und zer- brechlich, vom 10. Tage an bemerkt man an ihnen Varikositäten (Fig. 3b) in deren Nähe auf dem Axencylinder nicht selten Quer- streifen zu bemerken sind (Fig. 3d). Auf diesen Varikositäten bilden sich Einschnürungen (Fig. 3c), an welchen Stellen der Axen- cylinder einreisst. Die Schwann’sche Scheide widersteht länger dem Untergange, mit der Zeit aber verschwindet auch diese. — Die histologischen Veränderungen des degenerirten Nervs sind die gleichen sowohl im Central- als auch im peripherischen Abschnitte; jedoch am peripherischen Ende geht der Process weiter, nur nicht der ganzen Länge nach, wie Viele annehmen. In der Absicht die degenerativen Veränderungen in den Axencylin- dern der centralen Nervenfasern zu erforschen, steckte ich Holz- splitter in die weisse Masse des Rückenmarks von Ratten; nach 5—14 Tagen tödtete ich die Thiere.. Aus dem Theile des Rücken- marks, der dem Splitter zunächst lag, wurden Präparate hergestellt. Um dabei die Axencylinder zu isoliren, genügte es, Stückchen von der Masse des Markes in Jodserum oder in einer schwachen Auf- lösung von Acid. chromic. umzuschütteln. Auf diese Art erhielt ich Bilder, die zeigen, dass der Process der Degeneration in den Axencylindern gleichfalls mit der Verdickung und mit Bildung von Varikositäten anfängt. Roth!) beschreibt an den hypertrophirten Axencylindern folgende Details. An den hypertrophirten Axencylindern bemerkt man Streifen, die sich in der Längenrichtung hinziehen ; häufiger jedoch und deutlicher ausgedrückt ist eine Streifung in der Querrichtung. Bisweilen sind im Innern der Anschwellungen eine oder mehrere kugelartige Bildungen zu beobachten, welche im Gegensatze zu der umgebenden Substanz sich nicht mit Karmin färben lassen. Hinsichtlich der Ursachen der Hypertrophie der Axencylinder sagt er (ebendaselbst Seite 260): die Ursache der Hypertrophie der Axencylinder in Gehirn ist die- selbe wie in der Retina, nämlich ein Enzündungsprocess. — Ich bin vollkommen der Meinung Roth’s in Betreff der Hypertrophie der Nerven. 1) Virehow’s Archiv Bd. 58. S. 258. 424 Bakowiecki: Den regenerativen Process habe ich beobachtet vom 35. Tage an nach dem Durchschnitte des Nerven. — Neben den degenerirten Fasern liegen feine Fäserchen, welche aus langen untereinander verbundenen spindelförmigen Zellen bestehen. — Diese Fasern sind mit einer blassen Contour umgeben (Fig. 4) und gehen unmittelbar in degenerirte Fasern über, sowohl des Central- als auch des peri- pherischen Endes des durchschnittenen Nerven. — Ausser dem Durch- schnitte des Nerven wurde auch aus demselben, wie gesagt, ein Stückchen herausgeschnitten. Nach Verlauf von fünf Tagen nach dem Durchschnitte bemerkt man an beiden Abschnittsenden, wie ich oben angeführt, Verdickungen, deren Hervortreten durch das Anwachsen des Zwischengewebes und durch die Vermehrung der Kerne der Schwann’schen Scheide bedingt wird. An der Stelle, wo ein Stück des Nerven ausgeschnitten war, sind gegen das Ende des 4. Monats eine Menge jener oben beschriebenen feinen Fasern zu bemerken, die durch Zerzupfen schwer zu isoliren sind (Fig. 5); diese feinen Fäserchen sind ohne allen Zweifel neugebildete Axen- cylinder. Der blasse Contour, der sie umgiebt, stellt die Schwann- sche Scheide dar: 1) diese Fäserchen gehen, wie schon erwähnt worden, in ächte markhaltige Nervenfasern über. 2) Aus ihnen be- steht der regenerirte T'heil des Nerven zwischen zweien der be- schriebenen Verdickungen; die Funetion eines solchen Nerven ist schon wieder hergestellt. 3) Diese Fasern lassen sich sehr intensiv färben mit Karmin, Fuchsin und überhaupt mit allen Mitteln, mit welchen sich Axencylinder färben lassen. — Auf welche Art sie in die Axencylinder der wirklichen Nervenfasern übergehen, habe ich bis jetzt nicht genügend beobachten können, weil an dem Ende der degenerirten Nervenfasern Anhäufungen von Myelin das Bild ver- dunkeln. Ich füge noch einige Worte hinzu über das Verwachsen des Nerven bei Anlegung der Naht. In dem Nerven bildet sich gewöhn- lich an der Stelle, wo die Naht angelegt ist, eine Verdickung in Form eines harten Knotens. -— Aus einem solchen Objecte ist es sehr schwierig durch Zerzupfen ein Präparat zu bereiten; daher bleibt nur übrig den Process der Verwachsung an den Durchschnitten zu beobachten. — An solchen Präparaten aus schon funetionirenden Nerven (acht Tage nach Anlegung der Naht) ist zu sehen, dass der grösste Theil der Fasern des durchschnittenen Nerven gegenseitig unmittelbar in einander übergehen (Fig. 6b), wobei zwischen den Zur Frage vom Verwachsen der peripherischen Nerven. 425 durchschnittenen Fasern weder eine Anhäufung von Blutkörper, noch von Seiten der umliegenden Theile ein Einwachsen des Bindegewebes zu bemerken ist. Durch diese Umstände, d. h. durch das Fehlen aller Nebenelemente zwischen den beiden Nervenstümpfen, wird nach meiner Meinung das schnelle Verwachsen des Nerven bedingt. Was das Untersuchungsverfahren anbetrifft, so wurden, um die Nerven- fasern zu isoliren, die eben ausgeschnittenen Nervenstückchen 2—5 Tage lang einer Maceration in Jodserum und darauf während 24 Stunden in schwacher Chromsäure (1/, %/,) unterworfen. — Für die Durchschnitte wurden die Nerven mit Müller’sher Flüssigkeit und darnach mit Spiritus behandelt. Von gebräuchlichen färbenden Stoffen erwiesen sich als die besten: Ueberosmiumsäure, Goldchlorid, Carmin und Fuchsin. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX. Fig. 1. Das peripherische Ende des N. Isch. einer weissen Ratte, drei Tage nach dem Durchschnitte des Nerven, (a) Stückchen vom Myelin, schwarz gefärbt in Osm.-Säure, (b) Stückchen von Myelin grau ge- färbt in Osm.-Säure?). Das peripherische Ende des N. Isch. einer weissen Ratte, 8 Tage nach dem Durchschnitte des Nerven. (a) Kügelehen von Myelin. Fig. ID Fis. 3. Das Centralende des N. Isch. einer weissen Ratte, 15 Tage nach dem Durchschnitte des Nerven; (a) die Schwann’sche Scheide, (b) Varikositäten des Axencylinders, (e) die Einschnürung (Verengung) der Varikositäten , (d) Querstreifen am Axencylinder. Das Vorhan- densein von Myelin ist schon nicht mehr zu bemerken. Fig. 4. (a) Das degenerirte Ende der Fasern des N. Isch. einer weissen Ratte, 45 Tage nach dem Durchschnitte des Nerven; (b) Axencylinder 1) Myelin im pathologischen Zustande wird durch Osmin-Säure und Karmin bald schwarz. bald grau gefärbt; wovon dies verschiedene Verhalten abhängt, ist mir zur Zeit unerkiärlich. 426 Bakowiecki: Zur Frage vom Verwachsen der peripherischen Nerven, Fig. 5. Fig. 6. der neugebildeten Fasern, (c) der ihn umgebende blasse Contour, (Schwann’che Scheide. Feine Fäserchen, isolirt aus der Verwachsungsstelle dort, wo ein Stück von 4 Linien aus dem N. Vagus eines Kaninchens herausge- schnitten wurde. Das Thier wurde 4 Monate nach der Operation getödtet. N. Vagus eines Hundes, durchschnitten und vernäht. Das Thier wurde 8 Tage nach der Operation getödtet. (a) die noch nicht ver- wachsenen Fasern, (b) die schon verwachsenen. (Das letzte Präparat wurde in Müller’scher Flüssigkeit und darauf in Spiritus macerirt, alle vorhergehenden wurden mit Jodserum behandelt.) Die peripherische markhaltige Nervenfaser. Von Dr. Jul. Hermann Kuhnt. (Aus dem anatomischen Institut in Rostock.) Hierzu Tafel XVII. Das Thema), welches in nachstehenden Zeilen abgehandelt werden soll, ist von jeher als eins der dunkelsten, zugleich aber auch interessantesten in der ganzen Histologie angesehen worden. Denn, wiewohl seit nahezu einem halben Jahrhundert wohl kein Jahr verging, in dem nicht eine, oder mehrere darauf bezügliche Abhandlungen geliefert wurden, so stehen wir doch noch heutigen Tages vor ihm, gleichsam wie- vor einer Terra incognita, deren Inneres nur in den allgemeinsten Zügen erforscht und bekannt ist. Und doch handelt es sich dabei um den wichtigsten Theil, um das empfindende, bewegende, lebengebende Element des Or- ganismus! Am besten wird diese Thatsache gewürdigt, wenn man an der Hand der geschichtlichen Entwickelung die Stadien durchläuft, welche die Nervenfrage erlebt hat. Alles, was vor dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zurück auf Leeuwenhoek (1) ?) über das Nervensystem geschrieben worden, be- 1) Fragmentarisches hierüber wurde bereits in den Schriften von d. königl. Gesellschaft d. Wissenschaften u. d. S. A. Universität zu Göttingen Nr. 9. d. J. mitgetheilt. 2) Diese Zahlen entsprechen den gleichen des Literatur-Verzeichnisses, 428 Jul. Hermann Kuhnt: zieht sich auf die Nerven des Gehirns. Man untersuchte dabei nur _ ausnahmsweise frische Objeete, und diese stets in Wasser, wodurch eine unversiegbare Quelle aller nur möglichen Gerinnungserscheinungen eröffnet wurde, die dann auch lange Zeit das tiefste Dunkel über diesen Gegenstand erhielten. Die Gelehrten waren sich indess dar- über einig, dass die Nervenelemente aus bunt durcheinander ge- würfelten Kügelchen bestehen, deren Durchmesser bald die Hälfte, bald nur ein Achtel der Blutkörperchen erreichen. Erst Prochaska(5) machte darauf aufmerksam, dass die Kügelchen, die auch in den peripherischen Nerven sich finden, sich von denen des Gehirns durch ihr Auftreten in Reihen und ihre regelmässige Anordnung unterscheiden. Eine neue Aera wurde eingeleitet, als der grosse Fontana (7) in rationellster Weise das Verhalten der Nerven untersuchte. Ja man kann wohl behaupten, dass von jetzt an überhaupt erst von einer spezielleren Anatomie dieser Theile gesprochen werden darf. Denn Fontana (7) wies nicht nur die Unhaltbarkeit der para- doxen Kügelchentheorie nach, sondern er erkannte auch die Zu- sammensetzung der Nerven in einer für seine schlechten Hülfsmittel staunenerregenden Weise. Er beschreibt sie, als bestehend aus einer grossen Anzahl durchsichtiger, homogener, gleichförmiger, sehr ein- facher Cylinder »die von einer sehr feinen einförmigen Haut ge- bildet zu sein scheinen, welche, soviel das Auge davon urtheilen kann, mit einer durchsichtigen, gallertartigen, in Wasser unauflös- lichen Substanz ausgefüllt ist«. Ein jeder dieser inneren Cylinder, unser Axencylinder, bekommt eine Hülle in Gestalt einer äusseren Scheide, die nach heutiger Auffassung neben den Endoneural-Scheiden, die Schwann’sche Scheide und das Mark umfasst. Diese im höch- sten Grade bedeutsamen Entdeckungen wurden aber von den Zeit- genossen nicht nur mit grosser Scepsis aufgenommen, sondern zum Theil geradezu für optische Täuschungen angesehen. Insonderheit war es der innere Öylinder, welcher mehr weniger in Vergessenheit gerieth. Zwar deuten Treviranus (8), entschiedener noch Prevost und Dumas (9), ferner Edwards (10) sein Vorhandensein an, indem sie nahe der Mitte der Faser seine Conturen in Form zweier gerader Linien, oder zweier Reihen feinster Kügelchen zeichnen, allein das Wesen der gesonderten Existenz entging ihnen. Auch Hodskin und Lister (11) können sich auf die Höhe Fentanas nicht erheben, wenngleich sie das Bedenkliche einer Annahme von ne Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 429 Elementarkügelchen nochmals hervorheben, und ihre Entstehungsweise zuerst mit einer eventuell beginnenden Zersetzung in Zusammenhang bringen. Die Aufgabe jene Forschungen neu zu begründen, zu erweitern, und so einen wirklichen Schritt vorwärts in der Erkenntniss der Ner- venfasern zu thun, war neben Purkinje (13) und Rosenthal(14) erst Remak (12) beschieden. Dieser geistvolle Forscher stellte in seinen »Exereitationes anatomicae et microscopicae 1338« die meisten Irrthümer der früheren Autoren klar, und wies nach, dass der In- halt der Fasern aus zwei chemisch wie morphologisch verschiedenen Gebilden, dem Mark und dem Axencylinder bestehe, welche wie- derum vielleicht durch eine Membran geschieden würden. Bezüglich dieser letzteren kam aber auch er über Vermuthungen und Schluss- folgerungen nicht hinaus und liess es dahingestellt, ob sein primi- tives Band ein solider Körper, oder selbst schlauchförmig sei. Sehr bald fügte diesen beiden sichergestellten Faserbestandtheilen Th. Schwann (16a) durch die Entdeckung der die Faser begrenzenden Scheide, den dritten hinzu. Er beschreibt denselben als »veine struc- turlose, fein granulirt aussehende, eigenthümliche Haut, die als ein schmaler, heller Saum erscheint, welcher sich deutlich von den dunk- leren Conturen der weissen Substanz unterscheidet«. Hiermit war bis auf den Nachweis der angedeuteten Scheide des Axencylinders die Structur der Fasern in groben Umrissen gegeben. Doch noch lange dauerte es, bis sie als ein Gemeingut der Wissenschaft an- gesehen wurden. Vor allen entbrannte ein lebhafter, bis in die neueste Zeit andauernder Streit über den centralen Theil der Faser, Remaks Primitivvand, Purkinje’s und Rosenthal’s Axencylinder. Der Umstand, dass man dies Gebilde immer erst einige Zeit nach dem Tode des Nerven, oder durch Anwendung chemischer Reagentien zu erkennen vermag, musste den Gedanken erwecken, dass dasselbe kein eigentliches, präformirtes Gebilde, sondern das Product der Differen- zirung des gerinnenden, zähflüssigen Inhaltes der Nervenröhren sei. Diese besonders vonHenle(8)und Valentin (9) mit grosser Schärfe “vertretene Ansicht fand bei fast allen Forschern Wiederhall und mehre Jahre hindurch waren J. Müller und Hannover (25) die einzigen, die sich trotzdem der Entdeckung mit Entschiedenheit an- schlossen. Valentin (23) modificirte zwar seine Ansicht bald dahin, dass er für manche Fälle einen Consolidationsprozess im Innern der Fasern annahm, beruhend auf einer gewissen Geneigtheit des cen- tralen Theiles zu dieser Bildung, welcher Hypothese R. Wagner (42) 450 Jul. Hermann Kuhnt: sich anschloss, aber Henle (31, 45) trat mit immer neuen Gründen gegen die Präexistenz auf und wies nach gründlicher Erforschung des Markes auf die Polymorphie dieses und die dadurch möglichen Täuschungen nachdrücklich hin. In gleicher Weise erklärten sich nun auch Günther (32), Heim (46), Bidder und Volkmann (48), Mulder, Donders und Moleschott, endlich Gerlach (55) gegen den Axenfaden. Erst nach 1850 war es Kölliker (71), der diesen verneinenden Aussagen gegenüber auf Grund sorgfältiger Unter- suchungen die Existenz des Axencylinders in jeder feinen wie groben Faser behauptete, und sein Hervortreten ohne jedes Reagens an todten, sowie mit passenden Reagentien an frischen Nervenröhren feststellte und endlich seine Zusammensetzung aus einer vom Faser- stoff verschiedenen Proteinsubstanz darthat. Als Antwort hierauf führte Henle (67) das Verhalten fettiger Injectionsmassen in Capillaren bei Druck, Erwärmen ete.an. Auch hier sehe man doppelte und ein- fache Contouren, von welchen die inneren, dunkeln, einen hellen Saum, dem Axencylinder ähnlich, einschliessen. Das entscheidende Wort wollte nunmehr Remak (87) selbst auf der Versammlung zu Wiesbaden sprechen, indem er sein Primitivband für schlauchförmig erklärte, und für die Existenz der früher nur angedeuteten Scheide mit Entschiedenheit eintrat. Er sagt: »der Axencylinder liegt der Markscheide fest an, und schrumpft unter dem Einfluss der Reagentien zu dem der Autoren. Die sehr dünne aber feste Wand des Axen- schlauches zeigt regelmässige Längsfaserung«. Allmählich bricht nunmehr die Ansicht von der Präexistenz immer mehr und mehr durch, und es verharren in der Opposition ausser Henle nur noch Funke (94) und Krause (128). Bezüglich des Nervenmarkes war man früher der Ansicht Henle’s (18) beigetreten, wonach dasselbe 'eine Seife und eine freie fettartige Substanz in Verbindung mit Eiweiss in Wasser aufgelöst enthalte, und zäh, weich, etwas flüssig und im frischen Zustande homogen ist. Auch das Verhalten gegen einzelne Reagentien hatte Henle festgestellt, wenngleich in dieser Beziehung erst Sch wann(77) durch eine Menge werthvoller Angaben den Abschluss lieferte. Er- wähnt zu werden verdient, dass R. Wagner geneigt war, zwischen Axencylinder und Rindenschichte (die aus Fett besteht) noch eine blasse, mit dem Axencylinder verbundene, eiweissartige Schicht an- zunehmen, eine Ansicht, die in allerneuester Zeit, wie ich antieipando bemerken möchte, in modifieirter Form einen Anhänger in Schmidt Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 431 (183, 184) fand, der ebenfalls zwei Schichten, eine äussere fibrilläre und eine innere feingranulirte medulläre annimmt. Wahrscheinlich führte beide Autoren zu dieser Annahme der Umstand, dass post mortem immer das Mark eine mehr weniger deutliche Spaltung in das Fett und Eiweiss zeigt, und ersteres sich peripher ablagert. Werfen wir nunmehr einen Blick auf die Geschicke der Schwann’- schen Scheide, so sehen wir, dass die Existenz derselben sehr bald von allen Seiten bestätigt wurde, so von Purkinje (13) und Rosen- thal (14), die aber Längsstreifen, seltener Querstreifen, daran wahr- nehmen, ferner von Remak (12), W. Krause (17), Henle (18), wäh- rend Valentin (19)darin irrte, dass erihr, seiner Begrenzungshaut, an- fangs eine Structur von Fasern beilegte, die in doppelter Richtung sich kreuzend schraubenförmig um das Rohr verlaufen. Offenbar wurde Valentin und viele Autoren vor und nachher zu einer solchen Annahme verleitet, einmal durch anhaftende Bindegewebsfibrillen, und dann durch Druckerscheinungen. Gerade letzteres Moment erregt nur allzu- leicht den Verdacht einer fibrillären Streifung, wie man sich durchs Experiment überzeugen kann. An dem von Valentin (19) be- schriebenen Flimmerepithel längs der Innenfläche wurde derselbe selbst sehr bald zweifelhaft. Diese Erscheinung wird, wie ich mich des öfteren, namentlich an Chromsäurcpräparaten, überzeugte, durch eine Molecularbewegung kleiner freischwimmender Markpartikelchen erzeugt, uud sieht in der That einem Flimmern äusserst ähnlich. Nachdem noch Hannover (25), Volkmann (33), Todd und Bowmann (40), Schaffner (44) und vor allem Kölliker (63, 71) die Scheide im SinneSchwann’s constatirt hatten, hielt man längere Zeit die Structur derselben, jedoch nur an starken und mittelstarken Fasern, für erwiesen. Während nun die Frage in der dargethanen Weise stand, stellte B. Stilling (95) in Folge von Untersuchungen an Chromsäureprä- paraten, seine ganz originelle Lehre von den Elementarkügelchen auf. Nach ihr bestehen Mark und Scheide, welche beide als peri- pherer Theil der Faser zusammengefasst werden, aus einem Netz feinster 0,0003—0,0006‘“ messender Röhrchen, die sich theilen und anastomosiren, während der Axencylinder oder centrale Theil aus min- destens 3 Schichten zusammengesetzt ist, deren jede eine Menge feiner Röhrchen abgiebt, welche mit dem Netze der peripheren, sowie auch mit benachbarten Fasern in Verbindung treten. Die Röhrchen ent- halten die fettige Substanz, die das Mark characterisirt. Dieser Hypo- 432 Jul. Hermann Kuhnt: these trat zuerst Henle (Bericht d. J. 1855), später Turner (i1l1, 119) und Clarke (114) entgegen und qualificirten sie als irrthümliche, auf einer sonderbaren Gerinnungsweise der Chromsäure -Präparate, auf Runzeln, Falten, Fettkrystallen und Interferenzerscheinungen beruhend. \ Ueber den Axencylinder machen sich in den nun folgenden . Abhandlungen dreierlei Ansichten geltend. Die eine Partei unter den Forschern hielt die Homogenität des Axenceylinders aufrecht, die zweite entschied sich für eine fibrilläre Structur desselben, indem sie aus dem Verhalten des Ursprungs und der Endigungsweise auch Schlüsse auf seine periphere Natur ziehen zu können glaubte, wäh- rend schliesslich die dritte für eine membranöse Umhüllung mit homogenem oder auch fibrillärem Inhalte eintrat. Im Sinne der ersten Richtung sprach sich vor Allen Waldeyer (125) in seiner bekannten, grossen Arbeit aus und es stimmten ihm viele Forscher zu, so Henle und Merkel (156), nachdem ersterer dieOppo- sition gegen die Präexistenz des Axenfadens aufgegeben, Beale(173)ete. Als Begründer der zweiten ist Max Schultze (157) zu nennen, der, fussend auf einer Reihe neuerer Angaben und besonders From- manns(131) Beobachtungen, sich dahin aussprach, dass der Axen- cylinder Bündel von Fasern repräsentire, die sich in immer feinere bis zur völligen Isolirung zerlegen. Diese Fasern, Primitivfibrillen genannt, sind nach ihm der Elementarbestandtheil aller Nervenfasern und in eine interfibrilläre, feinkörnige, protoplasmatische Substanz eingebettet. Der Axencylinder Max Schultze’s entspricht dem Inhalte der ganzen Faser mit Ausnahme der dünnen peripheren Schicht, von der die markhaltigen Fasern den Namen der doppelt- conturirten haben und unterscheidet sich hierdurch wesentlich von dem Henle’s und der anderen Autoren, dessen Durchmesser kaum mehr als die Hälfte desjenigen der ganzen Faser beträgt. Die dritte von Remak ausgehende Annahme hatte anfänglich nur in Hannover (25) einen Anhänger gefunden, später gesellte sich indess Mauthner (116, 125) hinzu auf Grund von in carmins. Ammoniak gefärbten Präparaten und in neuester Zeit Todaro (177) und Tamamscheff (172). Man dachte sich den Axencylinder homogen, aber durch eine Scheide von dem Mark getrennt. Gleichfalls für eine Scheide, aber mit fibrillärem Inhalte im Sinne M. Schultze’s erklärte sich Frommann (131), gestützt auf Un- tersuchungen mit salpeters. Silberoxyd. Die von demselben Autor Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 433 zuerst hervorgehobene Querstreifung von Fasern, die mit dem ge- nannten Reagens behandelt sind, wurde bald allseitig bestätigt und besonders von Grandry (161, 162) näher beschrieben. An From- mann schliesst sich Schmidt (153) an, nur lässt dieser letztere seine Fibrillen aus reihenweise angeordneten Körnchen von !/ı2oo Mm. Durchmesser hervorgehen, die er analog den Bowmann’schen sarcous elements, nervous elements nennt. Diese Körnchen liegen bei den Nachbarfibrillen in gleicher Höhe, woraus eine Art Quer- streifung resultire. Erwähnt muss noch werden, dass abweichend von den oben entwickelten Ansichten Klebs (142) zwischen Axencylinder und Markscheide eine periaxale Flüssigkeit annimmt, ferner, dass Rou- danowsky (175) den Axencylinder aus einer Scheide mit Kernen und einem flüssigen Inhalt zusammengesetzt glaubt, sowie endlich, dass Fleischl (190) den gesammten Axencylinder für eine Flüs- sigkeit erklärt. Das Mark fand in neuerer Zeit weniger Bearbeiter. Mauth- ner (125) erwähnt an Nerven, die mit Chromsäure behandelt werden, eine eoncentrische Schichtung, deren Grenzen aber nur selten einen geschlossenen Ring bilden, worinLister und Turner (111), ferner Reissner (118) übereinstimmen. Sodann heben Henle und Merkel (156) hervor, dass Fasern, die 1!/; Stunde und später, nachdem sie dem Körper entnommen, in Alcoh. abs. gelegt werden, schmale oder breite Schüppchen zeigen, die die Zwischenräume läng- licher, rosenkranzförmig an einander gereihter Tropfen auszufüllen scheinen. Dieses Phänomen steht in enger Beziehung, wie wir weiter unten zeigen werden, mit den von Lantermann (185) jüngst beschriebenen Einkerbungen, wodurch das Mark in kleine cylindrische Stücke getheilt wird, die sich nach diesem Forscher wiederum aus kleinen stäbchenartigen Elementen aufbauen. Von den seit Stilling über die Schwann’sche Scheide gemachten Mittheilungen ist nur zu bemerken, dass die Behauptung Clarke’s (114), wonach die Scheide aus verschieden dicken Fasern zusammengesetzt sei, sowie die Mauthners (116), der sie bald als structurlos, bald ebenfalls aus feinsten Bindegewebsfasern be- stehend anspricht, keine Anerkennung fanden. Einen erheblichen Schritt vorwärts führte uns Ranvier (167) durch die Constatirung und Deutung der schon längst gesehenen, aber nicht beachteten Einschnürungen (anneaux constrieteurs) in 434 Jul. Hermann Kuhnt: gleichmässigen, bestimmten Entfernungen. Von den vielen Bestä- tigungen dieser Angaben mögen besonders die Arbeiten von Axel Key und Retzius (168), sowie von Sachs und von Mayer (180) hervorgehoben werden. Bezüglich der Kerne, die an der Innenseite der Schwann’- schen Scheide in bestimmten Abständen sich finden, sei bemerkt, dass Schwann (16a) dieselben schon richtig beschrieb »als in einer Bucht des Markes liegend«. Rosenthal bestätigte sie, Henle (18), Günther (32), Kölliker (41) stellten sie indess in Frage. Ein Charakteristicum für alle animalischen Fasern glaubte Reiss- ner (115) in dem Verhalten dieser Kerne gefunden zu haben. Er betonte ganz richtig, dass sie an feineren Fasern zahlreicher wären, als an stärkeren, unterlag aber einem Irrthum, als er behauptete, dass sie der Innenseite der Hülle nicht anliegen könnten, da sie sich ohne Trennung der Continuität von der letzteren ablösen. Erst Ranvier (167, 169) erkannte ihr regelmässiges Vorkommen bei den meisten Wirbelthieren, Axel Key und Retzius (168) sowie Sigmund Mayer (180) bestätigten es. Nachdem so in groben Zügen die Geschichte der Nervenfaser entwickelt worden, wende ich mich zur Darstellung meiner eignen Untersuchungen. Abgesehen von der Anordnung der Bindegewebsscheiden fällt zunächst bei der makroskopischen Betrachtung eines dem lebenden Organismus frisch entnommenen Nerven eine eigenthümliche Quer- streifung auf. Dieselbe ist bei starken und schwachen Stämmen insofern verschieden, als bei ersteren die aufeinanderfolgenden weissen und dunkeln Streifen in etwas weiteren Zwischenräumen folgen und über die ganze Breite des Nerven keine grade, sondern eine zick- zackförmige Linie bilden. Letztere Thatsache resultirt daraus, dass jeder grössere Nerv bekanntlich aus einer Anzahl kleinerer besteht, die proportional ihrer Dicke in grösseren oder kleineren Intervallen gestreift sind und diesen Streifungsmodus überall an sich tragen. Das Phänomen selbst aber ist, wie Felix Fontana (7) bereits zeigte, als eine Interferenzerscheinung aufzufassen, hervorgerufen durch den welligen Verlauf der parallel gelagerten oder verfloch- tenen und anastomosirenden Primitivfaserbündel. Um dieselben Bündel finden sich sodann in concentrischen Kreisen angeordnete Bindegewebslamellen (Perineuralscheiden), von welchen sich einzelne Lamellen, wie Axel Key und Retzius (168) Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 435 angeben, zwischen die Fasern hineinsenken und diese umhüllen (Endoneuralscheiden ), während alle Bündel eines Stammes von einer gemeinsamen Scheide (Epineuralscheide) umfasst werden. Die Existenz dieser Scheidemembranen zu bestätigen ist leicht. Die Injection der Lymphbahnen, welche nach den genannten schwe- dischen Forschern durch sie begrenzt werden sollen, vom Rücken- markscanale aus gelang mir nicht, doch ist dieses letztere Re- sultat in keiner Weise von Bedeutung, denn da mein Untersuchungs- feld in einer ganz andern Richtung lag, habe ich viel zu wenig In- jecetionen angestellt, um ein Urtheil hierüber fällen zu können. Was nun die Faser im Allgemeinen selbst anbelangt, so ist zunächst hervorzuheben, dass starke, mittelstarke, feine und feinste Fasern nach dem Vorgange Köllikers zu unterscheiden sind. Starke Fasern nenne ich in Folgendem solche, die einen Durch- messer von 0,009 und darüber, mittelstarke, die einen von 0,006 bis 0,009, feine, die einen von 0,005—0,006 und feinste, die einen Durchmesser unter 0,003 Mm. haben. Bezüglich der functionellen Verschiedenheit der Nerven lässt sich im grossen Ganzen jene Angabe Reissners bestätigen, dass die sensiblen Nerven vorzugsweise feine und feinste Fasern in sich bergen, wo hingegen in den motorischen die mittelstarken und starken vorherrschen. Häufig ist aber auch diese Anordnung nicht inne- gehalten und es stellt sich alsdann in beiden Fällen das Verhältniss so, dass zwischen starken Fasern eine Anzahl schwächeren Calibers manchmal bündelweise, wie Luchtmans (155) richtig angiebt, herumgelagert ist, die nicht selten jene in Spiraltouren umkreisen. Auch marklose Fasern in peripheren Nerven wurden vielfach und zwar bei Säugethieren, Vögeln, Fischen und Amphibien gefunden; vorzugsweise indess bei Fröschen !) und alten Thieren aus der Reihe der Säuger, wo häufig kleine Bündel derselben wahrzunehmen waren. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass zuweilen in Zerzupfungsprä- paraten vom Nerv. ischiad. des Frosches marklose Fasern gefunden wurden, die (vergl. Figur 7) eine bestimmte Strecke jederseits vom ovalen Kern markhaltig waren. Die Endigung des Markes fand allmählich oder auch plötzlich durch Uebergang in eine granulirte Masse statt. Häufiger als diese Species wurden feine und feinste 1) Ich muss bemerken, dass meine Resultate nur für Winterfrösche Geltung haben, da solche allein zu meinen Untersuchungen zu Gebote standen. 436 Jul. Hermann Kuhnt: markhaltige Fasern angetroffen, die allmählich oder plötzlich ihr Mark verloren und gleichfalls in eine scheinbar protoplasmatische Substanz übergingen. Ich bin geneigt, diese Eigenthümlichkeit der Fasern als auf einem gewissen De- resp. Regenerationsprocess be- ruhend anzusprechen. Nicht vollkommene Klarheit konnte aber über eine dritte Gattung erlangt werden, welche sich ebenfalls an Winterfröschen fand und in Gestalt bandartiger, fein oder grob granulirter Streifen erschien, deren eines Ende nicht selten in einen dünnen Faden auslief. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass (diese Streifen vielleicht gar nicht nervös sind, sondern nur eine ge- wisse Parasitenform darstellen (vgl. Fig. 16). Ob diese Streifen identisch sind mit den von Mayer (180) angedeuteten, wurde mir um so fraglicher, als die hier beschriebenen jedenfalls keine Bezie- hungen zu den Gefässen zeigten. Aufmerksam sei sodann auf den eigenthümlichen Verlauf eini- ser markhaltiger Fasern gemacht, die bei Untersuchung von unzer- zupften Rückenhautnerven des Frosches auffielen und an Hyrtls (150) endlose Nerven erinnerten. Hier traten nämlich zuweilen eine oder mehrere Fasern aus ihrem Bündel heraus, durchbrachen in Bogen die zugehörigen Perineuralscheiden und die des angrenzenden Bündels, schmiegten sich diesem an und verliefen eine kürzere oder längere Strecke rückwärts. Ihr Endverlauf konnte nie festgestellt werden, weil sie sich zwischen die Fasern hineinsenkten und jede Isolation missglückte. Betrachtet man beim Studium der einzelnen Theile der Nerven- primitivfasern lebende Präparate, z. B. in der Nickhaut des Frosches oder in den Schuppentaschen eines Fisches, so sieht man, wie be- kannt, weiter nichts als ganz hemogene, wasserhelle, schwach glän- zende Streifen mit einfachen dunklen Rändern, die Henle (18) treffend mit eylindrischen, leicht geschlängelten Glasfäden vergleicht. Allmählich wird der dunkle Contur jederseits breiter durch Anla- gerung einer zweiten dunklen Linie, die sich nach Innen parallel der ersteren bildet und immer weiter nach dem Üentrum der Faser abrückt. Das Auftreten derselben beruht, wie Henle richtig her- vorhebt, auf einer Spaltung der das Nervenimark zusammensetzen- den Fetteiweissmischung. Ausser diesen zwei dunklen Conturen jederseits zeigt die Faser nunmehr Runzeln und Falten auf der Oberfläche, sowie Querstriche und unregelmässige ziekzackförmige Figuren. Den Raum zwischen den jederseitigen Gontouren füllt eine Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 457 helle Zone, die nach und nach einen cylinderförmigen Körper her- vortreten lässt, während an dem Rande der dritte Bestandtheil der Faser, die nach aussen abgrenzende Scheide, als zarte Linie an günstigen Stellen bemerkt wird. Ueber die Form der frischen Nervenfaser und die Lagerung der einzelnen Theile gegen einander ist man bisher noch keineswegs einer Ansicht. Es ist auch ausserordentlich schwer einen bestimm- ten Ausspruch zu thun, zumal es immer wahrscheinlicher wird, dass eine bestimmte Form gar nicht vorherrscht, sondern alle Variationen vom Cylinder bis zum Bande sich neben einander finden. Der Haupt- erund für die Differenzen ist zu suchen, erstens in der Unmöglich- keit, ohne Insult an frischen Fasern (Quer- und Längsschnitte zu machen, ferner in der Wahl und Concentration der erhärtenden resp. conservirenden Flüssigkeiten, denen die Autoren den Nerven vor der Untersuchung aussetzten, sowie endlich in dem Umstande, der bisher nie genügend beobachtet worden, dass wohl kein Reagens auf jeden einzelnen Bestandtheil der Faser gleichartig wirkt, sondern dass der eine Theil quillt, während der andere schrumpft und um- gekehrt. Da man vorzugsweise zu Formbestimmungen Längs- und Querschnitte von Nerven in Anwendung zog, die mit Chromsäure oder Alkohol, Sublimat oder Ösmiumsäure behandelt worden, so war es geboten zu prüfen, in wie weit jede dieser Methoden die ursprüng- liche Form zu erhalten geeignet ist. Beginnen wir zuerst mit Chrom- säurepräparaten, so fällt bei Betrachtung eines Längsschnittes der Umstand auf, dass der Axencylinder durchaus bestrebt ist, jede Biegung der Faser zu vermeiden und möglichst gradlinig zu ver- laufen. Natürlich tritt er in Folge davon bisweilen unmittelbar an die Scheide heran, ein Verhalten, welches an Querschnitten bestätigt wird und lehrt, dass entgegen der Annahme von Lister und Turner und besonders von M. Schultze der Axencylinder in Chromsäure nicht quillt, sondern schrumpft. In gleicher Weise ist die Brauchbarkeit der durch Alkoholpräparate gelieferten Bilder zu bezweifeln. Hier begegnet man, wie von vornherein zu erwarten, auf Querschnitten einzig und allein vollendeten Kreisformen und einer genau centralen Lagerung des Axencylinders. Das physikalische Gesetz, wonach bei der Schrumpfung jeder Körper bemüht ist, die Configuration anzunehmen, bei welcher er auf kleinstem Raume die grösste Menge der Molecüle beherbergen kann, tritt in volle Geltung. Auch Sublimat alterirt die Lagerung Archiv f. mikrosk,. Anatomie, Bd, 13. 28 438 Jul. Hermann Kuhnt: dadurch, dass es, wenngleich nur wenig, schrumpfend auf den Axen- cylinder einwirkt, ein Umstand, der auch nach Osmiumsäureeinwir- kung hervortritt. Am glaubwürdigsten dürften denn unter diesen Verhältnissen immer noch die Querschnitte von gefrorenen Nerven sein. Hier sieht man alle Formen neben einander, vorherrschend die ovale und kreisförmige, selten die eckige. Wahrscheinlich ist die Forın des Axencylinders eine Wiederholung der Form der ganzen Faser in verjüngtem Maassstabe, wie dies an den sehr wenigen, glücklich conservirten gefrorenen Durchschnitten erscheint. In der überwiegenden Zahl der Präparate war der Querschnitt desselben allerdings ausgesprochen sternföürmig (Roudanowsky). Diese Form kann aber deshalb nicht als die präexistirende angesehen werden, da man stets sieht, wie der Stern in Mitte des Faserquer- schnittes kleiner und kleiner wird, bis er auf eine unregelmässige Spalte redueirt erscheint. Längs- oder Schiefschnitte lehren, dass dies Phänomen auf einem Hervorquellen des zähflüssigen Markes über den Schnittrand beruht. Wenden wir uns nunmehr zur eingehenden Betrachtung der einzelnen Bestandtheile der Faser selbst. Die Scheide, um mit dieser zu beginnen (Begrenzungshaut, Primitiv-Neurilemm, oder nach ihrem ‘Entdecker Schwann’sche Scheide genannt), ist eine glashelle, nahezu elastische Haut, an der bisher eine Struktur mit Sicherheit noch nicht festgestellt werden konnte. Sie umhüllt den Nerven aufs innigste und zwar von seinem Austritte aus dem Centralorgan continuirlich bis zu seiner Endigung an der Peripherie, und geht keinerlei Verbindungen weder mit dem Inhalte noch mit den endoneuralen Bindegewebsscheiden ein. Durch- forscht man auf längere Strecken isolirte Scheiden recht sorgfältig, so trifft man in seltenen Fällen kleine, rundliche Kerne, die in die Wand eingebettet sind (cf. Fig. 1) und wahrscheinlich Reste von Bildungszellen darstellen, aus denen sich die Scheide aufbaut. Jene körnige Umgebung, wie Fig. 2a sie darstellt, wurde nur dreimal constatirt; allerdings sei bemerkt, dass allein solche Scheiden Be- rücksichtigung fanden, an denen der Uebergang in noch unversehrte Fasern deutlich zu verfolgen war, die also jede Verwechselung mit manchmal ganz ähnlich aussehenden Capillargefässen ausschliessen. Von einer regelmässigen Längsstreifung, wie von Bruns (16), Clarke (14), Mauthner (123) oder von einer Querstreifung, wie von Rosenthal (14), Purkinje (13), Valentin hervorgehoben Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 439 wird, konnte nichts bemerkt werden. Ja, ich möchte bestimmt be- haupten, dass sämmtliche derartige Streifungen nur als Insulte der homogenen Elemente gedeutet werden müssen. Denn es glückte stets, an durchaus structurlos aussehenden Scheiden faserartig er- scheinende Faltungen in irgend einer Art künstlich hervorzurufen. Betonen möchte ich nur noch, dass diese Scheide sich an mark- haltigen Fasern jeden Kalibers findet, und dass bei geeigneter Be- handlung selbst die feinsten Fasern mit grosser Deutlichkeit immer die Existenz einer solchen wahrnehmen lassen. Fassen wir den Verlauf der an den Rändern der Fasern er- kennbaren Scheidencontouren ins Auge, so sehen wir, dass dieselben nur scheinbar eine grade Linie darstellen, vielmehr in Kleinen Ab- ständen schwache Ausbuchtungen und Einschnürungen zeigen. Die Faser erhält dadurch das Bild leise angedeuteter Varikositäten. Hier und da aber senkt sich die Scheide tiefer ins Mark hinein, meist einen spitzen Winkel bildend und in bestimmten, indess bei den verschiedenen Thiergattungen und bei verschieden starken Fasern desselben Thieres variirenden Entfernungen kommt eine förmliche Ringbildung der Scheide und daneben einhergehendes Einschnüren resp. Aufhören des Nervenmarks zu Stande. Diese Stellen, auf deren Vorkommen Ranvier (167) zuerst aufmerksam machte und die er als Grenzen der Zellen, aus denen er sich die Fasern be- stehend denkt, deutete, sind sowohl an frischen Nerven erkennbar als auch an solchen, die mit pikrins. Carmin-Ammoniak, salpeters. Silberoxyd oder irgend einem andern Reagens behandelt werden. Dass dieselben keine Kunstproducte sind, entstanden durch Knickun- gen der unvollkommenen elastischen Nerven, wie dies Krause (193) behauptet hat, ohne weiter Beweise beizubringen, sondern vorge- bildet und von morphologischer Bedeutung, erhellt einmal aus ihrer Regelmässigkeit, sowie daraus, dass sie auch an im Gewebe 'erhär- teten Nerven constatirt sind. Jeder Zweifel an der Präexistenz dieser Gebilde aber schwindet, wenn man lebende Nerven z. B. in der Nickhaut oder dem Mesenterium des Frosches, ferner in den Schup- pentaschen der Fische untersucht, oder wenn man einem lebenden Frosche 1°, Osmiumsäure unter die Rückenhaut injieirt und nach einiger Zeit einen der durch den Rückenlymphsack tretenden feinen Hautnerven unzerzupft betrachtet, denn gerade hier, wo gewiss jeder Insult vermieden worden, zeigen sich die Verhältnisse mit besonderer Klarheit. Zuweilen schwindet aus der Ranvier’schen Einschnürung 440 Jul. Hermann Kuhnt: das Mark nicht ganz vollständig, so dass eine dünne Zone jederseits vom Axencylinder auf dem optischen Querschnitt wahrzunehmen ist; auch Fälle, wo nur an einer Seite die Markunterbrechung hervor- trat, waren zu beobachten. Wir hätten somit vollständige und un- vollständige resp. einseitige Einschnürungen zu unterscheiden. Die ersteren bilden bei weitem die Regel und möchten namentlich die ein- seitigen als seltene Ausnahmen hinzustellen sein. Genaue Maassan- gaben der Entfernungen lassen sich kaum geben, da sie schon bei einem und demselben Thiere je nach der Körperregion Schwankungen unterworfen sind. Ich möchte nur erwähnen, dass meine Unter- suchungen sich auf Nerven des Menschen, Rindes, Kalbes, Pferdes, Hundes, Kaninchens, Meerschweinchens, der Katze, der Taube, des Frosches, Proteus, Leueiscus, Torpedo etc. bezogen haben und hier meist ein Wechseln zwischen den Grenzen ven 0,5—1,3 Mm. anzu- treffen war. Es sei aber besonders betont, dass diese ganz allgemeine Maass- angabe relativ normalen und ausgewachsenen Individuen und zwar Fasern mittieren Calibers entnommen wurden. Bei Embryonen und noch in Wachsthum begriffenen sind dieselben proportional dem Alter und der Entwickelung resp. der Feinheit der Fasern kleiner. An frischen Fasern bemerkt man an diesen Einschnürungen weiter nichts, als dass die Schwann’sche Scheide bald plötzlich, bald in leichtem Bogen dem Centraltheile der Faser sich nähert, um dann sogleich, oder erst, nachdem sie eine Strecke (die bis 0,007 Mm. betragen kann) weit in dieser Annäherung verharrt hat, in die frühere Lage zurückzukehren; während mit Osmiumsäure behandelte Präparate (Ranvier, Axel Key und Retzius) deut- lich zu erkennen geben, dass trotz des Fehlens des Markes, die grauliche Scheide, die vortheilhaft noch mit Anilinroth gefärbt wird (Axel Key und Retzius), selbst bei der ausgesprochensten Ein- schnürung nie den Axencylinder berührt. Zwischen den deutlichen Contouren dieses und jener ist immer eine, wenn auch minimale Schicht einer anscheinend protoplasmatischen, fein grannlirten Kitt- substanz gelagert. Der bei diesen Präparaten constant hervortre- tretende, grau schwärzlich gezeichnete, in der Mitte der Markunter- brechung gelegene Streifen ist wohl sicher als der optische Ausdruck der Kittsubstanz plus einer der Schwann’schen Scheide von aussen aufliegenden, die Einsenkung ausfüllenden Masse ähnlicher Natur aufzufassen. Derselbe kann bald fehlen, bald verdoppelt erscheinen. Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 441 In letzterem Falle sind beide Streifen wiederum durch eine helle Zone getrennt. Das Fehlen war besonders in den Fällen regel- mässig, wo die Scheide sich plötzlich zur Einschnürung verjüngte und das Mark nur eine ganz kurze Strecke unterbrochen war, wäh- rend das doppelte Auftreten, welches man bei relativ langen Mark- unterbrechungen beobachtet, seinen Grund in einer ovalen, schief gegen die Faseraxe gestellten Form der Einschnürung haben mag, da alsdann die auf und unter der Faser liegenden Hälften des Um- fanges der Kittsubstanzen und Scheidecontouren sich nicht decken, sondern als besondere Streifen imponiren. Gleichfalls sehr instructive Bilder liefern Nerven, die in geeig- neter Weise der Einwirkung des salpeters. Silberoxyds ausgesetzt waren. Entsprechend den Einschnürungsstellen sieht man die be- kannten Kreuze, welche ihre Entstehung einerseits einer Imprägna- tion des Axeneylinders verdanken und andererseits einer Färbung jener die Einschnürung ausfüllenden Massen. Durch letzteres Moment entsteht der quere Schenkel, dessen vorherrschende Form die einer von der Kante gesehenen, durchbohrten Linse ist. Die Ränder des queren Schenkels sind glatt oder leicht gezackt, zuweilen wellig gebogen, die gegenüberstehenden Spitzen desselben meist durch eine besonders dunkel gefärbte Linie vereint. Aus alle dem geht hervor, dass die Markunterbrechungen meistens begleitet sind von einer Verengerung resp. Ringbildung der Schwann’schen Scheide, über deren eigentliches Wesen indess noch keine Gewissheit zu erlangen war. Es darf nur als sicher be- zeichnet werden, dass diese sogenannten Einschnürungen keineswegs das primäre, die Markunterbrechung bedingende Moment sind, denn an embryonalen Nervenfasern oder solchen, die noch im Wachsthum begriffen, sind sie nur äusserst schwach angedeutet. Ja, es war an solchen Fasern häufig absolut gar keine Veränderung des Lumens der Scheide zu constatiren, und man konnte die Stelle der späteren Einschnürung nur aus der Lage der der Innenfläche der Scheide aufsitzenden Kerne und einem gewissen Fettmangel des von Strecke zu Strecke protoplasmatisch aussehenden Markes erkennen. Als Darstellungsweise für die Schwann’sche Scheide empfahl Henle (18) den Zusatz von concentrirter Essigsäure zu frischen Primitivfasern unter dem Mikroskop, und nach der hierbei eintre- tenden Entleerung des Inhaltes, den von Wasser. Man kann auf diese Weise die Scheide deutlich erkennen. Coze und Michels (62) 442 Jul. Hermann Kuhnt: verflüssigten das Nervenmark durch Aether, Chloroform und Terpentinölgeist, um so die collabirte Scheide zur Anschauung zu bringen. Ausführlichere Angaben machte Kölliker (71). Mit grossem Vortheile bediente sich dieser Autor des Natron causticum mit oder ohne nachfolgender Behandlung mit rauchender Salpeter- säure und Kali. Auch Kochen der Fasern mit Alcohol absolutus und Aether und dann entweder Einwirkung des Natron causticum in der Kälte oder nochmaliges Kochen mit Acid. acet. glacial., auch Natron ergaben schöne Bilder. Am meisten rühmt aber Kölliker die rauchende Salpetersäure und den nachherigen Zusatz von Kali causticum. Diese Methoden wurden von Lehmann (77) geprüft und durch Hinzufügen neuer vermehrt. Auch ich habe sie sämmt- lich nachgeprüft und zwar mit bestem Erfolge. An in Sublimat behandelten Nerven (Czermak) konnte ich indess nur einige we- nige Male Scheidenstücke isoliren. Dagegen erwies, besonders bei ÖOsmiumpräparaten, das Chlorum dilutum und aqua Javellis; ferner an frischen Fasern die 36%sige Salpetersäure gute Dienste. Als die bequemste und angenehmste Darstellungsweise aber, insofern als man nicht mit dem lästigen Geruch der scharfen Säuren etc. zu thun hat und doch stets gute Resultate erzielt, möchte ich fol- gende Methode empfehlen. Man legt Fasern, die einen Tag in !/4°/o Ösmiumsäure verweilt haben und kurze Zeit in Aqua destillata aus- gewaschen sind, in ein Gemisch von 10,0 Gr. Aq. dest. und 10—30 Tropfen Liquor ammon. caust. Nach 24stündigem Aufenthalt hierin wird sodann unter Wasser zerzupft. Die Scheide ist nun oftmals auf Strecken von ihrem Inhalt entleert, welche grösser als das ganze Gesichtsfeld sind. Die Faltungen und Windungen des leeren Schlauches erinnern ganz an die gleichen Bilder der entleerten Harncanäle: Markkerne. Zwischen den einzelnen Einschnürungen der Scheide, meist ziemlich genau in der Mitte, findet sich der Innen- seite der Scheide aufsitzend (Ranvier, Axel Key und Retzius) ein Kern. Derselbe ist durchaus constant und regelmässig. Ge- wöhnlich oval, abgeplattet und stets in die Längsrichtung der Faser gestellt, baucht er sich gewissermassen ein Nest in dem Nervenmark aus, das in Folge davon an dieser Stelle verjüngt erscheint, nie aber vollkommen schwindet. Trotz dieser Einlagerung zeigt jedoch die Faser eine unbedeutende Verdickung. Meistens konnten ein, auch zwei Kernkörperchen deutlich unterschieden werden, nie da- gegen Pigmentkörner, wie ich J. Mayer (180) gegenüber betonen Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 443 möchte. Diese Kerne sind fast ausnahmslos umgeben von proto- plasmatischen, fein granulirten Massen, welche Fortsätze von oft erheblicher Länge in radienförmiger Anordnung aussenden. Auch sie liegen zwischen Scheide und Mark. An Osmiumpräparaten, die sich zu ihrem Studium am meisten empfehlen, wird man gewöhnlich der dunklen Färbung des Markes wegen nur an jedem Ende des Kernes einen solchen Fortsatz wahrnehmen, indessen überzeugt man sich unschwer bei Lageveränderungen der Faser,. dass oftmals ein dritter, vierter oder gar noch ein fünfter besteht und in seltenen Fällen die ganze Peripherie der Faser von ihnen umgriffen wird. Die Breite und Dicke dieser protoplasmatischen Fortsätze ist eine sehr verschiedene. Im Allgemeinen lässt sich ungefähr sagen, dass sie die Dimensionen des Kernes nicht übersteigen und proportional der Entfernung von diesem an Umfang abnehmen, ferner, dass sie zur Stärke der Faser in keinem Verhältniss stehen und schliesslich in Uebereinstimmung mit Ranvier, A. Key, Retzius und Mayer, dass sowohl Kerne als auch Fortsätze bei jüngeren Individuen grösser sind, als bei ausgewachsenen. Relativ am grössten fanden sich diese Kerne an Nerven von Proteus, Rana eseulenta und Fischen. Ranvier (167) sowie Axel Key und Retzius (168) haben einen grossen Nachdruck darauf gelegt, dass in jedem zwischen zwei Einschnü- rungen befindlichen Faserstück immer nur ein Kern vorkomme, während Lantermann (185) deren mehrere findet. Bei dem Men- schen und den Säugethieren fand auch ich in der Regel nur einen, und in den seltenen Fällen, wo wirklich ein zweiter existirte, war derselbe viel kleiner und stärker granulirt als gewöhnlich und in der Nähe der Einschnürung gelegen, während der eigentliche legi- time seinen Platz in der Mitte behauptete. Häufiger schon begeg- nete man der Kernvermehrung bei Vögeln, Amphibien und Fischen. Eine ganz merkwürdige Ausnahme von der allgemeinen Regel liess sich an den Nerven der lorenzinischen Ampullen von Torpedo beobachten. Hier finden sich constant mehrere Kerne, gewöhnlich, wie auch Ranvier (171) angiebt, drei, die so angeordnet sind, dass in der Nähe jeder Einschnürung einer, und in der Mitte zwischen diesen, jedoch auf der anderen Seite der Faser, ein dritter liegt. Häufig wurden auch 5 Kerne gesehen, selten 2, 4 und 6; ein ein- ziges Mal 7. Die protoplasmatische Umgebung der Kerne dagegen war meist verkümmert. An den Kernen selbst erschien, obgleich 444 Jul. Hermann Kuhnt: nicht absolut sicher, eine Differenzirung in einzelne Felder, hervor- gebracht durch eine dunkle Querstreifung!). Fast stets findet man, wie auch Axel Key und Retzius (168) erwähnen, in der Nähe der Kerne einen bald grösseren, bald klei- neren Myelintropfen. Diesem Vorkommniss wurde besondere Auf- merksamkeit gewidmet und constatirt, dass jene Myelintropfen zu den Kernen gar keine Beziehung haben, sondern lediglich auf resp. in den protoplasmatischen Fortsätzen placirt sind. Sie sind von sehr variabler Grösse und bald vereinzelt, bald in Gruppen gestellt. An einzelnen Präparaten, am prägnantesten von Fröschen und Torpedo, liess sich die interessante Thatsache feststellen, dass fast die ganze Protoplasmamasse durch ein Conglomerat solcher Tropfen ersetzt, dass ferner der Rand des Markes unregelmässig gezackt (vergl. Fig. 6), ja schon in Verbindung mit dem einen oder anderen grossen Tropfen getreten war. An ein Heraustreten Seitens des Markes in die Protoplasmamasse ist um so weniger zu denken, als an diesen Kernstellen dasselbe bekanntlich am dünnsten ist. Es hat sich allmählich die Ueberzeugung aufgedrängt, dass man es hier mit einer Fettmetamorphose des Protoplasmas zu thun habe, oder mit anderen Worten, dass von diesen Stellen aus eine Neu- bildung des Markes vor sich geht, womit sich auch erklären lässt, warum bei im Wachsthum begriffenen Individuen der Kern, und in Sonderheit dessen Protoplasmazone, so ungleich grösser sind, als bei ausgewachsenen und älteren. Das Nervenmark ist gleichsam als schützender Mantel um den Axencylinder gelagert und wird durch die Schwann’sche Scheide nach Aussen, durch die Scheide des Axencylinders nach Innen ab- gegrenzt. Dasselbe stellt im lebenden Nerven eine homogene, matt glänzende, vollkommen durchsichtige Materie dar, die beim Abster- ben der Faser die wunderbarsten Formveränderungen eingeht. Alle jene Erscheinungen der Gerinnung, das Auftreten der doppelten Contouren, die Neigung zur Kugelbildung, die zickzackförmigen Ver- zerrungen bis herab zu den verschiedenartigsten Granulirungen, sie alle basiren einzig und allein auf der Metamorphose dieser noch so überaus unklaren und schwer erforschbaren Substanz. Hinsichtlich des histologischen Gefüges ist vorerst hervor- 1) Nach T61 (192), dessen Arbeit ich nicht im Original kenne, soll auch bei Knochenfischen eine grössere Anzahl von Markkernen zu beobachten sein. Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 445 zuheben, dass das Mark in gewissen, ziemlich regelmässigen Distan- zen (vgl. oben) sowohl an frischen, als auch an beliebig behandelten Nervenfasern Unterbrechungen (Ranvier) erkennen lässt, die bald total, bald nur partiell, bald doppelt, bald nur einerseits sich prä- sentiren. Unmittelbar vor denselben findet sich meist eine starke Anschwellung und dann ein plötzlicher Abfall des Markes; doch sind allerlei Formen anderer Art nicht ausgeschlossen. So hat man z. B. bei Torpedo und Proteus etc. häufig Gelegenheit, das Aus- laufen in feinste Streifen zu verfolgen, während hinwiederum an im Wachsthum begriffenen Fasern der Säuger, wie schon oben ange- deutet wurde, die Unterbrechung nicht einmal scharf abgegrenzt ist, sondern das Mark sich verwaschen in eine stark granulirte, das unveränderte Lumen der Scheide füllende, scheinbar protoplas- matische Schichte verliert. Hinzuzufügen ist noch die interessante Thatsache, dass besonders an diesen Unterbrechungen, zuweilen aber auch in der Continuität von Nerven alter Individuen, die in Bezug hierauf noch zweckmässig mit lang dauerndem Fasten behandelt werden, ein starker Schwund des fettigen Bestandtheils im Mark zu Tage tritt. Strecken von 0,04 Mm. jederseits von der Einschnü- rung, an welchen Osmiumsäure ohne jede Schwärzung eingewirkt hatte, konnten constatirt werden. Ausser diesen erst von Ranvier gewürdigten Unterbrechungen muss der nahezu gleichen Vorkommnisse an den Theilungsstellen der Fasern gedacht werden. Auch hier findet sich, meist mit am- pullenartiger Vorwölbung der Markenden, eine vollkommene Unter- brechung, wenngleich ebenso Fälle, wo dieselben kaum angedeutet sind, nicht fehlen. Fasst man nunmehr einen zwischen zwei Unterbrechungen ge- legenen Theil einer beliebig behandelten Faser näher ins Auge, so kommen in gewissen, nicht ganz gleichen Abständen Contouren zur Betrachtung, die vom Rande aus, meist einen spitzen Winkel mit den Faserbegränzungen bildend, auf einander zulaufen und mehr oder weniger tief in das Mark hineinragen. An Osmiumpräparaten zeigen sich diese Einkerbungen (Lantermann) als wirkliche von der Peripherie bis zum Axencylinder reichende Markunterbrechun- gen, die jederseits aufs genaueste einander entsprechen und durch ein quer über die Faser gehendes, dunkleres Band verbunden werden. Macht man Isolationspräparate, dann findet man, dass das Mark sich zuweilen in hohleylindrische Stücke trennt, welche sich an den 446 Jul. Hermann Kuhnt: erwähnten CGontouren von einander getrennt haben. An beiden Enden sind diese Stücke zugeschärft, und zwar meist so, dass das eine Ende der Röhre einen Kegel bildet, der sich dicht an den Axencylinder anlegt, während das andere Ende einen Trichter dar- stellt, in welchen der Kegel des nächsten Stückes hineinpasst (Fig. 3, 4). So erscheint eine jede Faser zusammengestellt aus einem Gefüge von Hohleylindern, welches man einem aus einzelnen Röhrenstücken zusammengesetzten Abflusscanal oder den Einschachtelungen eines Rohres vergleichen kann. In grösseren oder kleineren Zwischen- räumen treten auch zwei jener Hohleylinder mit ihren zugespitzten kegelförmigen Enden zusammen, und zwischen diese Enden lagert sich ein Schaltstück ein, welches die Lücke ausfüllt (Fig. 3). Das- selbe umgreift ringartig die Faser und erscheint am optischen Längs- schnitt des Nerven als ein gleichseitiges Dreieck, dessen Spitze den Axencylinder erreicht und dessen meist relativ grosse Basis dem Contour der Schwann’schen Scheide anliegt. Obgleich die Variatio- nen zahlreich sind, lässt sich doch sagen, dass in der Regel nach 5 oder 6 Einschachtelungen ein Schaltstück folgt, welches, nebenbei bemerkt, auch die dreieckige Gestalt seines Durchschnittes in die eines Trapezes umwandeln kann. Fragen wir uns nun, ob diese von Osmiumpräparaten so cha- rakteristischen Gebilde ein wirkliches Structurelement des Markes, oder nur einen Gerinnungsprocess darstellen, der vielleicht allein der specifischen Energie des Reagens zukommt, so müssen wir uns doch nach längerem Zaudern und stets wieder aufs Neue unter- nommenen Prüfungen auf die Seite Lantermann’s stellen, und jene Hohleylinder oder Becher, wie sie fortan genannt werden mögen, als präexistirende Gebilde ansprechen. Der schwerwiegendste Grund für diese Ansicht ist der, dass die Becher an lebenden Nerven vorkommen, wie man sich leicht an der Nickhaut des Frosches oder an den Schuppentaschen der Fische überzeugen kann. Sobald überhaupt an der Faser eine deutliche Contour zu unterscheiden ist, bemerkt man jene Einkerbungen, die allerdings später wieder undeutlicher werden, iudeın sie durch Mark- coagula verzerrt erscheinen. Ausser diesem Vorkommen an noch functionsfähigen Nerven lassen sich besagte Einschachtelungen auch ‚nach Einwirkung einer ganzen heihe von Reagentien wiederfinden. Zunächst seien erwähnt concentrirte Sublimatlösungen, die zuweilen äusserst sprechende Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 447 Bilder lieferten, ferner die verschiedenen Concentrationen der Chrom- säure, des chromsauren Kali, des Argentum nitrieum. An Fasern, welche mit dem letzten Reagens behandelt waren, zeigte sich eine Erscheinung, welche ein weiterer wichtiger Beweis für die Prä- existenz der Trennung des Markes in einzelne Stücke ist. Es kamen nämlich Fasern zur Beobachtung, deren Axencylinder nicht allein an Stelle der Ranvier’schen Einschnürungen, sondern auch an Stellen, welche den in Rede stehenden Einschachtelungen des Markes ent- sprechen, braun gefärbt waren. Auch an den kleineren Unter- brechungen des Markes ist demnach eine Diffusion ins Innere der Faser möglich. Dass in Alcohol absolutus nur ganz undeutliche Spuren der Becher sichtbar werden, kann auf die Wasser entziehende und schrumpfende Kraft desselben zurückgeführt werden. Die Faser nimmt ebenso wohl der Länge, als der Breite nach ab. Die Zwi- schenräume zwischen den Bechern werden hierdurch minimal und obendrein von der starken Granulirung verdeckt. Als fernere Belege für die Präexistenz und gegen ein Artefact dürften sodann die grosse Regelmässigkeit der Bildung an sich, sowie das häufige Abwechseln längerer und kürzerer Becher an ein und derselben Faser bei unverändertem Lumen zu nennen sein. . Auch der Umstand, dass die Hohleylinder an Fasern der verschiedenen Caliber, also auch der verschiedenen dicken Markschichten immer relativ gleich sind, ist nicht minder beweiskräftig, als die häufige Uebereinstimmung der Bechergrössen an gleich starken benachbarten Fasern. Hinsichtlich des letzteren Punktes war oftmals eine über- raschende Congruenz ersichtlich, so dass sich unwillkürlich der Gedanke, man habe es hier mit Wachsthumserscheinungen zu thun, aufdrängte. Folgte z. B. bei einer feinen Faser auf mehrere Becher von 0,015 Mm. Länge ein solcher von nur 0,008 und auf diesen wieder einer von 0,015 Mm., dann konnte dasselbe Verhalten auch an den umliegenden Fasern des gleichen Volumens festgestellt werden. Durch Spalten und Risse, Cossy et Dejerine (195), wie solche bei Schrumpfung oder bei Quellung und darauffolgender Schrumpfung, oder endlich in Folge chemischer Vorgänge auftreten, würden wohl schwerlich jene gleichmässigen, die Fasern absolut genau und grade in der ganzen Peripherie umfassenden Ringe produecirt werden, geschweige denn, dass die überall und stets schräge Richtung des konisch zugespitzten Endes erklärlich wäre. Dass die Zwischenräume endlich kein Pro- 448 Jul. Hermann Kuhnt: B duect der Zerfaserung, der Zerrung ete. sein können, erweisen Löngs- schnitte von Nerven, die in dem umgebenden Gewebe schonend ge- härtet waren, sowie wirkliche Bruchstellen, die oft genug zwischen zwei Bechern zu sehen waren und immer gradlinig querdurch verliefen. Von Wichtigkeit erschien weiter der Umstand, dass Fasern, die plötzlich in der Continuität ihren Durchmesser verändern, dies immer nur an Becherabschnitten thun. Ich verweise auf Fig. 5, wo der Unterschied in recht prägnanter Weise sich zeigt. Zuweilen erwiesen sich indess diese Ab- resp. Zunahmen des Calibers nur als scheinbare. Denn, versuchte man eine Drehung der Faser, so er- schienen die eben erst für verjüngt gehaltenen Faserabschnitte als verbreitert und umgekehrt. Es war also nur in den einzelnen Becherabschnitten eine Verdrehung der längsten Durchmesser des Ovals gegeneinander eingetreten. Auch die Varikositäten, jene sonderbaren Markgebilde, stimmen insofern mit den einzelnen Markbechern überein, als für die feineren und feinsten Fasern, die das Hauptcontingent der Varikositäten liefern, sich im Allgemeinen der Satz aufstellen lässt, dass je eine Variko- sität je einem Becher entspricht, und zwar in der Art, dass die Varikosität selbst das Markstück ausbaucht, während die Stelle, an welcher die Enden übereinander greifen, dünn bleibt. An stär- keren Fasern konnte hingegen zuweilen beobachtet werden, dass varikös angeschwollene Strecken selbst Einschachtelungen zeigten. Es wurde gesagt, die Becher würden durch grade quer über die Faser ziehende, als Bänder erscheinende Contouren gegenseitig abgegrenzt. Vielleicht verdient hinzugefügt zu werden, dass in seltneren Fällen eine zungenförmige Verlängerung des sonst grad- linigen Randes oder auch ein V-förmiger Ausschnitt desselben, dessen Spitze bald nach oben, bald nach unten gerichtet war, hinzutrat. Lantermann gedenkt in seiner Mittheilung noch einer Zu- sammensetzung des Nervenmarkes aus Stäbchen, die einander pa- rallel schräg vom Axencylinder zur Schwann’schen Scheide oder um- gekehrt aufsteigend, den elementaren Bestandtheil des gesammten Markes repräsentiren sollen. Trotzdem an vielen Präparaten mit der grössten Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gefahndet wurde, gelang es doch nicht, die Ueberzeugung von der Präexistenz der- selben zu gewinnen. Im Gegentheil, je eingehender ich die Erfor- Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 449 schung dieser Stäbchen versuchte, um so evidenter wurde es, dass dieselben lediglich ein Kunstproduct sind. Es gelang nämlich, den optischen Querschnitt der Stäbchen, der a priori durch seine Unregelmässigkeit auffiel, je nach der An- wendungsweise und der Concentration der Osmiumsäure zu vergrös- sern resp. zu verkleinern. Konnte man an Fasern, die möglichst schnell und schonend dem lebenden Organismus entnommen und in jenes Reagens gebracht wurden, nur eine äusserst feine Punetirung erkennen, ja, war diese oftmals erst bei Aufhellung mit Chlorum dilutum darstellbar, so erhielt man an anderen, die erst nach dem Absterben der Färbung ausgesetzt worden waren, meist schon mess- bare Punkte. Ein gleiches Resultat lieferten starke (1°/,) und schwache (!/ao°/o) Concentrationen und zwar aus demselben Grunde. Denn in beiden Fällen ist es das nach dem Absterben im Nervenmark aus seiner Proteinverbindung sich abspaltende Fett, welches Zeit genug behält, sich an der Oberfläche zu kleineren Kügelchen zu sammeln und von dem chemisch ihm so nahe verwandten Osmium dunkler tingirt zu werden, als die nun fettarme Eiweissmischung. Ganz übereinstimmend mit diesen Verhältnissen waren die Befunde, die sich herausstellten, wenn man eine in Osmium gehärtete Faser z.B. vermittelst Aqua Javellis entfärbte resp. zerfallen liess. Die schwarzen Punkte verschwanden sogleich und niemals waren wirkliche Stäbchen sichtbar, wenngleich bei der bald folgenden Quellung der Fasern sich vorübergehend zuweilen diesen ähnliche Figuren zeigten. Die Einschachtelungen hingegen bleiben deutlich wahrnehmbar und weichen erst der gänzlichen Auflösung und dem Ausströmen des verflüssigten Markes. Neben der Unmöglichkeit also, Stäbchen zu isoliren, wenn überhaupt Bilder sichtbar waren, die sich als solche vielleicht hätten deuten lassen, ist noch der Umstand in Erwägung zu ziehen, dass in keinem andern von den vielen wiederholt in Anwendung gezo- genen Reagentien auch nur annähernde Bilder zur Anschauung ge- bracht werden konnten. Auch M’Carthy’s (196) Angaben über die fraglichen Stäbchen konnten nicht weiter bestätigt werden. Es ist ihm ebensowenig wie Lantermann gelungen Stäbchen zu isoliren und er stützt sich bloss auf Längsansichten und Quer- schnitte von Nerven, welche mit einfach chromsaurem Kali und Alcohol behandelt waren. Ziehen wir nunmehr eine Parallele zwischen den Markunter- brechungen von Ranvier und der vorhin besprochenen Theilung in 450 Jul. Hermann Kuhnt: Hohleylinder, so leuchtet sofort ein, dass erstere, wie auch Lan- termann glaubt, nur eine besondere, vielleicht mit dem Wachsthum der Faser in engerer Beziehung stehende Art der letzteren sind. Durch beide wird dem Blutplasma Gelegenheit gegeben, in genü- gender Weise für die Ernährung des Axencylinders Sorge zu tragen, denn dass das Nervenmark eine selbst für krystalloide Stofle im- permeable Schicht bildet, erhellt am einfachsten daraus, dass, wie oben schon hervorgehoben wurde, bei Einwirkung von Arg. nitr. der Eintritt einzig und allein durch die des Markes baaren Stellen d. h. durch die Einschnürungen und die Einkerbungen stattfindet. Obgleich au kurzen Strecken einer und derselben Faser durch- aus kein Unterschied in der Mächtigkeit der Marklage wahrnehmbar ist, und dieselbe überall in gleicher Stärke vorhanden zu sein scheint, lässt sich doch unschwer nachweisen, dass vom Centralorgan an eine continuirliche Verdünnung der Markschicht Platz greift, der schliess- lich an der Peripherie ein völliger Schwund folgt. Hinsichtlich des chemischen Verhaltens kann ich nur die An- sicht Henle’s bestätigen, dass während des Lebens und bei der Wärme des Körpers das Mark wahrscheinlich eine wirkliche Lösung oder Mischung und keine Emulsion eines durch leicht zersetzbare Seifen gelösten Fettes und einer von wässeriger Flüssigkeit durch- drungenen Proteinsubstanz ist. Denn erst nach dem Tode scheidet sich das Mark in Kügelchen, die dem reinen Fett äusserst ähnlich sind und vielleicht eben erst durch die Trennung der fett- und eiweissartigen Bestandtheile entstehen. Ob die gelöste Proteinsub- stanz mit dem geronnenen Albumin, oder mit dem löslichen Albumin oder Gasein identisch ist, darüber ist um so weniger eine Einigung erzielt worden, als die Nervenanalysen bisher nur vom Gehirn aus- zuführen waren, woselbst durch die Eiweissstoffe des Axencylinders ein Schluss auf jene des Marks illusorisch wird (Lehmann). Im Uebrigen ist das Nervenmark im höchsten Grade dehnbar, klebrig und zähflüssig und geeignet durch Druck und andre Manipulationen die allersonderbarsten Gestalten anzunehmen. Das Sichtbarwerden der doppelten Contouren beruht auf einer einfachen Trennung der fettigen von der eiweissartigen Substanz, die sogleich erfolgt, wenn der Nerv seinen normalen Verhältnissen entrissen und der Luft, dem Wasser und chemischen Reagentien ausgesetzt wird. Unterschiede in der Constitution des Markes bei den verschie- denen oben angegebenen Thierklassen, konnten trotz zahlreicher hierauf bezüglicher Untersuchungen nicht erkannt werden. Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 451 Die Scheide des Axencylinders (vergl. die Figg. S-—-15) ist eine ungemein dünne, vielleicht 0,0001—0,00015 Mm. im Mittel messende, zarte, durchsichtige, structurlose, äusserst dehnbare und feste Membran, die nicht selten schwache Granulirung zeigt. Eine Längsfaserung, wie sie von Remak (87) angenommen wurde, konnte ebensowenig erkannt werden, als die von Roudanowsky (189) beschriebenen Kerne. Fast immer hingegen traten mehr weniger regelmässige Längsstreifen hervor, die ich indess als Falten charak- terisiren möchte, da sie einmal bei Druck sich verändern und dann an frei präparirten Scheidestücken fehlen. Diese Falten finden sich am deutlichsten nach Maceration in Salpetersäure 36°, Alcohol dilutus (Ranvier), schwacher Osmiumsäure und schwachen Chrom- säurelösungen. Zuweilen konnte an besonders gut gelungenen Isolationen eine Einschnürung der Scheide und des Axencylinders wahrgenommen werden, wie Fig. 15b sie zeigt. In der Einschnürungsstelle selbst, wie es schien innerhalb der Scheide gelegen, war ein ringartiges Gebilde zu constatiren, welches namentlich im optischen Querschnitt sich deutlich markirte. Es interessirte zu sehen, wie die Längs- falten der Scheide, sobald sie sich der Einschnürung auf ungefähr 0,004 Mm. genähert hatten, einander convergent wurden, um dann an der Stelle des Ringes undeutlich zu verschwinden. Eine bestimmte Beziehung dieser sonderbaren, selten zu Gesicht zu bekommenden Einschnürungen war nicht zu eruiren, vielleicht stehen sie im Connex mit den bekannten, oben an der Schwann’schen Scheide beschriebenen. Bemerken möchte ich nur noch, dass diesen Einschnürungen sehr ähnliche Bilder geliefert werden können, durch Drehungen des Axencylinders um die eigene Axe, wie dieselben bei Zerzupfungspräparaten sehr häufig sind, dass man also vorsichtig sein muss, um sich hierdurch nicht täuschen zu lassen. Bezüglich des chemischen Verhaltens der Scheide ist hervor- zuheben, dass sie der Einwirkung von verdünnten Alkalien und ebenso der der Essigsäure widersteht. Der Umstand, dass bisher zur Darstellung der Scheide des Axencylinders keine sichere Methode angegeben werden Konnte, man also lediglich dem Zufall vertrauen musste, hatte zur Folge, dass nahezu die Gesammtheit der Autoren die Existenz der Scheide ent- weder direkt leugnete, oder als im höchsten Grade problematisch ansah. Remak (15, 87) hatte nicht vermocht, seine Behauptungen 452 Jul. Hermann Kuhnt: betreffs derselben zur Anerkennung zu bringen, noch weniger Han- nover (25), der einmal eine doppelte Contur und öfter Risse und Spalten gesehen. Die Färbungen mit carminsaurem Ammoniak nach Mauthner (116, 123) und salpetersaurem Silberoxyd nach From- mann (13) waren gleichfalls nicht im Stande, beweiskräftig zu wirken, da sie wohl für den, der ein Vorhandensein der Scheide schona priori annimmt, nicht aber für den Skeptiker erkennbare Bilder liefern. Die neuesten Beschreiber der Scheide endlich, z. B. Tamam- scheff (172), Todaro (177), Schmidt (183, 184), haben gänz- lich davon abgesehen, den bestehenden Zweifel durch Herbeischaffen neuer Argumente zu beseitigen. Auf Grund dieser Angaben, die übrigens die gesammte Literatur der Scheide des Axencylinders um- fassen, würde ich mir daher wohl schwerlich die Ueberzeugung von der wirklichen Existenz derselben haben aneignen können, wenn es nicht gelungen wäre, an der Hand von folgenden zwei neuen Me- thoden das Postulat eines endgültigen Beweises, nämlich regelmässige doppelte Gonturen, sowie theilweise oder vollständige Präparation der Scheide beizubringen. Abgesehen von sehr schwachen Uhromsäurelösungen (1 : 3000 bis 6000), sowie von Alkohol dilutus nach Ranvier, welche, erstere nach kurzer, zweiter nach langer, womöglich über Wochen ausge- dehnter Einwirkung, oft recht gute Präparate liefern (deren Deut- ‚lichkeit dann zweckmässig noch durch Färbung mit Anilinroth oder olau, auch Carmin erhöht wird) hebe ich hervor die Maceration frischer Fasern in 36°/, Salpetersäure. Zerzupft man einen Nerven, der 24—54 Stunden in jener Flüssigkeit verweilt (die Zeit ist ja nach der Thierspecies verschieden), so erhält man wohl isolirte Axencylinder, an denen ausser oft recht regelmässigen doppelten Conturen, in der Continuität, besonders die Bruchenden dadurch imponiren, dass eine Membran um den bis 0,05 Mm. herausragenden Axenfaden runzlich gefaltet ist, vergl. Fig. 8. Zweckmässig ent- fernt man vor Beginn der Maceration die Epi- und Perineuralscheiden, zerfasert wohl auch ein wenig den Nerven, da hierdurch die Zeit der Einwirkung bedeutend verkürzt wird. Genau kann letztere nicht bestimmt werden, sondern es lässt sich nur im Allgemeinen bemerken, dass bei Nerven von alten und ganz jungen Individuen das Reagens längerer Zeit zu diesem Effeet bedarf, als bei solchen, die im mitt- leren Alter sich befinden. Die zweite Methode ergab sich aus der Erwägung, dass der Die peripherische markhaltige Nervenfaser. 453 Axencylinder bei Osmiumsäure-Einwirkung leicht schrumpft. Nach- dem die richtige Concentration in einer Lösung von 1:350—700 ge- füanden, konnte an Nerven des Schweins, Kaninchens, Hundes, Frosches etc. durch Maceration während 6—20 Stunden eine solche Consistenz der Faser erzielt werden, dass bei vollständiger Färbung des Markes sich der Axeneylinder auf weite Strecken isoliren liess. An diesen Präparaten nun nahm man auf das Evidenteste wahr, wie der Axen- cylinder jederseits von deutlichen doppelten Conturen begrenzt war, ferner wie die Scheide bald hier, bald da zarte schleierartige Falten bildete, oder an Stellen, wo sie abgerissen, den Axenfaden umgriff. Auch solche Bilder fehlten nicht, an denen durch irgend welchen Insult bei der Präparation die Scheide aufgeschlitzt und in grösseren oder kleineren Fetzen zur Seite geschlagen war. Vergl. Fig. 11—14. Der Axencylinder oder Axenfaden selbst, welcher von der beschriebenen Scheide umschlossen wird, bildet eine homogene, fest weiche, ziemlich elastische, bald fein, bald grob granulirte Masse, die sich durch keinerlei Behandlung oder Präparation in Fibrillen spalten lässt. Seine Ränder sind einander meist nicht durchaus parallel, sondern mit unbedeutenden Ausbuchtungen versehen, wo- raus zuweilen ein entfernt variköses Aussehen resultirt. Vergl. Fig. 15. Im Uebrigen ist bei Anwendung der meisten Reagentien auch nach Entfernung der Scheide eine Streifung unverkennbar, dieselbe bildet aber, wenn man sie genauer betrachtet, nicht einzelne längere Linien, sondern viele kleinere wellige Strichelchen, die nicht zusammen- hängen, und nur im Grossen und Ganzen das Bild durchziehender Streifen vortäuschen. Die Strichelchen sind allein der optische Aus- druck eines geschrumpften und daher unregelmässigen und unebenen Proteinstoffes. Eine analoge Streifung findet man wieder an stark protoplasmatischen Gebilden z. B. den Stützzellen des Hodens, ferner in den Retinazapfen und an anderen Nervenendzellen. Die wirklich fibrillär aussehende Streifung des Axencylinders möchte ich einfach als Falten der Scheide ansehen und zwar aus folgenden Gründen. Erstens treten die sogenannten Fibrillen nur deutlich hervor an Präparaten, die mit Reagentien, welche den Axen- ceylinder schrumpfen machen z.B. Chromsäure-Sublimat ete., behandelt wurden. Die Scheide kann ja aber dem sich verkleinernden, die Kreis- form anstrebenden soliden Körper, da sie selbst nicht contrahirt wird, nur durch Faltenbildungen folgen. Zweitens spricht gegen jede fibril- läre Structur das Verhalten des Axencylinders bei Thei ungen. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 13. 239 454 Jul. Hermann Kuhnt: Der Querschnitt von zwei aus einer Faser hervorgehenden Aesten ist, wie schon Stannius (61) und Henle (166) bemerkt, immer bedeutend grösser, als der des Stammes, was bei der enormen Theil- barkeit mancher Nerven, man vergleiche nur Reichert, Müller’s Archiv 1851, ein Verhältniss wie 1—25 ergiebt. Wäre nun wirklich die Fibrille das Eigentliche, Wesentliche, und wie es Arndt (191) angiebt, gewöhnlich zwischen 2— 6 in jedem Axencylinder vorhanden, dann müssten sehr bald Aeste sich finden, denen überhaupt eine Fibrille und damit ein Axencylinder gar nicht mehr zukommt. Nun ist aber der Axencylinder in den Aesten ebenso gestreift, wie in der Stammfaser, denn es wechseln Streifen mit denselben Körnchen- reihen ab. Die Fibrillen sind also nicht im Stande, diesen Wider- spruch zu lösen, wohl aber die Falten der Scheide. Die dunkleren Längsstreifen, die vermeintlichen Fibrillen, entsprechen den Falten, die immer zwischen je zweien liegenden Körnchenreihen aber dem fein- oder grobgranulirten Axencylinder selbst, welchem hier die Scheide glatt anliegt. In derselben Weise bilden sich auch die Längsstreifen und Körnchenreihen nach Silberfärbung. Vollkommen dunkel und unerklärlich sind auch mir die bei Einwirkung von salpetersaurem Silberoxyd auftretenden Querstreifen geblieben, welche Frommann und Grandry zuerst beschrieben haben. Hier wechseln bekanntlich helle und dunkle Streifen, erstere durchschnittlich 0,002—0,003, letztere 0,002—0,005 Mm. dick, mit einander ab, und zwar sind die feinsten homogen, die stärkeren fein- körnig. Im Allgemeinen lässt sich der Satz aufstellen, dass die In- tensität der Färbung proportional ist der Nähe der Einwirkungs- stellen, welche mit den Einschnürungen resp. Einkerbungen coineidiren, während mit abnehmender Färbung die Breite der Streifen wächst, bis sie schliesslich verwachsen aufhören. Vielleicht hat Grandry Recht, indem er sie beruhen lässt auf regelmässig abwechselnden Schichten zweier chemisch wie physikalisch verschiedener Substanzen. Aehnliche, wenngleich weniger reine und sichere Bilder kann man dadurch erzielen, dass man Fasern zuerst mit essigsaurem Bleioxyd (1:200) und dann mit Schwefelkalium (1:150) behandelt. Die Angabe über eine periaxale Flüssigkeit von Klebs (142) habe ich nicht bestätigt gefunden. Zwar ragte bei Axencylindern, welche nach Maceration in 36°/, Salpetersäure isolirt worden, an den Bruchenden häufig aus der gefalteten Scheide ein meist ihr Lumen bei Weitem nicht füllender Axenfaden heraus (vergl. Fig. 10 auch 9), Die peripherische markhaltige Nerveufaser. 455 allein man konnte die Contouren desselben mit Mühe nur ungefähr 0,05 Mm. weit in den Scheideinhalt hinein verfolgen, dann wurde er breiter und verlor sich in granulirte Masse, welche jederseits nur noch die Scheidecontouren erkennen liess. Abgesehen von dem gestreckten Verlaufe des Axencylinders nach Behandlung mit Schrumpfung bewirkenden Reagentien, z. B. Chromsäure etc., müssen die vielfachen Bogen und Windungen nach Einwirkung von Arg. nitr. hervorgehoben werden, die ihn nahezu darmförmig erscheinen lassen. Zuweilen auch wurden, nach dem- selben Reagens, besonders in der Nähe der Einschnürungen der Schwann’schen Scheide, Uebereinanderschiebungen zweier Axencylinder- Stücke gesehen, ferner Trennungen in der Art, dass das eine Ende geschlängelt plötzlich bis unmittelbar an die Schwannn’sche Scheide trat, das andere aber in der Mitte der Faser aufhörte. In welcher Weise der Axencylinder an den Einschnürungsstellen seiner Scheide verändert wird, konnte nicht mit Entschiedenheit eruirt werden. Bezüglich der chemischen Beschaffenheit des Axencylinders ist unter Hinweis auf Kölliker, Lehmann etc. zu sagen, dass der- selbe aus einer festen Proteinverbindung besteht und sich vom »Fibrin« durch seine Resistenz in Essigsäure, Kohlensäure, Kali und kausti- schen Alkalien, sowie vom elastischen, und endlich leimgebenden Gewebe, einerseits durch die Beziehungen zur Essigsäure und zu verdünnter Alkalien, andrerseits durch die Unveränderlichkeit beim Kochen unterscheidet. Eine mehr oder weniger energische Schrumpfung erleidet derselbe bei Behandlung mit Chromsäure, chromsaurem Kali- Sublimat, Osmium, Jod, Alkohol etc. Schliesslich ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. Merkel für die freundliche Unterstützung, die er mir so oft bei obiger Arbeit zu Theil werden liess, den verbindlichsten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. . Fig. 1. 2. Stücke der Schwann’schen Scheide von einer starken Faser aus dem Nerv. ischiad. des Hundes. Osmiumsäure und liq. ammon. caust. a Scheidenkerne, b Falten. Zeiss. E. Ocul, I, 456 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Jul. Hermann Kuhnt: Mittelstarke Faser aus dem Nerv. ischiad. des Frosches. Osmium- säure 1:300, a Schwann’sche Scheide, b Axeneylinder, e Markschichte, d Ein- kerbungen zwischen je zweien Bechern oder Hohleylindern. Zeiss. E, Oeul. IV. Stück einer starken Faser aus dem Nerv. peron. superf. des Rindes, Osm. 1:400. a Schwann’sche Scheide, b Mark, ce Einkerbung, Einschachtelung. Zeiss, E. Ocul. I. Stück einer mittelstarken Faser aus dem Nerv. ischiad. des Meer- schweinchens, wie Fig. 4. Zeiss. E. Ocul. I. ; Stück einer mittelstarken Faser aus dem Nerv. ischiad. des Frosches. Osm. 1:500. a Schw. Sch., b Einkerbung zweier Becher, e Markkern mit zahl- reichen Myelintropfen, wovon einzelne in Verbindung mit der Mark- contur getreten sind. Zeiss. E. Ocul. IH. Marklose Faser aus dem Nerv. ischiad. des Frosches 1: 400. a Sehwann’sche Scheide, b, e Kerne, bei e von einem Streifen durch- zogen, d Mark. 8. u. 9. Mittelstarke Fasern vom Nerv. isch. der Katze, Maceration in wie! MR er 10: 16 36 °/, Salpetersäure. a Mark, c Scheide des Axencylinders, d. Axencylinder, Faden. Zeiss. E. Ocul. II. Axencylinder einer starken Faser aus dem Nerv. isch. des Frosches. Maceration in Salpetersäure 36 °/,. a Scheide des Axencylinders, b Axenfaden. Zeiss. Immers, I. Ocul.IV. Mittelstarke Faser aus dem Nervus obturat. desSchweins. Osm. 1: 450. a Schwann’sche Scheide, b Mark, ce Scheide des Axencylinders, d. Axencylinder. Zeiss. Immers. 1I. Ocul. I. , Mittelstarke Faser aus dem Nerv. med. des Menschen. Osm. 1: 300 u. . Mittelstarke Faser aus dem Nerv. obturat. des Schweins. Osm. 1: 400. Beide Zeiss. Immers II. Ocul. I. Bezeichnung wie Fig. 11. | Stück einer starken Faser aus dem Nerv. isch. des Kaninchens. Osm. 1:350. Zeiss. Immers. II. Ocul. IV. a Schwann’sche Scheide, b Markscheide, e Scheide des Axencylinders. Stück eines isolirten Axencylinders aus dem Nerv. isch. des Frosches, mittelst Faser. Maceration während 83 Tage in Alcoh. dilut. a Scheide des Axeneylinders, b Einschnürung der Scheide des Axen- eylinders. Zeiss. Immers. II. Ocul. I. stellt ein Bruchstück des in Nervenbündeln des Frosches häufig zu findenden granulirten Streifens dar (vergl. p. 436). a Kerne, b fadenförmiger Ausläufer. Zeiss. E. Oeul. IH. N Die peripherische ma:khaltige Nervenfaser. 457 Literatur-Verzeichniss. 1. Leeuwenhoek in philosoph. Transactions for the Year 1674. 2. Derselbe. Arcana naturae detecta, Delph. Bat. 1695 u. Arcana naturae. Lugd. Bat. 1722. 3. Leeuwenhoek, anatomia, seu rerum cum animatarum, tum inani- matarum ope et beneficio exquisitissimorum microscopiorum detecta ect. Lugdun. Bat. 1687. 4. Giovanni Maria de la Torre, nuove osservazioni microscopiche Napoli 1776. 5. 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Von hier aus dringt das hüllenlose Ei durch die Tuben- öffnung in die Eileiter. Bei diesem Vorgange scheint ein gekreuzter Uebertritt der Eierstockseier in die Eileiter stattzufinden. Letztere Annahme stützt sich auf die Beobachtung, dass in der Mehrzahl der Fälle der rechte Eierstock die meisten reifen Follikel enthält, während hingegen der linke Eileiter die grössere Zahl befruchteter Eier zu führen pflegt. Oeffnet man zur Zeit der Follikelreife eine Anzahl noch leerer Öviducte, so stösst man nicht selten auf noch lebhaft sich bewegende Samenkörper. Dieselben lassen sich gegen die peritoneale Tuben- öffnung hin ausnahmslos nur bis zum vorderen Rande der Eileiter- drüse verfolgen. Diese Vertheilung der Samenkörper im Eileiter, sowie das Fehlen derselben in der Substanz der Eihülle, bei weiter in den Ei- leiter vorgerückten Eiern, macht es im höchsten Grade wahrschein- lich, dass die Befruchtung des Torpedoeies im Bereiche der Eileiter- drüse erfolgt und der Bildung der Eihülle vorausgeht. Die Zahl der befruchteten Eier hängt in erster Linie vom Alter der Thiere ab und schwankt zwischen 1—8. Ein einziges Ei findet sich bei Erstgebärenden, meist im linken Eileiter. Ausge- wachsene Thiere führen gewöhnlich 5—6 Eier mit ungleich ent- wickelten Keimen, ein Umstand, der auf einen nicht gleichzeitig erfolgenden Uebertritt resp. Befruchtung der Eier hinweist. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 30 466 Alexander Schultz: An dem befruchteten Torpedoei kommen eine Reihe von Form- veränderungen vor, welche theils direet an lebensfrischen, theils indirect an Durchschnitten vorher erhärteter Eier zur Beobachtung gelangen. Bringt man ein dem cben gefangenen Thiere entnommenes Ei in eine mit dem zähflüssigen Eileiterinhalt gefüllte Schale, so sieht man das gleichsam contrahirte Ei unter mehrfachem Wechsel der Form, aus seiner nahezu runden in die bleibende, nicht mehr be- wegungsfähige, einem abgeplatteten Sphäroid entsprechende Gestalt übergehen. Diese Formveränderung des Gesammtdotters wird überdauert von derjenigen des Keimes. An letzterem sind die Bewegungen in Form von allmählich sich bildenden und wieder schwindenden Auf- treibungen und Ausstrahlungen des pigmentirten Keimprotoplasma wahrzunehmen. Alle diese auch an Eiern anderer Thiere nachgewiesenen Form- veränderungen gehören zu den allgemeinen Lebenserscheinungen des Protoplasma und vollziehen sich daher unabhängig von der Furchung des Keimes. Dieser hingegen entspricht ein Hergang, welcher nur an künstlich erhärteten Keimen sich verfolgen lässt. Durchmustert man nämlich eine Anzahl von Keimdurchschnitten verschiedener Furchungsstadien, so bemerkt man vom Auftreten der ersten Segmente bis zu Ende der Furchung eine stetige Zunahme des Diekendurchmessers des Keimes auf Kosten seines Querdurch- messers, ohne dass jedoch dabei die Gesammtmasse des Keimes zu- oder abnimmt. Bei diesem Vorgange geht die planconvexe Keimscheibe all- mählich in eine biconvexe und schliesslich nahezu kugelförmige Gestalt über. Unter einer grossen Zahl von Objecten habe ich nur selten eine wesentliche Abweichung von jenem als Regel aufzufas- . senden Verhalten constatiren können. Wollte man jedoch auch diese Abweichungen berücksichtigen, so läge für die Erklärung derselben immer noch die Möglichkeit vor, dass neben jener stetigen, an den Verlauf der Furchung sich anschliessenden Formveränderung, noch eine andere, vielleicht auf vorübergehender Contraction des Keim- protoplasma beruhende vorkommen mag. Wenden wir uns jetzt den histiologischen Verhältnissen an be- fruchteten Keimen zu, so haben wir zunächst an den Zustand an- zuknüpfen, in welchem das Ei in den Eileiter gelangt. Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische, 467 Von dem aus feinkörnigen Elementen bestehenden, im un- befruchteten Ei das Keimbläschen umgebenden Dotter (Fig. 1) scheidet sich mit eintretender Befruchtung ein deutlich begrenzter Abschnitt, an welchem allein der Furchungsprocess abläuft (Fig. 2). Derselbe bildet eine planconvexe Scheibe und unterscheidet sich von dem angrenzenden, ebenfalls feinkörnigen Dotter durch seine stärkere Pigmentirung. Diesen Abschnitt des Dotters möchte ich, da er nur einem Theil des Bildungs- oder Hauptdotters anderer Thiereier ent- spricht, mit Vermeidung neuer Benennung, allein als » Keim« bezeich- nen !). Der nach der Abscheidung des Keims noch übrig bleibende feinkörnige Dotter bildet an dem peripheren Rande des linsenför- migen Keimes sichelförmige, in den grosskörnigen Dotter übergehende Ausstrahlungen, welche als »Dotterwall« bezeichnet werden und am Torpedokeim durch eine grosse Regelmässigkeit der Form sich aus- zeichnen (Fig. 1 u. 2 Rw). Unter Hervorwölbung des Keims tritt die erste Furchungslinie auf und dringt in die Tiefe bis gegen die Mitte der Keimdicke; sie erreicht die untere Fläche des Keimes jedoch erst nach dem Er- scheinen der ersten horizontalen Furchungslinie. Von allen weist nur die erste Furchungslinie eine gewisse Regelmässigkeit auf, in- dem dieselbe den Keim in zwei nahezu gleiche Hälften scheidet. Die aus der nachfolgenden Segmentation hervorgegangenen Furchungs- kugeln weichen in Form und Grösse wesentlich von einander ab und in der Folge lässt sich nur noch eine intensivere Theilung des mittleren oberen Keimabschnittes erkennen, ein Verhältniss, welches auch bis zu Ende der Furchung sich erhält. Was den feineren Bau der ersten Furchungskugeln betrifft, so ist es mir nicht gelungen, die der Furchung vorhergehende oder dieselbe begleitende Bildung oder Theilung eines kernartigen Gebildes aufzufinden, wie solches in den Furchungszellen niederer Thiere an- zutreffen ist. Das dotterleere Centrum selbst der grössten Furchungs- zellen zeigte stets einen ausgebildeten Kern, welcher besonders deut- lich, unter Quellung der Dotterelemente, durch Chlorpalladium sichtbar gemacht werden konnte. Eine als spätere Furchungshöhle anzusprechende Lücke habe 1) Zur Herstellung der diese Verhältnisse illustrirenden Objecte dürfen nur Eier noch lebender Fische benutzt werden. 468 Alexander Schultz: ich ebensowenig wie Balfour!) bei gleichmässig erhärteten Eiern, weder vor noch nach der Befruchtung beobachten können. Den Spalt, welcher bei unvollkommener Erhörtung an der Grenze der feinsten Dotterelemente entsteht und von Schenk?) als erste An- lage der Furchungshöhle beschrieben wurde, möchte ich um so mehr als Kunstproduet ansehen, als derselbe durchaus nicht derjenigen Stelle am Keime entspricht, an welcher jene Höhle nach Ablauf der Furchung zuerst auftritt. Die bei Torpedo mit der Furchungshöhle zusammenfallende Keimhöhle entsteht auf folgende Weise: An der Peripherie des nahezu runden Keimes tritt zu Ende der Furchung eine mehr oder weniger tiefe Rinne auf, welche gleich- sam durch Loslösung des Dotterwalles vom gefurchten Keim sich bildet. Durch diesen Vorgang wird der bisher vom Dotter verdeckte Randtheil der oberen Keimhälfte frei und ragt nunmehr über das Niveau des Dotters hervor. Gleichzeitig flacht sich die untere He- misphäre des Keimes ab und nimmt letzterer eine mehr linsenförmige Gestalt an, jedoch im Gegensatz zu dem noch ungefurchten Keime mit nach oben gerichteter Convexität. Es scheint als werde der Keim, nach abgelaufener Furchung, aus dem Gesammtdotter aus- geschieden und als strebe letzterer, einmal frei geworden, wiederum seiner früheren Kugelgestalt zu. Möglicherweise wird dadurch der erste Anstoss zu der Lockerung der Furchungszellen von dem an- srenzenden Dotter und zu deren Wanderung gegeben. Wie immerhin Ursache und Wirkung zu einander sich ver- halten mögen, so viel steht fest, dass zu dieser Zeit die ersten Zellenlücken an der gegen den Dotter gerichteten unteren Keimfläche entstehen und hier die erste Anlage der Keimhöhle bilden. Anfangs zerstreut auftretend, verschmelzen die Lücken bei der vorwiegend einseitigen Ausbreitung des Keimes zu einem gegen die Peripherie hin gelegenen, mehr weniger grossen zellenarmen Raum. Will man nur diesen und nicht bereits die ersten Zellen- lücken, was mir jedoch das richtigere zu sein scheint, als Keimhöhle betrachten, so lässt sich nichts dagegen einwenden, wenn man auch bei Torpedo die Keimhöhle als eine peripher auftretende bezeichnet. Nach Herstellung der Keimhöhle erscheint der Keim als eine 1) The Journal of Anat. and Physiol. Vol.X, part. II, Jan. 1876, p. 409. 2) Die Eier von Raja quadrimaculata innerhalb der Eileiter. Sitz. der K. Akademie, Wien, Vol. LXXXIH, 1873. Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische. 469 mehrere Zellen dicke, nahezu regelmässig angeordnete Zellenschicht, welche an der Peripherie sich nach unten und innen schlägt und am Dotterwall an Gruppen grösserer zerstreut am Boden der Keim- höhle zurückgebliebener Furchungszellen sich anschliesst. Letztere zeigen einen so geringen Zusammenhang, dass man dieselben auch nicht als besondere Zellenschicht, zumal im Sinne eines Keimblattes, auffassen kann. Ein embryonaler Abschnitt des Keimes lässt sich bereits früh in dem weiter über den Dotterwall hinausreichenden Umschlagsrand der oberen Keimzellenschicht bestimmen. Dagegen ist der bei Knochenfischen von vornherein auftretende und alle drei Keimblätter umfassende embryonale Keimwall nur sehr schwach vertreten. Der- selbe bildet sich bei Torpedo erst in der Folge durch die Bethei- ligung von Zellen, welche in dem primär sich furchenden Keime nicht vorhanden waren. Bei der Ausbreitung der Keimscheibe, welche hier äusserst langsam erfolgt, wird der mittlere Theil der oberen Keimzellenschicht zellenärmer und schmilzt bis auf die Dicke nur einer Zelle, während die Randtheile ihre frühere Stärke beibehalten. Somit kommt die Keimausbreitung in diesem Stadium vorherrschend auf Kosten des mittleren Abschnitts der oberen Keimzellenschicht zu Stande. Durch diese relative Verdickung erhebt sich der Keimrand über den mittleren Abschnitt, welcher daher gleichsam eingesunken er- scheint (Fig. 3). Die Verdickung trifft jedoch nicht den ganzen Keimrand gleichmässig. Am ansehnlichsten und am weitesten gegen die Keimmitte reichend ist die Verdickung am embryonalen Keim- abschnitt (Fig. 3x). Eine zweite, wenn auch geringere Verdickung (Fig. 3x‘) erhält sich an dem, in Beziehung zum embryonalen, vor- deren Keimrande und bildet hier eine Eigenthümlichkeit, auf welche wir des weiteren noch zurückkommen werden. Bei den obenerwähnten Veränderungen des Keimes haben wir ausschliesslich die obere Keim- zellenschicht im Auge gehabt. Wenden wir uns daher jetzt dem Keimhöhlenboden zu. Während jenes Entwickelungsstadiums unter- liegen die auf dem Boden der Keimhöhle zurückgebliebenen srös- seren Furchungszellen einer fortgesetzten Theilung und nähern sich dadurch allmählich in Grösse und Form den Zellen der oberen Schicht. Die wesentlichste Veränderung erleidet jedoch der Keim- höhlenboden durch das Auftreten der axialen Zellenansammlung (Ax), 470 Alexander Schultz: welche im unmittelbaren Anschluss an den embryonalen Umschlags- rand (Fig. 8 Eu) sich bildet und dem embryonalen Randwulst der Knochenfische entspricht, ohne aber wie dieser ausschliesslich von den Furchungszellen gebildet zu werden. Woher stammen nun diese Zellen der axialen Verdickung ? Bereits gegen Ende der Furchung und bevor die ersten Zellen- lücken am Keime auftreten, trifft man in dem die Furchungszellen begrenzenden feinkörnigen Dotter eine Anzahl freier Kerne (Dz‘), welche theils einzeln, theils in Gruppen vereint und meist in der Theilung begriffen, dicht am Boden der spätern Keimhöhle liegen und von hier aus sprossenartig in den Eidotter eindringen. Der die Kerne unmittelbar umgebende feinkörnige Dotter fängt vom Keim- boden her zu schmelzen an und bildet das Zellenprotoplasma, in welchem die Kerne einzeln oder zu mehreren vereint angetroffen werden (Dz u. Dz‘). Kerne nebst Protoplasma liegen oft in höhlen- artigen Räumen, welche sich durch die Loslösung des Zellenproto- plasma vom umgebenden Dotter gebildet haben (Fig. 6 K). Wird diese Zellenbildung eine intensive, wie meist an der axialen Zellen- ansammlung, so wird der zwischen den Zellen zurückbleibende Ei- dotter zu einem Netzwerk reducirt, in dessen Maschen die Zellen zu liegen kommen (Fig. 6). Was die Genesis dieser Gebilde betrifft, so kann die Art ihres ersten Auftretens im Anschluss an die zu unterst am Keim befind- lichen Furchungszellen und ihre gegen das Eicentrum hin fort- schreitende Theilung und Vermehrung, wohl kaum einer anderen Auf- fassung Raum geben, als dass die dem Keimboden zunächstliegenden freien Kerne durch Theilung oder Sprossung der Furchungszellen- kerne hervorgegangen seien. Eine direkte Umwandlung der Dotter- plättchen in Zellenkerne muss um so mehr ausgeschlossen werden, als letztere gerade dort auftreten, wo die grössten Dotterelemente bereits geschwunden und zu einem dem Keimdotter ähnlichen Zellen- material umgewandelt worden sind. Angesichts dieser Genesis, sowie insbesondere ihrer direkten Betheiligung an der ersten Anlage des Embryo, möchte ich jene Gebilde von den aus fortgesetzter Furchung hervorgegangenen Dotter- zellen anderer Wirbelthiere unterschieden wissen und werde dieselben daher in der Folge als »secundäre Keimzellen« bezeichnen. In dem Maasse nun, wie die seeundären Keimzellen aus dem Boden der Keimhöhle in letztere eintreten, präsentiren sie sich als Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische. 471 vollständig ausgebildete Zellen von gleicher Form und Grösse. Durch diese Gleichartigkeit unterscheiden sie sich von vorne herein von den Furchungszellen der Keimhöhle, welche erst nach wiederholter Theilung das Aussehen der secundären Keimzellen erhalten, und in Folge dessen lässt sich auch während der ersten Entwickelungs- stadien ihr Antheil an der Zusammensetzung der embryonalenGewebe bestimmen. Die secundären Keimzellen füllen alsbald die Lücken zwischen den in der Keimhöhle liegen gebliebenen Furchungszellen aus und drängen dieselben gegen das obere Keimblatt. An zwei Stellen der Keimhöhle findet unter überwiegender Betheiligung der secundären Keimzellen eine grössere Zellenansamm- lung statt. Die ansehnlichere von beiden bildet jene früher erwähnte axiale Verdickung, welche im Anschluss an den gegen die Keimhöhle gerichteten embryonalen Umschlagsrand auftritt und aus deren Zellen alle auf das Darmdrüsen- und mittlere Blatt zurückzuführenden embryonalen Gewebe hervorgehen. Indem diese Zellenansammlung an Umfang wächst, wölbt sich das obere Keimblatt hervor und bildet eine wulstartige Erhebung, welche dem Embryonalschilde der Knochen- fische entspricht. Von oben betrachtet erscheint dieser Wulst anfangs als mediale Verdiekung einer dem embryonalen Keimrande parallel verlaufenden Erhebungsfalte ‘Fig. 3 x). An dem wrderen, dem embryonalen Wulst gegenüberliegenden Keimrande trit: eine zweite nicht unansehnliche Zellenanhäufung am Boden der keimhöhle auf, welche ebenfalls die obere Keimzellen- schicht hervordrängt und zu einer dem embryonalen Wulste ähn- lichen Formvesänderung Veranlassung giebt (x‘). So verlocsend auch zu dieser Zeit das Reliefbild des Keimes zu Vergleichen mi, ähnlichen Formeigenthümlichkeiten von Keimen wirbel- loser Thiere it, so muss ich doch nach genauerer Einsicht in diese Verhältnisse de Bedeutung derselben in phylogenetischer Beziehung in Frage stelen. Gegen eine Homologie scheint mir insbesondere die bereits frih zu erkennende Anlage des Embryo an dem embryo- nalen Keimabichnitte zu sprechen. Selbst mit Zuhülfenahme eines späteren Entvickelungsstadiums, in welchem jener Wulst eine knopf- artige Gestaltannimmt und alsdann an den Nervenknopf des Aseidien- keims erinnet, dürfte wohl nicht über die Constatirung einer Form- ähnlichkeit hnausgegangen werden. Ob dieer Wulst etwa als Rest der Keimhöhle aufzufassen wäre, 472 Alexander Schultz: will ich zur Zeit nicht entscheiden, um so weniger, als das Wachsthum des Torpedoembryo nicht, wie etwa bei Batrachiern, auf Kosten der Keimhöhle erfolgt, sondern vielmehr in einer derselben entgegen- gesetzten Richtung. Aus letzterer Veranlassung bleibt auch der Abstand zwischen jenem vordern Wulst und Embryonalschild, vom ersten Auftreten des Ersteren bis zu seinem erst spät erfolgenden Schwunde, ein unveränderter. Wenden wir uns nun dem Embryonalschild zu, so sehen wir gleich nach seinem Hervortreten an seiner Oberfläche eine Rinne entstehen, welche von der untern, dem Eidotter zugekehrten Fläche des Umschlagrandes beginnend, sich nach oben wendet und hier bis gegen die Mitte des Schildes verläuft (Fig. 4 u. 9p). Ich denke mir diese Rinne zustandegekommen durch das caudalwärts raschere Auswachsen der lateralwärts von der axialen Zellenansammlung ge- legenen Partien des Keimrandes und das dadurch bedingte rinnen- förmige Einsinken des medialen Theiles des oberen Keimblattes. Der ganze vordere Abschnitt der Rinne schwindet bald wieder in Folge des Wachsthums der axialen Zellenansamnlung. Erhalten. bleibt nur der hintere Theil der Rinne, welcher zugleich die Zu- gangsfurche zur embryonalen Darmhöhle bildet (Fig. 4 A). Betrachtet man aus dem nachfolgenden Stadium eine successive Reihe von Querschnitten, so sieht man in der axialeı Zellenansamm- lung eine von hinten nach vorne zu sich allmählich verengende Höhle, dieembryonale Darmhöhle, auftreten (Fig. 7 D). Der voidere, dem Kopf- darm entsprechende Abschnitt der Höhle ist in seinzm ganzen Um- fange von indifferenten Zellen begrenzt (Fig. 7c) während der hintere gegen den Dotter zu offene Abschnitt dersedben eine voll- kommen organisirte Zellenwand aufweist (Fig. 7a). Ein genauerer Einblick in die Entwickelungswrhältnisse der Darmhöhle zeigt, dass dieselbe sich vom Rusconischen ifter her durch nach vorne zu fortschreitende Differenzirung des Darndrüsenblattes gebildet hat. Dieser Vorgang ist für die Ontogenese («er Keimblätter insofern von Bedeutung, als durch das Auftreten des Darmdrüsen- blattes sich in der axialen Zellenansammlung die Scıeidung in ein mittleres und unteres Keimblatt vollzieht. In dem Maasse nämlich, wie der an die axiae Verdickung grenzende oder in dieselbe übergehende embryonale Unschlagsrand sich aus der hier befindlichen Zellenmasse herausdifferemwirt und zum Darmdrüsenblatt wird, bleibt lateralwärts zwischen ilm und dem Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische. 473 oberen Keimblatt eine Gruppe von Zellen zurück, aus welchen in der Folge die Seitenplatten hervorgehn (Fig. 7a, M). Nur in der Medianlinie, dem Grate der axialen Zellenverdickung entsprechend, nimmt «das Darmdrüsenblatt alle hier vorhandenen Zellen auf und legt sich unmittelbar an das obere Keimblatt, ohne jedoch mit demselben zu verschmelzen. | Nach Differenzirung des Darmdrüsenblattes im Bereiche der axialen Verdickung erfolgt das weitere Wachsthum des Embryo auf die Weise, dass anfangs nur das obere und untere Keimblatt die sich vergrössernde Darmhöhle begleiten, während die Seitenplatten erst nachträglich in den zwischen beiden frei bleibenden Raum nach vorn und caudalwärts hineinwachsen. Sowohl der an den Dotter angrenzende Theil des Darmdrüsen- blattes als wie auch die lateralwärts vom Embryonalschild mit der untern Keimzellenschicht verschmelzenden Seitenplatten nehmen das Zellenmaterial direct aus den intensiv sich vermehrenden secundären Keimzellen. Das Eintreten dieser Zellen in jene Keimblätter lässt sich so deutlich verfolgen, dass wohl schwerlich an ihrer Bethei- ligung an dem Aufbau der primären embryonalen Gewebe gezweifelt werden kann. Ruft man sich bei diesem Hergang der Keimblätterbildung die Verhältnisse der frühesten Entwickelungsstadien ins Gedächtniss zurück, so wird man sich erinnern, dass die am Boden der Keim- höhle verbliebenen Furchungszellen von den an Zahl rasch zuneh- menden secundären Keimzellen gegen das obere Keimblatt gedrängt wurden. Dem entsprechend werden bei der Bildung des untern Blattes, zumal dessen medialen an das obere Keimblatt angren- zenden Abschnittes, ausser den secundären Keimzellen auch Furchungs- zellen sich betheiligen, daher dieser Theil des untern Keimblattes beide Arten embryonaler Zellen führen muss. Anders der laterale Abschnitt des untern Keimblattes. Hier bilden die secundären Keimzellen die ganze Dicke des Blattes, wäh- rend die gegen das obere Keimblatt gedrängten Furchungszeilen in die Seitenplatten eingehen. Mit anderen Worten: das untere Keim- blatt entspricht in seinem medialen Theile, seiner Zusammensetzung nach, dem mittleren Keimblatt, welches bei Torpedo selbstständig und getrennt vom untern nur als Seitenplatte auftritt. Durch diese Eigen- thümlichkeit erklärt sich auch das Fehlen eines Chordastranges in den ersten Stadien der Keimblätterbildung bei Torpedo. Derselbe 474 Alexander Schultz: entsteht erst nachträglich aus dem untern und obern Kejmblatt und zwar auf nachfolgende Weise: An der Berührungsfläche beider Keimblätter verschmelzen die Zellen jener Blätter zu Seiten eines Abschnittes, aus welchem der Axen- oder richtiger der Chordastrang hervorgeht (Fig. 10 ch). Zwischen den Verschmelzungspunkten lockern sich die Zellen des obern Blattes und dringen vorherrschend lateralwärts in das untere ein. Durch diesen Zellenabgang schrumpft das mehrere Zellen dieke obere Keimblatt zu einem den Chordaabschnitt des untern Blattes nach oben zu begrenzenden schmalen Bogen (Fig.10 c u.d.q). Unterhalb desselben sammeln sich nunmehr die Zellen des untern Blattes und bilden eine Zellenanhäufung, welche sich allmählich von dem untern Blatt loslöst und zur Chorda wird (Fig. 11). Nach meinen Erfahrungen bin ich geneigt die Chorda, abge- sehen von der Betheiligung des obern Keimblattes, aus einer gegen letzteres gerichteten Faltung des ganzen untern Blattes entstanden zu betrachten und nicht wie Balfour aus einer Abspaltung des- selben. Die von diesem Forscher beschriebene Zellenbrücke unter- halb der Chorda bildet sich erst nachträglich durch einen Aus- tausch der Zellen zwischen den einander zugekehrten Flächen des untern Keimblattes und stellt daher erst nachträglich die Continuität des Darmdrüsenblattes wieder her. | Wie verhält sich nun das obere Keimblatt zur Chordabildung? Wie wir oben gesehen, verschmelzen die Zellen des obern und untern Keimblattes auf Kosten des den Chordaabschnitt nach oben zu begrenzenden Bogens des obern Blattes, welches dadurch hier an seiner Dicke einbüsst. Nach Trennung der Chorda vom untern Blatt lösen sich die Verbindungen zwischen oberem und unterem Blatt wiederum und der die Chorda begrenzende schmale Bogen nimmt an Dicke wieder zu und zieht jetzt gleichmässig über Chorda und Seitenplatten hinweg (Fig. 12). Wollte man bei diesem Vorgange eine Betheiligung der Zellen des obern Keimblattes an der Chordabildung in Abrede stellen, so müsste angenommen werden, dass die aus dem obern in das untere Blatt eindringenden Zellen, nach vollendeter Chordabildung wiederum in das obere zurückwandern, was zum mindesten wenig wahrschein- lich ist. Aus diesem Grunde glaube ich auch die Chorda des Tor- pedo als aus dem obern und untern Keimblatt hervorgegangen be- trachten zu dürfen und möchte vermuthungsweise hinzufügen, dass Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische. 475 jene Zellen des obern Blattes bei ihrer mehr peripheren Lage, mög- licherweise das Material zum Chordaepithel und der cuticularen Chordascheide liefern. Es hat zuerst Balfour!) auf die Bildung der Chorda bei den Haien aus der untern Keimzellenschicht aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass dabei ein Theil dieser Schicht dem sonst nur lateralwärts auftretenden mittleren Keimblatt entsprechen könnte und somit die Chorda der Selachier ebenfalls als aus dem mittleren Blatt hervorgegangen zu betrachten wäre. Dieser Annahme stimme ich um so mehr bei, als im ganzen oberen Abschnitt der axialen Zellenansammlung, aus welcher sich medianwärts die Chorda und lateralwärts die Seitenplatten entwickeln, Zellen derselben Abstammung, die Furchungszellen, anzutreffen sind, welche den übrigen Theilen des untern oder Darmdrüsenblattes ab- gehen. Ergänzt man diese Annahme noch durch den von mir gelieferten Nachweis einer Betheiligung der Zellen aus dem obern Keimblatt, sowird die Uebeinstimmung der Chordabildung der Selachier mit derjenigen anderer bisher untersuchter Wirbelthiere eine voll- ständige. Bei der Verschmelzung des oberen mit dem unteren Keimblatt tritt auf dem Embryonalschilde in der Ausdehnung der Gordaanlage eine neue Längsfurche auf. Dieselbe entspricht ihrer Lage nach der Medullarfurche und könnte als solche bezeichnet werden, wenn sie nicht durch die Dickenzunahme des die Chorda begrenzenden Bogens des oberen Keimblattes wieder schwinden würde. Die blei- bende Medullarfurche bildet sich erst nach dem Erscheinen der Medullarwülste (Fig. 12). Während der Entwickelungsperiode, welche durch die Loslösung der Chorda vom untern Keimblatt sich kenn- zeichnet, wachsen die Zellen des mittleren Keimblattes nach vorne und caudalwärts zwischen oberes und unteres Blatt und lassen be- reits von Hause aus eine Trennung in zwei Platten erkennen. Bis jetzt haben wir die wesentlichen Veränderungen der Keim- blätter innerhalb der Grenzen des Embryonalschildes besprochen. Es erübrigt uns noch, den ausserhalb des embryonalen Abschnittes gelegenen Keim bis zu dem der Chordabildung entsprechenden Ent- wickelungsstadium zu verfolgen. Gleich wie an dem embryonalen Keimtheil, lassen sich auch 1) Quarterly Journal of mikr. Science. London 1874. Octobr. p. 342. 476 Alexander Schultz: hier anfangs zwei Keimzellenschichten unterscheiden. Während die obere als Fortsetzung des obern Keimblatts betrachtet werden kann, gestalten sich an der untern Keimzellenschicht die Verhältnisse et- was abweichend von der Keimblätterbildung innerhalb des Embryo- nalschildes. Nachdem das mittlere Blatt (Seitenplatten) an der Grenze des embryonalen Keimabschnittes in die untere Keimzellenschicht über- geht, ist eine Trennung in zwei gesonderte Blätter nicht mehr mög- lich. Die obere vorherrschend aus spindelförmigen Zellen bestehende Lage dieser vereinigten mittleren und untern Blätter, geht allmäh- lich in die den Dotter begrenzende Lage mehr runder secundärer Keimzellen über und bildet zusammen eine Zellenschicht, welche in der Folge den Dotter umwächst. An der Peripherie der Keimscheibe, im Anschluss an den nach innen gerichteten Umschlagsrand des oberen Keimblattes weichen die spindelförmigen Zellen der untern Zellenschicht auseinander und bilden mehr weniger grosse Maschenräume, in welche die secundären, sich fortwährend neubildenden Keimzellen eindringen und die be- kannten Zelleninseln herstellen, von denen aus die embryonale Blut- bildung beginnt. Fassen wir schliesslich die Ergebnisse unserer Untersuchung in Kürze zusammen, so gelangen wir zu nachfolgenden Resultaten: 1) Die Befruchtung des Torpedoeis erfolgt in dem der Eileiter- drüse entsprechenden Abschnitt des Oviductes. 2) Mit der Befruchtung scheidet sich ein Theil des sogenannten Bildungsdotters als eigentlicher Keim ab, auf den allein die Furchung beschränkt bleibt. 3) Ausser den auch an andern Wirbelthiereiern beobachteten Bewegungen des Ei- und Keimprotoplasma kommt am Torpedokeim noch eine mit der Furchung stetig fortschreitende Formveränderung vor, bei welcher der anfangs linsenförmige Keim allmählich in eine mehr weniger vollkommene Kugelgestalt übergeht, ohne jedoch dabei an Gesammtmasse zu oder abzunehmen. 4) Zu Ende der Furchung treten in dem die untersten Furchungs- zellen begrenzenden Dotter eine Reihe von freien Kernen auf, welche aus Theilung oder Sprossung der Furchungszellenkerne hervorge- gangen sind. Dieselben werden durch Schmelzung der angrenzenden Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische. 477 Dotterelemente zu secundären Keimzellen. Ein Uebergreifen der Furchung vom Keim auf den Dotter muss bei der Genesis dieser Zellen ausgeschlossen werden. 5) Bei der Bildung der Keimschichten geht der grössere Theil der primären oder Furchungszellen in das obere Keimblatt über, während der Rest derselben an der obern Fläche der untern vorherrschend aus secundären Keimzellen gebildeten Keimzellenschicht anzutreffen ist. Letztere theilt sich im embryonalen Keimabschnitt in das mittlere und untere Keimblatt. 6) Die Chorda entsteht aus einer Verschmelzung der oberen mit der unteren Keimzellenschicht, wobei letztere in dem der Chordaan- lage entsprechenden Abschnitt Elemente des mittleren Keimblattes führt. 7) Das embryonale Blut stammt von den secundären Keimzellen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX. K Keim. p primäre Längsrinne. m Keimscheibe. q Medullarrinne. Rw Dotterwall. ch Chorda. R Keimrand. Ax Axiale Zellenverdickung. S Embryonalschild. Dz Secundäre Keimzellen. Ek Oberes Keimblatt. Dz' Freie Kerne der Keimzellen. M Mittleres Keimblatt. F Furchungszellen. En Unteres Keimblatt. K Zellenhöhlen im Dotter. x Embryonalwulst. Mw Medullarwulst. x‘ Vorderer Keimwulst. J Blutinseln. A Ruseconischer After. Fig. 1. Ei aus der letzten Zeit der Follikelreife. Fe Follikelepithel, Kb Keim- bläschen. Letzteres hat seine Membran durch Resorption bereits verloren. Fig. 2. Befruchteter Keim vor der Furchung. Fig. 3. 4 u. 5. Drei Reliefansichten der Keimscheibe. Fig. 6. Ein Abschnitt der Keimhöhle, um dieBildung der secundären Keim- zellen zu zeigen. Um die Kerne schmilzt der Dotter und sammelt sich als Zellenprotoplasma, im Dotter entstehen dadurch maschen- förmige Räume, 478 Alex. Schultz: Beitrag zur Entwickelungsgesch. d. Knorpelfische. Fig. 7. a, b u. ec. Durchschnitt durch den Embryonalschild in der Richtung Fig. 8. Fig. 9. von hinten nach vorne, zeigt die Differenzirung des Darmdrüsen- blattes und die Bildung der Seitenplatten. d Querdurchschnitt des vordern Keimwulstes (x‘) mit verdicktem obern Keimblatt und von Furchungszellen erfülltem Hohlraum. Längsschnitt durch die axiale Zellenverdickung (Ax) und den vor- dern Keimwulst x‘ vor der Differenzirung des Darmdrüsenblatts innerhalb der axialen Zellenansammlung. Querschnitt eines embryonalen Keimrandes aus einer Fig. 8 ent- sprechenden Entwickelungsstufe. a, b, c, d, e, f von hinten nach vorne fortschreitend. Fig. 10 u. 11, Querdurchschnitte des Embryo während der Chordabildung. Fig. 12. Die Verhältnisse der Blutbildung und die Beziehung der secundären Keimzellen (Dz) zum Darmdrüsenblatt an einem Embryo nach er- folgter Chordabildung dargestellt. Ueber das Eosin als Reagens auf Hämoglobin und die Bildung von Blutgefässen und Blutkörperchen bei Säugethier- und Hühnerembryonen. Von Dr. 0. Wissozky. Docent der Kaiserl. Universität zu Kasan (Russland). Hierzu Tafel XXXI. I Bei Gelegenheit meiner im anatomischen Institute zu Strassburg ausgeführten Untersuchungen über die embryonaien Gewebe habe ich unter Anderem die Thatsache beobachtet, dass ein neuerdings in Anwendung gebrachter Farbstoff, das Eosin!), ein specifisches Verhalten gegen die rothen Blutkörperchen zeigt. Die rothen Blut- körperchen der Säugethiere (Mensch, Kaninchen, Meerschweinchen) nehmen nämlich bei der Behandlung mit Eosin eine eigenthümliche rosa-orange Färbung an. Bei denjenigen Wirbelthieren, deren Blut- körper Kerne enthalten (Hühner, Frösche), färbt sich durch das Eosin nur das Plasma der Körperchen, der Kern dagegen bleibt farblos. Nach Feststellung dieser Thatsache musste sich die Frage aufdrängen, wovon die charakteristische Färbung der rothen Blut- körper abhänge, d. h. ob durch das Eosin das Stroma der Körper- chen gefärbt wird oder das dieses durchdringende Hämoglobin. Zur Entscheidung dieser Frage unternahm ich folgenden Versuch. Ich brachte einen Tropfen Froschblut auf den Objectträger und beobachtete denselben unter dem Mikroskope nach Zusatz von Wasser. Nachdem das Wasser auf die rothen Blutkörper gewirkt hatte, d. h. ein Theil derselben sich in Folge der Auflösung des Hämoglobins mehr oder weniger entfärbt hatte, ersetzte ich das Wasser unter dem Deckgläschen durch eine Eosinlösung (Eosin und 1) Das Eosin wurde im vorigen Jahre von Dr. Fischer zur Färbung mikroskopischer Präparate vorgeschlagen. S. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII. Hft.2. 1875. »Eosin, als Tinetionsmittel für mikroskopische Präparate von Dr. med. E. Fischer (aus d. anat. Institute zu Strassburg) p. 531 u. ff. 480 N. Wissozky: Alaun, zu gleichen Theilen in 200 Theilen Alkohol). Nach einigen Minuten war die Mehrzahl der Körperchen durch Eosin gefärbt. Darauf entfernte ich den Ueberschuss des Farbstoffes mit Wasser und fügte zu diesem einen Tropfen Glycerin. Die Beobachtung der auf diese Weise behandelten rothen Blutkörperchen bei starker Ver- grösserung (Oc.3, 8 Syst. v. Hartnack) ergab Folgendes: In dem- jenigen Theile der Körperchen, welcher durch die Wirkung des Wassers weniger verändert war, nahm das Protoplasma die ver- schiedenen Schattirungen der rosa-röthlichen Färbung an, die Kerne dagegen blieben ungefärbt. Ausserdem nahmen sowohl die Kerne als auch das Protoplasma eine körnige Beschaffenheit an. Die durch das Wasser zum Theil entfärbten Blutkörperchen färbten sich durch Eosin nur in dem noch Hämoglobin enthaltenden Theile. Die- jenigen Körperchen, welche vom Hämoglobin vollständig befreit waren, färbten sich auch durch Eosin gar nicht. Je grösser der re- lative Hämoglobingehalt war, desto intensiver färbten sich die Kör- perchen durch Eosin und desto mehr überwog die orange Färbung die rosa!). (S. Fig. 1, Nr. 1—8 und die darauf bezüglichen Erklä- rungen.) In der Flüssigkeit zwischen den Körperchen waren reichliche feinkörnige Niederschläge bemerkbar von rosenrother Farbe mit einem Stiche in’s Orange an den Stellen, wo dieselben in bedeuten- deren Massen aufgehäuft waren. Es unterliegt somit keinem Zweifel, dass das Eosin eine charakteristische Färbung des Protoplasmas der rothen Blutkörperchen durch irgend eine Verbindung mit dem Hämoglobin derselben hervorbringt. Fügt man zu dem in der oben angegebenen Weise behandelten Präparate 1—2 Tropfen einer concentrirten Hämatoxylinlösung, so 1) Noch besser, gleichmässiger und deutlicher färbt sich das Proto- plasma der rothen Blutkörperchen, wenn man einen frisch entleerten Tropfen Froschblut zuerst '/,—1 Stunde der Einwirkung der Müller’schen Flüssigkeit unterwirft und darauf der doppelten Färbung auf die unten beschriebene Weise. Die auf diese Weise behandelten rothen Blutkörperchen sind abgebildet Fig. 9 derselben Taf. Alte Spiritus- und Chromsäurepräparate eignen sich weniger für unsere Behandlung. In solchen Fällen nehmen die rothen Blut- körperchen eine schmutzig gelbbraune Färbung an. Offenbar nach solchen Präparaten hat Fischer über die Einwirkung des Eosin auf die rothen Blut- körperchen geurtheilt. Anders lässt sich seine Angabe nicht erklären, dass »die Blutkörperchen eine dunkelbraune Farbe annehmen« (l.c. p. 351). Ueber d. Eosin als Reagens auf Hämoglobin u. die Bildung v. Blutgefässen ete. 481 nehmen die Kerne der Körperchen eine violette Färbung an, welche um so deutlicher und reiner hervortritt, je vollständiger sich die Körperchen bei der vorhergegangenen Behandlung erhalten haben. Die Körperchen, aus welchen sämmtliches Hämoglobin ausgetreten ist, erscheinen als durchsichtige, farblose Scheiben mit scharfbe- srenzten violetten Kernen. Die Scheiben sind dermassen zart und durchsichtig, dass man ihre Contouren selbst bei starken Vergrös- serungen kaum erkennen kann und es anfangs scheint, als ob im Gesichtsfelde blos die freien Kerne liegen. Diese Beobachtung ist unter Anderem auch insofern von In- teresse, als sie eine Verschiedenheit in dem Verhalten der Haupt- bestandtheile der rothen Blutkörperchen, des Hämoglobins, des Stromas und des Kernes zu den Farbstoffen erkennen lässt und uns ein Mittel an die Hand giebt, sehr leicht und einfach die chemische Verschiedenheit dieser Bestandtheile zu demonstriren. Darauf wandte ich mich zu einer anderen Frage, nämlich der, wie sich die farblosen Blutkörperchen zum Eosin verhalten. Diese Frage in der früheren Weise an einem Blutstropfen von einem warm- oder kaltblütigen Thiere zu untersuchen, wo man farblose Körper- chen nur sehr zerstreut und in geringer Menge antrifit, wäre un- zweckmässig gewesen. Ich zog daher einen anderen Weg vor: die Beobachtung des entzündeten Mesenteriums von Fröschen, wo, wie bekannt, in gewissen Stadien des Entzündungsprocesses farblose Blutkörperchen in den Gefässen und den umgebenden Geweben in grosser Menge auftreten. Zu dem Zwecke wurde einem Frosche durch einen kurzen Längsschnitt die Bauchhöhle geöffnet. Es traten aus derselben ge- wöhnlich von selbst oder bei geringem Drucke einige Darmschlingen hervor. In diesem Zustande verblieb das Thier 2—4 Tage, worauf die herausgetretenen Darmschlingen mit dem Mesenterium abgeschnitten und auf 24 Stunden in Müller’sche Flüssigkeit gelegt wurden. Nach Ablauf dieser Zeit wurde das Mesenterium von den Gedärmen ge- trennt, mit destillirtem Wasser gewaschen und auf 24 Stunden in eine verdünnte alkoholische Lösung von Eosin gelegt, darauf von neuem mit Wasser gewaschen, auf 5—15 Minuten (je nach der Concentration) in Hämatoxylinlösung gelegt, wiederum mit Wasser gewaschen und in Glycerin eingedeckt. In den kleinen, wenig mit Blut gefüllten Gefässen, sieht man sehr scharf die rothen Blutkörperchen, deren Protoplasma deut- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 3l 489 N. Wissozky: lich durchscheinend rosa - orange gefärbt ist, die Kerne dagegen violett. / /wisehen den rothen Blutkörperchen trifft man eine Menge weisser, welche eine violette Färbung angenommen haben, ähnlich den Kernen der ersteren. Ebenso sind die Kerne der Gefässwände gefärbt und die Wanderzellen }). Es steht somit fest, dass die farblosen Blutkörperchen, welche bekanntlich kein Hämoglobin enthalten, sich mit Eosin nicht färben). Nach den neuesten Untersuchungen?) ist das Hämoglobin ein im Thierreiche sehr weit verbreiteter Körper. Schon diese einfache Thatsache spricht für seine hohe physiologische Bedeutung. Die wichtige Rolle, welche dem Hämoglobin beim Gaswechsel im Blute der Wirbelthiere zukommt, nöthigt uns, dasselbe als einen wesentlichen Körperbestandtheil zu betrachten. Unter den uns bis- her bekannten Eigenschaften des Hämoglobins ist die Eigenthümlich- keit desselben hervorzuheben, nur mit gasförmigen Stoffen sich zu verbinden. Um so mehr ist es beachtenswerth, dass das Hämoglobin auch mit dem Eosin, einem nicht gasförmigen Körper, sich verbindet. Indessen will ich die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass nicht das Hämoglobin selbst, sondern ein Spaltungsproduct desselben diese Verbindung eingeht. In Bezug auf die Anwendbarkeit des Eosin zum mikrochemischen Nachweis des Hämoglobin ist dieses gleichgültig. Diese Thatsache verspricht eine umfassende Anwendung für die Zukunft. Wir haben also jetzt ein Mittel, unter dem Mikros- kope die Anwesenheit von Hämoglobin in den geringsten Spuren nachzuweisen und werden dadurch vielleicht im Stande sein, in Bezug auf die Blutbildung und die Störungen derselben eine ganze 1) Die beschriebene Färbungsmethode erscheint daher sehr geeignet zur Erforschung des Entzündungsprocesses am Mesenterium des Frosches und der dort auftretenden Neubildung von Gefässen. Einige nicht uninteressante Resultate, welche ich in Bezug auf diese Frage erhalten habe, sollen demnächst mitgetheilt werden. 2) Dieser Umstand, dass die farblosen Blutkörperchen sich mit Häma- toxylin ebenso färben wie die Kerne der rothen, deutet auf eine gewisse Verwandtschaft dieser Gebilde. Diese Annahme findet, wie wir weiter unten sehen werden, auch in anderen Thatsachen eine Stütze. 3) Lankester, Ray, E., The Distribution of Haemoglobin in the animal kingdom. Proe. roy. Soe. Vol. N.140. Waldeyer’s Refer. im Jahresber, d. ges. Med. 1873. Bd. I. p. 50. Ueber d.Eosin als Reagens auf Hämoglobin u. die Bildung v. Blutgefässen ete. 485 Reihe von Fragen sicher zu entscheiden, welche gegenwärtig mehr auf Grundlage indirecter Schlüsse als positiver Thatsachen beurtheilt werden. Der Art sind z.B. die Fragen nach der embryonalen Ent- wickelung des Blutes, nach dem Orte und der Art der Entwickelung der rothen Blutkörperchen im ausgewachsenen Organismus (Köl- liker, Neumann, Bizzozero), nach den Veränderungen des Blutes bei den verschiedenen Formen der Leukämie, bei septischen Krankheiten (Hiller, Centralbl. f. Chirurgie, Septikämie u. Icho- rämie) etc. Vorläufig habe ich mich darauf beschränkt, die von mir auf- gefundene Reaction auf Hämoglobin zur Untersuchung der mich schon lange beschäftigenden Frage über die Entwickelung des Blutes und der Gefässe bei den Warmblütern anzuwenden. Die Haupt- resultate dieser Arbeit bilden den Inhalt der folgenden Abhandlung!). Il. Der geeignetste Ort zur Erforschung der ersten Anlage und Entwickelung des Blutes und der Gefässe bei den Embryonen des Kaninchens ist der schmale Streifen der Eihäute am Rande der Placenta zwischen dieser und dem Sinus terminalis. Hier entwickeln sich die Gefässe verhältnissmässig spät, so dass man die erste Anlage der- selben noch an Embryonen beobachten kann, bei welchen bereits in der Allantois ein mehr oder weniger vollkommener Kreislauf besteht. Der beschriebene »Randstreifen« bei 1,5 Cm. langen Embryonen besteht ausser den ihn bedeckenden Epithelien aus zwei Schichten, welche sich nur mit grosser Mühe trennen lassen, BeideSchichten bilden durchsichtige, farblose Blätter, in welche die blutbildenden Elemente, dieHämatoblasten, eingebettet sind. Der einzige Unterschied dieser beiden Blätter unter einander besteht darin, dass in dem äusseren, der Höhle der Gebärmutter zugekehrten, der Process der Blut- und Gefässbildung früher beginnt, als in dem inneren der Placenta zu- sekehrten. Zu einer Zeit, wo man in dem äusseren Blatte bereits bis zu einem gewissen Stadium entwickelte Gefässe und Blutkörper- chen wahrnimmt, bemerkt man in dem inneren nur vereinzelte oder in verschiedener Weise unter einander verbundene, im ersten Stadium 1) Beiläufig sei noch bemerkt, dass das Eosin bei Bindegewebszellen nur das Protoplasma, bei Epithelzellen dagegen nur die sie verbindende Kitt- substanz deutlich färbt. Ist Lapisbehandlung voraufgegangen, so wirkt Eosin nicht mehr, ebenso wenig wie Silber nach vorheriger Eosintinction, 484 N. Wissozky: der Entwickelung begriffene Hämatoblasten. Auf diese Weise können wir nicht selten an ein und derselben Hülle, wenn wir sie in die beiden sie zusammensetzenden Blätter spalten, die verschiedenen Entwickelungsstadien des Gefässsystems beobachten. Die Blätter sind so dünn und durchsichtig, dass sie sich bei den allerstärksten Vergrösserungen untersuchen lassen. Weniger als dieser Randstreifen ist der übrige Abschnitt der Eihäute zur Beobachtung der ersten Entwickelung des Blutes geeignet, weil hier die dicken, die Blätter bedeckenden Epithelschichten mit grossen: Kernen die richtige Auffassung des Bildes in hohem Grade stören. Diese Zellen sind so fest verwachsen, dass die Entfernung derselben in einer genügend grösseren Ausdehnung ohne Verletzung der Unterlage nur sehr selten gelingt. Die Untersuchungen wurden an Häuten ausgeführt, welche in möglichst frischem Zustande in Müller’sche Flüssigkeit gelegt worden waren. Nach 24—48 Stunden wurden die Häute aus der Flüssigkeit herausgenommen und mit Wasser gewaschen. Die Epi- thelien wurden mit einem weichen Pinsel abgestreift. Darauf wurden sie der Färbung mit Eosin und mit Hämatoxylin unterworfen. Die beiden Blätter wurden von einander getrennt und in Glycerin untersucht. An gelungenen Präparaten sieht man in der durchsichtigen, farblosen Grundsubstanz der Blätter die Hämatoblasten, welche mehr oder weniger scharf durch ihre Färbung gegen ihre Umgebung abstechen. Die grosse Mehrzahl der Hämatoblasten bei Kaninchenembryo- nen von 1,5 bis 1,8 Cm. Länge erscheint als eine homogene, fein- körnige Protoplasmamasse, welche Kerne enthält. | Ausnahmsweise trifft man Hämatoblasten, welche keine Kerne enthalten. Diese letzteren sind offenbar nichts anderes als Proto- plasmaklümpchen, welche sich von kernhaltigen Hämatoblasten ab- getrennt haben. Das Protoplasma der Hämatoblasten nimmt bei der Doppel- färbung eine mehr oder weniger hell-lila-rosarothe Farbe an, die Kerne dagegen eine violette. Im Uebrigen ist der Farbstoff im Protoplasma gewöhnlich sehr ungleichmässig vertheilt. Einige Stellen färben sich intensiver, deutlicher, andere heller. Am schwächsten gefärbt zeigt sich bald die Peripherie der Hämatoblasten, so dass die Contouren kaum zu unterscheiden sind von der umgebenden Ueber d. Eosin als Reagens auf Hämoglobin u. die Bildung v. Blutgefässen ete. 485 farblosen Membran, bald finden sich solche blasse Theile in den Centren der Hämatoblasten, welche in Folge dessen auf den ersten Blick wie durchlöchert erscheinen. Diese ungleichmässige Verthei- lung des Farbstoffes ist offenbar bedingt durch eine ungleichmässige Vertheilung des Protoplasma selbst. Auch bei der sorgfältigsten Untersuchung und mit den stärksten Vergrösserungen kann man keine Spur einer Hülle an den Hämatoblasten wahrnehmen. Das Aussehen und die Grösse der Hämatoblasten sind unend- lich verschieden. Trotz dieser Verschiedenheit lassen sich zwei Haupttypen unterscheiden. Der eine von ihnen charakterisirt sich durch seine verhältnissmässig geringe Grösse uhd vorwiegend rund- lich ovale Form; der andere stellt Gebilde dar, welche bisweilen eine geradezu colossale Ausdehnung erreichen und bei welchen eine verästelte sternförmige Gestalt vorwiegt: Sie entsprechen wol den von Ranvier als »cellules vasoformatives« bezeichneten Gebilden, welche auch von Leboucq beschrieben worden sind. Die kleinen Hämatoblasten sind rundlich-ovale, nierenförmige Anhäufungen des Protoplasma von 0,003 — 0,015 Mm., gewöhnlich mit einem Kern. Bisweilen läuft der Hämatoblast an der einen oder anderen Stelle in einen stumpfendigenden Vorsprung aus, sel- tener sendet er einen einzelnen oder gabelförmig sich theilenden Fortsatz aus (vgl. Nr. 1, 2, 3, 4, 5 Fig. 2). Die grossen, verzweigten Hämatoblasten erreichen bisweilen eine Länge von 0,21 Mm. und eine Breite von 0,045 und sind ge- wöhnlich mit 2, 3, nicht selten sogar mit 5, 6 Kernen versehen. Von dem den Kern umgebenden Protoplasma geht bald eine Masse langer flacher, Baumzweigen ähnlicher Fortsätze aus, bald sind diese Fortsätze dünn, fadenförmig und in ihrem Verlaufe mit knotigen Verdickungen versehen (vgl. 12 Fig.2; einzelne Hämatoblasten bei 10 u. 11 derselben Fig. u. Fig. 3). Zwischen diesen zwei Haupttypen giebt es eine Menge von Uebergangsformen. Wir sehen erstens, dass die runden oder ovalen Hämatoblasten sich an einem oder zwei entgegengesetzten Enden ausziehen und dadurch eine kolbenförmige oder spindelförmige Gestalt annehmen. Durch die verschiedenartige Theilung und Verzweigung dieser Ver- längerungen entstehen die sternartigen, verästelten Formen. Aus- serdem kann man an den kleinen Hämatoblasten eine energische Vermehrung durch Theilung beobachten. Aus den kleinen runden 486 N. Wissozky: einkernigen Hämatoblasten gehen grössere zweikernige Formen hervor, ferner bisquitförmige Zellen, deren Hälften sich von einander ent- fernen und nur durch einen mehr oder weniger dünnen Faden ver- bunden bleiben. An beiden Hälften können darauf Theilungen, Aus- sendungen von Fortsätzen etc. vorkommen (vgl. No.6, 7, 8u.9 Fig. 2). Auf diese Weise entstehen Zellennetze der verschieden- artigsten Gestalt und Grösse, welche sich zusammendrängen und zusammenfliessen und dadurch mehr oder weniger geschlossene Maschenwerke bilden. Die charakteristische Eigenthümlichkeit dieser Netze besteht darin, dass das dieselben bildende Protoplasma sehr ungleichmässig vertheilt ist. Die Knotenpunkte — die Körper der Hämatoblasten — sind grösstentheils dick, massig, die sie verbindenden Fäden da- gegen — die Auswüchse der Hämatoblasten — sind dünn und zart. Sowohl von den Körpern der Hämatoblasten als auch von ihren Auswüchsen gehen eine Menge seitlicher Sprösslinge und Fäden aus. Bisweilen zerfällt ein ganzer Bezirk von Hämatoblasten in solche kaum bemerkbare Fäden und Fäserchen, welche sich bald mit un- sichtbaren Enden auf der Membran verlieren, bald in anderer Weise verlaufen, indem sie sich verflechten, mit einander verschmelzen und so ein äusserst zartes Flechtwerk bilden. Ich will es »das Netz der primitiven Hämatoblasten« nennen (vgl. Fig. 2 No. 10, 11 u. Fig. 3). In dem Maasse als diese Netze sich entwickeln, verändert sich mehr und mehr ihre Gestalt. Diese Veränderungen bestehen im Wesentlichen darin, dass die Netze ihren ursprünglichen zelligen- Charakter verlieren. Die Fäden, welche die Hämatoblasten verban- den, verdicken sich und die Unterschiede in der Dicke der Gebilde gleichen sich aus. Ausserdem verschwindet eine Menge von seit- lichen Ausläufern, Fäden und Fäserchen. Auf diese Weise verwan- deln sich die Netze der primitiven Hämatoblasten in ein Netzwerk unter einander anastomosirender Protoplasmastränge, Schnüre und Cylinder, mit einer grossen Zahl sehr unregelmässig darin vertheil- ter Kerne (Kerne der Hämatoblasten). Diese Netze will ich die »secundären Hämatoblastennetze« nennen (vgl. No.1 u. 2 Fig. 4). Aus diesen Netzen entwickeln sich unmittelbar das Blut und die Gefässe. 2; Bevor wir aber zu diesen weiteren Umwandlungen übergehen, wollen wir ein wenig bei dem Gesagten verweilen und prüfen, in- Ueber d. Eosin als Reagens auf Hämoglobin u. dieBildung v. Blutgefässen ete. 487 wiefern die von uns gesehenen Bilder eine Erklärung derjenigen Processe gestatten, welche der beschriebenen Umwandlung der Hä- matoblasten in die primären und secundären Netze zu Grunde liegen. Schon die Beobachtung der isolirten Hämatoblasten führt zu der Annahme, dass sie nicht fixe Gebilde darstellen, sondern Proto- plasmamassen, welche activer Bewegungen fähig sind. Die ungleich- mässige Vertheilung des Protoplasma, die Abwesenheit der Membranen, die Menge der Auswüchse, Fäserchen und Füsschen, in welche die Hämatoblasten gleichsam zerfliessen, die Anwesenheit kernloser Massen zwischen denselben — dieses Alles wird völlig klar und verständlich, wenn man die ausgesprochene Ansicht acceptirt und sie als amöboide Körper ansieht. So aufmerksam wir auch die Netze der primitiven Hämato- blasten beobachteten, haben wir doch niemals irgend welche Spuren einer Begrenzung der sie zusammensetzenden Elemente wahrnehmen können: eine Zelle vereinigt sich mit der anderen, ein Ausläufer mit dem anderen, als wenn sie mit einander zusammenflössen und ver- schmölzen. Es ist unmöglich anzugeben, wo der eine Hämatoblast beginnt, wo der andere aufhört. Das ganze Netz stellt eine einzige, wenn auch äusserst unregelmässig ausgebreitete Protoplasmamasse dar, in welcher hin und wieder Kerne eingebettet sind. Wenn wir ferner nach einer Erklärung suchen für den Process, welcher die Ausgleichung der primitiven Netze der Hämatoblasten zu Stande bringt und deren Umwandlung in die Netze der secun- dären Protoplasmacylinder, so wird uns auch hier die obige Hypo- these die am meisten befriedigende Erklärung geben können. Wenn wir annehmen, dass zugleich mit dem Wachsthum des hämoblastischen Materials eine gleichmässigere Vertheilung seiner Theilchen und eine Einziehung der seitlichen Auswüchse und Fäden zu Stande kommt, so wird der Vorgang der Verdickung der Verbindungsfäden und das Verschwinden der Auswüchse vollkommen verständlich. Ich wiederhole nochmals, dass diese Erklärungen nichts mehr sein sollen als eine wahrscheinliche Hypothese. Ich sehe sehr wohl ein, dass zur Erhebung derselben auf die Stufe einer Thatsache neue Beobachtungen erforderlich sind und neue Methoden der Un- tersuchung. Dennoch nehme ich gern diese Hypothese von der amöbenartigen Natur der Hämatoblasten an, da dieselbe alle bei der Entwickelung der Hämatoblasten beobachteten Erscheinungen in 488 N. Wissozky: befriedigender Weise verständlich macht. In dem Maasse als die secundären Netze sich bilden, gehen in denselben weitere Verän- derungen vor, welche die ganze Masse der hämoblastischen Stränge und Cylinder in Blut und Gefässe umwandeln. Diese Umwandlungen beginnen damit, dass aus den Strängen die embryonalen Blutzellen abgetheilt werden. Die Bildungsweise der Blutkörperchen in den Embryonalhäuten der Kaninchenembryonen, sowie in der Allantois von Hühnerembryo- nen geschieht im Wesentlichen auf gleiche Weise. Der Gang dieses Processes, soweit es mir gelungen ist ihn zu verfolgen, er- innert an den Furchungsprocess der Eier höherer Wirbelthiere. Die Blutkörperchen entwickeln sich in den erwähnten Häuten, wie gesagt, aus derselben allgemeinen blutbildenden Anlage, aus welcher sich auch die Wände der Blutgefässe bilden. Gleich zu Anfang entstehen hier zweierlei Arten von Blut- körperchen. Die einen nehmen, mit Eosin behandelt, die charak- teristisch rosa-orange Farbe an, enthalten folglich Hämoglobin — die rothen Blutkörperchen — während die andern sich nicht mit Eosin färben lassen, wohl aber die violette Farbe des Hämatoxylin an- nehmen, folglich kein Hämoglobin enthalten — das sind die farb- losen Blutkörperchen. Die Entwickelung der ersten Art von Blutkörperchen konnte ich am deutlichsten an der Allantois von Hühnerembryonen ver- folgen. Sie geschieht auf folgende Weise. Ein gewisser Abschnitt des soliden hämatoblastischen Stranges nimmt eine rosa-orange Farbe an und es entstehen aus ihm die rothen Blutkörperchen. Diese erscheinen zuerst wie aus dem Protoplasma mit einem Locheisen herausgeschlagene Stücke und liegen in den dadurch ent- standenen Lücken, von deren Wänden sie sich durch durchsichtige und farblose Ringe abgrenzen. Die Wände dieser Lücken haben scharfe Ränder. An manchen Stellen gehen diese Ränder in zu- gespitzte Ausläufer über, welche frei in die hellen Räume zwischen den Blutkörperchen hineinragen. Zuweilen vereinigen sich die zu- sespitzten Ausläufer, welche von zwei gegenüberliegenden Wänden der Lücken ausgehen, miteinander wie durch einen feinen Faden (Fig. 5 Nr. 1). Die Blutkörperchen liegen meistens vollständig getrennt von einander, selten sieht man sie paarweise vereinigt. Im ersteren Fall ist ihre Form eine rundliche, ovale, zuweilen sind die Enden Ueber .d. Eosin als Reagens aufHämoglobin u. die Bildung v. Blutgefässen etc. 489 zweier nebeneinander liegender Körper ein wenig abgeplattet. Im zweiten Fall sind die mit einander vereinigten Blutkörperchen mehr weniger bisquitförmig. Die Grösse der Körperchen ist sehr ver- schieden. Die grössten von ihnen erreichen 0,015 Mm., die kleinsten sehen nicht über 0,006 Mm. hinaus (Oe. II. Lins. 7. Hartn.). Die Farbe der Körperchen erscheint ein wenig dunkler, als die Farbe des Mutter- protoplasma, da dieselben durch gröbere und dunklere Körnchen granulirt sind. Das Mutterprotoplasma erscheint überhaupt sehr feinkörnig, stellenweise sogar vollkommen homogen. In einem Theil der Körperchen unterscheidet man deutlich Kerne und Kernkörperchen, welche sich durch scharfe und dunkle, gewöhnlich zackige Contouren auszeichnen. In andern Körperchen sind die Contouren der Kerne schwach angedeutet, und an Stelle des Kernkörperchens bemerkt man nur einen dunklen Punkt. End- lich beobachtet man an einigen Körperchen an Stelle des Kernes nur eine Anhäufung von mehr dunkel gefärbten Körnchen, als das Protoplasma des Körperchens. Wir können also annehmen, dass die Kerne und die Kernkörperchen der rothen Blutkörperchen sich erst bilden, nachdem die Körperchen aus dem sie bildenden Proto- plasma entstanden sind. Zu Gunsten dieser Annahme spricht auch der Umstand, dass man nicht selten in dem Lumen der Embryonal- gefässe neben vollständig ausgebildeten Embryonalblutkörperchen Bildungen von der gleichen Grösse und Farbe antrifft, die sich nur durch ihr homogenes Aussehen und durch die Abwesenheit jeder Spur eines Kernes unterscheiden. Betrachten wir denjenigen Theil des blutbildenden Protoplasma, von welchem sich noch keine Blutkörperchen abgetheilt haben (Fig. 5 Nr. 1), so sehen wir, dass derselbe durch dunklere Linien in ein paar ungleiche Abschnitte getheilt ist. Auf unserer Zeichnung sieht man deutlich drei solcher Abschnitte: einen grösseren oberen und zwei kleinere untere. Ausserdem fängt der obere Abschnitt an sich in zwei zu theilen, durch eine sehr schwach angedeutete Linie. Alle diese Linien erscheinen mehr weniger bogenförmig. Das führt auf den Gedanken, dass die beschriebenen Linien die Grenzen der künf- tigen Lücken im Protoplasma vorstellen, während die durch dieselben getrennten Abschnitte die künftigen Blutkörperchen bilden. Die Thatsache, dass die Mehrzahl der Blutkörperchen von einander und von den Wänden der Lücken durch farblose und durchsichtige Ringe getrennt sind, lässt uns annehmen, dass die Körperchen sich aus 490 N. Wissozky: dem Mutterprotoplasma durch Verflüssigung gewisser Theile aus- sondern. Die verschiedenen Stadien des Prozesses der Ausscheidung der Blutkörperchen lassen sich ziemlich leicht Schritt für Schritt ver- folgen, sowohl an der Allantois der Hühner, als auch an der Allan- tois von Kaninchen, wenn man eine genügende Anzahl von Embryonen verschiedenen Alters untersucht. An irgend einer Stelle des soliden hämatoblastischen Stranges erscheint zuerst ein durchsichtiger, farbloser Streifen, welcher ge- wöhnlich bogenförmig ist; dieser Streifen erweitert sich ferner, nimmt die Gestalt eines Halbmondes an, seine Enden nähern sich mehr und mehr, um endlich zusammen zu fliessen. Auf diese Weise entstehen in dem Protoplasma der hämatoblastischen Stränge die beschriebenen Lücken, in welchen die embryonalen Blutkörperchen liegen, umgeben von durchsichtigen, farblosen Ringen. Wenn ein gewisser Abschnitt des Protoplasmas eines Stranges in eine Anzahl von Blutkörperchen zerfällt, so verflüssigen sich auch die zwischen den Körperchen liegenden Reste des Protoplasma — die Wände der Lücken — und auf diese Weise entsteht in dem soliden hämatoblastischen Strange eine Höhle (Lumen), welche mit Blutkörperchen gefüllt ist (Fig. 5. 2). Aus der Vereinigung dieser Höhlen entstehen die Canäle der embryonalen Blutgefässe, während die peripherischen Schichten des Protoplasma der Stränge sich in die Wandungen dieser Gefässe verwandeln. Die auf diese Weise entstandenen rothen Blutkörper- chen erleiden im weiteren Verlaufe eine Reihe Veränderungen. Diese Veränderungen bestehen erstens in der Differenzirung ihrer Kerne und Kernkörperchen, zweitens in der Theilung der Körperchen, wo- durch neue Generationen entstehen, wie das zuerst von Remak be- schrieben wurde. Die Differenzirung der Kerne und derKernkörperchen zeigt sich dadurch, dass allmählich ihre anfangs kaum wahrnehmbaren Con- touren schärfer und gleichmässiger werden; sowohl die Kerne als auch die Kernkörper nehmen die charakteristische blaue Färbung in Hä- matoxylin an, wobei die ersteren sich gleichmässig und in einer mehr hellen Nüance färben, als die letzteren, die mehr dunkel und immer granulirt erscheinen. Bei Kaninchen zeigen die embryonalen Blut- körper keine Nucleoli. Als erstes Merkmal der Theilung der rothen Blutkörperchen Ueber d. Eosin als Reagens auf Hämoglobin u. die Bildung v.Blutgefässen ete. 491 erscheint das Verschwinden 'des Kernkörperchens, wie wenn es sich in der Masse des Kernes auflösen würde. Dabei vergrössert sich der letztere und stellt sich dann als hellviolettes, homogenes Bläs- chen dar, welches den grössten Theil des Blutkörperchens einnimmt. Das Körperchen selbst nimmt eine mehr rundliche Form an. Darauf wird der Kern oval; die ihn zusammensetzende Masse sam- melt sich an den zwei gegenüber liegenden Enden des Ovales an, wodurch der Kern die Form eines Bisquits erhält; endlich sieht man im Blutkörperchen zwei Kerne. Dieselben liegen zuerst nahe bei- sammen, rücken aber dann auseinander und firden sich dann an zwei gegenüberliegenden Enden des Blutkörperchens. Darauf theilt sich das Blutkörperchen selbst. Seltener beobachtet man die Thei- lung des Kernes nicht in zwei, sondern in drei neue Kerne. Die zweite Art der embryonalen Blutkörperchen, die sich nicht mit Eosin färben lassen, wohl aber mit Hämatoxylin — die farb- losen Blutkörperchen — bilden sich auf dieselbe Weise wie die rothen, aber nur aus Abschnitten des hämatoblastischen Protoplasmas, welche kein Hämoglobin enthalten. Ein Theil der farblosen Blut- körperchen erscheint in der Form von rundlichen Häufchen eines gleichartig körnigen Protoplasmas, während der grösste Theil Kerne enthält, die eine dunklere violette Färbung annehmen. Die Menge dieser Elemente vermindert sich nach und nach mit dem Gang der weiteren Entwickelung des Embryos, in Folge ihrer Verwandlung in rothe Blutkörperchen. Diese Verwandlung markirt sich dadurch, dass das Protoplasma der farblosen Blut- körperchen allmählich anstatt der violetten eine rosa-orangen- artige Färbung annimmt, während die Kerne keine Veränderungen erleiden. Diese Färbung zeigt sich anfangs gewöhnlich in Form eines oder einiger Punkte, welche in den peripherischen Theilen des Protoplasmas der Elemente erscheinen, sodann werden diese Punkte zahlreicher, die Färbung wird intensiver, mehr charakteristisch und verbreitet sich concentrisch bis zum Kern. Weit seltener gelingt es, die direkte Entwickelung rother Blut- körperchen aus dem Protoplasma der primären Hämatoblasen zu beobachten, wie es auf Fig. 4, Nr. 2a dargestellt ist. Die Kerne der Hämatoblasten gehen in dieKerne der embryonalen Gefässe über. Sollen wir mit kurzen Worten die histologische Bedeutung der embryonalen Capillargefässe, wie sie sich nach unsern Erfahrungen 492 N. Wissozky: ergiebt, bezeichnen, so können wir keinen treffenderen Ausdruck wählen, als den von Stricker gebrauchten, sie seien »Protoplasma in Röhrenform«. Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dass unsere Untersuchungen über die embryonale Entwickelung der Blutkörperchen in einigen Punkten die Angaben früherer Autoren bestätigen, während sie in andern vollkommen von denselben abweichen. So können wir nicht mit der allgemein angenommenen Ansicht einverstanden sein, dass die ersten (primitiven) Blutkörperchen aus den embryonalen Bildungs- zellen sich entwickeln und dass die rothen Blutkörperchen sich immer aus den farblosen bilden!). Die Entwickelung der Blutkörperchen aus embryonalen Bildungszellen findet in den Embryonalhüllen der von uns untersuchten Säugethiere gar nicht Statt. Die Entwicke- lung der rothen Blutkörperchen aus farblosen geschieht auch hier ganz auf die Weise, wie es von Kölliker?) beschrieben wurde, d. h. das farblose Blutkörperchen imbibirt sich mit Hämoglobin mit Ausnahme des Kernes, welcher in den Kern der embryonalen rothen Blutkörperchen übergeht. Wenn aber ein Theil der rothen Blutkörperchen aus farblosen sich entwickelt, so zu sagen secundäre Formen darstellend, so geht ohne Zweifel ein anderer Theil unmittelbar aus dem Hämo- globin enthaltenden Protoplasma der hämatoblasti- schen Stränge hervor. Vergleichen wir ferner die hier beschriebene Art der Entwicke- lung des Blutgefässsystems in den Hüllen der Kaninchen und Hühner- embryonen mit der von uns früher beschriebenen Entwickelung der Blutgefässe in dem Schwanz der Froschlarven°), so sehen wir, dass die anfänglichen Stadien der Entwicklung hier wie dort vollständig die gleichen sind. Die primitive Anlage besteht in beiden Fällen aus verzweigten und sternförmigen protoplasma- tischen Massen und Zellen, welche, mit einander zusammenfliessend, Netze bilden, aus welchen sich dann die Blutgefässe und die Blut- 1) Dr. W.Erb, zur Entwickelungsgeschichte der rothen Blutkörperchen. Virchow’s Archiv f. patholog. Anatomie. Bd. XXXIV. 2) A. Kölliker, über die Blutkörperchen eines menschlichen Embryo und die Entwicklung der Blutkörperchen bei Säugethieren. Zeitschr. f. ration. Medicin. IV. Bd. 1846, S. 113 u. ff. 3) Rudneff’s Journal für normale und pathologische Histologie und klinische Medicin. Petersburg 1875. p. 493-—-532. Ueber d. Eosin als Reagens auf Hämoglobin u.die Bildung v. Blutgefässen ete. 493 körperchen entwickeln. Die weiteren Verwandlungen dieser Netze aber zeigen bedeutende Verschiedenheiten. So ist bei Froschlarven die Umwandlung der primären hä- matoblastischen Netze in secundäre gar nicht zu beobachten. Bei ihnen werden die gefässbildenden Zellen und ihre Ausläufer nach deren Vereinigung zu Netzen sogleich canalisirt, deswegen haben die primitiven Blutbahnen fast gar keine Aehnlichkeit mit den aus- gebildeten Blutgefässen. Das Blut circulirt in den Froschlarven- schwänzen ziemlich lange Zeit in einem System unregelmässiger Räume, einmal sich in grosse Hohlräume ergiessend, die aus dei Körpern der gefässbildenden Zellen entstanden sind, das andre mal durch enge Communicationscanäle fliessend — Ausläufer der Zellen. Die gleichmässige Ausbildung der beschriebenen Räumen und ihre Verwandlung in ein System regelmässiger Blutcapillaren vollzieht sich bei den Froschlarven nur allmählich und diese Capillaren tragen lange Zeit noch die Merkmale ihrer Entstehung aus gefässbildenden Zellen!). Wir haben ferner gesehen, dass die Entwicklung des Blutes und der Blutgefässe in den embryonalen Hüllen der von uns untersuchten Säugethiere aus ein und derselben allgemeinen häma- toblastischen Anlage hervorgeht, d. h. dass die Blutkörperchen sich in diesen Hüllen in loco entwickeln. Von allen Autoren, welche die Frage nach der Entwickelung des Blutgefässsystems in den Froschlarvenschwänzen bearbeiteten, wie K öl- liker?), F. Meyer), A. Ecker®), A.Golubew°), M.Lavdowsky°), 1) 1. c. $. 497—500. 2) M. Kölliker, Notes sur le developpement des tissues chez les Batra- ciens. Annales de Sciences naturelles. II. Serie. Zoologie. T. IV. Paris 1846. 3) Meyer, über die Neubildung von Blutgefässen in plastischen Exsu- daten seröser Membranen und in Hautwunden. Annalen des Charite-Kranken- hauses. 18. Jahrg. I. Heft. 1853. S. 95 u. ff. 4) Icones physiologieae. Erläuterungstafeln zur Physiologie und Ent- wickelungsgeschichte. Leipzig 1851—53. 5) A. Golubew, Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Entwicke- lungsgeschichte der Capillargefässe des Frosches. Archiv f. mikroskop. Ana- tomie. Bd. IV. 1860. 6) Journal für normale und pathologische Histologie, Pharmacologie u. klinische Medicin, herausg. von Prof. Rudnew, Bogdanowsky, Sabelin u. Sawarikin. T. I. Petersburg 1870. S. 35 u. ff. 494 N. Wissozky! Ch. Rouget!), L. Ranvier?), Th. Billroth?), beschreibt nur der letztere die Entwickelung des Blutes und der Gefässe aus einer allgemeinen blutbildenden Anlage. Alle andern nehmen an, dass das Blut in die sich entwickelnden Capillaren der Froschlarven- schwänze fertig aus vorher gebildeten Gefässen sich ergiesse (art. et vena caudales, Kölliker). Aber auch die erwähnten Angaben Billroth’s, wie ich in meiner oben eitirten Arbeit genügend be- wiesen zu haben glaube, beruhen auf einer unrichtigen Erklärung der Thatsachen, da Billroth die künstlichen Producte einer gestörten Bluteirculation in den Froschlarvenschwänzen für Erscheinungen einer normalen Entwickelung ansah. Auf die Weise, wie es Bill- roth beschrieben hat, entwickelt sich das Blut und die Blutgefässe bei den Froschlarven aus einer allgemeinen hämatoblastischen Anlage nicht. Darin besteht der zweite wesentliche Unterschied zwischen der Entwickelung des Blutgefässsystems in den embryonalen Hüllen der Warmblüter und in den Schwänzen der Froschlarven. Auf die vorläufigen Angaben von Leboucq, »Sur le deve- loppement des capillaires et des globules sanguins chez l’embryon« (Bull. de la soc. de med. de Grand 1875), welche in einigen Punkten, sonamentlich in dem wesentlichen Umstande, dass Leboucq ebenfalls die Gefässe und die Blutkörperchen aus einer und derselben Anlage her- vorgehen lässt, mit den meinigen übereinstimmen, in andern aber erheb- lich abweichen, kann ich zur Zeit, da eine ausführlichere Darstellung, so viel ich weiss, noch nicht vorliegt, nicht näher eingehen. Bildungen, wie sie H.D.Schmidt, Onthe origin and development of coloured Blood corpuscles in Man. Monthly mier. Journ. 1574. June and Januar 1875 beschreibt, habe ich niemals auffinden können. Es sei übrigens be- merkt, dass Verf. auch von einer endogenen Entstehung der rothen Blut- körperchen in Mutterzellen spricht; es wurde mir jedoch nicht voll- kommen klar, wie Schmidt sich diese vorstellt. Eine Mittheilung Edw. Schäfers, worin von endogener Entstehung von Hämo- globintropfen in besonderen Zellen des Unterhautbindegewebes bei 1) Ch. Rouget, M&moires sur le döveloppement, la structure et la pro- priet& physiologiques des capillaires sanguins et Iymphatiques. Archives de Physioiogie normale et pathol. Paris 1873. Nr.6. Novb. p. 603 et sq. 2) L. Ranvier, du developpement et de l’accroissement des vaisseaux sanguins. Ebd. 1874. Nr. 4—5. p. 428 et sq. 5) Th. Billroth, Untersuchungen über die Entwicklung der Blutge- fässe etc. Berlin 1856, Ueber d.Eosin als Reagens auf Hämoglobin u. die Bildung v. Blutgefässen ete. 495 neugeborenen weissen Ratten die Rede ist, wurde mir nur aus einem kurzen Berichte in Monthly mier. Journ., June 1874, bekannt. Ich konnte hieraus über die Entstehung der rothen Blutzellen selbst ebenfalls nichts genaueres entnehmen; nur sollen, wie hier hervor- gehoben werden muss, die Kerne der betrefienden Zellen bei der Blutkörperchenbildung nicht betheiligt sein. Erklärung der Figuren auf Tafel XXX1. Alle Figuren wurden mittelst einer Oberhäuser’schen Camera clara aufgenommen. Fig. 1. > Fig. 2. Nr. 1—8 stellen rothe Blutkörperchen des Frosches dar, welche an- fangs mit Wasser, darauf mit Eosin behandelt sind. Das Protoplasma der Körperchen ist gefärbt, die Kerne sind ungefärbt geblieben. 1. Das Körperchen ist durch die Einwirkung des Wassers stark ge- quollen. Die schwache Färbung ist ziemlich ungleichmässig ver- breitet. Es sind in der Nähe des Kernes und an der Peripherie farb- lose Stellen bemerkbar. 2 u. 3. Körperchen, deren Peripherie ungefärbt geblieben ist. 4 u. 5. Körperchen, welche sich nur zur Hälfte gefärbt haben. 6 u. 7. Körperchen, aus denen das Hämoglobin heraustritt, welches mit dem Eosin die charakteristische Färbung giebt. 8. Ein Blutkörperchen welches eine kaum bemerkbare rosarothe Färbung angenommen hat. 9. Blutkörperchen vom Frosche, welche mit Müller’scher Flüssigkeit und darauf mit Eosin und Hämatoxylin behandelt sind. Das Pro- toplasma hat sich durch ersteres, die Kerne durch letzteres gefärbt. Vergrösserung 400. Nr. 1—9. Kleine Hämatoblasten. 12. Riesenhämatoblast. 10 u. 11. Ketten von Uebergangsformen der Hämatoblasten. 1 u. 2. Kleine Hämatoblasten mit einem Kern. 3. Ein eben solcher Hämatoblast mit 2 Kernen und einem stumpf anliegenden Auswuchs. 4. Ein gleicher Hämatoblast, welcher sich nach links in einen stumpfen Auswuchs, nach rechts und oben in einen sich gabelförmig theilenden Fortsatz auszieht. 5. Spindelförmiger Hämatoblast. 6 u. 7. stellen die Theilung kleiner Hämatoblasten dar. 8 u. 9. Der Anfang der Bildung von Hämatoblastenketten, deren weitere Entwickelungsformen bei 10 und 11 abgebildet sind. Ver- grösserung 300, 496 N. Wissozky: Ueber d. Eosin als Reagens auf Hämoglobin etc. Fig. 3. Ein Netz von primitiven Hämatoblasten mit erweiterten soliden Fig. Knotenpunkten — den Körpern der Hämatoblasten — und feinen, communicirenden Fäden, — den Fortsätzen der Hämatoblasten. Hier sieht man, dass das Protoplasma in denHämatoblasten sehr unregel- mässig vertheilt ist. Wie an den Körpern der Hämatoblasten,, so sieht man auch an ihren Fortsätzen kleine secundäre seitliche Sprösslinge und Fäden, welche entweder frei endigen, oder unter einander im untern Theile der Zeichnung zu den feinsten Netzen sich verflechten. Vergr. 300. Stellt verschiedene Stadien der Umwandlung der primitiven Hämato- blastennetze in die secundären dar. la,a. Characteristische Netze der primären Hämatoblasten. Bei b wandeln sie sich in solide Hämatoblastenstränge um. e Ein solcher Strang, welcher bereits in einem grossen Theile seiner Ausdehnung sich canalisirt und in ein embryonales Gefäss mit unregelmässig ver- streuten Kernen e umgewandelt hat. In ihm liegen farblose (l) und rothe (r) Blutkörperchen. Bei r‘ ein rothes in der Theilung be- griffenes zweikerniges Blutkörperchen. a‘, a‘ primäre Hämatoblasten, in Verbindung mit einem Gefässe. 2. Eine Schlinge von einem secundären Hämatoblastennetz aus einem späteren Entwickelungsstadium. Bei a sieht man einen primären Hämatoblasten mit den sich aus seinem Protoplasma entwickelnden rothen und farblosen Blutkörperchen. Er ist durch 3 Fäden mit dem Hämatoblastenstrange verbunden, welcher in seinem untern - Theile e bereits hohl (canalisirt) erscheint, im oberen Theile dagegen noch solid. Im letzteren sind rothe (r) und farblose (l) Blutkörper- chen bemerkbar. Bei dsieht man an dem Vereinigungspunkte zweier Stränge den Process der Canalisirung, als Folge der Aussonderung von Blutkörperchen (siehe d. folgende Figur). e Kerne des früheren Hämatoblasten. Vergr. 300. Fig. 1—4 stammen von Kaninchen- embryonen verschiedener Entwickelungsstadien. Stellt den Vorgang der Canalisirung der Hämatoblastenstränge dar. Die Bilder sind nach Präparaten von der Allantois von Hühner- embryonen gezeichnet. 1. Bildung rother Blutkörperchen aus dem hämoglobinhaltigen Pro- toplasma eines Hämatoblasten. Die Blutkörperchen liegen in den Lücken des Protoplasma, umgeben von durchsichtigen Ringen. Im mittleren, soliden Theile erscheint der Strang mit dunklen Linien gefurcht. 2. Ein Strang, dessen centraler Theil sich in einen mit Blutkörper- chen gefüllten Hohlraum umgewandelt hat, während die Peripherie solid geblieben ist. Im unteren rechten Theile des Stranges sieht man ein im Entstehen begriffenes farbloses Blutkörperchen. Vergr. 500, Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. Von Dr. M. Lavdowsky'). Hierzu Tafel XXXII—XXXV. Untersuchungsverfahren. Unter den von mir angewendeten Verfahren zur Untersuchung der Gehörschnecke will ich nächst der Osmiumsäure (0,5—1/o) nur die beiden wesentlichsten hier hervorheben. Gute Dienste leistete mir die Combination der Silberbehandlung mit ‘der Osmium- härtung. Aus einprocentiger Silberlösung kamen die Objecte auf 10 Minuten in Wasser, dem einige Tropfen 0,5—1 petiger Osmium- säure zugesetzt waren. - Für die Decalcination der Schnecke empfehle ich, diese Letztere nach Erhärtung in 0,5— 1 petiger Osmiumlösung noch eine Woche lang in Müller’scher Flüssigkeit zu belassen und sie dann in der von Waldeyer vorgeschlagenen 0,001 petiger Chlorpalladium- Salzsäure- Mischung zu entkalken. Nach der Entkalkung tränke ich die Schnecken mit einer Lösung von reinstem Gummi arabicum in Wasser (also nicht in Glycerin, wie fälschlich in dem Referate in Hoffmann- Schwalbe’s Jahresbericht Bd. Illangegeben ist), und, nachdem ich sie darauf 24 Stunden in gewöhnlichem Alkohol erhärtet, werden die Schnitte angefertigt. Dies Verfahren halte ich bis jetzt für das beste und wenn die Behandlung mit Gummi und die darauf folgende 1) Die hier mitgetheilte Arbeit ist unter Zugrundelegung der ausführ- lichen Publication des Verfassers in russischer Sprache: »Histologie des Ennd- apparats des nervus cochleae, St. Petersburg, 1874« im Auszuge wiedergegeben. Nach Einsicht der ausgezeichneten Präparate des Verfassers hat der Unter- zeichnete Herrn Dr. Lavdowsky veranlasst, ihm für das Archiv eine kürzere Bearbeitung, in welcher selbstverständlich alle seither erschienenen Publicationen berücksichtigt sind, zu geben. Er glaubt damit im Interesse der Leser des Archivs zu handeln, da die russische Publication nur Wenigen zugänglich sein dürfte. Waldeyer. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 323 498 M. Lavdowsky: Erhärtung nicht zu stark ist (wogegen gewöhnlich gesündigt wird), so erzielt man in jeder Beziehung gute Schnitte. Seit mir im Strass- ° burger anatomischen Institute auch die von Flemming (op. 30) empfohlene Rostocker Transparentseife zu Gebote stand, habe ich auch diese mit Vortheil als Einbettungsmasse benutzt. Nur darf man mit dem Schneiden nicht länger warten, als bis die Seife eben erkaltet ist, . und muss das Messer mit Alkohol netzen, was ich für alles Arbeiten mit Transparentseife empfehlen möchte. Die auf diese oder jene Weise bearbeiteten Objecte habe ich stets in Glycerin gelegt, die frisch präparirten aber in eineMischung des Letztern mit einigen Tropfen Osmiumsäure oder, was noch besser ist, in eine Flüssigkeit, die aus 2 Th. Wasser, 2 Th. Glycerin !) und 1 Th. halbeoncentrirtes essigsaures Kali besteht, wobei auf 1 Drachme dieser Mischung noch 1 Tropfen Osmiumsäure kommt. Die m die Mischung gelegten Objeete müssen sofort eingekittet werden. Als Untersuchungsmaterial empfehle ich besonders jüngere Katzen und Hunde; ausserdem verwendete ich Kaninchen, Ratten, Fledermäuse, Kälber, Ochsen und Pferde. Uebersieht man nun mit Hülfe aller genannten Unter- suchungsmethoden den Bau des akustischen Organs in jener voll- kommenen Entwicklung, in der es sich bei den angegebenen höheren Thieren findet, so stellt sich heraus, dass es aus folgenden vier verschieden gebauten Theilen zusammengesetzt ist. Der eine da- von ist diemembrana basilaris mit demanihr befindlichen Organ der Corti’schen Bögen (Corti’sches Organ im engern Sinn). Zum zweiten, den ich als »Stützapparat« bezeichne, gehören: 1. die lamina reticularis der Autoren oder reticularis propria, wie ich sie nenne, mit ihren einfacher gebauten accessorischen Netzen, die zusammen mit der Erstgenannten den obern Theil dieses Apparats — pars reticularis — bilden, und 2. die von 1) In meiner in russischer Sprache veröffentlichten Arbeit habe ich 1Th. Giycerin angegeben; jetzt halte ich es für möglich mehr davon zu nehmen, weil die Präparate sich alsdann länger halten. In reines Glycerin aber rathe ich, trotz Frey’s Anweisung, auf keinen Fall die Präparate (einerlei ob mit Osmium behandelte oder ganz frische) zu legen, wenn man anders auch nur einige Zeit dauernde und in der That gute Objecte haben will. Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 499 Deiters am Bogentunnel entdeckten Fasermassen, die den untern Theil desselben Apparats darstellen und von mir als pars fi- brosa bezeichnet werden. Beide Theile sind wie an ihren Grenzen so auch in ihrer Ausdehnung unter einander verbunden, an den letztern Stellen durch andere Fasermassen, welche von der Seite der Endzellen abgehen und 3. den perpendiculären Theil des Stütz- apparats repräsentiren. Der dritte Theil des akustischen Organs be- steht aus den ebengenannten Endzellen (Haarzellen der meisten Autoren) nebst den dazu gehörigen Nerven und der sogenannten akustischen Körnerschicht, bildet mithin den Endzellen- apparat im eigentlichen Sinne des Wortes. Als vierter Theil findet sich endlich, von den andern gesondert, die Corti’sche Haut oder membrana tectoria. Membrana basilaris und Corti’sches Organ. Be. 2RBCD3A WB DIS AIDA), Aus meinen Beobachtungen muss ich vor allem hervorheben, dass die Basilarmembran in ihrer ganzen Ausdehnung aus klaren, fadenähnlichen, bedeutende Elasticität besitzenden Fasern besteht, die nach Art von Saiten zwischen den Insertionspuncten der Membran — dem labium tympanicum und dem Vorsprung des ligamentum spirale — ausgespannt sind. Diese Structur ist also nicht ausschliesslich demjenigen Theile der Basilarmembran eigen- thümlich, welcher zona pectinata genannt wird, — wie bisher die meisten Autoren angenommen haben, — sondern ist (wie auch Nuel op. 23 es dargestellt hat) das allgemeine Characteristicum auch für ihre übrigen Theile (habenula tecta et perforata), in denen die Fasern nur weniger scharf ausgeprägt sind. Das Letztere hängt aber von ihrer grössern Feinheit an diesen Stellen ab, ferner von ihrer Zusammenfügung unter einander und von ihrer geringern Lichtbrechungsfähigkeit (vgl. Fig. 3 A, 11 A, 20). Der Bau dieser letztgenannten Zone ist aber complicirter, wie ihre Be- deutung selbst wichtiger. Sie besteht, abgesehen von dem nach der Tympanalseite zu sie bekleidenden Epithel, aus vier Schichten: zwei faserigen (einer obern — »vestibulären« und einer untern — »tympanalen«) und zwei homogenen. Eine von diesen homogenen, die ich »stratum mediale« nenne, entspricht der structurlosen Grundmembran der Autoren, ist schwach entwickelt und trennt nur 500 M. Lavdow sky: die erstgenannten, faserigen Schichten von einander (s. Fig. 15 A, 15 B). Die andere hat bloss die Form einer Falte (b, b), welche an der untern faserigen fest anliegt und wird durch das besagte Epithelium der Paukentreppe bedeckt. Wie dieselben Figuren zeigen, besonders aber Fig. 15CundD, lassen sich die faserigen Schichten leicht von einander trennen wie auch die Fasern selbst, aus denen sie bestehen und können in dieser Weise sowohl an Schnitten als auch in Flächenansicht beobachtet werden. Im letzten Falle können wir überdies sehen, dass die Fasern beider Schichten nicht ganz gleich sind: in der Vestibulärschicht (a) sind sieetwas gröber und ihre Verbindungsmasse (N uel’sche Zwischen- plättchen) ist entwickelter als in der Tympanalschicht (b), deren. Fasern relativ feiner sind. Die Verbindung der Schichten beiderlei Art mit den Fasern des ligamenten sp. ist unanfechtbar (vgl. Fig. 16 A, a‘ b‘) und zwar in der Weise, dass die Basilarfasern direct in die des Spiralbandes übergehen. In den übrigen Theilen der Basilaris sind die zwei Faserschichten nicht mehr zu constatiren, wie sie auch sich nicht mehr isoliren lassen, weshalb man annehmen muss, dass sie hier in eine zusam- menfliessen oder vollkommen fest in eine sich vereinigen (vgl. Fig. 15 A, BEISHEN. In der topographischen Darstellung und in der Structur der zona pectinata weiche ich also von den früheren Autoren ab und das Vorhandensein zweier Faserschichten in dem letzten Theil der Basilaris betone ich um so mehr, als es bisher ganz übersehen wurde. Nur bei Hensen (Fig.7 B zu seiner kritischen Abhandlung im Archiv f. Ohrenheilkunde, s. op. 12) habe ich eine Abbildung gefunden, auf der man zwei Reihen Fasern durch zwei punctirte Linien bezeichnet sieht, — wiewohl der Verfasser in seiner Be- schreibung wie alle übrigen Autoren nur von einer einzigen Faser- schicht spricht. Ferner finde ich (Fig. 3 A), dass die die Vestibulärschicht der zona pectinata bildenden Fasern in regelmässige Abtheilungen oder Gruppen, ungefähr von 10 Saiten jede, zerfallen (s. rechts 1—6). Die Zahl der Gruppen selbst entspricht aber für jeden gegebenen Theil der Basilaris genau der Zahl der Corti’schen Bögen an dem- selben. Auch ist jede von ihnen mit dem entsprechenden Bogen verbunden und bildet mit ihm ein Ganzes. Doch ist dies nur in gewissem Sinne zu verstehen, da die Verbindung zwischen den Bögen Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 501 und Saiten keineswegs organisch ist, sondern nur durch feste Zu- sammenkittung hergestellt wird (obgleich solche Bilder, wie sie Fig. 3A oder 16 A, 20 u. and. bieten, scheinbar durchaus für eine organische Verbindung sprechen). Davon kann man sich sehr leicht und einfach überzeugen: versucht man die äusseren Bögen von den Basilarfasern zu isoliren, so trennen sie sich von den Letztern ohne sie irgend wie in ihrer Integrität zu schädigen, was bei einer wirk- lichen Verbindung natürlich niemals möglich wäre. Dieselbe Er- scheinung können wir an den Saiten auch dann beobachten, wenn sie sich bei der Herstellung des Präparats, so zu sagen, von selbst von den Bögen abgelöst haben. Demnach muss ich hervorheben, dass die Fasern, welche die Bögen ausmachen (s. unten), unter keinen Umständen in die der m. basilaris übergehen, wie einige Forscher, z.B. Böttcher, angenommen haben. — Die kleinen spindelförmigen, zwischen den Basilarfasern vorkommenden Körperchen, die man auf Fig. 16 A (ce) sehen kann und auf die ebenfalls ältere Autoren hin- gewiesen, sind nach meinen Beobachtungen nur die Reste der Ent- wicklung der Basilaris, wie bereits Middendorp zum Theil be- hauptet hat. Der Bogenapparat besteht trotz all seiner Eigenthümlich- keit aus ähnlichen Fasermassen wie die m. basilaris und diese Massen unterscheiden sich nur zum Theil durch ihre Natur, hauptsächlich aber durch die Innigkeit und die Eigenart ihrer Verbindung unter einander — alles Umstände, welchen sie eben die sie auszeichnende compacte Bogen- oder Pfeilerform verdanken. Von beiden Arten dieser Bögen sind die äussern unter den gewöhnlichen Bedingungen, d. h. wenn man sie im Zusammenhang mit dem Gesammtorgan urd im frischen Zustande betrachtet, meist gerade, in eine gewisse Spannung gebrachte Pfeiler — eine Charak- teristik, welche theoretisch schon Helmholtz (op. 25) vorausge- setzt hat. Die Form der innern Bögen ist veränderlicher. Beide Arten von Bögen zeichnen sich überdies durch schwache Contractilität aus, welche Eigenschaft wahrscheinlich die Ursache ihrer Spannung ist. Die Contractilitätsvorgänge kann man an ihnen ziemlich klar nachweisen, wenn man einen Inductionsstrom in ein möglichst voll- ständig und vorsichtig abgetrenntes Corti’sches Organ leitet. — Was die Structur der Bögen und ihr Verhalten zur Basilarmembran anlangt, so kann man von der Ersteren mit Sicherheit behaupten, dass beide Arten von Bögen feste Massen sind; sie entbehren ferner 502 M. Lavdowsky: jeglicher Häutchen und bestehen aus feinen Fäden, die zu dickeren Fäserchen zusammengefasst sind (Fig. 15B, d, 20d‘). Mit diesen Fäden, die an den Fussstücken schärfer ausgeprägt sind, sind sie an die m. basilaris befestigt. Ueber die Beziehung der äussern Bögen zu dieser habe ich bereits gesprochen. In dem Verhalten der inneren Bögen zu ihr habe ich folgende Eigenthümlichkeiten gefunden, durch welche uns auch die complieirte und bisher unerklärte Structur der habenula perforata verständlich wird (Fig. 17 A). Während die Fussstücke der äussern Corti’schen Bögen, wie wir gesehen haben, ohne jegliche Spur von der Basilarmembran abgelöst werden können, bleiben dagegen die innern Fussstücke meistentheils in so fester Ver- bindung mit dem entsprechenden Theile der Basilaris (hab. perforata) und treten optisch so wenig hervor, dass man sie hier mitunter übersehen kann. Bei einer sorgfältigen Analyse werden wir indessen in der hab. perforata eine Reihe heller (f auf Fig. 17 A) und dunk- lerer (k) Stellen entdecken, die sich danach unterscheiden, ob die Fussstücke sich abgetrennt haben oder nicht. Im ersteren Falle sehen wir das einfachste Bild der perforata mit ihrem System von Hügeln, die sich in geraden Streifen nach unten resp. nach innen hinziehen, in der Nähe der Löcher aber und zwischen ihnen weniger scharf hervortreten, als dann, wenn die innern Fussstücke an der Membran unversehrt geblieben sind. Und in diesem zweiten Falle finden wir nachstehende Erscheinung: Die in Herzform zu je zwei und zwei verbundenen Fussstücke bedecken gerade alle jene Zwischen- räume, welche wir im ersten Falle als helle Stellen gesehen haben. . Daher jenes charakteristische Bild hügeliger Erhebungen auf der Oberfläche der perforata, welches uns schon längst als Eigenthüm- lichkeit ihres Gewebes bekannt ist. In Wirklichkeit gehört indessen die Hauptmasse dieser Hügel nicht ihr an, sondern ist aus den faserigen Füsschen der innern Gorti’schen Bögen zusammenge- setzt. Auf der beschriebenen Zeichnung finden wir mehrere solche Stellen; bald hellere, bald dunklere , je nachdem ob die Fussstücke sich abgetrennt haben oder nicht. An der rechten Seite können wir überdies einen fast ganz hellen hügelfreien Raum sehen, welcher nur zwei (unter g‘, g‘) an der Oberfläche des lJabium tympanicum sich hinziehende Streifen zeigt (Spuren von den Spitzen der Hügel). Sonach muss man in der hab. perforata zwei Arten Hügel unter- scheiden: l) die engen und niedrigen, welche speciell zu ihrem Ge- webe gehören und die von innen nach aussen sanft abfallen, indem Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 503 sie die Löcher begrenzen und an dem äussern Rand des labium tympanicum, an den Anfängen der hab. tecta, sich zu dreieckigen Flächen (vgl. auch die Fig. 11 A, k) erweitern, und 2) die auf diesen Flächen in Gestalt von Erhebungen liegenden und je zwei und zwei an ihren Seiten verbundenen Fussstücke der inneren Bögen. Ueberdies erweisen sich die inneren Fussstücke als so lang und ihre Abtrennung als so schwer, dass man sich die Beziehungen zwischen Labium tympanicum und den letzteren nicht denken kann, ohne eine ganz eigenartige Verbindung derselben mit dem Gewebe dieses Theiles der Basilaris anzunehmen. Interessant ist auch der Umstand, dass man nach sorgfältiger Präparation des lab. tympanicum die hab. perforata vollkommen frei von jeglichen Anhängseln und zwar als blosses faseriges Blatt beob- achten kann, was unter andern wiederum für die Richtigkeit der Be- hauptung spricht, dass die Basilarmembran in allen ihren Theilen einen faserigen Bau aufweist. Was endlich die Löcherzone selbst betrifft, so ist zu beachten, dass die Zahl der foramina, und zwar am häufigsten in der letzten Windung, sich verdoppelt, wodurch in diesem Falle die perforata ein anderes Ansehen erhält (Fig. 3A, ce‘). An dieser Stelle möchte ich auch die Pigmentirung der Fuss- stücke der Corti’schen Pfeiler (Fig. 2D) erwähnen, die man oft bei Pferden beobachtet. — Die Zellenreste an der Basis der Bögen sehe ich als Elemente an, welche der Ernährung der Pfeiler dienen; ich sehe in dieser ihrer Bedeutung eine grosse Aehnlichkeit zwischen ihnen und den Kernbildungen der Muskelfasern, mit denen die Corti’schen Bögen eine Uebereinstimung auch in ihrer Entwicklung selbst zeigen. (Die Zellen der Bögen s. auf den Fig. 2 A; e'—c‘, 2B, 3A c—c‘ [nur die Kerne], 17 A, B 1—2 u. and.) In Betreff des llgamentum spirale bemerke ich, dass nach meinen Untersuchungen die Annahme der Existenz von glatten Mus- kelfasern darin (Todd-Bowman, Böttcher) sich als irrig er- weist. Hinsichtlich ihres Gewebes muss ich hier aber darauf auf- merksam machen, dass während es im tympanalen Theil (vgl. «Fig. 2A, L‘) aus deutlichen Spindelzellen besteht (diese hat man denn auch wahrscheinlich für Muskelfasern angesehen), in dem vestibulären Theil, zumalin der stria vascularis, ihre Elemente fast ausschliesslich platte Zellen sind (s. dieselbe Fig.), — ein Unterschied, der zumeist bei jungen Thieren in die Augen fällt. 504 M. Lavdowsky: Stützapparat des akustischen Organs. (Fig. 1,2 A,0,3B,4, 11 A, 17 A, B, 18.) Der von mir unter dem Namen »Stützapparat« beschriebene Theil des akustischen Organs mit seinen 3 Hauptabtheilungen hat die Bedeutung, die sprödern und wichtigern Theile dieses Organs in einer bestimmten Lage und Form zu halten, und stellt also eine dem Gerüst der Netzhaut (des Auges) analoge Bildung vor, obwohl sein Bau, dem Charakter des Organs selbst entsprechend, viel complicirter ist. Aufgebaut ist er zunächst aus zwei morphologisch verschiede- nen Massen: einer epithelioiden und einer bindegewebigen. Aus Ersterer besteht der ganze obere Theil des Apparats, d.h. die Jamina reticularis, welche die Endzellen fixirt, und ihre zwei accessorischen Netze: das äussere oder vordere, welches das Gerüst des Epithels der zona peetinata ausmacht, und das innere oder hintere, welches die Epithelmassen der Spiralfurche umwindet und zugleich mit ihnen eine faserig-zellige Decke für die entsprechende Stelle der Basilaris bildet. Aus der zweiten, d. h. der bindegewebi- gen Masse ist der untere oder faserige Theil des Stützapparats aufgebaut, welcher das Deiters’sche Fasergerüst (das sog. Stützfaser- system) in sich enthält. Die ihn ausmachenden Fasern lagern sich am Boden des Bogentunnels und, indem sie über die Insertionsstelle der Bögen hinausreichen, treten sie mit dem obern Theile in Verbindung. Das zwischen den accessorischen Maschenwerkenm des oberen Theiles des Stützapparats eingeschlossene zusammengesetzte und dem Anschein nach ganz eigenthümliche Netz, dielamina reticu- laris (Fig. 1D, 3B f f“, 11 A), stellt den wichtigsten Theil dieses Apparats dar. Die sogen. Phalangen derselben und die, wie ich finde, echten Ringe, d. h. durchlöcherten körperlichen Gebilde (vgl. auf Fig. 11 A, ks, d‘) sind jene zur Isolirung der Endzellen, diese zu ihrer Fixirung in dieser Lage bestimmt. Wenn wir die Bedeutung der reticularis so auffassen, wird es uns leicht werden, ihren compli- eirten Bau zu verstehen; wenn wir sie aber mit irgend einem ein- fachen Netze, am besten mit einem ihrer accessorischen Maschen- werke, vergleichen, können wir auch die Entstehung dieses Baues leicht erklären. Und in der That ist es nicht schwer, sich an Zer- zupfungspräparaten zu überzeugen, dass die recticularis in Wirklich- keit aus einem ebensolchen Gerüst besteht wie die accessorischen Netze und mit diesen eine und dieselbe histioide Masse bildet, jedoch \ Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 505 mit dem Unterschied, dass in Folge der eigenthümlichen Form der in ihr enthaltenen Bildungen, namentlich der Phalangen, wie auch in Folge der angegebenen physiologischen Nothwendigkeit die Maschen der einfachen Netze sich verändert haben: ein Theil von ihnen hat sich nämlich in Ringe und zwar sehr regelmässige, welche nun die Spitzen der einen von den Endzellen (Stabzellen s. unten) ein- schliessen, verwandelt, andere Maschen dagegen haben sich der Form der in sie eingedrungenen biconcaven Plättchen entsprechend, mit denen die anderen Endzellen in einer festen Verbindung gestanden haben, zu eigentlichen Rahmen entwickelt. An den »Schlussrahmen« von Deiters kann man sehr schön den Uebergang von der einfachen Netzform zu der complieirten reticularis beobachten, wie wir auch in günstigen Fällen aus der Letztern die Spitzen der Endzellen (ihre Deckplatten) mit den Plättchen der Phalangen herausisoliren und auf diese Weise die einfache Netzform erhalten können. Dieses ursprüngliche Netz kann man aber nicht in seine Bestandtheile zer- legen, ohne seine Integrität zu stören, wie dies auch bei den acces- sorischen Netzen nicht möglich ist. Nicht weniger bemerkenswerth ist auch der morphologische Charakter des beschriebenen Gerüstes, zumal in allgemein histo- logischer Beziehung. Ich kann nämlich im Gegensatz zu Deiters (op. 10), Waldeyer(op. eit.) und andern Autoren die reticularis und mit ihr auch die beiden accessorischen Netze weder als faserige (im Sinne des erstgenannten Autors), noch als cuticuläre Bildungen (wie es der letztgenannte auffasst), betrachten, sondern finde, dass sie aus einer ganz andern Substanz bestehen: nämlich aus der metamorpho- sirten Kittsubstanz ephithelialen Ursprungs. Ich sehe also in dem obern Theile des Stützapparats eine colossale Entwicklung dieser Substanz und betrachte nur den perpendiculären und untern Theil als aus Fasern und zwar bindegewebiger Natur bestehend. Wenn man auf die oben angegebene Weise die Gehörschnecke mit salpetersaurem Silberoxyd behandelt und, eine der Windungen vorsichtig ablösend, sie in toto untersucht, so findet man folgendes sehr klare Bild fast sämmtlicher Theile, die den Stützapparat und das ganze akustische Organ mit der »vestibulären deckzelligen Schicht« der Windung, über die ich bei Gelegenheit sprechen will, ausmachen (s. Fig. 1). . Vor allem fällt der dunkle Fächer markhaltiger Nerven (N auf, welche vom ganglion spirale ausgehen (Gsp) und durch die 506 M. Lavdowsky: crista mehr oder minder deutlich hindurchschimmern. Betrachtet man die erista, so kann man in erster Linie an ihr bis an den Rand des labium vestibulare eine Schicht (A) kleiner Endothelzellen mit dunkelbraunen Contouren sehen, Zellen, die um so grösser wer- den, je mehr sie sich der Wurzel der Reissner’schen Haut (Rh) nähern. Auf die Existenz einer solchen Zellenschicht, welche die Vestibuläroberfläche der erista bedeckt, weist in jüngster Zeit auch W.Krause hin (op. 31, S. 128). Welches die Beziehungen zwischen dieser Schicht und dem auf der erista befindlichen Theile der Corti’- schen Haut sind, ist mir nicht ganz ‚klar. Sicher ist, dass die Ele- mente dieser Schicht kernlos sind, dass ihre Contouren fein und dabei gezackt sind, kurz, dass wir es mit richtigen Endothelplätt- chen zu thun haben, welche scharf von den unterliegenden Zellen der interdentalen Furchen des labium vestibulare (vgl. 1 auf Fig. 3A) zu unterscheiden sind. Dringt man nun mit dem Auge tiefer, so kann man einerseits wieder die letzten Verzweigungen der mark- haltigen Nerven verfolgen und andererseits die unmittelbar auf dem labium tympanicum liegende Schicht schöner, grosser, polygo- naler Zellen (B), welche den ganzen Raum der Spiralfurche ausfüllt und den Charakter eines wirklichen Epithels an sich trägt, be- obachten. Alle Elemente dieser Schicht sind kernhaltig; ihre Con- touren stets gradlinig und ziemlich grob, die Zellenkörper selbst körnig und in zwei Schichten auf einander gelagert. Die beschriebene Zone ist breiter als alle andern und nach aussen hin geht sie in einen dunkleren und viel schmäleren zelligen Streifen über (hp), welcher auch aus viel kleinern Elementen besteht. Diese Zellen- lage hat in der Regel nur zwei oder drei Reihen solcher Zellen und bietet mithin eine deutliche Grenze zwischen jener breiteren Zone und der weiterhin nach aussen folgenden, aus andern Elementen gebauten. Folglich wird die Lagerung dieses Streifens ungefähr dem Rande der unter ihm liegenden hab. perforata entsprechen und in seinen Elementen eine Uebergangsform zu den grossen Zellen der Spiralfurche vorstellen. Die weiter nach aussen gelegene Zone, die ich vorhin erwähnte, ist sehr charakteristisch: sie ist (C) enger als die Zone der Spiralfurche, zeichnet sich durch ihre hellere Farbe und Durchsichtigkeit aus und besteht ausschliesslich aus einem zar- ten Mosaik länglicher, polygonaler Plättchen, die wiederum dem Typus des Endothels entsprechen und eben so kernlos sind wie das Endothelium des labium vestibulare, obwohl sie sich durch. ihre Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 507 regelmässige Form von ihm unterscheiden. Die letztere Zone bedeckt die inneren Endzellen mit ihren Nerven, sowie zum Theil die akustische Körnerschicht. Schon bei dieser Stellung des Tubus kann man bei weiterer Untersuchung an einem versilberten Objeete deutlich die reticularis propria (D) mit ihrem äussern (accessorischen) Netz unterscheiden, Diesen Theil nun nebst demjenigen, der tiefer nach innen liegt (dem innern accessorischen Netz, das hier deshalb nicht sichtbar ist), so weit er aus Gerüsten verschiedener Form gebildet ist, nenne ich den oberen Theil des Stützapparats (E). Die »reticularis« wird also seine oberste Fläche ausmachen, die durch die Silberlösung am stärksten gebräunt wird; von ihren Bestandtheilen aber fällt uns . vor allem diejenige netzförmige Substanz auf, welche die Ringe und Phalangen zusammenkittet und sich, wie die eitirte Figur ebenfalls zeigt, am meisten durch ihre starke Tinction in Silber auszeichnet. Dieser Umstand erklärt sich leicht, wenn man beachtet, wie sich in derselben Beziehung das Gerüst verhält, welches das gewöhnliche Epithel der z. pectinata umrankt, d. h. wenn man etwa das eben angeführte äussere Netz betrachtet. Letzteres färbt sich, wie wir sehen, ebenso und hat überdies ganz. das Aussehen einer »Kitt- substanz«, wie denn auch an allen Stellen des akustischen Organs, an denen wenn auch noch so geringe Spuren einer solchen Substanz sich finden, wiederum dasselbe Verhalten zum Silber sich zeigt; so z. B. zwischen den Gelenkstücken der Corti’schen Bögen und den einzelnen Theilen der »hellen Platte«, d. h. zwischen den Kopf- platten (d, d‘), die sich selber kaum färben u. s. w. Daraus ist ersichtlich, dass der ganze obere Theil des Stütz- apparats und die lamina reticularis vorzugsweise in der That aus der stark entwickelten Kittsubstanz besteht und wenn hierbei etwas unverständlich bleiben könnte, so ist es nur die Art und Weise oder, richtiger, der Grad der Metamorphose dieser Substanz, welcher es ermöglicht sie in so derben und durchaus isolirten Formen zu beobachten. Dass aber diese Substanz epithelialen Ursprungs ist, kann kaum einem Zweifel unterliegen, da embryologische Facta voll- kommen in diesem Sinne sprechen. Bei weiterer Betrachtung des Bildes der versilber ten reticularis (D) will ich noch auf eine Reihe charakteristischer Bildungen auf- merksam machen, welche überall in den Ringen und zwar als dunkle Hufeisen oder Halbkreise erscheinen (r, z“ auf Fig. 1). Diese nn 508 M. Lavdowsky: dunklen Halbkreise, relativ schmal in den Ringen des äussern Theiles der reticularis, dagegen breiter in den Löchern der von mir sogen. zonula fenestrata (d. h. in den Löchern der innern Kopfplatten der inneren Bögen), sind mit Silber gefärbte Abdrücke der eigenthüm- lichen Lagerung der Endzellenhärchen, worüber ich weiter unten noch einige Worte sagen will. Die andern, fast völlig schwar- zen, kugelförmigen Anhängsel an den Rahmen dieser Löcher (z‘) sind aber Bildungen, über die ich mich nicht positiv aussprechen möchte, da ich sie nur bei der Versilberung bemerkt habe. Be- achtenswerth ist jedoch, dass sie sehr regelmässig vertheilt sind, obwohl sie nicht fest an ihrem Platze sitzen; denn sehr oft finden sie sich sogar in den Löchern der zonula selbst, wo sie alsdann an die Spitzen der Endzellen erinnern. Wasden Bau und das Verhältniss des innern accessorischen Netzes zu den angrenzenden Theilen betrifft, so kann man, wie gesagt, wegen seiner tiefen Lage, und demnach auch seiner schwachen Silberfärbung wegen, diese Verhältnisse am Präparate in toto schwer bestimmen. Isolirt man aber das Netz von dem Epithel der Spiral- furche, welches von jenem umflochten wird, so kann man, zumal an einem Osmiumsäurepräparate (vgl. Fig. 11 A, c‘, 18 B‘), leicht sehen, dass es ähnlich wie das äussere gebaut ist, nur dass es sich von diesem durch seinen, so zu sagen, mehr faserigen Charakter unterscheidet; und wirklich geht es, wie Fig. 18 zeigt, in seinen unteren inneren Theilen in echte Fasern über. Die Verhältnisse der oberen Theile sind mir nicht klar; daher verweise ich in diesem Punkt nochmals auf Fig. 11 A, wo es unter c‘ in seinem obern Theil, der an die inneren Gelenkstücke grenzt, sichtbar ist. Dieses »An- grenzen« — wie ich mich vorsichtig ausdrücke — an die genannte Stelle darf man aber mit der Darstellung derselben Beziehungen, wie Waldeyer sie für das »innere Maschenwerk« (s. seine Zeich- nung 326 auf S. 930 der cit. Abhandl. 21) giebt, nicht verwechseln; denn die von ihm angegebene Beziehung dieses Maschenwerks zu der Kuppel des Bogenapparats ist zweifelhaft und erinnert uns an diejenigen Verhältnisse, welche man auf Fig. 1 und zwar zwischen der Endothelzene (C) und zonula fenestrata (z) sehen kann. Diese Verhältnisse aber haben — obwohl Böttcher ebenfalls auf sie hingewiesen, — etwas Künstliches, wie ich mich jetzt überzeugt habe. Es scheint nämlich, als wenn die Endothelzellen (nicht aber die Zellen des labium tympanicum, wie Böttcher sagt) mit den Rah- Untersuchungen über den akustischen?Endapparat der Säugethiere. 509 men der zonula zusammenfliessen ; bei genauer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass diese Zellen nur knapp an jenem Theile der innern Bögen anliegen, wie auch ihre Lage tiefer ist als die der zonula. Die Fasern, in welche das innere accessorische Netz unten über- geht, bilden bereits den untern oder fibrosen Theil des Stütz- apparats, zu dem ich nunmehr übergehe. Dieser Theil (s. Fig. 2 A, 18 u. and.) besteht vornehmlich aus dem Deiters’schen Stützfasersystem (2 A:sf—sf‘, 18: A’f), dessen Existenz von einigen Autoren, wie z. B. von Kölliker, Nuel, ge- leugnet wird, von anderen dagegen (Waldeyer) als nervos aufge- fasst ist, und drei Reihen von mir sogenannter faseriger Felder (2A: r, 18: ce‘), welche zwischen jenen Fasern und dem äussern accessorischen Netz eingeschoben sind. Die faserigen Felder stehen übrigens in näherer Beziehung zu dem Theil des Stützapparats, welchen ich oben den »perpendiculären« genannt habe und über den das Nähere später folgen soll (s. Endzellenapparat). Bekanntlich hat Deiters (op. 10, S. 67) zwei Arten von Fasern im Raum des Bogentunnels unterschieden: die einen gehören nach ihm ohne Zweifel zu der Kategorie der Nerven, welche durch die foramina nervina in diesen Raum eindringen, während die andern in allen ihren Merkmalen sich den bindegewebigen nähern. Diese schied er wieder in zwei Abtheilungen: die dicken Fasern, welche weitmaschige Netze bilden, und die dünnern, die ein engmaschiges und relativ regelmässiges Maschenwerk ausmachen. Beiderlei Art Fasern nehmen den ganzen Raum des Tunnels bis zur Befestigungs- stelle der innern und der entsprechenden Theile der äussern Corti’- schen Bögen ein, ohne irgend wo ein Anzeichen der Varico- sität zu bieten, was sie eben von den mit ihnen parallel laufenden varicosen Nervenfäden hauptsächlich unterscheidet. Meine Beobachtungen bestätigen durchaus die Existenz binde- gewebiger Fasermassen und zwar nicht nur in dem Raume zwischen den Corti’schen Bögen, sondern zum Theil auch hinter ihnen. So habe ich bereits ausgesprochen, dass die untern Theile der reticularis accessoria interna, die an die Fussstücke der innern Bögen grenzen, mit den bindegewebigen Fasern in Verbindung stehen, welche sich in dem Tunnelraum finden. Und in der That, wenn man den be- schriebenen Theil der Basilaris von der T'ympanalseite betrachtet, so findet man an gelungenen Präparaten, wie etwa an unserer 510 M. Lavdowsky: Fig. 15, dass die Fasern der accessoria interna, indem sie nach innen zu weite Maschen (in welchen sich nicht selten noch Reste von Protoplasma oder ganze Kpithelzellen des suleus erhalten haben, k) bilden, nach aussen zu, sobald sie sich den innern Bögen nähern, ein feineres Maschenwerk ausmachen (i, k) und sofort in einzelnen Fäden in dem Tunnel verlaufen. Hier treffen wir schon ein scharf ausgeprägtes Fasersystem an, welches deutlich zu unterscheiden ist, man mag den Tunnel betrachten von welcher Seite man will, d. h. von der Tympanalseite (die angegebene Fig., an der die Stützfasern unter f, f, f‘ sichtbar sind) oder Vestibulärseite (Fig. 17 A: die Fasern — unter A, c, ce‘). Da der Charakter des von diesen Fasern gebildeten Maschen- werks, ihre dichotomischen Verzweigungen und ihre Lage fast un- mittelbar am Boden des Tunnels (vgl. Fig. 2 A: sf—sf‘) schon aus den Zeichnungen klar ersichtlich ist, so will ich hier nur über ihre unterscheidenden Merkmaie und zwar hauptsächlich im Vergleich zu den Nervenfäden noch etwas beibringen. Die »Stützfasern« sind jedenfalls stärker als die Nerven des Tunnels und, ganz den Aussagen ihres Entdeckers entsprechend, zeigen sie unter keinen Umständen Varicositäten. Obwohl sie ziem- lich zarte Bildungen sind, widerstehen sie doch genügend dem Ein- flusse verschiedener Reagentien, selbst des Alkohols und unterschei- den sich in dieser Beziehung wesentlich von den Nerven. Ihre Sub- stanz ist homogen, glänzend und, wie es scheint, ziemlich compact, was besonders an den Stellen zu bemerken ist, wo an den Fussstücken beider Bogensysteme die Kerne sitzen (mit denen sie zusammengeklebt erscheinen, s. unten). Die Form ferner der von ihnen gebildeten Netze, ihre Verbreitung und ihr Verhältniss zu den angrenzenden Theilen (zu den beiden accessorischen Netzen), — alles dies sind Merkmale, welche diese Fasern von den Nerven deutlich unter- scheiden. Selbstverständlich unterscheiden sie sich noch schärfer von allen andern Bildungen, die am Boden des Tunnels sichtbar sind, z. B. von den Linien, welche durch die Contouren der zellen- artigen Protoplasmareste entstehen (s. Fig. 17 A, a—a'). Diese Protoplasmareste, die an die Zellenbildungen der Fuss- stücke beider Bogensysteme (s. oben) grenzen und, wie sie, em- bryonale Reste sind — nur noch unbedeutender als jene — wer- den auf dem beschriebenen Theile der Basilaris nicht selten als zellenartige Inseln angetroffen und sind leicht zu erkennen. — Nue] Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 511 dagegen nimmt an (op. eit.), dass man die Contouren dieser Zellen- reste mit den Deiters’schen Fasern verwechsein kann und dass dies in den Beobachtungen von Deiters selbst (!) geschehen ist. Nuel’s Ansischt finde ich aber nicht berechtigt so wohl factisch, wie in Bezug auf Deiters’ Darstellung, was meine Beobachtungen klardarthun. Ausserdem hat Nuel die Deiters’schen Fasern wahr- scheinlich gar nicht gesehen, weil sie, obwohl dauerhafter als die Nerven, dennoch bedeutend zusammenschrumpfen und bei unvor- sichtiger Behandlung zu Grunde gehen; Nuel aber gebraucht sehr starke Osmiumsäure. Aus allen diesen Gründen muss ich Nuel’s Ansicht durchaus verwerfen. Im Allgemeinen ist die Richtung der Stützfasern constant, indem sie meist quer durch den Tunnel ziehen, um sich mit den oben erwähnten Theilen zu verbinden; an den Stellen der Fussstücke der innern Corti’schen Bögen aber, was wohl zu beachten ist, kleben sie, wie gesagt, den Kernen der Bögen so fest an, dass man sie häufig mit diesen Kernen zusammen isolirt findet (vgl. Fig. 17 B, 1-2). Nach ihrem Austritt aus dem Tunnel durchlaufen die Stütz- fasern noch eine kleine Strecke und endigen sodann an der Grenze der auf der zona pectinata liegenden Endzellen, indem sie sich mit drei hier befindlichen Faserfeldern vereinigen. Bezüglich dieser Fel- der und des perpendiculären Theiles des Stützapparats werden wir im folgenden Capitel das Nöthige beibriugen. Der Endzellenapparat und seine Beziehung zu den anliegenden Theilen des akustischen Organs (Endapparat im engern Sinne). (Fig. 2A, B, 3A, B, 6A, B, 7, 8, 9, 10A, 11A, B, 12, 13, 14, 16A, B, 20.) Zu diesem Apparat rechne ich ausser den von der Mehrzahl der Autoren beschriebenen äusseren und inneren Haarzellen, die ich — aus weiterhin angegebenen Gründen — „pereipirende End- zellen“ nenne, auch noch die „akustische Körnerschicht* am Fusse der inneren Haarzellen. Zu demselben Apparat müsste man auch die mit ihm organisch verbundenen Nerven rechnen, aber der Be- quemlichkeit der Darstellung wegen werde ich diese mit den anderen Nervenmassen der Gehörschnecke beschreiben. Zu den genannten specifischen Elementen des akustischen Or- gans existiren bekanntlich Uebergangsformen: die an das übrige Epithel der zona pectinata grenzenden Stützzellen Hensen’s 512 M. Lavdowsky: (Fig. 1, 2A: Hz u. and.). Diese haben gleichfalls viel Aehnlich- keit mit dem übrigen Epithel der Basilaris (Claudius’sche Zellen), unterscheiden sich jedoch von ihm durch ihre Zartheit und ihr Aussehen im Allgemeinen, worin sie sich eher dem Nervenepithel nähern. — Ich füge hinzu, dass ich jetzt, wo ich Schnecken von Meer- schweinchen eingehender untersucht habe, mit Hensen darin über- einstimme, dass bei diesen Thieren jene Elemente viel Fett ent- halten, und zwar, besonders bei gut genährten Thieren (wie auch bei trächtigen Weibchen), in solchen Massen, dass man neben den Fetttröpfchen kaum das Protoplasma der Zellen erkennen kann und sie an ÖOsmiumpräparaten makroskopisch als intensiv : schwarzer Streifen aussen an der papilla spiralis erscheinen. Aeussere Endzellen. Mit Gottstein (op. 22) und Waldeyer (op. cit.) sehe ich diese Elemente für ganz besondere und zwar combinirte Bildungen — für Zwillingszellen (vgl. zu- nächst Fig. 7, 9) an; indessen, sowohl in Betreff ihrer Form selbst als auch ihrer gegenseitigen Beziehungen und besonders der Selbst- ständigkeit derjenigen: von ihnen, welche den sogen. Deiters’schen Zellen entsprechen, weiche ich von diesen Autoren ab, obwohl ich mich andererseits auch der bekannten Auffassung Böttcher’s (op. 7) nicht anschliessen kann, wie überhaupt nicht denjenigen Beobachtern, welche beide Arten der äusseren Elemente als völlig verschiedene und von einander unabhängige Bildungen betrachten. Um den Charakter dieser Zellen besser zu verstehen und die Ursache des Widerspruchs zwischen mir und den erwähnten Auto- ren zu erklären, will ich vor allem auf die bemerkenswerthe That- sache hinweisen, dass die Beziehungen zwischen beiderlei Zellen, theilweise auch ihre Structur selbst, von dem Alter der Thiere abhängen. Man kann die Corti’schen und Deiters’schen Zellen mitunter in der That, wie Böttcher behauptet, als von einander unabhän- gige Elemente, als „ab- und aufsteigende“ Zellen, beobachten. Aber ich finde sie in solcher Selbstständigkeit eben nur an neuge- borenen und sehr jungen Thieren (mit welchen es ja Bött- cher hauptsächlich zu thun hatte, vgl. op. 8, S. 49); auch unter- scheiden sie sich ihrer Structur nach in dieser Periode fast gar nicht von einander. Anders ist es mit ausgewachsenen Thieren. Bei solchen treten diese Elemente in sehr nahe Beziehung zu ein- ander und zugleich ist die auffallende Erscheinung zu bemerken, Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 513 dass die einen von ihnen, die absteigenden Zellen, zum Theil auf Kosten der anderen — aufsteigenden — wachsen; we- nigstens sind die Ersteren immer stärker entwickelt, als die Letzt- genannten. Andererseits habe ich niemals bemerkt, dass diese Letzteren zu blossen Anhängseln oder gar einfachen Fortsätzen der Ersteren (sogen. Phalangenfortsätzen) herabsinken, wie Waldeyer es dar- stellt. Wenn ich aber solche Fortsätze vor mir hatte, so habe ich in den meisten Fällen constatiren können, dass es eben jene Deiters’- schen Zellen waren, nur wie es bei der Zartheit dieser Elemente sehr oft geschehen kann — arg verändert durch äussere Einflüsse; oder, umgekehrt, wenn sie unversehrt blieben, waren ihre Körper nicht selten ebenfalls gar nicht zu erkennen, weil diese Körper in den Zellenreihen überhaupt (in Folge ihrer Durchsichtigkeit — S. unten) nicht gut zu sehen sind und deshalb, nur an ihren Spitzen sichtbar, nunmehr bloss als solche, d. h. wiederum als „Anhängsel“ zu den Corti’schen Zellen, erscheinen (vgl. Fig. 6 A, 6 B). Aus dem Gesagten erhellt, wo bei so widersprechenden An- ‘ schauungen über die äusseren Elemente, wie ich sie kurz angeführt habe, die Wahrheit liegt. Eine weitere Handhabe wird uns die Schilderung der typischen Verhältnisse dieser Elemente an ausge- wachsenen Thieren bieten (Fig. 7, 9, 13 und 2A). Die Corti’schen Zellen erwachsener Thiere (a, a) sind sehr regelmässig cylindrische Körper, welche ich deshalb Stabzellen nenne, und bestehen aus einer dunkelkörnigen Masse, die zwar mit Kernen versehen, aber ganz nackt ist, d. h. jeglicher Membran ent- behrt. Die Deiters’schen Zellen (b, b) sind kegelförmige, — ich nenne sie Zapfenzellen — aber viel veränderlichere Körper und im Ge- gensatz zu jenen mit einer Membran versehen und haben keine eignen Kerne. Die Masse, aus welcher sie bestehen, ist ebenso ab- weichend: sie ist heller und viel weniger körnig, mitunter sogar fast homogen oder bietet nur hie und da zerstreute schwache Kör- nelung; dafür trübt und verdunkelt sie sich leichter durch Osmium- säure und geht sehr leicht zu Grunde, so dass man bei den Mani- pulationen mit dem Endzellenapparat sehr vorsichtig sein muss, um völlig gut conservirte Deiters’sche Zellen zu erhalten. Die Existenz einer Membran bei diesen Zellen behaupte ich auf Grund der Objecte, welche ist hauptsächlich von abgemagerten oder hungern- den Thieren (Katzen, vgl. Fig. 13, b) genommen habe, an denen Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 13. 33 514 M. Lavdowsky: ich in dem breiteren und, wie es schien, ebenfalls mager gewordenen Theile der Zellen (im Zellkörper b‘“) eine nach Art eines eingefalle- nen Säckchens in Falten gelegte Haut constatiren konnte, obwohl sie überaus fein und hell war. — Was die Kerne der beschrie- benen Endzellen anlangt, so habe ich erwähnt, dass sie keine eignen Kerne haben, denn, wenn wir diese Zellen in Verbindung mit den Stabzellen betrachten, so sehen wir keine Kernbildung ausser denen, welche von den letztern Zellen her an sie grenzen (die bekannten untern Kerne) und die höchstens als beiden Elementen gemeinsam betrachtet werden können. In allen Fällen haben diese Kerne ein helles Aussehen (vgl. alle angegebenen Figuren), kuglige Form und bedeutende Grösse (die zum Theil auch davon abhängt, dass ihre Substanz leicht aufquillt), indem sie ebenfalls eine, am seltensten zwei (Fig. 9) grosse Kernkörperchen in sich enthalten. Anders verhalten sich diejenigen kernähnlichen Bildungen, die entschieden den Stabzellen allein angehören und in jedem Falle, wenn es uns gelingt sie zu sehen, immer in den obern Zellentheilen sich finden (s. z. B. auf Fig. 12, a‘). Diese Bildungen sind kleiner, mit kleinen oder gar keinen Kernkörperchen versehen, haben öfter elliptische Form und eine körnige Beschaffenheit. Andere Eigen- thümlichkeiten habe ich bisher an ihnen nicht bemerkt, so wenig wie spirale oder in Windungen sich hinziehende Streifen, — eine Erscheinung, dieHensen (op. 12) an Körperchen, die an denselben Stellen sich finden, wie die von mir beschriebenen Bildungen, gesehen hat. Es ist also wohl anzunehmen, dass die Hensen’schen Körper- chen oder die Kapseln, wie er sie nennt, mit den unseren identisch sind und es liegt vielleicht der ganze Unterschied hier nur darin, dass die Aufsuchung jener Structureigenthümlichkeiten, die Hensen gelungen ist, bei mir nicht so günstige Resultate erzielte (auch hat Hensen seine Kapseln am besten bei Behandlung durch Osmium- dämpfe beobachtet, welches Verfahren ich nicht angewendet habe). Ich glaube jedoch, dass selbst bei jener unvollständigen Charak- teristik, wie ich sie oben gegeben, meine Darstellung der Auffassung Hensen’s näher liegt als die der andern Autoren, z. B. Waldeyer’s und Gottstein’s (op. eit.), welche ähnliche kernartige Bildungen an jener Stelle bereits signalisirt haben. Weiterhin werden wir sehen, dass Hensen’s Entdeckung auch physiologisch ein grosses Interesse hat. Bezüglich der von Waldeyer und Gottstein beschriebenen Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 515 »Kernzangen« bemerke ich, dass ich dieselben in der von diesen Au- toren beschriebenen Weise nicht aufgefunden habe. Falls diese Zangen existiren, haben sie doch keine Beziehung zu der Lagerung der Härchen an den Endzellen, da die eigenthümliche halbkreisähnliche Stellung der Härchen auch an den abgelösten Spitzen derselben gesehen wird. Zunächst muss ich hervorheben, dass man auf der Endfläche der Stabzellen (Fig.5,11 Ba,b) wie auch an den innern Endzellen (vgl. Fig. 10 C) mitunter eine Art durchsichtiger Deckplatte, die gewöhnlich nur bedeutend dünner ist als an diesen Zellen und sich viel leichter ablöst, sehen kann. Auf dieser Deckplatte nun oder, wie es zuweilen scheint, unmittelbar auf der körnigen Spitze der Stabzellen (vgl. Fig. S,a) sind die Härchen stets so gelagert, dass sie eine halbkreisförmige (hufeisenähnliche) Reihe eng neben- einander stehender Stäbchen, die überdies mit ihrer convexen Seite immer dem lig. spirale zugekehrt ist, vorstellen. Solche Lagerung der Härchen tritt natürlich am deutlichsten hervor, wenn man den Endzellenapparat von der Oberfläche und zwar von der Vestibulärseite betrachtet. Behandelt man noch dazu das Präparat mit Silber, so stellt sich heraus, dass, während die Härchen selbst keine Farbe annehmen, ihre Insertionsstellen an den Zellen sich sehr stark tingiren. Diese versilberten Abdrücke der Härchenlagerung haben wir eben bei der Analyse der Fig. 1 (z“,r) gesehen. Daraus ergiebt sich also, dass ich mich auch der Ansicht, als sässen die Härchen in einfachen Büscheln an den Zellen, nicht anschliessen kann, weil eine derartige Lagerung nur im Profil zu sehen ist. Wie die Lage, so ist auch die Structur der Härchen sehr be- merkenswerth. In vielen Beziehungen mit den Stäbchen der Augen- retina übereinstimmend (wie die sie tragenden Zellen selber mit den Innengliedern der Letzteren), sind sie kurze, mitunter an den Enden abgerundete Stäbchen von glasartiger Durchsichtigkeit (vgl. be- sonders die Fig. 7, s), die man demnach auch lieber so benennen sollte, weil ihnen, wenn sie ganz unversehrt erhalten sind, die »Härchenform« gar nicht eigen ist. Ebenso stellen sie sich uns, in der ganzen Masse betrachtet, als dichter Wald von gerade empor- starrenden Stäbchen dar, die sich nur nach oben zu etwas ausbreiten. Indem ich ihre Beziehung zu der über sie hinweg- gehenden Corti’schen Haut untersuchte, habe ich mich vergebens nach einer Erscheinung umgesehen, die an die bekannte Auffassung 516 M. Lavdowsky: Böttcher’s erinnerte, und ich werde wohl kaum irren, wenn ich be- haupte, dass bei ausgewachsenen Thieren kein organischer Zusam- menhang zwischen der genannten Membran und dem Härchenüber- zug der Endzellen existirt, indem der Letztere höchstens nur fest an der Ersteren anliegt. Dass aber die Härchen nicht zu ihren Trägern, den Endzellen, sondern zu eben jener Corti’schen Mem- bran gehören und einen Theil ihrer Fasern vorstellen könnten, scheint mir vollständig unhaltbar und haben sich gegen diese An- sicht Böttcher’s auch alle andern Autoren, am entschiedensten Hensen, ausgesprochen. Der Bau der Zapfenzellenspitzen ist weit einfacher. Der er- weiterte Theil (Zellkörper) jeder Zapfenzelle (s. Fig. 2 A, 6A, 7,9) dehnt sich, indem er schief von der Stabzelle absteht und nach oben (nach der reticularis) zuläuft, grösstentheils zu einer relativ langen, geraden Säule aus, die bald am Ende abgerundet ist (was übrigens selten eintritt, Fig. 7, b), bald sich etwas erweitert und in einige Fädchen zerfällt (Fig. 6 A, 9b). Vermittelst dieser Fädchen oder bloss mit den erweiterten Enden, wie es zuweilen scheint, befestigen sich die Zapfenzellen an die Phalangen der reticularis und gewöhnlich so, dass die erste und zweite Reihe von ihnen an den vordern Seiten- theilen der zweiten und dritten Phalangenreihe inserirt, die dritte Reihe aber an der ersten Reihe der Rahmen der accessoria externa (an den »Schlussrahmen« Deiters’) ihren Platz findet. In Betreff der Verhältnisse zwischen der reticularis und den Stabzellen habe ich bereits bemerkt, dass die Letztern mit ihren Vestibulärenden in die Ringe eingeklemmt sind, indem sie hierbei ein sehr charakteristisches Bild darstellen, welches ich auf Fig. 3 B gezeichnet habe. Bei näherer Betrachtung der Structur der äussern Endzellen finde ich also, dass man an den Zapfenzellen wie an den Stabzellen einen Körpertheil oben angegebener Beschaffenheit und den eigent- lichen Endtheil, der mehr oder minder metamorphosirt ist, wie die Härchen der Stabzellen, unterscheiden muss. Weiter geht aber die Aehnlichkeit zwischen den beiden Arten von Endzellen nicht; es finden sich zwischen ihnen, wie ich es dargelegt habe, bedeutende Diffe- renzen. Ich bemerke hierbei, dass kurz vor mir auch Hensen auf diese Differenzen und zwar beim Ochsen und Meerschweinchen hin- gewiesen und sie zum Theil so dargestellt hat, wie ich an den Katzen (vgl. Hensen’s op. 12, 8. 15). Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 517 In Betreff der Stab- und Zapfenzellen zu einander wäre Folgen- des anzuführen. Als Verbindungsstelle der beiderlei Zellen erweist sich für ge- wöhnlich entweder diejenige Region der Körper dieser Zellen, die mit dem untern Theile ihres gemeinsamen Kernes zusammenstösst (Fig. 2 A, 7, 13) oder sie vereinigen sich noch tiefer unten, was Fig. 9 zeigt. — Wie ist nun die Art ihrer Verbindung? — Schon Gottstein hat mit Recht behauptet (op. 22, S. 177), dass es sehr schwer sei zu entscheiden, ob hier eine wirkliche Verschmelzung und Verwachsung oder eine Verklebung stattfindet. Die Schwierigkeit besteht hier darin, dass in den Regionen der Verbindung beider Körper die körnige Masse des einen von ihnen (der Stabzelle) sich so entwickelt, dass die Ansammlung von Körnchen (beim Pferde sogar mit einer Beimischung von Pigment- und Fettpartikelchen, Fig. 6B) hier zu gross ist, als dass die Sache durch directe Beob- achtung zu entscheiden wäre. Versucht man jedoch die Körper beiderlei Art zu isoliren, so findet man die Verbindung noch com- plieirter. Im obern Theil der Verbindungsstelle liegen die Körper nur fest an einander an, denn man kann bei der Isolirung in günstigen Fällen die Zapfenzellen mit ihrem ganzen breiten Theile von den Stabzellen abgetrennt sehen. Als sehr typisches Bild dafür kann Fig. 13 dienen, auf der fast alle Zapfenzellen unversehrt von den Stabzellen gesondert sind. In dem untern Theile der Ver- bindung scheinen die beiden Elemente vollkommen zusammenzu- wachsen: es ist hier nicht nur unmöglich sie zu trennen, ohne ihre Integrität zu stören, sondern sogar schwer in der dunklen Masse dieser Stellen irgend eine Spur des zur Zapfenzelle gehörigen Theiles zu entdecken. Solches sind die Beziehungen zwischen den beschrie- benen Zellen — so weit ich sie bisher nach mehrfacher Prüfung darstellen kann. Und doch ist eine genauere Kenntniss dieser Be- ziehungen auch deshalb noch wichtig, weil neben unsern Zellen und durch ihre Verbindungsstellen hindurch ein System anderer Bil- ‘dungen, die mitihnen in engstem Zusammenhange stehen, verläuft, — nämlich die Spiralnerven, über die im nächsten Capitel die Rede sein wird. Aus denselben Gründen ist es schwer zu sagen, wie aus der vereinigten Zellenmasse die bekannten Basilarfortsätze der Zellen ausgehen. Wie es beständig den Anschein hat, zieht sich die Zellen- masse rasch in einen Stiel aus, indem sie dabei ihr körniges Aus- sehen ganz verliert und sich in die helle, zugleich leicht gestreifte 518 M. Lavdowsky: Substanz des Fortsatzes verwandelt (s. Fig. 6 A, 7:6, c, 9: d). Ferner kann ich positiv behaupten, dass beide vereinigten Zellen nur einen Basilarfortsatz haben, wenn man nicht das Nervenende auch noch für einen Fortsatz halten will (s. unten), und dass dieser Fort- satz mit seiner nicht glänzenden, matten Substanz sich deutlich von allen andern Bildungen des stielhaltigen Theiles der Endzellenreihen unterscheidet. In seinem gestreiften Aussehen aber gelangen die feinen Fasern, aus denen er wahrscheinlich besteht, zum Ausdruck; in seinem untern Theile wenigstens (vgl. Fig. 6 A) weist er deutlich ein Zerfallen in dünne Fäden auf, mit denen er an die membr. basi- laris inserirt (Fig. 16 B: a, c u. and.). Die Art und Weise dieser Insertion ist ganz dieselbe wie bei den äussern Corti’schen Bögen, nur mit dem Unterschiede, dass die Stiele mit ihren Fäden an die Basilarsaiten einzeln und nicht besonders fest angeknüpft werden, weshalb bei der Isolirung die Endzellen sich leichter als die Bögen abtrennen und nur selten ihre Stiele mit den Saiten verknüpft lassen (Fig. 16 B, c, 20, 3 A: b). In beiden Fällen finden wir vorn an den äussern Bögen ein charakteristisches Bild alternirend stehender, dreier Reihen von Stielen (vgl. auch Fig. 2 A, 3 A), die von der gleichen Lagerung der End- zellen selbst abhängt; um die Insertionsstellen aber sehen wir nicht weniger charakteristische polygonale Figuren, alles in allem auch drei Reihen (Fig. 16 A,h, 16B,d‘ u. and.). Nuel hat sie zuerst geschildert (op. 23), obwohl ich hier be- merken muss, dass ich dieselben Figuren, allerdings in einer der Wirklichkeit weniger entsprechenden Form, in den Zeichnungen zu einer ältern Untersuchung Böttcher’s gefunden habe (vgl. Fig. 9 auf Taf. VI in seiner unten sub Nr.6 cit. Abhandl. in Virch. Arch.). Nuel hat sie aber nur in zwei Reihen gesehen und auch ihre Ent- stehung kaum richtiger als Böttcher aufgefasst. Diese Figuren sind dieselben faserigen Felder, welche ich bei der Beschreibung des untern Theiles des Stützapparats beiläufig als Einschiebsel zwischen den Stützfasern und der reticularis accessoria externa erwähnt habe. Um zu verstehen, wie sie dahin haben gerathen können, werde ich jetzt den complieirten Theil des Endzellenapparats, in welchem ihre eben geschilderten Stiele verlaufen, darstellen, weil mit diesen zu- sammen, in die Länge und in die Quer viele andere Faserbildungen sich hinziehen, von denen jede ihre eigene anatomische Bedeutung hat und einige gerade zu den besagten Feldern in Beziehung stehen. Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 519 Zunächst wäre zu bemerken, dass ich zwischen je zwei Stielen jeder Reihe der Endzellen eine Reihe parallel eingesetzter, schmaler Bänder von besonderer Helligkeit und Zartheit finde (Fig. 6 A, sl). In Folge dieses Umstandes sich leicht verändernd, finden sie sich oft, ebenso wie die Stiele, zu dünnen Fäden zusammengeschrumpft und gleichsam von jenen unabhängig verlaufend (Fig. 7, 12s]). Jedenfalls laufen diese Bänder quer zu den Stielen und im Allge- meinen in spiraler Richtung, gehören ganz zum Endzellenapparat und lassen nur keine Entscheidung über die Rolle zu, welche sie im Bau des Letzteren spielen. Vielleicht stützen sie die Radial- nerven, deren Fäden, für die zweite und dritte Reihe der üindzellen bestimmt, unbedingt durch die Zwischenräume dieser Bänder hin- durchgehen müssen. Ich nenne sie »Spiralzinken«. In gleicher Richtung mit den Stielen, also mit ihnen parallel, laufen von oben nach unten (von der Vestibulär- nach der Tympa- nalseite zu) andere Fasern (k, k auf Fig.7 und 135). Sie sind stets mehr oder minder wellenförmig, heben sich bedeutend schärfer ab, sind sehr glänzend und gehören eigentlich nicht dem Endzellen-, sondern dem Stützapparat an, indem sie dessen perpendiculären Theil bilden, der uns jetzt beschäftigen soll. Wenn man diese Fasern von oben nach unten verfolgt, so sieht man zunächst, dass sie, wie auch die Stiele der Endzellen, in schräger Richtung nach unten gehend, stets der Basilaris zustreben (vgl. k,k‘ auf Fig. 7; d,d auf Fig. 16B und 4). Sofort nach ihrer Sen kung verzweigen sie sich ein wenig, vereinigen sich dann wieder und bilden dabei drei Reihen polygonaler Maschen, welche sich vor die äussern Bögen lagern, — eben dort, wo die Endzellen befestigt sind. Fig. 16 B (unter d‘) (r,r, r) und 2A zeigen das deutlich. Ferner ist es klar, dass die durch diese Fasern gebildeten Maschen mit jenen polygonalen Figuren, die wir oben gleichfalls vor den äussern Bögen gesehen haben, identisch sind (vgl. Fig. 16 A, h). Eben so klar ist es, dass diese Maschen oder »Felder« nach ihrer Lage auf der membr. basilaris genau der Stelle entsprechen, welche einerseits durch die Stützfasern, andererseits durch die innern Theile des äussern accessorischen Netzes begrenzt wird (vgl. Fig. 2A, 18:c‘, zwischen a, b und f,f.‘).. Wenn wir nun diese letztere Fig. ver- gleichen, so finden wir denn auch: 1) dass die bei der Beschreibung des untern Theiles des Stützapparats von uns kurz erwähnten drei Reihen eingeschobener Felder unzweifelhaft die Bildungen sind, 520 M. Lavdowsky: welche so oft an der Basilaris vor den äussern Bögen isolirt beob- achtet werden; 2) dass sie, obwohl mit dem genannten Theile des Stützapparats verbunden, doch von andern Fasern stammen, welche zu diesem Theile mehr oder minder vertical stehen und in der Sphäre der Endzellen liegen. Aus diesen Gründen eben unterscheide ich in dem Stützgerüste des akustischen Organs noch einen von mir sog. »perpendiculären« Theil. Es werden, wie Fig. 2 B, besonders aber Fig. 14 zeigt, die ihn bildenden Fasern unter einander durch feine Fäden zu einer Art Flechtwerk verbunden; solcher Flechtwerke sind gegen drei Reihen vorhanden und in den obern Theilen jedes von ihnen kann man überdies eine Reihe von Kernen bemerken, welche relativ gross und ausserordentlich hell sind. Zum Schluss muss ich noch zwei Umstände betonen, welche für die weitere Erklärung der Textur des stielhaltigen Theiles des Endzellenapparats unerlässlich sind. Erstens habe ich hinsichtlich der von mir beschriebenen, so zu sagen, Hauptfasern des perpendi- culären Theile des Stützapparats, — die (s. oben) wellenförmig und glänzend sind, — zu bemerken, dass auch Nuel sie gesehen und gleichfalls als wellige Bildungen beschrieben hat (op. 23, S. 211). Aber er hat weder ihre Bedeutung noch auch selbst ihr Wesen erkannt, da er von »wellenförmigen Linien« redet, welche die Lamellen besonderer »membranartiger« Gebilde begrenzen und den stielhaltigen Theil des Endzellenapparats ausmachen sollen. Ich kann jedoch keinerlei Membran in diesem Theile entdecken, denn, wenn auch z. B. die Bildung i—k auf unserer Fig. 3B in diesem Sinne sprechen könnte, so zeigen doch andere Objecte ganz positiv, dass wir es mit faserigen Bildungen zu thun haben, keineswegs aber mit meinbranösen. Ferner nimmt Nuel an, dass diese »Linien« in die Contouren der Deiters’schen Zellen übergehen, ich bin aber eher geneigt anzunehmen, dass sie viel weiter und zwar nach der reticularis zu verlaufen, indem sie die Verbindung des untern Theiles des Stützapparats mit dem obern Theile herstellen. Der zweite Umstand, auf welchen ich aufmerksam machen wollte, ist der scharfe Gegensatz zwischen meinen (und zum Theil Nuel’s) Ansichten über den beschriebenen Theil des Endzellen- apparats und denen, zu welchen uns Böttcher’s Beobachtungen führen müssten (op. cit. 7). Dort, wo nach meiner Darstellung eine Reihe Faserbildungen sich finden, erscheinen nach dem letztge- nannten Autor Zellenmassen. Diese Massen gehören indessen "Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 521 zu den Deiters’schen Zellen. Da ich nun gezeigt habe, dass mit dem Wachsthum der Thiere Structurveränderungen eintreten, die sich besonders an den Deiters’schen Zellen zeigen, so kann ich, um den erwähnten Gegensatz in etwas auszugleichen, nur so viel sagen, dass wahrscheinlich dieselben Ursachen, aus denen zu einer gewissen Zeit die Structurveränderungen der Zellen selbst und ihre Beziehung zu einander hervorgehen, auch in dem stielhaltigen Theil dieser Zellen gewisse Eigenthümlichkeiten entstehen lassen. Innere Endzellen und Böttcher-Waldeyer’s Körner- schicht. Die beiden letzten Theile des Endzellenapparats könnte man um so eher zusammen behandeln, als nach den Beobachtungen Böttcher’s — bei dem wir zuerst einen Hinweis auf die von Waldeyer als »Körnerschicht« beschriebene (von mir also nach beiden Autoren benannte) Bildung antrefien — die Elemente dieser Schicht in einer bestimmten Entwicklungsperiode als »untere innere« Zellen in Zusammenhang mit den innern Endzellen (den »obern innern« Zellen Böttcher’s) stehen. Leider kann ich Böttcher’s Beobachtungen bis jetzt noch nicht bestätigen, andererseits aber die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen den obern und untern Elementen auch bei ausgewachsenen Thieren nicht leugnen, weil ich die Beziehungen der Ersteren, d. h. der eigentlichen innern Endzellen zu der Basilaris nicht bis zu der Klarheit habe verfolgen können, wie die der äussern. Es hängt dies zum Theil von der übergrossen Zartheit der innern Endzellen ab, die im frischen Zustande fast zerfiiessen und, wieich gefunden habe, auch noch durch andere Eigenthümlichkeiten der sie bildenden Masse sich von den äussern Endzellen unterscheiden (s. Fig. 2Aa, 3Ba, 10 C u. and.). Diese augenscheinlich überaus weiche Masse ist stark gekörnt und trübe, ihre Contouren treten jedoch in Osmiumsäure kaum her- vor !), obwohl sie selbst darin sich etwas schärfer abhebt und eine be- sondere schmutziggelbe Schattirung annimmt. Auch ist ihre Kör- nigkeit gleichmässig, während in den äussern Endzellen (Stabzellen) die Körnchen sich mehr an den Rändern der Zellkörper und um 1) Auf den beigegebenen Zeichnungen sind diese Zellen mit der ge- schilderten Masse nicht richtig dargestellt und trotz meiner Verbesserungen bei der Correctur zu scharf gerathen. Diejenigen Leser, welche meine photo- graphischen Tafeln haben, bitte ich also diese zur Berichtigung heranzuziehen, 522 M. Lavdowsky: den Kern gruppiren. Dieser ist in den innern Endzellen immer nur einfach vorhanden und grösser als bei den äussern, wie auch die Deckplatten über den Zellenspitzen bei jenen dicker und breiter sind. Ferner ist die Zahl der an ihnen sitzenden Härchen grösser als bei den äussern Endzellen, obwohl ihre Lage dieselbe ist wie an diesen, d. h. die Härchen sitzen auch hier in einer halbkreisförmigen Reihe (b, b‘ auf Fig. 3B), die sich nur durch ihren grössern Um- fang (daher denn auch die grössern Abdrücke bei der Versilberung, vgl. Fig. 1,2“) auszeichnen, was zu der vermehrten Zahl der Härchen vollkommen stimmt. In Folge der geschilderten Bessnerneiten ihrer Substanz sind die innern Endzellen auch in der Form veränderlicher als die äussern, wenn auch nicht in dem Grade wie z. B. Gottstein es dargestellt hat. Endlich ist ihre Beziehung zu der Basilaris, obwohl ich, wie gesagt, hierin nicht ganz erfolgreiche Untersuchungen angestellt habe, anders als bei den äussern Endzellen; auch gleichen ihre Basilar- fortsätze gar nicht denen der Letztern. Breit und dick, bestehen ihre Fortsätze aus derselben Substanz wie der Zellkörper selbst und, nach der Basilaris verlaufend, gehen sie, wie es scheint, einfach in die Körnerschicht über oder fliessen mit ihr zusammen (vgl. die rechte Seite der Fig. 20), d.h. sie haben wohl kaum eine directe Beziehung zur Basilaris. Dass die beschriebenen Fortsätze nicht nervos sind (gegen Böttcher), da solche, wie bei den äussern Zellen, in der Regel an den Seiten der Körper als der gewöhnlichen Ansatzstelle der Nerven hervorragen, — wird sich später zeigen. Ueber die Körnerschicht muss ich zu dem Obengesagten noch Folgendes hinzufügen. Am Fusse der innern Endzellen gelagert (vgl. Fig. 20V, 11 A g, h), geht diese Schicht, obgleich sie weit genug verbreitet ist, doch von der einen Seite nicht über den äussern Rand der habenula per- forata (d. h. ihre Löcherreihe) hinaus und erhebt sie sich bei weitem nicht immer bis zu der mittlern Höhe dieser Endzellen, wie Gott- stein annimmt. Zudem ist ihre Breite je nach der Gattung des be- treffenden Thieres sehr verschieden. Bei Hunden und Katzen finde ich z. B. die Körnerschicht schwach entwickelt (vgl. Fig. 20), ihre Elemente nur in zwei Reihen; umgekehrt ist sie bei andern Säugethieren, vor allem bei Kälbern (Fig. 11 A), stark entwickelt. Die grössere Breite, welche die Körnerschicht in Waldeyer’s Fig. 333 Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 523 einnimmt, rührt nach mündlicher Mittheilung des Autors daher, dass das betreffende Präparat durch Zerzupfen gedehnt war. Der Bau der Körnerschicht ist ziemlich complicirt. Sie besteht aus mindestens drei verschiedenen Theilen, zwei faserigen und einem zelligen. Die Zellen sind grosse runde Körperchen oder besser sehr entwickelte Kerne mit einer relativ geringen Quantität einer kör- nigen, überaus feinen Masse um sie herum (vgl. beide angegebenen Fig.). Darum erinnert auch, wie Böttcher und Waldeyer mit Recht behauptet haben, diese Schicht der Schnecke lebhaft an ähn- liche Schichten der Retina, denen sie wahrscheinlich analog ist. Fortsätze habe ich jedoch an ihren Elementen nicht bemerkt; von Faserbildungen dagegen zweierlei Arten gefunden. Die einen (Fig.. 20,n) gehörten unstreitig den Nerven an, die durch diese Schicht hindurchgehen (s. unten), die andern (Fig. 11 A,hh) hatten allem Anschein nach mit diesen Nerven nichts gemein: es waren dies scharf gezeichnete, wellige Fasern, die in gleicher Riehtung mit den Basilarfasern verliefen und sich an den äussern Enden sehr ver- engerten. Wie die citirte Fig. 11 unter h zeigt, giebt es ihrer viele; trotzdem kann ich nicht sagen, welche Bedeutung sie haben. Von den Nerven unterscheiden sie sich jedenfalls; bilden auch keine Anasto- mosen unter einander, laufen stets gerade und einander parallel und verschwinden endlich fürs Auge, indem sie nach aussen zu dünner werden. Vertheilung und Endigung des Schneckennervs. (Fig. 1, 2A, B, 3B, 5, 6A,8, 10A, 12, 13, 19, 20.) Der nervose Theil des akustischen .Organs, von dem schon Deiters mit Recht behauptet hat, dass er Verhältnisse aufweist, »wie sie kaum feiner, zarter, gebrechlicher in histologischen Daten vorkommen«, ist am schwierigsten für die Erforschung. Trotzdem hoffe ich im Nachfolgenden zur Klärung der Sache Einiges bei- tragen zu können. Der nervose Schneckenapparat besteht bekanntlich aus zwei ungleich entwickelten Nervenmassen : den markhaltigen Fasern und ihren marklosen Fortsetzungen, von denen eigentlich nur die Letzte- ren als sogen. Radial- und Spiralnerven zum Bestand des akusti- schen Organs gehören. 524 M. Lavdowsky: Die markhaltigen Fasern des Schneckennervs unterschei- den sich, wenn man sie mit anderen ähnlichen Fasern des Körpers vergleicht, nur durch grössere Feinheit und Zartheit; im Uebrigen verhalten sie sich ganz so wie die Letzteren, indem sie ebenfalls alle jene Structurverhältnisse aufweisen, wie sie an diesen neuer- dings von Ranvier (op. 28) beschrieben worden sind. Diese Ver- hältnisse will ich in Kürze anführen. Bezüglich des Vorkommens und der Bedeutung der Schnür- ringe, am n. acusticus stimme ich mit den von Ranvier für die übrigen Körpernerven gemachten Angaben überein, nur sei bemerkt» dass diese Ringe bewegliche Massen sind ; sie ändern leicht ihre Lage und stehen dabei in engerer Beziehung zu dem Axency- linder als zu dem entsprechenden Theile der Nervenscheide. Ferner bleiben die Abstände der Ringe von einander auf der ganzen Länge der Fasern bei weitem nicht gleich, wie Ranvier behauptet; sie hängen wenigstens nicht von der Dicke der Fasern ab. Folglich sind auch die Abtheiluugen (Glieder), in welche Br Schnürringe die Nervenfasern theilen, ungleich. In der nach der Silberbehandlung an den Axencylindern auf- tretenden (Querstreifung äusserst sich meiner Meinung nach eine regelmässige Faltungeiner am Axencylinder existiren- den Membran. Daraus und aus vielen andern Thatsachen darf man mit grosser Wahrscheinlichkeit entnehmen, das der Axencylin- der eine röhrenartige Bildung ist, wie bereits Rem ak behauptet, obwohl keine einfache, auch nicht, wie man aus Ranvier’s Be- obachtungen schliessen müsste, eine mit irgend einer nicht näher bestimmten Masse angefüllte Röhre, sondern eine hohle Bildung, welche die bekannten feinsten Fäden (Primitivfibrillen M.Schultze’s) in sich enthält. Freilich gelingt es nicht leicht dieseMembran des Axen- cylinders zu isoliren, wie es auch schwer ist sie an ihm in toto zu sehen; doch kann in einigen Fällen und bei gewissen Methoden ihr Vorhandensein positiv constatirt werden !). 1) Mangel an Zeit verhindert mich hier auf das Gesagte näher einzu- gehen; überdies habe ich die Absicht später diese Untersuchungen ausführ- lich zu gehen, wo denn auch die Zeichnungen hinzugefügt werden sollen. Nur so viel finde ich für nöthig zu bemerken ‚dass, während andere Autoren in den oben besprochenen bemerkenswerthen Beobachtungen Ranvier’s über markhaltigen Nerven etwas Zufälliges sahen, es mir bereits vor zwei Jahren Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 125 Ganglion spirale. Verästelung der Schneckenner- ven. Man kann bei weitem nicht von allen Fasern des Schnecken. nervs behaupten, dass sie durch die gangliosen Zellen unterbrochen werden, wie es z. B.Kölliker und Waldeyer annehmen: manche Fasern gehen an diesen Zellen vorbei oder umgeben sie ringförmig (vgl. Fig. 2 A, Gsp. 20 sub 5), und einige von ihnen haben sogar, wie mir scheint, keinerlei Beziehung zum Endzellenapparat, sondern gehen weiter zum gewöhnlichen Epithel der zona pectinata. Zu solchen Fasern gehören hauptsächlich die äussersten Fäden des Nervenfächers (Randfäden: Fig. 1,n). Die gangliosen Elemente sind grösstentheils bipolare Zellen, doch giebt es unter ihnen auch tripolare, wie unipolare, kleinere, wahrscheinlich junge Formen (s. Fig. 20 f,f.). Die ei- oder kugel- förmigen Körper aller dieser Zellen, die in Osmiumsäure leicht dunkel werden, enthalten gewöhnlich einen grossen, runden Kern mit ebenfalls einem oder auch mehreren Kernkörperchen und einem Körnchenkreis um die Letzteren (vgl. Eimer’s Angaben über die- selbe Bildung in manchen andern Zellen, op. 29). Das Vorhanden- sein einer Membran, welche sich auf die Zellenfortsätze erstreckt, und einer dünnen Markschicht, welche die Zellkörper bedeckt, ist für diese gangliosen Elemente ohne Zweifelanzunehmen und die Färbung mit Osmiumsäure haftet eben an dieser Schicht (Fig. 20 sub 4). Alle genannten markhaltigen Fasern und vor allem diejenigen, welche durch die beschriebenen Ganglienzellen unterbrochen sind, bilden in den Spalten der lamina ossea die bekannten Verflech- tungen und, indem sie alsdann sich zu Bündeln vereinigen, lassen sie, wie Kölliker und M. Schultze nachgewiesen haben, durch die Löcher der habenula perforata nur ihre von der Markscheide entblössten Axencylinder hindurchgehen (vgl. Fig. 2A, hn, 3 B, Nn, 20, Nn). Einige Abweichungen bieten aber die »Randfasern« des Nervenfächers; sie bilden nämlich keine Anastomosen, laufen zum gegläckt war seine Entdeckungen in der Hauptsache zu bestätigen. Ebenso muss ich auf die Beobachtungen Axel Key’s und Retzius’, die vorläufige Mittheilung und die eben erschienenen Untersuchungen Lantermann’s, endlich auf Me. Carthy’s, Toel’s, Tourneux’ und Le Goff’s Schriften hinweisen, die alle Ranvier’s Entdeckungen als richtig anerkannt haben. % Darum halte ich diese, was das Factische betrifft, für gesichert und kann behaupten, dass ich an jedem Präparate an den Nervenfasern die charak- teristischen Schnürringe beobachtet habe. 526 M. Lavdowsky: grössten Theil für sich und gehen einfach in das Epithelium über, da in der Nähe des hamulus nicht einmal eigentliche fora- mina nervina mehr vorhanden sind. Die Nervenfasern, welche durch die foramina der perforata hindurchgehen, dringen sofort in den Schneckencanal ein und haben anfangs all die Eigenschaften ungetheilter Axencylinder. Bald aber verdünnen sie sich dermassen in Folge der beständigen Theilungen, zumal bei der Zertheilung in die Spiralnerven, und werden dabei so fein und zart, dass sie nunmehr für nichts als Theile der Axen- cylinder betrachtet werden müssen !). Diese Umstände, in Folge deren bei unangemessener Behandlung die ebengenannten Fasern leicht zerstört werden, erklären zur Genüge, woher es kommt, dass die spiralen Nervenfasern von einigen Autoren (Böttcher) nicht ge- sehen, ja sogar geleugnet worden sind. Fast unmittelbar nach ihrem Austritt auf die Oberfläche der lamina membranacea zerfallen die Nervenfasern zunächst in zwei Haupttheile. Der eine davon (n‘ Fig. 2B) erhebt sich bis zu der Reihe der innern Endzellen und findet hier sein Ende; der andere (n“ auf Fig. 2 B, Tn auf Fig 2 A) erstreckt sich, die Körner- schicht durchdringend, in den Apparat der Bögen hinein, geht quer durch den Tunnel, indem er mitunter seitwärts abbiegt, und endigt sodann, zwischen den äussern Bögen hindurchgehend, in den äusse- ren Endzellen. Beide diese Theile bilden nun ein System von Ra- dialnerven, welche auch unter dem Namen der fibrae longitudi- nales Deiters’ oder transversales Kölliker’s bekannt sind. In der Richtung der Schneckenspirale, also in Querrichtung zu den Radialnerven und ausschliesslich innerhalb des Endzellenapparats liegt ein anderes Nervensystem. Dieses besteht zum Theil aus sehr feinen, an den Stielen zerstreuten Fäden, hauptsächlich aber aus vier einander parallel laufenden Zügen, von denen drei (äussere), je einer zwischen den Reihen der äussern Endzellen, sich finden und ein (innerer), der an der Basis der innern Endzellen liegt (vgl. Fig. 13, 20 u. and.). So zerfällt auch das zweite System von Nerven in zwei Ab- 1) Gottstein (op. ceit.) sieht bereits in den äussern Radialnerven, s. unten, Theile der Axencylinder; doch scheint mir dies nicht ganz richtig zu # sein, weil beide Theile der Radialnerven fast bis zuihrenEndigungen bloss in einfachen Verzweigungen verlaufen. Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 527 theilungen, den Theilen des Endzellenapparats entsprechend. Dieses Fasersystem eben stellt dieeigentlichen Deiters’schen Spiral- nerven vor. Beide Arten, die Radial- wie die Spiralnerven, zeichnen sich, abgesehen von den genannten Eigenschaften, auch noch durch eine scharf ausgeprägte Varicosität aus (vgl. die oben angegebenen Figg. und Fig. 10A). Max Schultzeund Waldeyer charakterisiren sie sehr glücklich mit dem Ausdruck »tropfenförmige« Varicosität (Waldever übrigens nur für die Radialnerven). Ich bezeichne sie überdies mit dem Namen »echte« Varicosität im Gegensatz zu der künstlich geschaffenen. Diese echte Varicosität, die auch den voll- kommen lebendigen Nervenfasern anhaftet, äussert sich am deut- lichsten an den Radialnerven: die regelmässigen, meist spindelförmi- gen Verdickungen, welche diese Varicosität verursachen wie etwa kleine Körperchen, die verbunden sind, um den Nervenfaden zu bil- den, sind nicht das Resultat irgend welcher Veränderungen des Letzteren, sondern örtliche Anhäufungen derselben Substanz, aus weicher diese Fäden bestehen, und unterscheiden sich von ihr nur durch einen eigenen Perlmutterglanz. Dieselbe Varicosität finden wir auch an den feinen Nervenfasern der Netzhaut. An den Radial- nerven des akustischen Organs sind die varieosen Verdiekungen noch klarer und im Vergleich zu denen der Spiralnerven bedeutend grösser und regelmässiger; dafür sind sie an den letztgenannten Nerven viel zahlreicher. Deshalb kann ich auch keineswegs Böttcher’s Mei- nung (Ss. op. 8, S. 81—82) beistimmen, als wären die Endnerven- fasern der Gehörschnecke nicht varicos oder als hätte ihre Varico- sität nur »secundäre« Bedeutung. Indem ich nunmehr zur Vertheilung beiderlei Nerven im Ein- zelnen und zu der Art ihrer Endigungen übergehe, will ich kurz Folgendes angeben. Die Vertheilung der innern Radialnerven, die für die ent- sprechenden Endzellen bestimmt sind, ist einfach. Nachdem sie diese Zellen erreicht haben, breiten sie sich über ihnen aus und treten dann in einzelnen Axencylindern (nicht aber in Bündeln, wie Bött- cher annimmt) mit ihnen in Verbindung, s. Fig. 2B n‘, 10 An“. Die Art ihrer Verbindung werden wir zugleich mit der Endigung der äussern Radialnerven beschreiben. ; Die äusseren Nerven vertheilen sich in der Weise, dass sie zuerst durch die akustische Körnerschicht hindurchgehen und 928 M. Lavdowsky: zwar, wie es scheint, ohne sich mit ihren Elementen zu vereinigen (Fig. 20 V,n) oder gar, wie Gottstein annimmt, sie zu durchdringen, sondern indem sie an denselben anliegen und von ihnen unabhängig weiter gehen. Wenn sie nun mit 1 oder 2, seltner 3 Fäden zwischen je2 Pfeilern oberhalb der Fussstücke derselben den Tunnelraum er- reicht haben, zerfallen sie sofort in zwei Schichten. Die eine von ihnen (Fig. 2A Tn, B—n‘) verläuft, sich allmählich hebend, hoch in der Tunnelhöhle hin und nimmt ihre Richtung ungefähr nach der mittleren Höhe der äusseren Bögen, um alsdann, zwischen diesen hindurchgehend, in die Reihen der äusseren Endzellen ein- zudringen. Die andere Schicht (Fig. 20, n“) nimmt ihren Lauf fast parallel mit dem Tunnelboden, berührt aber dessen Oberfläche nicht, sondern lagert frei über der membr. basilaris. Die Fäden der ersten Schicht gehen während ihres ganzen Weges durch den Tunnel geradeaus, indem sie sich nicht verbinden, wie auch sehr wenig oder gar nicht verzweigen; die der zweiten dagegen bilden mehrere Anastomosen, indem sie sich verästeln, mitunter auch theilen und zu einer Art Plexus verknüpfen. Bemerkenswerth ist nunmehr, dass sie zum Theil sich in ihrer Richtung im Tunnel an die Spiralaxe des ductus cochlearis halten und in einzelnen Regio- nen sich seitwärts wenden. . Diese Fäden nenne ich umgebogene oder richtiger (s. unten) S-artig gebogene Radialnerven und sie wurden, glaube ich, zum Theil für Spiralnerven angesehen von solchen Autoren, welche, diese Nerven anerkennd, dennoch de- ren echte Vertreter nicht genau genug gesehen hatten (Nuel, theilweise auch Gottstein, vgl. seine Zeichnung 28 in op. eit. 22). Die umgebogenen Radialnerven unterscheiden sich aber merk- lich von den Spiralnerven und zwar durch eine eben so scharfe und regelmässige Varicosität, wie sie überhaupt die Radialnerven an sich tragen. Der Fehler der genannten Autoren ist hier übrigens nicht gross, weil die Spiralnerven, wie wir weiterhin sehen werden, aller Wahrscheinlichkeit nach in gewissem Sinne Fortsetzungen der- selben umgebogenen Radialnerven sind, von denen sie dem- nach ihren Anfang nehmen müssen. Im weiteren Verlauf unterscheiden sie sich aber von ihnen, wie auch die Art ihrer Beziehung zu den Endzellen eine andere ist. Gegenwärtig wird die Verbindung der Schneckennerven mit den genannten Zellen noch keineswegs von Allen anerkannt. So will ich beispielsweise nur auf die negativen Resultate M. Schultze’s Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 529 und seines Schülers Nuel, ferner auf die Bemerkungen W. Krause’s (s. unten) in neuester Zeit hinweisen. Trotzdem behaupte ich mit Böttcher, dass die Verbindung zwischen Nerven und Zellen nirgends sich so klar constatiren lässt wie an der Gehörschnecke, weil wir nirgends mit solcher Genauigkeit den Verlauf der End- fasern von ihren Anfängen bis zu den Endpuncten verfolgen können wie in der Schnecke, wo sie überdies auf dem grösseren Theil ihres Weges völlig frei liegen, von nichts umgeben als allein der durch- sichtigen Flüssigkeit, welche die Sehneckentreppen und die sie selbst enthaltende Höhle ausfüllt. Böttcher behauptet (op. 8, S. 81) man könne bei einigen Thieren, z. B. dem Igel, sogar fast an jedem Schnitt die Verbindung der Nerven mit den Endzellen finden, und dem kann man durchaus beipflichten, da die ganze Schwierigkeit hier nicht in dem Mangel einer unzweifelhaften Verbindung, sondern in der leicht eintretenden Zerstörung derselben an den meisten Thieren und in dem Mangel an Sorgfalt bei Anfertigung der Prä- parate liegt. Die Vergleichung einer grossen Zahl verschiedener Präparate ermöglicht uns indessen mit genügender Genauigkeit zunächst die Vereinigungsstelle der Radialnerven mit den Endzellen zu be- stimmen. Wie an den äussern, so erscheint auch an den innern Elementen als solche Stelle am häufigsten derjenige Theil der Zellkörper, welcher unmittelbar an die Kerne grenzt (vgl. Fig. 2A, 2B, 10A, 10C), oder auch die Stelle selbst, wo der Kern liegt (für die äusseren Elemente immer der untere, grosse und helle Kern). Seltener finden sich die Fäden in den unteren Abschnitten der Zellkörper und niemals an ihren Fortsätzen. Zu jedem dieser Elemente und stets zu irgend einer der an- gegebenen Stellen geht gewöhnlich ein Faden hin — und zwar ein ganzer Axencylinder, welcher mit den Elementen auf zweierlei Art sich verbindet: entweder indem er unmittelbar in die Zellen- masse oder in ihren Kern übergeht (Fig. 10 An‘, 1 Cb‘, nn, 2 A und B: Tn, n) oder indem er, so zu sagen, an sie angekittet wird (Fig. 10 A n“, n‘“, n‘“). In der ersten Form findet die Verbindung allmählich statt, man kann sogar behaupten, dass an der Vereini- gungsstelle die Zellenmasse selbst sich gleichsam dem Faden entgegen- streckt, wobei an dieser Stelle meistens eine leichte dreiekige oder conische Verdickung bemerklich ist. In der zweiten Form vollzieht sich die Verbindung plötzlich. Diese Bezeichnung brauche ich übri- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 34 530 M. Lavdowsky: gens nur der Unterscheidung wegen und hege sogar gegen diese Form als echte Endigung der Nerven Verdacht ; denn ich habe sie nur an jungen Thieren beobachtet. Man kann sich nämlich die Sache so vorstellen, dass die Fäden sich in dem eigentlichen Körper der Zellen versenken und hier nur wegen ihrer Feinheit nicht sichtbar sind. Und eine derartige Annahme ist auch deshalb wahrscheinlich, weil die beschriebene Verbindung sich nicht besonders leicht löst, was kaum der Fall sein könnte bei einfacher Zusammenrkittung der Zellen mit den Nerven, die noch dazu sehr fein sind. Die beschriebenen Formen sind also Endigungen derRadialnerven,die für dieinnern Endzellen unddiecy- lindrischen Theileder äussern Stabzellenbestimmt sind. Für die Zapfenzellen dagegen habe ich kein einziges Mal solche Formen gefunden. Im Gegensatz zu Böttcher konnte auch Gottstein sogar ihren Zusammenhang mit den Nerven überhaupt nicht beobachten. Und dies ist wohl begreiflich, wenn man weiss, dass die Zapfenzellen in keinerlei Beziehung zu den Radialnerven stehen, Sie stehen jedoch mit den spiralen Nerven in Verbindung und zwar auf sehr eigenthümliche Art. Da sie sich aus einer besonde- ren Beziehung dieser Nerven zu dem Endzellenapparat und ihrer Lage in ihm erklärt, so will ich zunächst diese Verhältnisse be- trachten, indem ich zu dem Öbengesagten einiges über die untere Schicht der Radialnerven hinzufüge, aus deren umgebogenen Thei- len ich die Spiralnerven ableite. Die Untersuchung der unteren Radialnerven ist wegen ihrer tiefen Lage ziemlich schwer. In so günstigen Fällen aber wie wir einen auf Fig. 20 sehen, können wir diese Nerven gut beobach- ten, wobei sich herausstellt, dass sie in der That am Tunnelboden Ver- flechtungen bilden und dabei mit relativ breiten Maschen. Indem sie, wie wir gesehen haben, in ihrem Lauf die Richtung der Spiral- axe einhalten, gehen sie doch nicht lange in dieser Richtung, sondern weichen wiederum hie und da in sehr kurzen Wendungen seitwärts-ab (nach den Corti’schen Bögen zu). Daher lagern sie sich in ihrer Ausdehnung in einzelnen Regionen von S-artiger Form und dieser Regionen giebt es viele. Wenigstens muss man auf eine grosse Anzahl derselben schon daraus schliessen, dass jede Region einen Raum einnimmt, welcher der Ausdehnung von 30 bis 100 Gorti’schen Bögen gleich kommt. _ Von einer jeden dieser Regionen nach den Bögen abbiegend, Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 531 dringen die einzelnen Fäden und ihre Theile wahrscheinlich sofort zwischen ihnen hindurch nach aussen und bilden so zu beiden Seiten dieser Bögen in den entsprechenden Abtheilungen des Endzellen- apparats die Spiralnerven. Ich sage »wahrscheinlich«, weil ich die Erscheinung selbst, das Eindringen dieser Nerven aus der Tunnel- höhle heraus, bisher nicht habe beobachten können; indessen muss sie sicherlich stattfinden, w eil diese Nerven anderswohin nicht gerathen, wie die Spiralnerven anderswoher nicht ent- stehen können. Findet doch Nuel (op. 23) an Kaninchen Löcher zwischen den Corti’schen Bögen, durch welche, wie er meint, die Nerven nach aussen hindurchgehen und welche offenbar den bekann- ten Spalten zwischen den unteren Theilen der äusseren Pfeiler ent- sprechen. Ferner ist zu. beachten, dass die beschriebenen Fasern in ihren Biegungen selbst meistens isolirt nach den Bögen zu gehen. Treten sie aber aus dem Tunnel heraus, so suchen sie sich bereits als Spiralnerven gegenseitig auf und können als radiale nur noch unmittelbar an den Bögen und an ihren Fussstücken beobachtet werden (vgl. Fig. 5 n, n“). Wenn ich nun speciell zum System der Spiralnerven übergehe, muss ich vorausschicken, dass eine genauere Untersuchung mir nur in ihrem äussern Theile gelungeu ist, weil dieser stärker entwickelt ist als der innere und öfter beobachtet werden konnte (Fig. 12n, 13n). Oben, wo es sich um die Eigenschaften dieser Nerven handelte, habe ich bemerkt, dass sie bedeutend dünner sind als die Radial- nerven. Dies gilt besonders von denjenigen unter ihnen, welche zu den inneren Endzellen gehören; desgleichen ist auch die Varicosität dieser Fäden so fein und ihre Substanz so ungemein zart (vgl. Fig. 20 M—M‘), dass man sie für die gebrechlichsten und feinsten von allen bekannten Nervenfaserbildungen des Körpers halten muss, mit denen nur etwa die Fäserchen der »körnigen Schichten der Netzhaut« verglichen werden können. Es ist mithin begreiflich, dass man auch ein Bild ihrer Vertheilung nicht anders liefern kann als indem man sie in einzelnen kleinen Stücken untersucht, da man sie in grösserer Ausdehnung höchst selten zu sehen bekommt, und nur ihre charakteristische Form und constante Lagerung erleichtern zum Theil ihre Untersuchung. Ebenso muss man, um sie möglichst wenig verändert zu sehen, sie sofort nach Bereitung des Präparats aufsuchen; sonst könnte man sie leicht übersehen oder statt ihrer 532 M. Lavdowsky: bloss eine inZügen gelagerte körnige Masse entdecken. Sind sie aber unversehrt geblieben, so kann man über ihre Vertheilung und Be- ziehung zu den angrenzenden Theilen des akustichen Organs Fol- gendes beobachten. Alle drei Züge der äusseren Nerven stellen flache, von ein- ander fast ganz unabhängige Nervenmassen vor. In dieser Gestalt ziehen sie sich durch alle drei Windungen hin und bewahren stets die parallele Richtung zu einander. Ihre Vertheilung zwischen den Endzellen ist der Art, dass der erste, d.h. der hinterste Zug, zwischen der ersten und zweiten Reihe der Endzellen liegt, der zweite oder mittlere zwischen der zweiten und dritten, der dritte oder vorderste endlich zwischen der dritten (letzten) Zellenreihe und den sich daran schliessenden Hensen’schen Zellen. Somit weicht mein Schema der Vertheilung dieser Bündeln von denen der andern Autoren, z. B. von dem Schema Waldeyer’s, ab. Nach seinen Beobach- tungen (op. cit., 8. 947) befindet sich das erste Bündel hinter der ersten Zellenreihe, d. h. zwischen diesen Elementen und den äussern Gorti’schen Bögen; daher sind in seiner Darstellung die beiden übrigen Bündel nach hinten gerückt und, wo wir unser vorderes Bündel ansetzen, giebt es nach Waldeyer gar keine Nerven. Wie schwer auch dieser Widerspruch zu lösen ist, so kann man doch, meine ich, hier folgende Annahme machen. Aller Wahr- scheinlichkeit nach hat Waldeyer diejenigen Nerven, welche zu den eben nach aussen getretenen Radialnerven gehören, und zwar diejenigen ihrer Fäden, welche ausserhalb der Fuss- stücke der äussern Bögen liegen, für das erste Bündel angesehen (vgl. oben Fig. V, n‘“). Meinen letzten äussern Zug, den Waldeyer nicht abbildet, haben jedoch andere Autoren gesehen, z. B. Nuel (op. eit., S. 212), der sogar annimmt, dass die Spiralnerven bis an die Hensen’schen Zellen reichen. Ferner finde ich, dass jeder der beschriebenen Züge enger an die vordere Fläche der hinter ihm befindlichem Zellenreihe als an die hintere Fläche der vorne befindlichen Reihe‘ sich an- schliesst. Und diese ihre Lage hat ihren guten Grund: sie hängt vonder Lage derjenigen -Elemente ab (der Zapfenzellen), zu denen die äussern Spiralnerven in Beziehung treten. Diese Beziehungen äussern sich, wie an den Radialnerven, auf zweierlei Art. Doch ist ihre Art und Weise an sich hier anders, um nicht zu sagen, ganz eigenartig (s. Fig. 13). Zum Theil Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 533 legen sich die Spiralnerven eng an die Zapfenzellen an und um- fassen dieselben, was ein sehr charakteristisches Bild giebt, wie man es auf der citirten Fig. 13 sehen kann, wo die Körper oder Säckchen der Zapfenzellen an der Basis und der Vorderseite von Nerven um- flochten erscheinen, wie etwa Eier von den Reisern eines Nestes. In jedem Zuge von Nerven gibt es gewöhnlich eben so viel solcher Nester als Zapfenzellen. Ein Theil der Spiralfäden scheint aber durch die Zwillingszellen hindurchzugehen und diese Fäden könnte man, wenn man will, ebenso gut als zu den Stabzellen gehörig ansehen, weilsie fast durch die gemeinsamen Körper beider Endzellen gehen. Jedenfalls ersieht man aus dem Gesagten, dass die Fasern der äussern Spiralnerven überwiegend,zu den Zapfen- theilen der Endzellen gehören, wie die Radialnerven zu den Stabtheilen derselben. Was den inneren Theil der Spiralnerven anbelangt, so ist er in seiner Gesammtheit nur in ein Bündel zusammengefasst und im Vergleich mit den äusseren Zügen viel schwächer entwickelt. Die Fäden, aus denen er besteht und deren Anzahl ebenfalls sehr klein ist, sind alle obenangegebener Natur, dicht nebeneinander ge- lagert und auf diese Weise laufen sie alle an der Basis der ent- sprechenden, inneren Endzellen in gleicher Höhe mit der Körner- schicht. Die Fig. 20 unter M bis M’ giebt uns eine klare Vor- stellung davon. Weiter aber zu sagen, welches die engste Beziehung zwischen ihnen und den entsprechenden Endzellen ist, vermag ich nicht, denn die Sache ist hier noch schwieriger als bei der Untersuchung der äussern Nerven. Anmerkung. Ehe ich die Fig. 20 verlasse, muss ich noch eine Er- scheinung anführen, welche ich, wenn auch nur kurze Zeit (20 Minuten), doch sehr deutlich gesehen habe. Sobald das Präparat hergestellt war (Humor aqueus, warmer Objecttisch, s. die Erklärung), habe ich nämlich am Boden des Tunnels in querer Richtung zu den Basilarfasern in grosser Anzahl sehr feine Streifen, welche an überaus zarte Fäserchen erinnerten, beobachtet (vgl. die betreffende Stelle der Fig.). Ihre Feinheit war so gross, dass ich sie mit den Streifen des Pl. angulatum vergleichen musste, was um so berechtigter war, als durch ihre Durchkreuzung der Saiten ähnliche (nur rechtwinklige) Vierecke entstanden wie im letztgenannten Objecte bei mässiger Vergrösserung. Von ihrer faserigen und zugleich nervösen Natur konnte ich mich. indessen nicht überzeugen und habe sie desshalb bloss Nervenstreifen genannt und auch das nur mit Vorbehalt. Nach 20 Minuten, wie gesagt, verschwanden sie, indem ihre Contouren allınählich verblichen, sämmtlich. Auf der bei- liegenden Tafel sind diese Streifen schematisch dargestellt. r 534 M. Lavdowsky: Ich will hier auf eine nähere Besprechung der Gründe Bött- chers, welche er gegen die nervöse Natur der Spiralfasern anführt, nicht eingehen, sondern dafür auf meine ausführlichere Publication verweisen. Nur auf die Frage nach einer möglichen Verwechselung der spiralen Nervenfasern mit den tympanalen Bindegewebsfasern möchte ich mit wenigen Worten zurückommen. Wenn Böttcher meint, dass die Autoren die Spiralnerven mit den anderen Faserbildungen, zumal mit den Fasern des tympanal- bindegewebigen Faserstratums, verwechseln konnten, die sich in der That durch zahlreiche Varicosität auszeichnen (vgl. meine Figg. 10 B, 21a, b); so zeigen andererseits meine Beobachtungen über dieses Stratum eben so sehr, dass bei sorgfältiger Untersuchung wir die Fasern des Letztern von den nervosen unterscheiden können. Um hier nur eins anzuführen finde ich, dass Grösse, Form und der ganze äussere Habitus der varicosen Verdickungen bei den beiden verglichenen Faserarten nicht dieselben sind: in den Bindegewebsfasern überhaupt ist die Varicosität grösstentheils feiner, immer unregelmässiger und ihre Vertheilung weniger bestimmt, als in den nervosen; auch ist sie vornehmlich an den jüngsten, kaum reifen, oder gar noch nicht entwickelten Fäserchen eben am tympanal- bindegewebigen Stratum zu beobachten. Eine so auffallende Vari- cosität aber, wie sie die Fasern der Radialnerven (vgl. das Obenge- sagte und Fig.:10 A mit Fig. 10 B), zum Theil auch die Spiralnerven und die Nervenfasern der retina des Auges charakterisirt, hat Nie- mand je an den Bindegewebsfasern beobachtet. Ebenso ist an den Letzteren die Erscheinung der Varicosität seltener zu finden so- wohl an noch lebendigen, wie auch an frisch hergestellten Objecten, an welchen die Nervenvaricosität aber gerade am meisten charak- teristisch ist. Bei Behandlung mit Gold, Silber und Osmiumsäure hebt sich diese Varicosität nicht bloss schärfer ab, sondern nimmt auch eine besondere Färbung an; die der Bindegewebsfasern bleibt dagegen unter dem Einfluss dieser Reagentien unverändert. Frei- lich färben sich mit Silber und Osmiumsäure die uns beschäftigen- den Bindegewebsfasern der Schnecke ein wenig (vgl. Fig. 1, Tf), aber auch so kann man sie leicht von den Nervenfasern unterschei- den, wenn man die einen und die andern in Masse vergleicht. Aus all diesen Gründen möchte ich die »echte« Varicosität sowohl als normales Merkmal der feinsten Nervenfäden der Sinnesorgane (des Gehörorgans, des Auges und sehr wahr- ee FR. Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 535 scheinlich auch des Geruchsorgans) wie auch als ein Merkmal betrachten, dessen man sich unter gewissen Bedingungen zur Unterscheidung der feinen Nervenfasern von andern Faserbildungen des Körpers bedienen kann. Da ich dass tympanale Faserstratum und seine Färbung mit Silber erwähnt habe, will ich gleich hinzufügen, dass ich in diesem Falle an ihm eine besondere Art einer sehr feinen Deckmembran, aufland (s. Fig. 21d, 22), welche sich überall in Form eines Spinn- gewebes zeigte und in der That eine dicht durchlöcherte Haut oder eine Art sehr feines Netzgewebe mit polygonalen (kleinen) und ovalen oder rundlichen (grossen) Maschen ist. Die Bedeutung dieser Membran, welche jedoch nur das tympanale Faserstratum und immer nur von der Tympanalseite bedeckt, ist mir noch unbekannt und bei andern Behandlungsmethoden habe ich sie am akustischen Organ nicht entdecken können. In Betreff der sonstigen Eigenschaften des beschriebenen Faser- stratums weise ich hier nur darauf hin, dass man es, nach dem Charakter seiner schönen, protoplasmareichen Spindelzellen (vgl. die drei angegeb. Fig.: 1, Tf, 10B und 21), die ebenfalls mit varicosen Fortsätzen versehen sind, und weichen, zarten Fasern zu urtheilen, mit vollem Recht für eine Art unreifen Bindegewebes (Schleim- gewebe) ansehen kann, wie z. B. auch Henle annimmt (s. die neueste Aufl. seiner Anatomie, op. 14, S.833). Nur kann ich dem letzt- genannten Autor nicht beistimmen, wenn er dies Faserstratum für »eine Schicht der Basilaris« und zwar für die dritte erklärt. Ueber- dies ist schon lange bekannt, dass dieses Stratum nur in der letzten Windung der Schnecke sich findet und seine typische Natur vor allem an jungen Thieren aufweist. Gorti’sche Haut (membrana tectoria). Ueber die Membranbildung, welche von Corti entdeckt, darauf von Claudius. Kölliker, Henle, Lowenberg u. A. genauer beobachtet und besonders sorgfältig von Böttcher, Hensen und Gottstein beschrieben worden ist, kann ich nur Folgendes anführen. Als dünne, kaum merkliche Schicht (Fig. 2A, rm) auf der Crista in der Nähe der Wurzel der Reissner’schen Haut (r‘) beginnend und alsdann, wie bekannt, nach Aussen hin bedeutend dicker werdend, zieht sich die Corti’sche Membran in dieser Form durch die ganze 536 M. Lavdowsky: Spiralfurche, den Apparat der Bögen, die äusseren Endzellen hin und endlich, sich wiederum, aber weniger bedeutend verengernd, hört sie plötzlich gerade über der letzten Reihe dieser Zellen auf. Ich kann also Waldeyer’s Auffassung (op. eit., S.155) nicht theilen, als befände sich der Anfang der Corti’schen Mefhbran, wenn auch nur beim Menschen, »in der Mitte« zwischen dem entsprechenden Ende der Reissner’schen Haut und dem Rande des labium vesti- bulare. Ebenso wenig vermag ich der ähnlichen Ansicht Böttcher’s beizustimmen, weil ich bei Versilberung die Anfangsstelle der Corti’schen Membran fast an die Reissner’sche Haut stossen sehe, und ich glaube mich kaum darin zu irren, da bei diesem Ver- fahren die Untersuchung der Corti’schen Membran jedenfalls ge- nauer angestellt werden kann als bei andern, wo die ihre Wurzel bildende Zone sehr undeutlich zu sehen ist. Desgleichen muss ich die Meinung verwerfen, als könnte dieselbe Membran bei irgend welchen (höheren) Thieren über die letzte Endzellenreihe hinaus- sehen, geschweige denn bis zum lig. spirale. Während sie nun an den Endzellen vorbeigeht, tritt sie durch- aus nicht in Verbindung mit ihnen, wenigstens nicht in dem Sinne wie Böttcher es dargestellt hat, und legt sich höchstens an den Härchenüberzug dieser Zellen eng an (vgl. das Capitel über die Endzellen). Ueber den Bau der verschiedenen Zonen der Corti’schen Membran kann ich so viel sagen, dass ich die erste und letzte von ihnen (anders bezeichnet, die innere und äussere Zone) homogen gefunden habe, doch muss ich bemerken, dass ich diese Eigenschaft - der ersten Zone etwas anders auffasse als die übrigen Autoren: da ich finde, dass die Fasern der mittleren Zone der Membran nicht nach aussen, sondern nach innen zu sich verengern, -d. h. in der ‚ Richtung nach der innern Zone selbst, so sehe ich in dieser nur eine Modification der mittlern Zone, deren Fasern nach ihrer Ver- engerung überaus fest an einander gekittet sind. Irgend welcher Art hohle Räume (Waldeyer) habe ich aber in der innern Zone nicht gefunden. Die auf ihrer untern Fläche sichtbaren Zeichnungen (Streifen, vieleckige Figuren ete.) sind ohne Zweifel nur Abdrücke der Eigenthümlichkeiten des Gewebes der Stelle, an welcher sie liegt. Die überwiegende Masse der Corti’schen Haut ist in ihrer zweiten oder mittleren Zone enthalten, welche bekanntlich faserig ist. Ihre Fasern sind aber von ganz besonderer Beschaffen- Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 537 heit: lang, zum grössten Theil wellenförmig (in Flächenansicht) und sehr dünn, zeichnen sie sich durch ihre weiche, dehnbare, sehr elastische Natur aus, so dass das ganze (zewebe der Membran den Charakter einer sehr weichen, elastischen Masse an sich trägt. Die Corti’sche Membran ist also trotz der gegentheiligen Behauptungen Hensen’s und Waldeyer’s entschieden elastisch und diese ihre Eigenschaft stimmt ganz zu ihrer wahrscheinlichen physiologischen Rolle (s. unten) als Dämpfungsmembran, weil sie zu gleicher Zeit die Fähigkeit hat leicht aufzuquellen. Diese rührt wiederum von dem Vorhandensein einer Art Zwischensubstanz her, auf die auch Böttcher hinweist (vgl. op. 8, S.62) und welche ich als deutliche Spuren einer leicht gekörnten Masse zwischen den einzelnen Fasern finde. Diese Substanz quillt eben leicht auf, indem sie dabei kleine Vacuolen aufweist und der Corti’schen Membran auch noch den Charakter einer gallertartigen, fast schleimigen Masse verleiht. In den andern Theilen der Corti’schen Membran findet sich diese Substanz nicht, wie z. B. in ihrer dritten oder äusseren Zone keine Spur davon zu sehen ist. Letztere Zone ist, wie gesagt, völlig homogen und noch mehr elastisch als die mittlere, woraus sich auch die an ihr oft zu beobachtende abnorme Lage (ihr Um- biegen nach dem Rücken der eben genannten Zone zu), ihr Zusam- menrollen u. s. w. erklärt. Hensen’s Ansicht, dass eine solche Lage normal sei, kann ich daher durchaus nicht theilen. In Betreff der andern Merkmale der Structur dieser Zone (hyalines Randnetz, Hensen’sche Höckerlinien) habe ich nichts Neues oder Besonderes zu sagen. Es sei mir gestattet hier noch in Kürze auf einige Angaben W. Krause’s , welche in die neueste Auflage von C. Krause’s Anatomie aufgenommen sind (op. 31), einzugehen: Schon in Betreff der Corti’schen Bögen, — welche Krause fälschlich als flache Bänder, S. 150, darstellt und deren Kerne (allerdings nur die innern) er ebenso wenig richtig als platte Bil- dungen beschreibt, — muss ich seine Meinung, als hätte jeder Pfeiler den Werth »einer Zelle«, verwerfen, weil sie den Thatsachen wider- spricht. Diese Ansicht, die eigentlich eine Wiederholung von Waldeyer’s Auffassung (vgl. op. 21, S. 940) ist und auf den be- kannten Angaben Kölliker’s und Böttcher’s über die Entwick- 538 M. Lavdowsky: lungsgeschichte der Pfeiler basirt, passt nicht auf Letztere im ent- wickelten Zustande, wenigstens in demselben Maasse nicht, als man z. B. eine ausgewachsene Muskelfaser, die in ihrer Entwicklung, wie oben hervorgehoben worden, mit den Pfeilern übereinstimmt, für veine Zelle« halten dürfte. Ueberdies ist bei ausgewachsenen T'hieren die Hauptmasse dieser Pfeiler zu sehr von den kleinen kernhaltigen Resten der Zellen, aus denen die Pfeiler sich entwickelt lıaben, gesondert — Resten, welche Krause auch zu den Pfeiler- zellen rechnet. Indem ich ferner seiner ungenügenden Erklärung der Beziehun- gen zwischen den Pfeilern einerseits und der Basilarmembran an- dererseits wie alles Sonstigen, besonders der Zwillingszellen (8.133) meine Beobachtungen entgegenstelle, will ich mich hier auf die Ver- bindung der Letztern mit den Nerven beschränken. Was den Zweifel an die Existenz einer solchen Verbindung betrifft, so ist er einigermaassen erklärlich, wenn es Einem nicht gelungen ist, sie zu sehen. Dass sie aber deshalb zu den allgemein als zweifelhaft anerkannten Nervenendigungen gerechnet werden darf, wie Krause will (S. 534—536), dagegen muss ich hier ent- schieden auftreten. Schon Böttcher hat, wie wir gesehen (und vor ihm zum Theil Rosenberg, vgl. op. 17), das Vorhanden- sein einer organischen Verbindung zwischen Nerven und Endzellen vollkommen klar nachgewiesen. Seine Nachfolger sind allerdings in dieser Hinsicht weniger glücklich gewesen. Aber sorgfältigere Beobachtungen anderer, zumal Waldeyer’s und Gottstein’s, haben die Existenz dieser» Verbindung bestätigt. Endlich sprechen auch meine Untersuchungen, wie sie sich aus dem Obengesagten ergeben, ebenso positiv in demselben Sinne. Ich bin bis zu diesem Augenblick in Besitz von Präparaten, an denen für jeden die »fragliche« Verbindung klar vorliegt. Aus dem Gesagten ergiebt sich mit Sicherheit auch, dass, wenn wir die betreffenden Elemente der Gehörschnecke als mit den Fasern ihres Nervs in Verbindung stehend anerkennen, wir damit auch das Recht erlangen weiter zu gehen, nämlich sie für wirkliche Endzellen und den aus ihnen zusammengesetzten Apparat für einen wirklichen Endapparat des Schneckennervs zu halten. Dieser Umstand verleiht selbstverständlich den letztgenannten Ele- menten die allerwesentlichste Bedeutung in dem Schneckentheile des Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 559 Gehörlabyrinths und dies ist um so wahrscheinlicher, als es auch durch physiologische Untersuchungen bestätigt wird (s. unten). Aus diesen Gründen eben habe ich, um dies schliesslich noch zu bemerken, aus der langen Reihe der Benennungen, welche (frei- lich zu verschiedenen Zeiten) diesen Zellen von den Autoren ge- geben worden sind, keine einzige gefunden, die der Wirklichkeit entspräche oder nicht falsche Vorstellungen über ihren Charakter und ihre Bedeutung erweckte (so beispielsweise die allzu specielle Bezeichnung Böttcher’s »Hörzelle« oder die im Gegensatz dazu gar zu wenig besagende, von Henle, zum Theil auch von Krause angewandte Benennung »Deckzelle«, welche diese Elemente sogar mit dem gewöhnlichen Epithel auf eine Stufe stellt, was aber absolut unrichtig wäre). Physiologische Notizen. Was ich in dem Original meiner Arbeit über die Funetion der beschriebenen mannigfaltigen Theile des akustischen Organs aus- einandergesetzt habe und was ich hier mit einigen Veränderungen kurz wiedergeben will, basirt nicht auf experimentellen Beobachtun- gen an der Gehörschnecke, denn feine, d. h. mikrophysiologische, Versuche mit Letzterer wie überhaupt mit der ganzen Sphäre des Gehörlabyrinths sind an warmblütigen Thierer fast unmöglieh (und meine Versuche waren noch dazu wegen Mangels an den nöthigen Hülfsmitteln missglückt); — sondern auf einer sorgfältigen Ana- lyse der Structur und der Beschaffenheit besagter Theile, wobei nur die bekannten Beobachtungen am Gehörorgan niederer Thiere (z.B. Hensen’s über Dekapoden, an welche sich jetzt Ranke’s Arbeit über Pterotracheen anschliesst) und die Ergebnisse der phy- 'siologischen Akustik mit den Forderungen, welche sie an die Ana- tomie des Gehörlabyrinths stellt (s. Helmholtz, op. 25), zur Richtschnur dienen könnten. Diese Forderungen können in folgende Puncte zusammengefasst werden: im Gehörlabyrinth müssen dreierlei Mechanismen zur Erklärung der Gehörempfindungen existiren: 1) Vibrations- mechanismen, welche in Mitschwingungen zu gerathen vermögen, 2) Mechanismen, die musikalische Töne percipiren, und 3) Regulations- oder Dämpfungsmechanismen. Eben diesen Forderungen suchte ich nach Möglichkeit zu ge- 540 M. Lavdowsky: nügen. Da aber aus dem Ebenangeführten erhellt, dass von den Versuchen die Function der Gehörschnecke zu bestimmen, die Be- rücksichtigung der Rolle des Gehörlabyrinths überhaupt unzertrenn- lich war, da die physiologische Akustik es mit diesem in seiner Ge- sammtheit und nicht mit der Schnecke allein zu thun hat, — so ist es leicht verständlich, dass man oft nur hypothetisch ihren For- derungen genügen und unsere Frage beantworten konnte. So bin ich denn, um mich kurz auszudrücken, zu folgenden Ergebnissen gelangt. \ Die dem Gehörlabyrinth eigne Rolle — so weit sie sich in der Function seiner mannigfachen Apparate zusammenfassen lässt — besteht in der Thätigkeit zweier von ihnen: eines, welcher sich in dem häutigen Theile (die beiden Apparate der Ampullen und Säck- chen rechne ich für einen), und eines andern, der sich in der Schnecke befindet. Der erste dieser Apparate ist auf die elementaren oder ein- fachen Schallempfindungen berechnet, obwohl seine Rolle in der Function des Gehörlabyrinths die wichtigste ist; nach der Analogie seiner von mir vorausgesetzten Thätigkeit bei niedern Thieren nehme ich an, dass seiner Existenz vor allem unser Ohr die Fähigkeit verdankt, jene qualitativen Eigenthümlichkeiten des Schalles, durch welche er sich von den Licht- und andern Bewegungen unterscheidet, aufzufassen. Weiter aber, wenn eine complieirtere tonische Masse (ein ganzes musikalisches Bild) auf das Ohr einwirkt, so ist es mit Hülfe dieses Apparats fähig, nur den allgemeinen Charakter der- selben zu bestimmen. | Anders ist die Bedeutung des zweiten Apparats, der sich in der Schnecke findet und zwar eine doppelte: einerseits dient sie vermöge ihres mehr differenzirten und complicirten Baues dazu, alle andern Eigenschaften des musikalischen Bildes — von den verschie- denen Tonhöhen bis zur verschiedenen Klangfarbe (Timbre), — zu erfassen ; — andererseits erscheint sie als eine Stelle, wo auch die feine Unterscheidung derjenigen unregelmässigen Schwingungen statt- findet, welche wir Geräusche nennen. Die angegebenen Functionen beider Theile des Labyrinths werden durch folgende Bestandtheile ihrer Apparate verrichtet: in dem häutigen Theile durch die sogen. Hörhärchen mit den sie tra- genden Elementen; in der Schnecke durch die associirte Thätigkeit der Saiten und äussern Corti’schen Bögen, wobei hier als perci- Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 541 pirende Elemente die mit den Nerven verbundenen Endzellen er- scheinen. Die unerlässliche Feinheit der Empfindungen in der Schnecke, wie sie sich aus der oben angeführten Anschauung ergiebt, erklärt uns leicht die Ausrüstung dieser Endzellen mit besonderen Bildun- gen — mit den Hensen’schen Kapseln, — welche, ihrer Structur nach an die Tastkörperchen erinnernd, Organe vorstellen, die im höchsten Grade der Perception solcher rein mechanischen Erregun- gen wie Schallwellen angepasst sind. Darf man sich einen Vergleich erlauben, so kann man mit dem über die Bedeutung der Gehörschnecke Gesagten ihren Apparat zum Theil der macula lutea der Augenretina gleichstellen, während der Nervenapparat des anderweitigen Labyrinths mit den periphe- rischen Theilen der Retina verglichen werden könnte (jedenfalls nicht umgekehrt, wie z.B. Malinin op. 27 annimmt). Bei specieller Analyse der andern Theile der Schnecke nehme ich vor allem an, dass wir in der membrana basilaris nach ihrer Lage, ihrem Character und ihrem Bau aus geraden, elastischen und wie etwa Saiten zwischen beiden Treppen gespannten Fasern eine Vibrationsdecke haben, welche, wie Helmholtz bereits vermuthet hat (op. cit. 25, S. 226 u. folg.), höchst zweck- mässig zum Mitschwingen eingerichtet ist. Ferner müssen die Schwingungen ihrer Fasern sehr regelmässig sein, obgleich sie natürlich an verschiedenen Puncten ihrer Ausdehnung von verschie- dener Stärke sein können (d. h. der Höhe ihrer Stimmung ent- sprechend in einer bestimmten Zeiteinheit eine bestimmte Anzahl Schwingungen machen müssen). Am thätigsten bei der Vibration erweisen sich von den Theilen der Basilaris höchst wahrscheinlich eben die, an welche die Endzellen befestigt sind, weil diese Theile gerade am wenigsten belastet sind und den mittieren, respective die grösste Amplitude aufweisenden Puncten entsprechen, weshalb an ihnen die Vibration ungehemmt und so stark stattfinden kann, dass sie sich leicht den Endzellen mittheilt und diese als Perceptions- elemente erregt werden. Sodann ist ersichtlich, dass das Schwingen der Basilarfasern sich so oder anders auf die ebenfalls hier befestigten Corti’schen Bögen und zwar die äussern fortpflanzen muss, wobei diese nicht passiv in ihrer festen Verbindung mit den Saiten verharren können. Die Fülle von Saiten, von denen beim Menschen nach meiner 542 M. Lavdowsky: Zählung mehr als 500 auf jeden halben Ton gehen, zwingt uns end- lich, von andern Erwägungen abgesehen, anzunehmen, dass sie hin- sichtlich der Stimmung in kleinere oder grössere Gruppen zerfallen (was auch durch ihre anatomische Gruppirung bestätigt wird, s. oben, das 1.Capitel), Gruppen, welche auf die verschiedene Höhe der ein- wirkenden Töne berechnet sind. Aber in welcher Stufenfolge für die Basilaris als Ganzes ihre Stimmung ausgeführt ist, kann man trotz Helmholtz’ Annahme (l. ec.) über ihre höchste Stimmung an ihrem Anfang und die niedrigste an ihrem Ende, in der Nähe der Schneckenkuppel, schwer beurtheilen, weil in seiner Berechnung, die hauptsächlich auf die verschiedene Breite der Basilarmembran basirt ist (Hensen), weder die Differenz in der Dicke der Saiten noch ihre verschiedene Spannung in Betracht gezogen ist und über- dies nur eine Schicht der Saiten in Anschlag gebracht wird. Wie dem übrigens auch sein mag, so führt uns doch alles darauf hin, dass in der Gehörschnecke als regelmässig vibrirende Massen, wie die physiologische Akustik sie fordert, die Fasern der membr. basilaris, als pereci- pirende die Endzellen mit ihren Kapseln fungiren müssen. Doch giebt es Beobachter, welche der Basilarmembran unter keinen Umständen diese Bedeutung einräumen wollen. Von ihnen hebe ich als den neuesten P. Meyer hervor (op. 32, S. 141—178). Meyer nimmt hauptsächlich daran Anstoss, dass schon bei den niederen Wirbelthieren und sogar den Reptilien die Basilaris den Bau eines einfachen homogenen Blattes hat; andererseits soll sie bei den Säugethieren zu dick und nicht elastisch genug sein, um für vibrationsfähig gelten zu können, während nach seiner Meinung die »Hörhärchen« leicht diese Rolle übernehmen könnten. 2 Gesetzt, es wäre dies richtig, so könnte man sich den so eigen- artigen Bau der Basilarmembran bei. den letztgenannten Thieren nicht erklären, wenn man nicht etwa annimmt, dass er nur auf die besondere Lage und Befestigung der Endzellen berechnet ist, wie dies andererseits bei der retieularis der Fall ist (s. oben). Behält man in- dessen den Entwicklungsgrad der Hörfähigkeit bei den höhern Thieren im Auge — und Meyer übersieht ihn nicht — so ist leicht ein- zusehen, dass wir dem entsprechend auch eine Vervollkommnung des anatomischen Baues des Gehörorgans erwarten müssen, weil das eine mit dem andern Hand in Hand gehen muss. Ferner ist bekannt» Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 543 dass diese Vervollkommnung, ob sie sich auch über das ganze Laby- rinth erstreckt, dennoch vornehmlich in der Schnecke zur Geltung kommt: so erscheinen bei den Säugethieren die Corti’schen Bögen, die zweite Saitenreihe, beim Menschen sogar die vierte Reihe End- zellen und vielleicht manches .Andefe, was uns noch verborgen ge- blieben. Desgleichen unterscheidet sich bei allen Säugethieren der Härchenüberzug dieser Endzellen sehr von dem der niederen Thiere (auch von den »Hörhärchen« des benachbarten, häutigen Theiles des Labyrinths). Erinnert man sich nun daran, dass an solchen Thieren (Fischen, Amphibien und zum Theil auch Vögeln) im Gegensatz zu der schwachen Entwicklung der Basilaris gerade die »Hörhärchen« eine starke Entwicklung aufweisen (Cupula terminalis u. dergl.), — so löst sich damit nicht nur der von Meyer hervorgehobene Wider- spruch, sondern es wird auch kaum zu kühn sein anzunehmen, dass die besprochenen Bildungen des Gehörorgans (Basilaris und »Hörhärchen«) hinsichtlich ihrer Entwicklung im umgekehrtenVerhältniss zu einander und vielleicht in einer gewissen Abhängigkeit voneinander stehen. Wenn aber auch die Eigenschaften der Basilarmembran selbst gegen ihre Vibrationsfähigkeit zu sprechen scheinen, so kann man dies um so leichter widerlegen, je genauer man die Gehörschnecke der Säuge- thiere untersucht (was wir eben bei Meyer vermissen). Aber welche Bedeutung, fragt sich nun, haben die Härchen im Labyrinth überhaupt und in der Schnecke speciell? Im organi- schen Zusammenhang mit ihren Trägern, den Zellen, betrachtet, können sie natürlich in ihrer Bedeutung von diesen als percipirenden Elementen kaum getrennt werden; aber im Besondern muss man dieselbe Bedeutung für die Härchen, genauer Stäbchen (s. der anat. Theil) der Schnecke auf die Fähigkeit beschränken, nur auf solche Schallbewegungen zu antworten, welche eher den »Geräuschen« als den musikalischen Tönen entsprechen. Man muss nämlich annehmen, dass sie bei ihrer ungemeinen Kürze und relativ bedeutenden Dicke kaum regelmässiger Schwingungen fähig sind. So hat ebenfalls Helmholtz (op. eit.c S. 226) mit Recht behauptet, dass »Gebilde mit starker Dämpfung durch kurz vorübergehende Stösse und Strö- mungen des Labyrinthwassers verhältnissmässig stärker afficirt werden als durch musikalische Töne«. Und obwohl er nicht die Härchen der Schnecke unter solchen Gebilden verstanden hat, so scheint mir doch, dass von ihnen vor allem sein Ausspruch gelten muss. 544 M. Lavdowsky: Das Ehengesagte enthält auch eine Antwort auf die Alter- native, vor welche Sigmund Exner (op. 34, S. 252) durch seine Experimentaluntersuchungen über Tonempfindung gestellt ist: ich muss nämlich, um seine Worte zu brauchen, aber im Gegensatz zu ihm, behaupten, dass man im Ohre eher »einen specifischen geräusch- empfindenden Apparat« annehmen muss als die Nerven der Schnecke mit einer ganz aprioristischen physiologischen Eigenschaft ausgestattet denken, während Exner’ selbst sich gerade der letztern Annahme zuneigt (l. c.). Was also die Rolle der Schneckenhärchen anlangt, so weiche ich von der angenommenen Ansicht ab. ! Auf die Frage endlich, welche Gebilde im Ohrlabyrinth die Rolle der dritten von der physiologischen Akustik geforderten Me- chanismen, der Dämpfungsmechanismen, übernehmen könnten, können wir mit grosser Wahrscheinlichkeit antworten, dass als solche in der Schnecke die Corti’sche Membran in dem häutigen Labyrinth die Otolithe betrachtet werden müssen, wie Waldeyer es ausgesprochen hat (op. eit.). In Betreff der Membrana tectoria wenigstens sprechen alle ihre Eigenschaften und ihre Lage über den Endzellen sehr für die Wahrscheinlichkeit ihrer Bedeutung als Dämpfungsapparat. In demselben Sinne spricht sich auch P. Meyer aus. Dass man aber dieser Membran als einer äusserst weichen, gallertartigen Masse keine Vibrationsfähigkeit zu- schreiben kann, geben jetzt auch diejenigen Autoren zu, welche sie ihr ehedem zugeschrieben haben (Hasse). Doch darf nicht verschwiegen werden, dass die Corti’sche Membran von den a priori denkbaren Dämpfungsmechanismen nur den allerzartesten abgeben kann, was wiederum aufs beste zu der Feinheit der Empfindungen, wie sie in der Gehörschnecke stattfindet, passt. Die Dämpfungsthätigkeit dieser Membran stelle ich mir nun auf Grundlage ihrer Eigenschaften und Verhältniss zu den Endzellen in der Weise vor, dass bei jeder physikalischen Veränderung des sie durchdringenden Labyrinthwassers ihr Volum ebenfalls sich ver- ändern muss, wobei sie natürlich mehr oder minder einen Druck, wie etwa ein Pedal, auf die Endzellen, namentlich auf deren Härchen ausübt und auf diese Weise vor allem diejenigen (Geräusch)-Empfin- dungen regulirt, welche die Reinheit der Empfindung musikalischer Töne beeinträchtigen könnten. Zum Schluss kommen wir mithin wiederum auf den oben aus- gesprochenen Grundsatz, dass in der Gehörschnecke nicht so sehr ER EEE N, Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 545 der Act der einfachen Gehörempfindungen als vielmehr der com- plieirte Process der Differenzirung und Wahrnehmung der musikali- schen Töne vor sich geht. Und diese Ansicht wird für mich um so wahrscheinlicher, als auch pathologische Erscheinungen an der Schnecke, auf welche einige Autoren dieselbe Annahme basiren, da- für sprechen. So verweise ich auf Hermann Demmert, den ich unten ebenfalls eitirt habe (op. 33) und der nicht Anstand nimmt seinen Gedanken so zu formuliren: »Wir hören mit dem Vor- hof, wir verstehen mit der Schnecke«. Welchen Antheil an dem complieirten Process der Tonempfin- dung überhaupt die Centralnervenmassen nehmen, das ist eine Frage, deren Erörterung hier nicht am Platze ist. Verzeichniss der mit einigen Ausnahmen in dieser Abhandlung eitirten Literatur. 1. Todd-Bowman, The physiological anatomy and physiology of man. Lond. 1845—56. Bd. 11. 2. A. Corti, Recherches sur l’organe de l’ouie des mammiferes. Zeit- schrift f. wiss. Zoologie v. Siebold u. Kölliker. Bd. III. Sep.-Ausg. 1851. 3. A. Kölliker, Handbuch d. Gewebelehre. 5. Aufl. 1867, S. 714 (II); auch die Gratulationsschrift an Fr. Tiedemann: Ueber die letzte Endigung d. Nervus Cochleae ete. Würzburg 1854. 4. E. Reissner, Zur Kenntniss der Schnecke im Gehörorgan d. Säuge- thiere ete. Müller’s Arch. f. Anat. 1854. S. 420. 5. M. Claudius, Bemerkungen über d. Bau d. häutig. Spiralleiste d. Schnecke. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VII. S. 154. 6. A. Böttcher, Weitere Beitr. zur Anatomie d. Schnecke. Virchow’s Archiv f. path. Anat. etc. Bd. XVII. S. 243 u. XIX (seine ersten Beobachtungen s. in seinen Observationes microscopicae de ratione qua nervus cochleae mammal. terminatur. Diss. Dorpat. 1856). 7. Derselbe. Ueber Entwicklung u. Bau des Gehörlabyrinths. Dresden 1869. (Sep.-Abdr. aus d. 34. Bd. Acta nova Acad. Caesar. nat. cur.). 8. Derselbe. Kritische Bemerk. u. neue Beitr. z. Literatur d. Ge- hörlabyrinths. Dorpater med. Zeitschr. Bad. III, 2. S. 97 u. Sep.-Ausg. 1872. 9. M. Schultze, Ueber die Endigungsweise d. Hörnerven im Labyrinth. Müller’s Arch. f. Anat. 1858. S. 343. 10. Otto Deiters, Untersuch. über die lamina spir. membranacea. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 35 546 M. Lavdowsky: Bonn 1860 (seine vorhergegangenen u. nachfolg. Abhandlungen s. in Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. X, in Virch. Arch. Bd. XIX u. in Müller’s Arch. 1860—62). 11. O. Hensen, Zur Morphologie d. Schnecke des Menschen u. der Säugethiere. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XIII. S. 319. 12. Desselben Referat über Böttcher’s Buch: Entwick. u. Bau d. Ge hörlabyrinths (Nr. 7), nebst seinen eigenen Notizen im Arch. f. Ohrenheil- kunde. Bd. VI. 1871 (73) S. 1. 13. Derselbe, Studien über das Gehörorgan der Decapoden. Leipzig 1863, 14. Henle, Handbuch d. systemat. Anat. d. Menschen. Eingeweidelehre. Braunschweig 1866. S. 762 und die neueste Aufl. 1875. 15. Lowenberg, La lame spir. du limacon de de l'oreille de Uh omme et des mammiferes. Paris 1867. 16. Middendorp, Zur Histologie u. Entwicklung d. Schnecke. Monats- schrift f. Ohrenheilkunde. 1868. Nr. 11—12. 17. E. Rosenberg, Untersuch. über d. Entwicklung des Canalis coch- learis. Inaug.-Dissert. Dorpat. 1868. 18. C. B. Reichert, Beitr. zur fein. Anatomie d. Gehörschnecke in seinem u. Du-Bois-Reymond’s Arch. 1871. S. 117. (Abgedr. aus d. Wiener Sitzber. 1864.) 19. Hasse’s bekannte Werke, die sich zum grössten Theil in der Zeitschr. f. wiss. Zool. 1867—1872 und in seinen »anatomischen Studien« 1871—1872 finden, werden hier nicht eitirt, weil sie nur die Anatomie des Gehörorgans niederer Thiere behandeln. 20. Winiwarter, Untersuch. über die Gehörschnecke d. Säugethiere 1870. Separatabdr. aus d. LXI. Bd. d. Wien. Sitzber. 1. Abth. Mai 1870. 21. W. Waldeyer, Hörnerv und Schnecke. Stricker’s Lehre v. d. Ge- weben. 1872. S. 815. ‘22. J. Gottstein, Ueber d. fein. Bau u. die Entwicklung der Gehör- schnecke d. Säugethiere. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870, Nr. 40 u. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VIII. S. 145. 23. Nuel, Beitr. zur Kenntniss d. Säugethierschnecke. Dasselbe Arch, Bd. VII. S. 200. 24. Rüdinger, Das häutige Labyrinth. Stricker’s Handbuch. $. 882. 25. H. Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen ete. Braun- schweig 1870. (3. Ausg.). 26. Schumowsky, Physikalische Grundlage zur Theorie der Gehör- empfindungen. Ein kritisches Referat über Helmholtz’ eben gen. Werk: Med, Journal 1865. Nr. 7—8. (Petersburg). 27. J. Malinin, Das innere Ohr in physiologischer Beziehung. Doctor- diss. Petersburg 1866. 28. L. Ranvier, Recherches sur l’histol. et la physiol. des nerfs. Arch. de physiol. norm. et pathol. p. Brown-Sequard ete. Nr. 2—4. 1872. 29. Th. Eimer, Zur Kenntniss v. Baue des Zellkerns. Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. S. 141. ie Ser Eee En ee ee Me ren Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 547 30. Flemming, Eine Einbettungsmethode. Dasselbe Arch. Bd. IX. S.123. 31. Krause, Die neueste Aufl. von C. Krause’s Anatomie. Hannover 1876. 32. P. Meyer, Etudes histologiques sur le labyrinthe membraneux ete. Strassbourg et Paris 1876. 33. H. Demmert, Zur Gehörprüfung auf Grund einer Beobachtung von Necrose der Schnecke. Arch. f. Ohrenheilkunde. Bd. X. 34. Sigmund Exner, Zur Lehre von d. Gehörsempfindungen. Pflüger’s Arch. f. Physiologie. Bd. XII. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII—XXXV. Im nachstehenden Verzeichniss muss, wo über die Methode nichts erwähnt ist, angenommen werden, dass die betreffenden Objecte mit Osmiumsäure allein behandelt sind. — 3/7 bedeutet Ocul. 5, System 7 Hartnack u. s. f. Fig. 1. Taf. XXXI. Vergr. 3/7. Akustisches Organ in toto: der obere Theil des Stütz- apparats mit den anliegenden Theilen und der vestibulären deck- zelligen Schicht. Präparat aus der letzten Schneckenwindung eines ausgewachsenen Hundes, mit Silberoxyd und darauf einige Minuten lang mit Osmiumsäure und Pikrocarmin behandelt. Die Corti’sche Membran ist entfernt, der Endzellenapparat nicht dargestellt. @sp Ganglion spir. mit seinen Nervenzellen (a). N der daraus hervor- tretende Fächer der markhaltigen Nerven, an dessen linker Seite bei n — die »Randfasern«, welche für das gewöhnliche Epithel bestimmt sind, ACrista spir. mit ihrem kernlosen Endothel (b—c). Rh dunkler Streifen, der dem Anfang der Reissner’schen Haut entspricht. lv letzte Reihe Endothelzellen am Rande der crista. B mit Kernen versehenes Epithel der Spiralfurche, © charakterisches (wiederum kernloses) Endothelium, die innern Endzellen ete. (vgl. d. Text) bedeckend. hp dunkler Streifen kleiner Zellen, der habenula perforata entsprechend. E bezeichnet den von mir sogenannten obern Theil des Stützappa- rats mit seinen Bestandtheilen: D lamina reticularis als mittlerer oberer Theil dieses Apparats, 1) ihre für die äussern Endzellen be- stimmte Abtheilung, 2) Kölliker’s helle Platte resp. Kopfplatten der Corti’schen Bögen (d—d‘) mit Kopfstücken der äussern unter ihnen. (Die Bögen selbst sind, mit Ausnahme von drei k am Rande her- vorragenden, nicht abgebildet.) z »zonula fenestrata« oder durch- löcherter Theil der innern Kopfplatten der innern Bögen. z' kugel- 548 M. Lavdowsky: förmige Anhängsel auf den Ringen dieser zonula, 2” mit Silber ge- färbte Abdrücke der hufeisenförmigen Lagerung der Härchen (der innern Endzellen) in den Ringen der zonula. r ähnliche Abdrücke der Härchen (der äussern Endzellen) in den Ringen der äussern reticularis. g Phalangen der Letztern, die unter M, an einer schad- haften Stelle des Präparats, ihre frei hervorstehenden Plättchen zeigen. Von sr bis zum äussern Rande clz — reticularis accessoria externa (sr und zum Theil Z Deiters’sche Schlussrahmen , Hz und zum Theil auch ZL deren Maschen, die die Hensen’schen und Clau- dius’schen (clz) Zellen umflechten). Die accessoria interna ist, weil tief nnter B und C liegend, an diesem Präparate nicht sichtbar (vgl. d. Text). 7f unversehrt erhaltener Theil des tympanalbindegewebigen Faserstratum, Taf. XXXOI. Fig. 2A. Vergröss. 3/8. Schneckencanal mit seiner Epithelauskleidung im Querschnitt, von. einem jungen Hunde. Behandlung: Osmiumsäure Müller’sche Flüssigkeit, Entkalkung nach der in den Untersuchungs- methoden angegebenen Weise, Gummi arabicum und Erhärtung in Alkohol. Der Endzellenapparat mit den betreffenden Nerven hat seine normale Lage und Structur vollkommen bewahrt. Ce Höhle des ductus coechlearis. Los, Los’ vestibuläres und tympanales Plätt- chen der lamina ossea mit Blutgefässen (Bg) etc. R Reissner’sche Haut; ihr Anfang r‘, ihr Insertionspunct r“. Lsp ligamentum spirale und sv stria vascularis; L‘ Tympanalsichel des Spiralbandes, L’ L“' ihr Vestibulärrand, mit dem sich (bei r“) die Reissner’sche Haut verbindet. cr crista spir. mit labium vestibulare (Zv) und labium tympanicum (Lt). Mt Corti’sche Haut; von rm (ihre nicht vollkommen sichtbare Wurzel) bis an den Rand von Zv ihre innere, von Lv bis m‘ ihre mittlere Zone, m’ — veränderte dritte Zone, Membrana basilaris (Hn—Zp) zusammen mit dem labium tympanicum, etwas schräg geschnitten, was ihre drei Theile in halbflacher Lage sichtbar werden lässt. 2p’ Uebergang der zona pectinata in das lig. spirale. fi, fa Fussstücke der innern und äussern Corti’'schen Bögen; c' c' kernhaltige Zellenreste an den beiden Fussstücken, sf, s’f' zwischen den Letztern am Boden des Tunnels sich hinziehende Deiters’sche Stützfasern (sf — dem Beobachter näher liegende, s’ f" — entferntere Fasermaschen). gia innere und äussere Kopfstücke der Bögen; Kp äussere Kopfplatten; #s innerer Fortsatz des innern Kopfstücks mit/eingeklemmter entsprechender Endzelle (innerer Haarzelle — a). a’/Stabtheile von Zwillingsendzellen (äussere Haarzellen) mit ihren Härchen bei Ah; b zwei Zapfentheile dieser Endzellen (Deiters’sche Zellen), an die Phalangen der reticularis befestigt; b dritter Zapfen, abgelöst von der entsprechenden Stabzelle. «a, a”, a‘ zwei hinter Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 549 Fig. 2B. Fig. 2C. Fig. 2D. einander stehende Reihen von Stielen oder Basilarfortsätzen der Zwillingszellen, befestist an die z. pectinata. r,r,r zwischen den Stielen erhaltene Flechtwerkstücke des perpendiculären Theiles des Stützapparats. Diese Geflechtstücke haben uns ihre Fläche günstig zugewandt, so dass man an ihnen deutlich unterseheiden kann: die Grenzfasern (Nuel'schen Linien), ein sehr feines Netz zwischen ihnen mit Kernen und drei Reihen polygonaler Felder, rings an den In- sertionsstellen der Stiele durch die Grenzfasern gebildet (vgl. Fig. 7, 14 und and.). Hz Hensen'sche Stützzellen; Cz Claudius’sche Elemente, nach welchen das übrige Epithel der z. pectinata kommt, übergehend in das Epithelium des Spiralbandes (El, welches schematisch dar- gestellt ist). @sp Theil des Ganglion Spir. mit seinen centralen (N) und peripherischen (rn) Nerven. Hn Bündel aus Letztern, die sich als nackte Axencylinder durch die hab. perforata hindurchziehen. Von den von ihm ausgehenden varieosen Fäden Tn (obere Schicht der äussern Radialnerven) sind zwei im Tunnel, einer hinter den äussern Bögen gerissen, einer aber geht noch weiter und verbindet sich mit einer Stabzelle der ersten Endzellenreihe. Vergröss. wie oben. Abgespaltener Theil des Endzellenapparats der Katze mit der membr. basilaris ete. im Längsschnitt. a, a‘, a’, b, ec’ und Ah bezeichnen dasselbe wie auf obiger Fig. 2A. F’ Theil der habenula tecta; g‘ F' zona pectinata mit auseinanderklaffenden Faser- schichten und homogenem Raum zwischen ihnen; g zweite homogene Schicht in Gestalt einer Falte. n Bündel von varicosen Nerven- fäden, von denen ein Theil (innere Radialnerven) sich nach den innern Endzellen abzweigt (n‘), die Hauptmasse aber als obere äussere Radialnerven durch den Tunnel nach den äussern Endelementen zu verläuft und sich mit deren Stabtheilen verbindet. (Nur ist die Verbindung zwischen den Nerven und der dritten Zelle nicht zu sehen und zwar ist sie offenbar zerstört.) Vergröss. 3/9 immers. Von der Basilaris abgelöster Theil des Bogen- apparals im Profil (von demselben Thiere). @ innere und äussere Bögen; b Art ihrer Articulation; c,c‘ kernhaltigen Zellenreste an den Fussstücken beider Bogensysteme. e Anfang der »reticularis« ; f ihre Phalangen und Ringe (Erstere in etwas verändertem Zustande); s Deiters’sche Schlussrahmen — Anfänge des äussern accessor. Netzes. k zweite Maschenreihe dieses Netzes. Die drei Reihen faden- förmiger Anhängsel d,d’, d'', die unter der reticularis hervortreten, sind Spitzen der abgelösten Deiters’schen Zellen, Dieselbe Vergröss. Fünf isolirte äussere Corti’sche Bögen mit Pigmentkörnchen, die an der Oberfläche und in der Substanz ihrer Fussstücke zerstreut sind. Präparat aus der Schnecke des Pferdes. Fig. 3A. Vergröss. 3/10 immers. Vestibuläransicht des Corti'schen Organs 550 M. Lavdowsky: ‘ mit der membr. basilaris etc. aus der Schnecke eines alten Kanin- chens. (Die Zeichnung ist so gemacht, als wenn alle Theile in einer Ebene lägen.) «a äussere Grenze der zona pectinata. Ar beiden Seiten von a’ (schadhafte Stelle) ist deren faseriger Bau scharf zu sehen, von der rechten Seite überdies auch ihre Zerlegung in fünf (1—5) Faserabtheilungen, der Zahl nach den Reihen der hier befestigten äussern Oorti’schen Bögen entsprechend ; noch mehr rechts — sechster Abschnitt von Fasern, gänzlich abgespalten, mit dem entsprechenden Pfeiler (b‘). a“ Theil der Basilaris, der den Boden des Bogentunnels bildet, ebenso faserig wie a‘. b drei Reihen sehr breiter Basilarfortsätze oder Stiele der abgelösten äussern Endzellen; ihre ebenso stark entwickelten Füsschen (a‘') sind an die Saiten wie die Fussstücke der Bögen (b‘) befestigt. A, B Körper beider Bogen- systeme; d, f Gelenk- oder Kopfstücke; ce, c‘ Kerne an der Befesti- gungsstelle beider Bogenreihen (die sie umgebenden Protoplasma- massen sind verschwunden). c labium tympanicum und von kbis 1 — labium vestibulare. c’ innerer Theil des Erstern, habenula perforata, mit doppelter Reihe von Löchern, die durch die Fortsetzungen der innern Fussstücke (d‘) von einander abgegrenzt sind. E (k) »Gehör- zähne« des labium 'vestibulare mit »interdentalen« Furchen; 7 Reihen epithelähnlich gelagerter kleiner Zellen, die diese Furchen aus- füllen. D Linie der Verbindung beider labia. gn von der Tym- panalseite hindurchschimmerndes Bündel markhaltiger Nerven. Ueber Fig. 6B siehe die Erklärung zu Taf. XXXV Fig. 6A. Fig. 15A und 15B. Vergröss. 3/8. Theil der membr. basilaris im Längsschnitt Fig. 3B. (von einer Katze). a erste oder vestibuläre, a’ zweite oder tympa- nale Schicht der Saiten (vgl. Fig. 15C u.D); der helle Raum zwischen ihnen ist die dritte oder mittlere homogene Schicht. Beide Faser- schichten divergiren in der ganzen Länge der zona pectinata, dann aber fliessen sie in einen Stiel (habenula tecta) zusammen, wie auf Fig.2B. b helle Falte auf der T'ympanalseite —_ "vierte Schicht. d (auf Fig.B) drei erhaltene äussere Corti’sche Bögen, deren hervor- ragende Körper an den abgerissenen Enden sichtlich faserig sind. Taf. XXXIV. Vergröss. 3/10 immers. Vestibuläransicht des Endzellenapparats aus der Schnecke desselben Thieres. Die Basilarmembran sammt den Corti’schen Bögen mit Ausnahme der Gelenkstücke (c, d) und der lam. reticularis sind nicht dargestellt. « innere Endzellen mit ihren Härchen, unter b der Elemente entbehrende Kränze derselben Härchen. f drei Reihen äusserer Endzellen (nur aus Stabtheilen bestehend) mit ihrer charakteristischen Lage in den Ringen der reticularis. An der linken Seite ein kleiner Theil der Letzteren mit fast frei liegenden Ringen (/‘) und Phalangen (f‘). Von den äussern Endzellen sind die Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 551 ersten zwei Reihen normal gelagert (mit Ausnahme der künstlich angenommenen bogenartigen Form), die dritte dagegen (g) flach. Die mit dieser Reihe zugleich hervorgetretene membranartige Bildung ik, die an die Nuel’sche Abbildung des stielhaltigen Theiles der Endzellen erinnert (vgl. d. Text), repräsentirt eines der Flechtwerke des perpendiculären Theiles vom Stützapparat mit ihren wellen- förmigen Grenzfasern und Kernen zwischen diesen (h. Vgl.Fig.2A, 14 u. and... N charakteristische Bündel markhaltiger Nerven, von deren Spitzen deutlich in Form von nackten Axencylindern blasse Fäden ausgehen (r). Dieselben Fäden sind unter den Gelenkstücken der Bögen zu sehen und konnten auch etwas über die mittlere Linie des Tunneis hinaus verfolgt werden. » ein capillares Blutgefäss (rechts nicht zu Ende gezeichnet). Fig. 4. Vergröss. 2/9 immers. Ein Theil des äussern accessorischen Netzes von unten, d. h. von der Tympanalseite (ebenfalls von der Katze). Etwas abnorme Lagerung, in Folge der Versetzung einzelner Theile. a, a‘ gewöhnliches Epithel der zona pectinata. a’ Stellen, wo das Zellenprotoplasma herausgefallen ist und die Maschen des Netzes in Folge dessen !eer sind. D, b‘ eben solche, nur kleinere Maschen, den Hensen’schen Zellen entsprechend (a”). e eine Reihe äusserer Endzellen (Stabzellen) mit ihrem stielbaltigen Theil — rp. In diesem Theile lassen sich unterscheiden: veränderte Fortsätze der Endzellen (d), eine Reihe glänzender, wellenförmiger Fasern b’, die eigentlich zu dem perpendiculären Theile des Stützapparats gehören (vgl. »Grenz- fasern« auf Fig. 2A, 7, 14 u.and.); die Bildung eines, hier aber ver- änderten, Systems polygonaler Felder aus diesen Fasern — f; ferner schimmert hie und da eine Reihe zusammengeschrumpfter »Spiral- zinken« (vgl. Fig. 6 u. 7) und endlich an verschiedenen Stellen zer- streute Kerne, die theils zu diesem Theile der Endzellen, theils zu dem entsprechenden Theile des Stützapparats gehören. Fig.11A. Vergröss. dieselbe. Membrana basilaris von der Vestibulärseite. Präparat für die lamina reticularis überhaupt mit Härchenüberzug der Endzellen und Böttcher-Waldeyer’s Körnerschicht; aus der Schnecke des Kalbes. « Deiters’ Schlussrahmen und a’ a” äusser. accessori- sches Netz mit darin erhaltenen Epithelzellen (a). b Theile von Kölliker’s heller Platte (mit den innern Gelenkstücken — c). d Bild der in den Ringen der reticularis halbkreisförmig sitzenden Härchen (der abgelösten äussern Endzellen). Besonders interessant ist der Theil unter d‘: er besteht aus drei Gruppen von Härchen, von denen die eine aus dem frei liegenden Ringe hervorragt; von den beiden andern, die sich zugleich mit den Spitzen der Endzellen ab- getrennt haben, liegt der obere ganz frei, der untere aber im Halb- ringe eingeklemmt. d'' eine ganze Reihe solcher Halbringe mit denselben hervorragenden »Härchenbüscheln«. %s Rahmen der Pha- 562 M. Lavdowsky: langen und Ringe. c’ Stück (oberer Theil) des innern accessorischen Netzes. g Körnerschicht mit ihren Elementen, fast völlig entblösst von dem Epithel der Spiralfurche (die nur bei f sich erhalten hat). h besondere, nicht nervose Fasern dieser Schicht, über die man den Text vgl. — %k Theil der habenula perforata, gleichfalls vom Epithel entblösst. Fig. 15. C und 15 D. Vergröss. 2/10 immers. Zona pectinata mit ihren Faserschichten: von der Tympanalseite — ( (aus der Schnecke einer Katze) und von der Vestibulärseite — D (aus der Schneke eines Ka- ninchens). a,a erste Schicht der Fasern, b,c zweite Schicht derselben. Alle Fasern sind in Folge der Behandlung mit Osmiumsäure bei der Isolirung mehr oder minder von einander abgetrennt und auf ver- schiedenen Höhen theils geknickt, theils gänzlich gebrochen, weshalb sie überaus klar von einander zu unterscheiden sind. Daher erscheint auch der Rand der zweiten Schicht, stellenweise auch der der an- dern, in der charakteristischen Form rechtwinkliger Zähne, die in einem Falle (C) vorne stehen, im andern (D) hinter der Wand der ersten Schicht hervorragen. Diese überdies ist nach der Abblätte- rung nach vorne geknickt, ihre Fasern (a‘) haben sich, gleichsam nach unten fallend, von einander abgespalten u. s. w. Fig! 16. A. Vergröss. 2/8. Zona pectinata mit dem ligamentum spirale von einem jungen Kaninchen. « der feinfaserige innere Theil des Spiralbandes, b äussere Grenze der z. pectinata und Uebergang ihrer Fasern in die des Bandes (besonders deutlich an der kleinen Region unter a‘ b‘). ce spindelförmige Bindegewebskörperchen unter den Fasern der Zona pectinata und zwischen ihnen (Reste von der Entwickelung der Letztern). k, % dasselbe Bild von geknickten Fasern, wie auf Fig. 15 D. Auf der Oberfläche der Zona, unmittelbar an der Insertionsstelle der Corti’schen Bögen (d) drei Reihen polygo- naler Felder A — abgelöste Maschen des perpendiculären Theiles des, Stützapparats; die feinen Fäden, welche in deren Centrum befestigt sind, — abgetrennte Stiele der äussern Endzellen. In noch schönerer und heiler Form findet sich dasselbe Bild auf: Fig. 16B. (von demselben Thier bei Vergröss. 1/10 immers.), welche die zona pectinata im Verein mit den äussern Endzellen darstellt. An diesem Präparat sind deutlich zu sehen: dasselbe System polygonaler, faseriger Felder (d‘), in deren Centren die Stiele der Stabzellen be- festigt sind und die Entstehung dieser Felder aus den mit ihnen hier verbundenen Bildungen sub d, nämlich aus den Fasern, welche mit den Grenzfasern des perpendiculären Theiles des Stützapparats (vgl. Fig. 7k, 14 und and.) identisch sind. b Härchen, die sich an einigen Elementen erhalten haben. Fig. 17 A und B. Vergröss. 3/8. Bogentunnel und habenula perforata von oben, aus der Schnecke der Katze. Der Tunnelraum ist von der \ Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 553 Fig. 18. Fig. 5. linken Seite offen, was uns ermöglicht das an seinem Boden sich hinziehende System Deiters’scher Stützfasern A (fibroser Theil des Stützapparats) mit den darunter liegenden Theilen zu sehen. a, a’ Protoplasmamassen unmittelbar am Tunnelboden in Form von Feldern (protoplasmatische Felder), d Reihe von Kernen dieser Felder nebst solchen, die zu denZellenresten der Fussstücke der hier befestigten äussern Cortischen Bögen gehören (frei hervorragende Körper dieser Bögen b, an ihren Enden deutlich faserig). cc’ Verästelungen und Anastomosen der Stützfasern. d‘ Reihe von Kernen (der innern Fuss- stücke), mit denen die Stützfasern zusammengeklebt sind. Auf Fig. 17 B unter 1—2 Reihen derselben Kerne und der mit ihnen erhal- tenen Fasern im isolirten Zustande. f äusserer Rand der habenula perforata; g ihre eigentlichen Hügel mit Nervenlöchern zwischen ihnen; % auf der Fläche dieser Hügel befindliche und gleichsam mit ihnen zusammengelöthete Fussstücke der innern Corti’schen Bögen (das Nähere s. im Text). Unterer Theil des Stützapparats (von demselben Thier und bei der- selben Vergröss.),. Der Tunnelraum ist zu oberst gekehrt; darauf ist sein Boden, d.h. der entsprechende Theil der Basilaris, entfernt, aber so, dass das ganze, sie bedeckende Gerüst unberührt geblieben ist. Das Präparat ist in den Focus für A, die Stützfasern, gestellt und daher verschwinden alle zu unterst liegenden Theile, unter an- dern 9, g' Cortische Bögen mit ihren Gelenkstücken, allmählich aus der klaren Anschaulichkeit. B, B‘ untere Theile der reticularis accessoria externa et interna; a, b grobes und feines Maschenwerk des ersten Netzes (mit Resten der ihm entsprechenden Zellen); k, ı — ebensolches des zweiten Netzes. f (A) Verzweigungen, Anastomosen u. dergl. des Stützfasersystems; f’ gabelförmige Theilungen dieser Fasern vor den Fussstücken der äussern Bögen, ihr Durchgang zwischen diesen nach vorn und ihre Verbindung mit der ersten Reihe der polygonalen Figuren ce’. Diese Reihe wie auch die beiden tolgenden bilden drei zwischen b und f* eingesetzte Reihen faseriger Felder, die ein mit h auf Fig. 16A und d’ auf 17 B identisches System ausmachen (vgl. auch die entsprechenden Theile auf Fig. 2A, 4 u. and... Die in den Centren dieser Figuren durchschim- mernden und nach unten gehenden Fäden ce sind wiederum Stiele der Endzellen, welche auf den beiden angegebenen Zeichnungen dargestellt sind. f‘’ innere Theile der Stützfasern an den Fussstücken gleichnamiger Bögen und deren Kernen (g‘‘) in demselben Ver- hältniss wie auf Fig. 17 A und B. Taf. XXXV. Vergröss. 1/10 immers. Theil des Corti’schen Organs einer Katze mit seinen umgebogenen Radialnerven von der Vestibulärseite. a zona 554 M. Lavdowsky: peetinata. b’—b‘“ Reihen von Stabzellen, von denen die dritte aus ihrer natürlichen Lage gebracht und deren Zellen stark aufgequollen sind. An ihren Spitzen Deckplättchen zu sehen (mit Resten von Härchen); von den Seiten dieser Spitzen b’ aber gehen lange, wahr- scheinlich nervose Fäden ab, über die man Fig. 12 vgl. — c äussere Corti’sche Bögen. n n umgebogene Radialnerven; n‘' deren Fasern an den äussern Fussstücken (s. den Text). Fig.6 A und B (auf Taf. XXXTII). Vergröss. 3/10 immers. Isolirte Reihen äusserer Endzellen: Aaus der Schnecke der Katze, B von einem Hunde. a, a etwas gebogene Stabzellen, b,b in Form von Spiessen schräg gegen sie hin gelagerte Enden der Zapfenzellen. a’ die gemeinsamen Körper heiderlei Zellen (mit Pigmentpartikelchen bei p auf Fig. B). b‘, b‘ klar in Fäden zerfallende Phalangenspitzen der Zapfenzellen, c,c ebenso klar faserige Fortsätze oder Stiele der Stabzellen, sl System quer verlaufender (auf Fig. A besonders typischer) Bänder, »Spiral- zinken,« die zwischen die Stiele eingesetzt sind (s. den Text). n, n unzweifelhafte varicose Nervenendfäden. % (auf Fig. B) erhaltene »Grenzfasern«, über die man die folg. Fig. vergleiche. Fig 7. Präparat für besonders gut conservirte äussere Endelemente — Zwil- lingszellen (ebenfalls von einer Katze und bei gleicher Vergröss.). a typische Stabzellen mit ihren Härchen unter s, b Zapfenzellen (mit abgestumpften Spitzen). Beide sind stellenweise, z. B. bei b‘, heraus getreten, indem sie ihre gemeinsamen Körper hinterlassen haben. e deutlich prononcirte Stiele, jedoch dünner als auf der vorigen Eig., mit Spiralzinken versehen (sl), die ebenfalls ein wenig dünner sind. k, k wellige oder »Grenzfasern« des perpendiculären Theils des Stütz- apparats; A Bildung polygonaler Maschen oder »Felder« aus den- selben (vgl. Fig. 2A r, 16B d’). Fig. 8. Vergröss. 3/8. Drei Reihen Stabzellen in halbaufrechter Lage (von demselben Thiere in humor aqueus). « optische Durchschnitte dieser Zellen mit darauf gelagerten Härchenkränzen. n erhaltene Nerven- endfäden in künstlicher Biegung, deshalb auch ohne sichtbare Ver- bindung mit den Elementen. Fig. 9. Vergröss. 3/10 immers. Ein Paar isolirter Zwillingselemente, von denen jedes besteht aus: dem Stabtheil (a), dem konischen oder Zapfentheil (b), dem gemeinsamen Körper (c) und dem ihnen beiden gehörenden Fortsatz (d). Die Zapfen sind auf dieser wie auf der Fig. 7 zu dunkel und körnig gerathen. sl ein Stück der Spiralzinken, der sich mit dem Stiel des rechten Elements abgetrennt hat. Präparat von der Katze. Fig. 10A.undB. Vergröss. dieselbe. In humor aqueus isolirte Endzellen mit ihren Nerven. Die vier Elemente rechts sind äussere und zwar Stabzellen (von denen an’ aus der Schnecke einer Katz, bn'“ — des Kalbes), Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 555 das eine links (c) ein inneres aus der Schnecke eines Hundes. An dem Letztern ist die gewöhnliche Form der Nervenverbindung (n‘'‘) dargestellt, vgl. Fig. 2 A und B., an den ersten vier hingegen die von mir sog. »plötzliche« Endigung. An ihren Nervenfäden ist zu beachten, dass die mit n‘ bezeichneten feine Varicosität haben, die mit n, n“' — gröbere. a‘ b’ dichotomisch verzweigte Nervenendfäder, von denen der Letzte am rechten Ende in ein Klümpchen körniger Substanz übergeht (wahrscheinlich einen Rest von einer zerstörten Zellenmasse. Unter B ein Stück vom tympanalbindegewebigen Faserstratum mit seinen Körperchen und Fasern (beigefügt zur Unterscheidung der Varicosität seiner Fasern von der entsprechen- den Erscheinung an den Nerven. Präparat von einem Hunde bei derselben Vergrösserung und in derselben conservirenden Flüs- sigkeit.) Fig. 10C. Vergröss. 3/10.immers. Fünfinnere Endzellen mit ihren grossen Kernen, dicken körnigen Basilarfortsätzen (b, b‘) und Nervenendfäden oder zweiten Fortsätzen (n,n). An den Spitzen der Zellen relativ sehr dicke Deckplättchen und auf diesen sitzende Härchen. (Die mittlere und die zwei Zellen am Rande aus der Schneke des Pferdes, die übrigen zwei vom Hunde. Präparat in Blutserum.) Fig. 11 B. Vergröss. 2/10 immers. Einige isolirte Stabzellen in humor aqueus. Fig. 12. Fig. 13. Das Paar a aus der Schnecke des Hundes mit dicken, vortrefflich erhaltenen Deckplättchen; von den folgenden drei b,b’ — aus der Schnecke der Katze mit dünnen Plättchen. Die Zellen b‘ zeigen überdies mehrere Vacuolen, eine Art von Formveränderungen ihrer Masse, in Folge der andauernden Einwirkung des Inductionstroms. Der Härchenüberzug aber hat sicn an allen Elementen fast voll- kommen erhalten. Vergröss. 2/9 immers. Eine kleine Reihe Stabzellen mit Fasern von Spiralnerven (aus der Schnecke der Katze, ebenfalls in humor aqueus). a untere, a’ etwas veränderte obere Kerne dieser Zellen (über die letzten »Kernbildungen« vgl. d. Text: Hensen’sche Kapseln); % Härchen an ihren Deckplättchen. /' abgelöste Rahmen der Reticu- larisringe. (Die neben ihnen von den Spitzen der Zellen schräg ab- gehenden Fäden sind wahrscheinlich, wie auf Fig. 5, Nervenendfäden, aber in abnormer Lage; sie erinnern auch an die Phalangenfort- sätze.) n unversehrt erhaltene Spiralnerven, zerstreut an den Stielen c; n'n ebensolche Fasern, in ein Bündel an der Basis der Zellen gruppirt. sl zahlreiche Spiralzinken, deutlich von den Nerven sich unterscheidend. Vergröss. 2/10 immers. Eine gleiche Reihe von äussern Endzellen, deren Zapfentheile besonders günstig isolirt sind (aus der Schnecke einer hungernden Katze). a,a zwei erhaltene Stabzellen; d,b Reihe Fig. 14. Fig. 19. Fig. 20. M. Lavdowsky: von Zapfen, deren Spitzen theils abgestumpft, theils (b‘) wie auf Fig. 6 A in Fäden zerfallen sind. b“ Körpertheile dieser Zellen oder Säckchen. e,c’ Stiele von beiderlei Zellen; sl Spiralzinken zwischen ihnen. % »Grenzfasern« (vgl. Fig. 7, 14 u. and.) n,n sehr gut con- servirte Spiralnerven, bestehend aus eben denselben varicosen Fäden wie auf der Fig. 12, auch, wie dort, in zwei Theile zerfallend. Ausserdem ist hier noch zu sehen, dass diejenigen Fäden, welche sich an den Zellenkörpern gruppiren, theils eine Art Nester für die Säckchen der Zapfen bilden, theils (auf der linken Seite der Figur) — die gemeinsamen Köper beider Zellen durchziehen. Vergröss. 3/10 immers. Stück eines Flechtwerks, das den perpendi- culären Theil des Stützapparats ausmacht (von demselben Thiere.) k,%k vielfach auf den andern Figuren angetroffene wellige Grenz- fasern mit Kernen (a) zwischen ihnen. (In ihren obern, d. h. ve- stibulären Theilen sind sie etwas dicker). 7p sehr feines Netz, welches zum Theil diese Fasern verbindet, zum Theil aus ihnen selbst gebildet wird. Vergröss. 2-3/10 immers. Isolirte Nervenzellen aus dem Ganglion spirale verschiedener Thiere. a, a ihre centralen, d,b peripherischen Fortsätze; b’ kurze Verbindungsfortsätze. c Zellenmembran, stellen- weise abgelöst und in Falten. ce‘ (an der Zelle 4) bruchstückweise erhaltene und die Zellkörper wie ein Käppchen bedeckende zweite oder Markhülle. d (5) eine von den Nervenzellen, kreisförmig mit einer Nervenfaser umgeben. 1, 2, 3 Nervenzellen, in deren Kernen Einer’s Körnchenkranz deutlich bemerkbar ist. f mehrere unipolare, junge Zellen mit gewundenen Fortsätzen und relativ grossen Kernen, Vergröss. 3/10 immers. Membrana basilaris und Körnerschicht mit ihren Nerven (aus der Schnecke eines jungen Hundes, in humor aqueus auf warmem Tisch). a zona pectinata mit Spuren ihres Epithels. b stellenweise erhaltene Stiele der Endzellen mit den sie umgeben- den faserigen Feldern e (vgl. Fig. 16 A, B u. and.). d, f Fussstücke der äussern Cortischen Bögen mit ihren Kernen. g vier innere End- zellen, an die Körnerschicht sich anschliessend; V Elemente dieser Schicht. X Epithel der Spiralfurche, unter welcher rechts ein Theil der habenula perforata durchschimmert. € Capillargefässe dieser Furche. N bündelweise und vereinzelt liegende markhaltige Nerven. (Dieser Theil der Basilaris ist, wie die letzteren Fasern, der Deutlich- keit wegen in einem andern Focus dargestellt.) N n,n Fortsetzungen der markhaltigen Fasern in die marklosen varicosen Fäden, vgl. Fig. 2A, 3B. n,n‘ weiterer Verlauf derselben durch die Körner- schicht ete. und Eintritt in die Tunnelhöhle. Der Typus der hier durch sie gebildeten Verflechtung (n‘) wie auch ihr weiteres Ge- schick sind im Text beschrieben (s. untere Schicht der äussern Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. 557 Radialnerven). % Bruchstücke der Stützfasern. M, M' Bündel innerer Spiralnerven, deren Fasern am besten am freien (linken) Ende, welches aus dem Präparat heraustritt, zu sehen sind. NB. Betrachtet man diesen Theil der Zeichnung genauer und besonders den Tunnelboden, so wird sich überdies zeigen: 1) eine weitere Fortsetzung des Spiral- bündels fast durch die ganze Dicke der Körnerschicht (in der Richtung nach M' zu), 2) ein System überaus feiner Querstreifen am Tunnel- boden und somit ein eigenthümliches, aus kleinen Vierecken zusam- mengesetztes Bild desselben (vgl. den Text). Fig. 21. Vergröss. 3/8. Theil des tympanalbindegewebigen Faserstratum aus der letzten Schneckenwindung der Katze nach Behandlung mit Silber. a, a Reihen von Bindegewebskörperchen mit varicosen Fort- sätzen; b Reihen von Fasern mit ebenso schöner und deutlicher Varieosität. c,d Stückchen einer besondern netzartigen Membran, die diese Schicht von der Tympanaiseite bedeckt (c kleine und grosse Löcher in dieser Membran; d reticulum zwischen ihnen, das die Hauptmasse derselben bildet). Dieselbe Membran, von der Bindege- websschicht ganz abgelöst, s. auf der letzten Fig. 22. Das Thier, dem dies Präparat entnommen ist, wie auch Behandlung und Vergrösserung dieselben wie bei der vorhergehenden Zeichnung. Die Bindesubstanz der Acephalen. Von Prof. Kollmann in München. Mit Tafel XXXVI und XXXVII. Meine Studien über den Kreislauf der Mollusken !) führten mit Nothwendigkeit zu Untersuchungen über die Bindesubstanz dieser Thiere. Der Kreislauf ist bekanntlich unterbrochen, aus den Aesten der Aorta ergiesst sich das Blut wenigstens bei den Acephalen und Cephalophoren in die Lücken der Bindesubstanz; Lacunen sind es, welche den Strom aufnehmen und weiter leiten, bis er wieder an wahren Gefässen, den Venen, ankommt. Die Beschaffenheit dieser Bindesubstanz, die Art ihrer Lücken musste nun vor allem die Auf- merksamkeit erregen. Hat doch die Circulation des Blutes bei diesen niederen Thieren gerade wegen der Unterbrechung des Röh- rensystems eine entschiedene Aehnlichkeit mit der Circulation der Lymphe bei den höheren und man darf mit gutem Grund erwarten, dass sich die beiden Erscheinungen wohl auch gegenseitig etwas aufklären helfen. Aber auch ohne eine soiche vergleichende Tendenz war die Bindesubstanz für sich allein schon von grösster Bedeutung. Giebt es wirkliche Spalten, oder ist die Bindesubstanz in der That, wie Flemming?) meint, reducirt auf einen vielfach verästelten Schlauch, welcher die Wand der Blutbahn darstellt und aussen mit grossen rundlichen Zellen besetzt ist? Ist dem wirklich so, dann ist es entschieden falsch, von einem unterbrochenen Kreislauf zu sprechen, dann ändert sich nur der Charakter der Gefässe und es tritt zwischen 1) Der Kreislauf des Blutes bei den Lamellibranchiern, den Aplysien und den Cephalopoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVI. Bd. 2) Flemming, W. Ueber Bindesubstanzen und Gefässwandung bei den Mollusken. Mit 1 Tafel. Rostock 1871. Die Bindesubstanz der Acephalen. 559 - Arterien und Venen eine besondere Art von Röhren, »ein dünner, J vielfach verästelter Schlauch«; aber damit fehlt den Acephalen das- jenige, was man eine Lacune, eine interstitielle Lücke nennen Könnte, vollständig; dann hat die früher für unterbrochen gehaltene Blut- bahn doch »eine Wand«, noch dazu »aussen mit grossen rundlichen Zellen besetzt«. Lacune und Schlauch sind also in diesem Fall wie in jedem anderen zwei verschiedene Dinge. Es muss also zu- nächst klar gestellt werden, ob bei den Acephalen überhaupt inter- stitielle Lücken der Bindesubstanz vorkommen oder nicht. Die Ent- scheidung dieser Frage hat grössere Schwierigkeiten, als man auf den ersten Augenblick erwarten sollte. Der Grund liegt zum Theil darin, dass die Bindesubstanz dieser Thiere etwas fremdartiges hat und dass sie besonders in ihren Wandelungen bei keiner einzigen Species hinreichend gekannt ist. Wir wissen freilich längst, dass man es mit Gallertgewebe zu thun hat, aber die Zellen und Fasern, die in ihm auftreten, werden von verschiedenen Beobachtern sehr verschieden beurtheilt, wie später gezeigt werden soll. Eine natür- liche Folge dieser wechselnden Auffassung ist das Fehlen scharf be- grenzter Bezeichnungen. Für ein und dieselbe Sache werden ver- schiedene Ausdrücke gebraucht. So, um nur ein Beispiel hervor- zuheben, tritt oft der Name Gefäss auf, wo man von Lacune sprechen sollte, oder Capillare uyd Lacune werden in demselben Sinne ge- braucht, obwohl sie etwas sehr differentes bezeichnen. Es scheint deshalb unerlässlich, vor der eigentlichen Darlegung meiner Beob- achtungen die Bedeutung einiger Ausdrücke zu fixiren, mit denen man es in Zukunft immer wieder zu thun hat, wie Gefäss, Lacune, Sinus, Schwellnetz, Gallertgewebe und Bindegewebe. Ein solcher Versuch ist für den vorliegenden Zweck nichts weniger als über- flüssig. Man könnte zwar sagen, für die Wirbelthiere seien ja längst hinreichend klare Begriffe gewonnen, welche man ja nur benutzen dürfe. Allein das Gefühl der Sicherheit ist doch wesentlich er- schüttert durch die Arbeiten der letzten Jahre über das Binde- gewebe und das Lymphgefässsystem. Ueberdies sind diese Bezeich- nungen nicht so unbedingt zu verwenden, wie schon die kurze Be- merkung über den Stand der Circulationsfrage bei den Mollusken gezeigt haben dürfte, Ich wage also für die vorliegende Mittheilung einen solchen Versuch. Es wäre schon ein kleiner Gewinn, brächte er keine Vermehrung der schon vorhandenen Schwierigkeiten. Um die oben erwähnten Ausdrücke präeis fassen zu können, 560 Kollmann;: muss vorerst die Frage bezüglich der Endothelien bei den Acephalen besprochen werden. Endothelien bei den Acephalen. Es unterliegt heute keinem Zweifel mehr, dass auch bei den Acephalen die Gefässe mit Endothelien ausgekleidet sind. Zunächst will ich daran erinnern, dass Eberth!) bei Anodonta intermedia und Ostrea edulis auf der Innenfläche des Pericards, dann auf der äusseren Fläche des Vorhofes und der Herzkammer einen vollstän- digen Ueberzug leicht isolirbarer mit einem Kern versehener Zellen von ca. 25 u. Grösse beschrieben hat. Ich kann diesen Befund für Anod. cygnea bestätigen. In den grossen Gefässen findet sich ferner nach demselben Beobachter ein Mosaik von spindelförmigen, schräg und senkrecht zur Axe des Gefässes liegenden Feldern von ca. 90 u. Länge und 20 «. Breite; die rundlichen oder ovalen Kerne messen 6 u. Zwischen diesen liegen noch polygonale, gleichfalls kern- haltige Zellen, was ich gleichfalls bezeugen kann. (Siehe Eberth a.a.O. Taf. VII. Fig. 1. Aorta von Anod. intermed.) Die Existenz der polygonalen Formen halte ich für besonders wichtig. Denn gegen ihre Deutung als Endothelien lässt sich nichts einwenden. Bei den Wirbelthieren kommen ja ganz dieselben Gestalten vor. In den Kiemen hat der Nachweis von Endothelien eine besondere Wich- tiekeit, weil es sich heute darum handelt, ob auch der Kreislauf der Kiemen unterbrochen sei, wie derjenige des Eingeweidesackes oder nicht. Ich constatire also hier zunächst, dass, abgesehen von mir, noch zwei andere Beobachter Endothelien in den »kammförmig« verlaufenden Kiemengefässen bei Anodonta nachgewiesen haben (Eberth, Posner?). Auf meiner Fig. Ik, Taf. XXXVI sind in der unteren aufgeschnittenen Hälfte des Kiemengefässes sowohl die strang- artigen als die polygonalen Zellenformen zu sehen. Ganz von dem- selben Aussehen kehren sie bei Unio margaritifer wieder. Die Silberfärbung tritt übrigens, wie ich hervorheben will, bei den Süss- wasserformen sehr schwer ein, viel leichter bei den marinen, doch 1) Eberth, C. J. Ueber den Bau und die Entwicklung der Blut- capillaren. II. Abhdlg. Ueber die Blutbahnen der wirbellosen Thiere; mit 2 Taf. Würzburger naturw. Zeitschr. VI. Bd. 1866. 2) Posner, C. Ueber den Bau der Najadenkieme. Arch. f. mikr. Anatomie. XI. Bd. mit 1 Taf. Die Bindesubstanz der Acephalen. 561 ist es auch dort nothwendig, mit starken Lösungen 1°/, zu injieiren und vorher mit süssem Wasser etwas abzuwaschen. Eine höchst überraschende Erscheinung liegt in dem auffallenden Wechsel der Endothelgestalt. Bei Pinna nobilis haben die kammförmig verlau- fenden Gefässe querliegende, langgezogene Endothelzellen, Taf. XXXV], Fig. 2a. Die Kittlinien sind an manchen Stellen verdickt oder treten auseinander und umschliessen ovale Räume von Kerngrösse. Ganz verschieden erscheinen die Zellen bei Mytilus, Fig. 2b; die Formen stehen der Kreisform näher, die Ränder sind nur kolbig ausgezogen; die grossen ovalen Kerne leicht nachzuweisen, jeder Zweifel über die Natur der Zellen selbst ausgeschlossen. Soweit der Nachweis von Endothelzellen bisher geführt ist, treten zwei Arten in den verschiedensten Combinationen auf. Wichtig ist dabei, dass die in Fig. 2 dargestellten Extreme bei ein und demselben Individuum existiren. Die aus der Aorta entspringenden Aeste, die feinen Capillaren mit inbegriffen, haben bei Mytilus das viereckig querliegende Endothel, ähnlich wie Fig. 2a, doch noch unregelmäs- siger, die Kiemencapillaren sind dagegen durch das rundliche, mit den ineinandergreifenden kolbigen Fortsätzen versehene ausgezeichnet. Man sieht, ein und dieselbe Zelle von derselben physiologischen Bedeutung ist an der einen Stelle des Gefässrohres bandartig in die Länge gezogen und umgreift das halbe Lumen, an der anderen ist sie rundlich und ihre Fortsätze bleiben innerhalb sehr enger Grenzen stehen !). Wir brauchen für diesen speciellen Fall die mitunter seltsamen Formen und Verlaufsarten der Endothelien nicht ausführlicher zu verfolgen. Der Nachweis ihrer Existenz und ihrer auffallenden Ver- schiedenheiten genügt. Ich werde also im Verlauf dieser Mitthei- lung den Ausdruck Gefäss nur dann anwenden, wenn sich dieser 1) Der Nachweis der Endothelien durch Silberinjection ist, wie auch von anderer Seite schon hervorgehoben wurde, etwas unsicher, namentlich desshalb, weil solche Einspritzungen ziemliche Uebung erfordern. Bei My- tilus, dessen Kiemen sehr schwer für eine Spritze zugänglich sind, gelingt der Nachweis des Endothels, wie ich später fand, auch durch einfaches Uebergiessen der frischen Kieme mit 1°/, Lösung. Nach 10 Minuten Entfernung aus dem Silberbad, Waschen in destillirtem Wasser, Härtung in Alkohol, dann Ent- fernung des Epithels durch Pinseln in Wasser und Glycerin. Man hat dann nur die Endothelzeichnung auf der Innenfläche des in dem Faden verlaufen- den Gefässes vor sich. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 36 562 Kollmann: charakteristische Theil desselben, das Endothel hat nachweisen lassen. Die in solchem Sinn genannten Gefässe können arteriell, venös oder capillar sein. Das Wort capillar erinnert jedoch an neue, oder besser an alte Streitfragen. Es ist noch nicht endgültig festgestellt, ob es denn bei den Acephalen auch wirkliche Capillaren gäbe. Um in dieser Hinsicht jeden Zweifel zu beseitigen, verweise ich auf Fig. 3a und b. Capillaren aus den Mundtentakeln von Anodonta cygnea. Sie sind durch Injection von Berlinerblau in die Aorta gefüllt. a bei geringem Druck, b bei starkem Druck. In der unteren Hälfte der Figuren verläuft quer die Arterie des Organes, Arteria tentacularis, und im rechten Winkel zu ihr entspringen die Capillaren. Wie bei den Wirbelthieren Capillaren von verschiedenem Kaliber unterschieden werden, so soll diess auch bei den Acephalen geschehen, schon des- halb, um jenen Spielraum festzustellen, der innerhalb der Grenzen der Dehnbarkeit liegt. Diese ist, wie die Figuren zeigen, allerdings ‚sehr beträchtlich, aber ich glaube nicht, dass bei b die Ausdehnung höher ist als sie auch während des Lebens bei der Wasseraufnahme vorkommt. Meine Voraussetzung scheint mir schon deshalb richtig, weil die Arteria tentac. sehr weit entfernt vom Injectionspunkt, Herz oder Aorta entfernt ist, die Masse auf viele Knickungen des Gefäss- rohres stösst, bis sie endlich in die Tentakeln gelangt und die Ten- takeln überdies nur selten gefüllt werden. Dass der Injecetionsdruck nicht dieGrenzen des physiologisch Möglichen überschritten, scheint mir ferner darin begründet, dass sich in diesem Fall die Tentakeln nicht vollständig füllten, sondern nur ein Theil, und dass keine Extra- vasate zu bemerken waren, die ja bei Acephalen so leicht eintreten. Es spricht also vieles dafür, dass in der Fig. 3b noch eine natür- liche Weite der Capillaren vor uns liege. Auf den Einwurf, der mir persönlich einmal gemacht wurde, die beiden dargestellten Ca- pillargebiete hätten nichts mit einander gemein, sie seien im Aus- sehen zu verschieden, brauche ich wohl kaum im Ernst einzugehen. Es ist ja in beiden Fällen dieselbe Arterie, auf dieselbe Art ent- springen die Aeste, sie verlaufen gleichmässig in den Leisten der Mundtentakeln, und was besonders hervorzuheben ist, die Anschwel- lungen sind partiell; zwischen den verdickten Stellen kommen stets Durchmesser zum Vorschein, welche denen der Capillaren in Fig. 3a völlig entsprechen. Die Bindesubstanz der Acephalen. 563 Die Weite der Capillaren ist nun folgende: Capillaren der I. Grösse, im gewöhnlichen Zustand, 42—53 «., nach starker Füllung, 56—120 u. Capillaren der II. Grösse, im gewöhnlichen Zustand, 15—30 u. Vergleicht man diese Zahlen mit denen der Capillaren des Menschen, so erscheinen sie allerdings sehr gross, denn diese schwanken nur zwischen 4—22 u. Der Gegensatz zwischen Wirbelthieren und Wirbellosen schwindet aber, wenn die Capillaren der Amphibien herangezogen werden. Bei Triton haben die feinsten Capil- laren eine Weite von 25 w., bei Proteus anguineus 36 — 40 u. Die Capillaren der I. Grösse werden unter solchen Umständen wohl bis an 50—60 «., also ungefähr '/;o Mm. messen!). Also bezüglich der Weite ist der Ausdruck von Capillaren zweifellos gestattet. Dass sie aber mit vollem Recht diese Bezeichnung führen, ist dadurch erhärtet, dass sie alle mit einem sehr regelmässigen Endothel aus- gekleidet sind. Die Silberinjection hat mir in allen in Fig. 3 ab- gebildeten Aesten die charakteristischen Kittlinien gezeichnet. Bei den Acephalen existiren also Capillaren, d.h. aus En- dothelien zusammengesetzte Röhren, deren Durch- messer zwischen 15—50 u. schwankt. Sinus. Die anatomische Feststellung des Begriffes lautet: ist der erweiterte Abschnitt des Gefässrohres. Man hat keinen Grund, von dieser Auffassung des Wortes bei den Mol- lusken und im speciellen Fall bei den Acephalen abzuweichen. Der Sinus muss stets, wenn er dem eben erwähnten Begriff entsprechen soll, mit Endothel ausgekleidet sein. Der Sinus Bojani hat nun in der That einen Endothelbeleg; er führt also den ersten Theil seines Namens mit vollem Recht. Auch der vom Herzbeutel umschlossene Raum gehört in die Reihe der Sinus bei den Acephalen. Eberth und ich haben das Endothel gesehen und die Bedeutung des Herz- beutels als erweitertes Gefäss unterliegt nach den Untersuchungen von Hessling’s2), Langer’s®) und nach meinen eigenen Erfah- 1) Die Maasse sind an einem in Balsam eingeschlossenen Präparat ge- wonnen, der minimale Durchmesser wird also etwas grösser sein, ebenso wie der maximale. Bedeutend ist jedoch der Unterschied im Vergleich mit dem frischen Object keinesfalls, denn die Thiere wurden nach der Injection erst in Chromsalzen erhärtet, ausgewaschen und dann in Alkohol und Balsam eingeschlossen. 2) Hessling, Th. v. Die Perlenmuscheln und ihre Perlen. Mit 8 Tafeln. Leipzig 1859. 3) Langer, K. Das Gefässsystem der Teichmuscheln. 2 Abhldgn. Aus den Denkschriften der Wiener Akademie, 1855 u. 1856. 564 Kollmann: rungen über den Kreislauf nicht dem geringsten Zweifel. Der Herzbeutel ist ein ächter Sinus, ein Sammelrohr, aus welchem das Blut nach zwei Richtungen abfliessen kann, entweder nach aussen durch den Bojans’schen Sack, oder in den Vorhof des Herzens auf dem Umweg durch das rothbraune Organ. Die Entleerung des Blutes durch den Bojans’schen Sack liegt in der Willkür des Thieres. Lacune. Verschieden von den obenerwähnten Bahnen des Blutes: den grösseren Gefässen, den Capillaren und dem Sinus ist die Lacune oder die interstitielle Lücke. Sie entbehrt eines Endo- thels. Niemals zeichnet in ihr das Silber endothelähnliche Figuren. Sie ist also entweder eine Spalte im Gallertgewebe, das die Organe verbindet oder trennt, oder im Gallertgewebe, das als solches Organe bildet, wie z. B. das rothbraune Organ und der grösste Theil des Mantels. Die interstitiellen Lücken sind bei den Acephalen mikro- skopisch klein und schwanken zwischen 35—100 u. Ich erinnere mich nicht, grössere Lacunen gesehen zu haben. Bei den Cephalophoren finden sich allerdings sehr ausgedehnte Spalten zwischen den Organen, welche nicht durch Gallertgewebe ausgefüllt werden, für diese wird es sich empfehlen andere Bezeich- nungen zu schaffen; dieLacune oder die interstitielle Lücke beiden Acephalen istein vonGallertgewebe,i.e.derBinde- substanz umschlossener mikroskopischer,endothelfreier Raum, der mit anderen vonähnlicher Beschaffenheit com- municirt. Wie die interstitiellen Lücken bei den Wirbelthieren zu- sammenhängen, so in noch viel auffallenderem Grade die der Acephalen ; auffallender, weil sich auf so leichte Art, durch dieInjection mittelst Ein- stich der Zusammenhang nachweisen lässt. Man kann desshalb auch von lacunärenNetzen sprechen, obwohl sie sich von selbst verstehen. Es existirt also, wie die Untersuchung nachweist, einscharfer Unterschied zwischen Gefäss und Lacune. Es mag noch in manchen Fällen schwer werden, die richtige Entscheidung zu treffen, wie sich später zeigen wird, aber das betrifft doch nur ein paar Organe im Körper der Acephalen. Gerade in dem Mantel und dem Fuss ist der Unterschied nicht zu verkennen. Für diese Abschnitte ‘ des Thieres ist der unterbrochene Kreislauf sicher nachgewiesen und für diese Thatsache beruht es. nach den Untersuchungen von v. Sie- | bold, Leydig, MilneEdwards, der ausgesprochenen Erfahrungen Gegenbaur’s!) u. A. und meiner eigenen ausgedehnten Injections- l) v. Siebold, Lehrbuch der vergl. Anatomie der wirbellosen Thiere. — Die Bindesubstanz der Acephalen. 565 versuche keine weiteren Beweise mehr. Die Ansicht Robins und Langers als der Hauptvertreter eines geschlossenen Gefässsystems ist also in dieser Hinsicht nicht zutreffend. Die beiden Beobachter übertrugen die Erfahrungen, die sie an dem Kreislauf der Kiemen gemacht, auch auf die Circulationswege des übrigen Körpers, und daher rührt wohl zum grossen Theil die irrige Auffassung vom Kreis- lauf überhaupt. Man muss den Kreislauf der Kiemen getrennt be- trachten von dem des übrigen Körpers. Geschieht dies, so wird sich die Ueberzeugung bald überall Bahn brechen, dass der Kreis- lauf im Mantel und Eingeweidesack unterbrochen ist, dass die Aorta ihr Blut aus den letzten capillaren Verzweigungen in Lacunen er- giesst, dass diese es weiterleiten, bis es von den durchbrochenen Venen aufgenommen wird. Diese lacunäre Bahn zwischen Arterien und Venen entspricht dem, was als Schwellnetz katexochen aufgefasst werden sollte, wenn überhaupt ein dringendes Bedürfniss existirt, diesen Namen beizu- behalten. Am besten wäre es freilich, ihn völlig zu beseitigen. Ge- schieht dies nicht, dann scheint mir unbedingt ein epitheton si- gnificans nothwendig, denn ohne ein solches entstehen neue Schwierig- keiten, weil eben jeder Theil des Röhrengebiets bei den Acephalen sich enorm ausdehnen lässt, wie die Fig. 3 deutlich zeigt. Ich habe schon in meiner ersten Mittheilung die enorme Dehnbarkeit der Gefässe betont, und nach den vorliegenden Abbildungen (Fig. 3) wird man leicht denken können, dass die Ausdehnung des Thieres schon sehr bedeutend werden muss, wenn sich Arterien und Capillaren ad maxi- mum erweitern. Kommt nun noch die Füllung der Lacunen, d. h. des lacunären Theiles der Blutbahn hinzu, dann entstehen jene mon- strösen Schwellungen des Fusses oder des Mantels, von denen jeder Beobachter mit neuer Verwunderung Notiz nimmt. DassLacunen an und für sich beinahe ad infinitum erweiterbar sind, ist von den ödematösen oder emphysematösen Schwellungen bei Thier und Mensch hinreichend bekannt; diese Fähigkeit ist also naturgemäss allen interstitiellen Lücken des Gallertgewebes und des Bindegewebes eigen und bietet nichts überraschendes. Sie ist dennoch ganz eigenartig bei den Acephalen, weil diese sonst hochorganisirten Thiere im Stande sind, willkürlich, durch Aufnahme von Wasser, dieselben im äussersten Leydig, Fr., Ueber Paludina vivipara. — Milne-Edwards, Sur la circu- lation chez les Mollusques. — Gegenbaur, C., Grundzüge d. vergl. Anat, 566 Kollmann: Grade aufzutreiben und nach Belieben durch Entleerung zu ver- kleinern. Man kann also die bei den Acephalen wie bei den Wirbel- thieren existirenden und untereinander zusammenhängenden Lacunen wohl als Schwellnetz bezeichnen, muss sich aber wohl erinnern, dass auch die Gefässe und Capillaren sehr dehnbar sind. Nachdem bis in die neueste Zeit gerade über diesen Theil des Kreislaufapparates verschiedene Auffassungen geltend geblieben sind, schlage ich vor, für die lacunäre Bahn des Blutes im Nothfall die Bezeichnung oder das Synonymum: lacunäres Schwellnetz zu gestatten. Das Epitheton »lacunär« würde nach meiner Ansicht vor jeder Verwechslung mit »capillaren« Schwellnetzen schützen; denn die letzteren hätten ein Endothel, die ersteren wären endothellos. Ich will den Gegensatz zwischen Capillare und Lacune an dieser Stelle noch gegen Legros!) besonders betonen, der sich zu der Be- hauptung hinreissen lässt, Lacunen gäbe es bei den Mollusken über- haupt nicht?). Weil es ihm gelungen, bei Ostrea und Pecten in den Arterien und Capillaren eine continuirliche Endothelschichte nachzuweisen, hält er die »Hypothese« (!) von Lacunen, in welchen das Blut direct die Gewebe durchtränken soll, für gegenstandslos. Legros urtheilt über den Kreislauf der Mollusken nur auf den Nachweis von Endothelzellen hin in einem beschränkten Gebiet des Kreislaufes, ohne die Circulationsbahnen im Fuss oder im Mantel dieser Thiere, also ohne die obenerwähnten Lacunen zu kennen. Dieser Unterschied von Gefäss und Lacune ist zweifellos und bei den Acephalen und Cephalophoren, wie schon erwähnt, zumeist leicht nachzuweisen durch die Silberinjection. An manchen Stellen der Tentakeln z. B. lässt sich der Gegensatz auch direct mit dem Mikro- skop verfolgen. Gelang es nach wiederholten Versuchen, über die Capillaren hinaus Farbstoff oder Silberlösung in die lacunäre Bahn hinüberzudrängen, so zeigt in dem einen Fall die Vertheilungsart der Injectionsmasse, in dem anderen das Aufhören der Endothel- zeichnung, wo das Gebiet der Gefässe endigt und dasjenige der Lacunen beginnt. 1) Legros, Ch., Note sur Tepithelium des vaisseaux sanguins; mit 3 Tafeln. Journal de l’anat. 1868. 2) Der Uebergang der Capillaren in die. Lacunen ist sehr eigenthüm- lich insofern, als sich die Capillaren unmittelbar vor dem Uebergang auf- fallend verengern, so dass selbst die flüssige Injectionsmasse gerade an dieser Stelle Halt macht. Die Bindesubstanz der Acephalen. 967 Ich unterlasse es, über die Form der Lacunen mich des Wei- teren zu verbreiten. In dem Mantel und Eingeweidesack konnte ich keine charakteristische Anordnung finden, nur in den Tentakeln sind sie strenge geordnet nach den Leisten und in den Muskeln kommen Formen vor, welche wahren Gefässen täuschend ähnlich sehen. Die Bündel zwingen nämlich dem Blut einen mehr geraden Verlauf auf, und die lacunären Bahnen zwischen parallelen Bündeln, wie in den adductoren erhalten dadurch eine aufiallende Regelmässigkeit, welche noch dadurch gesteigert wird, dass quere Anastomosen ziemlich regel- mässige Maschen veranlassen. Was nun die Bindesubstanz betrifft, welche diese lacunäre Bahnen trägt, so werde ich aus später anzu- führenden Gründen nur die Bezeiehnung Gallertgewebe hier an- wenden. Es wird freilich nothwendig werden, verschiedene Formen dieses Gallertgewebes zu unterscheiden, aber es giebt keine Veran- lassung von Bindegewebe zu sprechen. Unter Bindegewebe ist, und ich glaube mich damit in Uebereinstimmung mit allen Histologen zu befinden, stets leimgebendes fibrilläres Bindegewebe zu verstehen und speziell das fibrilläre Bindegewebe der Wirbelthiere. Bis zur Stunde fehlt aber der Beweis, dass die fibrilläre Bindesubstanz der Acephalen aus leimgebendem Gewebe bestehe. Bis derselbe erbracht ist, scheint es mir gerathen, von der äusseren Aehnlichkeit abzu- sehen und streng an dem thatsächlichen festhaltend, nur von ver- schiedenen Formen eines und desselben Gallertgewebes zu sprechen. Die Bindesubstanz. Die Bindesubstanz tritt bei den Acephalen in der Form des Gallertgewebes auf, dessen physikalisches Verhalten, wie Härte, Lichtbrechung in hohem Grade verschieden ist, denn es wechselt zwischen der bekannten leicht zerfliessenden Gallerte und der Härte des Knochens. Die erste Hälfte des obigen Satzes wird kaum be- stritten werden, überall wird ja, wenn man ein neueres Handbuch der vergleichenden Anatomie öffnet, die Bindesubstanz in dieser Weise als Gallertgewebe aufgefasst. Dem zweiten Theil des Satzes fehlt noch diese allgemeine Giltigkeit, es widerstrebt der geläufigen Vor- stellung mit dem Begriff von Gallerte auch den von Festigkeit zu verbinden und doch glaube ich den Beweis führen zu können, dass es knorpelhartes Gallertgewebe giebt, und ferner Gallertgewebe mit 568 Kollmann: Kalksalzen imprägnirt oder kurz ausgedrückt: Gallertknochen. Doch davon später! Das gewöhnliche Gallertgewehe, dessen gleichartige structurlose Beschaffenheit hinreichend bekannt ist, zeigt bei den Acephalen einen hohen Grad von Elastieität. Es kann ausgedehnt werden und kehrt später wieder in seine frühere Lage zurück. Essigsäure hat keinen Einfluss auf dasselbe. Man darf daraus schliessen, dass es sich bezüglich seiner chemischen Constitution ähnlich verhält wie die Bindesubstanz der Tunicaten, von der M. Schultze bekanntlich festgestellt hat, dass sie weder Leim enthält noch Schleim. Das Gallertgewebe der Acephalen enthält bisweilen Pigment, das nicht an Zellen gebunden, sondern frei als kleine Körnchen der Substanz eingelagert auftritt. Es kann aus den feinsten Molecülen bestehen, und eigenthümlich grau aussehen, wie im Eingeweidesack beiAnodonta !) Fig. 8, Taf. XXXVII, oder blauschwarz in Streifen sich über gewisse Strecken ausbreiten, wie an den Kiemenfäden von Arca Noae. Alkohol scheint auf dieses Pigment keinen oder nur wenig Einfluss zu besitzen. Auch die Ablagerungen von Pigment, welche Unio margaritifer unseres bayerischen Waldes an der Innenfläche der Kiemenblätter aufweist, werden von concentrirtem Weingeist nicht alterirt. Sie bestehen aus verschieden grossen bis schwarzbraunen Massen. Die Mengen des Pigments sind übrigens bei den Süsswasserformen sehr wechselnd, und hängen vielleicht mit dem Standort, dem Alter, der Jahreszeit etc. zusammen. An ein- zelnen Weingeistexemplaren habe ich z. B. vergeblich gesucht nach dem Pigment in dem Eingeweidesack der Anodonten. Dieses Gallertgewebe, farblos oder gefärbt, enthält Zellen zweifacher Art: spindel- oder sternförmige, welche bisweilen mit ihren Fortsätzen zusammenhängen, und rundliche, welche keinerlei Zusammenhang untereinander erkennen lassen. Die schärf- sten Gegensätze dieser beiden Zellenformen treten bei Anodonta in dem Gallertgewebe der Darmleiste Fig. 4 und in dem des rothbraunen Organes Fig.5 Taf. XXX\ lauf. Dieselben Verschiedenheiten kommen zwar auch in anderen Organen und bei anderen Acephalen vor, aber mit so entschiedenem Vorwiegen der characteristischen Gestalt sind . sie wohl kaum bei einer anderen Spezies wieder zu finden. Meine Erfahrungen erstreckten sich auf Arcaceen (Arca Noae und Arca 1) Aehnlich ist die Art des Farbstoffes und die Art seiner Vertheilung in dem Mantel der Unio margaritifer unserer bayerischen Perlenbäche. Die Bindesubstanz der Acephalen. 569 pilosa), auf Mytilaceen (Mytilus ed. und galloprov., Pinna nob. und mauric.) auf Ostreaceen (Peceten Jac. und glabr. Spondyl. gaedrop. Ostr. edul.). Eine genauere Untersuchung der Zellen ergiebt folgendes. An beiden Formen erscheint namentlich bei der Untersuchung im frischen Zustande eine scharfe Umgrenzung, welche jedoch nicht als eine Membran aufzufassen ist, so sehr sie auch auf den ersten Blick alle Eigenschaften einer solchen zu besitzen scheint. Die scharfe Linie ist in beiden Fällen auf eine Interferenzerscheinung zurückzuführen, bedingt durch die Ablenkung des Lichtes an der Aussenfläche jenes Raumes, in welchem der eigentliche Zellenleib sich befindet. Am leichtesten gelingt der Beweis für den ebenausgesprochenen Satz bei den Rundzellen im rothbraunen Organ von Anodonta. Bei der Be- schreibung jenes Organes werde ich darüber ausführlich berichten; hier sei nur bemerkt, dass diese Rundzellen aus ihren Räumen her- ausfallen können wie die Knorpelzellen aus ihren Kapseln, und dann völlig membranlos sind. Der Raum selbst zeigt aber noch immer seine scharfe Begrenzung Fig.5 h. Sehr schwerist dagegen der Nachweis zu führen, dass auch die spindel-und sternförmigen Zellen in Hohlräumen des Gallertgewebes liegen, und dass die scharf begrenzten Ausläufer in Wirklichkeit keine Zellenfortsätze sind, sondern mit Protoplasma erfüllte Spalten. Die frische Untersuchung zeigt selbst mit sehr starken Objectiven nur soviel, dass tiefin die angeblich soliden Fasern hinein sich das granulirte Protoplasma fortsetzt, dass am grössten Umfang des Zellkörpers die angebliche Membran am schwächsten hervortritt, mit der Abnahme derselben an den bekannten Fasern jedoch immer deutlicher wird, während doch umgekehrt die Zell- membran, wenn sie vorhanden wäre, offenbar am Körper der Zelle deutlicher hervortreten müsste, als an den feinen Verzweigungen ; denn man darf mit gutem Grund voraussetzen, dass eine Zellen- membran mit der Abnahme des Zellkörpers, also hier mit der ausser- ordentlichen Verschmälerung der Fortsätze entsprechend feiner werde. Dann aber müsste eine Stelle kommen, wo die lichtbrechende Kraft entweder von dem Zellfortsatz und seiner Hille einerseits oder von dem umgebenden Gallertgewebe anderseits einander gleich sind, und man könnte nur noch den Zellfortsatz, nicht aber dessen sogenannte Membran (die Faser) sehen. Aber gerade das Umgekehrte ist der Fall, die angebliche Hülle wird statt feiner immer derber, bekommt immer mehr den Charakter einer Faser. Es liegt hier am frischen 570 Kollmann: Object aus dem Gallertgewebe der Anodonta ein ähnlicher Fall vor, wie seiner Zeit an der getrockneten Cornea. Die Frage war auch dort: Faser oder Spalte? Die Antwort lautet nach den letzten Mit- theilungen bezüglich der Cornea der Wirbelthiere: anastomosirende Spalten »in die Substanz eingegrabene Kanäle«, welche von den Horn- hautkörperchen theilweise (!) erfüllt werden. Man darf nicht ent- gegenhalten, die Gornea sei eine ganz besondere Bindesubstanz des Wirbelthierkörpers, denn dieselben Spalten und dieselben Zellen mit derselben Anordnung kommen auch in der Sclera vor. Haben sich so die Zweifel über die Beschaffenheit der Zellenausläufer in der Hornhaut als berechtigt erwiesen, so scheinen mir nach dem oben erwähnten nicht minder Zweifel berechtigt über die Aechtheit der Zellenfortsätze im Gallertgewebe der Anodonten. Hier wie dort liegen Bindesubstanzzellen vor uns. Die Zweifel über die Aechtheit der feinen Zellenausläufer, die gemeinhin Fasern genannt werden, steigern sich bei der Untersuchung von Präparaten, die mit Osmiumsäure behandelt und dann tingirt wurden, oder an Carmintinktionen nach Er- härtung in Alkohol, oder nach Silberinjectionen schwacher Lösungen, bei denen sich das Gewebe ja mitfärbt. Das Bild ist mit geringen Unterschieden stets dasselbe; die scheinbar starren Zellenausläufer sind verschwunden und es bleibt nur ein schmaler Fortsatz von Pro- toplasma, eine Verlängerung des Zellkörpers. Es waren jedoch weder diese Bilder noch die optischen Bedenken allein, welche meine Ansicht von der Hüllenlosigkeit der Spindelzellen zum Durchbruch kommen liessen, sondern die Untersuchung der Bindesubstanzzellen bei den Gastropoden und Cephalopoden. Bei keiner dieser Zellen ist der Nachweis einer Membran striete zu führen, wohl aber der vom Gegentheil. — Das sind, wie ich glaube, einige Gründe, um die Thesis aufstellen zu können, dass die Zellen im Gallertgewebe der Acephalen, und zwar sowohl die Rund- als die Spindelzellen mem- branlos sind. Beide Zellformen enthalten Pigment und zwar herrscht in dieser Hinsicht grosser Wechsel. Bei Anodonta, die am genauesten im frischen Zustand studirt werden konnte, tritt das Pigment in den Spindel- und Sternzellen in Form gellgelber, fettglänzender Kügelchen von 0,5 u. auf. Es liegt im Protoplasma bald auf einen bisweilen kleinen Raum be- schränkt (Darm, Mantel), bald erfüllt es den ganzen Zellkörper (Gallertgewebe der Muskeln); es ist durch Alkohol sehr leicht auszu- Die Bindesubstanz der Acephalen. 571 ziehen, ebenso dasjenige in den Epithelzellen angehäufte; es erscheint dadurch verschieden von dem in das Gallertgewebe eingeschlossenen, das sich in Alkohol nicht oder nur sehr wenig verändert. Das Pigment in den Spindel- und Sternzellen der Najaden, ferner das der Rundzellen bei Mytilus und Arca pilos. färbt sich unter dem Einfluss der Osmiumsäure schwarz. Eine andere Form der Ablage- rung von Pigment in den Bindesubstanzzellen besteht in der Häufung grösserer gefärbter Concretionen. Sie sind im Verhältniss zur Zellen- grösse oft ganze Ballen, deren wahre Natur noch zu eruiren ist, die aber wahrscheinlich doch als Pigmentmassen aufzufassen sind. Sie scheinen mit Vorliebe in den Rundzellen zu sitzen und begeg- nen namentlich bei der Untersuchung der Najaden-Kiemen. Es kann bisweilen schwer werden, den Kern nachzuweisen, weil er von dem Pigment bedeckt ist; bei Tinctionen mit Anilin zeigt sich jedoch, dass diese Pigmentmassen in der That an das Zellprotoplasma ge- bunden sind, und der Kern frei geblieben ist. Eine sehr eigenthümliche Pigmentablagerung haben die Rund- zellen des rothbraunen Organes von Anodonta. Bei diesen ist der Kern diffus schwachgelb gefärbt, Fig. 5r, Taf. XXXVI, das umge- bende Protoplasma ist farblos und schwachkörnig. Die starke Häu- fung dieser Rundzellen, Fig. 5, Taf. XXXVI, mit chromgelbem Kern bedingt die charakteristische Färbung des rothbraunen Organes. Die mitgetheilten natürlichen Zellenfärbungen beziehen sich wesentlich auf die Najaden, und sie bezeichnen wohl die Hauptarten der Pigmentablagerungen im Protoplasma oder im Kern. Aber es lässt sich voraussagen, dass innerhalb dieses Rahmens zahlreiche Ver- schiedenheiten existiren werden bei den verschiedenen Familien. Ich will nur ein paar Beispiele anführen. Bei Mytilus galloprovineialis aus Triest, kleine Exemplare, fanden sich in den Rundzellen nur einzelne kleine gelbe Körnchen innerhalb des hellen Protoplasmas. Bei Arca pilosa sind in denselben Zellen die hellgelben Pigment- körnchen so zahlreich, dass nur der Kern freibleibt und als heller Fleck auffällt. In dem Gallertgewebe finden sich auch andere Elemente; es ist stets vermischt mit anderen Substanzen. Ich erinnere an Blut- körperchen, welche in den Lacunen liegen, an Muskelzellen, welche entweder isolirt oder bündelweise, nach einer und derselben Richtung oder in verschiedenen Richtungen, selbst radiär von bestimmten Punkten aus (Arca pilosa) verlaufen Fig. 4, 5, 6 und 7m. 572 Kollmann: Endlich ist darauf hinzuweisen, dass Gefässe und Nerven bisweilen durch die sonst gleichmässige Substanz ziehen. Wichtiger als die erwähnten Gebilde sind für unsere Betrachtung die elastischen Fasern, welche bei den Acephalen vorkommen. Sie sind im Ganzen sehr selten, gleichen übrigens vollkommen den feinen elastischen Fasern der Wirbelthiere was die Art des Verlaufes und die Licht- brechung betrifft Fig. 4e. Auch sind sie resistent gegen die Essigsäure. Wenn in früheren Arbeiten über viele elastische Fasern berichtet wurde, so glaube ich, dass sehr oft eine Verwechslung mit feinen Muskelfasern zu Grunde lag, wie aus späteren Mittheilungen her- vorgehen dürfte. Nach der Erörterung dieser allgemeinen Eigenschaften der Grundsubstanz und der Zellen gehen wir über zur Beschreibung der besonderen Formen des Gallertgewebes. Besondere Formen des &allertgewebes. a. Das Gallertgewebeder Darmleiste von Anodonta. (Taf. XXXVI, Fig 4.) In der Darmleiste liegt das Gallertgewebe der Anodonta mit eingestreuten Spindel- und Sternzellen am deutlichsten vor dem Beschauer. In durchsichtiger gleichartiger Grundlage liegen die Zellen mit ihrer hellgelben Färbung. In der Regel lässt sich ein Kern nachweisen, doch gibt es auch Fälle, wo dies nicht gelingt. Flemming!) hebt hervor, dass die Fortsätze der gestreckten oder eckigen Zellkörper in mehrere Ausläufer von ausserordentlicher Länge zerfahren. Die Fortsätze sind an einer Zelle (Fig. 4 oben) vorzugsweise nach einer Seite hin gerichtet, aber nicht be- sonders zahlreich. Es scheint auf den ersten Augenblick so, weil Fortsätze der darüber liegenden Zelle in derselben Richtung ver- laufen. Ich habe auch bei anderen Arten keinen grösseren Reich- thum von Ausläufern gesehen. Derselbe Beobachter fügt hinzu, es sei schwer zu sagen, ob sich alle Fasern auf Zellausläufer zurück- führen lassen, da sie sich in allen Richtungen durchkreuzen und an Schnitten also vielfach von den zugehörigen Zellen abgetrennt sein mögen. Nach meinen Erfahrungen lässt sich nach Abzug der Muskelfasern, Fig. 4 m, eine kleine Zahl isolirter Fasern nachweisen, welche dem ganzen Verlauf und ihrer gleichmässig cylindrischen Gestalt nach den Charakter von selbstständigen Fasern zeigen, die 1) Flemming, a. a. O. $. 20. u Die Bindesubstanz der Acephalen. 573 nichts mit Zellenausläufern gemein haben. Sie gleichen vollkommen feinen elastischen Fasern Fig. 4e, wie sie auch im Mantel von Pinna Fig. 10 und dort unzweifelhaft vorkommen. Verdünnte Essigsäure hat weder auf die Zelle noch auf die Fasern einen nachweisbaren Einfluss. r Jedem Beobachter machen bei der frischen Untersuchung feiner gefrorener Schnitte die Zellen den Eindruck der nächsten Verwandt- schaft mit denen der embryonalen Bindesubstanz der Wirbelthiere. Die Aehnlichkeit wäre eine vollkommene, wenn nicht der Zellen- leib im Ganzen kleiner wäre und nicht die schon erwähnten Pigment- körnchen besässe. Das Gallertgewebe der Darmleiste besitzt einen relativ hohen Grad von Derbheit. Es setzt dem Zerdrücken und Zer- reissen einen entschiedenen Widerstand entgegen und widersteht auch etwas länger der Fäulniss. Von ähnlicher, aber etwas stärkerer Consistenz ist der Kiementräger von Pecten Jacobaea. Die Wand des Darmschlauches ist in ihrem Bau etwas ver- schieden. Sie hat zwar, wie die Darmleiste, unter den Epithelien eine Schichte derben Gallertgewebes, aber sie ist nur von geringer Dicke, ca. 40 «., und darauf folgt eine dichte Lage von Muskelfasern, Bei Unio margaritifer haben Darmwand wie Darmleiste genau dieselbe Beschaffenheit und Flemming weist mit Recht frühere An- gaben zurück, welche von »einem sog. formlosen von Kernfasern und Bindegewebskörperchen durchsetzten Bindegewebe« oder von »Schich- ten fibrillären und elastischen Gewebes« sprechen. Es ist zweifellos, dass in diesem Fall die feinen Muskelfasern von höchstens 2 u. Dicke irregeführt haben. b. Das Gallertgewebe des rothbraunen Organs von Anodonta (Taf. XXXVI, Fig. 5) zeigt Stränge eines dehnbaren und ziemlich resistenten Gallertgewebes. Die verschieden 40—60 u. dicken Stränge gb (Gallertbalken) hängen durch feine oder breite Brücken von 7—30 u. untereinander zusammen. Das auf diese Weise entstandene Maschenwerk enthält grössere und kleinere anastomosirende Räume Fig. 5], durch welche das in den Herzbeutel ergossene Blut zu dem Insertionsrand der äusseren Kiemenlamelle strömt, um von dort aus in den Vorhof des Herzens zu gelangen. In diesen Gallertsträngen finden sich, abgesehen von isolirten Muskelfasern und kleinen Muskelbündeln, die schon erwähnten zelligen Elemente, nämlich Spindel- und Sternzellen mit Ausläufern und Rundzellen. Die letzteren treten in sehr grosser Menge innerhalb 574 Kollmann: der Gallertstränge auf. Zerreissen bei der Anfertigung von Zupf- präparaten die Stränge, oder führt der Schnitt an den mit Osmium- säure behandelten Objeeten durch solche Lager von Rundzellen, dann ist das Sehfeld erfüllt mit anscheinend freien gelben Kernen. Bei Osmium-Glycerinpräparäten wird man jedoch bald gewahr, dass jeder Kern von einem glasartigen Protoplasmamantel umgeben ist. Fig. 5r, Taf. XXXVI. Im frischen Zustand ist das Protaplasma dieser Rundzellen, so wie es in der Fig. 5 r dargestellt wurde, nicht so scharf zu sehen, was zum Theil wohl daher rührt, dass die granu- lirte Beschaffenheit gering ist; nach Behandlung mit Osmiumsäure lässt jedoch die Schärfe des Bildes nichts zu wünschen. Diese Rundzellen, welche übrigens auch in anderen Partien des Gallert- gewebes vorkommen, nur nicht in so dichten Haufen, besitzen keine Membran. So lange sie in den Gallertsträngen liegen, wird bei der scharfen Contour diese Angabe nicht so bestimmt lauten, denn jede Zelle erscheint auf das bestimmteste abgegrenzt und man wird dabei zunächt an eine Membran denken. Allein an Schnitträndern, Fig. 5h, wird klar, dass die angebliche Membran nur der scharfe Rand jenes Raumes ist, der die Zelle einschloss und der nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure eine so bestimmte Linie zeigt. Den durch Prä- paration frei gewordenen Zellen fehlt ebenfalls eine Membran, wie schon wiederholt betont wurde, und so liegt denn hier dasselbe Ver- hältniss von Zelle und Intercellularsubstanz vor, wie es seit lange aus dem Knorpel der Wirbelthiere bekannt ist. Die hüllenlosen Zellen liegen in den Räumen der Grundsubstanz. Sollte die Frage aufgeworfen werden, ob in der That die Rund- zellen mit den Spindelzellen irgend etwas gemein haben, und ob sie nicht vielleicht erhärtete, in die Gallertstränge eingeschlossene Blut- körperchen sind, so müsste man daran erinnern, dass die frische Untersuchung dasselbe Resultat gibt, dass sich ferner leicht die Ueber- sangsformen von den Spindel- zu den Rundzellen gerade bei Ano- donta nachweisen lassen, und dass endlich bei anderen Arten eben- falls beide Zellenformen vorkommen und zwar so charkteristisch, dass jeder Zweifel über die Möglichkeit einer Verwechslung schweigen muss. Der Nachweis der Gallertbalken im rothbraunen Organ, der communieirenden Maschenräume und ferner der Beweis, dass in diesen Räumen oder Lacunen das Blut strömt, ist im frischen Zu- stand sehr schwer zu führen, es sei denn, dass man an gefrorenen Thieren Durchschnitte macht, die entweder frisch oder mit irgend Die Bindesubstanz der Acephalen. 575 einer färbenden Substanz injieirt sind. Doch nebenbei bedarf es weiterer Controle durch Injection von Silber, Härtung in Ueber- osmiumsäure, darauffolgender Färbung u. s. w. Nach Anwendung dieser verschiedenen Methoden werden bald hier, bald dort die Gallertstränge scharf hervortreten und zwischen ihnen die lacunären Blutbahnen sichtbar werden. Die Lacunen, denn so nur lassen sich die zwischen den Gallertbalken liegenden hellen Räume auffassen, sind im rothbraunen Organ 50—60 u. gross, bald rundlich bald oval, und sind schon oft als Schleimzellen gedeutet worden. Einer solchen Gefahr entgeht wohl nur derjenige, der eine genaue Kenntniss von dem Kreislauf der Anodonten besitzt. Die geringste Unklarheit in diesem Punkt muss zu einer falschen Beurtheilung des vorliegenden Organes führen. So wichtig und unerlässlich Injectionen in den Mantel sind, ohne Zusammenhang mit solchen des ganzen Thieres werden sie nur ein verwirrendes Bild erzeugen. Dann erscheinen umgekehrt »die Balken des spongiösen Netzwerkes sammt und sonders als Gefässe« und die Lacunen werden zu »blassen Kugeln«!). Vergleichen wir hierüber die Angaben der Beobachter. Man hat Leydig ?), wie ich glaube, entschieden Unrecht gethan, als man ihm die Entdeckung jener angeblichen Kugeln, die in Wirklichkeit Gewebslücken sind, zugeschrieben hat. In seiner Histologie ist nicht von »Kugeln« die Rede, sondern von einem grossmaschigen Gallert- gewebe und in der begleitenden Figur 55 wird die mittlere Schichte des Mantels einfach als »Bindesubstanzschicht« bezeichnet. Was Langer betrifft, so hat er einige schlagende Gründe angeführt, welche ihm die Deutung dieser hellen Kugeln als Zellen unmöglich machten. Er war allerdings von dem seltsamen Anblick des frischen Gewebes überrascht und im Zweifel, ob die hellen gerundeten Blasen von verschiedener Grösse nicht dennoch Zellen seien, aber — »sie haben keine Zellenkerne, und da sie stellenweise miteinander ver- schmelzen, so können sie kaum für Zellen gehalten werden und manchmal zeigen sie eine Anordnung, dass man sie für Kanäle halten könnte, die gewunden und verflochten sind«. Diese Ver- muthung Langer’s ist nun buchstäblich richtig und durch die In- jectionen beweisbar. Man kann bei Injectionen in den Herzbeutel 1) Flemming a. a. 0. S. 9. 2) Leydig, Fr., Lehrbuch der Histologie, Frankfurt a. M. 1857, S. 109 und Fig. 55. 576 Kollmann: mit freiem Auge den Gang der gefärbten Flüssigkeit durch die Maschen des rothbraunen Organes bis zum Vorhof verfolgen. Wenn trotz unserer verbesserten Methoden dennoch Zweifel darüber auf- tauchen können, was Gallertstrang, was lacunäre Blutbahn und was Zelle sei, so beweist dies nur die Schwierigkeit des vorliegenden Objectes. Flemming will z. B. »das zwischen den Lacunen befindliche Netzwerk, also die von mir ‘als Gallertbalken beschriebe- nen und in Fig. 5 abgebildeten Stränge mit Injectionsmasse gefüllt haben. Ihm erscheinen sie doppelt contourirt, ihm sind die Gallert- stränge ganz im Gegensatz zu meinem Befund »Gefässe« und was ich als Lacunen bezeichnet, deutet er als blasse Kugeln, als Schleim- zellen. Diese Auffassung ist irrig, gerade das Umgekehrte trifft zu: die Gallertstränge sind solide Balken (sit venia verbo), bilden ein Maschen- werk, und die von Flemming als Schleimzellen bezeichneten Ge- bilde sind Querschnitte der Lacunen. Es ist eine Menge von sehr verwickelten Umständen zusammengetroffen, welche den anerkannt guten Beobachter täuschen mussten. Vor allem lag ein Fehler darin, dass er die Thiere bald vom Herzen aus, bald durch Einstich in das rothbraune Organ füllte. Denn im ersten Falle liegen ihm wirkliche Gefässe vor mit Endothel, in dem anderen nur Lacunen. So wurde er veranlasst, im rothbraunen Organ nach Blutbahnen zu suchen, ähnlich denjenigen, die sich bei der Füllung vom Herzen aus zeigen, sich also nach Gefässwandungen umzusehen, die im rothbraunen Organ gänzlich fehlen. Die Aufmerksamkeit war durch dieses Verfahren in falsche Bahnen gelenkt, und es rächte sich der Missbrauch mit dem Wort »Gefäss«, wo in der That nur von Lacu- nen i. e. von interstitiellen Lücken die Rede sein kann. Es ist ferner, wie mich mehrfache Versuche lehrten, bedenklich, für das Studium des Kreislaufes bei den Najaden, »pralle Injectionen« mit Berliner Blau und Glycerinleim herzustellen. Jede pralle Füllung wird für das Studium des Gallertgewebes ominös wegen der Zerrung und Verschiebung des eigenthümlich angeordneten Gallertgewebes; dann erscheint fast das ganze Gewebe blau, nur kleine, ziemlich auseinandergerückte rund- liche Lücken erscheinen in der Farbmasse, dann drängt sich von selbst eine Deutung auf, die’in den Lacunen grosse blasse Zellen sieht, und in den Gallertbalken die Blutbahn vermuthet. Es ist nur eine natürliche Consequenz, wenn Flemming auch die Kerne in den angeblichen Schleimzellen findet, obwohl Langer ausdrücklich hervor- Die Bindesubstanz der Acephalen. 577 hebt, sie hätten keine. Zellen sind ja in nächster Nähe: die Zellen des Gallertgewebes Fig. 5s; endlich können noch Blutzellen in den Lacunen liegen, kurz, man kann ohne Zwang für eine solche vermeintliche Zelle auch einen Kern finden. Nur die Erkenntniss, dass man es hier nicht mit Blasen, sondern mit interstitiellen Lücken zu thun hat, hilft die richtige Lage der zelligen Elemente erkennen, deren Grösse bei Anodonta allerdings nicht sehr viele Unterschiede zeigt. Ganz anders jedoch bei anderen marinen Formen, die Flemming ebenfalls in das Bereich seiner Untersuchung gezogen hat, namentlich bei Mytilus; auch bei Arca pilosa, Mactra u. s. w. Bei diesen sind die Rundzellen in der That etwas gross, 30—36 u., nähern sich also den kleineren Lacunen des rothbraunen Organs bei Anodonta und werden vielleicht allen an Grösse gleichkommen, wenn eine pralle Injection mit DBerlinerblau und darauffolgende Härtung in absolutem Alkohol voraufging. Gerade wegen der Grösse der Zellen ist Mytilus kein günstiges Object, um die Zweifel in dieser verwickelten Frage zu lösen. Im Mantel ist vor allem störend, dass er gleichzeitig als Eierstock fungirt, und deshalb die verschiedensten Zellenformen kunterbunt durcheinanderliegen und zwar oft hinauf bis an den Mantelrand!). Die Mundtaster von Mytilus sind eben- sowenig wie die der übrigen Arten für eine solche Untersuchung zu empfehlen. Von derbem Gefüge, schwer injieirbar und von geringem Umfang, bieten sie für das Verständniss ihres Baues die grössten Schwierigkeiten. Die Lacunen sind klein, dicht gedrängt und sehr zahlreich, die trennenden Gallertbalken sehr schmal und folglich die Zellen auf ein sehr geringes Maass reducirt, und was noch schlimmer bei den grossen alten Fxemplaren, nach denen man zuerst greift (Venedig Frühjahr 1875) sind die Spindelzellen des Gallertgewebes kleiner als bei jungen (aus Triest, Winter 1876). Aber auch bei diesen sind schwache Vergrösserungen von 30%, nicht ausreichend, um den Unterschied zwischen Lacune und Zelle festzustellen, wie er in Wirklichkeit ist. In Fig. 6. Taf. XXXVL, ist eine kleine Partie aus dem Mundtentakel von Mytilus galloprovincialis abgebildet, bei einer Vergrösserung von 690 (Tauchlinse Seibert VII, 1). Bei 3%), 1) Die grossen Zellen, welche Flemming: Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken, Archiv f. mikr. Anat. Bd. VI. Taf. XXV Fig. 18 aus dem Mantel von Mytilus edulis abbildet, sind Eier aus den Strängen des Eierstockes, nicht Zellen des Gallertgewebes. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd, 13. 37 578 Kollmann: gleichen die Laeunen und Gallertbalken mit ihren Zellen genau den von Flemming!) dargestellten, und die Annahme eines blasigen Gefüges drängt sich von selbst auf. Erst Tauchlinsen, Injectionen und der ganze neue Hülfsapparat von Tinction und Härtung lässt die Ueberzeugung gewinnen, dass Kerne und Protoplasma in den Gallertbalken liegen, und dass alle hellen Räume, welche als grosse blasse Zellen aufgefasst werden könnten, in Wirklichkeit interstitielle Lücken sind. Ich verlasse nunmehr das rothbraune Organ und bemerke nur, dass nach der Lage der Dinge kein Grund vorliegt, jeden Unter- schied zwischen Gallertgewebe und Gefässgewebe zu läugnen und zu sagen, bei den Acephalen bestehe »das Bindegewebe lediglich aus Gefässen, in deren Wand Muskelzellen und Nerven verlaufen« (Flemming). Im Gegentheil: die Gefässe sind scharf gekennzeich- net durch Endothelien, wie bei den Wirbelthieren; die Bindesubstanz ist nur ein Mittel, um mit Endothel ausgekleidete Röhren herzu- stellen, wie dies ja auch bei den Wirbelthieren der Fall ist. Bei dem unterbrochenen Kreislauf der Acephalen strömt das Blut durch Lacunen, welche völlig homolog, völig identisch sind mit den inter- stitiellen Lücken im Bindegewebe der Wirbelthiere, wie ich später noch des Weiteren ausführen werde. Das Gallertgewebe des centralen Manteltheiles und des freien Mantelrandes (Fig. 7 Taf. XXXVI) ist ver- schieden von dem des rothbraunen Organes. Es fehlen vor allem die Haufen von Rundzellen, die Spindelzellen sind der vorherrschende Typus. Die Gallertstränge sind schmaler, sie haben auch eine viel geringere Festigkeit. Bald nach dem Tode des Thieres zerfliessen sie schon, sie sind sehr durchsichtig und viel schwerer, namentlich im frischen Zustand, zu erkennen, als die Stränge des rothbraunen Organes. Für die Untersuchung des letzteren genügt eine Ver- srösserung von 30%/,, das feinmaschige Gewebe des centralen Mantel- theiles fordert aber die Anwendung der Tauchlinse. Bei einer Ver- grösserung von nahezu ?%/, ist also die Fig. 7 dargestellt und man kann wohl verstehen, dass die feinen Gallertfäden (g), welche die La- cunen (l) trennen, nur sehr schwer im frischen Zustand zu erkennen sind. Es gibt in der That, wie ich glaube, nur eine Methode, um 1) Flemming, Sinnesepithelien a. a. O. Fig. 19 und Bindesubstanz a. a. O. Fig. 2. Die Bindesubstanz der Acephalen. 579 einen guten Ueberblick zu erhalten. Sie besteht darin, dass man festgefrorene Stücke eines durch Wasseraufnahne sehr ödematösen Thieres in Ueberosmiumsäure wirft, die ebenfalls auf den Nullpunkt abgekühlt ist. Dann erstarren die feinen Trabekeln des Gallert- gewebes in der durch den Frost erhaltenen Lage, und Durchschnitte durch die Dicke des Organs zeigen am besten die lacunären Räume und ihre Begrenzung. Doch trotz dieses Verfahrens kann man wohl in Zweifel gerathen, ob man Lacunen oder Zellen vor sich habe. Was eigentlich zur Klärung der Frage rasch beitragen sollte, die perspectivische Seitenansicht der Lacunenwände, in denen die Spindelzellen des Gallertgewebes sitzen, oder an denen Blutkörper- chen hängen, Fig. 7 b, bringt im Gegentheil leicht auf die Ver- muthung, dass an dieser Stelle das Protoplasma der grossen Schleim- zelle liege und dass der übrige Raum mit Flüssigheit ausgefüllt sei. Das ist ganz besonders der Fall bei Tinctionen mit Karmin und Anilin. Die gefärbte Seitenwand liegt scheinbar halbmondförmig in einem weiten glashellen Raum und stellt einen Halbring dar, der alle Merkmale einer jungen Zelle an sich trägt. Vergleiche namentlich auch Fig. 5 1*. Bei der starken Vergrösserung der Fig. 7 und den angewendeten Schnitten scheint freilich kaum eine Täuschung möglich, und dennoch kann ich versichern, dass es langer vergleichender Studien bedarf, um das Urtheil zu schärfen. Ueber- dies ist, das wird man schon nach dem Vergleich der Figuren 5 und 7 zugestehen müssen, der Unterschied zwischen dem Gallert- gewebe der beiden Stellen des Mantels doch sehr bedeutend. Rund- zellen sind hier selten, die Grundsubstanz ist zu sehr feinen Fäden oder besser Scheidewänden ausgezogen, die sich theilen und über- einanderschieben und rundliche oder ovale Räume von einer oft ausserordentlichen Kleinheit umgrenzen. Ich will für spätere Be- obachter hinzufügen, dass die Schmalheit der Scheidewände, welche auf der Schnittfläche als trennende Gallertfäden erscheinen, oft eine Feinheit von 3 «. erreicht, und Lacunen von nur 25 u. Weite gerade nicht zu den Seltenheiten gehören. Solch kleine Lacunen sind nahezu Regel im Gallertgewebe des Eingeweidesackes. Ehe diese geschildert werden sollen, möchte ich noch daran erinnern, dass in den Lacunen nicht selten Coagula durch die Osmiumsäure entstehen (Fig. 7 ce), die namentlich nach der Tinetion zu Täuschungen Ver- anlassung geben können. Flemming hat an einem anderen Ort ebenfalls auf diese Erscheinung hingewiesen. 580 Kollmann: Gallertgewebe zwischen den Organen des Einge- weidesackes (Fig. 8, Taf. XXXVID. Es ist durch ein dunkles fett- glänzendes Pigment ausgezeichnet, das in den Strängen des Gallert- gewebes, nicht in den Zellen, angehäuft ist. Die Fig. 8 zeigt das eigenartige Aussehen mit der Tauchlinse untersucht. Die rundlichen und kleinen Lacunen (l) sind von den Gallertbalken begrenzt, in denen dunkle Punkte liegen. Bei schwachen Vergrösserungen, bis zu ?%/,, erscheinen diese dunklen Massen nur als eine diffuse Färbung, die über weite Strecken verbreitet ist; danach lässt sich wohl am besten die Kleinheit der färbenden Punkte bemessen. Das frische Gewebe, die auf dem Objeetträger aufgethauten Schnitte durch das gefrorene Thier, lassen am schnellsten den wahren Grund der Färbung erkennen. Reagentien erschweren mehr oder minder das Verständniss. Die ganze Erscheinung dieser graugefärbten Massen zwischen den Schläuchen der Geschlechtsdrüse und der Leber, und in der Umgebung des Darmcanals hat selbst für den Kenner der lacunären Bahnen des rothbraunen Organs oder Mantels etwas sehr fremdartiges. Je nach dem Standpunkt des Beobachters zu der Frage von der Circulation des Blutes wird die Deutung eine sehr verschiedene sein. Flemming!) registrirt die Erscheinung mit den Worten: »Die Eierstöcke sind constant von einer deutlichen, ge- schlossenen Zellendecke überzogen.« In der That, die Kleinheit der Maschen und gewisse durch Anilinfärbungen bedingte Bilder können eine solche Auffassung begünstigen; aber hier führt das Studium des Kreislaufes ebenfalls auf die rechte Bahn. Die Darmwand und die Drüsen des Eingeweidesackes liegen in einem Netzwerk von pigmentirtem Gallertgewebe, dessen Maschen lacunäre Bahnen für den Durchfluss des Blutes darstellen. Zwischen Darmwand und den nächstliegenden Organen zieht es sich in besonders breiten Lagen hin. Seine zahlreichen Räume eignen sich für eine enorme Aufnahme von Flüssigkeit. Die im entleerten Zustande nur 35—40 u. kleinen, platten Lücken füllen sich prall, erweitern sich noch um das Dreifache, und bedingen so die bekannte ödematöse Schwellung des Fusses. Zwischen den Lagern dieses Gallertgewebes befinden sich ansehnliche Muskelbündel, deren Zusammenziehung die Beseitigung der Schwellung herbeiführen kann. Ich habe noch mit ein paar Worten der Zellen dieses Gallert- 1) a. a. O. Bindesubstanz S. 14. Die Bindesubstanz der Acephalen. 581 gewebes zu gedenken. Sie sind in die pigmentirten Gallertstränge eingeschlossen und theils Spindel-, theils Rundzellen. Einige sind so klein und liegen so hart am Rand der Lakune, dass man sie bei schwacher Vergrösserung für Kerne zu halten versucht wird. Das Gallertgewebe der Kiemen (Fig. 1, Taf. XXXVI) ist abgesehen von den hellgelb pigmentirten Spindelzellen und den oft sehr stark und grob pigmentirten Rundzellen ausgezeichnet durch die stark lichtbrechenden, bisweilen äusserst schwach concentrisch ge- schichteten Ablagerungen von kohlensaurem Kalk. Sie stellen rund- liche, längliche birn- oder nierenförmige Plättchen dar, die in dichten Massen aufeinanderliegen. Sie sind leicht blassgelb gefärbt und bedingen die feine mit freiem Auge sichtbare Streifung zwischen den kammförmig verlaufenden Gefässen. Diese Ablagerungen von kohlen- saurem Kalk in den Kiemen sind allen Beobachtern unserer Süss- wasserformen bekannt. Posner!) findet, dass die Menge durchaus nicht constant sei. »Abgesehen von individuellen Schwankungen war die grosse (Bonner) Anodonta cygnea stärker damit imprägnirt als die kleine (Leipziger) A. piscinalis, und Unio pietorum zeigte grössere und mehr als jene Species.« Nach v. Hessling?) sollen sie den Unionen überhaupt fehlen, was ich für die U. margaritifer aus dem Regen (bayr. Wald, Winter- thiere) bestreiten muss. Sie sind bei dieser Form allerdings auf die Innenseite beschränkt und meist stark pigmentirt, auch im Ganzen wenig zahlreich, aber zweifellos vorhanden. Man entfernt den Kalk durch vorsichtiges Auslaugen der Schnitte in Salzsäure von 1—2°/y. Die physiologische Bedeutung jener Ablagerung liegt wohl darin, dem Gallertgewebe eine grössere Resistenz zu geben, um die für die Circulation bestimmten Bahnen des Blutes und des Wassers beständig im ausgedehnten Zustand zu erhalten. Ich werde weiter unten noch Einiges zur Begründung dieser Ansicht beibringen, will aber zuvor darauf hinweisen, dass bei vorsichtiger Anwendung der Salzsäure ein schattenhafter Umriss der Concre- mente noch deutlich zu erkennen ist. Sein Aussehen erinnert im Zusammenhalt mit der lösenden Substanz der Säure an die kohlensauren Erden in dem verkalkten Knorpel oder dem ver- kalkten Bindegewebe der Wirbelthiere. Man hat bei der ganzen 2) Posnmer «a. -a, 0.8.18. 2) v. Hessling a. a. O. S. 230. 582 Kollmann: Art der Ablagerung das Recht, das mit Kalkkörnern durchsetzte Gewebe bei den Acephalen als theilweise verkalktes Gallert- sewebe zu bezeichnen. Die Kiemenleisten der Najaden gehören ebenfalls in die Reihe des verkalkten Gallertgewebes. Auch sie ver- lieren durch die Behandlung mit Säuren unter Aufbrausen ihren spezifischen Glanz und werden zu blassen Strängen, welche noch die organische Grundlage erkennen lassen. Ich spreche hier nur von der Familie: Unionidae und behaupte nicht, dass die Kiemen- leisten auch anderwärts verkalkt seien. Im Gegentheil, bei den von mir untersuchten marinen Formen sind sie es entschieden nicht; aber für die Unioniden ist die Aufnahme von Kalk zweifellos. Will man sich davon überzeugen, so isolirt man am besten eine Anzahl derselben durch Maceration und setzt sie dann der Wirkung der Säure aus. Es fehlen so die übrigen Ablagerungen im Gallertge- webe, und eine Täuschung bleibt ausgeschlossen. Uebrigens muss gerade bei Unio margaritifer schon die Untersuchung frischer Schnitte die Vermuthung auf eine verkalkte Beschaffenheit dieser Stäbe nahe- legen; der Glanz und die auffallende Brüchigkeit sind kaum zu ver- kennen. Ich halte also gegen Posner die Angabe aufrecht, dass bei den Unioniden die Stäbchen aus regelmässig geformten Strängen eines verkalkten Gallertgewebes bestehen. An den Ursprungsstellen derselben und an den freien Rändern der Kiemen ist dies freilich noch nicht der Fall. Auf Querschnitten sieht man deutlich, wie aus den einzelnen Zügen des unverkalkten Gallertgewebes durch Einrollen sich erst der Stab zusammenfügt. Auch der entwicklungs- geschichtliche Vorgang wird sich höchst wahrscheinlich in derselben Weise gestalten, was einmal daraus hervorgeht, dass im Innern sehr oft eine Schicht von geringerer Dichtigkeit zu finden ist, dass sich sehr oft bei Anodonta an einem ‘der Ränder eine leichte Narbe findet, die Spur der früheren Verwachsungsstelle, und dass bei den marinen Formen viele der Stäbchen hohl bleiben und Röhren bilden für den zu- oder abtretenden Blutstrom. Ich bin also darin anderer Ansicht alsPosner, der sowohl die Verkalkung der Stiftchen leugnet, als ihre Entstehung aus »Fasern«e.. Aus kohlensaurem Kalk be- stehen sie allerdings nicht ausschliesslich, sie haben noch eine or- ganische Grundlage, aber diese Grundlage hängt mit dem Gallert- gewebe gerade an dem Insertionsrand deutlich zusammen, und es ist eine theilweise Aufblätterung nachzuweisen, für die freilich der Die Bindesubstanz der Acephalen. 583 Ausdruck »Fasern« nicht ganz passt, der aber wenigstens den Zu- sammenhang mit der Grundlage der Kieme, mit dem Gallertgewebe andeutet !). Ich glaube, man darf unter solchen Umständen mit gutem Grunde von einer verkalkten Form des Gallertgewebes in der Na- jadenkieme sprechen. Die Verkalkung kann auftreten als Einla- gerung mikroskopisch kleiner Körner, oder als gleichmässige kalkige Umwandlung bestimmter Streifen, der sog. Stäbchen. In dem Gallertgewebe der Kiemen findet sich nirgends fibril- läres Bindegewebe, das dem der Wirbelthiere gleicht, und mit Aus- nahme der Kalkablagerungen und der Zellausläufer unterscheidet sich das Gallertgewebe in nichts von der typischen Form. v. Hess- ling gegenüber hat schon Flemming betont, dass spaltbare Binde- gewebsfasern nicht vorkommen, dass, wo immer der Anschein solcher sich finde, Muskelfasern nachzuweisen seien. Wenn Posner wie- derholt den Ausdruck »interfibrilläre« Blutbahnen gebraucht, oder von hellen glänzenden Faserzügen spricht, welche wohl in die Ka- tegorie der elastischen Gewebe gehören, so ist zur Richtigstellung des Sachverhaltes folgendes zu bemerken: Unter Fibrillen sind von Posner offenbar nur die schmalen Gallertbalken oder Gallertfäden gemeint, welche durch bestimmte Blutbahnen der Kieme ziehen (Fig. 1q) und hat er in diesem Fall wohl kaum an Bindegewebsfibrillen im Sinne der Histologie gedacht. Was die »hellen glänzenden Faserzüge« betrifit, so will ich bemer- ken, dass im Gallertgewebe der Kiemen allerdings elastische Fasern vorkommen, d. h. isolirte, gestreckt oder gewunden ver- laufende, oft gablig getheilte Fasern, von stark lichtbrechender Kraft, welche zweifellos den elastischen Fasern der Wirbelthiere homolog sind. In Fig. 10, Gallertgewebe aus der Kieme von Pinna, ist der von den Bindesubstanzzellen unabhängige Verlauf dieser Fasern dargestellt. Gallertgewebe von ähnlicher Beschaffenheit, wie es eben aus den Kiemenlamellen beschrieben wurde, bildet auch die Kiemensepta der Unioniden. Diese Septa hat Posner genauer untersucht und daran einige Bemerkungen über den Kreislauf der Kiemen und über die Bindegewebsfrage geknüpft. 1) Bei Pinna entspringen von einem der Stäbchencanäle auf seinem ganzen Verlauf feine Fasern, welche in das umgebende Gallertgewebe aus- laufen. 584 Kollmann: Betrachten wir zunächst den Kiemenkreislauf, um zu consta- tiren, dass die Frage, ob derselbe unterbrochen ist, wie im Fuss, oder geschlossen, ähnlich wie bei den Wirbelthieren, bezüglich der Unioniden als eine offene bezeichnet werden muss. Das Blut sam- melt sich in einem Gefäss, dem Sinus Bojani, aus dem Fuss der Thiere und wird von dort in die Kiemen geleitet. Von dem Längs- sinus an dem Insertionsrande strömt es wieder in unzweifelhafte (Gefässe, in die senkrecht aus ihnen entspringenden, kammförmig verlaufenden Aeste, um sich von dort aus auf der inneren und äus- seren Fläche jeder Kiemenlamelle durch quer- und längsverlaufende Bahnen zu vertheilen. Die kammförmigen Gefässe, sowohl diejeni- gen, welche das Blut zu- als jene welche es abführen, besitzen En- dothelien, das ist mehrfach festgestellt (Eberth, Legros, Posner, ich); und sie kommen nicht weiter in Betracht, wohl aber die quer- und längsverlaufenden Bahnen und die Stäbchenkanäle; ihre Gefässnatur ist in Frage gestellt und zwar durch die folgenden Be- obachtungen. Schneidet man parallel zur Fläche einer in Osmium- säure gehärteten Kieme, so wird man ungefähr ein Bild erhalten ähnlich dem der Fig. 1, Taf. XXXVI. Das kammförmig verlaufende Gefäss k siebt Aeste ab und diese führen in buchtige Räume q, q*, welche ähnlich den Alveolen der Lunge durch Septa von verschiedener Höhe in einzelne kleinere Abtheilungen zerfallen können. An an- deren Stellen ziehen feine Gallertbalken (g), in welche Zellen oder | Kalkkörner eingeschlossen sind, freischwebend durch den Raum, um mit verbreiterter Basis in den Wänden sich zu verlieren, die reich mit Kalkablagerungen durchsetzt sind. Das ist der Charakter der (Jueranastomosen zwischen den kammförmig verlaufenden Ge- fässen. Posner läugnet die Gefässnatur dieser queren Bahnen und will sie als interstitielle Lücken aufgefasst haben, doch wie mir scheint, nicht mit zureichenden Gründen. Er stützt sich dabei auf die Resultate, die ihm die Untersuchung der Kiemensepta er- gaben. Abgesehen von dem Flimmerepithel sieht er von den Rän- dern der Septa (auf einem Querschnitt) Bindegewebsbälkchen, die sich dichotomisch verästeln. Zwischen sich lassen sie Bluträume frei. Bindegewebskörperchen sieht man in grosser Zahl in den Balken liegen, mit Pigmentkügelchen imprägnirt. Eine weitere Com- plication erfährt das Bild dadurch, dass man an sehr gut conser- virten und sehr feinen Schnitten ziemlich häufig, wenn auch nicht immer gleich deutlich, zwischen den Fasern, also im Blutraume Die Bindesubstanz der Acephalen. 585 selbst, häutchenartige Ausbreitungen anscheinend echt protoplas- matischer Substanz erblickt, meist mit schönen Kernen und zahl- reichen Pigmentkugeln; der protoplasmatische Charakter dieser Substanz wird durch Carminfärbungen, in denen die Häutchen schwach, die Kerne rubinroth tingirt werden, noch wahrscheinlicher gemacht werden«. Ich kenne von Präparaten, die auf dieselbe Weise angefertigt sind und mit denselben optischen Hülfsmitteln untersucht wurden, all das, was Posner hier beschrieben hat, aber meine Deutung der vorliegenden Elemente ist eine wesentlich andere. Nur nebenbei sei bemerkt, dass, wo Posner die sich theilenden Bindegewebs- bälkchen sieht, ich von Gallertbalken und Gallertfäden spreche. Wichtiger ist, dass ich keine Bluträume zwischen den Gallert- balken constatiren kann, sondern nur und zwar an ganz bestimmten Stellen Gefässe. Ich finde nämlich die Septa beider Kiemen aus einem gleichartigen Gallertgewebe gebildet, das eine relativ beträcht- liche Derbheit besitzt. In ihm sind leicht pigmentirte Spindelzellen, und rundliche, die oft stärker gefärbt sind. Daneben finden sich noch, namentlich an den Septis der äusseren Kieme die kleinen glänzenden Kalkconcretionen bei Anodonta. An Osmium-Anilin- Präparaten treten oft derbere Züge des Gallertgewebes dunkler hervor, dazwischen liegt dann nur helleres Gallertgewebe, wie dies ja auch Posner zugiebt, wenn er von »häutchenartigen Ausbrei- tungen anscheinend echt protoplasmatischer Substanz« spricht. Die protoplasmatische Natur dieser hellen Stellen ist in der That nur scheinbar; sie bestehen eben aus weniger derbem Gallertgewebe mit Zellen; sie haben auch nichts gemein mit häutchenartigen Aus- breitungen, wie sie in der neuesten Zeit im Bindegewebe der Wir- belthiere und des Menschen nachgewiesen wurden. Denn die Vor- aussetzung Posner’s von Bluträumen zwischen den Gallertbalken beruht auf einer Verwechselung mit kleinen, sei es durch den Zug des Messers, sei es durch die Härtung hervorgebrachten Lücken. Für meine Deutung der von Posner als Bluträume bezeichneten Lücken spricht ferner die Thatsache, dass man die Gefässe der Septa haarscharf injieirt demonstriren kann. Ich bin veranlasst, dieselben in meiner Arbeit über den Kreislauf der Mollusken um so genauer darzustellen, als sie die Wege sind, auf denen das Blut von einer Lamelle zur anderen hinübergeleitet wird. Langer !) 1) Langer a.a.0. II, Abth, Fig. 11. 586 Kollmann: hat übrigens auch diese Zweige des Kiemenkreislaufes auf das Ge- naueste injieirt und abgebildet und als arterielle Uebergangszweige bezeichnet. Jedem mit der Injectionstechnik Vertrauten wird der- selbe Nachweis gelingen. Das wäre unmöglich, wenn das Septum »erhebliche« Lumina i. e. Lücken in dem Gallertgewebe besässe, in denen das Blut durch die ganze Ausdehnung der Septa von einer Seite zur anderen gelangte. Wenn das ganze Septum an und für sich Bluträume enthielte, dann könnte man doch kaum daneben noch scharf begrenzte Gefässe durch Injection finden! Gefässe im strengen Sinne finden sich jedoch nicht nur bei Anodonta, sondern auch bei anderen Arten. Bei Pinna nobilis u. mauricata fehlen die Septa wie sie unseren Süsswasserformen eigen sind, und es giebt nur Verbindungsgefässe, in denen das Silbernitrat zweifellose Endothelien hervorbringt. Soviel wird man also nach dem eben Erwähnten jedenfalls zugestehen müssen, dass die Kiemensepta sich nicht dafür eignen, den noch dunkeln Charakter des Kiemengerüstes und seiner Blutbahnen aufzuklären, und wir müssen versuchen, mit anderen Mitteln diese Frage zu lösen. Posner hat den Weg der Injection versucht und fand seine Ansicht von der Strömung des Blutes zwischen Gallertbalken i. e. durch die Räume des Kiemen- gewebes bestätigt, so wie ich dieselben in Fig. 1 Taf. XXXVI skizzirt habe, eine Thatsache, die zweifellos richtig ist; aber unentschieden bleibt noch immer, ob nicht selbst diese erweiterten Blutbahnen dennoch den Charakter der Gefässe an sich tragen, ob sie nicht dennoch ein Endothel besitzen? Der Apell an das Silbernitrat ver- sagte Posner und mir bei den Süsswasserformen; aber selbst dieser schwerwiegende Umstand ist noch nicht entscheidend. Die Darstel- lung der Endothelien stösst bei den Kiemen der Süsswasserformen auf Schwierigkeiten, deren Ueberwindung durch andere Methoden versucht werden muss. Es ist nicht anzugeben, worin diese Schwie- rigkeiten liegen, an anderen Stellen desselben Organismus, z. B. im arteriellen System existiren sie nicht; die Capillaren der Mundtaster lassen die Endothelzeichnung leicht hervortreten; schon in den kamm- förmig verlaufenden Kiemengefässen wird sie aber nur schwach und selten gelingen, und in den Quer- und Längsanastomosen habe ich nur ein paar Mal Andeutungen erhalten, wie z. B. an jener Stelle Fig. 1 Taf. XXXVI bei q * (unten). Aber alle diese Erfolge sind unbestimmt und schwankend. Ganz anders sind die Resultate der Silberfärbung bei den Meer- Die Bindesubstanz der Acephalen. 587 wasserformen. Die Blutbahn in der Kieme bei Mytilus zeigt in ihrer ganzen Ausdehnung ein im höchsten Grade regelmässiges Endothel, Fig. 2b Taf. NXXVI und damit gewinnen wir wenigstens einen Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Kiemenblutbahn bei den Najaden. Nicht so als ob durch den Gefässcharakter hier bei der Mytiluskieme auch der aller anderen Kiemen erwiesen wäre, aber man wird wenigstens zur Zeit die entgegengesetzte Auffassung noch zurückweisen müssen, besonders Angesichts der weiteren täuschenden Aehnlichkeit mit echten Capillaren, welche die injieirten Kiemen- gefässe der Süsswasserformen zeigen. Diese täuschende Aehnlichkeit hat selbst Posner zugegeben, namentlich auch bezüglich des Stäb- chencanals, »dessen constante Lage und bedeutende Rolle bei an- deren Lamellibranchiern eine höhere Differenzirung erkennen lässt«. Ich fasse unter solchen Umständen das Resultat der Studien über das Gallertgewebe der Kiemen dahin zusammen, dass es bei unseren Süsswasserformen ausgezeichnet ist durch partielle Verkalkung, und dass es ferner Gefässe trägt, die bei den Najaden theilweise sinös (Fig. 1 Taf. XXXVI) geformt sind. Nachdem bei Mytilus in der ganzen Ausdehnung der Kieme ein geschlossenes Gefässsystem existirt, haben wir z. Z. noch keinen Grund, in den Kiemen der Najaden eine Unterbrechung des Blutstromes anzunehmen. Trotz des eigen- artigen buchtigen oder alveolaren Baues der Queranastomosen scheint mir ihre Gefässnatur schon um desswillen noch aufrecht zu er- halten, weil, wie erwähnt, die Injeetionen eine täuschende Aehnlich- keit mit Gefässen (Robin, Langer u. A.) erkennen lassen. Bei einer solchen Auffassung des Kiemengewebes fehlt die Veranlassung, die Bindegewebsfrage hier zu besprechen, dafür wird sich in einem späteren Abschnitt Gelegenheit geben. Auf den Gewebscharakter der Stäbchen bei den marinen Formen der Acephalen werde ich in dem folgenden Abschnitt zurückkommen. Strueturlose Membranen. Die Existenz von structurlosen Membranen bei den Acephalen ist zur Zeit noch nicht bewiesen. Zweifel über die Echtheit be- stimmter Schichten, welche bisher für structurlos galten, treten heute um so mehr in den Vordergrund, als bezüglich der structur- losen Häute selbst bei den Wirbelthieren, von denen einige bis vor Kurzem noch als typisch galten, z. B. die Membrana elastica po- sterior, die Meinungen getheilt sind. Für die Acephalen dünkt 588 Kollmann: mich gleichwohl eine endgültige Lösung der Zweifel nicht allzu schwierig. Besteht ihre Bindesubstanz in der That aus Gallert- gewebe, dann wird dieselbe Gewebsform auch auf den Grenzschichten der Organe wiederzufinden sein. Und ist sie nur in geringem Maasse resistenter, als die übrige jenseits der Grenzschicht gelegene Masse, dann wird man schon mit einigem Recht von einer structur- losen Schicht sprechen können. Denn sie genügt einem grossen Theil jener Forderungen, die an solche Membranen gestellt werden, durch die Entstehung aus einem Gewebe, das structurlos ist per se, sie genügt durch den Widerstand gegen Essigsäure und durch den Mangel irgend einer faserigen Beschaffenheit. Solche Grenz- schichten sind nun bei den Acephalen nicht selten. An der Aussen- und Innenfläche des Mantels, an der innersten Lage der Darmwand und der Darmleiste, an den Mundtentakeln und an der Oberfläche des Fusses bei den Najaden sind sie in dieser Form bekannt. Sie haben 15—20 u. Dicke, erscheinen bei schwachen Vergrösserungen 300/, ganz von dem Aussehen einer structurlosen Haut und gleichen in ihrem optischen Verhalten vollkommen einer Membrana elastica posterior des menschlichen Auges, namentlich auch bezüglich der scharfen Abgrenzung gegen die tieferen Lagen. Bei Anwendung der Tauchlinsen schwindet jedoch die letztere, und im Mantel gehen die tiefen Lagen der Gallertstränge allmählich in jene Grenzschicht über. Ganz denselben Eindruck haben diese Grenzschichten auf Flemming gemacht. Er sieht seine »Gefässwand« i. e. das Gal- lertgewebe in ein »spärlich ausgebreitetes Gewebe von dichterer Fügung unmittelbar übergehen«. In dieser Grenzschicht findet sich eine leise Andeutung von Streifen, die mit fibrillärem Bindegewebe jedoch nichts gemein haben, auch nicht von Ausläufern spindelför- miger Zellen herrühren, welche aus der Tiefe aufsteigen und etwa die Streifung verstärken. Tauchlinsen zeigen die Streifen zusam- mengesetzt aus Körnerreihen selbst bei ganz frischen Thieren; das steht nicht im Einklang mit unserer Vorstellung von Fasern. Be- trachten wir die Streifen zur Zeit noch als Zeichen der allmählichen Dickenzunahme jener starkglänzenden Grenzschichten, so wird, wie mir scheint, der Sachlage weniger Zwang angethan. Es ist doch mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass diese Grenzschichten mit dem Alter der Thiere wachsen. In der Jugend ausserordentlich dünn, nehmen sie mit dem Wachsthum an Dicke zu. Neue Schichten Die Bindesubstanz der Acephalen. 589 verbinden sich mit dem schon vorhandenen und es ist sehr wohl denkbar, dass an manchen Stellen kleine Lagen einer weniger re- sistenten, also das Licht anders brechenden Substanz dazwischen übrig bleiben. £ Doch ich will diese Deutung der so vielfach nachgewiesenen Streifen nicht weiter verfolgen; dagegen möchte ich betonen, dass bei den Acephalen bestimmte Grenzschichten von grösserer Härte existiren, die man mit gutem Grunde unter die Reihe der structur- losen Membranen rechnet, und die durch Verdichtung des Gallert- gewebes entstehen, das als Bindesubstanz an dem Aufbau der Or- gane betheiligt ist. Diese structurlosen Membranen sind also erhär- tete (sit venia verbo) Lagen des Gallertgewebes, welche an der freien Fläche mit einem Zellenbelag versehen sind. Diese structur- losen Membranen der Wirbellosen sind homologe Bildungen jener der Wirbelthiere. Sollten die Letzteren nicht mit denselben Mitteln construirt werden? Ich habe weiter oben structurlose Grenzschichten nur bei den Najaden an verschiedenen Organen erwähnt, es kehrt selbstverständ- lich dieselbe Erscheinung wieder bei allen von mir untersuchten marinen Formen. Einen ganz besonders prägnanten Charakter be- kommen die Verdichtungen des Gallertgewebes in den Kiemen. Im Respirationsorgane findet sich verdichtetes Gallertgewebe vor- züglich in zweierlei Gestalt: als solides Stäbchen, einfach oder zu- sammengesetzt, das sog. Stützgerüst der Kiemen; und ferner als Rohr für die Circulation des Blutes. In der letzteren Eigenschaft tritt der Charakter einer structurlosen Membran schlagend hervor. Die feinsten Röhren in den Kiemen von Pinna und Pecten haben bei einer Weite von 20 «. eine Wand von nur 1,5 «. Dicke; sie sind biegsam, elastisch, brechen das Licht stärker als das umgebende Gallertgewebe und gleichen vollkommen den structurlosen Membra- nen der Wirbelthiere. Ganz besonders interessant ist in dieser Hin- sicht eine weite blutführende Röhre in der Kieme von Pecten Jac., welche jedoch nur durch ein besonderes Verfahren der Betrachtung zugänglich gemacht werden kann. Es ist nämlich zuerst die In- jeetion von Wasser, Alkohol oder Argentum nitricum in den Sinus branch. aff. unerlässlich. Das sackartige Gefäss bläht sich auf und kann abgetragen werden. Ohne diese Vorsicht ist das Auffinden und Isoliren unmöglich. Hat man nun durch Pinseln das Epithel entfernt, so präsentirt sich eine zarte, das Licht stark brechende 590 Kollmann: Haut von 9 uw. Dicke, wie an den Falten leicht zu constatiren, und sie ist structurlos zu nennen mit demselben Recht, als irgend eine andere aus einem Wirbelthierkörper. Es scheint mir kaum nothwendig, ausdrücklich hervorzuheben, dass über die Röhrennatur der Gebilde nicht der geringste Zweifel walten kann, denn sie sind von mir mit allen möglichen Lösungen injieirt worden. Von diesen blutführenden Röhren bis zu den Stäbchen giebt es nun zahlreiche Uebergänge, wie ganz natürlich; die Stäbchen selbst sind in ihrer Form sehr mannigfaltig, und die verschiedensten Gestaltungen werden unter dem einen Namen zusammengefasst. Ihre Verwendungsart in der Kieme stellt dann das Stützgerüst dar. Ich spreche hier nur von dem Bau der Stäbchen, nicht von dem Stützgerüst der Kieme selbst. Bei Ostrea ed. sind einzelne Stäbchen etwas platte solide Cy- linder, umschliessen keinen blutführenden Hohlraum und erscheinen auf den ersten Augenblick völlig structurlos; bei genauerem Zu- sehen ist jedoch eine leichte Streifung zu constatiren. Aber diese Streifung macht nicht den Eindruck, als ob sie von Fibrillen herrührte, sondern so, als ob zwischen den zur Oberfläche parallelen Lagen eine das Licht schwächer brechende Substanz sich fände. Das Stützgerüst bei Mytilus (Fig. 11a, Taf. XXXVII) wird von nebeneinander stehenden schmalen, ungleich dicken Platten gebildet, von denen je zwei im entgegengesetzten Sinne gekrümmt einen Kanal umschliessen. Wer Querschnitte frisch, in Alkohol oder Os- miumsäure untersucht, wird an diesen erhärteten Schichten, deren ganzes Aussehen, deren ganzer Charakter mit demjenigen structur- loser Membranen’ der Wirbelthiere übereinstimmt, eine leichte Strei- fung finden, namentlich in der Nähe des Insertionsrandes. Diese Streifung ist auch auf der Flächenansicht ausgeprägt und zwar gerade in jener Region, wo die stützende Platte verdickt ist. Nach dem schon oben angedeuteten Befund, nach welchem die Stäbchen irgend welcher Art ihren Ursprung aus dem Gallertgewebe durch Verbindung oder Vereinigung festerer Züge der Grundsubstanz er- kennen lassen, wird sich diese leichte Streifung kaum anders, denn als Ausdruck übereinanderliegender structurloser Schichten auffassen lassen. Wie ausserordentlich mannigfaltig die Stäbchen sind und wie dehnbar also dieser Begriff, möge noch ein Beispiel zeigen. Pecten Die Bindesubstanz der Acephalen. 591 Jac. hat ein sehr complicirtes Stützgerüst, in welchem namentlich ein Theil sehr eigenthümliche Gestalt besitzt. Er besteht aus einer Röhre, aber das Lumen gleicht einem mäandrischen Gang, dessen Wand verschiedene Dicke besitzt. Ich habe versucht, in der Fig.11b diesen Theil des Stützgerüstes zu skizziren, um dadurch besonders die Thatsache in den Vordergrund zu setzen, dass in den Kiemen der marinen Acephalen verdichtete Lagen der Grundsubstanz i. e. des Gallertgewebes vorkommen, mit den Charakteren structurloser Massen. Ich verkenne nicht, dass damit der Begriff structurlos sehr weit gefasst ist, allein es bleibt in diesem Fall nur die Wahl zwischen der obigen Auffassung oder. der Bezeichnung »Knorpel«. Aber für die letztere Bezeichnung fehlt die übliche Beigabe von Zellen. Gäbe es in jenen structurlosen Röhren, Stäbchen und Platten, Bindesub- stanzzellen irgend welcher Form, dann wäre der Ausdruck »Knorpel« vorzuziehen, aber die völlige Abwesenheit darf wohl als ein gün- stiges Zeichen mehr gelten für die Annahme, dass hier ein verdich- tetes Gallertgewebe, also structurlose Röhren und structurlose Mem- branen vorliegen. An Posner trat auch, wie schon an Langer und von Hessling, die Frage nach der histologischen und chemischen Be- schaffenheit der »Stäbchen« heran. Die beiden letzteren Beobachter urtheilten nach der Untersuchung der Süsswasserformen, Posner hat auch die Meeresfauna in dieser Hinsicht, freilich nur an man- gelhaft conservirten Exemplaren geprüft, während mir theils vor- trefflich conservirtes, theils frisches Material vorlag. Ich habe schon weiter oben ausgeführt, welche Auffassung die Stäbchen der Süss- wasserformen am meisten begünstigen, dass sie den Eindruck ver- kalkten Gallertgewebes machen; was die Stäbchen der im Meer lebenden Acephalen betrifft, so möchte ich für sie, sei es nun für die isolirt verlaufenden Röhren, sei es für die umfangreicheren Stützgerüste die Bezeichnung »verdichtetes Gallertgewebe« als histo- logisch am meisten zutreffend vorschlagen. Diese Bezeichnung stimmte auch mit der chemischen Beschaffenheit des Gallertgewebes der Acephalen, soweit dieselbe bis jetzt gekannt ist und mit dem ganzen Aufbau der »Stäbchen« aus der Grundsubstanz der Kieme, soweit sich derselbe am erwachsenen Thier verfolgen lässt. Hier ist ein Boden, auf dem sich die Ansichten Posner’g!) und meine 1) Ich habe nur die erste Hälfte des betreffenden Passus, S. 27, eitirt, 592 Kollmann: Erfahrungen begegnen; er ist ebenfalls geneigt, »die Stäbchen als locale Verdickungen des Leistengewebes aufzufassen«. Der Stand unserer Kenntnisse gestattet noch nicht, mit Bestimmtheit die histo- genetische Entwicklung dieser localen Verdickungen darzulegen. Nur so viel lässt sich, wie mir scheint, hierüber sagen, dass nicht direct Zellen an dem Aufbau der Verdichtungen betheiligt sind. Einmal lässt sich, was auch Posner hervorhebt, nirgends eine Zellenspur in dem verdichteten Gewebe auffinden, und zweitens wissen wir aus der Entwicklung der structurlosen Häute, dass sich die Zellen nicht direct daran betheiligen. Man hat sie bisher als Ausscheidungsproducte aufgefasst; ob sich aber alle Erscheinungen dieser Art in diesen Rahmen bringen lassen, scheint mir nach meinen Erfahrungen an niederen Thieren mehr als zweifelhaft. Man findet zwar in dem die »Stäbchen« jeder Art umgebenden Gallertgewebe Bindesubstanzzellen, welche für die Entstehung der Intercellular- substanz von entscheidender Bedeutung sind; ob sie aber auch dafür verantwortlich gemacht werden können, dass gerade hier verdichtete oder verkalkte Lager unter ihrer besonderen Leitung entstehen? Unterscheiden sich doch. die Zellen in nichts von denen anderer Gebiete des Gallertgewebes, das nicht verdichtet ist! Und bliebe nicht durch eine solche Annahme der Process ebenso dunkel? Lassen will jedoch hinzufügen, dass ich vollkommen auch mit der zweiten Hälfte übereinstimme, nach welcher die localen Verdickungen hervorgerufen werden sollen »durch Anpassung an die Skeletfunction«. In der That, die Kiemen bedürfen eines Stützgerüstes. Der Fuss bietet durch seinen Umfang, seine Muskulatur und seine Befestigung an der Schale genügenden Widerstand; dasselbe gilt vom Mantel; die Kiemenblätter, breit und lang, nur am Inser- tionsrand mit einem geringen Halt versehen, brauchen dagegen »Stäbchen«; verkalkte oder einfach verdichtete Streifen der Grundsubstanz, welche Knickun- gen und Faltungen durch das ein- und ausströmende Wasser verhindern und den Muskelbündeln geeignete Punkte zum Ansatz bieten. Es wurde schon oben erwähnt, wie stark bei manchen Formen (Pinna) die Contractionen dieser Kiemenmuskeln sein können. Der auffallende Gegensatz der » Stäbehen« zwischen den Süsswasser- und den Meeresformen, hier elastische, verdichtete Röhren und Streifen, dort verkalkte Stifte, hängt wohl von dem ‚Medium ab und erklärt sich ungezwungen durch Anpassung. Die grössere Schwere des Salzwassers trägt schon bei geringer Unterstützung die blattartigen Respi- rationsorgane mit ihrem verdichteten Gallertgewebe, während das süsse Wasser eine grössere Widerstandsfähigkeit durch verkalkte Stäbchen und Einlagerung von Kalkkörnern in das Grundgewebe erfordert. Die Bindesubstanz der Acephalen. 593 wir einstweilen das Räthsel bestehen. Drängt sich doch, wenn man die Entstehung structurloser Massen in so verschiedener Gestalt und Ausdehnung innerhalb des Gallertgewebes bei den niederen Thieren verfolgt, die Ansicht auf, dass von der Verdichtung der Grundsub- stanz zu einer elastischen Faser, siehe Fig. 10 Taf. XXXVU bei Pinna, bis zur Entstehung verdichteter Stifte, Platten und Röhren ein allmählicher Uebergang hinüberleite. Wenn dem so ist, wenn Verdichtungen innerhalb der Grundsubstanz nachweisbar ohne die directe Hülfe der Zellen auftauchen, und in dem vorliegenden Falle, in den elastischen Fasern bei Pinna haben wir einen Beweis hierfür, dann stehen wir vor einer molekulären Um- wandlung der Grundsubstanz, dann liegt hier ein physiologi- scher Akt der Intercellularsubstanz und nicht der Zellen vor uns, dann erfolgt die Bildung von Verdichtungen, von Fasern, unabhängig von Bindesubstanzzellen, dann sind diese wohl eine entfernte, aber nicht die nächste Bedingung für die Entstehung structurloser Mem- branen und structurloser Röhren. Selbstverständlich beabsichtige ich nicht die alte Lehre von Zellenausscheidungen aufzuheben und den Satz aufzustellen, dass die structurlosen Membranen nur in Verdichtungen der Grundsubstanz beruhen, aber dasist allerdings wie mir scheint dringend nothwendig, die allgemeine Giltigkeit der alten Lehre etwas zu be- schränken und zu sagen: 1. Es giebt structurlose Membra- nen, hervorgegangen durch Zellenausscheidung; 2. es giebt structurlose Membranen, entstanden durch Ver- dichtung der structurlosen Grundsubstanz. Wenn ich oben von Uebergängen zwischen elastischen Fasern oder structurlosen Membranen, Röhren und Stiften sprach, so ist es vielleicht jetzt Zeit an diese Uebergänge nochmals zu erinnern. Nirgends liegen sie nach meiner Erfahrung deutlicher zu Tage, als in den structurlosen Schichten auf der Oberfläche des Magens, des Fusses, des Mantels etc. bei den Najaden, wo auch Flemming das ausgebreitete Gewebe eine dichtere Fügung annehmen sieht. In der Tiefe umspannen Gallertbalken die Lacunen, an den Grenzflächen vereinigen sie sich zu einer derben, gleichmässigen structurlosen Schichte. Sie ist von einem Zellenlager bedeckt, aber angesichts der nachweisbaren Umgestaltung des Gallertgewebes, dürfte wohl Niemand geneigt sein, sie für eine Zellenausscheidung, i. e. für eine Ausscheidung des bedeckenden Epithels zu halten. Diese Grenzschichte hat ferner eine andere lichtbrechende Kraft, als der übrige Theil ‘ Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 38 594 . Kollmann: des Gallertgewebes, sie stimmt mit derjenigen elastischer Fasern im Körper der Acephalen und im Organismus der Wirbelthiere. Die Grundlage, aus der beide entstehen, die Zwischensubstanz des Gallertgewebes, ist bei den Acephalen und streng genommen auch bei den Wirbelthieren dieselbe. Grund genug, wie mir scheint, zwischen den elastischen Fasern und den structurlosen Röhren und Membranen, zunächst wenigstens bei den Acephalen, nur eine Form- verschiedenheit, nicht eine histogenetische Differenz zu erblicken. Ueberblicken wir jetzt das Hauptergebniss der oben mitgetheil- ten Untersuchungen, so steht obenan der Satz: In dem Leib der Acephalen kommt nur eine Art von Binde- substanz vor, nämlich das Gallertgewebe. Seine Verwendung als Stützgewebe bedingt einzelne Modificatio- nen, zoologisch ausgedrückt, einzelne Abarten, die sich je nach der Festigkeit, dem Charakter der Zellen, oder der Veränderung inner- halb der Intercellularsubstanz in bestimmtester Weise von einander unterscheiden. Die verschiedenen Formen des Gallertgewebes werden am leichtesten nach der Beschaffenheit der Zwischensubstanz auseinander gehalten, wobei die Beschaffenheit der Zellen als unterstützendes Moment hinzukommen kann. Es giebt: Gallertgewebe mit gleichmässiger derber Zwischen- substanz und Spindelzellen (Darm und Darnleiste), Fig. 4, Taf. XXXVI. Gallertgewebe dessenZwischensubstanz zu Gallert- balken und Gallertfäden umgewandelt ist, das jedoch wie das vorige, kein oder nur wenig Pigment enthält. (Mantel, rothbraunes Organ). Die Gallertfäden umgrenzen Räume für die Circulation des Blutes, und können mit Rund- oder mit Spindelzellen oder mit beiden zugleich durchsetzt sein. Fig. 5, 6 und 7. Gallertgewebe, dessen Zwischensubstanz, Gallertbalken und Gallertfäden auffallend pigmentirt ist, Fig. 8 (Eingeweidesack). Gallertgewebe in äusserst geringer Menge, als Kitt- substanz auftretend, im Innern der Muskeln und Nerven. Fig. 9. Gallertgewebe in Form von structurlosen Mem- WEEZE VE ee ee u en en ni a Die Bindesubstanz der Acephalen. 595 branen, Stäben und Röhren (Oberfläche der Organe und Kiemen der Meeresformen). Gallertgewebe mit Kalk imprägnirt: a) Einlagerung von Kömern, Fig. 1, Taf. XXXVI; b) Verkalkung der Stäbchen, (Kiemen der Najaden). Man sieht, in der Aufzählung der verschiedenen Erscheinungs- formen des Gallertgewebes bei den Najaden oder allgemeiner aus- gedrückt der Acephalen, spreche ich nicht ven Fibrillen, nicht von fibrillärer Beschaffenheit, weil eben abgesehen von elastischen Fasern das Gewebe überall die Eigenschaften des Gallertgewebes an sich trägt. Gleichwohl ist eine Verständigung über gewisse Be- zeichnungen nothwendig, denn es ist mehr als wahrscheinlich, dass von mancher Seite das, was ich als Gallertfaden bezeichnet habe, für eine Fibrille aufgefasst werden wird, und doch sind beide Dinge total verschieden. Fibrille ist eine leimgebende, durch Verdichtung der Intercellularsubstanz hervorgegangene Faser, typisch für die Wirbelthiere, einmal entstanden aus dem Gallertgewebe ist sie also namentlich ein chemisch ganz verschiedenes Product der formativen Thätigkeit, während der Gallertfaden oder der Gallertstrang unverän- dertes Gallertgewebe ist, nur eine isolirte Verbindungsbrücke zwischen andern Lagern derselben Substanz, ein unveränderter Theil dieser embryonalen Bindesubstanzform, bei dem keine Verdichtung, keine chemische Veränderung stattgefunden hat. Die elastischen Fasern, welche in dem Gallertgewebe der Ace- phalen auftreten, nennt man aber weder hier noch bei Wirbelthieren Fribrillen, sie werden stets durch ein epitheton significans vor jeder Verwechslung geschützt. Ich betone dies, um die Gallertfäden auch vor der Verwechs- lung mit elastischen Fasern zu schützen. Der Gegensatz dieser bei- den Attribute des Gallertgewebes dürfte übrigens hinreichend deut- lich in den Figuren 5, 6 und 7 g und e ausgedrückt sein. Das Gallertgewebe der niederen Thiere hat, so lange es eine Bindegewebsfrage giebt, das Material geliefert, um die Anschauungen über die Stellung der Zellen zu der Intercellularsubstanz zu prüfen. Das Gallertgewebe der Acephalen ist davon nicht ausgenommen. Es wurde schon oben erwähnt, dass Flemming und Posner gerade auf Grund der Untersuchung dieser Wirbellosen ihr Votum auch bezüglich der schwebenden Hauptfragen bei den Wirbelthieren abge- 596 Kollmann: geben haben. Die Entscheidung dieser Fragen ist aber heute schwie- riger als je. Eine Reihe von Entdeckungen auf dem Gebiet der menschlichen Histologie, lehrten, um mich kurz auszudrücken, einen neuen Bestandtheil des Bindegewebes kennen, die sogenannte Häut- chenzelle. Durch den Scharfsinn der Beobachter ist dieses Element des Bindegewebes nahezu in allen Organen des Wirbelthierkörpers nachgewiesen worden. Seine Form ist genügend bekannt, und eine Beschreibung desselben kann hier unterbleiben, um so mehr als es in der Hauptsache von den meisten Beobachtern übereinstimmend geschil- dert wird. Wohl in der vollendetsten Weise sind diese Gebilde von Axel Key und G.Retzius!) inihrem jüngst erschienenen grossen Atlas abgebildet worden. Zwei Thatsachen treten mit besonderer Schärfe hervor: 1. Dass die Häutchenzelle in der Regel aus drei Theilen be- steht, nämlich: Kern, Protoplasma und einer structurlosen Sub- stanz: dem eigentlichen Häutchen. 2. Dass sie völlig unabhängig ist von den Fibrillen des Binde- gewebes. j Gerade die letztere Thatsache hat sich jedem Beobachter so unwiderstehlich aufgedrängt, dass die histologische Deutung dieser Gebilde zum grössten Theile sich für die endotheloide Natur der- selben entscheidet. Die Häutchenzellen sind nach dieser Auffassung endothelähnliche Zellen, welche die Spalten des Bindegewebes, durch welche das allgegenwärtige Lymphsystem zieht, auskleiden. Es ist durch die Arbeiten der letzten Jahre ferner nach- gewiesen worden, dass in dem Bindegewebe aller Orten Spalträume für den Lymphstrom sich finden, und es ist ferner wie mir scheint zweifellos, dass in und an diesen Spalten die Häutchenzellen liegen, und doch kann man ein Gegner der eben mitgetheilten Deutung sein, welche bei Löwe am schärfsten hervortritt; wenn er sagt: »Alles Bindegewebe besteht aus Membranen seröser Natur, und alle Spalten im Bindegewebe des Körpers sind seröse Höhlen«; und »der Typus des Bindegewebes ist nicht durch die Faser, sondern durch die Membran repräsentirt«. Diese Auffassung wäre richtig, wenn er- wiesen wäre, dass die Häutchenzellen endothelähnliche Gebilde sind. Dieser Beweis ist aber noch keineswegs erbracht, die endothelähn- 1) Axel Key u. G. Retzius, Studien in der Anatomie des Nerven- systems u. des Bindegewebes. I. Hälfte mit 39 Tafeln. Tu re u ze Die Bindesubstanz der Acephalen. 597 lichen Zeichnungen um die Häutchenzellen an den Spalträumen sind von mehreren Seiten geradezu bestritten. Ich selbst finde, dass z.B. jene Silberlinien, welche Löwe!) Taf. IX Fig. 7 u. 5 dargestellt hat, mit den Häutchenzellen nichts zu thun haben, diese liegen unter dem Endothel. Das Verhalten dieser seltsamen Zellen zu dem Lymphstrom gleicht genau derjenigen Anordnung der Bindesubstanzzellen, die ich aus dem Mantel der Acephalen Fig.7 Taf. XXXVII dargestellt habe. Hier wie dort liegen sie theils mit einer Fläche in dem Spaltraum, theils sind sie, und das scheint viel häufiger zu sein, in die Gallert- balken vollkommen eingeschlossen, sind hier wie dort inner- halb jene structurlose Substanz eingesenkt, welche mit dem körnigen Protoplasma zusammenhängt, liegen also in jenen Häutchen, die ihnen den apparten Namen »Häutchenzellen« eingebracht haben. Diese an dem Kern und dem Protoplasma hängenden Häutchen sind aber namentlich an der Arachnoidea von grosser Ausdehnung, sind wirklich membranös, haben jedoch mit Endothelzellen nicht das Mindeste gemein, verdienen auch nicht, wie ich glaube, den Namen endotheloid. Diese Anhänge oder diese häutchenartigen Grundlagen der hier in Frage kommenden Zellen sind ein Bestandtheil des Binde- gewebes, sowohl bei den Wirbellosen als bei den Wirbelthieren, der völlig unabhängig ist von der Circulation der Lymphe. Das zeigt namentlich das Vorkommen solcher Zellen, wo man vergebens nach interstitiellen Lücken suchen wird, siehe Fig. 4 (Darmleiste von Anodonta), oder beim Menschen im Innern der Arachnoideal- und Dural- balken, wie sie sich Jedem vorurtheilsfreien Beobachter in grosser Zahl bieten werden, und wie sie auch AxelKey und G. Retzius in dem erwähnten Werke S. 127 ausdrücklich erwähnen. »Zuweilen sieht man auch einzeme Kerne mit dem ihnen zugehörigen Proto- plasmarest im Innern der Balken, sogar mitten im Fibril- lenbündel«. Ich sehe sie ferner in Mitten der subcutanen Binde- gewebsbündel vom Kaninchen, wofür die Darstellungen Flemmings?) und seine Figg.2u.3 als Belege gelten können — dort, wo eben von keinen interstitiellen Lücken, von keinen Lacunen die Rede sein kann, mit 1) Flemming, W., Beiträge zur Anatomie u. Physiologie des Binde- gewebes. Archiv f. mikr. Anat. XII. Bd. 1876. S. 392. 2) Zur Histologie des Bindegewebes. Löwe, L., Sep.-Abdr. a. d. Med. Jahrb. III. Heft 1874. 598 Kollmannr: einem Wort, die fixen Zellen des Bindegewebes oder diese Häutchen- zellen liegen auch an Stellen, wo nachweisbar der endotheloide Charakter vollkommen fehlt. Andererseits sind diese Häutchen bis- weilen unabhängig von Zellen nachzuweisen, wie in jenen eigenthüm- lichen Höhlen der Dura, die nicht mit dem Lymphgefässsystem zu- sammenhängen, sich niemals durch Finstich injieiren lassen, und in denen selbst den schwedischen Forschern der Nachweis eines Endo- thels misslang (Taf. XXIII und S. 166 u. f.). Das und die Homologie bei den Acephalen, bei denen die Bindesubstanz und die interstitiellen Lücken ohne jede Spur von Endothelien oder endotheloiden Zellen vorliegen, ebenso wie bei den Vertebraten, sind für mich Hauptgründe, an dem endotheloiden Charakter der fixen Zellen zu zweifeln. Es giebt aber auch noch andere Thatsachen, welche entschieden gegen eine Zusammenstellung dieser fixen Bindegewebszellen mit endothelartigen Gebilden sprechen, nämlich der Charakter der Zellen selbst. Schon oben wurde erwähnt, dass die sogenannten Häutchen- zellen in der Regel, nicht immer, aus drei Abschnitten bestehen: Kern, Protoplasma und einer wechselnden Menge einer mit dem Pro- toplasma verbundenen structurlosen Substanz, dem eigentlichen Häut- chen. Am auffallendsten tritt das Letztere hervor an den Häutchen- zellen der Sehne (Grünhagen) oder an manchen Balken der Arach- noides. Siehe den Atlas von A. Key u.G. Retzius Taf.X. Fig.4. Taf. XI. Fig. 1. Darf man aber angesichts der embryonalen Zellen Nabelstrang, Omentum etc. beim Menschen, ferner der ihnen in histologischer und physiologischer Bedeutung zunächst verwandten, aber im reifen Gewebe nachweisbaren Spindelzellen bei den Acephalen, darf man angesichts der überall vorkommenden Rundzellen, wie im Gallertgewebe der Wirbelthiere und Wirbellosen, angesichts der Knorpelzelle, sei’s bei Menschen oder Cephalopoden, diese Häutchen so schlechthin als einen Theil der Zelle betrachten? Ich für meinen Theil antworte entschieden mitNein. Man müsste sonst consequent dies in allen Fällen thun; wo bliebe dann aber bei dem embryonalen Gewebe der Wirbelthiere oder dem Gallertgewebe der Wirbellosen die Zwischensubstanz? Die Bindegewebstheorie Max Schultze’s lässt uns, wie mir scheinen will, in diesem Falle theilweise im Stich. Bei ihrem Auf- bau waren diese eigenthümlichen Häutchenzellen noch nicht ent- deckt, sonst wäre zwar nicht dem Kern und dem Protoplasma, aber I j j ar Die Bindesubstanz der Acephalen. 599 vielleicht dem Häutchen eine andere Deutung gegeben worden: denn offenbar liegt hier der Fall vor, wo ein Theil des Protoplasma sich nicht in Fibrillen verwandelt hat, wo die Grundsubstanz etwas anderes darstellt, als das in Fibrillen umgewandelte Protoplasma wandungsloser und bis zur Verschmelzung genäherter Embryonal- zellen. Max Schultze hatte über die fixen Zellen des Bindege- webes andere Erfahrungen gemacht. »Wie bei der Entwicklung der Muskelfasern Reste unveränderten Protoplasmas zwischen den Fi- brillen übrig bleiben und sich namentlich um die Kerne ansammeln, so bleibt auch bei den Zellen, deren Protoplasma sich in fibrilläres Bindegewebe umwandelt, ausser dem Kern noch ein wenig unverändertes Frotoplasma übrig, welches ersterenin freilich oft sehr geringer Menge umhüllt«. Dies sind die, gleich den Muskelkörperchen, wandungslosen Bindegewebs- oder Sehnen- körperchen. M.Schultze hatte sich überzergt, aass die embryonale Zelle als Kern mit spärlichem Protoplasma im reifen Thier fort- existire, der übrige Theil sich in Fibrillen umwandle. Wie nun, nachdem es sich herausgestellt hat, dass überdies ein Häutchen, sagen wir ein structurloses Häutchen, sich neben den Fibrillen er- hält, bald grösser, bald kleiner, bald mehr in der Form einer structur- losen Platte, auf der Kern und Protoplasma festsitzen, bald als eine mit structurlosen sich theilenden Fortsätzen versehene membranartige Ausbreitung? Posner wirft die Vermuthung auf, ob denn nicht für die Bindesubstanz der Acephalen der Satz zu vertheidigen wäre, dass entsprechend dem phylogenetisch niederen Stadium ein gleichsam in Permanenz erklärter embryonaler Zustand vorliege? Nach meiner Auffassung dieser Bindesubstanz halte ich diese Ansicht für un- anfechtbar. Das Gallertgewebe, die embryonale Form der Bindesub- stanz bei den Vertebraten, bleibt in der That bei den Acephalen in Permanenz und selbst die weitgehendsten Veränderungen sind nicht im Stande, diesen Typus zu verwischen. Bei den Wirbel- thieren verliert das Gallertgewebe seine embryonale Beschaffenheit und geht in fibrilläres leimgebendesBindegewebe über, aber einkleiner Theildes Gallertgewebes der strukturlosen embryonalen Grundsubstanz bleibt zurück und bleibt während desganzenLebensnachweisbar, theilsals»häut- chenartiger« Anhang an die wandungslose fixe Binde- gewebszelle, theils als Kittsubstanz.um die leimgeben- 600 Kollmann: denFibrillen undFibrillenbündel in grösserer oder ge- ringerer Menge!). Wenn ich Flemming recht verstehe, so ist er eigentlich auf dem Weg, zu derselben Anschauung über die Natur der Häutchenzellen zu gelangen. In dem schon oben citirten Artikel »Beiträge zur Ana- tomie und Physiologie des Bindegewebes, enthüllt er offen die viel- fachen Bedenken«, die der endotheloiden Auffassung der Zellen und derjenigen eines »lamellösen Bindegewebes« sich entgegenstellen. Er kann zwar oft Zellplatten mit scharfgeschnittenen Rändern, aber keine zusammenhängende Membranen nachweisen, 8. 401, er sieht Lymphbahnen, in welche hier und da eine abgelöste Häutchenzelle hineinragt, aber das Endothel oder eine endotheloide Zeichnung fehlt diesen Räumen, 8.404. »Jede Abgrenzung der Zellen oder der kern- haltigen Residuen (!) in den Bindegewebsräumen wäre willkürlich, denn es sind keine Grenzen der Zellen zu erkennen, und nach der Art, wie die Präparate gefertigt wurden, liegt auch die Annahme am nächsten, dass es hier keine scharfen Grenzen giebt« (S. 407) etc., mit einem Wort, er deckt mit höchster Objectivität die Widersprüche auf, welche in der Deutung dieser Häutchenzellen gegenüber dem mikroskopischen Bilde hervortreten. 1) Ich habe damit eine schon sehr wesentliche Verbreitung des Gallert- gewebes bei den Wirbeltnieren hervorgehoben. Es ist hier nicht der Ort, des Weiteren auf diese Seite der Frage einzugehen, nur auf eine interessante Er- scheinungsform möchte ich noch hinweisen, weil sie homologeBilduugen des Gallertgewebes in ihrer weiten Verbreitung erkennen lässt. A. Key und G. Retzius haben in Lacunen der Dura Gewebsbälkchen nachgewiesen, Gallertfäden, wie ich sie genannt und oben in den Figuren 1, 5 und 6 abgebildet habe. Sie be- stehen in den ebengenannten Organen aus Protoplasma, Kern + Gallertgewebe, ebenso wie bei den Acephalen, die Substanz ist derber, aber sonst nach Wesen und Beschaffenheit identisch. Bei Key und Retzius sind die betreffenden Abbildungen auf Taf. XXIH, Fig. 8 und Fig. 9 b unten und links zu finden. Die erwähnten Lacunen stammen aus der Umgebung des Sinus transversus und sind »von eigenthümlichen, steifen verzweigten Fasern durchsponnen, welche mit trompentenförmig erweiterten Füssen an der Wand sich inseriren«. Die Fasern sind den elastischen sehr ähnlich, Zuweilen sind diese Balken relativ grob, zuweilen aber so fein, dass man sie bei stärkster Vergrösserung kaum wahrnehmen kann. Ich füge aus der sorgfältigen Schilderung aller Details (S. 167) nur noch die weitere Mittheilung hier an, dass das zwischen den Lacunen befindliche Bindegewebe wie sonst »fibrillär« gebaut ist, und zwischen seinen Bündeln die gewöhnlichen Zellenformen und elastischen Fasern enthält, Se ee ce ee ee ee u et De ee ce En ri Die Bindesubstanz der Acephalen. 601 Die vergleichend-histologische Untersuchung der Bindesub- stanz führt auch in diesem Falle, wie ich glaube, eine Verständigung auf dem Boden der Thatsachen herbei und wenn nicht alle Zeichen trügen, liegt sie in der eben angedeuteten Auffassung, nach welcher das sogenannte Bindegewebe der Wirbelthiere aus Fibrillen, Gallert- gewebe und Zellen besteht, die letzteren im Sinne M. Schultze’s aufgefasst. Unter solchen Umständen wird jedoch die jetzt herrschende Theorie über die Entstehung der Fibrillen eine Abänderung erfahren müssen. Wenn das embryonale Gallertgewebe bei den Wirbelthieren gerade in der Umgebung der Zellen als Platte oder Häutchen persistirt, wenn die Zellen von den Fibrillen durch eine dünne in Säure wider- standsfähige Schichte getrennt sind, so wird die neuere Lehre M. Schultze’s der älteren von Henle, Virchow und Donders weichen müssen. Denn es ist doch wohl unwahrscheinlich, dass ein und dieselbe Zelle strukturlose Substanz bildet und noch dazu zahl- lose Fibrillen. Es kann nur eines von beiden richtig sein, und ich stelle mich unbedingt auf SeiteRolletts!), der in der jüngsten Zeit die Fibrillen unabhängig von Zellen entstehen lässt. Ich wollte übrigens an dieser Stelle die Consequenzen, zu denen meine Auffassungen der Natur der Häutchenzellen führt, nur an- deuten, nicht weiter ausführen. Jedoch darf ich bemerken, dass auch diese Blätter manche T'hatsachen enthalten, welche für eine Umge- staltung der herrschenden Lehre über die Entstehung der Fibrillen von Belang sind. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVI und XXXVI. Taf. XXXVI. Fig. 1. Flächenschnitt zur Kieme von Anodonta cygnea, theils nach einem frischen Präparat (nach dem Frieren), theils nach einem Osmium-Präparat gezeichnet; die Endothelien bei k in dem geöffneten Theil des kammförmig verlaufenden Gefässes sind einer Silberfärbung nachgebildet. Seibert VII (Immersion). Ocul. 2. Das Gefäss k ist um 1) Rollett, A., Artikel: Von den Bindesubstanzen in Strickers Hand- buch S. 65. 602 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. - 6. Kollmann; Raum zu gewinnen etwas enger dargestellt, als es bei dieser Ver- erösserung erscheint. Die hellen rundlichen Massen in dem Gallert- gewebe der Kieme sind kohlensaurer Kalk mit organischer Grundlage. g Gallertfäden. gb Gallertstränge oder Gallertbalken. k Kammförmig verlaufendes Kiemengefäss. q Sinöse Erweiterungen der Queranastomosen. q* Endothelähnliche Zeichnung auf der Innenfläche einer sinösen Erweiterung. s Spindelzellen in dem Gallertgewebe. w ÖOeffnungen für den Durchtritt des Wassers, schematisch an ein paar Stellen angedeutet. Endothelzeichnung an Kiemengefässen. Seibert V. 2. a) Pinna mauricata (aus Triest). b) Mytilus galloprovincialis (aus Triest). Capillare Gefässe aus dem Mundtentakel der Anodonta. a) schwache Füllung mit präcipitirtem Karmin und Glycerin, b) starke Füllung mit löslichem Berlinerblau. Gallertgewebe aus der Darmleiste von Anodonta. Schnitt durch das gefrorene Organ. Der helle scharf umgrenzte Raum in der Mitte ist der Querschnitt eines Gefässes. Tauchlinse Seibert VII. 2. e Elastische Fasern. m Muskelzellen. s Spindelzellen. r Rundzellen. Gallertgewebe aus dem rothbraunen Organ. Inden breiten Gallertbalken liegen Haufen von Rundzellen, in den schmalen Gallert- fäden, welche die Lacunen | überbrücken, lassen sich Spindelzellen s erkennen. Seltsam sind Bilder wie bei 1*. Diese Lacune gleicht unter dem Mikroskop einer grossen blassen Zelle, an deren rechter Hälfte das Protoplasma mit Kern zu liegen scheint. Seibert V. 1. gb Gallertbalken. h Hohlräume in denen die Rundzellen liegen. l Lacunen. m Muskelbündel. r Rundzellen. s Spindelzellen. Taf. XXXVIL Gallertgewebe aus dem Mundtaster von Mytilus gallo- prov. Alkoh.-Wasser- Glycerinpräparat. Die zarten Begrenzungen der Lacunen | bestehen aus höchst durchsichtigem Gallertgewebe, durch das äusserst feine Muskelfäden geradlinig ziehen. Die Zellen Fig. Fig. ie. 10. Ihe Die Bindesubstanz der Acephalen. 603 innerhalb der Gallertbalken haben in einem feinkörnigen Proto- plasma einen runden deutlichen Kern. Seibert VII. 1. 1 und m wie früher. | Gallertgewebe aus dem Mantel von Anodonta. Seibert VII. 1. Die Lacunen sind für diese Vergrösserung etwas zu klein aus- gefallen. b Blutkörperchen. ce Durch Osmiumsäure coagulirtes Eiweiss. g, l und m wie in der Fig. 5. Gallertgewebe zwischen den Organen des Eingeweidesackes, pigmentirt, in den Gallertbalken spärlich Rund- und Spindelzellen. Seibert VIII. 2. gb, I, r,s wie in Fig. 5. 5 Muskelbündel aus dem Adductor von Anodonta. Seibert VII. 1. m Muskelfasern. s Spindelzellen des intramusculären Gallertgewebes. Gallertgewebe aus dem Mantel von Pinna mauricata, m Muskelbündel bedeckt von einer dünnen Schichte Gallertgewebes mit Spindel- und Rundzellen und elastischen Fasern. Verdichtetes Gallertgewebe. a) Die rechte Hälfte des Stützgerüstes eines Kiemenfadens bei Mytilus schief liegend, nach Wegnahme des umgebenden Gallertgewebes und der Epithelien. b) Ein Theil des Stützgerüstes von Pecten Jacobaea mit einem mäandrischen Kanal im Innern, nach oben Insertion von Gallert- fibrillen. Ueber unmittelbare Einmündung kleinster Arterien in Gefässäste venösen Charakters. Von Prof. H. Hoyer in Warschau. Hierzu Tafel XXXVII und XXXIX. Vor einer Reihe von Jahren stellte ich zahlreiche Versuche mit verschiedenen Harzlösungen an, um eine Injectionsmasse für Corrosionspräparate ausfindig zu machen, die leichter und bequemer zu handhaben wäre, als die bisher allgemein ange- wandten Compositionen. Nach vielen vergeblichen Bemühungen stiess 604 H. Hoyer: ch endlich auf eine Lösung, welche befriedigende Resultate zu liefern versprach und bei weiteren Versuchen auch in der That sich als sehr zweckmässig bewährt hat. Es war dies eine einfache alkoholische Lösung von Schellack, gefärbt mit in Salzsäure sich unzersetzt er- haltenden körnigen Farbstoffen (z. B. Zinnober), oder mit in Alko- hol löslichen Anilinfarben. Die mit dieser Masse angestellten Ver- suche lehrten gleichzeitig, dass dieselbe mit grossem Vortheil sich verwerthen lasse zur Herstellung sehr guter makroskopischer Inje- ctionen grösserer Gefässgebiete, indem in Folge der Diffusion des Alkohols in die umgebenden Gewebe die Harzmasse in den Gefässen sich sehr schnell condensirt und fest wird, so dass bereits nach wenigen Minuten die Präparation peripherischer Gefässverzweigungen vorgenommen werden kann; ferner heben sich die Gefässe sehr deut- lich von den Geweben ab (insbesondere bei Anwendung von mit Zin- nober gefärbten Lösungen), die Masse dringt bis in die feinsten, mit blossem Auge oder mit schwacher Loupe noch wahrnehmbaren Aestchen ein, kann in grösserer Quantität stets vorräthig ge- halten werden und ist jeden Augenblick ohne weiteres zur Anwen- dung bereit.!) Als ich die Arterien verschiedener innerer Organe bei Kanin- chen, Katzen und Hunden zum Zwecke der Corrosion oder Präpara- tion mittelst obiger Masse injieirt hatte, fand ich zu meiner Ver- wunderung, dass dieselbe niemals bis in die entsprechenden Venen- stämme vorgedrungen war, obschon sämmtliche Verzweigungen der injieirten Gefässe bis in die feinsten Aestchen sich auf das voll- ständigste angefüllt hatten; nur wenn die Masse in sehr stark mit Alkohol verdünntem Zustande und mit grosser Schnelligkeit injieirt wurde, traf man in mit sehr weiten Capillaren versehenen Bezirken auch die venösen Wurzeln mit Masse gefüllt an. Meist injieirte ich aber die Masse unter mässigem Druck und in der Consistenz eines dünnen Syrups, wobei sie, mit Ausnahme der unten noch näher zu bezeichnenden Oertlichkeiten, kaum jemals über die Ca- pillaren hinausgelangte; man traf höchstens Spuren derselben in 1) Die speciellen Vorschriften für die Herstellung der betreffenden In- jeetionsmassen, sowie für andere bei den vorliegenden Untersuchungen ange- wandte Methoden und Hülfsmittel habe ich ihrer allgemeineren Verwendbarkeit wegen in einem gesonderten und gleichfalls in dieser Zeitschrift abgedruckten Artikel zusammengestellt. Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 605 den feinsten Venenwurzeln. Am deutlichsten konnte man sich von diesen Thatsachen bei Injection der Darmgefässe durch die Mesen- terialarterien oder die Pfortader überzeugen, indem bei mikrosko- pischer Untersuchung der Zotten stets nur das eine oder das andere der beiden durch die Capillaren von einander getrennten Gefäss- systeme mit der Masse angefüllt war; ebenso gelangte aber auch die Masse niemals aus den arteriae pulmonales oder renales in die ent’ sprechenden Venen oder umgekehrt, oder aus der Pfortader in die Lebervenen. Nachdem ich mich mit diesen Thatsachen vertraut gemacht hatte, war es für mich eine überraschende Erscheinung, als nach Injection der Carotiden des Kaninchens (in peripherer Richtung) die grossen Halsvenen mit Zinnobermasse sich erfüllt zeigten. Wurden die Venenstämme in der Richtung nach der Peripherie zu frei ge- legt, so fand man alsbald, dass nur gewisse Aeste derselben Injec- tionsmasse enthielten, während andere ganz frei davon waren. Aehnliche Befunde erhielt man bei Injection der art. axillaris und cruralis, indem die entsprechenden Venen sich mehr weniger injicirt zeigten, insbesondere in der Richtung nach den Zehen zu. Für das Gelingen des Versuchs muss die Injectionsmasse frei sein von grösse- ren Klümpchen oder gröberen Unreinigkeiten; zu dem Zwecke wird sie durch ein Stückchen von mässig dichtem Mousseline durch- geseiht. Die vorstehenden Beobachtungen lehrten oflenbar, dass jene Körperstellen, an welchen das Eindringen der Injeetionsmasse bis in die Venenstämme regelmässig wahrgenommen wird, mit breiteren Gefässverbindungen zwischen Arterien und Venen versehen sein müssen, als wie die gewöhnlichen Capillaren. Ich versuchte dann auch alsbald, die Lokalität der breiteren Blutbahn näher zu be- stimmen und womöglich auch die communicirenden Gefässäste unter dem Mikroskope unmittelbar zu beobachten. Während aber erstere Aufgabe als eine verhältnissmässig sehr leichte und bald zu erledi- gende sich auswies, erforderte die zweite viel Mühe und Ueberlegung und nahm einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch; doch schliesslich ist es mir gelungen, die betreffenden breiteren Blutbah- nen der verschiedenen Körpertheile unmittelbar unter dem Mikros- kope zu demonstriren. Durch Präparation der mit Schellackmasse injieirten Körpertheile liess sich der Nachweis führen, dass die breiteren Communicationen zwischen Arterien und Venen an folgen- 606 H. Hoyer: den Stellen vorhanden sein müssen: bei Thieren an den Ohren, in der Gegend der Nasenspitze und der Lippen, an den Zehen der vorderen und hinteren Extremitäten, an der Schwanzspitze und in den cavernösen Bildungen der Geschlechtsorgane; beim Menschen dagegen vermochte ich trotz wiederholter Injectionen am Kopfe keine derartigen Gefässverbindungen nachzuweisen, dagegen zeigten sich die Venen an Händen und Füssen stets mit Injectionsmasse angefüllt und daneben füllten sich auch die cavernösen Räume an den Geschlechtorganen. Die letzteren Resultate hatte ich mir bereits zu eigen gemacht, bevor ich noch mit der betreffenden Literatur mich bekannt zu machen im Stande war. Ich überzeugte mich aber alsbald, dass mit Ausnahme der cavernösen Bildungen und der Schwanzspitze unmittelbare Einmündungen von wirklich arteriellen Gefässästen in Venen noch nirgends mit aller Sicherheit nachgewiesen waren. Selbst die ausführlichen Untersuchungen von Sucquet, die nach einer mit der meinigen wesentlich übereinstimmenden Methode angestellt worden waren, lieferten keine striecten, unmittelbar überzeugenden Beweise für die behaupteten Communicationer; ausserdem differirten unsere Resultate in so vielen Punkten, dass von einer einfachen Be- stätigung von Sucquet’s Angaben keinesfalls die Rede sein Konnte. Endlich überzeugte ich mich auch, dass bei Untersuchung undurch- sichtiger Objecte mit der Loupe weder wirkliche zarte Anastomosen sicher erkannt, noch auch optische Täuschungen in jedem Falle :ver- mieden werden können. Um nun jene breiteren Verbindungswege zwischen arteriellen und venösen Gefässen mit aller Sicherheit und frei von jedem Ein- wurfe darzulegen, musste ich mich nach neuen Untersuchungsmetho- den umsehen, welche es gestatteten, die entsprechenden Präparate bei stärkerer Vergrösserung und durchfallendem Lichte zu unter- suchen, und dabei Arterien, Venen und Capillaren ihrer histologi- schen Structur nach bestimmt von einander zu unterscheiden. Nach vielen misslungenen Versuchen ist es mir endlich gelungen, Präpa- rate zu erhalten, welche allen diesen Anforderungen entsprechen. Dieselben liefern den augenscheinlichen Beweis, dass an allen jenen Körpertheilen, an welchen mittelst der Schellackinjectionen regel- mässig auch die Venen mehr weniger stark gefüllt erscheinen, neben gewöhnlichen Capillaren zahlreiche unmittelbare Anastomosen zwischen arteriellen und venösen Gefässästen vorkommen. Mein ee ee Me u Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 607 hochgeschätzter Freund und College Prof. Wrzesniowski war so gefällig, von meinen den verschiedenen Körpertheilen entsprechen- den Präparaten naturgetreue Zeichnungen mit grossem Geschick und höchster Sorgfalt anzufertigen; ich nehme hiermit die Gelegen- heit wahr, ihm dafür meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Mit Hülfe dieser die typischen Verhältnisse darlegenden Figuren und der. im Nachfolgenden näher zu beschreibenden Untersuchungsmetho- den wird es hoffentlich für jeden Nachuntersucher keine grossen Schwierigkeiten mehr bieten, auf dem mit vielem Zeitverlust vorge- bahnten Wege sich bald zu orientiren und die betreffenden Gefäss- communicationen an den näher bezeichneten Stellen aufzufinden. Der nähere Nachweis solcher Gefässverbindungen gelang mir zunächst am Ohr des Kaninchens. Ich verfuhr dabei in der Weise, dass ich die Arterien mit einer leimhaltigen Lösung von Berliner- blau schwach injieirte, so dass zwar die arteriellen und venösen Aeste mit Masse erfüllt waren, die Capillaren aber leer blieben ; darauf macerirte ich die Ohren einige Tage hindurch in verdünnter Essigsäure, wonach Haare und Epidermis sich leicht entfernen liessen, färbte sie alsdann in Carminlösung, machte sie vermittelst Alkohol und Nelkenöl durchsichtig und schloss sie flach ausgebreitet in Dammarlack zwischen dünnen Glässern ein, um sie von beiden Flächen aus mit Vergrösserungen von 90 bis 150 genau durchsuchen zu können. Es gelang mir denn auch alsbald, auf diese Weise an der äusseren Oberfläche des Ohres wirkliche arterielle Gefässäste ausfindig zu machen, welche unmittelbar in kleine Venen einmünde- ten, während die Capillaren meist frei waren von Injectionsmasse und durch ihren einfachen Bau auf das Bestimmteste von jenen Communicationsästen unterschieden werden konnten. Auch die Arterien und Venen waren sowohl ihrer Structur, als auch ihrem Ursprunge nach sicher von einander zu unterscheiden; die arteriellen Aeste sind mit einer unvergleichlich stärkeren circulären Muskelfaserschicht versehen, als die Venen, und die in letztere sich unmittelbar ein- senkenden arteriellen Zweige behalten dieses charakteristische Merk- mal bis zur Einmündungsstelle bei; ausser dieser Media manifestirt sich an allen diesen Gefässen auch noch eine deutliche Intima und Adventitia. Im weiteren Verfolg dieser Beobachtungen sah ich mich genöthigt, die Methoden zu verbessern, um sie auch an anderen Körpertheilen ver- wenden zu können. Nach vielen fruchtlosen Versuchen gelangte ich end- 608 H. Hoyer: lich auf folgenden Wegen zum Ziele: Um die peripheren dünnen Aeste von Arterien und Venen sicher zu unterscheiden, müssen einerseits die ihre Wandungen zusammensetzenden Elemente deutlich zur An- schauung gebracht werden, und andererseits muss man an einzelnen Theilen, in welchen die kleinen Venen ihrer Structur nach von ent- sprechenden Arterien nur wenig differiren, die feineren Aeste bis zu ihrem Ursprung in die gröberen Gefässstämme leicht verfolgen können. Aus diesem Grunde eignen sich dünne Schnitte nur selten zu derartigen Untersuchungen; meist müssen dickere Gewebsstücke, in welchen der Gefässverlauf in grösserer Ausdehnung verfolgt werden kann, im injicirten und möglichst durchsichtig gemachten Zustande unter das Mikroskop gebracht werden. Bei Durchmusterung des mehr oder weniger complieirten Gefässverlaufes in solchen dicken Präparaten hat mir übrigens die Anwendung eines stereoskopischen Mikroskopes vorzügliche Dienste geleistet; dasselbe erleichtert be- deutend die Wahrnehmung des gesonderten Verlaufes der über- und untereinander fortziehenden Gefässe, giebt eine plastische Anschauung von deren verschiedener Tiefenlage und ermöglicht so die Verfolgung einzelner Aeste inmitten eines grösseren Gefässlabyrinthes. Da in- dessen dickere Gewebstheile beim Einlegen in Carminlösung nur schwer von letzterer imbibirt werden und sich niemals in ihrer To- talität gleichmässig färben, so versuchte ich es, durch Injection von Carminlösung in die Gefässe die Wandungen derselben unmittelbar zu färben. Die ersten Versuche fielen indessen wenig befriedigend aus und erst nachdem ich die Carminlösung entsprechend modifieirt hatte, lieferte diese Methode vortrefiliche Resultate. In dieselben (Gefässe, in welche die zur Imbibition der Gewebe dienende Carmin- lösung injieirt worden war, wurde darauf eine mässig concentrirte Lösung von Berlinerblau eingespritzt, und zwar, je nach Bedarf, mit oder ohne Beigabe von Leim. Die Lösung darf aus dem Grunde nicht zu intensiv gefärbt sein, damit sie die Structur der Gefäss- wandung nicht verdecke. Endlich dürfen auch nur die stärkeren Gefässästchen mit Masse gefüllt werden, weil es sonst unmöglich wird, sich inmitten des dichten Capillarnetzes zu orientiren. Wo unmittelbare Anastomosen zwischen Arterien und Venen vorhanden sind, füllen sich die feinen Venenäste meist bereits mit Masse, bevor dieselbe noch bis in die Capillaren vorzudringen im Stande ist. Die auf diese Weise gefärbten und injicirten Theile werden in eine Mischung von Alkohol und Essigsäure (4:1) gelegt, worin sie er- Ueber unmittelb Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters, 609 härteten und gute Schnittfähigkeit erlangten; daneben wurde durch die Säure der Carmin in den Gewebselementen und insbesondere in den Kernen der Gefässwandung fixirt und die Structur der letzteren deutlich zur Anschauung gebracht. Schnitte von entsprechender Ausdehnung und Dicke wurden mittelst Alkohol und Nelkenöl durch- sichtig gemacht, mit geeigneten Vergrösserungen bei durchfallendem Licht mikroskopisch untersucht und, falls sie sich zur Aufbewahrung qualificirten, in Damarlack eingeschlossen. Die eben kurz dargestellte Methode lieferte aber nicht überall be- friedigende Resultate, vielmehr musste ich für einzelne Theile noch eine andere Methode in Anwendung bringen, welche mir da vielfach die besten Dienste geleistet hat, wo ich von der ersteren im Stiche gelassen wurde. Dieselbe basirte auf der Injection von salpetersaurem Silber- ammoniak, meist mit nachfolgender Injection von concentrirter Gela- tinelösung, doch reicht für einzelne Theile die erstere für sich allein aus. Meist wurden die Präparate nach der Injection womöglich für einige Minuten noch dem direeten Sonnenlichte ausgesetzt, wo nöthig, von Epi- dermis und Haaren befreit (z. B. die Ohren des Käninchens) und dann in starkem Alkohol entwässert. Die Ablösung der Haare, Nägel und der Epidermis lässt sich meist leicht bewerkstelligen, wenn man die Theile auf 2—3 Secunden in fast siedendes Wasser eintaucht; bei gehöriger Vorsicht kann der Schrumpfung der Ohrknorpel sehr wohl vorgebeugt werden. Die so vorbereiteten Präparate werden dann wiederum in Nelkenöl aufgehellt und in Damarlack eingeschlossen. An: den auf diese Weise hergestellten Präparaten heben sich die Arterien von den Venen meist sehr bestimmt ab sowohl durch die besondere Form der Endothelzeichnung, als auch durch die hier sehr deutlich zum Vorschein kommenden dunkeln Begrenzungen der eirculären Muskelfasern in der Media; die Endothelgrenzen charakte- risiren sich in den Arterien als dicht gedrängte der Längsaxe des Gefässes mehr weniger parallele Linien, während.in den Venen mehr polygonale Felder von letzteren eingefasst werden. Mittelst dieser Methoden ist es mir gelungen, an fast allen Stellen, an weichen die Resultate der Schellackinjection breitere Ver- bindungsbahnen zwischen Arterien und Venen vermuthen liessen, dieselben unter dem Mikroskop unmittelbar zu demonstriren. Die Verbindung erfolgt stets auf die Weise, dass ein durch seine com- plieirte Struetur deutlich charakterisirter kleiner Gefässast einen oder mehrere gleichfalls noch deutlich arterielle Zweige abgiebt, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 13. 39 610 H. Hoyer: i welche in benachbarte kleine Venenzweige nach mehr oder weniger stark geschlängeltem Verlaufe unmittelbar einmünden; an der Com- municationsstelle erweitert sich der Verbindungsast ein wenig trichter- förmig, im Uebrigen behält er bis zur Einmündung seine arterielle Structur bei. Diese communicirenden Arterienzweige zeigen an Körperstellen, in welchen sie überhaupt angetroffen werden, wesent- lich gleichen Bau; die jene Zweige aufnehmenden Venen bieten da- gegen an den verschiedenen Theilen sehr verschiedene Formen dar, und zwar differiren sie nicht nur in Bezug auf die Weite des Lumens, sondern auch im Baue ihrer Wandungen. So findet man z. B. inner- halb derber, widerstandsfähiger, eine bedeutende Erweiterung der Gefässe nicht gestattender Gebilde dichte, aus breiten venösen Ca- nälen gebildete Gefässnetze mit sehr einfachem Baue der Wandungen; letztere bestehen ähnlich den Capillaren aus einer einfachen Lage von Endothelzellen, zu denen sich höchstens noch eine zarte Binde- gewebsschicht als Adventitia hinzugesellt, so z. B. in dem Mark- raume des Nagelgliedes an den Zehen des Kaninchens, im Nagel- bette beim Menschen, unter der Matrix der Hufe beim Schwein, an der Nasenspitze bei verschiedenen Thieren. An anderen Stellen da- gegen findet man Venen, die von den arteriellen Aesten auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden sind; bei genauerer Betrachtung zeigen sie aber deutlich eine gewöhnlich bedeutend schwächer ent- wickelte circuläre Muskelfaserschicht, als die Arterien, so z. B. in der Schwanzspitze bei Thieren, in der Haut an den Finger- und Zehenspitzen beim Menschen. An mit Carmin injieirten Prä- paraten unterscheiden sich die Arterien häufig auch durch intensivere Färbung ihrer Wandungen von den Venen, auch sind erstere ge- wöhnlich praller mit blauer Injectionsmasse angefüllt, als die letz- teren. Neben den anastomotischen Zweigen entspringen aus den kleinen Arterien stets mehr weniger zahlreiche in wirkliche Capillaren zerfallende Zweige; die Capillaren sammeln sich dann wiederum in jene Venen, welche gleichzeitig auch die anastomotischen Arterien- zweige aufnehmen. Es ist mir gelungen, auf diese Weise die unmittelbaren Ver- bindungen zwischen Arterien und Venen an den verschiedenen Körpertheilen des Kaninchens, an den Extremitäten von Kinder- leichen und an der Schwanzspitze der Katze direct unter dem Mi- kroskope zu demonstriren ; ausserdem wurden die erlangten Resul- tate einer Gontrole unterzogen mittelst Injection von Schellackmasse — > 1 ee . n: Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 611 bei Huhden, Katzen, Meerschweinchen, Ferkeln und an Leichen er- wachsener Menschen. Im Folgenden will ich nun versuchen, die an den einzelnen Körpertheilen und bei verschiedenen Thieren wahrge- nommenen Besonderheiten in übersichtlicher Darstellung zusammen- zufassen. 1. Das Ohr. Die zahlreichsten und verhältnissmässig am leichtesten wahrnehmbaren Einmündungen von Arterien in Venen bietet das Ohr von Kaninchen, insbesondere von albinotischen Exemplaren. Ich besitze Carmin- und Silberpräparate vom Kanin- chenohr, an welchen jene Verbindungen mit gleicher Deutlichkeit wahrgenommen werden können. So ist Fig. 1 nach einem Garmin- präparate, Fig. 2 nach einem Silberpräparate aufgenommen, letztere zeigt besonders zahlreiche Communicationszweige. Die Capillaren sind auf den Zeichnungen nicht mit dargestellt; die arteriellen Aeste sind auf den ersten Blick von den Venen zu unterscheiden. An das Ohr des Kaninchens treten bekanntlich die arteria auricularis anterior und posterior !); erstere versieht hauptsächlich die Muskeln an der Vorderfläche des Ohres, letztere theilt sich in drei Aeste: ramus anterior, medius und posterior, welche im Peri- chondrium der hinteren (convexen) Ohrfläche verlaufen. Der ramus internus und externus gehen in der Richtung von der Wurzel zur Spitze des Ohres, fast parallel den freien Rändern und einige Milli- meter von letzteren entfernt; der ramus medius verläuft dagegen nahe der Mittellinie des Ohres und spaltet sich nahe an der Spitze in mehrere Aeste, von denen die seitlichen mit den Randgefässen anastomosiren. Die entsprechenden Venen des Ohres liegen dicht neben den Arterien, so dass mit blossem Auge an manchen Stellen beide von einander kaum zu unterscheiden sind. An der Öhrspitze bilden die Venen gleichfalls Anastomosen; an der Wurzel ergiessen sie sich in den schwachen Stamm der vena auricularis anterior und in den stärkeren Stamm der vena auricularis posterior. Von den einander begleitenden Arterien und Venen wenden sich zahlreiche Aestchen in der Richtung zum Rande des Ohres, wo sie theils den Knorpel durchbohren, um auf die innere Oberfläche des Ohres über- zutreten, theils in Capillaren der Haut und des Perichondriums sich auflösen. Nahe der Durchtrittsstelle durch den Knorpel geben 1) Die anatomische Nomenclatur ist der »Anatomie des Kaninchens« von W. Krause, Leipzig 1863, entlehnt. + 612 H. Hoyer: die Arterien mehr weniger zahlreiche Zweige ab, welche unmittelbar in die benachbarten Venen einmünden. Ausserdem finden sich zahl- reiche derartige Anastomosen auch an solchen Zweigen der Rand- gefässe, welche in der Richtung nach der Mitte des Ohres zu ver- laufen, und ebenso auch zwischen Zweigen, welche von den medialen (Gefässen entspringen. Der Verlauf der anastomotischen Arterienzweige ist ein sehr mannigfaltiger; selten trifft man einen zwischen Arterie und Vene gerade ausgespannten Verbindungscanal, etwa wie der horizontale Mittelstrich im Buchstaben H; meist verlaufen die anastomotischen Zweige mehr weniger geschlängelt, zeigen Neigung zur Bildung von Knäueln, ähnlich wie das in anderen unten näher zu beschreibenden Körpertheilen der Fall ist, theilen sich zuweilen in zwei Arme, geben in ihrem Verlaufe meist mehrfache Zweige ab, welche entweder mit anderen Arterienzweigen anastomosiren, oder in Capillaren zerfallen, ‘oder gleich an ihrem Ursprung schon capillare Structur zeigen. Die Weite des Lumens der anastomotischen Arterien- zweige erscheint veränderlich, je nach dem Grade der Anfüllung mit Injectionsmasse ; so maass dasselbe nach Injection von reiner wässeriger Lösung von Berlinerblau 0,01—0,02 Mm., nach der Fär- bung mit Silberlösung und starker Füllung mit concentrirter Gelatine- lösung dagegen 0,03—0,06 Mm. Bei anderen Thieren habe ich die unmittelbaren Uebergänge von Arterien in Venen am Ohr nicht direct beobachtet, vielmehr begnügte ich mich hier mit den Resultaten der Schellackinjection. Dieselbe ergab mir denn auch bei Hund und Katze dieselben Be- funde, wie beim Kaninchen, während beim Ferkel und Meerschwein- chen entweder gar keine oder nur sehr unbedeutende Spuren von Injeetionsmasse in den Venen des Ohres angetroffen wurden, so dass ich bei letzteren Thieren zu keinem entscheidenden Resultate gelangt bin. Nur einmal habe ich den Kopf an der Leiche eines erwachse- nen Menschen mit Schellackmasse injicirt, dagegen eine ganze An- zahl von Köpfen bei Kinderleichen (im Alter von einigen Tagen bis zu einem Jahr). Obschon die Anfüllung der arteriellen Aeste in allen diesen Fällen eine vollständige war, obschon ich mittelst einer Doppelcanüle die beiderseitigen Carotiden gleichzeitig injieirte (zum Theil nach vorgängiger Unterbindung der arteriae vertebrales), oder unmittelbar die art. carotis externa dicht vor dem Abgange der auricularis posterior, so erhielt ich am Ohre des Menschen stets nur negative Resultate. Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 613 2. Die Nasenspitze. Bei allen von mir untersuchten Thieren findet regelmässig ein Uebergang der injieirten Schellackmasse in die Venen an der Nasenspitze statt und zwar an der knorpeligen Decke derselben. In dem Perichondrium dieses Theiles breitet sich nämlich ein dichtes, insbesondere bei Kaninchen schön entwickeltes Netz feiner Venen aus, welche an den Seitentheilen der Nase zu mehreren gröberen Aestchen sich sammeln; letztere vereinigen sich nach ganz kurzem Verlaufe in ein stärkeres Stämmchen, welches sich in die Vena angularis ergiesst. Beim Kaninchen wird das in- jieirte Venennetz sofort nach Ablösung der Haut an der Nasenspitze bemerkbar. Beim Menschen habe ich dagegen trotz sorgfältiger Nachforschung einen Uebergang von Schellackmasse in die Venen auch an der Nasenspitze nicht zu constatiren vermocht, wie denn der menschliche Kopf in Bezug auf unmittelbare Uebergänge von Arterien in Venen mir überhaupt nur negative Resultate ge- liefert hat. Lange Zeit hindurch hegte ich die Ueberzeugung, dass ausser an der Nase bei Thieren und insbesondere bei Kaninchen auch an den Lippen, den Augenlidern und in der Augenhöhle weitere Ver- bindungsbahnen zwischen Arterien und Venen vorkommen, denn nach schnell ausgeführter Injection mehr dünnflüssiger Schellackmasse beobachtete ich nicht allein eine Anfüllung der ven der Nasenspitze ausgehenden Venen, sondern auch der Lippenvenen (v. coronar. labii sup. et inf.), der aus der Augenhöhle hervortretenden Venen (v. an- sularis) und der Venen in den Augenlidern. Bei wiederholter In- jeetion und Präparation überzeugte ich mich indessen, dass die Lippenvenen theils in Folge unmittelbarer Anastomose mit den Nasenvenen häufig mit Masse angefüllt werden, theils gelangt bei schneller Injection die Masse noch im flüssigen Zustande bis in die v. maxillaris externa und verbreitet sich von hier aus, in Folge der Abwesenheit von Klappen, nicht nur central in der Richtung gegen die v. jugularis, sondern auch peripherisch bis in die Lippenvenen hinein. Die Venen der Orbita werden dadurch mit Masse erfüllt, dass bei dem plötzlichen Uebergang aus den arteriae ciliares in das dichte Netz der verhältnissmässig weiten Capillaren der chorio- capillaris, und aus diesen in die venae vorticosae, die Masse sehr wenig Widerstand findet und ausserdem die Diffusion des Alkohols in die jene Gefässe umgebenden Gewebe und Räume wahrscheinlich langsamer vor sich geht, als an anderen mehr parenchymatösen 614 H. Hoyer: Körpertheilen; in Folge dessen verdichtet sich die Masse weit lang- samer und hat ausreichende Zeit, um in noch flüssigem Zustande in die sich fast regelmässig anfüllenden v. vorticosae zu gelangen und aus diesen in die weiten, hinter dem Augapfel liegenden venösen Sinus, welche sich in die v. ophthalmicae und vorzugsweise in die v. angularis entleeren. Erfolgt eine Ueberfüllung jener Sinus in der Augenhöhle mit Blut, wie z. B. beim Erstickungstode, oder werden dieselben durch eine reichliche Injection stark ausgedehnt, so wird der Augapfel aus der Augenhöhle stark hervorgedrängt. Die Gefässe der Choriocapillaris repräsentiren, wie aus obiger Darstellung her- vorgeht, also einen Körpertheil, wo die Schellackmasse ausnahms- weise auch durch wirkliche Blutcapillaren leicht hindurchgelangt. Ein ähnliches Verhalten zeigen auch die Capillaren an den Augen- lidern des Kaninchens und zwar derjenige Theil derselben, welcher die Ausführungsgänge der Meibomschen Drüsen umspinnt. An dieser Stelle finden sIch nämlich verhältnissmässig sehr weite Capillaren, welche eine Mittelstufe bilden zwischen den weiten, unten näher zu schildernden, venösen Canälen einzelner Körpertheile (z. B. der Nasenspitze, des Nagelbettes) und gewöhnlichen engen Capillaren, wie sie auch an der Oberfläche der Conjunctiva beim Kaninchen als dichtes Netz sich ausbreiten. Jene breiten Capillaren werden nun auch von Schellackmasse angefüllt und lassen dieselbe bis in die abführenden Venenstämme passiren, welche sich theils in die v. angularis, theils am hinteren Augenlidwinkel in Aestchen der v. facialis posterior ergiessen. Ich habe viel Zeit und Mühe aufwenden müssen, bevor es mir gelungen ist, den Nachweis zu führen, dass hier keine unmittelbaren Uebergänge von Arterien in Venen vor- liegen. Ausser an den so eben näher erwähnten Stellen ist an kei- nem anderen Theile des Kopfes von Thieren der Uebertritt von Schellackmasse in die Venen zu constatiren gewesen; (nur einmal hatten sich von der v. ophthalmica superior aus die Sinus in der Schädelhöhle mit Masse gefüllt). Was nun die unmittelbaren Uebergänge von Arterien in Venen an der Nasenspitze anbetrifft, so ist der directe Nachweis derselben mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft. Die Klarlegung der betreffenden Verhältnisse gelang mir erst nach sorgfältiger mikro- skopischer Präparation der zuführenden Arterien und der ableiten- den Venen, sowie nach Feststellung der geeignetsten Untersuchungs- methoden; vor Allem musste ich mich jedoch über die verhältniss- Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 615 mässig complicirten Circulationsverhältnisse der Nase überhaupt erst gehörig orientiren. Die für mikroskopische Untersuchungen geeig- netsten Präparate lieferte mir hier die Injection von salpetersaurem Silberammoniak (wobei eine nachfolgende Füllung der Gefässe mit Gela- tinelösung nicht durchaus nöthig erschien) und eine grösstmöglichste Aufhellung des in Alkohol entwässerten Präparates in Nelkenöl. nach Ablösung der Haut von der injieirten Nasenspitze wird letztere sammt der daran hängen bleibenden Schleimhaut mittelst einer Scheere so abgetrennt, dass nach hinten noch ein Stückchen der Nasenbeine und der zugehörigen Schleimhaut mit fortgenommen wird; die Anfänge der seitlich abgehenden Venenstämme werden mit abgetragen; nach unten bleibt ein Stückchen Nasenscheidewand sammt Schleimhautüberzug und ebenso ein Theil der vorderen (un- teren) Nasenmuscheln an der abgetragenen Nasenspitze zurück. Das durchsichtig gemachte Präparat wird sowohl von der oberen (äusse- ren), sowie auch von der unteren (inneren) Fläche aus gehörig durchmustert, vorzugsweise aber von der oberen, zu welchem Zweck es in Nelkenöl zwischen zwei mässig starke Glasplatten etwas flach ausgebreitet wird; bedeutender Druck, welcher die Lagerung der Theile zu bedeutend verändern könnte, wird dabei vermieden. Die Arterien, welche in das erwähnte dichte Venennetz an der Nasenspitze sich unmittelbar ergiessen, stammen grösstentheils aus der Schleimhaut der Nasenhöhle. In letzterer bilden sie nahe der Oberfläche eine Art von Wundernetz und zwar sowohl an der Scheidewand, als auch auf der vorderen Muschel. Nach der Tiefe der Schleimhaut zu schicken sie feine Aestchen, welche sich grösstentheils in die Schleim- hautdrüsen umspinnende Capillaren auflösen. Aus diesen Capillaren gehen gröbere Venennetze hervor, deren Wandungen einen sehr einfachen Bau zeigen (ähnlich dem Venennetze in dem äusseren Perichondrium der Nasenspitze) und die noch oberflächlicher ver- laufen (d. h. dicht unter dem Epithel), als die arteriellen Netze). Ein Theil der arteriellen Gefässe der Nasenschleimhaut löst sich dagegen nicht in Capillaren auf, sondern begiebt sich in die tieferen Lagen der Membran und dringt von hier aus auf verschie- denen Punkten in das Perichondrium an der Nasenspitze ein, und 1) Letztere Verhältnisse habe ich mit Herrn Dr. Anders hierselbst näher untersucht, weleher über die eigenthümlichen Cireulationsverhältnisse der Nase eine gesonderte Arbeit veröffentlichen wird. 616 H. Hoyer: zwar theils am hinteren Rande des Knorpels und theils in der Nähe des vorderen Endes, in der nächsten Nachbarschaft der Nasen- scheidewand, während einzelne Aestchen die Knorpeldecke direct durchbohren und in das Venennetz des Perichondriums sich ein- senken. Die stärksten und am beständigsten vorkommenden Arterien gehören der letzteren Categorie an; sie durchbohren den Knorpel an seinem vorderen Ende und münden gleich nach ihrem Durchtritt mit einem Aste in das venöse Netz, während der andere Ast mit benachbarten Arterien ein anastomotisches Netz bildet, aus welchem zahlreiche Endzweige hervorgehen, die an verschiedenen Stellen eben- falls unmittelbar sich in jenes Venennetz ergiessen. Letzteres wird also vorzugsweise von den arteriellen Zweigen aus gespeist, welche nur zum geringen Theil in eigentliche enge Capillaren sich auflösen (Fig. 3). Die Wandungen des venösen Netzes zeigen, trotz der verhältnissmässig bedeutenden Breite der Canäle, einen sehr ein- fachen, mit den Capillaren wesentlich übereinstimmenden Bau; ob- schon das Caliber der einzelnen Zweige sehr bedeutend variirt, so bestehen doch alle aus einer einfachen Endothelzellenschicht, zu welcher sich nach aussen eine dünne bindegewebige Adventitiaschicht hinzugesellt. Trotzdem sind der Ausdehnungsfähigkeit dieser Ge- fässe dadurch feste Schranken gesetzt, dass sie durch das straffe sehnige Gewebe des Perichondrium fest angespannt und an den Knorpel unverrückbar befestigt sind. Erst die das Blut in die grösseren Venen abführenden und an der Seite des Nasenknorpels mehr freiliegenden weiten Sammelcanäle sind mit complicirteren Wandungen versehen, in denen sich auch eine muskelfaserhaltige Media nachweisen lässt. Diese breiteren Venen zeigen einen Durch- messer von eirca 0,27 Mm., während die Weite der Canäle im venösen Netze zwischen 0,02 und 0,1 Mm. schwankt. Die hauptsächlichsten und .beständigsten arteriellen Aestehen gelangen zum Knorpel an der Nasenspitze auf folgenden Wegen: eine stärkere, im Mittel 0,1 Mm. messende Arterie (art. ethmoidalis posterior) kommt aus der Schädelhöhle und verläuft auf dem oberen Rande des Nasenscheidewandknorpels entlang bis fast zur Nasenspitze; in diesem Verlaufe ist sie zunächst bedeckt von den aneinanderstossenden Nasenbeinen und dann nach vorn von dem Deckknorpel der Nasen- spitze; unterwegs giebt sie seitlich Zweige zum arteriellen Wunder- netz der Nasenschleimhaut ab; an der Nasenspitze angelangt, theilt sie sich in einen rechten und einen linken Ast, von denen der eine | ih den u a Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 617 gewöhnlich stärker ist, als der andere, durchbohrt mit diesen Aesten den Deckknorpel und angelangt im Perichondrium, mündet sie theils unmittelbar in das Venennetz des letzteren, theils geht sie Anastomosen ein mit benachbarten Arterienzweigen. Zwei andere beständig vorkommende Arterien verlaufen parallel zu einander und zur eben beschriebenen Arterie gleichfalls in der Richtung von der Nasenwurzel zur Nasenspitze, sie liegen aber in der Schleimhaut, welche die Nasenbeine und den Deckknorpel von Innen überzieht, zu beiden Seiten der Scheidewand, der letzteren unmittelbar benach- bart. Die eine dieser Arterien ist gewöhnlich stärker, als die andere; an dem Präparate, nach welchem die Zeichnung angefertigt ist, betrugen die Maasse 0,11 Mm. und 0,04 Mm. Die Endigungen dieser Gefässe sind ganz analog den der soeben beschriebenen mitt- leren Arterie: sie durchbohren nämlich den Knorpel und senken sich theils unmittelbar in das Venennetz ein, theils nach Anastomo- sirung mit benachbarten Arterienzweigen. An dem gezeichneten Präparate zeigte der in das Venennetz unmittelbar sich einsenkende Zweig eine Weite von 0,045 Mm., während andere solche Commu- nicationszeige gewöhnlich nicht breiter erscheinen, als 0,01—0,02 Mm. Endlich dringen auch aus den beiden Vordermuscheln der Nase zwei beständigere Arterienzweige in das Perichondrium ein und zeigen ein gleiches Verhalten, wie die vorerwähnten; ihr Eintritt erfolgt an der Stelle, wo das vordere Ende der Muschel an den Nasen- knorpel sich inserirt. Die Klarlegung der Gefässvertheilung an diesem Punkte bietet ganz bedeutende Schwierigkeiten, da die Ge- fässe in zwei zu einander senkrechten Ebenen verlaufen, sehr tief gelagert sind und sich bedeutend schlängeln und einander durch- flechten; nur vermöge des stereoskopischen Mikroskopes bin ich in den Stand gesetzt worden, auch in diesen Theil der Gefässanord- nung mir eine klare Einsicht zu verschaffen. Ausser den eben er- wöhnten, vorzugsweise der Nasenschleimhaut zugehörigen Arterien gelangen auch aus anderen benachbarten Theilen zum Gefässnetz an der Nasenspitze einige sparsame arterielle Zweige, welche theils mit den übrigen Arterien daselbst anastomosiren, theils unmittelbar in das venöse Netz einmünden, so z. B. aus der die Nasenspitze bedeckenden Hautdecke und aus dem vorderen‘ Rande der Nasen- scheidewand. Neben den Arterien durchbohren auch die Venen der Nasen- schleimhaut den Knorpel an der Nasenspitze und senken sich in 618 H. Hoyer: das beschriebene Venennetz der letzteren ein. Die dicht unter’ der Schleimhautoberfläche gelegenen dichten Netze dünnwandiger und verhältnissmässig breiter venöser Canäle vereinigen sich nach Vorn hin zu grösseren Sinus, welche theils nahe der Nasenspitze und in der unmittelbaren Nachbarschaft der Nasenscheidewand den Deck- knorpel durchbohren, um sich mit dem Venennetze im Perichon- drium zu vereinigen, theils an der Befestigungsstelle der vorderen Nasenmuschel aus letzterer in das Perichondrium eindringen, in Ge- meinschaft mit den vorher beschriebenen Arterien. 3. Die Schwanzspitze zeigte bei sämmtlichen von mir untersuchten Thieren nach Injeetion von Schellackmasse in die Ar- terien regelmässig auch eine Füllung der Venen. Nur in solchen Fällen, wo die Thiere des hinteren Drittels des Schwanzes verlustig gegangen waren, oder wo ich an der Grenze jenes Theiles mit Ab- sicht eine feste Ligatur angelegt hatte, blieben die Venen leer, indem die Masse über die in dem vorderen Schwanztheile allein vorhande- nen UCapillaren nicht hinausgelangte. Das hintere Schwanzende, welches eben mit breiteren Verbindungswegen zwischen Arterien und Venen versehen ist, unterscheidet sich von dem vorderen Theile nicht nur durch geringeren Umfang, sondern auch durch einen grossen Reichthum von Gefässen. Die letzteren breiten sich in einer straffen fibrösen Bindegewebsschicht aus, welche einerseits die tieferen Theile fest umspannt und andererseits mit der Haut sich straff verbindet, so dass letztere hier schwerer abzulösen ist, als an dem vorderen mit verhältnissmässig lockerem subeutanem Gewebe versehenen Schwanztheile. Die den Endtheil umspinnenden breiteren Blutge- fässplexus werden vorzugsweise von der arteria sacralis media aus gespeist; die aus der arteria’ischiadica entspringenden arteriae sacrales laterales versehen dagegen überwiegend nur die vorderen seitlichen Theile des Schwanzes, anastomosiren in der Tiefe mit der saeralis media und senden zum hinteren Schwanzende verhältnissmässig nur sehr dünne Fortsetzungen ihres Stammes. Die Venen fliessen an diesem Theile zu drei Stämmen zusammen: zwei seitlichen und einem Rückengefäss; letzteres zerfällt gegen die Mitte des Schwanzes gablig in zwei Aeste, welche mit den seitlichen Venen sich vereini- gen, so dass nach Vorn zu nur die beiden letzteren übrig bleiben ; letztere ergiessen sich schliesslich in die venae ischiadicae. Die die entsprechende Arterie begleitenden venae sacrales mediae, welche bei Hund und Katze sich in die venae iliacae communes, beim Ka- ee A ER Bu nr u en 1 u Te u re ig Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 619 ninchen zu einem Stamme vereint in eine vena iliaca interna ergiessen, lassen sich nicht weit nach hinten zu verfolgen und füllen sich nur selten mit Schellackmasse an. Die Seitenvenen und die sich in die- selbe ergiessende Rückenvene findet man dagegen stets mit Masse angefüllt. Die unmittelbaren Uebergänge von Arterien in Venen lassen sich an der Schwanzspitze nur schwer demonstriren, da die betreffen- den Verbindungsäste grösstentheils sehr complieirte Gefässknäuel bilden, in welchen die einzelnen Zweige unmöglich in ihrem ganzen Verlaufe klargestellt werden können. Man sieht nur, dass diese Knäuel fast ausschliesslich aus etwas stärkeren Gefässen zusammen- gesetzt sind, die einen complicirteren Bau der Wandung und stellen- weise kleine Ausbuchtungen erkennen lassen; zu den Knäueln treten kleine durch ihre Structur deutlich charakterisirte Arterien- und Venenzweige, ausserdem gehen von ihnen mehr weniger zahlreiche Aestehen zu den umgebenden Theilen, insbesondere zur Haut und lösen sich daselbst in Capillaren auf. Die Arterien und Venen der Knäuel sowohl, als auch am Schwanz überhaupt unterscheiden sich übrigens von einander nur durch eine stärkere Entwickelung der circulären Muskelschicht in der Media und der elastischen Schicht in der Intima der Arterien, so dass sich, bevor ich das Auge an die Wahrnehmung der Anfangs wenig auffälligen Unterschiede ge- wöhnt hatte, genöthigt war, grössere durchsichtig gemachte Stücke der injieirten und gefärbten Schwanztheile, an welchen die Gefässe bis zu ihrem Ursprung aus grösseren Stämmen verfolgt werden konnten, unter das Mikroskop zu bringen und zu durchsuchen. Man findet indessen bei einiger Uebung auch solche Stellen, wo die com- municirenden Arterienästchen kürzer sind und weniger geschlängelt verlaufen; an denselben kann man sich überzeugen, dass der un- mittelbare Uebergang der arteriellen in die venösen Gefässe in we- -sentlich ganz gleicher Weise erfolgt, wie am Ohr des Kaninchens. Die ‘unmittelbare Demonstration dieser Verbindungen ist mir am besten gelungen an mit Carminlösung und Berlinerblau injieirten Schwänzen von Katzen, die in Mischungen von Alkohol und Essig- säure erhärtet und dann durchsichtig gemacht worden waren. Die Fig. 4 und 5 sind nach dergleichen wohlgelungenen Präparaten an- gefertigt; absichtlich sind solche Stellen gewählt, wo die Knäuel wenig entwickelt sind und die Uebergänge der arteriellen in venöse Zweige deutlich in die Augen fallen. Messungen an diesen Präparaten 620 H. Hoyer: ergaben eine Weite des Lumens von 0,01 Mm. an den anastomo- tischen Arterien und von 0,018 Mm. an den zugehörigen Venen; die totale Breite der Gefässe betrug bei den ersteren 0,03 Mm., bei letzteren 0,035— 0,045 Mm. Bei Kaninchen sind die Gefässknäuel minder reichlich ent- wickelt und viel weniger complieirt. Ich besitze ein mit salpeter- saurem Silberammoniak und Leim injieirtes Präparat vom Kanin- chenschwanze, an welchem ein direeter Uebergang von Arterienästen in Venen deutlich wahrzunehmen ist; der anastomotische Arterien- zweig hat einen Durchmesser von 0,027 Mm. — Bei anderen Thieren (Hunden, Meerschweinchen, Ferkeln) habe ich die communicirenden Gefässbahnen nicht direct verfolgt, sondern nur mittelst der Schellack- injection controllirt. Die Gefässknäuel findet man am zahlreichsten zu beiden Seiten der arteria sacralis media, doch kommen sie auch an der Seite und der Hinterfläche des Schwanzes vor. — Da es mir an ausreichen- dem Untersuchungsmaterial gebrach, so war ich nicht im Stande zu entscheiden, ob die sogenannte glandula cocecygea beim erwachse- nen Menschen einen ähnlichen Gefässknäuel mit unmittelbaren Ueber- gängen zwischen Arterien und Venen darstelle, wie die nach J. Ar- nold derselben homologen Bildungen an der Schwanzspitze bei Thieren. Bei Kindern lieferten mir mehrfache Injectionen von Schellack- masse keine entscheidenden Resultate. 4. An den Endphalangen der vorderen und hinteren Ex- tremitäten bei sämmtlichen von mir untersuchten Thieren, sowie an den oberen und unteren Extremitäten beim Menschen gelangt die injieirte Schellackmasse regelmässig bis in die Venen. Bei den mit Krallen versehenen Thieren lassen sich die beiderseitigen arteriae digitales an der medialen und lateralen Fläche der Zehen bis zum hinteren unteren Rande der Kralle verfolgen, wo sie alsdann durch entsprechende und verhältnissmässig weite Oeffnungen (foramina' nutritia) in den Markraum des Knochens eindringen; hier versehen sie das Mark mit Zweigen und treten an der oberen Fläche des vorderen konisch zugespitzten Endes der Phalanx durch eine läng- liche Oeffnung zur Matrix der Kralle, wo sie sich schliesslich in das dichte Capillarnetz der Papillen auflösen. Denselben Weg schlagen in umgekehrter Richtuug die venösen Bahnen ein. Nach Injection der Arterien mit Schellackmasse findet man die aus den beiderseiti- gen Oefinungen in der Endphalanx neben den Arterien hervortreten- SEEN \W VREDNIN. Von UN, En... Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 621 den Venen regelmässig mit Masse erfüllt, welche von da aus oft bis in die Venen an der Schulter oder am Schenkel sich verfolgen lässt und zwar sowohl in die oberflächlichen, wie in die tiefer gelegenen. Legt man vor der Injection um die Zehen feste Ligaturen, so ge- laugt die Masse nicht mehr in die Venen, es sei denn, dass sie unter der Ligatur weg in das Krallenglied eingedrungen wäre; es zeigt dieser Versuch augenscheinlich, dass die breiteren Verbin- dungsbahnen zwischen Arterien und Venen nur an den Zehen zu suchen sind. Von Hufthieren habe ich nur die Extremitäten von Ferkeln untersucht. Dieselbe zeigen bei Injection von Schellackmasse ein ganz analoges Verhalten, wie die der anderen Thiere, nur dass die Endzweige der Arterie nicht in die Markhöhle des Knochens ein- dringen, sondern sich direct zur Matrix des Hufes begeben, und in dessen Tiefe ein anastomotisches Netz bilden, von welchem aus die Capillaren in den Matrixpapillen gespeist werden; letztere ergiessen sich in ein entsprechendes venöses Netz, aus welchem venöse Stämm- chen hervorgehen, die auf demselben Wege aus der Matrix heraus- treten, auf welchem die Arterien daselbst eindringen. Die in der Tiefe der Matrix gelegenen arteriellen und venösen Netze werden ausser‘ durch die Capillaren zum Theil auch noch durch wirkliche arterielle Aestehen mit einander in nähere Verbindung gesetzt, welche sich unmittelbar in etwas stärkere und venöse Zweige er- giessen. Es ist mir gelungen, diese Uebergänge unmittelbar wahr- zunehmen an Schnitten von Objecten, welche mit durch Anilinblau gefärbter Schellackmasse injicirt, dann in einer verdünnten Lösung von Chromsäure und Salzsäure (je 1 Th. Chromsäure und rauchende Salzsäure auf 250—400 Th. Wasser) gehärtet und schnittfähig ge- macht worden waren; Flächenschnitte mässiger Dicke von den tiefe- ren Schichten der Matrix wurden in concentrirtem Glycerin durch- sichtig gemacht und unter dem Mikroskope mit Vergrösserungen von 90—160 durchsucht. Als zweckmässiger für die Untersuchung erwiesen sich mir je- doch die mit Krallen bedeckten Endphalangen der Kaninchen, an welchen ich die unmittelbaren Uebergänge von arteriellen Zweigen in weite venöse Canäle wiederholt auf das Deutlichste wahrgenommen habe. Befriedigende Resultate erhielt ich sowohl bei Injection von Carminlösung und leimhaltigem Berlinerblau, als auch bei Injection von salpetersaurem Silberammoniak und Gelatinelösung; im allge- 622 H. Hoyer: meinen lieferte jedoch die letztere Methode mehr zweckentsprechende Präparate, als wie die erste, indem hier die anastomotischen Aeste meist leichter wahrzunehmen sind. Die injieirten Phalangen wurden zunächst in starken Alkohol gelegt, nach 24 Stunden von Haut und Krallen befreit und mittelst einer Knochenzange vorsichtig der Länge nach gespalten; mittelst Loupe und Präparirnadeln wurde als- dann das Mark unter Alkohol mit möglichster Schonung aus der Knochenhülle herausgehoben und, nachdem es sich in Alkohol noch vollständig entwässert hatte, mittelst Nelkenöl durchsichtig gemacht. Da beim Kaninchen der Markraum in der Endphalanx eine einfache röhrenförmige Höhlung bildet, so lässt sich die Ausschälung des Markes in seiner Totalität ohne Schwierigkeit und mit möglichster Schonung bewerkstelligen; bei Hund und Katze ist dagegen eine solche Manipulation nicht ausführbar, da hier das Mark in den Maschen einer spongiösen Knochensubstanz vertheilt ist. Die zwi- schen Gläsern in verschiedenen Lagen eingeschlossenen Präparate wurden bei durchfallendem Licht und Vergrösserungen von 90—160 unter dem Mikroskope durchsucht. Aus einer grossen Anzahl auf diese Weise hergestellter Präparate habe ich indessen nur wenige befriedigende Exemplare übrig behalten, da es einerseits sehr schwer ist, eine Verletzung der ungemein zarten Gefässverzweigungen im Marke bei Sprengung der Phalanx und Herausschälung des Markes aus dem Knochen zu vermeiden und andererseits die Injection häufig als nicht völlig gelungen sich ausweist oder auch die Lage des Objectes unter dem Deckglase für die Wahrnehmung der Anastomosen zwischen Arterien und Venen ungeeignet erscheint. Ausserdem ist es überhaupt nicht leicht, sich über die eigenthümlichen Cir- culationsverhältnisse dieses Körpertheiles näheren Aufschluss zu verschaffen. Die an den unteren seitlichen Flächen der Phalanx in die Markhöhle eindringenden Arterien- und Venenzweige begegnen ein- ander in dem weiten hinteren (oberen) Ende des konischen Hohl- raumes und vereinigen sich hier zu gemeinsamen Stämmen. Die Arterie verläuft in der Axe der Markmasse, giebt zahlreiche seitliche Aeste ab und endigt schliesslich in der Matrix der Kralle, indem sie an dem freien Ende der Phalanx durch eine längliche Oeffnung aus dem Markraum wieder heraustritt. Die Vene begleitet indessen nicht einfach die Arterie, sondern löst sich gleich an der Basis der Markhöhle wieder in Aeste verschiedener Stärke auf, die in ihrem Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 623 Verlauf gegen die Matrix wiederholt mit einander anastomosiren; dabei umspinnen diese Venenäste die in der Axe verlaufende Arterie allseitig, so dass letztere wie von einem röhrenförmigen Korbgeflechte eingeschlossen erscheint, dessen Aeste aus Venen verschiedenen Ca- libers gebildet werden. Im hinteren breiteren Theile des Mark- raumes findet sich noch eine kleine Quantität wirklichen fettzell- haltigen Markgewebes, welches von den Arterien und Venen aus mit zahlreichen Capillaren versehen wird; nach Vorn zu wird der'ganze Markraum von Gefässen allein ausgefüllt, welche nur vermittelst sehr zarten Bindegewebes an einander geheftet sind. Etwa gegen die Mitte der Markhöhle entspringt gewöhnlich aus der centralen Arterie ein stärkerer Ast, welcher alsbald in mehrere Zweige sich spaltet (meist drei); diese letzteren münden nach kurzem und meist wenig geschlängeltem Verlauf in Venen, welche die Hauptarterie umspinnen (Fig. 6). In ihrem Verlaufe geben diese anastomotischen Arterien meist noch seitliche in Capillaren sich auflösende Zweige ab. An der Einmündungsstelle in die meist stärkeren Venen zeigen die Arterienzweige gewöhnlich eine mässige trichterförmige Erweite- rung. Die sämmtlichen Venen des Markraumes unterscheiden sich ihrer Form nach ganz wesentlich von den Arterien, welche bis zur Einmündungsstelle indie ersteren ganz deutlich ihren charakteristischen zusammengesetzten Bau bewahren. An Carminpräparaten sieht man in der Media der letzteren ganz deutlich die circulären Muskelfasern und die elastische Intima, während die Venen aus einer einfachen zarten zahlreiche Kerne führenden Hülle gebildet zu sein scheinen. An Silberpräparaten bemerkt man in der Arterienwand ausser den Querstreifen der Media eine dichte innere, den Grenzen der schma- len langgezogenen Endothelzellen entsprechende Längsstreifung; die Venen zeigen dagegen nur von dunkeln Linien begrenzte polygonale Maschen und scheint daher ihfe Wandung, ähnlich den Gapillaren, nur aus einer einfachen Endothelzellschicht gebildet zu sein; von letzteren unterscheiden sich die Venen indessen durch ihre unver- gleichlich bedeutendere Breite. Beim Austritt aus dem Markraume erhalten die Venen festere und mehr zusammengesetzte Wandungen. Die anastomotischen Arterienäste zeigen an meinen dem Kaninchen entnommenen Präparaten in ihrer Totalität eine Breite von 0,027—0,054 Mm.; das Lumen in denselben maass 0,013—0,036 Mm.; die Venen, in welche jene Arterien sich unmittelbar ergiessen, messen 0,1 Mm. und mehr. 624 H. Hoyer: An den Enden der Extremitäten von menschlichen Leichen erhielt ich wesentlich analoge Resultate wie bei Thieren, nämlich eine regelmässige Füllung der oberflächlichen und der in der Tiefe verlaufenden Venen nach Injection der Arterien mit Schellackmasse. Ausser den cavernösen Schwellorganen der Geschlechtstheile bieten die Finger- und Zehenspitzen die einzige Oertlichkeit, an welcher mir der Nachweis von unmittelbaren Uebergängen von Arterien in Venen gelungen ist. Zu meinen Untersuchungen habe ich fast aus- schliesslich Kinderleichen benutzt und nur zur Controlle machte ich auch einige Injeetionen an Leichen Erwachsener. Trotzdem nach Injection einer mehr verdünnten Schellacklösung und Anwendung von stärkerem Injectiondruck die Masse zuweilen selbst in den stärke- ren Venen am Oberarm oder Schenkel angetroffen wird, so vermochte . ich doch bei sorgsamer Präparation niemals einen Uebergang der Masse aus den Arterien in Venen an einer anderen Stelle sicher zu constatiren, als wie nur an den Spitzen der Finger und Zehen. Um die Oertlichkeit der Communicationsstellen genauer zu bestimmen, verfuhr ich in derselben Weise wie bei Thieren: ich legte an einer grösseren Zahl von Kinderleichen fest zusammengeschnürte Ligaturen um die Gelenke zwischen mittlerer und Endphalanx der einen Hand, während die andere Hand frei blieb. Nach erfolgter Injection zeigte es sich, dass nur an letzterer die Venen mit Masse angefüllt waren, während aus den umschnürten Theilen entweder keine Spur von Masse in die Venen gelangt war oder doch nur sehr unbedeutende Mengen; im letzteren Falle hatte indessen die Ligatur nicht fest geschlossen und die Masse war unter derselben hindurch bis in die peripheren Enden der Arterien vorgedrungen und von diesen aus in die Venen. An den oberen Extremitäten war der Erfolg dieses Ver- suches ein fast constanter, während nach Umschnürung der Zehen der Uebertritt von Injectionsmasse in die Venen wohl beschränkt, aber nicht ganz verhindert wurde; es ist daher sehr wohl möglich, dass ausser an den Zehen auch noch an der Sohle in der Nähe des Zehenansatzes einzelne breitere anastomotische Verbindungen zwischen Arterien und Venen vorkommen. Für den direeten Nachweis solcher Anastomosen an den Extre- mitäten der Menschen erwies sich die Injection von Carminlösung und Berlinerblau geigneter, als wie Injection mit Silberlösung. Ich verfuhr meist auf die Weise, dass ich nach Füllung der Gefässe mit Carminsolution eine wenig concentrirte wässrige Lösung vom: Ber- Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 625 linerblau in möglichst geringer Quantität in die Arterien einspritzte, so dass wo möglich nur die Arterienstämme und die Venenanfänge damit erfüllt wurden, die Capillaren dagegen möglichst leer blieben; nach mehrfachen misslungenen Versuchen gelangt man bald zu einem ziemlich sicheren Urtheil über die Grenze, bis zu welcher die Injection der blauen Masse zu bewirken ist; gewöhnlich ist der ent- sprechende Grad der Füllung der Gefässe erreicht, sobald die Nägel sich zu bläuen beginnen. Die darauf abgelösten Finger legte ich in eine Mischung von 1 Th. reiner Essigsäure (Eisessig) auf 4 Th. starken Alkohols (von eirca 90°/,), darauf präparirte ich die Haut von den Finger- oder Zehenspitzen in ihrer Totalität los, entwässerte sie in Alkohol, machte sie durchsichtig in Nelkenöl und breitete sie zwischen zwei Gläsern flach aus, worauf sie zur ersten Orientirung mit schwächeren Vergrösserungen bei durchfallendem Licht unter dem Mikroskop durchmustert wurde. Nachdem ich auf diese Weise eine Uebersicht über die (efässvertheilung in diesen Theilen. mir verschafit hatte, fertigte ich dünnere Schnitte von den Fingern oder Zehen an, wobei die besten Resultate erhalten wurden, indem ich einerseits nach Ablösung des Nagels durch einen flachen Schnitt mit dem Rasirmesser, der fast am Knochen entlang geführt wurde, das Nagelbett in seiner Totalität abtrug und durchsichtig machte und andererseits in derselben Richtung und senkrecht zur Finger- spitze mässig dünne Schnitte von der Haut anfertigte, welche eben- falls in Nelkenöl möglichst transparent gemacht wurden. Bei ge- nauerer Durchforschung dieser Schnitte gelangte ich zu folgenden Resultaten: Die unmittelbaren Anastomosen zwischen Arterien und Venen kommen vorzugsweise an der letzten Phalanx der Finger und Zehen vor (ob »ausschliesslich« lässt sich mit Gewissheit nicht feststellen) und hier wieder am zahlreichsten an der Haut der Fingerspitze und unter dem Nagelbett. Diese beiden letzteren Theile zeigen bei Kinderleichen eine anscheinend ganz verschiedenartige Gefässverthei- lung. Unter dem Nagel liegt ein festes straffes Bindegewebe, wel- ches an das Ende der Phalanx fest angeheftet ist; in demselben bilden die das Blut aus den Capillaren der Papillen sammelnden Venen ein dichtes Netz verhältnissmässig weiter Canäle, welche einen geschlängelten Verlauf zeigen, mit sehr einfachen, nur aus einer Endothelschieht und dünner Adventitia bestehenden Wandungen ver- sehen sind und sich ganz so ausnehmen, als ob es einfach in dem Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13. 40 626 H. Hoyer: festen Gewebe ausgegrabene Canäle wären, deren Lumen selbst ohne Injection stets offen erhalten wird, (ähnlich wie im Markkanal der Endphalanx und in der Matrix der Kralle beim Kaninchen, sowie unter dem Huf beim Ferkel). In dieses Canalnetz ergiessen sich neben Capillaren auch unmittelbar einige arterielle Zweige, die einen stark geschlängelten Verlauf zeigen und deshalb sehr schwer bis zu ihrer Mündung zu verfolgen sind. Trotzdem ist es mir ge- lungen, Präparate zu erhalten, wo der Uebergang der durch ihre Structur sicher charakterisirten arteriellen Zweige (von circa 0,018 Mm. Durchmesser) in einen etwas stärkeren Venenzweig (von 0,027 Mm.) deutlich wahrgenommen werden kann (Fig. 7). Die Arterien, deren Zweige theils in die Capillaren des Nagelbettes sich auflösen, theils unmittelbar in das venöse Netz sich ergiessen, stammen aus den rechts- und linksseitigen arteriae digitales, welche mit einander anastomosirend theils an der Nagelbasis, theils an der Fingerspitze ögen bilden, von denen aus Zweige in das Nagelbett eindringen, und zwar ziehen von dem hinteren Bogen die Zweige nach vorn, vom vorderen Bogen nach hinten. In ähnlicher Weise verlaufen auch die aus dem Nagelbett hervorgehenden Venen, deren Wandungen schon einen mehr zusammengesetzten Bau zeigen. In der Haut der Fingerspitzen erfolgt die unmittelbare Ein- mündung der kleinen Arterienzweige in Venen beim Kinde in ganz ande- rer Weise, als im Nagelbett. Sie tritt hier in Form von kleinen Ge- fässknäueln auf, welche mit den im Schwanzende der Thiere be- schriebenen wesentlich übereinstimmen; (beim Erwachsenen dagegen zeigen die Gefässe auch unter dem Nagel stark geschlängelten Ver- lauf und knäuelförmige Anordnung). An der Fingerspitze sowohl, wie am Schwanze sind die entsprechenden Venenzweige schwer zu unterscheiden von kleinen Arterien; erstere enthalten nur weniger cireuläre Muskelelemente in der Media und eine weniger deutlich zum Vorschein kommende elastische Lamelle in der Intima. An mit Carmin und flüssigem Berlinerblau injieirten Präparaten zeigen die Wandungen der Arterien meist eine intensivere Färbung, als wie die der Venen, auch ist das Lumen der ersteren meist mit einer compacteren und daher dunkleren Injectionsmasse angefüllt, als wie die letzteren, in welchen die Masse in dünner und meist nicht gleich- mässiger Schicht abgelagert zu sein pflegt. Die letzten Zweige der arteriae digitales zeigen meist einen von der Tiefe aus senkrecht gegen die Oberfläche der Haut gerichteten Verlauf; vor ihrer Auf- ’ | % . Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 627 lösung in die Capillaren der Papillen bilden sie zwischen den letzte- ren und den tiefer gelegenen Schweissdrüsencanälen ein dichtes Netz. Ein ähnliches aber mehr weitmaschiges und in demselben Niveau gelagertes Netz bilden die das Blut aus den Capillaren auf- nehmenden Venen, welche weiterhin in die grösseren Venenstämme sich ergiessen. Die erwähnten anastomotischen Gefässknäuel liegen nun ein wenig tiefer, als jene arteriellen und venösen Netze, aber oberflächlicher als die Knäuel der Schweissdrüsen und sind mit den die letzteren umspinnenden Capillarnetzen nicht wohl zu verwechseln. Einzelne stark entwickelte grössere Knäuel kommen auch zwischen den grösseren Arterien- und Venenstämmchen unterhalb der Drüsenknäuel und dicht unterhalb der freien Enden der letzten Phalangen vor. Gewöhnlich treten zu den Knäueln mehrere Arterien- und Venenzweigchen, welche zum Theil nach der Oberfläche der Haut sich wenden und dort in Capillaren sich auflösen, zum Theil aber auch mit gröberen Stämmchen in Verbindung stehen. Der unmittel- bare Uebergang von Arterien in Venen in diesen Knäueln ist schwer wahrzunehmen, da der Verlauf der einzelnen Gefässe ein zu sehr geschlängelter und complieirter ist und die Aeste der Arterien und Venen selbst vielfach unter einander anastomosiren. Doch sind die Knäuel fast ganz aus Gefässästchen zusammengesetzt, welche die complicirtere Structur von Arterien und Venen erkennen lassen und deren Durchmesser etwa 0,022 Mm. beträgt; sie enthalten Injections- masse bis in die venösen Zweige hinein, wenn auch die Capillaren ganz frei davon sind, und endlich gelingt es zuweilen, kleine Knäuel ausfindig zu machen, an denen sich der unmittelbare Uebergang von Arterien in Venen direct verfolgen lässt (Fig. 8), An jeder Extremität findet sich eine bedeutende Anzahl solcher Knäuel, welche in geringen gegenseitigen Abständen an den Enden der Finger und Zehen vertheilt sind. 5. In den Schwellkörpern der Geschlechtsorgane bei Menschen und Thieren habe ich gleichfalls eine Anfüllung der caver- nösen Räume mit Schellackmasse nach Injection der Arterien be- cbachtet; da meine Untersuchungen in dieser Beziehung aber noch nicht abgeschlossen sind und die Circulationsverhältnisse dieser Or- gane überhaupt eine gesonderte zeitraubende Bearbeitung erfordern, so beschränke ich mich hier vorläufig auf eine kurze Erwähnung der von mir bisher ermittelten mehr sicheren Momente. Eine directe Ver- bindung von arteriellen Zweigen mit den cavernösen Räumen habe 628 H. Hoyer: ich nnr an den Schwellkörpern der männlichen Ruthe mit Sicher- heit zu constatiren vermocht; die entsprechenden weiblichen Ge- schlechtsorgane (corpora cavernosa clitoridis und bulbi cavernosi vestibuli) Zeichnen sich zwar durch einen grossen Reichthum so- wohl von arteriellen als auch venösen Gefässen aus, der Uebergang von Arterien in die reichen venösen Plexus scheint indessen haupt- sächlich durch Capillaren vermittelt zu werden; die Frage, ob hier auch unmittelbare Uebergänge von Arterien in Venen vorkommen, vermag ich vorläufig weder im bejahenden noch im verneinenden Sinne mit Sicherheit zu beantworten. Die Arterienästchen, welche sich unmittelbar in die cavernösen Räume öffnen, finden sich vor- zugsweise an der Wurzel der Ruthe und entsprechen in den corp. cavern. penis den sogenannten arteriae helicinae von J. Müller. Letztere finden sich zahlreich an den seitlich von den art. profundae penis abgehenden Aesten, welche innerhalb der Scheidewände der cavernösen Räume oder der sogenannten »Balken« verlaufen und theils nach der Peripherie der Schwellkörper hinziehen, wo sie sich in Capillaren auflösen, theils eben jene Zweige abgeben, welche knäuelförmige Wundernetzebilden. Diesekleinen Wundernetze stimmen ihrem Wesen nach mit den am Schwanzende von Thieren und in den Fingerspitzen des Menschen beschriebenen Gefässknäueln über- ein; sie geben theils arterielle Aestchen ab, welche sich in Capilla- ren auflösen und mehr nach dem Centrum der Schwellkörper in die venösen Räume sich ergiessen, oder auch zur Peripherie ziehen, um erst dort in Capillaren überzugehen; und anderentheils öffnen sich ein oder mehrere arterielle Zweige eines solchen Knäuels mit einer noch im Balken selbst wahrnehmbaren trichterförmigen Erweiterung unmittelbar in die cavernösen Räume. Am corpus cavernosum urethrae scheinen ähnliche, aber einfacher construirte Gefässbildungen den unmittelbaren Uebergang von Arterien in die venösen Maschenräume zu verinitteln. (Längsschnitte von mit Leimmasse gut injieir- ten Schwellkörpern kleinerer Thiere, z. B. Kaninchen, zeigen übri- gens augenscheinlich, dass die cavernösen Räume nichts anderes sind, als Querschnitte dichter Netze weiter venöser Canäle). Meine Untersuchungen habe ich an Ruthen von Thieren (Katzen, Kaninchen) und Kinderleichen auf die Weise angestellt, dass die Arterien derselben von den arteriae hypogastricae oder pudendae aus zunächst mit Carminlösung injieirt wurden, dann brachte ich das Glied zur kräftigen Erection durch Injection con- Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 629 concentrirter Gelatinelösung in die cavernösen Räume und zwar einfach mittelst Einstich einer längeren zugespitzten Canüle von der Eichel aus (beim allmählichen Zurückziehen der Canüle füllen sich die cavernösen Räume in der Eichel und um die urethra), und endlich injieirte ich abermals die Arterien, aber jetzt mit einer möglichst consistenten gelantinehaltigen Lösung von Berliner- blau und in verhältnissmässig geringer Quantität. Um näm- lich die Schwellkörper nicht zu stark mit blauer Masse zu füllen und dadurch die Enden der arteriellen Communicationsäste zu ver- decken, bedarf es eines gewissen Merkmales, welches anzeigt, wann die Injection unterbrochen werden muss. Ich fand, dass, wenn an dem seines Hautüberzuges entledigten Penis die blaue Masse in der arteria dorsalis gerade bis an den Rand der Eichel vorgedrungen war, im Innern die Füllung der Arterien gewöhnlich den ent- sprechenden Grad erreicht hatte. Der in seiner Totalität abge_ trennte Penis wurde in der schon oben erwähnten Mischung von Alkohol und Essigsäure erhärtet. Die von einem so zubereiteten Präparate hergestellten und in Nelkenöl durchsichtig gemachten Schnitte lassen sehr schön die Wandungen der Gefässe erkennen; die cavernösen Räume sind mit klarer Masse erfüllt und nur an den Mündungsstellen der anastomotischen Arterienzweige sieht man kleine aus den Enden der letzteren in die cavernösen Maschen hineinragende birnförmige Klümpchen blauer Masse. Injieirt man die Arterien des Penis mit blauer Masse noch vor Anfüllung der cavernösen Räume mit reinem Leim, so erhält man die Maschen der letzteren mit blauer Masse völlig erfüllt, wodurch die Einmündungsstellen der anastomosti- schen Zweige verdeckt werden. Ausserdem erfolgt im letzteren Falle die Füllung der cavernösen Räume mit blauer Masse vorzugs- weise von der Peripherie her, an welcher der grösste Theil der Ca- pillaren ausmündet, während sich die Gefässknäuel anfangs nur un- vollständig füllen. Injicirt man aber die Arterien mit blauer Masse erst nach bewirkter Erection, so findet man, dass die stark getreck- ten zur Peripherie ziehenden Arterienzweige sowie auch die Ca- pillaren nur unvollständig oder nur stellenweise gefüllt sind, während gerade um die Gefässknäuel die blaue Masse in grösserer Menge in die venösen Räume übergetreten ist. Es scheint mithin, dass die Gefässknäuel erst bei bereits theilweise erfolgter Erection ihre Wirk- samkeit entfalten, indem sie in Folge der Streckung für den Blut- strom mehr durchgängig werden; da sie nämlich in den Wandungen 630 H. Hoyer: der cavernösen Räume verlaufen, so müssen sie bei Ausdehnung dieser Wandungen gestreckt werden, aus dem zusammengeballten Knäuel entfaltet sich das kleine Wundernetz, welches jetzt dem Blut- strom einen geringeren Widerstand entgegenstellt, als im aufge- rollten und contrahirten Zustande; die an der Peripherie gelegenen Capillaren müssen dagegen bei Füllung der Schwellkörper in ge- wissem Grade gedehnt und comprimirt werden. — Bei Injection der Schwellkörper mittelst Einstich überzeugt man sich übrigens, dass trotz der kräftigen Füllung derselben die Masse verhältnissmässig nur sehr langsam in die Venen abfliesst. Die cavernösen Räume sind übrigens, wie Injectionen mit salpetersaurem Silherammoniak lehren, von einer zusammenhängenden Endothelschicht ausgekleidet. Endlich sei hier noch erwähnt, dass Injectionen des Penis von den Arterien aus mit roth gefärbter und durch Einstich mit blauer Schellackmasse mir vortreffliche und instructive Corrosionspräparate lieferten, mit völliger Füllung der Schwellkörper des penis, der urethra und der glans. Bei auffallendem Licht unter dem stereos- kopischen Mikroskop betrachtet ergaben dieselben höcht instructive Bilder, welche keinen Zweifel darüber aufkommen liessen, dass die cavernösen Räume dichten Plexus verhältnissmässig weiter venöser Canäle entsprechen. Endlich will ich hier zum Schluss noch eines Organes Erwäh- nung thun, in welchem unmittelbare Uebergänge von Arterien in Venen vermuthet werden, aber mittelst Injeetion dennoch nicht nachzuweisen sind, nämlich der Lungen. In denselben gelangt die Masse niemals über die Capillaren hinaus; niemals erhielt ich von der arteria pulmonalis aus eine Füllung von Aesten der vena pul- monalis oder umgekehrt. Ebenso gelangt die Masse aus der arteria bronchialis niemals in die vena bronchialis oder vena pulmonalis. Dagegen beobachtete ich nach Injection der arteriae bronchiales an Lungen von Kinderleichen, dass die Masse regelmässig in der arteria pulmonalis anzutreffen ist (nicht umgekehrt). Die Füllung der Pul- monalarterie erfolgt durch die den Anatomen schon längst bekann- ten Anastomosen mit der art. bronchialis. (Bei Hund, Katze und Kaninchen sind mir Injectionen der Bronchialarterien mit Schellack- masse nicht geglückt, da wegen ihres geringen Calibers die Einfüh- rung einer entsprechenden Canüle mit grossen Schwierigkeiten ver- knüpft ist; indessen scheinen die Resultate der Injecetionen dieser (Gefässe beim Hunde mit anderen dünnflüssigen Massen nicht für die u u ee ee ir ee Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 631 Existenz solcher Anastomosen bei diesen Thieren zu sprechen). — Um die erwähnten Anastomosen in der Kinderlunge näher kennen zu lernen, injieirte ich zunächst die Bronchialarterien mit durch Zinnober gefärbter Schellackmasse und alsdann die Pulmonalarterie mit gleicher mittelst Anilin blau gefärbter Masse; das Parenchym der Lungen zerstörte ich darauf mittelst starker Salzsäure. An den auf diese Weise erhaltenen Corrosionspräparaten konnte man mittelst der Loupe die Einmündung der Zweige des einen Gefässsystems in die des anderen genau verfolgen. Noch deutlicher waren dieselben wahrzunehmen, wenn ein abgebrochenes Zweigchen der Pulmonal- arterie unter dein stereoskopischen Mikroskop bei auffallendem Licht betrachtet wurde. Man sah an einem Präparat sehr schön, wie ein rother stark geschlängelter Ast der Art. bronchialis von circa 0,135 Mm. Dicke sich schräg in ein blaues Aestchen der art. pulmonalis von eirca 0,22—0,27 Mm. Durchmesser einsenkte und wie die rothe Masse noch auf einer gewissen Strecke in der letzteren zu verfolgen ist. An solchen Präparaten kann man sich. auch davon überzeugen, dass die Schleimhaut der Bronchien ihre arteriellen Aeste aus- schliesslich nur aus der Bronchialarterie erhält, während die Zweige der Pulmonalis nur das Gewebe des Lungenparenchyms versorgen; nur capillareAnastomosen gelangen von letzterer auch zur Schleimhaut. Bei Injeetion der Milz von Kind, Kalb und Schaf habe ich zu- weilen Klümpchen von Injeetionsmasse in der Hauptvene des Hylus angetroffen; indessen konnte ich mich an Corrosionspräparaten der Milz von der Anwesenheit unmittelbarer Uebergänge der Arterien in Venen nicht überzeugen, vielmehr erschien jener Uebertritt von Masse in die Venen bewirkt zu sein durch Extravasation aus den von weicher Pulpa umgebenen kleinsten arteriellen Aestchen, wobei in Folge des gleichzeitig verstärkten Druckes in der Pulpa diese extravasirten Massen durch die venösen Oeffnungen in der Seitenwand der Hauptvenen in das Lumen der letzteren geradezu hineingepresst werden. Was nun die physiologische Function der im Vorher- gehenden beschriebenen unmittelbaren Uebergänge von Arterien in Venen anbetrifft, so fühlen wir uns ausser Stande, dieselbe in er- schöpfender Weise zu deduciren, vielmehr werden erst das von com- 632 H. Hoyer: petenten Händen ausgeführte Experiment und ausgedehntere ver- gleichend anatomische Untersuchungen die wirklichen Grundlagen für eine ausreichende Erklärung dieser Verhältnisse beschaffen müssen. Indessen kann es schon jetzt keinem Zweifel unterliegen, dass jene Verbindungen eine Art von Nebenschliessungen oder Sicherheits- röhren bilden, welche die Circulation vor grösseren Störungen be- wahren und insbesondere den Capillarkreislauf gewisser Gefässbezirke reguliren. Bei jeder Erweiterung der zuführenden Arterien, welche in den zugehörigen Capillaren einen vermehrten Blutzufluss und er- höhten Druck zur Folge haben müssen, werden sich auch jene Neben- schliessungen erweitern, welche den Ueberschuss der zuströmenden Blutmasse direkt nach den Venen ableiten ; umgekehrt werden diese Nebenschliessungen sich verengern und der Abfluss in denselben sich vermindern, sobald die zuführenden Arterien überhaupt sich centrahiren und der Zufluss in Folge dessen abnimmt. Die Structur der Wandungen dieser Communicationszweige, ihre völlige Ueber- einstimmung mit den gröberen Aesten, aus denen sie hervorgehen und deren direkte Fortsetzung sie bilden, sprechen dafür, dass auch die Innervation beider eine gemeinschaftliche sei. Auf diese Weise wird an Theilen, welche auf das Reichlichste ausgestattet sind, sowohl mit arteriellen und venösen Ramificationen, als auch mit einem dichten Capillarnetz, wie z. B. die Fingerspitzen, die Matrix von Nägeln, Krallen und Hufen, das Schwanzende, die Nasenschleimhaut und die Ohren der Kaninchen, durch eine Art von Selbststeuerung ein ziemlich gleichmässiger Blutumlauf hergestellt. In dieser Be- ziehung kann man mithin Sucquet Recht geben, wenn er obige Communicationen als »derivative« Apparate bezeichnet hat. Indessen kommt ihnen nicht die ausgebreitete Bedeutung zu, welche er ihnen beilegt, sondern sie dienen nur als Vorrichtungen zu mehr beschränkter localer Derivation; denn wenn auch die Zahl dieser an den einzelnen Körpertheilen vorkommenden Communicationsästeeine im Ganzen nicht unbedeutende ist, so dürften dieselben dennoch zu einer wesentlichen Beeinflussung des ganzen Kreislaufes und Herstellung eines gewissen Antagonismus zwischen den einzelnen Körpertheilen in Bezug auf Blutvertheilung nicht ausreichen, zumal auch ihr Lumen von dem der Gapillaren nicht so bedeutend differirt. Es ıst ferner klar, dass vergrösserter Widerstand im Venen- system vermehrten Blutdruck in den Capillaren der betreffenden Theile zur Folge haben muss und dass gleichzeitig auch die Com- Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 633 municationsästesich erweitern werden. Durch diese Aeste wird somit ein schnellerer Ausgleich zwischen dem Blutdruck im arteriellen und venösen System hergestellt und damit die Ueberwindung der Wider- stände in letzterem erleichtert. Dieser Vorgang erläutert auch das Pulsiren des ausströmenden Blutstrahles bei Venaesectionen. Ein wesentliches Moment für die Erklärung der physiologischen Bedeutung dieser Einrichtungen dürfte auch der Umstand darbieten, dass dieselben ausschliesslich nur an Endgebilden des Körpers vor- kommen, welche gleichzeitig auch vom Rumpfe mehr oder weniger abstehen, so an den Ohren, Extremitätenenden, Schwanz- und Nasen- spitze. Es scheint dieses Verhalten darauf hinzudeuten, dass jene Einrichtungen auch eine nicht unwesentliche Rolle spielen bei der Wärmeregulirung in nach Aussen vorgeschobenen Körpertheilen, welche keine umfangreichen parenchymatösen wärmebildenden Organe zur Unterlage haben. Bei experimenteller Prüfung der Gefässinnervation und der Wärmevertheilung an den Extremitäten dürfen übrigens diese un- mittelbaren Communicationen zwischen Arterien und Venen nicht unberücksichtigt gelassen werden. Auch ist bei die Cireulationsver- hältnisse betreffenden Experimenten, wobei die Thiere durch um die Extremitäten gelegte Ligaturen auf dem Vivisectionstische befestigt werden, nicht ausser Acht zu lassen, dass dadurch nicht unwesent- liche Störungen des Kreislaufes herbeigeführt werden müssen. Endlich ist hier auch noch das besondere Verhalten der an einzelnen Körpertheilen vorkommenden eigenthümlichen Venennetze zu berücksichtigen, in welche sich die communicirenden Arterienäste ergiessen, wie im Nagelbett, in der Markhöhle des Krallengliedes, an den Extremitätenenden, unter der Hufmatrix und an der Nasen- spitze. An diesen Stellen zeigen die verhältnissmässig sehr weiten zu dichten Netzen vereinigten Venen einen mit dem der Capillaren wesentlich übereinstimmenden einfachen Bau der Wandungen. Der Blutstrom wird hier nicht nur sehr bedeutend verlangsamt sein und einen verhältnissmässig höheren Druck zeigen müssen, als wie in den Capillaren, sondern es dürfte hier auch eine erhöhte Filtration in die benachbarten Gewebsmaschen statthaben, welche indess durch die Straffheit des umgebenden Gewebes (resp. die knöcherne Wandung des Markkanales) wiederum bedeutend eingeschränkt werden muss. Zum Schluss bedarf hier auch noch das eigenthümliche Ver- halten der Schellacklösung, welche bei Aufsuchung der unmittel- 634 H. Hoyer: baren Communicationen zwischen Arterien und Venen uns so wesent- liche Dienste geleistet hat, einer näheren Erklärung. Dieser auf den ersten Blick etwas räthselhafte Vorgang erscheint bei näherer Unter- suchung nicht nur völlig verständlich, sondern liefert auch ganz werthvolle Fingerzeige über die Rolle, welche den Capillaren im Gegensatz zu den feinsten Arterien und Venen beim Stoffaustausch in den Geweben zufällt. Die alkoholische Harzlösung gelangt näm- lich aus dem Grunde nicht bis in die Anfänge der Venen, weil der Alkohol durch die Wandungen der Capillaren ungemein schnell in die umgebenden Gewebe diffundirt, so dass die Masse bereits ver- dichtet und starr wird, bevor sie noch bis an das venöse Ende des Capillarnetzes vorzudringen im Stande ist. Die unmittelbar in die Venen einmündenden Arterienzweige sind dagegen mit einer mehr- schichtigen festeren Wandung versehen, welche gleich den gröberen (Grefässstämmen überhaupt der Diffussion des Alkohols grösseren Widerstand entgegenstellt und somit die Masse ohne bedeutendere Veränderung passiren lässt. Ausserdem ist hier aber auch die Bahn für den Strom eine breitere und freiere, so dass auf diesen Wegen (lie Masse allerdings bis in die gröberen Venenstämme vorzudringen vermag, bevor sie erstarrt. Diese Verdichtung wird in den Venen um so langsamer erfolgen, je vollständiger dieselben von Blut ent- leert sind, welches auf die Masse so einwirkt, wie eine Verdünnung mit Wasser. Nur an solchen Körpertheilen, wo die Schellackmasse verhältnissmässig breite oder kurze Capillarbahnen zu passiren hat, oder wo die Diffusion des Alkohols verlangsamt erscheint, vermag sie die Gapillaren zuweilen noch im flüssigen Zustande zu passiren, wie z. DB. in den Augenlidern oder in der Chorioidea des Auges. Historisches und Kritisches. Die Annahme von unmittel- baren Uebergängen von Arterien in Venen ist keineswegs neu. So lange indessen die capillaren Verbindungen zwischen beiden Gefäss- systemen nicht klar erkannt waren, so lange noch keine Einigung erzielt war zwischen den Forschern über die Frage, ob das Blut in geschlossenen Bahnen im Parenchym der Organe circulire oder in wandungslosen zwischen den Gewebselementen ausgegrabenen Canälen oder Spalträumen!), so lange konnte auch keineRede sein von einer 1) Die Blutbewegung in wandungslosen Räumen ist bis zu den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts vertheidigt worden, zuletzt durch Baumgärtner - ee ee ee ee er ee rn nn Dan Pan De Pe Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 635 sicheren Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen von Ge- fässen, durch welche jene Verbindungen hergestellt werden. Erst (1830) und scheint die Annahme von Capillarwandungen erst seit Windisch- mann’s Untersuchungen festen Fuss gefasst zu haben, obschon man bereits seit den Entdeckungen von Malpighi und Leeuwenhock die Wandungen an verschiedenen Körpertheilen und bei verschiedenen Thieren wiederholt wahrgenommen und Bichat ein eigenes Capillargefässsystem aufgestellt hatte. Die Kerne in den Wandungen der Capillaren waren vor Schwann’s epochemachenden Entdeckungen bereits bekannt, die Ansichten über das Wesen und die Bedeutung dieser Gebilde waren jedoch sehr getheilt; erst in dem berühmten Werke dieses Forschers sind dieselben mit der Entwickelung der Capillaren in Verbindung gebracht und die Lehre von der Existenz geson- derter Wandungen an diesem Theile des Blutgefässsystems überhaupt erst sichergestellt worden. (Da unsere Bibliotheken in Warschau noch sehr unzu- reichend mit Werken aus der älteren medicinischen Literatur ausgestattet sind, so warich genöthigt, die vorstehenden Angaben zum grossen Theil aus Handbüchern zu entnehmen, auf welche ich hiermit verweise‘: Burdach’s Physiologie als Erfahrungswissenschaft, Bd. VI, Leipzig 1832, $. 701—703. Henle’s Allgemeine Anatomie, Leipzig 1841, pag. 556—541. In diesen Werken findet man eine ziemlich detaillirte Zusammenstellung der älteren Beobach- tungen über die Verbindungswege zwischen den letzten Verzweigungen der Arterien und Venen. Ausserdem standen mir zu Gebote: Haller’s Grundriss der Physiologie, 1781; Bichat’s Anatomie gön6rale, 1812; Blumenbach’s Anfangsgründe der Physiologie 1795; J. Müller’s Handbuch der Physiologie 1844 u. A.). Berres bezeichnet in seiner »Anatomie der mikroskopischen Gebilde des menschlichen Körpers«, 1837, pag. 38 die peripherischen Ver- zweigungen der Arterien und Venen als »Capillaren«, während die sie ver- einigenden Canäle als »intermediäre Netze« oder »intermediärer Gefässbezirk« aufgeführt werden. In ähnlicher Weise finden wir bei den Franzosen bis in die neuste Zeit hinein keine sichere Scheidung zwischen eigentlichen Capillaren und den letzten Verzweigungen der arteriellen und venösen Aeste, welche gleichfalls den Capillaren beigezählt werden, so dass, wenn Sucquet von erweiterten »capillarene Uebergängen zwischen Arterien und Venen spricht, man im Zweifel darüber bleibt, welche Vorstellungen derselbe mit diesen Ausdrücken verbunden hat. Doch auch in deutschen Abhandlungen und Handbüchern trifft man nach den grundlegenden Schwann’schen Ent- deckungen und den wichtigen, im oben eitirten Handbuche niedergelegten, Henle’schen Untersuchungen über die Structur der Gefässwandungen noch lange Zeit hindurch die Angabe, dass die feinsten Arterien und Venen all- mählich und ohne feste Grenze in Capillaren übergehen, und erst seit der näheren Darlegung der Capillarstructur mittelst der Versilberungsmethode hat die Annahme einer bestimmteren Abgrenzung der ersteren gegen die 636 H. Hoyer: nachdem die Existenz von eigenen Wandungen an den Capillaren mehr sichergestellt und die Struktur derselben bis zu einem ge- wissen Grade klar gelegt war, konnte die Frage aufgeworfen werden, ob neben den rein capillaren Bahnen auch noch andere breitere Verbindungswege zwischen Arterien und Venen vorkommen. Während aber nun die einen Forscher sich geneigt zeigten, auf diese Frage im negativen Sinne zu antworten und nur verhältnissmässig be- schränkte Schwankungen in der Weite des Capillarlumens zuzulassen, erachteten andere die Möglichkeit eines Vorkommens breiterer Ver- bindungsbahnen für ganz selbstverständlich und sachgemäss oder fanden wenigstens in der Annahme solcher Communicationen nichts auffälliges. Der erste Anstoss zu der Frage nach gesonderten, neben den Capillaren auftretenden Verbindungswegen zwischen arteriellen und venösen Gefässen wurde durch die Untersuchungen J. Müller’s an den Schwellorganen der äusseren Geschlechtsorgane gegeben, in- dem er ursprünglich annahm, dass die von ihm aufgefundenen ar- teriae helicinae mit kleinen Oeffnungen an ihrer Spitze sich unmittel- bar in die umgebenden venösen Räume öffnen, während er später (in seinem physiologischen Handbuch, 1844) dieselben als blinde Diver- tikel des arteriellen Systems hinstellte. Seine Mittheilungen haben eine lange Reihe von Arbeiten zur Folge gehabt, von denen die einen die arteriae helicinae oder ihre Oeffnungen bestätigten, die anderen dagegen diese Gebilde als Kunstproducte nachzuweisen sich bemühten; die letzten Bearbeiter (Langer, Eckhard) stimmen indessen wieder mehr mit der ursprünglichen Müller’schen Ansicht überein, in sofern sie sich bemühen, die unmittelbare Einmündung letzteren eine grössere Verbreitung gefunden. Doch auch jetzt noch werden in gewissen Körpertheilen diese Grenzen als schwankend oder unbestimmt, angesehen, wie aus der Anwendung der Ausdrücke »arterielle« und »venöse« Capillaren hervorgeht (z. B. im Knochenmark), und ausserdem glaubt man an manchen Stellen des Wirbelthierkörpers auch noch wandungslose »Gefäss- lacunen« annehmen zu dürfen, wie z. B. in der Milz, Placenta uterina u. A, Da letztere zu den uns hier beschäftigenden Gefässverbindungen in keiner unmittelbaren Beziehung stehen, so können wir die Literatur derselben un- berücksichtigt lassen und wollen nur erwähnen, dass in der Placenta unmittel- bare Uebergänge von Arterien in die venösen Räume zunächst von Virchow (Archiv für pathol. Anat. und Physiol. Bd. III, pag. 448) und demnächst auch von anderen Autoren wahrgenommen worden sind. Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 637 der Arterien in die cavernösen Räume darzuthun. Da wir indessen „in der vorhergehenden Darstellung die Kreislaufsverhältnisse in den Geschlechtsorganen nur kurz berührt und die speciellere Darlegung derselben einer gesonderten Bearbeitung vorbehalten haben, so glauben wir uns auch hier mit dem Hinweis auf die ausführliche Zusam- menstellung der betreffenden Literatur in Henle’s Handbuch der Eingeweidelehre!) begnügen zu dürfen, und zwar um so mehr, als die unmittelbaren Uebergänge der Arterien in die venösen Räume der Schwellorgane meist wohl als eine durch die besondere Funktion dieser Gebilde bedingte Ausnahme von den gewöhnlichen Cireulations- verhältnissen angesehen wurde. Erwähnt sei hier nur, dass Hyrtl den arteriae helicinae analoge Bildungen auch in den erectilen Organen am Hals und Kopf des Truthahns beobachtet hat. Die erste bestimmte Behauptung von unmittelbaren Uebergängen der Arterien in Venen finden wir in der berühmten Anatomie des menschlichen Augapfels von Brücke?). Derselbe sagt bei der Be- schreibung der Kreislaufsverhältnisse in der Chorioidea, dass »die arteriae ciliares posticae breves, ohne in Capillaren zu zerfallen, un- mittelbar in die Venen übergehen«. Diese Angaben sind indessen von l,eber als irrthümlich widerlegt worden. Ich selbst habe mich von derartigen Verbindungen ebenfalls nicht überzeugen können, obschon die Resultate der Schellackinjection ursprünglich die Existenz der- selben mir als sehr wahrscheinlich erscheinen liessen. Ferner hat Hyrtl?) Mittheilungen gemacht, wonach in der Flughaut der Fledermäuse breitere Verbindungswege zwischen Arterien und Venen vorkommen sollen, und hat damit die Entstehung des - Venenpulses in der Flughaut erklären wollen. H.Müller läugnete da- gegen die Existenz solcher Verbindungen und behauptete, Hyrtl’s 1) Henle, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen; Bd. IT. Eingeweidelehre. 1. Aufl. Braunschweig 1866. pag. 403. 2. Aufl. 1874. pag. 420. 2) Brücke, Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels ; Berlin 1847, pag. 14—15. — Leber, Denkschr. der Wiener Acad. XXIV; Archiv für Ophthalm. XI, 1; Handbuch der Lehre von den Geweben, heraus- gegeben von Stricker, pag. 1055. 3) The natural history review, 1862, Jan. pag. 99. — H. Müller, Würzburger naturwiss. Zeitschrift 1863, Bd. III, pag. 168. — Beide Arbeiten standen mir nicht zu Gebote; ich kenne dieselben nur aus den Referaten in Virchow’s Archiv, Bd. 27, pag. 224 und in Henle’s Jahresbericht für 1862, pag. &2, sowie aus der weiter unten eitirten Arbeit von F. Berlinerblau, 638 H. Hoyer: Wahrnehmungen beruhten auf optischer Täuschung. Ebenso ist die Angabe von Ercolani, wonach in den Papillen der Hufmatrix bei Thieren unmittelbare Uebergänge- von Arterien in Venen vorkommen sollen, von Rajewsky!) mit Recht widerlegt worden, obschon, wie wir oben geschen haben, in der Hufmatrix allerdings solche Ver- bindungen vorkommen, doch liegen dieselben unterhalb der Papillen. Busch?) behauptet, es gebe in den Flügeln der Fledermaus, in dem Mesenterium des Kaninchens und an anderen Orten »un- mittelbare Uebergänge von Arterien in Venen, in welchen mehrere (4—5) Blutkörperchen neben einander Platz haben«. Solche Ver- bindungen sollen auch schon längst nachgewiesen sein für viele Stellen im Parenchym menschlicher Organe. Verfasser will sie in Muskeln, Haut, Hirn, Lungen und Milz wahrgenommen haben, Cl. Bernard?) theilt in seinem Berichte über die Fortschritte der allgemeinen Physiologie in Frankreich mit, er habe in gewissen Organen und insbesondere in Drüsen zwei Arten von Communicationen zwischen Arterien und Venen entdeckt, nämlich durch Vermittlung von Capillaren und directe Einmündungen von Arterien in Venen; letztere bezeichnet er als »eirculations locales«. Die näheren Belege für diese Angaben sollen in den gedruckten Vorlesungen des Ver- fassers niedergelegt sein. Die letzteren bieten aber nur eine etwas ausführlichere Wiederholung derselben Angaben, ohne speciellere Daten, und nur in Bezug auf die Leber finden wir eine nähere Be- schreibung der breiteren Verbindungszweige, welche die vena portae mit der vena cava an der Einmündungsstelle der venae hepaticae vereinigen sollen; am deutlichsten seien dieselben wahrzunehmen bei Pferd und Hund. Verfasser will diese Verbindungen mittelst 1) Ercolani, Il Med. Veterinario, Turino 1861, Nr. 6 u. 7. — Ra- jewsky, Ueber Bau und Wachsthum der Hufe bei Hausthieren. Archiv für Veterinärwissenschaft. St. Petersburg 1872. Heft III, pag. 151 (russisch). Die Originalarbeit von Ercolani stand mir nicht zu Gebote. 2) In Pitha und Billroth’s Handbuch der allgemeinen und speciellen Chirurgie. Bd. I. Thl. 1. Von diesem Werke habe ich nur die russische Ueber- setzung zur Disposition gehabt. 3) Cl. Bernard, Rapport sur les progrös et la marche de Physiologie generale en France. Paris 1867. pag. 66. — Lecons sur les proprietes physio- logiques et les alterations pathologiques des liquides de l’organisme. Paris 1859. T. 1I. pag. 161 u. 190. — Lecons de physiologie exp&rimentale, appliquee & la medecine. Paris 1855. T. I. pag. 166. Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 639 Injection und Präparation dargestellt haben und giebt auch Zeich- nungen der betreffenden Gefässe. Dieselben zeigen in Bezug auf Lage und Form grosse Uebereinstimmung mit den von Henle in seiner Eingeweidelehre (1873, Fig. 157) gegebenen Abbildung der vasa aberrantia von E. H. Weber. Andere diesen Gegenstand be- treffende Mittheilungen von Cl]. Bernard habe ich nicht aufzufinden vermocht. Die unstreitig wichtigsten und speciellsten Angaben über un- mittelbare Verbindungen zwischen Arterien und Venen hat Sucquet!) geliefert. Ausgehend von der Beobachtung, dass bei Injection der Arterien an der oberen Extremität von menschlichen Leichen die Masse durch die Venen bereits zurückströmt, bevor noch die Capil- laren damit erfüllt sein können, gelangte er zu dem Schlusse, dass ausser den letzteren noch andere leichter passirbare Verbindungs- wege zwischen beiden (Gefässsystemen vorhanden sein müssen, und suchte diese Anastomosen durch Injection und Präparation direkt nachzuweisen. Zu dem Zwecke benutzte er alkoholische Harzlösungen, welche mit feingeriebenem Russ gefärbt waren; dieselben erstarren in den Gefässen in Folge der Diffusion des Alkohols in die um- gebenden Gewebe. Bei der Präparation machte er nun die Be- merkung, dass die Masse an gewissen Körpertheilen regelmässig bis in die Venen übergetreten war, während an anderen Theilen die Venen leer geblieben waren, insbesondere zeigten sich die aus ge- wissen Hautstellen an den Extremitäten und am Kopfe hervorgehen- den Venen mit Masse erfüllt. Jene Stellen manifestiren sich. im Allgemeinen auch durch einen grossen Reichthum von Gefässen; sie 1) Sucquet, D’une eirculation derivative dans les membres et dans Ia tete chez l’homme. Paris 1862. Avec six planches. — In dem Bericht der Commission, welche im Auftrage der Pariser med. Akademie über Sucquets Abhandlung Bericht erstattet hat, und der im Bulletin der Akademie vom Juni 1861 abgedruckt ist, werden mehrere Autoren angeführt, die unmittelbare Uebergänge von Arterien in Venen beschrieben haben sollen, so Frederic Dubois (1841 bei Batrachiern), James Paget (1850 bei denselben), Wharton Jones (1851 bei Batrachiern und Fledermäusen). Da weder die betreffenden Arbeiten, noch das Bulletin der Akademie mir zu Gebote standen, so vermag ich auch nieht zu beurtheilen, in wiefern jene Citate begründet sind. Ein ausführliches Referat aus jenem Bericht ist in Schmid t’s Jahrbüchern, Bd. 113, 1862, pag. 20 abgedruckt. — Man vergleiche in Bezug auf die letzteren Forscher auch die Cyelopaedia of Anatomy and Physiology edited by Robert B. Todd. Vol. IV, Part. I. London 1849—1852, Pag. 1386. 640 H. Hoyer: erscheinen im Gegensatz zu anderen Hautstellen nach der Injection stark gebräunt. Verfasser behauptet nun, er habe an allen diesen Stellen die directen Uebergänge von Arterien in Venen unmittelbar mit einer schwach vergrössernden Loupe wahrgenommen und giebt auch in dem seinem Werke beigefügten Atlas Abbildungen dieser Communicationsstellen, welche sich stellenweise durch varicöse Aus- buchtungen der kleinen Venenzweige charakterisiren sollen. Die Breite der Verbindungsäste soll ungefähr 0,1 Mm. betragen. Die anastomotischen Aeste bezeichnet Sucquet als breitere »UCapillaren«, doch meint er selbst, dass dieselben nicht ganz der Bedeutung dieses Wortes entsprechen, indem eine kleine »Arterie« entweder unmittel- bar in eine kleine »Vene« einmünde oder nach Bildung einer haken- förmigen Biegung oder vermittelst seitlicher in benachbarte Venen sich einsenkender Aestchen. Sucquet will solche Verbindungen be- obachtet haben am Ellenbogen und Knie, an der Hohlhand und Fusssohle, am reichlichsten an den Spitzen der Finger und Zehen; ferner an den Ohren, Lippen, Backen, unteren Nasenmuscheln und der Nasenspitze, an der Stirn und den Augenlidern. Wie wir aus Vorstehendem ersehen, basiren Sucequet’s Schlüsse hauptsächlich auf dem Nachweis des Uebertritts der in die Arterien eingespritzten Harzmasse in die Venen gewisser Körper- theile und auf dem direeten Nachweis der Verbindungen bei auffallen- dem Licht und mittelst schwach vergrössernder Loupe. Von der Structur der anastomotischen Aeste ist keine Rede; seine capillaren Arterien und Venen werden lediglich nur durch ihren Ursprung oder ihre Stärke als solche charakterisirt. — Sucquet’s Beobachtungen haben bei ihrem Erscheinen mit Recht Aufsehen erregt, aber die Mangelhaftigkeit der Beweise bewirkte andererseits, dass die Angaben mit Misstrauen aufgenommen wurden und kein eigentliches Bürger- recht in der Wissenschaft sich zu erwerben vermochten. Trotzdem kann ich nicht umhin, hervorzuheben, dass die Methode, von welcher Suequet ausging, im Grunde durchaus nicht unzweckmässig war und in der That zu reellen Beobachtungen geführt hat, sofern die angewandte Masse nur an gewissen Körpertheilen in die Venen überzugehen pflegt und die breiten Gefässcommunicationen an den Finger- und Zehenspitzen wirklich vorhanden sind. Andererseits scheint sich Suequet nicht ausreichend geschützt zu haben gegen die Möglichkeit von Täuschungen mannigfacher Art und eben in letzteren dürften die Ursachen der zum grösseren Theile einander | | Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 641 widersprechenden Resultate unserer beiderseitigen Untersuchungen zu suchen sein. Die Quellen dieser Täuschungen glaube ich in folgenden Um- ständen suchen zu dürfen: Die von Sucquet angewandte Lösung von Harz (wie es scheint Colophonium, »resine«) vermag viel leichter die Capillaren zu passiren, als Schellacklösung. Da die Capillaren an verschiedenen Körpertheilen in Betreff ihrer Länge und der Weite des Lumens, sowie in Bezug auf die Dicke der Wandungen sehr bedeutend von einander differiren, so ist: es wohl möglich, dass die Masse an einzelnen Stellen die Capillaren leichter passirt, als an anderen, wie ich das oben für die Capillaren der Chorioidea und der Augenlider dargethan habe. Wo die Masse in noch flüssigem Zustande durch die communicirenden Aeste in die Venen gelangt, verbreitet sie sich in letzteren nach allen Richtungen, sowohl peri- pherisch, als auch centripetal, wie Sucquet auf pag. 48 seiner Ab- handlung dies selbst zugesteht. Auch erwähnt er in dieser letzte- ren Arbeit vieler Stellen nicht, an welchen er nach seiner ersten, der Pariser Akademie vorgelegten Arbeit gleichfalls breitere Ver- bindungsbahnen zwischen Arterien und Venen gefunden haben wollte, so z. B. in den aponeurotischen Ausbreitungen der Sehnen der Fingerstrecker, an der Oberfläche der Bänder und Gelenkcapseln der Hand und des Fusses und in der Schleimhaut der Zungenspitze. Ferner sind bei Injectionen mit undurchsichtigen Massen optische Täuschun- gen in Bezug auf scheinbare Anastomosen nicht zu vermeiden, zu- mal wenn man bei auffallendem Licht und mit schwachen Loupen untersucht, und noch dazu an solchen Theilen, wie die Fingerspitzen, die Hohlhand, Fusssohle u. A., welche mit einem so ungemein reichen Gefässlabyrinth ausgestattet sind, dass eine Verfolgung der Gefässstämme bis in die feinsten Zweige zur Unmöglichkeit wird. Dass Sucquet’s Beobachtungen wenigstens zum Theil auf solchen Täuschungen beruhen, das scheinen die von ihm angeführten Maasse der Verbindungsäste zwischen Arterien und Venen zu beweisen (0,1 Mm.), welche fast das Doppelte betragen von den von mir ge- fundenen grössten Breitendurchmessern, ausserdem zeigen die com- municirenden Gefässe meist eine Form (Knäuel), von der Suequet nichts erwähnt. — Endlich ist es auch möglich, dass Sucquet wirk- lich gröbere Communicationen zwischen Arterien und Venen an ein- zelnen Stellen wahrgenommen hat, wie dergleichen an manchen Körpertheilen ausnahmsweise vorzukommen scheinen. Für letztere Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 13, 41 642 H. Hoyer: Möglichkeit sprechen dieBeobachtungen von Tschaussoff!), welcher solche am Kopfe des Menschen beobachtete Verbindungen näher beschreibt. Der erste Forscher, welcher unmittelbare Uebergänge von Ar- terien in Venen wirklich unter dem Mikroskope gesehen und richtig beschrieben hat, war J. Arnold?) In seiner Abhandlung über, die glomeruli caudales im Schwanzende verschiedener Säugethiere, hat er die von ihm als Aequivalente der glandula coccygea des Menschen angesehenen Gefässknäuel ganz sachgemäss dargestellt und auch ganz bestimmt ausgesprochen, dass in denselben die kleinsten Arterien unmittelbar in Venen übergehen; im Uebrigen scheint aber dieser letztere Umstand ihm durchaus nicht besonders auffällig gewesen zu sein. Endlich hat Hyrt13) auch noch in neuester Zeit bestimmt ausgesprochen, dass an vielen Stellen kleine Arterien direct in Ve- nen übergehen, so z. B. ausser im Daumenballen der Fledermäuse auch in den Zehen- und Fersenballen der Viverren (oder wahr- scheinlicher wohl in der Klauenphalanx, H.), in der Matrix des Pferdehufes und der Klauen bei Wiederkäuern, in den Zehen und der nackten Haut an der Schnabelwurzel der Vögel. Im Jahre 1872 habe ich auf der Leipziger Naturforscherver- sammlung meine Beobachtungen über das Vorkommen unmittel- barer Uebergänge von Arterien in Venen am Öhre des Kaninchens mitgetheilt‘) und demnächst etwas ausführlicher in einem in polni- scher Sprache abgefassten Artikel dargelegt’). Wohl durch die ersteren Mittheilungen veranlasst wiederholte F. Berlinerblau®) 1) Tschaussoff, Medicinischer Bote, 1874, Nr. 15 (russisch). Man ver- gleiche den Jahresbericht vonHoffmann und Schwalbe für 1874. pag. 176. 2) Dr. J. Arnold, Ueber die glomeruli caudales der Säugethiere. Virchow’s Archiv Bd. 39, pag. 502—504. 3) Hyrtl, Anatomie des Menschen, 1873. pag. 134. — Diese neue Auf- lage des Buches stand mir im Original nicht zu Gebote; das entsprechende Citat habe ich in der Abhandlung von F. Berlinerblau gefunden. 4) Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Leipzig, 1872. pag. 143. 5) Hoyer, Ueber unmittelbare Verbindungen zwischen Arterien und Venen. Denkschriften der Warschauer med. Gesellschaft 1873, pag. 51—54. Referat darüber in Hoffmann’s und Schwalbe’s Jahresbericht für 1873. pag. 163. 6) Fanny Berlinerblau, Ueber den direceten Uebergang von Arterien Ueber unmittelb. Einmündung kl. Arterien in Gefässäste ven. Charakters. 643 unter Prof. Aeby’s Anleitung Sucquet’s und meine Beobachtungen ; während sie in Bezug auf erstere zu vollkommen negativen Resul- taten gelangte, war sie dagegen im Stande, meine Angaben bestimmt zu bestätigen. — Im Jahre 1874 habe ich alsdann auf der Bres- lauer Naturforscherversammlung die Resultate meiner fortgesetzten Untersuchungen kurz dargelegt !) und endlich in diesem Jahre eine mehr gedrängte Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit in russischer Sprache dem Drucke übergeben ?) Erklärung der Figuren auf Tafel XXAXVIHI und XXXIX. Die Umrisse zu sämmtlichen Zeichnungen sind mit der Camera lueida von Zeiss angefertigt und demnächst wurden erst an einem Theil der Figuren die auf die Textur bezüglichen Details frei eingetragen, doch in grösstmög- lichster Uebereinstimmung mit dem Original. Die umgebenden Gewebstheile sind aus der Zeichnung fortgelassen worden, ebenso alle Gefässverzweigungen und insbesondere dieCapillaren, welche den Eindruck nur verwirrt und wesent- liche Theile oft verdeckt hätten. Die Bezeichnungen sind für alle Figuren gleich, mit Ausnahme von Fig. 2 und 9. Fig. 1. Aus dem Ohr des Kaninchens, Färbung durch Injection von Carmin- lösung, Füllung der Gefässe mit Berlinerblau. Vergrösserung 140. A Arterie, V Vene, aaaa vier unmittelbare Uebergänge der ersteren in die letztere. t Fig. 2. Ebendaher. Injection von salpetersaurem Silber- Ammoniak und Leim. Vergr. 90. Sieben Anastomosen. Fig. 3. Von dem Perichondrium des Knorpels an der Nasenspitze des Kanin- chens, nach einem mit ammoniakalischer Silberlösung und Leim in- jieirten und flach ausgebreiteten Präparate angefertigt. Vergr. 45. Die Gefässe der linken Hälfte sind, um Raum zu sparen, nur theil- weise dargestellt. Die Arterien sind dunkel schattirt, die Venen hell. A die oberhalb der Nasenscheidewand verlaufende mittlere in Venen. Inaug.-Diss. 1875, und in Reichert’s und Du men Archiv für Anatomie und Physiologie, 1875. 1) Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Breslau, 1874. pag. 207. 2) Hoyer, Ueber unmittelbare Anastomosen zwischen Arterien und Venen. — Arbeiten aus den Laboratorien der med. Fakultät za Warschau. Heft IH, Warschau 1876, pag. 1135—142. 644 Fig. Fig. ot . H. Hoyer: Arterie, A’A’ die beiden ihr parallelen in der Schleimhaut unter der Decke der Nasenhöhle verlaufenden Arterien. aaa Einmündungs- stellen dieser drei Arterien in das Venennetz des Perichondriums unmittelbar nach Durchbohrung des Knorpels. Bei b Austritt der Arterien und Venen aus der vorderen Nasenmuschel durch den Knorpel hindurch zum Perichondrium. ecce unmittelbare Ueber- gänge von kleinen Arterienästen in das venöse Netz. V grosse Sam- melvene an der Seitenwand der Nase. Aus dem Schwanzende der Katze, Färbung durch Injection von Carminlösung, das Gefässlumen mit Berlinerblau gefüllt. Vergr. 140. Die anastomotischen Arterien mehr weniger geschlängelt. Ebendaher. Die hauptsächlichsten Aeste eines kleinen Gefässknäuels. Vergr. 140. Arterie dunkel schattirt, Vene hell. Der mittlere Theil des Knochenmarkes aus der Nagelphalanx des Kaninchens, nach Injection von Silberlösung und Leim. Die in der Axe verlaufende Arterie wird von den Aesten der Vene, von denen nur ein Theil dargestellt ist, umsponnen. Vergr. 120. Aus dem Nagelbett des Kindes. Färbung durch .Carmininjeetion, Füllung der Gefässe mit Berlinerblau. Vergr. 160. Einmündung eines einzelnen Arterienastes. Kleiner Gefässknäuel aus der Fingerspitze vom Kind nach gleicher Präparation. Vergr. 90. Arterien dunkel schattirt, Venen hell. Nach einem Corrosionspräparat von der Lunge des Kindes, bei auffallendem Licht und einer Vergr. von 90 gezeichnet. P Ast der art. pulmonalis, B Aestchen der art. bronchialis, stark geschlängelt. a Anastomose der letzteren mit einem Seitenzweige der ersteren. Die rothe Masse der art. bronchialis hat den Zweig der sonst blauen art. pulmonalis gefüllt. Beiträge zur anatomischen und histologischen Technik. Von Prof. H. Hoyer in Warschau. Die technischen Hülfsmittel, welche bei meinen Untersuchungen über den unmittelbaren Uebergang von Arterien in Venen sich als zweckmässig bewährt haben, dürften auch bei vielen anderen auf ähnlichem Felde sich bewegenden Arbeiten mit Nutzen zu verwer- then sein. Ich erlaube mir daher, dieselben hier ausführlicher dar- zulegen und der Beachtung der geehrten Fachgenossen zu empfehlen. 1) Die Schellackmasse bietet ein vorzügliches und beque- mes Hülfsmittel sowohl zum Studium der makroskopischen Gefäss- vertheilung an mehr begrenzten Gefässbezirken oder an ganzen Üa- davern kleiner Thiere (Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen), als auch zur leichten Herstellung von höchst instructiven Corrosions- präparaten. Ich stelle die Masse auf die Weise ‘her, dass ich eine Quantität von gutem Schellack in einer weithalsigen Flasche mit dünnem Boden mit so viel starkem Alkohol (von ca, 80 Procent) übergiesse, dass ersterer von letzterem gerade bedeckt wird. Nach 24 Stunden erwärme ich die Flasche im Wasserbade, um den Rest des ungelöst gebliebenen Schellacks zur Lösung zu bringen, versetze dann noch, wenn nöthig, die Lösung nach völliger Abkühlung mit Alkohol bis zur Consistenz eines dünnflüssigen Syrups und seihe die Masse durch ein Stückchen von mässig dichtem Mousselin. Letztere Procedur ist unumgänglich nöthig, um die stets vorhandenen Un- reinigkeiten zu beseitigen, welche sonst die Spritzencanülen oder auch die kleineren Gefässe verstopfen würden. Die entsprechende Färbung erhält die Masse entweder durch Beimengung einer concentrirten filtrirten alkoholischen Lösung von Anilinblau, Anilinroth, Anilinviolett oder einer Suspension feingerie- bener körniger Farbstoffe in Alkohol. Die schönste und intensivste Färbung liefert in dieser Beziehung Zinnober. Letzterer lässt sich auch vortrefflich zu Corrosionspräparaten verwenden. Auch die Anilinfarben sind dazu sehr wohl zu verwerthen, doch werden sie mit der Zeit unansehnlich, so dass bei Herstellung von länger auf- zubewahrenden Präparaten besser andere haltbarere Farbstoffe ver- 646 H. Hoyer: wandt werden, welche sich ebenfalls in Salzsäure nicht zersetzen. Hierzu eignen sich am besten Berlinerblau und gelbes Schwefelarsen (Auripigment); eine Mischung beider giebt Grün. Ein sehr schönes dauerhaftes Gelb erhält man auch durch frisch gefälltes Schwefel- cadmium. Die mit Wasser fein geriebenen Farbstoffe übergiesst man in Flaschen mit Alkohol, lässt absetzen , giesst den durch das Wasser verdünnten Alkohol ab und setzt dafür starken Alkohol zu. Beim Umschütteln der Flaschen bildet sich durch eine Art von Schlemmungsprocess ein Absatz von gröberen Körnchen, während der feinvertheilte Farbstoff länger suspendirt bleibt und nun der Schellackmasse in solcher Quantität zugesetzt wird, dass dieselbe eine intensive gesättigte Färbung zeigt. Nach Zusatz der körnigen Farbstoffe wird die Masse zweckmässig noch einmal durch Mousselin geseiht. Zur Injection von feinen Gefässverzweigungen (art. hepatica, art. bronchiales, der Gallenwege, der cavernösen Gebilde an den Ge- schlechtsorganen u. A.) bediene ich mich gewöhnlich nicht der ein- fach durch Mousselin filtrirten Schellackmasse, sondern filtrire die stärker mit Alkohol verdünnte Lösung durch Filtrirpapier mittelst eines entsprechend eingerichteten, die Verdampfung des Alkohols verhindernden, Trichters und darauf destillire ich wieder einen Theil des Alkohols ab, bis zur entsprechenden Consistenz der Masse. Zur Färbung derselben ‘verwende ich die käuflichen sehr feingeriebenen Wasserfarben in Zinnkapseln; ich wasche sie zunächst mehrmals mit einer grösseren Wassermenge zur Beseitigung des Bindemittels aus und suspendire sie dann in Alkohol. (Diese Farben eignen sich auch vorzüglich zu Injectionen in das Blut lebender Thiere.) Die in der beschriebenen Weise hergestellten Massen bewahrt man in weithalsigen mit Glaskorken versehenen Gefässen auf; im Falle des Eintrocknens des Korkes wird der Hals leicht über der Gasflamme erwärmt. Die Masse ist jederzeit fertig zur Verwendung und kann in die in das Gefäss eingebundene Canüle ohne jede weitere Vorbereitung direet injieirt werden, nur die körnigen Farbstoff ent- haltenden Lösungen sind vorher gehörig durchzuschütteln. Die Spritzen wäscht man mit gebrauchtem Alkohol aus, der zu anderen Zwecken nicht mehr zu verwerthen ist. Bei kleinen Gefässbezirken kann man bereits nach wenigen Minuten die Präparation vornehmen, da die Masse sofort nach der Injection sich eondensirt, und zwar in Folge der Diffusion des Alkohols in die umgebenden Gewebe. In gröberen Gefässen, wie z. B. der Aorta, erfolgt die Verdichtung “ ee. Si. Me Beiträge zur anatomischen und histologischen Technik. 647 langsamer; sie erfordert hier Stunden, selbst Tage, je nach der Grösse des Organismus. Die Schellackmasse hat die Eigenschaft, von Salzsäure durch- aus nicht angegriffen zu werden. Darauf beruht ihre Verwendbarkeit zu Corrosionspräparaten. Da sie in mehr verdünnten Lösungen in die feinsten Verzweigungen der Arterien und Venen oder andere enge Canäle vorzüglich eindringt, so kann man mittelst derselben sehr bequem Abdrücke sehr subtiler Gebilde herstellen, wie z. B. des Gehörlabyrinthes, der Thränenwege u.a. Ich besitze Corrosions- präparate der Fingerspitzen, welche allein aus Gefässabgüssen be- stehen und doch ganz die normale Form der Finger zeigen; unter dem stereoskopischen Mikroskop bieten dieselben einen prächtigen Anblick dar. Ferner habe ich ein Corrosionspräparat von einem ganzen Kaninchenohr hergestellt mit sämmtlichen Arterien und Venen, sowie mehrfache Präparate des Penis von Kindern mit völlig erhaltener Form des Organes. Auch kann ich ohne Uebertreibung behaupten, dass wohl kaum ein instructiveres Bild zu denken ist, als wie ein nach obiger Methode hergestelltes Corrosionspräparat der letzten Endigungen der Luftwege bei auffallendem Licht unter dem stereoskopischen Mikroskop betrachtet. Dergleichen zarte Präparate lassen sich übrigens vortrefflich in leicht erwärmtem Damarlack zwischen Gläsern einschliessen. Will man Üorrosionspräparate grösserer Organe herstellen, z. B. der Lungen, Leber, Nieren, so darf man nicht die verdünnte Lösung von Schellack anwenden, weil dieselbe zu stark eindringt in die feinsten Gefässramificationen und auf diese Weise eine compacte Masse von Gefässen erhalten wird, die sich weder gut abspülen lässt, noch auch einen Ueberblick ge- währt über die Gefässvertheilung des Organes; sondern man ver- wendet zweckmässig Massen von solcher Concentration, dass sie erst flüssig werden bei leichter Erwärmung im Wasserbade; man injieirt dieselben mit erwärmter Spritze. Solche concentrirte Massen geben vortreflliche Präparate und sind auch haltbarer, als die aller- dings sehr zarten mit dünnflüssiger Masse hergestellten Corrosionen. Ich habe auf diese Weise ganz vortreffliche Corrosionen erhalten von verschiedenen Organen des Kaninchens, Hundes, der Katze und von Kinderleichen, während dagegen für umfangreiche Organe grosser Thiere und des erwachsenen Menschen die Masse doch zu brüchig ist. Um übrigens diese Brüchigkeit ein wenig zu vermindern, kann man derselben zweckmässig etwa 5 Procent einer gleich consistenten 648 H. Hoyer: durch Papier oder Mousselin filtrirten. alkoholischen Lösung von venetianischem Terpenthin zusetzen. Eine sölche Beigabe ist auch für die zu gewöhnlichen Injectionen bestimmte Masse ganz zweckdienlich. Zur Zerstörung der Gewebe kann man ganz concentrirte (rauchende) Salzsäure verwenden. Kleine Präparate bleiben darin höchstens einen Tag, grössere eine bis mehrere Wochen. Nach er- folgter Einwirkung der Säure lässt man das Präparat zur besseren Erweichung einige Zeit hindurch in Wasser liegen, insbesondere Leber und Nieren, bevor man die Weichtheile abspült. Ich lege die grösseren Präparate nach der Injection in Porzellansiebe ent- sprechender Grösse und versenke sie mit diesen in die Gefässe mit Salzsäure. Nach gehöriger Säureeinwirkung, die man daran erkennt, dass das Präparat an den dünnen Rändern mittelst einer Spritzflasche sich gut auswaschen lässt, hebe ich das Sieb mit grösseren Präparaten ein wenig in die Höhe und ersetze die Säure allmählich durch Wasser; die Siebe mit kleinen Theilen übertrage ich direct in ein Gefäss mit Wasser und versuche durch Heben und Senken der ersteren das Präparat abzuspülen. Die schliessliche Reinigung wird in allen Fällen mittelst der Spritzflasche bewirkt. Zum Trocknen lege ich die gereinigten Präparate auf Fliesspapier. Um denselben schliesslich ein schöneres Ansehen zu verleihen, kann man sie wiederholt in eine schwache Lösung von Mastix in Aether eintauchen; doch erreichen sie dadurch noch lange nicht die künst- lerische Vollendung, wie die berühmten Hyrtl’schen Präparate. Vom Penis des Kindes habe ich vortrefiliche Corrosionspräpa- rate auf die Weise erhalten, dass ich die cavernösen Räume zunächst durch Einstich mit filtrirter blauer Anilinmasse injieirte, und zwar stach ich die Canüle durch die Eichel bis in eines der corpora ca- vernosa penis; nachdem vollständige Erection der letzteren erfolgt war, zog ich die Canüle mit ihrer Spitze bis in die Eichel zurück und füllte von dieser aus das ganze corpus cavernosum urethrae mit Masse an. Gleich darauf injieirte ich von den art. hypogastricae aus die Arterien mit rother Masse. — An der Leber fülle ich Arterie und Gallengänge zunächst mit dünner flüssiger Masse und dann die ‚Venen mit concentrirter; ebenso an den Lungen die Bronchialarterien mit verdünnter Lösung und die Lungengefässe mit eingedickter Masse. Um mit Schellackmasse injieirte Theile zu erhärten und schnitt- fähig zu machen, benutze ich entweder reine Chromsäurelösung, oder eine Mischung von Chromsäure und Salzsäure (von beiden 1 Th. Beiträge zur anatomischen und histologischen Technik. 649 auf 250—500 Th. Wasser). Die Schnitte werden mit concentrirtem Glycerin durchsichtig gemacht. Man kann sie übrigens auch trocknen und dann mit Terpenthinöl transparent machen, doch erhält man auf diese Weise meist keine befriedigenden Resultate. 2. Anstatt reiner Höllensteinlösung verwende ich zur Injection von Gefässen salpetersaures Silberammoniak. Einer Lösung von Höllenstein bestimmter Concentration wird geräde so viel caustischer Ammoniaklösung zugesetzt, dass der gefällte Niederschlag sich eben wieder löst, und dann die Lösung so verdünnt, dass sie 0,75—0,5 Procent Höllenstein entspricht. Der Silberinjection kann man eine concentrirte Gelatinelösung nachschicken. Die ammoniakalische Silberlösung hat vor dem reinen Silbersalz den grossen Vorzug, dass sie nur die Endothelzeichnung allein zum Vorschein bringt und die umgebenden Gewebe ungefärbt lässt, wodurch die Bilder bedeutend an Klarheit und Anschaulichkeit gewinnen. Auch bei Behandlung anderer Körpertheile mit dieser Lösung z. B. der serösen Häute, werden nur die Grenzen der Endothel- oder Epithelzellen deutlich markirt, durch die bekannten schwarzen netzförmigen Zeichnungen, während das Bindegewebe ungefärbt bleibt. 3. Die besten Lösungen von Berlinerblau erhalte ich mittelst Dialyse. Den auf bekannte Weise hergestellten, abfiltrirten und nur wenig ausgewaschenen Niederschlag von löslichem Berliner- blau bringe ich mit ein wenig Wasser auf einen Grahamschen Dia- lysator und wechsele das äussere Wasser so lange, bis die Lösung beginnt, durch das Pergamentpapier zu dringen. Darauf wird die Masse entsprechend verdünnt und durch gewöhnliches Filtrirpapier filtrirt, was nach gehöriger Dialyse sich gewöhnlich leicht bewerk- stelligen lässt, während ohne Dialyse bekanntlich die Filtration ge- wöhnlich nur sehr schwer von statten geht. Solche filtrirte Masse ist besonders geeignet zu Lymphgefässinjectionen, da sie selbst die feinsten Canülen leicht passirt. Auch lässt sie sich sehr gut mit Leim verbinden. Zu dem Zweck erhitze ich die Lösung bis fast zum Sieden und setze dann allmählich erwärmte dünne Gelatinelösung hinzu bis zum Beginn von Gerinnselbildung. Alsdann seihe ich die Masse durch einen angefeuchteten Flanelllappen. — Zur Injection der corpora cavernosa penis mit Leim mittelst Einstich oder zur Injection von Leim nach Silberlösung verwende ich stets concentrirte, aber durch Flanell geseihte Gelatinelösung. 4. Zur Sichtbarmachung der Wandungen der Blutgefässe ver- 650 H. Hoyer: Beiträge zur anatomischen und histologischen Technik. wende ich nicht reine ammoniakalische Carminlösung, da letztere mir stets unbefriedigende Resultate geliefert hat, sondern eine mit Alkohol versetzte GCarminlösung. Durch den Alkohol wird nämlich die Färbekraft der Solution bedeutend erhöht und anstatt einer diffusen Färbung des ganzen injieirten Theiles erhält man vor- zugsweise nur eine Färbung der Gefässwände und dann der zelligen Elemente (Bindegewebskerne, Drüsenzellen etc.). Eine alkoholhaltige Lösung von Carmin färbt, insbesondere frische Gewebstheile, viel intensiver und energischer, als eine reine Lösung, und darauf be- ruht auch wohl vorzugsweise die Wirkung von Beale’s Carmin- solution. Das Glycerin in letzterer vermindert nur die Färbekraft. — Ein mit Carmin und Berlinerblau injieirter und in Alkohol, mit oder ohne Zusatz von Essigsäure, erhärteter Körpertheil (z.B. Haut, Darm) giebt vortreffliche schön gefärbte und instructive Schnitte. Zur Gefässinjection verwende ich eine Lösung von Carmin, welche nur einen geringen Ueberschuss von Ammoniak enthält und setze eirca 20-25 Proc. Alkohol hinzu (1 Th. Carmin auf 80 Th. Lösung und 20 Th. Alkohol). Eine sehr intensiv färbende Carminlösung habe ich auch auf fol- gende Weise erhalten: Verschiedene sonst nicht weiter zu verwen- dende Carminrückstände übergiesse ich in einem Kolben mit Alkohol, welchem einige Procent Schwefelsäure zugesetzt werden und erhalte sie im Wasserbade im Sieden, bis der Carmin sich gelöst hat, filtrire dann, versetze stark mit Wasser und setze eine Lösung von Bleizucker hinzu, so lange noch ein rosenrother Niederschlag von schwefelsaurem Blei sich bildet. Sobald jedoch ein violetter Nieder- schlag sich zu zeigen beginnt, unterbreche ich die Präcipitation, filtrire und setze zu dem Filtrat abermals so lange Bleizuckerlösung, als noch ein violetter Niederschlag sich bildet. Letzterer wird auf einem Filter gesammelt, gut ausgewaschen, getrocknet, in wenig starkem Alkohol suspendirt und zu letzterem tropfenweise mit Schwefelsäure stark angesäuerter Alkohol zugesetzt, bis der Nieder- schlag seine violette Farbe verloren, der Alkohol dagegen sich in- tensiv roth gefärbt hat. Diese alkoholische Farbstofflösung wird abfiltrirt und aufbewahrt; ein paar Tropfen derselben in ein Uhr- schälchen mit Wasser gethan geben eine stark färbende Flüssigkeit, welche im Grunde denselben Farbstoff enthält, wie die Lösungen von Carmin in Essig-, Oxal- und anderen Säuren. Mit obiger Lösung habe ich bessere Färbungen erzielt, als wie mit dem nach Rollet’s Vorschrift hergestellten »Carminroth«. — | Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes, nebst Bemerkungen zur Phylogenese der Drüsen des Darmrohres. Von Dr. Ludwig Edinger. (Aus dem anatom. Institute der Universität Strassburg.) Hierzu Tafel XL und XLI. Trotz des grossen Interesses, welches gerade in den letzten Jahren die Frage nach der morphologischen und physiologischen Bedeutung der Krypten des Darmcanals hervorrief, ist der Versuch noch nicht gemacht, diese wichtige Aufgabe auf dem fruchtbaren Wege der Vergleichung zu lösen. Es liegt dies wohl zum grössten Theile an der mangelhaften Kenntniss, die wir vom Darmcanal der niederen Wirbelthiere haben. Genauer gekannt ist eigentlich nur der Intestinaltractus der Säuger, weniger Vögel und des Frosches. Ueber den Darm der meisten Amphibien, Reptilien und der Fische liegen ausser Leydigs werthvollen Arbeiten nur ganz vereinzelte eingehendere Beobachtungen vor. Speciell die Schleimhaut des Fisch- darmes hat seit den Untersuchungen dieses Forschers keine auf Ver- treter aller Abtheilungen sich erstreckende Untersuchung mehr er- fahren. Und doch bietet gerade sie, durch die Vollständigkeit mit der sie alle Uebergangsformen von der einfachen Rinne zwischen den Längsfalten, bis zu gedrängt stehenden runden Blindsäcken auf- weist, ein hohes Interesse. Es erschien daher nicht ganz nutzlos den Darm der Fische einer erneuten Revision zu unterziehen, welche der morphologischen und physiologischen Werthigkeit seiner sogenannten Drüsen beson- dere Rücksicht trüge. Die Güte des Herrn Prof. Waldeyer hat mich in den Stand gesetzt, diese Untersuchung an einer grossen Reihe von Arten durch- zuführen. Es sei mir gestattet an dieser Stelle dem verehrten Lehrer ‘meinen innigsten Dank auszusprechen für die unterweisende Für- 652 Ludwig Edinger: sorge, die er mir während des ganzen Verlaufes meiner Studien an- gedeihen liess. In derselben Weise bin ich den Herren Proff. O. Schmidt, Langerhans und F. Merkel für die Ueberlassung eines beträcht- lichen Theiles meines Untersuchungsmaterials zu grösstem Danke verpflichtet. Insbesondere erhielt ich durch Herrn Prof. Merkel eine grosse Anzahl vortrefflich conservirter Fischdärme, theils aus der Ostsee (Rostock), theils aus dem Mittelmeer (Neapel), die mir bei meiner Untersuchung wesentlich zu Statten kamen. 1. Art der Untersuchung und Methoden. Die Fische, die ich untersuchen konnte, standen mir nur in den am hiesigen Platze vorkommenden Süsswasserteleostiern frisch zur Verfügung. Alle anderen der unten aufgezählten Arten erhielt ich in mehr oder weniger gut conservirten Alkohol- und Chromsäure- präparaten. Bei kleineren Fischen wurde der ganze Darm in eine Reihe feiner Längs- und Querschnitte zerlegt, nachdem er vorher ausgebreitet und bei Loupenvergrösserung von der Fläche durch- mustert worden war. Bei grösseren habe ich zahlreiche Längs- und Querschnitte durch alle Theile des Tractus gelegt; namentlich auch durch die Uebergangsstellen eines Darmtheils in einen anderen (Oesophagus in den Magen, Magen in Mitteldarm etc). Dies letztere Verfahren ist ein sehr instructives und fruchtbringendes. Die Schnitte wurden in Carmin oder mit der sehr zu empfehlenden Doppelfärbung von Haematoxylin und Picrinsäure tingirt. Zur Untersuchung der Epithelien bediente ich mich einmal des lebend frischen Präparates und der 1°, Ösmiumsäure, dann der Macerationen. Diese gelingen recht gut durch !Y/ıo°/. Osmiumsäure, ferner durch !/, stündiges Einlegen in ein Uhrglas destillirten Wassers, welches 2—3 Tropfen Eisessig enthält, oder in Ranvier’schen Al- kohol. Weitere Isolationen, meist zur Controle der erhaltenen Zell- formen zugleich mit den vorgenannten angewandt, habe ich durch die Czerny’sche Mischung von Müller ’scher Lösung und Speichel, sowie durch Zerzupfen des lebend frischen Schleimhautstückes in der Flüs- sigkeit der Peritonealhöhle zu erreichen vermocht. Blutgefässinjeetionen gelingen am besten mit einer kalten Masse von der Art. caeliaca aus. Viel schwieriger gerathen Einstich- | | { Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 653 injectionen der Lymphgefässe. Die beim Karpfen oder Hecht unter die Serosa eingestochene Canüle einer Pravaz’schen Spritze füllt in den meisten Fällen ein Netz von Blutgefässen. Nur selten ge- lang eine wirkliche Injection der Lymphbahnen. Es ist sogar gar nicht schwer das ganze Blutgefässgebiet eines Darmstückes durch Einstichinjeetion zu füllen. Eine Füllung der Blutbahnen des Darmes von der A. coeliaca aus ist daher jeder Lymphgefässinjection vor- auszuschicken. Die gröberen anatomischen Verhältnisse im Darme der Fische sind durch die Arbeiten Cuviers, Rathkes, Owens u. A. längst bekannt. Ich unterlasse daher eine Beschreibung derselben und werde meine Angaben nur auf den viel weniger eingehend unter- suchten Bau der Schleimhaut beschränken. Meine Mittheilungen hierüber stützen sich auf die folgenden Fische, deren Darm mir, meist vollständig, zu Gebote stand: I. Cyelostomen. 1) Petromyzon fluviatilis, 2) P. Planeri, 3) Ammocoetes. II. Selachier. a) Haie: 4) Seyllium canicula, 5) Pristiurus, 6) Squatina angelus. b) Rochen: 7) Torpedo Narke, 8) Torpedo marmorata, 9) T. aculeata, 10) Raja clavata. III. Ganoiden. 11) Lepidosteus. IV. Teleostier. a) Lophobranchier: 12) Syngnathus acus; b) Pleetognathen: 13) Balistes. c) Physostomen: 14) Anguilla fluviatilis, 15) Symbranchus marmoratus, 16) Clupea harengus, 17) Esox lucius, 18) Salmo fario, 19) Cyprinus carpio, 20) Tinca vulgaris, 21) Gobio fluviatilis, 22) Abramis brama, 23) Alburnus lucidus, 24) Chondrostoma nasus, 25) Cobitis fossilis, 26) ein Silurus. d) Anacanthinen: 27) Ophidium, 28)Gadus lota, 29) Rhombus aculeatus, 30) Pleuro- nectes, 654 Ludwig Edinger: e) Acanthopteren: 31) Perca fluviatilis, 32) Serranus hepatus, 33) Gasterosteus pungitius, 34) Mullus barbatus, 35) Dactyloptera volitans, 36) Trigla lyra, 37) Naucrates ductor, 38) Gobius niger, 39) Blennius ocellatus, 50) Uranoscopus scaber, 41) Zeus faber, 42) Gonostoma denudatum, 43) Crenilabrus melas. 2. Literatur. Von den Werken, die über den Bau des Fischdarmes handeln, konnte ich die unten folgenden benutzen. Indem ich ihre Titel zu- sammenstelle, glaube ich zu gleicher Zeit ein möglichst vollständiges Verzeichniss der betreffenden Literatur zu geben. Etwaige Mängel desselben möge man entschuldigen, namentlich da, wo vielleicht die Angaben, die in Monographien einzelner Arten enthalten sind, nicht erwähnt werden. Doch habe ich mich bemüht auch hierin, soweit mir die betreffenden Werke zugänglich waren, möglichst vollständig zu sein. 1) Rathke: Beiträge zur Geschichte der Thierwelt. 4. Ab- theilung; in den Schriften der naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. II. Bd. 2. Heft. 2) Derselbe in: Müllers Archiv 1837: Zur Anatomie der Fische. 1l. Abtheilung: der Darmkanal. 3) J. Müller: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Abh. d. Berliner Akad. d. Wissenschaften 1343. 4) Derselbe: Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Abh. d. Berliner Akad. d. Wissenschaften 1840. 5) Rathke: Bemerkungen über den inneren Bau der Brike. Danzig 1820 (dem Verf. leider nicht zugänglich). 6) Wagner: De Spatularium anatome. Diss. inaug. Berolini 1848. 7) Leydig: Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt 1857. 8) Derselbe: Histologische Bemerkungen über Cobitis fossilis in: Müllers Archiv 1853. 9) Derselbe: Kleinere Mittheilungen zur thierischen Gewebe- lehre. Müllers Archiv 1854. 10) Derselbe: Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Berlin 1853. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 655 11) Derselbe: Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Rochen und Haie. Leipzig 1852. 13) Derselbe: Histologische Bemerkungen über Polypterus bichir. Zeitschr. f. wiss. Zool. V. Bd. 14) Langerhans: Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Freiburg 1873. 15) Melnikow: Ueber die Verbreitungsweise der Gefässe in den Häuten des Darmkanals von Lota vulgaris. Arch. f. Anat. u. Phys. 1866. 16) Günther: Description of Ceratodus in: Philosophical Trans- actions, Bd. 162. Part. 1. 17) Owen: Description of Lepidosiren annectens. Transactions * Linnean society. vol. XVIL. 18) Hyrtl: Lepisodiren paradoxa. Monographie. Prag 1845. 19) Costa: Storia ed anatomia dell’ Anguilla e monografia delle nostrali specie die queste genere. Napoli 1850. (Dem Verf. nicht zugänglich.) 20) Home: Lectures on comparative anatomy. II. Bd. (Dem Verf. nicht zugänglich.) 21) Stannius: Handbuch der Zootomie. 1. Theil. 22) Gegenbaur: Grundriss der vergl. Anatomie. 23) Owen, Comparative anatomy of vertebrates. Vol. I. 24) Todd und Bowman: Cyclopaedia of anat. and physiology. Artikel: Intestinal tract. 26) Cuvier und Valenciennes: Histoire naturelle des Poissons. Paris 1823—49. Ausser einem Theile der obengenannten Schriften handeln noch speciell über die Epithelien des Fischdarmes: 27) F. E.Schulze: Epithel- und Drüsenzellen. 2. Theil. Arch. f. mikr. Anat. III. Bd. 28) Kölliker, Untersuchungen zur vergleichenden Gewebe- lehre. Verhandl. der physikal. med. Gesellschaft zu Würzburg. VIII. Band. 3. Der Vorderdarm. a) Der Oesophagus. Der Oesophagus wird bei allen Fischen von einer Anzahl in seiner Längsaxe verlaufender Falten durchzogen. Die relative Höhe 656 Ludwig Edinger: und der feinere Bau derselben zeigt nach Familien und Arten nur seringe Differenzen. Sie werden vom Bindegewebe der Mucosa und Submueosa hergestellt und sind constant, d. h. sie verstreichen auch bei Dilatation des Lumens nicht. Seitlich tragen diese Falten manchmal noch eine Reihe von Längsleisten, auf denen wieder Leisten und Leistchen, alle in der Längsaxe des Darmes verlaufend, aufsitzen können. Das Ganze sieht dann von der Fläche wie aus langen Treppen aufgebaut aus. Andere Einsenkungen und Erhebungen, als diese, kommen nur selten in der Schleimhaut des Oesophagus vor. Drüsen finden sich nirgends. Der OÖesophagus ist in seinem vordersten Theil meist mit mehr- schichtigem Plattenepithel bedeckt, zwischen dem zahlreiche Becher- zellen von ansehnlicher Grösse vorkommen, oder diese Zellart kleidet ihn auch ganz-aus. Die mehr nach dem Magen zu liegende Hälfte ist fast immer nur mit Cylinder- oder Becherzellen besetzt. Wo Plattenepithel vorhanden ist, wird seine Schicht nach dem Magen zu immer dünner und dünner, die eingestreuten Becherzellen nehmen an Menge zu und bald bilden sie eine continuirliche Schicht, die noch über eine oder zwei Lagen der platten Zellen wegzieht, an der Magen- grenze aber meist direct dem Bindegewebe der Mucosa aufliegt. Die Verhältnisse der Epithelanordnung, sowie der feinere Bau der Zellen sollen bei den einzelnen Fischen geschildert werden. Von dem einfachen ganz faltenfreien Darmrohr, wie es die meisten Evertebraten und die Embryonen der Vertebraten zeigen, weichen am wenigsten die Cyclostomen ab. Bei Myxine ist nach J. Müller die Schleimhaut aller Theile des Tractus entweder ganz glatt, oder nur mit minimalen Längsfältchen versehen. Das Epithel flimmert nicht. Der Darm von Petromyzon fluyv. ist in seiner ganzen Länge von niederen Schleimhautfalten durchzogen. Nur im Oesophagus sind sie von ansehnlicher Höhe. Sie ragen hier als schmale, lange oben etwas ausgefranzte Plättchen in das Lumen, stehen eng bei einander in der ganzen Peripherie des Vorderdarms und gehen nach hinten niedriger werdend direct in die Längsrippen des Darmes über. Bei Petromyzon Planeri und Ammocoetes ist die Faltenbildung im Oesophagus nicht vorhanden. Bei allen Petromyzonten flimmert das Cylinderepithel des Oesophagus. Eine nicht viel höhere Ausbildung zeigt der Oesophagus der Selachier. Die Schleimhaut wird vom Ende der respiratorischen Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 657 Vorkammer bis zum Magen von einer Anzahl niederer Längswülste durchzogen, die sich bei einigen bis zur Mitte der Magendilatation fortsetzen können. Bei Torpedo aculeat. erstreckt sich das geschichtete Platten- Epithel der Mundhöhle auch durch den ganzen Oesophagus. Schon bald hinter der Kiemenhöhle treten dazwischen einzelne bauchige Becherzellen auf. Sie liegen bald in der Tiefe von Platten- epithel bedeckt, bald auch münden sie frei auf die Oesophagus- oberfläche. Die frei mündenden sind alle nach dem Lumen zu offen und ergiessen in dieses eine glasige, schleimige Substanz. Mehr nach dem Magen zu wird ihre Zahl grösser und bald haben sie die platten Zellen fast ganz verdrängt. Kurz vor dem Magenan- fang sind sie so zahlreich geworden, dass sie, enge aneinander liegend, über den Resten des Plattenepithels eine eigene Schicht bilden, durch deren Secret die Schleimhaut immer mit einer ziemlich gleichmässi- gen glasigen Decke überzogen ist. Das Plattenepithel ist hier bis auf eine dünne Zellenlage ganz verschwunden, welche unter den Becherzellen bis zum Anfang der Labdrüsengruppen zieht. Bei den Haien, die ich untersucht habe, und bei Raja clavata sind die Verhältnisse des Epithels andere. Das Plattenepithel reicht nur noch eine kurze Strecke in den Oesophagus herein. Von seiner Grenze bis zum Magen ertreckt sich vielmehr flimmerndes Cy- linderepithel. Es besteht aus sehr langen schmalen Zellen, die nach der Schleimhaut zu in dünne, oft fadenförmige Fortsätze aus- laufen. In dem Raume, den diese Zellenden zwischen sich lassen, liegen in grosser Menge freie, kleine Rundzellen angehäuft. Sie scheinen auf der Wanderung aus dem Bindegewebe der Schleimhaut in das Darmlumen begriffen zu sein. Man findet nämlich oft dieselben kleinen Körperchen zwischen die Leiber der Epithelzellen einge- drungen, auf jeder Höhe der Zelle von der Basis bis zu den Flimmern, einzelne sogar im Begriffe in das Lumen auszutreten. Wo sie sich in den engen Raum zwisehen zwei Zellen klemmen, werden sie, ähn- lich wie Blutkörperchen in ganz engen Capillaren, stark in die Länge gezogen und so im Breitendurchmesser kleiner. (S. Abb.) Becher- zellen finden sich nur wenige und meist bei verschiedenen Arten in wechselnder Menge. Flimmerepithel im Oesophagus wurde beobachtet bei: Raja clavata, Mustelus laevis, Squatina angelus und einem Pristiurus. Da die übrigen untersuchten Rochen und Haie nicht so gut conser- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13. 42 68 Ludwig Edinger: virt waren, wie die genannten, so ist es zweifelhaft, ob nicht auch bei ihnen Flimmerung sich findet. Bei den Selachiern liegt da, wo die Längsfalten des Schlun- des anfangen, theilweise noch im Bereiche der letzten Knorpel des Visceralskeletes, eingebettet in das Bindegewebe der Mucosa und Submucosa ein eigenthümliches Organ. Es besteht aus einer sehr grossen Masse von kleinen, rundlichen, kernhaltigen Zellen, ganz ähnlich den Zellen, welche in den Lymphdrüsen gefunden werden. Die Zellen bestehen aus fein granulirtem Protoplasma, sind kleiner als die Blutkörperchen, und lassen nur selten den Kern deutlich erkennen. In frischem Zustande konnte ich sie leider nicht untersuchen, meine Angaben beziehen sich auf Alkoholpräparate- Desshalb unterlasse ich auch Massangaben, die ja nur von zweifel- haftem Werthe sein könnten. ‚Die Mucosa sendet Balken und Bälkchen zwischen sie, die sich da so theilen und verweben, dass ein zierliches, feines Netz die Körperchen in seinen Maschen birgt. Das Organ ist nach der Schleimhaut zu nicht immer scharf abgegrenzt, namentlich ist nichts von einer besonderen Hülle um dasselbe nachzuweisen. Es erstreckt sich fast bei allen Arten durch den ganzen Oesophagus und in einzelnen Ausläufern bis weit unter die Labdrüsen des Magens hinab. Beschrieben wurde es zuerst von Leydig in dessen: Beiträge zur mikr. Anat. und Entw. der Rochen und Haie, 1852, sowie 1857 in dessen Lehrbuch der Histologie. Auch Owen scheint es gesehen zu haben. Er sagt in seiner Comparative Anatomy and Physiol. of Vertebrates: »A layer of grey parenchymatous substance is interposed between the muscular and inner coats of the cardiac half of the Oesophagus in Torpedo.« Bei Chimaera liegt es nach Leydig nicht in der Wandung des Oesophagus, sondern ist weiter vorne zwischen Rachenschleimhaut und Basis cranii zu finden. Leydig und Owen sprechen das Or- gan für ein Analogon der Lymphdrüsen an. Zahlreiche, weit klaffende Lücken und Canäle durchziehen in seiner Umgebung das Bindegewebe der Schleimhaut. Sie sind fast alle, jedenfalls die grösseren, von einem zarten Endothel ausgekleidet und unterscheiden sich deutlich von den Blutgefässen dadurch, dass diese, wenn sie von derselben Weite sind, schon eine deutlich charak- terisirte äussere Wandung besitzen, was bei den obengenannten Räu- men nie der Fall ist. Das Endothel liest unmittelbar auf Binde- a EREE Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 659 gewebszügen, die sich nicht von denen der umgebenden Schleimhaut unterscheiden. In ihrem Lumen fanden sich nie Blutkörperchen, obgleich bei einem der untersuchten Haie noch alle Gefässe strotzend mit solchen gefüllt waren; wohl aber hie und da ganz dieselben kleineren Zellen, die in dem oben beschriebenen Organ vorkommen. Das ganze aus dem Organ und den Canälen bestehende System trägt so deutlich den anatomischen Charakter, welchen wir bei Lymphapparaten zu finden pflegen, dass ich nicht anstehe, es für einen solchen zu halten. Der Mangel an frischem Material erlaubte mir leider nicht auf die nähere Untersuchung, namentlich auf Injectionen dieses interessanten Organs einzugehen. Gesehen habe ich das Lymph- organ des Oesophagus bei Torpedo aculeata, Torpedo marmorata, Raja clavata und einem Hai: Mustelus. So lange nicht nähere Untersuchungen über dasselbe vorliegen, bleibt seine Iymphoide Natur nur eine, wenngleich durch histolo- gische Aehnlichkeiten begründete Vermuthung. Will man es mit den Balgdrüsen und Tonsillen im Schlunde und Oesophagus der Säuger in Homologie bringen, so muss an die Ansicht Henle’s erinnert werden, der jene nicht für zum Lymphapparat gehörig erachtet, sondern zu den absondernden Drüsen zählt. Er sagt Anatomie Bd. II S. 62: »Die anatomischen Thatsachen widersprechen nicht der Annahme, dass Flüssigkeit und Körperchen der conglobirten Drüsen durch eine langsam fortschreitende Atrophie der oberflächlichen Schleimhaut- schichten ins Freie gelangen können.« »Organe, die ein schleimiges, die Wände schlüpfrig erhaltendes Secret liefern, scheinen nirgends so sehr an ihrem Platze zu sein, als in der Region der Mundhöhle.« Dass wirklich zahlreiche der runden Zellen die Schleimhaut passiren und, zwischen dem Epithel emporsteigend, in das Darmlumen treten, habe ich oben berichtet und dies würde im Sinne der Henle’- schen Lehre sein. An eine Beweisführung in der schwierigen Frage nach der Bedeutung der conglobirten Drüsen ist aber so lange nicht zu denken, als nicht physiologisch lebende oder lebensfrische Balg- drüsen untersucht werden. So bleibt denn auch die Frage nach dem Oesophagusorgan der Selachier eine vorderhand noch offene. Sie bietet freilich Aussicht auf Lösung nur durch einen Beobachter, dem der Aufenthalt an der See die Gelegenheit der Untersuchung ganz frischen Materials gewährt. Bei einigen Selachiern kommen auf der Oesophagusschleimhaut kurse, spitze, nach hinten gerichtete Fortsätze vor (Owen); so bei 660 Ludwig Edinger: Spinax acanthias. Bei Selache spalten sich diese in der Nähe der Uardia stehenden Fortsätze reichlich, so dass der Eingang des Ma- gens von einer Anzahl feiner, in das Lumen ragender Büschel um- geben ist. Owen hält diesen Apparat für eine Art Gitter, welches sich dem Entweichen der lebend verschluckten Nahrung in den Weg stellt. Wenig von den Selachiern verschiedene Verhältnisse zeigt der Oesophagus der Ganoiden. Drüsen kommen hier ebenfalls nicht vor; die ganze Oberflächenvermehrung der Schleimhaut beschränkte sich auf einfache Längswülste von untereinander sehr verschiedener Höhe, die nur von dem Bindegewebe der Mucosa gebildet werden. Hie und da können sich auf ihnen, ähnlich wie bei den Selachiern, kleine papillenartige Höcker erheben. So hat sie z. B. Owen im Oesophagus des Störes gesehen. Das Pflasterepithel der Mundhöhle, das bei den Selachiern meist noch weit in den Oesophagus gereicht hat, ist hier bei den Ganoiden durch Cylinderepithel ersetzt. Eine Ausnahme macht nur Polypterus bichir, in dessen Oesophagus Leydig Plattenepithel fand. Beim Stör hat Eilhard Schulze zwischen dem flimmernden Cylinderepithel zahlreiche Becherzellen gesehen. Auch der Oesophagus eines Lepidosteus, dessen Intestinal- tractus ich der Güte des Herrn Carl Luedeking in St. Louis Mo. verdanke, zeigt Flimmerepithel. Die Flimmerzellen sind hier sehr lang, glasig hell, mit deutlicher Membran an den Seiten, einer Mem- bran, welche sich nach unten zu einem dünnen spitzen Faden ver- dünnt, der sich im Bindegewebe der Schleimhaut verliert. In dem hochwandigen Trichter, der so von der Zellmembran gebildet wurde, sitzt die Flimmerzellle und sendet einen nicht immer deutlichen Fortsatz in den Stiel des Trichters hinab. Die Flimmerhaare sitzen einer starken hellglänzenden Linie auf, welche über den oberen Zell- rand hinzieht und sind von ansehnlicher Länge, jedenfalls die längsten, die mir im Oesophagus eines Fisches vorgekommen sind. Auch bei den Teleostiern bleibt die Längsfaltenbildung im Öesophagus die herrschende. Die Ausbildung der secundären und tertiären Längsfalten, der Wülste und Riffe längs oder zwischen den primären Schleimhautwällen, erreicht den höchsten Grad in dieser Abtheilung, so dass der Oesophagus bei gleicher Weite eine be- trächtlich grössere Oberfläche bietet, als bei den Selachiern. Das Plattenepithel ist ganz verschwunden und es bleibt von nun an durch die ganze Fischreihe nur Cylinderepithel als Bedeckung des Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 661 Oesophagus. Die meisten der Oylinderzellen aber sind zu Becher- zellen umgewandelt. Flimmerung habe ich nirgends bemerkt. Die - Eigenmuskulatur der Schleimhaut gelangt häufig zu ziemlicher Mächtigkeit. Sie besteht mit einer einzigen Ausnahme aus glatten Fasern, die theils in eirculärer Richtung um den Darm laufen, theils auch senkrecht zu der Höhe der Falten aufsteigen. Von den Lophobranchiern zeigt Syngnathus acus im Oesophagus eine Reihe flacher Längswülste, welche alle nur von einer Epithel- schicht bedeckt sind, die bei den beiden untersuchten Exemplaren ganz aus grossen blasigen Becherzellen bestand, deren breite, ganz kuglige Gestalt sonst im Fischdarme nirgends wiederkehrt. Zwischen dem lockeren Bindegewebe der Mucosa und dieser Epithelreihe zieht eine schmale Platte aus elastischem Gewebe hin. Auf Querschnitten umzieht sie den ganzen Oesophagus als stark lichtbrechender, immer dem Epithel folgender Streif. Zu beiden Seiten des Vorderdarmes werden im Bereiche der Kiemen die Becher- zellen durch Plattenepithel verdrängt. Ueber den Oesophagus der Plectognathen liegen keine genaueren Angaben vor. Von Balistes habe ich zwar zwei wohlconservirte Därme erhalten, bin aber nicht im Stande in der Schleimhautbeschaffenheit von Anfang bis zu Ende irgend einen nenneswerthen Unterchied zu entdecken. Ich habe also entweder nur den Mitteldarm im Besitz oder, und das ist das Wahrscheinlichste, der Vorderdarm ist vom Mitteldarm nicht durch Modification der Mucosa verschieden. Die unten folgenden Angaben über die Darmschleimhaut des Balistes hätten demgemäss auch für den Oesophagus Gültigkeit. Wechselnde Bilder zeigt der Oesophagus der Physostomen. Anguilla fluviatilis und Symbranchus marmoratus zeigten im Wesent- lichen dieselben Längsfalten, mit Becherzellen besetzt, die hier in mehrfacher Schicht über einander liegen. In den Buchten zwischen den Schleimhautwülsten lag bei Anguilla fluv. ein glasiger Schleim, in den einzelne freie Rundzellen eingebettet waren. Diese stammen entweder aus dem Bindegewebe der Mucosa selbst, aus dem sie wohl, wie ich es bei den Selachiern beschrieben habe, ausgewandert sind, oder sie sind direct durch die Wand der Gefässe in das Darmlumen gekommen. Beim Aal liegt nämlich das Netz der Schleimhautgefässe ganz direkt unter dem Epithel. Nur ein schmaler Gewebssaum, der wohl ‚grösstentheils nur durch die hier etwas verdickte Gefässwand ge- 662 Ludwig Edinger: bildet ist, trennt es von diesem. Die Consistenz dieses Saumes ist eine geringere, als die jedes anderen Theils der Capillarwandung. In fast jeder, auch der vorsichtigst ausgeführten Injectionen, fand er sich von der Masse durchbrochen und die blauen Streifen des löslichen Berlinerblau’s gingen an vielen Stellen zwischen den Epi- thelzellen in die Höhe. Beim Hecht und Karpfen, auch beim Näs- ling ist das System der Längswülste am höchsten entwickelt. Fächer- förmig sitzen den primären Schleimhautfalten zu beiden Seiten eine grosse Zahl von secundären und tertiären Längsfalten auf. Auf einem Querschnitte durch den contrahirten Oesophagus bieten die Räume zwischen diesen Falten ganz das Bild viel verzweigter tubu- löser Drüsen. (S. Abb.) Nicht ganz so hochgradig entwickelte Oberflächenvergrösserung zeigt der Oesophagus der übrigen Teleostier (z. B. Clupea harengus, Tinca vulgaris, Alburnus lucidus, Leuciscus rutilus, Gadus lota, Rhombus aculeatus, Gasterosteus pungitius etc.). Die Abbildung eines Durchschnittes durch den Oesophagus von Perca fluviatilis zeigt den geringsten Grad von Oberflächenvergrösse- rung, der bei einem Teleostier vorkommt. Er lässt sich durch zahlreiche Uebergangsformen bis zu dem complicirteren Bau des Hecht- und Karpfenoesophagus verfolgen. Nach Owen finden sich auch Papillen bei den Teleostiern; er sah sie bei: Box, Caesio, Stromataeus fiatola, Tetragnonurus und bei Rhombus xanthurus. Bei den vier letzteren sind sie hart und von fast zahnartiger Beschaffenheit. Das Epithel des Teleostieroesophagus wird von Cylinderzellen gebildet, zwischen denen in ungeheurer Zahl grosse Becherzellen oft mehrfach über einander geschichtet stehen. Eine Bildung von Querfalten im Oesophagus, wodurch dann wirklich nach allen Seiten abgeschlossene Crypten entstehen, habe ich nur bei Gobius niger gesehen !). Bei Gobius melanostomus, Blennius sanguinolentus, Cyprinus barbus, Cyprinus chrysophrasius und Atherina Boyeri mündet nach Rathke am Ende des Oesophagus (Vorderdarm?) der Gallengang. 1) Am Ende des Oesophagus von Mullus barbatus, des einzigen Teleostier- ösoph., welcher Plattenepithel trägt, finden sich auf eine kleine Stelle zu- sammengedrängt eine Anzahl schlauchförmiger Drüsen mit kurzem, körnig trübem Cylinderepithel. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 663 Die Verdauung muss bei diesen Thieren ganz unter Anwesenheit von Galle vor sich gehen (Rathke). Ueber den Oesophagus der Dipnoer liegen Angaben von Günther und Owen vor. ÜCeratodus hat, wie Ersterer angiebt, einen ganz glatten Oesophagus (nor folds or striae). Lepidosiren dagegen zeigt wieder die bekannten Längsfalten. Im Pharynxtheil scheinen auch auf einem Querwulst wirkliche Drüsen vorzukommen. Wenigstens spricht Owen von einer »narrow transverse fold minutely papillose and glandular. b) Der Magen. Kein Theil des ganzen Darmtractus zeigt durchgängig bei allen Familien der Fische so gleiche Verhältnisse im feineren Bau der Schleimhaut, als der Magen. Am Ende des Oesophagus treten die Längsfalten enger und enger zusammen und nehmen bedeutend an Anzahl zu, an Breite und Dicke ab. Dadurch, dass zwischen diesen schmalen Leisten hie und da Querfalten auftreten, entstehen lange, wenig breite Blindsäcke von bald grösserer, bald geringe- rer Tiefe. Ihre Epithelbedeckung entspricht ganz der des übrigen Oeso- phagus. Sehr rasch nimmt die Bildung der Querscheidewände an Menge zu und dadurch der Längsdurchmesser der Crypten mehr und mehr ab. Einen bis zwei Millimeter vom Beginn dieser Buchten- bildung an sind durch reichste Bildung von Querfalten zahlreiche kreisrunde Gruben entstanden, die nun auch schon das Epithel des Magens tragen (Stomach cells.). Ist das Epithel des Oeso- phagus ein Cylinderepithel, so geht es ganz allmählich in das Magen- epithel über. Dabei schwinden ziemlich plötzlich die bauchigen Becherzellen; Flimmerhaare, wo solche die Oesophagusschleimhaut überzogen hatten, gehen verloren. Es bleibt nur das lange schmale Cylinderepithel des Oesophagus, dessen Zellen sich von denen des Magens hier nicht mehr scharf trennen lassen. Die Labdrüsen schliessen sich an den Fundus der Crypten, deren Hervorgehen aus den Längsfalten des Oesophagus ich so eben geschildert, an. Diese Drüsen treten phylogenetisch zuerst in der Klasse der Fische auf, und zwar bei den Selachiern. Die ältesten Wirbel- thiere haben ebenso wie die Evertebraten noch keinen, eigens 664 Ludwig Edinger: zu den Zwecken der Verdauung bestimmter Körper (Eiweiss- stoffe ete.), differenzirten Darmabschnitt. Dem Amphioxus geht eben so, wie den Cyclostomen ein Magen in histologischem Sinne ab. Auch die Dipnoer scheinen ihn noch nicht alle zu besitzen. Der Magen von Ceratodus ist nach Owen »without Crypts or folds«. Ueber die »Magenschleimhaut« des Lepidosiren paradoxa ‘sagt Hyrtl: »Sie ist wie die Schleimhaut des übrigen Darmkanals äusserst dünn und schwarz tingirt. Von der Peritonealhaut wird sie durch ein kaum sichtbares Stratum von queren Muskelfasern getrennt. Sie besitzt keineSpur von Drüsenöffnungen oder Falten.« Nur Owen hat bei seinem Exemplar von Lepidosiren annectens die Reste zerstörter Labdrüsen gesehen. Es wäre nicht unmöglich, dass hier eine durch den Zustand des Präparates hervorgerufene Täuschung dem geübten Beobachter widerfahren wäre. Die Be- stimmtheit, mit der die beiden anderen Forscher das Fehlen auch der Spuren von Labdrüsen bei nahestehenden Arten behaupten, so- wie der von Owen selbt gerade an dieser Stelle hervorgehobene schlechte Zustand seines Materials, gestatten wohl diese Vermuthung zu äussern. Wahrscheinlich haben sich die Magensaftdrüsen in der Thier- reihe aus den gewöhnlichen Einstülpungen des Darmepithels, wie sie sich am. Ende des Oesophagus fanden und wie sie im Miittel- darm reichlich vorkommen, entwickelt. Dafür spricht auch ihre Ontogenese nicht nur bei den höhe- ren Wirbelthieren, wo sie durch die Arbeiten von Kölliker und in neuester Zeit durch Barth!) und Laskowsky?) gekannt ist, son- dern auch bei den niedriger stehenden, älteren Thieren. Für die Säugethiere, das Hühnchen und die Batrachier ist es nachgewiesen, dass das Epithel der Magendrüsen in der ersten Zeit überall ein gleichförmiges ist und erst später die im Fundus der Crypten gelegenen Zellen sich zu den Labzellen umwandeln. Bei einem Rochenembryo von 2 Cm. Länge fand ich das Drüsenepithel noch durchaus dem Epithel der Magenoberfläche gleich. Es bestand 1) Barth, Beitrag zur Entwicklung der Darmwand. LVIII d. Wiener Sitzungsberichte. II. Abtheilung. 2) Laskowsky, Ueber die Entwicklung der Magenwand. Ibid. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 665 aus cubischen, trüben, körnigen Zellen mit undeutlichem Kern. (Vergl. Abbildung.) Auch bei. den erwachsenen Selachiern ist die Form der Lab- zellen noch keine vom Magenepithel so ausgeprägt verschiedene, wie bei den Teleostiern. Sie sind nicht polygonal, sondern mehr cylindrischer Gestalt und zeigen fast alle noch deutlich den Fort- satz nach der Schleimhaut, welcher den Magenepithelien nie fehlt. Es ist nicht unmöglich, dass die ganze Magenschleimhaut des Embryo und der niederen Fische absondert, während später die Zellen, welche nicht in die Tiefe der Crypten gelangen, eine andere Function, jedenfalls eine andere Gestalt und anderes Aussehen annehmen. Es muss ja jedenfalls auch im Darme der niederen Fische und derjenigen höher stehenden, denen Labdrüsen abgehen, ein verdauender Saft abgesondert werden und welche Stelle dürften wir eher als diese Function erfüllend ansehen, als die, aus welcher ontogenetisch und phylogenetisch echte Verdauungsdrüsen hervor- gehen? Die Formen und die Anordnung der Magendrüsen variiren so wenig, dass die folgende Beschreibung im Wesentlichen für alle untersuchten Fische, die überhaupt Magendrüsen besitzen, gilt. Im Anfange des Fischmagens sind die Drüsenschläuche noch ziemlich kurz. Erst allmählich nehmen sie nach dem Fundus hin an Länge zu, um gegen das Magenende hin rasch wieder sich zu verkürzen. Oft sind noch weit vor der Gallengangmündung gar keine Labdrüsen mehr zu treffen (s. unten). Sie besitzen keine Membrana propria. Ihr Epithel liegt direkt dem Bindegewebe der Mucosa an. Dieses sendet, wie ich beim Hecht und einigen Rochen sehr deutlich sehe, feine kernhaltige Fasern zwischen die einzelnen Zellen der Drüse. Verzweigungen der Drüsenschläuche kommen selten vor. Häufig jedoch münden zwei oder drei in eine Grube des Magenepithels. Die Gefässanordnung hat Melnikow bei Lota vulgaris unter- sucht. Die Arterien gehen, nach Durchbohrung der Muscularis am schlauchförmigen Ende der Drüsen angelangt, sogleich in ein die Drüsen umspinnendes Capillarnetz über, aus dem, ebenfalls an der Basis der Magendrüsen, die Venen hervorkommen. Reiche Lymphgefässnetze, theilweise die Blutgefässe eng um- spinnend, wurden von Fohmann im Magen des Turbot und des Silurus glanis gefunden. 666 Ludwig Edinger: Das Epithel des Magens ist ein Cylinderepithel, das nie Flim- mern trägt. Die Zellen sind nach allen Seiten hin nackt. Von dem Vor- handensein einer besonderen Zellenmembran, neben der die Zellen unter einander verklebenden Kittsubstanz (s. u.) habe ich mich nie überzeugen können. Nach dem Magenlumen zu hat das Proto- plasma starke Neigung eine schleimig glasige Metamorphose ein- zugehen. Fast alle Zellen finden sich in dieser Weise an ihrem freien Rande modifieirt. Meist hat sich nur die oberflächlichste Protoplas- maschicht umgewandelt und ragt dann‘ aufgequollen halbkugel- förmig über das Niveau. Oft auch geht die Schleimmetamor- phose tiefer herab. So ist es besonders bei den Epithelzellen am Endtheil des Magens und im Zwischendarme der Selachier häufig zu einem Verbrauch sämmtlichen Protoplasmas gekommen. Die ganze Zelle ist zu einer schmalen, hellelänzenden Masse geworden, an deren Basis die letzten Protoplasmareste und der Kern liegen, letzterer eingebettet in einen Ausläufer, welcher dem Bindegewebe der Mucosa zuzieht. Alle Magenepithelien besitzen diese Ausläufer. Ihr feines Ende ist bis zum Bindegewebe der Schleimhaut zu verfolgen, in dessen Maschenzügen es sich verliert. Zu einer sicheren Anschauung über diese Endigungsweise der Magenepithelien bin ich nicht gekommen. An den Drüseneinstülpungen legen sich diese »Zellendfäden« dachziegelför- mig über- einander. So umgeben sie den oberen Theil einer jeden Drüse mit einer Art Membran, die aus einer Unzahl feiner Fädchen zusammengesetzt ist und die Drüse scharf nach aussen hin ab- grenzt. (S. Abbildung.) Der Zellkern ist längsoval, hell und zeigt mehrere Kern- körperchen. Das Offensein der Magenepithelien des Fischdarmes wurde zu- erst von E. Schulze!) erkannt, der sich an folgender Stelle auch über die mögliche physiologische Bedeutung dieses anatomischen Verhältnisses ausspricht: »Zweifelhaft kann es erscheinen, ob diese Zellen, welche die zwischen den Drüsenöfinungen befindlichen netz- förmig verbundenen Riffe der Magenschleimhaut überziehen und noch eine geringe Strecke in den Eingang der Drüsen sich fortsetzen, 1) Epithel- und Drüsenzellen. S. 175. . nr Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete: 667 wirklich zu den Becherzellen gerechnet werden dürfen, da trotz vieler Aehnlichkeiten eine so charakteristische Eigenthümlichkeit jener, die bauchige Theca und deren obere Verengung fehlt und auch da nicht vorhanden ist, wo sie nicht, wie gewöhnlich, alle neben ein- ander stehen, sondern durch Flimmerzellen getrennt sind. — Uebri- gens wird der Umstand, dass die Zellen, welche die Mageninnen- fläche überziehen, an ihrem freien Ende membranlos, dagegen mit einer ausgeschiedenen zähflüssigen Masse bedeckt sind, für die Auffas- sung sowohl von der im Magen vor sich gehenden Resorption, besonders von Flüssigkeiten, als auch von der auffallenden Immunität der Magen- schleimhaut gegen die verdauende Kraft des eigenen Drüsensecretes gewiss bedeutungsvoll werden. Man erwäge nur, dass nun nicht mehr von einer Osmose der Flüssigkeiten durch Zellenmembranen, sondern von einem direkten Uebergange in andere mehr oder minder flüssige Massen die Rede sein muss und dass diese als ein Secret aufzufassenden Massen eine ziemlich continuirliche Schicht über den Zellen bilden und so eine direkte Einwirkung des verdauenden Magen- saftes auf die Zellen selbst ausschliessen.« Die Epithelzellen werden durch eine helle Kittsubstanz unter- einander verbunden (Esox luc.), welche zwischen. ihnen aufsteigend am Lumen angekommen immer zu einem kleinen Kölbehen an- schwillt. Dieses ragt über das Niveau der Zellen empor und färbt sich ungemein leicht mit Anilinblau. Mit dieser Farbe tingirte Schnitte lassen die Endkölbehen der Kittsubstanz leicht zwischen den fast ungefärbten Schleimpfröpfen !) der Magenepithelien erkennen. Von der Fläche sieht man, dass die Kittsubstanz in schmalen glänzenden Ringen die Zellen umgiebt. Da wo mehrere Ringe zu- sammenstossen, erkennt man leicht die Endkölbehen als dunkle Punkte. Im drüsenfreien Vorderdarm von Syngnathus acus hat die Kittsubstanz eine bedeutende Mächtigkeit gewonnen. Dabei ist ihr Aussehen nicht mehr homogen, wie bei den anderen Fischen, son- dern deutlich fibrillär. Das Epithel der Labdrüsen wird nur von einer Zellart gebildet. 1) »Schleimpfröpfe« hat Biedermann die oberen schleimig degenerirten Theile der Magenepithelien genannt, welehe er am Froschmagen genau be- schreibt. Biedermann: Untersuchungen über das Magenepithel. Wiener Sitzungs- berichte LXXI. IH. Abth. 668 Ludwig Edinger: So viele Färbungen mit Anilinblau oder Carmin ich auch versucht habe, nie wollte es gelingen Differenzen, sei es in Färbung oder in Gestalt der Labzellen, zu erkennen. Nur an den in Ranviers diluirtem Alkohol macerirten Lab- drüsen von Perca fluv. fielen mir Grössendifferenzen auf, indem einige Zellen von bedeutenderer Dicke über die Grenzlinien der Blindsäcke hinausragten. Achnliches beschreibt Eilhard Schulze bei Silurus glanis, wo grosse Labzellen in Ausbuchtungen des Drüsenschlauches lagen. Die Labzellen der Fische sind ganz membranlos, von polygo- naler oder rundlich kugliger Gestalt und hie und da (bei Selachiern constant) mit einem nach dem Bindegewebe zu gerichteten Fortsatz versehen. Dieser Fortsatz entspricht ganz den oben geschilderten Zellendfäden, nur ist er viel kürzer. Wie diese legt er sich auch dachziegelföürmig über den der folgenden Zelle und so fort. Das Protoplasma der Zellen ist immer stark bräunlich granulirt. Der Kern wird erst durch Färbungen deutlich und zeigt sich dann öfter mit Kernkörperchen versehen. Zwei Kerne in einer Zelle sind nicht selten ; dann ist diese Zelle aber auch länger als alle übrigen, vielleicht aus dem Zusammenfliessen zweier neben einander liegender hervor- gegangen. Von Anilinblau werden die Zellen der Magendrüsen intensiv und alle gleichmässig gefärbt, ebenso von Carmin, jedoch erst nach längerer Einwirkung dieses Farbstoffes. Die Farbe der frischen Zelle ist ein leichtes Gelbbraun, hervorgerufen durch zahlreich eingelagerte Körnchen von dieser Farbe. Es ist wohl anzunehmen, dass diese Zellen den Magensaft secer- niren, da sie vollständig nach Lage, Gestalt und Reactionen den Zellen in den Drüsen höherer Thiere gleichen, bei denen die ver- dauende Kraft experimentell erprobt ist. Doch behalte ich mir eine Reihe physiologisch chemischer Angaben über die diesem sowohl, als anderen Theilen des Fischdarms zukommenden Secrete vor. Was das Verhältniss der Drüsenzellen zu den von Heiden- hain aufgestellten anatomisch-physiologischen Begriffen der Haupt- und Belegzellen angeht, so stimmen sie mit keinem der beiden voll- ständig überein, scheinen aber doch mit den letzteren grössere Ver- wandtschaft zu besitzen. Die Differenzirung von zwei Zellarten in den Labdrüsen selbst ist ein phylogenetisch viel später zu setzender Vorgang. Den Fischen A Pa re ee Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 669 fehlt noch derselbe; ob er bei den Batrachiern schon eingetreten ist, ist zweifelhaft. Heidenhain fand beim Frosche nur eine Zellart. Manchmal mochte es mir aber doch an gelungenen, in Anilinblau gefärbten Schnitten durch den Froschmagen scheinen, als fänden sich hellere und dunklere Zellen in demselben, ohne dass jedoch je der Färbungsunterschied so deutlich gefunden worden wäre, wie wir dies bei Säugethieren und Vögeln gewöhnt sind. In einem späteren Aufsatze über die Schleimhaut des Amphibien- und Repti- liendarmes soll auf diese Verhältnisse näher eingegangen werden. Magendrüsen kommen, wie bemerkt, nicht allen Arten der Fische zu. Sie treten, soweit unsere sichere Kenntniss reicht, zuerst bei den Selachiern auf (s. 0.) und finden sich hier überall ohne Aus- nahme. Auch die Ganoiden besitzen sie wohl sämmtlich. Unter diesen ist mir nur das Vorkommen beim Stör zweifelhaft. Leydig beschreibt nämlich als die Magendrüsen dieses Thieres kurze breite Crypten mit hellem Cylinderepithel. Die Abbildung, die er von sol- chen giebt, zeigt, dass sie in Nichts den Labdrüsen aller andern Fische gleichen, aber mit den unten zu beschreibenden Magendrüsen so grosse Aehnlichkeit haben, dass sie zu diesen. gerechnet werden müssen. Da auch F. E. Schulze, welcher den Störmagen unter- sucht hat, keine näheren Angaben brachte, so bleibt es ungewiss, ob nicht noch neben Leydigs »Magendrüsen« wirklich echte Lab- drüsen vorkommen, wie sie der Befund bei Polypterus (Leydig) und Lepidosteus annehmen lässt. Auch unter den Teleostiern sind mehrere, denen Magendrüsen ganz fehlen. So werden sie vermisst bei Cobitis fossilis, Gasterosteus pungitius, Tinca vulgaris, Abramis barbio, nach Rathke auch bei Blennius ocellatus und sanguinolentus, Gobius melanostomus, Cypri- nus chrysophrasius und Atherina Boyeri. Wahrscheinlich fehlen sie auch bei Balistes. Bei allen diesen findet sich ein einfaches, etwas kör- nig getrübtes Cylinderepithel ohne Becherzellen, in der vor der Gallengangmündung gelegenen Darmabtheilung. Ein solches Fehlen des speciell verdauenden Abschnitts ist jedenfalls, als durch regressive Vorgänge erlangt anzusehen. Von ganz nahe verwandten Arten kann die eine den Magen noch haben, während er der andern abgeht. So hat z. B. nach Rathke Gobius melanostomus keinen Magen, während bei Gobius ophiocephalus noch ein ganz kleiner Magentheil des Darmes da vorhanden ist, 670 Ludwig Edinger: wo Gobius batrachocephalus einen wirklichen Magen von relativ an- sehnlicher Grösse zeigt. Wenn nun die Abtheilung der Teleostier im Laufe der Stammesent- wicklung einen Magen erworben hat, so kann ein Fehlen desselben, bei einzelnen Arten aus einander ganz fernstehenden Familien nur als durch einen regressiven Vorgang erlangt, gedeutet werden, der in Anpassung an eine Aenderung der Nahrung verlief. Die Verdau- ung muss bei solchen Thieren theilweise durch ein Darmsecret verrichtet werden, wenn auch anzunehmen ist, dass das trüb körnige Epithel der geschilderten Vorderdarmstrecke einen Antheil an der Seeretion des Verdauungssaftes hat. Rathke hat in der That im Darme solcher Fische noch ganz unverdaute Nahrungsmittel gefunden. Nach dem Magenende zu werden die Einstülpungen des Schleim secernirenden Epithels tiefer und tiefer, während die Labdrüsen, welche sich an sie anschliessen, in demselben Verhältniss kürzer werden. Auf diese Weise sind bald zahlreiche, zum Theil ver- zweigste Krypten entstanden, alle mit dem Magenepithel ausgekleidet. Zwischen ihnen trifft man noch einige, denen ein kurzer Labzellen- anhang noch anklebt. Nach der Gestalt und dem Aussehen der Zellen, sowie nach ihren Reactionen auf Säuren und Farbstoffe können die Drüsen des Magenendes wohl für Schleimdrüsen erklärt werden. Ihre physiologische Function wird wohl die sein, den durch die Magenverdauung erzeugten Chymusbrei etwas zu verdünnen und härtere unverdauliche Körper (Sand, Krebsschalen, Gräten) mit schützender Decke zu überziehen. Oft findet man derartigen Darminhalt durch zähen Schleim zu einer Masse geballt, aus der keine verletzenden Spitzen mehr hervorschauen. Bei ihrer grossen Zartheit würde die Schleimhaut auch Insulten von Seite derartiger Körper nicht den geringsten Widerstand bieten können. Der Schleim gerinnt, sowie er in das Darmlumen tritt, zu einer derben überziehenden Schicht. Einzelne Fische haben derarartige Drüsen auch im Magenblindsack. Magenschleimdrüsen sind weit verbreitet unter den Fischen. Sie kommen zu: 1) Allen Selachiern, 2) den Ganoiden, besonders sind sie bei Lepidosteus schön ausgebildet, 3) einigen Teleostiern (nach Rathke bei Acanthopterus Lumpus, Cottus scorp. Gaste- rosteus u. A.) Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 671 Das Bindegewebe der Magenschleimhaut weist nur wenig Mus- culatur auf. Diese besteht aus glatten Fasern. Nuran dem Magen von Syngnathus und an dessen Oesophagus kommen querge- streifte Muskelfasern in der Schleimhaut vor. Sie bilden Längs- züge, welche einige nur aus wenig Fibrillen bestehende Bündelchen zur Höhe der Falten schicken. (S. Abb.) Anhäufungen von Lymphzellen kommen besonders gegen das Magenende zu vor. Hier liegt eine eirculäre Klappe (Valvula pylori), meist ganz durchsetzt von diesen Körperchen. Solitäre Follikel sollen nach Leydig den Fischen abgehen. Doch kommen am Magenausgang des Karpfen solche vor. Sie liegen im Bindegewebe der Mucosa, welches starke Circulärzüge um sie bildet. Anhangsweise mag noch hier am Schluss der Beschreibung der Magenschleimhaut der Befund von »Schaltstücken« (Rollett) in den Magendrüsen mancher Fische bemerkt werden. Bei den meisten Selachiern liegt da, wo das Magenepithel in den Einsenkungen aufhört, zwischen diesem und dem Labzellen- schlauche, ein kurzes Schaltstück, von kleinen Cylinderzellen gebildet, die kürzer und bedeutend schmäler, als die Magenepithelien sind. Ihre eng bei einander liegenden Kerne lassen an Querschnitten durch gefärbte Schleimhaut die ganze Zone der Schaltstücke als breiten, dunkler gefärbten Saum leicht erkennen. Andere Schaltstücke finden sich an derselben Stelle bei manchen Teleostiern. Bei Rhombus aculeatus sind sie zusammengesetzt aus ganz kleinen Cylinderzellen; so dünn und klein, dass man sie an unge- färbten Präparaten leicht übersieht und den Raum zwischen Magen- epithel und Labdrüse leicht als nur durch Schleimhautbindegewebe erfüllt ansieht. Sie umgeben den Hals der Labdrüse auf eine kurze Strecke. Die Ausstülpungen der Magenwand, der Magenblindsack und‘ zuweilen der Ductus pneumaticus zeigen wesentlich denselben Bau wie diese. Der Blindsack namentlich zeigt fast immer denselben Bau. Nur bei wenig Fischen (Zeus faber, Clupea harengus etc.) stimmt er mit der Beschaffenheit der Darmoberfläche (s. d.) überein. Es kann auch vorkommen, dass nur Schleimdrüsen sich in ihm finden. Ihre eng bei einander stehenden Gruppen, die als gelbliche Fleckchen durch die Schleimhaut hindurch schimmern, fielen schon 672 Ludwig Edinger: Rathke bei Uranoscopus scaber auf. Ueber den Bau des Magen- blindsacks finden sich in der Literatur fast keine Angaben. Wo ein Gang zur Schwimmblase führt, kann er sowohl vom Oesophagus (Amia), als von einer beliebigen Magenstelle bis zum äussersten Ende des Blindsacks hin ausgehen (Clupea). Bei Clupea harengus und Uranoscopus scaber ist seine innere Oberfläche in Längsfalten gelegt, die nach der Schwimmblase hin verstreichen. Bei dem ersteren Fisch berühren sich in dem engen Gang manch- mal zwei einander gegenüber liegende Falten, wachsen zusammen und theilen ihn so auf eine Strecke weit in zwei parallel verlaufende Canäle. Bei Uranoscopus scaber wird das Cylinderepithel des Magentheils in dem Gange immer niederer und flacher und geht zuletzt direct in das Epithel der inneren Schwimmblasenoberfläche über. 4. Die Appendices pyloricae. Die Appendices pyloricae sind Ausstülpungen der Schleimhaut, welche auch im feineren Bau ganz dieselben Verhältnisse wie jene zeigen. Die Serosa und die Muscularis unterscheiden sich nicht von den analogen Häuten des Darmes. Die Schleimhaut bildet durch ihre Falten ein zierliches enges Netzwerk, so dass zahlreiche, mehr oder weniger lange Crypten ge- bildet werden, die von der Mündung bis zum Fundus das gleiche Epithel zeigen. Entweder sind es einfache oder dichotomisch ge- theilte Schläuche, welche, wo sie enge sind, mit den Lieberkühn’- schen Crypten des Säugethierdarmes grosse Aehnlichkeit zeigen. „Durch die ganze Fischreihe hindurch, überall haben sie den glei- chen Bau. Das Epithel besteht aus hellen cylindrischen Zellen, meist von solcher Schmalheit und Kleinheit, wie es im ganzen Tractus nicht mehr angetroffen wird. Becherzellen kommen zwischen ihnen vor, können aber auch ganz fehlen. Nach dem Schlauchlumen zu liegt eine schmale, stark lichtbrechende Cuticula und über dieser erhebt sich ein Saum von Flimmern. Wo diese, wie es zuweilen vorkommt, unter einander verklebt sind, entsteht ganz das Bild, welches vom »porendurchzogenen Cuticularsaume« des Darmes so bekannt ist. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 673 Aber nie heben sich die Flimmerhaare, wie dieser, auf einer Basis gemeinsam ab und lassen die Zellen zurück. Ausserdem ist die Verklebung der Haare zu einer gestreiften Linie die seltene Aus- nahme, fast immer sind die Cilien mit einer keinen Zweifel an ihrer Flimmerhaarnatur lassenden Deutlichkeit von einander getrennt. Sehr deutlich ist der Flimmerbesatz der Zellen bei Rhombus acu- leatus, welche überhaupt grössere und leichter untersuchbare Epi- thelzellen hat, als die anderen untersuchten Fische; kaum sicht- bar, vielleicht ganz fehlend ist er in den 3 Appendices pyloricae des Barsches. Die Kerne stehen im oberen Drittel der Zellen. An Carminfärbungen erscheinen nur sie und ein kleiner körniger Haufen, der an der Zellbasis liegt, gefärbt. Die übrige Zelle ist nur ganz schwach geröthet. Bei Lepidosteus ist die Bindegewebsschicht zwischen den Schlauch- drüsen sehr mächtig; bei allen andern ziehen nur ganz schmale Streifen zwischen denselben hindurch }). Der Bau der Appendices pyloricae hat in der histologischen Literatur noch sehr wenig Berücksichtigung gefunden. Die einzige Abbildung eines vergrösserten Schnittes durch solche hat Owen gegeben. Es ist ein Schnitt durch die App. pyl. des Härings, der aber nur als Uebersichtsbild dienen kann und nicht über Form und Anordnung der Zellen etc. genauere Erkenntniss zulässt. Die sämmtlichen Lehrbücher der vergleichenden Anatomie halten die Blinddärme für dem Darme anhängende Absonderungs- organe. Dennoch findet sich keine Angabe, welche diese physio- logische Thätigkeit bewiese. Man hat lange einen Parallelismus zwischen ihnen und dem Pancreas gesucht uud auch zu finden ge- glaubt, derart, dass ein Pancreas da fehle, wo die App. pylor. vor- handen seien und umgekehrt bei denjenigen Fischen vorhanden sei, welche diese Darmanhänge nicht besitzen. Aber abgesehen davon, dass gerade die Fische, bei denen eine Bauchspeicheldrüse mit Sicher- heit gefunden wurde (Salmo salar, Clupea harengus, Gadus callarias, Perca fluviatilis, Acipenser sturio u. A.) reich entwickelte Appen- dices haben, spricht auch der mikroskopische Befund in diesen Oryp- ten wohl gegen eine secretorische Eigenschaft. 1) Die Angaben über die Appendices pyloricae stützen sich auf die Untersuchung folgender Arten: Lepidosteus, Rhombus aculeat., Perca fluv., Uranoscopus scaber, Dactyloptera volitans, Naucrates ductor, Scorpaena und Mullus barbatus, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13, 43 674 Ludwig Edinger: Von Secret wurde nie etwas in den App. pyl. ge- funden. Epithelzellen mit Flimmerbesatz wurden bislang noch nie aus einer Drüse des Verdauungstractus beschrieben. Ausser- dem sind die Zellen der Drüsen meist oder immer körnig von Secret getrübt (namentlich die Pancreaszellen), die Zellen der Append. pyl. sanz klar und hell. Nach diesen Befunden werden jedenfalls Zweifel an der allge- meinen Annahme, dass in den Blindsäcken ein Secretionsapparat vor- liege, berechtigt erscheinen. R Es ist sogar nicht unmöglich, dass sie dem Resorptionsapparate des Darmes angehören. Die zum KResorbiren geeigneten fiüssigen Producte der Magenverdauung werden dann sofort hinter dem Ma- sen von diesen Blindsäcken aufgesaugt. Die Enge der Mündung er- laubt den compacteren, noch nicht resorbirbaren Speisetheilen nicht den Zutritt. Diese wandern weiter in den Mitteldarm, der sich aussen durch seine Weite kaum von den Append. pyl. im Bau unterschei- det, um nach allmählichem Zerfall da resorbirt zu werden. Man könnte so die Appendices pylor. als eine hinter dem Ma- gen gelegene resorbirende Darmstelle auffassen, die sich in An- passung an die Nahrung, die das Thier zu sich nimmt, bald mehr bald weniger ausstülpt. Die Abhängigkeit der Bildung von Blindsäcken von der Art der aufgenommenen Nahrung steht in Einklang mit der Thatsache, dass bei einander ganz nahestehenden Arten der einen die Appen- dices fehlen, während sie bei der andern stark entwickelt sind. Ueber die Lymphapparate der Appendices pyloricae liegen eben- sowenig wie über ihre Blutgefässe Untersuchungen vor. 5. Der Mitteldarm. Der Absehnitt des Intestinaltractus, welcher vom Magenende bis zur Enddarmklappe führt, ist nicht immer in der histologischen Anordnung von dem vorhergehenden, wie von dem nachfolgenden Darmstück streng geschieden. (Magenlose Fische s. 0.) Bei vielen Teleostiern sind Enddarm und Mitteldarm ganz gleich gebaut. Der Darm der Cyclostomen zeigt eine grosse Anzahl niederer Längsfalten, die ihn von Anfang bis zu Ende parallel durchziehen. Sie bestehen aus einem zartfibrillären Bindegewebe in das an varia- Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 675 blen Stellen zahlreiche Lymphzellen eingebettet liegen und sind sehr reich an Blutgefässen. In eine dieser Längsfalten hat sich eine starke Arterie mit ihrer Vene (A. und V. intestinalis) eingelagert und bauscht sie so an ihrem freien Rande breit auf, während sie auf der Schleimhaut ebenso schmal aufsitzt, wie die andern. Dieser von den Blutgefässen und dem Faltengewebe (bei Ammocoetes auch von starken Lymph- zellenanhäufungen) hergestellte Längswulst durchzieht den ganzen Darm in einer sehr gestreckten Spiraltour. Er wurde zuerst von Rathke beschrieben und »Spiralklappe« genannt. Ueber ihn quer hinweg geht bei Petromyzon fluv. ein weitmaschiges Netz kleiner niederer Schleimhautbälkchen. Dies Netz mit den weiten flachen Crypten, die es zwischen seinen Maschen lässt, stellt das erste Auf- treten einer Formation (Vereinigung von Längsfalten und Querfalten zu Crypten) dar, deren höhere vervollkommnetere Grade uns in den »Lieberkühn’chen Crypten des Säugethierdarmes begegnen. (s. u.) Die Spiralklappe der Petromyzonten ist eine, durch den Verlauf der Blutgefässe bedingte Oberflächenvergrösserung der Darmschleim- haut, die morphologisch den anderen Längsrippen des Darmes ganz gleichwerthig ist. Bei Myxine ist die Darmwand noch ganz glatt, nur einige wenige niedrige Längsfältchen werden von J. Müller angegeben. Von der »Spiralklappe« der Petromyzonten fehlt jede Spur. Auch dem Ammocoetes fehlt noch die Faltenbildung im Mitteldarm. Hin- gegen ist bei ihm die Spiralfalte schon mächtig entwickelt. Der Darm der Petromyzonten wird von flimmerndem, oft in mehrfacher Schicht gelagertem Cylinderepithel überzogen. Becher- zellen finden sich (E. Schulze) keine darin. Bei Myxine fehlt die Flimmerung nach J. Müller. Von der Pylorusklappe bis zur Enddarmklappe zeigt der ganze Darm der Fische das gleiche Bild, das weiter unten zu schildernde Netz der Schleimhautfalten; nur bei den Selachiern wo sich eine An- zahl starker Schleimhautfalten zur Bildung der Spiralklappe vereint, hat das Darmstück vom Magen bis zur Klappe einen vom übrigen Darm differenten Drüsenbesatz. Es finden sich dicht an einander gedrängt weite kurze Blindsäcke, ausgekleidet mit einem Epithel, das dem Magenepithel gleicht; nur erlangen die Schleimpfröpfe der Zell- - mündung eine bedeutend grössere Mächtigkeit und ergiessen ihr Secret reichlich in den Darm. Es sind diese Blindsäcke die Fortsetzungen der Magenschleimdrüsen. Sie bedecken nicht immer die ganze Darm- 676 Ludwig Edinger: oberfläche, sondern es bleiben hie und da in der Längsrich- tung des Darmes verlaufende Stellen (Mustelus) frei von ihnen. Diese werden dann von zackigen Ausläufern desjenigen Theiles der Magenschleimhaut eingenommen, dessen Labdrüsen noch lange Schläuche sind. Mehr nach der Klappe zu wird das bislang helle Epithel etwas trüber, die Schleimpfröpfe kürzer und geringer, bis sie ganz verschwinden. Fast immer gehen die Querfalten zwischen den Schleimdrüsen verloren und es bleiben nur die Längsfalten der Mucosa, welche von da an über die Klappe hinweg den ganzen Darm durchziehen. Bei Mustelus fehlen den Epithelzellen dieser Darmstücke die (z. B. bei Torpedo aculeat. sehr deutlichen) Zellenfäden. Es bleiben so nur kurze breite Cylinder, deren untere Hälfte fast ganz von dem sehr grossen Kerne, der obere von dem schleimig Ange wandelten Zellprotoplasma erfüllt wird. Gegen das Ende des »Zwischendarms« tritt schon das Cylinder- epithel auf, welches die Spiralklappe bekleidet. Es sind lange schmale Zellen mit feinen Ausläufern nach der Schleimhaut hin und einem feingestrichelten Basalsaum nach dem Lumen. Flimmer- haare ragen bei einem grossen Theil dieser Zellen über den Saum, so namentlich in den vor der Klappe belegenen Partien und am Anfangstheil der Spiralklappe selbst!, Hie und da stehen schmalbauchige Becherzellen zwischen den Oylindern. Die Spiralklappe wird (Raja clavata) nur von der Mucosa constituirt. Weder Längs- noch Quermuskulatur des Darmes setzen sich in sie fort. Die Schleimhaut ist reich an glatten Muskelfasern. Starke Blutgefässe und weite endothelbedeckte Spalträume (Lymphbahnen ?) durchziehen sie. (Bei Seyllium canicula liegt immer zwischen zwei Längswülsten ein solcher Hohlraum). Das Bindegewebe der Mucosa ist reichlich von freien kleinen Rundzellen (Lymphkörperchen) durchsetzt. An einzelnen Stellen ist ihre Anhäufung sehr stark, man wird hier lebhaft an die Peyer- schen Plaques des Säugethierdarmes erinnert, denen diese Zellhaufen wohl auch homolog sind. Aus ihnen dringen massenhaft die kleinen Zellen herauf, durch das Bindegewebe hindurch, weiter zwischen den Leibern der Epithelzellen hindurch, frei in das Darmlu- men empor. So räthselhaft die physiologische Bedeutung dieses 1) Am deutlichsten zeigten Squatina angelus und ein Pristiurus die Flimmerung. ‘ Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 677 Vorganges ist, anatomisch lässt er sich ganz sicher constatiren. Man kann an Haematoxylin-Picrinsäure-Präparaten, wo die Zellleiber sich hellgelb färben, die Kerne und Lymphzellen aber dunkelbraun werden, letztere leicht an allen Stellen ihres Weges finden. An einem Präparat, wo der Darm sammt dem geronnenen Inhalt vor dem Schneiden in Glycerinleim eingegossen war, fanden sie sich auch frei im Darmlumen. Die glatte Muskulatur der Mucosa liegt, wenn man einen Querschnitt betrachtet, in der Mitte einer jeden Klappe. Zu beiden Seiten von ihr zieht sich ein eigenthümliches hellglänzendes Binde- gewebe hin, das sich sehr leicht mit Carmin imbibirt, wobei aber nie Kerne sichtbar werden. Dies Gewebe sendet Ausläufer sowohl in die Wülste der Schleimhaut, welche die Klappe überziehen, als namentlich reichliche zwischen die Muskelfasern, wo sie mit denen der anderen Seite ein Netzwerk bilden, in dessen Maschen die glatte Muskulatur und etwas Bindegewebe eingebettet sind. Sehr schön kann man sich dieses Netz deutlich machen, wenn man ein Präparat nur ganz kurze Zeit in Carminlösung verweilen lässt, es bleibt dann alles ungefärbt, bis auf das Netz, dessen rothe Maschen zierlich die hell gebliebenen Muskelbündel umfassen. Ein Querschnitt durch eine Klappe besteht demnach von oben nach unten aus: 1) Epithel; 2) Iymphoidem Bindegewebe, durchzo- gen von Ausläufern des 3) elastischen (?) Gewebes; 4) elastisches (?) Netz die Muskelbündel in sich bergend; 5) wieder elastisches Gewebe; 6) Iymphoides Bindegewebe und 7) Epithel der Unterfläche. Von der Fläche gesehen zeigt die Mucosa der Spiralklappe fast immer nur eng beisammen stehende Längswülste, die Fortsetzungen der Längsfalten des Zwischendarms. Bei Squatina angelus finden sich einige wenige querstehende Falten, so dass lange ovale Crypten entstehen. Durch Vorstülpungen der Wand in den Hohlraum werden dieselben oft getheilt, so kürzer und im Verhältniss zur Länge auch breiter. So entstehen zahlreiche Uebergangsformen bis zu ganz engen rundlichen Blindsäcken, je reichlicher die Ausbildung der Querfalten wird. Bei den Rochen scheint dies Verhältniss sich constant zu finden. So erstrecktsich (z.B.) bei Torpedo Galvani über die ganze Klappe ein sehr engmaschiges Netz hoher Schleimhanutfalten und die zwischen diesen liegenden Blindsäcke geben dieser Darmstelle ganz den An- 678 Ludwig Edinger: blick, den ein dicht von Lieberkühn’schen Crypten erfüllter Säuge- thierdarm bietet. Im freien Rande der Spiralklappe verlaufen die Arteria und Vena mesaraico-intestinalis (Owen). Sie giebt zahlreiche Aeste in das Bindegewebe der Falten (die Cryptenwand) ab. Im freien Klappenrand zieht auch ein varicöses Chylusreservoir dahin. Zu ihm treten eine Reihe kleinerer Lymphgefässe, die aus einem dicht unter der Mucosa gelegenen engen Lymphnetze stammen. (Owen.) Durch diese drei Gefässe ist der Klappenrand verdickt im Verhält- niss zur Klappe selbst. Die Unterfläche der Spiralklappe zeigt regel- mässig viel reichlichere Lymphzellenansammlungen und geringere Faltenbildung, als die Oberfläche. Die Oberflächenvergrösserung, welche im Darme der Selachier durch die Spiralklappe gegeben ist, dient, ihrem Bau und ihrer An- ordnung nach zu urtheilen, wahrscheinlich der Resorption. Die mit den Magensecreten und der Galle gemengten Nahrungsstoffe ge- langen vermischt mit dem Secret der Schleimdrüsen in den Klappen- darn, wo sie durch die Klappen am raschen Passiren gehemmt werden. Sie werden also stagniren, die Verdauung wird hier be- endigt und ihre Producte an Ort und Stelle sogleich resorbirt und den ausgedehnten Chylusiymphapparaten zugeführt. Nur der Klappendarm kann bei den Selachiern die Resorptions- stätte sein, da in allen vorhergehenden Darmabschnitten die Epi- thelien nach dem Lumen zu von dem Schleimpfropfe erfüllt werden. In diesem fand sich nie auch nur (das kleinste Speisetheilchen. Immer ist er ganz klar und homogen. Eine Trübung durch aufgenommene Stoffe würde in der glashellen Zellenreihe nicht zu übersehen sein. Das Vorhandensein der Spiralklappe bei den Selachiern und Dipnoern, sowie der Umstand, dass sie schon bei den Ganoiden zu schwinden beginnt und den Teleostiern ganz fehlt, steht vielleicht im Zusammenhang mit der zunehmenden Länge des Mitteldarms, je höher man in der Wirbelthierreihe aufsteigt. Doch ist jedenfalls auch das Volumen des Thieres auf die Grösse der Oberfläche, von der aus es ernährt werden soll, von Einfluss. Bei den Cyclostomen verläuft der Darm noch windungslos durch die Bauchhöhle. Im Verhältniss zur Körpergrösse wenig länger als bei ihnen, ist der Darm der Selachier. Ein so kurzes Rohr erlaubt den Spei- sen nicht die zu ihrer völligen Resorption nöthige Dauer des Verweilens im Darme. Soll sie geschehen, so kann es nur durch eine Vergrösse- Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 679 rung der resorbirenden Oberfläche, die zugleich dem Fortrücken des Chymus ein mechanisches Hinderniss bietet, erreicht werden. Dies Verhältniss liegt bei den Selachiern vor. Mit der zunehmenden Darmlänge bei höher stehenden Ordnungen, werden solche Apparate mehr und mehr überflüssig und verschwinden wieder. Nur noch hie und da unter den Teleostiern weist eine gesteigerte Faltenbildung im Darme auf ein. ähnliches Missverhältniss zwischen Darmlänge und Masse des zu ernährenden Thieres hin. Doch kommt es nie wieder zur Differenzirung eines so vollkommenen Resorptionsappara- tes, wie die Spiralklappe einer ist. Die Spiralklappe im Darme der Dipnoer durchzieht bei Cera- todus nach Günther den ganzen Mittel- und Enddarm (?). Quere - Schleimhautfalten gehen darüber hin. Im Darme finden sich zahl- reiche Gebilde, die Günther den Lymphfollikeln zurechnet. Er gibt ausdrücklich an, dass sie auf der Klappe grösser und mächtiger seien. Auch Lepidosiren annectens hat eine Spiralklappe. Die Schleimhaut des Mitteldarmes zeigt (Owen) honigwabenartige Ver- tiefungen. Zweifelhaft ist, ob eigentliche Drüsen darin vorkommen. Owen spricht von einer »glandular structure similar to that of the sturgeon«. Doch meint er wohl nur die Crypten zwischen dem Schleimhaut- netz. Den Darm von Lepidosiren annectens schildert Hyrtl: »Unter dem Pylorus zeigt die Schleimhaut einen halben Zoll weit eine äusserst subtile, mit freiem Auge kaum unterscheidbare Netzbildung, an welche sich quere, sehr nahe gerückte niedrige, aber die ganze Peripherie des Darmrohres umgreifende Fältchen an- schliessen. Grössere Falten oder Zotten finden sich nirgends. Am Insertionsrande der Spiralklappe kommen über ihm schon in der ersten Windung merkwürdige scharf begrenzte eiförmige oder runde, 2—4 Linien im Durchmesser haltende, 1—2 Linien tiefe Gruben vor, deren ich 14 zählte.« »Der scharfe Schleimhautrand, der jede einzelne umsgiebt, sticht durch seine gelbliche Färbung gegen die übrige durchaus schwarz pigmentirte Schleimhaut grell ab. Sie liegen so nahe bei einander, dass sie nur durch eine schmale ebenfalls pigmentlose Schleimhautbrücke getrennt werden. Ihr Grund ist mit dicht stehen- den Zotten besetzt, welche bei den grösseren eine Art Pinsel bilden, der in die Höhle des Darmes hervorsteht. Ich habe keine Vor- stellung über diese mit Nichts in der Thierwelt verwandten Gebilde. 680 Ludwig Edinger: Sie für Absorptionsapparate zu halten, wofür ihre Form zu sprechen scheint, ist eine Vermuthung, die schwer zu beweisen ist.« Im Mitteldarm der Ganoiden lässt sich ebenfalls ein vorderer, klappenfreier und ein hinterer, die Spiralklappe enthaltender Theil unterscheiden. Der vordere, den ich der Kürze wegen oben als Zwischendarm bezeichnet habe, enthält bei Lepidosteus die runden, öfters verzweig- ten Blindsäcke der Schleimdrüsen, welche auch hier aus den Ma- sendrüsen durch allmähliches Schwinden des Labzellentheils und Auswachsen der Schleimzellentheile entstanden sind. Auch für Polypterus giebt Leydig derartige Blindsäcke an dieser Stelle an. Doch hält er sie für Analoga der Lieberkühn’schen Crypten. Auf der Spiralklappe des Lepidosteus liegt ein Maschenwerk von Schleimhautfalten, dessen feineren Bau ich bei meinem Exemplare leider nicht mehr untersuchen konnte. Dieselbe gitterartige Oberfläche hat die Spiralklappe des Störes. Das Epithel ist hier ein Cylinderepithel mit deutlichem »Porenkanal- saum« (F. E. Schulze). Zwischen ihm finden sich zahlreiche lang- gestreckte Becherzellen. Eine Spiralklappe findet sich nach J. Müller bei Lepidosteus, Polypterus, Acipenser und nach Wagner auch bei den Spatularien. Nur der spiralige Verlauf und eine leichte Grössendifferenz unterscheiden noch bei Lepidosteus die letzten Reste eines bei den Selachiern so mächtig ausgebildeten Organes von den gewöhnlichen Schleimhautfalten des Darmes. Die Muscularis geht nicht in sie ein. In den grösseren Falten, sowie in den als Spiralklappen aufzu- fassenden findet sich in der Submucosa ein weiter, nur von den frei in ihm liegenden Blutgefässen durchzogener Hohlraum, vielleicht . ein Reservoir des Chylus. Die hochgradigste Ausbildung des von den Schleimhauttrabekeln gebildeten Netzes zeigt der Darm der Teleostier. Die Längsfalten, durch deren Ausstülpungen und Verzweigungen dies Netz entstanden, lassen sich in den meisten Fällen noch deutlich unterscheiden. Sie schliesen sich an die Septa zwischen den Magendrüsen an, durch- ziehen vom Pylorus bis zum After den ganzen Darm und gehen in alle Ausstülpungen desselben (Appendices pyloricae, Blindsäcke am Mitteldarmende) hinein. Eine erheblichere Oberflächenvergrösserung tritt da ein, wo diese Längsfalten in Windungen, oder in Zickzack- linien zu verlaufen beginnen, oder auch lange Ausläufer aussenden, Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 681 welche, die Furche zwischen den Falten durchziehend, mit dem gegen- überliegenden Wulst sich verbinden. So entsteht ein weitmaschiges Netz, das lange schmale Crypten zwischen sich einschliesst. Eine vermehrte Bildung der Querfalten wird diese Räume immer mehr im Längsdurchmesser verkleinern und schliesslich zur Bildung von einfachen Schläuchen führen, bei denen alle Diameter gleich und nur vom Tiefendurchmesser verschieden sind. (Schlauchförmige Crypten mit ovaler bis kreisrunder Oeffnung und Lieberkühn’sche Drüsen des Säugethierdarmes.) Alle Uebergangsformen von der Längsrinne des Darmes bis zu diesen finden sich leicht im Teleostier- darme. Zur Veranschaulichung dieser Verhältnisse sind Flächen- schnitte durch die Mucosa des Hecht- oder Karpfendarmes zu em- pfehlen, oder auch nur die einfache Betrachtung der Darmober- fläche dieser Fische. Ansätze zur Bildung von Querfalten, welche aber die gegenüber liegende Längsfalte noch nicht erreicht haben, wird man selten im Darme derselben vermissen. Das Bild, welches auf diese Weise die Oberfläche der Darmschleimhaut bietet, ist das eines mehr weniger weitmaschigen Netzes. Die Gestalt der Maschen ist für die einzelnen Arten nicht immer constant und variürt wohl auch nach dem Alter der Individuen. Eine Beschreibung derselben für alle untersuchten Arten würde daher von nur zweifelhaftem Werthe sein. Am reichlichsten ist die Faltenbildung bei den meisten Cyprinoiden, bei Gadus lota und Gonostoma denudatum. Die engen Maschen dieses Netzes be- grenzen einfache Blindschläuche, die manchmal durch vom Fundus her emporwachsende secundäre Schleimhautfalten eine Strecke weit getheilt werden, so dass einer Mündungsstelle zwei oder drei blinde Enden anhängen können. Auch unter den Teleostiern finden sich aber hie und da noch Anlehnungen an das alte, noch bei den Cyclostomen und den meisten Selachiern vorhandene System der reinen Längsfalten ohne Orypten- bildung. So treten z. B. die Schleimhautwälle von Pleuroneetes solea unter einander nicht in Querverbindung. Sie verlaufen im Zickzack durch den ganzen Darm und ähnliche Anordnungen finden sich nach Rathke bei: Atherina Boyeri, Cyprinus chrysophrasius, Cypr. barbus, Syngnathus variegatus und argentosus und bei Gobius batrachocephalus. Zottenartige Auswüchse der Darmschleimhaut sind, wie über- haupt unter den Fischen, so auch bei den Teleostiern selten. (Auf 682 Ludwig Edinger: der Klappe der Selachier, im Darme des Balistes und der Pleuronec- tiden, namentlich lang im Enddarm von Rhombus aculeatus etc.) Sie haben ganz denselben Bau wie die übrigen Theile der Falten, aus denen sie auch durch mannigfache Uebergangsformen hervorgehen. Bei einigen Fischen ist (Rathke) der Rand der Schleimhaut- falten gekräuselt und vielfach ausgeschnitten, so bei Corvina nigra und Gobius melanostomus, ebenso bei Balistes. Bei Crenilabrus fuseus und Cr. perspicillatus sind die so entstehenden Zacken mächtig ausgebildet und ragen zungenförmig in den Darm. »Ganz für sich aber dastehend, nämlich nicht auf Längs- oder Querfalten aufsitzend, kommen im Afterdarme des Sargus annularis dreieckige, breite meistens zugespitzte, dicke und dicht gedrängte, zottenartige Vorsprünge vor, von denen einige mit ihrer breiten Basis nach der Länge, andere nach der Quere des Darmes gestellt sind.« Sie sind wohl ebenfalls durch tiefgehende Spaltung der Cryptenwände ent- standen. »Sehr zarte und meistens zungenförmige Zotten sind aus der ziemlich glatten Oberfläche der Schleimhaut beinahe in dem ganzen Darme des Mugil cephalus hervorgewachsen. Bei Cyprinus barbus dagegen, bei welchem Fische Cuvier Zotten gesehen haben will, habe ich dieselben ebensowenig, wie Meckel gefunden.« (Rathke.) . Die Darmschleimhaut wird zusammengesetzt vom Bindegewebe mit seinen Gefässen und Lymphapparaten und vom Epithel. Das Bindegewebe ist im eigentlichen Stroma der Schleimhaut ziemlich derb und häufig von glatter Musculatur durchzogen. Da, wo es zwischen den Crypten aufsteigt, wird es viel zarter und feinfaseriger. Es wird durchzogen von weiten Lymphbahnen und den Blutgefässen. Wo, wie z. B. beim Karpfen, Hecht und Chondrostoma nasus, die Bildung der Crypten eine sehr reichliche geworden, sind die Scheidewände derselben nur von geringer Dicke. In der Mitte dieser Scheidewände verläuft das feine Netz der Blutgefässe. Dieses liegt frei in einem Hohlraume, der nach allen Richtungen von zarten Bindesubstanzfäserchen durchzogen ist. In diesem die Gefässe um- spinnenden Netzwerk sind zahlreiche freie Rundzellen (Lymphkörper- chen) gelagert. Da durch Einstichinjectionen bei Karpfen dieser Raum öfter gefüllt wurde, da ferner das Vorkommen von Blutge- fässen, welche ganz in der eben geschilderten Art von Lympgefässen umgeben sind, für die Fische beschrieben ist (Mesenterium von Trigla Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 683 hirundo nach Leydig, Blutgefässe der Magenwand nach Fohmann und Owen), so liegt die Annahme nahe, dass man es hier mit einem wandungslosen Lymphraume in der Cryptenscheidewand zu thun habe. Macht man durch die Mucosa eines Karpfendarmes, bei dem man zuvor eine Einstichinjection (Berlinerblau) unter die Serosa ausgeführt hat, Flächenschnitte, so liegen die Ringe, welche das quer- getroffene Cryptenepithel bildet, ganz in die blaue Injectionsmasse eingebettet. Diese ist überall zwischen und um die capillären Blut- gefässe vorgedrungen. Zahlreiche freie Rundzellen liegen noch ausser den Gefäss-Quer- und Längsschnitten in ihrem Gebiet. Die Blutgefässe des Darmkanals hat Melnikow bei Gadus lota untersucht, wo sie ein reiches Capillarnetz in den Septen bilden. Die kammartigen Auswüchse der Septen nach dem Lumen zu (Zotten) zeigen ganz besonderen Gefässreichthum. Beim Hecht, Karpfen und Aal durchbohren die Arterien senkrecht die Musecularis, geben an diese und die Submucosa circulär fast um den ganzen Darm ver- laufende Aeste ab und steigen dann in der Wand der Septa auf, wo sie sich in ein enges Netz von Capillaren auflösen, welches auf die oben beschriebene Weise in das Iymphoide Gewebe eingebettet ist. Ueber Blutgefässe und Iymphoides Netz zieht beim Hecht, Karpfen und Näsling eine Schicht ganz kleiner, platter Zellen mit rundlichen Kernen, die halbkugelförmig über das Niveau der Zellen hinwegragen. Färbungen mit Haematoxylin und Pikrinsäure lassen diese zwischen Darmepithel und Bindegewebe liegende Kernlage an feinen Schnitten fast immer erkennen. Die Zellen sind viel schwerer zu sehen. Silberfärbungen und Flächenbilder, den mit der oben ge- nannten Doppeltinetion behandelten Präparaten entnommen, zeigen aber auch ihr.Vorhandensein deutlich an. Sie sind flache polygonale oder rundliche Plättchen, die das feine Netz der Bindegewebsbälk- chen bedecken. Ob sie mit der von Debove!) beschriebenen »couche endoth£liale sous-epitheliale« identisch sind, bleibt dahingestellt. Eine Verwechselung mit den Abdrücken einer Epithelzellenbasis ist nicht anzunehmen, da 1) die Epithelzellen des Fischdarmes keine breite Basis haben (s. unten) und 2) die Kerne der platten Zellen auch 1) M. Debove: Memoire sur la couche endotheliale sous-epitheliale des membranes muqueuses. Journal de physiol. normale et pathologique 1874; siehe auch: Travaux du laboratoire d’histologie publies par Ranvier, Paris 1874. 684 Ludwig Edinger: auf Querschnitten so deutlich sind, dass ich erst durch sie zur Un- tersuchung der Fiächenbilder geführt wurde. Das Epithel des Teleostierdarmes ist ein Cylinderepithel. Die Zellen sind von ansehnlicher Grösse und konischer Gestalt !). Das schmale Ende des Conus läuft in den langen Zellenfaden aus. Dieser lässt sich bis an das Iymphoide Bindegewebe verfolgen; ob er sich in diesem auflöst, also die Schicht der platten Zellen durchbohrt, oder nicht, darüber konnte ich mir noch nicht völlige Klarheit ver- schaffen. Einzelne Präparate durch Isolirungsmethoden gewonnen, scheinen für ein wirkliches Eingehen des Zellendfadens in das Iym- phoide Netz zu sprechen (s. Abb.). An der Preitseite des Zellkegels liegt, wie dies auch E. Schulze beschreibt, der gestrichelte Poren- kanalsaum, nach dem Lumen von einer scharfen, stark lichtbrechen- den Linie begrenzt. Ueber diese hinaus ragen an einzelnen Darm- stellen mehr, an andern weniger, kurze dicke Fortsätze des Zell- protoplasmas ganz so, wie sie v. Thanhoffer neuerdings auch beim Frosch beschrieben hat ?). Der Porenkanalsaum bildet einen Ring um die Zelle, in dessen Lumen das Protoplasma frei liegt. Von diesem freien Protoplasma sehen die betreffenden Fortsätze aus. Vielleicht sind sie während der Verdauung in constanter Be- wegung. Thanhoffer sah sie beim Froseh fortwährend einge- zogen und ausgestreckt werden, so dass sie ganz analog den Pseudo- podien vieler nackter Zellen, durch Protoplasmabewegung die Nah- rungsstoffe aufnehmen. Beim Aal, Hecht, Karpfen, Näsling, Schleie und Barsch konnte ich diese Fortsätze nicht selten beobachten, doch ist es mir noch nicht gelungen, ihre Bewegungen zu sehen. Daran mag wohl auch die Schwierigkeit einer am lebenden Fisch anzustellenden Beobachtung mit Schuld sein. Curara, das allein (in grösseren Dosen) eine theilweise Ruhig- stellung des Thieres zu ermöglichen vermag, lähmt die Kiemen- respiration. Die Beobachtung ausserhalb des Wassers wird rasch 1) Clupea harengus zeigt mehr cubische Zellen, doch war das von mir untersuchte Exemplar nicht so gut erhalten, als es zur Sicherstellung solcher Angaben wünschenswerth wäre. 2) v. Thanhoffer: Beiträge zur Fettresorption und histologischen Structur der Dünndarmzotten, Pflüger’s Archiv VIII. Bd. S. 391. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 685 tödlich, auch wenn ein constanter Wasserstrom durch die Kiemen geleitet wird. Vielleicht erlauben bessere Hülfsmethoden einen Ein- blick in dies interessante Verhältniss und führen zur Beantwortung der Frage, ob die Zelle selbst activ an der Resorption betheiligt ist. Als Versuchsobject wäre wohl der Aal am meisten zu empfeh- len, da er allein von den bei uns lebenden Fischen lange ausser Wasser leben kann. Allein gerade ihn zu fixiren ist bekanntlich sehr schwer. Auch die Schleie hält die zum Versuch nothwendigen Anordnungen kurze Zeit aus. Das Zellprotoplasma ist von einer Membran umgeben, dessen Verdickung den »Porenkanalsaum« darstellt. Der Zellendfaden ist eine von der Zellmembran gebildete Röhre, die an einzelnen Stellen, da, wo ein Kern oder Häufchen Protoplasma liegt, bauschige Er- weiterungen zeigt. Die Kerne sind oval und enthalten mehrere Kernkörperchen. Zellen mit zwei Kernen kommen vor. Zwischen den Zellenfäden liegen massenhaft freie Lymphzellen, vielleicht (s. oben) aus dem darunter liegenden Gewebe ausgewandert. Im Darme einiger Teleostier kommen Flimmerzellen vor. Sie sind wohl als die Reste einer Zellart aufzufassen, die früher den Darm bekleidete (niedere Thiere, Amphioxus, Embryonen mancher höheren Thiere !) und sich nach und nach bei den Cyclostomen, im Verderdarm der Selachier und Ganoiden, sowie in den Appendices pyloricae erhalten hat. Flimmerepithel findet sich im Darme von: Rhombus aculeatus, Syngnathus acus (Sphagebranchus imberbis und Muraena helena; Kölliker). Ausserdem tragen die Zellen um die Mündungen der Appendices pyloricae herum sehr häufig Flimmern. Zwischen den Epithelzellen stehen zahlreiche Becherzellen, die wahrscheinlich aus ihnen entstanden sind. Es finden sich häufig Zellformen, die sich als Uebergangsstadien auffassen lassen, sowohl am lebenden, als am Osmiumpräparat. An diesen ist ein mehr oder weniger grosser Abschnitt einer gewöhnlichen Epithelzelle durch die Schleimmetamorphose glasig durchscheinend geworden und gequollen. Alle Theile der Cylinderzellen finden sich an den Becherzellen wieder. Der verdickte Zellrand lässt nur noch selten die feine 1) In dieser Hinsicht interessant ist die Mittheilung von E. Neumann (Arch. f. m. A. XII. Bd.), dass sich in einzelnen Crypten des Pharynx auch beim menschlichen Foetus noch Flimmerepithel findet. 686 Ludwig Edinger: Strichelung erkennen, aber das veränderte Protoplasma sendet nicht mehr über ihn die feinen Fortsätze aus. Auch kommen bei den von mir untersuchten Fischen keine Flimmern auf Becherzellen vor. Ebensowenig haben E. Schulze oder Leydig solche an dieser Stelle gesehen. Nur Kölliker!) bildet eine Becherzelle mit unter einander verklebten Flimmerhaaren ab. Der Kern der Becherzellen ist nicht immer sichtbar. Meist liegt er am Boden des Bechers, im Anfahge des Zellenfadens, noch umgeben von einem kleinen Häufchen normal gebliebenen Protoplasmas. Das Verhalten des Zellenfadens ist ganz wie bei den Cylinderzellen. Mit Rücksicht auf die beobachteten Uebergangsformen stehe ich nicht an, die Becherzellen für Abkömmlinge des gewöhnlichen Darmepithels zu halten, aus dem sie sowohl physiologisch intra vitam, als auch post mortem entstehen können, wie ihr Befund an der lebenden Schleimhaut und das rasche Zunehmen ihrer Zahl im herausgenommenen Darme zeigen. Es läge demnach eine Arbeits- theilung anfänglich gleichartiger Zellen (beim Embryo finden sich keine Becherzellen) vor, indem die Becherzellen die Absonderung einer schleimigen Substanz übernommen haben, die Cylinderzellen nach der Mehrzahl der über sie vorliegenden Untersuchungen der Resorption dienen. Den Zellenfaden der Becherzellen sehe ich dem- gemäss nur als rudimentären Zelltheil an, der nur noch der Be- festigung und Stütze bei diesen dient, während er bei den Cylinder- zellen nach Heidenhain u. A. der Anfangstheil der Chylusbahn ist. Vielleicht tritt in ihm auch ein feiner Faden eines Secretions- - nerven zur Becherzelle. E. Schulze sah im Oesophagus des Störes einmal ein feines varicöses Nervenfäserchen zu Becherzellen treten. Ebenso sah ich selbst einmal ein feinstes varicöses Fäserchen aus dem Bindegewebe zum Boden des Bechers ziehen. Axel Key?) spricht, von ähn- lichen Befunden ausgehend, die Becherzellen sogar für wirkliche End- apparate von Nerven an. Er hat die Ausläufer in das Bindege- webe gesehen und in diesem reichliche Nervenfasern gefunden, von denen ein Theil marklos geworden, diesen Ausläufern zuzieht. Einen direkten Zusammenhang von Becherzelle und Nerv hat er allerdings nie constatirt. 1) Verhandl. der physikal. med. Gesellschaft zu Würzburg. VII. Bd. 2) Axel Key in einer Anmerkung zu: Oedmansson, Studier öfver epitheliernas byggnad, Utrag ur bref. meddelalt. af prof. E. A. Key. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 687 Anhang. Der Mitteldarm von Cobitis fossilis. Von einem einzigen Fische wird behauptet, dass ihm jegliches Epithel im Mitteldarm abgehe; es ist Cobitis fossilis, den Leydig zum erstenmale untersucht hat. Er fand den Vorderdarm ganz drüsenfrei, mit Cylinderepithel bedeckt. Mitteldarm und Enddarm entbehrten desselben. Massen- hafte Capillarschichten traten hier frei aus der Schleimhaut zur Oberfläche. Jede Spur von Drüsen fehlte. Die ganze Mucosa be- stand vielmehr nur aus Capillaren, die durch eine dünne homogene Grundsubstanz zusammengehalten wurden. Es ist mir nur ein einziges lebendes Exemplar dieses interes- santen Fisches zugänglich gewesen und kann ich Leydigs Angaben nur bestätigen. Vom Intestinaltractus habe ich einige Stücke lebend frisch, andere in Osmiumsäure oder in Alkohol gehärtet untersucht. Des hohen Interesses wegen, welches das bisher nur von Wenigen untersuchte Thier bildet, sei es mir vergönnt auf eine Schilderung des mikroskopischen Befundes genauer einzugehen, als dies bei anderen Fischen geschehen konnte. Das Netz der niedrigen Schleimhautfalten des Vorderdarmes ist mit einem körnig getrübten, sehr leicht abfallenden Cylinder- epithel bedeckt. Schon während des Lebens kann diese Entblössung der Mucosa theilweise vor sich gehen. Man findet nämlich nicht selten das noch fest zusammenhängende Cryptenepithel im Darminhalt an Stellen des Mitteldarmes, wo gar keine Crypten vorkommen. Dahin muss es während des Lebens gekommen sein, da die betreffenden Darmstücke direkt aus dem sterbenden Thiere in die Erhärtungsflüssigkeit geworfen wurden, ein Transport von Ingestis also postmortal nicht mehr stattfinden konnte. Magendrüsen sind nicht vorhanden. Im Epithel nur wenige Becherzellen. Gegen Ende des Vorderdarms werden die Wälle niedriger, das Epithel findet sich nur noch in einigen wenigen Crypten und schwindet endlich ganz!). Dafür wird jetzt das Capillarnetz 1) Sollten hier nicht doch .Verhältnisse vorliegen, wie sie der Epithel- bedeckung der Lunge entsprechen und die dünnen Platten eines Epithels auf 688 Ludwig Edinger: der Schleimhaut stärker. Zahlreiche Gefässschlingen erheben sich über das Niveau derselben, frei in den Darm hinein. Ihr Lumen ist nicht so weit, als die grösste Dicke der Blutkörperchen beträgt. Man findet die letzteren desshalb in verschiedenen, durch Zusammen- drücken hervorgebrachten Formen. (Wurstform , Bisquitform etc.) Die sehr dünne Capillarwandung scheint homogen zu sein. Leydig hat diese Gefässanordnung als der Athmung dienend aufgefasst, und jedenfalls ist die reiche Entfaltung freiliegender Capillaren bei dem be- kanntlich Luft massenhaft verschluckenden Thiere damit in Verbin- dung zu bringen. Ausser Luftblasen erfüllen noch dünnflüssige Ingesta den Darm und die Möglichkeit einer Diffusion der gelösten Nahrungs- stoffe direkt in das Blut ist nicht ausgeschlossen, umsomehr, da die- selben unter dem Druck der gewaltsam verschluckten Luft stehen. Dass dieser Druck kein unbedeutender ist, zeigt sowohl die pralle Spannung des lufterfüllten Darmes, als das pfeifende Geräusch, das entsteht, wenn die Luft durch den After entweicht. Andrerseits ist der Blutdruck im Capillarsystem ein sehr geringer. Eine Resorption durch die Gefässwand selbst anzunehmen hätte also, sowohl nach der Darlegung dieser Druckdifferenzen, als nach dem, was sonst über die Resorption direkt von Capillaren aus be- kannt ist (Lunge etc.), keine allzugrosse Schwierigkeit. Dem Cobitis würde also ein zwischen Blutbahn und Darm stehendes Chylussystem abgehen. Wenn wirerwägen, in welch’ inniger Beziehung Blut- und Chylusbahn auch bei den übrigen Teleostiern stehen, so ergiebt sich leicht der Weg, auf dem eine derartige Differenzirung vor sich gehen konnte. 6. Enddarm. Der Enddarm ist bei fast allen Fischen durch einen klappen- förmigen Schleimhautring vom Mitteldarm getrennt. Ueber diesen Ring hinweg setzt sich die Beschaffenheit der Schleimhaut des letzteren noch eine Strecke weit fort. Bei Petromyzon fluv. werden die kleinen niedrigen Längsfalten, welche aus den stärkeren des Oesophagus hervorgegangen sind, im Querschnitten nicht sichtbar sein? Das einzige Exemplar, das ich erhielt, war durch einen Injectionsversuch zur Silberbehandlung untauglich geworden. Doch soll diese, sowie ich neue Exemplare erhalte, angewandt werden. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 689 Enddarme wieder dicker und stärker. Sie durchziehen ihn als an- sehnliche Wülste bis zur Cloake. Die Darmschleimhaut der’ Selachier verliert kurz hinter der Klappe ihre zart längsgestreifte oder reti- euläre Beschaffenheit, welche sie durch den Klappendarm bewahrt hatte. Starke Längsfalten, ganz gleich denen des Oesophagus, durch- ziehen den Enddarm. Das Cylinderepithel schwindet und wird durch ein vielgeschichtetes Plattenepithel, zwischen dessen Elementen Becherzellen gefunden werden, ersetzt. Der Enddarm der Ganoiden (Lepidosteus) und der Teleostier zeigt eine vom Mitteldarm kaum differente Beschaffenheit. Die Crypten werden nur etwas länger und schmaler als in diesem, bleiben aber bis fast zur Analöffnung mit Cylinderepithel und Becherzellen be- deckt. Bei einigen (z. B. Gadus lota, Scorpaena) findet sich nicht einmal die Verlängerung der Crypten; sie bleiben hier, wie am Mittel- darm, kurze, schmale Blindsäcke. Zotten im Enddarm s. 0. Auf den Zotten des Rhombus aculeatus wird Flimmerepithel angetroffen. Ebenso in einer reichlichen Bildung von verzweigten Crypten am Anfange des Enddarms von Zeus faber. Für die Phylogenie und Physiolog ie der Drüsen des Darmrohres ergeben sich aus der vorliegenden Arbeit wohl die folgenden Resultate, deren theilweise hypothetische Begründung ich mir keineswegs verhehle: 1) Das Darmrohr der ältesten Wirbelthiere und das der Em- bryonen höherer ist glatt auf seiner inneren Oberfläche. Die ersten Öberflächenvergrösserungen treten in der Bildung von Längsfalten auf (Petromyzon). Darmkrypten entstanden, als die Bildung von den Längsfalten entstammenden Querfalten begann, welche von einer Längsfalte zur andern ziehen. Diese Uebergangsformen zu eigentlichen Blindsäcken aus langen Buchten finden sich bei Selachiern, Ganoiden und einigen Teleostiern. " Eine reichlichere Ausbildung der Maschen des so entstandenen Netzes hat zuerst im Magen, später auch auf der Mitteldarmschleim- haut enge schlauchförmige Crypten erzeugt. Diese höchste Form der Faltenentwicklung, welche sich bis zu den Säugethieren erhält, ist bei den niederen Fischen noch selten und selbst bei den Teleostiern noch keineswegs constant. Vergl. Fig. 13 a—e. 2) Der ältere Zustand der reinen Längsfaltenbildung bleibt im Oesophagus aller Fische und im Enddarme der meisten erhalten. Drüsen fehlen im Oesophagus und Enddarm. 3) Die Magensaftdrüsen sind ontogenetisch und phylogenetisch , Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 44 690 Ludwig Edinger: seeundäre Bildungen, die erst spät auftreten und unter den Fischen noch nicht constant geworden sind. Sie haben sich aus dem unteren Theile der Magenkrypten differenzirt. 4) Ein Rest der unveränderten Magenkrypten findet sich bei vielen Fischen im pylorischen Rohr, wo sie als Magenschleimdrüsen fungiren. Sie entstehen durch allmählichen Verlust des Labzellen- anhangs an den Magengrübchen und Längerwerden der letzteren. 5) Die Appendices pyloricae sind Ausstülpungen der Darm- wand von demselben Bau wie diese. 6) Eigentliche Drüsen kommen im Mitteldarme nicht vor. Innerhalb der Krypten lässt sich nur für die Becherzellen eine secretorische Thätigkeit nachweisen. Die übrigen Epithelzellen tragen Einrichtungen, welche ihre nahe Beziehung zum Resorptionsapparate erkennen lassen. Die Oberflächenvergrösserung der Darmschleim- haut stellt einen mehr weniger complieirten Resorptionsapparat dar, in dem reiche Lymphbahnen bis direkt unter das Epithel ziehen. Die Lymphräume umgeben die Darmgefässe. Ein solcher Resorptions- apparat wird auch durch die Spiralklappe gebildet. 7) Zur Vereinigeng der Lymphapparate des Darmes zu be- stimmten Organen (Follikel ete.) ist es nur an wenigen Stellen bei Fischen gekommen. So im Oesophagus der Selachier und am Pylorus einiger Teleostier. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XL und XLI. Fig. 1. Epithelzellen aus dem Mitteldarm des Karpfen, macerirt a) in 2°, Chlornatriumlösung, b) verdünnter Müller’scher Lösung, c, d) in !/o pet. Osmiumsäure, e dieselben von der Fläche. Man erkennt den verdickten Ring der Zellmembran (a) und die Fortsätze des nackten Zellprotoplasmas (b). Vergr. °%/,. Fig. 2a. Becherzellen von Hecht und Chondrostoma *°°/, bei b dieselben dem Lymphnetz der Kryptenwand aufsitzend. Fig. 3. Epithelzellen aus dem Oesophagus von Lepidosteus. 500],. Fig. 4. Aus dem Oesophagus von Syngnathus acus, Flächenbild. Man er- kennt die starke Kittsubstanz zwischen den Becherzellen ?°%,. = Q bt Aus dem Oesophagus von Raja clavata; Lymphazellen. 'S a Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes ete. 691 Das Lymphorgan im Vorderdarme von Torpedo marm. Querschn. des Oesophagus bei schwacher Vergrösserung. Ein Stückehen desselben Schnittes. Vergr. ?°%,. pl. Plattenepithel. des Oesoph., L Lacunen, R Lymphorgan. Ende des Oesophagus von Mullus barb.; Flächenschnitt. Die Längs- buchten gehen in ovale und rundliche Krypten über. Labzellen von Perca fluv. isolirt in Ranviers Alkohol. Verg. 0]. . Zwei Labzellen von Mustelus mit dem Zellfaden aus einem feinen Schnitt. Vergr. °0],. . Magenepithel von Torpedo aculeata. *60/,. . Magenepithel von Perca fluv. Maceration in Ranviers Alkohol. Vergr. *°%,. . Das blinde Ende einer Labdrüse von Perca fluv. #°%),. . Querschnitt durch den Magen eines Torpedoembryo. 3°0/.. . Magenanfang von Torpedo marm. Vergr. ?°°,. Zellfäden der Lab- zellen. . Magenende von Lepidosteus. Beginn der Schleimdrüsenentwicklung. Vergr. ?].. . Ausgebildete Schleimdrüsen von Lepidosteus. Vergr. 20%,. . Schleimdrüse vom Pylorus der Dactyloptera volitans. Vergr. 1?°],. . Schleimdrüse von Squatina angelus. Vergr. °°%,. . Epithel der Appendices pyloricae. a Dactyloptera, b Rhombus acul. Vergr. *80],. . Von der Spiralklappe des Scyllium canicula. Vergr. ?%],. / Taf. XLI. Aus dem Oesoph. von Torpedo aculeat. a Lymphorgan, b Gewebs- lumen mit Endothel. Vergr. !8°/,. Längsschnitt. Querschnitt durch den Oesoph. von Perca fluv. Das Epithel besteht nur aus langgestreckten Becherzellen. Vergr. ?%/,. Querschnitt durch den Oesophagus des Hechtes. p primäre, s secun- däre Längsfalten. Schwache Vergr. Querschnitt durch den Oesophagus des Karpfens. Schwache Vergr. p und s wie bei Fig. 3. f Zwei Magendrüsen von Mustelus. a Magenepithel mit Schleimpfröpfen, b Schaltstück, e Drüsenzellen. Vergr. ?%],. Magendrüsen von Rhombus acul. b Schaltstück, a dasselbe quer- getroffen. Vergr. 18°],. Ein Stück Magenschleimhaut von Mustelus. Vgr. °%,. a Stelle der Schaltstücke. Längsschnitt durch das Ende des Oesophagus und den Anfang des Magens von Pristurus. Vergr. 1°°/),. a Flimmerepithel des Oesoph. a‘ Magenepithel, b Schaltstück, e Drüsenzellen, d Plattenepithel aus 692 Fig. Fig. Ludwig Edinger: Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. 14. 16; fr\ > WW dem Anfangstheile des Oesophagus, am Magenanfang noch in einer Schicht unter dem Cylinderepithel vorhanden. Querschnitt durch einen Appendix pyloricus von Lepidosteus. » 360 Vergr. 290). . Dasselbe von Mullus barbatus. Schwache Vergr. . Schematisch. Ein Stück Teleostierdarm um die langen schmalen Krypten zu zeigen. a Längsschnitt, b Querschnitt des Darmes, c innere Oberfläche. Querschnitt durch den Darm des Hechtes. Vergr. ?°].. Halbschematische Flächenschnitte durch Fischdärme zur Demon- stration des Uebergangs der Längsbuchten in rundliche Krypten. a von Petromyzon fluv., die Spiralfalten sichtbar, b Selachierdarm, c, d, e Teleostierdärme. Eine Falte der Spiralklappe von Sceyllium canicula. o Oberseite, a Unterseite der Klappe. Vergr. °°/,. Querschnitt. . Zwischendarm und Beginn des Klappendarms v. Seyllium canicula., Längsschnitt. Schwache Vergr. Aus einem Querschnitt der Appendices pyloricae von Dactyloptera volitans. Vergr. °°%/.. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. Von Prof. Walther Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XLII. In seinen »Untersuchungen über das Protoplasma« (3) beschreibt C. Heitzmann unter Anderem netzförmig angeordnete Fäden in den Kernen verschiedener Zellenarten. Aehnliches ist schon früher, und soviel ich finde, zuerst von Kleinenberg (1) am Kern des Hydraeies geschildert worden. Im Anfang vorigen Jahres theilte ich Näheres über gerüst- förmige Structuren in den Kernen des Eierstockseies von Muscheln und über die an ihren Kernkörpern wahrzunehmenden Erscheinungen !) mit (5). Die ersteren Angaben wurden wenige Monate später durch O. Hertwig (9), und durch E. van Beneden (10) für die Ei- kerne von Echinodermen (Toxopneustes, Asteracanthion) und Säuge- thieren (Maus) bestätigt. Als ich die erwähnten Beobachtungen gewann und zusammen- stellte (Frühling und Sommer 1874), war mir der nähere Inhalt der ein Jahr vorher erschienenen Heitzmann'’schen Arbeiten noch nicht bekannt geworden; auch von den beiden eben genannten Forschern ist er unberücksichtigt gelassen. Es ist dies vielleicht daraus erklärlich, dass Heitzmann durch die sehr kühnen und zum grossen Theil nicht hinreichend gestützten Hypothesen, in denen er die ganze Zellentheorie umzustossen strebt, eine minder günstige Kritik herausgefordert und damit auch für die exacten und werth- 1) Ich erlaube mir hier ein Missverständniss zu berichtigen, das in dem eben erschienenen Jahresbericht von Hofmann-Schwalbe, Allg. Anat. pag- 33, vorgefallen ist. Es wird dort berichtet, ich hätte den (grösseren) Nebentheil des zweibuckligen Kernkörpers gegen Essigsäure resistenter ge- funden wie den (kleineren) Haupttheil. Ich habe im Gegentheil beschrieben, dass der Nebenthejl in Essigsäure viel stärker quillt wie der (auch stärker tingirbare) Haupttheil. 694 Walther Flemming: vollen Beobachtungen, die seine Arbeiten enthalten, die Aufmerk- samkeit Anderer herabgestimmt hat. Diejenige, um die es sich hier handelt, verdient aber solche Aufmerksamkeit deshalb in besonderem Grade, weil sie sich nicht wie die übrigen erwähnten allein mit den Kernen einer Zellenart befasst, sondern das Gesehene als ein allge- meines Structurverhältniss des Kerns in Anspruch nimmt. Seitdem und zum Theil gleichzeitig mit den beiden letzter- wähnten, sind schon mehrfach einschlägige Befunde mitgetheilt worden: so besonders von Schwalbe(8) über die Ganglienzellenkerne der Retina und anderer Orte. Frommann (7) hat Heitzmann’s Beschreibung bezüglich der Kerne der Krebsblutzellen bestätigt. Eine Anzahl schon früherer Angaben und Abbildungen in Stras- burger’s Werk (6) betrifft offenbar dieselben Dinge, die hier behandelt sind; obwohl allerdings der Verfasser, so viel ich entnehmen kann, dieselben für vorübergehende Zustände hielt und annimmt, der Zell- kern sei »zur Zeit seiner vollsten Wirksamkeit stets aus einer homo- gen glashellen Protoplasmamasse gebildet, in der weder Vacuolen noch Kernkörperchen zu beobachten« (p. 254). Ob manche von den Strukturen hierher gehören, dieMayzel(12) aus in Theilung begriffenen Epithelkernen und in Beziehung zu der Theilung selbst beschreibt, kann ich zunächst nicht entscheiden und möchte es nur einstweilen vermuthen. Endlich hat auch Bütschli in seinem jüngst erschienenen schönen und umfangreichen Werk (14) Angaben über die Kerne der rothen Blutkörper gemacht, welche sich an die von Heitzmann anschliessen; und ebenso scheint mir hier anzuziehen, was derselbe Autor über die Kerne der Spermato- zoenkeimzellen von Blatta orientalis aussagt (p. 39). — Vielleicht mag mir noch manche von anderer Seite stammende Einzelangabe entgangen sein; da es sich hier einstweilen nur um eine kurze Mit- theilung handelt, die möglichst wenig durch Literatur beschwert werden soll, so erlaube ich mir das Suchen danach bis auf Weiteres zu verschieben. . Nachdem ich Heitzmann’s Befunde verglichen hatte, und in Hertwig’s und van Beneden’s Angaben die Bestätigung fand, dass die Netze auch in den Kernen anderer Eizellen vorkommen — bei Asteracanthion sind sie, wie ich mich hier überzeugte, noch leichter zu sehen wie bei den Najaden — schien es mir zunächst geboten, ein möglichst sicheres Urtheil zu gewinnen, ob das Gerüst im Kern wirklich eine intra vitam vorhandene Structur ist. Durch alles Vor- Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 695 liegende wird diese Frage noch nicht entschieden. Allerdings sind meine Beobachtungen an den Eizellen von Unio und Anodonta am ganz frisch entnommenen Ei und ohne jede Zusatzflüssigkeit ge- wonnen, ebenso gewiss diejenigen OÖ. Hertwig’s und van Beneden’s, die sich über die Lebenstreue der betreffenden Bilder auch weiter keine Serupel gemacht zu haben scheinen. Es ist aber damit nicht ausgeschlossen, dass es sich schon um Leichenerscheinungen handeln könnte; es möchten ja schon mit dem Herausnehmen der Eizellen, mit ihrer Entfernung aus den intra vitam vorhandenen Diffusions- verhältnissen Gerinnungen im Kerninhalt erfolgen können; und ich habe dieser Möglichkeit am genannten Orte (p. 20) darum ausdrück- lich ihr Recht gelassen, obschon ich sie als nicht gerade wahrschein- lich ansehen musste. — Der gleiche Einwand bleibt möglich gegen die Struktur der Knorpelzellenkerne, die Heitzmann nach dem frisch entnommenen Schnitt beschreibt; und würde hier um so ge- wichtiger sein, wenn man mit Heitzmann eine Canalisirung der Knorpelsubstanz annimmt, Dank welcher eine Einwirkung der Unter- suchungsflüssigkeit (wenn schon Blutserum oder Kochsalzlösung, darum doch nicht sicher »indifferent«) sehr erleichtert wäre, ob- schon ich die Annahme einer solchen Canalisirung nicht zu unter- schreiben denke. Die von Heitzmann und Frommann ferner beschriebene Structur in den Krebsblutzellen tritt, nach der Ver- fasser Darstellung, erst auf, wenn sogar gewisse Veränderungen der Zelle selbst stattgefunden haben. Für die Kerne der rothen Blutzellen von Triton, in denen H. Körnchen mit einzelnen sie ver- bindenden Fäden wahrnahn, werden wir auf ein Unverändertblei- ben auch im frischen Blutpräparat nicht schliessen dürfen, wenn wir bedenken, dass an einem solchen bekanntlich sogar oft Orts- verschiebungen der Kerne im Leibe der Blutzellen eintreten. Mit Berufung auf absolute Lebendigkeit des Objects kann von allen bis- her vorliegenden wohl nur der eineBeobachtungsfall Heitzmann’s ins Feld treten, der die Kerne lebender Amöben betrifft (p. 101); aber gerade diese, auch von Schwalbe in erster Hand eitirte An- gabe redet nicht von einer eigentlichen netz- oder gerüstartigen Structur im lebenden Kern, sondern nur von einzelnen Vacuolen in demselben, deren Vorkommen ja schon länger bekannt ist. — So betreffen auch Schwalbe’s Untersuchungen zwar lebensfrische, aber doch nicht lebende Gewebe; Bütschli endlich, in dessen Abbildungen übrigens die bezüglichen Structuren keineswegs so deutlich zu er- 696 Walther Flemming: kennen sind, wie es seiner Beschreibung und meinen Objecten ent- spricht, untersuchte die Blutkörper der Amphibien nach eigener An- gabe gleich mit Essigsäurezusatz, und die einzige von ihm abgebildete rothe Blutzelle, bei welcher nach der Erklärung dies Reagens nicht angewendet war, zeigt im Kern auch keine Spur von dem Netzwerk. Ich wandte mich also an das lebende Gewebe, indem ich ein Object benutzte, das durch die Grösse seiner Elementartheile und ihrer Kerne besondere Chancen versprach, den Erdsalamander, und ein Gewebe, das für schonende Beobachtung im lebenden Zu- stand geeignet und dabei durchsichtiger ist, als Mesenterium und Lunge, die Harnblasenwand. Es wurde zunächst an curarisirten Thieren gearbeitet, was auch den Vortheil hat, dass sich bei solchen die Blase meist ziemlich stark gefüllt zeigt und keine Aufspritzung derselben nöthig ist. Eine derartige natürliche oder künstliche Aus- dehnung der Blase ist für die Beobachtung nöthig, da sonst die Fal- tungen das Object viel zu sehr verdunkeln. Wo die Füllung der Blase nicht hinreichend durch die Vergiftung erzielt ist, kann man sie leicht durch Injection von schwacher Kochsalzlösung in die Cloake erzielen; dies verändert nichts am Gewebe der Wand, wie ja von vornherein anzunehmen sein wird und wie es auch der Vergleich der Bilder ergiebt. Doch habe ich sehr pralle Aufspritzungen ver- mieden, um nicht durch Zerrung etwa ein vorzeitiges Absterben zu veranlassen. Die Curarelösung wurde nie in die Bauchhöhle, sondern unter die Zunge eingespritzt. Ich habe ausserdem auch mehrere Male an nicht vergifteten Thieren die‘ Bauchhöhle rasch ge- öffnet, die hervorquellende Blase schleunig abgebunden, losgeschnitten und montirt, so dass zwischen dem Anschneiden der Bauchhöhle und dem Beginn der Beobachtung im günstigsten Fall nicht einmal mehr als etwa 10 Secunden verliefen. Der Vergleich mit den curari- sirten Thieren zeigte, das in beiden Fällen ganz das Gleiche an den Gewebselementen zu sehen ist 1). — Die Blase wurde bei den curari- sirten Salamandern auf einen planen auf den Objectträger gekitte- ten Glassockel neben das Thier gelagert und ein Deckglas horizon- tal, ohne weiteren Flüssigkeitszusatz, rasch auf ihre Kuppe gedeckt. Jüngere Thiere eignen sich besonders wegen der geringeren Fibrillen- 1) Diese Vorsicht wurde gebraucht, weil häufig — wenn auch keines- wegs immer — nach der Curarvergiftung die Bauchhöhle stärker wie ge- wöhnlich mit Flüssigkeit gefüllt ist; es wäre denkbar, dass durch einen solchen beginnenden Vergiftung-Aseites die Kerne schon verändert würden. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 697 menge. Da durch die dicke, oft nicht ganz klare Flüssigkeitsschicht, durch die untere Blasenwand und häufig im Innern vorhandene Schleimflocken Licht verloren geht, nimmt man am Besten den ganzen Blendungsapparat des Mikroskops heraus. In den hier zu beschreibenden Verhältnissen ändert sich bei solcher Beobachtung stundenlang nichts. Will man für andere Zwecke längere Zeit und mit starken Immersionslinsen arbeiten, so empfehlen sich weitere Vorrichtungen, mit deren Beschreibung ich den Leser hier nicht aufhalte. Bei diesen Untersuchungen kam meistens nur Hartn. Syst. VII, selten IX a imm. in Anwendung. Man bemerkt bei höchster Einstellung die Kerne der Endothel- zellen, vielfach aber nicht alle durch Grösse und runden oder nahezu runden Umfang ausgezeichnet, ziemlich blass; bei fast derselben Ein- stellung wenig tiefer, die feinen Fibrillen des Bindegewebes und dessen Zellenkerne, grösstentheils etwas kleiner wie die Endothel- kerne, und vielfach länglich oder unregelmässig geformt, zum Theil auch rund; zugleich Muskelbündel, Gefässe und einzeln laufende Muskelzellen, letztere theils spindelig, theils drei- bis sechsfach ver- ästelt (s. u.). Die Kerne der spindeligen sind stäbchenförmig oder lang-elliptisch, die der verästelten ebenso oder kurz-elliptisch, oder dreilappig. Bei ganz tiefer Einstellung endlich, schon undeutlicher, das Epithel. Selbstverständlich finden sich hie und da Leukocyten im Gewebe; endlich Kerne der Nervenfasern, nur hie und da für den, der Goldpräparate der Blase kennt, sicher zu diagnosticiren. Bei hellem Licht von weissen Wolken oder bei sehr gutem künstlichen, wie das für die Wahrnehmung dieser Dinge absolut nöthig ist, sieht man nun in den Kernen der Endotholzellen. Bindesubstanz- und Nervenzellen und Muskelfasern vielfach völlig sicher zarte Gerüste, ganz ähnlich denen, die wir aus den Ker- nen der Eizellen beschrieben haben (Fig. 1). Sie sind nicht in allen Kernen wahrzunehmen, und wo sie es sind, nicht überall gleich deut- lich; nur bei einer Minderzahl lässt sich das Gerüst ringsum in Zu- sammenhang mit der Kernwand finden. Das Wort Kernwand brauche ich, um auszudrücken, dass alle diese Kerne, ebenso die der Epi- thelien, eine scharf abgesetzte Wandschicht haben, ohne mich dabei hier auf die neuerdings erörterte Frage einzulassen, ob diese Wand- schicht zum Kern oder zum Plasma der Zelle zu rechnen ist. Viele Kerne zeigen auf den ersten Blick nur eine verwaschene Zeichnung, die man ohne genaueres Nachsehen wohl in die Rubrik »granulirt« B 698 Walther Flemming: einschieben würde; sorgfältiges Einstellen und Sehen zeigt, dass viele der anscheinenden Granula optische Querschnitte von Bälkchen sind, die mit anderen zusammenhängen. Ein bis drei grössere Kern- körperchen sind an vielen, aber nicht an allen dieser lebenden Kerne wahrnehmbar, es kostet an vielen schon grosse Aufmerksamkeit, sie zu sehen. Sie sind niemals sehr scharf contourirt, am schärfsten noch an den Muskelkernen. Ausserdem sieht man vielfach noch kleinere blasse Granula, ebenfalls meist mit verwaschenen Umrissen, in den Balken des Gerüstes oder wo dies nicht deutlich zu sehen ist, an- scheinend frei liegen; von optischen Querschnitten der Bälkchen sind sie nur durch ihre überwiegende Grösse und etwas abweichende Färbung oder Lichtbrechung unterschieden. An vielen Kernen ist von den grossen wie den kleinen Nucleolen mit bester Aufmerksam- keit nichts wahrzunehmen; dennoch sind sie vielfach wenigstens auch an solchen vorhanden, wie am besten die Chromsäurebehandlung lehrt. Wie gesagt. es kommen bald mehr, bald weniger Kerne vor, bei denen von all’ diesen Dingen auch bei bestem Licht nichts zu erkennen ist; andere, bei denen Nucleolen, aber kein Gerüst wahr- nehmbar ist. Dass es auch ihnen nicht fehle, dafür sprechen die weiter beschriebenen Reactionen. Hin und wieder kann man auch an einem Kern einer weissen Blutzelle in einem Capillargefäss, oder einer Wanderzelle, wo eine solche gerade günstig dafür liegt, die Netzstructur erkennen, ebenso an fibrillenarmen Stellen auch wohl bei tiefer Einstellung in einem Epithelkern; doch sind das Ausnahmen, meistens sind die Epithel- kerne und die Leukocytenkerne zu blass um etwas sehen zu lassen. Dasselbe gilt von den Kernen der rothen Blutzellen. Dennoch darf man auch allen diesen Kernen, nach dem Ergebniss der jetzt zu be- sprechenden Reactionen, dieselbe Beschaffenheit zuschreiben wie den übrigen. Wenn man unter das aufgehobene Deckglas rasch ein Tröpf- chen schwache Essigsäure bringt (!/ıo pCt. genügt) und schnell wieder eindeckt, oder, mit ganz dem gleichen Erfolg, wenn man die eben herausgenommene Blase eines frisch angeschnittenen Thieres mit der Säure eindeckt und sofort beobachtet, so erscheint momentan in allen Kernen der Blasenwand, der Epithelien und der Blutzellen ein äusserst scharf ausgesprochenes, mit der Kernwand überall zu- sammenhängendes Gerüst. Kernkörper und Nebenkernkörper sind darin nur in nur in einzelnen Kernen, und niemals gerade sehr deut- %« Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 699 lich sichtbar, was aber nur von der starken Lichtbrechungsfähigkeit der Bälkchen herrührt; denn wenn man deren Effect durch Glyce- rinaufhellung mildert (Fig. 2), so sieht man das Netz zarter, aber noch vollkommen deutlich, und in seinen Balken an vielen Kernen auf das Deutlichste die grösseren und kleineren Nucleolen. Noch weit klarer kommt das Gerüst durch anderweite Reagen- tien und Tinetionen zur Anschauung. Es giebt gleichen Erfolg, ob man die gefüllte lebende Blase des curarisirten Thieres abbindet und gleich in die Flüssigkeiten einlegt, oder ob man sie am decapi- tirten Thier von der Cloake aus mit denselben injieirt und dann in den gleichen Lösungen liegen lässt, bis sie erstarrt ist. Das Epithel, wenn man will auch das Endothel, kann nach derartiger Behandlung mit Chromkali oder verdünntem Alkohol nachträglich abgepinselt werden, um die Details der Muskeln und der Bindesubstanz klarer zu haben; für die hier besprochenen Verhältnisse der Kerne ist aber Alles auch bei erhaltenem Epithel reichlich durchsichtig, die Kern- structur tritt sogar schärfer in Wasser hervor, wie in aufhellenden Flüssigkeiten. An Chromkalipräparaten (1—4p. c.), die mit Haematoxylin ge- färbtsind, tritt das Netzgerüst im Kern und die Wandschicht des letzteren in überraschender Schärfe und tiefblauer Farbe auf (Fig. 4, 5, 6), wäh- rend die in seinen Lücken vorhandene Substanz des Kernes blasser blau, aber immerhin viel dunkler gefärbt ist, wie das Plasma der Epithel- und sonstigen Zellen und die Muskeln. — Die Netze sind — und das gilt auch für alle folgenden Reagentien — richt in allen Kernen gleich dicht angeordnet. In der blassblau gefärbten Zwischen- substanz des Netzes zeigen sich stellenweise kleine helle, ganz un- gefärbte Lücken !). Der Zusammenhang der Netze mit der Kern- wand ist nicht bei allen Kernen deutlich, bei vielen aber zweifellos, — Die Hauptnucleolen (so nenne ich die grösseren) treten bei dieser Behandlung nicht durch schärfere Färbung hervor, die Neben- nucleolen sind sogar zum grössten Theil in den scharfgefärbten Netzbälkchen gar nicht wahrnehmbar. Deutlicher sind erstere, und wenigstens etwas besser sichtbar ist ein Theil der Letzteren an un- gefärbten Objeceten aus Chromkali. Diese Undeutlichkeit der Kern- körper ist deshalb nicht etwa darauf zu beziehen, dass sie durch 1) Sie sind in der Figur 5 und 6 beim Stich nicht mit dargestellt worden. 700 Walther Flemming: das Chromkali zerstört wurden. Ebensowenig ist daran zu denken, dass etwa an den Blasen, die diese Bilder geben, die Kernkörper überhaupt fehlten oder besonders undeutlich wären: denn wenn man von einer mit Kochsalz aufgespritzten Blase die eine Hälfte in Chrom- kali, die andere in dünne Chromsäure (s. u.) einlegt, so sieht man an letzterer die Kernkörper ausgezeichnet, an ersterer nach Färbung undeutlich oder gar nicht. Die Sache kann also nur dahin gedeutet werden, dass das Chromkali die Balken des Netzes sehr stark licht- brechend macht, die Nucleolen aber nicht; während die Chromsäure in dieser Richtung auf Beide in ziemlich gleicher Weise wirkt. Carmintinetion von Chromkalipräparaten zeigt der Form nach ganz dasselbe wie Blauholzpräparate, aber nicht stets der Färbung nach. Während nämlich die Interreticularsubstanz durch das Car- min gleichmässig rosenroth gefärbt ist, hat das Netzwerk an Prä- paraten, die aus starken Lösungen des Chromsalzes kamen, ganz seine blassgelbe Chronikalifarbe behalten (Fig. 7ab, es ist bier, um Colorirung zu sparen, hell dargestellt) und tritt in dieser scharf gegen jene hervor. Die Nucleolen sind dabei ebensowenig deutlich wie mit Hämatoxylin. Doch kann man sie bei besonderer Behand- lung deutlich machen und durch stärkere Tinction gefärbt dar- stellen. Die Verdeutlichung der Netze durch Chronmkali erfolgt in dem eben beschriebenen, hohen Grade nur, wenn man Lösungen von mindestens 1 pCt. benutzt. Bei geringerer Concentration stellen sich die Gerüste undeutlicher dar. Alkoholbehandlung liefert ebenfalls ganz deutliche Netze von entsprechender Anordnung, wie die des Chromkali. Meistens erscheinen aber die Balken etwas dicker und unregelmässiger ge- formt wie nach jener Bebandlung; was ebenso für die Chromsäure gilt. Die Nucleolen sind in den meisten Fällen mit Alkohol etwas deutlicher wie nit Chromkali. Die Chromsäure unterscheidet sich, wie erwähnt, dadurch in ihrer Wirkung von den beiden vorigen Reagentien, dass sie die Haupt- und Nebennucleolen äusserst scharf sichtbar zeigt, und zwar sowohl ohne als mit nachfolgender Tinction (Fig. 8). Man über- zeugt sich hier aufs Deutlichste, dass die Nucleolen in den Bälkchen liegen. Die grösseren Kernkörper sehen nur selten rund aus, sondern sind meist von unregelmässigen, rauhen Contouren, oft wie aus mehreren Körnern zusammengeballt; dasselbe kann man übrigens Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 701 wo sie überhaupt zu sehen sind, oft auch an Alkohol- und Chrom- kaliobjecten bemerken. Ohne Färbung glänzen sie an den Chrom- säurepräparaten weisslich; mit Carmin tingiren sie sich rosenroth, nicht erheblich stärker wie die Kernwand und das Netz, während an Alkohol-Carminpräparaten ihre Färbung bedeutender zu sein pflegt. Zu bemerken bleibt für alle diese Behandlungen und Tinctionen, dass das Gerüst nicht an allen Kernen gleich stark licht- brechend am ungefärbten, noch gleich stark tingirt am gefärbten Objektist. Es kommen vielmehr — am auffälligsten bei den intensiven Blauholztinetion — alle möglichen Uebergangsstufen von blassen Bildern zu den schärfstgezeichneten vor; und zwar nicht etwa gruppenweise vertheilt, so dass eine ungleichmässige Einwirkung der Grund sein könnte, sondern bunt durch einander an Kernen, die dicht beisammen liegen; auch sind nicht etwa die Kerne einer Art von Gewebs- theilen, der Endothelien, Muskeln, Bindesubstanzzellen, bevorzugt für blassere oder schärfere Netze, sondern es kann zum Beispiel ein Muskel- und ein Endothelkern mit scharfblauen Netzen neben einem andern Muskel- und Endothelkern mit ganz matt -blassgrauen gefunden werden (Fig. 4). Man wird sich bei diesem Verhalten wohl ohne Weiteres erinnern, dass am lebenden Object auch die Structuren nicht in allen Kernen gleich deutlich sind, und den Wahrscheinlich- keitsschluss ziehen, dass die Gerüste nicht in jedem Kern und nicht in jedem gegebenen Moment überall die gleiche Beschaffenheit haben werden, sondern dass sie etwas Physiologisch-wechselndes sind. Anders, wie die besprochenen Reagentien, verhält sich die Os- miumsäure. Man sieht nach ihrer Anwendung in den Kernen selten mehr, meistens aber noch weniger von den Gerüsten wie am frischen Gewebe; nachfolgende Picrocarminfärbung lässt noch weniger erkennen. Der Kern erscheint dabei fast gleichmässig rosen- roth, nur mit starken Systemen kann man in ihm verwaschene An- deutungen von netzförmiger Zeichnung ausmachen !). Die Kernkörper dagegen und Nebennucleolen sind sehr deutlich, doch nicht inten- siver roth gefärbt wie die übrige Substanz des Kerns, oft gar nicht geröthet, sondern gelb. Sehr seltsame Eigenschaften der Kerngerüste, welche von allen 1) Bis jetzt wurde übrigens bloss schwächere Osmiumsäure (bis !/, pCt.) probirt. 702 Walther Flemming: den erwähnten Reagentien verborgen gelassen werden, zeigt das Anilin. Vielleicht wird es Anderen, die mit der schönen von Hermann angegebenen Anilinfärbungsweise!) gearbeitet haben, schon ebenso wie mir aufgefallen sein, dass man bei diesen Färbungen, die bei richtiger Anwendung nur die Kerne betreffen, in diesen nicht nur die grösseren “eigentlichen Kernkörperchen stark gefärbt findet, so wie es die Carmin- und die reine Pikrocarminbehandlung leistet; sondern ein grosser, und zwar gewöhnlich der bei Weitem grösseste Theil der Kerne zeigt statt dessen eine Menge anscheinend discereter, oft verschie- den stark gefärbter und verschieden grosser, rother Flecke. An unserem Object nun, mit seinen vershältnissmässig colossalen Kernen, lässt sich wahrnehmen, dass diese gefärbten Stellen nicht disceret sind, sondern stärker tingirte Stellen im Netzwerk selbst darstellen, dessen blassere, aber doch noch leicht gefärbte Zwischen- balken sich auch nach der Nelkenölaufhellung noch recht gut unter- scheiden lassen (Fig. 9). Ein Theil dieser stark gefärbten Stellen — ich will sie hier einmal kurz Anilinftecke nennen — ist offen- bar identisch mit dem oder den Hauptkernkörpern und den Neben- kernkörpern. Aber das kann keineswegs für alle gelten: denn erstens ist ihre Zahl dafür viel zu gross — man müsste sonst schon sagen, dass das frische Object, die Essigsäure, Chromsäure und das Carmin einen grossen Theil der Kernkörperchen nicht sichtbar werden lässt, während das Anilin dies thut; zweitens sind die Anilinflecken viel- fach nicht scharf abgegrenzt, keine eigentlichen »Körperchen«, son- dern oft so beschaffen, dass eine grössere Partie des Netzwerks durch und durch stärker gefärbt ist, wie die angrenzenden. Es zeigt also, kurz ausgedrückt, das Anilin eine anders be- schaffene und weiter gehende Iiteregzirne im Kerninhalt, wie alle die anderen Behandlungsweisen. Man könnte nun denken, und ich an zunächst daran gedacht, dass diese Bilder Artefacte seien, dadurch bedingt, dass in Folge der Behandlung mit Anilin und Nelkenöl Zerreissungen und Zusammenballungen in dem Netzwerk stattfinden, und die Anilin- flecke solchen dann stärker gefärbten Zusammenballungen entsprechen könnten; obschon dies sonderbar genug wäre, da ja das Präparat vorher in Alkohol absolut gehärtet ist, und vor der Färbung das 1) Tageblatt der Grazer Naturf.-Vers. 1875. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 703 Netzwerk ganz regelmässig zeigt. Jener Verdacht muss aber aus- geschlossen werden. Er wird es erstens schon durch folgenden Versuch: Wenn man ein aufgehelltes Anilinpräparat, das die eben beschriebenen Dinge zeigt (Fig. 9), wieder in Alkohol, dann in Wasser bringt und darauf mit schwacher Essigsäure das Anilin auszieht, so sieht man nichts mehr von den vielen, vorher different gefärbten Stellen im Kern, sondern das Netzwerk erscheint ganz vollständig, gerade wie an einem Alkoholpräparat, das man bloss mit Essigsäure behandelt hat. An dem Netzwerk war also durch die Anilinbehand- lung nichts zerstört worden. Geradezu sehlagend scheint mir ferner ein Umstand, auf den ich durch Präparate des Herrn E. Fischer aufmerksam gemacht wurde. Die Kerne in der äusseren Körner- schicht der Retina zeigen bekanntlich eine räthselhafte Quer- scheibenschichtung. An einem Hermann'’schen Anilinpräparat sind nun ganz regelmässig diese Schichten abwechselnd die einen crass gefärbt, die anderen ungefärbt (Fig. 10). Wenn man die Querschichtung der äusseren Körner für Natur halten darf — und das thut man ja allgemein, da sie auch am frischen Object zu sehen ist, und da sie eine, diesen Kernen eigene Specialität bildet — so wird auch dasselbe für die Stellen des Kernnetzes gelten können, die hier in unserem Falle durch das Anilin gefärbt blieben und man wird demnach sagen können: Es existiren hierin dem Netzgerüst der Kerne, ausser den auch sonst dar- stellbaren Nucleolen, noch Stellen von differenter Be- schaffenheit, welche sich der Wirkung der übrigen er- wähnten Reagentien entzieht, durch das Anilin dagegen zum Ausdruck gebracht wird!). 1) Ich brauche wohl kaum darauf hinzuweisen, dass man bei der Her- mann'schen Behandlung durch allzu langes Ausziehen mit Alkohol auch die Anilinflecke zum Verschwinden bringen und alles blass machen kann. Dies geschieht offenbar bei dem einen Kern eher wie bei dem andern, und wieder bei dem einen Anilinfleck in je einem Kern eher, wie beim anderen. Daher die vielen verschiedenartigen Bilder auch dort, wo die Flecken in vielen Kernen deutlich und zahlreich sind: in anderen sind sie bei dieser Einwirkung schon seltener und blasser, in noch anderen nur die grösseren und kleineren Nucleolen mehr gefärbt, an denen der Farbstoff besonders lange haftet. Natür- lich kann man trotzdem auf eine differente Beschaffenheit der Stellen schliessen, denen die Anilinflecke entsprechen: denn wenn eine Stelle den Farbstoff länger hält wie eine andere, so wird sie auch anders beschaffen sein. 704 Walther Flemming: Ich bemerke noch, dass an vielen, doch nur der Minderzahl der mit Reagentien behandelten Kerne Vacuolen verschiedener Grösse vorkommen, die dann das Netz und seine Zwischensubstanz gleichmässig unterbrechen. Auch an lebenden Kernen sind solche manchmal wahrzunehmen. Schliesslich sei noch kurz der Wirkung des destillirten Wassers gedacht: es zerstört sehr rasch die Gerüste und Nucleolen, macht den Kern aufquellen und lässt nur diffuse granulirte Massen, an der Membran angehäuft, in ihm erkennen. Im Wesentlichen wird sich dies mit Auerbachs Ergebnissen in Einklang stellen. Damit breche ich vorläufig den Bericht über diese Versuche ab, deren Fortsetzung mich weiter beschäftigen wird, und setze nur noch hinzu, dass ich zugleich auch auf Kerne verschiedener anderer Gewebstheile geachtet, und an ihnen vollkommen mit dem hier Beschriebenen übereinstimmende Dinge gefunden habe. In den Zellkernen des hyalinen Knorpels von Salamandra z. B. sieht man am frisch entnommenen Schnitt, ohne Zusatz, die Gerüste in vollkommener Deutlichkeit, womit ich also den Befund Heitzmann’s am Säugethierknorpel bestätigen kann. An Essigsäure- oder Chrom- präparaten von Mund- und Riechepithelzellen, und Binde- gewebszellen verschiedener Orte, sehe ich ferner bei Salamandra und Rana die Fasergerüste im Kerne auf den ersten Blick; doch ist es erklärlich genug, dass die Beobachter beim Frosch und Säuge- thier, auf Grund der hier kleineren Dimensionen, stets nur den Ein- druck von Körnern, statt von Fasern erhalten haben und dass sich demnach die landläufige Ansicht gebildet hat, die Essigsäure und die Chromsalze »machten die Kerne granulirt« !). Ich stelle nun schliesslich die Frage: sind die Gerüste in den Kernen intra vitam verhanden, oder sind sie Gerinnungen, Leichen- erscheinungen, Artefacte? — Dass die Netze der frischen Kerne 1) An Macerationspräparaten von Epithel aus schwächerem Chrom- kali wird der Zusammenhang des Gerüstes im Kern mit der Kernwand ge- wöhnlich nicht gefunden. So erklärt es sich wohl, dass Newell Martin (Journ. of anat. and phys. 8, Nov. 1873) von den Kernen der Riechzellen angiebt, sie seien stark granulirt und durch einen hellen Saum getrennt von einer homogenen Kapsel, die mit dem Zellkörper zusammen hänge. Dies ist die Kernwand. — Sehr schwacheChromkalilösungen zeigen über- haupt die Netze undeutlich oder gar nicht. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 705 (Fig. 1) und die mit Reagentien dargestellten (Fig. 2, 4 u. a.) der Ausdruck identischer Dinge sind, wird dem Beobachter Beider nicht zweifelhaft bleiben. Es kann sich also nur darum handeln, ob die in den Kernen der lebenden Blasenwand, dicht neben durch- strömten Blutgefässen sichtbaren Gerüste nicht schon Gerinnungen, ob die betreffenden Kerne nicht schon im Absterben begriffen sind. Man könnte sich dagegen darauf berufen, dass verschiedene der oben eitirten Beobachter ähnliche Bilder, wenn sie auch an Gewebs- theilen vorkamen, die dem lebenden Körper abgeschnitten oder entnommen waren, dennoch ohne Weiteres für gegebene Struc- turen gehalten gehaben. Doch das ist noch kein Grund, ebenso zu verfahren; und da ich nicht den Schein einer Vorliebe für die Prä- existenz der Kernnetze auf mich laden möchte, so gebe ich aus- drücklich noch immer die Möglichkeit zu, dass die Kerne durch das rasche Herausholen der Blase und das Auflegen des Deckglases schon getödtet oder verändert, und die Netze Gerinnungen sein könnten. Ein endgültiger Entscheid wird sich wohl bald an ge- eignetem Object gewinnen lassen; vor der Hand, wo es mir ledig- lich darauf ankommt, auf diese Dinge aufmerksam zu machen, will ich nur bekennen, dass mir diese Annahme aus folgenden Gründen sehr unwahrscheinlich vorkommt: erstens wegen der Form und Anordnung der Netze. Es ist wahr, dass sie nicht in allen Kernen gleich dicht sind, und dass ihre Balken nach Anwendung der einen oder andern Reagentien bald etwas schlanker, bald dicker, bald mehr weniger regelmässig contourirt sind. Aber diese Abweichungen bleiben doch in sehr mässigen Grenzen und lassen sich in diesen sehr wohl begreifen, wenn man eine nicht für jeden Zustand des Kernes gleiche Beschaffenheit seiner Substanz, und eine etwas differirende Wirkung der einzelnen Reagentien annimmt. Wäre da- gegen das Ganze nichts anderes als ein Gerinnsel oder die stehen- gebliebenen Theile verfestigter Substanz zwischen confluirten, künst- Jichen Vacuolen, so würde man eine viel unregelmässigere Anordnung der Netze erwarten, bald sehr locker, bald sehr enge, gerade wie bei anderen in Netz- oder Gerüstform gerinnenden Substanzen. In dem Blutplasma, das die Gefässe der lebend abgebundenen Blase füllte, kann man an Chrompräparaten die schönsten Gerinnungsnetze des Fibrins finden. Aber diese sind bald locker, bald eng (nie wohl übrigens so eng, wie die Kernnetze), bald endlich fehlen sie ganz. Wären die Kernnetze Gerinnsel, warum zeigen sie dann nicht Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 45 706 Walther Flemming auch solche Varianten und warum gerinnt die Masse hier nicht auch oft homogen, statt netzartig, wie das Fibrin es thut? Zweitens kommt die constante Lage der Kernkörper in den Balken der Gerüste in Betracht. Bei Gerinnungen würde zu fragen sein, warum dieselben gerade immer, auch wo die Netze lockerer sind, in den Fäden des Gerinnsels eingeschlossen werden müssten. Drittens, die Bilder der Anilinfärbung. Es ist schwer ein- zusehen, warum die Balken eines blosen Gerinnsels sich an gewissen Stellen anders, wie an anderen verhalten sollten. Aus all’ diesen Gründen verliert die Annahme, dass die Netze Gerinnungen darstellen, an Wahrscheinlichkeit und dürfte, so lange nicht wenigstens irgend welche weitere Belege für sie zu finden sind, zurücktreten müssen gegen die andere: dass die Netze ein ge- gebenes Structurverhältniss des Kerns, oder um vorsichti- ser zu reden, der Ausdruck eines solchen sind. Denn diese verallgemeinernde Ausdrucksweise darf man sich wohl erlauben. Es wird schwerlich Jemand glauben, dass, was an den Kernen all’ dieser verschiedenen Gewebselemente von Amphibien, Säugethieren, Mollusken und Echinodermen, endlich bei Pflanzen- kernen vorkommt, nicht eine allgemeine Eigenschaft des Kernes zu nennen sei. Damit soll nicht gesagt sein, dass es nicht Kerne geben kann ohne solche Structur; denn wenn wir dieselbe als existent an- nehmen können, so wissen wir doch nicht ob sie jedem physiologi- schen Zustande des Kernes zukommt. Das Gerüst, vorausgesetzt dass es präexistirt, hat ferner noch eine differente Structur in sich selbst. Erstens liegen in ihm die Kernkörper und Nebenkernkörper, als besonders beschaffene Theile seiner Balken. Zweitens lassen die Anilinbilder schliessen, dass nicht alle Partien des Netzwerks von gleicher chemischer, vielleicht also auch nicht von gleicher morphologischer Beschaffenheit sein werden. Wenigstens scheint mir die Annahme solcher Structur- differenzen zunächst die betreffenden Tinctionserscheinungen am Ein- fachsten zu erklären. Wenn ich hier den Ausdruck Struct ur brauche, so mag wieder- holt sein, dass damit nicht ein Bau gemeint sein muss, der dem Kern von Anfang bis Ende seines Bestehens anhaftet, wie dem Wirbelthier das Skelett, sondern eine Difierenzirung der Substanz, die möglicherweise physiologisch wechseln und verschoben werden kann; die aber, soweit sie constant wiederkehrt, darum nicht min- Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 707 der morphologisch festgestellt und bezeichnet zu werden verdient. Ich mache diese Anmerkung besonders gegenüber einer Stelle bei Bütschli. Derselbe sieht zwar die Radienstructur in sich theilen- den Zellen nicht mit Auerbach als blossen Ausdruck von »Kern- saftströmchen« an, kann aber auch nicht mit mir »dieselbe auf ein gegebenes!) Structurverhältniss des Plasma beziehen«, da man »im Plasma, dessen Theilchen ihre gegenseitige Lage beständig zu wechseln fähig sind?), von Structurverhältnissen im gewöhnlichen Sinne nicht reden könne«. (!) Warum nicht? Es gibt ja viele Bauten die nicht für die Ewigkeit, sondern temporär errichtet werden. Vielleicht ist Bütschli inzwischen schon durch die Mittheilungen Kupffer’s (13) über die Structur des Plasma in Speicheldrüsen- und Leberzellen in jener Ansicht erschüttert worden. Wo nicht, so stehe ich trotzdem nicht davon ab, alle optisch wahrnehmbaren Dinge im Plasma, ob sie nun bleibend oder vorübergehend sind, Bauverhältnisse oder Structuren zu nennen, sofern sie sich in irgend einer bestimmt wiederkehrenden Form und Anordnung zeigen. Jede Structur ist ja im Grunde nichts Anderes, als Substanz- differenz. Das hier Mitgetheilte giebt einen Hinweis darauf, dass man in der Forschung nach der Morphologie des Kerns noch hinlänglich zu thun hat, und dass also die schönen Arbeiten Auerbachs, in welchen diese Structuren bisher keine Erwähnung gefunden haben, in keiner Richtung als abschliessend angesehen werden können. Darin wird man wohl keinen Mangel an Würdigung für Auer- bachs Studien und für die vielen wichtigen Aufschlüsse sehen wollen, die wir denselben schon verdanken. Es ist selbstverständ- 1) Meine betreffenden Worte lauten (l. ec. p. 115): »eine in diesem Zustand der Cytode gegebene radiäre Structure. Bütschli wird mir, in- dem er die gesperrten Worte auslässt, wohl nicht die Meinung unterschieben wollen, dass die Radienstructur immer im Plasma angelegt sei, da ich ja grade beschrieben habe, wie sie während der Theilungen auftritt und schwindet. 2) Wenn hier unter »Theilchen« die Atome oder Moleküle der Plasma verstanden sein sollen, so gilt die Fähigkeit zur Lageveränderung nicht nur für sie, sondern für die aller Körper, da alle chemischer Umsetzungen fähig sind. Sollten aber gröbere Massentheilchen gemeint sein, so darf man wohl fragen, woher denn der Verfasser weiss, dass solche beständige Bewegungs- fähigkeit der Theilchen »dem Plasma« als Eigenschaft zukommt. 708 Walther Flemming: lich, dass Verhältnisse, die bei ihrer Zartheit im frischen Zustand selbst in den grossen Kernen des Erdsalamanders nur mit grosser Sorgfalt zu sehen sind, bei der Benutzung der Objecte entgehen konnten oder mussten, die Auerbach verwendete und die für das Erkennen dieser Structuren grösstentheils nicht günstig sind. Frei- lich ist aber auch klar, dass, wenn sich die Richtigkeit des hier als wahrscheinlich angesehenen Kernbaues bestätigt, viele von Auer- bach’s Beobachtungen eine andere Deutung erfahren müssen, als er ihnen gegeben hat. Vor der Hand möchte ich es für annehmbar halten, dass die »Zwischenkörner«e Auerbach’s hauptsächlich op- tischen Querschnitten der Balken des Netzwerks entsprechen mögen, dessen Continuität an vielen seiner Objecte — z. B. den Leberzellen- kernen der Fische — im frischen Zustand gewiss schwer erkennbar sein wird. Von einer »beweglich-schwebenden« Suspendirung der »Zwischenkörner« und der Nucleolen aber in einem flüssigen Kern- inhalt, wie sie Auerbach annimmt, muss selbstverständlich abge- sehen werden, wenn diese Körner und Nucleolen Theile, resp. Ein- lagerungen eines den Kern durchsetzenden Gerüstes sind. Es ergiebt sich wohl überhaupt, dass es zur Zeit sich eher empfiehlt über die feinere Morphologie und Chemie des Kerns noch recht viele Erfahrungen zu sammeln und zu sichten, als bereits umfassende Theorien über sein morphologisches Wesen aufzustellen, wie das in vieler Hinsicht schon von Auerbach, und ganz neuer- dings von Richard Hertwig (15) versucht ist. Jede neu gefundene Thatsache kann sonst im Stande sein, einer solchen Theorie ganz oder zum Theil den Boden wegzuziehen. So scheint es mir z. B. in diesem Fall zu sein mit der »einheitlichen Auffassung der ver- schiedenen Kernformen«, die R. Hertwig a. a. O. formulirt hat, unstreitig nach besten und vortrefflichen Kenntnissen und nach eigener ausgedehnter Beobachtung; darum, wenn ich mir hier unter Vergleichung des Beschriebenen eine Kritik dieses Versuchs erlaube, so richtet sie sich auch nicht gegen die Art, wie derselbe ausge- führt ist, sondern dagegen, dass er überhaupt gemacht wurde, ehe denn es — nach meiner Ansicht — Zeit war. Die Sätze R. Hertwigs lauten: 1) Das Wichtigste am Kern und das für ihn Charakteristische ist die »Kernsubstanz«, ein Eiweisskörper, welcher, wenn er auch viel Aehnlichkeit mit dem Protoplasma hat, sich doch durch zahlreiche Eigenthümlichkeiten von ihm unterscheidet. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 709 2) Die Kernsubstanz ist, bei den einzelnen Kernen in verschiedenem Maasse, von einer Flüssigkeit, dem »Kernsaft« durchtränkt. 3) Die primitiven Kerne sind nichts als nackte Klümpchen dieser Kern- substanz (Kerne des reifen und befruchteten Eies, der Furchungszellen etc.) 4) Aus diesen primitiven Kernformen leiten sich die übrigen durch folgende Differenzirung ab: a) indem sich eine Kernmembran entwickelt (Kerne der Infusorien); b) indem sich der Kernsaft und die eigentliche Kernsubstanz sondern, wobei dann der Kernsaft «) unregelmässig im Kerne vertheilt wird und zahlreiche Vacuolen bildet ß) sich Eschen Kernmembran und Kernsubstanz ausbreitet und so die Bildung von Kernkörperchen veranlasst (bei den meisten pflanzlichen und thierischen Zellen). c) Indem ein ernährendes Protoplasmanetz durch die Poren der Mem- bran in die Kernhöhle eindringt und den vom Kernsaft erfüllten Hohlraum durchsetzt. Den ersten dieser Sätze wird wohl jeder neuere Histiolog unterschreiben ; wenn nicht Auerbach, der früher die Kernkörper- chen mit der Substanz junger Zellen identisch nannte, noch an dieser Ansicht festhalten sollte. Der zweite Satz ist ebenso unbestreitbar und ebenso wenig neu, in so fern wir uns ja alle lebenden Eiweisskörper und eiweiss- artigen Körper von Flüssigkeit durchtränkt oder darin aufgequollen vorstellen müssen, und diese Flüssigkeit für besondere Gewebstheile auch gewiss vielfach eine besondere sein wird. Der dritte Satz ist schwerlich haltbar. Wenn wir anzunehmen haben, dass in den Kernen einer Menge von Zellenarten, deren In- halt man bisher, abgesehen von den Nucleolen, entweder für »klar« oder für »homogen« oder für »granulirt« gehalten hat, eine gerüst- förmige Differenzirung der Substanz vorhanden ist, wenn aber diese Beschaffenheit sich bis jetzt nur an besonder günstigen, durch Grösse ausgezeichneten Objeceten wirklich sehen lässt: so wird man gewiss nicht behaupten dürfen, dass die zarten kleinen »primitiven Kerne« nicht ähnliche oder andere Bauverhältnisse besitzen, von denen bisher Niemand etwas gesehen hat). 1) Beobachtungen, die ich kürzlich auf Sylt über die Entwickelung von Echinus miliaris machte, geben mir hierfür gerade noch einen Beleg in in die Hand. R. Hertwig betrachtet den centralen Pronucleus (Eikern n. 0. Hertwig) der vor der Theilung stebenden Eizelle als besonders typisches Beispiel eines structurlosen primitiven Kerns. Bei Echinus zeigt nun der 710 Walther Flemming: Zu 4): Dass sich Kernmembranen entwickeln, wie bei den Infusorien, so bei den weitaus meisten Zellen, ist bekannt. Was aber die folgenden Punkte angeht, so wird uns eine derartige Eintheilung der Kerne nach Vertheilung von Kernsubstanz und Kern- saft wenig befriedigen können, wenn wir wissen, dass z. B. in der Substanz, die H. sub 4b % als Kernsaft ansieht, noch ein gerüstartiger Bau vorhanden ist. Vielleicht können wir dahin übereinkommen, den Namen Kernsubstanz und Kernsaft auf die Substanz des Gerüstes und dessen Zwischensubstanz zu übertragen; doch ist für den letzteren Fall einige Vorsicht nöthig, da man doch nicht weiss ob die Sub- stanz auch wirklich überall flüssig ist. Besonders aber hat mich der letzte Punkt überrascht. Hert-., wig, der die Gerüste aus eigener Anschauung nur am Kern des Seeigel- und Froscheies kennen gelernt hat, ist erstens der Meinung, dass ihr Vorkommen auf »hoch differenzirte Kerne beschränkt sei« — dies wiederlegt sich wohl durch das hier Mitgetheilte, oder wir müssten denn die meisten Kerne des Wirbelthierkörpers ebenfalls hoch differenzirt nennen. Denn an der Präexistenz der Netze in ihnen zu zweifeln ist Hertwig gewiss nicht in der Lage, nachdem er die Netze in den Eizellenkernen, also von nicht mehr sicher lebendigen Präparaten, doch ohne Bedenken für natürliche Structur genommen hat. Zweitens nimmt Hertwig ganz ernstlich an, dass das Netz- werk von aussen »durch die Poren der Kernmembran« in den Kern hineingewachsen sei (p. 77, 78—79), und hier eine ernährende Function ausübe. Wenn hieran zu denken wäre, so würde dasselbe auch für die übrigen hier beschriebenen Kernarten zu gelten haben und der Verfasser käme damit in eine ziemliche Uebereinstimmung mit Heitzmann, welcher überall ein durch die Kernwand hindurch zusammenhängendes »Protoplasmanetz« in Zelle und Kern annimmt. centrale Pronucleus nach Chromsäure- und Chromkalibehandlung nicht nur eine Anzahl von Körpern in seinem Innern, die an den Pronuclei anderer Eier übrigens schon von Anderen (Auerbach, van Beneden) dargestellt wurden, sondern auch Netzfäden, die diese Körper verbinden. Am frischen Objeet sieht man sie freilich nicht mit hinreichender Deutlichkeit; und Oscar Hertwig, der die betr. Kernkörper an Chrompräparaten vom Toxopneustes- Ei ebenfalls erwähnt (p. 65), betrachtet sie als Artefacte. Ich sehe aber nicht ein, weshalb die Resultate der Chromwirkung gerade an diesem Object Kunst- producte sein sollen, während dieselbe z.B. an den Eierstockseiern dieselben Netze, die hier auch frisch zu sehen sind, getreu und nur verschärft sicht- bar macht. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 11 Netzartige Anordnungen nun im Plasma der Blasenepithel- zellen finde ich an den mit Reagentien behandelten Objecten, deren Kerne Gegenstand dieser Abhandlung sind, allerdings in der deutlichsten Weise, und habe begonnen, mit Rücksicht auf Heitzmann’s Angaben sowie besonders die Befunde Kupffers an Drüsenepithelien, diesen Verhältnissen weiter nachzugehen. Ich kann aber vorläufig nur aus- sagen, dassich mich trotz der Grösse derObjecte bis jetzt weder von »Poren« in der Kernwandung noch von einem Zusammenhang von ‚Balken im Plasma mit den Balken des Kernes habe überzeugen können; wozu nebenbei noch bemerkt sein soll, dass die Netze im Plasma und die im Kern bei gleicher Behandlung sehr verschieden sich verhalten. An anderen Zellen sind die Netzbilder nicht in der Art vorhanden, wie an den Epithelien. Jedenfalls vermag ich an den wohlerhaltensten Kernen, die die dicksten, deutlichsten Membranen zeigen, an deren Profil nicht die Spur von Lücken oder Poren wahr- zunehmen. Ohne die Ansichten Heitzmann’s über die allgemeine netzförmige Struktur des Protoplasma angreifen zu wollen, vielmehr vorläufig in dem Glauben, dass viel Wahres daran sein mag, ohne aber auch bis jetzt behaupten zu können, dass die eben erwähnten Netze im Epithelplasma Natur und nicht Kunst seinen — muss ich doch sagen, dass mir nach Allem was ich gesehen, ein Zusammen- hang der Kernnetze mit Dingen ausserhalb des Kernes noch durch nichts erwiesen zu sein scheint. In Hertwigs Aufsatz finde ich auf alle Fälle nichts, wodurch ein solcher Nachweis geführt wird; und unter diesen Umständen scheint mir die Hypothese, »dass ein ernährendes Protoplasmanetz durch die Membran in die Kernhöhle eindränge«, ganz in der Luft zu stehen. — Ich habe Anlass, den Verfasser für diesen kleinen An- griff um Entschuldigung zu bitten, da er selbst in bescheidenster Weise seinen Definitionsversuch nichts Anderes nennt, als eine Zu- sammenfassung bekannter Thatsachen unter einem allgemeinen Ge- sichtspunkte. Ich opponirte, weil mir die Thatsachen, die ich als solche zugeben kann, zu bekannt scheinen, um noch einer Anführung zu bedürfen, und weil ich für alles Uebrige der Meinung bin, dass es sich eben noch nicht so rasch unter einheitlichen Gesichtspunkt bringen liess; vor Allem aber weil das Ganze ein passendes Beispiel dafür bietet, dass die besten Beobachter irre gehen können, sobald sie sich auf frühzeitiges Schematisiren einlassen. Das Wort »protoplasmatisch«, das R. Hertwig als Attribut des 712 Walther Flemming: Netzwerks benutzt und das Oscar Hertwig (p. 6) auch mir zu- zuwenden scheint, habe ich ebenso wenig in Beziehung zu den Ge- rüsten der Kerne, als auch sonst je im Ernst gebraucht und halte es hier für höchst unglücklich, eben weil der Missverstand dadurch entstehen konnte, als handele es sich nicht um einen Theil des Kernes, sondern um etwas Hereingewachsenes. Wie ich denn überhaupt in dem Ausdruck »protoplasmatisch« irgend etwas Definirendes oder sonst Beglückendes nicht zu finden vermag; so lange wir vom Protoplasma fast nicht mehr wissen, als dass es in verschiedenen Zellen sehr verschieden beschaffen zu sein scheint. Während ich ein näheres Eingehen auf die übrige Literatur auf spätere Gelegenheit verschiebe, möchte ich doch hier schon vor- läufig zu den interessanten ResultatenSchwalbe’s über die Kerne der Ganglienzellen (8) Stellung nehmen, die von den hier citirten jedenfalls am sorgfältigsten auf die allgemeine Seite der Sache ein- gehen. Schwalbe beschreibt die kleinsten, jüngsten Ganglienzellen- kerne als »scheinbar aus einer gleichmässig vertheilten, granulirten Masse bestehend«, die »wahrscheinlich auf eine netzförmige Structur zurückzuführen sei«e — und es wird diese, wie weiter unten ausge- sprochen ist, als gleichbedeutend mit einer Durchsetzung mit kleinen Vacuolen angesehen. Indeni diese Vacuolen wachsen, sollen nach Schwalbe die Zwischenwände immer mehr ausgedehnt und rarefieirt werden, bis sie auf die Kernwand, die Nucleolen und die geringen Bruchstücke von Netzfäden reducirt sind, die er in den ausgewachsenen Kernen gefunden hat. An diesen Letzteren soll der bei weitem grösste Theil des Inhalts klare Masse sein. Der ganze Process sei also eine Va- cuolisirung. Ich habe nun mit Bezug darauf zu erinnern, dass man alle die hier besprochenen Arten von Kernen, in denen allen dichte Netze zu sehen sind, ja unmöglich als junge ansehen kann); und dass also, wenn man die netzförmige Structur einmal zugiebt, wie es Schwalbe ja thut, auch die Annahme gemacht werden muss, dass die Netze auch im ausgewachsenen Kern eine perma- nente oder doch nur zeitweilig unterbrochene Rolle haben. Ob sie 1) Wenn ich im Eingang sagte, dass junge Thiere am vortheilhaftesten seien, so bezieht sich dies nur auf die Fibrillenarmuth bei jenen. Die von mir untersuchten jungen Thiere, von denen ich nur drei hatte, waren schon über fingerlang und übrigens stammen die meisten Abbildungen von ganz ausgewachsenen, bei denen sich die Kerne ganz wie bei jungen verhalten. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 713 nun allen Kernen zukommen, ist damit nicht entschieden. Wenn Schwalbean den Ganglienzellen nurBruchstücke und theilweise gar nichts daran sah, so kann das zwei Gründe haben. Entweder fehlen sie dieser Kernart wirklich, oder sie sind im frischen Zustand hier zu blass um gesehen zu werden; dass das Letztere möglich ist, dafür giebt meine obige Beschreibung ja hinreichende Belege. Darum dürfte es sich wohl nicht empfehlen, dass man, wie Schwalbe, einen derartigen negativen Befund an einer Zellenart benutzt, um darauf eine Theorie über die Bedeutung der Nucleolen zu gründen; um so weniger, da die oben besprochenen Färbungsresultate ergeben, dass die Kernkörperchen jedenfalls nicht bloss lokale Anhäufungen derNetzsubstanz, sondern etwasindieser Differenzirtes sind, oder mindestens in vielen Fällen sein können. Zusammenhänge von Fortsätzen des Kernkörperchens (d. i. also offenbar Balken der hier beschriebenen Gerüste) mit der Kern- wand scheint Schwalbe nicht constatirt zu haben (vgl. l.c. p. 29 und 37), und anzunehmen, dass dieselben im Innern des Kerns zu- gespitzt enden (p. 29). Ich muss dem gegenüber nach dem Obigen solche Zusammenhänge als das Regelmässige betrachten, obwohl sie oft, namentlich am lebenden Object, wegen ihrer Zartheit nicht zu sehen sind. Dagegen komme ich mit Schwalbe darin ganz überein, dass Zusammenhänge der Balken durch die Kernwand mit eventuellen Netzen im Plasma der Zellen auch mir unerfindlich waren. Ein Punkt, der mir sehr auffällig gewesen ist, muss zum Schluss noch erwähnt werden. Bei keiner der hier: beschriebenen Behand- lungsweisen der Salamanderblase gelingt es mir bis jetzt, in den Kernen, die doch gerade durch ihre Grösse gute Chancen dafür boten, die von Eimer entdeckte Anordnung kleiner Körner im Kern nach concentrischen Zonen zu sehen. Ich kenne diese Bilder nach Eimer’schen und eigenen Präparaten (Osmiumsänre, Gold, Pikro- karmin-Essigsäure) gut genug, um mit Eimer von ihrem häufigen Vorkommen überzeugt zu sein, sie sind ja auch durch Auerbach bestätigt, der ihnen freilich eine andere Deutung als der Entdecker giebt. Dass man sie so, wie sie sind, als ein Strukturverhältniss des lebenden Kerns anzusehen habe, scheint auch mir durch nichts erwiesen, aber es kann ihrem Auftreten bei bestimmter Behandlung jedenfalls doch eine natürliche Bedingung im Kern zu Grunde liegen. Wenn dem so ist, so werden die weiter erforderlichen Bedingungen durch die hier gebrauchten Reagentien nicht erfüllt, und es wird 714 Walther Flemming: auf ferneres Probiren ankommen, um über die Sache ein Urtheil zu gewinnen. Im Anhang notire ich vorläufig noch einige andere Punkte hinsichtlich der Bestandtheile der Blasenwand, die ich weiter zu untersuchen im Begriff bin. Die organischen Muskelzellen der Blase von Salamandra zeigen sowohl lebend, als nach Behandlung mit Reagentien die Längs- streifung, die ja schon anderweitig (Arnold) bekannt ist, in einer vorzüglichen Deutlichkeit. Diese Muskelzellen sind, wo sie einzeln laufen, sehr vielfach nicht spindelig, sondern 3—4- bis selbst 6-fach verästelt (Fig. 4 u. 5). Ich zweifle darum nicht mehr daran, dass die verästelten Fasern in der Wand kleiner Lymphgefässe, die ich kürzlich beschrieb (ds. Arch. Band XID, in der That Muskelfasern sind. — Das Vorkommen von dreifach getheilten Muskelzellen ist übrigens auch bereits von Klebs!) und Arnold (Strickers Handbuch) an der Blase des Frosches be- schrieben worden. Ich muss aber zweifeln, ob Arnold damit die- selben Dinge im Auge gehabt hat, die ich hier meine, da er an- giebt, die trichotomischen Fasern fänden sich vorzugsweise an den Theilungsstellen der grösseren Bündel, während sie, wie gesagt, viel- mehr grade als frei verlaufende Fasern in den Maschen vorkommen, die von den Netzen der gröberen Bündel gelassen werden und zwar sowohl bei Rana wie bei Salamandra. Ich bemerke, dass man diese einzeln laufenden Fasern nur dann sicher an erhärteten Präparaten erkennen und verfolgen kann, wenn man ausser dem Epithel auch das Endothel der Blase entfernt hat, oder auch an dem sehr durch- sichtigen lebenden Object; ohne diese Massregeln wird man sie meist mit verästelten Bindesubstanzzellen verwechseln, jedenfalls nicht sicher von solchen unterscheiden können. I Ueber die Nerven der Muskeln und die übrigen orientirte ich mich mittelst der Löwit’schen Goldmethode ?), die für das Object in der That bis jetzt unübertrefflich ist. Für die Muskelnerven finde ich durchaus bestätigt, wasLöwit a. a.O. mitgetheilt hat und was ich zum Theil schon an dessen Präparaten gesehen hatte. Es scheinen mir aber ausser den für die Muskeln bestimmten noch andere in der Blasenwand nachweisbar. ae Virchow’s Arch. Bd. 32, 1865, p. 174. 2) Löwit, Ueber die Nerven der glatten Musculatur. Wiener Sitzungs- bericht 1875. Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. 715 Ueber das Epithel erwähne ich, dass darin constant in grösseren Abständen Zellen von ziemlich gleichmässiger Vertheilung, starkem Glanz und gelblicher Farbe vorkommen, die eigenartige Reaktionen zeigen. Die Fibrillenbündel der Bindesubstanz sind sehr fein, aber leim- gebend. Die Bindesubstanzzellen (Fig. 4) zeigen sich als vielfach verästelte und zusammenhängende Figuren. Dem entspricht das Goldpräparat. Es muss aber natürlich offen bleiben, ob dies die ganzen Zellen sind, oder nur verzweigte Plasmamassen, die auf je einer Zellplatte lagern. Literatur, auf deren Nummern im Text verwiesen ist. (Nach der Reihenfolge der Publikation.) 1. N. Kleinenberg, Hydra, pag. 41. 2. Th. Eimer, Die Schnauze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 7, pag. 189, 1870 und: Ueber die Eier der Reptilien, ebenda im folg. Bande. (S. Nr. 4). 3. ©. Heitzmann, Untersuchungen über das Protoplasma, I u. I, Wiener Sitzungsberichte, 17. April u. 23. Mai 1873. 4. L. Auerbach, Organologische Studien. Heft I, 1874. (Nr. 2 und 4 enthalten nichts über Gerüste im Kern.) 5. W. Flemming, Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden. Wiener Sitzungsberichte, 4. Febr. 1875. 6. Ed. Strasburger, Ueber Zellbildung und Zelltheilung. Jena Mai 1875. 7. C. Frommann, Zur Lehre von der Struktur der Zellen. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. B. 11, S. 180. 8. G. Schwalbe, Bemerkungen über die Kerne der Ganglienzellen. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, Mai 1875. 9. 0. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Habilit.-Schrift, Leipzig. August 1875. 10. Edouard van Beneden, La maturation de l’oeuf, la f&condation et les premieres phases du developpement embryonnaire des Mammiferes. Bull. de P’acad. Royale de Belgique, 2. Ser. t. 40, 1875. 11. Derselbe. Contributions & l’histoire de la vesicule germinative et du premier noyau embryonnaire. Ebenda, janv. 1876. 12. W. Mayzel, Ueber eigenthümliche Vorgänge bei der Theilung der Kerne in Epithelialzellen. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. Nr. 50. 13. C. Kupffer, Ueber Differenzirung des Protoplasma an den Zellen thierischer Gewebe. Vortrag, gehalten im physiologischen Verein zu Kiel. 716 Walther Flemming: Schriften des naturwiss. Vereins für Schleswig-Holstein; Heft 3, S. 222; so- wie desselben Angaben über Struktur der Speicheldrüsenzellen von Blatta in: Beitr. z. Anat. u. Physiologie, als Festgabe für Carl Ludwig, 1875. 14. 0. Bütschli, Studien über die ersten Entwicklungserscheinungen der Eizelle. Frankf. 1876. 15. Richard Hertwig, Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. Morphol. Jahrbuch 1876, Bd.2. H. 1, 1876. p. 63. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XL. Fig. 1a—d. Kerne der lebenden Harnblasenwand von Salamandra Fig. le. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. maculata, ohne Zusatz, mit Hartnack Syst. 8 u. 9. & imm. u. Oc. 3 gezeichnet. a und a‘ Bindesubstanzkerne, b Endothelkerne der Aussenfläche, ce Muskelkern, d Nervenkern. Kern einer Knorpelzelle vom Femurkopf von Salamandra, relativ dieker Schnitt, ohne Zusatz, etwa 20 Sekunden nach dem Ab- schneiden beobachtet. Epithelkern der frischen Blasenwand unmittelbar nach Zusatz von verdünnter Essigsäure und Glycerin. 9. 3. halb eing. Tub. (Für diese Fig. ist zu bemerken, dass die kleinen hellen, dunkel- contourirt gezeichneten Kreise nicht Nucleolen, sondern opti- sche Querschnitte der Balken des Kerngerüstes darstellen. Ein grösserer Nucleolus und drei Nebennucleolen sind zum Unterschied davon in der Abbildung ganz dunkel angegeben. 9. 3. Ein Bindegewebskern der Blase nach Aufspritzung mit dünner Os- miumsäure und Färbung mit Pikrocarmin. Die rothgefärbte Substanz ist von der Kernmembran an einigen Stellen zurückgezogen. Zwei grössere und ein kleinerer Nucleolus sind deutlich. Von Netzen nur Andeutungen. 9. 3. Chromsaures Kali, Hämatoxylinfärbung. Ein Stück der Blasenwand nach Abpinselung des Epithels, die Fibrillen sind weg- gelassen. (Concentration des Chromkali 2 p. ce.) M Muskelzellen, eine davon trichotomisch, e Endothelkerne, b Binde- substanzzellen mit ihren Kernen, An den Muskelzellen deutliche Längsstreifung. In den Kernen die Gerüste stark blau gefärbt, die übrige Substanz blasser, doch stärker wie das Plasma der Zellen. Ein Muskelkern, ein Endothelkern und ein Bindesubstanzkern (bei * * *) sind blasser gefärbt und haben blassere Netze, wie die übrigen. 8. 3 eing. Tubus. Mitteltheil einer 6fach verästelten Muskelzelle mit deutlicher Fi- Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns. MET brillenstructur, gleiche Behandlung wie Fig. 4, Imm. 10. Oe. 3. eing. Tub. Fig. 6. Endothelkern, ebenso behandelt, Imm. 10. Oc. 3, etwas eing. Tubus. [In beiden Kernen sind keine Kernkörperchen zu unterscheiden ; die dunkel gezeichneten Punkte entsprechen optischen Quer- schnitten der blau gefärbten Netzbalken.] Fig. 7. Behandlung mit concentrirtem Kali bichromicum und Carmin- ammoniak. A Muskelkern, b Epithelkern mit dem angrenzenden Plasma der Zellen, das reticulirt aussieht. a: 8, 3. b: 10 & imm. 3. An den Kernen ist das Netzwerk und die Kernwand ohne Carmin- farbe geblieben, blassgelb (hier hell dargestellt), während der übrige Kerninhalt rosenroth ist (dunkler gezeichnet). (Bei vorheriger An- wendung von schwächerem Chromkali kann man auch das Netz- werk und die Membran röthen.) Kernkörperchen sind auch hier wieder richt deutlich zu sehen, nur optische Querschnitte von Balken. Fig. 8. Chromsäure-Carmin. Endothelkern und Bindesubstanzkern. Grössere und kleinere Nucleolen sind deutlich gefärbt sichtbar, auch die Membran und das Netzwerk hat Carminfarbe. 8. 3. eing. Tub. Fig. 9. Bindesubstanz-, Epithel- und Muskelkerne, nach Hermann’scher Anilinbehandlung (Alkohol, Safranin, Alkohol, Nelkenöl). In dem Netzwerk, das blass rosenroth geblieben ist, sind crass ge- färbte Stellen, in den verschiedenen Kernen von ganz verschiedener Menge und Vertheilung, welche nicht alle Nucleolen sein können, weil so viele grössere Nucieolen, wie z. B. in a, b und d, mit andern Methoden nicht darstellbar sind. 7. 3. Nach Rückbehandlung (Alkohol, Wasser, dann Essigsäure) sind in den sämmtlichen Kernen die dunklen Anilinflecken und selbst die Andeutung ihrer Stellen verschwunden, dieKerne gewähren nun ganzdie Bilder wie nach blosser Essigsäurebehandlung (s. Fig. 2). Fig. 10. Kerne der äusseren Körnerschicht der Retina, Katze, nach Her- mann’scher Anilinbehandlung. Die Querschichtenstruktur der Kerne drückt sich in scharfem Farbenunterschied der abwechselnden Schichten aus. Die mit Reagentien behandelten Präparate sind, so weit darüber nichts Besonderes bemerkt wurde, in Wasser untersucht und con- servirt, da Glycerin oder ätherische Oele die Gerüste weniger deut- lich lassen. Ich bemerke noch, dass in der Schärfe der Netzzeich- nungen nichts übertrieben, sondern darin möglichst genau dem Präparat gefolgt wurde. (In einigen Figuren, besonders 1 und 8, sind die Netzbalken 3. Th. im Stich allzu zart und dünn ausgefallen.) 718 Berichtigung. Berichtigung. Von Professor E. Klein (London) ist der Redaction nach- stehendes Schreiben eingesendet worden: Ich bitte Sie im Interesse der Sache die folgende Berichtigung, die ich im Namen des Herrn J. Mac Carthy schreibe, in das Archiv für mikroskopische Anatomie aufzunehmen. In seinem Aufsatze: »Ueber den feineren Bau der markhalti- gen Nervenfasern« (dieses Archiv Bd. 13) sagt Herr Dr. Lanter- man folgendes: »Mac Garthy bespricht auch meine Angabe« (se. die Zu- sammensetzung der Markscheide aus Stäbchen) »aber in einer nicht zu billigenden Weise, indem er das Falsche daran eitirt, das Rich- tige, und zwar einen Vergleich, den er selbst braucht« (sc. mit den Stäbchen, die Heidenhain an den Nierenepithelien entdeckte) »auslässt, so dass er dann sagen kann, es habe noch Niemand vor ihm diese Bildungen gesehen.« Eine Sprache wie die von Herrn Dr. Lanterman hier geführte, ist ganz und gar ungerechtfertigt, und zwar aus folgenden Gründen: 1) War der Aufsatz des Herrn Mac CGarthy — wie ich bestätigen kann — geraume Zeit beendet, ehe derselbe durch die »Jahresberichte der Anatomie und Physio- logie« von Virchow und Hirsch auf die Mittheilung des Herrn Dr. Lanterman im Centralblatte aufmerksam gemacht worden war; aus dieser Mittheilung hat nun Herr Mac Carthy folgendes eitirt: »Lanterman is inclined to agree with Stilling in regarding the medullary sheath as composed of small tubules and then makes very brief allusion to rodlike bodies such as I describe, seen by him in osmic acid preparations«. In dem ersten dieser Sätze sagt also Herr Mac Carthy, dass Herr Dr. Lanterman seine Bildungen mit den von Stilling beschriebenen vergleicht, was darin seine Begründung hat, dass Herr Dr. Lanterman diesen Vergleich thatsächlich anstellt und demselben eine verhältnissmässig hervorragende Stelle in seiner Mittheilung im Centralblatte ein- räumt. In seiner zweiten Mittheilung jedoch (in diesem Archiv Bd. 13) findet Herr Dr. Lanterman nach Einsicht in den Stilling’schen Originalaufsatz — was in seiner ersten Mittheilung unterlassen wurde — dass dieser Vergleich nicht richtig ist und dass seine Stäbchen von den Stilling ’schen Bildungen ver- Berichtigung. 719 schieden sind. Wenn also Herr Mac Carthy in dem ersten Satze etwas eitirt, was Herr Dr. Lanterman jetzt als »falsch« zugiebt, hat er doch nach obiger Auseinandersetzung nicht das Recht sich darüber zu beklagen. Ebenso fehlt die Berechtigung den Worten des Herrn Dr. Lanterman, dass Herr Mac Carthy »das Richtige« der Lanterman’schen Angabe »auslässt, so dass er dann sagen kann, es habe noch Niemand vor ihm diese Bildungen ge- sehen«, indem Herr Mac Carthy in dem zweiten Satze seines obigen Citates ausdrücklich zugiebt, dass die Stäbchen der Markscheide, wie sie von ihm (Mac Carthy) beschrieben werden, mit den von Dr. Lanterman an ÖOs- miumpräparaten beobachteten identisch sind. 2) Dass Herr Mac Carthy bei Erwähnung der Stäbchen der Markscheide an die von Heidenhain an den Nierenepithelien be- schriebenen Bildungen erinnert, ist das Resultat einer Besprechung mit mir, und ist ein solches Hinweisen auf den Heidenhain’schen Befund einfach dadurch erklärt, dass — was Herr Dr. Lanterman übersehen zu haben scheint — Herr Mae CGarthy mitdemselben Reagensgearbeitet (i.e.einfach chromsauresAmmoniak), dessen Anwendung Heidenhain für das Demonstriren der Stäbchen im Nierenepithel empfiehlt und bei dieser Gelegen- heit in die mikroskopische Technik eingeführt hat. Dass die Stäbchen präformirte Gebilde sind, ist jetzt sehr wahr- scheinlich, nachdem dieselben von Herrn Dr. Lanterman auch an ÖOsmiumpräparaten nachgewiesen wurden, allerdings nicht so schön und deutlich — wenn man nach der den Aufsatz des Herrn Dr. Lanterman begleitenden Abbildung urtheilen soll — wie nach Behandlung mit einfach chromsaurem Ammoniak. London, 5. August 1876. E. Klein. Zusatz von Prof. Waldeyer. Bezüglich der vorstehenden Berichtigung der Herren E. Klein und Mac Carthy sehe ich mich zu nachstehender Bemerkung ver- anlasst: Der betreffende Passus des Lanterman ’schen Aufsatzes rührt von mir her. Lanterman’s Manuscript war bereits in Druck ge- geben, als Mac Carthy’s Arbeit mir zukam. Sollte also noch ein Zusatz, der mir unbedingt nöthig erschien, gemacht werden, so musste 720 Berichtigung. ich, da mir auch Lanterman'’s Adresse zur Zeit unbekannt war, selbstständig vorgehen. Ich nehme natürlich die Verantwortlichkeit allein auf mich. Es liegt mir fern anzunehmen, dass Mac Carthy mit der Absicht, sich die unbedingte Priorität zu sichern, die Angaben Lanterman’s aus dessen vorläufiger Mittheilung so citirt hat, wie es geschehen ist. Eine derartige Imputation liegt auch nicht in den von mir ge- brauchten Worten. Aber ich muss meine Ansicht, dass es sich um ein unvollständiges und darum zu Missverständnissen Anlass gebendes Citat handelt, aufrecht erhalten. Niemand wird aus den Worten Mac Car- thy’s: »Lanterman is inclined to agree with Stilling in regarding the medullary sheath as composed of small tubules and then makes very brief allusion torodlike bodies such asI describe seen by him in osmic acid preparations« entnehmen können, dass Lanterman so genau und so bestimmt, alsesin einer kurzen vorläufigen Mittheilung geschehen kann, dasselbe beschrieben hat, als Mac Carthy. Wenn ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass Lanterman die fraglichen Bildungen der Markscheide mit den Stilling’schen Röhrchen verglichen habe, so musste, meiner Ansicht nach, auch gesagt werden, dass er sie auch in viel bestimmterer Fassung mit den Heidenhain’schen Stäbchen vergleicht, zumal dieses der Vergleich ist, den Mac Carthy selber gebraucht. Um so mehr musste dies geschehen, als Mac Carthy an einer andern Stelle sagt: »He (sc. Lanterman) makes numerous quotations, proving that Fontana, Valentin, Ehrenberg, Kölliker and many others have remarked in the coagulated medulla irregular masses, which with various veagents showed rods either single or united in a retiform manner, but in no publication have I been able to find anything corresponding to what J have described and figured as the arrangement of these structures«. Hier ist doch offenbar Lanterman’s vorläufige Mittheilung eingeschlossen. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. I. Mittheilung. Die Fermentbildung in den Drüsen. Von Dr. Moritz Nussbaum, Assistent am anatomischen Institut zu Bonn. Hierzu Taf. XLIII. Durch die Untersuchungen Heidenhain’s und seiner Schüler hat die Histologie der Drüsen einen neuen fruchtbaren Weg betre- ten. Die Entdeckung cyclisch verlaufender, an die Function ge- bundener histologischer Veränderungen hat gleichsam eine zweite Entwicklungsgeschichte geschaffen, indem hier wie dort nicht allein die Form, sondern auch die Bewegung gleiches Interesse in An- spruch nimmt. Einer glücklichen Verbindung des morphologischen Studiums mit dem physiologischen Experiment danken wir einen Einblick in die räthselhafte Thätigkeit der Drüsen, der ungleich weiter führt als die Erfahrungen der -uncombinirten Methoden. Immerhin aber haben sich die Erscheinungen noch biegsam genug erwiesen, um in verschiedener Weise erklärt zu werden: ein ein- heitlicher Gesichtspunkt ist noch nicht gewonnen. Dies gilt sowohl für die Regeneration der Epithelien, als auch ganz besonders für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung: die Fermentbildung in den Drüsen. Reiche Literatur haben die Untersuchungen über das Pepsin und seine Bildungsstätte angehäuft; unsere Kenntnisse über die Pankreasfermente sind erst jüngeren Datums und werden, was den Bildungsmodus anbelangt, ausschliesslich den Studien Heiden- hains verdankt; über die Art und den Ort der Fermentbildung in den Speicheldrüsen ist noch nichts bekannt. Ehe ich nun dazu übergehe, die von den einzelnen Organen dargebotenen Verhältnisse durchzugehen, sei es mir erlaubt, die angewandten Hülfsmittel und Methoden in kurzen Worten zu be- sprechen. Im August d. J. hatte ich der Niederrheinischen Gesellschaft Mittheilung über die Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf unge- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13. 46 722 Moritz Nussbaum: formte Fermente der Speichel- und Labdrüsen sowie des Pankreas gemacht. Die Fermente dieser Drüsen färben sich nämlich in wässriger Lösung mit 1°/, Ueberosmiumsäure zusammengebracht erst braun, nach kurzer Zeit aber tief schwarz. — Zur Darstellung der Fermente bediente ich mich der von Wittich angegebenen Methode; benutzte die Präparate aber erst nach mehrfacher Fällung mit Al- kohol und sorgfältigem Trocknen bei 38° ©. Dies ist nöthig, weil sowohl Alkohol als Aether mit Ueberosmiumsäure eine empfindliche Farbenreaction geben. Alkohol wird wie Fett blauschwarz; Aether braunschwarz auf Zusatz von Ueberosmiumsäure. — Setzt man die Fermentlösungen im zugeschmolzenen Glasrohr ungefähr eine Stunde der Siedehitze aus, wodurch bekanntlich ihre verdauende Kraft zerstört wird, so bringt Ueberosmiumsäure keine Schwärzung mehr hervor. Die Aufhebung der Reaction bei längerem Erhitzen auf 100°C. lässt die grösste Aehnlichkeit im Verhalten der Fermente und der Tracheenendzellen in den Leuchtorganen der Lampyris splendi- dula !) der Ueberosmiumsäure gegenüber erkennen. Die lebend in Ueberosmiumsäure gebrachten Leuchtorgane zeigen in höchst zierlichem Bilde tiefschwarze reich verästelte Tracheenendzellen; man sucht vergebens danach, wenn vor der Ein- wirkung der Ueberosmiumsäure das Thier abgetödtet war. In beiden Fällen, sowohl bei Fermenten als bei den Leucht- organen der Lampyris splendidula ist somit für den Eintritt der Schwärzung durch Ueberosmiumsäure die Integrität der specifischen Wirksamkeit unbedingtes Erforderniss. Auch frische Hefe, deren energisches Reductionsvermögen be- kannt ist ?2), schwärzt sich, wie ich beiläufig erwähnen will, in Ue- berosmiumsäure und zwar schneller bei 58—40° C. als bei niederer Temperatur. Bei den Hefezellen schwärzen sich die in grösserer oder geringerer Zahl vorhandenen, in frischem Zustande mattglän- zenden Granula; der Zellkern wird auf Zusatz von Ueberosmium- säure unsichtbar. Die Stärkemehlkörner bleiben ungefärbt. Es kam darauf an, diese Reaction der Ueberosmiumsäure auf Fermente in den Geweben selbst zu prüfen. In der That gelang — Sg 1) M. Schultze: Zur Kenntniss der Leuchtorgane. von Lampyris splendidula. Archiv f. mikr. Anat. Bd. I], pag. 124. 2) M. Traube: Theorie der Fermentwirkungen. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 723 es, in allen bisher von mir untersuchten Drüsen, deren Secret fer- mentirend auf die Ingesta wirkt, bestimmte Zellen aufzufinden, die nach ihrem jeweiligen Gehalt an Ferment durch Ueberosmiumsäure mehr oder weniger geschwärzt wurden; während die Drüsen ohne verdauungskräftiges Secret sich der Ueberosmiumsäure gegenüber indifferent verhielten. Es gelang ferner ebensowohl durch andau- ernde Secretion in Folge von Nervenreizung, als durch Extraction des Drüsenferments mittels Glycerin oder Wasser die Schwärzung der characteristisch gruppirten Zellen aufzuheben. Zur strengeren Controle verfuhr ich bei der Untersuchung folgendermassen : Ein Stück der Drüse wurde lebenswarm in 1°/, wässrige Ue- berosmiumsäure für 1—2 Stunden eingelegt. (Hier will ich gleich bemerken, dass bei allen vergleichenden Versuchen gleich grosse Gewebstücke gleich lange in derselben Quantität der Säure ver- blieben). Ein anderes Stück wurde 2—3 Tage lang mit oder ohne vorherige Erhärtung in absolutem Alcohol durch Glycerin extra- hirt und erst dann der Einwirkung der Ueberosmiumsäure ausge- setzt. Der Rest der Drüsen diente zur Anfertigung von Extracten für Verdauungsversuche. Auf diese Weise untersuchte ich bis jetzt die Speicheldrüsen verschiedener Säugethiere ; die Labdrüsen bei Säugern, Vögeln und Amphibien; das Pankreas des Frosches. 1. Speicheldrüsen. Der Bau der Speicheldrüsen ist von Pflüger!) zuerst rich- tig beschrieben worden. Mit Rücksicht auf die divergirenden An- gaben der jüngsten Arbeit?) über diesen Gegenstand halte ich es für nöthig, das Wesentliche in Grundlage eigner Untersuchungen hier kurz zu recapituliren und verweise dabei auf Fig. 2. Das in den Alveolen gebildete Secret fliesst durch kurze mit 1) Pflüger: Die Endigungen der Absonderungsnerven in den Speichel- drüsen, pag. 10: „Gewöhnlich ist der Uebergang der Alveolen in die Spei- chelröhren durch einen längeren mit Plattenepithel belegten Schlauch bedingt.“ 2) M. Lavdowsky: Zur feineren Anatomie und Physiol. d. Speichel- drüsen. Arch. für mikr. Anat. Bd. XIU. pag. 281. 724 Moritz Nussbaum: Plattenepithel ausgekleidete Gänge in das weit verzweigte Röhren- system des Ausführungsganges ; hier findet sich ein nach der Peri- pherie hin an Mächtigkeit zunehmendes einschichtiges Cylinderepi- thel mit gleichfalls secretorischer Function. Die Alveolen und Aus- führungsgänge sind von einer Membrana propria umschlossen, die eine lückenlose continuirliche Haut darstellt. Es ist längst bekannt, wie sehr die einzelnen Speicheldrüsen bei verschiedenen Thieren im Baue von einander abweichen. Als Urtypen werden mit Vorliebe die Submaxillaris des Hundes (Schleim- drüse) und die Submaxillaris des Kaninchen (seröse Drüse) einan- der gegenübergestellt.e. Während es nun Heidenhain gelang, ausgesprochene anatomische Veränderungen durch die Secretion an der Hundesubmaxillaris hervorzurufen , blieben ähnliche Be- mühungen an der entsprechenden Drüse des Kaninchen erfolglos !). Hier fehlt somit das anatomische Bild als Ausdruck des jeweiligen physiologischen Zustandes. Was jedoch mit Benutzung der bisher bekannten Methoden verborgen blieb, zeigt die Ueberosmiumsäure in einer ganz über- raschenden Weise. Ohne weitere Umschweife will ich das That- sächliche mittheilen. Bei Kaninchen, denen das Morgenfutter noch nicht gereicht, wird die Schleimhaut des Mundes 2 bis 3 Minuten lang mit Aether gereizt und dadurch die Speichelsecretion reflectorisch erregt. Ein Schnitt mit langem scharfen Messer trennt in einem Zuge alle Weichtheile des Halses unter dem Abgange des Plexus brachialis: das Leben entweicht, wie Pflüger es beschrieben, im Augenblick. Die sofort mit der nöthigen Schonung dem Thiere entnommene Sub- maxillardrüse zeigt nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure an feinen Schnitten ein ungemein zierliches Bild. Die Ausführungs- gänge sind braun gefärbt; an ihnen hängen auf kurzen Stielen die Alveolen, welche durch tiefschwarz gefärbte, stechapfelblattförmig angeordnete Zellencomplexe zu grösseren Gruppen zusammengehal- ten werden. Genaueres Studium einer grösseren Reihe von Präpa- raten lässt erkennen, dass die geschwärzten Zellen das centrale Lumen der Alveolen dort begrenzen wo es in das mehreren gemein- 1) Beiträge zur Lehre von der Speichelabsonderung von R. Heiden- hain. Studien des physiol. Inst. zu Breslau. 4. Heft 1868 pag. 62. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 725 same Schaltstück!) übergeht (Fig. 1). In den übrigen Zellen der Alveolen sind nur die geschrumpften, unregelmässig begrenzten Kerne leicht gelbbraun gefärbt. Die Kerne der geschwärzten Zel- len sind nicht überall sichtbar ; die der grossen, an den basalen En- den pinselartigen Cylinderzellen der Ausführungsgänge und die Kerne in den Zellen der Schaltstücke sind gross und von scharfen Con- touren begrenzt. — Gleichzeitig angefertigte Extracte der Drüse führen in wenigen Minuten Stärkekleister bei Körpertemperatur in Zucker über. Legt man ein vorher mit Glycerin oder Wasser extrahirtes Drüsenstück in Ueberosmiumsäure, so wird das mikroskopische Bild total verändert. - Hier fehlt die intensive Schwärzung der oben ge- nauer localisirten Zellen; das ganze Präparat hat einen gleich- mässigen schwachgelblichen Farbenton, der nur in den Zellen der Ausführungsgänge etwas gesättigter ist ?). Genau dasselbe Bild wie die extrahirte Drüse liefert eine Drüse, deren Nerv für längere Zeit electrisch gereizt wurde (Fig. 2). Durch Heidenhain’s Untersuchungen und eignes Experiment mit den Schwierigkeiten bekannt, bei Kaninchen den Drüsennerven am Boden der Mundhöhle für die electrische Reizung zu präpariren, ohne die Drüse selbst frei zu legen ®), spaltete ich unter der ge- schickten Assistenz meines Freundes Max Weber die Wange, drang durch den Masseter bis zum aufsteigenden Kieferast vor, reseeirte denselben und isolirte den zwischen Pterygoideus externus und internus verlaufenden Nervus lingualis. Unterhalb der Vereini- gungsstelle mit der, Chorda tympani wurde der Nerv durchschnit- ten; sein peripheres Ende intermittirend mit schwachen Strömen, die eben von der Zunge verspürt wurden (1Meidinger: Rollenab- stand 30 Ctm.) 2 bis 3 Stunden lang gereizt. Die Menge des secer- 1) Ebner: Ueber die Anfänge der Speichelgänge in den Alveolen der Speicheldrüsen. Archiv für mikr. Anat. Bd. VIII pag. 481. 2) Während die zur Härtung des frischen, lebenswarmen Drüsenab- schnittes verwandte Ueberosmiumsäure im Laufe eines Tages sich tief schwarz färbt, zum Beweise dass sie energisch redueirt wurde, bleibt die für das ex- trahirte Drüsenstück benutzte Säure hell und klar. Dagegen schwärzt sich sowohl das wässrige als glycerinige Extract der Drüse mit Ueberosmiumsäure. Reines Glycerin wird durch die Säure selbst nach monatelangem Stehen nicht gefärbt. 3) Die Entblössung der Kaninchensubmaxillaris erzeugt bekanntlich 726 Moritz Nussbaum: nirten Speichels ist nur gering; er setzt in wenigen Minuten bei Körpertemperatur Stärkekleister in Zucker um. Die längere Zeit vom Nerven aus gereizte Drüse ist blassroth, weich; die der anderen Seite gelblich. Erhärtung in Ueberosmiumsäure erzeugt in der nicht gereiz- ten Drüse die schon bekannten Schwärzungen (Fig. 1), in der ge- reizten Drüse fehlen sie. Hier sind alle Zellen kleiner geworden. Nur die Kerne in den Cylinderepithelien der Ausführungsgänge, ebenfalls verkleinert, haben in der Ueberosmiumsäure einen leicht braunen Anflug bekommen. Ein Extract der gereizten Drüse ist unwirksam; in der nicht gereizten ist das Ferment leicht und sicher nachzuweisen. Dieses Resultat ergab sich bei einer Reihe von Versuchen; gleichgültig ob die Kaninchen curarisirt, mit Morphium narcotisirt oder auch unbetäubt zum Experiment gedient hatten !). Es zeigt sich somit ein erheblicher Unterschied zwischen der thätigen und überreizten Submaxillardrüse auch beim Kaninchen ; ein Unterschied, der wie gezeigt wurde an die Quantität des vorhan- denen Ferments gebunden ist. Dabei ist es gleichgültig ob der lebenden Drüse durch electrische Nervenreizung das Ferment im Laufe einer länger dauernden Secretion entzogen wird, oder ob dies ausserhalb des Organismus durch künstliche Extraction geschieht. Ausser der Glandula submaxillaris des Kaninchen untersuchte ich ferner die entsprechenden Drüsen des Hundes und des Schweines, die vom Rind, Schaf, Meerschweinchen und der Maus. Auch hier- wurde nur ein kleiner Theil der Drüse zu mikroskopischen Zwecken, der Rest zur Anfertigung von Extracten benutzt und auf diastati- sche Wirksamkeit geprüft. Die Unterkieferspeicheldrüsen der genannten Thiere weichen in ihrem Baue sehr von der entsprechenden Drüse des Kaninchen ab. Die Submaxillardrüse des Schweines ausgenommen, welche dem starkes Oedem der Drüse und macht sie zu feineren mikroskopischen Unter- suchungen untauglich. 1) Nicht unerwähnt mag bleiben, dass in einem Falle auch die Drüse, deren Nerv nicht gereizt worden war, dieselben Veränderungen wie die ge- reizte eingegangen hatte. Bedenkt man jedoch, dass bei der Art unserer Versuche die Mundschleimhaut beständig offen liegt und gereizt wird, so hat diese scheinbar sympathische Absonderung nichts Merkwürdiges. « Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 727 von Boll!) beschrieberen Bau der Thränendrüse gleichkommt, fin- den sich in allen anderen neben protoplasmareichen Zellen vorwie- gend Schleimzellen in den Alveolen. Wie bei den Labdrüsen der Säugethiere begrenzen die Schleimzellen das centrale Lumen; die protoplasmatischen Zellen sind mit dem grössten Theil ihres Lei- bes an der Peripherie der Alveolen gelagert. In den Alveolen der Hundesubmaxillaris erreichen diese Zellen die geringste Mäch- tigkeit und stellen dort den von Gianuzzi?) entdeckten Halb- mond dar. Beim Hunde werden die Zellen der Lunula ‘durch Ueberos- miumsäure nur leicht gefärbt; die Intensität der Färbung nimmt durch Glycerinextraction nicht ab. Die Schleimzellen bleiben ab- solut farblos. Mochte ich nun auch immer den isolirt aufgefangenen Speichel oder Extracte dieser Drüse auf ihre verdauende Wirksamkeit unter- suchen : stets derselbe negative Erfolg. Nicht einmal innerhalb einer Stunde wurde Stärkekleister bei Körpertemperatur in Zucker umgewandelt). Herr Professor Zuntz versicherte mir jedoch, sich ganz be- stimmt eines Falles zu erinnern, wo der Chordaspeichel eines’ Hun- des diastatische Wirkung gezeigt. Dieses Factum ermuthigt mich, die sogenannte Lunula in den Alveolen der Hundesubmaxillaris im Sinne eines rudimentären Organes aufzufassen. Der Hund ist ein Carnivore; bedarf also wenig oder gar nicht des saccharifieirenden Ferments. Demzufolge erreichen die bei Herbivoren, wie sogleich gezeigt werden soll, der Fermentbildung dienenden Zellen nur ge- ringe Ausbildung und functioniren für gewöhnlich nicht. Sie ent- wickeln sich trotzdem mit derselben Constanz wie beispielweise die Glandula thyreoidea. Die Submaxillardrüsen des Rindes, Schafes, Meerschweinchen, der Maus liefern alle schnell und kräftig diastatisch wirkende Ex- I) F. Boll im Arch. f. mikr. Anat. Bd. IV pag. 146. Stricker's Handbuch der Lehre von d. Geweben, pag. 1161. 2) G. Gianuzzi: Von den Folgen des beschleunigten Blutstroms für die Absonderung des Speichels. Berichte der sächs. Ges. d. Wissensch, Bd. XVII pag. 68. 3) Vergleiche hierüber P.Grützner: Notizen über einige ungeformte Fermente des Säugethierorganismus. » 728 Moritz Nussbaum: tracte. In Uebereinstimmung damit werden die protoplasmatischen Zellen in den Alveolen durch Ueberosmiumsäure tief braunschwarz gefärbt. Fig. 3 zeigt zwei Alveolen und einen Theil eines im Quer- schnitt getroffenen grösseren Ausführungsganges der Rindersub- maxillaris nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure. Figg. 5 und 6 stellen aus feinen Schnitten isolirte und durch Ueberosmiumsäure geschwärzte Zellen aus derselben Drüse dar. Bei l ist das Lumen der Alveolen getroffen. Vom Lumen aus geht unter den capillaren Spalträumen, welche zum grössten Theil abgebrochen enden, auch einer an die Zelle heran. An der frischen Submaxillaris des Kaninchen habe ich mich nun durch einen einfachen Versuch davon überzeugt, dass dies System von Septen zwischen den Drüsenzellen mit der Membrana propria zusammenhängt, wie es H. Meckel!) bei niederen Thieren schon längst nachgewiesen hat. Man zerzupfe einen feinen Schnitt einer noch warmen ans chensubmaxillaris in Humor aqueus und bringe an die eine Seite des Deckgläschen einen grösseren Tropfen destillirten Wassers, der jedoch nur mit einer feinen Spitze an den von Öbjectträger und Deckglas gebildeten capillaren Raum heranreicht. Saugt man nun mittels eines feinen Streifen Fliesspapiers, während man einen klei- nen Complex isolirter Alveolen im Auge behält, den Humor aqueus ab, so treten die Contouren der von den Zellen abgehobenen Mem- brana propria hervor, wie dies Pflüger als Beweis für die Existenz und die lückenlose Beschaffenheit dieser Haut angegeben hat. Tritt das destillirte Wasser nicht zu schnell ein, so sieht man auf das deutlichste mit dem Sichtbarwerden der bis dahin durch gröbere Granula verdeckten Zellkerne das Protoplasma von der Membrana propria durch das eingesaugte Wasser abgedrängt werden. Von der Membrana propria aber spannen sich zarte Fäden nach den Zell- grenzen hin, bis schliesslich der Raum zwischen Protoplasma und Membrana propria so prall gefüllt wird, dass diese zarten Stränge reissen. Läuft der endosmotische Vorgang zu schnell ab, so wird man dieser Gebilde nicht ansichtig. Ueber die Natur und die Entstehung der Membrana propria hoffe ich demnächst berichten zu können und nehme jetzt den eigent- 1) H. Meckel: Mikrographie einiger Drüsenapparate niederer Thiere. Müller’s Archiv 1846. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 729 lichen Gegenstand unserer Untersuchung, die fermenthaltigen Zellen der Speicheldrüsen wieder auf. Die auf voriger Seite beschriebene Schwärzung der protoplasmarei- chen Zellen in den Alveolen fermentreicher Unterkieferspeicheldrüsen der genannten Thiere fehlt resp. bleibt aus, wenn vor der Behandlung mit Ueberosmiumsäure das Ferment durch Glycerin extrahirt wurde. Eine Submaxillaris des Ochsen, von der ich kein wirksames Fx- tract gewinnen konnte, verhielt sich durchaus analog. Die Glandula submaxillaris des Schweines und die Parotis des Rindes liefern keine zuckerbildenden Extracte. In Uebereinstim- mung damit fehlen in den Alveolen dieser Drüsen diejenigen Zel- len, welche in fermenthaltigen Organen durch Ueberosmiumsäure geschwärzt werden. Spricht nun schon die Coincidenz von diastatischer Wirksam- keit des Secretes oder des Extractes mit dem Vorhandensein spe- eifischer durch Ueberosmiumsäure zu schwärzender Zellen, von Mangel fermenthaltigen Secrets mit absolut indifferentem Verhalten aller Drüsenzellen gegen die Ueberosmiumsäure sehr dafür, dass die Schwärzung, wo sie eintritt, auf das Ferment zu beziehen sei, so werden doch noch gewisse Einwände zu widerlegen sein, welche mit Recht dagegen erhoben werden könnten. Vor allen Dingen könnte man Fette für die Schwärzung durch Ueberosmiumsäure verantwortlich zu machen geneigt sein. Allein man lege Stücke einer Fettleber oder markhaltige Nerven gleich- zeitig mit fermentreichen Drüsenstücken in Glycerin; in der Leber und dem Nerven wird die Schwärzung durch Ueberosmiumsäure nicht aufgehoben werden ; ebenso werden nach wie vor der Glyce- rineinwirkung die Fettzellen, wie sie häufig in den Speicheldrüsen getroffen werden, durch die Säure blauschwarz gefärbt. Ueberdies ist die Schwärzung der Drüsenzellen durch vorherige Extraction mit Wasser aufzuheben, was bei Fettsubstanzen niemals der Fall ist. ‘ Bei den Speicheldrüsen könnte man ausserdem an das Rho- dankalium denken!). Dies ist jedoch in Alcohol löslich: das Fer- 1) Dies färbt sich nämlich, wie ich gefunden habe, mit Ueberosmium- säure zuerst gelb, dann durch alle Nüancen des Braun hindurch tiefschwarz. Bei Anstellung der Reaction wird keine flüchtige Cyanverbindung frei. Im Uebrigen sei noch erwähnt, dass die Ueberosmiumsäure eine so schwache Acidität besitzt, dass sie nicht einmal Carbonate zerlegen kann. 730 Moritz Nussbaum: ment dagegen nicht. Legt man aber ein Stück einer frischen fer- menthaltigen Rindersubmaxillaris für einige Tage in ein grosses Volum absoluten Alcohols und verjagt den dem Gewebe anhaftenden Alcohol in einer feuchten Atmosphäre bei 38° C., so tritt bei nach- folgender Behandlung mit Ueberosmiumsäure noch immer eine Schwärzung im Gewebe auf, die jetzt aber nicht mehr an be- stimmte Zellen gebunden ist, sondern in körniger Form durch die ganzen Alveolen und Speichelröhren hindurch auftritt, namentlich dicht unter der abgehobenen Membrana propria. In allen meinen Präparaten habe ich ausserhalb der Membrana propria diese Bildung nicht angetroffen. Extrahirt man dagegen das in Alcohol gehär- tete Drüsenstück mit Glycerin und legt es erst dann in die Ueber- osmiumsäure, so fehlt jede Schwärzung im Gewebe. Auch in der fermentfreien Parotis des Rindes tritt sie nicht auf, weder an frischen noch in Alcohol erhärteten Drüsen. Weiterhin darf die Schwärzung der fermenthaltigen Drüsen- zellen nicht als eine Lebenserscheinung aufgefasst werden, wie es bei den Tracheenendzellen der Lampyris splendidula der Fall ist. Auch noch 24 Stunden nach dem Tode des Thieres ist sie hervor- zurufen ; nimmt, wie dies später beim Pankreas gezeigt werden wird, zuweilen sogar zu. Schliesslich könnte man geneigt sein, die geschwärzten Zellen als Entwicklungsstadien der übrigen Zellen in den Alveolen anzu- sprechen mit Rücksicht auf die kräftig reducirende Wirkung vieler embryonalen Gewebe auf die Ueberosmiumsäure. Doch auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die Alveolen der Glandula submaxillaris 10, 15 und 45 Ctm. langer Rindsembryonen wurden durch Ueberosmiumsäure nur schwach und durchaus gleichmässig gefärbt. Ihnen fehlen die characteristi- schen Zellen in den Alveolen des erwachsenen Thieres, zugleich erweisen sich aber auch Extracte der embryonalen Speicheldrüsen unwirksam. Auch hier hängt also verdauende Thätigkeit und Vor- handensein speecifischer durch unser Reagens zu erkennenden Zellen innig zusammen. Demgemäss muss die Schwärzung in den specifischen Zellen durch das Ferment bedingt sein. Die Versuche an der Kaninchensubmaxillaris sind noch nach einer anderen Richtung zu verwerthen; sie liefern einen neuen, und Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 731 wie ich glaube, zwingenden Beweis für die Ansicht, dass bei der Secretbildung keine Auflösung der Zellen erfolgt. Heidenhain hatte in seinen oben angeführten Untersuchungen den Vorgang der Speichelabsonderung in der Glandula submaxillaris des Hundes so aufgefasst, dass die Schleimzellen während der Drü- senthätigkeit in das Secret aufgingen und durch gleichzeitig von der Peripherie der Alveolen her (Gianuzzi’scher Halbmond) ange- bildeten Nachwuchs ersetzt würden. Schon vor der Publication dieser Heidenhain’schen Arbeit im Jahre 1868 war von Pflüger!) ganz bestimmt ausgesprochen worden, dass die Secretbildung nicht in einem Zerfliessen der Zellen bestehe. AufPflüger’s Anregung nahm Ewald?) diese Frage wie- der auf und entschied sie auf experimentellem Wege im Sinne seines Lehrers. Extraction des Schleimes durch ammoniakalische Carmin- lösung verwandelte das characteristische Bild der ruhenden Drüse in das der gereizten. — Auch Ebner?) ist der Pflüger’schen Ansicht beigetreten. Die eitirte Arbeit Lavdowsky’s über den feineren Bau etc. der Speicheldrüsen bringt zwar eine etwas unerquickliche Polemik gegen das Ewald’sche Experiment, liefert aber nichts destoweniger in ihrem sachlichen Theile eine gute Illustration des von Pflüger aufgestellten Satzes: „Es bleibt aber doch die Möglichkeit beste- hen, dass die Schleimzellen durch ihre langdauernde Arbeit eine wesentliche Alteration ihrer chemischen Constitution erfahren haben, und dass hierin die Ursache des verschiedenen Aussehens der Zellen liegt, je nachdem sie ausgeruht oder länger gereizt sind.“ Lavdowsky untersuchte neben der Orbitaldrüse mit statt- licher Lunula auch reine Schleimdrüsen des Hundes, denen die Lunula fehlt und fand bei beiden dieselbe Metamorphose der Schleim- zellen durch anhaltende Thätigkeit: die Zellen entleerten sich des Schleimes, schrumpften und wurden durch Carmin intensiver ge- färbt. In der Kaninchensubmaxillaris wird durch andauernde Thä- tigkeit der äussere Habitus der Zellen so wenig verändert, dass es 1) Die Endigungen der Absonderungsnerven in den Speicheldrüsen. 1866. 2) A. Ewald: Beitrage zur Histiologie und Physiologie der Speichel- drüse des Hundes. Inaug.-Dissert. Berlin 1870. 3) Ebner: Die acinösen Drüsen der Zunge. Gratz 1863. 732 Moritz Nussbaum: den ausgezeichnetesten Forschern nicht gelang, anatomische Unter- schiede zwischen dem ruhenden und thätigen resp. überreizten Zu- stande der Drüse aufzufinden. Wenn nun die Ueberosmiumsäure sowohl an der überreizten als an der künstlich ihrer wesentlichsten Secretbestandtheile beraubten Drüse in gleicher Weise den Mangel eines bestimmt reagirenden Stoffes nachweist, der in nicht überreiz- ten Drüsen vorhanden ist, so documentirt dies auf das Unzweifel- hafteste, dass durch die secretorische Function nur gewisse Producte gebildet und ausgestossen werden, ohne dass die Zellen dabei zu Grunde gehen. In Uebereinstimmung damit nimmt im Beginn der Se- eretion fermentirender Flüssigkeiten der Fermentgehalt in den Drüsen selbst zu; während er doch bei einer blos passiven Verflüssigung der Zellen beständig abnehmen müsste. Deshalb empfahl ich am Eingang bei der Untersuchung der Kaninchensubmaxillaris die Mund- schleimhaut eine kurze Zeit lang zu reizen, weil dann die Schwär- zung der spezifischen Zellen bedeutend intensiver ausfällt, als im nüchternen Zustande. Alles dieses weist darauf hin, dass die Se- crete kein Caput mortuum, sondern die Producte der chemischen Thätigkeit lebender Zellen sind. Welche Lebensdauer aber den einzelnen Zellen zukommt, müssen erst weitere Untersuchungen lehren. 2. Labdrüsen. Wende ich mich jetzt von den Speicheldrüsen zu den Drüsen des Vorderdarms mit eiweissverdauendem Ferment, so möge es mir erlaubt sein, zuvörderst einen kurzen Abriss der Entwicklung und des heutigen Standes unserer Kenntnisse über die Fermentbildung in diesen Organen zu geben. Beaumont!) behauptete als der Erste das Vorhandensein eines specifisch wirksamen Agens neben der von Prout?) alz Salz- säure bestimmten Säure des Magensaftes. Vergleichende Versuche mit dem aus einer Fistel gewonnenen Magensafte eines Menschen (St. Martin) und einer gleichen Quantität verdünnter Salz- oder 1) Neue Versuche und Beobachtungen über den Magensaft und die Physiologie der Verdauung von W. Beaumont. Aus dem Englischen über- setzt von B. Luden. Leipzig 1834. 2) Philosophical transactions 1824. pag. 45. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 733 Essigsänre lehrten ihn, dass im Magensaft geronnenes Eiweiss be- deutend schneller und weit vollständiger verflüssigt werde als in der Säure allein. Man kannte jedoch weder dieses Agens selbst noch den Ort seiner Bildung, bis Eberle!) den Schleim und die Magenschleimhaut hierfür ansprach. Seine Entdeckung hätte der Physiologie der Magenverdauung keinen grossen Dienst erwiesen : ausser der Schleimhaut des Magens sollten auch die anderen Or- gane eiweissverdauenden Schleim secerniren. Doch wies Schwann’?) einige Jahre später auf das Unzweideutigste nach, dass nur der Magenschleimhaut und dem sie bedeckenden Schleim verdauende Wirksamkeit zukomme ; dass das verdauende Prineip nicht der Schleim selbst, sondern ein in ihm gelöster Körper sei, der durch essigsaures Blei gefällt und aus der Fällung durch Einleiten von Schwefelwasserstoff und nachfolgende Filtration isolirt werde. In Gemeinschaft mit Johannes Müller?) angestellte Versuche erga- ben, dass die Chymification des Eiweisses ohne Absorption von Sauerstoff und ohne Bildung von Kohlensäure vor sich gehe, dass der ganze Process im Wesentlichen als eine Fermentwirkung auf- zufassen sei, weil unverhältnissmässig geringe Mengen des verdau- enden Prineips zur Lösung des geronnenen Eiweisses genügten. Schwann stellte zugleich fest, dass die verdauende Kraft des Fer- ments erst durch den Zusatz verdünnter Säuren wirksam werde; durch seine Einwirkung auf Eiweiss aber wieder abnehme. Diese glänzenden Resultate in der Chemie der Magenver- dauung wurden durch die Versuche Purkinje's und Pappen- heim’s®) über die Bildung der Salzsäure im Magensaft nur um eine Hypothese bereichert. Die beiden Forscher hatten auf electrolyti- schem Wege die in der Labschleimhaut enthaltenen Chloride zer- legt; auf diese. Weise dem Pepsin die nöthige Salzsäure zugeführt und dadurch verdauungskräftige Gemische erhalten. Sie glaubten, 1) Physiologie der Verdauung nach Versuchen auf natürlichem und künstlichem Wege von J. N. Eberle. Würzburg 1834. 2) Ueber das Wesen des Verdauungsprocesses von Th. Schwann. Müller’s Archiv, 1836, pag. 91. 3) Versuche über die künstliche Verdauung des geronnenen Eiweisses von J. Müller und Th. Schwann. Müller’s Arch. 1836. pag. 66. 4) Vorläufige Mittheilungen aus einer Untersuchung über künstliche Verdauung von Purkinje und Pappenheim. Müller’s Arch. 1838. pag. 1. 784 Moritz Nussbaum: dass auch während des Lebens möglicherweise durch Nerveneinwir- kung ein ähnlicher Vorgang sich vollziehe. Allein es ist bis heute nicht bekannt, wie sich die Salzsäure des Magensaftes bilde. An die von Schwann begonnenen Versuche zur Reindarstel- lung des Pepsins — das verdauende Princip des Magensaftes — reihen sich die von Wasmann!) fortgeführten Untersuchungen an. Wasmann stellte zum ersten Male Pepsin dar und erkannte den Labdrüsentheil des Magens als die Bildungsstätte desselben. „Membrana igitur illa glandulosa, sinon unicus (quod equidem cre- do), princeps tamen fons est principii digestivi“ (l. c. pag. 13). In dem grossen Werke Johannes Müller’s?) über den fei- neren Bau der absondernden Drüsen ist die Magenschleimhaut nur mit wenigen Worten beschrieben : „In homine, multis mammalibus, amphibiis et piscibus omnibus succus gastrieus absque propriis glan- dulis a membrana ventriculi interna aut laevi aut plicata aut reti- culata secernitur. Mammalium plura glandulis ventriculi aut aggre- gatis simplieibus aut compositis follieulis fruuntur, tum glandulosam ventriculi propriam partem, tum singulos modo ipsius locos oceu- pantibus‘“ (l. c. pag. 38). Die reichhaltigen Beobachtungen Bischoffs?®) über den Bau der Magenschleimhaut sind ebenfalls noch vor der durch Schwann auf thierische Gewebe vollzogenen Anwendung der Zellentheorie ge- macht und berücksichtigen deshalb nur die gröberen Verhältnisse. Wasmann lieferte zuerst in seiner oben eitirten Inaugural- dissertation Abbildungen über die feinere Structur der Magendrü- sen. Die mangelhaften Hülfsmittel der damaligen Zeit hinderten aber auch ihn an der richtigen Erkenntniss mancher Verhältnisse. Daher wohl die Annahme jener „materia grumosa‘ in den tieferen Schichten der eigentlichen Labdrüsenschleimhaut, die später auch noch einmal von Frerichs?) beschrieben wurde. Der Richtung jener Zeit entsprechend wurde diese undifferenzirte Masse als das 1) Adolph Wasmann: De digestione nonnulla. Dissertat. inaug. Berolini 1839. 2) J. Müller: De glandularum secernentium struetura penitiori. Lips. 1830. 3) Ueber den Bau der Magenschleimhaut von Th. L. W. Bischoff. Müller’s Arch. 1838. pag. 503. 4) Artikel Verdauung in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Bd. III, Tafel V, Figg. 2 u. 3. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 735 Cytoblastem der Labzellen aufgefasst. Wasmann verlegte dorthin auch die Pepsinbildung. Während aber-Bischoff alle Magendrüsen richtig als ceylin- drische Schläuche beschreibt, zeichnet Wasmann die Labdrüsen als acinöse „Zellen“, und zwar wie der erste Blick auf die Fig. 3 der seiner Dissertation beigegebenen Tafel zeigt in Folge einer Ver- wechslung von Schräg- mit Längsschnitten. Dagegen ist der Zer- fall der Magenschleimhaut des Schweines in drei beinahe gürtel- förmige Zonen, von denen die mittlere die Labdrüsen trägt, wohl beschrieben, die Aehnlichkeit in morphologischer und physiologischer Beziehung zwischen Cardial- und Pylorustheil und ihr von der mittleren — „Labdrüsen‘“‘ — Zone abweichendes Verhalten von Was- mann genau gewürdigt worden. Bis zum Erscheinen von Kölliker’s mikroskopischer Anato- mie vom Jahre 1854 wurden die Kenntnisse über den feineren Bau der Magenschleimhaut nicht gefördert. An jener Stelle (pag. 137— 153) beschreibt Kölliker in den Labdrüsen des Hundes und des Rindes zum ersten Male jene beiden Arten von Zellen (Pepsinzellen, Belegzellen Heidenhain’s, delomorphe Zellen Rollett’s — und Schleimzellen, Hauptzellen Heidenhain’s, adelomorphe Rollett’s), welche später für die Frage nach dem Ort der Bildung des Pepsins zum wahren Zankapfel geworden sind). Die oft eitirte „Physiological Anatomy and Physiologie of man by Todd and Bowmann“ 1859. Vol. II pag. 190 sqq. kennt in den Labdrüsen nur eine Art von Zellen. Ueber den histologischen Unterschied der Schleimdrüsen im Pylorustheile und der Drüsen der eigentlichen Labdrüsenzone hatte man sich schon früh verständigt. Das Vorkommen zweier verschie- 1) Der Einfachheit halber werde ich mich vorläufig an die von Hei- denhain eingeführte Nomenclatur halten. Nach Heidenhain zerfällt ein Labdrüsenschlauch in 1. den Drüsenausgang: von verschiedener Länge; mit dem Cylinder- epithel der Oberfläche bekleidet; 2. den Drüsenhals, welcher vorzüglich „Belegzellen“, protoplasmareiche Drüsenzellen enthält; 3. denDrüsenkörper. Die „Hauptzellen“, schleimhaltige Zellen, umgeben in continuirlicher Folge das Lumen des Drüsenschlauches; an der Peripherie lagern in mehr oder weniger discontinuirlicher Reihe die „Belegzellen“. 736 Moritz Nussbaum: denen Zellarten in den Labdrüsen ist für viele Säugethiere durch Heidenhain!) und Rollett?) zweiffellos sicher gestellt; ich kann den von diesen Forschern untersuchten Objecten noch die Labdrü- sen des Pferdes anreihen, welche genau das bei anderen Säugern - beschriebene Verhalten zeigen. Controvers ist zwischen Heidenhain und Rollett die Frage nach dem Vorkommen von Hauptzellen im Halse der Labdrüsen- schläuche. Es gedingt jedoch unschwer sich von den Heiden- hain’schen Angaben über das Vorhandensein dieser Zellart in dem gedachten Drüsenabschnitt zu überzeugen. An reinen Querschnit- ten, welche das Drüsenlumen stets central gelegen zeigen, sieht man im Drüsenhalse auf das Bestimmteste Haupt- und Belegzellen neben- einandergelagerte. Zu Gunsten Heidenhain’s spricht auch die von F. E. Schultze®) noch vor den Arbeiten Heidenhain’s und Rollett’s mitgetheilte Fig. 19 der 10. Tafel, welche zwei Labzellen einer Labdrüse vom jungen Fuchs „an der Grenze des hellen Cy- linderepithels und der rundlichen körnigen Drüsenzellen“ im Quer- schnitt zeigt. Von weit grösserer Bedeutung ist die Frage: Sind die Haupt- oder die Belegzellen die Pepsinbildner ? und in directer Abhängig- keit davon die andere: Bildet der Labdrüsentheil allein oder mit ihm zugleich auch die Schleimhaut des Pylorus das Pepsin ? Seit Wasmann hatte man allgemein angenommen, dass der Labdrüsentheil ausschliesslich das Ferment des Magensaftes liefere; Goll und Kölliker*), ebenso Donders?°) lieferten experimen- telle Beweise für diese Anschauung. Heidenhain’s®) physiologisch - histologische Untersuchungen der Magenschleimhaut erschütterten bis zu einem gewissen Grade 1) R. Heidenhain: Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VI pag. 369. 2) A. Rollett: Bemerkungen zur Kenntniss der Labdrüsen und der Magenschleimhaut. Untersuchungen aus dem Institute für Physiologie und Histologie in Gratz. II. Heft. 1871. 3) F. E. Schulze: Epithel- und Drüsenzellen. Archiv f. mikr. Anat. BJ. III; pag. 137. 4) Mikroskopische Anatomie 1854. Bd. II pag. 146. 5) Donders: Physiologie des Menschen 1856, I. Bd. pag. 208. 6) R. Heidenhain: Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. VI pag. 359. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 737 die alte Ansicht. Die von Kölliker an Rind und Hund gemach- ten, später !) aber wiederum in Zweifel gezogenen Beobachtungen über das Vorkommen zweier wohlcharacterisirter Zellarten in den Labdrüsenschläachen wurden als richtig erkannt und auf Schwein, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen und Schaf ausgedehnt. — Die Hauptzellen der Labdrüsen, stellten Heidenhain und namentlich Ebstein?) fest, gleichen in äusserem Habitus und mikrochemi- schem Verhalten durchaus den mucinhaltigen Zellen der Pylorus- drüsen. An den Hauptzellen sah Heidenhain während der ver- schiedenen Verdauungsphasen bestimmte Veränderungen auftreten, während sich die Belegzellen so gut wie indifferent verhielten. Diese Thatsache im Verein mit einer anderen, worauf wir noch zurück- kommen werden, bestimmten Heidenhain zu dem Ausspruch, dass möglicherweise die Hauptzellen — implieite die Pylorusdrüsen — die Pepsinbildner seien. Seine Ansicht wurde von Ebstein und Grützner lebhaft vertheidigt, fand aber in den Untersuchungen v. Wittich’s, Wolfhügel’s und Friedinger’s ebenso nachhal- tigen Widerspruch. So viel aber auch der Beweise für und wider die fermentbil- dende Function der Hauptzellen beigebracht wurden, zur Zeit dürfte es sich, wie dies auch die neueste vonGruenhagen besorgte Auf- lage des Funke’schen Lehrbuchs der Physiologie betont, schwer entscheiden lassen, welche Art von Zellen als Quelle und Bildungs- stätte des Pepsins anzusprechen ist; ob ausser dem eigentlichen Labdrüsentheil auch noch die Schleimhaut des Pylorus sich an der Fermentbildung betheilige. Man ist an diese Frage von den verschiedensten Gesichts- punkten aus prüfend herangetreten und hat sie durch vergleichend anatomische Thatsachen, auf dem Wege der physiologisch-chemi- schen Analyse und durch Vivisectionen zu entscheiden versucht. Von den durch vergleichend anatomische Untersuchungen ge- förderten Thatsachen ist das von Rollett°) entdeckte Schwinden der Belegzellen aus den Labdrüsen winterschlafender Fledermäuse 1) Kölliker: Handbuch der Gewebelehre 1867. pag. 401. 2) W. Ebstein: Beiträge zur Lehre vom Bau ete. der sog. Magen- schleimdrüsen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. VI. pag. 515. 3) 1. c. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 47 738 Moritz Nussbaum: durch Friedinger!) für die fermentbereitende Thätigkeit dieser Zellart geltend gemacht worden. Die schon früher bekannte äusser- liche Aehnlichkeit der Zellen in den Drüsen des vorderen Magen- abschnittes der Batrachier mit" den Belegzellen der Säugethiere wurde durch Swie,cickis?) Untersuchungen in Betreff ihrer Ver- wendung zu einem Schlusse per analogiam sehr in Frage ge- zogen. Wenn nun auch das durch physiologische Experimente ge- wonnene Material bedeutend reicher anwuchs, als es durch ana- tomische Untersuchung bisher geschehen, so sind die Resultate immerhin nicht unbestritten geblieben. Es handelt sich darum, den geringen Pepsingehalt der Pylorusschleimhaut in befriedigender Weise zu erklären. Nach Einigen soll der Pylorustheil 8 bis 10, nach Anderen 20 bis 30 Mal weniger Pepsin enthalten als der Fundus. Während aber Ebstein und Grützner der Ansicht huldigen, das Pepsin werde in loco gebildet, behauptet v. Wit- tich, das aus der Pylorusschleimhaut zu extrahirende Ferment sei blos infiltrirt. Die Berechtigung zu dieser letzteren Behaup- tung fliesst aus dem Umstande, dass (wie v. Wittich gefunden) Fibrin mit Pepsin infiltrirt werden kann und sich dann genau so verhält wie Pylorusschleimhaut. Sowohl aus dem mit Pepsin ge- schwängerten Fibrin als aus der Schleimhaut des Pylorus ist nach Ebstein und Grützner weder durch Wässern noch durch Gly- cerinextraction das Pepsin in wirksamen Mengen zu extrahiren. Dies gelingt leicht durch verdünnte Säuren und schwache Salz- lösungen. Wenn aber in beiden Fällen durch verdünnte Säuren oder schwache Salzlösungen dasselbe geleistet wird, so ist die von Wittich gegebene Erklärung wohl der von Ebstein und Grütz- ner gemachten Annahme einer pepsinogenen Substanz vorzuziehen. Verdünnte Salzsäure und Salzlösungen lockern die Albuminate und setzten dadurch das infiltrirte Pepsin in Freiheit®). Zwar haben Ebstein und Grützner durch einen directen Versuch) ihre An- 1) E. Friedinger: Welche Zellen in den Pepsindrüsen enthalten das Pepsin? Sitzungsber. der k. Wiener Acad. II. Abth. Octob. 1871, pag. 325. 2) H. von Swieeicki: Untersuchung über dieBildung und Ausscheidung des Pepsins bei Batrachiern. Pflüger’s Arch. Bd. XIII. pag. 444. 3) v. Wittich: Noch einmal die Pylorusdrüsen. Pflüger’s Arch. Bd, VII. pag. 444 4) Pflüger’s Archiv Bd. VIII. pag. 617. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 739 sicht zu stützen gesucht, indem sie lebenden Hunden aus den tie- feren Schichten der Pylorusschleimhaut kleine Stücke entnahmen und mit diesen nach der Methode Grützner’s!) Verdauungsver- suche mit positivem Resultat ansteliten. Hier darf allerdings an _ Uebertragung von einem anderen Orte her kaum gedacht werden. Trotzdem ist der Versuch nicht absolut beweisend; da bekannter- massen nur geringe Mengen Pepsin dazu gehören, um einen so leicht verdaulichen Körper, das Fibrin, zu lösen. Hierfür dürften nur wenige Labdrüsenschläuche genügen, die bei Verdauungsver- suchen unmöglich, bei mikroscopischer Untersuchung nur zufällig nachzuweisen sind. Dass im Pylorustheil aber wirklich schon Lab- zellen gefunden wurden, lehren die Beobachtungen Gerlach’s?) und Maier’s®). Das Vorkommen von Labzellen im Pylorustheile er- klärte dann auch zum Theil die Möglichkeit der Anfertigung von pepsinhaltigen Extracten aus diesem Abschnitte der Magenschleim- haut getödteter Thiere; dies hindert natürlich nicht, die grössere Menge des namentlich durch Säuren zu gewinnenden Pepsins für infiltrirt zu halten. Gegen die genuine Beschaffenheit des aus der Pylorusschleim- haut zu extrahirenden Pepsins fällt eine Beobachtung Fick’s*) sehr gewichtig in die Wagschale. Fick constatirte, dass in den Ver- dauungsproducten, welche das Infus der grossen Curvatur liefere, viel weniger Neutralisationspräcipitat (Meissner's Parapepton) ge- bildet werde als in den Verdauungsgemischen mit Infusen anderer Stellen der Magenschleimhaut (Pylorustheil). Sollte man hierbei an eine ähnliche Modification des Pepsins denken dürfen, wie sie nach Finkier°) durch stärkere Erwärmung hervorgerufen wird? Dieser Umstand ist von Klemensiewicz, dessen Unter- suchung anscheinend die beste Stütze der Heidenhain’schen An- sicht abgibt, nicht berücksichtigt worden. Klemensiewicz‘) trennte bei Hunden den Pylorustheil aus seinen Verbindungen mit 1) Pflüger’s Archiv Bd. VIII, pag. 452. 2) J. Gerlach: Handbuch der Gewebelehre. II. Auflage 1854. pag. 383. 3) Maier: Berichte der Freiburger naturw. Gesellsch. Nr. 9. 4) Verhandlungen der phys.-med. Ges. zu Würzburg. N. F. II. Bd. pag. 122. 5) D. Finkler: Ueber das Isopepsin. Pflüger’s Arch. Bd. XIV. pag. 128. 6) R. Klemensiewiez: Ueber den Succus Pylorieus. Sitzungsber. der k. Wiener Acad. d. Wissensch. 71. Bd. 1875. 740 Moritz Nussbaum: dem vorderen Abschnitt des Magens und Duodenum; fixirte den gebildeten Pylorusblindsack in der Bauchwunde, nachdem er Magen und Duodenum durch die Naht wieder vereinigt hatte. Das isolirt aufgefangene, zähflüssige alkalische Secret des Pylorus hatte auf Zusatz verdünnter Salzsäure verdauende Kraft. Die Menge des abgesonderten Succus pyloricus war nur gering und betrug (unter Zugrundelegung der pag. 44 des Separat-Abzuges mitgetheilten Zahlen und eines Durchschnittsgewichtes der Hunde von 10 Kilo- gramm) 3 grs. pro die auf 1 Kilogramm Körpergewicht; von den pag. 44 aufgeführten Versuchsthieren überlebten 4 nicht den ersten Tag nach der Operation; 4 starben im Laufe des zweiten, 3 am dritten und 1 am vierten Tage. Mit den Resultaten aller früheren Beobachter in directem Widerspruch erscheint Klemensiewiecz an Verdauungsversuchen mit kleinen Fibrinflocken gemachte Beobach- tung, dass unter gleichen Bedingungen das angesäuerte Pylorus- secret besser verdaue, als der von den Drüsen des Fundus und der grossen Curvatur abgesonderte Magensaft; nur bei einem Versuchs- thier (Nr. 11 seiner Reihe) verdaute das Fundussecret besser und schneller als das Pylorussecret. Zu lösen ist dieser Widerspruch nicht: denn darin stimmen alle Beobachter seit Wasmann überein, dass der Schleimhaut des Pylorus eine mindestens 10 Mal geringere verdauende Wirksamkeit zukomme als der des Fundus. Dass Klemen- siewicz überhaupt pepsinhaltiges Secret erhielt, dürfte sich bei der geringen Menge desselben und der kurzen Lebensdauer der Versuchs- thiere vielleicht durch folgende Betrachtung erklären lassen. Die Py- lorusschleimhaut wird in dicker Schicht von einer Schleimdecke über- zogen, welche jedenfalls Pepsin enthält, ohne dass es darum nöthig wäre anzunehmen, es sei an Ort und Stelle gebildet worden. Dieses Pepsin wird nur allmälig von dem mehr oder weniger wässerigen Secret der Pylorusdrüsen ausgelaugt und reicht auch in späteren Stunden des Versuches hin, Fibrinflocken zu lösen. Ehe dieser Einwand nicht widerlegt, können die Versuche Klemensiewiez’s keine Beweiskraft beanspruchen für die Behauptung, die Pylorus- drüsen und die Hauptzellen in den Labdrüsen bilden das Pepsin. Auch Grützner’s »Neue Untersuchungen über die Bildung und Ausscheidung des Pepsins« haben die Frage nicht zum defini- tiven Abschluss zu bringen vermocht, weil vor Allem der colori- metrischen Bestimmung des Pepsingehaltes in Flüssigkeiten!) nicht 1) P. Grützner: Pflüger’s Arch. Bd. VIII. pag. 543. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 741 der Grad von Genauigkeit zukommt, den ihr Erfinder dafür in An- spruch nimmt. Hierauf muss ich etwas näher eingehen und eitire vorweg, um die von Grützner angewandte Methode mit seinen eignen Worten zu definiren, die Anmerkung auf Seite 57. »Zunächst bereitete ich mir 8 Pepsinlösungen von verschiedenem Gehalt, so dass die folgende Lösung stets noch einmal so viel Pepsin enthielt als die vorhergehende; ich hatte also dann Pepsinmengen repräsentirt durch die Zahlen 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128. So wusste ich, dass — alles Andere gleichgesetzt — die Pepsinmenge 8 innerhalb 10 Minuten die Farbe V, die Pepsinmenge 1 in der nämlichen Zeit die Farbe Idarbot. Fand ich nun zum Beispiel, dass ein beliebiges Infus des Pylorus in der genannten Zeit die Farbe I, ein anderes vom Fundus die Farbe V erreicht hatte, so war eben in letzterem 8mal mehr Pepsin enthalten als in ersterem.« Nach Grützner ist demgemäss der Farbenton, — bedingt durch die Quantität des aufgelösten gefärbten Fibrins —, eine Function der Zeit und der angewandten Pepsinmenge. Dies trifft jedoch nicht immer zu, wie sich aus folgenden Zahlen ergeben wird, die den Ver- suchen 3 (pag. 43) und 4 (pag. 46) entnommen sind. Die Versuche sind mit Extracten von demselben Hund unter ganz denselben Be- dingungen — Gleichheit der Menge des zugesetzten Extractes, der Salzsäure und ihres Procentgehaltes, sowie des gefärbten Fibrins — angestellt und lieferten, wenn die Extracte blos mit Glycerin ange- fertigt wurden, als Ausdruck für den Pepsingehelt des Pylorus einmal nach 17 Minuten den Farbenton O—I (Versuch 3), ein anderes Mal fast II (Versuch 4). Diese Zahlen zeigen aber nach dem von Grützner pag. 7 gegebenen Schema, welches ich mit ei- nigen die Uebersisht erleichternden Modificationen unten!) wieder- 1) (Die römischen Zahlen bezeichnen die Farbentöne genau bekannter Carminlösungen.) br ent nach 5 Min, nach 10 Min. nach 15 Min. nach 20 Min. 1 0) 0 0—I I 2 0) 0—I I II 4 0 0—1->2* fast II ill 8 0 fast II II—IV V 16 0-1, | Gast IT | V vI 32 I—H | V VII VIII 64 II I vi-vu vIu six 128 Ba IX X X 0 0 0 0 0 * Bedeutet: war tiefer nüancirt als das vorige. 742 Moritz Nussbaum: gebe, einen um das Vierfache verschiedenen Pepsingehalt an. Im weiteren Verlauf des ersten Versuchs (pag. 43) wurde nach 22 Minuten der Ton II erreicht; beim zweiten Versuch (pag. 46) nach 21 Minuten der Ton IV, der für diese Zeit einen mindestens 3 Mal so grossen Pepsingehalt anzeigt als Ton II. Es gibt in den beiden Versuchsreihen überhaupt nur ein Zahlenpaar, welches auf gleichen Pepsingehalt mit Zugrundelegung der Grützner’schen Farbenscala hinweist. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Fehlergrenze bei vergleichenden Bestimmungen des geringen Pepsingehaltes des Pylorus zu hoch liegt. Ferner sollen Grösse und Helligkeit der Drüsenzellen im Py- lorus mit Reichthum an Pepsin zusammenfallen ; kleine geschrumpfte und getrübte Zellen Pepsinarmuth anzeigen. Dies trifft ebenfalls nicht immer zu. So gab ein nach voraufgegangener Glycerinex- traction angefertigtes Salzsäureinfus eines Pylorus mit grossen und hellen Drüsenzellen (pag. 41) nach 15 Minuten den Ton III, nach 30 Minuten den Ton V; ein gleiches Infus eines andern Pylorus (pag. 43) mit getrübten Zellen nach 17 Minuten Ton III, nach 22 Minuten Ton IV—V. Glycerinextracte hatten sogar nach 22 Min- nuten in dem vermeintlich pepsinarmen Gemisch (pag. 43) den Ton li, während das aus dem Pylorus mit grossen hellen Zellen gefertigte Extract nur den Ton I zeigte. Bei den Versuchen am Katzenmagen hatte sich in den verschiedenen Verdauungszeiten wohl das Aussehen der Zellen in den Drüsen des Pylorus verändert; doch lieferten die Verdauungsversuche keine merklichen Farbenunterschiede. So zeigt ein Glycerin-Salzsäureinfus eines Pylorus mit mittelgrossen Zellen (4 Stunden nach der Fütterung) den Ton I nach 27 Minuten; ein gleiches Infus einer Pylorusschleimhaut mit kleinen Zellen in der- selben Zeit denselben Farbenton. Die angeführten Beispiele wären aus den Versuchen mit Ka- ninchen- und Schweinemagen zu vermehren; nur ein Einziges will ich noch erwähnen. Grützner hält die Salzsäure beim Kaninchen- magen für ein unsicheres Extractionsmittel, weil bei der geringen Zahl von Drüsenzellen zu viel Pepsin für die Verdauung der übrigen Schleimhautbestandtheile während der Extraction verloren gehe. Dies zugegeben, könnte dennoch nicht — wie es pag. 52 sich findet — ein pepsinreicherer Pylorus durch die Extraction we- niger Pepsin liefern, als ein von vornherein pepsinarmer. Somit bleibt es immerhin denkbar, dass zwischen den mor- Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 743 phologischen Veränderungen der Zellen und dem Pepsingehalt der Pylorusschleimhant kein causaler Zusammenhang bestehe. Wenn selbst durch genauere Methoden nachgewiesen wird, dass die Py- lorusschleimhaut bei Hunden den grössten Pepsingehalt um die 9. Stunde zeigt, SO spricht dies Factum sehr zu Gunsten der Infil- trationstheorie, da um diese Zeit der Mageninhalt an Pepsin natur- gemäss am reichsten ist. Nunmehr wäre noch eine andere Gategorie von Versuchen zu erwähnen, welche zwar bei den verschiedenen Forschern zu gleichen Resultaten geführt hat, aber nichts destoweniger die Grundlage für ganz entgegengesetzte Anschauungen geworden ist. Sowohl Heiden- hain und seine Schülerwie W ittich constatirten, dass die untere Lage der in horinzontaler Richtung halbirten Fundusschleimhaut besser ver- daue als die obere. Während aber die eine Partei die untere Schicht für reicher an Hauptzellen hält, wird sie von der andern zu der an Hauptzellen ärmeren gestempelt. So sind diese Versuche für Heiden- hain ein neuer Beweis, dass die Hauptzellen das Pepsin bilden; Wit- tich findet darin eine Bestätigung der Ansicht, dass die Belegzellen als wahre Labzellen aufzufassen sind. Man darf deshalb diesen Ver- suchen keinen zu grossen Werth beimessen, weil es wirklich schwer gelingen möchte, genau zu bestimmen, in welcher Schicht relativ am wenigsten Belegzellen vorkommen, da in den oberen Partien die Hauptzellen allerdings spärlicher sind, dafür aber auch die Oylinder- epithelien hinzukommen. Das Verhalten der Fermente gegen Ueberosmiumsäure, die bei Speicheldrüsen gewonnenen Erfahrungen und die Angabe Heiden- hain’s!) über die Schwärzung der Belegzellen in den Labdrüsen des Kaninchens durch Ueberosmiumsäure gaben mir Veranlassung, diese Reaction in verschiedenen Phasen der Verdauung bei den ver- schiedenartig gebauten Labdrüsen der Säugethiere, Vögel und Am- phibien zur Bestimmung des Ortes der Fermentbildung in Anwendung zu bringen. Ich untersuchte den Magen von Hund, Schwein, Pferd und Kaninchen, den ganzen Vorderdarm bei Columba domestica und Rubicilla foenicurus, den Oesophagus des Frosches. Jedesmal wurden die zu untersuchenden Stücke in einen Rahmen aufgespannt, noch warm in die Ueberosmiumsäure gebracht. Durch das Aufspannen wird die Anfertigung correcter Längs- und Querschnitte wesentlich erleichtert. 1) Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. VI. pag. 392, 744 Moritz Nussbaum; Bei der mikroscopischen Untersuchung fand sich nun bei allen Säugethieren ausnahmsweise eine Schwärzung der Belegzellen, die bei Hund und Schwein (Carni- und Omnivore) intensiver ausfiel als bei den Herbivoren und bei den auf der Höhe der Verdauung — in der 4. bis 5. Stunde nach Einführung der Nahrung — ge- tödteten Thieren jedesmal am stärksten entwickelt war. Nach Heidenhain!) sind um die 5. Stunde der Verdauung die Beleg- zellen auch am grössten und treiben die Membrana propria bucklig vor. Die Hauptzellen, die Zellen der sogenannten Magenschleim- drüsen im Pylorustheil, die ähnlich gebauten Drüsen im Cardial- theile des Schweinemagen, die Stachelzellen im Magenblindsack des Pferdes werden durch Ueberosmiumsäure nicht geschwärzt. Extrahirt man Stücke der Labdrüsenschicht 2 bis 3 Tage mit Glyeerin und dadurch den grössten Theil des Ferments, so ver- schwindet bei nachfolgender Einwirkung von Ueberosmiumsäure der Färbungsunterschied zwischen Haupt- und Belegzellen: das ganze Gewebe nimmt einen schwach gelblichen Ton an. Dagegen wird die Schleimhaut des Pylorustheiles nach vorausgegangener Infil- tration mit Pepsin durch mehrtägiges Einlegen in verdauungs- kräftiges Glycerinum pepticum gleichmässig braunschwarz in Ueber- osmiumsäure gefärbt, wie jedes andere Gewebe, welches gleichzeitig in die Pepsinlösung eingelegt wurde. Gelingt es nach Extraection des Ferments auf künstlichem Wege die Schwärzung der Belegzellen durch Ueberosmiumsäure aufzuheben, so geschieht dies nicht minder nach einer übermässigen Secretion von Magensaft, die durch den Reiz verfütterter Schwämme angeregt wurde. Vier Stunden nach der Einführung von Schwämmen getödtete Hunde lieferten Präparate, welche denen aus der 9. Stunde nach Darreichung von Fleischnahrung entsprachen. Tödtete ich dagegen die Hunde S oder 10 Stunden nach der Schwammfütterung, welche sich auch dann noch im Magen vorfanden, so wurden die Beleg- zellen durch Ueberosmiumsäure fast nicht mehr gefärbt. Die Drüsen im Drüsen- (wohl besser Lab-) magen der Vögel sind von Bischoff?), Molin®), Leydig®), und Bergmann’), 1) Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. VI, Tafel XXI, Fig. 13. 2) Müller’s Archiv 1838, 3) Denkschriften der Wiener Academie 1850. 4) Müller’s Archiv 1854. 5) Müller’s Archiv 1862. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 745 beschrieben worden. Der Letztere gibt auch zwei Abbildungen über den feineren Bau, welche, wie ich hoffe, durch meine Fig. 12 ergänzt werden können. Bei Columba domestica und Rubicilla foenicurus ist die Ober- fläche des Drüsenmagens von einem einschichtigen hohen Cylinder- epithel bekleidet. Dieses steigt bis auf den Grund des central ge- legenen gemeinschaftlichen Ausführungsganges der in grosser Zahl zu kürbisflaschenförmigen Complexen vereinigten Drüsenschläuche hinab und deckt noch eine kurze Strecke die Mündungen derselben. In den Drüsenschläuchen selbst findet sich nur eine Art von Zellen, ein einfaches, eiförmiges Epithel mit fein granulirtem Protoplasma und grossen schönen Kernen. Demgemäss fehlen im Labmagen der von mir untersuchten Vögel die Hauptzellen. Die Analoga dieser Zellen finden sich im Muskelmagen und sondern hier den hornartigen Belag!) ab. Der Labmagen -der Vögel gleicht also durchaus dem Lab- drüsentheile des Magens höherer Fische, der in neuester Zeit von Edinger?) näher beschrieben wurde. Man vergleiche zu dem Zwecke Fig. 5 der Tafel XLI mit meiner Figur 12. Beim Vogel sind die Labdrüsen auf einen engen Raum zusammengedrängt; was die Schleimhaut jedoch an Flächenausdehnung verloren, hat sie an Höhendurchmesser gewonnen. Dadurch nähert sich der Labmagen der Vögel den Drüsen, welche bloss als Anhangsgebilde des Darmes erscheinen und blos ihr Secret in ihn ergiessen. Die Nahrung gleitet in der That durch den Labmagen nur hindurch, um im Muskelmagen zerkleinert für längere Zeit zu verweilen und durch den aus dem Labmagen nachfliessenden Magensaft chymifieirt zu werden. Setzt man Stücke aus den verschiedenen Abschnitten des Vorderdarmes der Taube der Einwirkung 1°/, Ueberosmiumsäure aus, so werden ausschliesslich die eiförmigen Zellen des Labmagens geschwärzt; die Drüsen des Kropfes, des Oesophagus und die schlauch- förmigen Drüsen des Mukelmagens bleiben ungefärbt. Bei Vögeln gelingt das Experiment, durch Schwammfütterung 1) Vergleiche Wiedersheim: Die feineren Structurverhältnisse der Drüsen im Muskelmagen der Vögel. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. VIII. pag. 435. 2) L. Edinger: Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes etc. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. XIII. pag. 651. 746 Moritz Nussbaum: den Vorrath an Pepsin zu erschöpfen aus dem Grunde nicht, weil die Schleimhaut des Labmagens bei diesen Thieren nicht direct ge- reizt werden kann. Es ist mir nämlich nie gelungen, die Schwämme im Labmagen aufzufinden; entweder enthielt sie der Kropf oder der Muskelmagen. Doch ist die Schwärzung der Labdrüsenzellen gegen die 15. Stunde nach der Fütterung bedeutend schwächer als in den ersten Stunden nach Einbringung der Schwämme. In jüngster Zeit hat Swiecicki!) die. schöne Entdeckung ge- macht, dass der Oesophagus vieler von ihm untersuchten Batrachier — Rana, Pelobates, Hyla, Bufo, Triton — pepsinbildende Drüsen enthalte. Eine Wiederholung der Versuche lieferte mir eine Bestätigung der von Swieciki gemachten Angaben. Als wesentlich möchte ich noch hinzufügen, dass das im Oeso- phagus abgesonderte alkalische Secret für sich allein nicht im Stande ist, verdauende Wirkung auszuüben, sondern erst durch Zusatz von Säure dazu befähigt wird. Man überzeugt sich davon leicht durch folgenden Versuch. Nach Unterbindung des Oesophagus dicht oberhalb der Cardia führt man einem Frosch in den Rachen einen kleinen Korkceylinder ein, der alsdann durch die Contractionen des Oesophagus bald bis an die abgeschnürte Stelle hinabgleitet. Nach 5 Stunden wird der Frosch getödtet; der in zähem alkalischen Secret eingehüllte Kork mit 2 grs. zerkleinerter Froschmusculatur in 20 Cbe. einer 0,5% Kochsalzlösung bei 25° C. digerirt. Nach 24 Stunden ist noch keine Spur von Verdauung eingetreten. Fügt man 2 Tropfen einer 25°/, Salzsäure zu dem Gemisch, das jetzt also 0,125°/, der Säure enthält, so ist nach 5 Stunden Alles verdaut.. Da nun, wie be- kannt, Salzsäure bei dieser immerhin niederen Temperatur eine solche Wirkung auszuüben nicht im Stande ist, so wird durch dieses Ex- periment das von den Drüsen im Oesophagus der Bratachier aus- geschiedene Ferment als ächtes Pepsin characterisirt. Auch diese Drüsen reagiren je nach ihrem Fermentgehalt in verschiedener Intensität auf Ueberosmiumsäure. Ich reihe eine Be- schreibung der histologischen Verhältnisse und deren Gestaltung in verschiedenen Phasen der Verdauung an. Die gröberen anatomischen Details sind von Bischoff?) auf 1) H.v.Swiecicki: Untersuchung üher die Bildung und Ausscheidung des Pepsins bei den Batrachiern. Pflüger’s Archiv, Bd. XII. pag. 444. 2) Müller’s Archiv 1838. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 747 Tafel XV in Fig. 28, 29 und 30 abgebildet worden. Hier möge Folgendes Platz finden. Der Oesophagus des Frosches ist ungemein dehnbar, seine innere Oberfläche ist weiss, von alkalischer Reaction. Spannt man das Organ in einen kleinen Rahmen, so erkennt man steck- nadelkopfgrosse Drüsenpaquete, dicht unterhalb des Kehlkopfes ganz disseminirt in der Schleimhaut eingelagert, gegen die Cardia zu immer dichter gestellt. Eine gute Uebersicht des gröberen Baues dieser Drüsen geben Flächenschnitte der stark gereizten Schleimhaut, die mit einer Cooper’schen Scheere angefertigt und in indifferenten Flüssigkeiten bei schwacher Vergrösserung untersucht werden. Die Drüsen sind zusammengesetzte schlauchförmige und münden zu 10bis 15 mit schräg gegen die Oberfläche verlaufendem gemeinschaftlichen Aus- führungsgang. Besser noch als im frischen Zustande treten die Drüsen hervor, wenn man ein Stück des Oesophagus 2 bis 3 Stunden bei 20° C. mit 0,1°%/, Salzsäure digerirt. In dem gallertig durchscheinen- den Gewebe heben sich jetzt die Drüsen als gelbliche distinete Knöt- chen ab. Bei der mikroskopischen Untersuchung solcher Präparate finden sich manche Drüsenschläuche theilweise in ursprünglicher Ge- stalt erhalten. Bei den meisten ist das Gefüge der Zellen gelockert; neben kleineren Gruppen von polygonalen Zellen kommen auch ganz isolirte Zellen vor, wie sie in Fig. 11 nach Form und Aus- sehen getreu wiedergegeben sind. Die niedrigen Cylinderzellen der Ausführungsgänge, das hohe einschichtige Flimmerepithel der Ober- fläche sind durch die eingeleitete Verdauung aufgelöst worden. Gegen die gelbröthliche, sauer reagirende Schleimhaut des Magens setzt sich das Epithel des Oesophagus mit deutlicher Grenz- linie ab. Hier hört die Flimmerung der im Uebrigen gleichbe- schaffenen Cylinderepithelien an der freien Schleimhautfläche auf; diese selbst ist in verstreichbare Längsfalten gelegt und zeigt bei aufmerksamer Betrachtung ein fein chagrinirtes Aussehn. In die feinen Grübchen münden die Drüsenschläuche des Magens isolirt oder zu mehreren vereinigt. Gegen den Pylorus zu nimmt der Durchmesser der Schleimhaut stetig ab; im Fundus und an der grossen Curvatur stehen die Drüsen dicht gedrängt; im Pylorus sind sie nicht allein flacher, sondern auch spärlicher geworden und nähern sich mehr und mehr in ihrer Form den Krypten des Duodenum, Die Magenschleimhaut an der grossen Curvatur im mittleren Theile des Magens misst 0,45 bis 0,5 Millimeter, die Pylorusschleim- 748 Moritz Nussbaum: haut nur 0,2 Millimeter. Im Pylorus reicht ein flaches cylindrisches Epithel bis auf den Grund der Schläuche; in einigen finden sich spärlich polygonale Zellen, wie sie den grössten Theil der Drüsen im Anfangstheile des Magens auskleiden. Hier ragt nämlich das Cylinderepithel der Oberfläche nur 0,1 bis 0,15 Millimeter weit hinab um der polygonalen Form der Zellen mit feinkörnigem Inhalt, grossem saftigen Kern Platz zu machen. Alle Schläuche vom Oeso- phagus bis in den Pylorus hinein besitzen eine deutlich entwickelte Membrana propria, die durch Einwirkung von destillirtem Wasser oder schwachen Salzlösungen (bis zu 0,1°/) vom secernirenden Parenchym weit sich abhebt. Die Veränderung der Drüsen in den verschiedenen Secretions- phasen anlangend, habe ich bis jetzt deutliche Unterschiede blos im Oesophagus constatiren können; über den Magen behalte ich mir weitere Mittheilungen vor. Fertigt man von der in Ueberosmiumsäure erhärteten Oeso- phagealschleimhaut eines seit einigen Tagen hungernden, kräftigen Frosches feine Schnitte an, so zeigen die Partien, welche die Schläuche in reinem Quer- oder Längsschnitt getroffen haben, folgendes Ver- halten, welches sehr an die von Langerhans!) und Heidenhain?) beschriebene Structur des Pankreas erinnert. Die Zellen sind in ihrem der Membrana propria zugewandten Abschnitt, etwa die Hälfte der Zelle, hell und durchsichtig; ihr Centrum birgt den grossen Kern, in dem das Kernkörperchen nicht vermisst wird; der dem Lumen des Schlauches zugewandte Theil der Zelle ist von gröberen Körnern angefüllt, die sich in der Ueberosmiumsäure gebräunt haben (Fig. 10a). Im frischen Präparat sind diese Körner mattglänzend, lösen sich nicht, wie die Granula der Speicheldrüsen in destillirtem Wasser, wohl aber wie die des Prankreas in starker Kalilauge, auch unter der längeren Einwirkung von Glycerin und verdünnter Säuren (Fig. 11). Füttert man Frösche mit Fleisch, so sind drei Stunden nach Einführung der Nahrung die Drüsenzellen ganz mit jenen in Ueber- osmiumsäure sich bräunenden Körnern angefüllt. Die Zellkerne sind total verdeckt und können erst durch die Auflösung der Granula sichtbar gemacht werden. 1) P. Langerhans: Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der Bauch- speicheldrüse. Inaug.-Dissert. Berlin 1869. 2) R. Heidenhain: Beiträge zur Kenntniss des Pankreas. Pflüger’s Archiv Bd. X. pag. 557. Ueber den Bau und die 'Thätigkeit der Drüsen. 749 In der fünften Stunde der Verdauung ist der Körnerreichthum der Zellen unverändert geblieben. Ausserdem finden sich dicht unter der Membrana propria gröbere Partikel, die durch Ueberos- miumsäure intensiv geschwärzt werden. Im Zwischengewebe ist von dieser Bildung nichts aufzufinden. Fünfzehn Stunden nach der Fleischfütterung hat sich wiederum eine körnerfreie periphere Zone in den Drüsenzellen herausgebildet und die gröberen geschwärzten Partikel fehlen. Hat man dagegen durch Einführung eines Korkes in den an der Cardia abgebundenen Oesophagus die Schleimhaut längere Zeit (3 bis 5 Stunden) direet gereizt — die Nahrung verweilt unter nor- malen Bedingungen nicht im Oesophagus, sondern im Magen — so sind die Zellen der Drüsenschläuche von ganz anderem Aussehen. , Vor Allem fällt die helle Beschaffenheit nach der Einwirkung von Ueberosmiumsäure auf. Das Protoplasma ist fein granulirt; die Kerne sind geschrumpft und eckig; von den Granulis ist keine Spur vorhanden. (Um den Kork hat sich eine mässige Quantität eines zähen Secrets angehäuft, welches auf Zusatz von 0,1°/, Salzsäure kräftig eiweissverdauend wirkt.) Durch ein- bis zweitägige Extraction der auf der Höhe der Secretion befindlichen Drüsenzellen mittels Glyeerin ist die im frischen Gewebe erfolgende Schwärzung durch Ueberosmiumsäure aufzuheben, während diese in Stücken derselben Schleimhaut, welche gleich lang ohne jeden Zusatz bei 0% aufbewahrt wurden, nicht ausbleibt. Demzufolge stellt es sich heraus, dass auch bei den Drüsen im Oesophagus des Frosches, wie dies von Heidenhain!) für das Pankreas geltend gemacht wurde, die Granula in den Zellen mit der Bildung des Ferments in engster Beziehung stehen: da die Gra- nula es sind, welche durch die Ueberosmiumsäure geschwärzt werden, im Laufe der physiologischen Secretion zum grössten Theil, bei energischer Reizung (Kork in den abgebundenen Oesophagus) oder künstlicher Extraction des Ferments durch Glycerin gänzlich aus den Zellen schwinden. Da nun ferner mit dem allmäligen Schwunde der Granula auch die Schwärzung der Zellen in Ueberosmiumsäure abnimmt und schliesslich ganz aufhört, so ist bei der eigenthüm- lichen Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf Fermente zu folgern, 1) R. Heidenhain:; Beiträge zur Kenntniss des Pankreas. Pflüger’s Archiv Bd. X. pag. 557. 750 Moritz Nussbaum: dass reichliches Vorkommen von Granulis mit Fermentreichthum der Zellen zusammenfällt. Somit wird durch den Reiz der Ingesta das Ferment erst in den Drüsenzellen gebildet und ist, nach dem Körnerreichthum der Zellen zu schliessen, um die fünfte Stunde der Verdauung am reich- lichsten darin vorhanden. Aehnliche Resultate ergaben die |quantitativen Bestimmungen des Pepsingehaltes, wie sie Swiecicki nach der colorimetrischen Methode Grützner’s ausgeführt hat. Swiecicki fand für den Hungerzustand in der Speiseröhrenschleimhaut der Batrachier ein Minimum von Pepsin, welches während der Verdauung innerhalb 6 bis 10 Stunden in das Maximum überging und dann wieder ab- fiel. Doch stehe ich an, diese Bestimmungen für beweisend zu halten, da die von Grützner!) mit seiner Methode bei Säuge- thieren angestellten Versuche einen ganz anderen Modus der Pep- sinbildung ergeben haben. Nach Grützner ist der Gehalt der vor- züglich Pepsin bildenden Labdrüsenschleimhaut (Fundus) im Hunger- zustande ein maximaler, der im Laufe der Secretion etwa bis zur 9. Stunde continuirlich abfällt. Wenn nun auch der Pepsingehalt des Pylorus nach Grützner einen inversen Typus zeigt, der, wie wir sahen, auch auf andere Weise als genuin entstanden gedacht werden kann, so wäre dennoch bei der gegen die Menge der Lab- drüsen verschwindenden Anzahl von Pylorusdrüsen der Pepsingehalt einer Magenschleimhaut bei Säugethieren im Hungerzustand ein maximaler und nähme durch die Secretion einfach continuirlich ab. Ehe man sich aber entschliesst, einen so principiellen Unterschied als bestehend anzuerkennen, ist es nöthig, sich nach andern Mitteln der Erklärung umzusehen. Diese Erklärung finde ich in der Schwierigkeit, Fermente ohne Verlust vollständig zu extrahiren und sie aus den Producten ihrer fermentativen Thätigkeit quantitativ zu bestimmen. Bis jetzt wird man die Angabe des eigentlichen Ortes der Fermentbildung in den Labdrüsen der Säugethiere in meiner Dar- stellung vermisst haben. Aus Zweckmässigkeitsgründen handelte ich zuvor von den pepsinbereitenden Drüsen der Vögel und Amphibien und hole jetzt das Versäumte nach. 1) P. Grützner: Neue Untersuchungen über die Bildung und Aus- scheidung des Pepsins. Breslau 1875. Fig. I der beigefügten Tafel. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 751 Lässt auch das geschilderte Verhalten der Belegzellen gegen Ueberosmiumsäure keinen Zweifel darüber, dass diese Zellen das Pepsin bilden, so kann ich zur weiteren Stütze dieser Behauptung noch Folgendes anführen. 1. Die Hauptzellen gleichen in allen ihren Merkmalen, sowohl in äusserer Form als mikrochemischem Verhalten, den Drüsenzellen des Pylorus. Das Analogon des Pylorustheiles ist aber, wie Retzius!) dies des Nähern ausgeführt, der Muskelmagen der Vögel, dessen Drüsenzellen durchaus keine Aehnlichkeit mit den Belegzellen, wohl aber mit den Hauptzellen in den Labdrüsen der Säugethiere haben und dessen secretorische Thätigkeit keinem Zweifel unterliegt?). Das Secret der Drüsen im Muskelmagen der Vögel liefert den horn- artigen Belag, der an der Zerkleinerung der Ingesta so wesentlichen Antheil nimmt. Der Pylorustheil und die Hauptzellen in den Lab- drüsen der Säugethiere sondern ein nicht erstarrendes Secret, die zähe Schleimdecke ab. 2. In embryonalen Mägen, aus denen keine eiweissverdauenden Extracte zu gewinnen sind, finden sich keine Belegzellen®). Ich untersuchte auf diesen Punkt den Labmagen von Rindsembryonen bis zu 41 Ctm. Scheitel-Steisslänge. Die zerkleinerte Schleimhaut verdaute sich mit dem entsprechenden Quantum 0,1°/, Salzsäure weder selbst bei Körpertemperatur, noch lieferte sie mit Glycerin oder Salzsäure peptonisirende Extracte. 3. Während des Winters sistiren bei Thieren, deren Stoffwechsel unter das normale Mass hinabgeht, gewisse Fermentationen. So soll einer Notiz Schützenberger’s®) zufolge Dextrin während des Frühjahrs und Sommers in die Venen eines Frosches eingespritzt als Zucker im Harn wiedererscheinen, dagegen im Winter unver- ändert in den Harn übergehen. — Durch Rollett wissen wir nun, dass bei Fledermäusen während des Winterschlafes die Belegzellen aus den Labdrüsen schwinden. Mit Rücksicht auf die bei Fröschen beobachtete Thatsache darf somit der Schwund der Belegzellen während der Winterschlafes mit der höchsten Wahrscheinlickeit als 1) A. Retzius: Bemerkungen über das Antrum Pylori beim Menschen und einigen Säugethieren. Müller’s Archiv 1858 pag. 74. 2) Vgl. Leydig: Lehrbuch der Histologie. Frankf. 1857. pag. 41 u. 309, 3) Vergl. Laskowsky: Ueber die Entwicklung der Magenwand, Wiener Sitzungsber. 1858 pag. 137. 4) Die Gährungserscheinurgen. Leipzig 1876, 752 Moritz Nussbaum: Beweis für ihre fermentbildende Eigenschaftgelten, wenn auch derNach- weis über das Fehlen jeder peptonisirenden Wirksamkeit der Magen- schleimhaut winterschlafender Thiere bisher noch nicht erbracht ist. 4. Die Belegzellen widerstehen länger der künstlichen Ver- dauung als die Hauptzellen. Während Heidenhain dies Factum für die Pepsinbereitung in den Hauptzellen geltend macht, kann es nunmehr, nachdem sich die unzweifelhaft Pepsin bildenden Drüsen- zellen im Oesophagus des Frosches eben so resistent erwiesen haben, gerade für das Gegentheil verwerthet werden. Die Immunität der electrischen Fische gegen ihre eigenen electrischen Schläge, der Schlangen gegen ihren giftigen Biss sind analoge Phänomene. 5. Bei Vögeln!) und Fischen?) ist es auf das Bestimmteste nachgewiesen, dass in den ächten Labdrüsen nur eine Form von Zellen sich findet: diese Zellen stimmen durchaus mit den Beleg- zellen der Säugethiere überein. Füge ich noch die Resultate Herrendörfer’s?) über die Möglichkeit, aus den drüsenlosen Vormägen der Wiederkäuer eiweiss- verdauende Extracte zu gewinnen, hinzu, so drängt Alles zu der An- nahme, das Pepsin wird ausschliesslich in den Belegzellen gebildet; die geringen Mengen des Pylorus sind infiltrirt. 3. Pankreas. Das Pankreas anlangend zeigte sich beim Frosch eine mit der von Heidenhain nachgewiesenen postmortalen Steigerung des Fer- mentgehaltes gleichmössig wachsende Intensität der Schwärzung durch Ueberosmiumsäure. Im Pankreas bilden wie in der Parotis der Kaninchen, in den Oesophagusdrüsen der Batrachier und den Labdrüsen der Vögel alle Zellen Ferment. Die Färbung durch Ueberosmiumsäure ist eine gleichmässige, erreicht aber in der Pa- rotis der Kaninchen während des Liegens keinen so hohen Grad wie beim Pankreas. Während nämlich das Pankreas des Frosches, lebend in Ueberosmiumsäure gebracht, braun gefärbt wird, nimmt ein Stück desselben Pankreas, 5 Stunden nach der Tödtung des Thieres in die Säure gebracht, einen dunkelbraunen Ton an, der bei einem 15 Stunden alten Stück des Organs in das tiefste Schwarz übergeht. 1) Vergl. pag. 745. 2) Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. XIII. pag. 651. 3) Physiologische und mikroskopische Untersuchungen über die Aus- scheidung von Pepsin. Inaug.-Dissert. Königsberg 1875. Ueber den Bau und die Entstehung der Drüsen. 753 Auch hier hob in allen Stadien Glycerinextraction die charak- teristische Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf. Analog verhielten sich die von Schwalbe!) als appendiculäre pankreatische Drüsen gedeuteten Schläuche in der Mucosa des Zwölffingerdarms bei Kaninchen; während die daneben gelagerten Brunner’schen und die Lieberkühn’schen Drüsen in Ueberos- miumsäure ungefärbt bleiben. In Folge dessen möchte ich der von Grützner?) vertretenen Ansicht über die physiologische Dienität der Brunner’schen Drüsen nicht beitreten ; gerade ihre Uebereinstimmung mit den Pylorusdrüsen beweist, dass beide Drüsenarten kein Pepsin bilden. Auf die Fermentbildung in der Leber sind Untersuchungen in der eingeschlagenen Richtung aus dem Grunde unmöglich, weil auch die Galle durch Ueberosmiumsäure geschwärzt wird. Dagegen wird man die von Max Schultze und Rudneff?) an farblosen Blutkörperchen nach Einwirkung von Ueberosmiumsäure beobachtete tieischwarze Färbung wohl mit dem Fibrinferment in Beziehung bringen dürfen, welches nach A. Schmidt ausserhalb des Organismus neben der fibrinoplastischen Substanz aus den farb- losen Blutkörperchen gebildet wird. Zum Schluss die Resultate meirer Untersuchung kurz zu- sammenfassend sage ich: In den bis jetzt untersuchten Drüsen, soweit sie für die Ver- dauung wirksame Secrete liefern, bilden entweder alle Zellen Fer- ment — Pankreas, Oesophagusdrüsen der Batrachier, Labdrüsen der Vögel, Parotis des Kaninchen — oder es sind neben anderen noch ganz specifische für diese Function bestimmte Zellen vorhanden. So bilden Fermentin derGlandula submaxillaris des Ochsen, des Schafes, des Meerschweinchen, der Maus die Zellen, welche denen beim Hunde zuerst 1) Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. VIII. pag. 92. 2) P. Grützner: Notizen über einige ungeformte Fermente des Säuge- thierorganismus. Pflüger’s Archiv Bd. XII. pag. 285. — Grützner spricht in diesem Aufsatze in Grundlage eigner Beobachtung und der Versuche von Schiff der Glandula submaxillaris des Kaninchen jede fermentative Thätig- keit ab. Diese Drüse enthält aber wohl, wie oben mitgetheilt wurde, ein schnell wirkendes diastatisches Ferment. Dass sie weniger enthält als die Parotis desselben Thieres geht aus der verschiedenen Art der Ferment- bereitung in den beiden Drüsen hervor. Die Parotis bildet in allen, die Glandula submaxillaris nur in wenigen Zellen Ferment. 3) Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. I pag. 300. -Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 13. 48 754 Moritz Nussbaum: von Gianuzzi als Lunula beschriebenen analog sind, und was ihre Lagerung und äussere Form anbetrifit mit den Belegzellen in den Labdrüsen der Säugethiere übereinstimmen. Ferment bilden die Belegzellen der Labdrüsen des Säugethiermagen, für die ich deshalb den alten und bezeichnenden Namen »Pepsinzellen« wieder in Vorschlag bringen möchte. — Eine Ausnahmestellung in Bezug auf die Lage der fermentbereitenden Zellen nimmt die Unterkieferspeicheldrüse des Kaninchen ein, indem hier die specifischen fermentbereitenden Drüsenzellen am Uebertritt des Ausführungsganges in mehrere Al- veolen angetroffen werden. In allen Drüsen wird durch den Reiz der eingeführten Nahrung der Fermentreichthum gesteigert; durch eine normale Secretion aber nicht vollständig erschöpft. Erklärung der Figuren auf Tafel XLIN. Sämmtliche Figuren sind bei einer Vergrösserung von Zeiss F. Oc. 2 getreu nach der Natur gezeichnet. Fig. 1. Zerzupfungspräparat einer thätigen Kaninchensubmaxillaris (Ösmium). l. Ursprung der Speichelgänge in den Alveolen. f. Fermenthaltige, z. die übrigen Zellen der Alveolen. s. Ebner’s Schaltstück. Fig. 2. Aus einer mit Osmiumsäure behandelten, 2 Stunden lang vom Nerven aus gereizten Submaxillardrüse des Kaninchen. a. Alveolen. 1. wie bei Fig. 1. s. Die Schaltstücke der Ausführungsgänge im Längsschnitt ge- troffen. r. Ausführungsgang (Speichelröhre Pflüger’s) im Querschnitt. Das Präparat zeigt bei dem Mangel der Schwärzung in den um das Lumen der Alveolen gruppirten Zellen den Uebergang vom Lumen . der Alveolen in das Schaltstück und von diesem in die Speichelröhren. Fig. 3. Aus einer in Ueberosmiumsäure erhärteten fermenthaltigen Unter- kieferspeicheldrüse des Rindes. f. Die fermenthaltigen Zellen; s. die Schleimzellen der Alveolen. r. Theil eines im Querschnitt getroffenen grösseren Ausführungs- ganges. Fig. 4. Ebendaher, nur vor der Einwirkung der Ueberosmiumsäure erst in Alkohol gehärtet (der Alkohol bei 35° verdunsten gelassen). mp. Die abgehobene Membrana propria. Unter der Membrana propria und im Lumen der Alveole grössere durch Ueberosmiumsäure geschwärzte Partikel. Figg. 5 u. 6. Zwei durch Ueberosmiumsäure geschwärzte fermenthaltige Ueber den Bau und die Entstehung der Drüsen. 755 Zellen aus der Glandula submaxillaris des Rindes. (Aus einem feinen Schnitt durch Zerzupfen dargestellt.) f. die Zellen; 1. l. die Lumnia der Alveolen. Fig. 7. Aus den Labdrüsen des Hundes; 5te Stunde der Verdauung. p. Pepsinzelle, s. Schleimzelle nach Behandlung mit Ueberosmium- ‘ säure. Figg. 8 u. 9. Zur Demonstration zweier verschiedenen Arten der Anein- anderfügung von Epithelien aus dem Magen des Pferdes und zwar Fig. 8. Epithelzellen aus den Pylorusdrüsen. In die von den Zellleibern und ihren geschwänzten Fortsätzen gebildeten Vertiefungen v. greifen die nächsten Zellen ein. Fig. 9. Stachelzellen aus den tieferen Schichten des Magenblind- sackes. NB. Die Magenschleimhaut des Pferdes zerfällt in drei Ab- tkeilungen. Auf den Oesophogus folgt ein grosser nach links gele- gener Blindsack. Hier finden sich keine Drüsen, sondern ein mehr- schichtiges Pflasterepithel, welches an der Oberfläche wie die Epi- dermis der Haut verhornt und in der Tiefe den Charakter der Stachel- zellen trägt. Die Oberfläche ist ganz weiss und glatt; in der Tiefe bildet das Epithel zapfenförmige Vorsprünge in das unterliegende Bindegewebe, oder anders ausgedrückt: in das Epithel ragen blut- gefässführende Papillen hinein. An diese sehr dünne Zone schliesst sich die chocoladenfarbene Labdrüsenschicht an; der Pylorustheil macht den Beschluss. Der feinere Bau der Lab- und Pylorusdrüsen gleicht dem bekannten der übrigen Säugethiere.. Die drei Ab- theilungen verhalten sich in der angeführten Reihenfolge in Bezug anf ihre Flächenausdehnung verglichen wie 9: 8:6. Ihre Dicken- durchmesser verhalten sich wie 11 : 25 : 20.— Den Magenblindsack des Pferdes darf man wohl als eine den Vormägen der Wiederkäuer analoge Bildung auffassen. Fig. 10. Oesophagealdrüsen des Frosches in verschiedenen Stadien der Se- eretion nach Osmiumeinwirkung. (Die einzelnen Drüsenschläuche stammen aus verschiedenen Präparaten.) a. Hungerzustand. b. 5. Stunde der Verdauung. e. 5 Stunden lang mit Kork gereizt. Fig. 11. Durch zweistündige Digestion in 0,1°/, Salzsäure isolirte Drüsen- zellen aus dem Oesophagus des Frosches. Fig. 12 Drüsenschläuche aus dem Labmagen der Taube; 15te Stunde der Ver- dauung. Das Präparat stellt ein Bruchstück eines (Querschnittes aus den tieferen Schichten des Labmagens nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure dar. g. Blutcapillargefäss bei c. zwischen zwei Drüsenschläuchen auf- steigend. Ueber formative Differenzirungen in den Embryonal- zellen von Siredon pisciformis. Ein Beitrag zur Histogenese des Thierorganismus. Von Dr. Aurel v. Török, Professor in Klausenburg. Hierzu Taf. XLIV. Mit dem Hinweise, dass alle Gewebestructuren des thierischen Organismus durch die formative Thätigkeit der lebenden Sub- stanz (Protoplasma M. Schultze, Bioplasma L. Beale)!) entstehen, wurde zum ersten Male die wahre Grundlage für die ge- sammte Histogenese deutlich präzisirt. Wenn man aber auch die Frage über die feinere Structur der lebenden Substanz, trotz den neueren Forschungen als kaum über den Ausgangspunkt hinaus- gehend betrachten kann und wenn über den innern Zusammenhang zwischen den wahrnehmbaren Lebensäusserungen und der Struetur. der lebenden Substanz bisher so viel wie gar nichts Bestimmtes eruirt werden konnte, so sind wir doch im Stande mit den Hülfs- mitteln der heutigen mikroskopischen Analyse den Nachweis zu liefern: dass während der Entwickelung des thierischen Organismus in der lebenden Substanz der Furchungskugeln gewisse formative Differenzirungen auftreten, die für die Frage der späteren Gewebe- structur bestimmte Anhaltspunkte liefern. ’ 1) Unter den Namen, mit welchen man bisher die wesentliche Substanz der lebenden Structur belegt hat, finde ich den Namen „lebende Substanz“ (living matter, Beale, Huxiey) am bezeichnendsten und am wenigsten präjudicirend. Es ist unleugbar, dass man den Namen „Protoplasma‘‘ schon auch auf solche Zellsubstanzen angewendet hat, wo der ursprüngliche Begriff in der Anwendung des Namens zu einer contradictio in adjecto ge- worden ist. — Aber auch davon abgesehen, finde ich den Namen „lebende Substanz“ vortheilhafter, weil in neuerer Zeit E. van Beneden und nach ihm Eimer einen integrirenden Bestandtheil des Dotterprotoplasma, nämlich die Dotterplättchen (Dotterkörner) im Gegensatze zur Grundsubstanz als Deuto- plasma auffasste, wodurch eine Trennung der Bestandtheile eingeführt wurde, die wenigstens in Hinsicht der Bedeutung der embryonalen Leibessubstanz un- zulässig erscheint. ' Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 757 Auf keinem andern Gebiete der Naturforschung muss in Hin- sicht der weiteren Fortschritte dem Specimen der Untersuchung diejenige Bedeutung beigemessen werden, als eben auf dem Gebiete der histologischen Forschung. Nichts ist aber verlockender, als die Giltigkeit der solcherweise gewonnenen Resultate zu generalisiren, d. h. auch auf andere Fälle auszudehnen, wo die in derselben Rich- tung eingeschlagene Untersuchung resultatlos blieb. Und doch, trotz den Gefahren, welche mit einem solchen Verfahren verbunden sind, sind wir vor der Hand genöthigt unser Hauptaugenmerk auf exqui- site Specimina zu richten, um bei der enormen Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe wenigstens den einzelnen Specialfragen näher kommen zu können. Ich habe an den Embryen von Siredon pisci- formis ein Untersuchungsobject gefunden, bei welchem man über gewisse formative Differenzirungsvorgänge eine genauere Orientirung erlangen kann, wie ich sie sonst nirgends gefunden oder von andern Forschern berichtet gelesen habe. Die lebende -Substanz der Embryonalzellen besteht (von dem besonders differenzirten Zellenkerne abgesehen), wie bekannt, aus der sogenannten homogenen Grundsubstanz, welche von den einge- bettet liegenden Dotterplättchen (Dotterkörnern) durch und durch ausgefüllt wird. Wenn bei dem heutigen Stande der mikroskopischen Diagnose weder der Beweis einer Identität noch einer Verschieden- heit von den Grundsubstanzen anderer »Protoplasmasubstanzen« geliefert werden kann, so sind es die Dotterplättchen, wodurch die lebende Substanz der Embryonalzellen, dieses xaz’ 2£0yyv entwicke- lungsfähige-differenzirungsfähige »Protoplasma« von allen späteren Zeilsubstanzen gekennzeichnet ist. Die Dotterplättchen, wie bisher, mit den Körnchen einer beliebigen Zellsubstanz zu identifizieren und dieselben als »Nahrungskügelchen«, »Fettkügelchen« zu bezeichnen, ist, wie wir sehen werden, aus gewichtigen Gründen unzulässig. Die Dotterplättchen sind Formelemente, welche bei der Reifung des Eiprotoplasma auftretend, diesem als dem materiellen Substrat des künftigen Organismus die Fähigkeit zur Structurdifferenzirung verleihen. Ein Eiprotoplasma ohne Dotterplättchen ist bei den höheren Organismen nimmermehr entwickelungsfähig und ich habe schon einmal »Acta R. Scient. Univers. Claudiopolitanae. MDCCCLXXIH—IV. Fasc. I.«, und »Gentralblattf. med. Wis- senschaften 1874. Nr. 17«) darauf aufmerksam gemacht, wie wenig die herrschende Ansicht der Histologen über die Dotterplättchen ge- 758 Dr. Aurel v. Török: rechtfertigt ist, und wie weit man noch entfernt ist dem Winke zu folgen, den uns die Chemie in dieser Richtung gegeben hat. Vergleicht man die Dotterplättchen der Embryonalzellen von Siredon piseiformis in den verschiedenen Keimblättern sowohl, wie auch in einem und demselben Keimblatte, so ist es zunächst auf- fallend, dass im Verlaufe der ersten Enwickelungsstadien die Dotterplättchen aus ihrer ursprünglichen räumlichen Anordnung heraustreten und in der sogenannten Grundsubstanz eigenthümlich vertheilt erscheinen. Fernerhin kann man gewahr werden, dass die Dotterplättehen nicht alle ohne Weiteres aufgelöst werden um in der Grundsubstanz spurlos unterzugehen. Es ist bekannt, dass die Dotterplättchen noch lange in vorgeschrittenen Stadien der Gewebe- entwickelung persistiren und dass dieselben, bevor sie verschwinden, gewisse Structureigenthümlichkeiten annehmen können, worauf auch die verschiedenen Ansichten (Clarke, de Filippi) über ihr Wesen zurückzuführen sind. Eine rasche und massenhafte Auflösung der Dotterplättehen habe ich mit excessiver Volumszunahme der Leibes- substanz nur in abnormen Fällen, bei absterbenden Embryen gefun- den. Bevor ich auf die weiteren normalen Veränderungen der Dotterplättchen übergehe, will ich einen Fall der abnormen Auf- lösung der Dotterplättchen des Näheren erörtern. — Man kann bei Siredon piseiformis oft die Beobachtung machen, dass ge- leste Eier wegen Abwesenheit von Sperma unbefruchtet blei- ben und doch gewisse Entwickelungsstadien durchlaufen wie die befruchteten Eier, somit eine rudimentäre parthenogenetische Ent- wickelung zeigen, wie dies auch von andern T'hiereiern (Salpen, Huhn, Kaninchen) beobachtet wurde. Bis jetzt konnte ich aber keinen einzigen Fall beobachten, wo eine parthenogenetische Ent- wickelung bis zum fertigen Aufbau des Thierleibes gediehen wäre. Solehe Eier sterben früher oder später unter verschiedenen Erschei- nungen ab. Anfangs unterschieden sich die Eier ihrem Aeusseren nach durch gar nichts von andern befruchteten Eiern, nur der zeit- liche Verlauf schien eine Verlangsamung zu erleiden. Ein später- hin wahrnehmbares Merkmal bestand in Deformitäten der Leibes- form und in Veränderungen des Colorits. In Fig. 2 ist ein ge- schrumpfter Theil von der Umgebung des Rusconi’schen Afters eines solehen Eies zu sehen. Anstatt der gesonderten Keimblätter, waren hier zwei durch Färbung scharf geschiedene Schichten zu sehen, wovon die äussere compactere fein granulirt und dunkel pig- Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 759 mentirt, die innere etwas gröber granulirt aber vollkommen hell war. Von Embryonalzellen war an der geschrumpften Leibespartie keine Spur zu finden. Viel mannigfaltiger gestaltete sich das Bild in den vorderen Leibespartieen. An Schnitten, die senkrecht auf die Längsachse durch den mittleren Theil geführt wurden, konnte man die Uebergänge der Keimblätter bis zu jenen Stellen verfolgen, wo weder gesonderte Zellschichten noch Zellen zu sehen waren. An der Grenze, wo die in ihren äusseren Contouren verschwommenen Zellen aufhörten, begann eine von rundlichen, im Allgemeinen ver- kleinerten, Dotterkörnern mörtelartig zusammengesetzte Partie, in welcher kleinere grössere helle Heerde und kleinere grössere Bläs- chen (Fig. 3) auftraten und zwar während die Heerde in dem Uebergange zur normalen Partie des Rückens vorherrschten, waren die Blasen am unteren Bauchtheil in Ueberzahl. Eine fernere wich- tige Abnormität bestand darin, dass die Verschiedenartigkeit der Grösse und Form der Dotterplättchen mit dem Zugrundegehen der Embryonalzellen auch hier, wie in Fig. 2 aufhörte. Ebenso wie beim reifen Dotterprotroplasma eine mannigfaltige Verschiedenheit der Dotterplättchen als characteristisch bezeichnet werden kann, ist auch in dem embryonalen Protoplasma eine derartige Verschieden- heit hervorzuheben. Bei der Unmöglichkeit der Entscheidung, ob die erwähnte, jedenfalls abnorm beschaffene mörtelige Substanz be- reits abgestorben oder erst im Absterben begriffen war, will ich mich lediglich auf die Beschreibung des Vorganges der Verän- derungen beschränken, unbekümmert, ob dieselben noch als Resul- tate der Lebensfunctionen oder als einfache physikalisch-chemische Vorgänge aufzufassen sind. Schon zwischen den einzelnen noch sichtbaren Zellgruppen der Keimblätter waren kleine helle Heerde zu sehen, welche aus 3—5 geschrumpften hellen Dotterkörnern be- standen und je mehr die Zellen zu Grunde gingen um so mehr traten diese Heerde auf. Der Prozess schien von einem Mittelpunkte aus- gehend umherzugreifen, wobei immer mehr Dotterkörner in den Kreis einbezogen wurden. In Fig. 5 bei % ist ein grösserer heller von einem Körnchenwall umgebener Heerd abgebildet, wo man im Innern die einzelnen Dotterkörner nur mehr durch zarte Gontouren angedeutet findet, während bei % der Uebergang dieser Heerde zu den von deutlichen Membranen umgebenen Bläschen (b) erkennbar ist, und wo an der Stelle der Dotterkörner ein schwammartig durch- löchertes Gerüst sich bemerkbar macht. In den grösseren Blasen 760 Dr. Aurel v. Török: verschwindet auch dieses schwammartige Gerüst und der Inhalt besteht aus einer limpiden mehr minder zähen Flüssigkeit. Bei Embryen, wo die massenhafte Bläschenbildung weit gediehen war, bekam die ganze vordere durchscheinende Leibeshälfte in Folge der Hervorbauchung der vergrösserten und confluirten Blasen eine sta- lactitartige Oberfläche. Aus den erwähnten Erscheinungen am Embryonalleib geht nun hervor, dass mit dem Absterben des Protoplasma Veränderungen der Dotterplättchen eintreten, indem diese sich durch Auflösung verkleinern und nachträglich in gewissen Heerlen einen Quellungs- prozess eingehen, um endlich durch Auflösung gänzlich zu verschwinden. Die Bläschenbildung zeigt, dass die Substanz der Dotterplättchen in Folge der Quellung zu einer excessiven Volumszunahme des Kör- pers beitragen kann und es liegt nahe der Gedanke, dass auch beim normalen Entwickelungsgange die Volumszunahme zum Theil mit den Veränderungen und schliesslichem Aufgehen der Dotter- plättchen in die Structur der embryonalen Protoplasmasubstanz in innerer Beziehung steht, wie dies hier speciell nachgewiesen werden soll. Beim normalen Verlauf der Entwickelung ist jedoch der Pro- zess ein viel complieirter und die Volumszunahme des gesammten Embryo geht immer Hand in Hand mit den formativen Differenzi- rungen, die zum Aufbau der verschiedenen Gewebe führen. Um zu erfahren, in welcher Weise die erwähnte eigenthümliche Vertheilung der Dotterplättchen in der lebenden Substanz erfolgt, isolirte ich die lebenden Embryonalzellen in Eigallerte, und unter- warf dieselben einer längeren Beobachtung am Schklarewski’schen Heiztische bei 20— 30° C. Trotz vielfacher Wiederholung dieses Verfahrens und trotzdem ich Embryonalzellen von den verschiedensten Entwickelungstadien der Keimblätter genommen habe, gelang es nur in seltenen Fällen plötzliche, ruckweise auftretende Ver- schiebungen der Dotterplättchen zu beobachten. Sonderbarer Weise schienen diese Locomotionen in denjenigen Zellen, in welchen der Zellkern schön geformt und differenzirt war, präziser einzutreten, als in den Zellen — wo entweder kein Zellenkern zu sehen war, oder derselbe sich in einer fremdartigen Form präsentirte. Dies muss ich um so mehr hervorheben, weil, wie wir weiter unten sehen werden, die Bilder von Alkoholpräparaten eben auf den entgegen- gesetzten Fall schliessen lassen. Aus den in unregelmässigen, langen Zeitintervallen auftretenden Verschiebungen konnte ich nur soviel Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 761 eonstatiren, dass weder die Bewegungserscheinungen des Zellen- kerns, noch die äusseren amöboiden Formveränderungen des Zellen- leibes in unmittelbarer Beziehung zu den erwähnten Verschiebungen der Dotterplättchen standen; denn in den meisten Fällen wo der Zellen- kern lebhaftere Bewegung zeigte, oder wo der membranlose Zellenleib buckelförmige Fortsätze trieb, blieb die gegenseitige räumliche An- ordnung der Dotterplättchen dieselbe. Es schien als wären die Dotterplättchen wie durch ein feines — freilich unsichtbares — Ge- rüst der Grundsubstanz fixirt, so dass die Bewegung der Dotter- plättchen gelegentlich mit der Grundsubstanz in toto erfolgte, während in den Fällen, wo die Bewegungserscheinungen des Zell- kernes und an der Peripherie des Zellenleibes fehlten, einzelne — und zwar in den meisten Fällen die in der nächsten Nachbarschaft liegenden Dotterplättchen ihre gegenseitige Lage wie mit einem Schlage veränderten, als wären sie plötzlich aus ihrer bisherigen Zwangslage befreit worden und als wären sie abermals in der neuen Lage fixirt worden, denn die Bewegung hörte plötzlich auf und nur ein- oder zweimal sah ich eine oscillirende Bewegung der Dotter- plättchen, worauf nach kurzer Weile ein völliger Stillstand eintrat. Indem bei diesen Ortsveränderungen in den übrigen Partieen des Zellenleibes ein Ruhezustand herrschte, sind diese Erscheinungen als partielle Vorgänge im Zellenleibe aufzufassen. Eine Rechenschaft über die Natur dieser Vorgänge kann ich mir nicht anders geben, als dass ausser den Veränderungen, welche den lebenden Zellenleib im Grossen und Ganzen betreffen, noch partielle Veränderungen eintreten, so dass von Stelle zu Stelle die protoplasmatische Sub- stanz der Zellenleiber gewissermassen differente Eigenschaften an- nehmen kann, demzufolge innerhalb einer »Lebenseinheit« des em- bryonalen Organismus auch eine verschiedene Thätigkeit geäussert wird. Es scheint dass dort, wo die Dotterplättchen aus ihrer früheren Ortslage herausgetrieben werden, das Gefüge zwischen der Grundsubstanz und den Dotterplättchen entweder in Folge einer leb- hafteren Plasmaströmung oder einer partiellen Verflüssigung des supponirten feinen Gerüstes der Grundsubstanz gelockert wird. Indem ich von einer weiteren directen Verfolgung der forma- tiven Lebensvorgänge, wegen dem unverhältnissmässigen Verbrauche des ohnehin beschränkten Materials und wegen Aussichtslosigkeit auf entscheidende Resultate an den lebenden Gebilden Abstand nehmen musste, setzte ich meine Untersuchungen an vorher mit 762 Dr. Aurel v. Török: 0,5°/ 0sO, behandelten und dann in absolutem Alkohol aufbe- wahrten Embryen fort. Wiewohl auch meine auf diese Weise ge- wonnenen Beobachtungen nicht zum völligen Abschluss führten, sehe ich mich doch veranlasst, die Resultate zu veröffentlichen: weil sie geeignet scheinen, die Aufmerksamkeit auf eine neue Frage — nämlich auf die Frage der Verwendung der Dotterplättchen beim Aufbau der Gewebestructur zu lenken und weil sie zum Theil mit den neuesten histogenetischen Forschungen Auerbach’s und der späteren Autoren in mancher Hinsicht in naher Beziehung stehen. Die Bilder, welche ich an den Embryonalzellen von gehärteten Präparaten gewann und wie ich sie zum Theil auf der Tafel wieder- gebe, führten — wie schon erwähnt — zu dem Resultate, dass diejenigen Dotterplättchen, welche zum Gewebedifferenzirungsprozess verwendet werden sollen, zunächst eine neue räumliche Anordnung erleiden; sei es, dass die Dotterplättchen eine radiäre oder eine kreisförmige Lagerung erleiden, sei es, dass mehrere Dotterplättchen sich zu einer dichter gedrängten Gruppe vereinigen. Ich nenne diesen, die späteren formativen Differenzirungen vorbereitenden Vor- gang die formative Differenzirungsrichtung der Dotter- plättchen in den Embryonalzellen. Ich kann nicht umhin hervor- zuheben, dass die Formen dieser Differenzirungsrichtung der Dotterplättchen viele Uebergänge zeigen können und in manchen Fällen ist eine Differenzirungsrichtung überhaupt nur insofern zu constatiren, als im Zellenleibe an einer oder an mehreren Stellen einige grössere Dotterplättchen in Anhäufungen erscheinen, während in den Zwischenpartieen die Dotterplättchen entweder gänzlich ver- schwunden sind, oder in grösseren Abständen unregelmässig zerstreut liegen. Ferner kann ich mich des Eindrucks nicht entschlagen, dass eine exquisit ausgesprochene Differenzirungsrichtung der Dotterplättchen nur an solchen Zellen zu finden war, welche in einer raschen Volamszunahme oder in einer partiellen (inneren) oder totalen (äusseren) Metamorphose begriffen waren. In vielen anderen Zellen war Nichts, oder nur eine undeutliche Spur von Dotterplättchen- gruppirungen zu sehen; möglich, dass bei ihnen die betreffenden Prozesse schon abgelaufen sind oder dass die Dotterplättchen ein- fach in die Grundsubstanz durch Lösung aufgingen. So habe ich vorzüglich an Schnitten der embryonalen Haut gefunden (Fig. 4, 5, 6), dass, während man an den gewöhnlichen, in der- selben Niveaugrenze liegenden Zellen (bei D) nichts Besonderes wahr- Formative Differenziruugen in den Embryonalzellen von Siredon piscif. 763 nehmen konnte, die knospenartig hervorragenden (bei X) Zellen, welche sich in den verschiedensten formativen Differenzirungsstadien befan- den, jene auffallende Erscheinung an den Dotterplättchen aufwiesen. Ich will nun die weiteren formativen Differenzirungen der Dotterplättchen theils von den Zellen der Haut, theils von den Zellen anderer Keimblätter schildern, wie ich sie in den kurz auf ein- ander folgenden Entwickelungsstadien des Embryo gefunden habe. Wie die Bilder zeigen, scheint, dass die besondere Richtungs- form der Dotterplättchen mit den weiteren Differenzitungen in innigem Zusammenhang stehen. So fand ich, dass die zu Gruppen vereinigten Dotterplättchen zunächst an ihren Rändern mit ein- ander zu einem von der Grundsubstanz scharf getrennten kugeligen Gebilde verschmelzen und zwar je weiter die Verschmelzung ge- diehen ist, umsomehr machte sich in Folge einer partiellen Lösung eine Lockerung der inneren Partieen der Dotterplättchen bemerkbar, so dass bald ein kugelförmiges Netzgebilde entstand, in dessen Maschenräumen die von den Netzfäden durch stärkere Licht- brechung gekennzeichneten Dotterplättchen nur lose eingebettet lagen. In Fig. 9 ist eine Zelle aus der zweiten Zellenlage der em- bryonalen Haut abgebildet, wo man bei kn» das zum Theil von den Dotterkörnern (dk) ausgepinselte kugelförmige Netzgebilde sieht und wo das Verhältniss zwischen den Dotterkörnern und dem Netzgerüste deutlich hervortritt. Es scheint, dass die einmal so gelagerten Dotterplättchen später vollkommen resorbirt werden, denn nirgends waren bei den älteren Entwickelungsstadien Dotterkörner in den Maschenräumen vorhanden. Wenn schon in dem Vorberei- tungsstadium der Zellenleib an den Partieen der gerichteten Dotterplättchen eine Volumszunahme zeigte, was sich in der Aus- dehnung oder Hervorbauchung der betreffenden Stellen kundgab, so war die partielle Volumszunahme im weiteren Stadium der Netz- bildung noch mehr bemerkbar. Wenn man ferner die Netzgebilde verschiedener Zellen (z.B. Fig. 9, 10,11, 12, 13 bei kn) in Betracht zieht, gewinnt man die Ueberzeugung, dass man diese Gebilde ent- weder mit einem oder mit mehreren Zellkernen (N) gemeinschaftlich antrifft, dass man sie aber auch in Zellen vorfindet, wo kein Zellen- kern existirt — ja, wo das kugelförmige Netzgebilde die Stelle des Zellkerns vertritt- (Fig. 10 bei kn). Als ein weiteres Stadium des formativen Differenzirungsprozesses kann be- zeichnet werden, wo in den Netzgebilden anstatt des ursprünglich 764 Dr. Aurel v. Török: so schön geformten Netzgerüstes ein unregelmässiges Gerüst auftritt (Fig. 10), ferner wo das Gerüst nur zum Theil noch zu sehen ist und an dessen Stelle feine unregelmässig verlaufende Fäden auf- treten. Die durch Verschmelzung der Dotterkörner entstandenen kugelförmigen Netzgebilde haben nicht den Charakter der bleibenden Gewebestruetur und verschwinden als solche, nach- dem die betreffenden Zellen einen specifischen Charakter anzunehmen beginnen. Den Zeitpunkt des Verschwindens der Netzgebilde kann man aber weder nach den allgemeinen Entwickelungsmerkmalen des embryonalen Organismus, noch nach gewissen Entwickelungs- stadien der einzelnen Keimblätter bestimmen, es scheint, dass die Metamorphose dieser Gebilde (als Producte der nach Innen gerich- teten formativen Thätigkeit der »lebenden Substanz«) einzig und allein von innern Momenten beeinflusst wird. Aus meinen bisherigen Resultaten kann ich nur so viel behaupten, dass diese kugelför- migen Netzgebilde im Allgemeinen schneller verschwinden als diejenigen Gebilde, welche ich hier als eine zweite besondere Form des Differenzirungsprozesses an den Dotterplättchen beschreiben will. Eine viel häufigere Form des primären Differenzirungsprozesses ist, wie es scheint, dass die Dotterplättchen sich radiär oder kreis- förmig anordnen, sei es um ein Gebilde, welches man als Zellkern ansprechen muss, sei es um einen hell erscheinenden Raum der Grundsubstanz, oder um ein mehr minder verändertes centrallie- gendes Körperchen (Dotterplättchen?). In Fig. 7 sind die homogen erscheinenden Dotterplättchen um ein feinkörniges Körperchen (Dotterplättchen ?) (Xp) radiär gerichtet. Dass einzelne grössere oder mehrere kleinere Dotterplättchen als gewisse Centra dienen können, um welche die embryonale lebende Substanz eine lebhaftere formative Thätigkeit äussert, habe ich besonders schön in den em- bryonalen Muskelspindeln der Urwirbelsegmente beobachtet!). In 1) Dass ein oder mehrere Dotterplättchen die Mitte eines Zellenleibes anstatt des Zellenkernes einnehmen können, hat: schon Leydig (Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Rochen und Haie, Leipzig 1852) gefunden und abgebildet, wenn auch damals Leydig den Gebilden eine ganz andere Deutung gab, wie dies aus folgenden Stellen erhellt: »Die Stearintafeln (so nennt Ley- dig die Dotterplättchen) werden nämlich auch von einer zähflüs- sigen, hellen, eiweissartigen Substanz in verschiedener Zahl umschlossen, so dass sie sich wie Zellen ausnehmen (Taf. IV, Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 765 Fig. 14 sind die Dotterplättchen kreisförmig um ein central und frei liegendes Körperchen (Dotterplättchen) angeordnet. Lange Zeit be- trachtete ich die radiäre und die kreisförmige Richtung der Dotter- plättchen als von einander unabhängige Formationen, bis es mir gelungen ist, den Zusammenhang beider an Zwischenstufen zu er- kennen. Bei diesen letzteren ist es nämlich unschwer zu finden, dass die Anfangs radiär gerichteten Dotterplättchen, indem sie sich vom centralen Punkt entfernten, aus der radiären Lage in eine kreis- förmige Anordnung übergingen, so dass die kreisförmige An- ordnung als ein späteres Stadium der radiären Diffe- renzirungsrichtung angesprochen werden muss. Ich wurde in dieser Auffassung noch mehr dadurch bestärkt, indem die radiäre Figur in den älteren Embryonalzellen verschwand, während die kreisförmige Anordnung immer häufiger wurde. Schon beim einfachen Vergleiche der Fig. 7 und der Fig. 14 findet man, dass der allgemeine Charakter der Zelle in Fig. 7 sich demjenigen einer jüngeren Embryonalzelle (einer Furchungskugel) viel mehr nähert, als in der Fig. 14, wo man ausser den in radiärer Richtung aus- wachsenden Stäbchen-Fäden (F.) eine schon metamorphosirte, von feinsten Fibrillen durchsetzte Grundsubstanz (@Gs.) findet. Während die Anfangs radiär gerichteten Dotterplättchen in die kreis- förmige Anordnung übergehen, wachsen schön geformte Stäbchen von den Dotterplättchen aus, welche sich — indem die Dotter- plättchen immer einen weiteren Kreis bilden — zu radiär gerichteten Fäden (Fig. 14, F‘) verlängern, welche mit dem Wachsthum immer mehr geschwungener verlaufen. (Fig. 16, F.) Beim Auftreten der zu Fäden auswachsenden Stäbchen erleidet auch die Grundsubstanz eine bemerkbare Veränderung, indem in der Grundsubstanz die feinen Körnchen immer mehr verschwinden, bis die ganze Grund- substanz eine wasserhelle Durchsichtigkeit bekömmt. Wiewohl die Fig. 2, c); sie sind aber so wenig als die Furchungskugeln Zellen, sondern auch nur Kugeln oder Tropfen einer zähflüs- sigen Substanz mit einer verschiedenen Anzahl von Stearintafeln. Ich glaube, dass man sie ebenfalls Furchungskugeln nennen darf« (a. a. O. pag. 94). Ferner: »An der übrigen Dottermasse aber liess sich wahrnehmen, dass die Peripherie derselben aus hellen 0,02025” grossen Kugeln zusammen- gesetzt war (Taf. IV, Fig. 2c), die eine oder zwei Stearintafeln enthielten und sich polygonal gleich dem schönsten Plattenepithel gegen einander ab- grenzen (a. a. O. p. 96). - 766 Dr. Aurel v. Török: hervorragende Betheiligung der Dotterplättehen an dem Differen- zirungsprozesse der Stäbehen-Fäden ganz ausser Zweifel liegt, scheint es doch, dass auch die Grundsubstanz an diesen Gebilden einen Antheil hat. Denn je schöner die Form der Stäbchen- Fäden sich entwickelt, umsomehr weicht die von Körnchen dicht gefüllte, compaktere Beschaffenheit gegenüber der hyalinen Structur in den Hintergrund, und umgekehrt je weniger die Form der Stäb- chen-Fäden ausgesprochen ist, umsomehr ist der ursprüngliche Habitus der Grundsubstanz noch zu erkennen (vergleiche die Fig. 11 und 15 einerseits, sowie Fig. 16 und 17 andererseits). Wie dem auch sei, soviel steht fest, dass mit der forma- tiven Differenzirung der Stäbchen-Fäden die Dotter- plättchen verschwinden umd dass der ganze Zellenleib seinen ursprünglichen Charakter verliert. Ebenso, wie ich von den kugelförmigen Netzgebilden berichtete, muss auch von den Stäbchen-Fäden erwähnt werden, dass man diese Gebilde innerhalb einer Zelle entweder in der Gegenwart eines Zellkerns oder ohne diesen antrifit, ferner dass man sie je nach der ursprünglichen Anlage in einfacher oder mehrfacher Zahl be- obachten kann. Wenn man die etwas späteren Differenzirungs- stadien der Zellen betrachtet, in denen man diese Stäbchen- Fäden vorfindet, so ergibt sich Folgendes: Indem mit dem Auftreten (der Stäbchen-Fäden auch die Grundsubstanz des Zellenleibes eine bedeutende Veränderung erleidet, womit) zugleich die ganze Zelle aus dem indifferenten Stadium der ursprünglichen Zellen heraustritt, sind auch die weiteren Metamorphosen dem specifischen Charakter entsprechend, den die Zellen bei dem Hervortreten der einzelnen Gewebe annehmen. Werden die Zellen z. B. zum Aufbau des Bindegewebes verwendet, so nähern sich die hüllenlosen Zellen- leiber den benachbarten Zellen bis zur Verschmelzung; oder wie bei den Zellen der innern Schichte des oberen Keimblattes und den Knorpelzellen, erleidet die äusserste Partie eine Verdichtung, die sich später zu einer deutlich doppelt contourirten Membran diffe- renzirt (vergleiche Fig. 14, 31 sowie Fig. 16 und 17). Während in vielen Fällen die Metamorphose der Grundsubstanz sich auf den ganzen Zellenleib erstreckt, bleibt sie in andern nur auf den Bereich der einzelnen ursprünglich radiär gerichteten Dotterplättchengruppen beschränkt, so dass die übrigen Partieen des Zellenleibes eine Zeit lang entweder gar keine oder nur eine geringe Abweichung von dem Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 767 ursprünglichen embryonalen Charakter zeigt. Später jedoch erleidet der ganze Zellenleib in allen Fällen eine totale Veränderung, indem die Zellen sich jener Stufe des Differenzirungsprozesses nähern, an welcher sie auch im entwickelten Organismus verbleiben. Bevor aber die Zellen diese Stufe erreichen, verschwinden die strahlenartig angeordneten Stäbchen-Fäden. Sie sind ebenso wie die kugelförmigen Netzgebilde nur Ueber- gangsformen in dem Differenzirungsprozesse des embryonalen Lebens, wenn sie auch, wie ich schon oben erwähnte, relativ viel später verschwinden als die kugelförmigen Netzgebilde. So habe ich in Axolotlembryen, an welchen die Extremitäten schon an- gelegt waren, derartige Gebilde noch in allen Keimblättern, wenn auch in einer modifizirten Form angetroffen, jedoch den Zeitpunkt ihres völligen Verschwindens vermag ich ebenso wenig anzugeben wie denjenigen von dem Verschwinden der kugelförmigen Netz- gebilde. Die erwähnten formativen Differenzirungserscheinungen in den Embryonalzellen von Siredon pisciformis stehen bis jetzt — meinem Wissen nach — einzig allein da in der Litteratur, und wenn auch schon vor einer langen Reihe von Jahren eine auffallende, schöne, strahlige Anordnung der Dotterplättchen in den Eiern anderer Thiere beschrieben und abgebildet wurde, und wenn auch in neuester Zeit die Coineidenz der strahlenförmigen Anordnung der Dotter- plättchen mit wichtigen formativen Lebensprozessen des Dotter- plasma von Auerbach, O. Hertwig und Anderen angedeutet wurde, ist bis jetzt die Rolle der Dotterplättehen bei diesen Prozessen so gut wie gar nicht beachtet worden. Es hält allerdings sehr schwer, diese allein dastehenden Beobachtungen den bekannten herrschenden Ansichten gegenüber zu stellen und lange Zeit hielt ich die Bilder für etwas Zufälliges oder gar Ab- normes, je mehr ich aber das Untersuchungsmaterial von mehreren Jahren auf diesen Punkt einer Controle unterwarf, um so mehr musste ich die Ueberzeugung gewinnen, dass man es hier mit einem bisher nicht bekannten exquisiten Untersuchungsspeeimen zu thun habe, wo man eine Reihe von histogenetischen Metamorphosen unter be- sonders günstigen Momenten verfolgen kann. In Folge dessen stehe ich nicht an, mich streng an die vielfach gewonnenen Bilder zu halten, unbekümmert, ob die Consequenzen befremdend erscheinen oder nicht. Ich knüpfe meine Betrachtungen derjenigen — seit 768 Dr. Aurel v. Török: Purkinje bekannten — Beobachtung an, dass der Zellkern des Thier- eies, nämlich das sogenannte Keimbläschen verschwinden kann, und füge hinzu, dass ein Verschwinden und eine Neuent- stehung des Zellkerns oder mehrerer Zellkerne sich auch in den embryonalen Zellen wiederholt. Seit den bahnbrechenden Untersuchungen Auerbach’s haben wir in der Entwickelungsgeschichte der Zellkerne zum ersten Male eine ge- nauere ÖOrientirung gewonnen, wenn auch in Hinsicht der Einzel- heiten der Frage die späteren Forscher, wie Strassburger, O0. Hertwig u. A. eine abweichende Auffassung bekundeten und vielleicht noch längere Zeit hindurch die Ansichten einander wider- sprechen werden. Untersucht man die eben entstandenen Furchungskugeln eines Axolotleies im frischen Zustande oder von gehärteten Präparaten, so wird man in den Furchungskugeln durchwegs einen schön ge- formten scharf contourirten Zellkern nachweisen können. Sehr oft geschieht es zwar, dass der Zellkern hauptsächlich in frischen Zellen, von den dicht zusammengedrängten Dotterplättchen entweder gar nicht oder kaum erkennbar ist; zerdrückt man aber die Zellen, so wird man immer den Kern nachweisen können. Nimmt man ältere, in der Umwandlung begriftene Furchungskugeln oder die embryonalen Zellen der Keimblätter zur Untersuchung, so wird es nicht schwer sein, sich davon zu überzeugen, dass in manchen Zellen anstatt des schön geformten Kerns entweder nur eine von feinen Körnchen ge- trübte und von Dotterplättchen freie Stelle oder ein vacuolartiger Hohlraum auftritt, in dessen Innerm ein oder zwei hellglänzende vundliche Körperchen zu sehen sind. Bei dieser Veränderung sind die Dotterplättchen entweder noch in der ursprünglichen un- regelmässig zerstreuten Lage vorhanden, oder es ballen sich die Dotterplättchen an einer oder an mehreren Stellen dichter zusammen, mit einem Worte: man findet oft schon während der Veränderungen des Zellkerns oder nach seinem Schwunde die Dotterplättchen in der formativen Richtung begriffen. Indem aber die forma- tive Richtung nicht immer mit dem Beginn der Kernmetamor- phose zusammenfällt und ferner indem die formative Rich- tung der Dotterplättchen auch beim zeitweiligen Verharren in dem ursprünglichen Zustande des Kerns innerhalb der Zelle an einer oder an mehreren Stellen erfolgen kann, so scheint es, dass beide Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piscif. 769 formative Vorgänge von einander in manchen Fällen eine Unabhängigkeit zeigen Können. Während in manchen Zellen, wenigstens wie es die Bilder von Alkoholpräparaten zeigen, der schön geformte Zellkern immer an- zutreffen ist und neben ihm im Zellenleibe neue formative Uentra entstehen, verschwindet der Zellkern in anderen Zellen vollkommen und es ist eine Differenzirungsphase eingetreten, wo innerhalb einer Zelle gar kein wie immer gearteter Zellkern exi- stirt. Auf der Tafel sind mehrere Zellen abgebildet, wo man diesen Zustand vorfindet (siehe Fig. 16, 17, 22). Es sind aber auch Zellen, wo ein oder zwei Körperchen an Stelle des Kerns zu finden sind und die man mit den Bildern vergleichen könnte, welche OÖ. Hertwig (»Beiträge zur Kenntniss der Bildung etc.« Morphologisches Jahrbuch I. Bd. 3. Heft. Leipzig 1875. p. 349—378) nach dem Schwunde des Keimbläschens bei Reifung der Eier von Toxopneustes lividus beschrieben hat; wie andererseits man auch Zellen findet, welche man in dem Sinne deuten könnte, wie Auerbach »Organologische Studien« Il. Heft p. 203), indem innerhalb des ganzen Zellenleibes an Stelle des Zellkerns ein mehr minder regelmässig begrenzter heller Fleck erscheint. Wenn ich die Bilder der verschiedenen Zellen in ihren ver- schiedenen Differenzirungsstadien bezüglich der Frage des Zellkerns neben einander stelle, so komme ich zum Resultate: dass 1. in denjenigen embryonalen Zellen, welche eine langsame und eine zeitlich geringe Metamorphose eingehen, oder, welche auf einer schon erreichten Ent- wickelungsstute lange verharren und welche keine auffallende Volumszunahme oder Neigung zur Ver- mehrung zeigen, auch der Zellkern keine auffallenden Veränderungen zeigt. Ich habe an den gewöhnlichen Epider- miszellen von Siredon piseiformis, die ich als Deckzellen der em- bryonalen Haut bezeichne (siehe Fig. 4, 5, 6 D), die Zellkerne während den verschiedensten Entwickelungsstadien im Grossen und Ganzen unverändert gefunden, nur bezüglich der textilen Beschaffen- heit konnte ich allmählig eintretende Veränderungen gewahr werden, wobei aber weder die Grösse noch die Form oder der allgemeine Habitus des Kerns einen bemerkenswerthen Unterschied zeigte. dass 2. in denjenigen Zellen, welche in einer Volums- zunahme, Vermehrung oder in einem rascheren forma- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 49 770 Dr. Aurel v. Török: tiven Differenzirungsprozesse begriffen sind, der Zell- kern, sowohl der Form, der Grösse und der Zahl nach, wie auch der Structurbeschaffenheitnach, alsein höch st variables Differenzirungsgebilde erscheint und wieich schon erwähnte, kommt bei solchen Zellen vor, dass der Zellkern vorübergehend ganz und gar verschwindet. Indem es sich hier um weitgreifende und sehr complizirte formative Vorgänge handelt, deren präzise und endgiltige Consta- tirung noch viele Arbeit beanspruchen wird, will ich meine Angaben als vorläufige hinstellen. Die Zeilkerne, die ich in den neu entstandenen Furchungs- kugeln und in vielen späteren Embryonalzellen so schön geformt gefunden habe, erscheinen von dem »Protoplasma« des Zellenleibes durch einen deutlich contourirten hellen Raum (Fig. 5, 13. Nr) ge- trennt. Es scheint, dass dieser von Zellflüssigkeit eingenommene Raum in verschiedenen Zeitmomenten bald bis auf das Minimum reduzirt, bald ein beträchtlicher sein kann. Schon an frischen Zellen kann man diese Variabilität dieses Raumes gewahren. In frischem Zustande erscheint die Substanz des Zellkerns hell glänzend und durchscheinend, welche letztere Eigenschaft viele Zellkerne auch nach Behandlung mit O s O, und Alkohol beibehalten (Fig. 8 N). Eine besondere Structur kann man wegen der zu geringen Differenz der Lichtbrechung in der Kernsubstanz nicht erkennen. Höchstens feine punktförmige Körnchen sind es, die sich an der homogen durchscheinenden Kernmasse bemerkbar machen und wiewohl die scharfe Contourirung (gleichviel ob diese durch eine dichtere Grenz- schichte oder durch eine feinere Membran bedingt wird) und ferner der besondere Habitus des Gebildes auf eine nicht ganz flüssige Be- schaffenheit der Substanz hinweisen, macht der im ganzen Umfange gleichmässige Glanz den Eindruck einer geschmolzenen Substanz. In anderen Fällen scheint der schön geformte Kern von einer dich- teren und von feinen aber deutlichen Körnchen durchwegs gefüllten Substanz zu bestehen (Fig. 5, 13. N). In den späteren Entwicke- lungsphasen kann man an allen Zellkernen eine deutliche Structur- differenzirung wahrnehmen. Der Uebergang bestand zunächst darin, dass anstatt der früheren, die Kernsubstanz dicht ausfüllenden feinen Körnchen gröbere Körner auftraten. Während die Körnchen "grösser wurden und weniger dicht gedrängt erschienen (Fig 9. N), begann die Zwischensubstanz (d. i. die im ursprünglichen Sinne ge- Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 771 nommene Grundsubstanz) in Folge eines Egalisirungsprozesses (Schmelzung?) immer durchscheinender zu werden, wobei auch das Volum der Kernmasse eine Vergrösserung erlitt. In diesem Stadium tritt eine bemerkenswerthe Differenzirung auf, indem die erwähnten gröberen Körner zu Stäbchen auswachsen. Zum Unterschiede von dem früheren Körnchenstadium wollen wir diese Differenzirungs- phase des Zellkerns als Stäbchenphase bezeichnen. In Fig. 12 ist bei N%k das Auftreten des Stäbchenkerns zu sehen. Kaum aber, dass die Stäbchen auszuwachsen begonnen haben, zieht sich die Grundsubstanz dichter zusammen, die Stäbchen kommen sehr nahe zu einander zu stehen und als fielen sie einem langsamen Schwunde anheim verlieren sie ihre scharfen Contouren, krümmen sich dabei unregelmässig, verschmelzen mit einander und anstatt der früheren Stäbchen tritt jetzt eine unbestimmte, von gröberen deutlichen und feineren verschwommenen Fäden bestehende Netz- structur auf, welche scheinbar hie und da von gröberen Körnern durchsetzt wird. Die Körner erweisen sich aber als optische Quer- schnitte der Umbiegungsstellen der Fäden oder als Knotenpunkte des Fadennetzes und der Zellkern ist an einer noch weiteren Differenzi- rungsphase angelangt. Der Prozess scheint seinen Höhepunkt damit zu erreichen, dass das Fadennetz sowohl bezüglich der Deutlichkeit der Fäden, wie auch bezüglich der Regelmässigkeit der Netzräume zum vollen Ausdrucke kommt. Ich habe an allen späteren Zell- kernen diese Structur wahrnehmen können und nur in Hinsicht der Feinheit des Gerüstes sowie der Grösse der Netzräume fand ich zahlreiche Unterschiede. Schon während sich das Fadennetz aus- bildet, sieht man an einer oder an mehreren Stellen schön geformte, compacte, durch stärkere Lichtbrechung markirte Körperchen, die man nach dem Zellschema nicht anders als Kernkörperchen deuten kann (siehe Nr in Fig. 23, 30, 31, 32). Indem ich diese Struc- turform des Zellkerns sowohl bei noch wachsenden Embryen, wie auch schon bei den ausgewachsenen Siredonen durchgehends auf- finde und die Abweichungen von dieser Form, entweder nur als untergeordnete Modificationen oder als retrograde Metamorphosen (wie z. B. bei den verhornten Deckzellen der Epidermis) aufzufassen sind, stelle ich die Fadennetzstructur als die typische Form der höchsten Differenzirung des Zellkerns bei Siredon piseiformis auf. Mit der Ausbildung des Fadennetzes hat der Zellkern den Höhepunkt seiner histologischen Structur erreicht. 172 Dr. Aurel v. Török: Wenn man die in rascher Umbildung begriffenen Zellen von Sire- donembryen untersucht, ist es nicht schwer zu finden, dass innerhalb der Zellen eigenthümliche Gebilde entstehen, die man auf der Höhe ihres formativen Differenzirungsprozesses nicht anders als Zellkerne auffassen kann. Bei Siredonembryen sind sehr häufig Zellen zu finden, in welchen neben einem oder neben zwei schön geformten Kernen (Fig. 12. 13) auf einmal oder kurz nach einander zwei, drei bis vier neue Kerne entstehen, welche man zugleich in ihren verschiedenen Entwickelungsphasen beobachten kann. Ich habe schon erwähnt, dass die aus der formativen Richtung der Dotter- plättchen hervorgegangenen kugelförmigen Netzgebilde die Stelle eines Zellkerns einnehmen können und wobei kein irgendwie gearteter Zellkern — von den bisher bekannten Kernformen — vor- kommt. Es ist mir das Verschwinden des früheren Kerns zu beob- achten bisher nur unvollkommen gelungen; möglich, dass ein früher dagewesener Kern unter den Erscheinungen, welche zum erstenmale Auerbach bekannt gegeben hat, in den Zellenleib aufgegangen ist. Jedoch dafür, dass die neuen Kerne auf die von Auerbach angegebene Weise palingenetisch entstünden, konnte ich bis jetzt keinen einzigen Beweis auffinden. Meine dagegen lautenden Angaben sind folgende: In den Zellen, wo schon ein oder mehrere Zellkerne vorhanden sind, brauchen diese zur selben Zeit gar nicht unterzugehen, die Neuentstehung von Kernen kann ganz unabhängig von dem primären Zell- kerne in dem Zellenleibe vorgehen. An einer oder mehreren Stellen im Zellenleibe richten sich die Dotterplättehen und wandeln sich entweder zu kugelförmigen Netzgebilden um, welche, indem sie die oben erwähnten Differenzirungsphasen durchlaufen, zu (für Sire- don piseiformis) typischen Zellkernen werden; oder es wachsen aus den gerichteten Dotterplättchen die Stäbchen-Fäden aus, um auf diese Weise dann zur typischen Entwickelungsstufe der Zellkerne zu gelangen. Wie ich schon oben andeutete, können innerhalb einer Zelle die neuentstehenden Kerne aus beiden Differenzirungs- formen der Dotterplättchen hervorgehen (Fig. 11 bei Än u. F). Ich bin demzufolge bemüssigt, die schon oben gemachte Andeutung in der concreten Form zu wiederholen: dass in den embryo- nalen Zellen von Siredon pisciformis neue Zellkerne auf dem Wege der formativen Differenzirung von Dotterplättchen entstehen können, Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 773 Bei der Gefahr, in der?Deutung histologischer Gebilde sich einzig allein von rein morphologischen Momenten leiten zu lassen (wie ich dies in meiner Studie über Zellenlehre »Az ällati szer- vezetnek &lö alakegysegei. Kolozsvärt. 1876« des Nä- heren erörtert habe), musste ich mir öfters die Frage stellen: ob das, was wir einen Zellkern nennen, auch immer nur diejenige Be- deutung habe, welche wir ihm nach dem Schulbegrifte des Zellkerns zuschreiben ? und weil diese Frage von der Frage der »Zelle« unzer- trennlich ist: ob die Constatirung einer »lebenden Formein- heit« d. i. einer »Zelle« nach den (von der Schleiden- Schwann’schen Schule bis auf die heutige M. Schultze’sche Schule) aufgestellten Charakteren für alle Fälle möglich sei? Wederder»Zellkern« noch die »Zellechaben immer dieselbeBedeutung und beide können im Laufe ihres Le- bens ein »mehr« oder ein »weniger« von dem Schulbe- griffe werden. Schon in Foige des Umstandes, dass wir nach vermeintlich feststehenden Schemata gewohnt sind histologische Diagnosen zu machen, wird der freie Blick bei histogenetischen Untersuchungen gehemmt. Stände nur ein einziger Zellcharacter fest, so könnte man diesen als constanten Factor in Rechnung ziehend als Grund- lage zu allen andern Deductionen benützen. Wir wissen aber weder was »die lebende Substanz« (Protoplasma, Bioplasma) sei, noch was eine lebende Formeinheit« (Zelle) sei. Und doch beruft man sich zur Constatirung einer Substanz — als »lebenden Substanz« — auf die »Zelle« (oder deren Derivate), und vice versa, bildet bei Feststellung einer Zelle wieder das »Protoplasma« unser Hauptargument. Ich will mich hier nicht auf eine allgemeine Durch- führung der Kritik einlassen und wili meine Erörterung nur auf fol- gende Beobachtung beschränken. Geht man von den Furchungskugeln aus, nachdem sie sich in den Keimblättern angeordnet haben, wird man schon im allerersten Stadium des Entwicklungslebens finden, dass die Charactere der einzelnen Zellen bedeutend abzuweichen beginnen von dem allge- meinen Schema der ursprünglichen Furchungskugeln. In der oberen Zellschicht der Epidermis z. B. findet man zwischen den gewöhn- lichen, in gleichem Niveau gelagerten von mir Deckzellen genannten Epidermiszellen (D) knospenartig hervorragende Zellen, welche ich in Anbetracht ihrer weiteren Entwickelungsstufen als Organo- 774 Dr. Aurel v. Török: blasten bezeichnet habe (X Fig. 4, 5, 8, 11, 12, 15, 24, 25). Die gewöhnlichen Deckzellen erleiden in Folge der Flächenspannung der Körperoberfläche eine Abflachung und in Folge des gegensei- tigen Druckes, welchen die Zellen auf einander ausüben, eine poly- sonale Form. Je dünner die Dotterhaut wird, umsomehr sind die Zellen einerseits der quellenden Wirkung des diffundirenden Wassers (der Eigallerte), andererseits der zerreissenden Wirkung beim Wachs- thum des Embryo ausgesetzt. Die Hauptveränderung der embryo- nalen Deckzellen besteht auch demzufolge hauptsächlich in einer eigenthümlichen Verdichtung ihres Zellleibes und einer Membran- ausscheidung auf ihrer freien Oberfläche. Schon sehr frühe be- merkt man an der freien (gegen die Dotterhaut liegenden) Ober- fläche eine verdichtete Grenzschichte entstehen, die sich im Profil- bilde wie ein heller (homogener) Saum von dem übrigen Zellenleibe abhebt. Nenne man es eine »Contactmembran«, eine »Haut- schicht« oder »Rindenschicht«, die Verdichtung an der Peri- pherie der Zelle gibt sich anfänglich durch einen feinen hellen ho- mogen erscheinenden Saum zu erkennen, welcher nach innen mit dem Zellenleibe in continuirlichem Zusammenhange steht. Es scheint, dass die verdichtete Schicht entweder schon anfänglich oder später von feinen Löchern durchsetzt wird, darauf hin kann wenigstens die auffallende Erscheinung gedeutet werden, dass nach dem Auftreten der Grenzschicht feine lange Härchen auf der freien Oberfläche sichtbar werden, welche den sogenannten Flimmerhärchen ganz identisch sind. Je mehr sich die Grenzschicht durch Wachs- thum verdickt, um so deutlicher sind die von Flüssigkeit ausge- füllten Löcher an ihrem Umfange zu unterscheiden. Hat die durch- löcherte Grenzschicht eine gewisse Dicke erreicht, so löst sich die- selbe von dem Zellenleibe ab, und es erscheint eine Porenmembran in optima forma, welche von dem eigentlichen Zellenleib durch einen von Flüssigkeit ausgefüllten Raum getrennt ist. Wer je die Ge- legenheit hatte, die erwähnten. Veränderungen an der Peripherie der Deckzellen zu beobachten, wird sich gestehen müssen, dass man das Verdienst M. Schultze’s nicht hoch genug anschlagen kann, dass er die Spitze der Streitfrage über die Zellmembran durch Hin- weis auf die rein dialectische Haarspalterei abgebrochen hat (s. »Das Protoplasma« Leipzig 1863). Man braucht nur einige Ent- wickelungsstufen der Deckzellen gesehen zu haben, um zur Ueber- zeugung zu gelangen, dass es rein der Willkühr überlassen werden Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piscif. 775 muss bestimmen zu wollen, ob man eine Verdichtung an der Peripherie der Zelle noch als eine einfache Grenzschichte oder schon als eine feine Membran zu betrachten habe. In den Figuren 5, 6, 8, 11, 12, 13, 15 sieht man bei M die mehr minder deutlich ent- wickelte Porenmembran der Deckzellen und der Organoblasten der embryonalen Haut. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die deut- lich doppelt contourirte Porenmembran nur unvollständig die Ober- fläche der Zelle bedeckt, sie existirt eben nur auf dem freiliegenden Theil der Oberfläche, und an den Seitentheilen (an den Berührungs- flächen der benachbarten Zellen) geht sie continuirlich in eine feine Cuticula über, welche mit dem Zellenleibe vollständig verschmolzen ist. In vielen Fällen ist es wahrhaftig unmöglich eine Spur einer Cuticula an den Seitentheilen zu finden. Es sitzt hier die Poren- membran wie ein Deckel auf dem nackten Zellenleibe auf. Sowohl die Porenmembran wie auch die Cuticula können verschiedene Um- wandlungen erleiden — ja, die einmal gebildeten Membranen können wiederum (theilweise oder ganz) verschwinden, aufgelöst werden. Die wichtigere Metamorphose besteht darin, dass die Poren undeut- lich werden, dass kleinere-grössere in den Zellenleib eindringende Riffe entstehen, und man ein Bild vor sich hat, wo es schwierig ist zu entscheiden, ob man es mit einer Porenzelle oder mit einer Riff-Stachelzelle zu thun habe!). Während diese Ver- änderungen an der Peripherie des Zellenleibes eintreten, verändert sich auch die (ab ovo) mit schwarzen Pigmentkörnchen gefüllte Leibessubstanz der obersten Epidermiszellen. Die Dotterplättchen verschwinden immer mehr und die Grundsubstanz erleidet in toto eine Verdichtung; nur der Zellkern behält noch lange seine weichere Consistenz und seine schön geformte Figur, bis endlich auch er der Verdichtung anheimfällt. Es gibt aber auch Fälle, wo der Zellkern viel früher. gewisse retrograde Metamorphosen erleidet als der übrige Zellleib. Ich rechne hieher die Beobachtungen, welche ich an den Organoblasten gemacht habe. Ich kann nicht entscheiden, ob: bei allen, jedoch bei vielen Organoblasten kann man die merkwürdige 1) Man vergleiche neben den erwähnten Figuren noch die Figuren 27, 28, sowie 3l. — Zur Streitfrage: ob an gewissen Zellen des Darmepithels eine Porenmembran oder ein Stäbehensaum vorkömmt, liefern die verschie- denen Entwickelungsstufen des embryonalen Darmepithels sehr werthvolle An- gaben. Ueber diese Formationen, sowie über die Flimmerzellen und deren Uebergänge werde ich bei einer anderen Gelegenheit verhandeln. 776 Dr. Aurel v. Török: Erscheinung sehen, dass während neue und neue Kerne entstehen, der primäre Kern an die Oberfläche der Zelle getrieben wird und immer mehr zu schrumpfen anfängt, so dass endlich eine schmale Platte entsteht, welche sich durch eine eminente dunkle und feine Pigmentirung auszeichnet. In Fig. 12, 24 und 25 sind diese Meta- morphosen des Zellkerns (bei N) angedeutet. Bei diesen Gebilden ist der ursprüngliche Zellkern in Folge seiner retrograden Meta- morphose zu einem »weniger« vom Zellkernbegriffe geworden. Sein weiteres Schicksal besteht nunmehr darin, dass er als Deckplättchen (P in Fig. 26) an den sich weiter entwickelnden embryonalen Or- ganen einige Zeit weiter vegetirt. Die Zellen der zweiten (unteren) Schicht der embryonalen Haut erleiden nicht minder. interessante Veränderungen während der Entwickelung. Im Allgemeinen unterscheiden sich diese Zellen von den oberen durch ihren Pigmentmangel. Sie bilden rundliche, später in Folge der Zugrichtung der wachsenden Haut von oben nach unten etwas abgeplattete, ellipsoidische Zellformen. Die Contouren der einzelnen Zellen sind trotz des Mangels einer besonderen Mem- bran scharf gezeichnet (Fig. 6 und 9 bei Fz). Alle besitzen einen schön geformten Zellkern, welcher seinen Characteren nach demjenigen der Furchungskugeln entspricht. — Ein Theil der anfäng- lich dicht gedrängten Dotterplättchen scheint ohne Weiteres zu ver- schwinden, so dass mit der Zeit die Zahl der Dotterplättchen be- trächtlich abnimmt. Schon während dies geschieht, findet man, dass an einer oder an mehreren Stellen im Zellenleib die Dotterplättchen sich zu richten beginnen und man hat dieselben Bilder vor sich, wie ich sie oben von andern Zellen beschrieben habe. Auf der Tafel sind einige dieser Differenzirungsstadien wiedergegeben. Sowohl in Fig. 16 wie auch in der Fig. 17 sind die Zellen (der zweiten Epidermi- schicht) kernlos. Die augenfällige formäative Differenzirung dieser Zellen besteht in demAuftreten der bekannten Stäbchen-Fäden und in einer gewissen Verflüssigung der Zwischsubstanz. Mit der Entwickelung der Stäbchen-Fäden sowie mit der Umwandlung der Zwischen- substanz nehmen die Gebilde an Volum zu und scheiden nach- träglich an ihrer Oberfläche eine einfache Membran aus, welche sich später mehr und mehr von der Leibessubstanz lostrennt (Fig. 17. M), so das endlich die Gebilde in freien Räumen zu liegen kommen, und von den Scheidewänden der verwachsenen benachbarten Zell- membranen umgrenzt werden (Fig. 23 bei M). Die einmal ge- Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piscif. 777 bildeten Stäbehen-Fäden, welche ursprünglich radiär angeordnet auftreten, werden im Laufe der späteren Metamorphose undeutlicher, verlieren ihre regelmässige Anordnung, lösen sich theilweise. Später scheiden sich abermals Fäden aus, so dass auf diese Weise ein feines aber regelmässiges Fadennetz auftritt (Fig. 23. Fz), wobei die Ge- bilde die Entwickelungsstufe einer Zelle erreichen, indem in den bisher kernlosen Gebilden an einer oder an mehreren Stellen hell- glänzende rundliche compacte Körperchen (N» Fig. 23) von homo- gener Beschaffenheit auftreten, die man nach dem Zellschema nicht anders als Zellkerne ansprechen muss. Diese Körperchen sind je- doch Neubildungen und ferner sind sie auch nicht als völlig ent- wickelte Kerngebilde zu betrachten, indem sie erst bei weiterer Me- tamorphose in solche Zellkerne übergehen, welche ebenfalls eine typische (wenn auch eine viel feinere) fadennetzige Structur zeigen. So entstehen in der embryonalen Haut diejenigen höchst merkwür- digen Gebilde, welche ich Fadennetzzellen nenne!) und welche eine wahrhaft künstliche Structur besitzen, wie ich sie bis jetzt nirgends so schön entwickelt gefunden habe (in Fig. 18, 19 sind diese Zellen vom lebenden Thiere nach 2 stündiger Einwirkung einer 2%, OsO, abgebildet). Die Fadennetzzellen sind zum gros- sen Theil directe Abkömmlinge der von den differenzirten Dotter- plättchen neu gebildeten Kerne. Das Wachsthum der zweiten Zellen- lage der Epidermis erfolgt zum grossen Theile auf dem Wege der Kernvermehrung, wie dies auch bei der Entwickelung der Organo- blasten zu beobachten ist. Ich will die specielle Entwickelungsge- 1) Ich nenne diese (wahrscheinlich schon von Cuvier gekannten) gros- sen Formgebilde Fadennetzzellen, indem sie mit den von Kölliker in den Schleimsäcken von Petromyzon beschriebenen Fadenzellen ver- wandt zu sein scheinen. Sie sind als besonders entwickelte Formen der so- genannten Schleimzellen zu betrachten, wie sie von Salamander- und Proteus- Jarven beschrieben worden sind. Das Fadennetzgerüst dieser Gebilde zeigt merkwürdige Reactionen auf Einflüsse von Wärme, Electrieität oder verschie- denen chemischen Agentien, wobei die Form, die Grösse der Netzräume, so- wie die Dieke der Fäden mannigfaltige Veränderungen erleiden. Die von Heitzmann(„UntersuchungenüberdasProtoplasma“ Sitzungsb. d.k. Akad. d. Wissensch. 62 Bd. I. V. Heft. 3. Abth. Wien 1873) beschriebenen Formeveränderungen des Maschenwerkes sind hier im vergrös- serten Maasstabe zu beobachten. In Fig. 20 ist die totale Veränderung nach plötzlicher Einwirkung von destillirtem Wasser dargestellt. 778 Dr. Aurel v. Török: schichte der Haut an einem andern Orte verhandeln und zur Con- statirung dessen, dass ein Zellkern später die Dignität einer Zelle erreichen kann, begnüge ich mich hier mit einzelnen characteristi- schen Bildern aus der Entwickelungsgeschichte der Cutis. Die anfänglich aus zwei Zellenlagen bestehende embryonale Haut ist an den Seitentheilen des Rumpfes von den Urwirbelseg- menten durch eine schmale Spalte deutlich getrennt (Fig. 4, 23 Sp). Die Spalte wird sowohl an der Grenze der untern Zellenlage der Haut, wie auch an der Grenze der Urwirbelsegmente von festen homogen erscheinenden faltigen Membranen (von den Grenzmem- branen Gm in Fig. 23) umschlossen. Die Cutis der Haut entwickelt sich in dieser Spalte durch Einwanderung von embryonalen (in- differenten) Zellen. Die eingewanderten Zellen haben den ursprüng- lichen Charakter der Furchungskugen. Wo man nur die Spalte untersucht, in allen Regionen der Haut, findet man nackte, von Dotterplättchen dicht gefüllte Zellenleiber. Mit der Einwanderung der Zellen — die nicht gleichmässig an den verschiedenen Haut- partieen geschieht — vergrössert sich der Spaltraum und die einzelnen Zellen liegen dicht neben einander. Jedoch kaum dass die Zellen an ihrer neuen Stätte angelangt sind, zeigen sie dieselben Verän- derungen, welche ich oben im Allgemeinen besprochen habe. Es richten sich die Dotterplättchen, bilden kugelnetzförmige oder stäb- chenfadennetzförmige Gebilde, wobei der übrige Zellenleib ebenfalls Veränderungen eingeht. Nachdem die Dotterplättchen, welche die formative Richtung nicht eingegangen sind, zum grossen Theil in der Grundsubstanz verschwunden sind, treten in manchen Zellen Pigmentmolecüle auf, welche später den ganzen Zellenleib und dessen Fortsätze (Fig. 30) ausfüllen. — Andere Zellen wieder verschmelzen mit ihren Zellenleibern derart, dass man die Grenzen der einzelnen Zellen höchstens nur durch die Lage der grossen (fadennetzigen) Zellkerne erkennt (Fig. 31). Die Zellen scheinen schon im frühen Entwickelungsstadium die Neigung zur Bildung von Fortsätzen zu haben (Fig. 29), wo noch keine anderen besonderen Metamor- phosen sich bemerkbar machen. Man bekommt Bilder von Fort- sätzen zu sehen, wo man geneigt wäre, dieselben als Anfänge der Bindegewebsfasern zu deuten, jedoch die massenhafte Ausscheidung (Prägung) der feinen Fibrillen ist nur an den mit einander ver- schmolzenen Zellen zu sehen. Je mehr die Grundsubstanz der Zellen körnchenlos geworden ist, um so deutlicher treten die — nach Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piscif. 779 allen Richtungen dicht neben einander verlaufenden Fibrillen auf (Fig. 31), so, dass wir in diesem Stadium der Entwickelung eine zusammenhängende fibrilläre Grundsubstanz zu sehen bekommen, in welcher die scharf contourirten rundlichen fadennetzförmigen Kerne wie eingebettet erscheinen. Bei weiterem Wachsthum der Haut trennt sich die früher einheitliche fibrilläre Zwischensubstanz und es erscheinen von Zwischenräumen abgesonderte Faserzüge, die mit den oblongen fadennetzigen Zellkernen in vielfachem Zusammen- hange stehen (Fig. 32). Mit diesem Stadium erreicht das eigentliche Cutisgewebe seine charakteristische Structurform. Ginge man bei der histologischen Analyse der Cutis von diesem Entwickelungs- stadium aus, müsste man die oblongen Gebilde (N) als kernhaltige Zellen in der bindegewebigen Zwischensubstanz bezeichnen. Sie sind aber nichts Anderes als die übrig gebliebenen Zellkerne der embryonalen Zellen, deren Leibessub- stanz sich zur bindegewebsfaserigen Zwischensubstanz umgewandelt hat. Krause hat einmal »Die Bedeutung des Bindegewebes. Von Dr. W. Krause, Professor in Göt- tingen. Separatabdruck aus Göschen’s »Deutscher Klinik« 1871, Nr. 20.) die Ansicht, als wären die »Bindegewebskerne« (älterer Autoren) oder die »Bindegewebskörperchen« (der Neueren) an und für sich Zellen, bekämpft. Krause’s »Inoblasten« kann ich jedoch nicht annehmen, indem in der Cutis von Siredon pisciformis nie eine Entwickelungsphase existirt, wo man die Fibrillen nach den Zelleinheiten trennen könnte. Die Zellen- leiber sind schon verschmolzen, bevor die Fibrillen deutlich ausge- prägt sind. Die nach allen Richtungen hin verlaufenden Fibrillen aber sind mit mehreren »Bindegewebskernen« innig verbunden. Wer könnte hier eine stichhaltige Eintheilung der Zellterritorien nach dem Zusammenhange der Fibrillen durchführen ? Die Einwanderung der embryonalen Zellen in die primäre Cutisspalte erfolgt nicht mit einem Male. Man hat die Gelegenheit zu beobachten, dass während die früher angesiedelten Zellen schon in relativ weiteren Metamorphosen sich befinden, noch immer neue Zellen ankommen, welche erst im Begriffe sind, den formativen Dif- ferenzirungsprozess einzugehen. Unter diesen gibt es mehrere, die bis zu einer gewissen Stufe den regelmässigen Umwandlungsprozess zeigen, um dann in retrograder Richtung zu metamorphisiren. Wiewohl die Grundsubstanz dem äusseren Anscheine nach (Fig. 14, Gs) zur 780 Dr. Aurel v. Török: Anlage der fibrillären Zwischensubstanz verwendet wird, bilden sich die aus den gerichteten Dotterplättchen hervorgegangenen Stäbchen- Fäden nicht mehr zu Kernen, sondern zu isolirten Fadenknäueln um (Fig. 21), welche in der fibrillären Zwischensubstanz einige Zeit persistiren, um später gänzlich zu verschwinden. Sie sind also Ge- bilde, welche von Zellen abstammen, selber aber weder Zellen noch Kerne werden. Ihre Bildung in der Cutis dauert so lange als noch indifferente (embryonale) Zellen einwandern. Hat einmal die Ein- wanderung der mit Dotterplättchen beladenen Zellen aufgehört, verschwinden auch diese aus dem Cutisgewebe. In einem gewissen Stadium der retograden Metamorphose, haben die schmächtiger ge- wordenen Fadenknäuel eine Aehnlichkeit mit dicken elastischen Fasern oder mit den in dem Sehnengewebe vorkommenden schnurr- bartförmig gerunzelten Gebilden. Durch diesen Befund einmal auf- merksam gemacht, konnte ich auch an den Zellen anderer Keim- blätter gewisse Bilder constatiren, welche auf eine Degeneration hinwiesen. So fand ich, dass in den grossen Zellen (Organoblasten) der Haut, sowie in dem Epithel der primitiven Darmwand Stäb- chen-Fadengebilde (in Glocken- oder Ballon formen) zwischen den ganz anders gearteten Zellen auftreten, die später sammt und sonders dem Schwund anheimfielen. Es geht nun aus diesen Beobachtungen einerseits mit Evidenz hervor, dass man das materielle Substrat der Thiereier und dasjenige der daraus entstehenden embryonalen Zellen als eine substantia sui generis in der Categorie der »lebenden Substanz« (Proto- plasma, Bioplasma) auffassen muss. Die Eigenthümlichkeit be- steht in der enermen formativen Differenzirungsfähigkeit desselben, welche Eigenthümlichkeit man nicht allein der Grundsubstanz, sondern vielmehr den darin eingebettet liegenden Dotterplättchen zuschreiben muss. Ich stehe nicht an, die Dotterplättchen als die- jenigen Formbestandtheile der Thiereier anzusprechen, welche im Sinne Darwin's die speeifischen Charaktere des Mutterorganismus in vereinfachter (gewissermassen latenter) Form auf das Eiproto- plasma übertragen. Die verschiedenartige Entwickelungsfähigkeit des Eiprotoplasma verschiedener Thiere ist gewiss — zum Mindesten — auch auf die verschiedene chemische und physikalische Be- schaffenheit der Dotterplättchen der verschiedenen Thiereier zurück- Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piseif. 781 zuführen. Die Aehnlichkeit oder die Verschiedenartigkeit in der Ge- webestructur der näher und weiter verwandten Thierorganismen ist schon im reifen Eiprotoplasma begründet, dessen wichtigste forma- tive Bestandtheile die Dotterplättchen sind. Von einem allgemeinen entwickelungsgeschichtlichen Standpunkte aus kann man die Dotter- plättchen als den phylogenetischen Erbtheil des mütterlichen Geschlechtsproductes betrachten. Aus den hier mitgetheilten Entwickelungsbildern der embryo- nalen Zellen von Siredonembryen geht andererseits hervor, dass die allgemein eingebürgerten speciellen Lehrsätze über die Zellen und die Zellkerne keine allgemeine Giltigkeit beanspruchen können, ferner, dass bei Feststellung dessen: ob ein Gebilde als Zelle oder als Zellkern characterisirt werden soll, eine einseitige Morphologie nicht ausreicht, demzufolge auch kein allgemeines morphologisches Schema für diese Gebilde aufgestellt werden kann. Klausenburg, 23. September 1876. Erklärung der Figuren auf Tafel XLIV. Fig. 1. zeigt die verschiedenen Formen der Dotterplättehen und Körner nach der Furchung. Bei M sind drei Dotterplättchen von den in Längsreihe angeordneten Dotterplättchen einer embryonalen Muskel- spindel abgebildet, man sieht an ihnen eine feine lineare Netz- structur. Vergrösserung 500 : 1. Fig. 2. Eine geschrumpfte Partie von der Umgebung des Rusconischen Afters eines parthenogenetischen Eies.. m die Dotterhaut, p die äussere, dunkelpigmentirte Schicht, d innere helle Schicht. V. 550 : 1. Fig. 3. Eine Partie des vorderen Bauchtheiles desselben Eies. Dp ge- schrumpfte Dotterkörner, h ein kleinerer, W ein grösserer Heerd, b Bläschen, bei b’ ein Tochterbläschen, M Membran des Bläschens. V..250°::1. Fig. 4. Ein Theil eines sagittalen Durchschnittes von einem Embryo. H die Haut, X die Zellknospen (Organoblasten), D die Deckzellen, Sp Spalte, Uw Urwirbelsegmente. V. 60:1. Fig. 5. D, K wie früher, M Zellmembran, N ein Doppelkern. V. 300 : 1. Fig. 6. Embryonale Haut, D Deckzellen mit Porenmembranen, F'’z Zellen der zweiten (untern) Zellenschicht. V. 550: 1. ig. 12. Fig. zahle 13. . 14. .15. 1:7 „rs ‚18, ..20; . 20. .21. ig. 22. Dr. Aurel v. Török: . Eine Zelle aus dem Darmdrüsenblatt. KXp ein central liegendes körniges Körperchen, ringsherum die raliär gerichteten Dotter- plättchen. V. 550 : 1. K ein Organoblast. Die Porenmembran umhüllt den oberen Theil des Zelleibes.. N der Zellkern. V. 550 : 1. . Zelle aus der untern (zweiten) Schicht der Haut. N der grob- körnige Zellkern, K'n. kugelförmiges Netzgebilde, dk ausgepinselte Dotterplättehen. V. 550: 1. 10. Zelle aus derselben Schicht wie in Fig. 9. Kn das in Veränderung begriffene kugelförmige Netzgebilde. V. 550 : 1. K ein Örganoblast. Die Porenmembran umhüllt die obere grössere Hälfte des Zellleibes. Kn ein kugelförmiges Netzgebilde, FF’ zwei sonnenstrahlförmige Stäbchen-Fädenfiguren. V. 550 : 1. K wie früher. M Membran mit Flimmerhaaren. N primärer (degenerirter) Zellkern. NK Zellkern in Stäbchenfädenphase Kn kugelförmiges Netzgebildee AR die Dotterplättchen im Beginne der formativen Richtung. V. 550 : 1. K wie früher. M Porenmembran. Nr von Zellsaft ausgefüllter Raum zwischen der Membran und dem Zellkerne (N), welche an die Oberfläche des Zellleibes gedrängt erscheinen. Kn zwei kugelförmige Netzgebilde. V. 550 : 1. Eine eingewanderte Zelle in der embryonalen Cutis. Dp von kreisförmig gerichteten Dotterplättchen wachsen die radiär ver- laufenden Stäbchen-Fäden aus. Gs die metamorphosirte zarte Grundsubstanz, mit ihren feinen, zum Theil ausgeprägten Fibrillen. Wr 5ol KM, wie früher, in der Nähe von der Öberfläche die strahlenför- mige Figur von noch nicht deutlich entwickelten Stäbchen-Fäden. V:1550::41. Zelle aus der zweiten Zellschicht der embryonalen Haut, mit deutlich ausgeprägten Stäbchen-Fäden und mit theilweise metamorphosirtem (nacktem) Zellenleib. V. 550 : 1. Zelle im weiteren Differenzirungsstadium. M die Zellmembran. V. 550 : 1. Fz eine vollkommen entwickelte Fadennetzzelle, mit einem deutlich eontourirten entwickelten Fadennetz-Kerne (Nr) (nach 2°/, Os0* Einwirkung) V. 550 :1. wie früher. Eine Fadennetzzelle nach Einwirkung von destillirtem Wasser. V. 550 : 1. Ein Fadenknäuel aus der Cutis, nach der Anlage des Cutisgewebes. V..55074; Eine kernlose Nervenzelle mit deutlich ausgeprägten Stäbchen-Fäden. V. 560: :1: Formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon piscif. 783 Fig. 23. Ein Durchschnitt der embryonalen Haut. D Deckzellen in der als oberen Zellenschicht.. F'z Zellen der zweiten Schicht, bei Nr rund- licher, ecompacter Zellkern, M verwachsene Membranen der Zellen, Gm die Grundmembranen der Cutisspalte (Sp). V. 550 : 1. . K ein Organoblast mit degenerirendem Zellkerne (N). V. 300 :1. .K, N wie früher. KÄn die neuen Kerne im entwickelteren Sta- dmms.\V. 550 : 1. . K wie früher in noch mehr entwickeltem Stadium, mit Sonderung der einzelnen Zellen. P Deckplättchen. V. 550 : 1. . D Deckzellen in dem Uebergangsstadium von Porenzellen zu den Riffstachelzellen (Rst). St Stoma. V. 550: 1. . Wie früher. . Eingewanderte junge indifferente Cutiszellen. V. 300 : 1. . Eine an der oberen Grundmembran (Gm) der Cutis gelagerte Zelle mit fadennetzförmigem Zellkern (N) und mit compaktem Kern- körperchen. Die in grossen Fortsätzen vertheilte Leibessubstanz der Zelle pigmentirt. V. 550 : 1. Embryonale Bindegewebszellen. N die fadennetzförmigen Zellkerne mit mehreren Kernkörperchen (Nn). Bf die aus den verschmol- zenen Zellleibern hervorgehende fibrillär metamorphosirte Zwischen- substanz. V. 550:1. . Cutisgewebe der bleibenden Gewebesstructur, N. Bindegewebskerne (Bindegewebszellen der neueren Autoren), Bf Bindegewebsfasern. Beitrag zur Kenntniss der modificirten (Moll’schen) Schweissdrüsen des Lidrandes. Von Prof. Dr. Hubert Sattler. Hierzu zwei Abbildungen in Holzschnitt.. Nachdem Kölliker schon im Jahre 1850 in seiner mikrosko- pischen Anatomie (II. Band 1. Hälfte pag. 144 und Fig. 38 A und 39 B) die Beobachtung mitgetheilt hatte, dass Schweissdrüsen »auf- fallender Weise äusserst häufig in das obere Ende der Haarbälge 784 : Dr. Hubert Sattler: der Augenwimpern einmünden«, und Moll 18571) auch auf die eigenthümliche Form der Schweissdrüsen an dieser Lokalität die Aufmerksamkeit gelenkt hatte, wurden diese Angaben doch von einigen der späteren Autoren gar nicht oder nur wenig beachtet. So sind sie in dem vielgelesenen Handbuche der Histologie von Frey (4. Aufl. 1574), sowie in der Abhandlung Henke’s über die Augenlider?) mit keinem Worte erwähnt, und auch Kölliker be- schränkt sich in den letzten Ausgaben seines Handbuches der Ge- webelehre auf die spärlichen oben eitirten Angaben. Henle widmet diesen Drüsen einige Worte in seiner Eingeweidelehre (pag. 701), nnd eine etwas ausführlichere Beschreibung finden wir in Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben (1872, pag. 1145), sowie in dem von Prof. Waldeyer bearbeiteten Artikel über Lider und Conjunctiva im Handbuch der gesammten Augenheilkunde von Gräfe und Sämisch (I. Bd. pag. 238, 1874). Der letzteren Ab- handlung ist auch die Abbildung einer solchen Drüse beigefügt (Fig. 26, 12), welche das Eigenthümliche ihrer Form und Lage an- schaulich wiedergibt. Dagegen werden sie in den neuesten Arbeiten über die Schweissdrüsen entweder gar nicht berücksichtigt (Krause, Heynold?°), oder nur kurz abgefertigt (Hörschelmann‘?). Eine genaue Untersuchung dieser Drüsen lehrte mich, dass die feinere Anatomie derselben durch die eben citirten Arbeiten noch nicht erschöpft ist, und es mögen daher die folgenden Zeilen dazu dienen, die noch vorhandenen Lücken auszufüllen. Das Eigenthümliche an diesen Drüsen besteht, wie bekannt, darin, dass der lange und verhältnissmässig weite, einfache secer- nirende Schlauchtheil keinen Knäuel bildet, sondern in zickzack- oder S-förmigen Windungen zwischen den Cilien in die Höhe steigt, und der Ausführungsgang ziemlich geradlinig dem freien Lidrande zu- strebt, wo er in den Balg eines Wimperhaares ausmündet. In dieser Modification kommen die Schweissdrüsen nur am Lidrande vor, und, 1) Bijdragen tot de anat. en physiol. der oogleden. Utrecht 1857 und Archiv für Ophthalm. III. Bd., 2. Abth. pag. 261. 2) Trait& theorique et pratique des maladies des yeux par L. de Wecker. T. I. (1867) pag. 590—593. 3) W. Krause, Centralbl. für die med. Wissensch. Berl. 1873. Nr. 52. pag. 818. Heynold, Ueber die Kväueldrüsen des Menschen. Virchow’s Archiv LXI. pag. 77. 1874. 4) Inaugural-Dissert. Dorpat 1875. Beitrag zur Kenntniss der modificirten Schweissdrüsen des Lidrandes. 785 zum Theil mit Schweissdrüschen der gewöhnlichsten Form gemischt, in der Caruncula lacrimalis, auf welch letztere Localität Waldeyer zuerst aufmerksam gemacht hat. Am Lidrande sind sie sehr reichlich. Ueber ihre Zahl und Anordnung orientirt man sich am Besten, wenn man Dickendurch- schnitte des Lides, welche einmal in senkrechter Richtung gegen den freien Lidrand und dann parallel mit diesem bis zu einer Höhe von ca. 2 Mm. über demselben angefertigt wurden, mit einander vergleicht. Auch eine Reihe von Flächenschnitten leistet gute Dienste. Auf diese Weise überzeugt man sich, dass in der Regel zwischen je zwei Cilien wenigstens eine schlauchförmige Drüse ge- legen ist; und da die Gilien zu zwei bis vier hinter einander in der Dicke des Lides eingefügt sind, so findet man nicht selten zwei bis drei, ja selbst vier solcher Drüsen hinter einander in einem Dickendurchschnitte. Horizontalschnitte lehren, dass sie in der Regel nicht unmittelbar neben, sondern etwas nach hinten von der Cilie gelegen sind, in deren Haarbalg sie einmünden. Bisweilen trifft man in einem Interstitium zwischen zwei Wimpern zwei Schlauch- drüsen an, welehe dann so enge an einander geschmiegt sein können, dass sie zusammen fast aussehen wie eine Drüse von ungewöhn- licher Breite. Erst ihre Ausführungsgänge divergiren, um an den einander zugekehrten oder auch an den gleichnamigen Seiten der benachbarten Haarbälge auszumünden. Nicht gar selten treten zwei (nach Kölliker selbst drei) Ausführungsgänge in den Balg einer und derselben Wimper ein, und zwar bald ganz nahe nebeneinander, bald an den entgegengesetzten Seiten des Haarbalges. Ich Konnte mich niemals überzeugen, dass die Ausmündung frei an der Ober- fläche der Cutis stattfände, wie alle Autoren ausser Waldeyer zu- geben. Es muss dies, wenn es überhaupt vorkommt, jedenfalls äusserst selten sein. Andererseits kann ich aber auch Waldeyer nicht beistimmen, dass der Ausführungsgang »stets in eine Talg- drüse« münde (l. c.). In allen Fällen, wo die Stelle der Aus- mündung so gut getroffen war, dass sich über dieselbe etwas Sicheres aussagen liess, befand sie sich im unteren Theile des Haarbalges selbst, bisweilen wohl in der unmittelbaren Nähe der weiten Talg- drüsenmündungen, gewöhnlich aber noch unterhalb derselben (d. h. näher dem freien Lidrande). Die Höhe der Mündung variürte ziemlich bedeutend (zwischen 0,32 und 0,08 Mm.); als Mittel ergab sich aus 24 Messungen eine Entfernung von 0,205 Mm. vom Lidrande. Von Archiv f. mikrosk. Anatomie. Ba. 13. 50 786 Dr. Hubert Sattler: hier an zieht der Ausführunggsang ziemlich gestreckt oder mit leicht S-törmiger Biegung, um die Acini-Talgdrüsen ausweichend, nach auf- resp. abwärts. Seine Länge ist grossen Schwankungen unterworfen ; sie berechnet sich im Mittel auf 0,45 Mm.; der kürzeste hatte eine Länge von 0,26 und der längste von 0,74 Mm., und bei diesem letzteren fand sich die oben notirte ungewöhnlich tiefe Ausmündung von 0,08 Mm. über dem äusseren Ende des Haarbalges. Von der Uebergangsstelle des Ausführungsganges in den eigentlichen Drüsen- schlauch erstreckt sich der Complex der über einander sich auf- thürmenden Windungen des letzteren 0,7—0,9 Mm. weit in die Ge- webe des Lides hinein, überragt somit in der Regel noch etwas die Haarpapille der Wimpern, und reicht zwischen die Muskelbündel des musec. eiliaris Riolani oder die untersten Bündel der Tarsalpor- tion des musc. orbicularis hinein. Besonders an Horizontal- und Flächenschnitten kann man sehen, wie nicht selten die Muskelfasern bogenförmig vor und hinter den Drüsenschläuchen ausweichen und eine Art Haliter bilden, durch welches dieselben hindurch gesteckt erscheinen. Dabei treten die Muskelfasern bisweilen so nahe an den Drüsenschlauch heran, dass sie nur durch eine minimale Binde- gewebsschicht davon getrennt sind. Es müssen also diese Schläuche wohl bei jedem Lidschlage etwas comprimirt werden. Die am meisten nach hinten gelegenen Drüsen schmiegen sieh mit ihren Windungen dem Tarsus unmittelbar an, und es kann ihr Endtheil selbst in das Gewebe des Tarsus eingebettet sein (s. u.); ihr äusseres Ende ist aber stets durch die Hauptportion des Riolan’schen Mus- kels vom Ausführungsgange der Meibom’schen Drüsen getrennt. Fast an jedem Längsschnitte trifft man über einer der hintersten Drüsen einen grösseren oder zwei kleinere Arteriendurchschnitte vom arcus tarseus sup. resp. inf. Der ganze Complex der Windungen einer Drüse ist eingehüllt von einer dünnen Lage welligen Pindegewebes, dessen feine Fibrillen in der Längsrichtung der Drüse und ihres Ausführungsganges ver- laufen und zwischen die Windungen des Schlauches eindringen, wobei sie im Allgemeinen eine mit den letzteren parallele Richtung ein- halten. So weit die Drüse in dem derberen, festen Bindegewebe der Lidkante gelegen ist, ist ihre Hülle von dem Bindegewebe der Umgebung nicht merklich abgegrenzt, in den höheren Partieen unterscheidet sie sich jedoch durch dichtere Lagerung der Fi- brillen von dem benachbarten lockeren Bindegewebe, mit dem sie Beitrag zur Kenntniss der modifieirten Schweissdrüsen des Lidrandes. 787 übrigens durch abzweigende Bündel vielfach im Zusammenhang steht. Die Mächtigkeit dieser Hülle schwankt zwischen 0,004 und 0,012 Mm., und letztere ist die Trägerin der die Drüse umspinnenden Blut- gefässe, welche verhältnissmässig weite Maschen bilden. In einem (gewiss selteneren) Falle fand ich an dem oberen Lide eines Kindes die oberen Partieen des Schlauches einer unmittelbar dem Tarsus anliegenden Drüse in das Tarsusgewebe selbst eingebettet, so dass die Sehlauchwand nur mehr durch eine 0,006—0,010 Mm. breite Brücke von den Beeren der Meibom’schen Drüse getrennt war. Hier fehlte eine besondere Hülle; dafür traten die Bürdel des derben, starren Tarsalgewebes bis unmittelbar an die Schlauchwand heran und setzten sich zwischen die Windungen hinein fort. Es entsprach die Stelle dieser Einlagerung gerade jener Gegend, wo der Tarsus anfängt, in das dichte Bindegewebe der Lid- kante überzugehen. Als innere Begrenzung der Bindegewebshülle gegen den Drüsen- schlauch sieht man einen einfachen deutlichen Contour, welchem nach innen zu platte ovale Kerne anliegen (Fig. 1). Derselbe ist unmessbar fein und entspricht einem Häutchen, an dem nach Einwirkung von salpetersauerm Silber unregelmässige Felder hervortreten, in welchen eben jene Kerne ent- halten sind. Die letzteren erscheinen, von der Fläche gesehen, blass contourirt, schwach ge- körnt, messen im längern Durchmesser 0,007 Mm. und liegen in ungleichen Distanzen von einander. Nach aussen schliesst sich an die- ses Häutchen, welches offenbar die Bedeutung einer mehr A eländigen endothelialen Grenzschicht des umgeben- den Bindegewebes hat, ein äusserst feines elastisches Netz an, das aus überaus zarten gestreckt verlaufenden Fasern zusammengesetzt ist. Dasselbe ist nur bei Ansichten von der Fläche zu erkennen; an Querschnitten bildet es zusammen mit den feinen Häutchen den oben erwähnten einfachen scharfen Contour, welcher der membrana propria der Autoren entspricht. Unmittelbar nach innen von dieser Grenzhaut folgt constant eine einfache Lage glatter Muskelfasern, welche in der Längsrichtung des Drüsenschlauches verlaufen. Sie erstrecken sich gleichmässig vom Fundus bis zum Ausführungsgang, gehen aber in den letzteren niemals über. Die Anordnung der Fasern findet in der Art statt, dass sich die verschmälerten Enden zweier oder 7188 Dr. Hubert Sattler: mehrerer Spindeln zwischen die bauchigen Mittelstücke zweier an- derer einschieben. Dabei liegen sie nicht knapp an einander, sondern sind stets durch kleine Zwischenräume, welche je nach der Weite des Tubulus, selbst in einem und demselben Präparate, variiren können (von 0,001 bis 0,002 Mm.), von einander getrennt. Die Faserzellen erscheinen am Querschnitte rundlich, und nur in ihrem mittleren Theile zuweilen etwas weniges abgeplattet. Sie sind von verschiedener Länge und Mächtigkeit; neben solchen mit einem Längsdurchmesser von 0,05—0,09 Mm. finden sich an manchen Drüsen auch solche von nur 0,055 — 0,040 Mm.; und ihre mittlere Breite beträgt 0,004—0,005 Mm. Die Länge der Kerne schwankt im All- gemeinen zwischen 0,008 und 0,012 Mm. Jene oben erwähnten kürzeren Fasern besitzen aber einen länglich runden Kern, welcher nur 0,005—0,007 Mm. in seiner längeren Axe misst. Es gehören also die Faserzellen dieser Muskelschicht, wie aus den angegebenen Maassen hervorgeht, mit zu den kürzesten, die vorkommen. Sie haften sehr innig an der Grundmembran, lassen sich jedoch durch etwa 20), Salpetersäure isolirt darstellen. Ihre Kittsubstanz er- scheint vollkommen homogen. Es ist in neuester Zeit das Vorkommen einer einfachen Lage glatter Muskelfasern an den secernirenden Schläuchen der Knäueldrüsen als eine sehr allgemeine Eigenthümlichkeit der letzteren nachgewiesen worden — Krause, Heynold!), Hörschelmann. — Letzterer vermisste sie nur an den kleinen Drüsen der Scheitelhaut (l. e.).. Wir werden später sehen, das sie auch den kleinen Knäueldrüsen der Augenlider ganz bestimmt abgeht wie schon Kölliker angegeben hat?). Die Muskellage befindet sich, wie Heynold und Hörschelmann ganz besonders hervorheben, stets nach innen von der Grenzmembran, unmittelbar unter dem Epithel, entgegen der Angabe Biesiadecki’s, der sie nach aussen von der ersteren versetzt?) und Schrön’s, welcher glatte Muskelfasern in der Bindegewebshülle gefunden haben willt). In Bezug auf unsere Drüsen lesen wir bei Stricker: »Der Drüsenschlauch ....... besitzt eine bindegewebige Hülle, zuweilen mit Längszügen glatter Muskelfasern“ °). 1) Heynold erklärt übrigens selbst, dass er nicht alle Stellen unter- sucht hat, und auch in Krause’s kurzer Notiz (l. ec.) ist nicht angeführt ob sich seine Untersuchungen über sämmtliche Regionen erstreckt haben. 2) Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. pag. 141, 3) Handbuch der Lehre von den Geweben v. Stricker, pag. 598. 4) Contribuzione alla anat. e patolog. della cute umana. 1865. 5) l.c. pag. 1145. Beitrag zur Kenntniss der modificirten Schweissdrüsen des Lidrandes. 789 An die Muskelschicht schmiegen sich nun die Enchymzellen des Drüsenschlauches innig an; sie bilden stets nur eine einfache Lage und sind schöne cylindrische oder eigentlich konische Zellen, deren Höhe an verschiedenen Lidern zwischen 0,012 und 0,018 Mm. varirt, an einem und demselben Präparate aber in sämmtlichen Windungen mit Ausnahme des Anfangstheiles des Schlauches (s. unten) ziemlich gleich bleibt. Von der Fläche gesehen bilden sie einen Mosaik regelmässig polyedrischer Felder, welche bei Einstellung auf die Basis der Zellen einen Durchmesser von 0,01 Mm. aufweisen. Das Protoplasma ist opak, äusserst fein granulirt und in manchen Fällen von mehr oder weniger zahlreichen, stark lichtbrechenden, gelbbraunen Körnchen durchsetzt, welche theils unmessbar fein sind, theils einen Durchmesser von 0,001 Mm. erreichen. In den Drüsen von Kindern traf ich solche Pigmentkörnchen niemals an. Der Kern ist stets deutlich contourirt, rund, hell und mit einzelnen gröberen Körnchen erfüllt; er besitzt einen Durchmesser von 0,004 —0,005 Mm. und ist im äusseren Drittel der Zelle gelegen. Je besser erhalten ein Präparat ist, um so weniger treten die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen hervor. Meist sind dieselben nur in der Nähe der Basis auf eine kurze Strecke zu erkennen, während die inneren Enden der Zellen wie in eine einzige Masse verschmolzen erscheinen. Nach dem Lumen zu sind sie von einem einfachen scharfen Contour begrenzt, welcher am Querschnitte kreis- förmig ist, und ohne Andeutung von Zellgrenzen über das Epithel hinläuft. Eine eigentliche Cuticula existirt aber im Bereiche des secernirenden Schlauches nicht, wie auch Heynold für die Knäuel- drüsen im allgemeinen angibt (l. c. pag. 84). An vielen Präparaten findet man die Epithelzellen von der Schlauchwand abgelöst; in diesen Fällen sind dann die Zellerenzen in der Regel sehr wohl zu erkennen, und erscheinen die Basalenden bogig oder gezackt, in zwei Spitzen ausgezogen. In einem Falle traf ich an einzelnen der Enchymzellen Vaeuolenbil- dung, während andere ein völlig normales Verhalten darboten. Dieser Fall betraf ein Lid, an welchem wegen Trichiasis vor einer Reihe von Jahren die Abtragung des Haarzwiebelbodens gemacht worden war. So weit die Cilien entfernt waren, liess sich auch von den dazu gehörigen Schweiss- drüsen keine Spur mehr entdecken. Gegen die Winkel zu waren aber die Wimpern belassen worden, und hier fand ich die Schläuche von ganz be- sonderer Weite (bis 0,10 Mm.), und einzelne Epithelzellen blasig degenerirt. Es kamen Blasen vor von 0,01 Mm. Durchmesser. Der Rest des auf einen 790 Dr. Hubert Sattler: schmalen Saum reducirten Protoplasmas, sowie der in eine schmale Sichel verwandelte Kern waren stets an der dem Lumen zugewendeten Seite der Blase gelegen. Es scheint also die Entwickelung derselben vom Basaltheil der Zellen ausgegangen zu sein. Die Weite des Schlauches ist in den verschiedenen Fällen und selbst im Verlauf der Windungen einer und derselben Drüse ziemlich grossen Schwankungen unterworfen (von 0,05 bis 0,08, ausnahmsweise sogar bis 0,10 Mm.). Das Lumen fand ich in vielen Fällen leer, oder es war mit einer vollkommen homogenen, durch Karmin schwach sich färbenden Masse erfüllt, welche sich vom Epithel etwas zurückgezogen hatte, und bisweilen helle, blasse Tropfen enthielt. Oder es bestand der Inhalt ganz aus solchen hellen kugeligen Körpern, welche von ver- schiedener Grösse, und in Folge der gegenseitigen Aneinanderla- gerung von polygonaler Form erschienen. In einzelnen Fällen fand sich als Inhalt eine feinkörnige Substanz, in der auch einige gröbere Körnchen eingebettet lagen. Fetttröpfehen habe ich nie in diesen Drüsen angetroffen. Beim Uebergang in den Ausführungsgang verengert sich der Drüsenschlauch trichterförmig und es besitzt das Anfangs- stück des letzteren, welches bisweilen noch in der Richtung des Ausführungsganges eine Strecke weit gerade fortläuft, in anderen Fällen aber sofort eine S-förmige Windung macht, nur mehr eine Weite von 0,0283—0,045 Mm.; am häufigsten von ca. 0,040 Mm. Das Epithel wird niedriger, mehr kubisch (0,014—0,008 Mm.), während der Kern an Grösse und Form sich nicht ändert. Dass die longi- tudinale Muskelschicht sich in den Ausführungsgang nicht fortsetzt, wurde oben schon bemerkt. Die Grenzschicht des umhüllenden Binde- gewebes geht allerdings auf den letzteren über, erscheint aber, nament- lich gegen die Mündung zu, als ein viel weniger scharfer Contour. Das Epithel des Ausführungsganges ist von dem des Drüsenschlauches in sehr wesentlichen Punkten verschieden (Fig. 2). Es ist stets mehrschichtig und behalten die Zellen den Charakter der tiefer gelegenen Ele- mente der Malpighi’schen Schleimschicht, als deren unmittelbare Fortsetzung sie sich er- geben, bei. Das Epithel ist in der Regel in dem weitaus grössten Theil des Verlaufes 1) Moll’s geringere Maasse erklären sich wohl aus seiner Präparations- methode |, c. Beitrag zur Kenntniss der modificirten Schweissdrüsen des Lidrandes. 791 zweischichtig, die Kerne sind klein (0,003 — 0,0045 Mm.), rund oder oval, erscheinen sehr deutlich begrenzt und grob granulirt; sie liegen sehr nahe an einander, und es sind in dem spärlichen opaken, schwach glänzenden und feingekörnten Protoplasma in der Regel, zumal bei Kindern, Zellgrenzen weder bei Flächen- noch in der Seitenansicht zu entdecken. Das letztere ist bekanntlich auch häufig in den tiefsten Schichten des Mucus Malpiehi der Fall, worauf Henle schon 1841 in seiner allge- meinzn Anatomie!) aufmerksam gemacht hat. Während dort die Kerne der untersten Reihe mit ihrem längsten Durchmesser in der Regel senkrecht gegen die Oberfläche der Cutis gestellt sind, liegt hier die längere Achse der elliptischen Kerne parallel zu der Richtung des Ausführungsganges. Bisweilen schiebt sich zwischen die zwei Kernreihen auf kurze Strecken noch eine dritte en; in anderen Fällen ist der Gang im grössten Antheile seines Verlaufes von dreischichtigem Epithel aus- gekleidet, welches erst kurz vor dem Uebergange in den gewundenen Schlauch zweischichtig wird. Die Mächtigkeit der Epithelschicht variirt zwischen 0,006 und 0,010 Mm. bei zweifacher Schichtung und erreicht 0,012 Mm. bei dreischichtigem Epithel. Die innerste Epithellage trägt einen hellen, homogenen Saum, Cuticula, welche jedoch schmäler erscheint, als an den gewöhnlichen Knäueldrüsen, wo sie von Heynold und Hörschelmann genauer beschrieben worden ist. Zu bemerken ist noch, dass das Epithel im Gegensatze zu dem des secernirenden Schlauches stets an der Wand haftend ange- troffen wird. Die Weite der Lichtung des Ausführungsganges ist nicht nur an verschiedenen Lidern, sondern auch an verschiedenen Drüsen in einem und demselben Lide beträchtlichen Schwankungen unterworfen (zwischen 0,004 und 0,025 Mm.). Wiederholt fand ich sie bei Kindern grösser als bei Erwachsenen. Auch im Verlaufe eines Ausführungsganges ändert sich die Weite des Lumens mehrmals. Beim Uebergang in den gewundenen Schlauch erweitert sich derselbe trichterförmig; die Epithelauskleidung wird etwas höher und die Umwandlung in das Schlauchepithel findet in der Art statt, dass 1) Henle: Allgem. Anat. Leipzig 1841. pag. 1010. Vergl. auch in Canstatt’s Jahresbericht für 1850 (pag. 22, Anmerkung) seine Controverse gegen Kölliker; ferner Billroth in Müller’s Archiv, 1858, pag. 169. 792 Dr. Hubert Sattler: die untere Zellenreihe sich verschmälert und zuschärft, indem die letzten 4 oder 5 Zellen immer kleiner und flacher werden, während die Zellen der oberen Reihe allmälig an Höhe gewinnen, proto- plasmareicher werden und eine mehr kubische Gestalt annehmen. Gleichzeitig vergrössert sich auch der Kern etwas und rückt gegen die Basis der Zelle. Die feine Cuticula läuft unmittelbar in den einfachen scharfen Contour aus, welcher, wie oben erwähnt, das Schlauchepithel an der dem Lumen zugewendeten Fläche begrenzt. Auch gegen sein freies Ende zu erleidet der Ausführungsgang einige bemerkenswerthe Veränderungen, sowohl in Bezug auf die Weite seiner Lichtung, als die Mächtigkeit des Epithellagers. Das letztere nimmt schon eine mehr oder weniger lange Strecke (0,18 —0,25 Mm.) von der Mündung entfernt an Dicke zu, indem 4—5, ja selbst 6 Zellenreihen auftreten, welche sich unmitteibar in die Zellen der äusseren Wurzelscheide fortsetzen, in die der Ausfüh- runesgang nun eintritt; wie dort, so sind auch hier jetzt die Basal- zellen mit ihrer Längsachse schräg oder senkrecht gegen die Wand gestellt. Beim Eintritt in die Wurzelscheide kann das Zellenlager an der vom Wimperhaar abgewendeten Seite des Ganges eine Mächtigkeit von 0,03—0,04 Mm. erreichen. Diese Epithelverdickung ist übrigens nicht an allen Präparaten gleich stark ausgeprägt. Stets verengert sich aber das Lumen innerhalb dieser Strecke mehr oder weniger beträchtlich (in einem Falle von 0,025 auf 0,004 Mm.), um kurz vor der Mündung noch einmal eine leicht trichterförmige Erweiterung zu erfahren. Innerhalb dieser letzteren zieht sich ein feiner Streifen verhornter Oberhautzellen eine kurze Strecke weit in den Ausführungsgang hinein. Da aber dieser eine Hornschicht hier nicht zu durchsetzen hat, so ist es selbstverständlich, dass Spiraldrehungen an seiner Mündung nicht vorkommen. Beim Neugeborenen sind alle im Vorhergehenden ge- schilderten Verhältnisse schon vollkommen ausgebildet zu erkennen, und stimmten auch die Maasse mit den von Erwachsenen gewennenen im Allgemeinen überein. Schon in den letzten Embryonalmonaten findet man diese Drüsen in allen ihren wesentlichen Eigenthümlichkeiten deutlich ausgeprägt. Bei einem menschlichen Embryo gegen Ende des 7. Monates hatte der Complex der Windungen einer Drüse am oberen Lide eine Höhe von 0,32 Mm.; die Länge des Ausführungs- ganges betrug 0,30 Mm. und seine Ausmündung befand sich 0,10 Mm. Beitrag zur Kenntniss der modifieirten Schweissdrüsen des Lidrandes. 793 über dem freien Lidrande. Es steht also im Vergleiche mit dem Neugeborenen und Erwachsenen die Länge des secernirenden Schlauches relativ noch hinter der des Ausführungsganges zurück. Während der letztere ganz geradlinig emporsteigt, beschreibt der Drüsenschlauch eine Reihe kurzer Spiraltouren, wobei die unteren Windungen steiler sind und mehr gestreckt erscheinen, die oberen aber enger an einander liegen. Da die seitlichen Exeursionen einer Windung noch gering sind, so erscheint die ganze Drüse sehr schmal, nicht über 0,045 Mm. breit. Eine längsstreifige lockere Bindegewebshülle tritt recht deutlich hervor, und hat eine Mächtigkeit von 0,005—0,004 Mm. Der sehr scharf ausgeprägten Grundmembran liegen in nicht ganz gleichen Ab- ständen ovale (0,005 Mm. lange) etwas prominente Kerne auf, an deren Pole sich kurze Protoplasmafortsätze anschliessen. Diese Elemente sind mit ihrer Längsachse der Verlaufsrichtung des Drü- senschlauches parallel gelagert, und entsprechen offenbar der Muskel- schicht der fertigen Drüse. Die Epithelzellen sind noch niedrig, kubisch, und haben einen Durchmesser von 0,006 Mm. Im Lumen fand sich zuweilen eine homogene Substanz, die manchmal in runde, blasige Körper gesondert erschien. Der Durchmesser des Drüsen- schlauches beträgt ziemlich constant 0,016 Mm., und der des Aus- führungsganges 0,014—0,002 Mm. Das zweischichtige Fpithellager des letzteren ist 0,005 — 0,006 Mm. dick; seine Kerne sind noch auffallend klein; eine Cuticula konnte ich an der inneren Zellenreihe nicht nachweisen. Es sind um diese Zeit die modificirten Schweissdrüsen des Lidrandes in ihrer Entwickelung den gewöhnlichen Schweissdrüsen, bei denen die Knäuelbildung eben erst im Beginne ist, entschieden vorangeeilt. Bei einem achtmonatlichen Embryo waren die Ver- hältnisse noch ungefähr dieselben ; der secernirende Schlauch hatjedoch an Länge zugenommen und die seitlichen Excursionen seiner Win- dungen sind grösser geworden. € Zu Ende des fünften Monates, wo die feinen, kurzen Cilien ihre Bälge zum Theil schen durchbrochen haben, und ein- zelne bereits aus der die Lider verklebenden Epithelmasse hervor- ragen, wo ferner die kleinen Haarbalgdrüsen schon eine Höhle be- sitzen, welche mit einfachem Pflasterepithel ausgekleidet ist, erscheinen die Schweissdrüsen des Lidrandes noch als schmächtige, leicht ge- schlängelte Anhänge der Haarbälge der Cilien mit kolbig ange- 794 Dr. Hubert Sattler: schwollenen Ende und eben beginnender Canalisirung. Von da an. schreitet aber nun ihre Entwickelung rasch vorwärts. Die Untersuchung dieser modifieirten Schweissdrüsen bei ver- schiedenen Säugethieren ergab eine so vollständige Ueber- einstimmung in ihrem Baue mit denen des Menschen, dass ich nichts weiteres darüber zu berichten nöthig habe. Wenn wir zum Schluss noch einen Blick werfen auf die kleinen Knäueldrüsen der Augenlidhaut und der Ca- runcula lacrimalis, so finden wir sie von den gewöhnlichen Schweissdrüsen der meisten übrigen Regionen in nichts verschieden, als durch ihre geringeren Dimensionen und das Fehlen der Muskel- schichte. Das ganze Convolut der Windungen beträgt bei Kindern nur 0,16—0,20, bei Erwachsenen 0,25 — 0,356 Mm., und ist, wie Henle bemerkt (Eingeweidelehre pag. 701), am unteren Lide im Allgemeinen grösser als am oberen. Die Weite des Drüsenschlauches beträgt ziemlich constant 0,030—0,635 Mm. bei Kindern, und 0,05 — 0,06 Mm. bei Erwachsenen. Die Enchymzellen sind etwas weniger hoch, als in den früher beschriebenen Drüsen (0,008—- 0,012 Mm.), stimmen aber im übrigen mit diesen überein. Sie sind gegen das Lumen zu von einem stärker lichtbrechenden Contour begrenzt, entbehren aber auch hier einer Cuticula. Eine solche ist jedoch sehr deutlich an der inneren Zellenlage des zweischichtigen (0,010 —0,012 Mm. hohen) Epithels des Ausführungsganges nachzuweisen. Im Vergleiche zu den im Vorhergehenden geschilderten Schlauch- drüsen ist besonders auffällig, dass sich der Ausführungsgang in ausgedehnter Weise an der Bildung des Knäuels betheiligt. Con- stant trifft man an der der Oberhaut zugekehrten Seite desselben“ mehrere Durchschnitte von Kanälen, welche sich durch die doppelte Schichtung und eigenthümliche Beschaffenheit des Epithels schon bei schwacher Vergrösserung sofort von den Durchschnitten des secernirenden Schlauchtheiles unterscheiden lassen. Bei der sehr geringen Dicke der Hornschicht der Epidermis macht der Aus- führungsgang vor seiner Mündung nur eine ganz unbedeutende Drehung. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Ein Theil eines Querschnittes (A) und eines Längsschnittes (B) von einem Drüsenschlauch. Bei letzterem sind die Enchymzellen heraus- Beitrag zur Kenntniss der modifieirten Schweissdrüsen des Lidrandes. 795 gefallen, und man sieht daher unmittelbar auf die muskulösen Faserzellen, von denen zwei in der Profilansicht und zwei andere, welche nicht mehr ganz im Focus liegen, von der Fläche gesehen, gezeichnet sind. In A sind zwei Muskelfasern in der Höhe des Kerns und die anderen mehr oder weniger nahe an ihren Enden ge- troffen. Das Präparat stammt von einem 6 Monate alten Kinde. (Hartnack Obj. 10 & Imm. ec. 3.) Fig. 2. Abschnitt eines Ausführungsganges. Nähere Erklärung im Texte. (Dieselbe Vergr.) Spongicola fistularis, ein in Spongien wohnendes Hydrozoon. 7 Von Franz Eilhard Schulze in Graz. Hierzu Tafel XLV, XLVI u. XLVII. Die alte Lehre von dem Fehlen der Nesselkapseln bei den Spongien schien durch eine Angabe Eimer’s!) erschüttert, nach welcher bei mehreren Arten von Kieselschwämmen (Renieriden) Nesselkapseln theils unregelmässig durch das ganze Parenchym zerstreut, theils nur in gewissen, das Schwammgewebe durchsetzen- den Röhren (bei Reniera fibulata) vorkommen sollten. Wenn hierdurch schon eine bedeutende Annäherung der Spon- gien an die Cölenteraten im engeren Sinne gegeben wäre, so würde sich eine solche noch weit inniger, ja bis zum direkten Uebergange der einen Thiergruppe in die andere gestalten, wenn sich eine andere Mittheilung?) Eimer’s bestätigte, derzufolge in mehreren Spon- gien Bildungen vorkommen sollten, welche obwohl integrirende Theile des Schwammkörpers und mit demselben in direktem Zu- sammenhange dennoch durchaus die Bau- und Structurverhältnisse 1) Dieses Archiv Bd. VIII. p. 281. 1872. 2) Tageblatt der Naturforscherversammlung in Leipzig. 1872. p. 62. 796 Franz Eilhard Schulze: von Hydroidpolypen zeigten und daher als „polypoide Ernäh- runzs- und Fangthiere der Schwämme aufgefasst wurden. Eimer hatte nämlich in zwei Kieselschwämmen, einer Esperia und einer der Gattung MyxillaO.Schmidts nahestehenden Form, sowie in einem Hornschwamme zahlreiche, aus chitiniger Substanz bestehende Röhr- chen zefunden, deren offenes Ende schlotartig einige Millimeter über die Schwammoberfläche hervorragte, welche aber nach innen zu allmälig sich verengten, immer zarter und zarter wurden und zuletzt eine weiche sarkodeartige Beschäffenheit gewannen. In jedem derselben konnte er »beim Hineinsehen von aussen mit blossem Auge einen weisslichen Körper erkennen, welcher auf Reiz, z. B. auf Berührung mit einer Nadel, sich zurückzieht, der aber auch im unbehelligten Zustande niemals über das Röhrchen hervorzuragen scheint, viel- mehr stets nur bis zu einer gewissen Entfernung von dessen oberem Rande reicht. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass diese polypenartigen Röhrenbewohner speeifische schlauchförmige Gebilde sind, welche sich nachweisbar als Bildung des übrigen Schwamm- körpers in dessen Kanalsystem verzweigen, und zwar liegen sie ge- wöhnlich zu Vieren in einem Kanale, und jeder von ihnen endigt in einem Röhrchen mit Tentakeln. Die schlauchförmigen Gebilde zeigen ein Ektoderm, eine Schicht der Länge nach gerichteter glatter Muskelfaserzellen und ein Entoderm. Das Entoderm besteht aus Zellen, kernartigen Gebilden und Nesselzellen. Die sehr langen un- verästelten Tentakel an Zahl 6 oder 12 sind mit Wimperepithel und Nesselzellen besetzt.« Ausser diesen »völlig entwickelten Fangthieren« waren von Eimer bei einigen Renieren auch noch homologe Bildungen einer niederen Ausbildungsstufe bemerkt, welche nur ganz kurze Tenta- kel zeigten, keine deutlichen Muskelfasern erkennen liessen und zum Theil selbst der Nesselkapseln entbehrten. Die Möglichkeit, dass diese Gebilde parasitäre Hydroidpolypen sein könnten, wurde von Eimer zwar erwogen, aber mit Entschie- denheit zurückgewiesen. Bald nach der ersten Mittheilung Eimer’s über das Auffinden von Nesselkapseln in Spongien berichtete Carter!) über das Vor- kommen »parasitischer Polypen« in einer verästelten röhren- 1) Annals and magazine of natural history. 4 Series Vol. X. 1872 p. 50. Spongicola fistularis. 797 förmigen Reniera von Ben Bay an der nordafrikanischen Küste. Diese Polypen bestanden aus einem kleinen sackförmigen Kör- per mit kurzem Halstheile und einer diesem letzteren aufsitzenden Kopfscheibe mit Tentakeln. Uebrigens fanden sie sich weder in der Rinde noch in den Ausströmungsröhren (Osculis), sondern sassen in gewissen Erweiterungen des ausführenden Canalsystemes. Der ganze Polypenkörper sammt den Tentakeln war mit zahlrei- chen Nesselkapseln durchsetzt. Carter ist geneigt anzunehmen, dass Eimer durch diese oder ähnliche parasitäre Polypen getäuscht, zu seiner Behauptung von dem Vorkommen der Nesselkapseln in Spongien sich habe verleiten lassen. Auch theilt Carter an derselben Stelle folgende Bemerkung von Wywille-Thompson über das Vorkommen gut erhaltener, ja selbst lebender Nesselkap- seln von eigentlichen Cölenteraten in verschiedenen fremden Thier- körpern mit: „Ihread - cells are abundant in every thing which feeds upon Coelenterates of any kind, young or mature, whether feeding by eilia or by the mouth. I have found the thread -cells of several Hydroids apparently living in the skin of Synapta ; and you can always find plenty of them in Amphidetus. Of course, if you find a parasitic polype in the sponge, there is no further diffieulty; but that does not seem necessary. Thread-cells appear to be able to live, for a time at least, an independent life in foreign quarters.‘ Die letzte und eingehendste Mittheilung aber, welche mir über diesen Gegenstand bekannt geworden ist, rührt von George J. Allman her!). Derselbe fand an der Südküste von Frankreich, eingebettet in die Substanz gewisser, nicht näher bestimmter Horn- schwammkrusten zahlreiche Hydrozoen von so eigenthümlichem Baue, dass er aus denselben eine besondere neue Ordnung der Hydrozoa, die von ihm sogenannten Thecomedusae, bilden zu müssen glaubte Er gab ihr den Namen Stephanosceyphus mirabilis und beschrieb sie folgendermassen. Der nach Art eines Hydroidentrophosumes gebildete, colonial verzweigte röhrenförmige Weichkörper liegt in einem das Schwamm- parenchym durchsetzenden zusammenhängenden Systeme chitiniger Röhren, deren sich etwas erweiternde Ausgangstuben senkrecht zur 1) Nature. July 30. 1874, ferner in Annals and magazine of nat. hist. fourth ser. Vol. XIV. 1874. p. 237. 798 Franz Eilbard Schulze: Schwammoberfläche hinaufziehen, um daselbst mit rundlicher Oeff- nung zu münden. Das schlauchförmige Cönosark,, welches in den im Schwamm- parenchyme vollständig verborgenen anastomosirenden Perisark- röhren liegt, geht in dem kelchförmig erweiterten Endtheile der Ausgangstube in einen Hydranthen über, welcher zwar im Allge- meinen einem Campanularienhydranthen gleicht, auch wie dieser aus der Chitinröhrenöffnung mit entfaltetem Tentakelkreise sich her- vorstreckt und durch dieselbe mit verkürzten und eingeschlagenen Tentakeln wieder vollständig in das Innere des kelchförmigen Peri- sarkendtheiles sich zurückziehen kann, sich aber dadurch wesentlich von jedem Hydroidenhydranthen unterscheidet, dass er einen die weite Terminalöffnung umgebenden und über sich die Tentakelkrone tragenden Ringcanal besitzt, von welchem vier symmetrisch ge- stellte Longitudinalcanäle in die Körperwand des Hydranthen ab- gehen und von da aus in das schlauchförmige Cönosark sich fort- setzen. Durch diese eigenthümlichen Bauverhältnisse erscheint nach All- man der Stephanosceyphus mirabilis aus der Ordnung der Hydroiden ausgeschlossen und mehr den eigentlichen Medusen genähert. Die Aehnlichkeit mit diesen letzteren wird indessen, ganz abgesehen von dem Festsitzen in einer Chitinröhre und der colonialen Verbindung der Individuen durch ein röhrenförmiges Cönosark dadurch gestört, dass weder an der terminalen Oeffnung noch an der Stelle, wo das me- dusenförmige Zooid in die Cönosarkröhre übergeht, auch nur eine An- deutung von einem Manubrium gefunden wurde, ebenso wenig ein Velum, Lithocysten oder Occelli. Genitalorgane wurden zwar nicht beobachtet, indessen ward als der wahrscheinliche Ort ihrer Aus- bildung die Wand der vier Longitudinalcanäle bezeichnet. Ob dieses merkwürdige Thier nun wirklich ein Parasit des Schwammes sei oder nur mehr zufällig in denselben hineingelangte, konnte von Allman nicht entschieden werden, Niemals wurde es ausserhalb des Schwammes gesehen. „Stephanoscyphus,“ so schliesst Allman seinen Bericht, „may then be regarded as a compound hydrozoon whose zooids are ineluded in ceup-like receptacles, resembling the hydrothecae of the calyptoblastic hydroids; but these zooids, instead of being constructed like the hydranthes of a hydroid, are formed on the plan of a medusa. Spongicola fistularis. 799 It has plainly very decided affinities with the Hydroidea, but is nevertheless removed from these by a distance at least as great as that which separates irom them the Siphonophora. It thus becomes the type of a new hydrozoal ordre, for which I propose the name of Thecomedusae.“ Seit ich mich mit der Untersuchung des Baues der Spongien zu beschäftigen anfing, war meine Aufmerksamkeit der Frage zuge- wandt, ob Nesselkapseln als integrirende Theile des Spongienkör- pers vorkommen oder nicht; und ich war bemüht, zu ermitteln, welche Bewandtniss es mit den von Eimer und Anderen in Spon- gien aufgefundenen Nesselkapseln oder Nesselkapseln führenden Thieren habe. Hinsichtlich der ersteren Frage bin ich nun zu dem Resultate gelangt, dass bei keinem der von mir bisher histiologisch untersuchtenSchwämme Nesselkapseln als integrirende Theile des Schwammkörpers, d. h. von diesem selbst erzeugt undzuihm gehörig vorkommen. Freilich habe auch ich oft genug Nesselkapseln verschiedenster Ge- stalt in diesem oder jenem Theile eines Spongienleibes angetrotien, be- sonders häufig in der äussersten oberllächlichsten Gewebslage oder in der Wandung der den Schwammkörper durchsetzenden Canäle; indessen war in allen diesen Fällen die Ueberzeugung leicht zu gewinnen, dass es sich um fremde, in den Schwamm von aussen her eingedrungene Körper, keineswegs aber um Theile des Schwammorganismus selbst handelte. Niemals waren diese Nesselkapseln in der Weise gestellt und mit einem solchen die freie Oberfläche überragenden Spitzchen, Cnidocil, versehen, wie dies sonst bei reifen Gebilden der Art stets der Fall ist. Gewöhnlich waren sie sogar ihres Inhaltes entleert und lagen entweder sparsam und unregelmässig hie und da im Parenchyme des Schwammes zerstreut oder waren meistens in grosser Anzahl senkrecht zu dessen Oberfläche gerichtet, nur ein Wenig in die äusserste Partie der Schwammmasse eingedrungen, so dass es ganz den Anschein hatte, als habe bei einer gelegentlichen Berührung eines Nesselkapsel-reichen Cölenteraten eine massenhafte Entladung dieser kleinen Gebilde auf den Schwamm stattgefunden. Besonders häufig begegnete ich eircumscripten, mit entleerten Nesselkapseln dicht besetzten Partien der Schwammoberfläche bei Chondrosia reni- 800 Franz Eilhbard Schulze: formis, konnte aber auch grade hier in einzelnen Fällen die Ueberein- stimmung dieser Nesselkapseln mit denjenigen gewisser Aktinien nach- weisen, welche mit dem Gummischwamme dasselbe Behälter ge- theilt hatten. Ich kann mich daher der Ansicht Eimer’s, dass Nesselkapseln bei manchen Schwämmen als wesentliche und inte- grirende Theile des Schwammorganismus selbst vorkommen, um so weniger anschliessen, als ich grade diejenigen Schwammformen zu untersuchen Gelegenheit hatte, von welchen Eimer jene Nesselkap- sel-reiehen, Tentakel-tragenden Gebilde unter der Bezeichnung »Fangthiere des Schwammkörpers« beschrieben hat. Es haben diese letzteren Gebilde höchst wahrscheinlich überhaupt die Veranlassung zu seiner Vorstellung von der Zugehörigkeit der Nesselkapseln zum Schwammkörper gegeben. Ich selbst habe sie in ziemlich überein- stimmender Erscheinung in folgenden vier adriatisehen Spongien- arten wiedergefunden, in 1. Reniera fibulata, Oscar Schmidt, 2. Suberites flavus, Lieberkühn, 3. Esperia Bauriana, O. S., 4. Myxilla fascieularis, Lieberkühn, 5. Spongelia sp., wahrscheinlich pallescens O. S.; und ich nenne sie Spongicola fistularis. Vielleicht ist diese meine Spongicola fistularis identisch mit den von Carter erwähnten und besonders mit den von All- man unter der Bezeichnung Stephanoscyphus mirabilis beschrie- benen Thieren; indessen stimmt doch, wie aus meiner Beschrei- bung hervorgehen und weiter unten besonders nachgewiesen wer- den wird, dasjenige, was ich vom Baue meiner Spongicola habe ermitteln können, keineswegs so vollständig mit den oben im Aus- zuge mitgetheilten Darstellungen Carter’s und besonders All- man’s überein, dass ich mich für berechtigt halten dürfte, ohne Weiteres die Gleichheit der Gattung und Art anzunehmen, und mich des von Allman seinen Untersuchungsobjecten gegebenen Namens auch zur Bezeichnung der meinigen zu bedienen. Sollte sich übri- gens später die generische oder selbst die Species-Uebereinstimmung dennoch herausstellen, so werde ich selbstverständlich den von mir jetzt benutzten Namen fallen lassen und mich auch der Allman’- schen Benennung bedienen. Betrachtet man einen mit Spongicola fistularis behafteten Schwamm unter normalen Verhältnissen in frischem Seewasser oder Spongicola fistularis. sol in einem guten Aquarium, so bemerkt man schon mit blossen Augen hier und dort auf dem Gipfel einer höckerartigen Erhebung der Schwammoberfläche einen kleinen farblosen oder weisslichen cylin- drischen Vorsprung von 1—1!/s Mm. Durchmesser, von dessen quer abgestutztem Endrande ein Wirtel feiner tadenförmigen Tentakel ganz ähnlich wie bei einem Campanularidenhydranthen absteht. Fig. 1 auf Taf.XLVli. Am Besten sieht man diese zarten Fadenkronen bei durchseheinendeım Lichte oder gegen einen dunkeln Hintergrund. Bei der leisesten Berührung oder bei der geringsten unvorhergese- henen Erschütterung aber ziehen sich plötzlich alle Pinsel zurück und man sieht nun an der nämlichen Stelle Nichts als eine weissliche ebene Scheibe mit einer kreisförmigen Oefinung in der Mitte, welche in den cylindrischen Vorsprung etwas zurückgezogen liegt. (Taf. XLVI. Fig. 7.) Wartet man nun eine Weile zuschauend ab, so kann man einige Zeit nach der Beseitigung der Störung jene centrale Oeff- nung der scheibenförmigen Endfläche sich langsam erweitern und durch dieselbe die feinen Tentakel allmälig hervortreten sehen, bis schliesslich nach gänzlicher Umstülpung des die Fadenkrone tra- genden Randtheiles der Tentakelwirtel sich wiederum vollständig entfaltet. Die Zahl der über die Oberfläche eines Schwammes hervor- schauenden Spongicolahydranthen variirt ausserordentlich. Bei man- chen Exemplaren von Esperia Bauriana habe ich einen Tentakel- wirtel dicht neben dem andern gefunden; gewöhnlich stehen sie in- dessen gruppenweise, selten ganz isolirt. Irgend welche bestimmte Anordnung lässt sich nicht erkennen. Wenn der durchschnittlich 1 Mm. betragende Durchmesser des drehrunden Körpers einerseits bis auf 1,5 Mm. steigen kann, so geht er andererseits auch auf 0,5 Mm. und weniger herab. Im Uebri- gen zeigten die Spongicolahydranthen keine erheblichen Differenzen. Während sich die bisher erwähnten Thatsachen bei einiger Aufmerksamkeit leicht mit blossen Augen wahrnehmen lassen, bedarf es zu einer gründlichen Untersuchung jener merkwürdigen Bildun- gen nicht nur der besten optischen Hülfsmittel, sondern auch guter histiologischer Methoden und ausserdem einer ganz besonderen Sorg- falt und Vorsicht in der Behandlung und Präparation der Thierchen, welche an Zartheit und Empfindsamkeit die meisten ihrer Verwand- ten weit übertreffen. Besonders hervorheben will ich übrigens hier Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 5l 802 Franz Eilhard Schulze: die Vortheile, welche mir die Betrachtung der aus dem Spongien- körper vorgestreckten Spongicolahydranthen mittelst des binokularen Mikroskopes bei auffallendem Lichte gewährte, eine Untersuchungs- methode, welche noch nicht überall so gebräuchlich zu sein scheint, wie sie es verdient. Spongicola fistularis bildet Colonien, welche aus einem dien Schwammkörper durchsetzenden, von chitinigen Röhren (Perisark) umscheideten schlauchförmigen Weichkörper (Coenosark) und den aus den Endöffnungen der Skeletröhren frei über die Schwamm- oberfläche vorstehenden Hydranthen bestehen. Die letzteren sind indessen keineswegs scharf von dem Coenosarkschlauche abgesetzt, stellen vielmehr eine ganz direkte Fortsetzung desselben dar. Da es hiernach das Perisark ist, welches die äussere Figura- tion des im Schwammkörper verborgenen 'Theiles der Colonie wie- dergiebt, so wird es zweckmässig sein, mit der Beschreibung dieses äusseren Skeletes zu beginnen. Das Perisark stellt ein dünnwandiges, farbloses oder nur in den dickeren Theilen leicht bräunlich gefärbtes festes und gegen chemische Einflüsse sehr resistentes anastomosirendes Röhrenwerk dar. Die einzelnen Röh- renstücke sind drehrund und nehmen von der Tiefe des Schwamm- parenchymes bis zur Oberfläche in der Regel an Durchmesser lang- sam zu. Die letzten Endtheile ragen etwas über die Schwamm- oberfläche vor und pflegen bis zu dem querabgestutzten freien End- rande hin eine trichterförmige Erweiterung zu erfahren. Die Röh- ren verlaufen unregelmässig, schwach hin- und hergebogen, nur die letzten Endpartien pflegen ziemlich grade gestreckt zu sein uud sich senkrecht zur Oberfläche zu erheben. Taf. XLVII. Fig. 8. Die Ver- bindung der Röhren einer Colonie stellt sich in der Weise dar, dass von der Seitenwand einer weiteren Röhre eine engere schräge ab- seht; dabei erscheint diese Seitenröhre von der Hauptröhre scharf abgesetzt und gleichsam wie in ein Loch der letzteren eingelöthet. Taf. XLVIL Fig. 9. Die im Ganzen als hyalin und structurlos zu bezeichnende Röhrenwandung lässt zwar hie und da feine Längs- und Querstrei- fen erkennen, doch scheinen dieselben wohl meistens auf zufällige Falten oder Knickungen zurückführbar. Wichtig ist die an einigen Spongieola fistularis. 803 Stellen deutlich nachweisbare Zusammensetzung aus concentrisch ge- schiehteten aber fest verlötheten Lamellen. Wenn sich die Oberfläche auch im Ganzen gleichmässig glatt darstellt, so tritt doch hie und da eine unregelmässige Querringelung auf, bedingt durch schwache Querfaltelung. Viel auffallender aber als diese inconstanten Ring- falten sind gewisse wirtelförmig gestellte und oft auch symmetrisch geordnete Vorsprünge, welche an gewissen Stellen in das Lumen der Skeletröhre vorspringen. Meistens finden sich vier symmetrisch gestellte Vorsprünge in einem Wirtel, seltener 6 oder 8, von denen dann 4 kreuzweise gestellt sich durch Grösse auszeichnen, während die kleineren in der Mitte zwischen zwei grösseren auftreten. Die merkwürdigen Bildungen bestehen aus den innersten Lamellen des geschichteten Chitinrohres, welche sich in Form eines hohlen Buckels nach innen in das Röhrenlumen vorbauchen, und pflegen die Gestalt einer menschlichen Nase zu haben. Sie sind stets so gerichtet, dass der schräge abfallende Rücken nach der äusseren Röhrenöffnung, die untere querabgestutzte und zur übrigen Röhrenwand rechtwink- lig gerichtete Fläche aber nach hinten gegen das blinde Röhrenende gewandt ist. Natürlich engen sie das Lumen der Röhre an einer gewissen Stelle so bedeutend ein, dass dieses nicht mehr die kreis- runde Form, sondern diejenige eines Malteserkreuzes mit abgerun- deten Ecken zeigt. (Taf. XLVII. Fig. 10.) In der Regel steht ein Wirtel solcher nasenförmiger Vorsprünge 2—3 Mm. unterhalb des freien Oeffnungsrandes; dahinter können aber noch andere Wirtel in einiger Entfernung folgen. Taf. XLVI. Fig. 6 und Taf. XLII. Fig. 9. Zuweilen fand ich auch das Lumen der einen oder der anderen Röhre durch ein dünnes Querseptum völlig verschlossen. Taf. XLVII. Fig.9. Das über die Schwammoberfläche frei hervorragende Endstück der Röhre erscheint zwar in der Regel etwas trichterförmig erwei- tert, doch kann eine solche Erweiterung auch fehlen. Stets nimmt übrigens die Röhrenwandung gegen das Ende zu allmälig an Stärke ab, so dass der freie Oeffnungsrand schliesslich von einer ziemlich scharfen glatten Kante gebildet wird. Was nun das schon von Eimer besprochene Verhältniss des Perisarks zum umgebenden Schwammparenchyme betrifft, so ist hervorzuheben, dass zwar eine Verlöthung der äusseren Röhren- wand mit den Spongiolinfasern der Spongelia oder mit den mehr unregelmässig gestalteten Spongiolin-Kittmassen der Kieselschwämme überall da eintritt, wo jene organischen Skeletstränge des Schwamm- 804 Franz Eilhard Schulze: körpers mit den chitinigen Spongicolaröhren zusammentreffen, dass aber kein continuirlicher Uebergang dieser Massen in einander statt- hat, oder gar vielleicht die Perisarkröhre der Spongicola zum Spon- giolingerüste des Schwammes gehörig, von dem Schwammkörper etwa producirt sein könnte. Das weiche Parenchym des Schwam- mes liegt sammt den etwa darin enthaltenen Kieselnadeln der Aussenfläche des Spongicolaperisarkes dicht an und haftet an dem- selben so fest, dass die Röhren nur durch Maceration völlig rein zu erhalten sind. Nur das letzte Randstück jeder Röhre bleibt von jeglicher Schwammbekleidung frei. Dieser Umstand ist für den Untersucher in jenen Fällen von wesentlichem Nutzen, in welchen es sich um die Untersuchung des lebenden Thieres in der Seitenansicht handelt. Da nämlich das Perisark, wie oben erwähnt, hyalin und farblos ist, so kann in einzelnen besonders günstigen Fällen der Weichkörper des lebenden Thieres durch die Skeletröhre hindurch ziemlich deut- lich erkannt werden; und es ist möglich, eine Reihe von Einzelhei- ten festzustellen, welche auf anderem Wege schwerlich zu ermitteln sein würden. Die von Oscar Schmidt in dem ersten Supplementbande zu seinen Spongien des adriatischen Meeres p. 28 als charakteri- stische Eigenthümlichkeit seiner Spongelia fistularis beschriebenen und ebenda Taf. II. 28 und 29 sowie Taf. III. 4. abgebildeten Bildungen muss ich als Perisarkröhren von Spongicola auffassen. Bimer hatte diese Röhren als Scheiden seiner Röhr- und Fangthiere des Schwammes gedeutet. Der Weichkörper. An dem Weichkörper der ganzen Colonie ist zu unterscheiden das die sämmtlichen Röhren durchziehende schlauchförmige Coeno- sark von den Hydranthen, welche in den über die Schwamm- oberfläche schornsteinartig vorragenden freien Röhrenenden befestigt, sich bald aus deren Oeffnung hervorstrecken, bald vollständig in dieselben zurückziehn können. So wesentlich nun auch der stets mit einer Tentakelkrone versehene Hydranth von dem Coenosarke sich unterscheidet, so lässt sich doch nur schwer eine scharfe und deutliche Grenze zwischen den beiden differenten Theilen angeben und man könnte immerhin über diese Grenze selbst in Zweifel bleiben oder verschiedener Ansicht sein, so allmälig geht der Hydranthenkörper Spongicola fistularis. 805 aus dem Coenosark als dessen direkte Fortsetzung hervor. Um nun aber doch eine bestimmte Stelle angeben zu können, von welcher an man den Anfang des Hydranthen rechnen soll, glaube ich die- jenige Ringzone unterhalb des Tentakelkranzes annehmen zu dür- fen, in welcher der Weichkörper sich ringsum mit zahlreichen von seiner Seitenfläche vorspringenden zackenförmigen Erhebungen an die Innenfläche des Perisarkes anheftet. Taf. XLV 2 und Taf. XLVI. 6. u. 7. Bis zu dieser ringförmigen Anheftung kann sich der Hydranth in das Innere der Skelethülle zurückziehen, von hier an nimmt der histiologische Bau der äusseren Hautschicht einen etwas anderen Charakter an, hier wird demnach auch zweckmässiger Weise die Grenze zwischen Coenosark und Hydranth gezogen werden dürfen. Das Coenosark. Zwischen dem Perisarkrohre und dem von ihm umschlossenen Ceonosarkschlauche bleibt ein schmaler spaltförmiger Raum. Hie und da liegt wohl der Weichkörper der Chitinröhre an, ohne aber dauernd sich zu fixiren. Nur an der schon erwähnten Grenze gegen den Hydranth zu findet sich eine feste dauernde ringförmige An- heftung. Ob auch eine Ähnliche Verbindung an jenen Stellen statt- hat, wo die wirtelartig gestellten nasenförmigen Vorsprünge von der Perisarkwand nach Innen vortreten und das Lumen so beträcht- lich einengen, habe ich nicht sicher feststellen können, möchte es aber vermuthen. An dem ganzen ÜOoenosarkschlauche lassen sich wie bei den Hydroidpolypen folgende concentrisch sich umschliessenden Schichten unterscheiden, das Ektoderm mit einer darumliegenden Muskel- faserlage, die hyaline Stützlamelle und das Entoderm. Das Ektoderm ist überall von ziemlich gleichartiger Be- schaffenheit; seine äussere Oberfläche erscheint glatt, ohne Flim- merbesatz oder Cnidocils und wird gebildet von einem continuir- lichen Lager polygonaler Zellen, welche in der Regel mit stark- lichtbrechenden kleinen Körnchen so dicht erfüllt sind, dass die im mittleren oder unteren Theile des Zellenkörpers gelegenen hellen Kerne am lebenden Thiere nur schwer erkannt werden können. Taf. XLVI. Fig. 11. Da bei der Untersuchung des lebenden Thieres ausser- dem die seitlichen Conturen der oberflächlichen Zellen oft schwer zu sehen sind, so könnte die Vermuthung entstehen, dass dieselben zu einem wahren Syneytium verschmolzen sein möchten, indessen 806 Franz Eilhard Schulze: lehrt doch die Anwendung erhärtender Reagentien, besonders der Osmiumsäure, dass sich dabei diese Zellen durch deutliche Grenz- linien von einander abheben , also auch wohl vorher im Leben ihre Selbstständigkeit behauptet haben werden. Unterhalb dieser ver- hältnissmässig grossen polygonalen Deckzellen oder zwischen deren nach abwärts ragenden basalen Fortsätzen finden sich nun in sehr verschiedener sowohl nach den Regionen ein und desselben Schlau- ches als auch nach den Thieren wechselnder Menge reife oder in der Entwicklung begriffene Nesselkapseln in ihren besonderen Mut- terzellen. Es sind hier vorwiegend grosse dickbauchige, fast kugelige Kapseln, Makroknidien, mit einer kleinen höckerförmigen Erhöhung am Entladungspole, welche in reifem Zustande deutlich den aufge- rollten Faden und dessen breiteres axial gelegenes Basalstück durch die helle Kapselwand durchschimmern lassen. Sie sind übrigens nicht aufgerichtet, folglich auch ohne Cnidocil, und erscheinen ohne bestimmte Anordnung in verschiedenster Richtung gelagert. Zwi- schen dem Ektoderme und der Stützlamelle befinden sich in einer Lage längsgerichtete, an beiden Enden spitz zulaufende Muskel- fasern, auf deren Bau und Wesen ich jedoch nicht hier, sondern erst später bei Gelegenheit der Besprechung des Hydranthenbaues näher eingehen will, da sie dort weit entwickelter und ausgebildeter vorkommen als hier, wo mir ihr Nachweis nicht einmal immer sicher gelingen wollte. Aehnlich steht es mit der hyalinen Stützla- melle, welche hier im Coenosarke oft so zart und dünn ist, dass es Mühe macht, ihr Vorhandensein zu constatiren. Die der Stützlamelle innen aufliegende einschichtige Ento- derm zellenlage gleicht dem Entoderme des Hydroidencoenosarkes. Sie besteht aus hohen und ziemlich breiten vollsaftigen prismatischen Zellen mit vorgewölbter membranloser Endkuppe, von deren Cen- trum je eine lange schwingende Geissel abgeht. In dem hellen fein- körnig getrübten Inhalte findet sich ein deutlicher, gewöhnlich der Seitenwand anliegender Kern mit mässig grossem glänzenden Kern- körperchen und in dem oberen Theil der Zelle einige starklichtbre- chende rundliche Körner, sowie einige unregelmässig eckige oder ab- gerundete rothbraune Pigmentstücke von verschiedener Grösse. Taf. XLVIL Fig. 13. Wenn nun demnach der Bau des Spongicolacoenosarkes im All- gemeinen mit demjenigen eines einfachen Hydroidpolypen überein- stimmt, so ist doch eine Eigenthümlichkeit vorhanden, welche uns Spongicola fistularis. 807 sogar später für die Beurtheilung der systematischen Stellung un- seres Thieres von Wichtigkeit sein kann. Man bemerkt nämlich bei der Betrachtung des lebenden Thieres von der Seite durch das Perisark hindurch sehr deutlich vier symmetrisch liegende schmale wallartige längslaufende Erhebungen, welche nach innen in das Lu- men des Coenosarkrohres vorspringen ; wir wollen sie Längswälle nennen. Dieselben werden gebildet von einer Falte des Entoderm- zellenlagers, welche sich um einen schmalen leistenartigen inneren Vorsprung der hyalinen Stützlamelle herumlegt. Das Ektoderm betheiligt sich an dieser Faltenbildung nicht, sondern geht aussen glatt über dieselbe hinweg. Einer besonderen Erwähnung werth scheinen mir gewisse Er- scheinungen, welche sich an den beiden Grenzzellenlagern des Coe- nosarkes, nämlich an den polygonalen Deckzellen des Ektodermes und den prismatischen Entodermgeisselzellen dann beobachten las- sen, wenn man ein lebendes Thier zerschnitten oder mit Nadeln zerrissen oder auch etwas gequetscht hat, und dann einige Zeit hin- durch in frischem Seewasser unter den Deckgläschen beobachtet. Man sieht nämlich in solchen Fällen von der zunächst glatten Ober- fläche des Ektodermes unregelmässig zackige Vorsprünge der halb- weichen Protoplasmamasse der Randzellen sich erheben. An der Spitze dieser Vorsprünge sammelt sich eine hyaline ziemlich stark lichtbrechende Masse, welche sich nach Art der Pseudopodien ge- wisser Rhizopoden oder der kriechenden Bindegewebszellen in unre- gelmässig verästigte zackige Fortsätze und schliesslich in sehr feine spitze Fäden auszieht oder vielmehr wie bei vorwärts kriechenden Rhizopoden vorschiebt und an benachbarte Festkörper anheftet. Fig. 12. Es reiht sich diese Beobachtung an einige bekannte Mit- theilungen über das Aussenden pseudopodienartiger Vorsprünge von gewissen Ektodermpartien bei Hydroidpolypen, sowie an die bekannte Pseudopodienbildung der Nematophoren bei Plumulariden an. In etwas abweichender Weise stellt sich der nämliche Vorgang an den Entodermzellen der Spongicola dar. Hier finde ich nicht so zackige, spitz fadenförmig auslaufende Fortsätze wie am Ektoderm, sondern mehr abgerundete, unregelmässig gebogene oder gefaltete, hyaline, lamellöse aber auch sehr bewegliche und veränderliche Plasmaerhebungen von der freien Oberfläche der Zellen ausgehen. Fig. 14. Auf ähnliche Bildungen glaube ich, nebenbei bemerkt, die Beschreibung beziehen zu dürfen, welche Dönitz im Archiv für 808 Franz Eilhard Schulze: Anatomie und Physiologie 1871 p. 83 und Taf. III von den Erhebun- gen der sogenannten „protozootischen Substanz“ Reicherts im Magen von Siphonophoren gegeben hat; wenigstens stimmt die Fig. 2 und 3 ziemlich gut mit dem überein, was ich an dem Ento- dermzellenlager bei Spongicola nach längerer Misshandlung dersel- ben eintreten sah. Aus den Bedingungen für das Auftreten dieser Erscheinungen muss ich übrigens schliessen, dass dieselben zwar nicht auf den normalen Ruhezustand des Thieres zu beziehen sind, vielleicht aber doch gelegentlich durch den Reiz aufgenommener gröberer Nahrung auch normaler Weise hervorgerufen werden könnten. Endlich will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich hin und wieder auch Nesselkapseln im Entoderm des Coenosarkes angetroffen habe; doch konnte ich mich niemals vollständig davon überzeugen, dass dieselben auch wirklich zu dem Entoderm als Produete desselben gehörten und nicht vielmehr zufällig oder bei Gelegenheit der Nah- rungsaufnahme als fremde Körper in die weichen Entodermzellen mit hineingerathen und bier zurückgehalten sein dürften. Ich möchte sogar das Letztere für des Wahrscheinlichere halten. Der Hydranth. An dem verhältnissmässig kurzen aus- und einstülpbaren Endstücke des Weichkörpers sind als besondere Theile der Körper, die Tentakelkrone und das Hypostom zu unterscheiden. Der wie ein kurzes Schlauchstück oder, was dasselbe sagen will, wie ein breiter Ring sich darstellende Hydranthenkörper erscheint zwar als eine unmittelbare, an Gestalt und Weite durchaus unveränderte Fortsetzung des Coe- nosarkschlauches, ja geradezu als das letzte freie Endstück desselben, unterscheidet sich aber doch von ihm in einzelnen Punkten sehr merklich. Besonders ist es das Ektoderm, wel- ches diesen Unterschied erkennen lässt. Schon bei schwacher Vergrösserung sieht man, dass es dicht erfüllt ist mit Nessel- kapseln, unter denen die Mikroknidien von den Makroknidien an Zahl bei Weitem übertroffen werden. Diese Nesselkapseln sind nun nicht blos in der tieferen Schichte anzutreffen, sondern stehen fast sämmtlich aufgerichtet und sind mit den obligaten Cnidocils ver- sehen; zwischen letzteren finden sich zahlreiche Geisseln, welche einen energischen Wasserstrom erregen. Fig. 15. Spongicola fistularis. 809 Unter dem Ektoderme folgt ein System starker Längsmuskel- fasern, welche an beiden Enden spitz auslaufen und eine bedeutende Länge haben. Es sind diese Fasern ohne Andeutung einer Quer- streifung und durch einen an der einen Seite vorstehenden leisten- artiger Saum feinkörniger Substanz ausgezeichnet, welche, gegen die Mitte langsam an Höhe zunehmend, daselbst eine höckerförmige Erhebung zeigt, in welcher ein deutlicher ovaler Kern zu sehen ist. Fig. 16. Wir haben es also mit wirklichen Muskelzellen zu thun und nicht etwa nur mit einzelnen fibrillenartigen Fasern, wie sie z. B. bei Quallen an der Subumbrella je einer flachen Ektodermzelle in grösserer Zahl anliegend vorkommen und als ein Produkt dieser letzteren erscheinen. Das an der Innenseite der entwickelten hyalinen Stützlamelle gelegene Entodermzellenlager unterscheidet sich nicht wesentlich von (dem oben beschriebenen des Coenosarkes und zeigt wie jenes vier sym- metrisch gestellte nach innen vorspringende Längsfalten als direkte Fortsetzungen der oben schon besprochenen Längswälle des Cöno- sarkes. Das vordere Ende des Hydranthenkörpers geht nicht, wie bei den meisten Hydroidpolypen mit einer flachen Wölbung in das Hypostom über, sondern setzt sich durch eine stark nach vorne vorspringende Ringfalte, welche den Tentakelwirtel trägt, scharf gegen das Hypostom ab, welches selbst als eine rechtwink- lig umgebogene Fortsetzung der inneren Platte jener vorstehenden ingfalte sich nach innen und vorne in Gestalt eines flachen Trich- ters erhebt, um mit einer erweiterungsfähigen centralen Mundöff- nung zu enden. Fig. 2, 3 und 4. Bei der Betrachtung des lebenden Thieres von oben her ist zu constatiren, dass die 4 Längswälle des Coenosarkes und des Hy- dranthenkörpers auch auf die Ringfalte und von dieser weiter auf das Hypostom sich fortsetzen und zwar bis zum freien Mundrande, so dass ihr Ende oft noch den Mundsaum ein Wenig überragend gesehen werden kann. Fig. 4. Leichter zu studiren als die bisher beschriebenen Theile des Weichkörpers sind die von dem freien vorderen Rande der Ringfalte entspringenden und schräge nach aussen und vorne abgehenden schlanken, drehrunden Arme, welche in ihrem allgemei- nen Charakter am Besten mit den Tentakeln einer Campanula- ride oder eines Scyphistoma verglichen werden können. Ihre Zahl 810 Franz Eilhard Schulze: ist nicht beständig, scheint aber durchgängig ein Multiplum von 4 zu sein. Ich traf 16, 20 und mehr bis zu 40, weiche letztere Zahl sogar ziemlich häufig war. Fig. 3 und 4. Je nach dem übrigens sehr variabeln Zustande ihrer Ausdeh- nung wechselt die Länge und Dicke beträchtlich. Während sie im ausgestreckten Zustande entweder ziemlich grade nach aussen und vorne gerichtet einen Trichtermantel bilden, oder ein wenig sförmig gebogen, den Radialseitenstäben eines Körbchens entsprechen oder auch wohl sich bogenförmig alternirend nach innen und aussen krüm- men — Fig. 3 u. 4 —, so werden sie beim Zurückziehen des Hy- dranthen in das Gehäuse stark verkürzt und beim Einstülpen des ganzen vorderen Theiles des Hydranthen vollständig in die Ver- dauungshöhle hineingezogen und von der sich sphinkterartig darüber zusammenziehenden seitlichen Körperwand des Hydranthen von vorne her gedeckt. Fig. 7. Die Tentakel sind nicht hohl, sondern solide. . Man trifft von aussen nach innen gehend auch hier die bekannten typischen Ge- webslagen des Hydrozoonkörpers, nämlich zuerst ein zelliges Ekto- derm, darunter eine Lage längsgerichteter Muskelfasern, dann die hyaline Stützlamelle, welcher innen wiederum ein Lager sehr zarter cirkulär gerichteter Muskelfasern anzuliegen scheinen, und schliesslich in der Axe die Reihe der grossen hellen, quere Cylin- derabschnitte darstellenden Entodermzellen, welche bekanntlich ana- tomisch wie entwicklungsgeschichtlich eine direkte Fortsetzung des inneren Entoderm-Geisselepithels des Hydranthen bilden. Untersucht man zunächst die Tentakel eines lebenden Thieres mit starken Vergrösserungen, so lässt sich über die äussere Ober- fläche und deren Fortsätze zunächst Folgendes leicht feststellen. Von der im Allgemeinen glatten Oberfläche des Ektodermzellenla- gers erheben sich senkrecht zahlreiche Cnidocils, welche sich je- doch wesentlich unterscheiden, je nachdem sie über einer Makro- knidie oder Mikroknidie stehen. Während sich nämlich schräge über dem Entladungspole je einer aufgerichteten Makroknidie nur ein ganz kurzer conischer Höcker mit breiter Basis findet, steht schräge oberhalb jeder Mikroknidie ein langes, feines, starres Haar, dessen wenig verbreiterte Basis ganz allmälig in den feinen End- theil ausläuft. Fig. 18. Merkwürdigerweise übertrifft hier die Länge dieser zu den Spongicola fistularis. 8ıl Mikroknidien gehörigen Cnidoecils diejenige der längeren Cnidocils der meisten anderen bisher studirten Coelenteraten. Während ich z. B. die längeren Cnidocils von Hydra höchstens 0,01 Mm. lang fand, messen diejenigen der Spongicola-Arme ziem- lich genau 0,02 Mm. Da sich die Zahl und Vertheilung der Cni- docils natürlich nach den im Ektoderm vorhandenen aufgerichteten Nesselkapseln richtet, so will ich auch diese letzteren hier sogleich besprechen. Während Makroknidien an den Armen verhältniss- mässig spärlich vorkommen, sind die Mikroknidien desto reichlicher entwickelt und gewöhnlich so gestellt, dass ein Haufe von 10—20 eine centrale Makroknidie umgiebt, wie dies ja auch an den Ten- takeln der meisten Hydrozoen der Fall ist. An stark ausgedehnten Armen lässt sich häufig eine spiralige Anordnung der Mikroknidien in einfacher oder doch annähernd ein- facher Reihe erkennen. Fig. 17. Zuweilen ist diese Spirale jedoch nicht ganz continuirlich, sondern hie und da unterbrochen, so dass mehr etwas schräge ge- richtete getrennte Einzelgruppen gebildet werden. Wenn die auch hier durch ihre breite fast kugelige Form auf- fälligen Makroknidien sich entleeren, so tritt aus der am kuppen- förmig vorgewölbten Entladungspole entstehenden Oeffnung ein Nesselfaden hervor, dessen Basaltheil (etwa von der Länge der Kapsel) ein helles Cylinderrohr darstelit, von dessen Aussenseite eine Anzahl spiralig gestellter spitzer Fortsätze schräge nach rückwärts abstehen, während der gleichmässig cylindrische lange dünnere Fa- den selbst mit einer engen Spirale feinster ebenfalls schräge nach rückwärts gerichteter Spitzchen besetzt ist. Fig. 17. Die bedeutend kleineren mehr längsovalen Mikroknidien sen- den einen ähnlichen, wenngleich dünneren Faden aus, an welchem sich das Basalstück nicht so deutlich markirt wie bei den.Makro- knidien. Besonders auffällig waren mir an der Oberfläche der Spongi- colatentakel die zerstreut zwischen den Cnidocils stehenden sehr beweglichen dünnen langen Geisseln, welche an den Hydroiden- armen, mit welchen doch sonst diese Tentakel grosse Aehnlichkeit haben, nicht vorkommen. Fig. 18. Die Geisseln’sind übrigens so zart, dass ich selbst erst durch die Bewegungen ”;nahe liegender kleiner Körper, welche durch ihr Spiel fortgetrieben wurden, auf sie aufmerksam ward,"und sie dann 812 Franz Eilhard Schulze: auch nur unter günstigen Umständen mit Sicherheit erkennen konnte. Es scheint dass sie an der Tentakelspitze am Spärlichsten vorhan- den sind, dagegen nach der Basis zu an Menge zunehmen, um an der Oberfläche des Hydranthenkörpers dann so dicht zu stehen, wie es die Fig. 15 angiebt. An erhärteten Tentakeln gelang mir die Demonstration dieser Geisseln nicht, sie konnten daher auch in der nach einem Osmiumsäurepräparate angefertisten Zeichnung Fig. 17 nicht angegeben werden. Die auch hier der Stützlamelle unmittelbar aufliegenden längs- gerichteten Muskelfasern gleichen durchaus den oben beschrie- benen des Hydranthenkörpers, nur sind sie kürzer und schmächtiger als jene und liegen nicht so dicht beisammen. Die hyaline Stützlamelle lässt sich an den Tentakeln besonders leicht erkennen und demonstriren. Wenn man nämlich die in Osmiumsäure oder andern erhärtenden Medien im ausge- streckten Zustande fixirten Tentakel ein wenig in Wasser oder Jod- serum maceriren lässt, so fällt der epitheliale Ektodermzellenbelag ab, die Muskelfasern blättern sich ebenfalls los, und der handschuh- fingerförmige hyaline Stützlamellenschlauch bleibt als Ganzes erhal- ten und wird besonders dann noch zu einem instruktiven Präparate, wenn sein ganzer Inhalt, wie das gar nicht selten geschieht, sich zu einzelnen distanten Klumpen zusammenbält und Zwischenräume leer lässt, über welchen sich dann der Stützlamellenschlauch selbst hinwegspannt. An den mit Osmiumsäure im ausgestreckten Zustande erhär- teten und darauf mit Picrocarmin gefärbten Spongicola-Armen sieht man dicht unterhalb der Stützlamelle eine Zeichnung, welche ganz den Eindruck von feinen cireulärverlaufenden glatten Muskelfasern macht. Es zeigen sich nämlich daselbst in ziemlich gleichen Ab- ständen eirculär gerichtete etwas rauhe Doppellinien, und an dem Umschlagsrande kleine zackige Felder, welche wie die optischen Durchschnitte zarter glatter Muskelfasern aussehen ; doch gelang es mir nicht diese inneren cireulären Fasern zu isoliren. Der ganze übrige Raum innerhalb des Stützlamellenschlauches der Arme wird ein- genommen von jenen grossen Zellen, welche in Gestalt querer Cylinderabschnitte in einer Reihe hinter einander aufgereiht stehen, und sich kaum von den entsprechenden Gebilden der Hydroiden- tentakel unterscheiden. Bisweilen fand ich in denselben einzelne grünlichgelbe hyaline ovale Pigmentkörper. Spongicola fistularis. 813 Ueber die Fortpflanzung und Entwicklung der Spon- gicola fistularis kann ich jetzt noch keine Mittheilung machen. Es fragt sich nun, ist das von mir soeben beschriebene Thier identisch mit den von Eimer in mehreren Spongien beobachteten Bildungen, welche er für Nähr- und Fangthiere der Schwämme und zu diesen als integrirende Theile selbst gehörig betrachtet. Ich glaube diese Frage desshalb bejahen zu müssen, weil einerseits Ei- mer's Angaben über den Bau und das Verhalten der betreffenden Gebilde mit Ausnahme des von ihm behaupteten continuirlichen Zusammenhanges derselben mit dem Spongienweichkörper ganz wohl auf meine Spongicola passen und weil andererseits Eimer diese Gebilde in den nämlichen oder verwandten Schwämmen antraf, in welchen ich sie auch fand. Ob die von Carter in einer Reniera gefundenen und von ihm als klene sackförmige, parasitäre Polypen be- schriebene Thiere mit der Spongicola übereinstimmen, ist zwar wahrscheinlich, aber wegen der Kürze und der Abweichung seiner Beschreibung nicht sicher zu entscheiden. Ebenso ist es mir, wie schon erwähnt, zweifelhaft geblieben, ob die von mir studirten Spongien - Commensalen mit Allman's Stephanoscyphus mirabilis identisch sind oder nicht, und zwar haupt- sächlich wegen der ganz erheblichen Abweichungen zwischen All- man’s Darstellung und meinem Befunde hinsichtlich des so wich- tigen Baues des Hydranthen. Während nämlich Allman an den- selben eine weite Terminalöffnung, in deren Tentakel -tra- genden Umrandung sich ein Ringcanal befinden soll, welcher nach rückwärts mit vier die Körperwand des Hydranthen und des Coenosarkes durchsetzenden Längscanälen im Zusammenhang steht, und gar Nichts findet, was einem Hypostome oder einem Manu- brium verglichen werden könnte, deshalb auch sein Thier weder zu den Hydroiden noch zu den Medusen stellen, sondern für dasselbe eine besondere neue Ordnung der Hydrozoa formiren will — so finde ich ein wohlentwickeltes Hypostom mit einer centralen, der Erweiterung und Verengerung bis zum völligen Schlusse fähigen Mundöffnung, vermisse dagegen einen Ringcanal unter dem Tenta- kelkranze und finde statt der von Allman beschriebenen 4 Längs- canäle nur 4 nach innen vorspringende solide Längswülste. * 814 Franz Eilhard Schulze: Verlangt man nun aber von mir, dass ich meiner Spongicola fistularis einen bestimmten Platz im zoologischen Systeme anweise, so kann ich zwar ohne Weiteres mit Bestimmtheit sagen, dass sie in die Classe der Hydrozoa oder Hydromedusen gehört, muss aber eine weitere Entscheidung über die Ordnung und Familie so lange für unsicher erklären, bis wir über die Fortpflanzungs- und Entwicklungsverhältnisse aufgeklärt sein werden. Trotzdem glaube ich schon jetzt die wohlbegründete Vermu- thung aussprechen zu dürfen, dass wir es mit einer Scyphistoma- form, also einem ungeschlechtlichen Generationswechselstadium einer acraspedoten Meduse zu thun haben. Ich schliesse dies aus dem Umstande, dass, abgesehen von dem entwickelten Coenosarke, der Bau des Spongicolahydranthen mit dem eines Quallenseyphistoma, etwa von Aurelia aurita in den wesentlichsten Punkten überein- stimmt. Besonders wichtig erscheinen mir in dieser Beziehung die hier wie dort zu findenden 4 symmetrisch nach innen vorspringen- den Längswülste, welche sich von dem Coenosarke, ebenso wie von dem Scyphistomastiele aus bis an das Hypostom erstrecken, ferner die übereinstimmende Bildung des Hypostomes selbst, welches sich bei Spongicola wie bei dem Seyphistoma in fast rechtem Winkel gegen die seitliche Körperwand absetzt, und drittens die grosse Uebereinstimmung des feineren histiologischen Baues aller corre- spondirenden Theile bei beiden Thierformen. Ich kann eine grosse Uebereinstimmung zwischen Spongicola und einem Scyphistoma von Aurelia aurita um so bestimmter be- haupten, als ich auch das letztere Thier wiederholt im Sceyphistoma- zustande selbst eingehend studirt habe und noch in den letzten Monaten, während meiner Beschäftigung mit Spongicola fistularis zahlreiche (höchst wahrscheinlich auch zu Aurelia aurita gehörige) Scyphistoma von Triest bekam, welche ich in meinen Aquarien län- gere Zeit erhielt und theils lebend, theils nach vorgängiger Erhär- tung an Schnitten und Zerzupfungspräpaten sorgfältig untersucht habe. Da übrigens meine Auffassung des Scyphistomabaues nicht voll- ständig mit den jüngsten Darstellungen anderer Forscher, besonders mit der von Agassiz!) und der vnSchneider im VI. Bande dieses Archives p. 363 im Jahre 1370 gegebenen übereinstimmt, so 1) Contributions to the nat. hist. of U.S. T. II und IV. Spongicola fistularis. 815 sehe ich mich genöthigt, hier ganz kurz meine von den letzteren abweichenden Ansichten über den Bau des Seyphistoma (der Aurelia aurita) darzulegen. Ich mache übrigens darauf aufmerksam, dass ich dabei nur den einfachen Seyphistoma-Zustand, nicht aber denje- nigen der Medusenknospung im Auge habe. Während ich mich hinsichtlich des gröberen Baues im Allge- meinen mit Agassiz’s und Schneiders Darstellung einverstan- den erklären kann, muss ich Schneider gegenüber hervorheben, dass ich zwischen den beiden Hauptschichten der Körperwand, dem Ektoderme und Entoderme nicht „eine geräumige Leibeshöhle“, sondern die hyaline Stützlamelle finde, und an den in die Magen- höhle hineinragenden vier symmetrisch-gestellten Längsfalten keine eigentlichen Tentakel oder Filamente, sondern nur ein leichtes Vor- springen nach Innen dicht unterhalb des Hypostomes habe bemerken können. Uebrigens sehe ich, ebenso wie Schneider, die vier Längsfalten oder Längswülste nicht wie bei Spongicola ganz bis zum Mundrande ziehen, sondern nur bis gegen die Mitte der Hypo- stomringplatte reiehen, so dass deren innere Partie frei bleibt und einen Ringsaum bildet, welcher beliebig irisartig zusammengezo- gen, trichterförmig erhoben, oder auch, was häufig geschieht, nach aussen umgelegt werden kann und alsdann die in die Magenhöhle vorragenden 4 inneren Längswälle sichtbar werden lässt. Dass diese letzteren nun auch aus einer leistenartigen Fortsetzung oder Erhe- bung der Stützlamelle und dem dieselbe in Form einer Falte über- ziehenden Entodermzellenlager bestehen, kann man in der Ansicht von oben her bei etwas ausgebreiteten Thieren deutlich sehen. Fig. 5. Nach Schneiders Angabe werden später, wenn die Medu- senknospung beginnt, diese nach innen vorspringenden Längswülste in ihrer äusseren Partie perforirt, wodurch die zwischen denselben befindlichen Seitentaschen der Magenhöhle direkt verbunden werden und eine Art Ringcanal entsteht. Zu der Zeit, von welcher ich spreche, besteht aber, wie auch Schneider 1. c. p. 364 selbst an- giebt, eine solche Communikation nicht, und es gleichen also die Längswülste des Scyphistoma durchaus den bei Spongicola beschrie- benen, bis auf den, wie mir scheint, nicht erheblichen Umstand, dass sie sich bei Spongicola bis zum freien Innenrande des Hypostomes fortsetzen, beim Scyphistoma aber nur bis zur Mitte der Hypostom- ringplatte reichen. 816 Franz Eilhard Schulze: In Betreff des histiologischen Details ist die Uebereinstimmung zwischen Spongicola und dem Aureliascyphistoma fast vollständig. Ohne mich auf eine specielle Vergleichung aller einzelnen correspon- direnden Theile und der verschiedenen Gewebsformationen hier ein- zulassen, will ich nur darauf aufmerksam machen, dass Makrokni- dien und Mikroknidien beim Scyphistoma in wesentlich gleicher Ver- theilung wie bei Spongicola im Ektoderm des Körpers, der Tenta- kel und der Aussenfläche des Peristomes bis zu dessen Innenrande vorkommen, dass auch beim Scyphistoma schräge oberhalb der Ma- kroknidien nur kurze conische Höcker, dagegen schräge oberhalb der Mikroknidien Cnidocils von derselben auffallenden Länge, 0,02 Mm., sich finden wie bei Spongicola, und dass endlich sowohl an der ganzen Oberfläche der Arme als besonders reichlich an deren Basis und dem Körperrande beim Scyphistoma wie bei Spongicola schla- gende Geisseln zwischen den Cnidocils beobachtet wurden. Das Vorkommen eines Perisarkrohres bei Spongicola wird schwerlich gegen die Aehnlichkeit mit einem Scyphistoma sprechen können, da ja auch bei dem Sceyphistoma von Aurelia aurita durch Agassiz u. A. eine wenngleich nicht sehr entwickelte basale Chi- tinscheide beschrieben ist. Scheint hiernach viel für die Annahme zu sprechen, dass die Spongicola fistularis die Scyphistomaform einer acrospedoten Meduse sei, so kann doch — ich wiederhole es — die wahre Stellung der- selben im Systeme erst nach der Erforschung des ganzen Zeugungs- kreislaufes endgültig festgestellt werden. Erklärung der Figuren auf Taf. XLV, XLVI und XLVM. Taf. XLV. Fig. 1. Ein Stück von Suberites flavus mit Spongicola fistularis in ausge- strecktem Zustande. Von Triest. Natürliche Grösse. Schematische Zeichnung eines der Länge nach halbirten Hydranthen [I Fig. mit einem Theile desCoenosarkes und Perisarkes. Vergrösserung 20:1. Fig. 3. Seitenansicht eines ausgestreckten Hydranthen von Spongicola fistu- laris, in Suberites flavus. Vergr. 40 : 1. Fig. 4. Ausgestreckter Hydranth von Spongicola fistularis in Suberites flavus. Ansicht von oben. Vergr. 50:1. Fig. 5. Scyphistoma von Aurelia aurita in der Ansicht von oben. Vergr, 50:1. Fig. 6. Fig. 7. Fig, 16. Fig. 17. Fig.18. in ” Spongicola fistularis. 817 Taf. XLVI. Seitenansicht des Endtheiles einer anderen Spongicola fistularis aus Esperia Bauriana; mit eingezogenem Hydranthen. Verg. 40 : 1. Seitenansicht des Enttheiles einer Spongicola fistularis aus Esperia Bauriana; mit ausgestrecktem Hydranthen. Vergr. 40 : 1. Taf. XLVII. Seitenansicht des Perisarkes einer Colonie von Spongicola fistularis in einem macerirten Skeletgerüsttheile von Esperia Bauriana. Natürliche Grösse. Endtheil einer Perisarkröhre mit Seitenast von Spongicola fistularis aus Esperia Bauriana. 30:1. Querschnitt des Perisarkrohres einer Spongicola fistularis mit den nasenförmigen Fortsätzen. Vergr. 50: 1. Ektoderm des Coenosarkes von Spongicola fistularis, im Leben. Vergr. 500 : 1. Ektoderm des Coenosarkes von Spongicola fistularis, einige Zeit nach Verletzung des lebenden Thieres. Vergr. 500 : 1. Entoderm des Coenosarkes einer lebenden Spongicola fistularis. Vergr. 500 : 1. Entoderm des ÜCoenosarkes einer Spongicola fistularis, einige Zeit nach der Verletzung des Thieres. Vergr. 500 : 1. Ektoderm - Oberfläche der Körperwand eines Hydranthen von Spon- gieola fistularis. Vergr. 500 : 1. Eine Muskelfaserzelie mit deutlichem Kerne; aus der Körperwand eines Hydranthen von Spongicola fistularis. Vergr. 500 : 1. Tentakelstück einer durch Osmiumsäure im ausgestreckten Zustande erhärteten Spongicola fistularis. Vergr. 500 : 1. Tentakelspitze einer lebenden Spongicola fistularis im stark zusam- mengezogenen Zustande. Vergr. 500 : 1. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 13, 52 818 W. Flemming: Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwell- sewebe der Muscheln. Von Walther Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XLVII, XLIX und L. Der Titel ist fast der gleiche wie der einer kleinen Schrift, die mir vor 6 Jahren zur Habilitation diente!). Gegen den wesent- lichsten Theil ihres Inhaltes ist kürzlich von Seiten Kollmann’s in diesem Archiv ?2) Widerspruch erhoben worden. Ich will in die- sem Aufsatz den Nachweis liefern, dass dieser Widerspruch vollkommen ungerechtfertigt, und dass die Ansicht, welche Kollmann selbst sich über Lage und Begrenzung der Gewebslacune bei Acephalen gebildet hat, vollkommen unhaltbar ist. Vorweg will ich bemerken, dass dies „unhaltbar“ sich keines- wegs auf alles von Kollmann Vorgeführte beziehen soll ; vielmehr erkenne ich in vollem Maasse an, dass seine die Bindesubstanzen betreffenden Aufsätze3) zahlreiche sehr werthvolle Beobachtungen und Gedanken enthalten und Fragen anregen, die der Discussion in hohem Grade werth sind. Meine Opposition geht zunächst nur gegen Kollmann’s irrige Vorstellung vom Bau des sogenannten Schwellgewebes, welche allerdings auch seine Ansichten über das „Gaällertgewebe‘‘ insgesammt nicht unerheblich berührt. Ich beabsichtige aber nicht hiermit eine blosse Entgegnung zu schreiben, sondern zugleich, da ich in der Lage dazu bin, die be- treffende Gewebeform genauer zu schildern. Jene meine Abhand- lung hatte sich auf wenig Raum und wenige Abbildungen zu be- 1) Ueber Bindesubstanzen und Gefässwandung bei Mollusken. Habili- tationsschrift, Rostock 1871. 38 S. 1 Taf. 2) Die Bindesubstanz der Acephalen. Dies. Arch. Bd. 13, p. 558—603. Taf. 36 u. 37. (Das l. e. im Folgenden bezieht sich auf diese Arbeit.) 3) Ausser der eitirten: Der Kreislauf des Blutes bei den Lamellibran- chiern, den Aplysien und den Cephalopoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1875, p. 87—102. — (Diese soll im Folgenden als: 1. c. I eitirt werden.) Häut- chenzellen und Bindegewebe. Centralbl. f. d. med. Wiss. Nr. 25, 1876, und: Häutchenzellen und Myxom. Virchow’s Archiv für path. Anat. u. Physiol. u. f. klin. Med. Bd. 68. 38 S. Taf. 48. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 819 schränken ; aber es liegen mir theils noch von jener Zeit her, theils von seither unternommenen Arbeiten eine Menge von Präparaten vor, die bestimmt waren, künftig bei einer specielleren Beschreibung der Molluskengewebe zu dienen. Da sich der Anlass giebt, mag neben den ad hoc gefertigten auch ein Theil von ihnen der Be- schreibung hier in Wort und Bild mit zu Grunde gelegt werden. Die Redaction dieses Archivs hat ausserdem die Freundlichkeit gehabt zu gestatten, dass in Fig. 1 und 2 Taf. L Abschnitte zweier meiner früheren Figuren 1. c., zur Erleichterung der Darstellung, reprodu- eirt wurden. Zunächst muss ich mir erlauben, als Ausgangspunct der Dis- eussion die Resultate meiner erwähnten Schrift hier nochmals zu- sammenzufassen; denn ich kann den Leser nicht auf sie verweisen, da die Abhandlung im Buchhandel nicht mehr existirt und nur in einer geringen Zahl von Exemplaren verbreitet ist. Ich habe mich an jener Stelle besonders mit der eigenthüm- lichen Bindesubstanz beschäftigt, welche bei Acephalen in verschie- dener Mächtiekeit verbreitet, einen Theil des Mantels, des Fusses, der Mundfühier, auch anderer Körpertheile constituirt. Besonders reichlich tritt sie auf im Mantel und Mantelrand der Najaden und (am letzteren Orte) bei Mytilus und andern marinen For- men, sowie bei derselben im Gewebe des Fusses und Mittelkörpers ; es sind dies gerade die Theile, die sich durch besonderes Schwell- vermögen auszeichnen und in denen sich die von Langer!) injieir- ten und beschriebenen „Schwell(gefäss)netze‘“‘ befinden. An dem frischen Gewebe fällt auf, dass es zum grössten Theil aus eigen- thümlichen, blassen Blasen zusammengesetzt erscheint (vergl. hier z. B. Fig. 1, 2 Taf. XLVII), welche durch ein Lamellen- und Bal- kenwerk, in dem Muskelfasern und kleinere Zellen liegen, von ein- ander getrennt werden. Langer, der die Blasen zuerst erwähnt?), konnte in denselben keine Kerne sehen und zweifelte deshalb an ihrer Zellennatur ; er vermuthete, doch nur obenhin, dass sie viel- leicht der optische Ausdruck gewundener Gefässcanäle sein könnten. Ich fand in Mytilus ein Object, an dem Kerne, als den Blasen zugehörig, leicht zu constatiren sind, obschon sie auch hier — 1) Das Gefässsystem der Teichmuschel. Denkschr, d. Kais. Akad. der Wiss. zu Wien, math.-natw. Kl. VIII u. XI. 2) Ich nenne sie desshalb hier zunächst „Langer’sche Blasen.‘ 820 . W. Flemming: wie ich schon damals angab — an der Blasenwand oder ihr nahe getroffen werden. Deshalb — nach eingehender Untersuchung und Erwägung über die fragliche Zellennatur, wofür ich auf p. 10—11 l. e. verweise — kam ich zu dem Schluss: ‚Es liegt also jedenfalls Grund vor, die Blasen als Zellen zu bezeichnen, und ich will sie der Kürze halber, ohne irgend ein Präjudiz damit zu fällen, Schleimzellen nennen.“ Um nun die Frage zu lösen, wo noch neben diesen Zellen die Langer’schen Schwellgefässnetze, überhaupt die Blut- bahnen liegen, injieirte ich eine grössere Anzahl von Anodonten mit Leimmassen und es ergab sich dabei sofort, dass die Masse in den Lamellen und Balken vordringt, zwischen denen die Schleim- zellen eingeschaltet liegen ; so dass Langer’s oben erwähnte Ver- muthung, die Blasen könnten selbst die Gefässe sein, hierdurch vol- lends ausgeschlossen wurde, wenn sie das nicht schon durch den Nachweis der Kerne in den Blasen gewesen wäre, Demnach musste ich das Lamellenwerk, das am uninjicirten und bJutleeren Präparat (vergl. hier Fig. 3, 6, 8 Taf. L, Fig. 3 Taf. XLVILI, Fig. 5 Taf. XLIX) das Ansehen einer grobmaschigen spongiösen Bindesubstanz hat, als einen vielfach verästelten Gefässschlauch bezeichnen. Silberinjectionen zeigten mir niemals ein Endothel an der Innenwand dieser Blutbahnen ; während ich ein solches an den grösseren Blutgefässen und Capillaren anderer Orte: Darmleiste, Kiemen etc., ganz ebenso wie früher Eberth und jetzt Kollmann gefunden hatte. Dagegen constatirte ich das Vorhandensein stern- und spindelförmiger, auch runder, zum Theil pigmenthaltiger Zellen in ihrer Wand, die ich ]. e. als fixe Bindesubstanzzellen bezeichnete; ausserdem fanden sich die Muskelfasern und -Faserbündel den Wän- den der injieirbaren Räume ein- oder angelagert. Nach alledem kam ich zu dem Schluss: „dass dieses Schwellgewebe der Acephalen aufzufassen sei als ein Gewebe der Binde- substanz, reducirtaufeinen dünnen vielfach ver- ästelten Schlauch, dessen endotheliose Wand ausser einzeln verlaufenden Muskel- undNerven- zügen fixe Zellen enthält, und aussen mit den grossen, rundlichen Schleimzellen besetzt ist.“ (Vergl. 1. ec. p. 12 und 24.) Was dieser Gewebeforın ein allgemeineres Interesse giebt, und was auch mich zu und bei seiner Untersuchung wesentlich geleitet Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 821 hat, ist die Beziehung, in welcher seine Histiologie zu der alten Streitfrage über das „geschlossene oder nichtgeschlossene Blutge- fässsystem“ bei Mollusken steht. Grade in den stark schwellfähigen Theilen, in denen das betreffende Gewebe sich findet, lassen die An- hänger der letzteren Ansicht (Milne-Edwards '), Gegenbaur?)) die Blutgefässe in „wandlose‘‘ Lacunen übergehen ; in diesen selben Theilen injieirte denn Langer (l. ec.) seine ‚‚Schwellnetze‘‘ und hielt, weil das Injieirte ihm mit Grund den Eindruck eines dichten Capil- larnetzes zu geben schien, an dem „durchweg geschlossenen“ Ge- fässsystem fest, und Eberth, der in anderen Theilen zuerst die Endothelien von Blutgefässen und Capillaren durch die Silberbe- handlung dargestellt hatte®), plaidirte aus diesem Grunde ebenfalls für „besondere Wände“. Aber: Langer konnte zur Zeit seiner Arbeiten, bei seinen Harzmasseninjectionen und schwachen Ver- grösserungen nicht erkennen, wie denn die Wand seiner Schwell- capillaren beschaffen sei und ist darum die Rechenschaft darüber schuldig geblieben, ob sie auch den Namen einer Capillarenwand verdiene; und Eberth, der in den Blutbahnen, um die es sich hier handelt, keineswegs ein Endothel demonstrirt hat, war danach nicht in der Lage zu behaupten, dass die Molluskenblutbahn über- all ein solches besitzt. Dies habe ich hervorgehoben?) und betont, dass damit der Streit über den Molluskenblutlauf eigentlich die ganze Schärfe seiner Gegensätze verliere. Es ist, wenn man so will, eine lacunäre Blutbahn da, denn dieselbe verliert auf grosse Strecken hin einen darstellbaren Endothelbelag. Andererseits ist doch von einer Umwandung des Blutstroms auch hier zu reden, denn er ist von zusammenhängenden Bindesubstanzlamellen auch hier einge- schlossen. Es ist, wie ich mich ausdrückte, die Wandung dieser Gefässe identisch mit demBindegewebe selbst, sie ist nackte, d. h. endothellose Bindesubstanz. Damit hatte ich mich vollständig anzuschliessen an die Auffassung Leydig’s, welcher auch ohne die Verhältnisse dieses Gewebe durch Injectio- nen näher verfolgt zu haben, mit richtigem Blick unter den „La- 1) Memoires de l’Academie de France. XX, p. 443 u. 485. 2) Handb. der vergl. Anatomie 1870, p. 533 ff. 3) Ueber den Bau und die Entwicklung der Blutcapillaren. Il. Würzb, naturw. Zeitschr. 1866, p. 96. 4) 1. e. im Schlussabschnitt der Abhandlung. 822 W. Flemming: cunen“ bei Mollusken solche Räume verstanden wissen wollte, „deren Begrenzung zwar Bindesubstanz ist, aber ohne von dem übrigen Bindegewebe abgeschieden zu sein“). Das Blut, resp. bei der Schwellung das durch Wasser verdünnte Blut, fliesst also grossentheils in endothellosen Räumen, die eher mit den Lymphspalten der Wirbelthiere, wie mit ihren Blutgefässen zu vergleichen sind. In so fern kann es gewiss nicht unerlaubt sein, von einer lacunären Blutbahn zu reden; nur muss dabei nicht vergessen werden, dass der Blutstrom überall von Bindesub- stanzelementen umgeben ist?) und dass nirgends z. B. eine Drüsenzelle oder eine Nervenfaser so ganz frei vom Blut umspült gedacht werden braucht, wie es Milne-‚Edwards im Auge ge- habt zu haben scheint. Die hier zusammengestellten Ergebnisse habe ich nun gegen- über der Ansicht Kollmann’s, zu deren Anführung ich jetzt über- gehe, vollständig aufrecht zu halten. Auch Kollmann ist zu der Annahme gelangt, dass es in den Schwellnetztheilen eine eigenthümliche Form der Cireulationswege gebe; er nennt dieselbe „unterbrochene Blutbahn‘‘ oder „Lacune“, aber er verlegt sie in die Theile, aus welchen ich die Blutbahn heraus verlegt habe: in die Langer’schen Blasen, d. s. meine Schleimzellen. Die Blasen hält er für „optische Querschnitte der Lacunenräume‘ (p. 576); Kerne, die ihnen gehören, hat er nicht fin- den können ; übrigens spricht er auch ein Endothel den Räumen der Blasen ausdrücklich ab. Dasjenige, was ich als spongiöses Gerüst, als Balken- und Lamellenwerk vom nicht - injieirten Gewebe geschil- dert, was ich dann injicirt, und demnach als Blutbahn er- kannt habe — nennt Kollmann „Gallertbalken‘“, betrachtet diese Balken und Stränge als solide (p. 576) und erblickt in ihnen eine typische Form des Acephalenbindegewebes. Dies aus Kollmann’s Angaben ist es, was mich hier im We- sentlichen zu beschäftigen hat. Seine sonstigen Angaben über die Zellenformen und Intercellularsubstanzen in dieser und in anderen Bindesubstanzarten der Muscheln, sowie über Blutgefässe und Ca- pillaren anderer Theile, welche unten noch kurz in Besprechung 1) Leydig, Lehrb. der Histologie p. 439 ff. 2) Eine anscheinende, vielleicht auch wirkliche Ausnahme bezüglich der Muskeln wird unten zur Besprechung kommen. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 823 kommen werden, stehen mit meinen Angaben grösstentheils in kei- nem Widerspruch; soweit sie dies in einzelnen Puncten thun, denke ich ihnen bei anderer Gelegenheit näher Rechnung zu tragen. Hier habe ich es zunächst nur mit den Schwellnetztheilen zu thun, und ınit dem Nachweis, dass Kollmann’s eben eitirte Ansicht über die Lacune in diesen Theilen eine irrige ist. Dieser Nachweis mag in zwei Theile zerfallen, von denen der erste mit den Langer’schen Blasen und ihrer Zellennatur, der zweite mit Kollmann’s ‚„‚Gallertbalken“, d. i. dem blutbahnhaltigen Fach- werk zwischen jenen Zellen, sich beschäftigen soll. — In einem drit- ten Schlusstheil will ich meine Resultate über den Bau des Schwell- gewebes übersichtlich zusammenstellen und daran eine kurze ver- gleichende Erörterung bezüglich des Wirbelthierbindegewebes knüpfen, um hier die Puncte klar zu stellen, in denen ich mich freue mit Kollmann die gleichen Gesichtspuncte zu haben. I. Die Langer’schen Blasen. Ich habe sorgfältig nachgesehen (vergl. p. 4—111.c.), ehe ich - die Langer’schen Blasen für Zellen erklärte, und es sind zum Theil noch die Präparate von damals her, nach denen ich jetzt diese Ansicht aufrecht erhalte. Die Blasen sind Zellen. Bei dem Beweis habe ich mich zunächst an dasselbe Object zu halten, dem meine früheren Angaben galten; Mytilus edulis, um so mehr weil Kollmann sich auf dasselbe näher bezieht (p. 577) und von ihm auch eine Abbildung giebt (Taf. XLIV Fig. 6). Dabei ist vor Allem die Identität des Objectes, d. i. der Blasen bei Mytilus festzustellen. Denn Kollmann erklärt Mytilus für ein nicht gün- stiges Object (p. 577), weil hier und überhaupt bei marinen Formen die „Rundzellen“ des Gewebes nach seiner Angabe etwas gross sein sollen; seine Meinung ]. c., soweit ich sie verstehe, scheint dahin zu gehen, dass Verwechselungen dieser Rundzeilen mit den Langer- schen Blasen möglich seien. Jedoch die Abbildung, die Kollmann selbst vom Mundfühler der Pfahlmuschel giebt (1. e. Taf. XLIX Fig. 6, vergl. auch Fig. 7 u. 8), beseitigt schon jeden Zweifel darüber, dass mit seiner Lacune {l in seinen Figuren) etwas Anderes gemeint sein könnte wie meine Schleimzellen (s in meiner Fig. 1—6 Taf. XLVIII u. a. m. hier), abgesehen davon, dass eben nichts Anderes da ist, als diese blasigen Lücken und das Fachwerk dazwischen, 824 W. Flemming: In diesen blasigen Räumen ss (l. I. bei Kollmann) liegen nun Kerne. Sie sind kugelrund, mit scharf abgesetzter Kern- membran, meist 1—2, selten mehr grösseren Nucleolen, sonst sind noch kleinere Granula und oft Spuren intranuclearer Netze darin sicht- bar. Fig.5, 6 Taf. XLVII, Fig. 7—9 Taf. XLIX. Die Kerne scheinen immer so gelagert zu sein, dass sie mit einem Pol der Wand des Blasenraums anliegen. Ich gab das Letztere schon früher an!), liess aber (s. Anmerkung) noch die Möglichkeit, dass sie zuweilen auch mitten in dem Inhalt der Blase stecken könnten. In der That sieht es öfter so aus (s. Fig. 5 Taf. XLVIII hier, wo der rechts liegende Kern überall nur von dem geronnenen Blaseninhalt begrenzt wird); aber der Schnitt kann hier so gefallen sein, dass er dicht oberhalb oder unterhalb des Kerns weggegangen ist und ihn damit eben von der Blasenwand abgetrennt hat. Das ist nicht sicher zu entschei- den; aber es thut der Thatsache keinen Eintrag, dass „die Kerne unzweifelhaft innerhalb des blasigen Hohlraumes liegen“, wie ich früher sagte. j Man kann dies schon am frischen Gefrierpräparat sehen, falls man nur einen hinreichend dünnen Schnitt und gutes Licht benutzt, man wird, wenn man gehörig sucht, dann schon Kerne finden, welche bei genauer Einstellung auf den optischen Mittelschnitt einer Blase mit dem grössten Theil ihres Umfangs frei in den Blasenraum hin- einschauen. Aber bei der Blässe der Blasenwände und der Kerne ist man dabei allerdings leicht Täuschungen ausgesetzt, noch dazu wenn man wie Kollmann das viel "ungünstigere Mantelgewebe von Anodonta benutzt, und es erklärt sich so, dass Kollmann, während er selbst sich geirrt hat, mir den Irrthum zuschieben will, dass ich Kerne der Blasenwände als solche des Blaseninhalts angesehen hätte. Aber jeder solchen Täuschungsgefahr ist man überhoben an Osmiumpräparaten?2), auf die ich schon 1. c. ausdrücklich auf- 1) 1. e. p. 5: „welcher (der Kern) zwar fast nie — wie verschiedene Einstellung lehrt, mitten in der Kugel, immer aber unzweifelhaft innerhalb des blasigen Körpers liegt.“ 2) Ich bemerke, dass ich sowohl gefrorene Gewebsstücke (wie K.oll- mann es für Anodonta empfiehlt) als ungefrorene in die Osmiumsäure ge- legt habe. Die Langer’schen Blasen erscheinen an den Gefrierpräparaten keineswegs, alle oder zum Theil, grösser als am ungefrorenen, wie man es doch erwarten müsste, wenn sie nach Kollmann’s Ansicht Blutlacunen Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 825 merksam gemacht hatte (p. 6). Man kann hier leicht gerade so dünne Schnitte bekommen wie man sie braucht: so, dass eine Blase gerade einmal oder eben zweimal angeschnitten ist, oder auch ge- rade ganz im Schnitt liegt. An solchen wird man auch immer den zugehörigen runden Kern finden (vergl. Fig. 2—7 Taf. XLVIII), wo er nicht gerade unten oder oben mit abgeschnitten ist. Unzweifelhafte Bilder gewähren aber natürlich nur solche Blasen, in denen der Kern ganz oder nahezu im Profil an der Wand liegt (Fig. 3—7 Taf. XLVIH, 5 Taf. XLIX), oder wo er von der Wand oben oder unten abgetrennt, sich in dem geronnenen Blaseninhalt so direct einge- schlossen zeigt, wie es Fig. 5 Taf. XLVIII darstellt. Viele der im Profil vorliegenden Kerne ragen ganz nackt in den Blasenraum, resp. in dessen geronnenen Inhalt hinein ; andere (Fig. 3, 4,8) haben neben oder um sich noch wenig blasse, feingranulirte, schlecht be- srenzte Substanz (vergl. m. fr. Aufs. p. 11), und darin öfter kleine Körper, die durch die Osmiumsäure geschwärzt, frisch dagegen glänzend, also wohl als Fetttröpfchen anzusprechen sind (Fig. 4, 8 hier). Das Beschriebene ist an jedem hinreichend dünnen Schnitt dieser Art äusserst leicht festzustellen; ich muss demnach glau- ben, dass Kollmann niemals ein gutes Osmiumpräparat des My- tilusmantelrandes oder -Mundfühlers vor Augen gehabt hat. Es giebt freilich auch schlechte. Bei Härtung in starker, 1- oder 2- procentiger Osmiumsäure und Nachhärtung in Alkohol wird die Substanz der Schleimzelle (d. i. der Blaseninhalt) stark granulirt und gedunkelt, wie ich schon 1. c. p. 6 angab (Fig. 3 hier); schon dadurch sind die Kerne schwerer erkennbar, ausserdem aber schrum- pfen sie noch dazu oft bei dieser Behandlung und liegen dann oft in recht unscheinbarer Form an die Wand der Blase gedrückt (Fig. 8 Taf. XLVIII), obwohl sich auch an solchen Objecten noch Stellen genug finden lassen, an denen man über die Kerne und ihre Lage bequem in's Klare kommt. Leichter ist dies schon am frischen Osmium- schnitt ohne Nachhärtung, wo dann noch Färbung mit Pikrocar- min oder essigsaurem Carmin dienen kann. Am schönsten aber eignen sich in Osmium gehärtete Stücke, die nachher einige Wochen wären, sondern sind in beiden Fällen von ganz übereinstimmender Grösse. — Ihr Inhalt am frischen Object ist stärker lichtbrechend wie Wasser resp. Muschelblut, also kein solches. 826 W. Flemming: in chromsaurem Kali (1—4 proc.) gelegen haben. Sie lassen sich dann ohne Weiteres unter Glycerin in Hollundermark oder beque- mer nach Einbettung schneiden, und solche Schnitte sind mit Hä- matoxylin färbbar '), wodurch die Demonstration der Kerne und ihrer Lage am augenfälligsten und bequemsten geräth (Fig. 3, 4 Taf. L). An Alkoholpräparaten (ein solches ist das von Kollmann ab- gebildete) schrumpfen die Kerne ebenfalls oft, und.dünne Schnitte finde ich hier weniger leicht gewinnbar wie nach Osmiumhärtung; obschon man auch an Spiritusschnitten unter Hülfe der Tinetion (Pikrocarmin oder Hermann’sche Anilinfärbung) dasselbe finden wird, was ich eben beschrieben habe, nur oft mit etwas mehr Mühe. Die Gerinnung der Schleimzellensubstanz, von der ich im letzten Absatz sprach, liefert übrigens sehr wechselnde Bilder. Bald erscheint sie hell, wie homogen, bald sehr fein granulirt; bald, nach starker Osmiumwirkung und Nachdunklung, tief graubraun bis schwarzgrau, stark gekörnt und oft an der Peripherie glänzend und wie verglast °). An Präparaten, die nicht zu lange in Osmium 1) Es ist mir nicht erinnerlich, dass Hämatoxylintinetionen von Osmium- präparaten beschrieben wären; ich theile also als technische Notiz mit, dass sie leicht gelingen, wenn man ein in 1proc. Osmium gehärtetes Präparat auf einige Zeit in eine Lösung von Kali bichro- micum bringt und die dann gefertigten Schnitte minde- stens einige Stunden lang in starkes Hämatoxylin (nach der gewöhnlichen Vorschrift mit Alaun bereitet) bringt. Einwirkung von Al- kohol nach dem Chromkali ist zu vermeiden. 2) Solche Bilder starker Nachdunkelung hatte ich in einer frühe- ren Abhandlung (Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken (Dies. Arch. Bd. 6, Taf. 25 Fig. 18) zur Darstellung genommen. Es ist eine starke Uebereilung und vollkommen falsch, wenn Kollmann mir mit grösster Unbefangenheit zuschreibt (l. c. p. 577), ich hätte hier „Eier aus den Eierstockssträngen des Mantels abgebildet“ (!). Hiermit büsse ich dafür, dass ich jene Abbildung schematisch gezeichnet hatte: erstens, indem die Substanz der Schleimzellen bei allen in gleicher und sehr dunkler Farbe schattirt ist; zweitens, indem ich in jede den Kern hineingezeichnet hatte, obschon man natürlich in jedem Sehfeld nur eine gewisse Zahl findet, bei denen der Kern gerade in geeigneter Lage ist, um als darinliegend er- kannt zu werden ; endlich, indem ich die Kerne dunkel darstellte wie nach Tinetion, obwohl diese gerade bei so stark nachgedunkelten Präparaten meist versagt. Aber alles dies gab Kollmann noch kein Recht, mir einen so Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 827 und dann einige Wochen in Chromkali gelegen haben, ist die Sub- stanz der Schleimzellen am eben entnommenen Schnitt feingranulirt und ziemlich opak; lässt man den Schnitt längere Zeit in Wasser oder verdünntem Glycerin liegen, so wird sie hell, löst sich auf und diffundirt aus den angeschnittenen Blasen heraus, dann erscheinen diese leer und die Kerne ragen frei in ihren Raum (Fig. 6 Taf. XLVII). Durchtränkt man dagegen ein solches Osmium-Chromkalipräparat, ohne vorher stärker in HzO ausgewaschen zu haben, successiv mit Alkohol, Nelkenöl, Terpenthin, so zeigt sich an dem dann gefertig- ten Schnitt die Masse der Schleimzellen nicht granulirt, sondern gerüstförmig geronnen, ähnlich wie dichte Protoplasmanetze in einer Pflanzenzelle (Fig. 7 Taf. XLVIII). Es scheint mir, dass im Grunde immer, auch in den vorher erwähnten Fällen eine solche, netz- förmige Gerinnung des Blasenzelleninhalts vorliegt, aber ohne die Aufhellung mit stark lichtbrechenden Medien nur den Eindruck der Granulirung macht. Zuweilen ist eine kleine histiolegische Specialität von weit- tragender Bedeutung. So hier mit diesen runden Kernen. Mit ihrem Vorhandensein fällt im Grunde schon die ganze, von Kollmann aufgestellte Ansicht über die Gewebslacune der Acephalen. Diese Lacune kann nicht identisch sein mit den Räumen der Langer’schen Blasen. Denn Kollmann wird wohl nicht annehmen, dass in einer von Blut oder Gewebssaft durch- strömten Lacune runde Kerne liegen, wenn schon irgendwo an der Wand befestigt, doch mit fast ihrer ganzen Peripherie frei von dem Strom umspült! Ein Endothel hat Kollmann seiner Lacune (d. i. den Blasen) schon selbst ausdrücklich abgesprochen, sonst könnte er vielleicht die Zuflucht suchen, die unbequemen Kerne als einem solchen angehörig unterzubringen. Aber ein Endothel mit kugel- runden Kernen, die noch dazu nicht in je einer platten Zelle liegen, sondern entweder ganz frei in dieWelt hineinragen oder von etwas schlechtbegrenztem Plasma mit Fettkörnchen umgeben sind —, anfängerhaften Irrthum zuzutrauen, wie es die Verwechselung der allge- mein bekannten Manteleier mit meinen Schleimzellen gewesen wäre: denn er hätte wissen sollen, dass die grösseren Manteleier durch ihre viel grösseren Kerne und ausserdem, ebenso wie die kleineren, durch ihren Gehalt an Dotterkörnern von den gezeichneten und überhaupt von dem Inhalt der Langer’schen Blasen, total verschieden sind, Näheres über die Manteleier unten. 828 W. Flemming: das wäre doch eine solche Absonderlichkeit, dass ich wohl nicht in Kollmann’s Interesse handelte, wenn ich zu seinen Gunsten eine derartige Deutung versuchen wollte. Also sind die Kerne Dinge sui generis und gehören zu dem Inhalt der Blase, d. h. wie ich gesagt habe: in der Blase liegt eine Zelle mit eigenthümlich metamorphosirter weicher Substanz, und ich nenne sie wie damals Schleimzelle, lediglich um einen bequemen Namen zu haben. Es ist hier der Ort noch zu einer Aeusserung Kollmann’s Stellung zu nehmen; er sagt (p. 577): „endlich können noch Blut- zellen in den Lacunen liegen.“ Da Kollmann’s Lacunen gleich den Langer’schen Blasen und meinen Schleimzellen sind, so müsste man nach obigem Ausspruch erwarten, in diesen auch einmal eine Blutzelle zu finden; niemals findet sich aber indem Raum einerLanger’schen Blase irgend eine Zelle, oder irgend ein Kern, ausser dem wohlcharakterisirten, zugehöri- gen runden Kern, von dem hier die Rede war. Kollmann selbst hat vollkommen naturgetreu dargestellt, indem er in keiner seiner Abbildungen, welche die Lacune zeigen sollen (Taf. 36 Fig. 5 Taf. 37 Fig. 6, 7,8) ein Blutkörperchen in dieselbehineingezeichnet hat!). Die Durchmesser der grösseren Schleimzellen im Mantelrand von Mytilus stehen bei erwachsenen Thieren zwischen 40 und 100 w; die Mehrzahl ist länglich geformt und ihre längsten Durchmesser halten sich zwischen 60 und 100 u. Gegen die Oberfläche des Mantel- randes zu werden die Schleimzellen kleiner (vgl. Fig. 1 Taf. XLVIH hier, wo übrigens nicht alle kleinen peripheren Blasen mitgezeich- net sind und Fig. 2); ich glaube, dass manche dieser kleineren Schleimzellen mit unter die „Rundzellen“ fallen, die Kollmann dem Mantel der marinen Lamellibranchiaten zuspricht, weil das von ihm angegebene Grössenmaass (30—36 u) für viele von ihnen ziemlich stimmt; einzelne Schleimzelien sind sogar noch bedeutend kleiner. 1) Die als „Blutkörperchen“ bezeichnete Zelle in Fig. 7 Taf. 37 liegt offenbar in oder an einem „Gallertbalken“, d. i. einem Gefäss, nicht frei in der „Lacune“. Sie entspricht entweder einem im Gefäss steckenden Blut- körper, oder einer Zelle der Gefässwand, oder (wahrscheinlich) dem ge- schrumpften Kern der zu | gehörigen Schleimzelle. Dass die oben beschriebenen Kerne der Schleimzellen keine Blut- zellen, oder Kerne von solchen sein können, muss ein Jeder wissen, der sich beide Dinge genau angesehen hat. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 829 Die runden Kerne der Schleimzellen sind vonziemlich constanter Grösse: bei Mytilus am Osmiumpräparat fast nie unter 6 « oder über 9 « Durchmesser, bei weitem die meisten aber 7—8 u; was ihre Diagnose noch besonders erleichtert. Soviel über Mytilus.. Bei Anodonta ist es ebenfalls gar nicht schwer, die Kerne der Schleimzellen zu constatiren, denn sie zeigen hier dieselbe charakteristische Eigenschaft wie dort: die kugel- runde Form. Am unverkennbarsten geben sie sich an tingirten Injeetionspräparaten des Fussgewebes, zwischen den Genitaldrüsen, Darmdrüsenschläuchen und Muskeln und um den Darm, an Schnitten von Alkohol- oder Chromkalipräparaten (Fig. 4—9 Taf. XLIX). Wo die blaue Masse hier die Blutbahn gefüllt, und die rundlichen, blasigen Lücken übrig gelassen hat, da erscheint jeder solchen Lücke ent- sprechend der runde Kern, hier etwas grösser wie bei Mytilus (am gewässerten Alkoholpräparat S—12 «); auch hier, wie dort, wand- ständig und oft von etwas blasser oder feinkörniger Masse flankirt oder umgeben, aber auch oft ebenso unzweifelhaft wie dort, frei in den Raum der Blase hineinragend (Fig. 5—9 Taf. XLIX) — ich bemerke, dass dieselben nach Schnitten gezeichnet sind, die zum Theil noch nicht ganz die Dicke einer Blase einschlossen, und dass das Profil der Kerne ganz, wie dargestellt, frei in den Blasenraum hineinragt, nicht etwa noch bei anderer Einstellung Substanz dicht unter oder über dem Kern liegt. Auch an Schnitten von uninjieirten Präpa- raten oder Stellen, am Besten natürlich nach Tinction, sieht man überall diese charakteristischen runden Kerne an all den Stellen, wo Schwellgewebe ist, und kann sich an jedem leidlich dünnen Schnitt überzeugen, dass je ein solcher Kern je einer Langer’schen Blase entspricht. Die Kerne der Gefässwandungen (der Gallertbalken Kollmann’s) sind, wie ich schon 1. ec. angab, länglichplatt und kleiner (Fig. 5 Taf. XLIX u. a.). Die Substanz der Schleimzelle ist an Alkoholpräparaten von Najaden nach H>s0-Behandlung meist spurlos verschwunden, bis auf die gekörnte Masse, die sich vielfach neben diesen noch zeigt. In einzelnen Blasen bleiben aber, als geronnene Reste der weichen Zell- substanz, blasse Fäden, wie sie in Fig. 8, 9 Taf. XLIX gezeichnet sind, die sich durch den Blasenraum ausspannen: es ist dabei her- vorzuheben, dass die einzelnen Fäden bei bedeutend verschie- dener Einstellung aufgenommen sind und dass desshalb keines- wegs daran zu denken ist, sie seien Reste der oberen oder 830 W. Flemming: unteren, etwa eben noch angeschnittenen Blasenwand. Man sieht diese Gerinnungsfäden besser an ungefärbten, wie an gefärbten Präparaten. Sie erinnern sofort daran, dass ja auch bei Mytilus (s. o. Fig. 7 Taf. XLVIII) die Substanz der Schleimzelle in Gerüstform gerinnt; da sie bei Anodonta viel lockerer zu sein pflegen, so wird man vielleicht annehmen können‘, dass die Schleimzelle hier noch weicher und wasserreicher ist wie dort. Doch habe ich entsprechende Osmiumpräparate von Najaden noch nicht in Vergleich ziehen können. Auch bei Anodonta ist natürlich, wie überall, nicht jedes Här- tungspräparat gleich gut; am einen schrumpfen die Kerne leichter wie am anderen, wie z. B. die in Fig. 4 Taf. XLIX gezeichneten nicht mehr rund aussehen, sondern zusammengedrückt an der Wand liegen. Besonders leicht erfolgt die Schrumpfung nach Essigsäurezusatz; am Besten thut man also, die Alkoholschnitte bloss mit Carmin oder Pikrocarmin und Glycerin zu behandeln, wie hier in Fig. 4—9 Taf. XLIX. Und auch an solchen kann eine Anzahl Kerne geschrumpft sein, und bei manchen so verunstalteten Kernen kann man dann auch an dünnen Schnitten in Zweifel sein, ob sie der Wand der Blase oder der Blase selbst zugehören; der Vergleich mit wohlerhaltenen Kernen hilft hier sofort zur Aufklärung. — Das Beschriebene bezieht sich zunächst auf das Fussgewebe der Najaden; was ihren Mantel betrifft, so weiss ich von früher wohl und habe es auch 1. ec. angegeben, dass überzeugende Präparate von ihm weit schwerer zu bekommen sind, weil dünne Schnitte hier schwieriger gerathen wie bei dem festeren, muskelreicheren Mantelrand von Mytilus, und weil, soweit wenigstens meine Erfahrung reicht, die Kerne der Schleimzellen im Najadenmantel überhaupt leichter bei der Härtung schrampfen.!) — Ob die Schleimzellen noch zarte membramartige Umhüllungen oder Rindenschichten besitzen oder nicht, kann ich auch jetzt nicht sicher entscheiden; aus dem schon früher (l. c) angegebenen Grunde, dass sich der Inhalt einer Langer’schen Blase am frischen Präparat nicht in die benachbarten Blasen hineindrücken lässt, würde man srsteres schliessen können, aus dem Grunde aber weil bei Injections- Extravasaten die Masse sich mit der Schleimzellensubstanz zu mischen scheint, wird das Fehlen einer festeren Membran annehmbar. Dass die blasse, fast flüssige, vielleicht mucinhaltige Substanz der Schleimzelle etwas Anderes darstellt, wie das Protoplasma der meisten 1) Im Mittelkörper von Mytilus (um den Darm) ist, wie ich nachträglich finde, dies alles eben so schön zu sehen wie bei Anodonta. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 331 Zellen, ist klar; ich betrachte darum die granulirte Masse am Kern als den eigentlichen Plasmarest, die übrige weiche blasse Kugel als metamorphosirtes Plasma. Das kann aber kein Grund sein, dem sanzen Dinge den Namen einer Zelle zu versagen; denn wir geben diesen Namen ja auch der ganzen Fettzelle und der ganzen Magen- epithelzelle, obwohl der Inhalt der ersteren zum grössten Theil Fett, und der Inhalt der letzteren fast zur Hälfte eine vom Plasma ver- schiedene Substanz ist). Mag man diese Anschauungsweise zutreffend finden oder nicht, jedenfalls ist das ganze Ding keine »Lacune«, schon aus dem ein- fachen Grunde nicht, weil niemals Blutzellen darin liegen und weil die Kerne frei hineinragen; wenn nicht ausserdem die Injections- erfolge (s. das Folgende) eine solche Deutung zurückwiesen. Die runden Kerne der Schleimzellen sind von Kollmann gesehen (s. seine Fig. 6 Taf. 37), aber seinen »Gallertbalken« zugerechnet worden. Ich bedaure, dass er sich so lange und mit so anerkennens- werther Sorgfalt (vergl. s. pag. 579) an dem ungünstigen Mantel- gewebe von Anodonta abgemüht, und sich nicht an gute Injections- präparate des Fussgewebes, vor Allem aber auf meine ausdrückliche Empfehlung an den Mantelrand der Pfahlmuschel und an das Osmium gehalten hat. Diese Unterlassung trägt die Schuld, »dass der anerkannt gute Beobachter getäuscht worden ist«?). Da ich bei Kollmann keinen einzigen Beweis gegen meine Ansicht von der Zellennatur der Langer’schen Blasen finde, sondern nur die Behauptung, ich hätte Kerne der Gallertbalken als solche meiner Schleimzellen angesehen und da diese Behauptung, wie ich hier gezeigt habe, falsch ist, so betrachte ich hiermit den Gegenstand dieses Capitels als abgethan. II. Die Uebergangsblutbahnen im Schwellgewebe. Ich komme nun zum zweiten Punct, zu Kollmann’s „Gallert- balken“, d.i.zu meiner Blutbahn. Aus Kollmann’s gesammter Darstellung ergiebt sich und er sagt es auch geradezu), dass er sich seine Gallertbalken solide und nicht hohl vorstellt. Hat er bei 1) Vergl. Biedermann, Untersuchung über das Magenepithel. Wiener Sitzungsberichte 1875. 2) Ich erlaube mir dies kleine Plagiat aus Kollmann, p. 576. 3) L. c. p. 576: »Die Gallertstränge sind solide Balken (sit venio verbo), bilden ein Maschenwerk, und die von Flemming als Schleimzellen bezeich- neten Gebilde sind Querschnitte der Lacunen.« 2 832 W. Flemming: seinen zahlreichen Injectionen nicht ein einziges Präparat bekommen, welches, wie meine Fig. 1—6, 10—13 auf Taf. XLIX hier, die Injec- tionsmasse in jenem Fachwerk zeigt? Wenn nicht, so hätte meine Fig. 3]. e., die er ja kannte, (ich recapitulire sie hier zum Theil in Fig. 1 Taf. L) und deren Erläuterung ihn doch vielleicht zu einer Aufklärung einladen können; er schweigt aber darüber vollständig. Er schweigt allerdings nicht über meine Injectionen überhaupt; und ich bedauere, seine betreffenden Worte hier behufs meiner Ver- theidigung anführen zu müssen, weil sie für seine Sorgfalt im Kri- tisiren kein günstiges Zeugniss ablegen: „Vor Allem lag ein Fehler darin, dass Flemming die Thiere bald vom Herzen aus, bald durch Einstich injieirte. Denn im ersteren Falle liegen ihm wirkliche Gefässe vor mit Endothel, im anderen nur Lacunen. So wurde er veranlasst, im rothbraunen Organ nach Blut- bahnen zu suchen, ähnlich denjenigen, die sich bei der Füllung vom Herzen aus zeigen, sich also nach Gefässwandungen umzu- sehen, die im rothbraunen Organ gänzlich fehlen (!)!). Die Auf- merksamkeit war durch dieses Verfahren in falsche Bahnen gelenkt, und es rächte sich der Missbrauch, mit dem Wort »Gefäss«, wo in der That nur von Lacunen, i. e. von interstitiellen Lücken die Rede sein kann. Es ist ferner, wie mich mehrfache Versuche lehrten, be- denklich, für das Studium des Kreislaufs, bei den Najaden »pralle Injectionen« mit Berlinerblau und Glycerinleim herzustellen. Jede pralle Füllung wird für das Studium des Gallertgewebes ominös wegen der Zerrung und Verschiebung des eigenthümlich angeord- neten Gallertgewebes (?!); dann erscheint fast das ganze Gewebe blau, nur kleine, ziemlich auseinandergerückte Lücken erscheinen in der Farbmasse, dann drängt sich von selbst eine Deutung auf, die in den Lacunen grosse blasse Zellen sieht, und in den Gallertbalken die Blutbahn vermuthet. Es ist nur die natürliche Consequenz, wenn Flemming auch die Kerne der angeblichen Schleimzellen findet, obwohl Langer ausdrücklich hervorhebt, sie hätten keine. Zellen sind ja in nächster Nähe: die Zellen des Gallertgewebes Fig. 1) Worauf dies gehen soll, weiss ich nicht. Ich habe gesagt, dass ich unter Anderm in das rothbraune Organ eingestochen und dabei dieselben mikroskopischen Injeetionsresultate bekommen habe, wie bei Füllung vom Herzen, oder beim Einstich in den Fuss und Mantel. Sonst habe ich mir mit dem rothbraunen Organ nichts zu schaffen gemacht. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 833 ; endlich können noch Blutzellen in den Lacunen liegen etc.“ (1. c. p. 576-577). Für die letzteren beiden Sätze kann ich auf den vorigen Ab- schnitt verweisen; es geht aus demselben hervor, auf wessen Seite hier die genauere, auf wessen die oberflächlichere Beobachtung ist. — Dem Uebrigen stelle ich zunächst das Citat meiner früheren Injec- tions-Angaben, welche Kollmann bekannt waren, gegenüber: „Ich injieirte Anodonten mit einer Mischung von Berlinerblau und Glycerinleim, bald vom Herzen aus, bald durch Einstich in die Kreisvene des Mantels, den Rand oder deu obern centralen Theil desselben, welcher als Keber’s rothbraunes Organ bezeichnet wird. Auf allen diesen Wegen lässt sich gleicher Weise eine Füllung der Gefässe erzielen. Die eingespritzten Theile wurden dann in absoluten Alkohol, oder in 1procentiger Osmiumsäure gehärtet. An einem feinen Schnitt von einem so behandelten, prall injieirten Anodontenmantel sieht man bei schwacher Vergrösserung fast das ganze Gewebe blau; nur kleine, ziemlich auseinandergerückte, rund- liche Lücken erscheinen in der Farbmasse, und diese werden (wenn man ein frisches Thier injieirt hatte) erfüllt durch die oben ge- schilderten mattglänzenden Kugeln (Schleimzellen). Wo zwischen diesen am nichtinjieirten Gewebe die Balken des Netzes!) erscheinen, da zeigt sich hier statt dessen ein breiter blauer Raum. Sehr aus- gedehnt sind diese Räume namentlich im centralen, wenig musku- lösen Manteltheil, hier ist das Gewebe so auseinandergezerrt und erscheint so durchweg blau, dass man zuerst an ein lixtravasat denkt. Eine bessere Controle erlaubt der Mantelrand, wo die Ge- fässverästelung auch bei ziemlich praller Füllung noch den netz- förmigen Typus deutlich zeigt. Verfolgt man diese noch immer sehr weiten Gefässe (Fig. 3 g!, hier Fig. 1 Taf. L g!) nach Stellen hin, wo die Injectionsmasse eben erst sich auszubreiten anfing, (Fig. 1, Taf. L, hier g2), so erscheinen hier die gefüllten Bahnen als ein Netz schmaler Balken, welches dem Netz des nicht- injieirten Gewebes ganz gleichgeformt ist und überdies in die Balken nebenliegender, nichtinjicirter Stellen continuirlich übergeht. — Auch jene so äusserst grossen, gefüllten Räume im centralen Manteltheil kann man direct in das Netz des Mantelrandes verfolgen und sich so überzeugen, dass ihr 5: 1) D. s. Kollmann’s „Gallertbalken.“ Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 13. 53 834 W. Flemming: Zustand nicht einem Extravasat, sondern nur einer übergrossen Füllung entspricht.“ (L. c. p. 8—9.) Indem ich nun den Leser vorweg auf den letzten Theil dieses Citats aufmerksam mache, aus welchem hervorgeht, dass ich keines- wegs bloss nach übermässig starken Injectionen, sondern gerade besonders nach solchen Stellen geurtheilt habe, wo die Füllung eben begann, lege ich ihm hier in Fig. 1—6 und 10—11 Taf. XLIX Bilder von Präparaten vor, die dem Gewebe des Fusses und Mittelkörpers entnommen sind und auch hier gerade dasselbe zeigen, was ich dort vom Mantel beschrieb. Ich wünschte, dass Kollmann statt der allgemeinen Wen- dungen, in denen sich seine oben eitirte Kritik bewegt, irgend etwas Sachliches gegen jene meine Beschreibung beigebracht hätte. Wollte er ihr entgegentreten, so hatte er erstens zu zeigen: dass Injectionen vom Herzen für die Schwellnetztheile andere Resultate ergeben wie solche durch Einstich. Ich finde bei ihm von einem solchen Nachweis nichts, und es wundert mich nicht, denn beide ergaben mir die gleichen Re- sultate, welche hier in meinen Figuren demonstrirt sind. Zweitens hätte Kollmann nachzuweisen gehabt, warum und inwiefern »pralle Injectionen« »wegen der Zerrung und Ver- schiebung des Gallertgewebes« (?) solche Bilder bewirken können wie die von mir gezeichneten, und nicht-pralle andere Bilder. Wie sich aus seinen Worten zu ergeben scheint, (s. 0.) haben ihn mehr- fache Versuche gelehrt, dass die Bilder bei prallen Injectionen so ausfallen können wie ich sie gezeichnet hatte; dann hätte er doch diese Bilder zu erklären gehabt, er hätte zeigen sollen, weswegen denn gerade seine »Lacune«, die ja doch zunächst für die Füllung bei der Hand ist, bei solchen starken Injectionen von der Masse ver- schont bleibt in Gestalt der »kleinen rundlichen Lücken«, und wes- halb die Masse mit merkwürdiger Consequenz gerade in seine »soliden« Gallertbalken läuft. Ich finde nicht einmal den Versuch zu einer solchen Erklärung. Drittens aber und besonders, Kollmann hat vollständig übersehen, oder doch übergangen, dass meine Schlüsse 1. ec. nicht auf pralle Injectionen, sondern gerade auf nichtpralle begründet waren, auf Stellen »wo die Injectionsmasse eben erst sich auszubreiten anfing«. Beim Anblick solcher Stellen — ich verweise auf Fig. 2, 4, 5 Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 835 Taf. XLIX u. a. — wird Jeder auf den ersten Blick sagen, dass die präformirten Wege für die Masse in dem Fachwerk und zwischen den Schleimzellen, also in Kollmann’s Gallertbalken und neben seinen Lacunen liegen. Ich möchte wissen, wie er, falls er die Gallertbalken nicht etwa nachträglich aushöhlen will, diese Bilder zu erklären gedenkt,, die man sich so leicht, sei es durch Injection vom Herzen, sei es durch Einstich in den Fuss zu verschaffen ver- mag. Sollte Kollmann sie wirklich nie erhalten haben, so hätte er doch nicht über eine vorliegende Beschreibung derselben hinweg- sehen brauchen; nachdem es geschehen, »rächt sich dieser Missbrauch“, indem man dann nachher von einer Lacune spricht, wo in der That nur von Zellen die Rede sein kann. Die Präparate, welche ich hier abgebildet habe, stammen theils noch von jener ersten Arbeit her, theils von Muscheln , welche im Sommer 1874 und 1875 in Prag behufs Untersuchung der Eierstöcke injieirt wurden '). Einige der Thiere waren vom Herzen eingespritzt, (von solchen Fig. 1, 2, 3, 13, Taf. XLIX, Fig. 1 Taf. L) die anderen durch Einstich, ich weiss nicht mehr für jedes anzugeben, in welche Stelle des Körpers. Ich habe übrigens nicht bloss mit Leimmassen, sondern oft auch mit kalter Berlinerblau-Lösung eingespritzt und bin auch mit solchen Präparaten versehen, bilde sie aber nicht ab, weil sie, nur weniger schön, ganz dasselbe zeigen, wie die schwach gefüllten Stellen der hier gezeichneten; feinere Schnitte sind nach leimloser Injection natürlich schwerer zu gewinnen und zu behan- deln, wie nach Leimfüllung und Härtung, wo die erstarrte Masse dem Gewebe eine Stütze giebt. — Die gleichzeitige Füllung der wahren grösseren Gefässe (vergl. Fig. 1, 11, 2, 13) und des Fach- werks der Schwellgefässe zwischen den Schleimzellen , die Anasto- mosen der zweifellosen Blutgefässe des Darmwulstes mit den Schwell- gefässen (Fig. 6 und 13) zeigen wohl aufs Einfachste, dass beiderlei Bahnen Theile ein und desselben Gefässsystems sind und auf ein und demselben Wege gefüllt werden können’). Die abgebildeten Objecte, und wie ich besonders erwähnen will, die Stellen mit schwacher , eben beginnender Füllung (Fig. 2, 4, 5, 10. Taf. XLIX) sind nicht etwa selten und als besonders günstige zusammengesucht, sondern ich kann eben- 1) In derKieler Gegend habe ich bis jetzt keine Najaden bekommen können. 2) Ausserdem der Umstand , dass Blutzellen überall in der In- jeetionsmasse (nur in Fig. 4 Taf. XLIX mitgezeichnet) eingeschlossen liegen. 836 W. Flemming: solche Bilder an meinen Präparaten zu jeder Stunde dutzendweis demonstriren. Seinerseits hätte Kollmann den Nachweis zu liefern ge- habt, dass die Räume, welche nach mir von den Schleimzellen erfüllt werden, intra vitam bluthaltig und injieirbar sind. Der Nachweis für das Erstere fehlt, denn wie schon gesagt, hat Koll- mann nie eine Blutzelle mit Sicherheit in den Schleimzellen getroffen, sonst würde er sie wohl gezeichnet haben! Der Nachweis für das Letztere fehlt ebenfalls; denn gewiss kann er nicht in den Worten Kollmann’s gefunden werden: „Diese Vermuthung Langer’s (dass die Blasen Gefässe sein könnten) ist nun buchstäblich richtig und durch Injection beweisbar. Man kann bei Injectionen in den Herzbeutel mit freiem Auge den Gang der gefärbten Flüssigkeit durch die Maschen des rothbraunen Organs bis zum Vorhof verfolgen“ (1. c. p. 576). Denn dass man »mit freiem Auge« nicht sehen kann ob die Masse in die Blasen, oder neben denseiben hergeht, wird wohl Jeder zugeben). Ich hätte von Kollmann wenigstens die Abbildung eines Präparates erwartet, an welchem die Masse in den Blasen ist; ich würde auch dafür Objecte zur Verfügung stellen können. Denn gar nicht selten habe ich auch Injectionen bekommen, beson- ders an abgestorbenen, schon klaffenden Muscheln, bei Anwendung von schwach leimhaltigen, also langsam erstarrenden, sowie von stark erwärmten Massen, und bei stärkerem Injectionsdruck, an denen die Wandungen der Blutbahn geborsten waren, die Masse sich 1) Kollmann sagt ausserdem p. 580, wo gerade von dem Schwellge- webe der Eingeweide die Rede ist, also dem Gewebe, das in den meisten meiner Figuren hier vorliegt: »Seine zahlreichen Räume eignen sich für eine enorme Aufnahme von Flüssigkeit. Die im entleerten Zustande nur 35—40 u. kleinen, platten Lücken füllen sich prall, erweitern sich noch um das Dreifache und be- dingen so die bekannte ödematöse Schwellung des Fusses.«e Wie aus der angezo- genen Fig. 8 Taf. 28 Kollmann’s erhellt, sind die hier gemeinten Lücken iden- tisch mit den Schleimzellen. Ich kann nach den eitirten Worten wohl annehmen, obschon es nicht gesagt ist, dass Kollmann diese Räume an Injectionsprä- paraten wirklich gefüllt gefunden hat, und dies ist, wie hier oben ausgeführt, auch vollkommen möglich; nur gehören dann solche Präparate eben nicht zu den gelungenen. Das Maass von 35—40 u. finde ich für viele der Schleimzellen bei Ano- donta zutreffend, viele sind aber bedeutend grösser, bis zu einem grössten Durch- messer von 80 u. Dies bezieht sich auf das Fussgewebe von Anodonta piscinalis. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 837 mit der Substanz der Schleimzellen gemischt hatte, so dass Alles blau erschien, und in der allgemeinen Bläue die collabirten Gefässe als »Gallertbalken« schwammen. Wenn ich unter zwanzig -Injectionen neunzehn erhalten hätte, die mir Präparate mit solcher diffusen Füllung lieferten, und nur eine, welche das zeigt was in meiner früheren und in meinen jetzigen Abbildungen dargestellt ist: so würde ich wegen dieser einen schon alle Schlüsse cassirt haben, die ich etwa vorher aus den vielen gezogen hätte. Denn es ist leicht zu denken, dass bei jeder Zerreissung der Gefässwände die Masse sich sofort diffus aus- breitet, die weiche Substanz der Schleimzellen zusammenquetscht, ver- ändert und sich mit ihr mischt; aber es ist — wenn man die Richtigkeit von Kollmann’s Ansicht voraussetzen will — absolut unver- ständlich, warum die Masse auch nur in einem Fall sich in solide Gallertbalken hineinbohrt und präformirten, mit den Gefässen communicirenden Lacunen aus dem Wege geht. Aber das Verhältniss ist nicht das hier vorausgesetzte; ich habe bei reichlich der Hälfte meiner Injectionen von Najaden, d. i. jedenfalls in mehr als 12 Fällen, die Erfolge erhalten, deren Dar- stellung ich hier gebe; obwohl an einzelnen stellenweise auch Berstungen und dem entsprechend diffuse Füllungen vorliegen (sowie umgekehrt an manchen Stellen der diffus gefüllten Thiere Bilder vorliegen, wie die meiner Figuren). Denn Berstungen der Gefässe können natürlich auch an nicht abgestorbenen Thieren vorkommen. Bel einem prall injieirten Anodontenmantel z. B., wo »fast das ganze Gewebe blau erscheint«, (Fig. 12 Taf. XLIX) kann vielleicht auch schon Manches zerrissen sein; das vermag der Injeetor nicht zu entscheiden, er kann nur im Ganzen danach urtheilen, dass der Schwellungsgrad nach der stärksten künstlichen Füllung noch nicht einmal ganz so gross ausfällt, wie er am lebenden Thier ist. Aber auch an so stark gefüllten Mänteln liegen’ die Schleimzellen noch getreulich »als kleine, ziemlich auseinandergerückte rundliche Lücken« in der Farb- masse (vergl. hier Fig. 12 Taf. XLIX und 1 Taf. L) und zwar in einer Zahl, welche der am Osmiumschnitt controlirbaren Menge der Langer’schen Blasen ebenso getreulich entspricht. Wo sind denn hier die Gallertbalken geblieben, wenn sie »solide« waren? Die Masse muss sich wohl in sie hinein gebohrt haben und muss sich, seltsamer Weise, diese Mühe eher genommen haben, als sie in die 838 W. Flemming: Lacune drang, die doch nach Kollmäann’s ausdrücklichem Zeugniss (p. 565 u. a. and. O.) mit dem Gefässsystem in Commu- nication steht. Die Lösung dieser Räthsel ergiebt sich erst und zwar auf’s Einfachste aus der Erkenntniss, dass die »Lacunen« das Solide und die »Gallertbalken« das Hohle sind. Welche Vorstellung Kollmann sich über die Veränderungen macht, die das Schwellgewebe künstlicher Weise durch Injection — unter Zerrung und Verschiebung des Gallertgewebes, wie er sich 1. s. e. ausdrückt — erleiden könnte, ist mir an sich nicht verständlich, und wird mir nicht verständlicher durch die einzige darauf bezügliche Stelle in seiner Arbeit, die ich sonst noch finde. An dieser, auf S. 577, heisst es: „Bei Mytilus, Arca, etc. sind die Rundzellen in der That etwas gross, 30—45 u., nähern sich also den kleineren Lacunen des roth- braunen Organs bei Anodonta und werden vielleicht allen an Grösse gleichkommen , wenn eine pralle Injection mit Berlinerblau und darauffolgende Härtung in absolutem Alkohol voraufging.“ Das Letztere soll sich jedenfalls auf meine Angaben beziehen. Es ist mir dabei erstens völlig räthselhaft, wie eine pralle Injection und Alkoholhärtung eine — Vergrösserung der Rund- zellen (!) bewirken soll, und was wiederum diese mit meinen Re- sultaten zu thun haben kann. Zweitens aber bemerke ich, dass eine irgendwie stärkere Injection des Mantelrandes bei Mytilus mir überhaupt nie geglückt ist!) und dass alle meine Angaben über dies Object sich lediglich auf uninjieirte, frische, Osmium- oder Alkoholpräparate beziehen, womit also der indirecte Vorwurf gegen diese Angaben, der inKollmann’s obigen Worten liegt, sich als vollständig gegenstandslos erweist. — Wenn ich hiermit für nachgewiesen erachte, dass der bei weitem grösste Theil derBlutbahn im Schwell- gewebe in denjenigen Gewebstheilen liegt, welche am nichtinjicirten Präparat als Fachwerk zwischen den blasigen Schleimzellen erscheinen. (Fig. 3, 5, 6 Taf. XLVIII, 3 Taf. L u. a.), so fragt es sich zunächst weiter, ob und welche andere Blutbahnen es ausser dieser »Schwellnetzbahn« in dem 1) Wegen des hier sehr grossen Reichthums an Muskeln nicht zu ver- wundern. Kollmann scheint nach seinen Angaben gleiche Resultate gehabt. zu haben. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 839 Gewebe noch giebt. Solche sind nun sicherlich da: erstens grössere zu- und abführende Gefässe, also Arterien und Venen zu nennende. Dass sie mit jenen Schwellgefässen communiciren, zeigt einmal der Umstand, dass beide bei derselben Injection gefüllt werden, (Fig. 1, 11 und 2 Taf. XLIX und deren Erklärung), sodann Bilder directen Ueberganges, wie in Fig. 13 Taf. XLIX. Die grösseren dieser Gefässe, bis noch zu mikroskopischem Caliber herab, zeigen vielfach noch eine stärkere, an kleinen Zellen reichere, also besondere Wand (Fig. 2 Taf. XLIX). Daneben trifft man Gefässbahnen, welche als Wand nur ein einziges, direct an Schleimzellen grenzendes Gewebsblatt aufweisen und sich von den netzförmig angeordneten Schwellgefässen nur durch ihren auf längere Strecken gerade gerichteten Verlauf unterscheiden (Fig. 10 Taf. XLIX). Solche Gefässe kommen hie und da auch in viel grösserem Caliber vor, als die in dieser Figur gezeichneten. Ich möchte glauben, dass dies überall die Venen - Anfänge und die Gefässe mit stärkerer zellenreicherer Wand (die zwei Gefässe in Fig. 2 Taf. XLIX, vergl. deren Erklärung) lediglich Arterien sind, doch getraue ich mir noch nicht auszumachen, ob es hier nicht auch dickwandigere Venenanfänge, und umgekehrt Arterien giebt, die sich zunächst in Gefässe wie die in Fig. 10 dargestellten, also nicht direct in das Schwellnetz auflösen. Ebensowenig kann ich bis jetzt mit Sicherheit aussagen , ob Gefässe wie die letzterwähnten (Fig. 10) schon überall ein Endothel besitzen, wie es den vorher besprochenen grösseren Gefässen sowohl, wie den Capillaren der Darmleiste (Fig. 6 und 13) nach meinen Silberinjectionen unzweifelhaft zukommt. Im letzteren Falle könnte man diese mittelgrossen Bahnen (Fig. 10) mit Recht wahre Capillaren nennen. Ihre Menge ist dann aber für das Schwellgewebe des ınittleren Fusstheils und Mittelkörpers, sowie für den Mantel (wenigstens den der Najaden) keineswegs eine grosse. Kollmann, welchem das Verdienst zukommt das Vorkommen wahrer Capillargefässe bei Acephalen an vielen Orten (Mundfühler, Eingeweide, Oberfläche des Fusses u. a.) zuerst gebührend hervor- gehoben zu haben!) (l. c. 1, p. 92 ff., u. a. a. O.), ist sogar der Ansicht, dass »die Füllung der arteriellen Gefässe und der Capillaren, deren Zahl freilich sehr bedeutend sei, allein genügt, um die enorme 1) Dass in der Darmleiste kleinere endothelhaltige Gefässe vorkommen, habe ich schon |, ce. p. 22 erwähnt, aber nur beiläufig und ohne dafür den Namen Capillaren zu brauchen. 840 W. Flemming: Anschwellung des Fusses bei Wasseraufnahme zu erklären« (l. e. L, p. 95). Dem kann ich mich durchaus nicht anschliessen, denn ich finde dafür die Zahl der Gefässe im Innern des Fusses und zwischen den Genitaldrüsen, die man als wahre Capillaren aus- sprechen könnte, bei Weitem zu gering. Es müsste denn sein, dass Kollmann hiernach die Gefässnatur des Schwellnetzes, d. i. seiner Gallertbalken, zugeben und diese Gefässe trotz ihrer Endothellosigkeit Capillaren nennen wollte. In diesem Falle würden wir der Sache nach einig sein. Hiemit halte ich auch den Hauptgegenstand dieses zweiten Abschnitt für erledigt. Wer eine Anzahl von Anodonten vom Herzen und durch Einstich mit Leimmassen, und zur Controle mit leimlosen Massen injieiren will, wird nicht lange Mühe haben bis er das hier Beschriebene bestätigt. Präparate, die dasselbe demonstriren, stehen mir in grosser Zahl zu Gebot und Jedem, der sich zu überzeugen wünscht, zur Verfügung. Während alle Versuche mit Silberinjeetion mir in denSchwell- gefässen niemals Endothelgrenzen zeigten, fand ich solche an der Ober- fläche der Eierstocksdrüsen, was ich a. a. O. p. 14 einstweilen nur anmerkungsweise erwähnte. Damit habe ich mir wieder eine sehr ungerechte Verdächtigung von Seiten Kollmann’s zugezogen. Er sagt mit Bezug darauf (p. 580 1. e.): „Die ganze Erscheinung dieser graugefärbten Massen (Gallert- gewebe Kollmann’s, d. s. die collabirten Gefässe des Schwellnetzes) zwischen den Schläuchen der Geschlechtsdrüse und der Leber, und in der Umgebung des Darmcanals hat selbst für den Kenner der lacunären Bahnen des rothbraunen Organs oder Mantels etwas sehr Fremdartiges. ...... Flemming registrirt die Erscheinung mit den Worten: »Die Eierstöcke sind constant von einer deutlichen, geschlossenen Zellendecke!) überzogen.« In der That, die Kleinheit der Maschen und gewisse, durch Anilinfärbungen bedingte Bilder?) können eine solche Auffassung begünstigen; aber hier führt das Studium des Kreislaufs ebenfalls auf die rechte Bahn. Die Darm- wand und die Drüsen liegen in einem Netzwerk von pigmentirtem 1) Es ist dort ausdrücklich zu lesen, dass die Zellendecke den Eindruck einer endothelialen macht, und mittelst Silberinjection dargestellt wurde. 2) Das Anilin war zur Zeit jener Arbeit noch nicht wie heute en vogue und ich habe es bei derselben gar nicht angewendet. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 841 Gallertgewebe, dessen Maschen lacunäre Bahnen für den Durch- fluss des Blutes darstellen.“ (Diese Maschen sind die Schleimzellen, vergl. meine Figg. auf Taf. XLIX.) Hiernach glaubt Kollmann also, dass ich das zusammenge- fallene Schwellnetz, oder seine Gallertbalken, mit einem Endothel der Eierstöcke verwechselt habe, und schreibt mir dadurch wieder mit dem frischesten Muth einen Irrthum zu, dessen ein Anfänger im Mikroskopiren sich schämen müsste. Dass er dazu überhaupt im Stande war, zeigt mir auf’s Klarste, dass Kollmann, obschon er ja auch Silberinjectionen machte, das wirkliche Eierstocks- endothel überhaupt niemals zu sehen bekommenhat. Ich muss es demnach handgreiflicher beschreiben. Die verästelte Bahn des Schwellnetzes erweitert sich um die Follikel der Genitaldrüsen und die Cylinderschläuche der Darmdrüse (Leber) her zu sinösen Räumen, in denen diese Theile im Zustand voller Blutfüllung flottiren. Fig. 11 Taf. XLIX zeigt in dieser Weise Querschnitte der Darmdrüsenschläuche, Fig. 1, 2 und 4 Taf. XLIX, Durchschnitte von Ovarienfollikeln, ihre Aussenfläche direet von der Injeetionsmasse begrenzt; durch den Raum des Sinus können sich Gewebsbrücken zum Eingeweide hie und da herüberspannen. Ge- langene Silberinjectionen zeigen nun auf der Obertläche der Ovarialfollikel eine Zellenmosaik, wie ich sie in Fig. 9, 10 und 11 Taf. XLVIII hier vorführe (vergl. d. Erklärung). Wo grössere Eier im Innern des Schlauches liegen, geht häufig eine Silbergrenze regel- mässig rund um sie herum (vergl. die Figuren), selten laufen Linien über sie hinweg; es wird also das Ei, das bei seinem Wachsthum in dem gefüllten Schlauch keinen Platz nach Innen fand, nach Aussen die gegenüberliegende Endothelplatte ausgedehnt und hervor- gewölbt haben. Dass im Uebrigen die Zellendecke, wie ich ]. c. sagte, »ganz den Eindruck einer endothelialen macht« wird der sachkundige Leser wohl ermessen können und ich halte es also nicht für nöthig, auf das, was Kollmann mir im Obigen zugemuthet hat, im Ernst weiter einzugehen. Ich habe nur daran gezweifelt, ob die Silberlinien wirklich der Aussenfläche der Ovarien gehören und nicht etwa dem Eierstocksepithel, dessen Zusammensetzung aus abgegrenzten Zeilen nicht in Abrede zu nehmen ist!). Doch 1) Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden. Wien. Sitzungsb. 1875, Febr. p. 12, Anm. 842 W. Flemming: wird dieser Zweifel aufzugeben sein, weil an Präparaten, wo der Schnitt eben die Wand des Follikels mitgenommen hat (Fig. 11 Taf. XLVIII) bei sorgfältiger Einstellung mit Immersionssystemen die Fasern!) in dieser Wand (f) unter den Silberlinien und nach ihnen, noch tiefer, die körnerhaltige Epithelmasse erscheint (nicht mit gezeichnet). Ausserdem sprechen auch die sehr zackigen Formen der Zellen gegen epitheliale Silbergrenzen. Mit den männlichen Keimdrüsen wird es sich aller Wahr- scheinlichkeit nach ebenso verhalten; gelungene Präparate davon habe ich noch nicht zur Verfügung. Es wäre ferner seltsam, wenn nicht auch die Darmdrüsenschläuche eine gleiche Endotheldecke tragen sollten; an denselben Präparaten, die das Eierstocksendothel zeigen, finde ich sie aber an jenen nicht ausgesprochen, ‘auch an Stellen wo sonst starke Silberreduction vorliegt. Da ich, wie gesagt, hier noch kein Material an Najaden bekommen konnte, muss ich die Antwort auf diese Frage verschieben; alle die hierfür gezeichneten Präparate sind noch dieselben, nach welchen meine von Kollmann so arg missdeutete Angabe l. c. gemacht war. Dieses Vorkommen vor Sinus um die Eingeweide der Acephalen, das ich nirgend erwähnt finde, ist in so fern interessant, als diese Sinus recht wohl als das Ueberbleibsel einer Leibeshöhle gedeutet werden können. Da sie zugleich ein Theil der Blutbahn sind, und ein ähnlicher Fall, wo ein Eingeweide in den Blutstrom einge- schoben ist, ja bei denselben Thieren in der Durchbohrung des Herzens durch den Darm vorliegt, so gewinnt dadurch die Ansicht eine Stütze, dass Blut- und Lymphsystem bei den Muscheln eng ver- einigt oder geradezu Eins sind. Ich habe darauf schon a. a. O. hingewiesen ?) und komme unten noch darauf zurück. Sehr erwähnenswerth ist nun noch das Verhalten, welches die Schwellnetzbahn an einigen Stellen des Fussgewebes, vor Allem aber am Äussersten Mantelrand zeigt. — Der Letztere ist bekanntlich in Fort- sätze von Zacken-, Lappen- und Papillenform ausgebuchtet , welche die gangliösen Endgeflechte der Mantelnerven führen und deren Epithelüberzug äusserst reich an Sinneszellen ist®). Das lockere 1) Ich habe diese Fasern bisher als feine Muskelfasern betrachtet; lasse aber dahingestellt, ob sie nicht zu denjenigen gehören können, welche Kollmann jetzt bei Acephalen als elastische Fasern beschreibt. 2):Live. p. 31: 3) Ich verweise dafür auf meine früheren Arbeiten. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 843 Gewebe, das diese Lappen constituirt, besteht ausser Muskelzügen und Nerven vielfach, besonders bei den grösseren Lappen, nur aus zarten, ausdehnbaren Bindesubstanzbrücken mit einzelnen Zellen '). Bei guten Mantelinjectionen von Anodonta, wo das Schwellgewebe in der Weise wie Fig. 12 Taf. XLIX zeigt, regelrecht injicirt ist, dringt die Masse an den eben erwähnten Stellen ganz frei zwischen den Bindesubstanzsträngen, Muskeln und Nerven vor. — Zwischen die Muskelbündel des Fusses, an dessen Peripherie, wo Schleimzellen fehlen, dringt die Masse ebenfalls ganz direct ein, so dass die Muskeldurchschnitte überall von ihr eingeschlossen erscheinen. — Besonders frappirend ist endlich ein Umstand, den ich schon |. c. p. 16 und 17 zur Sprache gebracht habe: einzelne, schwächere Muskelzüge im Mantel und auch im Schwellgewebe des Fusses laufen an stärker injieirten Stellen oft auf grosse Streeken hin geradewegs durch die Masse gespannt (vgl. Fig. 12 Taf. XLIX, und Fig. 1 Taf. L m.). Vielfach lässt sich allerdings noch eine zarte Fortsetzung der Gefässwand auf ihnen hin verfolgen. Da diese Dinge bei sonst gut gelungenen Injectionen so con- stant erfolgen, so kann ich sie nicht auf Zerreissungen und Extra- vasate beziehen, sondern nehme an, dass an den betreffenden Stellen des Mantelrandes und Fusses, wo die Schleimzellen fehlen, die Schwellnetzblutbahn einen förmlich cavernösen Charakter annimmt, dergestalt, dass das Blut bei der Schwellung sich hier frei zwischen den Muskeln und sonstigen Gewebselementen ausbreitet; es stimmt das auch mit dem Vorkommen freiliegender Zellen von Grösse und Habitus der Blutzellen, auch am Osmiumschnitt des nichtinjieirten Gewebes (Fig. 6 Taf. L). (Natürlich liegen hier die freien Blutzellen, wenn es solche zind, in durch Osmiumwirkung geronnener Blutmasse.) Nur ist der Ausdruck »cavernös« oder »lacunär« auf diese Blut- räume cum grano salis anzuwenden: insofern ich wenigstens nicht sagen möchte, dass das Blut z. B. den Körper einer Ganglienzelle in diesem Gewebe ganz direct berührt; die Nervenzellen, Nerven, und Muskeln können überall noch von Fortsetzungen der Gefäss- wandbindesubstanz überkleidet sein, wenn dieselben auch vielfach zart bis zur Unsichtbarkeit sind; und in diesem Sinne kann man 1) Ein Stück eines solehen Lappens von Mytilus ist in Fig. 6 Taf. L skizzirt, (Ösmium, uninjieirt) doch nur Ganglien und Nerven, und einzelne Bindesubstanz- und Blutzellen (b) angegeben. 844 W. Flemming: auch die eben besprochenen Stellen als locale, lacunäre Aufweitungen der Schwellnetzbahn auffassen, in deren Bereiche die Schleimzellen fehlen. Da die allgemeinen Ansichten über die Bindesubstauz der Acephalen, die Kollmann in seiner Arbeit vorträgt, durch das Obige sehr nahe berührt werden, so habe ich sie und diese Be- rührung hier kurz zur Sprache zu bringen. Kollmann kommt zu dem Ausspruch, »dass es im Leib der Acephalen nur eine Form von Bindesubstanz, nämlich das Gal- lertgewebe gebe« (l. ec. p. 594). Von den 6 Unterformen der- selben, die er am genannten Orte aufzählt, sind nun aber zunächst zwei — und zwar die beiden, welche im Körper vieler Muscheln der Masse nach bei weitem den grössesten Theil ausmachen — nach meiner Darlegung offenbar identisch mit collabirten Gefäss- bahnen der Schwellnetze; es sind: (Nr. 2) „Gallertgewebe, dessen Zwischensubstanz zu Gallert- fäden und Balken umgewandelt ist‘“ (Mantel, rothbraunes Organ) und (Nr. 3) „Gallertgewebe, dessen Zwischensubstanz (Gallert- balken und Fäden) auffallend pigmentirt ist“ (Eingeweidesack)?). Kollmann p. 594. Ich will zwar gewiss nicht behaupten, dass das gan ze Schwellge- webe ausser den Schleimzellen aus Schwellgefässen bestände, es mag darin einzelne Stellen genug geben, wo das Fachwerk zwischen den Schleimzellen keine Spalten enthält, aber diese Stellen sind jedenfalls in grosser Minorität gegenüber den blutbahrhaltigen. Die Ausdrücke »Gallertfäden« und »Gallertbalken« sind aber doch durch- aus unzulässig für solche hohle Blutschläuche, und scheinen mir deshalb a priori fallen zu müssen. Darum brauche ich auch auf Kollmann’s sonstige Erörterungen über die Beschaffenheit dieser sogenannten Fäden und Balken nicht näher einzugehen. — Es kann 1) D. h., wie aus Kollmann’s Beschreibung hervorgeht, das Gewebe zwischen den Drüsen in der Fussbasis, aus dem die meisten der hier gezeich- neten Injeetionsbilder, und Figur 2 auf Taf. L stammen, Das Vorkommen von Pigment in den Gefässwänden ist nicht in Abrede zu stellen, doch ist die Menge wechselnd, und ich finde sie bei Anodonta piseinalis nicht stets so auffallend stark, dass ich danach eine besondere Unterscheidung vom Mantel- gewebe machen möchte. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 845 nur die Frage bleiben, ob man die Wände dieser Schläuche Gal- lertgewebe nennen will. Factisch bestehen sie: aus einer blassen, anscheinend structurlosen , jedenfalls elastischen und nicht so ganz weichen Substanz — ich erinnere an die starke Ausdehnungsfähig- keit! —, mit eingelagerten Zellenkörpern vön Spindel- oder Stern- form, die ohne scharfe Abgrenzung gegen die Intercellularsubstanz der Schlauchwand sind (Fig. 2 Taf. L hier aus meiner früheren Abhandlung, vergl. für den collabirten Zustand Kollmann’s Fig. 7 Taf. 37); mit anderen, seltneren Zellen von rundlicher Form); stellenweise pigmenthaltig und soweit die bisherigen Forschungen reichen, ohne ein Endothel. Abgesehen ist dabei noch von Muskel- fasern und Nerven, die in der Wand oder ihr dicht angelagert ver- laufen können. Ich gestehe, dass ich kein Bedürfniss finde, so beschaffne Mem- branen oder Lamellen als »Gallertgewebe« zu benennen. Und das Gleiche gilt auch für die anderen Formen, die Kollmann noch aufstellt (l. c. p. 594), ausgenommen die erste: (Nr. 1) Gallertgewebe der Darmleiste. Dies könnte sich in der That für den Namen empfehlen; es hat frisch etwa die Con- sistenz sehr weichen Knorpels; (Nr. 4) Kittsubstanz der Muskeln und Nerven und (Nr. 5 u. 6} „Gallertgewebe in Form von strukturlosen Mem- branen, Stäben und Röhren, ohne oder mit Kalkimprägnation“ : Oberfläche der Organe, Kiemen. Alle diese Formen sind ihrer Consistenz nach schwerlich gal- lertig zu nennen, Nr. 5 und 6 sogar zum Theil sehr fest. Nach unserer gebräuchlichen Terminologie verstand man bisher unter Gallertgewebe: ein Gewebe mit weicher, strukturloser Zwischen- substanz, in welche Zellenkörper von verschiedener Form einge- lagert sind. Seit sich gezeigt hat, dass einige früher beliebte Haupt- typen dieser Substanzen, das Gewebe der Nabelschnur und des Glaskörpers, nur embryonal gebliebenes oder metamorphosirtes Fi- brillärgewebe sind, ist der Name Gallertgewebe als Zeichen 1) Viele von Kollmann’s »Rundzellen« muss ich allerdings für in den collabirten Schläuchen eingeschlossene Blutzellen halten, stelle aber das Vorkommen wirklicher fixer Rundzellen an vielenOrten nicht in Abrede. Im Mantelrand wird man sich vor Verwechselungen mit Ganglienzellen zu hüten haben (Fig. 5 Taf. L). 846 W. Flemming: für irgend etwas typisch Bestimmtes — so viel ich wenig- stens nach der Literatur und dem persönlichen Austausch urtheilen kann — ziemlich in Misseredit gekommen. Wie es mir scheint, mit vollem Recht. Wissen wir doch nicht einmal, ob die anscheinend so charakteristischen Gallertgewebe der Ptero- und Heteropoden u.a. Wirbelloser wirklich der eben gegebenen Definition entsprechen, ob und in wie weit sie noch eigenartig gebaut sind; denn mit allen Hülfsmitteln der neueren Technik sind sie noch nicht geprüft. Kollmann theilt allerdings diese Bedenken nicht; ihm scheint Gallertgewebe ein feststehender Begriff zu sein!), er spricht sogar an einem anderen Orte aus, dass man auch von Gallertknorpel und Gallertknochen reden könne, und seine ganzen Arbeiten tendiren ja im Grunde dahin, überhaupt die gesammten Bindesubstanzen in das Schema „Gallertgewebe‘ einzupassen. Wenn ich meinem Münchener Collegen darin nicht folge und es nicht für zweckmässig halten kann eine Substanz, die die Consistenz von elastischen Membranen, von Knorpel oder von Knochen hat, gallertig zu nennen: so bin ich darum doch weit entfernt, wegen dieser reinen Namens-Differenz zu verkennen, wie sehr viel Richtiges an der Sache ist, die Koll- mann vertreten hat. Doch ich will darauf erst im Schlussabschnitt weiter eingehen. — Zu einer erschöpfenden Schilderung des Schwellgewebes würde nun noch eine Specialbeschreibung aller Modificationen der fixen Zellen, die darin vorkommen, gehören; denn obwohl wir Koll- mann darüber schon viele nähere Aufschlüsse verdanken (l. c. p. 567 ff.), so würde sich doch nach dem Obigen manches abweichend ergeben und manches hinzufügen lassen. Doch ziehe ich vor, dies auf eine spätere Mittheilung zu verschieben, um mir bis dahin durch Prüfung frischer Najaden auch ein eigenes Urtheil über die in- teressanten Angaben zu bilden, welche Kollmann bezüglich der Zellen der Darmleiste gebracht hat, und lasse es hier bei einigen vorläufigen Bemerkungen über Zellen dieser und anderer Gewebe: Die fixen Zellenkörper in der Wand der Schwellgefässe ent- halten, wie ich früher beschrieb und darstellte (Fig. 41. c., = Fig. 2 Taf. L hier) vielfach Fetttropfen, keineswegs bloss, wie Koll- mann angiebt »Pigment, in Form hellgelber fettglänzender Kügel- 1) Vergl. p. 2 seines Aufsatzes: „Wir wissen freilich längst, dass man es hier mit Gallertgewebe zu thun hat.“ Ueber Bindesuhstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 847 chen.« Solche fetthaltige Zellen finde ich auch im Mantel (nicht etwa Verwechselung ‚mit den bekannten Manteleiern!!). Viele der Zellen, die im Fussgewebe und besonders im Man- telrand auf den ersten Blick als „Rundzellen‘‘ der Bindesubstanz imponiren können, sind Ganglienzellen, deren Zahl an letzterem Orte eine sehr grosse ist. Es erhellt das aus dem Vergleich mit Goldpräparaten. — Am Mantelrand ist namentlich bemerkenswerth, dass eine sehr ansehnliche Anhäufung peripherer Ganglienzellen an der Schalenseite desselben, ziemlich nahe unter dem Epithel gefun- den wird (angedeutet in der Skizze Fig. i Taf. XLVIII, vergl. Fig. 5 u. 6 Taf. L); während auf der entgegengesetzten Seite des Mantel- randes statt dessen in dichter Lage die kleinen Drüsen gefunden werden, welche Fig. 4 Taf. L darstellt. An ungefärbten Präparaten könnten beide Dinge mit Bindesubstanzelementen zusammengeworfen werden; nach Osmium-Hämatoxylinfärbung sind die Drüsen scharf blau oder violett, während von den übrigen Gewebstheilen nur die Kerne sich so tingiren (Fig. 4 Taf. L, das Blau ist grau gehalten). Diese Manteldrüsen der Acephalen sind nicht zu verwechseln mit den bekannten, grossentheils jedenfalls einzelligen Schleim- drüsen der Schnecken). Jene sind mehrzellig, und ähneln ein- zelnen Alveolen einer wahren Säugethierschleimdrüse; es ist werth darauf hinzuweisen, dass auch die Zellen der letzteren sich in Hämatoxylin dunkelblauviolett färben. Die Ganglienzellen andererseits könnten, wo sie an der Spitze der Mantelrandzacke in sehr dichten Ballen liegen (Fig. 5 Taf. L) und ihre Ausläufer zu den Sinneszellen im Epithel schicken, 1) Diese Drüsen sind von mir früher (l. c. der nächsten Anmerkung) als Bindegewebszellen aufgefasst worden, deren schleimigmetamorphosirter Inhalt eine Communication nach der Oberfläche zu gewonnen hätte. Trotz- dem, dass Simroth (Ueber die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd 26) sich seitdem zu derselben An- sicht bekannt hat, möchte ich sie nicht aufrecht halten, sondern erkenne jetzt an, dass mehr Wahrscheinlichkeit für die epitheliale Natur dieser Flaschen- drüsen vorliegt. In diesem Sinne hat sich auch Leydig (Hautdecke und Schale des Gastropoden. Berlin 1876) kürzlich ausgesprochen. Ich bemerke dazu, dass ich in meiner 1871 erschienenen Habilit.-Schrift mich nicht mehr, ‘“ wie früher, „sehr bestimmt“ für eine Bindesubstanznatur der Drüsenzellen ausgesprochen habe (Leydig, l. c.), sondern mit vieler Reserve und der anderen Ansicht ihr Recht lassend (l. c. p. 25—26). 848 W. Flemming: auch wohl mit Drüsen verwechselt werden, wie dies bei Pulmo- naten vorgekommen ist (Jobert). Doch klärt der Vergleich mit andern nahegelegenen Stellen, wo die Zacken breiter sind (Fig. 6 Taf. L), und vor Allem das Goldpräparat den wahren Sach- verhält auf. Schon an einer andern Stelle!) habe ich mitgetheilt, dass die peripheren Nervenzweige und Ganglienzellen der Acephalen nach Osmiumbehandlung (auch frisch!) eine zierliche, starke Granu- lirung zeigen, die sie leicht kenntlich macht (vergl. die beiden Figuren). Auch über die Manteleier muss ich wohl Einiges sagen, damit mir nicht wieder ähnliches Unheil widerfährt wie auf Kollmanns’s S. 577 Anm. (verg]. oben). — Wie aus den Hand- und Lehrbüchern allgemein bekannt ist, dehnen sich bei Mytilus die Eierstocksschläuche in den Mantel bis an dessen Rand aus. Dicht über der Randver- dickung findet man noch grosse Schläuche mit Eiern gefüllt; von ihnen erstrecken sich dünnere, mit einzelnen gereihten Eiern gefüllte Stränge im Verlauf des gefässhaltigen Fachwerks (Kollmann’s »Gallertbalken«) bis noch zur halben Breite des Randes herab, mehr an der medialen Seite gelagert. (In Fig. XLVIII Taf. 1, wo sie nicht mitgezeichnet sind, etwa bis zu der mit T bezeichneten Stelle). — Die Eischläuche im oberen Manteltheil liegen offen- barin Bluträumen, wie ich ja für Anodonta gezeigt habe, dass dies die Ovarien selbst thun; denkt man sich hier von der Fussbasis aus Sprossen der Eidrüsen, in den Gefässräumen gelagert, bis in den Mantel fortgesetzt, so hat man das Verhalten bei Mytilus. Und in Fortsetzung dieser Manteleischläuche können sich nun wieder noch schwächere Sprossen in die Gefässräume des Mantelrandes vorschieben. Doch lässt sich allerdings am uninjicirten Object nicht beweisen, dass die Eier des Mantelrandes alle wirklich innerhalb solcher von obenher kommender Schlauchsprossen stecken. Denn diese Eier liegen hier vielfach ganz von einander isolirt, am Osmium- schnitt macht es den Eindruck, als wären sie je einzeln frei in den Gefässbalken eingeschlossen (Fig. 3 Taf. L). Und ich will nicht behaupten, (dass das Letztere nicht möglich ist; es kann ja daran gedacht werden, dass jüngere Eizellen aus den ÖOvarialschläuchen des oberen Manteltheils in die Gefässe, in denen diese Schläuche stecken, auswanderten. Dagegen könnte jedoch sprechen, dass man 1) Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken. Dies. Arch. Bd. 6. Hier auch angegeben in Fig. 5 und 6 Taf. L, Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 849 sie nicht im Mantelrand ganz gleichmässig verbreitet, sondern wie gesagt, auf den oberen und medialen Theil desselben beschränkt gelagert findet (so wenigstens bei Muscheln vom October bis December. Was die Diagnose dieser Mantel- und Mantelrand-Eier angeht, so sind die ersteren durch ihre Grösse und die Grösse ihrer Kerne, ferner durch ihren Gehalt an groben, durch Osmium schwärz- baren Dotterkörnern ohne Weiteres von allen andern Zellen des Gewebes gekennzeichnet (dünne Schnitte natürlich überhaupt nöthig !), und ich habe es in meinen früheren Angaben deshalb auch nicht einmal für erforderlich gehalten, die Eier nur zu erwähnen, da mir der Gedanke, es könnte Jemand eine Verwechselung derselben mit den Schleimzellen für möglich halten, nicht in den Sinn kam; ich hatte dabei freilich meine Rechnung ohne Kollmann gemacht. Auch bei den kleineren Eizellen des Randes Fig. 3 Taf. L ist der Gehalt an grösseren groben Dottelkörnern zwar geringer, aber noch immer charakteristisch; die Kerne zwar nicht viel grösser wie die der Schleimzellen, aber oft unregelmässig geformt und nicht scharf contourirt wie die Kerne der letzteren; mit geronnenen und gedunkel- ten Schleimzellen am Osmiumpräparat (Fig. 3, 4 auf Taf. XLVIII) kann man die kleineren Eizellen überhaupt schon desshalb gar nicht ver- wechseln, weil das Plasma der letzteren an solchen Objeeten ganz hell und feinkörnig bleibt, Fig. 3 Taf. L. Dagegen lassen sich die kleineren Eizellen des Mantelrandes allenfalls mit fixen Zellen der Gefässwände verwechseln, die bei gleicher Behandlung äusserst ähnlich aussehen können. Die Mantelrandeier haben übrigens, auch abgesehen von der obigen Frage nach ihrer Lagerung, für mich noch manches Räthselhafte und verdienen weiteres Studium. Häufig sind sie zweikernig (eines in Fig. 3 Taf. 3), häufig finden sich ganz kleine, scheinbar kernlose. Wenn sie nicht Körner enthielten, ganz ähnlich den Dotterkörnern der zweifellosen grossen Eier und wenn sie nicht in continuirlicher Zone mit den grossen Eiern des oberen Manteltheils lägen, würde man nicht auf den Gedanken kommen, dass es Eier seien, sondern sie der Bindesubstanz zurechnen. Dass sie meistens gestreckte und oft selbst verästelte Formen haben, beruht natürlich darauf, dass sie in den collabirten Gefässbalken liegen. Endlich noch ein Wort über die Zellen des so eigenthümlichen knorpeligen Darmleistengewebes. Ich gab l.c. (p. 20) an, dass die zahlreichen gestreckten oder eckigen Zellenkörper, die hier Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13, 54 850 W. Flemmine: neben kleineren Rundzellen vorkommen »mit ihren Fortsätzen in je mehrere, oft viele wiederum feinere Ausläufer zerfahren, oft von ausserordentlicher Länge, so dass oft förmliche Büschel von den Zellen ausstrahlen«; und dass 'ein grosser Theil der Fasern, die in dem Gewebe in allen Riehtungen gekreuzt die Grundsubstanz durch- ziehen , sich auf solche Zellausläufer zurückführen lassen, obwohl ich die Garantie nicht übernehmen konnte und kann, dass dies mit allen Fasern so ist. Kollmann, der solche selbständige Fasern eonstatirt haben will (l. e. p. 572), findet die Ausläufer der Spindel- und Sternzellen wenig zahlreich. Da nun aber in seiner Figur 4, welche solche Zellen zeigt, dieselben erheblich anders aussehen wie an meinen Präparaten, so gebe ich hier in Fig. 7 Taf. L das Bild einer solchen Zelle nach einem Alkoholpräparat, um meine citirte Beschreibung zu rechtfertigen. Sie ist zwar mit Hartn. Syst. 7 gezeichnet, aber der Zusammenhang der Fasern mit dem Zellen- körper mit 9 & imm. controlirt. Von Kollmann wird mit Recht das Vorkömmen von Muskelfasern in diesem Darmleistengewebe angeführt, die auch ich (p. 211. c.) schon erwähnt hatte. Vielleicht hält er Zellen, wie die hier von mir dargestellte, alle für Muskel- fasern. Dies würde mir gewagt scheinen, da die Zellen sowohl durch die vieien Körnungen in ihrem Plasma (s. d. Abb.), als durch die bedeutende Auffaserung ihrer Enden von den sonstigen Muskelfasern abweichen. — Der Deutung Kollmann’s, wonach die anschei- nenden Ausläufer der Bindegewebszellen hier in der That nur der. Ausdruck von Gewebslücken sein sollen, will ich übrigens hiemit noch keineswegs entgegentreten. In einem Punct bin ich von Kollmann mit vollem Recht eorrieirt worden: structurlose Schichten der Bindesubstanz kommen wirklich vor, in besonderer Mächtigkeit eine unter dem Darmepithel, für deren Beschaffenheit ich auf die vollkommen zutreffiende Beschreibung Kollmann’s (p. 587) und auf meine Fig. 6 Taf. XLIX hier verweise. Auch unter dem Mantelepithel findet sich eine solche hyaline Lage, hier allerdings sehr spärlich und von zahlreichen, zum Epithel tretenden Nervenendfasern durchsetzt. Uebrigens wollte ich nicht, wie Kollmann vielleicht geglaubt hat, das Vorkommen structurloser Membranen bei Acephalen überhaupt in Frage stellen; meine betreffenden Aeusserungen p. 12 und p. 20 bezogen sich nur auf die Angaben bei Bronn, welche dahin ver- Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewsbe etc. 851 standen werden können, als ob am Mantel erheblich starke hyaline Grenzmembranen vorkämen, was nicht der Fall ist. Indem ich hiermit die Specialbeschreibung schliesse, ist nur noch zu entschuldigen, dass sie zum Theil ein polemisches Kleid tragen musste. Mein College Kollmann wird dies nicht unmo- tivirt finden; denn er hat mir, wie ich anerkenne in feinster und tactvollster Form, irriger Weise die gröbsten Fehler vorgeworfen; wenn seine Angaben über den Gegenstand so richtig wären, wie sie es nicht sind, so würde meine Habilitationsschrift eine sehr schlechte Arbeit sein; und seine, auf meine Angaben bezügliche Aeusse- rung p. 578: »Erst Tauchlinsen, Injeetionen und der ganze neue Hülfsapparat von Tinction und Härtung lässt die Ueberzeugung gewinnen, dass Kerne und Protoplasma in den Gallertbalken liegen und dass alle hellen Räume, welche als grosse blasse Zellen aufgefasst werden können, in Wirklichkeit interstitielle Lücken sind« — kann denGlauben erwecken, als sei jene meine Arbeit mit unzurei- chenden Hülfsmitteln gemacht; währendKoJlmanndoch aus dersel- ben wusste, dass ich den ganzen von ihm erwähnten »Hülfsapparat« !) bereits fünf Jahre vor ihm auf unser gemeinsames Object angewendet habe. Wer von uns dies mit besserem Erfolg gethan hat, mag der Leser beurtheilen. Ill. Schduss. Für die eigenthümlich angeordnete, nach den bisherigen Erfah- rungen endothellose Blutbahn in den stark schwellfähigen Theilen der Muscheln, mit der sich das Obige beschäftigt hat, scheint mir ein besonderer Name wohl angebracht und ich schlage darum vor, den von Langer gebrauchten Ausdruck Schwellgefässe oder Schwellnetze für sie beizubehalten. Ob man diese Schwell- netzbahn zugleich eine lJacunärenennen, und mitMilne-Edwards u. A. von einer unterbrochenen Blutbahn in diesen Theilen reden will oder nicht, das scheint mir wirklich keine sehr wichtige Frage zu sein. Ich habe der Zulässigkeit des Namens Lacune schon a. a. O. ihr 1) Daraus, dass von meinen wenigen Abbildungen |]. ce. nur eine (Fig. 4) mit einem Immersionssystem gezeichnet ist, darf doch Niemand den Schluss ziehen, dass ein solches nicht auch zur Controle der übrigen Objecte benutzt wurde. Man kann doch auch nicht Alles sagen. 852 W. Flemming: Recht gelassen, aus dew Grunde, weil ich trotz vielen Versuchen so wenig wie Andere ein Endothel in den Schwellgefässen nachweisen konnte: einen endothellosen Raum im Bindegewebe kann man ja wohl mit Recht eine Gewebslacune nennen, wenn er auch mit wahren Gefässen zusammenhängt. Kollmann tritt dem freilich entgegen, er meint (p. 1—2 |]. c.), dass man, die Richtigkeit meiner Ansicht vorausgesetzt, nicht von Lacunen, sondern nur von Gefässen reden könne, weil dieselben ja »eine Wand« hätten. Darauf ist zu erwidern, dass auch jede Lacune eine Wand haben muss. Indessen wie gesagt, mir scheint diese Namensfrage bedeutungslos ; die Haupt- frage ist die, ob es hier ausser diesen Bahnen noch andere Gewebslücken giebt oder nicht. Giebt es keine, so ist, ohne jede Clausel, Lymph- und Blutgefässsystem in diesen Theilen, und dann wahrscheinlich überhaupt bei den Acephalen, Eines und dasselbe zu nennen; oder um es anders auszu- drücken, es würde sich die Schwellnetzbahn mit einer Lymph- lacune vergleichen lassen , die mit der Blutbahn in der directesten und vielfältigsten Communication steht. — Es ist aber noch nicht ausgemacht, ob nicht noch neben der Schwellnetzbahn interstitielle Lücken vorhanden sind. Dass diejenigen Dinge, welche Kollmann als derartige Interstitiallicken ansehen wollte, keine solche sind, ergiebt sich aus diesem Aufsatz ; denn überall, wo er von endothel- losen Räumen spricht und weitere morphologische Beobachtungen daran knüpft, da meint er damit stets die Schleimzellen. Deshalb- berührt sich auch das, was ich speciell an dieser Stelle erörtere, mit Kollmann’s Angaben sachlich gar nicht !). — Man kann aber nieht behaupten, dass es nicht im Fuss und vielleicht selbst im Mantel noch andere Spältchen zwischen den Strängen und Gruppen der Schleimzellen gäbe, welche mit Kollmann’s »Lacune« nichts 1) Theoretisch dagegen bin ich mit Kollmann ganz einig darin, dass es zweckmässig ist, den Hauptunterschied zwischen wahren (Blut- und Lymph-) Gefässen und Gewebslacunen darin zu suchen, dass die Ersteren ein in Zellen abgegrenztes Endothel haben, die Letzteren nicht. Nur will ich, da Kollmann’s bezügliche Definition von Lacune und Gefäss (l. ce. p. 564, und d. Seiten vorher) ohne weitere Citate ist, erwähnen, dass ich dies Prineip bereits 1871 zur Sprache gebracht (s. d. Schluss m. Abh. l. e.) und kürzlich wieder ausführlich für das Bindegewebe der Wirbelthiere ver- treten habe (Dies. Arch. Bd. 12 I. 3. p. 422), ehe Kollmann’s Aufsätze erschienen. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 853 gemein haben und von ihm überhaupt nicht erwähnt sind, Spalten, die mit den Schwellgefässen nicht direct communiciren. Ueber solche mögliche Lücken findet man einige Angaben auf p. 31 und 32 meiner Habilitationsschrift, auf die ich verweisen will, so lange diese Dinge noch fraglich bleiben müssen. Wenn sie aber auch existiren sollten, und demnach dem Satz von der Identität des Blut- und Lymphsystems die Clausel angehängt werden müsste, dass ein Theil des letzteren doch in mehr abgegrenzter Form existirt: so scheint mir damit das Hauptwesen jenes Satzes nicht erschüttert. Eine solche Erschütterung würde erst mit dem Nachweis eines Endothels in den Schwellgefässen gegeben sein!), welcher bis jetzt fehlt.‘ Eine Bahn aber, die kein in Zellen geschiedenes Endothel hat, lässt sich eher mit den Lymphspalten der Wirbel- thiere, wie mit deren Blutgefässen vergleichen, um so mehr, da die Eingeweide in diese Bahn hineingestülpt liegen. Es ist allerdings eigenthümlich, dass an diesen selbst (Eierstöcke, s. 0.) ein visceraler Endothelbelag vorkommt, während ihm in den Schwellgefässen kein parietaler (sit venia verbo) entgegensteht. Doch man wird auch wohl erwägen müssen, dass bei Blutschläuchen von so enormer Ausdehnungsfähigkeit und so raschem Füllungswechsel andere physiologische Postulate vorliegen, wie an den Keimdrüsen, deren Oberfläche sich nur sehr langsam verändert. Die Uebereinstimmung, die ich n Kollmann’s und ıeinen ‚Ansichten bezüglich des Schwellgewebes finde, bezieht sich also auf das Princip undden Namen, aber nicht auf die Sache: denn er nimmt, was auch ich zulässig finde, eine lacunäre Blutbahn an, aber das, was wir Beide darunter meinen, ist etwas ganz Verschiedenes. Kollmann's Lacune existirt als solche nicht, sie ist, wie ich gezeigt habe, identisch mit der Substanz der Schleim- zellen; und das was ich Lacune nennen würde, hat Kollmann nicht gefunden. Diese Lacune ist derjenige Theil der Blut- bahn, in dem das Endothel aufhört. — Ich will aber, wie gesagt, für ‚den Namen gar nicht besonders plaidiren und über- lasse es Jedem, zwischen den Ausdrücken Lacune und Gefäss zu wählen. Dagegen betrifft die Uebereinstimmung, die ich in Koll- 1) Denn dann läge es näher, dieselben ganz zum Blutgefässsystem zu ziehen und zu sagen, dass ein Lymphgefässsystem ganz fehlt. 854 W. Flemming: mann’s und meinen Anschauungen über das »Gallertgewebe« insgesammt, und über dessen Beziehungen zur Wirbelthier- histiologie finde, umgekehrt die Sache, wenn auch nicht den Namen. Ich schliesse diesen Gegenstand hier an, weil auch Koll- mann’s Aufsatz am Schluss sich damit beschäftigt. Er fasst seine Ansichten über die Bindesubstanzen insgesammt (p. 559) in die Sätze genommen: „Das Gallertgewebe, die embryonale Form der Bindesubstanzen bei den Vertebraten, bleibt in der That bei den Acephalen in Permanenzt), und selbst die weitgehendsten Veränderungen sind nicht im Stande, diesen Typus zu verwischen. Bei den Wirbelthieren verliert das Gallertgewebe seine embryonale Beschaffenheit und geht in fibrilläres leimgebendes Bindegewebe über, aber ein kleiner Theil des Gallertgewebes der structurlosen embryonalen Grundsubstanz bleibt zurück und während des ganzen Lebens nachweisbar, theils als »häutchen- artiger« Ansatz an die wandungslose fixe Bindegewebs- zelle, theils als Kittsubstanz um die leimgebenden Fibrillen und Fibrillenbündel in grösserer oder ge- ringerer Menge* — und lässt die Worte folgen: „Wenn ich Flemming richtig verstehe, so ist er eigentlich auf dem Wege, zu derselben Ansicht über die Natur der Häutchenzelle zu gelangen.“ Ich fühle, wie oben gesagt, keinen Drang nach dem Namen Gallertgewebe, ich kann nicht zugeben, dass das Bindegewebe der Acephalen morphologisch mit dem embryonalen der Wirbelthiere irgend grosse Aehnlichkeit hat; aber ich freue mich der Ueberein- stimmung in unserer Betrachtungsweise des Bindegewebes im Ganzen und bedauere nur, dass das Verständniss meiner Meinung Koll- mann nicht leichter geworden ist, da ich glaubte, dieselbe recht deutlich gesagt zu haben). Ich habe mich, wie Posner?), gegen das Schema erklärt, nach welchem überall nur »aus Endothelhäutchen bestehende Membranen« das Bindegewebe zusammensetzen sollen, 1) Für das Schwellgewebe gilt das allerdings nicht, denn die Schwell- gefässe, welche Kollmann für Gallertstränge hält, sind sehr verschieden von Bestandtheilen embryonalen Wirbelthierbindegewebes und Elemente wie die Schleimzellen kommen in dem Letzteren nicht vor. 2) Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. Dies, Arch. Bd. 12, Abschnitt 1. 3) C. Posner, über den Bau der Najadenkieme. Dies. Arch. Bd. 11. 1 Taf. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 855 zwischen denen nebensächliche Fibrillen eingebettet liegen; habe darauf hingewiesen, dass die Existenz der Kittsubstanzen mehr zu berücksichtigen sei wie es gewöhnlich geschieht; dass Endothelab - srenzungen dem lockeren Bindegewebe und wohl auch vielen anderen Formen fehlen; dass auf grosse Strecken überhaupt keine flächenhaften Membranen, sondern ein spongiöses Fachwerk vorhanden ist, dessen Balken und Blätter, wenn auch hauptsächlich in einer Ebene abgeplattet,, doch nicht bloss nach einer Ebene (wie es bei »Membranen« der Fall wäre), sondern nach vielen Ebenen unter einander zusammenhängen; dass eine scharfe Abgrenzung der Zellplatten gegen die Kittsubstanz, und dieser gegen die Fibrillen nicht demonstrirbar sei; — und dass man also das Ganze, Zellen, Fibrillen und Kittsubstanz treffender ein Syneytium nennen könnte, wie ein von einer Zellenhaut bedecktes Gerüst. Und das um so mehr, da wir als seine Entwickelungsgrundlage im Mesoderm zusammenhängende Gerüste von verästelten Zellen finden, auf Grund deren doch wohl jedenfalls das gesammte Gewebe entsteht: mag nun die Intercellularsubstanz und mögen die Fibrillen nach Max Schultze unmittelbar, oder mögen sie nach Rollett und wie auch Kollmann will, mittelbar von dem Zellengerüst produeirt werden !). Ich denke nicht daran, diese Sätze als eine abermalige Reforın unserer neuen Bindegewebslehre hinstellen zu wollen; sie enthalten nur einen bescheidenen Beitrag zu ihrem Ausbau, indem sie 'That- .1) Denn wenn sie auch, entsprechend der letzteren Meinung, in der Kittsubstanz auftreten sollten, so musste diese Kittsubstanz doch auch vorher geformt werden; und wenn man fragt, wodurch sie geformt wurde, so möchte ich die „formative Thätigkeit des Protoplasma“ doch soweit in Ehren halten, um zurächstirgendwelche Thätigkeit der Zellen als wirkendes Agens dabei ins Auge zu fassen. In noclı früherem Stadium des Keims sind nur Zellen da, dann tritt anscheinend flüssige, sonst jedenfalls sehr weiche und structurlos aussehende Masse zwischen ihnen auf; wenn diese Massen sich später diffe- renziren, so liegt es, wie mir scheint, unserm Verständniss näher zu denken, dass sie sowohl dabei wie ihrer Herkunft nach von den Zellen in Abhängig- keit sind, als zu glauben, dass ein blosser intercellulärer Erguss von selbst eine Structur bekäme. Obwohl natürlich auch mit der ersteren Annahme die Sache noch nicht erklärt ist. Ich bemerke diesnur für den Fall, dass man die intercelluläre Fibrillen- bildung annimmt, Ich erlaube mir noch kein Urtheil über diese offene Frage. 856 W. Flemming: sachen feststellen und hervorheben , welche man vor den überall auftauchenden »Häutchen« zu vergessen anfing. Die von Kollmann vorgetragenen Ansichten berühren sich mit diesen auf’s Wesentlichste darin, dass beide erstens das Vorhanden- sein von Kittsubstanz (Gallertsubstanzreste nach Kollmann ), zwei- tens deren genetische Zusammengehörigkeit mit den Zellen und Fibrillen hervorheben, dass sie ebenso wie diesen Dingen, auch dem fibrillären Bau der Intercellularmassen ihre Bedeutung wahren wollen und damit einer Anschauung entgegentreten, nach welcher alles Bindegewebe aus Membranen!) besteht. Und wenn Kollmann in seinem letzten Aufsatz über »Bindegewebe und Myxom« .noch einen Schritt weiter in’s physiologische Gebiet thut und es mehrfach ausspricht, dass die Intercellularsubstanz keineswegs eine so inerte Masse zu sein brauche, wie man gewöhnlich annimmt, dass sie selbst es sein könne, die »bei krankhaften Veränderungen die Initiative ergreife«: so mag Mancher vom Boden der noch geltenden Schul- ansichten diesen Schritt sehr kühn finden, ich finde ihn durchaus berechtigt und jedenfalls sehr fruchtbar. Ist doch einem verwandten, im Grunde demselben Gedanken von einer andern Beobachtungsbasis aus, und zunächst für faserig geformte Inter- cellularbildungen, schon vor längerer Zeit in einer noch allgemeineren Form Ausdruck gegeben worden: von Sigmund Mayer, den seine 1) Wenigstens harmoniren wir insoweit, als Kollmann die „Membranen“ nicht als zellig ansehen will. Uebrigens glaubt er allerdings, dass sieüberall im Bindegewebe als wahre Structuren vorkommen, während ich mir meine berechtigten Zweifel darüber reserviren muss. Diesen Zweifel: ob ein grosser Theil der von Key und Retzius im lockeren Bindegewebe demonstrirten „Häutchen“ auch mit Sicherheit von Osmiumgerinnseln oder anderen Ge- rinnungsproducten zu unterscheiden sei, theilt Kollmann nur für einen kleinen Theil der Fälle; er sagt (Bindegewebe und Myxom, p. 13): „Die „Platten“ und „Häutchen‘“‘ und „Membranen“ existiren in der That aller Orten im Bindegewebe, ihr sicherer Nachweis ist unter allen Umständen zweifelsohne. (!)‘ Hat Kollmann wohl ernstlich überlegt, wie schwer ihm dieser Nachweis für „alle Orte“ im Bindegewebe fallen würde, wenn er ihn wirklich antreten wollte? Denn gethan hat er das nicht im Mindesten. Er giebt nicht eine einzige Beschreibung oder Abbildung, welche überhaupt nur das gewöhnliche fibrilläre Gewebe beträfe; und selbst seine Darstellungen aus Myxomen — deren Structurtreue ich übrigens hiermit gar nicht anzweifeln will — sind nach Präparaten gezeichnet, die mit coagulirenden Reagentien behandelt waren. re Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 857 Studien über die physiologischen und pathologischen Wandelungen der Nervenfasern ebenfalls zu dem Schluss drängten, dass nicht allein die Zelle, sondern auch das aus ihr Gewordene es sein kann, was für die Neuschaffung von Gewebstheilen aufkommt, und der. diesen Schluss in dem musterhaft objectiv gefassten Satz aussprach, den ich hier eitire!). In einem Punct aber dissentire ich von Kollmann auch hier; ein Dissens, den ich wiederum für eine blosse Bezeichnungsdifferenz erachte, obwohl Kollmann auf diesen Punct besonderen Accent legt und obwohl derselbe für seine Ansichten auf den ersten Blick besonders charakteristisch erscheint. — Ich habe es zur Berücksich- tigung empfohlen (s. o.), dass eine scharfe Abgrenzung, eine wirkliche Trennung zwischen Zellplatten, Kittsubstanz und Fibrillen nicht erkennbar ist. Kaum ist das ausgesprochen, so zieht Kollmann wieder eine Grenzlinie — aber nicht, wie früher üblich war, zwischen Zellplatte und Kittsubstanz, sondern nun zur Abwech- selung zwischen Zellprotoplasma und Platte. Die Platte soll nicht zur Zelle gehören, sondern »verdichtete Gallertsubstanz«, d. i. Kittsubstanz sein; als »Zelle« will er nur den Kern mit dem Protoplasma ansehen. — Wenn das Letztere nurimmer da wäre! Wer viel mit Wirbelthierbindegewebe zu thun gehabt, und namentlich mit durch Oedem isolirten und tingirten Zellplatten sich vertraut gemacht hat, wird wissen, dass an solchen keines- wegs immer, an vielen Präparaten nur bei der Minderzahl der Platten, noch Substanz neben dem Kern gefunden wird, die man wegen ihres »granulirten« Ansehens und ihrer stärkeren Färbbarkeit als besonderen »Protoplasmatheil« registriren könnte. 1) „Untereingreifenden veränderten Bedingungen des Stoffwechsels können faserige Elemente, die zu gewissen physiologischen Verrichtungen bestimmt sind, ihre morphologischen und chemischen Eigenschaften der Art ändern, dass das Product dieser Veränderungen mit derjenigen Bildungsenergie be- gabt erscheint, wie wir sie normal nur zu der Periode der embryonalen Ent- wicklung beobachten. In diesem Zustande kann die veränderte Substanz der alten Faser Anlass geben zur Bildung sowohl von neuen Fasern derselben Art als auch von solchen Formationen, welche hergebrachter Maassen als Zellen und freie Kerne bezeichnet werden.“ „Zur Bildung der letzteren sind also nicht unter jeder Bedingung als solche existirende Zellen nothwendig.“ (S. Mayer: Die peripherische Nervenzelle und das sympathische Nerven- system. Arch. f. Psychiatrie 1875.) 858 W. Flemming: Dass dieser auch nicht etwa heruntergefallen ist, zeigen Präparate mit erhaltenem Situs des Gewebes, wie ich sie a. a. O. beschrieben habe. In all’ solchen Fällen würde also nach Kollmann von der Zelle nichts als der Kern übrig bleiben. Das wäre wenig; aber doch immer etwas. Wenn man nun aber ferner sieht, dass auch die Platte der Zelle Fetteinschlüsse, Körnereinschlüsse enthalten kann, dass sie andere Consistenz hat und anders, wenigstens in anderem Grade reagirt (z. B. auf Tinction), wie Kittsubstanz und Fibrillen, und dass das Protoplasma, wo vorhanden, nicht lose auf der Platte liegt, sondern ihr eng angefügt ist: so hat man wohl mindestens ebensoviel Recht die Platte zum Zellenterritorium zu rechnen, als sie von ihm zu trennen. Ob man im ersteren Fall die Platte auch Protoplasma nennen will oder nicht, ist ebensosehr Sache der Geschmacksrichtung; Protoplasma’ ist ein Schulbegriff, aber kein chemischer und nicht einmal ein sicherer morphologischer Begriff, deshalb ist er recht dehnbar. Da das Protoplasma, alias Zellsubstanz, nicht in allen Zellenarten gleich beschaffen ist, und da es sogar in der einzelnen Zelle in vielen Fällen sichere Differenzen in sich aufweist: so würde ich nichts dagegen einzuwenden wissen, wenn Jemand die Bindegewebszelle aus zwei Formen von »Proto- plasma« bestehen lassen wollte, von denen die eine der »Platte« entspricht, die andere, die auch fehlen kann, der auflagernden weicheren Substanz. Ich fühle jedoch keinen Trieb, besonders für eine solche Auf- fassung zu werben; ich wollte mit den letzten Bemerkungen, die vor zehn Jahren recht ketzerisch geklungen hätten, nur darthun, warum ich Kollmann in der Trennung von Protoplasma und Platte nicht beitrete, und warum ich ferner diese Meinungsverschiedenheit für sehr unwesentlich halte. Nicht die Namen und Definitionen, sondern die zugehörigen Beobachtungen sind es, in denen das Ma- terial für eine künftige elementare Physiologie sich ansammelt. Ich fasse schliesslich die Ergebnisse über das Schwellgewebe in ‚einige übersichtliche Sätze zusammen. Wer sie mit meinen früheren Angaben vergleicht, wird finden, dass sie sämmtlich schon in diesen begründet sind, und dass ich nicht in der Lage bin, an denselben etwas Wesentliches zu ändern. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe etc. 859 I. Die wahren, endothelhaltigen Blutgefässe!) und Capillaren gehen in den stark schwellfähigen Theilen der Muscheln (Fussbasis zwischen Darm, Darmdrüsen und Keimdrüsen, muskelärmere Gegend des Fusses, Mantel und Mantelrand, Mundfühler, auch an anderen Orten) über in Räume, in denen ein Endothel sich bis jetzt nicht darstellen lässt. Man kann sie demnach lacunäre Räume nennen; obwohl ich auf diesen Namen gar nicht Gewicht lege. Mit dem, was Kollmann irrthümlicher Weise für Lacunen gehalten hat (die unten zu erw. Schleimzellen) haben diese Räume nichts zu thun. Eine „Wand“ besitzen dieselben natürlich, wie jeder flüssigkeits- haltige Raum. Diese Bahnen sind hier mit dem schon von Langer ge- brauchten Namen als Schwellgefässe oder Schwellnetz be- zeichnet. II. Diese Blutwege haben die Form von eng verästelten com- municirenden Gängen, mit sehr ausdehnbarer Wand, lassen sich also inclus. dieser Wand als verästelte Schläuche beschreiben. Im blutleeren Zustand (also an uninjieirten Präparaten iiberhaupt) sind diese Schläuche natürlich ganz oder nahezu collabirt und ge- währen so das Ansehen eines groben Balken- und Lamellengerüstes. (Fig. 3—8 Taf. 48, 3 Taf. 50, 5 Taf. 49). Dies ist es, was Kollmann irrthümlich für solide Gewebsstränge (,„Gallertbalken“ K.) gehal- ten hat. Im blutgefüllten Zustand sind die Schwellgefässe zum Theil so ausgedehnt, dass einzelne dieser Bahnen die wahren grösseren Arterien und Venen an Caliber erreichen oder’ übertreffen können. Uebrigens kommen alle Uebergänge von schwach- zu stark-erwei- terungsfähigen Schwellgefässen vor. III. Die Wand dieser Blutgänge (Fig. 2 Taf. L) besteht: 1) Aus einem dünnen anscheinend strukturlosen Gewebsblatt, in welches 2) Zellenkörper von theils spindeliger und verästelter, theils (seltener und nicht überall vorkommend) runder Form eingelagert sind. (In Fig. 2 Taf. L sind jedoch die rundlichen Zellen alle — Blutzellen im Innern.) Die Spindelzellen können fetthaltig sein. Eine scharfe Ab- 1) d. 8. h. Gefässe, die um das Endothelrohr her noch eine festere Bindesubstanzschicht haben. 860 W. Flemming: grenzung derselben gegen die Lamelle, in der sie liegen, ist nicht zu erkennen, ihre Plasmamenge sehr variabel (sehr gering in Fig. 2 Taf. 50, grösser in Fig. 5 Taf. 48). 3) Laufen in den Wänden der Schwellgefässe (die an solchen Stellen dann verdickt sein können) Nerven und Muskelfasern oder Bündel von solchen hin. Muskelbündel ziehen aber auch an man- chen Stellen auf grössere Strecken quer durch das Lumen der Schwell- gefässe hindurch; wobei es allerdings hie und da erkennbar und nirgends ganz auszuschliessen ist, dass sie dabei von einer zarten Fortsetzung der Gefässwand überzogen bleiben. Hiernach kann man die Bindesubstanz, welche die Grundlage dieser Gefässe bildet, definiren: als ein Blatt unabgegrenzter Zell- platten, deren kernhaltige Piasmatheile durch die Spindel- und Stern- zellenkörper repräsentirt werden. Man würde eın solches dann direct vergleichen können mit den Zellhäuten und Syneytien des Wirbelthierbindegewebes. — Oder, man kann so definiren, dass man die kernhaltigen Spindel- und Sternkörper allein als „Zellen“ auf- fasst und das übrige Blatt Intercellularsubstanz nennt. Die Wahl zwischen beiden Definitionen erscheint, hier wie für das Wirbelthier- gewebe, beliebig und unwesentlich. Damit es kein Missverständniss giebt, will ich hier die Ver- gleichspuncte zwischen diesem und dem Wirbelthierbindegewebe präcisiren: Das Zellenblatt, das die Wand der Schwell- bahn bildet, ist zuvergleichen mit dem Zellenblatt, das ‚ im lockeren Bindegewebe die Spalten begrenzt (beide ohne Endothelgrenzen); der Raum der Schwellgefässe ist zu vergleichen mit den Bindegewebsspalten desWir- belthiers. — Um dies an einer Figur zu demonstriren: In Fig. 6 Taf. 48 ist nicht etwa der Raum s s äquivalent der Ge- websspalte des Wirbelthieres, sondern das Aequiva- lent dieser Spalte liegt hier innerhalb desFachwerks g (vergl. Fig. 5 Taf. 49, wo die Injection der Spalten an- fängt). — Fibrillen und grössere weiche Kittmassen fehlen dem Schwellgewebe, dagegen fehlt dem Wirbelthier die metamorphosirte Zelle, von welcher der nächste Satz handelt. IV. Die rund oder länglichrund geformten Räume, welche zwischen diesem verästelten Gefässschlauche oder wie man ebenso gut sagen kann, Bindesubstanzschlauche übrig sind, werden ausge- füllt durch Elemente, die dem Wirbelthiergewebe ganz fremd sind: Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 861 grosse Zellen von rundlicher, meist länglicher Form, mit kugelrun- ‘den kleinen Kernen (Mytilus 6—9 u, Anodonta im Fuss S—12 u Durchmesser), die immer wandständig zu liegen scheinen ; mit einer geringen Menge körnigen Plasmas an diesen Kernen (auch fehlend) und im Uebrigen bestehend aus einer sehr weichen, anscheinend nahezu verflüssigten Substanz, für deren Reactionen und sonstiges Verhalten auf den Text verwiesen wird. Diese Gebilde habe ich hier wie früher Schleimzellen genannt, um einen kurzen Ausdruck zu haben. Der Name ist nur mit Bezug auf die Consistenz gewählt und es soll damit nicht ein- mal behauptet sein, dass sie besonders reich an Mucin seien. Sie liegen entweder einzeln oder in zusammengelagerten Grup- pen der Wand der Blutbahn nach Aussen aufgelagert. Die Substanz dieser Zellen hat Kollmann für den Raum von „Lacunen“ genommen. Elemente, welche den Schleimzellen jedenfalls vergleichbar und wahrscheinlich homolog sind, kommen auch in der Bindesubstanz andrer Mollusken (Cephalophoren) vor. (Ich verweise dafür einst- weilen auf meine Angaben |. c.) V.Ob zwischen diesen Zellen, also ausserhalb des Gefäss- schlauches, noch Spalträume existiren, welche mit dem Gefässraum nicht direet communiciren, muss ich dahingestellt lassen (s. oben). Solche Spalten würden mit dem, was Kollmann Lacunen nennt, gar nichts zu thun haben und sind von ihm überhaupt nicht ins Auge gefasst. VI. An einigen Stellen des Acephalenkörpers ist eine Form des Blutlaufs anzunehmen, oder doch bis jetzt durch nichts zu wider- legen, welche mit noch grösserem Recht wie die besprochene eine „lacunäre“ genannt werden kann. Hier breitet sich die Injections- masse, wie es aussieht ganz den natürlichen Blutstrom wiederholend, anscheinend frei zwischen den Muskeln, Nerven und fixen Gewebs- zellen aus; doch muss auch hier die Entscheidung ausstehen (ebenso wie für die Muskeln sub IIT, 3), ob die ersteren beiden Gewebstheile auch hier von zarten Fortsetzungen der Blutbahnwand überkleidet‘ und ob sonach dieser Bahntheil nicht bloss eine veränderte Form der in obigen Sätzen besprochenen ist, dergestalt, dass hier die Schleimzellen fehlen und die verästelten Schwellgefässe zu grösseren cavernösen Räumen confluirt zu denken sind. Diese Annahmen sind darauf gestützt, dass sonst gute, ohne 862 W. Flemming: Extravasate erfolgte Injectionen an den betreffenden Stellen diffuse Füllungen der eben beschriebenen Art ergeben. Es bleibt aber immerhin möglich, dass es sich hierbei um Zerreissungen besonders dünnwandiger geschlossener Gefässe, also um Extravasate handelt. Als Orte, die hierher gehören, nenne ich: das Gewebe der Mantelrandzacken, einzelne Stellen an der Darmwand und zwischen der Musculatur des Fusses. Mit den obigen Differenzen gegenüber Kollmann hat dieser Satz VI nichts zu schaffen. VII. Dass ausser den Schwellgefässen im Acephalenkörper wahre Gefässe mit Endothel, die grösseren noch mit verstärkter Wandschicht vorkommen und zwar besonders reichlich ausserhalb, aber auch innerhalb der Schwellnetztheile (Mantel, Fuss ete.), ist bekannt und wir verdanken Kollmann den Nachweis von solchen, besonders aber von wahren Capillaren für verschiedene Orte. Ich nehme aber durchaus in Abrede, dass, wie Kollmann will, die Zahl wahrer (endothelhaltiger) Capillaren im Schwellgewebe gross genug wäre, um auch nur im Entferntesten durch ihre und der Arterien Füllung die ganze Schwellung erklären zu können. Die Menge wirklicher Capillaren ist im Schwellgewebe relativ klein und die starken Ausdehnungen des Fusses bei der Wasseraufnahme kommen auf Rechnung der Schwellgefässe. VII. Die alte Streitfrage über das »geschlossene oder nicht geschlossene Kreislaufssystem« der Mollusken wird für die Schwell- gewebe der Muscheln (und die Schwellgewebe betrifft sie ja bei den Muscheln hauptsächlich!) hierdurch beseitigt: Die Annahme eines geschlossenen Gefässsystems (Langer u. A.)!) ist in sofern richtig, als das Blut sich in Bahnen bewegt, die Con- tinua wahrer endothelhaltiger Blutgefässe sind; und als ektoderma- tische und entodermatische Gewebselemente, überhaupt alle nicht der Bindesubstanz gehörigen Elemente nicht direet vom Blut um- spült werden. Sollte dies doch stellenweise geschehen (Mantelzacken u. a. O., s. oben), so würde es am Wesen der Sache nichts ändern, da sich eine locale Reduction der Bindesubstanz bis zum Verschwin- den für sehr ausdehnungsfähige Stellen wohl annehmen lässt. 1) Ich erlaube mir von der Aufzählung der ganzen Literatur abzu- sehen und auf meine früheren Angaben, sowie auf diejenigen Kollmann’s (ll. ce.) zu verweisen. Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 863 Die Annahme eines nichtgeschlossenen Gefässsystems oder la- eunären Blutstroms (Milne-Edwards u. A.) ist für die Schwell- netztheile in sofern richtig, als ein äusserst geräumiges Verästlungs- gebiet der Blutbahn in diesen existirt, welchem, nach den bisherigen Kenntnissen, ein Endothel nicht zugesprochen werden und das also identisch mit Bindesubstanzlücken genannt werden kann. Eine Aus- nahme hiervon liegt vor an der Oberfläche der Keimdrüsen, an welcher ich Endothelgrenzen gefunden habe. Damit erscheint der Gegensatz zwischen diesen Ansichten, welche sich beide auf richtige, aber nicht genug in die Histiologie eindringende Beobachtungen stützten, im Wesentlichen vermittelt. Nachträgl. Notiz: Weitere Injectionsversuche an Mytilus, die ich jetzt angestellt und über die ich künftig berichten werde, zeigen auch kier im Mantel und Körper die gleichen Verhältnisse der Schwellgefässe, wie sie oben von den Najaden beschrieben sind. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XLVIII, XLIX und L. Taf. XLVI. Ueberall bedeutet: m Muskelfasern. s Schleimzellen (Langer’sche Bla- sen). g blutbahnhaltiges Fachwerk (Schwellgefässe). Fig. 1. Querschnitt durch den Mantelrand von Mytilus edulis etwa in der Mitte der Muschellänge, Uebersichtsskizze. I innere (mediale), A äussere (laterale) Seite, Z Zacken, B Stelle der Schalenbefestigung, e Epithel, m Muskeln. Die drei grösseren grauen Querschnitte = Nervenstämme. Die kleinen Punkte und Striche in dem unteren, zur Spitze verschmä- lerten Theil = Quer- und Schrägschnitte von Muskeln. Die kleinen Ballen an der Innenseite unter dem Epithel = mehrzellige Drüsen (d). Die kleinen Körnerballen an der Spitze und Innenseite unter dem Epithel = Ganglien (g). Die hell dargestellten Blasen (nicht alle peripher gelegenen sind mitgezeichnet) — Schleimzellen (s), d. s. die Langer’schen Blasen. Härtung in Ösmiumsäure 1 °/,, Kali bichromieum, Alkohol, Nelkenöl, Terpenthin. Sehr schwaches Plössl- sches System. Bei + : Gegend bis zu welcher sich Eizellen finden, diese sind nicht mitgezeichnet. (Vergl. dafür Fig. 3 Taf. L.) Fig. 2. Aus einem gleichen Präparat, aus der Gegend des grösseren Ner- venquerschnittes in der unteren Spitze von Fig. 1, welcher oben in Fig. 2 zu sehen ist. Die Puncte und kurzen Striche im linken Theil der Figur stellen Quer- und Schrägschnitte von Muskeln dar. 864 Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 8. W. Flemming: Die runden Kerne der Schleimzellen s (die in diesem Theil des Mantelrandes kleiner nnd nicht so dichtliegend sind wie in dessen Mitte, vergl. Fig. 1) sind nach Controle mit einem stärkeren System eingetragen; solche, die nicht deutlich als zur Blase gehörig er- kennbar lagen, sind nicht gezeichnet. — Oben rechts kleiner Ner- venquerschnitt. Hartn. 4. 3. Schnitt aus dem Mundfühler von Mytilus edulis, von einem in Al- kohol nachgehärteten und stark gedunkelten Osmiumpräparat, Substanz der Schleimzellen S geronnen, grau. Fixe Zellen der Ge- füsswände gedunkelt (fetthaltig). 4. 3. Daneben eine Schleimzelle mit 7. 1 gezeichnet, Kern in der ge- ronnenen Masse deutlich (aus demselben Präparat). Schleimzellen ebendaher, 7. 3. Die Kerne frei an die geronnene Masse grenzend, wie es überall der Fall ist. Aus dem Mantelrand von Mytilus, mittlere Gegend, dünner Schnitt, der Art, dass er nur etwa die halbe Dicke einer Schleimzelle dieser Gegend einschliesst; die drei gezeichneten Schleimzellen sind also angeschnitten, der geronnene Inhalt zum Theil durch den Schnitt herausgebröckelt. In dem Rest der Masse stecken die Kerne. Oben rechts erscheint der Kern mitten in der geronnenen Masse; dies kann aber daher rühren, dass er an der oberen Wand sass und diese dicht über ihm abgeschnitten ist. m‘ Muskelschiefschnitte, & colla- birtes gefässhaltiges Fachwerk, darin zwei fetthaltige Bindesubstanz- zellen. Osmium 1 ®/,, Alkohol, Kali biehromicum. Nelkenöl, Terpen- thin. Hartn. 9 & imm. 1. » Ebendaher, ebenso behandelt, nur in Wasser und Glycerin statt Nelkenöl-Terpenthin. Substanz der Schleimzellen durch die Wasser- behandlung aufgelöst. Kerne derselben leicht geschrumpft. W Abschnitt der oberen Wand der betr. Langer’schen Blase. 9 & imm. 3. h Eine Schleimzelle des Mantelrandes, Osmium-Alkohol- Chromkali- Terpenthinpräparat, an dem die Schleimzellensubstanz netzförmig ge- ronnen ist. 7. 3. (Stellen, welche gleich allen diesen mit völliger Sicherheit zeigen, dass die runden Kerne nicht zur Wand, sondern zum Inhalt der Blase gehören und dass also in dieser eine Zelle liegt, lassen sich in denselben und gleich behandelten Schnitten jeder Zeit zu Hunderten demonstriren). Aus einem ebenso gefertigten, aber minder gut gelungenen Osmium- präparat, ohne Kali-bichromicumbehandlung ; Kerne der Schleim- zellen geschrumpft. Man könnte hier glauben, dass sie zu dem Fachwerk gehören. 7. 3. Anodonta piscinalis, Eierstocksfollikel mit kleinerem Aus- - d | E \ Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 865 führungsgang in einen grösseren mündend. Endotheldecke an der Aussenfläche. gg Collabirte Schwellgefässe, breiten sich auf der Oberfläche des Follikels zu der Wand des Blutsinus aus, in wel- chem Letzterer steckt; der Sinus ist hier ebenfalls eollabirt, seine Wand liegt dem Eingeweide eng an und ist deshalb nicht getrennt wahrzunehmen. Injieirt sieht man diese Sinus in Fig. 2, 4 auf Taf. XLIX, sn. — Bei + sind zwei Divertikel des Follikels abgeschnit- ten, dabei hat der Schnitt hier die Endotheldecke heruntergezerrt. -— Die grösseren rundlichen Silberfelder im Endothel entsprechen unterliegenden Eiern, vergl. o Fig. 10 u. 11. Injection von Silbernitrat mit schwacher Leimlösung, durch Ber- stung und Extravasate sind jedoch hier die Schwellgefässe g wieder eollabirt. Gefrierschnitt. Hartn. 4. . Aus einem ebensolchen Präparat mit Pikro-Carmin gefärbt, ein Theil der Endotheldecke eines Eierstocksfollikels. 7, 3. . Ebenso; Stelle, wo der Schnitt eben parallel der Wand eines Ova- rialschlauchs hingegangen ist und das Endothel nach links zu ab- gestreift hat. Hier sieht man nur die Wandlamelle mit ihren Fa- sern und Kernen, welche auch rechts unter dem Endothel durch- schimmern. 7, 3.00 in beiden Figuren Eier. (Diese Präparate widerlegen die Zweifel, welche Kollmann gegen meine Behauptung eines Endothels auf der Eierstocksober- fläche geäussert hat, l. c. p. 580). Taf. XLIX. Alle Figuren aus dem Schwellgewebe von Anodonta piscinalis, nach Schnitten von Injectionspräparaten (Berlinerblau - Leim), die in Al- kohol gehärtet waren. Alle Figuren mit Ausnahme von 8, 9 und 12 mit Pikrocarmin- oder Carmintinetion. die rothe Farbe grau wiedergegeben. Fig. 1. Pralle Injection (vom Herzen) des Fussgewebes zwischen den Ova- rien ov. Oben Querschnitt eines grösseren Gefässes. g Schräg- schnitt eines grösseren Blutgefässastes, aus dem die Masse gewichen ist. m Muskeln. Sehr schwaches Plössl’sches System. Ebendaher, Injection ebenso, Stelle, wo die Füllung noch im Beginn ist. g kleineres Gefäss, weiter unten ein gleiches. Die Masse in dem Scheidewänden zwischen den Schleimzellen (s) vordringend. Links schon stärkere Füllung; ov Ovarien, die Sinus um dieselben (sn) gefüllt. Hartn. 2. 3. Injeetion ebenso, Stelle an der Darmwand, ‘pralle Füllung. Die Kerne der Schleimzellen in den Lücken, welche die verästelte Blut- bahn übrig lässt, sind nicht mit angegeben. e Darmepithel. 5. 1; eing. Tub. Injection durch Einstich, Resultat ganz ebenso. Gewebe zwischen den Eierstocksschläuchen (cv Durchschnitt von solchem) ; links starke Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 13. 55 866 Fig. 5. Fig. 7. Fig. 8. Hier, '9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. W. Flemming: Injeetion einer weiteren Bahn, rechts eben beginnerde Füllung. Links (wo der Schnitt dicker) einige Schleimzellen und Gruppen von solchen in der Dicke desselben eben eingeschlossen. Ausserdem einzelne Blutzellen in der Masse eingeschlossen (die an den andern Bildern weggelassen sind). Kerne der Schleimzellen (schwarz dar- gestellt) hier geschrumpft. 7. 1; eing. Tub. Wie das vorige Präparat, Stelle nahe der Darmwand; eben be- geinnende Füllung, dünner Schnitt. Die runden Kerne der Schleimzellen (K S) sehr deutlich (wie bei jeder guten Alkoholhär- tung), anders geformte Kerne der Gefässwände (Kg). Dicht daneben noch gar keine Injection. 7.3. Injeetion ebenso. Schnitt durch die Darmwand und Darmleiste (d), e. Darmepithel, h. hyaline Schicht unter denselben, s. Schleimzellen mit ihren Kernen. Zusammenhänge der zwischen diesen injieirten Schwellgefässe mit den Capillaren der Darmleiste, die nur theilweis gefüllt sind. 7. 3. Eine Schleimzelle aus einem Schnitt, der sie eben ganz einschliesst, genaue Einstellung auf den grössesten optischen Mittelschnitt; zeigt dass der Kern zum Inhalt der Blase, i. e. zur Schleimzelle gehört, da er frei hineinragt, ebenso wie die Figuren der vor. Tafel. 9 & imm. 3 e. Tub. Ebenso. Schleimzelle, von deren Substanz zarte Gerinnungsfäden erhalten sind, die sich bei den verschiedensten Einstellungen durch den Blasenraum spannen. Der Kern ist wiederum bei Einstellung auf den grössesten optischen Schnitt’ gezeichnet und ragt geradewegs in den Blasenraum hinein. An ihm etwas körniges Plasma. 9 & imm. 3. 2 mal angeschnittene Schleimzelle, die obere Anschnittsöffnung (dunkelblau umrandet) hat grösseren Umfang wie die untere (Innen- rand der hellblauen Partie). Der Kern liegt bei einer Einstellung da, welche zwischen der auf den oberen und der auf den unteren Rand etwa die Mitte hält. Wie in der vorigen Figur Gerinnungsreste der Schleimzelle. die bei ganz verschiedener Einstellung sichtbar, also nicht etwa als Reste der oberen oder'unteren Blasenwand anzusehen. Von der letzteren steht links unten ein Stückchen noch über den unteren Anschnittsrand hinaus. 9. 3 etwas eing. Tubus. Zwei grössere Schwellgefässbahnen aus dem Fussgewebe mit umge- bendem Schwellgewebe, zwischen dessen Schleimzellen die Masse eben einzudringen anfängt. 4. 1. eing. Tub. Injection durch Einstich; Gewebe der Fussbasis zwischen den Darm- drüsenschläuchen, deren Querschnitte in ihren gefüllten Sinus liegen. in der Mitte ein grösserer und ein kleinerer Querschnitt grösserer wahrer Blutgefässe, Sehr schwaches System. Mantel, pralle Injection. Gruppen von Schleimzellen in der Masse, links Epithel. In der Mitte Muskelbündel, anscheinend frei durch - Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung im Schwellgewebe ete. 867 die Injeetionsmasse gespannt, vergl. Text. Unter dem Epithel noch uninjieirte Gewebsschicht. Sehr schwaches System. Fig. 13 (vergl. Fig. 6). Injection vom Herzen, Schnitt durch den Darmwulst mit injieirten Gefässen, die verschiedentlich mit den Schwellgefässen (s. g., hier nur schwach gefüllt) anastomosiren. Hartn. Syst. 2. Taf. I; (Fig. 1 und 2 sind Abschnitte von Abbildungen aus meiner oben eitirten Habilitationsschrift, die ich mit Erlaubniss der Redaction hier repro- ducire, um mich in der Darstellung darauf berufen zu können.) Fig. 1. (Fig. 3 l.c.) Aus dem Mantel von Anodonta piseinalis, nahe dem Rand, Injection vom Herzen aus: oben Stelle, wo die Füllung erst begonnen hat, weiter oben war noch nichts gefüllt. Berlinerblau- Glycerinleim, Alkohol, Carmin. 7.1. Fig. 2. (Fig. 4 1. ec.) Schwellgefässe aus der Fussbasis von Anodonta, um den Bau der Wand zu zeigen. Injection (vom Herzen) von Silber- lösung 1:300, darauf von Glycerinleim, Gefrierschnitt, Pikrocarmin, Ameisensäure-Glycerin. 9 & imm. 1. m. Muskeln, f fixe Zellen- körper der Gefässwand, z. Th. fetthaltig, b in der Masse einge- schlossene Blutzellen. Fig. 3. Mantelrand von Mytilus, oberer medialer Theil (vergl. Fig. 1 Taf. XLVIN), 4 der kleinen eigenthümlichen Eizellen (vergl. Text) in dem gefässhaltigen Fachwerk; die links liegende zweikernig; Dotterkörner gedunkelt. Uebrigens wie die Figg. der Tafel XLVIII. Kerne tingirt; eine der Schleimzellen (unten) mit Doppelkern. Osmium, Kali bichro- micum, Hämatoxylin, Nelkenöl. 7. 3. Fig. 4. Von der medialen Seite des Mantelrandes von Mytilus, e, Epithel, dr. Schleimdrüsen (mit Hämatoxylin) dunkelblau gefärbt, vom übrigen Gewebe sind nur die Kerne tingirt. Unten Schleimzellen (in dieser Gegend klein, wie überhaupt in der Peripherie des Mantelrandes) (s) und Muskeldurchschnitte. 7. 3. Behandelt wie die vor. Fig. 5. Nahe der Spitze der Mantelzacke; Ganglienzellenhaufen unter dem Epithel und Zweige in dieses schickend; könnten irrthümlich für Drüsen gehalten werden. m. Muskeln. Beh. w. die vor. Fig. 6. Ebendaher, aber vom Hinterende der Musche!, aus einer der dortigen sehr breiten Zacken. Ganglien und Nerven wie in Fig. 5. Dazwischen einige fixe (f) und freie (wahrscheinlich Blutzellen, b) angedeutet. W..d. vor. Fig. 7. Anodonta, Alkoholschnitt, Pikro-Carmin; eine der fixen Zellen aus der Darmleiste, in zahlreiche Ausläufer sich zerfasernd. 7. 3. (Der Zusammenhang der Ausläufer mit 9 a imm. 3 controlirt.) 868 Fr. Meyer: Conservations-Flüssigkeit für mikroskopische Objecte. Conservations-Flüssigkeit für mikroskopische Objecte. Von Fr. Meyer, Apotheker a. D. Seit einigen Jahren machte ich es mir neben meinen mikro- skopischen Arbeiten zur Aufgabe, einen Conservationsliquor und zwar für niedere Thiere und Algen darzustelien, da wir bis jetzt unter den vielen vorhandenen Vorschriften für derartige Flüssigkeiten noch keine einzige besitzen, die, wenn auch nicht allen, doch den meisten Anforderungen zu fraglichem Zwecke entspricht. Bei meinen vielen Versuchen habe’ ich die Hauptaufmerksam- keit auf den Holz-Essig in Verbindung mit Salicylsäure gelenkt, und ın der That damit ganz vorzügliche Resultate erzielt, wie dies meine vor anderthalb Jahren bereiteten Präparate mir zur Genüge beweisen. Ich stehe deshalb nicht länger mehr an, die verschiedenen Mischungsverhältnisse zu dessen Bereitung hiermit der Oeffentlich- keit zu übergeben, damit auch von den Fachgenossen in dieser \ichtung weitere Untersuchungen angestellt werden können. In 100 Theilen einer im Handel vorkommenden Holzessigsäure vom spec. Gewicht 1,04 und von blass weingelber Farbe!), herrührend von den noch darin enthaltenen höchst nothwendigen Brenzprodueten, wurde ein Theil Salicylsäure gelöst und hiermit nachstehende drei Verdünnungen dargestellt: 1) für Larven, Hydren, Nematoden etc. ete.: 1 Raumtheil chemisch reines Glycerin von 1,240 spec. Gewicht, 2 Raumtheile destillirtes Wasser. Auf 10 Raumtheile dieser Verdünnung wird 1 Raumtheil Salicyl-Holzessigsäure gegeben. 2) für Infusorien: 1 Raumtheil Glycerin, 4 Raumtheile destillirtes Wasser. Auf 10 Raumtheile dieser Verdünnung 1 Raumtheil Sali- cyl-Holzessigsäure. l) Bezogen aus der Drogueriehandlung von J. M. Andreae dahier, Balfour: Berichtigung. 869 3) für Algen: 1 Raumtheil Glycerin, 1 Raumtheil Salieyl-Holzessigsäure, 20 Raumtheile destillirtes Wasser. Auch für Museen dürfte sich zum Zweck der Üonservirung diese Flüssigkeit für viele Präparate noch besser eignen, als der oft so theuere und flüchtige Alcohol. Ich beschränke mich für heute nur auf diese kurze Notiz und behalte mir über gleichen Gegenstand 'spätere Mittheilung vor. Die überraschenden Resultate, welche ich selbst mit Hülfe die- ser Mischungen erzielte, wie diejenigen einiger meiner Freunde, denen ich Probeflüssigkeit für Versuche überliess, drängen mich zu dieser kurzen Angabe, mit der ich wünsche, der Wissenschaft för- derlich zu sein. Frankfurt a. M., im August 1876. Berichtigunse. Von Balfour. Das zweite Heft vom XII. Band des Archivs für mikroskopi- sche Anatomie enthält einen Artikel von Prof. Kowalevsky, worin mich derselbe beschuldigt, seinen Ansprüchen auf Entdeckung der Verbindung zwischen dem neuralen und Ernährungskanal bei den Elasmobranchiern meine Anerkennung verweigert zu haben. Nun stand aber bereits zwei Monate vor der Veröffentlichung dieses Artikels in einer Note meiner Monographie über die Ent- wicklung der Elasmobranchier (Journal of Anatomy and Physiology Vol. X p. 681) die folgende Stelle: »In the passage on this point Kowalevsky states that in Elasmobranchs the Neural and Alimentary canals communicate. This I believe to be the earliest notice published of this peculiar arrange- ment.« 870 Berichtigungen. Hiermit fällt daher diese Beschuldigung zu Boden. Dass ich in meinen früheren Aufsätzen die Entdeckung Prof. Kowalevsky’s unbemerkt liess, hatte seinen Grund einfach darin, dass ich die Stelle im Archiv für mikroskopische Anatomie Vol. VII p. 114, worin die betreffende Angabe gemacht war, übersehen hatte. 115 Z. 15 122 2. 8 124 Z. 10 132 Z. 19 134 2. 5 1355 2. 6 138 Z. 10 1392.07 146 Z. 1 »160 2: 7 . 152 2.18 Berichtigungen. v. o. lies lebenden statt lebendem. v.u. » Striche statt Stricke. v. 0. » b (Buchstabe) statt 6 (Ziffer). v.0. » die statt nie. v. 0. » an statt aus. v. u. » Nahrungsdotter statt Magendotter. v.u. » asymmetrische statt symmetrische. v. o. » Nierenanlage statt Nervenanlage. und 2v.o. -— während das Entoderm durch die grossen, die Gastrulahöhle umgrenzendenFurchun gs- kugeln dargestellt ist. Der durch das nächst- folgende Stadium geführte Schnitt (Fig. 44) zeigt uns schon, dass die Öeffnung der Einstülpung sehr verengert ist. und 8 v. u. »als ob die Dotterwand eine tief innen- wärts eindringende Falte bilde Dieses gibt schon der Vermuthung Raum, dass der Nahrungs- dotter nicht als ein von den Entodermzellen unab- hängiges Nahrungsmaterial zu betrachten ist, sondern dass er mit diesen in einem innigen organischen Zusammen- hange steht. v. 0. soll heissen: liegt statt liegen. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. IB en An Bier A rich ine, rate Bir.) in. Arch Bu ri Yin heberilende a Ben Te {rkft Re Pen ai SorrER R ii / Ric DAR D KA PR Tu, rs uk TEN: U er ERBE Vonalıe nr ich Vu. NT du Zr : Meer i 2 coR Be nn. ee a “a: ed Le en Rn Ranäraı A" Be... N Be; RE Gare Be. a N - pn ne‘ RN Dr ML u e Kr NR u dh Oi voih “ g ee un a ar nk A VA wi Me. Val! PER Vin Ren. 9 WE ‘ Na We Arad AT, er EN Da YA Be rn ae Taf: 1. Archiv f£ mikroskop. Anatomie Bd. , I 2 Nittmaack Fec Taf IH. 7 R »10ydo}hr Archio f mikroskop. Anatomie BaHI. a = 229, DpDapny’ LithAnstv.J.G.Bach, Leipzig u Sy "TO tannspachr: or pppathidumg TJOH 9930 WDJos] lobos@ ALIEN gez.von F.E.Schulze. > Ver u r u ” Peg { rs je en ERDE | Srr_ 2 2 Zu 07 we J nn. Bet \ \ \ Fi I. 26.4. Lith Anst.u.J. & Bach, leipzig Tafel Vi. Lith. Anst:v. J.6.Bacı ikraskop. Anatomie Ba.XH. By N. Bobretzkv del. Big I8l. } | 5 j j Lith, Anst.v. J6.Bach, Leipzig. X Br: LE mikroskon. Anatomie Bd. XM. = Lo 270202022021 m nn nn nn N. Bobretzky del Lith.Anst.v. J. G. Bach, Leipzig. ? > Pe kig. 39 BD. IV Mn KH nr SUHRAO DSÄKUURR, an A t Y Archıy [-mikroskop. Anatomie Ba. AU. A. Erg. 88. j 2 oh Fig. 57. Fig. 63 A Fig 04 Um urn mm ndk Frg- 70. Seh kmh En ! #h Fig.69. | BA säh ! ; - % be N Bobretaky, del Lith. Anst v J. &. Bach, Leipzig, wi 7 Mu Ze Ta z a »Enikroskop. Anatomie Ba. { N. Bobreizky del h Lin Arsen. Bar, -sye4 hm oc Fig. 96, \ Ih ER Ta \ N.Bobretzky del. AU. EU: Bi v Fmikroskop. Anatomie. | gr “| r * na nes da Bu leıpzii * Tin Anst 25 Beer > & Fig. 12. ODDDELEREE er 1 & 3 IR: Kowalevsky del. u », i | iu NE rz e ne m De, nn Wera rar aurHt m b,Leipzi = = 2 6 = = E > = > = Der del, A.Kowalevaky 5 2 ar an Fe j EL EZ IE ei - er. Lith.Anst.v.J.6.Bach, Leipzig (“ mikroskop. Anatomie Ba. KU. O.Kerbert, del Lith Anst.v. J. G.Bach Leipzig. Hin ! b Hin i an NOTEEHRLALD Aa ANATNEND KO h or AN { N h ’ n f U 1 Are [1 Kr 8 hir f Hr Yı HEhn , un Ih ıh ulm WM hy {} a) „ > „ er Te N nen .K pkde = C.Kerbert det Lith,AnstwJ.&.Bach, Leipzig. 0 Kerbert, 5 bie Anst.v.)-&. Bach, Leipzig. S IS} = i S : I 27 Ä < i SERINFIPFEGE" ER A > Lth.Anstw.d.6 Bach Leipzig, Archiv f. mikrosk. Anatomie bad. II. Taf. XXI. Oo IK dl: N KAY Hg z ’» EN; TS - z N \ BER A iR GBary - N . or a N TR ERRR y (if n \ y 2 NASEN ler Hr DS; Ali, KR; BR Aa, : $2 h EN N h Ir, FRRRRS: ü) ET er P) \ 1. Dr. M.Lauiowsk, r. M. Lavdowsky, gez. Lith.Anstel.&,Bach, Leipzig £mikroskop. Anatomie Ba.XI. E* i { ü „DEM .Lavdowsky gez. ; Lith Anst.v. J. 6. Bach, Leipzig. Archiv? fmikroskop. Anatomie. Bd.XM. Tat XKY. E.Eischer del. Lith.Anst.v.J.G.Bach, Leipzig. 1 ‚ oskop. Anatomie Bd. XI. E.Fischer del. PithAnst.k 34.Bach, beipzig- re us Bu un u ne TE EEE = - a ee FE = z Rz N — ” ET re ZAHN Lith. Anst.v.J.6 Bach,Leipzig mn. Archir % mikroskop. Inalomıe Dd AH e Tat. XAVH. Archiv Fmikroskop. Anatomie Bd..IT. h z re er Jam ö i Archiv Amikroskop. Anatomie, Ba. KU. b Taf. XXX. ar > Lith.Anst.v.,.6.Bach, Leipzig EN ee j pe BE ‚8 En Le en ae eh ae a P E RSG 5 ARWERKE I ONNHHEHO d aussi eng on Ö - Du Be a a 7 = ; ri ee ne ar , #4 “ Er TTTE Fuy! EINEN EILERTSTHER Te EETEIBE Pre: .. / 2 > Kun AN Eer > v » NZ I g per N ’ w rn. = 2 h f >»% ra \. = > “ 7: ‚ & ‘ Aa iv - 0 I i ’ $ km ee ae v Es “ —— Te x | Taf. XXI. Archiv Fmikroskop. Anatomie. Ba._XUT, Pr T. Er Ar d’ Si | AD \ ) D = . 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