& BELGIG N NE % 5S FR fa (% HRS fen DO, et Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. nun Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. NNNTIWNVNnnNnNnNnND Vierzehnter Band. Mit 33 Tafeln und 4 Holzschnitten. Bonn, 1877. Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Coben). PET TE gr! Kl no ni syrosd FR oa a undinside wi re A. a baren a LEE Lam I RL IN SR ann an [2 Hei valndar ta j rl ' ya Ant kl ANZ # Ta A Meaapr : SEE a SZ unimesiteetmrnee Im re er en N, Bi b5 oe 2, nl IIy, unbra E N ) u A) FW} R Br; .. ‚ BR A) CT 12 / - | um en u ü j * Mr AN 17 \ 2 Auer? En 0 RR er LE 5, ET AN, u Inhalt. Ueber die concentrischen Körper der Thymus. Von Dr. B. Afanassiew aus St. Petersburg. ee Institut zu ne Hierzu Tafel 1. ; Die Anlage der Keimblätter bei ash ara (Chilognathen). Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der a Von Ant. Stecker in Prag. Hierzu Tafel I. a Ueber den Bau des Menschen-Hoden. Von Dr. ag Stieda, at Professor der Anatomie in Dorpat. Hierzu Tafel III. . : Beitrag zur Kenntniss der Bindesubstanzen bei Avertebraten. nn Dr. F. Forster, Privatdocent in München. Die Jodreaktion der Knorpel- und Chorda-Zellen. en Prof. E. N mann in Königsberg i. Pr. Hierzu Tafel IV. ; Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Von J A Dogiel. Hierzu Tafel Va. Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. ee Dr. ee Bud ge, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut in Greifswald. Hierzu Tafel Vb. Ueber die feineren Strukturverhältnisse der rothen Blutkörperchen. on Arthur Boettcher in Dorpat. Hierzu Tafel VI. . Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns, nebst EU NN über Pa perepithelien,. Von Prof. Th. Eimer in Kubas Hierzu Aare vl... Ueber Schneckenaugen vom ee un! N über einige andere histologische Eigenthümlichkeiten verschiedener Ce- phalophoren. Von C. Semper. Mit zwei Holzschnitten. “ Ueber Anastomosen der Ganglienzellen in den Vorderhörnern des Rücken- markes. Von Justus Carri@re. Hierzu Tafel VII. Histologische Studien über die Kiemen der PR, Mollusken. u Dr. Carl Posner. Hierzu Tafel IX. 2 Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. Von C. De base med. aus New-York. (Aus dem Laboratorium von Prof. Eberth in Zürich.) Hierzu Tafel X. Ueber die Encystirung und en a De Eich- hornii. Von Dr. Richard Greeff, Professor in Marburg. Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea. Von Dr. Ludwig N er in Worms. (Anatomisches Institut zu ee, ) Hierzu afel XI. . Beiträge zur Kun 1 nn einiger Anheben in > tilien. Von Carl Partsch, stud. med. Hierzu Tafel XU. Zur Frage über den Bau der Kleinhirnrinde bei verschiedenen Klassen von Wirbelthieren. Von Dr. Gabriel Denissenko (St. Peters- burg). (Aus dem anatomischen Institut zu Strassburg, Elsass.) Hierzu Fafel KIN and XIV. . . . N AN Seite 117 125 132 158 167 171 179 203 IV Inhalt. Seite Ueber quergestreifte Muskelfasern in der Wand der Lungenvenen. Von Dr. Ludwig Stieda. Hierzu zwei Holzschnitte. . . . ... 243 Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. Von Oscar Schmidt. Hierzu Tafel XV und XVI. . . .,.2.2...249 Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Kuna Von Dr. K uhn, Docent der Ohrenheilkunde an der Universität Strass- burg. Hierzu Tafel: XKVIL-XX. ar N Se A Ve Vorläufige Mittheilung über einige neue Untersuchungen an Schmetter- lingsrüsseln. Von Wilh. Br eitenbach (Jena). Hierzu Tafel XXI. 308 Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Von M. Foster und A.G. Dew-Smith, Trinity College, Cambridge. . . 317 Beiträge zur Lehre von der Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. Von Dr. Richard Gscheidlen, Assistent am Ph SRIOloBIRoheN In- stitute zu Breslau. Hierzu TRITT ; 0 Sei Ueber die den rothen Blutkörperchen der Sa ihrese BEN... Kerne. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XXIII. FR : ee; Weitere Untersuchungen über a Bau Ei die er a Thymus und der Winterschlafdrüse der Säugethiere. Von Dr. B. Afanassiew aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXIV+ veirm 2 Oh U ERIK RE Ein Beitrag zur Lehre von der Flimmerbewegung. Von Dr. Moritz . Nussbaum. Hierzu 2 Figuren auf Tafel XXVI. . . . 2.390 Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. Vortrag, gehalten am 21. September 1877 in der zoologischen Sektion der 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu München. Von Dr. Th. Eimer, Professor der Zoologie und Poren Anatomie zu Tübingen. . . ee. .; Nachtrag zu der Arbeit von Dr. B. Krane s. 343. LE VEN ARE Beiträge zur Anatomie der Retina. Von Dr. Carl Heinemann in Vera Cruz. Hierzu Tafel XXV.. . . 409 Beobachtungen über die Entstehung des Wolfschen Gariges hei mi bryonen von Hühnern und Gänsen. Von Dr. E. er Privat- docent in Marburg. . . . . t 442 Ueber die Entstehung des Herzens bei Vorl Von Dr. E. Gasser. Hierzu Tafel XXVI und XXVI. . .. 459 Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren. LAN REN Menschen. Von J. Dogiel. Hierzu Tafel XXVII. LE PER 470 Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. VonF. a a. ö. Professor für Chirurgie an der Universität zu Berlin. . . 480 Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels.. Von Dr. A. Nykamp in tserden. Hierzu‘ LatelXXIX. ; *. 7.2: Me en Notiz über eine Modification des Rivet-Leiser’schen Mikrotoms von Dr. Long. Mitgetheilt von Prof. Waldeyer. . . 501 Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skeleteratkins der Wirbel- thiere. Von Dr. A. En Professor in ne Hierzu Tafel XXX—XXXIM . . 502 Eine neue Methode für N dl Ceitreii Von EE WERE 20 Bvelck, ; — „24 4° 5 20 se 621 Ueber die concentrischen Körper der Thymus. Von Dr. B. Afanassiew aus St. Petersburg. (Anatomisches Institut zu Strassburg.) Hierzu Taf. 1. Gelegentlich einer Untersuchung über die entwickelungsge- schichtlichen und vergleichend anatomischen Verhältnisse der Thymus fielen mir einige Befunde auf, welche geeignet erscheinen, auf die Bildungsweise der bekannten, so charakteristischen concentrischen Körper der Drüse einiges Licht zu werfen und uns zugleich den Weg zeigen, der zur regulären Rückbildung des Organs führt. Die von Ecker sogenannten concentrischen Thymuskörper, deren erste Kenntniss wir Hassall, The microscopical anatomy of the human body in health and disease, London, 1846, verdanken, — Henle (Handbuch der rat. Pathol.) bezeichnete sie deshalb mit dem Namen der »Hassall’schen Körperchen« —, sind von den verschie- denen Autoren, welche mit ihrer Entstehungsgeschichte sich befasst haben, in verschiedener Weise gedeutet worden, doch hat bis jetzt, meiner Meinung nach, Niemand das Richtige getroffen. Eine Reihe von älteren Angaben, wie die von Simon, Henle, Ecker (für einen Theil der Körper wenigstens) bringen die Ent- stehung der fraglichen Gebilde mit einer Fettmetamorphose der Drüsenzellen zusammen. Hassall selbst hält sie für »Mutterzellen« und beschreibt sie als Gebilde, die zahlreiche Kerne enthalten, deren jeder von einer oder mehreren concentrischen Lamellen umgeben sei«. Er vergleicht sie den Knorpelzellen in den Zwischenwirbelknorpeln und den Zellen von gewissen Algenspecies der Gattung Microcystis zu- gehörig. Auch Günsburg, s. dessen Zeitschrift für klinische Mediein Bd. VIli. 1857, p. 456 ff., scheint die concentrischen Körper als Mutter- zellen aufzufassen. Virchow, Arch. für pathol. Anat. III. Band, p. 222, stellt sie in einer kurzen Bemerkung hinsichtlich ihrer Entstehung mit den concentrischen Cancroidkörpern zusammen. Letztere wieder liess bekanntlich Virchow damals durch Umlagerung von Krebs- zellen um Zellen mit sogenannten Bruträumen sich heranbilden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 1 2 B. Afanassiew: Kölliker (Handbuch der Gewebelehre 5. Aufl,), dem Jendrassik (Wiener anad. Sitzungsb. 1856) zustimmt, spricht sich dahin aus, dass in den meisten Fällen die fraglichen Bildungen nicht durch Umwandlungen und concentrische Agglemeration aus den Zellen der Drüse, wie bereits Ecker (Artikel: »Blutgefässdrüsen«, Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie) es darstellte, sondern durch all- mähliche Umlagerung eines nicht zelligen Materiales um dieselben entständen, also den Prostataconcrementen verwandt wären ; vielleicht seien sie durch Umwandlungen von Eiweissstoffen der Drüse ent- standen. Uebrigens gibt Kölliker zu, dass in anderen Fällen diese Körper aus concentrisch in einander geschachtelten platten Zellen beständen. Für die zellige Structur spricht sich auch His, Zeit- schrift f. wissensch. Zool. Bd. X p. 348 und Frey, Lehrbuch der Histologie und Histochemie 5. Aufl. 1877 aus. W. Krause gibt an, Handbuch der allgem. Anatomie I, p. 359, dass die Zerlegung der Körperchen in platte polygonale Kernhaltige Epithelzellen leicht durch Behandlung mit Müller’scher Flüssigkeit gelinge. Die eingehendsten Beschreibungen der concentrischen Thymus- körper liefern wohl Berlin, Archiv für die Holländischen Beiträge zur Natur- und Heilkunde Bd. I p. 230, und Paulitzky. Ersterer hat keine näheren Angaben über die Entwickelung dieser Gebilde; es findet sich indessen bei ihm der nicht näher erläuterte Satz: (p. 233) »Sie (die concentrischen Körper) liegen meistens in der Nähe von Gefässen oder sind geradezu durch dieselben begrenzt«. Für In- volutionsgebilde möchte er sie nicht gelten lassen; gibt jedoch an, dass sie bei jüngern Föten (5 monatl. menschlichen) fehlen. Er lässt in-ihnen endogen Kerne und Zellen gebildet werden, die nachher austreten und frei werden sollen. Paulitzky (Disquisitiones de stratis glandulae thymi corpusculis, Halis, 1863) stellt die etwas wunderliche Ansicht auf, dass die geschichteten Körper aus einge- schachtelten »Epithelzellen« entständen; letztere wiederum gingen aus den »Bindegewebszellen« des Thymusgerüstes hervor. His l. c. und Bruch (Zeitschr. f. rat. Med. I. Ser. IX. Bd.) leiten die Körperchen von abgeplatteten Drüsenzellen ab, wobei Letz- terer eine regressive Metamorphose derselben betont. Friedleben (die Physiol. der Thymusdrüse, Frankfurt a. M. 1858) hingegen lässt sie auf dem Wege regressiver Metamorphose aus ganzen Sog. »Drüsenblasen« der Thymus entstehen. Bezüglich des Verhaltens zu den Gefässen finden wir auch bei His eine bemerkenswerthe Ueber die concentrischen Körper der Thymus. 3 Angabe: »Die concentrischen Körper finden sich in der Regel in Verbindung mit kleineren Gefässen, oft umgeben sie dieselben vollständig, oft sitzen sie an den Theilungswinkeln auf, und man findet daher, dass sie beim Auspinseln feiner Thymusschnitte nicht weggespült werden, sondern im Zusammenhang mit den Gefässen bleiben.«e Paulitzky bestätigt dieses Verhalten. Friedleben erwähnt Verdickungen der Wandung bei den Thymusarterien mit nachfolgender Obliteration, Erweiterung und varicöser Entartung der Venen während der Involution des Organes, ohne jedoch nähere histologische Angaben über diese Veränderungen zu machen. Wir finden also noch eine ganze Anzahl differenter An- sichten über die concentrischen Körper, von denen übrigens keine eine befriedigende Auskunft darüber gibt, wie diese Körper sich bilden. Wie mir nun zahlreiche Präparate aus menschlichen, Kaninchen- und Kalbsdrüsen ergeben haben, stammen die concentrischen Körper von den Gefässendothelien ab. Letztere, namentlich die der venösen Gefässe und der Capillaren, vergrössern sich zu- vörderst — Fig. 2 Taf. I mag als Beleg dafür dienen — und ver- mehren sich, wie ich vertreten zu können glaube, durch Theilung und füllen dann bald die Gefässlumina aus. Gleichzeitig mit dieser Wucherung der Endothelien geht vielfach eine Abschnürung der betreffenden Gefässröhren in kleinere Abschnitte von verschiedener Grösse einher. Man trifft an sorgfältig hergestellten Präparaten (Härtung der frischen Drüsen in Ammon. monochromic., dann Aus- waschen in äq. destill. und Alkohol, Auspinselung und Färbung in Haematoxylin und ammoniakalischer Eosinlösung) alle nur wünsch- baren Uebergangsstufen in hinreichend dünnen Schnitten: Gefäss- röhren mit vergrösserten Endothelzellen, ferner Röhren, deren Lumina von solchen Zellen ganz verstopft erscheinen, endlich solche, bei denen die Endothelien concentrisch geschichtet sind und das Lumen ganz oder zum Theil ausfüllen. Den sichersten Beweis für die Richtigkeit der von mir hier vorgebrachten Auffassung sehe ich indessen in Bildern, wie sie in Fig. 1 und 2 Taf. I wiedergegeben sind. Hier zeigen sich — und Eosinfärbung leistet dabei besonders gute Dienste — im Innern der concentrischen Körper noch wohl erhaltene Blutkörperchen. Es lässt der letzterwähnte Befund wohl kaum daran zweifeln, dass die hier beschriebenen Bilder richtig gedeutet seien. Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, dass 4 B. Afanassiew: Jendrassik, l. c. p. 95, nicht selten kleine Blutextravasate im Parenchym der Thymus fand und bei dieser Gelegenheit sagt: »Auch schien es mir hier und da, dass veränderte Blutzellen in manchen concentrischen Körpern selbst enthalten waren.« Er spricht jedoch an keiner Stelle von Gefässveränderungen oder einer etwaigen Bildung der concentrischen Körper aus den Gefässen, obgleich er sonst diesen letzteren eine sehr detaillirte Beschreibung widmet. Selbstverständlich ist auch nicht versäumt worden, diese Be- funde durch Injeetionspräparate zu controlliren. Ich habe hierbei besonders von der menschlichen‘ Thymus, öfter Schnitte erhalten, in denen man die Injectionsmasse bis zu concentrischen Körpern, die das betreffende Gefässrohr verstopften, verfolgen konnte; ausserdem mehreremale solche anscheinend frei liegende Körper, welche mit der Injectionsmasse gefärbt waren. Mit Rücksicht auf die Angaben früherer Autoren habe ich auch mein Augenmerk darauf gerichtet, ob etwa von den übrigen zelligen Elementen der Thymus, also von den Thymuszellen oder den Zellen des reticulums aus, eine Entstehung der zelligen Elemente der con- centrischen Körper nachzuweisen wäre — allein ich habe nichts dergleichen constatiren können. Dass eine Abschnürung der so ver- änderten Gefässe vorliegen müsse, darf wohl daraus geschlossen werden, dass man seltener Körper von länglicher oder verästelter Gestalt antrifft, wie es doch wohl der Fall sein müsste, wenn eine Abschnürung nicht Statt fände. Uebrigens sieht man auch sehr ausgeprägt als solche erkennbare Längsansichten von Gefässen, welche mit gewucherten Endothelzellen vollgepfropft sind, und in denen bereits eine concentrische Lagerung der Endothelien begonnen hat, vergl. besonders Fig. 1 Taf. 1. Weiterhin ist zu erwähnen, dass die Gefässwand gewöhnlich bei dem ganzen Vorgange verdickt erscheint und wohl die kapselartigen Bildungen erzeugen dürfte, die man um viele concentrische Körper findet. In andern Fällen wiederum scheinen die gewucherten Endothel- zellen eine regressive Metamorphose (Zerfall in körnige, fetthaltige Massen) einzugehen. S. Fig. 1. Die hier vertretene Auffassung der Bildung der concentrischen Körper harmonirt sehr wohl mit der verschiedentlich (Bruch, Ecker, Paulitzky) geäusserten Angabe, dass die concentrischen Körper am zahlreichsten während der Involutions-Periode vorkämen. Ueber die concentrischen Körper der Thymus. 5 Von Berlin, His und Friedleben ist dem widersprochen worden. Meiner und Prof. Waldeyer’s Erfahrung nach fehlen während der ersten Entwickelungszeit der Thymus die concentrischen Körperchen gänzlich und kommen während der Involutionszeit am häufigsten vor. Sie fehlen allerdings nicht zu einer Zeit, in der die Thymus noch wächst, aber es können ja sehr gut einzelne Abschnitte der Drüse einer regressiven Metamorphose unterliegen, während andere neu gebildet werden, bez. weiter wachsen. In der mir zugängigen Literatur habe ich eine Angabe über die Bildung von concentrischen Körpern aus dem Blutgefässendothel der Thymus nicht gefunden; überhaupt dürften nicht viele Beobach- tungen bezüglich der Entstehung concentrischer Körper aus Blut- bez. Lymphgefässendothelien vorliegen, wenn mir von der bekannten Köster’schen Monographie: »Die Entwickelung der Carcinome und Sarcome, Würzburg 1869,« in der die Careinome und auch deren concentrische Körperchen von den Lymphgefässendothelien abgeleitet werden, hier absehen. Offenbar sind die berichteten Thatsachen in mehr als einer Beziehung von Interesse. Zunächst dürfte wohl in dem auf diese Weise erfolgenden massenhaften Untergange von Gefässen der Thymus der Weg zur regulären physiologischen Rückbildung des Organs gegeben sein. Wir erfahren freilich durch die mitgetheilten Befunde noch Nichts über die näheren Ursachen dieser Gefässveränderung; immerhin wären wir aber einen Schritt weiter zur Erklärung dieses merkwürdigen Factums gekommen. Die concentrischen Körper treten damit aus der Reihe der einfach histologischen Curiositäten heraus. Weiterhin ist darauf aufmerksam zu machen, dass hier eine Loca- lität vorliegt, in der mir unzweifelhaft die Entstehung von concentrisch geschichteten Zellenballen aus endothelialen Elementen gegeben scheint; für die Frage nach der Verwerthung der concentrischen Körper bei der anatomischen Diagnose von Krebsgeschwülsten hat diese Thatsache sicherlich ihren Werth. (Vgl. das oben citirte Werk Köster’s.) Endlich dürfte darauf hinzuweisen sein, dass vielleicht auch noch an andern Körperstellen Gefässe auf diese Art obliteriren, oder dass wenigstens concentrische Endothelialkörper in ihnen ent- stehen. Man kann die Möglichkeit wohl zugeben, dass solche Körper durch den andrängenden Blutstrom später wieder flott gemacht werden, und würden so vielleicht die Angaben Hassall’s vom Vor- 6 A. Stecker: kommen concentrisch geschichteter Körper im Blute eine bessere Erklärung fanden als bisher. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Combinirt aus mehreren dünnen Durchschnitten einer Thymus, a, a, a : eine kleine Vene der Länge nach getroffen, Wandung stark verdickt, bedeutende Wucherung des Endothels mit einzelnen kleinen concentrischen Körperchen. b. Querschnitt einer Capillare mit sehr grossen Endothelzellen. c. Concentrisches Körperchen mit einem rothen Blutkörperchen. d und f. Querschnitte kleiner Venen mit gewuchertem und zerfallenem Endothel; in d noch eine Anzahl rother Blutkörper. e. Querschnitt einer Capillare; in einer Endothelzelle ein kleiner Pigmentfleck (Hämatin). Fig. 2. a, b, c. Querschnitte und Längsschnitte kleiner Venen mit ver- dickten Wänden und stark entwickeltem Endothel; von b geht ein kleiner Seitenast ab, dessen Lumen von Zellen ganz ausgefüllt ist. d. eine Capillare, welche in eine kleine Vene einmündet; in beiden das Endothel vermehrt und seine Zellen vergrössert. e, e, @, @, grosse dunkelkörnige Zellen, welche sich oft in grosser Menge in der Umgebung der Thymusgefässe finden (Plasmazellen, Waldeyer). Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chilognathen). Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Myriopoden. Von Ant, Stecker in Prag. Hierzu Taf. II. Die ersten Entwicklungsvorgänge, die Furchung und Blätter- bildung sind bei den Myriopoden noch so wenig bekannt, dass ich hier in Kürze die von mir in dieser Beziehung gemachten Beobachtungen mittheilen will. Da ich aber nur die Diplopoden untersucht habe, und keine günstige Gelegenheil fand, auch an den, Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chijlognathen). 7 in Bezug auf die Bildung der drei Keimblätter bisher ganz unbe- kannten Chilopoden einige Untersuchungen anzustellen, so bleibt meine Darstellung in so fern noch lückenhaft, als ich nur mit Analogie auf eine ähnliche allererste Entwicklung der Chilopoden schliessen muss. Die Literatur betreffend, habe ich leider gar nichts über die Entwicklung der Myriopoden im Ei vorfinden können; nur die ausgezeichneten, die spätere Entwicklung behandelnden Unter- suchungen Newport’s!) und Fabre’s?) enthalten auch einige, auf die Form der Eier bezügliche Mittheilungen; nebst diesen Monogra- phien erwähne ich noch einer kurzen Anmerkung über die Ent- wicklung von Polyxenus lagurus in Metschnikov’s Abhand- lung »Entwicklungsgeschichte des Chelifer«°). Was die Diplopoden anbelangt, so kamen mir am häufigsten frisch gelegte Eier von Julus fasciatus K. Koch, Julus foeti- dusK.Koch, Craspedosoma marmoratum Mein., Polydesmus complanatus de Geer, und Strongilosoma pallipes Oliv. vor®). Bei allen diesen Gattungen geht die Furchung und die Blätter- bildung in derselben Weise vor sich; nur in den Einzelnheiten sind je nachdem die einzelnen Gattungen der Familie der Julinen (Julus, Craspedosoma) oder den Polydesminen (Polydesmus, Strongilosoma) angehören, einige wichtigere Verschiedenheiten wahr- zunehmen. Aus der von Metschnikov bei Polyxenus, einer Gattung, welche in die dritte Diplopodenfamilie der Polyxeniden gehört, dargestellten Entwicklung, kann man leider auf eine Uebereinstim- mung derselben mit den Julinen, oder mit den Polydesminen nicht schliessen, da der ganze Furchungs- und Blätterbildungsvorgang so kurz als möglich beschrieben ist. Es heisst dort: »Nach einer totalen Zerklüftung scheiden sich an dem untern Eipole durchsich- tige Zellen ab, welche den eigentlichen Keim darstellen.« ...... 1) Newport, Philosoph. Transact. London 1841. 2) Fabre, Recherches sur l’anatomie des organs reproducteurs et sur le developpement des myriapodes, Annales des sciens. nat.; 46me serie, III, Paris 1855. 3) Metschnikov, Entwicklungsgeschichte des Chelifer; Zeitschr. für wiss. Zoologie, B. XXI. J. 1871, S. 523 (Anm. 1.). 4) Die einzelnen Arten wurden nach der ausgezeichneten Monographie der »Myriopoden Böhmens« von Prof. Fr. Rosicky (Archiv zur Landesdurch- forschung Böhmens, III. B., Prag 1876) bestimmt; auch wurde die Termino- logie nach derselben Arbeit gewählt. 8 A. Stecker: »Der Keim und Embryo von Polyxenus bestehen aus deutlichen zwei Schichten, welche den beiden ersten Keimblättern des Scorpions und anderer Articulaten entsprechen.« — Was endlich die letzte Diplo- podenfamilie der Glomeriden anbetrifft, geht möglicherweise der Furchungsvorgang und die Blätterbildung in derselben Weise vor, wie bei den Julinen oder den Polydesminen, da es mir aber am Materiale mangelte, so kann ich derzeit über diese Familie nichts Sicheres angeben. Ich wende mich nun zunächst zu der Furchung und Keim- blätterbildung bei der ersten Diplopodenfamilie. Die Furchung und Blätterbildung bei den Julinen. Die frisch gelegten Eier von Julus fasciatus und Julus foe- tidus unterscheiden sich von einander nur durch die Farbe der Dotterhaut, welche bei dem ersteren gewöhnlich gelblichbraun, bei dem letzteren röthlichbraun ist. Mit den Eiern von Oraspedosoma haben die Eier von Julus keine Aehnlichkeit, jene sind länglich- eiförmig, diese hingegen kugelförmig. Auch die Art, wie sie gelegt werden, ist bei beiden verschieden. Während Julus seine Eier in kleinen, von einer klebrigen Masse umgebenen Häufchen in die Erde vergräbt, finden wir die Eier von Craspedosoma nur vereinzelt und in ähnlicher Weise wie bei Glomeris jedes Ei in einer aus humöser Erde zusammengeklebten Hülle vor. Die so eingeschlossenen Eier werden dann an moderndes Holz, an Pilze.u. a. angeheftet; auch sind die Eier von Craspedosoma viel kleiner, als die ziemlich grossen, wie durchsichtige Oeltropfen erscheinenden Juius-Eier, die Dotter- haut der Craspedosomaeier ist schmutziggelb. Die gelegten Eier sind bei den beiden Gattungen mit einer dunklen Masse gefüllt, welche ich als das in der Embryologie so charakteristische Deutoplasma erkannte. Die Masse ist an der Pe- ripherie trübe, in der Mitte aber ziemlich klar; wie ich mich über- zeugte, rührt der helle Fleck von dem in der Mitte angesammelten Protoplasma her, und ich glaube, dass die Ansammlung von Proto- plasma die erste Vorbereitung des später erfolgenden Furchungs- prozesses darstellt ; das Deutoplasına ist mit zahlreichen Dottertropfen Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chilognathen). 9 erfüllt und stark pigmentirt, das Protoplasma erscheint als eine durchsichtige, eiweissartige Substanz. Nach einer Zeit wird das ganze Ei trübe, der lichte Fleck im Innern des Deutoplasmas schwindet, und der Furchungsvorgang beginnt. Der Eiinhalt theilt sich zuerst in zwei grosse dunkelbraune Portionen, welche als Nahrungsdottersegmente betrachtet werden müssen; mit dieser Theilung werden in dem Ei ausserhalb der beiden grossen Nahrungssegmente zugleich zwei helle Tropfen einer eiweiss- artig aussehenden Flüssigkeit wahrnehmbar. Es sind dies Theile des früher im Innern des Eies eingeschlossenen Protoplasma, welche nun durch die Theilung des Nahrungsdotters aus der inneren Höhle her- vorgetreten sind. Bei der weiteren Zerklüftung des Nahrungsdotters in vier Segmente wird die ganze im Innern noch enthaltene Menge des Protoplasma ausgeschieden , so dass wir nach den ersten Thei- lungen des Nahrungsdotters am animalen Pole vier Protoplasma- ballen (den eigentlichen Bildungsdotter) unterscheiden können. Jetzt beginnt derselbe Vorgang der Furchung an diesen; sie zerfallen zunächst in 8, dann in 16, 32 u. s. w. Theile, welche Theilung so lange fortschreitet, bis die animale Eihälfte ganz mit Bildungs- zellen erfüllt wird. Die Bildungszellen ordnen sich in drei parallelen, aufeinander liegenden Schichten an. Die Nahrungszellen bleiben auf die vegetative Eihälfte begrenzt. Das nächstfolgende Stadium gibt uns einen Aufschluss über das Fortschreiten der Entwicklung, indem daselbst schon die Enden der dreifachen Bildungszellenlage aus der animalen Hälfte in die vege- tative eingedrungen sind, wodurch der Nahrungsdotter von den Bildungszellen umwachsen wird. Die oberste Schichte der Bildungs- zellen spannt sich ziemlich rasch über die Nahrungszellen, welche aber ihrerseits in den oberen Raum des Eies hineindringen. Durch diese Umwachsung der Nahrungszellen wird die bisher dreischichtige Bildungszellenlage in der animalen Eihälfte zweischichtig, während die vegetative Hälfte nur eine Schicht von Bildungszellen vorzeigt. So entsteht nun einerseits durch die fortschreitende Umwachsung, anderseits aber durch die stete Einstülpung und Aneinanderordnung das Blastoderm, welches in seinem ersten Stadium folgende Zusamen- setzung hat. Das aus Bildungszellen entstandene Exoderm ist in der unteren (vegetativen) Hälfte des Eies einschichtig, in der Mitte wird es aber durch das Hinzukommen einer neuen Bildungszellen- schicht zweischichtig; die Zellen des Exoderms sind am kleinsten in 10 A. Stecker: der Nähe des Urmundes, d. i. an der Stelle, wo sie mit den Zellen des Entoderms communieiren, nehmen dann allmälig an Grösse zu, so dass das Exoderm am animalen Pole am dicksten wird. Das Entoderm ist aus Nahrungszellen zusammengesetzt, und ist überall einschichtig; seine Zellen sind im Gegensatze zu den des Exoderms um den Urmund am grössten, am animalen Pole am kleinsten. Nach der Entstehung der zweischichtigen Blastodermblase geht aber ein neuer ebenso wichtiger Prozess vor, die Bildung des Mittel- blattes. So weit ich die Entstehung des dritten Keimblattes ver- folgen konnte, nehme ich an, dass dasselbe aus den Zellen des Hautsinnesblattes, und zwar aus der unteren Zellenlage, seinen Ursprung nimmt. Die Zellen der unteren Exodermschicht werden nämlich bald nach der Ausbildung der Blastodermblase einer eigen- thümlichen Veränderung unterworfen. Wie bemerkt, sind sie bisher von cylinderförmiger Gestalt, mit durchsichtigem Protoplasma und deutlichem Kerne versehen. Auf einmal aber trübt sich der Inhalt derselben und das Protoplasma wird in Folge einer Aufnahme von kleinen Dottertropfen ölartig, wodurch die Zellen ihre gelbliche, trübe Färbung erhalten. Auf welche Art die Dottertropfen in den Bildungszellen entstanden sind habe ich nicht direct verfolgen können; es liegt aber die Vermuthung nahe, dass die Dottertropfen aus den dotterigen Zellen des Entoderms sich abgeschieden haben. Die so gestalteten Bildungszellen zerfallen dann in zwei, vier, acht Theile, wodurch eine mehrschichtige Lage von kleinen, kugelförmigen, trüben Zellen entsteht. Es ist dies die erste Anlage des Mesoderms; seine Zellen vermehren sich durch abermalige Theilung und umwachsen allmälig das ganze Entoderm, was durch eine Trennung der zwei Keimblätter ermöglicht wird. So wird nach einer Zeit das Mittelblatt fertig, und das Ei zeigt im Meridianschnitte ein am animalen Pole mehrschichtiges, am vegetativen aber einschichtiges Hautsinnesblatt, ein mehrschichtiges Mittelblatt, und ein einschichtiges Darmdrüsenblatt. Die Zellen des Entoderms sind braun; in Folge dessen erscheint auch das mit ausgebildeter Keimhaut versehene Ei in der unteren und theilweise auch in der oberen Hälfte bräunlich, welche Farbe am animalen Pole in eine gelblichweisse übergeht. Der Grund der verschiedenen Färbung liegt darin, dass die Zellen des Exoderms, wie bereits bemerkt, ein durchsichtiges Protoplasma haben; zugleich sind sie aber am vegetativen Pole sehr klein, so dass die Farbe der Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chilognathen), 11 Entodermzellen durch die Bildungszellenschicht durchschimmert, was am animalen Pole, wo die Bildungszellen am grössten sind und die Nahrungszellen noch von einer mehrschichtigen Mesodermzellenlage umgeben werden, nicht möglich ist. Ich erkläre mir dadurch die irrthümliche Annahme Metschni- kov’s, wenn er die am »unteren« (wie er sagt) Eipole angehäuften Zellen als den eigentlichen Keim betrachtet; es geht hier auch wirk- lich der erste Vorgang einer weiteren Ausbildung des Embryo’s vor sich; da aber vermuthlich Metschnikov die Exodermschicht in der vegetativen Eihälfte nicht beobachtet hat, so hält er die am animalen Pole deutlicheren Exodermzellen für das obere Keimblatt, die von uns aber als Mesodermzellen bezeichneten für das untere Keimblatt, darum entspricht auch sein »unterer« Pol unserem animalen. Auf diese Weise werden nun die drei Keimblätter bei den Julus-Arten entwickelt. Der einzige Unterschied liegt darin, dass die Nahrungszellen und nun auch das Entoderm bei Julus fasciatus gelblichbraun, bei Julus foetidus aber mehr röthlichbraun gefärbt sind. Die Entwickelung von Craspedosoma weicht von der bei Julus dargestellten sehr wenig ab. Der hauptsächlichste Unterschied besteht darin, dass der Keim (eigentlich die Gastrula) nicht das ganze Ei einnimmt, sondern mehr auf die animale Hälfte begrenzt bleibt, und nur theilweise in die vegetative hineinreicht; der übrige Theil des Eies, sowie die Urdarmhöhle sind mit einer durchsichtigen, klebrigen Flüssigkeit gefüllt, welche bei starker Vergrösserung mole- culäre Bewegungen zeigt. Im Allgemeinen ist die Untersuchung der Craspedosoma - Eier mit grossen Schwierigkeiten verbunden, da dieselben, wie bemerkt, in humösen Kapseln eingeschlossen sind, und es nicht immer gelingt, das Ei unversehrt aus dieser Hülle herauszupräpariren. Auch lassen sich dieselben nicht gut mit Erhärtungsmitteln behandeln, und selbst dies gelungen, sind die Schnitte sehr schwer ausführbar, da die Eier sehr klein sind, und gewöhnlich doch eine Schicht von Erde anhaften haben, welche das Gelingen feiner Schnitte und die Einsicht in das Verhalten des äusserst feinen Zellenbaues erschwert. Es war mir daher aus diesen Gründen nicht möglich einen vollkommen klaren Ueberblick über die ersten Vorgänge bei Craspedosoma zu gewinnen. Was die Zellenschichte anbetrifft, so sind die Zellen des En- 12 A. Stecker: toderms gelblich, die des Exoderms farblos und durchsichtig. Eine Ausbildung des mittleren Keimblattes scheint auch stattzufinden; ich habe aber des spärlichen Materials wegen — diese Gattung kommt, nebenbei bemerkt, in unseren Gegenden sehr selten vor — die Entstehung derselben nicht verfolgen können. Wohl aber habe ich in einer, zwischen dem oberen und dem unteren Keimblatte am animalen Pole wahrnehmbaren Lücke eine Anzahl von kugelförmigen mit Dottertropfen und einem durchsichtigen Plasma versehenen Zellen gefunden, die vielleicht zur Ausbildung des Mittelblattes dienen. Bei Julus wird nach beendeter Blätterbildung, manchmal sogar schon in dem Momente, wo die Bildungszellen in Mesoderm- zellen übergehen, am animalen Pole eine Einbuchtung sichtbar, welche quer, d. i. in der Richtung des Meridianschnittes sich ausbreitet. Dadurch wird die bezeichnete Stelle, welche ohnedies ein wenig über das eigentliche Niveau der Keimhaut erhoben ist, in zwei Hälften getheilt. Zugleich aber verlängert sich das Ei in der Richtung der aequatorialen Axe des Keimes, und nach einer Zeit werden die ersten Rudimente von sechs Paaren von Füssen und einem Antennenpaare sichtbar. In diesem Stadium verlässt der Keim seine bisherige Stellung; er dreht sich um die kürzere Axe des Eies von dem ani- malen Pole gegen den vegetativen; nach einer Zeit zerspringt die Eihülle und der Embryo verlässt dieselbe als ein schon von Fabre mit der Insectenpuppe verglichener Körper (corps pupoide, Fabre). In dieser Larvenform erscheint der Embryo als ein nierenförmiger Körper von schneeweisser Farbe, auf der spätern Bauchseite stark ausgebuchtet, an einem Ende konisch zugespitzt, an dem anderen, dem Kopfende, stumpf abgesetzt. Die Rudimente der Füsse und der Antennen, letztere ungemein lang, sind deutlich sichtbar. Nach einer Zeit schwillt der Kopftheil stark an, biegt sich ein wenig nach unten, und der übrige Körpertheil zeigt nach und nach eine immer deutlichere Segmentirung. Die weitere Entwicklung schreitet dann rasch fort. Ein wenig anders als bei den Julinen gestaltet sich die Eifurchung und Keimblätterbildung bei der zweiten Diplopodenfamilie, obwohl sich auch diese Ausbildung, wie wir sehen werden, sehr leicht auf dieselben Vorgänge zurückführen lässt. Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chilognathen). 13 Die Furchung und Blätterbildung bei den Polydesminen. Aus dieser Familie habe ich am meisten die Eier von Poly- desmus complanatus und Strongilosoma pallipes untersucht. Besonders die letztgenannte Gattung kam mir am häufigsten vor, und lieferte in dieser Beziehung die schönsten Beobachtungsobjecte. Die Eier von Polydesmus werden gewöhnlich in ziemlich grossen Häufchen,, etwa je 20 Eier enthaltend, an Stückchen modernden Holzes angeklebt, durch eine klebrige, durchsichtige Masse miteinander fest verbunden und endlich mit einer Schicht feuchten Humus umgeben. So findet man manchmal unter einem Holzstücke zehn bis zwanzig solche Eierhäufchen. Die in einem und demselben Häufchen sich vor- findenden Eier können in sehr verschiedenen Entwicklungsphasen begriffen sein, je nachdem sie früher oder später abgelegt wurden; der ganze Furchungsprozess und die Blätterbildung dauert nämlich nicht länger als 6—8 Tage, und so kann das eine Ei schon beide primäre Keimblätter ausgebildet zeigen, während sich das andere in demselben Häufchen noch im Furchungsstadium befindet. Das frisch gelegte Ei von Polydesmus ist fast kugelförmig, und gleicht der äusseren Form nach einem kleinen Oeltropfen; die Farbe ist schmutziggelb. Der Inhalt des Eies stellt eine aschgraue Substanz dar, welche mit Dottertropfen so stark gefüllt werden kann, dass die Masse eine annähernde Aehnlichkeit mit dem von mir bei den Chernetiden entdeckten!) »secundären« Deutoplasma erhält. Diese Substanz, das Deutoplasma, ist am animalen Pole theilweise von einer Schicht eiweissartiger Flüssigkeit, dem Protoplasma, um- geben. Im Gegensatze zu den Julus-Eiern, bei denen sich das Pro- toplasma im Innern des Eies vorfand und sich erst ausscheiden musste, ist bei den Polydesmus-Eiern eine Ausscheidung nicht zu bemerken; doch dürfte auch hier das Protoplasma durch denselben Vorgang von dem deutoplasmatischen Elemente abgesondert werden, was um so wahrscheinlicher erscheint, wenn wir erwägen, auf welche Weise der Nahrungsdotter in das Ei eindringt; er stammt nämlich aus dem Syncytium des Ovariums ab. Nachdem sich das Protoplasma am animalen Pole angesammelt 1) Die Entwicklung der Chthonius - Eier im Mutterleibe, und die Bil- dung des Blastoderms. Sitzungsber. der königl. böhm. Gesellsch. der Wiss. 1876. 3 H. (S. 4, Abb. IH— VII) 14 A. Stecker: hat, erfolgt die Eifurchung und zwar früher am Nahrungs- als am Bildungsdotter, indem erst nach beendigter Theilung des Nahrungs- dotters auch der Bildungsdotter der Zerklüftung unterworfen wird. Nun erfolgt die Ausbildung des Blastoderms in ähnlicher Weise, wie bei Julus. Die in der animalen Hemisphäre angesammelten Zellen spannen sich um den Nahrungsdotter in die vegetative Hälfte aus, die Nahrungszellen aber dringen in den animalen Eiraum hinein und so wird nach einiger Zeit das Blastoderm fertig. Wir unterscheiden also ein mehrschichtiges Exoderm und ein ebenfalls mehrschichtiges, aus kleinen Nahrungszellen zusammengesetztes Entoderm. Bezüglich der Entstehung des Mittelblattes bemerke ich, dass an der Ausbildung desselben sowohl das Exoderm als auch das Entoderm Theil nimmt. Von dem mehrschichtigen Exoderm trennen sich nämlich nach vorausgehender Sonderung beider primären Keim- blätter die Zellen der untersten Schichte los (der Vorgang geht zuerst um die Mundöffnung vor sich), lagern sich auf das Darm- drüsenblatt und nehmen an Volumen zu, was offenbar nur in Folge einer Aufnahme des deutoplasmatischen Elementes geschieht. Während die Bildungszellen früher durchsichtig waren, werden dieselben obwohl nicht wie bei Julus trübe, doch in Folge einer Anzahl aufgenommener Dottertropfen gelblich und manche sogar undurchsichtig. Es ist nun nicht anders möglich, als dass nur das Entoderm die Anschwellung der Exödermzellen und deren Vollpfropfung mit Dottertropfen zu Stande bringt. Ich habe diesen Vorgang bei Chthonius, bei Calyptraea und nun auch bei den Myrio- poden verfolgt (also bei Arachniden, Myriopoden und Mollusken), und bin fest überzeugt, dass zur Ausbildung des Mittelblattes sowohl Hautsinnes- als auch Darmdrüsen -Blattelemente nöthig sind. Das Exoderm ist aber mehr betheiligt, als das Entoderm, da es das Material, die Zellen, zu dem Vorgange liefert. Der Aufnahme der dotterigen Substanz folgt plötzlich an der ganzen Peripherie eine Theilung der so gestalteten Zellen, wodurch das Mittelblatt gebildet wird. An dem Keime unterscheidet man nun ein mehrschichtiges Exoderm, ein ebenso mehrschichtiges, aus kleinen kugelförmigen Zellen gebildetes Mesoderm, und ein aus ovalen, mit einem deut- lichen Kerne versehenen Nahrungszellen zusammengesetztes Entoderm. Die weitere Entwicklung schreitet in derselben Weise, wie bei Julus vor. Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chilognathen). 15 Zuerst zieht sich der ganze Eiinhalt ein wenig zusammen, die Eihülle entfernt sich ein wenig von dem Keime, so dass sich derselbe nach allen Seiten bewegen kann. Dabei füllt sich das Ei mit einer schon bei Craspedosoma erwähnten eiweissartigen Flüssigkeit, welche die Gastrula umgibt und vielleicht zur Ausbildung einer selbststän- digen Hülle dient; sie wäre dann mit der Serosa, oder mit den bei Polyxenus lagurus von Metschnikov beobachteten amöboiden Zellen zu vergleichen. Nachdem sich die Gastrula um die equato- riale Axe von dem animälen Pole gegen den vegetativen umgedreht hat, wird an einer Stelle eine Anschwellung der Keimhaut sichtbar, welche von der Ansammlung der Mesodermzellen an dieser Stelle herrührt und die erste Keimbildung bezeichnet. Die Anschwellung ist von oben gesehen oval. Bald theilt sich diese Partie durch eine Querfurche in zwei Hauptabtheilungen, welche den Kopf- und den übrigen Körpertheil bestimmen. Der Kopftheil zeigt nach einer Zeit die ersten, allerdings sehr undeutlichen Rudimente von drei Fusspaaren und einem Antennenpaare. Zugleich schwillt diese Gegend an, und biegt sich ein wenig nach unten. Aus einem durch den Kopftheil geführten Durchschnitte ersieht man, dass sich die Mesodermzellen in spindelförmige Muskelzellen umgeändert haben und an denjenigen Stellen angehäuft sind, an denen später die Kiefermuskeln entstehen. Die Zellen des oberen Keimblattes bilden eine durchgängig homogene Masse, welche zur Anheftung der Muskel- fasern dient. In diesem Entwicklungsstadium zerspringt die Eihülle und die Larvenphase beginnt. Was endlich die Entstehung der Keimblätter bei Strongilo- soma anbelangt, so geht die Furchung ähnlich wie bei Polydesmus vor sich, d. i. früher am Nahrungsdotter als am Bildungsdotter. In der Entstehung des Mittelblattes ist aber eine wesentliche Ab- weichung vorhanden. Während bei Julus das Mittelblatt durch Umwachsung, welche von dem animalen Pole ausging, bei Polydesmus aber durch Trennung einer Bildungszellenlage auf einmal an der ganzen Peripherie ent- stand, ist die Bildung des Mesoderms bei Strongilosoma zwar eben- falls als eine Umwachsung zu bezeichnen, aber der Anfang des Vor- ganges findet, wie bei vielen Arthropoden an derjenigen Stelle statt, wo das Hautsinnes- und Darmdrüsenblatt in einander übergehen. Da entwickeln sich zuerst einige Zellen, die den von mir bei 16 A. Stecker: Calyptraea!) als »vasculäre Zellen« bezeichneten zu vergleichen wären. Sie entstehen aus den Bildungszellen durch denselben Prozess, wie ich ihn bei Polydesmus beschrieb. Diese Zellen theilen sich in eine Anzahl von kleinen, kugelförmigen mit deutlichem Kerne ver- sehenen Zellen, aus welchen dann durch Umwachsung die, wie be- merkt, von unten nach oben fortschreitet, das einschichtige Mittel- blatt gebildet wird. Jede Zelle, die zur Bildung des Mesoderms dient, wird daher so zu sagen einem kleinen Zerklüftungsprozesse unterworfen, indem sie nach vorausgehender Volumzunahme eine Theilung in zwei, vier, acht u. s. w. Theile erfährt. Die Gastrulaphase bei Strongilosoma stellt im Meridianschnitte eine aus drei verschiedenen Zellenschichten bestehende Blase dar. Die oberste Schicht bildet das mehrschichtige, aus kleinen, cylinder- förmigen Bildungszellen zusammengesetzte Hautsinnesblatt, die . mittlere das einschichtige Mesoderm, die untere Schicht endlich das mehrschichtige aus Nahrungszellen gebildete Darmdrüsenbiatt. Die Eier von Strongilosoma finden sich in kleinen Haufen unter Steinen oder unter Moos; sie sind meist länglich, und haben eine grünliche Dotterhaut. Auch der Nahrungsdotter ist olivengrün gefärbt. Fassen wir endlich diese Ergebnisse, zu welchen ich bei meinen Untersuchungen über die allererste Entwicklung der Diplopoden gelangte, nochmals kurz zusammen, so ergibt sich: 1) dass die Myriopoden (resp. die Diplopoden, wahrschein- lich aber auch die Chilopoden) einer totalen Eifurchung unterworfen sind; 2) dass sich daselbst der Nahrungsdotter primär, der Bildungsdotter aber erst secundär furcht; 3) dass sich die Gastrula der Julinen von jener der Polydesminen nur durch das Darmdrüsenblatt, welches bei den letzteren mehrschichtig, bei den ersteren aber einschichtig ist, unterscheidet; 1) Ueber die Furchung und Blätterbildung bei Calyptraea. Gegenbaur’s Morphologisches Jahrbuch. 1876. II. Bd., S. 535 ff, T. XXXV—XXXVI. Die Anlage der Keimblätter bei den Diplopoden (Chilognathen). 17 4) dass sich das Mittelblatt durch Betheiligung der beiden primären Keimblätter, in Folge endogener Zellentheilung und Umwachsung ausbildet. Jungbunzlau, Ende November 1876. Erklärung der Abbildungen auf Taf. II. a. Hautsinnesblatt. b. Darmdrüseublatt. c. Vasculäre Zellen. d. Mittelblatt. Fig. 1. Ein Ei von Julus fasciatus mit beendeter Furchung des Nah- rungs- und Bildungsdotters. Fig. 2. Durchschnitt eines Eies derselben Art, die Umwachsung des Nah- rungsdotters von den Bildungszellen deutlich machend. Eig. 3. Ein noch älteres Ei derselben Art, wo der Nahrungsdotter von dem Bildungsdotter bereits ganz umwachsen ist. Fig. 4. Ein Stadium mit ausgebildeten Keimblättern (Gastrula) von Julus foetidus. Fig. 5. Dasselbe Stadium von Craspedosoma marmoratum. Fig. 6. Dasselbe Stadium von Polydesmus complanatus. Fig. 7. Dasselbe Stadium von Strongilosoma pallipes. Ueber den Bau des Menschen-Hoden. Von Dr. Ludwig Stieda, ord. Professor der Anatomie in Dorpat. Hierzu Taf. II. Johannes Müller leitet in seinem bekannten 1830 erschie- nenen Buch (de glandularum secernentium structura penitiore earum- que formatione in homine atque animalibus. Lipsiae. fol. pag. 107) die Beschreibungen des Baues der Hoden mit folgenden Worten ein: Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 2 18 Ludwig Stieda: „Structura testiculorum in mammalibus satis eognita est.“ Die Vor- aussetzung, dass die Lehre vom Bau des Hoden nach allen Seiten abgeschlossen sei, hat Müller offenbar davon abgehalten, den Ho- den genauer zu untersuchen; die Folge davon ist, dass die in jenem Buch enthaltenen Mittheilungen über den Hoden sehr fragmentarisch sind. Vergeblich sucht man z. B. darin Auskunft über das verschie- dene Verhalten des Corpus Highmori bei Säugethieren. Aber Mül- ler’s Behauptung galt nur für seine Zeit: die Kenntniss vom Bau des Hoden ist noch heute nicht als abgeschlossen zu betrachten. Das geht aus den Untersuchungen, welche in jüngster Zeit über den Hodenbau angestellt sind, mit Deutlichkeit hervor. Ich sehe hierbei gänzlich ab von denjenigen Arbeiten, welche die jetzt so lebhaft erörtete Frage nach der Bildungsweise der Samenfäden im Hoden zum Gegenstand haben, ich erinnere nur an die Abhandlung Leydig’s (Zur Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane in Kölliker und Siebold’s Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. II Leipzig 1850), in welcher zum ersten Male der sogenannten Zwischensubstanz des Hoden Erwähnung geschieht. Ich verweise auf die vortreffliche Arbeit von Mihalkovics (Beiträge zur Ana- tomie und Histologie des Hodens in den Arbeiten aus der physiolo- gischen Anstalt zu Leipzig VIII. Jahrgang 1873), welche fast alle beim Aufbau des Hoden betheiligten Gewebe berücksichtigt. Beide Arbeiten haben unzweifelhaft die Kenntniss vom Bau des Hoden gefördert. Die wichtigen und interessanten Angaben von Mihalkovics in Betreff der Beziehungen der gewundenen und geraden Hoden- kanälchen zu einander zu prüfen und aus eigener Anschauung kennen zu lernen, das war vor Allem das Bestreben, welches mich dahin führte, ein eingehendes Studium des Baues der Hodendrüse vorzunehmen. Ich wurde dabei sehr bald auch auf die Erörterung anderer Fragen geführt, z. B. auf die Frage nach der Existenz, beziehungsweise der Lage des Corpus Highmori im Hoden der Säuger. Bei Durchmusterung der einschlägigen Litteratur fand ich die auffallende Thatsache, dass die geläufigen Hand- und Lehr- bücher der Anatomie der Hausthiere, sowie die der vergleichenden Anatomie die Unterschiede in Bau und Lage des Corpus Highmori nicht genügend hervorheben, ja sogar den Mangel desselben bei einigen Säugern verschweigen. Das veranlasste mich, meine Unter- suchungen, welche ich mit dem Hoden des Menschen begonnen, auch Veber den Bau des Menschen-Hoden. 19 auf die Hoden der Säugethiere auszudehnen. Ueber die bei Säugern gewonnenen Resultate werde ich in einer spätern Abhandlung be- richten; ich beschränke mich hier auf den Hoden des Menschen. Die gelegentliche Bemerkung eines Autors, dass dem Hoden des Menschen eigentlich ein Corpus Highmori abgehe, brachte mich dahin, auch die älteren Arbeiten über den Hoden durchzusehen. Das Ergebniss dieses historischen Studiums sind die historisch- kritischen Erörterungen, welche ich den Resultaten über den Bau des Hoden anschliesse. Ich bitte sie anzusehen als den schwachen Versuch einer Darlegung der historischen Entwicklung unserer Kennt- nisse vom Bau des Hoden. I. In Betreff der in Anwendung gezogenen Untersuchungsmethode habe ich nur wenig zu bemerken: ich untersuchte neben frischen Hoden auch solche, welche vorher in Alkohol oder wässeriger Chrom- säurelösung erhärtet waren. Ich benutzte dabei die gewöhnlichen Reagentien und Färbungsmethoden. Ich hebe hervor, dass man nur die kleinen Hoden kleiner Thiere (Maus, Ratte) unzerstückelt in die erhärtende Flüssigkeit bringen darf, dass dagegen grössere Hoden, wie z. B. die einer Katze, mindestens vorher halbirt. sein müssen, dass sehr grosse Hoden, z. B. die eines Stiers, in mehre Stücke zu zerschneiden sind, wenn anders sie in gehöriger Weise erhärten sollen. Einige Vortheile sah ich von folgender Anwendung der ver- dünnten Essigsäure. Ich brachte ganze Hoden oder einzelne Stücke auf 24 Stunden in ganz gewöhnlichen Essig und darauf erst in eine wässerige Chromsäurelösung zur Erhärtung. In Folge der Einwir- kung des Essigs quillt das Bindegewebe auf und wird durchsichtig, während die epithelialen Gewebe sich trüben und undurchsichtig werden. Die Wirkung wird durch die Chromsäure nicht aufgeho- ben: auf Schnitten erhärteter Hoden, welche zuerst in Essig, dann in wässeriger Chromsäurelösung lagen, erscheinen nun die dunkeln Hodenkanälchen auf hellem Grunde. So sind in vielen Fällen die einzelnen Kanälchen schon mit unbewaffnetem Auge zu übersehen und auf längere Strecken zu verfolgen. Für das Studium des Ver- laufs der Hodenkanälchen mittelst des Mikroskops sind Schnitte so präparirter Hoden sehr brauchbar; weniger geeignet sind sie 20 Ludwig Stieda: für die Untersuchung des Epithels, weil letzteres durch die schwache Essigsäure mehr oder weniger verändert wird. Die den Hoden des Mannes äusserlich begrenzende und die drüsige Substanz einschliessende Tunica albuginea schwillt an der hintern den Nebenhoden zugekehrten Fläche zu einem ziem- lich beträchtlichen keilförmigen Längswulst an, welcher mit der Schärfe des Keils nach innen in die Substanz des Hoden vorspringt. Der Längswulst ist bekannt unter dem Namen des Corpus Highmori oder des Mediastinum testis (Cooper) oder Nucleus testis (Wins- low). Auf den Querschnitt eines Hoden, wie ein solcher leicht an- zufertigen und vielfach abgebildet ist, sieht man weisse Strei- fen oder Linien vom Corpus Highmori aus radiär bis zur jTunica albuginea ausstrahlen. Die einzelnen Streifen nehmen vom Corpus Highmori zur Tunica allmählich an Durchmesser ab, so dass sie kaum die Tunica erreichen. Ganz ähnliche Streifen, welche ebenfalls vom Corpus Highmori zur Tunica ausstrahlen, sind auch sichtbar auf dem Längsschnitt eines Hoden, wenn der Schnitt so gefertigt worden ist, dass das Corpus Highmori und zugleich auch die gegenüber- liegende Fläche des Hoden in den Schnitt gefallen ist. In den geläufigen Beschreibungen der anatomischen Hand- und Lehrbücher werden jene Streifen und Linien Fortsätze des Cor- pus Highmori genannt und gewöhnlich als Scheidewände gedeutet, welche vom Corpus Highmori ausgehend, den Hoden durchsetzen und dadurch die drüsige Substanz desselben in Abtheilungen zer- legen. Einige Autoren z. B. v. la Valette St. George (Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben I. Band Leipzig 1871 pag. 523) nennen die Fortsätze des Corpus Highmori platt, ohne sie näher zu be- schreiben. Andre Autoren z. B. Henle (Handbuch der Eingeweide- lehre 2. Auflage Braunschweig 1573 pag. 367) sprechen davon, dass von der Tunica albuginea starke platte Balken ausgehen, welche ein bindegewebiges Gerüst darstellen und auf Querschnitten des Hoden als Scheidewände erscheinen. Zwischen den platien Fort- sätzen v. la Valette St. George’s und denplatten Balken ° Henle’s ist doch offenbar ein bedeutender Unterschied. Es scheint mir aber, dass solche Schilderungen keineswegs ausreichen, um eine richtige Vorstellung von dem eigentlichen Sachverhalt zu erzeugen. Von allen verschiedenen Schilderungen der Autoren gebe Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 21 ich unbedingt derjenigen Henle’s den Vorzug; jedoch erlaube ich mir nach einer Richtung der Henle’schen Beschreibung etwas hin- zuzufügen. Die Bindesubstanz des Hoden, wie dieselbe die drüsige Substanz zum Theil einhüllt, zum Theil von einander trennt, hat meiner Ansicht nach weder die Gestalt von platten Balken, noch die Gestalt von platten Fortsätzen. Wäre das Bindegewebe in Form von Balken vorhanden, so könnte dadurch niemals eine der- artige Trennung der einzelnen Abtheilungen des Hoden (der soge- nannten Hodenläppchen) bedingt werden, als sie stattfindet; es könnten dabei immerhin die einzelnen Abtheilungen zwischen den Balken miteinander communiciren, was nicht geschieht. Am bequemsten würde man zu einer richtigen Anschauung der Anordnung der Bindesubstanz des Hoden gelangen, wenn man im Stande wäre, die drüsige Substanz völlig zu entfernen und das zurückbleibende Ge- rüst allein zu untersuchen; es gelingt dies aber nicht. Man muss daher bei der gewöhnlichen Präparation bleiben und wo diese nicht ausreicht, zu Schnitten seine Zuflucht nehmen, um aus der Combi- nation der auf Schnittflächen sich darbietenden Ansichten eine Vor- stellung der Gestaltung des Gerüstes zu gewinnen. Die Ansichten von Bildern, welche man einerseits an Querschnitten, andrerseits an senkrechten sagittalen Längsschnitten gewinnt, sind bekannt genug; sie haben eben Anlass gegeben von Balken oder Fortsätzen zu reden. Fertigt man dagegen Flächenschnitte (es sei gestattet, sie frontale zu nennen im Gegensatz zu den senkrechten oder sagittalen Längs- schnitten), ganz einerlei ob nahe der Oberfläche oder weiter in der Tiefe, ob in geringerer oder weiterer Entfernung vom Corpus High- mori, so zeigt die Schnittfläche das’ Bild eines durchaus unregel- mässigen Netzwerks. Stärkere und feinere Fäden durchziehen den Schnitt und begrenzen unregelmässige Maschenräume. Die Fäden des Netzwerkes sind bindegewebig, in den Lücken des Netzes, den Maschenräumen sind die drüsigen (epithelialen) Bestandtheile ent- halten. Das Zustandekommen dieses bindegewebigen Netzwerks lässt sich aber nicht erklären durch die Annahme von Balken oder Fortsätzen, welche vom Corpus Highmori ausgehen. Welche Anordnung hat aber denn das Bindegewebe des Ho- den? Ich glaube, dass man, um zu einer richtigen Anschauung oder Vorstellung von dem bindegewebigen Gerüst des Hoden zu gelangen, damit beginnen muss, womit Henle die Beschreibung 22 Ludwig Stieda: des Gerüstes schliesst, nämlich mit dem directen Hinweis darauf, dass das Bindegewebs-Gerüst im Hoden annähernd kegelförmige Räume begrenzt. Das Bindegewebe des Hoden ist so angeordnet, dass kegel- förmige Räume begrenzt werden, deren Basis zur Oberfläche des Hoden, deren Spitze zum Corpus Highmori gerichtet ist. Die ein- zelnen Räume, Hohlkegel aus Bindesubstanz, besitzen aber keine selbständigen, einem einzigen Kegel angehörigen Wände, sondern eine und dieselbe Wand begrenzt gleichzeitig zwei benachbarte Räume. Diese bindegewebigen Wände sind es, welche auf Längs- schnitten und Querschnitten die radiären Streifen — auf Flächen- schnitten als Netzwerk erscheinen. Der Hoden wird also nicht von bindegewebigen Balken, nicht von bindegewebigen Fortsätzen, son- dern von bindegewebigen Lamellen durchzogen. Der lateinische Ausdruck Septa oder Septula testis ist deshalb keineswegs zu verwerfen; die deutsche hie und da gebrauchte Bezeichnung Schei- dewand ist keineswegs falsch, vielmehr besser als jede andere. Man darf jedoch bei der Vorstellung, der Hode werde von lamel- lösen Scheidewänden durchzogen, nicht nur an senkrecht stehende, sondern auch zugleich an horizontal liegende La- mellen denken. Denn durch die Combination beider Lamellen- systeme kommt das bindegewehige Gerüst zu Stande. Die Lamellen oder Wände sind nicht überall gleich dick; am stärksten sind sie in der unmittelbaren Nähe des Corpus Highmori, woselbst sie ohne scharfe Grenze in die Substanz desselben über- gehen; am dünnsten sind sie an der Peripherie des Hoden. Wo die Lamellen mit einander sich verbinden , werden sie dicker — auf Flächenschnitten zeigt das Netzwerk deutliche Knotenpunkte. Das Bindegewebe der Tunica albuginea und des Corpus High- mori besteht aus festen parallelen Bündeln, welche sich vielfach durchflechten und durchkreuzen ; es ist im Allgemeinen arm an Zellen. Das Bindegewebe der Lamellen ist lockerer, reich an Zellen; — es enthält ausserdem die eigenthümlichen polyedrischen Körper — die Zellen der Zwischensubstanz. Es sind diese Zellen seit ihrer Entdeckung bei Thieren durch Leydig 1850 so vielfach beschrieben worden, dass ich nichts Neues über sie mitzutheilen weiss. Was ihre histologische Bedeutung betrifft, so halte ich sie vorläufig mit Waldeyer (Archiv für mikroskopische Anotomie Bd. XI 1874 p. 176) für grosse protoplasmareiche Bindegewebs- Ueber den Bau des Menschen-Hoden 23 zellen. Dass es nervöse Elemente seien (Harvey im Medicinischen Centralblatt 1875 p. 497) möchte ich bestreiten. Zu einer allend- lichen Entscheidung der Frage nach ihrer Hingehörigkeit sollte eine genaue Untersuchung der Entwickelung des Hoden das Material liefern. Die drüsigen Bestandtheile des Hoden bestehen aus einem System kleiner Kanälchen, der sogenannten Hodenkanälchen oder Samenkanälchen. (Es könnte fraglich sein, welchem Ausdruck der Vörzug zu geben sei; ich wähle lieber die Bezeichnung Hoden- kanälchen, ebenso als ich lieber von Nieren kanälchen als von Harnkanälchen rede.) Man unterscheidet am zweckmässigsten: 1. die gewundenen Hodenkanälchen, Tubuli seminiferi con- torti. 2. die geraden Hodenkanälchen, Tubuli seminiferi recti. 3. das Netz der Hodenkanälchen im Corpus Highmori (Rete Halleri). In einem jeden der von bindegewebigen Wänden begrenzten kegelförmigen Räume liegen ein oder zwei gewundene Hodenkanäl- chen mit dicht an einander gedrängten Schlingen. An der Basis des Kegels haben die einzelnen Kanälchen blinde Anfänge; Thei- lungen kommen vor, doch äusserst selten. Zur Spitze des Kegels (Hodenläppchen) hin werden die Windungen der Kanälchen etwas spärlicher und am Corpus Highmori endlich sind gar keine Win- dungen an den Kanälchen sichtbar: jedes gewundene Kanälchen ist zu einem geraden geworden. Enthielt ein Läppchen zwei ge- wundene Hodenkanälchen, so fliessen beide an der Spitze desLäpp- chen zu einem geraden Kanal zusammen. Es wird daher minde- stens so viel gerade Kanälchen geben als Läppchen. Im Corpus Highmori münden die geraden Kanälchen in ein das Corpus Highmori der Länge nach durchziehendes Kanalsystem, welches sehr unregel- mässige rundliche oder eckige Maschen besitzt (Rete Halleri),. Aus dem Rete Halleri treten nun die eigentlichen ausführenden Gänge der Hodendrüse-hervor, welche als Coni vasculosi Halleri sich zum Vas deferens vereinigen. Man war nun bisher der Ansicht, dass jedes gewundene Kanäl- chen beim Uebergang in ein gerades Kanälchen eine Erweiterung seines Lumen erfährt, ohne dass sonst eine Aenderung im Verhalten des die Kanälchen auskleidenden Epithels einträte. Dieser allge- 24 Ludwig Stieda: mein verbreiteten Ansicht gegenüber hat Mihalk ovicz in seiner eben eitirten Abhandlung folgende Sätze aufgestellt. 1. Die geraden Hodenkanälchen sind enger, als die gewun- denen. 2. Die geraden Kanälchen sind mit Cylinderepithel, das Netz im Corpus Highmori mit Plattenepithel ausgekleidet. Mihalkovicz macht ferner hierzu die Bemerkung, dass die gewundenen Kanälchen, deren Epithel die Samenfäden produeirt, als der eigentliche secernirende Theil, die geraden Kanälchen aber nebst dem Haller’schen Netz als der abführende Theil der Hoden- drüse anzusehen sind. Für das wichtigste Ergebniss der Untersuchungen von Mihal- kovicz halte ich die Ermittelung der Thatsache, dass die geraden Hodenkanälchen im Gegentheil zu der bisherigen Annahme enger sind als die gewundenen. Ich kann diese Thatsache, welche Lere- boullet (Verhandl. der Leopoldina Carolina Bd. XV 1851) bereits für das Kaninchen und Mihalkovicz für andere Säugethiere und den Menschen gefunden, durchaus bestätigen, sowohl für den Men- schen, als auch für eine grosse Zahl von Säugern. In Betreff an- derer Angaben von Mihalkovicz bin ich zu abweichenden Resul- taten gekommen. — Ich rede — wie bereits gesagt — hier nur vom Menschen. An den ge'wundenen Hodenkanälchen sind die bindegewe- bige Wand und der epitheliale Inhalt von einander zu unterschei- den. Von allen bisher gelieferten zahlreichen Beschreibungen der Wand der gewundenen Hodenkanälchen erscheint nach meinen Er- fahrungen die von Henle gegebene (Henle 1. c. p. 369 u. 370) die richtigste; sie lautet: »Die äussere Begrenzung der Samenkanälchen bildet eine Membran, Tunica propria, die, je nachdem sie durch die Füllung der Kanälchen in mehr oder weniger gespannten Zuständen sich be- findet, zwischen 0,010 und 0,016 Mm. stark ist. Sie erscheint auf Längsschnitten der Canälchen langgestreift, auf Querschnitten con- centrisch gestreift; in beiden Ansichten zeigt sie zwischen den Strei- fen dunkele, scheinbar stäbchenförmige Kerne; ausgebreitet und von der Fläche”betrachtet, erscheint sie homogen, mit ziemlich un- regelmässig geordneten, sehr blassen, kreisrunden Kernen von 0,01 Mm. Durchmesser. Daraus ist zu schliessen, dass sie Jamellös und aus platten Schüppchen mit abgeplatteten Kernen zusam- Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 25 mengesetzt ist und wirklich lösen sich, namentlich an Chromprä- paraten dergleichen platte, kernhaltige, rhombische Schüppchen von der äussern Oberfläche der Wand der Canälchen ab, während weiter nach innen die Plättchen zu einer Schicht, zu einer Basalmembran, zu verschmelzen scheinen und öfter auch die Kerne undeutlich werden.« Auch Mihalkovicz schliesst sich im Gegensatz zu denjeni- gen Autoren, welche die Wand aus faserigem Bindegewebe mit bei- gemischten elastischen Fasern bestehen lassen, an Henle’s Auf- fassung und sagt: »Die Wand der gewundenen Sumenkanälchen besteht aus mehreren Lagen Häutchen, deren jede aus platten Zellen, den soge- nannten Häutchenzellen oder Enclothel zusammengesetzt ist.« Mihalkovicz ist jedoch noch einen Schritt weiter gekommen als Henle; auf die Resultate von Injectionen gestützt, ist er zur Ansicht gelangt, dass die einzelnen Lamellen durchbrochen seien. »Nur die innerste Lamelle ist vollständig«, schreibt Mihaikovicz; »man kann sie immerhin als Membrana propria der Kanälchen be- zeichnen und ist zu bemerken, dass sie hinsichtlich des Baues aus eben solchem Endothel besteht, wie die übrigen Lamellen.« Hierin tritt Mihalkovicz aber in Widerspruch mit andern Autoren, welche eine besondere Membrana propria unterscheiden. Kölliker (Hand- buch der Gewebelehre 5. Aufl. Leipzig 1867 p. 524) unterscheidet eine äussere Faserhaut und eine »leicht nachweisbare Mem- brana propria«; er bestimmt die Dicke der Faserhaut auf 0,005—0,010 Mm., während die Membrana propria nach Behand- lung mit Kali causticum bis auf 0.010—0,020 Mm. anschwelle. Henle (l. c. p. 264) macht bei Beschreibung der Hodenkanälchen keinen Unterschied, er spricht von der bindegewebigen Wand des Kanälchens (Tunica propria) und nennt nur die innerste Lage Basal- membran ; er sagt, dass bei Entleerung des Inhalts die innerste Schicht der Wand sich in Falten lege; in den betreffenden Abbil- dungen ist diese innerste Schicht auch deutlich sichtbar. Merkel (die Stützzellen des menschlichen Hoden in Reichert’s Archiv 1871 p. 1), welcher in Betreff der Zusammensetzung der bindegewebigen Wand der Hodenkanälchen aus platten Zellen mit Henle überein- stimmt, unterscheidet gleichfalls”die innerste Schicht als eine »Ba- salmembran.« Diese Basalmembran ist seiner Untersuchung nach bei jungen Knaben sehr dünn, erscheint auf Schnitten als eine 26 Ludwig Stieda: feine Linie; in Hoden von 8—12 Jahren erreicht sie ihre bedeu- tendste Entwicklung, da sie sehr mächtig sind ; bei erwachsenen Männern ist sie wieder redueirt auf eine dünne Schicht. Wie sind diese verschiedenen Angaben mit einander ın Ein- klang zu bringen? Wie sind «die Widersprüche in Betreff der Existenz oder Nicht-I:xistenz einer Membrana propria zu lösen? Vor allem fragt es sich hier, was man eigentlich unter einer Membrana propria verstehen will, dann erst kann von der Existenz einer solchen geredet werden. Bei andern Organen, z. B. bei den andern Drüsen des menschlichen Körpers wird niemals die ganze bindegewebige Wand des Drüsenkanals, sondern nur die dünnste, homogene mit dem Epithel in unmittelbarer Berührung stehende Schicht als Membrana propria bezeichnet. Solch eine Schicht ist analog der elastischen Grenzlamelle, welche an der Cutis oder an Schleimhäuten, wo Epithel und Bindegewebe zusamınenstossen, sich zeigt. Nur eine solche bindegewebige (elastische) Membran allein wird als Basalmembran, als Membrana propria zu bezeichnen sein. Nach meinen eigenen Untersuchungen kann ich nun hierüber Folgendes berichten: In vielen Hoden finde ich an den Kanälchen auch keine Spur einer besonders sich markirenden Innenhaut; es besteht die ganze bindegewebige Wand (Fig. 2, a und b) aus 3—6 Schichten, welche sich aus platten Zellen zusammensetzen. Will man nun seinem Princip zu Liebe, welches überall wo Epithel und Bindegewebe zusammenstossen, eine Grenzlamelle — eine Membrana propria fordert, die innerste, dem Epithel der Hodenkanälchen angrenzende Schicht als Membrana propria auffassen — wie Mihal- kovicz es thut, so ist dagegen gar nichts einzuwenden. Doch würde man damit den Begriff der Membrana propria als einer be- sondern unter Umständen isolirbaren Haut, unnöthiger Weise zu sehr ausdehnen. — Man darf aber deshalb nicht ohne Weiteres mit Mi- halkovicz die Resultate Kölliker’s, welcher mit Entschiedenheit von einer besondern Membrana propria spricht, verwerfen. Bei einigen Hoden finde ich nämlich eine von der zelligbinde- gewebigen Wand sich scharf unterscheidende structurlose oder leicht gestreifte Innenhaut von wechselnder Dicke (Fig. 1b); in einem Fall betrug die Mächtigkeit der Innenhaut sogar 0,010 Mm, Eine Zu- sammensetzung aus Zellen liess sich nicht erkennen. Mitunter er- schien diese mächtige Innenhaut stark gefaltet und erinnerte dann Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 27 in ihrem Habitus auffallend an die elastische Innenhaut der Ar- terien. Der so offene Widerspruch zwischen Köllik’er und Mihal- koviez erklärt sich meiner Ansicht einfach dadurch, dass ersterer Hodenkanälchen mit deutlicher Membrana propria, letzterer aber Hodenrkanälchen ohne eigentliche Membrana propria zu untersuchen Gelegenheit hatte. Warum haben aber nur die Kanälchen einiger Hoden eine solche starke Innenhaut, während bei den Kanälchen anderer Ho- den eine andere als die Schichte der zelligen Bindegewebehaut sicht- bar ist? Den an einem andern Orte mitzutheilenden Ergebnissen von Untersuchungen an Thieren vorgreifend, hebe ich kurz hervor, dass bei den untersuchten Säugethieren an den Hodenkanälchen nirgends eine besondere Innenhaut oder Membrana propria von der übri- gen bindegewebigen Wand sich abgrenzt. Ich bin nun der Mei- nung, dass auch im Hoden des Menschen die Wand der Hoden- kanälchen unter vollig normalen Verhältnissen keine besondere Innenhaut oder Membrana propria besitzt, sondern dass die ganze Wand nur durch die aus platten Zellen zusammengesetzten Lamellen gebildet wird, welche Henle und Mihalkovicz beschrieben haben. Dass aber unter gewissen Bedingungen die innerste Schicht jener bindegewebigen Wand die Hodenkanälchen sich verdicken und dadurch zu einer besondern Innenhaut (Membrana propria) wer- den kann, ist nicht zu bestreiten. Ob jene Bedingungen und Ver- hältnisse jedoch schon als phathologische aufzufassen sind, oder noch im Bereich der physiologischen Schwankungen liegen, wage ich nicht zu entscheiden. Die Angaben Merkel’s in Betreff des Vorkommens einer be- sondern Innenhaut bei Knaben im Alter von 8—12 Jahren habe ich aus Mangel an passendem Material nicht prüfen können. Je nachdem nun eine besondere starke Innenhaut an den Ho- denkanälchen vorhanden ist oder nicht, wird die Dicke der ganzen bindegewebigen Wand sehr verschieden ausfallen; hierauf sind wohl die bedeutenden Schwankungen in den Messungen zurückzuführen: nach Mihalkoviez ist die Dicke der Wand = 0,005 Mm. nachvKöllikernuu 4 kin an. ae ine 9005 0,010 Mn: nach Henle . . . . 2.2 =0,010—0,015 Mm. Nach meiner eigenen Meng Ära die Dicke sehr, nämlich zwischen 0,015—0,024 Mm. 28 Ludwig Stieda: Der Inhalt der gewundenen Hodenkanälchen besteht aus mehr- fach über einander geschichteten Lagen polyedrischer kernhaltiger Epithelzeilen, welche unzweifelhaft zur Genese der Samenfäden in directer Beziehung stehen. Bisweilen ist das Epithel von der Wand abgehoben, so dass zwischen Epithel und Wand ein freier Zwischen- raum (Fig. 3 und 4,d) existirt; bisweilen füllt das Epithel die ganze Lichtung der Kanälchen aus. Auf die streitige Frage, in welcher Weise die Epithelzellen der gewundenen Hodenkanälchen Samenfäden liefern — worüber namentlich zwischen Merkel und Ebner bedeutende Differenzen existiren, vermag ich nicht zu antworten, weil die mir zu Gebote stehenden menschlichen Hoden kein geeignetes Material waren, um eine Entscheidung zu treffen. In der Nähe des Corpus Highmori gehen die einzelnen gewun- denen Hodenkanälchen in die geraden über. Es liegen die geraden innerhalb der vom Corpus Hıghmori ausgehenden bindegewebigen Septa oder Scheilewände. Der Uebergang der ge- wundenen Kanälchen in die geraden findet der Art statt, dass die Windungen geringer werden, und sich nicht mehr an einander drängen; dabei erscheint die letzte Strecke nur leicht geschlängelt. Zugleich verengt sich das gewundene Kanälchen trichterförmig, um dann in das gerade Kanälchen überzugehen. Es beträgt der Durchmesser der gewundenen Kanälchen 0,10—0,15 Mm.; der Durchmesser der geraden Kanälchen dagegen nur 0,04—0,05 Mm. Die Thatsache, dass die geraden Kanälchen enger sind als die ge- wundenen, ist für den Hoden des Menschen zum ersten Mal von Mihalkovicz festgestellt worden; ich habe in ausgedehntem Maasse von der Richtigkeit der Thatsache mich überzeugen können. Für die entsprechenden Kanälchen im Hoden des Kaninchen hat bereits vor Jahren Lereboullet (1851) dasselbe behauptet (Recherches - sur l’anatomie des organes genitaux des animaux vertebres — Ver- handlungen der K. L. C. Akademie Bd. XV. Breslau und Bonn), doch ist, wie es scheint, die Angabe Lereboullet’s vollständig übersehen worden, bis Mihalkovicz durch seine Untersuchungen die Aufmerksamkeit der Forscher wieder darauf lenkte. So hat diese Thatsache erst in die neuesten Handbücher Ein- gang gefunden (Krause, C. Fr. Th., Handbuch der menschlichen Anatomie, 3. neu bearbeitete Auflage von W. Krause. Hannover 1876 pag. 264). Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 29 Ich finde in den meisten Fällen an den gewundenen Hoden- -kanälchen wohl eine trichterförmige Verengerung, aber dicht darunter, d. h. unmittelbar auf die engste Stelle folgt wiederum eine Erwei- terung, welche aber nicht bleibt, sondern allmählich abnimmt, bis das gerade Kanälchen seine mittlere Dimensionen erreicht hat. Es ist somit der Uebergang der gewundenen in die geraden Hodenkanälchen durch eine Einschnürung ausgezeichnet, und der unmittelbar sich anschliessende Abschnitt der geraden Kanälchen ist etwas weiter, als das übrige in das Rete testis übergehende Stück. Ich würde der Einschnürung, welche Mihalkovicz nicht erwähnt, keine besondere Bedeutung beimessen, wenn ich nicht dasselbe Verhalten auch in den Hodenkanälchen einiger Säugethiere zu beobachten Ge- legenheit hatte. Die Länge des geraden Hodenkanälchen, d. h. die Entfernung jener eingeschnürten Stelle bis zum Eintritt in das eigentliche Hoden- netz ist keineswegs überall dieselbe, sondern wechselnd. Diejenigen Kanälchen, welche aus den seitlichen Partien des Hoden kommen, sind äusserst kurz, man könnte fast sagen, die gewundenen Kanäle mündeten direet in das Netz Haller’s, diejenigen Kanälchen, welche aus den mittleren Partien des Hoden oder von unten, oder von oben herziehen, erscheinen recht lang. Das von Mihalkovicz gezeich- nete Bild (l. c. Taf. I Fig. 3) giebt das Verhältniss vollkommen richtig wieder. Die geraden Hodenkanälchen haben keine besondere, isolir- bare Wand; sie stellen sich vielmehr dar als Hohlräume im Binde- gewebe des Corpus Highmori und in den davon ausgehenden Scheide- wänden. Dabei geht die bindegewebige Wand der gewundenen Kanälchen unmittelbar in das die geraden Kanälchen begrenzende Bindegewebe über. Das Epithel der geraden Kanälchen ist eine unmittelbare Fort- setzung des Epithels der gewundenen Kanälchen, ist aber in seiner Beschaffenheit und seinem Aussehen durchaus verschieden. Das Epithel der geraden Kanälchen ist ein einschichtiges niedriges sog. Cylinderepithel; bei genauer Untersuchung sind die Zellen niedrige Prismen. Die Höhe der Zelle beträgt 0,012 Mm., die der Breite 0,006 Mm., der Durchmesser des rundlichen Kerns 0,004—0,005 Mm. In Betreff des Epithels und der Wand der geraden Hodenka- nälchen stimmen meine Resultate nicht völlig mit denen von Mihal- 30 Ludwig Stieda: koviez. Es sagt dieser Autor, es gehe die bindegewebige Wand des gewundenen Kanälchens direct über in das Epithel des geraden Kanälchens; auch zeichnet er so. Es macht hiernach den Eindruck, als hätte das gewundene Kanälchen kein Epithel und das gerade Kanälchen keine bindegewebige Wand. Das ist keineswegs der Fall —:das eigentliche Verhalten ist der Art, dass sowohl die bindegewebige Wand der gewundenen und geraden Kanälchen, als auch des Epithel beider Kanäle continuirlich und un- mittelbar in einander übergehen. Mihalcovicz ist offenbar dadurch irregeleitet worden, dass das Epithel der gewundenen Kanäle sich leicht von der Wand ablöst und dass ferner an den geraden Kanälchen keine besondere Wand sich am Bindegewebe des Corpus High- mori abgrenzen lässt. An jener Zeichnung, welche Mihalkovicz geliefert hat (}. c. Taf. II, Fig. 6) hätte mindestens etwas Bindegewebe zur Begrenzung desgeraden Kanälchens hinzugezeichnet werden müssen. Das Rete testis Halleri, oder das Haller’sche Netz ist ein System vielfach mit einander anastomosirender netzförmig verbundener Gänge oder Kanäle, welche das Corpus Highmori nach allen Rich- tungen durchziehen. Die Maschen des Netzes sind äusserst unregel- ımässig, das Lumen der Kanäle ist sehr wechselnd, ungefähr 0,05— 0,10 Mm. Im Allgemeinen erscheint das Lumen der Kanäle des Netzes weiter als dasjenige der geraden Kanälchen; am weitesten ist das Lumen in dem Knotenpunkte des Netzes. Die Kanäle des Haller’schen Netzes haben ebensowenig isolir- bare deutlich abgrenzbare Wände als die geraden Hodenkanälchen: es sind eben deutlich Hohlräume im Bindegewebe des Corpus High- mori. Zu bemerken ist aber, dass die Bindegewebsbänder der Länge der Kanäle entsprechend verlaufen. Das Epithel der Kanälchen des Haller’schen Netzes ist ein niedriges Cylinderepithel, wie in den geraden. Mihalkovicz spricht von einem Plattenepithel und zeichnet auch ein solches. Ich habe nur ausnahmsweise wirkliches Plattenepithel gefunden und vermuthe, dass in Folge starker Anfüllung der Kanälchen mit Samen und der eintretenden Ausdehnung der Kanälchen das ursprünglich hohe Epithel sich abflacht. Ich muss noch auf einen Umstand hinweisen. Zwischen den gewundenen und den geraden Hodenkanälchen besteht in Betreff des Epithels ein gewichtiger Unterschied. Die gewundenen Kanälchen haben geschichtetes, die geraden einfaches Epithel; wenn das Epithel Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 31 der gewundenen Kanälchen ganz entschieden mit der Production der Samenfäden betraut ist, so wissen wir von einer derartigen Be- ziehung des Epithels der geraden Kanälchen Nichts. Haben wir ein Recht, die gewundenen Kanälchen als den eigentlich secernirenden Theil der Hodendrüse zu bezeichnen, so sind die geraden Kanälchen mit dem Haller’schen Netz nichts weiter als die Sammel- oder Ab- zugskanäle, durch welche der gebildete Samen nach aussen befruchtet wird. Mihalkovicz hat entschieden Recht, die geraden Kanälchen als Abzugsröhren zu deuten; warum er aber sagt, die geraden Ka- nälchen sind keine Fortsetzungen der gewundenen, sondern Abzugsröhren, ist mir unverständlich geblieben. Es sind die geraden Kanälchen ganz gewiss die directen Fortsetzungen der gewundenen, aber sind immerhin nur Ausführgänge oder Abzugskanäle. Resultate: 1. Die Wand der gewundenen Hodenkanälchen besteht aus mehreren Schichten platter Zellen, von denen die äussere Schicht als Tunica intima oder Membrana propria aufgefasst werden kann. 2. Die geraden Kanälchen sind enger als die gewundenen. 3. Die gewundenen Kanälchen sind Secretionskanäle, die geraden Ausführgänge oder Abzugsröhren. II. Man darf nicht erwarten, dass in den Schriften der Anatomen des XVI. Jahrhunderts eingehende Kenntnisse über den Bau des Menschenhoden niedergelegt sind. Wohl kannte und beschrieb man die äussere Form und Gestalt der Hoden, aber vom feineren Bau wusste man nichts und konnte deshalb nichts darüber mittheilen. Man kannte — so scheint es — damals noch nicht die ausführenden Kanäle der Hoden. Statt vieler Autoren lasse ich nur einen reden. Vesal (An- dreae Vesalii de humani corpori fabrica libri VII Basilii 1555 pg. 571) schreibt über die Hoden wie folgt: „Testes substantia constant alba, lactea, molli et sibi undecunque simili ae continua, nisi quod venulis frequentibus iisdemque exiguis tenuiissimisque oppleta sit ob idque rara cavernosaque, quemadmodum lienis substantia esse videtur.“ Weiter sagt Vesal, die Hoden hätten die Fähigkeit, aus dem ihnen reichlich zugeführten Blut und „Spiritus“ den Samen zu bereiten und fährt dann fort: „sic etiam pori meatusque innumeri sed gracillimi paratum a testibus semen in deferentis vasis anfractus. 32 Ludwig Stieda: teste connatos exporrigunt, ut hinc sursum ex utroque teste semen in eadem sede in viris deducatur, qua commode in uterum projiei et ejaculari valeat.“ Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass unter dem „pori meatusque innumeri* die eigentliche Vasa excretoria des Hodens zu verstehen sind; vielmehr darf man aus dem Umstand, dass eine Anzahl späterer Autoren, z. B. Fallopia, Laurentius, Bauhin und andere, ebensowenig wie Vesal keine Angaben über die anatomische Verbindung des Hoden mit dem Nebenhoden gemacht haben, gewiss schliessen, dass die einzelnen Ausführungsgänge der Hodendrüse noch nicht bekannt waren. Aber selbst später im XVII. Jahrhundert erscheint die Kennt- niss über den Bau des Hoden nicht gefördert. Spigel z. B. hat höchst auffallende Ansichten über den Hoden (Adrianii Spigelii de humani corporis fabrica libri X, Venedig 1627 p. 269). Er be- schreibt Hoden and Nebenhoden als drüsenartige Körper; der Neben- hoden sei nur fester als der Hoden. Er behauptet mit grosser Sicherheit, dass der Samen nicht im Hoden entstehe, sondern im Nebenhoden: „testes in se semen non generant“ und ‚in testibus semen nunquam, interdum serosum tantum humorem reperiri — sed nec per irradia- „tionem testes semen generant. Parastatae (Nebenhoden) ergo semen generant, testes autem concoctionem seminis secundarie adjuvant.“ Bei dieser nebensächlichen Bedeutung, welche Spigel dem Hoden giebt, darf es nicht Wunder nehmen, wenn er keine Aus- führungsgänge kennt. Gewöhnlich wird behauptet, dass Spigel die Vasa excretoria der Hoden gekannt habe, wobei man folgende Stelle darauf bezieht, wo Spigel die Nebenhoden beschreibt: „sub- stantiam habent omnino testis instar glandulosam, duriorem tamen, sed nulla cavitate donatam, in quam ex testibus, quo loco conjugunt, quamplurimum tenuissimae fibrae notatu dignissimae terminantur.“ Ich verstehe nicht, warum die „tenuissimae fibrae“ für die Ausfüh- rungsgänge gehalten werden sollen. Viel eher könnte man dann doch die „pori meatusque“ Vesal’s oder die exiles fistulae, welche nach Laurentius (Andr. Laurentii Historia anatomica corpori humani Francofurti 1682 p. 260) Hoden mit Nebenhoden verbinden, für die abführenden Gänge der Hodendrüse nehmen. Derjenige Anatom , dessen Arbeiten einen entschiedenen Fort- schritt auf dem Gebiet der Kenntnisse vom Hodenbau bekunden, ist Riolan 1649. (Joannis Riolani fil. Opera anatomica Lut. Tur. 1649 fol. p. 159 u. fl... Riolan hat zuerst auf das später als Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 33 Corpus Highmori beschriebene Gebilde des Hoden aufmerksam ge” ınacht; er hat zuerst die eigentlichen Hoden- oder Samenkanälchen gesehen — freilich ihre Bedeutung nicht erkannt — aber über die ausführenden Gänge des Hoden ist er dennoch im Unklaren geblieben. Zum Belege des Gesagten führe ich einige Stellen aus dem Werke Riolan’s an. Es heisst: „Testes sunt glandulosa ac veluti spongiosa corpora, semini confieiendo destinata. — Cum saepius testiculi patre- facti substantiam digitis distraherem, eam instar retis in fibras mnltiplicees admodum ductiles semicubiti longitudine producebam. lis autem fibris revulsis, lineam fibrosam inseparabilem a testis tu- nica atque eirca adhaesionem Epididymides et in extremis huius corpusculi inter testis tunicam observatam, atque poros quinque vel sex, per quos seminalis materia a Parastata cissoide (darunter ist der Gefässplexus verstanden) in testis substantiam illabitur, et ellaborata inde exsugitur, ut traducatur in vas eiaculatoriam ab Epi- didymide productum.*“ Weiter nach Erörterung der Theorie der Samenbereitung kommt Riolan zum Schluss, dass der Same wohl im Hoden bereitet würde, dass aber kein Ausführungsgang zu sehen sei. „Egressus seminis non est ita evidens: sed obseryabis, Epididymida corpus suprapositum testi suis extremis testiculo in- haerescere, reliquo corpore a teste sejuncto; et capite suo, quod est prope insertionem vasis deferentis per semen exjugere, quod ipsam Epididymida’diffusum reperias, detracta leniter exteriore membrana.“ Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die lima fibrosa Riolan’s dasselbe Gebilde ist, welches später unter dem Namen des Corpus Highmori beschrieben wurde, dass die fibrae multiplices die Samen oder Hodenkanälchen sind. Die Resultate der Arbeiten Riolan’s fanden gar keine oder nur sehr geringe Berücksichtigung, wohl aber die ziemlich gleich- zeitigen Mittheilungen eines andern Autors, nämlich Highmor's. Highmor, obgleich er ebensowenig als Riolan das Richtige traf, gab durch seine Behauptungen Anlass zu einer fortgesetzten Untersuchung des Hoden, welche allendlich doch die Kenntniss vom Bau des Hoden bedeutend förderte. Der Name Highmor's hat Sich im Corpus Highmori des Hoden bis auf den heutigen Tag er- halten, trotzdem dass wir dem in Rede stehenden Theil eine ganz andere Function zuschreiben, als Highmor ursprünglich es that. Nathanael Highmore (N. Highmore Corporis humanı disquisitio anatomica, 1651 fol. pag. 90 u. fi; nach K. Sprengel Archiv f. mikrosk. Anatomie, Ba. 14, 3 34 Ludwig Stieda: IV. Band der Geschichte der Mediein p. 239 finden sich die Re- sultate der Untersuchungen Highmore’s ebenfalls in seiner History of generation, London 1651, S; ich habe dies Werk mir nicht schaffen können) beschreibt, dass er in der Mitte des Hoden einen weissen, festen rundlichen (richtiger strangartigen) Körper ge- funden habe, welcher sich im obern Theil des Hoden eng mit der Tunica albuginea verbinde, dann die Tunica durchbohrend in den Nebenhoden übergehe. Jener Körper sei eigentlich ein Kanal, durch welchen der Samen aus den Hoden in den Nebenhoden fliesse; er werde bei keinem Thiere vermisst. Wegen der Wichtigkeit gebe ich den bezüglichen Passus wörtlich wieder: „In medio glandulosae testium substantiae corpus quodam teres album vasi defe- renti haud dissimile, nec minus invenitur nulla aut perobscura salvem cavitate donatum. Quod a testium fundo ad superiorem illius partem ascendens, in tunicae albugineae interiorem partem quam for- tissime implantatur. Neque tunicae solummodo assidens, sed et illam perforare ac in Parastatarum caput se inserere videtur, cui quam pertinacissime adhaeret, nec nisi sectione separabile est. In inferiore ad media parte non nisi vasorum interventu membranae alligatur. Per ductum hunc (ab Anatomieis nusquam adhuc designatum) semen a testibus elieitum in Parastatas edueci merito statuimus, cum in omnium animalium testiculis licet non eiusdem magnitudinis reperiatur, nullaque alia per quam ducatur via assignetur, illi ergo hoc officium pertinere non dubitamus.‘“ Dieser Beschreibung ist auf Tafel XI, XI die Abbildung eines der Länge nach aufgeschnittenen Hoden beigefügt; es ist aber nicht gesagt, ob es der Hoden eines Menschen oder eines Thieres ist, wohl aber ist jenes „Corpus teres et album“ ais Ductus novus bezeichnet. Es ist mir sehr zweifelhaft, dass die Abbildung dem Hoden eines Mannes entnommen ist, weil die Beschreibung, welche Higb more entwirft, nicht auf den Hoden eines Mannes passt, sondern nach dem Hoden eines Säugethieres gemacht scheint. Beim Menschen verläuft das Corpus Highınori — (jenes corpus teres et album) bekanntlich nicht in der Axe des Hoden, sondern an der Peripherie ; bei einigen Säugethieren dagegen liegt das Corpus Highmori wirklich in der Axe oder wie Highmore es ausdrückt, in medio, und rückt erst im obern Theil allmählich an die Tunica albuginea heran. Ich vermuthe daher, dass Highmore nur die Hoden von Thieren untersucht hat. Highmore war der festen Ueberzeugung, den längst ge- Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 35 suchten Ausführungsgang des Hoden gefunden zu haben, allein er irrte, einmal darin, dass jenes nach ihm benannte Corpus kein Duetus, kein Kanal ist und ferner darin, dass dasselbe’in der geschilderten Form weder beim Menschen, noch bei allen Säugethieren vorkommt. Aber Highmore’s falsche Behauptungen fanden nicht allein Bestätigung, sondern wurden sogar erweitert und genauer ausgeführt. Auberius, Lehrer der Anatomie in Pisa, welcher im Hause des bekannten Borelli (Borelli, J. A. de motu animalium P. II editio altera Lugduni in Batavis 1685 p. 248) über den Hoden Untersuchungen anstellte, berichtete darüber in einer kurzen in Florenz 1658 unter dem Namen Vauclius Dathirius Bon- glarus gedruckten Abhandlung. Ein, wie es scheint, vollständiger Wiederabdruck dieses Berichtes nebst Copie der dazu gehörigen Tafel findet sich in den Philosophical Transactions des Jahres 1667 Nro. 42 des II. Band Seite 843 unter dem Titel: Testis examinatus Florence 1658 by Vauclius Dathirius Bonglarus. Die Abhandlung ist sehr kurz, und nicht ganz verständlich , weil Auberius die Re- sultate der Untersuchungen eigentlich nur als Erklärung der beiden beigefügten Abbildungen giebt. Die eine Abbildung stellt den der Länge nach aufgeschnittenen Hoden eines Mannes, die andere den eines Ebers dar. (Anmerkung: En tibi geminis produco figuris, quorum una est testis virilis, altera aprugni. Sprengel in seiner Geschichte der Arzneikunde IV. Band p. 240 schreibt, dass Aubery den Hoden eines Bären mit dem eines Mannes verglichen habe, aber aprugnus heisst „was dem wilden Schwein angehört“; Sprengel nennt die Namen Vadlius Dathirius Bonglarus, während in den Phy- losophical Transactions Vauclius steht.) Auberius nun bestätigt nicht nur den „ductus Hijghmorianus per medios testes exporrectus“ sondern geht weiter: er zeichnet Gefässe, welche von aussen oben an die Tunica albuginea herantreten „Vasorum praeparantium in albugineam insertio* und andere Gefässe, welche von der Tunica albuginea bis zum Ductus Highmorianus verlaufen „vasa praeparantia, albugineaın perforantia ad ductum semicirculari nexa comissa“. Die eigentliche Hodensubstanz sei nicht drüsig, sondern bestehe nur aus Gefässen, so dass der ganze Hoden nur als Gefäss aufzufassen sei, „genuina testis virilis substantia nulla tenuis glandulosa, sed omnis vasata, ita ut totus sit totum vas testis“. Dann fügt er hinzu: „in aprugno vasa iniacet testicularia laeve stratum propriae carnis“. In 36 Ludwig Stieda: Betreff des Zusammenhangs des Ductus Highmorianus mit dem Nebenhoden stimmt Auberius nicht völlig mit Hishmore überein: entgegen der einfachen Einmündung des Ductus novus Highmore’s in den Nebenhoden, zeichnet und beschreibt Auberius eine Anzahl feiner Röhren, modo plures, modo pauciores, welche aus dem Ductus Highmorianus hervorgehen und sich in den Nebenhoden einsenken. Deshalb sagt Auberius weiter: „hinc videri est, Epididymida ex fistulis subortam, fistulas ex ductu: atque adeo semen inchoative generatum in teste intra vasa testicularia, e quibus mox stillat in duetum, & duetu dein per fistulas convehitur ad Epididymida, in cuius perplexitato tandem perficitur.“ Zum Schlusse wirft Auberius folgende 3 Fragen auf: 1. Existiren mehre Vasa testicularia oder nur ein einziges vielfach gewundenes? 2. Wo und auf welche Weise stehen die Vasa testiculuria mit den Vasa praeparantia in Verbindung um den Samen aufzusaugen ? 3. Was für ein Zusammenhang existirt zwischen den Gefässen und dem Ductus Highmori zum Durchtritt des Samens ? Bei einem Blick auf die beiden Abbildungen des Auberius ergiebt sich sofort, dass Auberius unter den „Vasa praeparantia“ zweierlei verschiedene Gebilde zusammengeworfen hat. Einmal hat er damit ohne Zweifel die Blutgefässe der Samenstränge bezeichnet, ferner aber auch von Ductus (Corpus) Highmorianus zur Tunica albuginea hinziehende Fäden — offenbar die durchschnittenen bindegewebigen Scheidewände. Auberius redet aber ferner von der sefässreichen Beschaffenheit des Hoden und bezeichnet die Gefässe desselben als Vasa testicularia — es scheint, dass er hiermit die Hodenkanälchen gemeint hat, weil er die Vasa testicularia der Vasa praeparantia gegenüber stellt, weil er innerhalb der Vasa testicularia den Samen entstehen lässt und die Frage aufwirft, wie die Vasa testicularia einerseits mit den Vasa praeparantia (Blutgefässe) anderer- seits mit dem Ductus Highımori, dem vermeintlichen Ausführungs- gang in Verbindung ständen. Wenn Auberius — wie es wahr- scheinlich ist — mit Vasa testiceularia wirklich die kleinen Hoden- kanälchen gemeint hat, so hat er sich jedenfalls so ungenau ausgedrückt, dass er nicht verstanden worden ist. Auberius hatte also ebensowenig als Highmore das Richtige getroffen — das sollte einem andern Forscher gelingen, dem nieder- ländischen Arzte Regner de Graaf. Graaf, nach welchem heute Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 37 die von ihm zuerst gut beschriehenen Follickel des Eierstocks den Namen tragen, ist durch seine vortrefflichen Arbeiten über die weiblichen Geschlechtsorgane genugsam bekannt; allein mindestens ebenso bedeu- tend, vielleicht noch bedeutender, sind die Resultate seiner umfassenden Untersuehungen über die männlichen Geschlechtsorgane. Das was Regner de Graaf am Hoden beschrieben hat, ist alles bestä- tigt worden und es wäre nicht unbillig, zu verlangen, dass in der Terminologie des Hoden auch des Namens Graaf gedacht würde. Sehen wir von Riolan ab, welcher die Hodenkanälchen bemerkte, aber ihre Bedeutung nicht erkannte — und von Auberius, dessen Kenntnisse der Hodenkanälchen mindestens zweifelhaft ist, so ist Regner de Graaf der erste Autor, welcher mit Sicherheit die Hoden- oder Samenkanälchen gesehen und mit Entschiedenheit von ihrer Function spricht. Eine glückliche, und zugleich durchaus rich- tige Entdeckung Graaf’s ist ferner die der ausführenden Kanäle oder Gänge des Hoden. Ich referire über die Resultate der Untersuchungen Graaf’s, welche in einer 1668 erschienenen Abhand- lung niedergelegt sind, etwas genauer als über die bisherigen. Graaf (Regner de Graaf — Tractatus de virorum organis generationi inservientibus, c. fig. Lugduno Batav. et Rotterdami 1668 — abgedruckt in der Bibliotheca anatomica Mangeti Tomus II) untersuchte die Hoden des Mannes, Hundes, Hengstes, Schaf- bocks und der Ratte. Gegenüber der alten gar nichts aussagenden Bemerkung, dass der Hoden drüsig, „glandulosa substantia“ sei, stellte Graaf die Behauptung auf: die Hodensubstanz sei nichts anderes als die Summe feiner Kanälchen: „substantia testiculi nihil aliud esse, quam congeriem minutissimorum vasceulorum semen con- fieientinm.* Er nennt die Kanälchen „vascula seminaria a nobis primum descripta“ und giebt den richtigen Hinweis auf die Bedeu- tung derselben als Samenbereitende Graaf macht mit Recht auf- merksam auf den Hoden der Ratte als auf ein überaus günstiges Object, bei welchen die Hodenkanälchen schon mit unbewaffnetem Auge durch die dünne tunica albuginea hindurch gesehen werden können. Graaf beschreibt, dass aus dem Hoden der Ratte (und auch bei einigen andern Säugern) sechs oder sieben sehr feine Gänge hervorkämen, dass sie sich in den Kopf des Nebenhoden ein- senkten und hier erst zu einem einzigen Gange zusammenflössen, dass der Nebenhoden nur ein vielfach geschlungener und gewun- dener Kanal sei, welcher schliesslich bis zu den Samenbläschen ver- 38 Ludwig Stieda: laufe. Die Ausführungsgänge des Hoden „tenuissimi ductus e@ teste prodeuntes‘“ sind an Rattenhoden deutlich und naturgetreu ab- gebildet. Graaf spricht seine Verwunderung darüber aus, dass Highmore jene feine Ausführungsgänge nicht gesehen, sondern einen dicken Körper „erassum aliquod corpus“ für den Anfang des Nebenhodens erklärt habe. Der dicke Körper ‚„radix epididymidis“ existire nicht einmal bei allen Säugethieren — das habe Highmore völligübersehen. Wo, wie beim Hunde z. B. ein solches Corpus Highmori existire, da liege dasselbe in der Axe des Hoden und sei als Be- festigungsmittel für die Hodenkanälchen und die Blutgefässe aufzu- fassen „Stabilimentum vasorum a nobis inventorum quam sangui- neorum“. Im Hoden der Ratte existire gar kein solches Corpus; ebensowenig im Hoden des Mannes. Im gewissen Sinne, insofern als die ursprüngliche Scheidung Highmore’s „corpus quoddam teres in medio testium substantiae“ auf den Hoden des Hundes und des Bockes passt, hat Graaf vollkommen Recht. Man darf aber deshalb nicht glauben, dass Graaf beim Hoden des Mannes jenes Gebilde, welches heut zu Tage als Corpus Highmori bezeichnet wird, übersehen hat. Er beschreibt dasselbe und bildet es (Tafel (IV) sowohl im Querschnitt als im Längs- schnitt des Hoden ab, so dass die Scheidewände deutlich er- kennbar sind. Er nennt es ‚Substantia membranacea“ und ,„con- cursus membranarum vascula seminaria detinentium“ und sagt, dass dort, wo jenes Gebilde dem Rücken des Hoden angeheftet sei, auch die Hodenkanälchen heraustreten sollen. Die Analogie des in Rede stehenden Gebildes des Menschenhodens mit dem sogenannten Corpus Highmori einiger Säugethiere ist dem Autor freilich entgangen. Ehe ich Regner de Graaf verlasse, muss ich mit wenig Worten des kurzen Referats gedenken, welches Kurt Sprengel (l. c. 4. Band p. 242) über die Ergebnisse Graaf’s giebt. Sprengel schreibt: „„Regnerus de Graaf fing mit einer genauen und sehr lehr- reichen Zergliederung der männlichen Zeugungstheile an. Er suchte Highmore’s Schilderung des Kanals, der die Samengänge auf- nimmt, dadurch zu berichtigen, dass er an dieser Stelle im Menschen ein wunderbar verflochtenes Gefässnetz setzte. Bei Thieren dagegen, die grosse Hoden haben, sei allerdings der Kanal vorhanden u. s. w.“ Ich finde, dass dies Referat den Graaf’schen Untersuchungen nicht entspricht. Grade die wichtigsten Errungenschaften der Arbeit Graaf’s über die Hoden, die Entdeckung der Hodenkanälchen und Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 39 der wirklichen Ausführungsgänge der Hodendrüsen sind bei Sprengel nicht hervorgehoben. Gleichzeitig mit der Abhandlung Regner de Graaf’s erschien eine an den Jenaer Professor Rolfinck gerichtete Epistel Johann von Horne’s, welche in sehr kurzen Zügen die Hauptresultate eingehender Untersuchungen über die Geschlechtsorgane mittheilt, aber in Veranlassung der kurz vorher erfolgten Publication der Arbeit Graaf’s. Horne war Professor in Leiden und Graaf war sein Schüler — es mag daher wohl letzterer durch seinen als geschickter Zergliederer bekannten Lehrer zu seinen Forschungen angeregt worden sein. (Joannis von Horne Anat. et Chir. Professoris epistolica Dissertatio ad ce). vir. D. Guernerum Rolfin- cium Anatomicum veteranum exercitatissimum suarum circa partes generationis in utroque sexu observationum synopsin exhibens. Lugd. Batav. 5 Martii st. n. anni 1668; J. v. Horne Opuscul. anat. studia et opera D. J. S. Pauli Lipsiae 1707 p. 266—272.) Bei Horne finden sich im Wesentlichen dieselben Resultate wie beiGraaf. Auch Horne bestreitet die Behauptung Highmore’s, dass jenes „Corpus“ ein Kanal sei, er erklärt dasselbe für ein Befestigungsmittel der Gefässe (,‚non est autem hoc corpus cum Highmoro pro vase habendum, siquidem omni careat cavitate, sed inservit stabiliendis atque firman- dis venis et arteriis, hoc in loco magis unitis et abhine properantibus extra testem in epididymida.‘‘) Ferner meldet Hörne wie Graf von den die Substanz des Hoden bildenden Hodenkanälchen, dass die- selben hohl seien und Samen enthielten „sed si quis contemplatur accuratius, reperiet, totam testium molem nihil esse aliud, quam congeriem minutissimorum funiculorum, ne dicam, an vermiculorum, qui continuatam seriem habent, atque ut conjicere licet, concavi sunt pro seminis materia deferenda, hanc autem aceipiunt per exiguas arteriolarum minutissimarum ramusculos“. Nur in Betreff der ausführenden Gänge des Hoden ist der Lehrer nicht so glücklich gewesen als der Schüler; Graaf entdeckte die eigentlichen Aus- führungsgänge, Horne sah sie nicht. Er schreibt: „Porro admira- biles hae et inexplicabiles circumvolutiones ubinam ineipiant, explicari nequit; sed tandem per angustum aliquod foramen elabuntur in majorem epididymidis globum.“ Das ist jedenfalls nicht richtig. Die thatsächliche Bereicherung und Erweiterung, welche die Kenntniss vom Bau des Hodens erfahren hatte, in Folge der Arbeiten Horne’s und Graaf’s, wurde keineswegs anerkannt; im Gegentheil 40 Ludwig Stieda: fanden sich Anatomen, welche sich gegen Graaf und Horne für Highmore erklärten. Ich führe hier insbesondere 3 Autoren an: Swammerdam (Miraculum naturae s. uteri muliebris fabrica notis in D. Joan. v. Horne prodromum illustrata, ad illustr. Reg. Socie- tatem Londinensem 1672 ed V. Lugd. Bat. 1729) trat nur theilweise für Horne’s Ansichten ein. Er sagt in Betreff der Deutung des Corpus Highmori als Befestigungsmittel der Gefässe: „hoc enim corpus stabilimentum venarum et arteriarum non est, sed ex venis et arteriis componitur, et nullubi non suas cavitates habet“. Weiter macht Swammerdam aufmerksam darauf, dass schon Dathirius Bonglarus die Hodenkanälchen gesehen habe, dass aber diese „Vasa testieularia“ mit dem Ductus Highmorianus keinen Zusammen- hang hätten, indem der letztere nur aus Venen und Arterien bestehe. Die Hodenkanälchen ständen in Zusammenhang mit der Epididymis — sie wird nicht mitgetheilt. Borelli erkennt ebensowenig die von Graaf entdeckten Aus- führungsgänge des Hoden an, sondern schliesst sich an die Resultate Aubery’s an, welcher, wie schon erwähnt, seine Untersuchungen in Florenz im Hause Borelli’s in Gegenwart Borelli’s und Mal- pighi’s angestellt hatte. (Jos. Alph. Borelli Neapolitani Ma- theseos professoris de motu animalium pars. II ed. altera Lujd. in Batavia 1685 p. 248). Es scheinen mir die Aussagen Borelli’s wichtig, weil sie mit den kurzen Notizen Aubery’s nicht recht stimmen und die letzteren es fraglich erscheinen liessen, ob Aubery, unter den Vasa testicularia wirklich die specifischen Hodenkanälchen oder nur die Blutgefässe verstanden habe. Borelli schreibt: „Has omnes imagitationes aperte rejecit accurata recentiorum anatomica observatio, quorum primus fiut Cl. Auberius, qui dum Pisis Anato- miam profiteretur, in meis aedibus anno 1657 mihi et Cl. Malpighio ad aljis ostendit in testiculo ovis eluxato totam ejus molem con- stare exinnumeriscandidis columnaribus filamentis, ad instar vermiculorum extensis ab ambiente tunica nervosa ad testis axin intermediam. Tales fibrae repletae erant succo lacteo semi- nali, in quibus, facta levi compressione, guttatim suceus ille efflue- bat.“ Noch deutlicher sei dies aber sichtbar gewesen im Hoden eines brünstigen Ebers: ‚et tunc vasa illa, qua pulli gallinacei pennas fere aequant, distinete absque ulla praeparatione conspiciuntor, ob tineturam sanguineam inter alias candicantes fibras interseptas‘. Nach dem hier mitgetheilten halte ich die „Vasa“ Borelli für Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 41 identisch mit den Vasa praeparantia Aubery’s als für die durchschnit- tenen bindegewebigen Scheidewände des Hoden. Borelli redet auf- fallender Weise gar nicht von den Vasa testicularia, welche Aubery von den V. praeparantia unterscheidet. Entweder hat Borelli die Mitthei- lungen Aubery’s nicht völlig richtig aufgefasst oder Aubery selbst ist hier über den eigentlichen Unterschied der Vasa praepa- rantia und testicularia gar nicht klar geworden. — — Die hervor- ragende Bedeutung der Arbeit Graaf’s hat Borelli gar nicht erkannt; ersagt: „Regner de Graaf eandem structuram testium edidit et quam- plurima praeclara adinvenit, non anidmadversa ab Auberio“. Grade von der bedeutenden Differenz zwischen Graaf’s und Aubery’s Anschauungen in Betreff des Corpus Highmori wird keine Silbe geäussert. Borelli fasst seine eigene Anschauung über den Bau des Hodens in folgenden kurzen Satz zusammen: „Ex horum Cl, virorum observationibus habemus, quod arteriae sanguinem ad testes deferunt, insuper nervea vasa propria candida testium componunt substantiam eorum, quae in ductu nervoso per axin extenso, et postea in singulari longissimo canali epididymidis producto desinunt in vasa semen deferentia, quae ad veniculas seminarias exonerantur“. Hierbei ist von den Vasa testicularia Aubery’s oder von Gebilden, welche als Hodenkanälchen aufgefasst werden könnten, offenbar gar keine Rede. Weiter erörtert Borelli noch genauer die Frage nach der Beschaffenheit des „ductus seminalis“ — aus welcher Erörterung ich wieder den Schluss ziehe, dass die ductus seminales Borelli’s die bindegewebigen Scheidewände der Hodenläppchen sind. Er nennt sie columnulae vermiculares, filamenta columnaria und sagt dann: „et licet non conspiciatur origo, et continuata progressio earumdem columnularum, tamen credibile est in tunica albuginea radicari, ibi- demque exsugere ex sanguine succum candidum glutinosum; pariter per laterales porositates eosdem sanguineos fluores imbibere — desi- nunt postea praedietae columnulae in fasciculum nervosum in axi testis positum, quae in ductum longissimum serpentinum epidi- dymum evomunt seminalem fluorem“. — Aus dieser und der früher angeführten Stelle entnehme ich, dass Borelli trotz Graaf’s und Horne’s Publicationen weder die eigentlichen Hodenkanälchen noch die eigentlichen Ausführungskanäle gekannt hat. Auch Leal Lealis erklärt sich gegen Graaf und im Wesent- lichen für Highmore (Lealis Lealis eoı Tov omsouarızav 0eycvov sive de partibus semen conficientibus in viro; exercitatio 42 Ludwig Stieda: epistolica ad Dominicum de Maschetis Pataviae 1656 — abgedruckt in Bartholomaei Eustachii Opuscula anatomica Delphis 1726.) Leal hat vor Allem den Hoden des Bockes untersucht und schildert diesen. Es ist der Hoden zusammengesetzt aus einer bindegewebigen Haut (membrana nervea) und verschiedenartigen Gefässen (vasorum com- plures species). Die Arterien laufen strahlenförmig theils grade, theils schräg zum Centrum (Axe) des Hoden und gehen hier in einen festen, weissen mit Samen gefüllten Körper über („implantantur in corpus albicans validum et siminali succo refertum‘“). Mit den einzelnen Arterien gemeinschaftlich verlaufen sehr dünne weissliche Fäden, welche in der tunica nervea verschwinden; Leal vermuthet, dass es Lymphgefässe seien („tenuissima vasa candida Iymphatieis non imparia“) und dass sie in die Venen übergingen; möglicher Weise seien es jedoch auch Nerven, welche den Spiritum ani- malem leiteten. — Gegenüber der unzweifelhaft richtigen Behaup- tung Graaf’s, dass jener centrale Körper (Corpus Highmori im eigentlichen Sinne) nicht in allen Hoden zu finden sei, hält Leal mit grosser Entschiedenheit daran fest, dass jener Körper in allen Hoden existire; er wisse genau, dass der Körper hohl sei und mit der Epididymis in Verbindung stehe. Er wolle ihn weder radix epididymidis (Highmore), noch membrana vasa fuleiens (Regnerde Graaf) nenren, sondern meatus seminalis: „Est itaque, ut illius yoapırzog naturam adumbrem, meatus seminalis corpus cavum, albicans, oblongum, inaequaliter latum et compressum, per medium testem interiore parte excurrens, extensa sed praetenui membrana confeetum, semini in vasis propriis elaborato extra testes in epidi- dymide vehendo dicatum‘“. Ausser den genannten und zum kleinen Theil den Hoden zusammensetzenden Gebilden wird die grosse Masse des Hoden erfüllt durch feine verwickelte und mit einander verwebte Gefässe („intricata vero et veluti inter se contexta vascula con- fereiunt‘“), welche von der Oberfläche des Meatus seminalis entspringen und den ganzen Hoden durchziehen. Diese Gefässe — in der bei- gefügten Abbildung sind sie „vascula seminaria“ genannt — haben die Aufgabe den Samen zu bereiten. Die Arterien leiten das Blut, die Nerven den Spiritus animalis zum Meatus seminalis, während die Samengefässe ebendaher die in Samen umgewandelte Substanz und die Lymphgefässe die Flüssigkeit aufnehmen. Wie Leal hier innerhalb des Meatus seminalis die Vereinigung zwischen den vier genannten Gebilden (Arterien, Nerven, Samenkanälchen und Lymph- Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 43 gefässen) vorstellt, ist mir nicht klar geworden. — Der Meatus semi- nalis durchbohre die tunica nervea und gehe dann weiter in die Epididymis über. In Bezug auf den Hoden des Mannes macht Leal die richtige Bemerkung, dass der Meatus seminalis nicht wie beim Bock im Centrum liege, sondern an derjenigen Region der Membrana nervea befestigt sei, welcher äusserlich die Epididymis der Länge nach anliegt. In der Identificirung des Meatus seminalis Leal’s und des Corpus Highmori ist denn der Grund zu suchen, dass von nun ab auch im Hoden des Mannes von einem Corpus Highmori die Rede ist — während Graaf mit Recht sagen konnte, dass der menschliche Hoden ein sogenanntes Corpus im Sinne Highmori’s nicht besitze. Leal leugnet mit Entschiedenheit, dass der Samen aus dem Hoden durch mehrere die Epididymis bildende Gänge abgeleitet werde, wie Graaf es (durchaus richtig) beschrieben und abge- bildet hatte (‚non igitur semen in testibus excoctum quina vel sena seminaria vascula principium Epididymidis efformantia abducunt, ut in glirium testiculis vidisse omnium primus Regnerius gloriatur, de quo fides apud suum autorem maneat, sed id propemodam fit, quod in Ariete optimus Pareus decrevit“). Werfe ich den Blick rückwärts auf die citirten Arbeiten des XVII. Jahrhunderts von Rialon bis Leal Lealis, so giebt sich ganz entschieden ein Fortschritt in der Kenntniss vom Bau des Hoden kund: der Fortschritt liegt in der Entdeckung der Samen- und Hodenkanälchen einerseits und der ausführenden Gänge des Hoden andererseits. Wenngleich nun diese beiden Entdeckungen Regner de Graaf’s — wie eben gezeigt — keineswegs allgemein anerkannt wurden, indem die meisten Autoren noch an den Angaben Highmore’s festhielten, so war durch die zum Theil wenigstens vermittelnde Ansicht Leal’s in Betreff des Corpus Highmori und dessen Beziehung zu den Samenkanälchen einerseits und zur Epidi- dymis andererseits jedenfalls eine Annäherung an den thatsächlichen Befund gegeben. In dem Zeitraum unmittelbar nach der Publication der Arbeit Leal Lealis sind’ keine bemerkenswerthen Untersuchungen in Betreff des Hodenbau’s zu notiren. Ein Theil der Anatomen schliesst sich an Regner de Graaf, ein Theil an Highmore — Ich finde keine Veranlassung hierüber ausführlich zu referiren, 44 Ludwig Stieda: Erst durch die Arbeiten Albrecht v. Haller’s ist ein weiterer Fortschritt gekennzeichnet, — hierauf muss ich näher eingehen. Haller’s Untersuchungen und deren Resultate sind zuerst niedergelegt in einem 1745 in Göttingen veröffentlichten Programm und dann in Ausführlichkeit wiedergegeben in seiner Physiologie (Haller, A. v. de vasis seminalibus observationes. Ex progr. Göttingae edito A. 1745 Op. miner. Tom. II Lausanniae 1767. p. 1 und Elementa physiologiae Tom. VII. 4. Bern 1795 p. 439 u. ff.) Haller gelangte zu viel günstigeren Resultaten als seine Vorgänger, weil er ein neues Hülfsmittel in die Untersuchung einführte: die Injection der Hodenkanälchen mit Quecksilber vom Vas defereus aus, Ich berichte zuerst über den Inhalt des erwähnten äusserst klar, präcis und kurz geschriebenen Programms. Haller geht darin von der Beschreibung des Vas deferens aus. Das Vas deferens gehe in die Epididymis über, welche letztere nichts anderes sei, als ein vielfach gewundener Kanal. Dort wo die Epididymis der Tunica albuginea des Hoden fest anliege, da zerfalle jener bis dahin ein- fache Kanal in viele verschiedene grosse Kanäle oder Gefässe. In Betreff der hier zuerst genau beschriebenen „Coni vasculosi‘‘ heisst es dann weiter: „Utcunque magnitudo se habuerit, certe solet epidi- dymis in decem, duodecim, etiam plures (in seiner Physiologie spricht Haller von 30) conos vasculosos se findere. Horum conorum quilibet ex uno flexuoso vase factus crassissimus est in epididymidis facie a teste remota, versus testem vero et albugineam descendendo conice decreseit. Vas vero, quale suum singulum conum composuit, sensim exporrectum, tandem ex serpente in lineam rectam mutatum, perforat albugineam, in summo illo intervallo libero albugineae, quod centrum dicam.“ Dazu macht Haller die Bemerkung, dass diese „Vasa excretoria testis (vasa efferentia in den Elementa physiologiae) zuerst von Regner de Graaf wirklich gesehen worden seien; die alten Autoren hätten sie nur vermuthet (‚ex conjectura cognita habuerunt“). Sobald die Vasa excretoria in den Hoden eingetreten sind, so bilden sie ein Netz „rete efficiunt accurate ad- textum albugineae aegreque separabile“. Dies 2!/; Linien messende Netz liege in dem Theil der Albuginea des Hoden, welcher dem freien Abschnitt der Epididymis zwischen Kopf und unterer Adhäsion entspreche; die Gefässe, aus welchen das Netz bestehe, seien ziem- lich weit, aber sehr zart. Dies Netz — schreibt Haller — findet er nirgends bisher erwähnt; an den Ort, woselbst das Netz sich Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 45 befinde, hätten einzelne Autoren (Highmore, Auberius, Leal Lealis) mit Unrecht einen Kanal verlegt, Regner de Graaf allein sei der Wahrheit nahe gekommen, indem er an der Stelle des Netzes längsverlaufende Gefässe gefunden und beschrieben hätte, welche in die Vasa exceretoria übergingen; das Netz selbst hätte Regner de Graaf nicht gesehen. — Der Hoden ist durch Scheide- wände in Lappen getheilt: ‚Intersepta ea in totidem quasi lobulos suleis factis testem dividunt; conveniunt autem omnia in lineam albam cellulosam, quae testis longitudinem legit a capite epididymidis ad imum usque testem“. Zwischen den Septa liegen die eigentlichen ductus seminiferi oder vascula serpentina, die Pulpa des Hoden (Bd. IV der Elem. Physiologiae $. XVII p. 440 werden sie ausführlich beschrieben). Die Fortsetzung dieser eigentlichen „Ductus seminiferi“ seien gerade Kanälchen die Ductuli recti; je einem Septum ent- spräche ein grades Kanälchen. Diese ergiessen sich in das — eine Art Maschenwerk bildende Netz, von wo ab die coni vasculosi aus- gehen. Bis in die graden Kanälchen hinein vermochte Haller das Quecksilber zu treiben. In $. VII des erwähnten Programms fasst Haller die Resul- tate seiner Forschungen in folgender Weise zusammen: „Adparet adeo, semen a vasculis serpentinis pulpam testis efficientibus in am- pliores ductus seminiferos rectos concurrentes, deferri. Per eos in rete testis semen venit innexum albugineam. Inde per vascula excretoria testis duodena fere perforata albuginea pergit in conos flexuosos vasculosos, qui caput epididymidis componunt. Hine denique fertur in unicum vasculum, qui primo epididymidis deinde deferens ductus est.‘ — Der citirten Abhandlung ist eine vortreff- liche Abbildung beigefüst. Haller berücksichtigt in dem citirten Programm nur die Ho- denkanälchen und deren Verlauf; vom sog. Corpus Highmori ist nur einmal nebenher die Rede: die Auffassung einiger Anatomen, das Corpus Highmori als den Ausführungsgang des Hoden zu be- trachten, wird von Haller, wie bereits oben angeführt, nicht ge- billigt. Ausführlich handelt Haller vom Corpus Highmori in einem besonderen Paragraphen der Elementa physiologiae Tom. IV, $. XVIll. Es heisst hier: „sed in ambitu exteriori (testis), qua sede ei epidi- dymis adaptatur, ea sede linea alba cellulosa est, a capite epididymidis fine inferiori extensa ad initium adhaesionis ejus infe- rioris. Hanc lineam latiusculam utraque similem ductui alicujus 46 Ludwig Stieda: salivalis et in homine, et in ariete, et in haedo reperiri. In eam ductus recti testis longa serie conveniunt.“ Die „‚linea cellulosa‘ Halleri ist eben das, was heute ganz allgemein als Corpus High- mori bekannt ist; allein Haller gebraucht diesen Terminus nicht. Indem er hieran ein kurzes Referat über die Ansichten der älteren Autoren in Betreff des Corpus Highmori schliesst, sagt er, dass Regner de Graaf beim Menschen und der Ratte kein Corpus Highmori gefunden habe, dagegen bei andern Thieren dasselbe für ein Schutzmittel der Gefässe halte; worin er vollständig im Rechte sei. Die Entdeckungen Haller’s, welche seinen Namen in die Terminologie des Hoden einbürgerten, wurde sehr bald bestätigt durch Alex. Monrofil., wie Haller in seinen Elementa physiol. selbst angiebt. Ich habe die betreffenden Schriften Monro’s nicht durchsehen können und vermag daher nichts über dieselben anzu- geben. Der von Haller gelieferten Beschreibung des Hodenbau’s konnte lange Zeit nichts Neues hinzugefügt werden; die seiner Ab- handlung beigefügte Abbildung eines injieirten Hoden ist bis auf den heutigen Tag vielfach copirt worden, sogar in der deutschen Aus- gabe von Quain’s Anatomie, bearbeitet von Hoffmann I. Band, Erlangen 1870 p. 633 fig. 388. Seit durch Haller die Lehre vom Bau des Hoden mit be- sonderer Rücksicht auf den Verlauf der Hodenkanälchen zu einem gewissen Abschluss gekommen war, sind nur wenige Autoren zu nennen, welche mit Erfolg dem Hodenbau ihre Aufmerksamkeit zu- wandten. Auffallender Weise gingen nicht einmal alle gesicherten Resultate der Haller’schen Untersuchungen in die Hoden-Lehrbücher der Anatomie der nachfolgenden Zeit über. Zum Beleg dieser meiner Behauptung diene Folgendes: Joh. Fr. Meckel (Handbuch der menschlichen Anatomie IV. Band Halle u. Berlin 1820 p. 548) spricht bei Beschreibung des Hoden weder von einem Corpus High- mori noch von bindegewebigen Scheidewänden,, nennt weder die graden Hodenkanälchen, noch das Rete Halleri, noch die Coni vas- culosi. Dagegen heisst es, die Substanz des Hoden werde durch die Blutgefässe der Haut in Läppchen getheilt; die Substanz be- stehe aus einer grossen Menge feiner zusammengeknäuelter Kanälchen (Samenröhrchen), letztere vereinigten sich zu mehreren grösseren, welche die weisse Haut durchbohren und bald wieder zu einer ge- ringen Anzahl noch ansehnlicherer zusammentreten (Vasa excretoria Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 47 oder efferentia), die letzteren bildeten den Kopf des Nebenhoden. Und so schreibt Meckel im Jahre 1820, nachdem bereits 1745 Haller seine gewichtigen Resultate veröffentlicht hatte. Clocquet (Trait& d’anatomie desceriptive 3. edition Tome II Paris 1824 g. 633) beschreibt das Corpus Highmori als ‚‚renflement de la membrane“ (albiginde), schildert die von der Albuginea aus- gehenden Septa richtig. An den einzelnen Hodenkanälchen seien kleine Erweiterungen zu finden. Einzelne der Kanälchen vereinig- ten sich untereinander zu stärkeren Stämmchen, welche in der Zahl 10 bis 30 die Albuginea durchbohren, um sich in den Kopf des Nebenhoden einzusenken. — Von Haller’s graden Kanälen, vom Rete vasculosum und den Coni vasculosi redet Clocquet Nichts. Die im Allgemeinen nicht sehr ergiebigen Untersuchungen von Johannes Müller über den Hoden (de glandulorum secernentium structura p. 106) darf ich hier nicht übergehen, weil sie nach einer Richtung hin wenigstens ‚etwas Neues bringen. Joh. Müller be- schreibt nämlich hier zum ersten Mal die geschlossenen und blinden Enden an den vielfach geschlängelten und gewundenen Hodenkanäl- chen des Eichhörnchen, erwähnt des verschiedenen Kalibers der Ka- nälchen bei verschiedenen Säugern und des verschiedenartigen Ver- _laufs. Dann schreibt er: „Conjunctio canalium ad canalem serpentinum epididymidis simplieis satis nota est; neque minus innotuit, quo modo in mammalibus plurimis tubulorum seminalium mollior substantia, praesertim eorum, qui ad epididymides tendunt, processu seu plica interna albuginea sustineatur, quem processum Corpus Highmori nominavere“. In Betreff des menschlichen Hoden verweist Müller auf Haller — von einem Corpus Highmori spricht er ebensowenig, als vom differenten Verhalten desselben bei Menschen und bei Säugethieren. Eine eingehende kritische Schilderung des Hodenbaus lieferte erst E. H. Weber 1832 (Frd. Hildebrandt’s Handbuch der Ana- tomie des Menschen 4. Ausgabe von F. H. Weber IV. Band. Braun- schweig 1832 p.383 u. ff.); ich entnehme daraus: Obgleich Weber sich durchweg an Haller anschliesst, so übergeht er auffallender Weise vollständig den von Haller gesetzten Unterschied zwischen gewundenen und graden Hodenkanälchen; er läst „die vielen feinen Samenkanälchen des Hoden in weitere netzförmig mit einander verbundene Röhrchen, „rete vasculorum Halleri“ übergehn“. Hierzu macht Weber folgende Bemerkung (l. ec. p. 385 Anmk. 2): „Ein 48 Ludwig Stieda: nach Highmor sogenanntes Corpus Highmori oder ein Nucleus testiculi (nach Winslow), wie man bei mehren andern Säugethieren antrifft, ist beim Menschen streng genommen nicht vorhanden und nur irriger Weise auch diesem zugeschrieben worden.‘ — Weber beschreibt daher im Text ganz folgerichtig kein Corpus Highmori. An die Resultate Haller’s knüpft mit weiterer Bereicherung der Lehre vom Bau des Hoden erst Lauth 1830 an (Memoire sur le testicule humain — M&m. de la soeiete d’historie naturelle de Strasbourg I). Ich kenne jedoch die Ansichten Lauth’s nicht aus dieser Monographie, sondern nur aus seinem Handbuch der Anato- mie (Al. Lauth Neues Handbuch der praktischen Anatomie; nach der zweiten französischen Ausgabe von dem Verfasser umgearbeitet Bd. H. Stuttgart u. Leipzig 1835 p. 497 u. ff). Lauth untersuchte den Hoden ebenso wie Haller mit Hülfe von Injeetionen und suchte die Zahl und das Kaliber der Hodenkanälchen zu bestimmen. Nach Lauth’s Zählungen und Berechnungen ist der Hoden zusammen- gesetzt aus mehr als SOO sehr feinen Kanälchen , deren jedes eine Länge von ca. 25 Zoll hat; die SO0O Kanälchen bilden unter einander ein Netzwerk — freie Enden sind äusserst selten zu finden. Bemer- kenswerth ist, dass Lauth auch den Unterschied im Kaliber zwischen den gewundenen und graden Kanälchen in Zahlen genau bestimmt: nach ihm haben die gewundenen Kanälchen einen Durchmesser von 1/,s; Pariser Linien, in gefülltem Zustande Yıyr P. L. Dann heisst es „die Samenröhrchen verbinden sich gegen den obern Rand des Hoden zu einer unbestimmten, jedoch beträchtlichen Anzahl von sehr kurzen, nicht mehr gewundenen etwas diekern Kanälchen, die geraden Gänge, ductuli recti. Diese letzeren münden in das Hodennetz (rete testis s. rete vasculorum Halleri) ein anastomosi- sches Geflecht von Samenkanälchen,, welche etwa !/> P. L. im Durchmesser haben. Das Hodennetz nimmt die zwei innern Dritt- theile des obern Randes (des Hoden ein, wo es in einem weissen faserigen Fortsatz liegt , welchen die weisse Haut in’s Innere der Drüse abschickt. Das Hodennetz sammt der inneren Ver- längerung der weissen Haut, welche es aufnimmt, ist unter dem Namen des Highmore’schen Körpers (Corpus Highmori) bekannt. Dieser Satz ist für die noch heute übliche Terminologie des Hoden von entschiedener Wichtigkeit: während früher Haller, später Weber, wie ich oben gezeigt, durchaus richtig ein (centrales) Ueber den Bau des Menschen-Hoden. 49 „Corpus“, wie es von Highmore bei Säugethieren beschrieben wurde beim Menschen leugnen, wird hier von Lauth ganz stricte jener ver- diekte Theil der Albuginea (welche Regner de Graaf beim Men- schen zuerst richtig deutete) als Corpus Highmori bezeichnet. Diese Auffassung und Bezeichnung des Corpus Highmori ist dann nach Lauth in alle spätern Hand- und Lehrbücher der Ana- tomen z. B. von Krause, Fick, Bock, H'yrtl u. s. w. überge- gangen. Nach einer Richtung sollte die Schilderung des Verlaufs der Hodenkanälchen erst in der neuesten Zeit eine wesentliche Berich- tigung erfahren. Seit Haller und Lauth war man der Ansicht, dass die graden Kanälchen weiter seien als die gewundenen. Dieser Ansicht trat bereits 1846 Lereboullet entgegen (Recherches sur l’anatomie des organes genitaux des animaux vertebres in den Ver- handlungen der Kais. Leop. Carol. Akad. Bd. XV. Breslau u. Bonn 1851). Lereboullet behauptete nach Untersuchungen am Hoden des Kaninchen, dass der aus jedem Hodenläppchen hervörgehende Kanal gerade werde und sich beträchtlich verengere, und dann erst in das Rete testis übergehe. Lereboullet giebt den Durch- messer der gewundenen Samenkanälchen auf 0,22 Mm. an, den ‘Durchmesser der graden Kanälchen (ductuli recti) der Arterien auf nur 0,04 Mm. — Die interessanten Ergebnisse Lereboullet’s sind, wie es scheint, übersehen worden, bis es Mihalkovicz gelang, dieselben Thatsachen auch für den Menschen und für andere Säuge- thiere festzustellen und somit die Lereboullet’schen Resultate zu verallgemeinern. In den im Eingang mitgetheilten Untersuchungen habe ich gezeigt, dass Mihalkovicz in Betreff der Verengerung der graden Hodenkanälchen durchaus richtig beobachtet hat — es mag hier die Bemerkung eingeschoben werden, dass ich mich auch im Hoden anderer Thiere (Hund, Kater, Eber, Schafbock, Stier, Hengst, Kaninchen, Ratte, Maus, Maulwurf) von der Richtigkeit dieser Thatsachen überzeugt habe. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 4 20 Fig. \. Fig. 4. Fig. 5. Ludwig Stieda: Ueber den Bau des Menschen-Hoden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel 111. Querschnitt eines gewundenen Hodenkanälchen. Vergr. 300 fach. a. bindegewebige Wand. b. Membrana propria. ce. Zellen der Zwischensubstanz. Querschnitt eines gewundenen Hodenkanälchens. Vergr. 300 fach. a. bindegewebige Wand. b. innerste Schicht der Wand (Membrana propria einiger Autoren). Uebergang eines gewundenen Hodenkanälchens in ein gerades. Vergr. 80 fach. a. bindegewebige Wand des gewundenen. a’ bindegewebige Wand des geraden Kanälchen. d. Epithelschicht des gewundenen Kanälchen, welche sich von der Wand abgelöst hat, so dass zwischen Wand und Epithel ein leerer Raum sichtbar ist. d‘ Epithelschicht des geraden Kanälchen. Aus einem Querschnitt des Hoden. Vergr. 80fach. Die bindege- webige Wand der Kanälchen ist nur durch eine einfache Linie an- gedeutet. A, A, A. gewundene Kanäle. B, B das leicht erweiterte Anfangsstück des geraden Kanälchen. C. die verengte Uebergangsstelle zwischen geraden und gewundenen Kanälchen. D. das Kanälchen des Rete Halleri. d. Epithelschicht des gewundenen. d‘ Epithelschicht des geraden Kanälchen. d’ Epithelschicht der Kanälchen des Rete Halleri. Aus einem Hodenquerschuitt: Uebergangsstellen zwischen einem ge- wundenen und einem geraden Kanälchen. Vergr. 300 fach. A, B, C. wie Fig. 4. a. bindegewebige Wand. d. Epithelschicht der Kanälchen. Beitrag zur Kenntniss der Biudesubstanzen bei Avertebraten, 51 Beitrag zur Kenntniss der Bindesubstanzen bei Avertebraten. Von Dr. F. Forster, Privatdocent in München. Bei Gelegenheit seiner Studien über die Bindesubstanzen der wirbellosen Thiere ersuchte mich Professor J. Kollmann, einige vergleichende Untersuchungen über das chemische Verhalten gewisser an Bindesubstanzen reichen Organtheile niederer Thiere zu machen und speciell zu prüfen, ob in denselben leimgevende Substanz , wie in dem Bindegewebe der Wirbelthiere, sich vorfinde. Bekanntlich ist es nicht gerade leicht, wenn nur kleine Mengen der Gewebe zur Verfügung stehen, die Gegenwart von leimgebendem Gewebe resp. Leim, in welchen diese übergeführt werden müssen, nachzuweisen. Nach einigen Voruntersuchungen, die nicht weiter interessiren, habe ich vorerst aus sehr geringen (Juantitäten von Geweben höherer 'Thiere, die sicher leimgebende Substanzen ent- halten, Leim zu erhalten versucht und zwar wurde zu dem Zwecke frisches nicht ausgelaugtes Ochsenfleisch mit oder ohne Zusatz von Wasser in eine Glasröhre gebracht, die Röhre zugeschmolzen und sodann kürzere Zeit hindurch bei 130° C. im Luftbade erhitzt. Die so gewonnene zum Theile gelöste Masse wurde mit heissem Wasser extrahirt, heiss filtrirt, und das Filtrat auf etwa 5—10 Ce. einge- dampft. 20 Gramm des frischen Fleisches ohne Wasserzusatz auf solche Weise behandelt gaben eine Flüssigkeit, welche nicht unmittel- bar beim Erkalten, jedoch nach etwa 12—24stündigem Stehen in der Kälte zu einer zitternden Gallerte erstarrte.. 10—15 Gramm frischen Fleisches mit etwa 10° Wasser in die Röhre eingeschlossen und gleicherweise behandelt lieferten ebenfalls noch nach dem Er- kalten und mehrstündigem Stehen an einem kühlen Orte eine deut- lich erkennbare zitternde Gallerte. Wie das Säugethierfleisch wurden nun auch die mir von Pro- fessor Kollmann übergebenen frischen Präparate, welche von fremden histologischen Bestandtheilen möglichst gereinigt und sorg- fältig abgewaschen fast nur die Bindesubstanzen der niederen Thiere darstellten in der angeführten Weise, nur unter Zusatz von destillirtem Wasser verwendet. Zur Untersuchung kamen so: 52 J. Forster: 1. 5 Gramm des bei 100° getrockneten Mantels von Unio margaritifer und Anodonta cygnea, was mindestens 30—40 Gramm des frischen Organs entspricht. 2. 11 Gramm bei 50° getrockneter Muskeln von Sepia offici- nalis, was ungefähr 40—50 Gramm des frischen Fleisches entspricht. 3. 7.4 Gramm an der Luft getrockneter Haut von Sepia offi- einalis und Eledone ımoschata, welche vorher mit kaltem destillirtem Wasser ausgewaschen worden. 4. 1 Gramm des bei 50—60° getrockneten Kopfknorpels von Cephalopoden. Bei keiner der untersuchten Proben konnte auch bei starker Einengung des schliesslich erhaltenen Filtrates eine Gallertbildung beobachtet werden, auch nicht nach 24stündigem Stehen an einem kühlen Orte. Als nun die eingedickten Proben in, Porzellanschalen bei einer Temperatur, die 10° ©. kaum überschritt, an der Luft stehen blieben, erwiesen sie sich nach Verlauf von 2—3 Tagen als dicke Masse, welche an der Schale stark klebte. Der darin befind- liche Glasstab konnte nur mit knackendem Geräusche und mit Hin- terlassung eines kleinen ın die Höhe gezogenen spitzen Kegels, der sich allmählig wieder verflachte, aus der Masse ausgezogen werden, während ihm etwas der klebrigen Substanz anhängen blieb. Ich bemerke, dass diese Erscheinung bei allen Proben, auch bei der geringen Menge der verarbeiteten Cephalopodenkopfknorpel, aus denen Schlossberger!) nach ®/,stündigem Kochen bei vier Atmosphären-Druck einen chondrinartigen, aber nicht gelatinirenden Körper erhalten, in geringerem oder höherem Maasse auftrat, der Schätzung nach jedoch in dem Extrakte des möglichst rein gewon- nenen Muskelfleisches der Sepien am stärksten sich gestaltete. Bei weiterem Eintrocknen in kühler Luft blieb schliesslich eine harte, etwas glänzende und spröde Masse zurück, die in ihrem An- sehen nur wenig von gewöhnlichem getrocknetem Tischlerleim ver- schieden schien, sich in wenig kaltem Wasser jedoch allmählig und vollständig löste. Es konnte vermuthet werden, dass die reichliche Gegenwart von Extractivstoffen etc. eine Gallertbildung verhindert hätten. Um dieselben zu entfernen, habe ich nun den von Nr. 2 gewonnenen Auszug in kaltem Wasser aufgenommen und der Dialyse unterworfen, 1) Schlossberger, Chemie der Gewebe, 1856, S. 13. Beitrag zur Kenntniss der Bindesubstanzen bei Avertebraten. 53 die Probe von Nr. 3 dagegen in wenig Wasser gelöst und mit 90°/sigem| Alkohol gefällt, in dem bekanntlich Leim unlöslich ist. Der Inhalt der Dialysenzelle sowohl wie der reichliche in Wasser gelöste Alkoholniederschlag gaben, auf dem Wasserbade zum Syrup eingedampft, auch jetzt keine Gallerte beim Erkalten, sondern erst nach mehrtägigem Stehen an der Luft die gleiche klebrige Masse wie früher. Ausser den obigen 4 Organen oder Organtheilen wurden noch 13 Gramm der im warmen Luftstrome getrockneten Schulpen der Sepia offieinalis in der erwähnten Weise untersucht, allein das ein- geengte Filtrat bildete hier eine schmierige Masse, die allmählig eintrocknete, ohne eine klebrige Beschaffenheit anzunehmen. Es ist das das gleiche Resultat, das J. Müller und Schlossberger!) bei ähnlicher Behandlung des Os sepiae und von Molluskenschalen erhielten. Da die Gallertbildung beim Erkalten des eingedickten Saftes, der auf die oben angegebene Weise aus Säugethierfleisch gewonnen wurde, dafür spricht, dass die angewandte Methode der Darstellung von Leim und des Nachweises von leimgebendem Gewebe in tbie- rischen Organen ausreichend ist, so scheint aus dem Gesagten her- vorzugehen, dass gewöhnlicher gelatinirender Leim in den durch die genannte Behandlung aus den Organen niederer Thiere erhal- tenen Flüssigkeiten nicht oder nur in sehr geringen Mengen zugegen ist. Das verschiedene Verhalten der frischen Bindesubstanzen der niedern und höhern Thiere gegenüber der gewählten Untersuchungs- methode lässt sich nun meiner Auffassung nach auf zweierlei Weise erklären und zwar müssen wir entweder annehmen, dass die unter- suchten Bindesubstanzen der niedern Thiere überhaupt nicht oder nur zum geringsten Theile aus leimgebendem Gewebe bestehen, oder dass die organische Grundlage der genannten Substanzen beim Kochen zwar einen leimartigen Körper liefert, der sich jedoch von den Eigenschaften des aus dem Bindegewebe höherer Thiere ge- wonnenen Leimes unterscheidet. Für diese Auffassung dürfte der Umstand sprechen, dass das Muskelfleisch der Sepien , das bekanntlich ‘vielfach als menschliches Nahrungsmittel verzehrt wird, beim Kochen mit Wasser nicht weich HA 0.8.18, 54 E. Neumann: wie das Fleisch der pflanzenfressenden Säugethiere, sondern derb, selbst lederartig wird. Ob aus erössern Mengen des Sepienfleisches doch nachweis- bar Leim sich darstellen lässt, dessen Eigenschaften genauer geprüft werden könnten, scheint nach einer Angabe Hoppe-Seyler’s'!) nicht unmöglich zu sein. Mit Sicherheit aber lässt sich die vorliegende hauptsächlich histologisch-interessante Frage vielleicht durch Verdauungsversuche mit Trypsin nach der jüngsten Mittheilung von Ewald und W. Kühne?) entscheiden. München, am 8. Dezember 1876. Die Jodreaktion der Knorpel- und Chorda-Zellen. Von Professor E. Neumann in Königsberg i. Pr. Hierzu Tafel IV. In meinem Aufsatze „Bemerkungen über das Knorpelgewebe und den Össifikationsprozess“ ®) habe ich es als eine Eigenthümlich- keit der Knorpelzellen hervorgehoben, dass dieselben unter der Ein- wirkung von Jodlösungen ‚eine rothbraune oder bei intensiverer Einwirkung schwarzbraune Farbe annehmen. Dieselbe Beobachtung theilt Ranvier in seinem Traite technique d’histologie an mehreren Stellen) mit, indem er die Farbe als brun-acajou (Mahagonibraun) bezeichnet, und dieselbe auf die Anwesenheit von Glycogen in den Knorpelzellen bezieht. Da die Thatsache hierdurch ein erhöhtes —— 1) Tübinger mediz.-chem. Untersuch. S. 586. 2) Verhandlungen des naturhist.-mediz. Vereins zu Heidelberg, I. Bd., 5. Heft. 1876. 3) Archiv d. Heilkunde XI p. 414. 1870. 4) Ranvier ]l.c. p. 273, 279, 296. Ob R. bereits früher Angaben über diesen Gegenstand gemacht hat, bin ich aus den Jahresberichten nicht zu ermitteln im Stande gewesen, Die Jodreaktion der Knorpel- und Chorda-Zellen 55 Interesse gewonnen hat, so möge es mir gestattet sein, hier einige ergänzende Bemerkungen hinzuzufügen. Um die Reaktion zu erhalten, wendet man am besten schwache Jodlösungen an, welche die anderen Gewebstheile nur blassgelblich färben. Die ‚„jodrothen“ Knorpelzellen treten alsdann in ganz dem- selben Farbentone, welchen amyloid entartete Gewebe bei der Jod- behandlung annehmen, auf’s Schärfste markirt hervor, während bei intensiverer Einwirkung der Farbenkontrast viel unkenntlicher wird. Als das Substrat der Färbung zeigt sich eine dem Protoplasma der Zellen angehörige Substanz, welche entweder nur einzelne Theile der Zellen einnimmt oder diffus über den ganzen Zellkörper verbreitet ist. Im ersteren Falle findet meistens eine scharfe Abgrenzung der rothen und gelben Theile der Zellsubstanz, seltener ein allmähliger unmerklicher Uebergang beider ineinander statt. Der Kern nimmt an der Reaktion keinen Antheil, wenigstens findet man ihn überall, wo er deutlich erhalten ist, gelbgefärbt. Ueber die Beschaffenheit der Substanz, welche die rothe Färbung annimmt, gelingt es natürlich am besten in solchen Fällen, wo dieselbe in grösseren Massen auftritt, ins Klare zu kommen, wie das z. B. häufig in den richtig entwickelten Zellen von Knorpeige- schwülsten der Fall ist. Die Figuren 1—10 auf Taf. IV sind den Gallertklümpchen , welche den Inhalt der Höhle eines erweichten Enchondrons bildeten, entnommen. Abgesehen von der verschiedenen Anordnung und Ausbreitung der rothgefärbten Theile, bietet, wie man sieht, ihre Substanz überall denselben Charakter einer homo- genen, etwas glänzenden Masse von höchstwahrscheinlich zähflüssiger Consistenz dar. Bisweilen erscheint dieselbe in einzelnen Tropfen im Innern der Zellen oder an ihrer Peripherie angesammelt (Fig. 1, 2, 3), andere Zellen erscheinen von ihr grösstentheils oder voll- ständig umflossen (Fig. 4, 5, 6, 7); in Fig. 8 ferner sieht man eine Zelle, aus welcher ein grosser Tropfen sauber hervorzutreten scheint, daneben (8 a) befinden sich einige freie Tropfen derselben Substanz. Auch fehlt es nicht an Zellen, welche sich als durchweg dunkel- rothbraun gefärbte’glänzende Klümpchen ohne sichtbaren Kern dar- stellen. Sehr häufig sind in die so umgewandelten Zellen auch farblose Fetttropfen eingeschlossen. Die homogene und hyalinglänzende Beschaffenheit der Substanz, welche die rothe Färbung annimmt, macht es in Fällen, wo die Zellen reich an derselben sind, auch möglich, sie ohne Zuhülfenahme 56 E. Neuniann: : des färbenden Reagens deutlich von dem übrigen Protoplasma der Zellen, welches immer eine mehr oder weniger körnige Beschaffenheit hat, zu unterscheiden, wie die Zelle in Fig. 9, welche aus demselben Enchondron stammt, zeigt. Es ist diese eigenthümliche Differen- zirung in dem Protoplasma der Knorpelzellen, soviel ich sehe, sonst nirgends besehrieben und ich finde nur bei Heitzmann!) eine An- gabe, die ich auf diese Verhältnisse beziehen möchte. Er spricht (l. e. p. 16) von Knorpelzellen zweierlei Art, „blass gekörnten, mit einem deutlichen Kern versehenen, und stark glänzenden, gelblichen undeutlich gekörpten , scheinbar kernlosen Knorpelzellen“ und fügt hinzu, dass man auch Zellen finde, ‚deren Körper z. Th. blass und feingekörnt, z. Th. besonders an einer Randparthie glänzend ist“. Da Heitzmann an dieser glänzenden Substanz der Knorpelzellen eine gelbliche Färbung durch Blutfarbstoff wahrgenommen haben will, so bezeichnet er sie als „haematoblastische‘‘ Substanz, was jeden- falls auf einem Irrthum beruht. Von der Einwirkung von Jod- lösungen auf dieselbe berichtet er Nichts. Was die Bedeutung der beschriebenen Jodreaktion betrifft, so wird es kaum bestritten werden können, dass dieselbe ein physiolo- gisches Attribut der Knorpelzellen darstellt, und nicht etwa auf eine pathologische Veränderung derselben bezogen werden darf. Es er- giebt sich dies aus der Constanz derselben. Schon bei dem Embryo tritt dieselbe auf (der jüngste menschliche Foetus, welchen ich daraufhin zu untersuchen Gelegenheit hatte, war 3 Monate alt, die Zellen der Rippenknorpel zeigten deutlich jodrothe Partikelchen in dem gelben Protoplasma) und erhält sich während des ganzen Lebens. Eine Ausnahme machen nur die platten kleinen Knorpelzellen, die an der Peripherie dicht unter des Perichondrium liegen, sie scheinen stets frei von der Veränderung zu bleiben und verhalten sich dem- nach so wie die Bindegewebselemente des Perichondrium selbst. Besonders hervorheben will ich, dass die grossen runden Zellen in der sog. hypertrophischen Knorpelzone des Ossifikationsrandes wach- sender, Knochen sich aufs Deutlichste färben, was namentlich an den bekannten sternförmig zackigen Figuren der geschrumpften Zellen auffällig hervortritt, während die unmittelbar anstossenden kleinen Zellen der primären Markräume einfach gelb erscheinen. 1) C. Heitzmann, Studien an Knorpel und Knochen. Wiener medie. Jahrbücher IV. 1872. A ee ee Die Jodreaktion der Knorpel- und Chorda-Zellen. 57 Die Reaktion ist nun aber ferner nicht nur dem Hyalinknorpel eigen, sondern auch die zelligen Elemente des Faser- und Netz- knorpels zeigen dieselbe in schönster Weise, desgleichen die grossen sternförmigen Zellen in dem Knorpelgewebe gewisser Enchondrome. Für letztere möchte ich sogar ihr Verhalten gegen Jodlösungen als ein werthvolles mikrochemisches Kriterium zur Konstatirung des Knorpelgewebes bezeichnen, da bekanntlich die morphologische Aehn- lichkeit des sogen. „Sternknorpels‘‘ und des Schleimgewebes mit seinen anastomosirenden Zellnetzen eine sehr grosse ist und zu Irrthümern verleiten kann. In derselben Weise wie die Knorpelzellen, reagiren nun, wie ich bei Untersuchung von Petromyzon, Rana und menschlichen Embryonen finde, die Zellen der Chorda dorsalis gegen Jod. Allen Beobachtern (ich brauche nur W. Müller’s eingehende Darstellung!) zu eitiren) ist die ho- mogene und glänzende Beschaffenheit der Chordazellen aufgefallen. Als ich durch dieselbe veranlasst wurde, Jodlösungen einwirken zu lassen, sah ich, wie die ganze Substanz der Zellen eine gleichmässig jodrothe Farbe annahm, nur die dicke Membran der Zellen und der Kern nehmen an ihr nicht Theil. Wir haben hier also eine so reichliche Anhäufung der durch die Jodfärbung charakterisirten Substanz vor uns, wie nirgends anders; wir dürfen sagen, dass sie die Hauptmasse der Chorda bildet und jedenfalls verdankt diese ihr die eigenthümliche zellenartige Beschaffenheit. Diese Thatsache dürfte zu Gunsten der neuerdings von Ranvier?) bestrittenen Zu- gehörigkeit der Chorda zu dem Knorpelgewebe,, sowie auch für die gleichfalls von mehreren Autoren angefochtene Entstehung derselben aus den Zellen des mittleren Keimblattes in die Wagschale fallen; wenigstens hätte Ranvier, wenn er die Jodreaktion der Chorda- zellen erkannt hätte, darin mit demselben Rechte einen Beweis für ihre Knorpelnatur erblicken müssen, mit welchem er das Nichtein- treten der Jod-Reaktion an den Zellen des sogen. Achilles-Knorpels der Frösche als Argument gegen die wirklich knorpelige Beschaffen- heit desselben benutzt). Fragen wir nunmehr nach der chemischen Natur der uns be- 1) W. Müller, über den Bau der Chorda dorsalis, Jenaische Zeitschrift f. Mediein und Naturwissenschaft, Bd. VI, 1871. 2) Ranvier Trait& technique Nr p. 271, 3) Ranvier |. c. p. 361. 58 E. Neumann: schäftigenden Substanz, so lässt sich die Vermuthung, dass es sich um eine Amyloidsubstanz handelt, trotz des gleichen Verhaltens dieser gegen Jodlösungen zurückweisen; dagegen spricht ebensowohl der Umstand, dass es nicht gelingt, an den mit Jod behandelten Knorpelpräparaten mit Schwefelsäure weitere charakteristische Farben- veränderungen hervorzurufen, als auch die Untersuchung mit Anilin- violett, welches, wie Heschl!) gefunden hat, die Amyloidsubstanz roth färbt, während die Knorpelzellen stets einen blauen Farbenton annehmen. Hiemit soll natürlich keineswegs geleugnet werden, dass unter pathologischen Verhältnissen wirkliche Amyloid-Degenerationen im Knorpel vorkommen, wie dies ja bereits vor längerer Zeit Virchow?) gezeigt hat. Dagegen verdient die von Ranvier auf- gestellte Behauptung, dass die physiologische Jod-Reaktion der Knorpelzellen auf der Anwesenheit von Glycogen beruhe, alle Beachtung. Ich habe leider nicht in Erfahrung bringen können, ob sich diese Aufstellung auf eine chemische Untersuchung des Knorpels stützt oder ob Ranvier die Jod-Reaktion allein genügt hat, um die Existenz von Glycogen im Knorpel als erwiesen anzunehmen. Es erschien nun deshalb eine weitere Prüfung dieser Frage wünschens- werth und ieh ersuchte deshalb meinen Kollegen Jaffe, eine Unter- suchung sowohl des Knorpels als der Chorda dorsalis (von Petromy- zon) auf Glycogen anzustellen. Derselbe hatte die Freundlichkeit, mir darüber folgenden Bericht zur Veröffentlichung mitzutheilen: „Die in kleine Stücke zerschnittene Chorda dorsalis wurde mit sehr verdünnter Kalilauge gekocht, die erhaltene Lösung mit Essig- säure neutralisirt, von dem entstandenen Niederschlage abfiltrirt und mit einem grossen Ueberschuss von Alkohol gefällt. Das fiockige Präcipitat wurde wiederum abfiltrirt, mit Alkohol gewaschen, und in wenig heissem Wasser gelöt. Die Lösung gab die Reaktionen des Glycegen in exquisitester Weise: sie zeigte die charakteristische milchig opalisirende Beschaffenheit, auf Zusatz verdünnter Jodlösung die dem Glycogen eigene burgunder- rothe Färbung, welche bei schwachem Erwärmen verschwand, beim Erkalten wiederkehrte. Eine Probe mit Speichel digerirt wurde nach kurzer Zeit durchsichtig und klar und gab etwa nach einer 1) Heschl, Wiener Mediz. Wochenschrift 1875, Nr. 32. 2) Virchow, Würzb, Verhandlungen VII p. 277 und Archiv VII p. 364. Die Jodreaktion der Knorpel- und Chordazellen. 59 Stunde bei der Trommer’schen Probe die schönste Zuckerreaktion ; ein anderer Theil der Lösung, mit verdünnter Salzsäure gekocht, wurde ebenfalls in wenigen Minuten klar und gab auf Zusatz von Kali und Kupfervitriol beim Erwärmen Ausfällung von Kupferoxydul.“ Leider ergab die Untersuchung des Knorpels auf Glycogen kein so unzweideutiges Resultat, es gelang Herrn Collegen Jaffe bisher nicht, aus den zu wiederholten Malen in Untersuchung genommenen Rippenknorpeln erwachsener Individuen , welche die mikroskopische Jod-Reaktion deutlich zeigten, Glycogen oder einen Glycogen ähn- lichen Körper mit Sicherheit zu gewinnen, doch sind die betreffenden Untersuchungen noch nicht abgeschlossen und jedenfalls macht der durch Jaffe geführte positive Nachweis des Glycogen in der Chorda dorsalis es in hohem Grade wahrscheinlich , dass die Knorpelzellen ihre Jod-Reaktion demselben Körper verdanken. Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Von Joh. Dogiel. Hierzu Tafel Va. Doctor Foster macht in seiner Abhandlung ‚Ueber einen be- sonderen Fall von Hemmungswirkung‘“!) darauf aufmerksam, dass bei Helix und Anodonta nicht nur die Herzcontractionen, sondern auch deren Regulirung unabhängig von dem Nervensystem sind, da es ihm nicht gelingen wollte, Nervenfasern und Ganglienzellen im Herzen dieser Thiere nachzuweisen, während er anderseits Herz- stillstand in der Diastole beobachtete bei Reizung des Herzens mittels das Inductionsstromes. Diese interessante Erscheinung konnte er auch an einigen anderen Mollusken (Sepia, Aplysia, Salpa) bestätigen. Letztere Untersuchung wurde von Foster gemeinschaftlich mit l) Pflüger’s Archiv Bd. V, 8. 191. 60 Joh. Dogiel: G. Dew-Smith!) angestellt. — Durch diese interessanten Mitthei- lungen angeregt, entschloss ich mich, die Angaben von Foster zu prüfen. Meine Untersuchungen beziehen sich auf Pecten maximus, Aplysia, Anodonta, Salpa maxima und Helix. Am genauesten wurde das Herz von Pecten maximus untersucht. Die Musculatur des Herzens. Das Herz bei Pecten maximus besteht aus einem Ventrikel und zwei Vorhöfen, welche sich einerseits in den Ventrikel öffnen, anderseits in die Kiemenvene. Fig. la stellt den Ventrikel dar; dd — die Vorhöfe. Fig 2a und c haben dieselbe Bedeutung; d ist die Kiemenvene (der Canal zwischen den Kiemen). An der Grenze, zwischer Ventrikel und Vorhöfen,, befinden sich Klappen, die den halbmondförmigen Klappen der höhern T'hiere ähnlich, sind, wie es aus Fig. 3—bb und Fig. 4—aa zu ersehen ist. An der Uebergangs- stelle der Vorhöfe in die Kiemenvene liegen Oeffnungen, die bei Anodonta sehr leicht zu sehen sind. Auf Fig. 6 bedeuten a den Ventrikel, bb die Wände des aufgeschnittenen Vorhofs und ce — die erwähnten Oeffnungen — Ostien. Der Herzventrikel bei Pecten maximus wird, wie bekannt, von dem Mastdarm durchsetzt (Fig. 1g) und dadurch in zwei miteinander communicirende Hälften getheilt. Aus dem Ventrikel entspringt in der Richtung zur Leber und zum Magen (Nucleus?) ein grosses Gefäss (vordere Aorta), das sich in drei Zweige theilt. Von der anderen Seite entspringt aus demselben Ventrikel in entgegengesetzter Richtung, parallel dem Mastdarm, ein zweites Gefäss (hintere Aorta — Fig. 1 b und ce). — In der Nähe der Ursprungsstelle der beiden Gefässe bemerkt man Sphinc- teren (Fig. 5), die aus ringförmig angeordneten musculösen Elementen bestehen und deren Contraction die Gefässlumina zum Verschwinden bringt. Der Herzventrikel von Pecten maximus besteht aus einem Flechtwerk von Muskelfasern oder Muskellamellen. Bei oberfläch- licher Betrachtung erscheinen diese musculösen Lamellen körnig, wie er schon Weismanrn?) bemerkt hat, sieht man aber genauer hin, 1) On the Behaviour of the Hearts of Mollusks under the Influence of eleetrie currents by Dr. M. Foster and G. Dew-Smith (From the Procee- dings of the Royal Society Nro. 160. 1875.). 2) Ueber die Musculatur des Herzens beim Menschen und der Thier- reihe von Dr. Aug. Weismann in Frankfurt a. M. — (Arch, f. Physiologie und Anat. Reichert’s und Du Bois-Reym. 1861.) a ee ee ee Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. 61 so erweist sich, dass die fraglichen Lamellen quergestreift sind, wie die Herzmusculatur der Wirbelthiere. Weismann, dem diese Querstreifung im Herzen von Helix und andern Molluskeln ent- sangen war, glaubte in der Structur des Molluskenherzens und der höheren Thiere einen Unterschied statuiren zu müssen. — Die Musculatur der Vorhöfe bei Peeten maximus besteht aus Muskel- bündeln, die ein Flechtwerk bilden (Fig. 7) und ihrer Structur nach den Muskeln des Ventrikels vollkommen entsprechen. Die Quer- streifung in dem Ventrikel und den Vorhöfen von Pecten maximus Helix, Anodonta, Aplysia, ist nicht immer gleich scharf ausgesprochen. Nimmt man die in der Nähe der Sphineteren gelegenen Muskelzüge, so erscheinen sie manchmal als körnige Lamellen von verschiedener Form und. Grösse (Fig. 8). Die Körnchen sind häufig so regel- mässig, reihenweise angeordnet, dass daraus eine Querstreifung resul- tirt. Bei Einwirkung von Osmiumsäure oder absolutem Aethylalcohol, die das Gewebe in einem gewissen Grade von Contraction fixiren, tritt diese Aehnlichkeit mit quergestreifter Musculatur noch mehr hervor und häufig erhält man Bilder, die der quergestreiften Herz- musculatur der Wirbelthiere vollkommen entsprechen und von ihr nicht zu unterscheiden sind (Fig. 8). — Bei vorsichtigem Dehnen des Herzmuskels von Pecten maximus und nachträglicher Färbung mit Pierocarminammoniak erscheint häufig die contractile Substanz zerrissen und in Form von knolligen Massen in einer structurlosen Hülle liegend (Fig. S ff... Die museulösen Lamellen des Herzens bei Pecten bestehen somit aus einer contractilen Substanz, die in einer Röhre eingeschiossen ist. An den Herzen der Salpen kann man sich noch leichter überzeugen, dass es aus quergestreiften musculösen Elementen besteit. Die Herzmusculatur der Salpen ist nicht nur quergestreift, sondern besteht aus Zellen wie bei höheren Wirbelthieren in den frühen Entwicklungsstadien (Fig. 11). In einigen von diesen Muskelzellen sieht man 2—3 Kerne. Obgleich diese Kerne gewöhnlich nicht scharf contourirt sind, so kann man sie doch nicht als etwas accidentelles, der Zelle nichtangehöriges ansehen. Die Muskelzellen des Salpenherzens!) und ihr Zusammenhang sind leicht zu sehen an Präparaten, die mit Picrocarminammoniak 1) Die von mir untersuchten Exemplare von Salpa maxima und Salpa democratica, verdanke ich meinem Freunde Prof. Salensky. 62 Joh. Dogıel: gefärbt und in Glycerin eingeschlossen sind. Die Kerne und die (Juerstreifung treten jedoch schärfer hervor, wenn man die mit Pierocarminammoniak gefärbten Präparate eine Zeitlang wässert und darauf mit Syst. 8 Oc. 3 Hartnack durchforscht. Untersucht man den Herzmuskel von Pecten maximus in den verschiedenen Phasen der Contraction, so kommt man nothwendig zur Ueberzeugung, dass die Querstreifung von der verschiedenen Gruppirung der Körner in der contractilen Substanz abhängt, und dass folglich die mehr ‘oder weniger ausgesprochene (uerstreifung von dem Grade der Contrac- tion oder Dilatation abhängt. Vergleicht man nun die Structur des Schliessmuskels bei demselben Pecten maximus mit der des Herz- muskels, so überzeugt man sich, dass die Querstreifung im Schliess- muskel schärfer ausgeprägt ist, während bei Anodonta auch dieser - Unterschied zwischen den genannten Muskeln fehlt. Der Unterschied in der Structur der glatten und quergestreiften Muskeln bei höheren Thieren kann, glaube ich, ebenfalls durch die ungleiche Energie der CGontractionen beider intra vitam erklärt werden. Wenn es möglich wäre, glatte Muskein eine Zeitlang zu energischen Contractionen anzuregen, wie die Skeletmuskeln, so würden wahrscheinlich die ersteren dasselbe mikroskopische Bild liefern, wie die letzteren. Die Herznerven. Die Vorhöfe bei Pecten maximus bestehen, wie erwähnt, aus einem Muskelgeflecht, in welchem Zellen verschiedener Grösse liegen (Fig. 12a). Diese Zellen bestehen aus einem körnigen Protoplasma, einem Kern und Kernkörperchen, die sich in Picrocarminammoniak roth färben. Ausserdem sieht man in der Zelle noch eine gelbe Masse, die nach Picrocarminammoniak unverändert bleibt. Der grösste Theil dieser Zellen liegt an der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel, zerstrent liegen sie auch in den übrigen Theilen der Vor- höfe; vereinzelt sieht man sie endlich auch an der äusseren Fläche des Ventrikels, namentlich in der Nähe der Vorhöfe. Vergleicht man die isolirten Nervenzellen aus dem Kiemen-Ganglion von Pecten maximus mit den beschriebenen Zellen aus den Vorhöfen desselben Thieres, so ist die Aehnlichkeit zwischen beiden Gebilden augen- fällig. Der Unterschied besteht nun darin, dass die Ganglienzellen Fortsätze besitzen, während die Zellen aus den Vorhöfen apolar DE EEE TE Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. 63 sind. Daher glaube ich die letzteren als apolare Nervenzellen des Herzens von Peeten maximus ansehen zu müssen. — Auf Fig. 15 bedeutet a das Herz, b den Vorhof, ce die Kiemen, d das Branchialganglion bei Aplysia. An der Grenze des Vorhofs und der Kieme (c) bemerkt man eine gelbgefärbte Stelle, die bei der mikroskopischen Untersuchung eine Menge ähnlicher Zellen auf- weist, wie sie im Ganglion (d) vorkommen und auf Fig. 16 abge- bildet sind, mit dem Unterschiede jedoch, dass jene keine Fortsätze besitzen und kleiner sind, als die Zelle aus dem Branchialganglion. Auf Fig. 153 sieht man Ganglienzellen der Anodonta (Branchial- ganglion) und Fig. 14 ist ein Theil der musculösen Vorhofswand abgebildet mit den angelagerten Nervenzellen. In dem Herzen der von mir untersuchten Mollusken (Peeten maximus, Aplysia und Anodonta) befinden sich somit apolare Nervenzellen, von denen höchst wahrscheinlich die Herzeontractionen bei diesen Thieren abhängen. Es mögen hier noch einige Bemerkungen über die Bluteirculation und die Herzeontractionen bei Mollusken Platz finden. Bei Pecten maximus, Anodonta und wahrscheinlich auch bei anderen Mollusken gibt es kein vollkommen differenzirtes Gefässsystem. — Das Blut oder richtiger, die Lymphe fliesst in Lacunen, kommt mit den Kiemen in Contact und wird, im Herzen angelangt, aus letzterem wieder in die Lacunen des Körpers ausgestossen. — Spritzt man eine gefärbte Flüssigkeit in das grosse Gefäss, das beim Pecten aus dem Herzen zum Schliessmuskel geht (hintere Aorta), so füllen sich alle Spalten dieses Muskels (Fig. 9). Eine genaue Untersuchung der injicirten Räume gibt jedoch in Bezug auf die Isolirbarkeit oder Selbständig- keit der supponirten Gefässwände vollkommen negative Resultate. — In Bezug auf die Herzcontractionen bei Pecten maximus kann ich Folgendes mittheilen. — Entfernt man das Pericard, so sind die Herzcontractionen leicht zu beobachten. Nach der Vorhofscontrac- tion folgt die Contraction des Ventrikels. Solcher Contractionen zählt man manchmal 50 in der Minute. Unmittelbar nach Eröff- nung der Schale erscheint das Herz unbeweglich und erst nach einiger Zeit treten Contractionen auf, die immer rascher aufeinander folgen: bei starker Contraction des Schliessmuskels sistiren die Herz- contractionen wiederum und zwar in der Diastole. Dieser Herzstill- stand in der Diastole tritt auch jedes Mal ein, bei Reizung der Vorhöfe mit dem Inductionsstrom. Reizt man mit einem gleich starken Inductionsstrom den Ventrikel, so erfolgt Herzstillstand — 64 Joh. Dogiel: in der Systole. — Reizt man mit dem Inductionsstrom das Bran- chialganglion , das bei Aplysia in der Nähe des Herzens liegt, so tritt eine Beschleunigung der Herzcontractionen ein; ein gleich starker Inductionsstrom an die Vorhöfe applieirt, hat Herzstillstand in der Diastole zur Folge. — Aus den hier niedergelegten Beobachtungen folgt, dass die Herzcontractionen der von mir untersuchten Mollusken von dem Nervensystem beeinflusst werden, und dassin ‚der quergestreiften Herzmusculatur dieser Thiere apo- lare Nervenzellen eingelagert sind. — Erklärung der Figuren auf Tafel Va. Die Beziehungen des Herzens von Peceten maximus zu den anderen Organen. a. Ventrikel; b. Gefäss, das vom Herzen zum Nucleus geht; e. Gefäss, das sich zum Schliessmushel begibt; dd. Vorhöfe; ff. Mantel durchschnitten und zurückgeschlagen,; g. Mastdarm; h. Schliessmuskel. ' a. Ventrikel; b. Gefäss, das sich am Nucleus theilt; c. Vorhof; d. Kiemenvene; e. Nucleus; f. Schliessmuskel und g. Mantel. Fig. 3. a. Ventrikel; bb. Herzklappen zwischen Ventrikel und Vorhöfen und ce. Vorhof. Fig. 4. a. Halbmondförmige Klappen zwischen Vorhof und Ventrikel. Fig. Sphineter an dem aus dem Ventrikel heraustretenden Blutgefässe. a. Muskelfasern, die an dem Gefäss quer verlaufen; b. in der Längs- richtung verlaufende Muskelfasern. Fig. 6. Herz von Anodonta sp. a. Ventrikel; bb. Wände des angeschnit- tenen Vorhofs; c. Ostia venosa, Fig. 7. aa. Geflecht von Muskelfasern; bb. Nervenzellen aus dem Vorhof von Pecten maximus. Syst. 8. Ocul. 3 Hartnack. Fig. 8 a, b und c. Muskelzellen aus dem Herzen von Pecten maximus; d. Muskelzellen aus dem Herzen von Helix; e, ff. Muskeln aus dem Vorhof von Pecten maximus; g. Muskelfaser aus dem Schliessmuskel von Pecten maximus, Syst. 8 Oc. 3 Hartnack. Fig. 9. Querschnitt des Schliessmuskels von Pecten maximus mit den La- cunen (a), in denen das Blut oder richtiger die Lymphe circulirt. Syst. 4. Ocul. 3 Hartnack. Fig. 10. a. Herz der Salpa maxima; b. Endostyl; c. Kieme und d. Nucleus. Fig. en D Fig. a Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. 65 Fig. 11. Muskelzellen des Herzens von Salpa maxima. Syst. 8. Oc. 3. Hartnack. Fig. 12. a. Geflecht von Muskelfasern; bb. Nervenzellen aus dem Vorhof von Pecten maximus; c. Nervenzelle aus dem Branchialganglion von Pecten maximus. Syst. 8. Ocul. 3. Hartnack. Fig. 13. Nervenzellen aus einem Branchialganglion von Anodonta. Syst. 8. Ocul. 3 Hartnack. Fig. 14. Muskulöses Geflecht mit Nervenzellen aus dem Vorhof von Anodonta. Syst. 8. Oc. 3. Hartnack. Fig. 15. a. Ventrikel; b. Vorhof von Aplysia; c. Kieme; d. Branchialgang- lion und e. Herzganglion. Syst. 8. Oc. 3. Hartnack. Fig. 16. Nervenzelle aus dem Vorhof von Aplysia. Syst. 8. Ocul. 3. Hartnack. Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. Von Dr. Albrecht Budge, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut in Greifswald. Hierzu Taf. Vb. Die Frage, ob dem Knorpel Saftbahnen zukommen oder nicht, ist seit einer Reihe von Jahren schon discutirt, aber durchaus noch nicht als abgeschlossen zu betrachten. Vielmehr stehen sich die Resultate, welche nach Anwendung derselben Methoden erzielt wor- den sind, diametral entgegen, so dass die Einen Safteanälchen zu- geben, Andere sie läugnen. Die Anregung der Frage überhaupt ist ein Verdienst H. Müller’s!), der an den Knorpelkapseln des Hunde- ohres in exquisiten Fällen eine feine, radiäre Streifung wahrnahm, die er als Porencanälchen deutete. Diese Ansicht Müller’s wurde von manchen Seiten bestätigt, von anderen verworfen auf Grund von Untersuchungen, die durch Behandlung des Knorpels mit Reagentien, wie Gold, Silber, Osmium angestellt, zu verschiedenen Resultaten geführt hatten. 1) H. Müller: Ueber verkalkte und poröse Kapseln im Netzknorpel des Ohres. Würzb, naturw. Zeitschr. Bd. I. pag. 93. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 5 66 Albrecht Budge: Für das Vorhandensein von so darstellbaren Saftcanälchen er- klären sich Bubnoff!), Hertwig?), Heitzmann?°), Henoque‘), v. Ewetzky°), Petrone®). Gegen dasselbe: Retzius”), Soko- low), Colomiatti°), Brückner !°), Für das Vorkommen von Saftbahnen sprechen einige Beob- achtungen, durch die nachgewiesen wird, dass es Knorpelzellen giebt, welche mit sich untereinander verbindenden Fortsätzen versehen sind. Diese bilden dann in der hyalinen Zwischensubstanz ein Netzwerk. Bei Säugern kommen solche in oberflächlichen Gelenkknorpelschichten vor (Colomiatti, Waldeyer!!)» Vor allem verweise ich auf die Arbeit Hertwig’s 2), der bei Amphibien durch feine Canälchen untereinander communicirende Knorpelkapseln fand, die er für Saft- canälchen anspricht. Die so gewonnenen Resultate berechtigen wohl zu Schlüssen und subjectiven Deutungen, sind aber nie im Stande, einen Beweis zu liefern, dass im Knorpel ein wirkliches Röhrenwerk existirt, das Flüssigkeit führt. Deshalb glaubte auch Reitz") einen andern Weg einschlagen zu müssen und zwar den des Experiments. Indem er auf verschiedenen Wegen Zinnober in das Gefässsystem brachte, slückte es ihm Zinnoberkörnchen in den Knorpelzellen wieder auf- 1) Beiträge zur Kenntniss der Structur des Knorpels. Wiener Sitzungs- ber. Bd. 57. I. Abth. 2) Hertwig: Ueber die Entwickelung und den Bau des elastischen Gewebes im Netzknorpel. Arch. f. mikrosk. Anatom. Bd. IX. 3) H. Heitzmann: Studien am Knochen und Knorpel.” Wiener med. Jahrb. 1872. 4) Gazette med. de Paris. 1873. > 5) v. Ewetzky: Med. Centralbl. No. 16. 1875. 6) ) Aus Referaten der: 7) Jahresberichte, Hoffmann und Schwalbe, 8) \ n Virchow und Hirsch, 9) ) und Medic. Centralblatt. 10) Brückner: Dissert. Dorpat 1873. 11) Waldeyer: Jahresb. Virchow, Hirsch für das J. 1874 Histo- log. V. pag. 39 u. f. 12) Hertwig: Ueber das Zahnsystem der Amphibien ete. Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. XI. Supplementheft pag. 31 conf. Fig. 13 und 14. Taf. I. 13) Reitz: Ueber passive Wanderungen von Zinnoberkörnchen etc. Wiener Sitzungsberichte. Bd.57. Abth. 2, Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. 67 zufinden. Dieselben mussten also auf bestimmten Wegen in die Knorpelkapseln gedrungen sein. Bestätigt wurden diese Versuche allerdings nur an entzündetem Knorpel von Hutob!), während Ponfick 2), Hoffmann und Langerhans°) das Eindringen von Zinnober in den Knorpel entschieden in Abrede stellen. Heitzmann (]. c.) ist zu ähnlichen Resultaten wie Reitz (l.e.) und Hutob (. ce) gelangt; und in neuester Zeit ist durch Maas) eine Bestätigung der Versuche von Reitz erfolgt. Die bisher zur Erledigung dieser Frage angewandten Methoden hat Leo Gerlach’) geprüft, ist aber zu negativen Resultaten ge- kommen. Bei zahlreichen Versuchen, die er dagegen mit Indig- carmin angestellt, findet er die Knorpelkapseln und Zellen mit dem Farbstoff gefüllt, kommt aber zum Schlusse, dass im Knorpel keine eigenen Wege existiren, sondern dass die Ernährungsflüssigkeit den Knorpel diffus durchdringe. Dieser Schlussfolgerung widerspricht Arnold®) in einer An- merkung zu einem ganz kürzlich erschienenen Aufsatze, in welchem er sich für ein Saftcanalsystem ausspricht. Aus der kurzen Literaturübersicht, die genauer ausgeführt sich in der eitirten Arbeit Gerlach’s findet und auf die ich verweise, geht zur Genüge hervor, wie wenig übereinstimmend bis jetzt die An- sichten über die gewiss wichtige Frage für die Knorpelernährung ist. Ich habe die meisten dieser Methoden nicht geprüft, weil sie mir für die Entscheidung der Frage nicht ausreichend erschienen, sondern habe mich auf directe Injectionen ?) beschränkt, von dem — 1) Hutob: Untersuchung über Knorpelentzündung, Wiener medic. Jahrbücher 1871. 2) Ponfick: Studien üb. d. Schicksale körniger Farbstoffe. Vircho w’s Archiv. Bd. 48. 3) Hoffmann und Langerhans: Ueber den Verbleib des in die Circulation eingeführten Zinnobers. Virchow’s Archiv. Bd. 48. 4) Maas: Börner’s Zeitschrift. 5) Leo Gerlach: Ueber das Verhalten des indigschwefelsauren Na- trons im Knorpelgewebe lebender Thiere. Ein Beitrag ete. Erlangen 1876. 6) Arnold: Zur Kenntniss d. Saftbahnen d. Bindegewebes. Virchow’s Archiv 68. Bd. Anm. pag. 13 u. £. 7) Tillmanns konnte bei seinen Injeetionen der Gelenklymphgefässe keinen in die Knorpelzellen eingedrungenen Farbstoff nachweisen. Ebenso gelangte Gerlach bei direeten Injectionen an Rippenknorpeln zu einem ne- gativen Resultate. 68 Albrecht Budge: (Gesichtspunkte ausgehend, dass wenn Knorpelkapseln sich mit nicht diffundirenden Maschen füllen lassen, es präformirte und feste Wege geben muss, die eine Communikation zwischen ihnen herstellen. Die Erzeugung künstlicher Bahnen ist bei dem festen Knorpelgewebe ausgeschlossen. Schon seit mehreren Jahren mit dieser Frage beschäftigt, sind meine Untersuchungen erst kürzlich zu einem gewissen Abschluss gelangt, so dass ich mich berechtigt glaube, die bis jetzt gewonne- nen Resultate etwas ausführlicher und vollständiger vorzulegen, als es früher in einem Auszuge aus einem im medicinischen Verein zu Greifswald (6. Mai 1876) gehaltenen Vortrage über Lymph- und Blutgefässe der Röhrenknochen geschehen konnte. Alle directen Einstiche in Knorpelsubstanz mit der Nadelcanüle, Anbohrungen etc. führten mich zu keinem Resultat. Ich nahm da- her meine Zuflucht zu folgender Methode. Ich trug die Oberfläche eines Gelenkknorpel von einem Kalbs- fussknochen mit einem scharfen Rasirmesser ab, um eine frische und glatte Fläche zu erhalten. Um den Knochen legte ich eine weite Gummiröhre, und zwar so, dass die so präparirte Knorpelfläche ins Lumen der Röhre hineinsah. Die Röhre wurde fest an dem Knochen zusammengebunden. Das freie Ende der Röhre wurde dann mit löslichem Berlinerblau gefüllt und mit einem Quecksilberdruck- apparat in Verbindung gesetzt. Die Flüssigkeitssäule berührte also direct die Knorpeloberfläche, welche einem ziemlich starken Drucke von etwa 7—8 Ctm. Hg. 1—2 Tage ausgesetzt blieb. Die oberste Schicht, auf der der Farbstoff in grosser Menge niedergeschlagen war, wurde in möglichst dünner Lage entfernt und der dicht darunter befindliche Knorpel in dünne Schnitte behufs der mikroskopischen Untersuchung zerlegt. Die oberflächlichsten dieser Schnitte zeigten, dass die Knorpel- kapseln blauen farbigen Farbstoff enthielten, die die Knorpelzellen mehr oder weniger überdeckten. Zwischen den so gefüllten Kapseln in der Zwischensubstanz liess sich nun ein zwar sehr feines, aber deutlich blau gefärbtes Netzwerk erkennen, das die Kapseln mit- einander verband. (Fig. 1.) Ich war schon damals geneigt diese Linien für den Ausdruck von Wegen zu halten, die die Knorpelsubstanz durchsetzen und die Räume, in denen die Knorpelzellen gelegen sind, untereinander in Verbindung setzten. Da es mir nun weder gelungen war, diese Räume Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. 69 und Canäle, als mit Lymphgefässen in Zusammenhang stehend dar- zustellen, noch ich auch dem gewiss sehr gerechtfertigten Einwurf, es seien Kunstprodukte etwas Stichhaltiges entgegenzuhalten im Stande war, so musste ich vorläufig von dieser Methode Abstand nehmen. Anders gestaltete sich dieser Fund, als ich bei der Bearbeitung der Knochenlymphgefässe einen wesentlichen Schritt näher kam. Bei der Injection der periostalen Lymphgefässe gelang es mir die blaue Injectionsmasse in die der Verknöcherungsgrenze benach- barten Knorpelkapseln hereinzubringen. Letztere waren mehr oder weniger vollständig gefüllt, so dass bald dieselben keine Knorpel- zellen mehr erkennen liessen, bald die Injectionsmasse wie blaue Ringe dieselbe umgab. Die gefüllten Knorpelkapseln waren alle ziemlich dicht an der Ossificationsgrenze gelegen, zeigten aber noch alle Characteristica von Knorpelkapseln mit unveränderten Zellen. Hält man diese beiden Befunde zusammen, so lassen sich hieraus wohl für die Saftwege des Knorpels Schlüsse ziehen, die gestützt auf die noch unten zu besprechenden weiteren Injectionsversuche mir von Bedeutung zu sein scheinen und auf die bis jetzt so dunkle Frage einiges Licht werfen. Wenn ich auch weit entfernt bin, die durch directen Druek der Flüssigkeitssäule auf die Knorpelfläche entstandenen Netzwerke zwischen den Knorpelkapseln ihrer Grösse und Weite nach für normal zu halten, so glaube ich doch, dass die Masse sich in wirklich existirenden Räumen niedergeschlagen, dass aber durch den lange anhaltenden Druck, vielleicht begünstigt durch die sich häufig sehr früh einstellende Maceration des Knorpels in Berlinerblaulösung, eine Ausdehnung und Erweiterung der Wege stattgefunden hat. Das regelmässige Auftreten der Zeichnungen, die wiederkehrende Gestalt der Bilder macht den Gedanken an Kunstproducte nun wahrscheinlich. Dass aber auf diese Weise die Gänge im Knorpel so leicht sichtbar werden, während sie sonst nur unter gewissen Verhältnissen zur Anschauung kommen sollen, lässt auf eine Er- weiterung durch Druck schliessen. Die zweite Reihe von Versuchen von den periostalen Lymph- gefässen aus erweist den Zusammenhang dieser Knorpelgänge mit Lymphbahnen und kennzeichnet sie so als Saftwege. Aber auch das Eindringen des Berlinerblaus in die Kapseln lässt auf wirkliche 70 Albrecht Budge: Wege schliessen, da das Berlinerblau mit Ys °%/, Cl. Natr.-Lösung zu- sammen gebracht ausfällt und nicht imbibirt. Zwei Gründe veranlassten mich indessen zu einer dritten Ver- suchsreihe. Einmal ist es wünschenswerth, verschiedene Injections- massen zu versuchen, zumal das Berlinerblau nicht von allen Forschern als absolut nichtimbibirend angesehen wird und mir dies als Ein- wand gemacht werden könnte und zweitens könnte man mir ent- gegenhalten, der der Össificationsgrenze nahe gelegene Knorpel sei nicht mehr unverändert und für ihn gefundene Eigenschaften liessen sich nicht auf das Knorpelgewebe im Allgemeinen anwenden. Ich gebrauchte daher zu meinen Versuchen weiterhin folgende 3 Injectionsmassen, von denen die erste durch eine Reihe von Jahren hindurch sich als bis jetzt beste und zuverlässigste bewährt hat. Es ist eine Lösung von Asphalt in Chloroform !). Dann versuchte ich noch zwei andere Lösungen von Asphalt in Terpentin und in Benzol. Erstere hat den Nachtheil, dass sich nur geringe Mengen des Farbstoffs darin lösen, dass sie also an Orten, wohin sie ge- drungen, schwer zu erkennen ist, dafür aber den Vortheil, dass sie ziemlich lange flüssig bleibt und doch nach genügend langer Zeit den gelösten Farbstoff in festen Partikeln zurücklässt. Am zweckmässigsten scheint mir die Lösung von Asphalt in Benzol, in dem sich eine sehr grosse Menge Farbstoff leicht auflöst, das nicht so flüchtig ist wie Chloroform, aber doch bedeutend flüch- tiger wie Terpentin. Nach meinen bisherigen Erfahrungen kann ich diese Injectionsmasse als sehr brauchbar empfehlen. Ich bereite sie mir so, dass ich auf eine grosse Menge Asphalt Benzol giesse und es mehrere Tage verschlossen stehen lasse, um eine möglichst con- centrirte Lösung zu erhalten, die ich so aufbewahre. Vor der An- wendung setze ich ihr je nach Umständen Y3— '/; Benzol zu und filtrire sie durch. Bei meinen Injectionen habe ich fast immer eine jede dieser Massen in Gebrauch gezogen. Um gegen den zweiten Vorwurf mich zu schützen, dass ich für den transitorischen Knorpel gefundene Verhältnisse auf den per- manenten ohne Weiteres übertrage, wählte ich zu meinen ferneren Injectionen den Gelenkknorpel und zwar gerade diesen, weil in ihm verhältnissmässig selten die fast normalen pathologischen Verände- rungen wie Verkalkung etc. vor sich gehen. 1) Zuerst im physiologischen Institut in Leipzig angewandt. Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. 71 Da wie oben hervorgehoben durch directen Einstich in den Knorpel kein Resultat zu erzielen war, so blieben mir nur zwei Stellen übrig, von denen aus ich hoffen durfte ins Knorpelgewebe einzudringen: Uebergänge von Sehnen in Gelenkknorpel (Kalbsfuss) und zweitens Synovialhäute !). Als besonders geeignet erwiesen sich die Stellen von Gelenkknorpeln jüngerer Thiere, die noch von einer dünnen Lage der später schwindenden Synovialis bedeckt sind. Als Versuchsobjecte dienten mir vor allen Dingen Kalbsfüsse, Hammelfüsse, Frösche und Schildkröten. Die Injeetionsversuche bei Schildkröten von sich im Periost inserirenden Sehnen aus bestätigten mir zunächst den Zusammen- hang der Knorpelwege mit periostalen Lymphgefässen. Ich fand die Knorpelkapseln auf ziemlich weite Strecken hin mit der braunen Injectionsmasse gefüllt, konnte aber nicht bis zum eigentlichen Ge- lenkknorpel vordringen. Die Wege, welche die Masse in der hya- linen Substanz genommen, konnte man selbst mit sehr starken Vergrösserungen auch hier nicht erkennen. Ich versuchte daher einige Reagentien, welche die Substanz durchsichtig machten an solch injieirten Knorpelschnittchen und fand, dass durch lange Be- handlung (2—3 Tage) mit Eisessig die vorher glatt contourirten Knorpelkapseln zackig wurden und ein den Riffelzellen ähnliches Aussehen erhielten. Das Hervortreten dieser sonst bei ganz gleicher Behandlung des Knorpels nicht erkennbaren Details schreibe ich der Füllung mit dem Farbstoff zu, der in so unendlich kleiner Menge bei starken Vergrösserungen nicht mehr hier als solcher erkannt werden konnte, Bei der Injection von der den jungen Knorpel überziehenden Synovialis aus, bei der ich Einstiche ins Gewebe machte, sah ich nun die Masse leicht vordringen, ohne dass starker Druck ange- wandt werden musste und ohne dass die Synovialis durch Flüssig- keit abgehoben oder bucklig aufgetrieben wurde. Sehr häufig. füll- ten sich Blutgefässe mit, ein Umstand der mich veranlasste, die Injection zu unterbrechen. Ausser der Füllung vieler Saftcanälchen im Gewebe der Synovialhaut erhielt ich Bilder, wie sie neuerdings Key und Retzius für die dura mater gegeben ?), nämlich sich 1) Tillmanns empfiehlt diese Stellen für Injectionen von Gelenklymph- gefässen. Archiv für mikrosk. Anat. XII. pag. 658. 2) Vergleiche: Zur Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes v. Key und Retzius: Taf. XXIV. Fig. 4. Text pag. 165. 72 Albrecht Budge: kreuzende injicirte mehr oder weniger spitz endende Räume, über deren Bestimmung als Lymphbahnen ich vorläufig nicht zu urtheilen wage. Fast regelmässig erhielt ich nun injieirte Knorpelkapseln, Fig. 2, die auf den ersten Blick deutliche Mengen von braunem Farbstoff enthielten. Dieselben waren Schichten unter der bedecken- den Synovialis entnommen, beschränkten sich aber nicht allein auf die oberste Schicht. Interessant war es zu verfolgen, wie bei den verschiedenen Injectionsmassen die Füllung grösserer oder kleinerer Districte ge- lang, am schwierigsten mit Chloroform, dann Benzol, die weit- dringendsten Injectionen die mit Terpentin. Die Zwischensubstanz . zwischen den injieirten Zellen war entweder hyalin oder in einigen Fällen zeigte sie eine Reihe von feinen gelblich gefärbten Pünktchen, vielleicht der Ausdruck von den Canälchen. Fasst man das Gesagte kurz zusammen, so ergiebt sich Fol- gendes: 1) Von den periosten (resp. perichondralen) Lymphgefässen aus lassen sich dem Verknöcherungsrande nahe gelegene Knorpel- kapseln füllen, also ist eine Communikation zwischen Lymphgefässen und Knorpelkapseln gegeben. (Kalb, Hammel, Schildkröte). In- jectionsmassen Berlinerblau. Asphalt in der dreifachen Lösung. 2) Am Gelenkknorpel, dicht unter der Synovialhaut, lassen sich Districtte von Knorpelkapseln injiciren, je grösser, desto weniger flüchtig die Injectionsmasse. Eine durch feine Wege vermittelte Communikation zwischen den Kapseln ist somit erwiesen. 3) Durch directen Druck einer Berlinerblau-Säule lassen sich die Knorpelkapseln verbindende Gänge zur Anschauung bringen, die wahrscheinlich die erweiterten präformirten Canälchen darstellen. 4) Durch Behandlung mit Eisessig lassen sich an den mit As- phalt injieirten Knorpelkapseln kleine in die Grundsubstanz herein- ragende Zacken hervorrufen als Ausdruck der Saftcanälchen. Somit glaube ich die Wege, auf denen die Ernährung im Knorpel vor sich geht, nachgewiesen zu haben. Es sind unendlich feine Canälchen, die stellenweise erweitert (Kapseln) zur Aufnahme der Zellen dienen. Es'sind also die Knorpelzellen ebenso umspült von Lymphe, wie die .„Bindegewebs- und Knochenzellen und die Knorpelsubstanz ist ebenso wie jene von Saftcanälchen durchzogen, Also auch in seinen Ernährungsverhältnissen gehört der Knorpel der Gruppe der Bindesubstanzen an. Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. 73 Weitere Untersuchungen müssen noch lehren, wie sich hiernach die Entwickelung des Knorpels gestaltet. Es wird auch zu ent- scheiden sein, ob die Knorpelzellen (Heitzmann ].c.) Ausläufer in die feinen Canäle aussenden oder nicht. Und endlich bleibt noch, um sich ein vollständiges Bild der Ernährungsvorgänge machen zu können, die wichtige Frage nach dem Anfange oder dem Zusammen- hange dieser Saftcanälchen mit den perichondralen Blut- oder Lymph- gefässen zu beantworten. So mannigfach also auch noch die Lücken sind, so glaubte ich doch, meine Befunde veröffentlichen zu dürfen, da sie die Haupt- frage, ob dem Knorpel Saftcanälchen zukommen oder nicht, im wesentlichen meiner Ueberzeugung nach erledigen. Greifswald, den 3. Januar 1877, Erklärung der Abbildungen auf Taf. Vb. Fig. 1. Durch directen Druck auf eine freie Knorpelfläche injieirte Knorpel- kapseln mit einem sie verbindenen Netzwerk. Hartn. Obj. 7. Oe. 4. Fig. 2. Mit Asphalt injieirte Knorpelkapseln vom Gelenkknorpel eines Kalbs- fusses. Hartn. Obj. 8. Oe.3. Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. Von Arthur Boettcher., Hierzu Taf. VI. An einem andern Ort habe ich darüber Mittheilung gemacht, dass sich in den rothen Blutkörperehen der Säugethiere durch die Behandlung mit Alcohol und Essigsäure ein Kern nachweisen lässt. (Me&moires de l’Acad&mie Imperiale des sciences de St. Petersbourg VL. Serie. T.22. No.11). Bei weiteren Versuchen ihre Structur kennen zu lernen, bin ich dann auf eine Methode gestossen, die dieselbe in 74 Arthur Boettcher: einer ganz ausgezeichneten Weise zu überblicken gestattet, und auch hierüber habe ich der genannten Academie einen kurzen Bericht eingesandt. (Bulletin vom 11. Januar 1877). Bei der Behandlung mit Essigsäure tritt leicht eine Quellung der Blutkörperchen ein, die wieder verderben kann, was durch die Härtung in Alcohol gewonnen worden war. Diesen Uebelstand habe ich jetzt vermieden und will nun hier eine genauere Beschreibung dessen liefern, was sich durch das neue Verfahren über den Bau der rothen Blutkörperchen ergiebt. Man übergiesse einen Theil Blut mit 50 Volumtheilen Alcohol von 96 pCt., in welchem Sublimat bis zur Sättigung gelöst worden ist, und sorge dafür, dass eine rasche Vertheilung der Blutkörperchen in der Flüssigkeit eintritt. Ich habe dabei sowohl defibrinirtes und vom Serum möglichst befreites, als auch (bei Thierversuchen) direct aus der Ader aufgefangenes Blut verwandt. Sobald die Blutkörperchen in die alcoholische Sublimatlösung gelangen, wird man finden, dass ihnen der Farbstoff (das Hämatin) entzogen wird, ohne dass der mit demselben verbundene Eiweisskörper sich löst. Die Blutkörperchen bleiben also erhalten und werden blos von dem die Beobachtung hindernden rothen Farbstoff befreit. Ersteres war zwar auch bei der Behandlung mit absolutem Alcohol der Fall, aber es bedurfte dann immer noch der nachträglichen Entfärbung durch Essigsäure, welche die schon erwähnte störende Einwirkung ausübt. Durch den Zusatz des Sublimat zum Alcohol erreicht man, dass sich beides in einem Act vollzieht: die Blutkörperchen werden conservirt und werden gleichzeitig vollkommen farblos. Durch wiederholtes Umschütteln kann man die Wirkung der alcoholischen Sublimatlösung auf die rothen Blutkörperchen vor- theilhaft unterstützen. Wenn man dann letztere sich absetzen lässt, so findet man nicht mehr einen rothen, sondern einen mehr oder weniger erblassten Bodensatz, über dem die vollkommen klare Flüssigkeitssäule dunkel-braunroth erscheint. Eine vollständige Ent- färbung der rothen Blutkörperchen kommt in ungefähr 24 Stunden zu Stande, doch kann man den Prozess durch Erneuerung der Sub- limatlösung sehr beschleunigen. Ich habe es aber vorgezogen, die Blutkörperchen, bevor ich sie behufs histologischer Untersuchung andern Operationen unterzog, 48 Stunden in der Sublimatlösung verweilen zu lassen, Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 75 Nach dieser Zeit wird letztere von dem grau erscheinenden Bodensatz abgegossen und durch reinen Alcohol ersetzt. Mit diesem werden die Blutkörperchen durch Schütteln gehörig ausgewaschen und haben in demselben wenigstens 24 Stunden zu verweilen. Dann wird auch der Alcohol einfach durch Abgiessen entfernt und durch Wasser ersetzt. Die sich zu Boden senkenden Blutkörperchen stellen jetzt eine weisse, ein wenig ins Graue spielende, etwa wie Eiter aussehende Masse dar. Sie haben ihren Farbstoff vollkommen verloren und sind so widerstandsfähig geworden, dass sie durch das Wasser nicht mehr angegriffen werden. Ich habe sie acht Tage und länger darin stehen lassen, ohne dass ich in dieser Zeit eine Veränderung an ihnen hätte wahrnehmen können. Die nachträgliche Behandlung mit Wasser bietet für die mikros- kopische Untersuchung der Blutkörperchen manche Vortheile und wird namentlich durch die vorzunehmenden künstlichen Färbungen geboten, wenn man zu dem Zweck nicht alcoholische Farbstofflösungen verwenden will. Die Structurverhältnisse, von denen gleich die Rede sein wird, sind zum Theil schon an den farblos gemachten Blutkörperchen zu sehen. Schöner treten sie aber nach künstlicher Färbung derselben hervor, wozu ich vor allen Dingen wieder das Carmin, aber auch Eosin, Anilin, Hämatoxylin und Picrinsäure benutzt habe. Alle diese Farbstoffe sind brauchbar, das Carmin gestattet aber am besten nach Farbennüancen die verschiedenen Bestandtheile der rothen Blut- körperchen zu unterscheiden. Nach der im Vorstehenden angegebenen Methode sind die Blutkörperchen, deren Beschreibung ich nun folgen lasse, behandelt worden. I. Die rothen Blutkörperchen des Menschen. Während dieselben im frischen Zustande bekanntlich einander sehr ähnlich sehen, erscheinen sie, nachdem sie in der alcoholischen Sublimatlösung verweilt haben und ihres Farbstoffs beraubt worden sind, äusserst mannigfaltig und bieten in Betreff ihrer Zusammen- setzung grosse Unterschiede dar. Sie lassen sich aber ungezwungen in folgende Kategorien bringen. 76 Arthur Boettcher: 1. Blutkörperchen, die homogen und glänzend aus- sehen. (Fig. ]). Dieselben pflegen nicht in Haufen zusammenzuliegen, sondern frei in der Flüssigkeit zu schwimmen. Ihre Form ist meist in auf- fälliger Weise verändert. Sie haben nämlich gewöhnlich keine nur einigermassen bestimmbare Gestalt, sondern erscheinen ganz un- regelmässig begrenzt und an der Oberfläche mit allerhand Wülsten und Vertiefungen versehen (a, b). Ausser der stark lichtbrechenden ganz farblosen Masse sieht man weiter nichts. Sehr selten kommt es vor, dass man die Scheibenform unter diesen homogenen farblosen Blutkörperchen vertreten findet (ce). Dieselbe zeigt dann wie vor der Entfärbung eine flache dellenartige Vertiefung im Centrum und die von dieser abhängigen Schatten und Lichteffecte. Häufiger stösst man auf Maulbeerformen, die bald mit gröbern und 'spärlichern, bald mit feinern und zahlreichern kegelförmigen Fortsätzen an der Oberfläche der mehr oder weniger kuglig gestal- teten Masse besetzt erscheinen (d, e). Jeder einzelne dieser Fort- sätze ist ebenso homogen und stark lichtbrechend wie die glänzende farblose Substanz, aus welcher er sich erhebt. Hier liegen also dieselben farblosen Maulbeer- und Stechapfelformen vor, die ich früher aus den rothen Blutkörperchen der Katze durch Be- handlung derselben mit Humor aqueus gewonnen hatte (Archiv für path. Anat. Bd. XXXIX. Taf. IX. Fig. 1—5). Unter den der in Rede stehenden Gruppe angehörigen Blut- körperchen habe ich auch solche zu nennen, die auf ihrer Ober- fläche eine eigenthümliche Streifung besitzen. Bei sehr verschieden- artiger Form, wie schon durch die wenigen Abbildungen in Fig. 1 f, g,h, i, k angedeutet wird, sieht man an ihnen auf der glänzenden Obertläche entweder eine Reihe untereinander paralleler Querbänder (f), oder sie erscheinen ganz muschelartig gekerbt durch in Bogen- linien verlaufende feine Einschnitte, zwischen denen sich ebenso regelmässige Wülste erheben (g,h,i). Mitunter sind diese besonders fein und laufen von beiden Seiten in der Mittellinie zusammen, oder sie bilden eine vom Centrum ausgehende strahlige Figur in der farblosen homogenen Substanz des Blutkörperchens (k). Einige Mal habe ich auch folgende Form gesehen. Es hatte das betrefiende Blutkörperchen fast die Gestalt eines Pilzes ange- Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 77 nommen und sich dabei in zwei zwar zusammenhängende, aber doch bis zu einem gewissen Grade getrennte Theile geschieden. Die Hauptmasse bildete eine concav-convexe Scheibe von dem erwähnten homogenen glänzenden Aussehen. Der an die concave Fläche sich anschliessende Theil bestand aus einer Menge Fäden von ebenfalls glänzendem Aussehen, die sich mit dem einen Ende in die Scheibe einsenkten und mit dem andern zusammenflossen (l). Ich habe es nicht unterlassen wollen auf die vorstehenden Formen aufmerksam zu machen, weil ich sie nicht für zufällig und bedeutungslos halte, sondern die Ansicht glaube begründen zu können, dass sie mit der gleich näher zu beschreibenden innern Organisation der rothen Blutkörperchen aufs engste zusammenhängen und aus dieser abgeleitet werden müssen. 2. Eine zweite Gruppe von Blutkörperchen, welche sehr reichlich vertreten ist, zeichnet sich dadurch aus, das man an denselben zwei Substanzen unterscheidet, nämlich eine homogene glänzende Rindenschicht und einegranulirte Masseim Innern. Die letztere wird durch Carmin und Eosin stärker gefärbt. (Fig. 2.) Die hierher gehörigen Blutkörperchen liegen gewöhnlich in Haufen zusammen oder vielmehr in dünner Schicht ausgebreitet neben ein- ander. Sie besitzen meist eine Spindelform, die in allen möglichen Varietäten, als lange und schmale oder kurze und breite, vertreten ist (a, b, c, d, e, f). Auf den ersten Blick erinnern diese Blut- körperchen an manche Zellenformen aus embryonalem Bindegewebe ; es wird daher nicht leicht Jemand, der sie zum ersten Mal wahr- nimmt, auf den Gedanken kommen, dass er rothe Blutkörperchen vor sich habe, so fremdartig erscheinen sie im Vergleich mit dem Bilde, das man von diesen zu sehen gewohnt ist. Das Aneinanderhaften derselben erklärt sich daraus, dass sie von Spuren geronnenen Plasmas oder Serums, je nachdem frisches oder defibrinirtes Blut zum Versuch verwandt worden ist, zusammen- gehalten werden, und was die Spindelform betrifft, so mag die Ein- schliessung in eine gerinnende Masse für die Ausbildung derselben auch nicht gleichgültig sein. Wahrscheinlich aber ist auf die Ent- stehung der Spindelform von grösserem Einfluss, dass die Blut- körperchen in dem Moment, wo die Sublimatlösung auf sie ein- wirkte, durch heftige Bewegung der Flüssigkeit gedehnt wurden. Ich wüsste es mir wenigstens nicht anders zu erklären, warum diese 78 Arthur Boettcher: Blutkörperchen, während nur eine äusserst geringe Menge geronne- nen Eiweisses zwischen ihnen liegt, fast immer alle in einer und derselben Richtung zu Spindeln gestreckt erscheinen. Ausser den beschriebenen Spindelformen sieht man seltener elliptische und kuglige Blutkörperchen (h), an denen auch zwei Bestandtheile unterschieden werden können. Die Gestalt der centraien granulirten Masse richtet sich gewöhnlich nach der Form des ganzen Körperchens (f), d.h. man findet sie sehr gestreckt in den langen Spindeln (a, b) und zu- sammengeballt in den kugligen Blutkörperchen (h). Oft ist das aber auch nicht der Fall, indem die körnige Substanz auf das Centrum eines langgestreckten Blutkörperchens zusammengezogen erscheint (e). Einmal fand ich sie entblösst und an einer Seite der Spindel zus der Rindenschicht hervorragend (g). Wenn nun an allen diesen Blutkörperchen sich zwei Sub- stanzen unterscheiden lassen, eine homogene Rindenschicht und eine von dieser umschlossene granulirte Substanz, so liegt es sehr nahe die letztere in den Fällen, wo sie von einem kreisförmigen oder ova- len Contour begrenzt wird, für den Kern der Blutkörperchen zu halten (d, e, g, h). Aber die gleich zu erwähnenden Verhältnisse erlauben eine weitere Unterscheidung, dieihren Bau in einem andern Licht erscheinen lässt. Schon der Umstand, dass die centrale granulirte Masse häufig einen verhältnissmässig grossen Theil der rothen Blutkörperchen ausmacht, lässt vermuthen, dass es sich bei ihr nicht blos um den Kern handelt. Ferner erscheint sie häufig so ungemein lang ge- streckt (a, b), wie es bei Zellenkernen nicht vorzukommen pflegt, und endlich sieht man an ihr oft eine eigenthümliche Querstreifung (c), die auf besondere Structurverhältnisse hindeutet. Ich will mich indessen bei diesen Dingen, die manches Räthsel- hafte einschliessen, nicht länger aufhalten. Es giebt in jedem Prä- parat zahlreiche Exemplare, welche den Schlüssel für das Ver- ständniss der Eigenthümlichkeiten darbieten, welche uns hier an der granulirten Substanz im Innern der rothen Blutkörperchen ent- gegentreten. Die unzweideutigsten Formen, welche sofort auf den richtigen Weg leiten, sind in Fig. 3 und 4 dargestellt. Die der ersteren sind häufig, die der letzteren seltener zu sehen. Halten wir uns daher zunächst blos an jene. Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 79 Wir finden in ihnen Blutkörperchen von unregelmässiger Form, deren granulirte Substanz sich im Innern seitlich mehr oder weni- ger zusammengeballt hat und von hier aus zahlreiche Fortsätze in Gestalt von feinen granulirten Fäden in die anliegende homogene Rindenschicht ausstrahlt (Fig. 3). Erstere färbt sich mit sämmt- lichen Ausläufern durch Carmin oder Eosin stärker als letztere. Diese Eigenschaft sowohl, als auch die geschilderten morphologischen Verhältnisse sind so characteristisch, dass man leicht in der gra- nulirten Substanz einen von der homogenen Rindenschicht um- schlossenen Protoplasmaballen erkennen wird. Jeder Zweifel an der Richtigkeit dieser Deutung wird aber durch die Blutkörperchen be- seitigt, die ich in Fig. 4 wiedergegeben habe. 3.. Biutkörperchen, an denen drei Theile zu unter- scheiden sind: a, diehomogene glänzendeRindenschicht, b, das granulirte, durch Garmin stärker sich färbende Protoplasma und c, ein von letzterem umschlossener heller Kern mit glänzendem Kernkörperchen. (Fig. 4.) In Bezug auf die homogene Rindenschicht dieser Zellen habe ich nichts zu dem hinzuzufügen, was schon vorher über dieselbe bemerkt worden ist. Das eingeschlossene Protoplasma ist sehr ver- schieden gestaltet, bald zusammengeballt (a), bald mehr gestreckt (c), bald aber auch nach allen Richtungen mit strahligen Ausläufern versehen (b). Der Kern endlich war, wo ich ihn deutlich unter- scheiden konnte, immer kreisförmig contourirt und als ein heller homogener Fleck in dem rothen köraigen Protoplasma kenntlich. Ob er nicht auch eine Carmintärbung angenommen hatte, liess sich nicht sicher beurtheilen, jedenfalls war die Färbung, wenn sie be- stand, eine sehr unbedeutende und dadurch der Contrast mit dem roth tingirten Protoplasma um so auffälliger. Zur Characteristik des Kerns diente in allen diesen Fällen noch das glänzende Kern- körperchen, und wird Niemand bestreiten können, dass bei den in Fig. 4 dargestellten rothen Blutkörperchen sich die Attribute einer Zelle in einem bisher nicht geahnten Umfange haben nachweisen lassen. Nachdem ich durch die Vorzüge, welche die eingeschlagene Methode besitzt, dahin gekommen war, den Kern der rothen Blut- 80 Arthur Boettcher: körperchen von dem ihn umgebenden Protoplasma zu unterscheiden, mussten natürlich diejenigen Formen, bei denen man innerhalb der homogenen Rindenschicht nur eine durch Garmin roth tingirte gra- nulirte Substanz sieht, eine andere Beurtheilung erfahren. Es ist klar, dass die centrale Masse der in Fig. 2 a—g dargestellten Blut- körperchen nicht der Kern, sondern nur das Protoplasma derselben sein kann. Es lässt sich voraussetzen, dass ersterer nur desshalb in ihnen nicht wahrnehmbar ist, weil die Verhältnisse für die Sicht- barkeit desselben ungünstig liegen. Wahrscheinlich wird sie durch die Masse der granulirten Substanz einfach verhindert. Dasselbe darf von den in Fig. 3 und Fig. 5 wiedergegebenen Formen behaup- tet werden, aber in Bezug auf diese habe ich noch einiges hinzuzu- fügen, was für das Verständniss derselben wichtig erscheint. Es können die Fortsätze des Protoplasma, wie schon erwähnt, beträchtlich entwickelt und lang gestreckt sein (Fig. 3). In andern Fällen sind sie aber kurz und ganz haarartig fein (Fig.5 a, b, ec). Der centrale granulirte Ballen erscheint dann allseitig wie mit fei- nen Borsten besetzt, und zwar ist das ebensowohl bei den mehr gedrungenen Formen (a), als auch bei den dünnen langgestreckten Spindeln der Fall (c). Dann kommt es auch vor, dass die Aus- läufer eine Kegelform haben, wodurch der Protoplasmakörper inner- halb der homogenen Rindenschicht genau das Aussehen eines maul- beerförmigen Blutkörperchens gewinnt (d). Hierbei zeigt es sich auch, dass derselbe nicht immer an allen Stellen seiner Oberfläche sich gleich verhält, sondern auf der einen Seite mit papillenartigen Erhebungen besetzt sein kann, während die andere Seite einfach granulirt erscheint (e). ) Nach Allem kann also als ausgemacht angesehen werden, dass das Protoplasma der rothen Blutkörperchen, wenn diese in eine concentrirte alcoholische Sublimatlösung gebracht werden, bald mit ausgestreckten Fortsätzen erstarrt, bald aber im zusammengeballten Zustande sich darstellt, wie in Fig. 2. Wenn nun an solchen Blut- körperchen sich öfter eine Querstreifung des Protoplasma er- kennen lässt (Fig. 2 c), so glaube ich diese auf. unvollständig ent- wickelte Fortsätze beziehen zu müssen, die in einer bestimmten Richtung verlaufend bei einer gewissen Lage der Blutkörperchen als solche nicht erkannt werden können, wohl aber dem granulirten Theil eine gebändertes Aussehen verleihen. Zu dieser Schluss- folgerung scheinen mir die Abbildungen a, b, c in Fig. 5 zu be- Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 81 rechtigen, denn mit weniger guten Linsen sehe ich an den ent- sprechenden Blutkörperchen auch nichts weiter als eine Streifung des Protoplasma. Eine besondere Berücksichtigung verdient noch das Verhält- niss des protoplasmatischen Theils zur homogenen Rin- denschicht. In dieser Beziehung ist zunächst hervorzuheben, dass bei einem grossen Theil der Blutkörperchen die Beschaffenheit der Oberfläche unabhängig ist von der Form des Proto- plasma, d. h. die Oberfläche kann ganz glatt erscheinen, obgleich in die Rindenschicht eine Menge langer Protoplasmafortsätze aus- strahlt (vgl. Fig. 3, Fig. 4b, Fig. 5). In anderen Fällen aber scheint die Rindenschicht den Ausläufern des Proto- plasma zu folgen, den Hervorragungen und Vertiefungen sich anzupassen und dadurch den strahligen Protoplasmakörper gleich- mässig zu umhüllen. Dieses glaube ich aus den mannigfaltigen Formen folgern zu müssen, die in ganz eigenthümlicher Weise und oft ganz regelmässig eingekerbt erscheinen (Fig. 1). Die Streifen und Wülste an der Oberfläche bei f, g, h, i und k sind leicht ver- ständlieh, wenn man sich vorstellt, dass im Innern befindliche Aus- läufer des Protoplasma, wie wir sie an zahlreichen andern Blut- körperchen durch Beobachtung ja kennen gelernt haben, die Vor- treibung, resp. Einkerbung der Rindenschicht bedingen. Noch mehr veranlasst zu dieser Auffassung die Abbildung 1 in Fig. 1. Hier sind ausstrahlende Fäden thatsächlich sichtbar, aber sie haben eine homogene Beschaffenheit und sind stark lichtbrechend wie die Rin- denschicht. Diese Eigenthümlichkeit dürfte sich jedoch daraus er- klären, dass sie noch von einer Lage der Rindensubstanz umhüllt erscheinen, nachdem der Protoplasmakörper sich auf der einen Seite hervorgedrängt und fast isolirt hat. — Vergleicht man ferner die Abbildungen Fig. 1 e und Fig.5 d mit einander, so gewinnt die Voraussetzung, dass die Protoplasmafortsätze auf die Gestaltung der Oberfläche einwirken können, noch mehr an Wahrscheinlichkeit. Fig. 1 e stellt ein entfärbtes maulbeerförmiges Blutkörperchen von homogenem glänzendem Aussehen dar. In Fig.5 d finden wir die- selbe Maulbeerform an dem Protoplasma innerhalb der homogenen Rindenschicht wieder. Beide Blutkörperchen sind der Einwirkung der Sublimatlösung ausgesetzt gewesen. Aber entweder besassen dieselben, als sie in diese Flüssigkeit gelangten, schon eine ver- schiedene Anordnung der beiden Theile zu einander, oder es mag Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14, 6 82 Arthur Boetteher: in dem einen Fall (Fig. 5 d) die Wirkung weniger momentan ge- wesen sein und dem Protoplasma Zeit gelassen haben sich zu einer mit Höckern besetzten Kugel zusammenzuziehen, während das Blut- körperchen, welches in Fig. 1 e dargestellt ist, in Maulbeerform sofort erstarrte. In diesem Fall dürfte durch die im Ganzen kuglige Form des Blutkörperchens und durch die zahlreichen Höcker an seiner Oberfläche die Sichtbarkeit des ebenso gestalteten centralen Protoplasmaballens’sehr erschwert sein. Darum scheint mir wenigstens die Möglichkeit zugelassen werden zu müssen, dass die homogene Rindenschicht mechanisch durch die Fortsätze des Protoplasma aus- gebaucht und dieselben gleichmässig zu umhüllen gezwungen wird. Wenn dieses nun aber bei vielen Rlutkörperchen, wie wir ge- sehen haben, nicht zutrifft, und die Rindenschicht an der Oberfläche glatt bleibt, trotzdem sie von sichtbaren Ausläufern des Proto- plasmas durchzogen wird, so kann das in verschiedenen Umständen seinen Grund haben. Es lässt sich denken, dass in solchen Fällen die Ausläufer des Protoplasma entweder klein sind (Fig. 5 a, b, ec) und zu unbedeutend, um auf die verhältnissmässig dicke Rinden- schicht einen gestaltenden Einfluss zu üben, oder dass, wie die Ab- bildungen in Fig. 3 es thatsächlich zeigen, das Protoplasma auf der einen und die Rindensubstanz auf der andern Seite des Blutkörper- chens sich angehäuft hat, und dass dann ebenfalls, weil die Fort- sätze in einer beträchtlich dicken Lage Rindensubstanz ausstrahlen, diese der Form derselben trotz ihrer Länge sich nicht accomodirt. Endlich kommt aber noch der Umstand in Betracht, dass die Menge des Protoplasma in den einzelnen Blutkörperchen sehr variirt, und dass in demselben Verhältniss, als dieselbe abnimmt, die homogene Substanz an Masse gewinnt. Dieses habe ich schon durch eine andere Methode sowohl für die Blutkörperchen der Amphibien als auch für die der Säugethiere dargethan. (Virchow’s Archiv Bd. XXXVI S. 367 u. 377.) Dieselben Unterschiede, auf die dort hingewiesen ist, treten uns auch bei der Behandlung der rothen Blut- körperchen mit einer alcoholischen Sublimatlösung entgegen. So deutlich man in vielen Blutkörperchen den Protoplasma- ballen wahrnimmt, so wenig ist von einem solchen in andern zu sehen. Die Blutkörperchen bleiben nach der Entfärbung und trotz der Carmintinction völlig homogen, auch wenn sie nicht Kugelform besitzen, sondern ganz flach sind. (Fig. 1a, b,c.) Wenn nun schon daraus geschlossen werden kann, dass diese Blutkörperchen Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 83 entweder nur sehr wenig oder gar kein Protoplasma einschliessen, so lässt sich bei genauerer Nachforschung für die Richtigkeit dieser Voraussetzung auch noch ein strengerer Beweis beibringen. Unter einer grössern Anzahl von Blutkörperchen, die man Revue passiren lässt, wird man immer welche antreffen, in denen man den scharf contourirten Kern innerhalb der homogenen Substanz sehr deutlich wahrnimmt, aber man findet kein granulirtes Protoplasma in seiner Umgebung (Fig. 6). Wenn in diesen Blutkörperchen Protoplasma vorhanden wäre, so müsste es besonders nach der Carminfärbung deutlich erkennbar werden wie in Fig. 4, weil es nicht gut möglich erscheint, dass da, wo der tiefer liegende und schwerer wahrnehm- bare Kern mit seiner kreisförmigen Umgrenzung sichtbar ist, der ihn umgebende leichter erkennbare Protoplasmamantel verborgen bleiben könnte. In den Kernen dieser ganz homogenen Formen habe ich einige Mal ein Kernkörperchen gefunden (Fig. 6 a), andere Mal vermisst (b). Bevor ich meine Mittheilungen über die menschlichen Blut- körperchen schliesse, habe ich noch über einen Fall von Sub- limatvergiftung zu berichten, in welchem ich das Blut unmittel- bar nach der Obduction einer Untersuchung unterziehen konnte. Der Diener des pathologischen Instituts hatte von der erwähnten alcoholischen Sublimatlösung im October 1876 einen starken Schluck genommen und ging daran am 4. Tage zu Grunde. Die Section fand zwar erst 36 Stunden nach dem Tode statt, doch bot die Leiche keine bemerkenswerthen Fäulnisserscheinungen dar. Das Nähere über den pathologisch-anatomischen Befund gehört nicht hierher. Es soll nur erwähnt werden, dass sich überall, obgleich die Leiche noch frisch war, eine sehr auffällige Tränkung der Gewebe mit Blutfarb- stoff in der Umgebung der Gefässe bemerkbar machte. Was spe- ciell den Magen betrifft, so fand sich an seiner hintern Wand von der Cardia zum Fundus hin sich wendend, eine handbreite hochrothe Strasse in der Schleimhaut, wo sowohl die grösseren Gefässe durch blutige Imbibition ihrer Umgebung stark markirt waren, als auch die zwischenliegenden Schleimhautinseln eine diffuse rothe Färbung darboten, deren Intensität durch zahlreiche eingestreute Extravasat- punkte noch erhöht wurde. Eine ‚corrosive Zerstörung der Mucosa 84 Arthur Boettcher: war nicht eingetreten, auch nicht eine cadaveröse Erweichung der Magenwand. Um so auffallender erschien, dass auch an der äussern Fläche des Magens die grössern Gefässstämme durch die blutige Tränkung ihrer nächsten Umgebung ebenso deutlich gezeichnet waren, wie etwa die Hautvenen bei Leichnamen, welche gefroren gewesen simd. Sehr bedeutend waren ferner die blutigen Färbungen der Transsu- date in der Pleura, der Peritonealhöhle und im Pericardium. Die Peri- cardialflüssigkeit, deren Menge etwa 1 Unze betrug, war vollkommen klar und durchsichtig , dabei aber so dunkelroth , wie eine ziemlich concentrirte Hämoglobinlösung. Ich machte mich nach diesen Befunden um so gespannter an die Untersuchung des Blutes, welches dem rechten Herzventrikel entnommen wurde, als mir die oben erwähnte Wirkung concentrirter Sublimatlösungen auf die rothen Blutkörperchen schon bekannt war. Und es zeigte sich auch an dem Blute der Leiche eine sehr bemer- kenswerthe Veränderung. Obgleich diese nämlich, wie erwähnt, keine Fäulnisserscheinungen darbot und bei der damaligen Tempe- ratur auch nicht gefroren gewesen sein konnte, bot das Blut un- mittelbar nach dem Auffangen das Aussehen dar , welches unvoll- ständig durch Frieren aufgehelltes Blut besitzt. In dünnen Schichten war es ganz durchsichtig. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand ich immer noch eine nicht unbeträchtliche Zahl rother Blutkörperchen vor, aber die- selben waren fast alle ungemein blass und besassen dann weder die Scheiben- noch Maulbeerform, sondern boten meist eine kuglige oder eine dieser sich annähernde Gestalt dar. Ausserdem war in vielen von ihnen ein Kern ohne weitere Behandlung zu sehen. Derselbe besass eine kuglige Form, scharfe Contouren und eine etwas granulirte Beschaffenheit. (Fig. 7 a, b, c, d.) In der Umgebung des Kerns fand sich eine grössere oder geringere Menge einer farblosen granulirten Substanz (Protoplasma), aber die Körn- chen derselben waren auseinandergefahren und lagen sehr zerstreut). Ein compacteres Protoplasma beobachtete ich bei den weniger zahlreich vertretenen Napfformen, bei denen dasselbe an der con- 1) Diese abgeblassten kugligen Blutkörperchen mit dem Kern und den zerstreuten Protoplasmakörnchen im Innern erinnerten mich lebhaft an die blassgelb gefärbten durchsichtigen Blutkörperchen jüngerer Froschlarven, (Vrgl. Virchow’s Arch. Bd. XXXVI, Taf. X. Fig. 20.) Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 85 caven Fläche hervortrat (Fig. 7 e, f). Hier war der Kern nicht sichtbar. Neben den erwähnten Blutkörperchen kamen auch beträchtlich kleinere und dunklere homogene Formen, die bald kuglig, bald mit einer centralen Depression versehen waren, in geringerer Anzahl vor (8). Achtzehn Stunden später war das Blut, welches während dieser Zeit in einem gut schliessenden Stöpselglase bei gewöhnlicher Zimmer- temperatur gestanden hatte, obgleich es keine Spur von Fäulniss- geruch darbot, ganz lackfarben geworden. Es gelang mir jetzt nur noch in einigen kleinen weichen Gerinnseln am Boden des Gefässes rothe Blutkörperchen aufzufinden, und diese boten dieselben Eigen- schaften dar, die ich schon beschrieben habe. Nach Allem scheinen also die Veränderungen der rothen Blut- körperchen bei der Sublimatvergiftung eine grosse Rolle zu spielen. Auf der andern Seite geht aber aus der vorstehenden Beobachtung hervor, dass das Auffinden kernhaltiger rother Blutkörperchen (so- genannter Uebergangsformen) in diesem oder jenem Theil des Ge- fässsystems noch nicht dazu berechtigt Schlüsse auf die Bedeutung der betreffenden Organe für die Bildung der rothen Blutkörperchen zu ziehen. Die rothen Blutkörperchen können eben durch theilweise Ent- färbung zu den angeblichen „Entwicklungsstufen“ umgewandelt werden, die von den embryonalen Blutkörperchen sich vorläufig nicht unterscheiden lassen. II. Die rothen Blutkörperchen des Kameels. In meiner ersten Abhandlung über die rothen Blutkörperchen des Kameels (M&emoires de l’Academie etc. S. 13) habe ich gezeigt, dass der Kern derselben durch verschiedene Methoden nachgewiesen werden kann. Die Voraussetzung verschiedener Autoren, dass er ohne Weiteres etwa wie der Kern der Froschblutkörperchen wahr- zunehmen sei, ist aber nicht richtig. Rollett giebt daher auch an, dass die Blutkörperchen des Kameels ebensowenig einen Kern be- sässen wie die des Menschen und der übrigen Säuger. (Stricker’s Handbuch der Gewebelehre S. 275.) Der Nachweis des Kerns ist erst mir gelungen. Ihn aber innerhalb der ihn umgebenden homo- genen Substanz deutlich zu sehen, war mir nur möglich geworden, 86 Arthur Boettcher: nachdem die Blutkörperchen bei eingetretener Fäulniss des Bluts einen Theil ihres Farbstoffs abgegeben hatten. Es lag also nahe den Versuch zu machen, ob die Behandlung der Kameelblutkörper- chen mit der alcoholischen Sublimatlösung ein besseres Resultat liefern würde, als die Entfärbung derselben durch Alcohol und Essigsäure ergeben hatte. Den in Alcohol aufbewahrten rothen Blutkörperchen lässt sich der Farbstoff durch die Sublimatlösung nicht mehr entziehen. Da war es mir denn von grossem Werth, dass ich durch einen besonders glücklichen Umstand und durch die Güte des Herrn Professor A. Rosenberg bald wieder in den Besitz frischen Kameelbluts gelangte, als das schon einmal benutzte Thier von der Dorpater Veterinäranstalt angekauft wurde. Das Blut desselben wurde, nachdem es defibrinirt worden war, in der oben angegebenen Weise behandelt. Danach haben sich nun meine Angaben auch in Betreff des Kameelbluts in jeder Hinsicht bestätigt. Von den durch die alcoholische Sublimatlösung entfärbten Blutkörperchen zeigt mindestens die Hälfte zwei Bestandtheile: eine homogene Rindenschicht und eine im Innern gelegene körnige Masse, die sich durch Carmin stärker färbt. (Fig. 8 a, b.) Es ist das das körnige Protoplasma, welches um den Kern angehäuft liegt. Ausläufer des Protoplasmas und eine so verschiedenartige Gestaltung desselben, wie ich sie bei den mensch- lichen Blutkörperchen beobachtete, habe ich in denen des Kameels nicht gefunden. Das mag von Zufälligkeiten abhängen, die sich jetzt nicht ermessen lassen. Hier ist zunächst die für die Structur der Säugethierblutkörperchen wichtige Thatsache zu registriren, dass sich innerhalb der homogenen Rindenschicht ein zweiter Bestandtheil demonstriren lässt, den bis jetzt noch Niemand gesehen hat. Aber innerhalb dieses steckt ebenso wie in dem Protoplasma der rothen Blutkörperchen des Menschen ein Zellen- kern. Ein in Untersuchungen der rotheu Blutkörperchen Ungeübter wird den in Fig. 8 a und b dargestellten centralen Körper für den Kern anzusehen geneigt sein. Eine genauere Bekanntschaft mit dem Object lehrt aber, dass hier zwei Dinge zu unterscheiden sind. Der Kern besitzt, wie ich schon früher ausgeführt, eine doppelt contou- rirte Membran, ist weniger stark granulirt und schliesst meist ein Kernkörperchen ein. Auch färbt er sich durch Carmin nicht wie das Protoplasma. Man sieht ihn, wenn er von diesem umschlossen ist, nicht immer, aber man nimmt in andern günstigern Fällen die Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 87 scharf gezeichnete Ellipse innerhalb der körnigen Masse wahr (Fig. 8 c). Dann zeigt sich dieser Kern an Gestalt und Umfang völlig übereinstimmend mit den Kernen, die ich durch verschiedene Me- thoden aus den Kameelblutkörperchen isolirt dargestellt u.a. a. O. auf Taf. II gezeichnet habe. Es hat sich also als vollkommen richtig herausgestellt, was ich als Grund der Nichtsichtbarkeit von Proto- plasma und Kern vorauszusetzen genöthigt war (a. a. O. 3. 23). Die homogene Rindenschicht der Kameelblutkörperchen ist eine ver- hältnissmässig dicke und dabei sehr stark lichtbrechend. Das hindert die Beobachtung. Und wenn die in concentrirtem Alcohol erstarrten Blutkörperchen durch Essigsäure entfärbt werden, geht durch die eintretende Quellung der Vortheil wieder verloren, den man durch die Entfärbung gewinnt. Es erscheinen die Blutkörperchen dann zwar farblos, aber scheinbar völlig homogen. Erst die concentrirte alcoholische Sublimatlösung ist im Stande an den Kameelblutkör- perchen die Structurverhältnisse aufzudecken, die ich an den mensch- lichen Blutkörperchen schon nach jener Methode genauer kennen gelernt hatte. III. Die rothen Blutkörperchen des Frosches. Nachdem ich an den Säugethierblutkörperchen die grossen Vor- theile erprobt hatte, welche das beschriebene Verfahren gewährt, konnte ich mir nicht versagen dasselbe ‚auch auf diejenigen Blut- körperchen auszudehnen, welche bisher allein für kernhaltig gegolten haben. Es ist mir jedoch noch nicht möglich gewesen, sämmtliche Thierklassen mit offenkundig kernhaltigen elliptischen Blutkörper- chen in dieser Beziehung zu untersuchen. Indem ich mir über die der Vögel und Fische weitere Mitthei- lungen vorbehalte, erlaube ich mir vorläufig nur einige Angaben über die Erscheinungen , welche die Blutkörperchen des Frosches darbieten, wenn sie mit einer alcoholischen Sublimatlösung behandelt worden sind. Ich werde mich dabei um so kürzer fassen können, als die Deutung der Structurverhältnisse mit Rücksicht auf die herr- schenden Vorstellungen hier viel weniger Schwierigkeiten begegnet. Auch werden die Abbildungen, die ich hinzugefügt habe, die Verstän- digung sehr erleichtern. Dass um den Kern der Froschblutkörperchen ein körniges Protoplasma angehäuft ist, und dass von diesem zur Peripherie aus- 88 Arthur Boettcher: strahlende Fäden bei vielen Blutkörperchen sich nachweisen lassen, ist noch keineswegs allgemein anerkannt. Ja man kann sogar be- haupten, dass mit Ausnahme der wenigen Beobachter, die diesem Gegenstande ihre specielle Aufmerksamkeit zugewandt haben , Nie- mand von den darauf bezüglichen, bisher freilich nur lückenhaft gemachten Erfahrungen berührt worden ist. Die Lehre vom ‚Stroma“ hat auch hier hindernd dem Fortschritt der Kenntniss vom Bau der Blutkörperchen entgegengewirkt. Soviel mir bekannt haben nur Hensen, ich und Kollmann die vorliegende Frage genauer verfolgt. Hensen hatte %uerst über die Erscheinungen berichtet, die man durch Quetschen der frischen Froschblutkörperchen zu sehen bekommt. Ich habe dann seine Angaben bestätigt und ferner die eigenthümlichen Formen beschrieben, welche eine Tanninlösung von 0,5 pc. an den Blutkörperchen des Salamanders hervorruft. Aus diesen Beobachtungen wurde gefolgert, dass um den Kern der Am- phibienblutkörperchen ein Protoplasma angehäuft ist, welches in Form von Fäden in die homogene rothe Substanz ausstrahlt. Aber es wurde von mir auch nachdrücklich hervorgehoben, dass nicht alle Blutkörperchen sich gleich verhalten, dass es viele giebt, deren Kern mit nur wenig körniger farbloser Substanz umhüllt erscheint, und noch andere, in denen letztere gar nicht nachweisbar ist. Dieses glaube ich vorausschicken zu müssen, weil die Versuche mit der alcoholischen Sublimatlösung eine sehr erfreuliche Bestätigung der nach einer ganz abweichenden Methode gewonnenen Erfahrungen liefern. Ich verweise gleich auf die Abbildungen in Fig. 9, 10 und 11. Die erstern beiden sind, nachdem die Blutkörperchen erst durch Auswaschen mit Alcohol und dann mit Wasser von dem Sublimat, gereinigt waren, nach ungefärbten Präparaten gezeichnet worden; Fig. 11 nach vorgenommener Carmintinction. Die Eigenthümlichkeit der Bilder wird Jedem die Ueberzeugung geben, dass es sich nicht um zufällige Produkte handelt, die durch die Behandlungsweise erzeugt worden sind, sondern um Organisa- tionsverhältnisse, die durch plötzliche Erstarrung der Substanz er- halten wurden. In der momentanen Wirkung, die den jeweiligen Zustand zu einem bleibenden werden lässt, liegt abgesehen von der eintretenden Entfärbung ein grosser Vorzug, den die concentrirte aleoholische Sublimatlösung vor allen andern Reagentien besitzt, die man noch zum Studium der rothen Blutkörperchen verwandt hat. Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 89 Das Besondere, was bei den mit Sublimat behandelten Frosch- blutkörperchen entgegentritt, zeigt sich in dem Verhalten des Pro- toplasmas. Die homogene Rindenschicht (das Hämo- globin) bietet nur Differenzen in Betreff der Menge dar, welche den einzelnen Blutkörperchen zukommt. Der äussere Contour bleibt glatt und die ganze Form der Blutkörperchen ist, wenn man das Blut direct aus den Gefässen in die durch Umrühren bewegte Sublimat- lösung träufeln lässt, in der Regel gut erhalten (Fig. 11). Mehr unregelmässige Formen bekommt man bei derselben Behandlung de- fibrinirten Bluts zu Gesicht (Fig. 9). Die homogene Rindenschicht färbt sich durch Carmin und Eosin blassroth, das Protoplasma gleich- zeitig viel dunkler. Dieses erscheint dann so mannigfaltig gestaltet, dass ich nur im Allgemeinen auf die Formverhältnisse desselben hinweisen kann, welche durch die beigegebenen Abbildungen in ihren Haupttypen illustrirt werden. Es zeigt sich das Protoplasma bald gleichmässig rund um den Kern zusammengeballt (Fig. 11 h), bald mehr auf einer Seite desselben angehäuft (Fig. 9 a und d, Fig. 11 a). Es ist entweder nur mit einigen wenigen Ausläufern versehen (Fig. 9 b), oder in Form eines zierlichen Sterns, der seine Spitzen bis an den äussern Contour erstreckt, um den Kern angeordnet (Fig. 10 b), oder es bildet um denselben eine eigenthümlich gelappte Figur (Fig, 11 f). Sehr häufig erscheint es mit feinen haarartigen Fortsätzen einseitig oder allseitig besetzt (Fig. 9 e und d, Fig. 10 d, Fig. 11a, b, d). Dann wieder kommt es vor, dass es eine Art Netzwerk darstellt. Dieses erscheint dann entweder von der weniger gefärbten Rinden- schicht scharf geschieden und mehr auf sich zusammengezogen (Fig. 10 c; Fig. 11 k), oder es strahlt mit unzähligen feinsten Fädchen in die Rindensubstanz aus, so dass die Ausläufer bis an die äusserste Peripherie des Blutkörperchens herantreten. (Fig. 11e, eu. i), In diesem Fall wird also das ganze Blutkörperchen von einem feinen Strickwerk durchzogen. Endlich giebt es noch Blutkörperchen, in denen die Form des Protoplasmas nur undeutlich hervortritt und blos die stärkere Car- minfärbung und eine etwas körnige Beschaffenheit des Centrums die Anhäufung desselben um den Kern verräth (Fig. 11 g). Solche Blut- körperchen bilden den Uebergang zu den ganz homogenen Formen, an denen auch die Carmintinction nichts weiter erkennen lässt, als eine schwach gefärbte, überall gleich beschaffene Masse, in welcher 90 Arthur Boettcher: der Kern liegt (Fig. 11 1). Bei den nicht gefärbten Blutkörperchen dieser Art pflegen die Contouren des Kerns undeutlich zu sein und an der Oberfläche hin und wieder kleine dunkle Flecken aufzutreten, die von noch vorhandenen Resten des Protoplasma abhängig sein mögen (Fig. 10 a). An dem Kern der Frosehblutkörperchen sieht man nach der Behandlung derselben mit einer alcoholischen Sublimatlösung das- selbe, was schon aus andern Beobachtungen bekannt ist. Er besitzt häufig, wie schon Ranvier gefunden hat, ein scharf eontourirtes Kernkörperchen; ich habe dasselbe aber keineswegs in allen Blut- körperchen gefunden (vgl. Fig. 10 u. 11). Durch Eosin wird der Kern gefärbt, durch Carmin dagegen nicht, oder nur sehr schwach. Indem ich mich auf die Resultate der vorstehenden Unter- suchungen stütze, glaube ich der gangbaren Ansicht vom Bau der rothen Blutkörperchen abermals entgegentreten zu dürfen. Die von Rollet aufgestellte, von aller Welt acceptirte und nur von mir wiederholt bekämpfte Lehre vom „Stroma“ ist mit den vorgebrachten Thatsachen nicht verträglich. Dieses sogenannte Stroma ist nichts weiter als ein nach Zer- störung der ursprünglichen Structurverhältnisse übrigbleibender, in Form und Umfang sehr schwankender Rest von dem farblosen An- theil der rothen Blutkörperchen. Das Aussehen und die Grösse des farblosen Restes richtet sich darnach, welche Mittel zur Lösung der Blutkörperchen angewandt wurden, und mit welcher Intensität die Einwirkung derselben stattgefunden hatte. Ausserdem aber kommt in Betracht, dass der farblose Antheil der einzelnen Blutkörperchen, was völlig übersehen worden ist, sehr verschieden gross erscheint. Das Stroma, wie es nach den bisherigen Methoden dargestellt worden ist, ist ein Kunstproduct, und die an dasselbe sich anlehnenden Vorstellungen von der Structur der rothen Blutkörper- chen haben die Aufrechterhaltung einer genetischen Beziehung der- selben zu den farblosen Blutkörperchen in hohem Grade erschwert. Der entwicklungsgeschichtliche Zusammenhang zwischen rothen und farblosen Blutzellen erscheint erst durch die mitgetheilten Beobach- tungen begründet, so weit er anatomisch begründet werden kann. Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 91 Alle Methoden, welche von Andern zur Untersuchung der rothen Blutkörperchen benutzt worden sind, erweisen sich, so in- teressant die durch dieselben bekannt gewordenen Thatsachen auch sind, als unzureichend zur Ermittelung des feineren Baus der rothen Blutkörperchen, weil sie sämmtlich dieselben beträchtlich ver- ändern und ihre Structur zerstören. Dahin gehören die mecha- nische Zertrümmerung der Blutkörperchen, die Behandlung derselben mit electrischen Strömen, die Wärme- und Kältezufuhr und die An- wendung der bisher in Gebrauch gezogenen chemisch wirkenden Mittel. Ich habe bei meinen ersten Untersuchungen (Virchow’s Archiv Bd. XXXVI und XXXIX) Methoden zu verwenden mich bemüht, welche die rothen Blutkörperchen möglichst wenig und langsam ver- ändern (Blutserum, Humor aqueus). Jetzt habe ich einen von dem früber eingeschlagenen völlig abweichenden Weg gewählt, indem ich darauf ausging die Blutkörperchen zu härten und dann das Hämatin zu extrahiren. Dieses habe ich zum Theil durch die Alco- hol-Essigsäurebehandlung erreicht, noch besser aber durch eine concentrirte alcoholische Sublimatlösung. Beide von mir befolgten Methoden — die Entfärbung in Humor aqueus und die Entfärbung durch Sublimat — so verschieden sie auch sind, haben zu denselben Ergebnissen hinsichtlich des Baus der rothen Blutkörperchen geführt. Wenn es also darauf ankommt ihre Vorzüge vor denen Anderer geltend zu machen, so muss diese Thatsache ihnen Anerkennung verschaffen. Zum Schluss kann ich nicht umhin die Frage nach der Con- traetilität der rothen Blutkörperchen zu berühren. Dieselbe ist bekanntlich von Klebs aufgeworfen, dann aber ziemlich allge- mein verneint worden. Es ist das mit Rücksicht auf die Bewegungs- erscheinungen, welche andere Zellen, z. B. die farblosen Blutkör- perchen darbieten, gewiss mit Recht geschehen. Von einer spontanen Ortsbewegung kann bei den rothen Blutkörperchen nicht die Rede sein. Eine solche ist von Niemand beobachtet worden, denn die Bewegungen der auf einzelnen Zacken schwankenden Maulbeer- und Stechapfelformen dürfen wohl ohne Weiteres der Molecularbewegung angereiht und hier bei Seite ge- lassen werden. Aber auch die bei den rothen Blutkörperchen vorkommenden Form veränderungen lassen sich mit denen der farblosen Blutzellen nicht vergleichen. Es wird an ihnen ein stetiger Wechsel in den 92 Arthur Boettcher: Umrissen des Körperchens und in der Anorduung seiner einzelnen Theilchen durchaus vermisst. Wenn die rothen Blutkörperchen eine bestimmte Form angenommen haben, so erscheint diese für längere Zeit bleibend, auch unter Bedingungen, unter welchen die farblosen Blutzellen ihre Gestalt stetig ändern. Völlig sind Formveränderungen bei den rothen Blutkörperchen aber nicht ausgeschlossen. Es kann bekanntlich die Scheibenform der Säugethierblutkörperchen in die Maulbeerform oder in die Kugelform übergehen und können die maulbeerförmigen Blutkörperchen auch kuglig werden. Vie] geringer sind die vorkommenden Verschiedenheiten der Form bei den ellip- tischen Blutkörperchen. Namentlich unveränderlich sind mir die des Kameels erschienen. Etwas mannigfaltiger ist die Form der Frosch- blutkörperchen. Aber alle bei den rothen Blutkörperchen, auch bei den scheibenförmigen der Säugethiere zu beobachtenden Verschieden- heiten erhalten sich längere Zeit unverändert. Die einzelnen Blut- körperchen sind stets regungslos und lassen sich daher die in grössern Zeiträumen an ihnen sich vollziehenden Umgestaltungen mit den Contractilitätserscheinungen der farblosen Blutzellen nicht zusammen- stellen. Wenn nun aber, wie ich für die rothen Blutkörperchen des Menschen und des Frosches zu zeigen mich bemüht habe, das Pro- toplasma derselben in so ungemein wechselnder Gestalt und in so eigenthümlicher Anordnung vorkommt, wie wir es nur bei dem in lebendiger Bewegung befindlichen Protoplasma zu sehen gewohnt sind, so erscheint doch die Frage gerechtfertigt, ob dasselbe nicht innerhalb der nicht contractilen homogenen Rindenschicht seine Be- wegungsfähigkeit bewahrt. Leider liegen die Verhältnisse so un- günstig, dass man schwerlich dahin gelangen wird etwaige Bewe- gungen an dem Protoplasma der rothen Blutkörperchen durch directe Beobachtung festzustellen. Es darf darum aber nicht ausgeschlossen werden, dass dasselbe sich innerhalb der homogenen Hämoglobinhülle in stetem Fluss befinde. Denn nur an lebendigem Protoplasma kennen wir solche fadenförmige Ausläufer, solche Platten und solche netzartige Anordnungen und dann wieder solch ein kugliges Zusam- menballen , wie wir es an der farblosen Substanz der rothen Blut- körperchen wahrgenommen haben. Wenn das Object der Unter- suchung so unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstellt, dass die Frage, ob im Innern der rothen Blutkörperchen eine Bewegung statt- hat oder nicht, unmittelbar nicht entschieden werden kann, so giebt Ueber die feineren Structurverhältnisse der rothen Blutkörperchen. 98 uns das noch kein Recht dieselbe zu leugnen. Auf der andern Seite scheinen mir viele der eigenthümlichen Formverhältnisse, die ich an den mit einer Sublimatlösung behandelten menschlichen Blutkör- perchen beschrieben habe, am besten daraus erklärt werden zu können, dass die homogene Rindenschicht sich häufig passiv an den Bewegungen des Protoplasma betheiligt. Ich möchte die Hämo- globinhülle der rothen Blutkörperchen mit der Kapsel der Knorpel- zellen und mit der Cellulosemembran der Pflanzenzellen in eine Reihe stellen, sofern diese als umgewandeltes Protoplasma betrachtet werden können, denn ich muss die Rindenschicht aus Gründen, die ich an einem andern Ort geltend gemacht habe, für das Resultat eines Entwicklungsprocesses halten, der die Blutzellen ihres Proto- plasmagehalts mehr und mehr beraubt und schliesslich zu homo- genen Körpern werden lässt. Dorpat im Januar 1877. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Fig. 1-6. Rothe Blutkörperchen des Menschen nach Behandlung mit einer concentrirten alcoholischen Sublimatlösung und nach vorgenommener Carminfärbung. Das Coloriren der Zeichnungen ist unterblieben. Fig. 7. Menschliche Blutkörperchen aus der Leiche einer an Sublimatver- giftung gestorbenen Person. Fig. 8. Rothe Blutkörperchen des Kameels, ebenso behandelt wie die in Fig. 1—6. Fig. 9 u. 10. Rothe Blutkörperchen des Frosches nach Behandlung mit einer concentrischen alcoholischen Sublimatlösung. In Wasser untersucht. Fig. 11. Ebenso behandelte Froschblutkörperchen nach vorgenommener Car- minfärbung. Die genauere Erklärung der Abbildungen ist im Text angegeben. 94 Th. Eimer: Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns, nebst Bemerkungen über Wimperepithelien. Von Prof. Th. Eimer in Tübingen. Hierzu Tafel VII. Zuerst im Jahre 1871 beschrieb ich, und zwar aus den Zellen der Epidermis der Maulwurfsschnautze !), eine eigenthümliche Struktur der Zellkerne, darin bestehend, dass deren Necleoli im optischen Querschnitt stets unmittelbar umgeben erschienen von einem hellen Hof, welcher von dem äusseren, dunkleren Theil des Kerninhaltes abgegrenzt war durch einen regelmässigen Kreis von Körnchen. Durch Aenderung der Einstellung konnte festgestellt werden, dass die helle Kugel, in deren Centrum das Kernkörperchen liegt und welche im optischen Querschnitt eben als jener kreisförmige Hof um das letztere auftritt — ich will sie der Kürze wegen im Folgenden mit dem Namen »Hyaloid« bezeichnen — auf der ganzen Oberfläche von solchen Körnchen besetzt sei. Waren zwei Kernkörperchen in einem Kern vorhanden, so hatte jedes derselben sein Hyaloid und seinen Körnchenkreis?). Im darauffolgenden Jahre gab ich die Mittheilung, dass es mir gelungen sei, diese Verhältnisse in fast allen Zellkernen, in welchen ich sie suchte, mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit nach- zuweisen?) und zwar in frischen Zellen ebensowohl als in mit Chlorgold oder mit anderen Reagentien behandelten Präparaten; so in den Epidermiszellen verschiedener Thiere, in Bindegewebszellen — auch in den Neurogliakernen — in Granulosazellen, in Ganglien- zellen, in den Zellen der glatten Muskulatur u. s. w. Ich schloss, es sei der Kern der thierischen Zelle ein zusammen- 1) Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. Dieses Archiv, Bd. VII. 2) A. a. O. 8. 189 u. Tafel XVII. Fig. 8. 3) »Zur Kenntniss vom Bau des Zellkernse. Dieses Archiv Bd. VII. S. 141 ff. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 95 gesetzteres Gebilde, als man bisher angenommen hatte: das Kern- körperchen sei schalenartig umgeben von einer hellen, homo- genen Substanz, welche von einer äusseren, feinkörnigen Masse durch eine wiederum schalenartig eingeschobene Lage von Körnchen ge- schieden werde. Diese Körnchen, die Componenten des »Körnchenkreises«, seien im Gegensatze zu jenen des äusseren, feinkörnigen Theils des Kerns von gleicher Grösse; sie seien durchaus regelmässig angeordnet. Ich gab eine Abbildung, welche zeigen sollte, dass in mit zwei Kernkörperchen und folglich auch mit zwei Körnchenkreisen oder »Körnchenschalen«, wie ich sie später zu nennen vorschlug!), ver- sehenen Kernen die zweite Körnchenschale durch Abschnürung, Ab- sprossung von der ersten entstehe und Uebereinstimmendes erwähnte und bildete ich ab nach Beobachtungen an den Kernen des Folli- kelepithels der Ringelnatter in einer in demselben Jahre von mir erschienenen anderen Arbeit”). Trotzdem die Mittheilung meiner Beobachtungen die erste war, welche nach langjährigem Stillstande im Fortschritt unserer Kenntnisse über den Zellkern wiederum darauf hinweisen mochte, dass unser Wissen in dieser Beziehung einer Erweiterung fähig sei und trotzdem in den letzten zwei bis drei Jahren eine ganze Literatur über Bau und Vermehrung desZellkerns erschienen ist, sind diese Beobachtungen nicht erweitert und wenn überhaupt besprochen, sogar im Ganzen zurück- weisend beurtheilt worden. Und doch hatte ich zum Beweis der Richtigkeit meiner Angaben und der weiten Verbreitung der den- selben zu Grunde liegenden Thatsachen, darauf hinweisen können, dass die Körnchenschale schon in älteren Abbildungen der Kerne verschiedener Zellen, selbst in Lehrbüchern, angedeutet zu erkennen sei. Der Erste, welcher die Körnchenschale bestätigend erwähnte und zwar nach Beobachtungen an frisch untersuchten Ganglienzellen aus dem Grenzstrang von Coluber natrix, war Langerhans?), der sie auch späterhin in den Sinneszellen aus der Haut der Larve von 1) Ueber amöboide Bewegungen des Kernkörperchens. Dieses Archiv, Bd. XI. S. 327. Anm. 5. 2) Untersuchungen über die Eier der Reptilien. Dieses Archiv, Bd. VII. S. 236 u. Taf. XII. Figur 17, nebst deren Erklärung auf Seite 243. 3) Siehe dessen Habilitationsschrift: »Ein Beitrag zur Anatomie der sympathischen Ganglienzellen», Freiburg i. B. 1871. S. 16 u. Fig, 6 der Tafel. 96 Th. Eimer: Salamandra maculata wiederfand!). Noch neuestens erkannte sie ferner Lavdowsky in Ganglienzellen aus dem Ganglion spirale und bildete sie ab?). Ebenso findet man sie ausserdem in Zeichnungen von Knorpel-, Bindegewebs- und anderen Zellen veschiedener neuer Arbeiten angegeben. Ebenso bemerkt Flemming in seinen »Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns«°), es sei ihm durch keine Behandlungsweise gelungen, in den Kernen der Harn- blase von Salamandra maculata, die doch — so meint der Autor — gerade durch ihre Grösse gute Chancen dafür boten, die Körnchen- schale zu sehen, was ihm sehr auffällig ist, »weil er die von mir beschriebenen Bilder aus meinen, sowie aus eigenen, mit Osmium- säure, Gold, Pikrocarmin, Essigsäure behandelten Präparaten gut genug kennt, um mit mir von ihrem häufigen Vorkommen überzeugt zu sein». Indessen scheint ihm durch nichts erwiesen, dass man die Körnchen, so wie sie sind, als ein Strukturverhältniss des lebenden Kerns anzusehen habe, aber es könne ihrem Auftreten bei be- stimmter Behandlung jedenfalls doch eine natürliche Ursache im Kern zu Grunde liegen. »Wenn’ dem so ist«, fährt Flemming fort, »so werden die weiter erforderlichen Bedingungen durch die hier gebrauchten Reagentien nicht erfüllt und es wird auf ferneres Pro- biren ankommen, um über die Sache ein Urtheil zu gewinnen«®). Flemming übersieht, dass ich in meinem Aufsatz »zur Kenntniss vom Baue des Zellkerns«°) ausdrücklich bemerkt habe, ich finde die Körnchenschale sowohl in frisch untersuchten, als in mit Reagentien behandelten Zellkernen und ferner, dass sie Langerhans, wie oben bemerkt, zuerst an frischen Ganglien- zellen bestätigt hat. Eingehender hat meine Angaben bis jetzt nur Auerbach be- handelt in seinen 1874 erschienenen Organologischen Studien. Er findet in den Leberzellen des Karpfens und in vielen anderen Arten von Zellen um den Nucleolus im Kern constant den schmalen, lichten, körnchenfreien Hof, wie ich ihn beschrieben habe. Die Körnchenschale jedoch, so wie ich sie schilderte, als einreihige Lage den hellen, centralen Theil des Kerns umschliessender Körnchen, 1) Dieses Archiv, Bd. 9, S. 752 und Taf. 31. Fig. 11 und 12. 2) Dieses Archiv, Bd. XII. S. 525 u. 556 u. Taf. 35, Fig. 19. 3) Dieses Archiv, Bd. XI. 4) A. a. O0. S. 713 u. 714. 5) Der auch in seinem Literaturverzeichnisse nicht angegeben ist. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns ete. 97 hält er für ein Product erhärtender Reagentien. Im frischen Zu- stande seien keine Körnchen als besondere Schicht um die helle Centralmasse des Kerns — um das Hyaloid — angeordnet, sondern es seien welche in dem von letzteren freigelassenen Abschnitte des Kerninnenraums entweder bis an die Kernwandung hin gleichmässig zerstreut oder auch mehr oder weniger derartig in eine mittlere Zone zusammengedrängt, dass nächst der Kernwand ein schmalerer oder breiterer lichter Ring übrig bleibt!). Auch in den äussersten Fällen bestehe der Körnchenkreis aus zwei bis drei Schichten feiner blasser Kügelchen, weiche »intermediäre oder Zwischenkörnchen« genannt werden. Die Bilder, wie ich sie gab, sollen immer erst unter der Einwirkung erhärtender Reagentien, zu welchen Auerbach auch das Jodserum rechnet, durch Zusammenbacken von Zwischenkörnchen entstehen. Waren mehrere Nucleoli vorhanden, so wurden von ihm wohl um dieselben lichte, noch untereinander verschmolzene Höfe beob- achtet, die Körnchen aber meist unregelmässig zerstreut, nur selten eine Andeutung kreisförmiger Gruppirung derselben gefunden. Dieser seiner. Auffassung entsprechend schlägt Auerbach für die Erschei- nung statt der’ Bezeichnung Körnchenkreis die von »Körnchen- sphäre« vor. In der neuesten (fünften) Auflage seines Lehrbuchs der Histo- logie nimmt Frey die Angaben Auerbachs gegenüber den meinigen als richtig an, ohne freilich anzugeben, ob auf Grund eigener Unter- ‘suchung oder nicht. »Dagegen«, sagt er?), »bemerkte man« (wer? Frey? Auerbach?) »ohne Schwierigkeit in manchen Zeilkernen einen Kranz kleiner Moleküle, die sogenannte Körnchensphäre Auerbach’s.« Mich verweist der Autor mit einigen Worten in eine Anmerkung. »Die ersten Mittheilungen«, äussert er sich dort, »macht Th. Eimer. Doch übertrieb er das Vorkommen jener Kugelschale der Moleküle seines »Körnchenkreises«. Richtiger, unserer Ansicht gemäss, sind die Angaben Auerbachs, welcher selbständig das gleiche Ding antraf« 3). Auerbach hatte gesagt, dass ich ihm mit der Veröffentlichung der Nachrichten über den Körnchenkreis zuvor- gekommen sei, er habe denselben seit längerer Zeit gekannt — eine Bemerkung, die, ganz unbeschadet ihrer Richtigkeit, wie mir scheint, für ein Lehrbuch kaum massgebend sein sollte. l) Auerbach, Organologische Studien, I. Heft, S.15 u. Taf. 1, Fig. 1. 2) S. 79. BEA. a..0.,8: 80, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 7 98 Th. Eimer: Ich bedaure, dass Auerbach in den zwei, bezw. drei Jahren, welche zwischen meinen Veröffentlichungen und der seinigen liegen, beschäftigt mit einer Arbeit, die eine ausführliche Behandlung der Eigenschaften des Zellkerns zum Gegenstande hat, nicht zu Er- gebnissen gelangen konnte, welche mit meinen Angaben mehr über- einstimmen, als dies thatsächlich der Fall ist. Zwar habe ich es allerdings versäumt, die vorliegende Frage in den letzten Jahren systematisch weiter zu verfolgen und bei allen meinen histologischen Arbeiten im Auge zu behalten; auch meine neuen Mittheilungen beruhen auf mehr gelegentlichen Beobachtungen. Immerhin aber darf ich sagen, dass ich in meinen bisherigen Mit- theilungen nichts übertrieben habe und ich darf zuversichtlich hoffen, dass sorgfältige Nachforschung in Zukunft sie sowohl wie die folgen- den als richtig erkennen wird. Auerbachs Angaben und specieli seine Abbildungen zeigen im Grunde nur darin mit den meinigen wesentlich Uebereinstimmendes, dass durch dieselben die Existenz des hellen Hofes um das oder die Kernkörperchen bestätigt wird. Die peripherisch von diesem Hof gelegene »Körnchensphäre« ist nach meiner Ansicht nichts als ein alter Bekannter mit neuem Namen. Es handelt sich nämlich in den Componenten der Körnchensphäre um nichts anderes, als um die »Körnchen« im Kern, welche diesem besonders nach Zusatz von Essigsäure das »granulirte« Aussehen verleihen. Diese »Körnchen« sind aber, wie weiterhin besprochen werden soll, die optischen Querschnitte von Protoplasmafäden. Dass übrigens eine mehr- reihige, in streng concentrischen Linien um das Kernkörperchen geordnete Lagerung von »Körnchen« im Kern vorkommt, bin ich selbst am wenigsten geneigt zu verneinen, nachdem ich im Keim- bläschen von Reptilien selbst Aehnliches beschrieben !) und auch im Gewebe von Rippenquallen wiedergefunden habe). Allein es kann sich hier wohl nur um eigenartige Verhältnisse handeln. Es mag sein, dass die sogenannten »Körnchen« zuweilen auch im peripherischen Theile des Kerns nicht zu sehen sind, wie das Auerbach abbildet — dann entsteht ein mehrreihiger Körnchen- ring — allein die von mir geschilderte Körnchenschale könnte nur 1) Dieses Archiv Bd. VIII. Taf. 12, Fig. 18. 2) Zoologische Studien auf Capri, I, über Bero& ovatus, Tafel 8, Fig. 82, a. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 99 einer, nämlich der innersten Reihe der Componenten einer solchen Gruppirung entsprechen. Nun tritt aber meine Körnchenschale in den meisten Fällen scharf und deutlich vor den übrigen im Kern sichtbaren »Körnchen« hervor. Sie besteht, wie ich heute betonen muss, ziemlich constant aus ungefähr derselben Anzahl von Körnchen — etwa 9 oder 10 im grössten optischen Durchschnitt des Hyaloids. Dieselben liegen meist in gleichmässigem Abstand von einander und endlich, sie zeichnen sich, wenn auch nicht immer, so doch meistens vor den anderen »Körnchen« des Kerns durch eine be- sondere Grösse aus. Wenn Auerbach nicht die letztere Eigen- schaft einmal in einem bestimmten Falle ausdrücklich erwähnte, so würde ich daran zweifeln müssen, ob er überhaupt die charak- teristischen Formen der Körnchenschale, auf welche die bisher von mir mitgetheilten Beobachtungen hinzielen, je gesehen habe, denn es findet sich bei ihm, weder im Text, noch in den Abbildungen, sonst irgend etwas Positives, was auf dieselben bezogen werden könnte. In den meisten Arten von Zellen, in frischen Präparaten sowohl als in mit Reagentien behandelten, finde ich jene Körnchenschale — so darf ich heute das vor 5 Jahren Gesagte ohne Einschränkung wiederholen. In Humor aqueus, in Jodserum, in Blutserum, in Kochsalzlösungen, kurz in allen sog. indifferenten Untersuchungs- medien, welche wir kennen, tritt sie deutlich hervor — wenn sie ein Kunstprodukt ist, zusammengebacken aus mehreren Bestandtheilen, so ist ebenso gut der Kern selbst ein Kunstprodukt, wie denn allerdings neuestens Langhans wenigstens das Kernkörperchen in die Stellung einer postmortalen Erscheinung bringen zu wollen scheint). Wenn Auerbach freilich nicht zaudert, das Jodserum als ein Erhärtungsmittel zu bezeichnen, welches eben solcher Wirkungen wie der des Hervorbringens einer Körnchenschale im Zellkern fähig sei, so dürfte das nur andeuten, mit wie grosser Vorsicht überhaupt die aus dem Einfluss von Reagentien auf Zellen in seinem Buche gezogenen Schlüsse angesehen werden müssen. Wenn ich einem Frosch den Kopf abschneide, das Gehirn zer- störe und den Kopf, nachdem der Unterkiefer entfernt worden ist, in frisch zubereitetes Jodserum einlege, so finde ich bis 48 Stunden nach dem Tode die Wimperepithelien der Gaumenschleimhaut noch theil- 1) Centralblatt f. d. med. Wissensch. No. 50. 1876. 100 Th. Eimer: weise in lebhafter Bewegung — vielleicht noch länger, ich habe nicht weiter Beobachtungen gesammelt. Lege ich in dasselbe Jodserum ein Stückchen der Kiemen des Axolotl, so hört die Bewegung an den diese bedeckenden Wimperepithelien alsbald auf; sie beginnen nach kurzer Zeit aufzuquellen, es tritt blasenartig hyaliner Inhalt aus ihnen aus und nach wenigen Stunden sind sie kaum mehr zu erkennen, zur Untersuchung längst untauglich. Aber auch die Wimperepithelien der Gaumenschleimhaut des Salamanders sind nicht so resistent gegen Jodserum wie diejeni- gen seines Verwandten, des Frosches, wenngleich ich einzelne derselben noch nach 24 Stunden der Aufbewahrung in jener l’lüssigkeit Bewegungen ausführen sah. Ich habe dieses Beispiel nur gewählt, um zu zeigen, dass die Gesetze der verschiedenen »Erhärtungsregionen« und ähnliche, welche Auerbach nach Einwirkung von Reagentien auf Zellen gewonnen hat, eben nur für die speciellen Objekte gelten können, an welchen die Untersuchungen gemacht sind, nicht aber für andere, wie sich ja bei Berücksichtigung der Thatsache, dass die Function einer Zellengruppe an bestimmte stoffiche Zusammensetzung gebunden sein muss und dass selbst physiologisch ähnlich arbeitende Zellen an verschiedenen Körperstellen derselben Thierart, noch mehr aber bei verschiedenen Arten, verschiedene Zusammensetzung haben müssen, von selbst versteht. Diese Bemerkungen mögen zugleich andeuten, dass ich keines- wegs den Einfluss von Reagentien auf Zellen unterschätze, dass ich aber vor Allen von der Ueberzeugung durchdrungen bin, es sei häufig nur auf Grund der ausgedehntesten Anwendung der vergleichenden Betrachtungsweise — einer Methode, die bei Licht besehen, in der Histiologie noch sehr wenige consequente Vertreter findet — die Berechtigung gegeben, allgemeine Gesetze über das Verhalten der Elementarorganismen gegenüber von Reagentien auf- zustellen oder über die Präexistenz oder Nichtpräexistenz eines feineren Strukturverhältnisses ein Urtheil zu fällen. Dabei ist durchaus nicht zu erwarten, dass etwa die Grösse des zu untersuchenden Objekts der Entscheidung morphologischer Fragen nothwendig günstig sein müsse, wie Flemming von den grossen Kernen des Harnblasenepithels der Salamandra maculata in Be- ziehung auf den Körnchenkreis zu seiner Enttäuschung vorausgesetzt hatte. Es zeigt sich mir im Gegentheil, dass zufälliger Weise gerade Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns ete. 101 die meisten Arten der grossen Zellkerne des genannten Thieres für die Beobachtung des in Frage stehenden Strukturverhältnisses in seltenem Maasse ungünstig sind. Im Frühling 1572, gelegentlich eines gemeinsamen Aufenthaltes auf Capri, sahen dagegen Langerhans und ich in jungen, noch Dotterelemente enthaltenden Zellen von mässiger Grösse, in lebend in Seewasser untersuchten, munter mittelst ihres Velums sich bewegenden Embryonen von ÖOpisthobranchiern die Körnchenschale in so auffallender Deutlichkeit schon bei sehr mässiger Vergrösserung hervortreten, dass wir Beide von dem Anblick überrascht waren. In den vorhin erwähnten Wimperzellen des Froschgaumens ist die Körnchenschale zu sehen und zwar schöner, wenn dieselben unmittelbar dem lebenden Thiere entnommen und in Jodserum unter- sucht werden, aber auch, obgleich weniger schön, nach Stunden der Aufbewahrung in dieser Flüssigkeit. Allerdings kann das Objekt kein für die Beobachtung der Körnchen- schale günstiges genannt werden. Aber sicherlich hat das Jodserum bier nichts erhärtet, noch die Körnchenschale aus anderen Theilen zusammengebacken. Es ist dasselbe für unsere Wimperzellen eine indifferente Flüssigkeit; diese leben darin lange nachdem sie vom Mutterkörper weggenommen sind und während dieses Lebens erkennt man die Körnchenschale in der von mir beschriebenen Art: ihre Componenten sind von grösserem Durchmesser als die soge- nannten Körnehen des übrigen Kerninhalts. In den durch die Einwirkung des Jodserums augenscheinlich — wenn auch nicht durch Erhärtung, sondern offenbar durch Auflösung — rasch getödteten Wimperzellen der Kiemen des Axolotl ist die Körnchenschale in jener charakteristischen Form nicht zu sehen, worüber alsbald Näheres berichtet werden soll. Diese Thatsachen, denen beliebig viele andere beigefügt werden könnten, beweisen wohl schlagend genug, dass die Körnchen- schale kein Kunstproduet ist, sondern dass sie ein nor- males Structurverhältniss lebender Zellen darstellt. Was ist nun diese Körnchenschale ? Schon gelegentlich meiner Beroöstudien habe ich wiederholt Zellkerne getroffen, in welchen von jedem Körnchen der Körnchenschale aus ein feines Fädchen radiär zum Kernkörperchen hinlief, um indemselben zu endigen. In Figur 82 b (Tafel VIIT) meiner im Jahre 1873 erschienenen 102 Th. Eimer: Arbeit über Bero& ovatus ‘ist eine mit solchem Kern versehene Zelle abgebildet. Nach der Figurenerklärung ist diese Zelle wahr- scheinlich eine Ganglienzelle gewesen, ohne dass ich über ihre Natur völlig ins Klare gekommen war, weil sich bei den Rippenquallen Bindegewebs- und Ganglienzellen oft nur schwer von einander unter- scheiden lassen. Schon damals und wiederholt während der letzten Jahre habe ich Aehnliches noch sonst in verschiedenen Zellkernen gesehen, war aber durch äussere Verhältnisse von einer ernsteren Verfolgung dieser wie auch anderer Beobachtungen am Zellkern abgehalten. Unter letzteren ist eine, als ich sie vor etwa 3 Jahren an den Kiemenepithelien des Axolotl machte, ohne dass ich es wusste, schon anderweitig gemacht gewesen und zu eingehenden Schlüssen ver- werthet worden. Bei frischer Untersuchung der Kerne dieser Zellen fiel mir auf, dass sich in denselben ein Netzwerk feinster Proto- plasmafäden erkennen liess, welches durch ihren ganzen Innen- raum bis zur Wandung sich erstreckte. In anderen Kernen fanden sich ausser zwei Kernkörperchen mehrere kleine Körperchen von gleichem Lichtbrechungsvermögen wie jene, die seitdem von Auerbach als solche beschriebenen Nebenkernkörperchen, und von ihnen aus liessen sich feine Protoplasmafäden durch den Kern hin verfolgen. Ich gebe einige der damals von mir entworfenen Zeichnungen, welche zugleich zur Ergänzung der folgenden Mittheilungen dienen mögen, indem sie eine bei frischer Untersuchung der Epithel- zellen der Kiemen des Axolotl häufig sichtbare Längsrichtung der im Kern vorhandenen Protoplasmafädchen zeigen, eine Erscheinung, welche in den leichtverletzbaren Zellen durch äussere Störung her- vorgerufen sein muss. (Fig. 1 u. 2.) Inzwischen hatte Heitzmann schon Mittheilungen gemacht !), nach welchen eine netzartige Verzweigung von Protoplasmafäden im Kern eine allgemeine Eigenschaft desselben sein solle. Flemming und Andere haben Heitzmanns Angaben für verschiedene, Kern- arten bestätigt ?). 1) Sitzungsberichte der Wiener Akademie Mathem.-natw. Kl. 47. Bd. 1873. 2) Die Literatur siehe bei Flemming: Dieses Arch. XIII. Bd. S. 693 ff. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns ete. 103 Diese Nachrichten veranlassten mich, wiederum ein genaueres Augenmerk auf den Zellkern zu richten. Es gelang mir, jenes Faden- netz in demselben fast überall zu erkennen, wo ich es bis jetzt gesucht habe. Unvergleichlich viel schöner als z. B. die Blasenepithelien von Salamandra maculata, mit welchen Flemming hauptsächlich sich beschäftigt hat, zeigen das Netz die wimpernden Gaumenepi- thelien desselben Thieres (Fig. 8$—11), ferner viele Kerne von Quallen, so, um nur Einiges anzuführen, die prachtvollen, grossen Kerne aus den an der inneren Oberfläche der Tentakelwand einer Aegineta sitzenden Zellen (Fig. 12, 13, 14), welche ich an einem anderen Orte dem- nächst des Näheren beschreiben werde; sodann die Ektoderm- (Fig. 15) und Sinneszellen von Carmarina hastata, die Kerne von Drüsen- zellen, welche am Schirmrande dieses Thieres zwischen den Ekto- dermzellen zerstreut liegen; die Kerne der von Häckel aus dem Schirmrandring von Carmarina als dem Knorpelgewebe zugehörig beschriebenen Zellen, die aber keine Knorpelzellen sind, sondern, wie ich anderwärts zeigen will, nur eigenthümliche Abkömmlinge der Ektodermzellen. Endlich ist das Netz von Protoplasmafäden u. A. ausgezeichnet schön zu sehen an den frisch untersuchten Kie- menepithelien des Axolotl (Fig. 3). Es zeigt sich an diesen und anderen Kernen mit vollkommener Deutlichkeit, dass das, was man bis vor Kurzem als Körnchen im Kern bezeichnet hat, überall nichts anderes ist, als der Ausdruck der optischen Querschnitte Zahlloser Protoplasmafädchen , welche das Kerninnere nach allen Richtungen durchziehen, sich zu feinstem Netzwerk unter einander verbindend. Woirgend ein solches Fädchen dem Auge des Beschauers direkt entgegenzieht, stellt es sich im optischen Querschnitt als scharfumgrenztes Körnchen dar. Weniger scharfumgrenzte Körnchen täuschen ferner alle plötzlichen Biegungen der Fädchen vor. Flemming bezeichnet die Körnchen als den Ausdruck der Knotenpunkte, in welchen sich mehrere Fädchen treffen — es sind in der That vor Allem diese Knotenpunkte, welche das »körnige« Aussehen des Kerns bedingen; meiner Auffassung nach aber wesent- lich desshalb, weil jeder solche Knotenpunkt eine Anzahl von aus allen Richtungen herkommenden Fädchen vereinigt, somit auch solche, die vom Beschauer im optischen Querschnitt gesehen werden und diese sind es, welche vor anderen wie scharf gezeichnete Körnchen aussehen. 104 Th. Eimer: Das Fadennetz erstreckt sich bis zur Kernwand. Die Frage, ob seine Fädchen sich an diese Wand ansetzen, bezw. wie Heitz- mann angibt, durch dieselbe hindurch und in Verbindung mit einem ähnlichen, ausserhalb des Kerns, im Zellinhalt zu beobachtenden Netz treten, soll später kurz gedacht werden. Auffallend ist mir häufig folgende Thatsache gewesen: stellt man mehr auf die Oberfläche der Kerne ein, so sieht man oft un- mittelbar unter der Kernmembran und zwar gewöhnlich parallel und in: nahezu gleicher Entfernung von einander, scharf gezo- sene Fäden hinlaufen, welche nach einer oder der anderen Seite des Kerns in der Nähe von dessen Wand je in ein Körnchen zu endigen scheinen (Fig. 7 und 16). Diese Körnchen sind aber offen- bar nichts als Stellen, an welchen die Fädchen sich plötzlich in grösserer Anzahl zugleich nach abwärts umbiegen. Stellt man hierauf etwas tiefer ein, so verschwindet der Ein- druck von im peripherischen Theile des Kerns unter dessen Ober- fläche hinlaufenden Linien und es erscheinen statt ihrer Verhält- nisse, wie sie Fig. 5 und 17 im oberen Theile zeigen: man sieht ein Bündel von Fäden an einem Pole des Kerns von dessen Peripherie senkrecht oder etwas schräge nach seinem Inneren hintreten, in der Tiefe sich verlierend, während stets der Punkt eines jeden Fäd- chens, welcher im optischen Querschnitte steht, wie ein Körnchen aussieht '). Auf der grössten optischen Durchschnittsebene des Kerns end- lich erscheint um das Kernkörperchen herum das Hyaloid, umgeben von meist 9 oder 10 Körnchen (Fig. 18) und von jedem dieser Körn- chen tritt mehr oder weniger deutlich ein Fädchen radiär gegen das Kernkörperchen zu). 1) Vergl. damit: Bütschli, „Studien über die ersten Entwicklungsvor- gänge der Eizellen“. Abhdl. der Senkenb. Gesellschaft X. Bd. Taf. 5 Fig. 7 und Text S. 39 u. 40, wo offenbar dieselben Verhältnisse aus Keimzellen der Spermatozoön von Blatta germanica beschrieben und abgebildet sind. Nicht zu verwechseln mit diesen Dingen ist die augenscheinlich auf künstlicher Verzerrung beruhende Längsrichtung der Kernfasern, welche man z. B., wie oben bemerkt, häufig in den Kiemenepithelien des Axolotl findet. (Vergl. meine Fig. 1 und 2.) 2) In der oben citirten Abbildung einer Ganglienzelle von Bero& sind Körnchen und Radien auffallender Weise beinahe in der doppelten Zahl wie sonst gewöhnlich vorhanden. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 105 Es sind seltene)Fälle, in welchen das ganze Strahlensystem deutlich, jedes einzelne Fädchen zu erkennen ist. Häufig kann man nur ein Radiärfädchen sehen, sehr oft gar keines; zuweilen: lassen sie sich alle wahrnehmen, soweit sie in einer Ebene liegen, aber nicht bis ganz zum Kernkörperchen hin verfolgen. Am häufigsten sah ich die Verhältnisse vollkommen klar in den Ektodermzellen von Carmarina (Fig. 15), in Ganglienzellen dieses Thieres (Fig. 19), in den erwähnten anderen Zellen von Carmarina (Fig. 18) und in jenen von Aegineta (Fig. 12 und 13). Besonders günstige Objekte lassen bei genügender Anstrengung des Auges zuweilen auch deutlich sehen, dass je ein Fädchen von denjenigen Körnchen der Körnchenschale nach abwärts, gegen das Kernkörperchen zu tritt, welche dem Beschauer zugekehrt sind (Fig. 22): es wird also das Hyaloid nach allen Seiten ra- diär durchzogen von feinen Fädchen, die in den Körn- chen der Körnchenschale ihren Ursprung nehmen und im Kernkörperchen sich sammeln; und zwarist die Zahl und Anordnung der im Umfang der hellen Centralkugel gelegenen Körn- chen und ebenso diejenige der Radiärfädchen eine solche, dass auf _ jedem grössten Querschnitt des Hyaloids deren etwa neun getroffen werden müssen. Der Inhalt des Zellkerns besteht aus einer hyalinen Grundsub- stanz und dieselbe durchziehenden Protoplasmafäden !). In dem ausserhalb der Körnchenschale gelegenen Theile des Kerns bilden die Protoplasmafäden ein engmaschiges Netz. Dieses Netz bringt bei schwächerer Vergrösserung durch die vielen opti- schen Querschnitte, welche es dem Beschauer entgegenführt, ein körniges, trübes, dunkleres Aussehen des betreffenden Theils des Kerns hervor. Innerhalb der Körnchenschale dagegen ziehen nur die Radiärfa- sern; vondiesen Radiärfasern kann nur je eine dem Beschauer direkt entgegentreten und zwar jene, welche senkrecht auf dem unter ihr liegenden Kernkörperchen steht und von diesem bei der Betrachtung schwer zu trennen sein wird. Daher allein das helle Aus- sehen des Centraltheils des Kerns, des Hyaloids?). 1) Vergl. Heitzmann a. a. 0. S. 110. 2) Wenn ich früher („Zur Kenntniss vom Bau des Zellkerns“) den Zell- kern beschrieb als zusammengesetzt aus zwei schalenartig angeordneten 106 Th. Eimer: Die bisherige Schilderung setzte voraus, dass das Hyaloid wegen verhältnissmässig ansehnlichen Durchmessers leicht in die Augen falle und dass die Körnchenschale wegen hervorragender Grösse und scharfer Umgrenzung der sie zusammensetzenden Elemente gegen- über den als Körnchen imponirenden optischen Querdurchschnitten der Protoplasmafäden des peripherischen Theils der Kernsubstanz nicht allzuschwer zu sehen sei. Dies ist nun nicht ausnahmslos der Fall, wie, abgesehen von den Angaben Auerbach’s und Flemming’s, meine eigenen Worte zeigen, wonach ich »fast« in allen Kernen, in welchen ich ihn suchte, den Körnchenkreis gesehen habe. Im Speciellen möge in dieser Beziehung das Folgende bemerkt sein: Die Körnchenschale in der beschriebenen charakteristischen Art ist zwar deutlich in weitaus den meisten thierischen Zelikernen. Sie ist in der Mehrzahl der Kerne einer Zellenart desselben Individuums häufig ungefähr in gleicher Weise deutlich. Es kommt vor, dass sie nur in einzelnen Kernen einer Zellen- art — immer eine und dieselbe Untersuchungsweise vorausgesetzt — scharf ausgeprägt ist, in den meisten dagegen nicht. Endlich fehlt sie in der bisher beschriebenen charakteristischen Ausbildung in bestimmten Arten von Zellen. — Dafür sind dann aber andere Einrichtungen vorhanden über die nun berichtet werden soll. So sehr schön in einzelnen der grossen Kerne aus den Ten- takeln von Aegineta eine charakteristische centrale Körnchenchale vorhanden war, so wurde sie doch in den meisten derselben vermisst. Allein bei grösserer Aufmerksamkeit liess sich zuweilen aus dem Gewirre der Protoplasmafäden ein central gelegenes Hyaloid — nur von sehr geringem Durchmesser — und darum herum eine Schichten, einer innern homogenen, das Kernkörperchen umgebenden, und einer äusseren körnigen, zwischen welchen beiden die Körnchenschale gelagert sei, so sprach ich dabei keineswegs von einem »festen Gefüge«, wie es Auer- bach als meine Ansicht darstellt und bekämpft (Organolog. Stud. S. 16 u. 137). Ich habe mir die Grundsubstanz des Kerns nie anders als flüssig oder weich- flüssig gedacht. Auch wollte ich nicht sagen, dass die helle Centralmasse nicht unmittelbar zwischen den Elementen der Körnchenschale durch in die homo- gene Zwischenmasse der körnig aussehenden Schicht sich fortsetze: der Aus- druck „schalenartig“ war mehr auf die plastische Darstellung berechnet, aber allerdings in diesem Sinne zu wenig eingeschränkt angewendet. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 107 Körnchenschale dennoch erkennen, allein aus so feinen Körnchen zusam- mengesetzt, dass dieselben von den Querschnitten der den peripherischen Theil des ‘Kerns durchziehenden Protoplasmafäden sich nicht unter- schieden (Fig. 14). Im Centrum des Hyaloids lag ein feinstes Körnchen, als Ersatz eines gröberen Kernkörperchens. Ein Strahlensystem war deutlich oder wurde vermisst. | In vielen anderen Kernen derselben Zellenart dagegen war nicht ein einziges centrales Hyaloid mit seiner Körnchenschale vor- handen, sondern man erkannte, dass zwischen dem Protoplasmanetz des Kerns in dessen ganzem Bereiche zerstreut zahlreiche helle kugelige Lücken, Hyaloide, frei blieben, ein jedes umgeben von meist feinen, selten durch besondere Grösse sich auszeichnenden Körnchen, die im letzteren Falle als charakteristische Körnchenschalen sich darstellten (Fig. 8, 9, 10). Radiäre Fäden konnten in verschieden vielen Hyaloiden deutlich sein; sie führten zu je einem feinsten, centralen Körnchen, während ein gröberes Kernkörperchen gewöhnlicher Art häufig im ganzen Kern vermisst wurde. In den Kernen der Epidermiszellen der Axolotikiemen dagegen, wo sonst ähnliche Verhältnisse wie die Geschilderten sich darbieten (Fig. 3, 5, 6 und 7), findet man meist in zweien der zahlreichen Hyaloide, welche sich übrigens vor den übrigen durch besondere Grösse gewöhnlich nicht auszeichnen, je ein grosses Kernkörperchen. Man kann diese Hyaloide, mit ausgeprägten Kernkörperchen als Haupthyaloide bezeichnen, im Gegensatz zu den Nebenhyaloiden, die nur ein feineres oder feinstes Körnchen im Centrum besitzen, oder auch dieses, wenigstens mit unseren Linsen, vermissen lassen. Diese letzteren möchten sämmtlich als Nebenkernkörperchen ange- sehen werden müssen. Gleichfalls ähnliche Verhältnisse lassen die wimpernden'Epithel- zellen vom Gaumen von Salamandra maculata erkennen, wenn sie unmittelbar vom lebenden Thiere weg frisch in Jodseram untersucht werden. Die Hyaloide sind hier oft so zahlreich, dass sienur durch wenige Fäden des ‚äusserst zarten Protoplasmanetzes von einander getrennt bleiben (Fig. 8—10). Wenn die Hyaloide nach dem Tode dieser und anderer Zellen aufquellen, stellen sie das dar, was man als »Vakuolen« im 108 Th. Eimer: Kern bezeichnet; auch die unverändert frischen Hyaloide wurden, wenn sie sehr deutlich waren, wohl mit diesem Namen belegt. Auch in den Wimperzellen der Gaumenschleimhaut des Sala- manders kann jedes gröbere Kernkörperchen fehlen oder aber es liegt deren je eines von geringer Grösse in einem oder in zwei oder in mehreren Hyaloiden. Die Strahlenfäden sind hier zuweilen pracht- voll zu sehen, die Körnchenschalen wie beim Axolotl beschaffen. In anderen Kernen derselben Zellenart dagegen bekommt man von den geschilderten ganz verschiedene Verhältnisse zu Gesicht: es liegt im Mittelpunkte des Kerns oder mehr oder weniger ausserhalb desselben ein grosses Kernkörperchen, welches dadurch, dass es nach allen Richtungen Fäden absendet, ein zackiges Aussehen er- hält. Die Fäden treten gegen die Peripherie des grossen Kerns hin und fangen in grösserer oder geringerer Entfernung von dessen Membran an, sich zu verzweigen (Fig. 11), ein Maschennetz zu bilden, welches wiederum Hyaloide enthalten kann; der grösste Theil des Kerninhalts ist in Folge dieser Anordnung glashell, »körnchenlos« und vom Haupthyaloid eingenommen. In den ex- tremsten Fällen endlich findet die Verzweigung der Strahlenfäden erst unmittelbar vor ihrem Ansatz an der Kernwand statt. Neben- hyaloide sind nicht vorhanden, das Haupthyaloid nimmt fast den ganzen Innenraum des Kerns ein. Nirgend anders habe ich ähn- liche Verhältnisse so schön gesehen wie eben in den Gaumenepithe- lien unseres Salamanders. Die beschriebenen Objekte copiren ganz jene vegetabilischen Zellkerne, in welchen eine lebhafte Protoplas- maströmung in den radienartig zum Kernkörperchen verlaufenden Protoplasmafäden stattfindet. Für die Beobachtung der meisten der geschilderten Dinge da- gegen am ungünstigsten sind gerade die von Flemming unter- suchten Epithelzellen der Harnblase desselben Thieres: nur das Protoplasmanetz ist in ihnen zu erkennen, häufig aber nichts von ausgebildeten Hyaloiden und selten deutliche Spuren eines Körnchen- kreises um sie herum. Vorausgesetzt, es handelt sich in unseren Hyaloiden mit ihrem Kernkörperchen und ihren Radiärfäden um Centralpunkte der Lebens- thätigkeit des Kerns, wie das wohl nothwendig angenommen werden muss, so zeigen sich nach dem Mitgetheilten in einer und derselben Art von Zellkernen alle Uebergänge vom Alleinherrschen eines Haupt- kernkörperchens in einem centralen Haupthyaloid zu der Regierung Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 109 vieler zerstreuter Nebenkernkörperchen in eben so vielen Nebenhya- loiden. Und ebenso kann die typische, aus groben Körnchen beste- hende, centrale Körnchenschale in einer und derselben Kernart alle Modificationen erleiden, durch zahlreiche aber immer noch scharf ausgeprägte Formen zu solchen, welche nichts Charakteristisches mehr bieten und bis zum völligen Verschwinden (Fig. 3, 5 bis 14 etc.). Im Gegensatz hierzu muss wiederholt hervorgehoben werden, dass ein Centralhyaloid mit scharf ausgeprägter Körnchenschale, mit oder ohne Nebenhyaloiden das gewöhnlichste Vorkommniss im thieri- schen Zellkern ist und ich unterlasse es daher, einen Versuch zu machen, diejenigen Zellen aufzuzählen, welche mir täglich seit Jahren den betreffenden Beweis geliefert haben. Nun stellt sich uns aber zunächst die Frage: sind die Körner der Körnchenschale nicht etwa gleich den übrigen »Körnchen« im Kern optische Querdurchschnitte von Protoplasmafäden, welche irgend- wo wiederum mit den Protoplasmafäden des peripherischen Theils der Kerne in Verbindung stehen? Gegen die Bejahung dieser Frage scheint zu sprechen: einmal die hervorragende Grösse, welche die Körner der Körnchenschale oft besitzen, sodann die Thatsache, dass dieselben gewöhnlich durch einen homogenen Zwischenraum von den Protoplasmafäden des peri- pherischen Kerntheils getrennt sich darbieten, so dass eine Ver- bindung zwischen ihnen und dem letzteren nicht nachzuweisen ist. In einzelnen Fällen jedoch sah ich (Aegineta), und zwar wenn die Körnchenschale sehr unscheinbar war, ihre Körnchen von den übrigen sich durch Grösse nicht unterschieden, feine Verbindungsfäden zwischen beiden, sowie auch Verbindungsfäden zwischen den in einer Ebene gelegenen Körnchen des Körnchenkreises unter sich. Dann muss also das Hyaloid von einem Protoplasmanetz umsponnen sein, wie ein Kinderball von dem umspinnenden Garn und dieses Maschennetz sendet wieder peripherisch und central Fäden ab. Aber warum sind die peripherischen Fäden gewöhnlich nicht zu sehen und warum erscheinen die Körner der Körnchenschalen meist so auffallend gross? Nimmt man an, es machen die vom Kernkörperchen, bezw. Nebenkernkörperchen strahlenförmig nach aussen tretenden Proto- plasmafäden gleichweit von jenem entfernt plötzlich eine starke Biegung, etwa im rechten Winkel zu der ursprünglich von ihnen ein- 110 Th. Eimer: gehaltenen Richtung, so würde zwar die Grösse der Körnchen- schale sich durch den optischen Querschnitt der Knickstellen der Fäden erklären lassen, nicht aber liesse sich dadurch erklären das Unsichtbarsein peripherisch von ihnen abgehender Fädchen. Auch sind in manchen Fällen die fraglichen Körner ungemein gross, fast oder ganz so gross wie ein vollwichtiges Kernkörperchen. Sie zeigen dann auch durchaus das Aussehen, insbesondere den Glanz, des letzteren. Und in manchen Fällen wiederum bekommt man Bilder, welche andeuten, als ob die Körner der Körnchenschale sich peripherisch zerstreuten und nun als Nebenkernkörperchen auf- träten. Kurz, man wird zu der Vermuthung gedrängt, dass jedes Kernkörperchen in den Elementen der Körnchenschale eine Anzahl von Trabanten neben sich habe, wie eine Sonne ihre Monde!) und diese Monde mögen von sich aus wieder um sich herum bestimmte Wirkung üben. Würden wir im Stande sein, unsere mikroskopischen Objekte um ein Mehrfaches von dem Maasse zu vergrössern, welches unserm Einblick in die Form und die Bewegungserscheinungen des Körperlichen jetzt Schranken auferlegt, so würden wir wohl zu dem Schlusse ge- führt werden, dass all die geschilderten feinen Strukturverhältnisse, welche sieh äussern als centrale Körnchen, als Radiärfäden, Körnchen- kreise und scheinbar wirr durcheinanderziehende Protoplasmafäden, nichts anderes sind, als der Ausdruck der Wirkung centraler Lebens- herde, centraler Stoffmassen, so klein sie sein mögen, grosser und kleinster »Kernkörperchen« gegenüber ihrer Umgebung und unter sich selbst, und es müsste sich uns bei Betrachtung dieser kleinen Welt dieselbe Gesetzmässigkeit aufdrängen, wie in den Beziehungen der Körper des Weltalls. Der jetzt uns unbequem erscheinende, weil nicht zu schematisirende Wechsel der Form würde dann nach strenger Regel sicherklären lassen. Es wird sich schliesslich überall im Kern eine radiäre Anord- nung aller Protoplasmatheilchen um einen oder um mehrere Central- punkte herausstellen als Ausdruck des Gleichgewichts zwischen diesen Theilchen, eine Anordnung, in welche sie nach jeder Störung wiederum sich zu fügen suchen werden. 1) Man vergl. meine Abbildungen über die Anordnung der Kernkör- perchen in Reptilieneiern, d. Arch. Bd. 8, Taf. 11 Fig. 5 und Taf. 12 Fig. 21 bis 24. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 111 Die Radiensysteme, die »Sonnen«, wie sie bei der Kerntheilung durch die Arbeiten Auerbach’s, Flemming’s, Strassburger’s, Bütschli’s, E. von Beneden’s, O. Hertwig’s bekannt geworden sind, erklären”sich ja offenbar durch dieselben Verhältnisse. Besondere Aufmerksamkeit verdienen aber in Beziehung zu meinen Beobachtungen die bei demselben Process auftretenden soge- nannten »Kernspindeln«, jene eigenthümlichen, spindelförmig angeord- neten Systeme von Fäden, mit körnerartigen Verdickungen an der Stelle des grössten Querdurchmessers der Spindel, welche Verdickun- gen Strassburger mit dem Gesammtnamen der Kernplatte be- legt hat. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass es sich in jener Kernplatte um nichts anderes als um die Körnchenschale des Kerns handle und dass die Fäden der Spindel dem zu derselben hinzutretenden Strahlensystem entsprechen. Dann müsste die Körn- chenschale auch in Pflanzenzellen sich finden. Bestätigte sich diese Vermuthung, so würde der Körnchenschale und dem Strahlensystem wohleine ganz bestimmte und zwar vielleicht eine hervorragende physiologische Bedeutung zukommen. Insbesondere die neueste Arbeit Bütschli’s!) bestärkt mich in meiner Annahme. In Figur 9 und 22 der 5. Tafel derselben ist offenbar die Körnchenschale gezeichnet, bestehend aus Körnern von der Grösse des central gelegenen Kernkörperchens und die Figuren 12 bis 21 ebendort — vor Allem aber Figur 18 — können wohl kaum anders als in der gedachten Beziehung zur Körn- chenschale stehend aufgefasst werden. Es ist das Verdienst Heitzmann’s, eine radiäre Anordnung der Protoplasmafäden im Zellkern und im Zellkörper zuerst als eine allgemeine Erscheinung dargestellt zu haben. Wenn ich her- vorhebe, dass ich unabhängig von Heitzmann im Kern ähnliche Beobachtungen wie er gemacht habe, wie ja die oben eitirte Abbil- dung in meiner Bero&-Arbeit bekräftigt, so thue ich dies nur, um für die Richtigkeit unserer Mittheilungen einen Beweis zu liefern. Wenn Flemming bei so sorgfältiger Untersuchung nicht schon zu Ergebnissen gekommen ist, welche die Angaben Heitzmann’s auch 1) Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizellen etc. Abh. der Senkenb. naturf. Versammlung X. Band. 1876. 2) Man vergl. in dieser Beziehung meine Mittheilungen in der Arbeit über Bero&. 112 Th. Eimer: in Rücksicht auf die strahlige Struktur bestätigen, so liegt dies an der Ungunst des von ihm behandelten Objekts. Denn was als un- bedingt nöthig zum Erkennen der geschilderten feinen Verhältnisse hervorgehoben werden muss: die stärksten Linsen und möglichst helles Licht, das hat Flemming angewendet. Ich selbst arbeitete mit System 8 von Seibert und Krafft (Tauchlinse) und zwar mit Erfolg nur an sonnenhellen Tagen. Als gutes Mittel, um vieles deutlich zu machen, was bei frischer Untersuchung nicht ganz scharf zu sehen ist, erkannte ich schwache Lösungen von doppelchremsaurem Kali. Ich habe mich seit Jahren davon überzeugt, dass dieses Mittel selbst die zartesten Struktur- verhältnisse nicht leicht in ihrer natürlichen Verfassung stört, wie jaauch Heitzmann übereinstimmend mit Brücke erklärt. Meine Abbildungen sind daher — der Bequemlichkeit halber — zu einem guten Theil nach Chromkalipräparaten ausgeführt. Was in seiner Arbeit auch Heitzmann unberücksichtigt lässt, das ist die Körnchenschale — und doch ist dieselbe in den Abbildungen auf Tafel 1 und 2 seines zweiten Aufsatzes zuweilen in hervorragender Deutlichkeit gezeichnet. Aber diese Abbildungen sind freilich, worin ich Schwalbe!) beistimmen muss, gar schema- tisch gehalten; deshalb ist von bestimmten Beziehungen der Körnchen nach innen und aussen darin keine Rede. Dass die von uns beschriebenen, strahlenförmig vom Kernkör- perchen abgehenden Fäden zusammenzustellen seien mit den in Ganglienzellen längst, zuerst von Stillung, dann von Frommann u. A. beschriebenen Radiärfäden, hebt schon Heitzmann hervor. Wie oft ist die Existenz dieser Radiärfäden bestritten worden! Und doch lassen sich dieselben unschwer bestätigen, so z. B. in den Gangilenzeilen des Ganglion Gasseri vom Kalb. Allein. .es scheint mir, dass wir sie hier nicht überall als absolut identisch mit den gewöhnlichen Radiärfäden erklären dürfen. An dem soeben ge- nannten Orte finde ich, dass die Fäden geradlinig durch den Kern hindurch und ausserhalb desselben in die Zellsubstanz hineintreten, in welcher sie sich zwischen den Protoplasmafädchen in peripherischer Richtung gestreckt verlaufend noch ziemlich weit- hin deutlich verfolgen lassen, wie es die Abbildungen von Gang- 1) Schwalbe, Bemerkungen über die Kerne der Ganglienzellen, Je- naische Zeitschr. Bd. 10. 1876. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 113 lienzellen aus dem Rückenmark des Rindes bei Arnold auf Tafel IV von dessen Abhandlung!) zeigen. Es unterscheiden sich jene Strahlenfäden von den gewöhnlichen Protoplasmafädchen durch beson- dere Dieke und durch helles, homogenes, glattes Aussehen. Wie in den von Arnold aus dem Rückenmark des Rindes und von anderen Orten abgebildeten Ganglienzellen, so ist auch hier eine Körnehenschale nicht zu sehen — der Kern scheint ein grosses Hyaloid darzustellen. Indessen traf ich zuweilen in Präparaten, welche freilich schon mehrere Stunden nach dem Tode des Thieres gemacht worden waren, eine Ansammlung von groben, dem Kernkörperchen im Aussehen verwandten Körnern um das letztere. Der Umfang meiner Beobach- tungen an diesen Zellen ist übrigens zu sehr beschränkt, als dass ich mir ein endgültiges Urtheil nach allen Richtungen über sie erlauben dürfte. Dagegen sind es gerade Ganglienzellen vieler anderen Orte und insbesondere bei niederen Thieren, welche die Körnchenschale sehr schön zeigen und, wie Fig. 19 andeutet, schliessen sich dort die Strukturverhältnisse der Kerne überhaupt vielfach genau an die- jenigen in anderen Zellen an. Es wird noch ausgedehnter Beobachtungen bedürfen, bis die hier zu Tage tretenden Erscheinungen unter Regel gebracht sein werden, und möge mir in dieser Beziehung hier nur folgende Bemer- kung gestattet sein. Schwalbe beschreibt an der inneren Seite der Kernwand von Ganglienzellen kleinere und grössere Hervorragungen »aus der- selben glänzenden Masse bestehend wie die Kernmembran und mit ibr continuirlich«e. Sie sollen Kernkörperchen entsprechen, welche in älteren Zellen zu einem centralen Nucleolus sich verei- nigen. In ganz jungen Kernen sei gar kein Kernkörperchen vor- handen, die Kerninhaltsmasse wahrscheinlich netzartig ausgebreitet mit »Vacuolen« zwischen sich. Das letzterwähnte Stadium entspricht wohl meiner Figur 7 — die Kernkörperchen sind hier feinste, schwer sichtbare Körnchen. Die meist nach Innen spitz ausgezogenen Anlagerungen der Kernwand, wie Schwalbe sie schildert, habe ich oft, in sehr ver- schiedenen Kernen, gesehen. Ich hielt sie für die ganz an die Wand gerückten Elemente der Körnchenschale — denn nach meiner Beobh- 1) J. Arnold, Ein Beitrag zur fein. Strukt. der Ganglienzellen. Virch. Arch. Bd. 41. ‘ Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 14. 8 114 Th. Eimer: achtung liegen sie stets in regelmässigen Abständen von einander. Schon ihre nach innen gerichtete Spitze möchte jedenfalls darauf hindeuten, dass sie durch, freilich äusserst feine, Strahlenfäden mit dem kleinen Centralpünktchen in Verbindung stehen — wir hätten dann den Fall vor uns, in welchem der Kern ganz von einem centralen Haupthyaloid erfüllt ist. Uebrigens hatte ich von derartigen Bildern auch zuweilen den Eindruck, als ob sie hervorgerufen seien durch die Querschnitie von an der inneren Seite der Kernwand hinlaufenden Fäden (Fig. 7 und 16). Vielleicht gilt beides. Jedenfalls wären die Fragen, welche ich im Vorstehenden unbeantwortet lassen musste, sehr vereinfacht, wenn es sich herausstellte, dass die Ansicht Schwalbe’s: es handle sich in den eben erwähnten, von ihm beschriebenen Kernzuständen um Altersdifferenzen, richtig sei, Denn von diesen drei Zuständen lässt sich wohl jedenfalls auch noch ein zweiter, der in Fig. la und b von Schwalbe abgebildete auf nicht ganz vollständig durch ihn er- kannte von mir vorstehend behandelte Struktur (meine Fig. 11) zu- rurückführen. Schon die Eigenart der Verhältnisse in manchen Gang- lienzellen möchte indessen darauf hinweisen, dass nicht nur das Alter, sondern _ wesentlich auch die physiologische Aufgabe der Zellenart im Allgerheinen und wohl selbst der momentane physiolo- gische Zustand einer bestimmten Zelle mit die Ursache sei, an jener Mannichfaltigkeit der morphologischen Erscheinungen, welche wir im Vorstehenden kennen gelernt haben und liegt hier wohl noch frucht- barer Boden für emsige Arbeit. Die Frage, ob das Protoplasmanetz des Kerns, seine Fäden durch die Kernwandung durchsendend, mit einem ähnlichen Netz im Zellkörper in Verbindung trete, drängte sich mir besonders leb- haft auf beim Studium der Kerne der verschiedenen, oben genannten Arten von Wimperzellen. Seitdem ich die Bewegung der Samenfäden durch Strömungen von Protoplasma zu erklären versucht habe'!), war ich lange neu- gierig, zu erfahren, ob sich nicht Anhaltspunkte für eine ähnliche Auffassung im Verhalten des Protoplasma der Wimperepithel- zellen finden liessen, wie denn schon einige Forscher (Fried- reich, Eberth, Marchi) die Wimperhaare eine Strecke weit in 1) „Untersuchungen über den Bau und die Bewegung der Samen- fäden.* Würzburg. Verhandlg. n. F, VI. Bd. 1873 und Zoolog. Unter- suchungen, Würzburg, Stahel, 1874. Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 115 den Körper verschiedener dieser Zellen hinein haben verfolgen können. Ich will dasjenige, was ich durch meine gelegentlichen Beob- achtungen bis jetzt erreicht habe, mittheilen. Ausser den Wimperepithelien auf den Kiemen des Axolotl, der Gaumenschleimhaut von Frosch und geflecktem Salamander unter- suchte ich bis jetzt auch noch jene der Kiemen von Anodonta, welche auch Marchi studirt hat!). An allen diesen Zellen gewahrte ich an der der freien Ober- fläche der Haut bezw. Schleimhaut zugekehrten Zellenbasis einen sehr schmalen Saum, der wie aus einzelnen nebeneinander gestellten lichtere Zwischenräume zwischen sich lassenden Stäbchen zusammen- gesetzt war. Bei genauerem Zusehen war zu erkennen, dass jedes der Stäb- chen sich nach aussen in ein Wimperhaar fortsetzte, also die ver- dickte Basis eines solchen Haares darstellte (Fig. 3 und 11). Dem- entsprechend ging nun auch jedes der Stäbchen nach innen plötz- lich in einen Faden über, der, noch viel feiner als ein Wimper- haar, in der Zelle nach abwärts stieg. (Fig. 4.) In den langen, schmalen Zellen der Kiemen von Anodonta?) treten die Fortsetzungen der Wimperhaare in den Zellkörper schon bei schwächeren Vergrösserungen hervor (Fig. 20, 21); sie laufen ziemlich parallel nach abwärts und ich konnte sie bis zum Kern verfolgen, in manchen Fällen aber auch jenseits des Kerns wieder auftreten sehen. In den Kiemenepithelien des Axolotl zieht eine Anzahl der Fäden nach anfänglich mehr oder weniger parallel gerichtetem Lauf deutlich um den Kern herum, so dass das Protoplasma im Umfange des letzteren häufig ein ungenau concentrisch gestreiftes Aussehen erhält (Fig. 3). Auch hier sind sie zuweilen auch noch unterhalb des Kerns zu erkennen. Abgesehen von diesen Fäden, deren Verfolgung besonders im letztgenannten Objekt übrigens die besten Hülfsmittel verlangt, zeigt der Zellinhalt der in Rede stehenden Kiemenepithelien, sowie jener der übrigen genannten Wimperzellen, (mit Ausnahme der langen schmalen 1) Dieses Archiv Bd. IV. 2) Bekanntlich kommen auf den Kiemen von Anodonta zweierlei Arten von Wimperzellen vor, lange, schmale und kurze, breite, die sich auch in Be- ziehung auf die Wimpern unterscheiden. 116 Th. Eimer: Kiemenzellen von Anodonta) bei schwächerer Vergrösserung eine trübe Beschaffenheit. Die stärksten Linsen lösen diese Trübung mehr oder weniger deutlich in ein Protoplasmanetz auf, noch feiner als Alles, was ich in dieser Beziehung in Kernen je beobachtet habe und scharf zu verfolgen nur nach Anwendung von doppelchromsaurem Kali. In welchem Verhältniss steht nun dieses Protoplasmanetz ein- mal zu jenem des Zellkerns und zweitens zu den Fortsätzen der Wimperzellen? Auch in den Wimperepithelien der Gaumenschleimhaut von Frosch und Salamander und in den kurzen, breiten von den Kiemen der Teichmuschel erkennt man im oberen Theil der Zellen parallel nach abwärts verlaufende Fädchen; allein hier verschwinden sie bälder als beim Axolotl, mengen sich mit den gewöhnlichen Protoplasma- fäden und gehen anscheinend in sie über. Ein Theil der im Kiemen- epithel des Axolotl sichtbaren Fäden scheint gleichfalls schon in der oberen Hälfte der Zellen diesem Schicksal zu verfallen, ein Theil zieht, wie geschildert, selbstständig weiter nach abwärts. Beim Axolotl glaubte ich wiederholt solche Fortsetzungen der Wimperfäden direkt in das Netz des Kerns übertreten zu sehen (Fig. 4 bei b). Hervorgehoben zu werden verdient, dass die Fäden, welche die Fortsetzung der Wimperhaare im Zellkörper bilden, sich allem An- schein nach von den ein Maschennetz bildenden Protoplasmafäden des Zellkörpers in nichts unterscheiden — nur die Art ihres Ver- laufs verleiht ihnen diesen gegenüber etwas Besonderes. An gewissen, dem Ektoderm angehörigen Geisselzellen von Aurelia und Cyanea aber finde ich, wie hier beiläufig bemerkt sein soll, eine ganz unmittelbare Fortsetzung des Wimperhaares durch den Kern hindurch in ein Nervenfädchen, welches am unteren Ende der Zelle austritt. Vielleicht darf im Gegensatze hiezu bei den eben behandelten Wimperzellen eine Verbindung mit Nerven in der Weise vermuthet werden, wie sie Kupffer kürzlich für die Speicheldrüsen- zellen von Periplaneta aufgestellt hat. Was die Frage nach einem Protoplasmanetz im Zellkörper an- geht, so darf ich wohl bei dieser Gelegenheit auf meine vor Jahren veröffentlichten Nachrichten über ein Protoplasmanetz in den Eiern der Reptilien und Vögel erinnern!), und in Beziehung auf die even- 1) Dieses Archiv Bd. VIII. 1872. Taf. XI. Fig. 10, 11, 16 und Tafel XXII. Fig. 7 und 8, — Erst während der Durchsicht des Druckes konnte Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns etc. 117 tuellen Wege eines Zusammenhangs eines solchen Netzes mit dem Kerninnern auf meine Angaben über Poren in der Wand des Keim- bläschens der Ringelnatter )). Heitzmann beschreibt auch im Protoplasmanetz des Zell- körpers radiäre Anordnungen und ich muss in dieser Beziehung schliesslich bemerken, dass ich in dem Protoplasmanetz der Wimper- zellen vom Gaumen des Salamanders allerdings zuweilen kugel- schalenartig angeordnete Körnchen getroffen habe, von welchen aus strahlenartig Fädchen nach gemeinsamem Mittelpunkte hinstrebten, so fein indessen, dass nur äusserste Sorgfalt des Bildes habhaft werden konnte. In Fig. 4 bei a ist dagegen ein viel gröberes derartiges Struk- turverhältniss abgebildet, welches in den betreffenden Zellen häufig angetroffen wird. Meine bisherigen Beobachtungen lassen mich ver- muthen, dass essich diesem Strukturverhältniss um die Umgrenzung einer contraktilen Vakuole handle. Tübingen, 8. Februar 1877. ich Frommanns Abhandlung: „Unters. zur normalen und pathal. Anat. des Rückenmarks“ II. Theil, 1867, erhalten. Ich war darauf aufmerksam gemacht worden, dass Frommann dort schon ein Protoplasmanetz im Körper ver- schiedener Zellen angenommen habe. Nun sehe ich, dass er offenbar auch die Elemente der Körnchensphäre insbesondere in Zellen der Bindegewebs- gruppe vor sich gehabt hat, wenn er von Köruchen spricht, ir denen seine „Kernfäden“ endigen, im Gegensatz zu den in den Nucleolus eintretenden „Kernkörperchenfäden“ (vergl. seine Abbildungen, bes. Taf. II Fig. 3 u. a.). Liefert diese Thatsache einerseits einen schlagenden Beweis für die Richtig- keit meiner ersten Mittheilungen über die Körnchenschale, so muss sie mich andererseits bestimmen, durch genaue Prüfung der offenbar viel zu gering geschätzten Angaben Frommann’s diesem gerecht zu werden und hoffe ich über meine Ergebnisse in diesem Betreff bald berichten zu können. 1) Ebenda Taf. XI, Fig. 3. Erklärung der Abbildungen auf Taf. VII. Fig. 1 u. 2. Epidermiszellen von den Kiemen von Siredon piseiformis. Siehe Text S. 102. y Fig. 3 u. 4. Wimperzellen von den Kiemen desselben Thieres, (Die Fäden im Protoplasma sind zu kräftig gezeichnet,) Fig. 5, 6, 7. Kerne aus denselben Zellen. 118 C. Semper: Fig. 8 bis 10. Kerne aus den Wimperzelien von der Gaumenschleimhaut der Salamandra maculata. Fig. 11. Wimperzelle ebendaher. Sehr feine Längsfäden im Innern. Fig. 12, 13, 14. Kerne aus Zellen von der inneren Fläche der Tentakel von Aegineta. Fig. 15. Ektodermzelle vom Schirmrandring von Carmarina hastata. Fig. 16 u. 18. Von Häckel sogenannte Knorpelzellen aus dem Schirmrand- ring von Carmarina hastata. Fig. 17. Kern aus einer eben solchen Zelle. Fig. 19. Ganglienzelle aus demselben Thiere. Fig. 20 u. 21. Kiemenepithelien von Anodonta. In 21 ist die die Körnchen der Körnchenschale verbindende Linie wegzudenken, Fig. 22. Schema, zur Verdeutlichung der Körnchenschale sammt Strahlen- fäden. Fig. 1 u. 2 mit Tauchlinse 10, Okular 3 Hartnack: un die übrigen mit Tauchlinse 8 Seibert und Krafft, Okular 3 Hartnack: etwa = gezeichnet j Fig, 1, 2, 8, 9, 10, 11, 20 u. 21 nach frischen, die übrigen nach mit schwachen Chromkalilösungen behandelten Objekten gezeichnet. Ueber Schneckenaugen vom Wirbelthiertypus nebst Bemerkungen über einige andere histologische Eigen- thümlichkeiten verschiedener Cephalophoren. Von C, Semper. Mit 2 Holzschnitten. Da meine morphologischen Molluskenstudien wohl einstweilen ihr Ende erreicht haben werden und meine Monographie über die Pulmonaten — in der ich mancherlei anatomisch-histologisches Ma- terial vergraben habe — den meisten Lesern dieser Zeitschrift un- bekannt sein und bleiben dürfte: so erlaube ich mir, hier kurz auf einige eigenthümliche Funde hinzuweisen, die, wie ich glaube, allge- meineres Interesse erwecken möchten. Zunächst habe ich über sehr wunderbare Schneckenaugen zu berichten, die ich bei der Gattung Onchidium kürzlich aufgefunden habe. Man weiss, dass alle Augen der Wirbellosen sich von denen “en Ueber Schneekenaugen am Wirbelthiertypus ete. 119 der Wirbelthiere wesentlich dadurch unterscheiden, dass bei ihnen die letzten (Stäbchen) Enden der Retina-Fasern gegen die Linse und das Licht hin gerichtet, bei diesen dagegen von Licht und Linse abgewendet sind ; dem entsprechend liegt bei den Wirbelthieren die Faserschicht der Retina nach innen, bei den Wirbellosen nach aussen. Die einzigen bis jetzt bekannten Ausnahmen liefern der Blutegel und die Gattung Pecten. Aber die Augen jener sind so ungemein einfach gebaut, dass hier kaum von einer besonderen Retina, ge- schweige denn von einer Schichtung derselben gesprochen werden kann; und das Auge der Muschelgattung Peecten ist durch seine zwei Sehnerven und die Art ihrer Verbindung in der sehr complieirten Retina gerade soweit vom Typus des Wirbelthier-, wie von dem des eigentlichen Mollusken-Auges entfernt. Die Gattung Onchidium — welche mit zu den interessantesten jetzt lebenden Schnecken gehört — besitzt nun aber Augen, welche ganz den Typus des Wirbelthierauges zeigen. Ich gebe nebenstehend Durchschnitt durch das einen schema- Rückenauge von Onchidium. tisirtenDurch- schnitt durch ein solches in- uf N dem ich da- WENN \ bei auf die in VEN o Opticus. meiner Mono- graphie (Rei- seni. Archipel der Philippi- ce | zweischichtige e' J Cornea. l Linsenzellen. r Faserschicht la Rs nen, Band III) x Stäbchenzellensch. dia erscheinende r“ Pigmentschicht | ausführliche Schilderung verweise. Der Opticus tritt an die Hinter- fläche des dunkel braunschwarz pigmentirten Augenbulbus heran, durchbohrt die Pigmentschicht, und ein bei den verschiedenen Arten verschieden dickes inneres zelliges Stratum, um sich an der innern Fläche des letzteren in die dritte Schicht, die Faserschicht der Re- tina aufzulösen. Alle 3 Retinaschichten — um welche eine beson- dere Scelerotica allerdings nicht nachzuweisen ist — verlaufen nach 120 Ö. Semper: vorm allmälig sieh verjüngend bis zu einem Pigmentring, welcher die sehr grosse und die innere Augenhöhle völlig ausfüllende Linse eng umfasst. Die Linse selbst besteht aus 1—7 grossen Zellen, deren Kern immer am hinteren Ende liegst und deren vorderste grösste schalenartig von den kleineren hinteren umfasst wird. Vorn, wo dureh den Pigmentring die Linse eng umspannt wird, tritt diese in eine bei einzelnen Arten recht stark nach aussen convexe Höh- lung vor, welche sie mitunter nicht einmal ganz auszufüllen scheint, so dass hier der Anschein einer wirklichen Augenkammer hervorge- rufen wird. Da leider diese Schnecken nur in der gewöhnlichen Weise behandelt wurden, also weder mit Osmium- noch Chrom- säure, sondern nur mit Spiritus, so ist hierüber keine Gewissheit zu erlangen. Nach vorn wird die problematische Augenkammer ab- seschlossen durch eine ziemlich dicke aus Epidermis und Cutis ge- gebildete und meist stark vorgewölbte Cornea. Bei der Betrachtung von oben sieht man die, durch den vorderen Pigmentring erzeugte Pupille innerhalb eines meist kreisförmigen schwarzen Fleckes, weicher dem grössten Durchmesser des Augenbulbus entspricht. Liegen die so betrachteten Augen günstig, so kann man durch die Pupille hindurch in jedem den blinden Fleck erkennen, welcher wie bei dem Wirbelthierauge dadurch entstehen muss, dass der Sehnerv die Pigment- und Zellschicht der Retina durchbohrt, um sich inner- halb derselben zur Faserschicht auszubreiten. Die typische Uebereinstimmung mit dem Wirbelthierauge ist evident, trotz der sonstigen grösseren Einfachheit im Bau. Es fehlt eine abgegrenzte Sclerotica, ebenfalls Glaskörper und echter Giliar- körper; auch die Augenkammer ist, wenn nicht vielleicht ganz Kunst- produet, sehr klein. Die Retina selbst ist auch in ihrem zelligen Theil ungemein einfach gebaut; meist hat sie nur eine einzige Stäbehenzellenschicht, die epithelartig gebildet ist; der Faserschicht zunächst liegt die regelmässige Reihe der Zellkerne, welche sich im Pikrocarmin leicht färben; die an die Pigmentschicht anstossenden Zellenenden enthalten meistens wirkliche Stäbchen, die jedoch nur kurz sind; die Linse endlich besteht meistens aus 1—7 Zellen, welche keine Andeutung einer Umbildung in Faser- oder Band- Zellen zeigen, wie in der Wirbelthierlinse. Alle diese Unter- schiede verwischen indessen den durch die Schichtfolge und durch den damit nothwendig hervorgerufenen blinden Fleck scharf bezeich- neten Typus nicht: es ist derjenige der Wirbelthiere. Wenn es mir nn ee | Ueber Schneckenaugen vom Wirbelthiertypus etc. 121 gestattet ist, hier eine Vermuthung auszusprechen, so möchte ich als solche hinstellen, dass man durch ein genaues Studium des — wie ich aus eigenen vorläufigen Untersuchungen weiss — ungemein mannichfaltigen Annelidenauges vielleicht ein Verständniss der ver- schiedenen Augentypen gewinnen dürfte. Nicht weniger interessant als die Structur ist auch das Vor- kommen des hier kurz beschriebenen Onchidiumauges. Es steht nämlich nicht, wie wohl alle Leser angenommen haben werden, auf oder an den Tentakeln — diese tragen Augen vom gewöhnlichen Molluskentypus mit umgekehrter Schichtfolge der Retina — sondern oben auf dem Rücken. Die Arten der Gattung Onchidium tragen nie eine Schale; ihr nackter Rücken ist bald glatt, bald körnig, bald stark tuberculös oder selbst mit langen Papillen dicht besetzt, die bis in die neueste Zeit hinein in ganz oberflächlicher Weise als Kiemen angesehen werden. Auf der Spitze mancher dieser Papillen und Tuberkel stehen nun die oben beschriebenen Augen, mitunter einzeln (O. coriaceum, luteum etc.) oder in Gruppen; wenn sie in Gruppen vorkommen meist zu 2—4 vereinigt (O. tonganum, tumi- dum etc.), nur selten bis zu 7 oder 8 in einem Haufen (0. verru- culatum). Auch giebt es Arten derselben Gattung, welchen diese Rückenaugen gänzlich fehlen (O. australe, Steindachneri etc.). Diese Mannichfaltigkeit innerhalb der Gattung wird noch dadurch vermehrt, dass ihre Zahl nicht einmal bei den Individuen derselben Art con- stant ist. Von Onchidium verruculatum habe ich Exemplare desselben Fundortes mit 11 und mit 73 Augen, hier sind es durchschnittlich die kleineren (und theilweise noch nicht geschlechtlich entwickelten) Thiere, welche die absolut grösste Zahl von Augen haben. Man könnte daraus schliessen, dass die Zahl der Augen mit zunehmen- dem Alter allmälig abnimmt. Bei einer andern Art finde ich sehr bedeutende geographische Abweichungen in dieser Beziehung: On- chidium ambiguum hat auf den Palauinseln nur 3—5 Augen, in Singapore und auf den Nicobaren dagegen 12—33. Unter den 19 von mir bis jetzt untersuchten Arten der Gattung habe ich diese Augen bei 16 aufgefunden; die 3 derselben entbehrenden gehören auch sonst eigenthümlich abweichenden Untergattungen an. Die Innervation dieser Augen geschieht durch die 3 (resp. 4) Pallialnerven, welche sämmtlich von dem Visceralganglion des Schlundringes entspringen. Die Optiei der Tentakelaugen entspringen wie immer vom Centralganglion. 8* 122 ©. Semper: Merkwürdig genug sind diese Augen bisher fast gänzlich, selbst von den Speciesbeschreibern übersehen worden, obgleich man die Pupille bei einzelnen Arten schon mit der Lupe sehr deutlich er- kennt; nur Stoliczka erwähnt ihrer bei der Beschreibung von ©. typhae Buchanan, ohne sie freilich für etwas mehr, als kleine Pig- mentflecke zu halten. Man weiss, dass zu wiederholten Malen Knochenkörperchen oder ihnen ähnelnde Zellen bei Wirbellosen fälschlich beschrieben wurden. Die Gattung Onchidium liefert, so viel ich weiss, das erste Beispiel von sternförmigen und mit ihren Ausläufern — wie im Knochen der Wirbelthiere — anastomosirenden Zellen innerhalb einer knorpeligen Grundsubstanz. Durch Cuvier ist zuerst die eigenthümliche mit dem Penis zugleich neben dem rechten Tentakel ausmündende Penisdrüse von Onchidium beschrieben worden; er hat auch bemerkt, dass sie in einem harten, braunen Stachel endigt, welcher durch eine fleischige Papille hindurch in das männliche Antrum vorgestreckt werden kann. Dieser Penisdrüsenstachel ist von allen spätern Untersuchern übersehen worden, obgleich er allen bisher anatomisch untersuchten Arten zu- kommt (ausgenommen vielleicht ©. celticum); er besteht aus sehr fester Knorpelsubstanz mit eingelagerten sternförmigen Zellen (s. d. Holzschnitt); die letzteren sind an der Basis am stärksten gehäuft und durch- kreuzen sich mit ihren Ausläufern nach allen Richtungen; in der Mitte fehlen sie oft vollständig; an der verbreiter- ten Mündung des Stachels häufen sie sich wieder. Gleichzeitig will ich erwähnen, dass die Mehrzahl der Onchidiumarten in ihrem Penis sehr schöne Knorpel- zähne (siehe nebenstehenden Holz- schnitt) haben, die in ihrer Structur Penisdrüsenstachel, Peniszahn und Anordnung ungemein Charakte- von Onchidium typhae. ristisch für die einzelnen Arten sind. Aehnliche Knorpelstacheln des Penis habe ich schon früher von ver- schiedenen Landmollusken beschrieben (Reisen ete. Band III Tafel III Fig. 2, Tafel V Fig. 2 und 3). Ueber Schneckenaugen vom Wirbelthiertypus etc. 123 Der dritte hier kurz zu besprechende Punct ist das von Ihe- ring bei Chiton, Haliotis und Fissurella entdeckte Strickleiterner- vensystem, welches durch die Pedalnerven und ihre in regelmässigen Abständen sich wiederholenden Quercommissuren gebildet wird. Er baut darauf den weitgehenden Schluss, dass die eine Hälfte der Ce- phalophoren direct von den Anneliden (resp. Amphipneusten) abzu- leiten sei, während die andere, gebildet durch die Zwitterschnecken, von den Planarien direct abstammen solle. Nun hat sich, wie es scheint, Herr v. Ihering gar nicht die Frage vorgelegt, ob denn nicht jenes Strickleiternervensystem über- haupt für die Cephalophoren bezeichnend sei; wenigstens finde ich nirgends in seinem dicken Buche eine eingehende Discussion dar- über. Hätte er sich aber wirklich bemüht, gründlich diese Ver- hältnisse kennen zu lernen — statt sich in voreiligen Schlüssen zu üben —, so würde er-— vielleicht! — eingesehen haben, dass die von ihm aufgenommene Frage nach den Verwandtschaftsbeziehungen der Anneliden und Mollusken doch nicht so gar sicher und rasch jetzt schon zu beantworten sein dürfte. Er würde dann vielleicht auch erkannt haben, dass die vergleichende Morphologie des Ner- vensystems der Mollusken auch durch ihn nicht endgültig behandelt worden sei. Ich kann nun nach eigenen Untersuchungen bestimmt ver- sichern, dass es in der That »Platycochliden« giebt, welche ein Strickleiternervensystem im Fusse tragen, wie es kaum besser ent- wickelt gedacht werden kann. Am besten ausgebildet habe ich es bei Vaginulus Tannaysi gefunden. Hier ist der ganze Fuss von 2 Längsnerven durchzogen, welche in ziemlich regelmässigen Abstän- den (von !/-- mm) durch Quercommissuren verbunden sind; wo diese entspringen, bildet sich regelmässig eine durch schöne Ganglienzellen erzeugte Anschwellung und diese Ganglienzellen begleiten die Com- missuren in ihrer ganzen Länge. Zwischen den Ganglienknoten haben die Längsnerven keine Ganglienzellen. Entsprechend den Knoten wiederholen sich auch die von ihnen oder den Commissuren abtretenden Nerven in regelmässiger Folge; mit einigen derselben sind auch noch accessorische Gangiien verbunden. Noch viel schöner entwickelt sind die Ganglienknoten der Pedalnerven bei Limax; die Quercommissuren sind hier indessen vielleicht aufgelöst in ein unregel- mässiges Netz. Diese im Fuss liegenden Längsnerven sind aber echte Pedal- 124 0. Semper: Ueber Schneckenaugen vom Wirbelthiertypus etc. nerven; sie treten an die Pedalganglien heran. Entweder muss dies pedale Strickleiternervensystem dem von Chiton, Fissurella und Ha- liotis gleichzustellen sein: dann wäre die Frage aufgetaucht — welche Herr v. Ihering sich gar nicht gestellt zu haben scheint — ob nicht seine »Platycochliden« doch auch durch Vereinfachung aus den Anneliden, wie die »Arthrocochliden« entstanden seien. Oder er hätte — wenn er durchaus die polyphyletische Abstammung der 2 Cephalophorenreihen retten wollte — zeigen müssen, dass das Strickleiternervensystem der Fissurella und Haliotis wirklich vererbt sei, dasjenige der Vaginulus (und anderer Formen, bei denen es gleichfalls in etwas modifieirter Form vorzukommen scheint) trotz der merkwürdigen morphologischen Uebereinstimmung mit jenem doch nur durch Anpassung erworben sei. Das wäre nun freilich recht schwierig gewesen; unter allen Umständen wäre er dabei in die von ihm so sehr perhorreseirte Entwicklungsgeschichte hineinge- rathen. Endlich will ich noch erwähnen, dass auch in Bezug auf das Strickleiternervensystem von Chiton die Angaben Herrn v. Ihe- ring’s nicht exact sind. Er sagt, es hätten die beiden Pedalnerven keine ganglionären Anschwellungen. Knoten fehlen allerdings. Die mikroskopische Untersuchung aber zeigt, dass sie in ihrer ganzen Länge bis zur Schwanzspitze gleichmässig mit Ganglienzellen belegt sind. Im Grunde genommen ist also das Strickleiternervensystem von Vaginulus viel typischer ausgebildet (wenn man das Wort in dem für die Anneliden gebräuchlichen Sinne nimmt), als selbst bei Chiton, obgleich Ihering diese Schnecke vorzugsweise wegen jenes Charakters in die neue Würmergruppe der »Amphineura« stellen will. Ueber Anastomosen der Ganglienzellen in den Vorderhörnern des Rückenmarkes. Von Justus Carriere. Hierzu Tafel VII. Unter Leitung von Herrn Professor Dr. Kollmann arbeitete ich auf dem histologischen Institut zu München im verflossenen Winter über die Nervenzellen der grauen Substanz des Rücken- markes und deren eventuelle Anastomosen, und erlaube mir die ge- fundenen Resultate hier vorzulegen. Ich hatte bei Versuchen, die Ganglienzellen zu isoliren, die in Fig. VII dargestellte Verbindung zweier kleiner Zellen gefunden und war dadurch zu einer eingehenden Untersuchung über dieses Vorkommen angeregt worden. Zu diesem Behufe zerschnitt ich das noch warme Rückenmark eines vierwöchentlichen Kalbes in schmale Scheibchen, welche ich in 3 Lösungen legte — Kali bichrom. 1: 600 und 1 : 500, chroms. Ammoniak 1 : 600. Nach 10 Tagen brachte ich die Stücke aus den Lösungen von 2 chroms. Kali, nachdem ich sie mit destillirtem Wasser ausgewaschen, in gerade noch durch- scheinende ammoniak. Carmin-Lösungen. Am 5. Tage fand ich die- jenigen aus 2 chrons. Kali 1: 600 genügend imbibirt und erweicht, um die Präparation beginnen zu können; 2 chroms. Kali 1 : 500 hatte die Neuroglia nicht hinreichend gelockert und waren in Folge dessen die darin gelegenen Scheibchen zur Isolirung nicht tauglich. Die Stücke aus dem chroms. Ammoniak gab ich nach 14 Tagen in die Carminlösung ; sie waren nach 3 Tagen zur Bearbeitung taug- lich und war namentlich die Erhaltung der Axencylinder sehr gut. Ich löste nun die Vorderhörner aus der Umgebung los, ent- nahm daraus möglichst kleine Theilchen und bemühte mich unter dem Präparirmikroskop mit sehr fein zugeschliffenen Nadeln vor- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 9 126 Justus Carriere: sichtig die Neuroglia so aus der Umgebung mehrerer dicht bei einander liegender Zellen zu entfernen, dass, ohne diese aus ihrer gegenseitigen Lage zu bringen, jede Spur von Bindesubstanz und kleinen Zellen entfernt wurde, und das Präparat vollkommen rein und frei auf dem ÖObjektträger lag. War dies gelungen und standen die Zellen noch in scheinbarem Zusammenhang, so suchte ich durch Ziehen mit den Nadelspitzen zu erkennen, ob sie nur durch Verschlingung oder Aufeinanderliegen der Fortsätze oder wirklich durch Anastomosen verbunden seien. Die Zellen, welche nach dieser Behandlung noch zusammenhingen, betrachtete ich dann bei 60facher Vergrösserung; hielten sie auch dieser Untersuchung Stand, so schloss ich sie ein, indem ich ein Deckgläschen auflegte, unter diesem mit alkohol. abs. entwässerte, dann diesen dnrch etwas Nelkenöl verdrängte und schliesslich einen kleinen Tropfen Damar, in Chloroform gelöst, zu- fliessen liess. Diese Art der Präparation bewahrte mich allerdings vor vielen Täuschungen, zerstörte mir aber auch manche sichere Anastomose namentlich solcher Zellen, welche durch einen längeren Fortsatz verbunden waren, und es scheint mir, dass die Schwierig- keit der Präparation und die vielen Zufälligkeiten, von welchen das Zustandekommen eines schönen, deutlichen Präparates abhängig ist, genügen, um die Seltenheit der sicheren Beobachtungen von Anasto- mosen der Ganglienzellen aus dem Rückenmark zu erklären. Ich überzeugte mich an einer Reihe von Präparaten, dass, wie die Abbildungen zeigen, Zellen jeder Grösse, gleichgrosse und ver- schiedengrosse, sowohl durch kurze Brücken als durch lange Aus- läufer in direkter Verbindung stehen, wodurch gleichzeitig das Vor- kommen von Zellen jeder Grösse nebeneinander in den Vorderhörnern des Rückenmarkes bestätigt wird. Deiters feinste Axencylinderfortsätze habe ich ebenfalls ge- sehen, doch konnte ich keinen Unterschied der Struktur zwischen ihnen und den Fortsätzen, von denen sie entspringen, wahrnehmen. Nach meinen Präparaten scheinen sie mir mit den kleinen, von Deiters auf Tab. II Fig. 11 als Bindegewebszellen abgebildeten Nervenzellen in Verbindung zu stehen. Doch wäre Untersuchung frischer, noch nicht in Damar liegender Präparate nöthig, um etwas Bestimmtes darüber angeben zu können. Von Zellen mit zwei Kernen glaube ich ein Präparat zu be- sitzen; da aber noch kein Beobachter solche gesehen und schon häufig darunterliegende, aus anderen Zellen losgerissene Kerne An- Ueber Anastomosen d. Ganglienzellen i. d. Vorderhörnern d. Rückenm. 127 lass zu Täuschungen waren, darf ich noch nicht wagen, es bestimmt zu behaupten. Dagegen besitze ich ein Präparat mit zwei Kernkörperchen und ein anderes, in welchem deutlich eine vom Kernkörperchen aus- gehende radiäre Klüftung des Kernes zu sehen ist. In allen nicht zu stark mit Carmin imbibirten Zellen meiner Präparate ist bei 200maliger Vergrösserung im Kernkörperchen ein heller Raum mit dunkler Contour wie eine Vacuole oder ein Fetttröpfchen wahrzu- nehmen. Die von Jolly beschriebenen Kernkörperfortsätze konnte ich nach der langen Einwirkung von 2 chroms. Kali und Carmin nicht mehr‘ wahrnehmen. Zur Vergleichung der Grösse der nebeneinander vorkommenden Zellen sind alle Abbildungen mit Seiberts Objektiv V und seinem Zeichenapparat nach Oberhäuser entworfen, so dass dadurch die relative Grösse der Ganglienzellen und das Nebeneinandervorkommen der verschiedensten Grössen ersichtlich ist. Die Details habe ich nach dessen Immersionslinse VII b eingezeichnet. Sämmtliche Prä- parate sind mit den stärksten Vergrösserungen so genau untersucht, und von Herrn Dr. Kollmann, welcher ihnen Anfangs entschiedenes Misstrauen entgegenbrachte, geprüft, dass ich den Einwurf von Täuschungen, hervorgebracht durch aufeinanderliegende Zellen oder Zellfortsätze als ausgeschlossen betrachten darf. Beschreibung der Anastomosen. Fig. I. Zeigt zwei grosse Ganglienzellen, zunächst verbunden durch die einfachen feinen Fortsätze a und b, dann dadurch, dass ein von jeder Zelle ausgehender breiterer Fortsatz sich mehr- fach theilt und die Verzweigungen dann sich gegenseitig (c) vereinigen. Bei d setzt sich zwischen die gabelige Theilung hinein noch ein dünner Plasmaspiegel fort, — eine Erscheinung, auf welche ich weiter unten zurückkomme. Das Loch x ist durch einen Nadelstich bei der Präparation entstanden. Fig. II. Verbindung einer grossen Zelle mit einer etwas kleineren bei a und b; an letzterer Stelle sind drei stärkere Züge des in die Zelle eindringenden Fortsatzes noch eine kurze Strecke weit im Zellkörper zu verfolgen. 128 Justus Carriere: Fig. II. Anastomose durch 1 Fortsatz; dieser zeigt bei a eine Ver- breiterung, vielleicht von einem Druck bei der Präparation herrührend. Fig.IV. Mehrfache Anastomose einer mittelgrossen und einer kleinen Zelle bei a, b und c. Dies Präparat hielt ich bei der Präpa- ration für eine Zelle mit zwei Kernen; erst die Untersuchung bei stärkerer Vergrösserung zeigte, dass dies nicht der Fall, sondern dass zwei Zellen vorhanden sind, welche aber so dicht aneinander liegen undeine Strecke weit bei d sogar verschmol- zen sind, dass man vielleicht eine noch nicht ganz vollendete Theilung annehmen könnte. Ich würde entschieden dieser Ansicht sein, wenn es mir gelungen wäre, unter den Hunderten von Zellen, welche ich isolirt habe, eine unzweifelhafte mit zwei Kernen zu sehen. Fig. V. Anastomose einer grossen Zelle mit einer ganz kleinen, bei a; das freie Ende der kleinen Zelle, welche nur 1 ganz schwachen seitlichen Fortsatz zeigt, liegt auf einem umgebogenen Fort- satz der grossen Zelle auf; letztere zeigt ein auffallend grosses Kernkörperchen. Fig. VI. Eine grosse Zelle verbindet sich mit einer ganz kleinen durch einen langen, ziemlich starken Fortsatz; gleichzeitig ist an ihr der Axencylinder-Fortsatz auf 1 Mm. Länge erhalten, welcher an seiner dünnsten Stelle (xxx), kurz nach dem Aus- tritt aus der Zelle, 0.0018 Mm. Durchmesser hat, sich dann rasch erweitert und eine längere Strecke auf der Dicke von 0.0036 Mm. (xx) erhält, dann sich rasch auf 0.0073 Mm. (x) verbreitert und an dieser Stelle wohl in eine Nervenfaser übergeht. Fig. VII. Anastomose zweier kleiner Zellen durch einen kurzen, sehr feinen Fortsatz. An den hier abgebildeten Präparaten ist die vorhin erwähnte nicht seltene Erscheinung einer schwimmhautähnlichen Ausbreitung des Protoplasmas zwischen den Theilungsästen von Fortsätzen (Plasma- Spiegel) bei Fig. Ve und VIa wahrzunehmen. Ich habe noch einige Messungen nachzutragen, welche ich an einigen Zellen angestellt und welche mit den früheren Angaben über die Grösse der Ganglienzellen des Rückenmarkes übereinstimmen. Bei den Zellen in Fig. III fand ich für die grössere im Längsdurch- messer in der Richtung von x....x= 0.128 Mm., im Querdurch- messer in der Linie —.... <- = 0.055 Mm., für die kleineren Längs- durchmesser — 0.109 Mm., Querdurchmesser = 0.055 Mm. Der Ueber Anastomosen u. Ganglienzellen i. d. Vorderhörnern d. Rückenm. 129 Durchmesser des Kernes der grösseren Zelle beträgt 0.01456 Mm., der des Kernkörperchens 0.00728 Mm. und dies scheint mir das gewöhn- liche Grössen-Verhältniss zwischen Kern und Kernkörperchen zu sein. Fig. V zeigt ein ausnahmsweise grosses Kernkörperchen von 0.01092 Mm. Durchmesser in dem mittelgrossen Kerne. Wende ich mich nun zur Literatur und zu den Ansichten, welche über das Vorkommen von Anastomosen der Nervenzellen des Rückenmarkes und anderer Centralorgane ausgesprochen sind, so sind es vor Allen Koelliker!) und Deiters?), welche diese Verbin- dungen mehr oder weniger in Abrede stellen. Koelliker gibt zwar das Vorkommen von Anastomosen in verschiedenen Nervencentren zu, und erklärt selbst Verbindungen zwischen zwei Nervenzellen ge- sehen zu haben, negirt aber deren Vorkommen im Gehirn und Rückenmark, da ihn weder die Präparate Schröders noch Stillings überzeugt hätten. Sehr merkwürdig ist, dass Deiters bei seinen eingehenden Unsersuchungen keine Anastomosen beobachtet hat und dieselben für Gehirn und Rückenmark so entschieden in Abrede stellt. Vielleicht ist dies dadurch zu erklären, dass er eben nach solchen Verbindungen nicht längere Zeit suchte oder bei dem Be- streben, die Zellen zu isoliren, die so zarten Verbindungs-Fortsätze zerriss. Stilling?®) gibt an, die feinsten Fäserchen der Zellenfortsätze anastomosirten mit denen benachbarter Zellen und bildeten so ein sehr zartes und vielmaschiges Netz. Wenn mir dies auch nicht unwahrscheinlich ist, so wird es sich durch Präparation kaum fest- stellen lassen. Was nun die Angaben über Beobachtungen von Anastomosen betrifft, so ist zunächst die Art der Präparation und die Beschaffen- heit der Präparate in’s Auge zu fassen. Querschnitte des Rücken- markes zeigen so mannigfaltige Kreuzung und An- und Ueberein- anderlagerung der Fortsätze, dass sie keine sichere Gewähr bieten können, wobei noch meistentheils durch die Dicke des Schnittes der Gebrauch starker Linsen ausgeschlossen ist. Aber auch Zerzupfungs- präparate, die ich mit Jolly als für solche Untersuchungen einzig 1) Koelliker, Gewebelehre. 1. Aufl. pg.331; 303; 2. Aufl. pg. 353; 323. 2) Deiters, Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark; pg. 67 u. f. 3) Stilling, Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarkes. Cassel 1857—59, pg. 927. 130 Justus Carriere: zulässige halte, können nur dann Anspruch auf unbedingte Glaub- würdigkeit machen, wenn sie frei sind auch von der geringsten Spur von Neuroglia. | Schröder v. d. Kolk!) hat zuerst Anastomosen von Nerven- zellen in Querschnitten des Rückenmarks abgebildet. Doch gerade die Menge und Mannigfaltigkeit der auf einem Schnitte dargestellten Verbindungen lässt vermuthen, dass sie, wenigstens zum Theil, den oben angegebenen Täuschungen ihren Ursprung verdanken. Stilling?) gibt das Vorkommen von Anastomosen zweier Gang- lienzellen im Rückenmarke durch kurze breite Fortsätze neben den gemuthmassten Netzen der feinsten Ausläufer an, doch kann sein abgebildetes Präparat, da es sich noch allseitig von Neuroglia um- geben zeigt, als sicherer Beweis kaum dienen. Dagegen „ist esihm einmal gelungen, aus dem Hypoglossuskern des Ochsen zwei Zellen unter dem Dissektions-Mikroskop dergestalt zu isoliren, dass er mittelst der Nadel, welche den Verbindungszweig der Zellen fasste, beide Zellen auf dem Objektglas nach den verschiedensten Richtungen durch das Sehfeld hin- und herzuziehen im Stande war“. Nach dieser Probe scheint mir ein Einwand gegen diese Anastomose kaum möglich. Rudolph Wagner?°) gibt ebenfalls das Vorkommen von Ana- stomosen als unzweifelhaft an und legt Gewicht darauf, dass die- selben mittelst Zerzupfen zu isoliren sind. So beschreibt er solche aus der Substantia ferruginea unter dem locus coeruleus vom Men- schen sowie aus der ala einerea der medulla vom Hunde und sind seine Abbildungen vollkommen deutlich und klar; seine Angabe dabei über die Schwierigkeit, vollkommen einwurfsfreie Ansichten zu er- halten, darf uns zur Bestätigung dienen, dass ihm die Herstellung wirklich gelungen war. Foerster*) bildet unter isolirten verkreideten Nervenzellen aus der grauen Substanz des Rückenmarkes eines Knaben auch ein Paar ab, welches durch einen kurzen Fortsatz verbunden ist, ohne auf 1) Schröder v. d. Kolk, Bau und Funktionen der medulla oblongata und spinalis, deutsche Ausgabe, pg. 33; Tab. I. 2) Stilling, 1. s. c. pg. 928; 941. Tab. XXV Fig. 7. 3) Rud. Wagner, Neurologische Untersuchungen 1854. pg. 48; 163; Tab. I, Fig. I und II. 4) Foerster, Atlas der mikrosk. patl. Anatomie 1854. Tab. XV. Ueber Anastomosen u. Ganglienzellen i. d. Vorderhörnern d. Rückenm. 131 diese seiner Zeichnung nach unzweifelhafte Anastomose näher ein- zugehen. Arndt!) stellt sich auf Seite derjenigen, welche für die Existenz von Ganglienzellenanastomosen eintreten, hält sie aber für einen seltenen und zufälligen Befund. Er bildet aus der Rindensubstanz des Grosshirns zwei in einer dünnen Ausbreitung von Neuroglia liegende Zellen ab, welche durch einen längeren Fortsatz verbun- den sind. Besser?) hat eine Verbindung zweier Ganglienzellen aus der Rinde des Grosshirns beschrieben und abgebildet, wobei eine Zelle mit den Fortsätzen der einen Seite noch im Schnittrande wurzelt, während das andere Ende mit der durch einfache Anastomose verbun- denen zweiten Zelle isolirt frei in der umgebenden Flüssigkeit flottirt. Jolly3) beschreibt eine Anastomose ebenfalls aus der Rinde des Grosshirns, welche er durch Zerzupfen mit Nadeln isolirt hatte, und die sonst ganz ähnlich der von Besser abgebildeten war. Ebenso wie im Rückenmark und im Grosshirn kommen auch im Sympathicus und anderen nervösen Organen gegenseitige Ver- bindungen der Nervenzellen vor. So erwähnt Sigmund Mayer®), dass die Fortsätze der Zellen des Sympathicus zum Theil zur Vereinigung von Ganglienzellen untereinander dienen, und bildet eine solche durch eine kurze schmale Brücke hergestellte Anastomose ab. Aus dem elektrischen Organ von Torpedo hat Rud. Wagner?) Verbindungen von Ganglienzellen durch längere seilartige Fortsätze beschrieben und abgebildet. Remak°) gibt Beschreibung und Abbildung einer kurzen Ana- stomose zweier Nervenzellen aus dem Ganglion spinale vom Kalb, und Corti?) berichtet von 4 miteinander in Verbindung stehenden Nervenzellen aus der Retina des Elephanten, welche nach seiner Angabe, wie er sie auf ihren Zusammenhang geprüft habe, keinen Zweifel zulassen, dass auch hier Anastomosen vorhanden sind. 1) Arndt in Archiv für mikrosk. Anatomie. Band III. pg. 464. Tab. XXI. 2) Besser in Virchows Archiv XXXVI Heft 1. 3) Jolly in Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie XVII. 4) Sigm. Mayer, das sympath. Nervensystem, in Strickers Gewebelehre. 5) Rud. Wagner in Eckers Ikones physiol. Tab. XIV Fig. VI u. VIII. 6) Remak, Observationes anatomicae 1838, pg. 10; Tab. 1, Fig. 11. 7) Corti in Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Band V, Heft 1, Tab. V. 132 Carl Posner: Aus diesen Angaben ist also zu sehen, wie wenig ganz sichere Nachrichten über das Vorhandensein von Anastomosen in den ner- vösen Uentralorganen existiren und dass die beschriebenen und ab- gebildeten Verbindungen zweier Nervenzellen zufällig Gefundenes darstellen, so dass die Gegner dieser Ansicht, wenn sie den klaren Präparaten gegenüber nicht von Täuschungen sprechen konnten, dieses Vorkommen dann als ein vereinzeltes, seltenes, ab- normes darstellten. Diese Behauptungen nun glaube ich nach den Resultaten, welche ich erhielt — für das Rückenmark wenigstens — zurückweisen zu könneu. Ich habe vielleicht die fache Anzahl von Anastomosen, deren schliessliche Aufbewahrung mir gelang, unter dem Präparirmikroskop dargestellt, und kann es blos dem anfäng- lichen Mangel an Uebung und Sicherheit der Hand zuschreiben, dass ich nicht noch mehr erhaltene Exemplare aufweisen kann, wobei ich noch erwähnen muss, dass ich diese Präparate alle aus einem Theil des Rückenmarkes von nicht ganz 1'/s Cm. Länge erhielt und wegen eintretenden Verderbens des Materials nur 4 Tage daran arbeiten konnte. Und ich kann somit die Ueberzeugung aussprechen, dass die direkten Anastomosen der Ganglienzellen in den Vorderhörnern des Rückenmarkes sehr häufig vorkommen und die Seltenheit ihrer Be- obachtung wohl davon herrührt, dass sie hisher nur gelegentlich bei Anderes bezweckenden Untersuchungen gefunden, aber noch nicht um ihrer selbst willen gesucht wurden. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. Von Dr. Carl Posner. Hierzu Tafel IX. Die neuen Untersuchungen über die Kiemen der acephalen Mollusken, deren Resultate ich in den nachfolgenden Zeilen vorlege, wurden im December 1876 im Laboratorium des zoologischen Instituts Histiologische Studien über die Kiemen des acephalen Mollusken. 133 zu Strassburg i. E. angestellt; ich fühle mich verpflichtet, Hrn. Prof. Oskar Schmidt für die freundliche Ueberlassung seiner Arbeits- räume, sowie für die dem Fortgange meiner Untersuchungen bewiesene Theilnahme auch an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen. Zur Wiederaufnahme des schon früher von mir bearbeiteten Themas!) veranlasste mich der Wunsch, mir über die verschiedenen Differenzpunkte, welche sich seit dem Erscheinen meiner ersten Arbeit herausgestellt hatten, Klarheit zu verschaffen. Ganz besonders regte mich dazu eine Arbeit von Carl Rabl, ‚Bemerkungen über den Bau der Najadenkieme‘‘ an?), welche der Autor die grosse Freund- lichkeit hatte, mir im Manuskript zur Kenntnissnahme zuzusenden ; ferner die betreffenden Abschnitte in den Arbeiten W. Flemmings?) und Kollmann’s®); schliesslich die mir durch die Liebenswürdig- keit des letzgenannten Autors ebenfalls vor dem Erscheinen über- sandten Tafeln zu einer aus seinem Laboratorium hervorgegangenen Arbeit über den Blutkreislauf der Lamellibränchiaten. — Nach dem Abschluss meiner Untersuchungen und zu einer Zeit, wo äussere Umstände mich bereits an einer Wiederaufnahme derselben verhin- derten, erhielt ich dann noch Kenntniss von einer Abhandlung- von R. Holman Peck°), deren Resultate übrigens, wie man sehen wird, mit den meinigen in den wesentlichen Punkten in der erfreu- lichsten Uebereinstimmung stehen. Die Differenzpunkte betreffen besonders zwei Gewebe der Ace- phalenkieme, 1) das Epithel, über welches Rabl und Holman 1) Ueber den Bau der Najadenkieme. Dies Archiv, Bd. XI: auch als Inaug.-Diss. Leipzig 1875. 2) Beim Abschluss dieses Aufsatzes ist Rabl’s Arbeit noch nicht er- schienen; zur Zeit seiner Publication wird sie jedenfalls in der Jen. Ztschr. f. Nat.-Wiss. zu finden sein. 3) Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. Dies Arch. Bd. XII. Absch. I. Seinen Aufsatz über Bindesubstanz und Gefäss- wanduug im Schwellgewebe der Muscheln. Dies Arch. Bd. XIII erhielt ich, eben mit dem Abschluss dieser Arbeit beschäftigt. 4) Die Bindesubstanz der Acephalen. Dies Arch. Bd. XIII als Haupt- Arbeit, sowie die von Flemming |. e. eitirten kleineren Schriften; wozu nur noch ein Vortrag über structurlose Membranen in den Stzgs.-Ber. der Münchn. Akad. d. Wissensch.; math.-phys. Classe. 1876. II. zu rechnen ist, 5) Tha minute structure of the gills of Lamellibranch Mollusca. Quart, Journal of mikr. se. No. LXV. Jan. 1877. 134 Carl Posner: Peck eingehend berichten, und 2) die Bindesubstanz; ich will in Bezug hierauf gleich jetzt daran erinnern, dass ich im Anschluss an Flemmings Arbeiten auch in den Kiemen ein ‚„lakunäres Gewebe“ als Blutbahn nachgewiesen habe. Hier beziehen sich die Meinungs- verschiedenheiten, mit Kollmann besonders, in erster Linie auf die Deutungen der auch von ihm bestätigten Bilder. Bei dem Interesse, welches durch seine und Flemmings Untersuchungen das Gewebe der Acephalen für Bindegewebstheoretik überhaupt gewonnen hat, wird man es mir gestatten, in wenigen Worten den Standpunkt zu prä- eisiren, den ich in dieser Frage beiden genannten Autoren gegenüber einnehmen zu müssen glaube. Die Frage nach der morphologischen Werthigkeit der Lamelli- branchiaten-Kieme werde ich mir erlauben, zum Schluss in einigen Bemerkungen Holman Peck gegenüber zu berühren. Als Untersuchungsobjekt haben mir diesmal fast ausschliesslich Anodonten aus den Festungsgräben von Strassburg gedient; kleine und kümmerliche Exemplare. Einige Blicke auf Ostrea edulis haben mich nichts Neues von Belang gelehrt. - Meine Untersuchungsmethode ist in der Hauptsache dieselbe geblieben, wie früher; ich habe auch diesmal der Osmiumsäure den Vorzug vor allen anderen Reagentien gegeben, und kann den Vor- würfen, die Rabl und Holman Peck gegen diese Methode erheben, keine Berechtigung zugestehen. Ich habe selbstverständlich mit der von Rabl empfohlenen Chromsäure Controlversuche angestellt, muss aber daran festhalten, dass die Osmiumsäure mindestens gleich gute Resultate in kürzerer, einfacherer und sichererer Weise erzielt. Zu dem von H. Peck mit besonderer Vorliebe angewandten Alc. abs. habe ich für so zarte Verhältnisse, wie sie hier vorliegen, kein un- bedingtes Zutrauen !). Carmintinktionen habe ich ebenfalls wieder angewandt, — ihre Vortheile sind indess bei gelungenen Osmiumpräparaten nicht be- sonders hoch anzuschlagen. 1) Holman Peck schiebt meine gleich zu erwähnenden Irrthümer bei Beschreibung des Flimmerepithels zum Theil auf die Anwendung der Osmium- säure. Das ist wohl zu liebenswürdig! Die Erklärung, dass ich auf dem vorher noch nie betretenen Wege leichter straucheln konnte, als meine Nach- folger, scheint mir plausibler: nachdem Rabl meine Irrthümer erkannt hatte, habe ich mich auch an Osmiumpräparaten anf das allerdeutlichste davon über- zeugen können. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 135 L Das Epithel. Zurückweisend auf Pietro Marchi’s „Beobachtungen über Flim- merepithel“!) hatte ich in meiner ersten Arbeit zwei Gruppen von Zellen unterschieden: einmal] solche, die von der Cylinder- zur kubi- schen und Plattenform alle möglichen Uebergänge zeigen sollten, zweitens solche, die an den Ecken jeder Kiemenleiste in einer Reihe aufgepflanzt, sich vor den übrigen „sowohl durch ihre Grösse, als durch die Stärke ihrer Wimpern“, ganz besonders aber dadurch auszeichnen sollten, dass bei ihnen die Flimmerhaare die Cutikula nicht in deren ganzer Ausdehnung, sondern nur an einer „central gelegenen, kKreisförmigen Stelle“ durchbrechen sollten. Ich hatte sie, dieser Eigenthümlichkeit wegen, als „einfach durchbohrte“ Zellen bezeichnet. Die Anordnung des Epithels auf einer Kiemenleiste war nach meiner Beschreibung so, dass die Höhe von flimmerndem Oylinder- epithel eingenommen wurde, dann jederseits eine „einfach durch- bohrte‘‘ sich einschob, und schliesslich die Zellen durch allmälige Abflachung in das Epithel der Wasserkanäle übergingen. (Vgl.l. ce. Taf. 36. Fig. 3, 4 u. 8.) Gegen diese Angaben hat sich, auf Grund seiner Querschnitte, zunächst Rabl gewandt. Nach ihm verhält sich die Sache vielmehr so: Die Höhe der Kiemenleiste wird von 8—10 flimmernden Cylinder- zellen eingenommen; darauf folgt jederseits eine sehr grosse Zelle, mit starken Wimpern, aber keineswegs „einfach durchbohrt‘“, sondern wie alle andern, mit Austritt der Wimpern auf der ganzen freien Fläche; nun folgt eine völlig wimperlose Zelle, die den Uebergang zum Abhang vermittelt, dann 3—4 Cylinderzellen, die sehr stark flimmern, und deren Wimpern büschelförmig nach oben gerichtet sind; endlich eine Reihe, immer flacher werdender, wimperloser Zellen, die in den Wasserkanal, resp. auf das Epithel der Nachbar- leiste überführen; die Wasserkanäle sollen erst in einer gewissen Tiefe zu fiimmern beginnen. Hinsichtlich der „einfach durchbohrten Zellen“ bemerkt Rabl: „er wolle nicht sagen, dass solche an der Najadenkieme überhaupt nicht vorkommen, nur wisse er nicht, wo er sie zu suchen habe“. 1) Dies Arch. Bd. II. 136 Carl Posner: Holman Peck gibt ebenfalls genauere Mittheilungen, auf welche ich an den bezüglichen Punkten eingehen werde; er ist in einer Hinsicht zu denselben Resultaten gelangt, die auch mir eine sorgfältige Nachuntersuchung geliefert hat. Dass ich‘ mich in vielen Punkten jetzt der Rabl’schen Dar- stellung anschliesse, ergibt sich wohl schon aus der Betrachtung meiner Fig. 2. Ich erkenne vollkommen die Unterschiede im Bau der verschiedenen Zellgruppen an, und muss zugeben, dass die Rabl’sche Beschreibung und Zeichnung für den Querschnitt eine vollständige Giltigkeit hat. Der leichteren Verständigung wegen möchte ich indess für die verschiedenen Zellen einfache Namen vor- schlagen; und so bezeichne ich denn die auf der Höhe der Kiemen- leiste stehenden Zellen als „„Höhenzellen‘“, die in der Ecke (meinen „einfach durchbohrten‘‘ entsprechend) als „Eckzellen“, die darauf folgende, charakteristisch geformte, wimperlose, als „Schaltzelle“, die nach unten zu sich anschliessenden, stark flimmernden, als „Seitenzellen“, die letzten, abermals wimperlosen endlich, als „Grund- zellen‘‘ !). Ganz besonders betone ich meine Zustimmung zu Rabl’s An- gabe, dass man zwischen wimpernden und wimperlosen Zellen streng zu unterscheiden hat, — wenigstens auf dem conservirten Präparat, mag man nun Osmium- oder Chromsäure genommen haben; es ist vollständig richtig, dass auf solchen Querschnitten weder die Schalt- zellen, noch die Grundzellen eine Spur von Wimpern aufweisen Ich hatte früher geglaubt, solche Bilder als Kunstprodukte vernach- lässigen zu dürfen, doch habe ich mich jetzt von der Constanz der Erscheinung überzeugt. Freilich kann ich nicht entscheiden, ob diese, wie man zugeben wird, recht auffallende Eigenthümlichkeit wirklich dem Verhalten der lebenden Zelle entspricht, — es ist immerhin denkbar, dass die Flimmerhaare dieser Zellen nur zu zart sind, um den Einflüssen irgend welcher Conservirungsflüssigkeit oder der Präparirnadel zu widerstehen?). Jedenfalls verdient die mit Regel- mässigkeit wiederkehrende Erscheinung ganz besonders hervorgeho- ben zu werden, auch Holman Peck gegenüber, der nicht nur aus- 1) Diese Nomenklatur schliesst sich an die von Holman Peck an, welcher ein „frontal“, „latero-frontal“ und „lateral epithelium“ unterscheidet. 2) Die Entwickelungsgesehichte würde diese Frage alsbald entscheiden können. ‘ Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 137 drücklich bemerkt „all the cells are ciliated“, sondern die Wimpern auch überall zeichnet. Wie steht es nun aber mit den „einfach durchbohrten“ Zellen? Ich muss, wie meine neue Abbildung zeigt, auch hier einen Irrthum zurücknehmen. Rabl hat Recht, — auf dem Querschnitt sieht man “Nichts, was den Gedanken an eine einfache Wimperdurchbohrung rechtfertigen könnte. Und doch sprechen sowohl die Bilder von Marchi und v. Hessling, wie meine eigenen, allzu unzweideutig für derartige Zellen, als dass man hier eine völlige Täuschung unserer- seits supponiren könnte! Den Schlüssel zur Lösung dieses Räthsels, welchen, wie ich mit besonderer Freude constatire, inzwischen auch Holman Peck gefunden hat, liefert uns der Vergleich des Längsschnitts (resp. des Zupfpräparats) ') mit dem Bilde des Querschnitts. Ein jedes der- artiges Präparat, wie ich es in Fig. 1 dargestellt habe, zeigen die einfach durchbohrten Zellen auf’s Allerdeutlichste, und wenn man neben solche Ansicht der Zellen einen Querschnitt hält, so ergibt sich alsbald, dass sie in der That identisch mit Rabl’s grossen Eckzellen sind. Der Unterschied im Bilde kommt lediglich dadurch zu Stande, dass man diese Zellen beide Mal von verschiedener Seite her sieht. Es ist dies Verhalten demgemäss so zu erklären, dass die Cuticula — allerdings nicht central, wie ich es angenommen hatte, sondern in einer geraden Linie, in einem Durchmesser, von den austretenden Wimpern durchbohrt wird. Je nachdem man nun von vorn oder von der Seite auf diese Linie blickt, wird man den Anschein bekommen, als träten die Wimpern an einem centralen Punkt, oder an der ganzen Öherfläche der Guticula aus (vgl. bei Holman Peck Taf. VI Fig. 21 sowie meine Fig. 3). Schräg- schnitte und isolirte Zellen, die man unter dem Deckglase rollen lässt, bestätigen diese Deutung, in der ich, wie gesagt, mit Holman Peck vollständig übereinstimme. Der Irrthum meiner früheren Angaben 1) Zerzupft man einige, durch Flächenschnitte abgetragene Partieen der Kiemen grob, und übt dann durch wiederholtes Aufklopfen auf das Deckglas einen Druck auf die Bruchstücke aus, so gelingt es leicht, lange, zusammen- hängende Fragmente des Epithels abzusprengen. Da, wie der Querschnitt zeigt, diese Zellen eine gewölbte Fläche bekleiden, so hat die Zeichnung, die sie auf eine Ebene projieirt darstellt, ein etwas schematisches Aussehen ge- wonnen; sie fasst in ein Bild zusammen, was sonst nur wechselnde Ein- stellungen zeigen. 138 Carl Posner: ist eben daher zu erklären, dass ich die „einfach durchbohrten Zellen“ an der Ecke der Leiste richtig wiederfand, die abweichenden Bilder des Querschnitts aber für trügerisch und ungenau hielt. Auch die 3—4 flimmernden Seitenzellen mögen noch in einigen Worten Berücksichtigung finden, da ich auch für sie eine Bemerkung meiner ersten Arbeit zu rektifieiren habe. Ich hatte damals, wie oben bemerkt, ihre Sonderstellung übersehen und daher geglaubt, dass alle Flimmerzellen der Kiemenleiste Anlass zu der damals her- vorgehobenen Täuschung Marchi’s gegeben haben. Marchi zeichnete bekanntlich flache Zellen, deren Wimpern gänzlich auf einer Seite entspringen sollten, ohne Cutikula u. dgl. Ich machte darauf auf- merksam, dass Marchi cylindrische Flimmerzellen in gerader oder schräger Aufsicht gesehen habe und durch dies Bild getäuscht sein müsse. Ich kann jetzt hinzufügen, dass gerade diese Seitenzellen es gewesen sein müssen. Auf dem Querschnitt ceylindrisch, präsentiren sie sich auf dem Längsschnitt oder Zupfpräparat als Rhomben oder Rechtecke, die überall Flimmern tragen. Der Vergleich zwischen Längs- und Querschnitt lehrt also auch hier die Gestalt der Zellen erst richtig kennen: sie sind als Würfel aufzufassen, deren Flächen aber keineswegs gleich sind; vielmehr entspricht ihre Gestalt etwa den Körpern, die man erhält, wenn man einen regelmässigen Würfel in vier gleiche Theile spaltet, — auf der einen Schmalseite treten dann die Wimpern aus, deren im Winkel nach oben strebende Richtung besonders zu bemerken ist (Vgl. Fig. 4) '). Ich habe diesen Verhältnissen hier vielleicht mehr Platz ein- geräumt, als sie nach Maassgabe ihrer Wichtigkeit zu verdienen scheinen. Indess hielt ich es für nicht unangebracht, gelegentlich an zwei concreten Beispielen zu zeigen, mit welchen Schwierigkeiten auch scheinbar einfache Dinge für den Mikroskopiker verknüpft sein können. Was kann es simpleres geben, als die Gestalt einer Zelle zu bestimmen? Und doch wurde eine und dieselbe, nach richtigen Bildern, von mir als ‚einfach durchbohrt“, von Rabl als Zelle mit dem gewöhnlichen Wiınperaustritt beschrieben, eine andere von Marchi als platte, von Rabl und mir als cylindrische! Man vergisst eben allzu leicht, dass eine Zelle ein Körper ist, den man nach der 1) Nach seiner Fig. 22 zu urtheilen, ist Holman Peck auch dieser Erkenntniss nahe gekommen, hat aber frontal und lateral epithelium ver- wechselt. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. : 139 mikroskopischen Ansicht von einer Seite her noch nicht beurtheilen kann; und hieran wollte ich durch Anführung der obigen Fälle wieder einmal erinnern. Zum Schluss dieses Capitels will ich noch bemerken, dass mit den oben aufgeführten Zellarten die sämmtlichen vorkommenden Modifikationen noch nicht erschöpft sind. Zwischen den Grundzellen finden sich auf fast jedem Querschnitt 1 oder 2 Gebilde, die ich nur als Becherzellen zu deuten weiss. Ich habe sie auf den Bildern des Quer- und Längsschnitts angegeben ). (Vgl. Fig. 1 u. 2 F.) Einen Vergleich der Bilder, wie sie Längs- und Querschnitt liefern, hier weiter auszuführen, kann ich mir wohl im Hinweis auf die betr. Figuren und ihre Erklärung ersparen ?). II. Bindesubstanz und Blutbahn. In Bezug auf meine Beschreibung des Bindegewebes der Kieme in ihrem Verhältniss zu den Blutbahnen kann ich mich sehr kurz dahin fassen, dass ich dieselbe in allen wesentlichen Punkten voll- ständig aufrecht erhalte; ich glaube dies um so beruhigter thun zu dürfen, als, wie ein Blick auf die Abbildungen von Holman Peck lehrt, auch dieser Forscher inzwischen zu fast ganz übereinstimmen- den Resultaten gelangt ist. Ich fasse also nach wie vor die Kiemen der acephalen Mollus- ken auf, wie ich sie früher definirte: „als bindegewebige, in lakunären Räumen Blut führende Platten“. Ich halte daran fest, dass sich 1) Ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, als sei Holman Pecks Fig. 30, die er als dense form des lacunar tissu in Anspruch nimmt, hervorgerufen durch eine Verwechselung mit dem Epithel, und als sei das als Lakune bezeichnete Loch der optische Ausdruck einer Becherzelle. 2) In vergleichend anatomischer Hinsicht möchte ich noch bemerken, dass, wenn es gestattet ist, Holman Peck’s Bilder von der Arca-, Mytilus- und Dreissenakieme in entsprechender Weise, wie es bei der Anodonta noth- wendig ist, zu rektifieiren, bei allen diesen genau dieselben Verhältnisse des Epithels sich finden. Für Ostrea habe ich dasselbe schon früher (l. c. pag. 39) angegeben. 140 Carl Posner: das Blut aus den vasa afferentia durch präformirte Oeffnungen in das lakunär-cavernöse Gewebe hinein ergiesst, um schliesslich in derselben Weise wieder von den vasa efferentia!) aufgenommen zu werden. Von dem Vorhandensein anderweiter echter Gefässe, be- sonders eines regulären Capillarsystems in den Kiemen habe ich mich auch jetzt nicht überzeugen können. | Ich kann nicht genau angeben, welche Stellung Kollmann gegenwärtig zu der hier berührten Frage einnimmt. In seiner ersten Arbeit?) steht er in Betreff der Kiemen eigentlich ganz auf dem Langer’schen Standpunkt. Er sagt wörtlich®): ‚„‚Der Kiemenkreislauf ist vollständig und ununterbrochen. Die zuführenden Kiemengefässe, Vasa branchialia afferentia, gehen durch ein den höheren Thie- ren analoges Capillarnetz in die Vasa branch. eff. über, welche sich in den Vorhof ergiessen.“ In seinem neuesten Aufsatz*) gibt er ein Kreisen des Bluts zwischen den „Gallertbalken‘‘ zu) und lässt nur die Möglichkeit einer „sinösen Erweiterung“ der Blutbahn offen, — auf den mir übersandten Tafeln aber glaubte ich echte Capillaren wieder mit aller Bestimmtheit zu erkennen. Auch Hol- man Peck glaubt, dass ich im Ausschluss aller echten Gefässe zu weit gegangen sei und nimmt einen mehr allmäligen Uebergang in das lakunäre Gewebe an. Er sagt: „It appears from my sections that there are very aefinite walls“, und zeichnet in seiner Fig. 11 Taf. VI auch etwas wie Gefässe, die von dem Hauptgefäss abgehen. Indess muss ich gestehen, dass mich diese Zeichnung ziemlich undeutlich und wenig beweiskräftig dünkt, und da man auf allen anderen Quer- schnitten dieses Autors vergebens nach Aehnlichem sucht und überall nur dasselbe „lakunäre Gewebe‘ entdeckt, so erlaube ich mir, an der Richtigkeit dieser Beobachtung bis auf Weiteres noch zu zweifeln. Dass Injektionen in dieser Frage Nichts entscheiden können, habe ich früher schon hervorgehoben, und gerade hierfür liefert Holman Peck ein treffliches Beiepiel mit seinen Querschnitten durch die 1) Ich acceptire gern diese von Kollmann vorgeschlagene No- menklatur. 2) Der Kreislauf des Bluts bei den Lamellibranchiern, den Aplysien und Cephalopoden. Ztschr. f. wiss. Zool. 1875, 3) l. c.p. 101. 4) Die Bindesubstanz der Acephalen. Dies Arch. Bd. 13. 5) Ich werde die betr. Stelle später eitiren. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 141 Fäden der Mytilus- und Arcakieme!). Wer hätte nach den In- jektionen (wie sie sich auch auf den Kollmann’schen Tafeln dar- gestellt finden) und ganz besonders auch nach dem durch Koll- mann gelieferten Nachweis von der inneren Endothelauskleidung dieser Fäden je daran gezweifelt, dass man es hier wenigstens sicher mit echten, abgeschlossenen Gefässen zu thun hat? Und nun enthalten selbst diese Räume das typische lakunäre Balkengewebe der Acephalen- kieme, zum Beweis, dass man auch sie keineswegs als einfache Röhren zu deuten hat. Wie dem nun aber auch sein möge, ob ausser den auch von mir anerkannten Hauptgefässen noch andere in der Kieme vorkom- men, oder nicht, — in dem Einen stimmen jetzt sämmtliche Beob- achter (Kollmann, Rabl und Holman Peck) überein, dass an der Acephalenkieme wenigstens zum grössten Theil das Blut in lakunären Räumen die querübergespannten Bindesubstanzbalken und -Fäden umströmt. Diese Bilder sind allerseits bestätigt; eine be- deutende Differenz aber herrscht, zwischen Kollmann und mir wenigstens, in ihrer genaueren Erklärung. All’ das, bemerkt er ausdrücklich nach Anführung meiner Befunde, kenne er auch von seinen eigenen Präparaten her, — aber seine Deutung sei eine wesentlich andere. Die Verschiedenheit der Deutung in diesem speciellen Falle liegt nun begründet in der gänzlich verschiedenen Theorie des Binde- gewebes überhaupt, welcher Kollmann huldigt, und auf welche ich daher etwas näher eingehen muss. Er hat bekanntlich gerade auf seine Untersuchungen an acephalen Mollusken hin die Lehre vom „Gallertgewebe‘ aufgestellt, — leider hat er es unterlassen, dieser Theorie eine Definition des Hauptbegrifis in seinem Sinne vorauszuschicken. ‚Nach unserer gebräuchlichen Terminologie, sagt Flemming?2), verstand man bisher unter Gallertgewebe: ein Gewebe mit weicher, strukturloser Zwischensubstanz, in welche Zellenkörper von verschiedener Form eingelagert sind. Seit sich gezeigt hat, dass einige früher beliebte Haupttypen dieser Substanzen, das (Gewebe der Nabelschnur und des Glaskörpers, nur embryonal gebliebenes oder metamorphosirtes Fibrillärgewebe sind, ist der Name Gallert- gewebe als Zeichen für irgend etwas typisch Bestimm- 1) l. e. Taf. IV. besonders Fig. 6 u. 7. 2) Dies. Arch. Bd. XIII p. 845. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Ba. 14, 10 142 Carl Posner: tes — sovielich wenigstens nach der Literatur und dem persönlichen Austausch urtheilen kann — ziemlich in Misscredit gekommen. Wie es mir scheint, mit vollem Recht.“ Ich theile Flemming’s Mei- nung hierin vollständig. Kollmann indess versteht, wenn ich den Sinn seiner Arbeit recht erfasst habe, im Wesentlichen unter Gallertgewebe embryonale Bindesubstanz, oder, strenger gefasst, Bindesubstanz, welche weder Glutin, noch Chondrin, noch Elastin liefert, — ob sie immer Mucin enthält, scheint mir noch nicht recht sicher. Seine Definition ist also eine chemi- sche und beruht auch so nur auf Ausschluss, — dass sie eine morphologische nicht ist, hat ja Flemming (a. a. O.) bereits aus- führlich erörtert. Nun ist es allerdings richtig, dass man auch bis- her sich mit chemischen Gesichtspunkten für die Bindesubstanz begnügt hat. „Das Haupt-Kriterium für die Scheidung der Gewebe, sagt Virchow!), beruht auf der Bestimmung der chemischen Qualität der Intercellularsubstanz.« Aber mir scheint doch diese Methode der Eintheilung nur eine Art Nothbehelf zu sein?); sie bringt immer etwas Fremdes in die Histiologie hinein, — vorläufig wenigstens, so lange weder Gewebelehre noch physiologische Chemie weit genug sind, um eine wirklich fruchtbare Wechselwirkung auszuüben®). Aber 1) Cellularpathologie p. 47. 2) Dass z. B. die Cornea dem Fibrillärgewebe (Sklera) näher verwandt ist, als dem Knorpel, wird wohl, trotz ihrer bekannten chondrigenen Eigen- schaft, Niemand ernstlich bezweifeln. Anch an den Cellulosemantel der As- ceidien sei hier erinnert. 3) Zu welchen Consequenzen eine einseitig chemische Auffassung führt, zeigt ein kürzlich von hervorragendster Seite unternommener Versuch, die Chemie der Gewebe sogar in die zoologische Systematik hinüberzuspielen. Kein Geringerer als F. Hoppe-Seyler hat in einem Aufsatz im Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 14, Heft 8 u. 9 p. 399 unter den Gründen, weshalb der Amphioxus aus der Reihe der Wirbelthiere zu streichen sei, geltend ge- macht, Amphioxus habe im Gegensatz zu allen anderen Wirbelthieren kein leimgebendes fibrilläres Gewebe. Sollte wirklich die Zeit schon gekommen sein, derartige Urtheile zu fällen? Wann in der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens, — Hoppe-Seyler selbst gedenkt dieses Beispiels — das echte, fibrilläre, leimgebende Bindegewebe auftritt, können wir noch nicht einmal mit Sicherheit angeben; wir wissen nur, dass das Gewebe anfangs kollagene Eigenschaften nicht hat, später aber sie annimmt, und aller Wahrscheinlich- keit nach wohl zu einer Zeit, wo sonst der Wirbelthiercharakter schon deut- lich ausgesprochen ist. Werde ich nun aus diesem Grunde auch den Hühner- Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 143 die bisher gebrauchten Trennungen sind wenigstens positiv und praktisch, — beides kann der Gruppe »Gallertgewebe« im Sinne Kollmanns nicht nachgesagt werden. Es liegt, wie mir scheint, ein logischer Fehler schon darin, diese Gruppe embryonalen Gewebes den anderen Typen — Bindegewebe za’ 2&oynv, Knorpel, Schleimgewebe, elastisches Gewebe etc. — als coordinirte gegenüberzustellen. Ist die Gallertsubstanz wirklich die Form des embryonalen Mesoderm- gewebes überhaupt, so ist sie also die Vorstufe aller genannten Klassen, — und es geht schon daraus hervor, dass sie auch chemisch unhaltbar ist. Denn, da man doch eine durch molekuläre Umlagerungen im Gewebe allmälig sich herausbildende kol- lagene resp. chondrigene etc. Eigenschaft annehmen muss, so wird die Ziehung einer Grenze vollkommen unmöglich. Ich würde es demgemäss vorziehen, hier wenigstens von der Chemie ganz Ab- stand zu nehmen, und die Gewebe, — ich komme auf den früher von mir angedeuteten Gesichtspunkt noch ausführlich zurück, -— lieber nach dem Umstand sondern, ob sie dem embryonalen Zustand näher oder ferner stehen, ohne indess damit den schon bestehenden eine neue Klasse hinzuzufügen. Dass, um auf unsern speciellen Fall zurückzukommen, die Gewebe der acephalen Mollusken beim Kochen keinen Leim geben, war mir aus Hoppe-Seylers Tübin- ger Abhandlungen schon früher bekannt. Ich nahm trotzdem eben- sowenig wie Flemming oder ein anderer Beobachter Anstand, hier von Bindegewebe, Fasern u. dgl. zu reden; da ich glaubte, dass der embryo in diesem Stadium aus der Reihe der Wirbelthiere entfernen? Mir scheint aus solchen Daten nur der Schluss zu ziehen, dass Thiere ohne glu- tingebendes Gewebe im Allgemeinen der embryonalen Form näher stehen, als die mit solchem, — und das haben wir für den Amphioxus eigentlich nie bezweifelt. . Lauter noch, als gegen die hier mitgetheilte Idee wird man übrigens gegen einen Passus am Schluss des Aufsatzes protestiren müssen, den ich ohne weitere Bemerkung hersetzen will: »Es erscheint höchst auffallend, mit welcher Bereitwilligkeit die systematische Zoologie den Amphioxus den Wir- belthieren zugeordnet hat, lediglich in einseitiger Berücksichtigung des Vorhandenseins einer Chorda dorsalis und der Lagerung des Nervenstrangs über und des Verdauungscanals unter derselben (!). In ihrer ganzen hoch entwickelten Organisation stehen wohl die Cephalopoden den Wirbel- thieren am nächsten, dem Amphioxus wird weiter abwärts eine Stelle gefunden werden müssen.“ 144 Car! Posner: oft wiederholte Zusatz vembryonal« genügen würde, meine Meinung darüber klar zu stellen. Indessen wird man einwenden, — und ich sehe, dass auch Flemming halb und halb dahin neigt, — dass diese Differenz doch schliesslich für einen blossen Namenstreit, der das Wesen der Sache selbst nicht trifit, zu erklären sei; und das möchte auch an- gehen. wenn nicht die physiologischen Eigenschaften, die Kellmann seinem »Gallertgewebe« beilegt, den Widerspruch gegen die ganze Gruppe überhaupt so dringend herausforderten. Das Gallertgewebe besteht nämlich überall aus fixen, membranlosen Zellen und einer Grundsubstanz, — und es streift an das Unglaubliche, was diese Grundsubstanz nicht Alles können soll! Sie kann strukturlose Mem- branen bilden, sie kann sich zu Fäden und Balken umwandeln, sie kann mit oder ohne Kalkimprägnation die Form von starren Stäben und Röhren annehmen, — und all dies aus eigener Initiative, in vollster Unabhängigkeit von den Zellen, die in träger Weise dabei liegen! Und dies ist das Puncetum saliens der neuen Bindegewebstheorie. Sie greift von der augenblicklich herrschenden Lehre Max Schultze’s zurück auf Henle und Reichert, und lehnt sich enger an Rollett an, lauter Forscher, welche der Inter- cellularsubstanz eine gewaltige, aktive Rolle beim Aufbau der Ge- webe vindieiren. Ich muss gestehen, dass mir dies als ein ganz entschieiener Rückschritt erscheint, und ich kann es nur lebhaft bedauern, dass sich gerade in diesem Punkt Flemming, wenn auch mit einer gewissen Reserve, zustimmend verhält, und den von Koll- mann gethanen Schritt „durchaus berechtigt und jedenfalls sehr fruchtbar‘ findet; und auch die von ihm eitirten Aussprüche Sieg- mund Mayer’s!), welcher aus Fasern nicht nur wieder Fasern, sondern sogar „Zellen und freie Kerne‘ hervorgehen lässt, können mich hier nicht bekehren. Freilich ist der Standpunkt, den Flem- ming in dieser Frage einnimmt, von dem Kollmanns immer noch recht verschieden, — verschiedener wohl, als er selbst zugeben würde. Flemming nimmt doch immer noch eine mittelbare Entstehung der Fasern aus dem Zellengerüst an, und be- gründet diese Annahme in einer Anmerkung auf S. 855, in der er meinen Ansichten über die Sache sehr nahe kommt; — ich muss aber vermuthen, dass Kollmann diese Anmerkung nicht unter- 1) Arch. f. Psych. 1875. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 145 schreiben würde. Besonders in seinem vorhin citirten Aufsatz über „strukturlose Membranen‘, der, wie mir scheint, Flemmings Auf- merksamkeit entgangen ist, vertheidigt Kollmann die gänz- lich unabhängige Aktivität der Intercellularsubstanz "in einer Weise, die den Gedanken an eine auch nur mittelbare Ein- wirkung der Zelle gar nicht aufkommen lässt, und die nicht nur der Schultze’schen, sondern eigentlich jeder Zelienlehre direkt widerspricht. Ich habe hier den Ausdruck Schultze’sche Zellentheorie mehrfach gebraucht, ebenso wie Flemming und Kollmann, und halte es für nicht unangemessen, in einigen Worten hier einzu- schieben, was ich mir eigentlich darunter vorstelle; denn es herrscht darüber keineswegs allgemeine Klarheit. So ist z. B. die An- sicht sehr verbreitet, der Kern der Schultze’schen Lehre sei ‚die Sekretion der Bindegewebsfasern aus dem Zellprotoplasma‘“, oder „die direkte Umwandlung der Zellenrinde in Fibrillen“. Das heisst, nach meiner Meinung, dem grossen Forscher völlig Unrecht thun, das heisst Kleinigkeiten, die mit in den Bau seiner Lehre aufgenom- men waren, für deren Grundsteine erklären. Nach meiner Ansicht lässt sich die Quintessenz von Max Schultze’s Theorien in die folgenden Sätze fassen: das Zellprotoplasma ist das allein Lebende im Gewebe. Die Intercellularsubstanz, ihr Produkt und Derivat, ist für sich allein todt, physiologi- scher Akte unfähig und wird, so lange die Zelle lebt, von ihr beherrscht. Dies sind die wichtigen Folgerungen, die sich aus seinen Pro- toplasmastudien, ganz besonders durch Statuirung der membranlosen Embryonalzellen, ergaben, und hierin liegt der Fortschritt über Vir- chow’s in der Cellularpathologie aufgestellte Grundsätze hinaus. Ob sich nun, um bei unserm Bindegewebe zu bleiben, die Fibrillen direkt oder durch die Zwischenstufe einer homogenen Intercellular- substanz hindurch aus dem Zellprotoplasma bilden, erscheint von diesem Gesichtspunkte aus als eine sekundäre Detailfrage. Schultze selbst hätte gewiss, wenn man ihm eine andere Entstehung der Fibrillen als die von ihm angenommene demonstrirt hätte, — freilich ist das ja auch jetzt noch eine „oflene Frage‘ — sich willig diesem Factum gefügt, ohne indess darum von den oben geschilderten Grundsätzen abzuweichen. 146 Carl Posner: Aber, wird man hier einwerfen, die von Kollmann angeführ- ten Fälle, der Kopfknorpel der Cephalopoden insbesondere, aber auch die Entwickelung der elastischen Elemente überhaupt, zeigen doch, dass Vorgänge in der Intercellularsubstanz, weit ab von den Zellen und ohne jede Betheiligung derselben stattfinden? Zunächst wäre dagegen zu bemerken, dass eine Betheiligung der Zelle an diesen Vorgängen nicht dadurch ausgeschlossen werden kann, dass wir sie nicht sehen. Von der Einwirkung lebender Ma- terie auf ebensolche haben wir überhaupt bis jetzt wenig Vorstellun- gen. Die „Fermentwirkung‘‘ oder der „Anstoss zur Bewegung“ z. B., wodurch das Spermatozoon die Eifurchung herbeiführen soll, klingt sehr schön, — aber etwas Deutliches kann sich eigentlich Niemand darunter denken; und ähnlich steht es doch mit allen histiogeneti- schen Vorgängen. Dies allein also, die Abwesenheit eines für unser Auge sichtbaren Zusammenhangs zwischen der Zelle und dem Umwandlungsprodukt der Intercellularsubstanz, scheint mir keines- wegs ein zwingender Grund, hier auf eine wirkliche, vollständige Thatenlosigkeit der Zelle zu schliessen. Viel mehr aber noch als dies, möchte ich betonen, dass doch selbst mit der Annahme einer Unabhängigkeit der Zwischensubstanz in diesen Fällen deren physiologische Thätigkeit noch absolut unerwiesen bleibt. Ich sage ausdrücklich „deren physiologische Thätigkeit‘‘, — denn wer will mich widerlegen, wenn ich für das Auftreten etwa der elastischen Fasern mechanische oder chemische, also kurz gefasst anorganische Bedingungen verantwortlich mache? Ich will zur Verdeutlichung dieses Gedankens an die Schaalenhaut des Hühnereis erinnern, ein Beispiel, wie Bildun- gen, die jeder Unbefangene für echtes, elastisches Gewebe halten würde, in einer gar nicht belebten Substanz, sondern einer secernirten Schichte eiweissartiger Flüssigkeit auftreten!). Hier 1) Ueber die Entstehung dieser Schaalenhaut herrscht freilich noch viel- facher Disput; indess scheint die im Text geäusserte Ansicht wohl am meisten Wahrscheinlichkeit zu besitzen, wobei freilich unentschieden bleibt, ob man mit Foster und Balfour eine „fasrige Umwandlung der äussersten Eiweiss- schicht“, oder mit Leuckart u. A. ein „erhärtendes und faserbildendes Se- kret von Utriculardrüsen* annehmen will. Die Deutung Meckels v. Hems- bach als Decidua, darf wohl als ebenso veraltet angesehen werden, wie die von W. v. Nathusius, welcher das eig. Ei als Zelle, die Häute aber als dessen organisirte Produkte (gleichsam Bindesubstanz mit einer Zelle) auffasst, Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 147 handelt es sich vermuthlich um die Wirkung mechanischer Verhält- nisse, Druck, Wachsthum od. dgl.; können wir nicht vielleicht anderswo an fermentative, chemische Vorgänge anknüpfen? Ich denke dabei an den bekannten Ausspruch Virchow’s, der die Fibrillation mit der Fibringerinnung und die Bindegewebszellen mit den Blutkörper- chen vergleicht. Bei der Fibringerinnung kennen wir jetzt die wirk- samen Fermente so ziemlich, — sollte es vielleicht mit zu den Lebenseigenschaften der Bindegewebszellen gehören, die Fermente für die Fibrillenbildung zu liefern? Stellt man sich die Sache aber so vor, so hat man damit doch der Intercellularsubstanz noch keine aktive, physiologische Thätigkeit im Sinne Kollmanns zu- erkannt; dann ist die Bildung der in Rede stehenden Fasern kein Lebensakt der Intercellularsubstanz, sondern, und darauf wollte ich hinaus, lediglich das Resultat äusserer Einwirkungen, als deren Quelle wir in letzter Instanz denn doch wieder die Zelle annehmen müssen! Und mit einer derartigen Annahme wiche man freilich von dem ab, was man gewöhnlich als Inhalt der Schultze’schen Theorie angeben hört, — der Geist seiner Lehren bliebe aber doch insofern vollständig gewahrt, als man wieder und wieder das Proto- plasma der Zelle als das aktiv lebende, die Intercellularsubstanz aber als deren Derivat und Gebiet erkannt hätte. Mir liegt, ebenso wie Flemming dies von sich betont, die Ab- sicht vollkommen fern, hier abermals neue Gesichtspunkte in die Bindegewebstheoretik einführen zu wollen; ich habe nur darauf hin- weisen wollen, dass doch selbst in den scheinbar verzweifeltsten Fällen immer noch andere Auswege als die von Kollmann betre- tenen, übrig bleiben, welche nicht zu einem so vollkommenen Wider- spruch gegen Alles bisher Bestehende führen. Aber ich kann nicht einmal zugeben, dass für die Gewebe der Acephalen wirklich diese anderen Auswege gesucht werden müssen; ich kann hier der Kollmann’schen Deutung weder eine Nothwen- Von der grossen Aehnlichkeit des Baues dieser Haut mit elastischem Ge- webe habe ich mich selbst überzeugt, — es wäre für einen Forscher, dem Material in genügender Menge zu Gebote steht, gewiss eine äusserst lohnende Aufgabe, die Entwickelung dieser sonderbaren Gebilde einmal Schritt für Schritt zu verfolgen, — vielleicht, dass eine derartige, eigentlich noch nie angestellte Untersuchung in der That einiges Licht auf die Entstehung fasriger Gewebe im Organismus überhaupt zu werfen im Stande wäre. 148 Carl Posner: digkeit noch überhaupt eine Berechtigung zugestehen. Ich berufe mich hier wieder auf Flemming, der in seiner letzten Arbeit für sein Theil, für die »lakunären Schwellnetze«, die thatsächliche Un- richtigkeit der Kollmann’schen Angaben wohl zur Genüge dar- gethan hat. Die von- Blut durchströmten Bindegewebszüge dieser Netze für »Gallertbalken« zu erklären, wird wohl selbst Kollmann jetzt nicht mehr für zulässig halten. Von den andern Geweben muss ich hier absehen, — aber die Kieme betreffend kann ich auch nicht den leisesten Grund auffinden, von den bisher geltenden Vor- stellungen und Ausdrücken abzuweichen; es sei denn, dass man darauf bestände, in der Nomenklatur schon den Mangel der kolla- genen Eigenschaft, den »in Permanenz erklärten embryonalen Zu- stand« anzudeuten, — und da muss ich fast gestehen, dass mir der von Holman Peck auf Ray Lankesters Rath vorgeschlagene Ausdruck „primitive mesoblastie tissue« mehr zusagt, als der Koll- mann’sche!). Dies indess wäre wirklich ein Streit um Namen, der die Sache nicht berührt. Und die Sache stelle ich mir, vorläufig wenigstens, folgendermassen vor: Dass die Anlage der Bindesubstanz zunächst nichts weiter ist, als ein Haufen mesodermatischer, »bis zur Verschmelzung senäherter«, membranloser Zellen, — das ist eine im Moment wohl eigentlich von Niemand bezweifelte Thatsache. Zu- nächst tritt nun zwischen den Zellen, sei es durch Sekretion aus denselben, sei es, wie ich mit M. Schultze zu sagen vorziehe, durch wirkliche Metamorphose des Zellprotoplasmas, eine vorläufig homo - sene Intercellularsubstanz auf. Man braucht hierbei nicht gleich an das Bild etwa hyalinen Knorpels zu denken, wo die Zel- len von einander völlig durch die »Grundsubstanz« geschieden sind, sondern es mögen noch überall Stränge nicht umgewandelten Pro- toplasmas durch das Gewebe laufen, es mögen, mit anderen Worten, dieZellen vielfach mit einanderanastomosiren: Dies ist derZustand, 1) Holman Peck spricht, augenscheinlich getäuscht durch das be- stimmte Auftreten Kollmanns von Gewebe »which the Germans know as Gallertgewebe.“ Rab1 sagt: Reticulärgewebe; da dieses selbst noch in vielen Bezie- hungen so dunkel ist, so kann ich keinen Vortheil in der Einführung dieses Namens erblicken, wenn ich auch der Annahme einer histiogenetischen Ver- wandtschaft beider Gewebsformen zuneige. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 149 welchen man als embryonales Bindegewebe x«ar’ &doynv zu bezeichnen pfiegt. Nun soll in diesem Gewebe ein Säftestrom (unabhängig von dem, den Zellen inpewohnenden) etablirt werden!), es müssen also Spalten im Gewebe beschafft werden. Diess kann nun auf vielerlei Weise geschehen. Die Zellen brauchen bloss ihre Fortsätze einzu- ziehen oder zu verkleinern, oder es kann Intercellularsubstanz resor- birt werden, oder es kann lediglich durch den Druck der sich an- sammelnden Flüssigkeitsinenge ein Auseinanderweichen derselben erzielt werden, — kurz, man kann sich eine grosse Menge von Möglichkeiten der Spaltbildung denken, ohne dass man ein aktives Eingreifen der Zwischensubstanz zu Hilfe zu nehmen braucht. Hier- mit ist bereits der Zustand gesetzt, der in unseren Kiemen vorliegt: Ueberreste der ursprünglichen mesodermatischen Anlage, die. in der That ein Syneytium darstellte, und deren in Fäden und Fasern zerspaltene Grundsubstanz, hie und da noch von kern- haltigem Plasma umgeben, von der Ernährungsflüssig- keit umspült wird. Diess halte ich für den Primärzustand, den Zustand des echten »lakunären Gewebes«. Hier ordnen sich dann leicht die Flem- ming’schen Schwellnetze ein, deren eigenthüwmliche Configuration lediglich durch die eingeschobenen Schleimzellen zu Stande kommt; und man dürfte kaum fehlgehen, wenn man die Anfänge der Lymph- bahnen im Wirbelthierbindegewebe hier zum Vergleich heran zieht: die »kernhaltigen Plasmareste« sind die Bindegewebskörper, die Balken und Fäden der Grundsubstanz sind die inzwischen kollagen gewordenen Fibrillen, und in den Spalten fliesst der Säftestrom 2). Grenzen sich nun, was bisher nicht nachweisbar war, die Plas- mareste überall in der Form der bekannten endothelialen Zellen ab, welche, überall die Faserzüge umscheidend, dem Blut- oder Lymphraum ihre Fläche zukehren, so haben wir die bekannten Ge- webe, wie sie z. B. Axel Key und Gustaf Retzius vom Sub- arachnoidealraum beschrieben haben, und wie viele Autoren, Löwe z. B., sie geneigt sind, als Grundform des Bindegewebes anzuer- l) Man verzeihe die teleologische Art dieser Auseinandersetzung! 2) Vgl. hierzu die Aeusserungen Flemmings in seinen beiden oben eitirten Aufsätzen, ganz besonders diess Arch. B. XII. p. 860, 150 ‚Carl Posner: kennen. Mir scheinen sie durch ihre Endothelauskleidung !) bereits eine höhere Stufe einzunehmen, und ich wäre geneigt, sie mit Koll- mann als »sinöse Form« der »lakunären« gegenüber zu stellen. Wie beide Formen sich berühren, zeigen Holman Pecks Quer- schnitte durch die Kiemenfäden von Arca. Hier wird die Wand der Hämo-Lymphbahn lediglich durch Zellen (oder vielmehr Zellreste, die von der fibrillären Meta- morphose des Protoplasmas her übrig geblieben sind) gebildet. Nehmen die Bluträume in dieser Weise bestimmte Röhrenform und ein enges Kaliber an, so nennen wir sie Kapillaren, — sammeln sich andere Gewebstheile (Bindegewebe, elastisches Gewebe, Musku- latur) in regelmässiger Anordnung herum, so bekommen wir die höchste Stufe, die der echten Gefässe. Ich bin mir bewusst, hiermit wieder vollkommen mit Flem- mings Ansichten zusammenzustimmen, an dessen Ausspruch über das Wirbelthierbindegewebe ich ja vorhin schon anknüpfte; hoffent- lich wird man zugeben, dass sich in dieser Weise, auch ohne Zu- hilfenahme der Gallerttheorien Kollmanns, ein ungezwungenes Verständniss der Hauptfragen erreichen lässt, und dass insbesondere die Bindesubstanz der Acephalenkieme sich ganz so, wie ich es in meiner ersten Arbeit bereits andeutete, begreifen lässt. Wenn ich jetzt von diesem allgemeineren Exkurs auf einige Detailfragen zurückkehre, so habe ich mich zunächst gegen eine Unterstellung Kollmann’s in Bezug auf die Histiologie der Kie- mensepten zu wenden. Kollmann behauptet nämlich, ich sei in meiner Beschreibung des Gewebes derselben insofern einer Täu- schung unterlegen, als die von mir als Jlakunäre Räume im An- spruch genommenen Stellen lediglich Kunstprodukte seien, — „sei es durch den Zug des Messers, sei es durch Härtung hervor- gebrachte Lücken“. Diese Lücken seien vielmehr in Wirklichkeit durch ein ganz helles Gallertgewebe ausgefüllt, und als solches habe man auch die von mir für Plasmareste erklärten häutchenartigen Ausbreitungen zu deuten; das Blut fliesse demgemäss hier nicht 1) Hierher, unter die echten Endothelzellen, scheint mir dann die viel umstrittene „Häutchenzelle“, die ich also für eine Weiterbildung der ge- wöhnlichen Bindegewebskörperchen halte, zu gehören, — sei es in der ein- fachen Plattenform, sei es in der Form der Waldeyerschen Zelle. zn er u Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 151 interfibrillär, sondern in haarscharf durch die Injektion nachweis- baren (Gefässen. Ich habe diessmal, da meine Exemplare gänzlich ungeeignet waren, über die Septen keine sehr eingehenden neuen Beobachtun- gen gemacht. Doch bin ich auch so im Stande, meine frühere Schilde- rung Punkt für Punkt aufrecht zu erhalten. Zunächst möchte ich auf zwei Bestätigungen hinweisen, welche meine Angaben seither erfahren haben. Rabl sowohl, wie Holman Peck stimmen mit mir in Betreff des lakunären Gewebes der Sep- ten vollkommen überein. Unter den objektiven Gründen kann ich besonders auf das ungemein häufige Vorkommen von Blutkörperchen in den von mir so genannten Lakunen hinweisen: es wäre mir un- erfindlich, warum sich dieselben mit solcher Consequenz in arteficielle Lücken einlagern sollten! Drittens aber kann ich hier Kollmann selbst gegen Kollmann in’s Feld führen: „Posner hat den Weg der Injektion betreten, und fand seine Ansicht von der Strömung des Bluts zwischen Gallertbalken, i. e. durch die Räume des Kiemengewebes bestätigt, wie ich dieselbe in Fig. 1 Taf. XXXVI skizzirt habe; eine Thatsache, die zweifellos richtig ist“ (1. c., p. 555). Dagegen könnte Kollmann nur anführen, dass er diese Worte lediglich in Bezug auf das Gewebe der Kiemenlamellen ausgespro- chen habe. Indess habe ich ja Lamellen und Septen genau nach denselben Methoden untersucht, — beide auf conservirten Quer- schnitten, beide durch Injektion; beidemal erhielt ich wesentlich dieselben Bilder, und wenn Kollmann diese einmal bestätigt, so muss er die anderen auch anerkennen, — was den Lamellen recht ist, muss dann den Septen billig sein. Wenigstens muss ich einen positiven Beweis meines Irrthums verlangen, — mit der oben ange- führten Unterstellung kann ich mich in keiner Weise für besiegt ansehen! Ob in den Septen ausser diesen lakunären Blutbahnen noch echte Gefässe vorhanden sind, das, ich wiederhole es, lasse ich zu- nächst dahin gestellt. Sobald ich sie deutlich, und zwar nicht nur injieirt, werde gesehen haben, werde ich sie auch acceptiren. Daran dass die Hauptmasse des Bluts in lakunären Räumen kreist, glaube ich jedenfalls mit aller Bestimmtheit festhalten zu dürfen. Kollmann wirft wiederholt die Frage auf, ob man in den Kiemen diesen Bahnen nicht doch eine endotheliale Zellwand zuer- 152 Carl Posner: kennen miisse und neigt sehr dazu, sie zu bejahen. Ich finde, dass man darüber heut nicht sicherer urtheilen kann, als vor zwei Jahren, — die oben gegebene Auseinandersetzung hat wohl schon gezeigt, dass ich auch hent noch weit entfernt bin, mich dieser Annahme zuzuneigen. Auch Rablund Holman Peck bekunden durch ihr Schweigen, dass sie dem lakunären Gewebe keinen endothelialen Zellbelag zuerkennen. Betreffs eines anderen Theils der Blutbahn befinde ich mich leider in Differenz mit Holman Peck. Ich hatte nämlich als die- jenige Stelle, die am meisten den Charakter eines Gefässes ange- nommen hat, den s. g. »Stäbchenkanal« (Langer) bezeichnet; und über eben diesen Kanal bemerkt Holman Peck: »it cannot be regarded, as Posner regardes it, namely as a distinct canal. It is widely open to the general cavity of the lacunar tissue.« Hiergegen muss ich bemerken, dass der Ausdruck »distinct canal« meine Ansicht nicht völlig trifft. Ich selbst habe darauf aufmerksam gemacht, dass auch dieser Kanal erstens durch eine wandungslose Communication mit dem übrigen Gewebe zusammen- hängt (vgl. 1. c. Fig. 3 Taf. XXXI), zweitens aber in ganz analoger Weise von »zarten Balken durchsetzt« wird (Fig. 4 Taf. XXX). Was mich aber doch bewog, den Stäbchenkanal gegenüber dem übrigen lakunären Gewebe als eine höhere Differenzirung zu betrachten, war der Umstand, dass er keinesweges widely open gegen das übrige Gewebe ist, sondern entweder durch einen engen Spalt, oder, wie an der Kreuzungsstelle mit den senkrecht dazu verlaufenden Faser- zügen, in gar keiner Weise mit demselben communieirt. So habe ich denselben auf allen meinen Querschnitten angetroffen, und diesen Befund, der zudem durch die Injektionsresultate von Rengarten, Langer, v. Hessling und mir bestätigt wird, halte ich noch heut vollkommen aufrecht, wie das meine Fig. 5 zeigen mag. Diese eben erwähnten senkrecht zur Richtung der Kiemen- leisten verlaufenden Faserzüge sind ebenfalls der Gegenstand einer Controverse. Ich deutete sie als Muskeln, was mir von Rabl und Holman Peck bestritten wird. Ich will zugestehen, dass mir ihre Deutung als »lokale Verdichtungen des Gewebes«, analog den Chitin- stäbchen, wie Rabl sie auffasst, ganz plausibel erschiene, wenn die eigenthümlich gekreuzte Anordnung (l. c. Taf. XXXI Fig. 6 und 7) nicht doch lebhaft an Muskulatur erinnerte. Mit den „Chitinstäbchen“ komme ich zum letzten Punkt dieses Abschnitts. Fu Re Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 153 Auch über sie will ich mich hier ganz kurz fassen, denn ihre Erkenntniss scheint mir durch die seitherige Diskussion nicht we- sentlich gefördert zu sein. Ich habe mich über ihre Entstehung und ihren histiologischen wie chemischen Charakter mit aller Re- serve geäussert. Doch hat die von mir angeführte Hypothese, die Stäbchen als „lokale Verdiekungen des Leistengewebes“ zu deuten, mehr Beifall gefunden, als ich eigentlich erwartete. Kollmann be- sonders sieht in dieser Betrachtungsweise bereits eine Vorahnung seiner Theorie des „Gallertgewebes“, -— um so mehr vielleicht, als ich das helle Leistengewebe, in welches die Stäbchen eingebettet liegen, einmal gerade so bezeichnete. Indess habe ich ausdrücklich von einer „Metamorphosirung zelliger Elemente“, und zwar im Gegensatz zu einer echten Sekretion durch Zellen, gesprochen, und brauche wohl kaum zu betonen, dass mir dabei von den Koll- mann’schen Ideen Nichts vorgeschwebt hat. Dieser Autor erklärt die Stäbchen übrigens als „verkalktes Gallertgewebe*. Dass wirk- lich kohlensaurer Kalk in denselben enthalten ist, bin ich jetzt, nach weiteren Versuchen darüber, bereit zuzugestehen. — Auch Rab] nimmt diese »Verdichtung des Leistengewebes« an, und geht sogar so weit, noch andere Gebilde der Art zu statuiren. So beschreibt er eine »mediale Verdickung« zwischen den Stäbchen, an der Stelle, wo der Stäbchenkanal mit dem Lamellengewebe zu communiciren pflegt, und deutet auch meine Muskeln in analoger Weise. Ich kann, wie schon oben bemerkt, dem noch nicht unbedingt zustimmen. Höchst interessant ist die Ansicht von Holman Peck, welcher zwischen dem Gewebe der Leisten und den Stäbchen selbst nur einen graduellen Unterschied zulässt. Ihm ist das ganze helle Leistengewebe das Homologon des Kiemenskeletts in den Fäden von Mytilus ete., nicht die Stäbchen, die er nur als geringe Differen- zirungen darin auffasst. Er stützt diese Ansicht, -die im nächsten Kapitel nochmals erwähnt werden soll, u. A. auf die schöne Ent- deckung, dass in den Leisten der Dreissenakieme die »Chitinstäbchen« vollkommen fehlen, und die ‘ganze Leiste von homogenem chitinigem Gewebe erfüllt wird (Taf. VIII. Fig. 25. 26). Ich muss an meiner früher geäusserten Meinung festhalten, dass in dieser Frage nur die Histiogenese entscheiden kann, und würde es vorziehen, die ganze weitere Diskussion bis zur genauen Kenntniss der Entwickelungsgeschichte zu vertagen. 154 Carl Posner: IH. Zur Morphologie. Auf Grund meiner vergleichend anatomischen Untersuchungen war ich zu dem Resultat gekommen, dass die flächenhaften Kiemen der Najaden mit einem gewissen Recht als Prototyp der Kiemen der acephalen Mollusken überhaupt angesehen werden könnten; dass die Organogenie den Weg von Anodonta oder Unio durch die For- men von Ostrea, Pinna ete. hindurch bis zum fadenförmigen Zerfall bei Pecten, Spondylus etc. genommen habe!). Mytilus hatte ich für eine in etwas aberranter Richtung durch Spaltenbildung entstandene Form erklärt, — alle diese Meinungen aber, wie ich glaube, mit der grössten heserve vorgetragen. „Man wird, wie mir scheint, am richtigsten die Entscheidung der Frage nach der phylogenetischen Entwickelung vorläufig vertagen“ — mit diesem Satz schloss ich die ganze bezügliche Betrachtung. Gegen diese meine Ansichten protestirt nun Holman Peck, und zwar „most emphatically“. Nach ihm ist vielmehr die Faden- kieme von Mytilus oder Arca zu Grunde zu legen, und aus ihr haben sich durch Conerescenz die Plattenkiemen entwickelt. »Posner and those who would advocate the membranous plate as the prototype of the Lamellibranch gill, must entirely ignore the remarkable and exceptionable process of „concrescence‘«. Nun, ich glaube diesen schweren Vorwurf nicht verdient zu haben. Ich habe die Möglichkeit der Concerescenz ausdrücklich offen gelassen, und bin vollkommen bereit, zuzugeben, dass durch die Angaben des englischen Forschers diese Möglichkeit zur Wahrschein- lichkeit erhoben worden ist. Abgesehen von einigen Analogiebewei- sen bringt er durch die Erforschung der mir entgangenen Dreissena in der That eine schöne Zwischenstufe, welche den Gedanken an eine Fortbildung der Mytiluskieme zur Najadenkieme sehr nahe legt. Seine genauen Untersuchungen über die Fäden von Mytilus und Arca ferner, sowie die vorhin schon angeführte Auffassung des 1) Ich habe wiederholt den Vorwurf hören müssen, als hätte ich die Phylogenie der acephalen Mollusken nach dem einen Organ bestimmen wollen. Indess habe ich ausdrücklich gesagt »Organogenie« ; und stimme wohl darin mit den Meisten überein, dass eine wirkliche Kenntniss der Phylogenie nicht durch Untersuchung eines Organsystems, sondern nur durch Erforschung und Summirung aller einzelnen Organogenieen gewonnen werden kann. ne rirötge aee A ere e ene e ” Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 155 Chitinskeletts, die unstreitig viel Plausibles hat, sprechen so laut für seine Ansicht, dass auch ich mich, zum Theil wenigstens, zu der- selben bekehren kann. Aber, wohlgemerkt! Diese Nachgiebigkeit von meiner Seite bezieht sich nur auf die Fadenkiemen von Mytilus, Arca und die entsprechenden. Ich erachte durch Holman Peck die Homologie eines solehen Fadens, — und dies stimmt ja auch mit meinen frü- heren Ansichten, — mit einer Leiste und dem anstossenden Gewebe bei Dreissena und den Najaden allerdings für erwiesen, — aber meine Ansicht über die Fadenkieme der Peetinaceen wird durch diese Argumentation nicht im Mindesten erschüttert. Dass nach den von mir angegebenen und von Holman Peck bestätigten Schemen eine aufsteigende Entwickelung von der Anodonta zum Pecten hin wahr- scheinlich gemacht wird, glaube ich nach wie vor. Ist doch auch die Aehulichkeit der Kiemen von Mytilus und Pecten nur eine sehr äusserliche, einzig darin bestehend, dass beide fadenförmig zerspalten sind. Ein Blick auf meine Querschnitte, ganz besonders aber die Betrachtung des arkadenförmigen Ursprungs der Stäbchen lehrt, dass ein Faden von Pecten nicht einem, sondern 20 und mehr Fäden von Mytilus äquivalent ist, — und an dies, von Holman Peck gänzlich vernachlässigte Faktum möchte ich hier nochmals mit besonderem Nachdrucke erinnern. Acceptirt man demgemäss die Theorie von der Conerescenz der Kiemenfäden, so wird man jedenfalls die Einschränkung hinzu- fügen müssen, dass die Plattenkiemen entstanden sind durch Ver- wachsung von Fäden, deren jeder einem Faden der Mytiluskieme entsprach. In welcher Weise dann die „sekundären Leisten“ und die, diesen äquivalenten Fäden der Pectenkieme entstanden sind, bleibt, bis zur genaueren ontogenetischen Kenntniss, eine offene Frage, — für mich behält die Annahme, dass sie aus einer Differen- zirung der einfachen Platten abzuleiten sind, immer noch einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Ich habe bei verschiedenen Punkten bereits darauf hinweisen müssen, dass eine endgültige Entscheidung erst durch die Entwicke- lungsgeschichte geliefert werden kann. Und so möchte ich denn diese Zeilen nicht schliessen, ohne den Wunsch auszusprechen, dass doch recht bald einer der Forscher, denen es vergönnt ist, am Meere 156 Carl Posner: zu arbeiten, sich dieses Themas annehmen möchte. Zahlreiche Fragen, morphologische in erster Reihe, doch nicht minder auch histiogenetische, bei deren Diskussion man bisher immer das unan- senehme Gefühl hat, im Dunkeln zu tappen, werden durch die Kenntniss der Ontogenie, auch nur einer Bivalve, der Lösung näher geführt werden, — Fragen, welche, wie das lebhafte Interesse, mit dem die acephalen Mollusken seit einiger Zeit bearbeitet werden, beweist, nicht nur für die Detailforschung in dieser Gruppe, sondern für die gesammte Morphologie und Histiologie von recht tiefgreifender 3edeutung sind. Die Hauptergebnisse dieser Zeilen will ich schliesslich noch in die folgenden Sätze zusammenfassen: 1) Am Epithel der Najaden-, wahrscheinlich aller Acephalen- Kiemen sind mit Rabl zwei Hauptformen zu unterscheiden: flim- mernde und nicht flimmernde Zellen. Zu den ersteren gehören die einfach eylindrischen Höhenzellen, die Eckzellen, deren freie Fläche von den austretenden Wimpern nur in einem Durch- messer durchbrochen wird, und die würfelähnlich geformten Seiten - zellen; zu den letzteren die Schalt- und Grundzellen. 2) Bindesubstanz und Blutbahn der Kiemen stehen, abge- sehen von den grossen Hauptgefässen, in dem Verhältniss, dass die Ernährungsflüssigkeit, sowohl in den Lamellen wie in den Septen, in lakunären Spalten der Bindesubstanz kreist; Gapillaren existiren nicht. 3) Die Bindesubstanz ist aufzufassen als Produkt und Deri- vat eines Syneytiums, dessen Zellenreste als „Bindegewebs- körperchen“ persistiren, und in dessen, aus dem Plasma meta- morphosirter, nicht kollagener Intercellularsubstanz durch Spaltbildung ein Lakunensystem für den Blutstrom ent- standen ist. Die lakunären Spalten entsprechen in allen wesentlichen Punkten dem Ursprung der Lymphbahnen im Wirbelthier- bindegewebe. Die eigenthümliche netzartige Form, in der die Spalten in den Flemming’schen Schwellnetzen auftreten, ist durch die Druckwirkung der „Schleimzellen‘“ zu erklären. 4) Eine Annahme der Kollmann’schen Theorie des „Gallert- gewebes“ ist in keiner Weise geeignet, das Verständniss der Kieme zu fördern. er. Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. 157 5) Der Stäbchenkanl ist trotz der auch ihn durchsetzenden Bindesubstanzbalken als höhere Differenzirung der Lakunen zu betrachten. 6) Die sog. „chitinigen“ Bildungen im Kiemengewebe bedür- fen zu genauerem Verständniss erst eingehender histiogenetischer Forschungen. 7) In morphologischer Hinsicht ist durch Holman Peck eine Conereszenz von Kiemenfäden zur Kiemenplatte wahrschein- lich gemacht worden. Solehe Fäden hatten den Werth eines Myti- luskiemenfadens, oder des durch eine Leiste bezeichneten Abschnitts der Anodontenkieme. Die Kiemenfäden der Pecti- naceen aber sind als höhere Differenzirungen der Platten- kieme aufzufassen, und entsprechen etwa 20 Kiemenfäden von Mytilus, resp. Leisten von Anodonta, einer Sekundärleiste etwa von Ostrea. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Fig. 1. Flächenansicht des Epithels der Kiemenleiste. Die Höhenzellen. Die Eckzellen. Die Schaltzellen. Die Seitenzellen. Die Grundzellen. Die Becherzellen, Fig. 2. Querschnitt durch eine Kiemenleiste und das zunächst anstossende ED ob» Gewebe der Lamelle. Bezeichnungen des Epithels wie oben. e der Stäbchenkanal, st die Stäbchen, bl Blutkörperchen, lac das lacunäre Gewebe, w das Epithel des Wasserkanals. Fig. 3. Die Eckzellen. a von vorn, scheinbar »einfach durchbohrt« (vgl. Fig. 1). b von der Seite (vgl. Fig. 2). ce schräge Ansicht, mit dem Wimperaustritt in einem Durchmesser der freien Fläche. Fig. 4. Die Seitenzellen. a von vorn, als Marchi’sche Plattenzelle (vgl. Fig. 1. b von der Seite (vgl. Fig. 2). c plastisch dargestellt. | a’ entspricht a, b‘ entspricht b. Fig. 5. Aus dem Balkenwerk im Lumen des Stäbchenkanals e. bl Blut- körperchen. Sämmtliche Figuren sind nach Osmium - Carminpräparaten gezeichnet, mit Gundlach VII & imm. und Ocul. 0—II, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 1A. 11 158 C. Davis: Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. Von €. Davis, stud. med. aus New-York. Aus dem Laboratorium von Prof. Eberth in Zürich. Hierzu Tafel X. Die ersten Angaben über beeherförmige Organe in der Epi- glottis verdanken wir Verson!): „Im zweiten Viertel ungefähr der hinteren Epiglottisfläche — schreibt er — weist das Epithel noch eigenthümliche Bildungen auf, die sich als aus Zellen bestehend er- geben und bald bauchig aufgetrieben, bald mehr pyramidal von Gestalt, mit ihrem Gipfel mehr oder weniger der Hornschicht sich nähern, welche darüber ein dünnes Kanälchen bis zur freien Ober- fläche offen lässt‘“. Verson erklärt diese Bildungen als analog mit den auf der Zunge gefundenen Bechern, da auch ihr Bau vollkommen mit diesen übereinstimme. Lang gezogene, mehr oder weniger breite Zellen, welche meist mit breiter Basis aufsitzen, ihr schmächtiges Ende der freien Oberfläche zukehren, setzen diese Becher zusammen häufig um eine centrale runde Lücke angeordnet. Da es Verson nicht gelang, einen deutlichen Zusammenhang der Becher mit Nerven nachzuweisen, lässt er es auch unentschieden ob sie als Nervenend- organe zu betrachten sind. Krause ?) findet die Becher, die er Geschmacksknospen nennt, auch aufder oberen Fläche der Epiglottis, wenn auch nicht so häufig 1) Sitzungsberichte der Wiener Academie LVII. Bd. 1. Abth. 1868. Beiträge zur Kenntniss des Kehlkopfs und der Trachea. 2) Handbuch der Anatomie, 1876, S. 197. Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. 159 wie auf der untern. Sie sind zahlreicher als die Drüsen und ihr Bau ist derselbe wie jener der Zunge. Von den Nerven sagt Krause, dass sie an die Becher herantreten. Bezüglich der Verbreitung der Knospen will ich bemerken, dass sie Verson beim Menschen, Krause beim Schaf und Kaninchen, Hönigschmied beim Reh und Kalbe gesehen hat. Die becherförmigen Organe der Epiglottis von Hund und Katze hat zuletzt Schofield !) zum Gegenstand einer Untersuchung ge- macht. Sie finden sich nach ihm beim Hunde in horizontalen und verticalen Reihen in der unteren Hälfte der hinteren Epiglottisfläche gruppenweise um die Drüsenmündungen. Jeder Becher ist aus etwa 15—30 verlängerten, platten Zellen zuzammengesetzt, von denen die äusseren aus hyalinem Protoplasma bestehen. Die schmalen Axenzellen sind homogen, lichtbrechend, ihr ellipsoider Körper, welcher den Kern enthält, schickt nach oben und unten je einen fadenförmigen Fortsatz, dessen äusseres Ende eine feine haarähnliche Spitze trägt. In den das Vorkommen von Bechern auf der Epiglottis bestä- tigenden Arbeiten vermisste ich genaue und übereinstimmende Angaben über die Verbreitung jener Organe im Kehlkopf und der Epiglottis selbst. Während einige die Becher nur an der hinteren Fläche des Kehldeckels fanden, sollen sie nach Krause auch an dessen vorderer Fläche vorkommen. Die meisten Untersucher beschränkten sich ferner nur auf Thiere und von denen, welche auch den Menschen berücksichtigten, giebt Verson keine weiteren Notizen über die Ver- breitung der Becher gegen den Kehlkopf und Hoffmann 2) sagt, dass er auf der Epiglottis wirkliche Geschmacksknospen niemals ge- funden habe, obgleich er manchmal ähnliche Epithelanhäufungen ge- sehen, denen aber stets die charakteristischen, peripheren »in einen Spitzenkranz eingehüllten Stäbchen oder Stiftchen« fehlten. Es schien mir demnach eine lohnende Aufgabe die becher- förmigen Organe des Kehlkopfs eingehender zu untersuchen. Zur Conservirung gebrauchte ich besonders Müllersche Flüssig- keit, welche schon früher Hans von Wyss mit Vortheil für die 1) Journal of Anatomy and Physiologie, Vol. X Part III 76. Obser- vations on Taste goblets in the Epiglottis. 2) Virchows Archiv, Bd. 62. 1875. $S. 529. Ueber die Verbreitung der Geschmacksknospen beim Menschen, 160 C. Davis: (reschmacksbecher der Zunge verwandte. Nachdem die frisch in jene Flüssigkeit gebrachten Kehlköpfe darin 3—4 Wochen gelegen, wurden sie 1 Tag in Brunnenwasser ausgewaschen und dann auf 1—2 Wochen in Alcohol gebracht. Die Theile haben dann eine zur Anfertigung der Schnitte geeignete Consistenz gewonnen. Auch 1—2stündige Einwirkung einer schwach angesäuerten Lösung von einprozentigem Goldchlorid oder Goldchloridkalium färbt und erhärtet, besonders, wenn man die Objecte nachträglich noch in Alcohol bringt, recht gut. Will man die Verbreitung der Becher im Kehlkopf studiren, so sind Flächenschnitte bequemer und brauchbarer als successive Längsschnitte, deren man doch immer eine grosse Zahl bedarf ohne so übersichtliche Bilder zu gewinnen, wie sie jene gewähren. Um durch die Unebenheiten der Schleimhaut bei Anlegen von Flächen- schnitten nicht zu sehr gehindert zu sein, benützte ich ein schmales, spitzes Scalpell mit dünnem Rücken. Die Isolirung der die Becher zusammensetzenden Zellen gelang mir gut nach einer 2— Stägigen Conservirung in Müllerscher Flüssig- keit oder nach 2—Stägigem Aufenthalt in Jodserum. Obgleich es bei den längere Zeit in Müllerscher Flüssigkeit conservirten Prä- paraten leicht gelingt, die Epithelzellen von einander zu isoliren und die Becher frei zu gewinnen, so haften doch die Zellen dieser zu innig an einander und ihre isolirung ist viel schwieriger als bei der obigen Methode. Zur Erzielung einer gleichmässigen Erhärtung ohne zu starke Verschiebung und Faltung der Theile brachte ich die ganzen Kehl- köpfe in die Conservirungsflüssigkeit und zerlegte dieselben erst zur Anfertigung der microscopischen Schnitte in einzelne Stücke. Bei dem Hund trägt die Schleimhaut der vorderen Epiglottis- fläche Papillen, die der hinteren Fläche, der Giesskannenknorpel, der ligamenta epiglottidea arytänoidea und der Stimmbänder ist glatt. Das Epithel ist durchweg auch im Sinus ein geschichtetes Plattenepithel, welches sich etwas bis unter den freien Rand des ligamentum vocale inferius erstreckt, seitlich und nach rückwärts etwas höher und mit einer zackigen und welligen Linie gegen das Flimmerepithel endigt. ! Das Epithel der hinteren Epiglottisfläche bildet beim Menschen nach Verson!) gewissermassen einen Uebergang zwischen den 1) Histologie von Strieker. S. 457 u. 460. 4 Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. 161 Pflasterzellen der vorderen Fläche und den Flimmerepithelien des Kehlkopfs. Der Uebergang des Platten- in Flimmerepithel soll etwa im zweiten Viertel der Epiglottis beginnen. An den Rändern der ary-epiglottischen Falten in ihrer ganzen Ausdehnung besteht das Epithel aus geschichteten Pflasterzellen, welche sich auch auf den einander zugekehrten Flächen der Giesskannenknorpel bis zum unteren Stimmbande finden. Dagegen sind die oberen Stimmbänder und die Wände des Ventriculus Morgagni mit demselben Flimmerepithel über- zogen, welches schon an der Basis des Kehldeckels aufgetreten war. Die vorspringende Kante des wahren Stimmbandes ist beim Menschen mit Pflasterepithel bekleidet, welches sowohl gegen den Morgagnischen Ventrikel als die Trachea zu ziemlich plötzlich in das gewöhnliche Flimmerepithel übergeht und nach hinten mit dem Pflaster- epithel der ary-epiglottischen Falten zusammenhängt. Das Pflaster- epithel der Stimmbänder ist von mächtigen Papillen durchsetzt }). - Henle?) findet Pflasterepithel auf der Epiglottis und den Rändern der Stimmbänder mehr oder weniger weit auf deren obere und untere Fläche sich ertreckend. Der übrige Theil des Kehlkopfs trägt Flimmerepithel. Papillen finden sich an der oberen Fläche der Epiglottis und den Rändern der Stimmbänder. Nach Krause?) beginnt das Flimmerepithel am unteren Ende der Epiglottis und mit den Ligamenta thyreo-arytänoidea sup. Papillen und geschichtetes Plattenepithel sind nur noch am freien Rande der unteren Stimmbänder vorhanden. Bei Erwachsenen tritt nach Rheiner das Flimmerepithel an der Basis des Kehldeckels und den oberen Stimmbändern 4,5—6,7 Mm. unter dem Kehlkopfseingang auf und kleidet mit Ausnahme der Stimmbänder, die ein geschichtetes Plattenepithel besitzen, das auch als schmaler Streifen auf die Cartilago arytänoidea bis zum Schlundkopfe sich ertreckt, den ganzen übrigen Kehlkopf aus. Keine dieser Beschreibungen trifft das Richtige, wie man schon an Medianschnitten durch die Epiglottis sieht. Hat die Epiglottis z. B. bis zum scharfen Rand des oberen Stimmbandes eine Länge von 3 Cent. 3 Mm., so findet man bis 1 Cent. 1 Mm. unter dem Rand 1) Verson meint wohl die wahren Stimmbänder, denn die oberen tragen ja nach ihm Flimmerepithel. 2) Handbuch der Anatomie. Zweite Auflage. 3) Handbuch der Anatomie. S. 197 162 C. Davis: Plattenepithel, dann eine Strecke von 7 Mm. Länge mit Flimmer- zellen, an welche eine kleine Insel mit Plattenepithel stösst. Ihr folgt auf eine Länge von 6 Mm. Flimmerepithel, welches durch ein 2 Mm. grosses Stück mit Plattenepithel von der daran grenzenden 5 Mm. langen Partie mit Flimmerepithel getrennt wird. Dieses über- wiegt demnach in den beiden unteren Dritttheilen der hinteren Epi- glottisfläche. Flächen- oder successive Längsschnitte lehren, dass die Unterbrechung des Flimmerepithels durch kleine Inseln platter fimmer- loser Zellen geschieht, deren Ausdehnung undLage ziemlich wechseln. Wie nahe der Spitze des Kehldeckels das Flimmerepithel wie- derholt eine Unterbrechung durch platte Zellen erfährt, so ist dies auch seitlich der Fall. Macht man etwa in der Mitte der Epiglottis Querschnitte bis zur Medianlinie, so sieht man vom Rand her das Plattenepithel eine ziemliche Strecke der Innenfläche überziehen, dann treten kleine Inseln von Flimmerepithel auf, welche gegen die Mitte durch Plattenepithel von einer grösseren flimmernden Fläche getrennt werden, die nur noch einmal eine kleine Insel platter Zellen unterbricht, bis etwa gegen das mittlere Dritttheil der Epiglottis der continuirliche Flimmerüberzug beginnt. Die innere Fläche des Giesskannenknorpels trägt Plattenepithel. An dem oberen Stimmband findet sich Plattenepithel als schmaler Streifen auf dem freien Rand; gegen die vordere Insertion des Bandes verbreitert sich dieser Streifen und überzieht zum Theil noch die Innenfläche. Kleine abgeschlossene Inseln platter Zellen liegen in geringer Zahl nahe dem Rand jener Leiste in dem sonst flimmernden Epithel. Der Sinus hat Flimmerepithel, die freie Fläche des unteren Stimmbandes platte Zellen. Beim Schwein und Kalb findet sich im Kehlkopf bis unterhalb des unteren Stimmbandes Plattenepithel. Die becherförmigen Organe beginnen beim Hund im zweiten Viertel der Hinterfläche des Kehldeckels. Auch die Schleimhaut des ligamentum epiglottideo arytänoideum und die Innenfläche des Giess- kannenknorpels enthalten einige. Die freien Flächen der Stimmbänder und der Sinus besitzen keine Becher, dagegen finden sich solche zahl- reich auf der freien Fläche des unteren Stimmbandes nahe dessen hinterer Insertion, hart an der Grenze des mit einer wellenförmigen Linie endigenden Flimmerepithels. Die Verbreitung der Becher ist übrigens nicht immer die gleiche; so fand ich einige Male Becher auf den Stimmbändern, und zwar in mässiger Zahl auf dem oberen, spärlicher auf dem unteren Band. “ Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. 163 Die Becher stehen fast ebenso häufig vereinzelt wie in Gruppen von 3—6, sowohl in der Nähe der Drüsenöffnungen, wie in grösserer Entfernung davon. Die Drüsen sind überhaupt auf der Epiglottis des - Hundes nicht sehr zahlreich. Auch bei der Katze, dem Kaninchen, Kalb und Schwein sind die Becher auf die hintere Fläche deı Epiglottis und die Giesskannenknorpel beschränkt. In Betreff der Zahl der Becher ‚lassen sich, da sie in sehr ungleichen Entfernungen stehen, keine genaueren Angaben machen. Aus mehreren Zählungen schätze ich die Zahl derselben für einen [_|-Mm. der Epiglottis auf 5—-8. Fig. 1. Beim erwachsenen Menschen beginnen die Becher bereits 3,5 - Mm. unter der Spitze des Kehldeckels und erstrecken sich soweit als die nicht flimmernde Auskleidung des Larynx reicht, mit Ausnahme der Stimmbänder. Sie finden sich hier also mehr in «len oberen Partieen der Hinterfläche. Die Innenfläche der Schleimhaut der ligamenta epiglottideo arytänoidea besitzt keine Becher, wenigstens nicht in den oberen Partieen, dagegen enthält die Innenfläche des Processus ary- tänoideus deren eine grosse Zahl, und einige trägt dessen Aussen- seite dicht unter der Spitze. Solche finden sich auch auf dem Kehl- deckel, an den rings von Flimmerepithel umgebenen Inseln aus platten Zellen. Kommen die Becher vereinzelt im Flimmerepithel vor, so sind sie immer mit mehreren Lagen platter und kubischer nicht flimmernder Zellen bedeckt. Sie reichen in diesem Fall nicht bis zum Niveau des Flimmerüberzuges, es finden sich in diesem also kleine Vertiefungen, in deren Grund die Becher münden. Fig. 5. Da die Flimmerzellen, welche den Eingang zu jenen Grübchen umgeben, oft so stark gegen jenen geneigt sind, dass sie sich be- rühren und der Eingang dadurch geradezu verlegt wird, so scheint es, als ob die Becher ohne jede Communication mit Aussen in der Tiefe des Flimmerepithels lägen. Die Zahl der Becher ist beim Menschen relativ eine grössere wie beim Hund. Dort kommen auf einen []-Mm. der flimmerlosen Epiglottisschleimhaut 20—25 Becher. Fig. 2. Die Anordnung der Becher ist ziemlich dieselbe wie beim Hunde. Die Grösse der Becher überschreitet nicht die der entsprechen- den Organe der Zunge, doch sind erhebliche Grössendifferenzen im Kehlkopf häufiger wie hier. Beim Kaninchen, Kalb, Schwein sind die Becher klein, die des Hundes und der Katze bleiben ein wenig hinter 164 C. Davis: denen des Menschen zurück. Die Becher durchmessen in ihrer ganzen Länge das Epithel und finden sich besonders, wo sie gruppenweise vorkommen, häufig auf flachen Erhebungen der Schleimhaut. Ihre Gestalt bietet nur wenig Abweichungen. Sie gleichen ent- weder bauchigen, nach unten verschmächtigten Krügen mit kurzem schmalen Hals oder Blumenknospen, die entweder gegen die Schleim- haut hin flache Hervorragungen bilden oder auf kleinen Buckeln derselben sitzen. Beim Hund und der Katze sind die Becher mehr gedrungen und kurz (Fig. 3), beim Menschen (Kind und Erwachsenen) stark in die Länge gezogen (Fig. 4, 5, 7, 8, 9, 10), doch kommen hier auch breite, mehr kegelförmige Becher vor. Gegen die Spitze der Becher ist die äusserste Epithelschicht trichterförmig einge- zogen. Im Grund dieser Trichter findet sich eine scharfrandige feine runde Oeffnung zwischen den äussersten Epithelzellen, welche die feine Spitze der Becher frei lässt. Fig. 6. Schon an Schnittpräparaten erkennt man die Zusammensetzung der Becher aus einem Bündel dicht an einander liegender Spindel- zellen. Aber erst Isolationspräparate geben Aufschluss über den feineren Bau. Vertheilt man etwas von dem mit dem Messer ab- geschabten Epithel der für Isolirung der Zellen präparirten Kehl- köpfe in der Zusatzflüssigkeit, so findet man, wie vollständig auch die Epithelien durch die Maceration isolirt wurden, die ganzen Becher frei, oft ohne merkliche Spuren der Maceration (Fig. 8). Erst durch leichten Druck gelingt es den Zusammenhang der einzelnen Elemente. der Becher etwas zu lockern. Der vordem scharf conturirte in eine feine Spitze ausgezogene, an seiner unteren Fläche eine Menge feiner Fäserchen tragende Becher lässt dann ähnlich einer sich öffnenden Blumenknospe zweierlei Theile erkennen — eine äussere Schichte, die nach Art eines Mantels oder — um bei jenem Vergleich zu bleiben — nach Art der umhüllenden Blätter einer Blüthe einen spindelförmigen Innenkörper umgiebt. (Fig. 7.) Die Mantelschichte der Becher zerfällt leicht in einzelne platte spindelförmige Zellen (Fig.7a, Fig. 1la b ec d), welche etwa wie die Blätter der Knospe einer Kornblume angeordnet eine mehrfach ge- schichtete Hülle für den centralen Körper bilden (Fig. 7b), der schon durch sein mehr homogenes, glänzendes Aussehen deutlich gegen die Mantelzellen sich abhebt. Nach oben laufen diese in eine feine Spitze aus, und nach unten endigen sie in ein oder mehrere lange jfadenförmige oder platte, oft varicöse, mit kleinen Fäserchen Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. 165 oder gezackten lappigen Anhängen besetzte Fortsätze. Ihr Körper enthält einen ellipsoiden Kern. Auf der Kante stehend erscheinen diese Zellen als feine glänzende Fäden. Die eng aneinander liegen- den äusseren spitzen Enden dieser Mantelzellen lassen eine kleine runde Oeffnung frei, durch welche mehrere feine Härchen, welche die Spitze des Innenkörpers trägt, hervorragen (Fig. 7). Diese Här- chen sind jedenfalls sehr vergänglich, denn ich habe sie nur einige- male unter einer grossen Zahl frisch conservirter Präparate erhalten. Im Gegensatz zu den Elementen des Mantels besteht der Innen- körper aus feinen, mehr glänzenden Fadenzellen, deren Körper einen länglich runden Kern birgt, und welche viel inniger aneinander haften, als die Zellen des Mantels. Bei der Grössendifferenz der Becher schwankt auch die Zahl der sie zusammensetzenden Zellen. Die kleinsten Becher mögen etwa 8, die grösseren 30—50 Zellen enthalten, von denen etwa 20 auf den Innenkörper kommen. (Fig. 7b. Fig. 12 a.) Die centralen Zellen sind wenigstens in ihrer äusseren Hälfte sehr hinfällig und nur an ganz frischen Präparaten, welche den eben getödteten Thieren entnommen wurden, gut zu conserviren. Beson- ders rasch treten cadaveröse Veränderungen bei jungen Individuen (Kindern von 3 Jahren) auf. Denn schon 24 Stunden post mortem fand ich die Becher, besonders die centralen Zellen verändert, ob- gleich ich diese Untersuchungen in kalter Jahreszeit vorgenommen hatte. An solchen Bechern erkennt man deutlich die scharfgeran- dete Oeffnung der Spitze, welche von den dicht aneinanderschliessen- den SpitZen der Mantelzellen gebildet wird. Diese Oeffnung scheint der Eingang in eine rundliche oder längliche Höhle, welche sich oft bis zur Mitte des Bechers erstreckt und die Stelle der kegelförmigen Aussenpartie des Innenkörpers einnimmt (Fig 10b). Oder statt dessen findet sich eine schleimige Substanz, die oft eine Strecke weit durch die Oefinung der Mantelzellen als ein schmaler, konischer Fortsatz oder in Gestalt fadenförmiger Flocken hervorragt (Fig. 9 b). Solche cadaverös veränderte Becher haben wahrscheinlich Verson vorgelegen, denn an frisch conservirten Präparaten der verschiedensten Thiere habe ich niemals „die centrale runde Lücke gesehen, um welche die beschriebenen Zellen sich im Kreise lagern“, wie Verson berichtet. Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs sind demnach sehr übereinstimmend mit denen der Zunge gebaut, und da von diesen erst jüngst durch Vintschgau und Hönigschmied der experimentelle 166 C. Davis: Die becherförmigen Organe des Kehlkopfs. Beweis gebracht wurde, dass sie Endorgane des Nervus glossopharyn- geus sind, so müssen wir wohl die Kehlkopfbecher auch als solche Endorgane sensibler Nerven betrachten. Leider war es mir nicht mehr vergönnt, da ich wegen meiner Abreise diese Untersuchungen abbrechen musste, die Frage nach den Beziehungen der Becher zu den so zahlreich vorhandenen Nerven der Schleimhaut eingehender zu prüfen. Oefterssah ich allerdings Nerven bis dicht an die Organe herantreten, aber die Art und Weise ihrer Verbindung mit diesen blieb mir verborgen. Die obigen Untersuchungen habe ich auf Anregung von Prof. Eberth unternommen, dem ich für die dabei geleistete Unterstützung hiermit bestens danke. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X. Fig. 1. Eine Kreisfläche von etwa 2,5 Mm. Durchmesser von der Schleimhaut der hinteren Epiglottisfläche des Hundes, a Becher, b Drüsenmün- dung. System 2. Camera luc. Hartnack. . Eine Kreisfläche von etwa 3 Mm.Durchmesser von der Schleimhaut der hinteren Epiglottisfläche des Menschen. a Becher. Vergrösse- rung wie Fig. 1. Fig. 3. Senkrechter Schnitt durch die Epiglottis-Schleimhaut des Hundes mit einer Gruppe von Bechern, a. System 4. Camera luc. Hartnack. Fig. 4. Senkrechter Schnitt durch die Epiglottis-Schleimhaut des Menschen. a Becher. Vergrösserung wie in Fig. 3. . Schnitt durch das Flimmerepithel der Epiglottis des Menschen. a Becher, zum Theil mit Plattenepithel bedeckt. System 7. Camera luc. Hartnack. . Fig. 6. Flächenansicht der äussersten Epithelschicht der Epiglottis des Hundes, a Oeffnungen für die Becher, b Conturen der Becher. System 7. Camera luc. Hartnack. > Fig. 7. Becher des Menschen. Einige Mantel- (Deck-)Zellen a umhüllen noch iose den Innenkörper. b Immersion 10. Fig. 8. Isolirter Becher des Menschen. a Oeffnung in den Mantelzellen. b Fäserchen, in welche die Mantel- und Axenzellen nach unten aus- laufen. System 9. Ocul. 3. Hartnack. Fig. 9. Becher des Menschen. a Mantelzellen, b Innenkörper in eine schlei- mige Substanz umgewandelt, welche durch eine Oeffnung des Man- tels in Gestalt eines spitzen Fortsatzes c hervorragt. System 9, Oeul. 3. Hartnack. Fig. 10. Becher des Menschen. 30 Stunden post mortem in Müllerscher > 2 D je =) [1 R. Greeff: Ueber die Eneystirung u. Fortpflanzung d. Actinosph. Eichhornii. 167 Flüssigkeit 6 Tage conservirt. . a Mantel. b Höhle an Stelle des Innenkörpers. Vergrösserung wie Fig. 9. Fig. 11. Mantelzellen der Becher des Menschen. b“, ec“, d” dielappigen und fadenförmigen unteren Enden dieser Zellen. Immersion 9. Ocul. 3. Fig. 92. Axenzelle, a feines oberes Ende. Vergrösserung wie Fig. 11. Ueber die Encystirung und Fortpflanzung des Actino- sphaerium Eichhornii. Von Dr. Richard Greeff‘, Professor in Marburg. In der Sitzung der „Gesellschaft naturforschender Freunde“ in Berlin vom 20. März 1877 theilte, nach einem mir gütigst über- - sandten Separat-Abdruck aus dem Sitzungsbericht, Herr Fritsch »die Resultate einer Untersuchung des Herrn Karl Brandt über die Fortpflanzung von Aetinosphaerium Eichhornii Stein« mit. Dem Verfasser dieser Mittheilung sind, wie ich sehe, bloss meine in den Sitzungsberichten der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn vom Jahr 1871!) veröffentlichten Beobachtungen über die Actinophryen bekannt geworden, während ihm meine spätere ganz denselben Gegenstand seiner Untersuchung, nämlich die Eneystirung und Fortpflanzung von Actinosphaerium Eichhornii, betreffende Abhandlung von 18732) zu meinem Bedauern vollständig entgangen ist. In dieser meiner Abhandlung sind aber einige wesentliche Beobachtungs-Ergebnisse, die Herr Brandt als neu anführt, so die Art und Weise der Verschmelzung und Enceystirung des Actinosphaerium, des Zerfalls in Theilungskugeln, dessen Re- sultat auch eine ungerade Zahl sein kann, vor Allem aber die sehr merkwürdige und regelmässig eintretende Wie- derverschmelzung der Theilungskugeln vor ihrer Umhül- lung mit einer Kieseleyste bereits vollständig enthalten. 1) S. 4. Alle. Sitzung vom 9. Januar 1871. 2) Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften, Sitzung vom 19. November 1873 8. 61. 168 Richard Greeff: Unter diesen Umständen erscheint es mir im Interesse der ferneren Untersuchung dieses interessanten Gegenstandes angezeigt, meine damalige am Ende eines längeren Sitzungsberichtes über Rhi- zopoden - Untersuchungen befindliche und dadurch vielleicht etwas verborgen gebliebene Mittheilung über die Eneystirung des Actino- ‚sphaerium hier noch einmal wörtlich und unverändert zum Abdruck zu bringen. Ich hoffe ausserdem in Kurzem, im Anschluss an meine früheren Arbeiten über „radiolarienartige Süsswasser-Rhi- zopoden“ eine weitere ausführlichere Abhandlung über die Heliozoen (Actinophryen) in diesem Archive folgen lassen zu können. Ueber die Eneystirung von Aetinosphaerium (Aetinophrys) Eichhornii. (Aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. Sitzung vom 19. November 1873: R. Greeff: Ueber Radiolorien und Radiolarienartige Rhizopoden des süssen Wassers, S. 61.) Cienkowski hat zuerst die Eneystirung dieses Rhizopoden be- obachtet!) und zwar bis zur Bildung einer festen Kapsel um jede „Kugel“, die durch Theilung innerhalb der ursprünglichen gemein- schaftlichen Schleimeyste entstanden war. Schneider stellte die in- teressante Thatsache fest, dass die feste Cyste der einzelnen Kugeln aus Kieselsäure besteht ?), ferner, dass die ursprünglichen Kerne des Actinosphaerium verschwinden und an ihrer Stelle in der Mitte einer jeden Kugel ein einzelner grösserer Kern tritt. Die einkernige Kugel sieht er als eine entwicklungsfähige Eizelle an, aus welcher durch einen Furchungsprozess wiederum eine vielkernige Actinophrys hervorgehe. Was meine eignen Beobachtungen betrifft, so scheint zunächst der Eintritt der Eneystirung allerdings an gewisse Vorbedingungen, an einen Zustand der Reife geknüpft zu sein. Ob indessen in allen Fällen eine „Conjugation“ vorausgehen müsse, habe ich nicht fest- stellen können. Unter hundert zur Beobachtung gebrachten Actino- sphaerien encystiren sich in der Regel nur wenige und zu diesen gehören sowohl solche, bei denen eine Verschmelzung vorher sicher Statt gefunden hat, als sosche, bei denen keine beobachtet werden 1) Beiträge zur Kenntuiss der Monaden. Dieses Archiv Bd. I. S. 229. 2) Zur Kenntniss der Radiolarien, Zeitschr. f. wiss. Zoologie. XXI. Bd. S. 507. u Ueber die Eneystirung und Fortpflanzung des Actinosphaerium Eichhornii. 169 konnte. Es kommt auch vor, dass ein Actinosphaerium ohne kurz vorausgegangene Conjugation sich theilt, und dass einer der Thei- lungssprösslinge ebenfalls ohne Conjugation sich encystirt, wobei gelbstredend nicht ausgeschlossen ist, dass in früherer Zeit der müt- terliche Körper eine Conjugation vollzogen haben könne. Die Encystirung beginnt, wie schon Cienkowski berichtet !), damit, dass die Körpersubstanz dunkel und feinkörnig wird. Die alveoläre Struktur geht allmählich verloren, indem sich zu gleicher Zeit, wie es scheint durch Zusammenfliessen der kleineren Vacuolen, neben den Letzteren einzelne grössere Blasen bilden, entweder in der Mitte oder in der Aussenschicht. Bei auffallendem Lichte er- scheint der Körper nun leuchtend weiss und tritt dadurch unter den übrigen mehr hyalinen und durchscheinenden Exemplaren bemerk- bar hervor. Die Pseudopodien werden kürzer, körniger und an ihrer Basis breiter. Auf ihren Spitzen bildet sich, wie von ihnen gesponnen, ein gallertiger Saum, der, indem die Pseudopodien sich immer mehr zurückziehen, allmählich breiter wird und schliesslich als dicke, feste Gallerteyste den pseudopodienlosen, dunkeln Körper des Actinosphaerium umschliesst. Zuweilen tritt während der Encysti- rung eine Zweitheilung ein und dann umgiebt sich jede Hälfte inner- halb der gemeinschaftlichen noch mit einer besondern sekundären Gallerteyste. Nun beginnt für jedes von einer Gallerteyste einge- schlossene Actinosphaerium, bei den Zwillingscysten für jede beson- ders, unabhängig von der anderen, eine in der Regel mehrfache, in 1) Schneider’s Darstellung des Eneystirungsvorgangs ist in einigen Punkten abweichend von der Meinigen, sie stimmt auch nicht mit derjenigen Cienkowski’s überein, in dessen Sinne er die einzelnen Stadien bis zur Bildung der Kieseleyste anzuführen scheint. Es findet in der That nach meinen Beobachtungen weder eine Theilung des von der alveolären Rinden- schieht umschlossenen Centralkörpers des freien Actinosphaerium’s Statt, wie Schneider beschreibt und abbildet, noch entstehen die „Kugeln‘‘ über- haupt vor der Eneystirung, sondern nach derselben, d. h. innerhalb der Schleimeyste. Auch bildet sich nicht immer „um je zwei Kugeln eine feste elliptische Cyste‘“, sondern die gemeinschaftliche Schleimeyste umgiebt die sämmtlichen in einem Haufen zusammenliegenden Kugeln, die jede für sich eine Kieseleyste ausscheiden. Nur in solehen Fällen, wo eine Zweitheilung des ganzen Actinosphaerium’s während der Eneystirung und vor der Kugel- Bildung Statt findet, entstehen sekundäre Schleimeysten innerhalb der gemein- schaftlichen. 170 Richard Greeff: kurzen Zeiträumen wiederholte Theilung, die viele Aehnlichkeit mit einem Furchungsprocess hat. Aus einem einfachen Actinosphaerium entstehen auf diese Weise oft. über 10 und 12 kleinere Kugeln. Diese Kugeln aber umgeben sich nicht, wie Cienkowski und Schneider annehmen, direkt mit der festen Kieseleyste, sondern höchst merkwürdigerweise tritt vorher erst wiederum eine Verschmelzung der Kugeln untereinander ein. Je zwei benachbarte verbinden sich zu einer einzigen, so dass nach kurzer Zeit die Zahl in der Regel auf die Hälfte der ursprüng- lichen der Theilungskugeln reducirt ist. Wo eine ungrade Anzahl von Theilungskugeln vorhanden war, scheint eine Kugel ohne Verbin- dung zu bleiben, wie ich z. B. aus 13 in einem Haufen zusammen- liegender Kugeln 7 durch Verschmelzung entstehen sah. Dieser merkwürdige Verschmelzungs-Prozess ist keineswegs ein zufällig oder ausnahmsweise eintretender, ich habe ihn bei allen den von mir aufs _ genaueste verfolgten Fällen constatiren können. Nun erst umgiebt sich jede dieser so entwickelten Kugeln mit der oben erwähnten Kieseleyste, auf welche aber nach einiger Zeit noch eine der äusseren dicht anliegende innere Kiesel- cyste folgt, so dass jede Kugel nun ausser von der gemeinschaft- lichen Schleimeyste von einer doppelten verhältnissmässig dicken Kieselschale umgeben ist. Dann verschwinden, wie Schneider beobachtet hat, die Kerne und in der Mitte einer jeden Kugel er- scheint ein heller Raum, der sich schon früh als ein solides hyalines Gebilde erweist, das sich in zwei Schichten sondert, einer äusseren und einer inneren. Bei Färbungen mit Carminlösung färbt sich die innere Schicht intensiver, als die äussere, wodurch beide scharf von einander abgegrenzt erscheinen. Die innere Schicht ist, wie nun auch deutlich hervortritt, erfüllt mit kernartigen Körpern und auch die äussere Schicht scheint deren, aber jedenfalls weniger, zu’ ent- halten. Hiernach würde dieses von Schneider als „Kern“ be- zeichnete centrale Gebilde, das ihm Veranlassung giebt, die ganze Kugel als Eizelle aufzufassen, doch vielleicht eine andere Bedeu- tung erhalten. Es scheint fast das junge Actinosphaerium zu sein, das frei in dem Plasma liegend sich in demselben durch allmäh- liche Zunahme entwickelt, analog dem „Embryonalkern“ in der Echinorrhynchen-Larve, der Nemertes im Pilidium ete. Doch be- merke ich ausdrücklich, dass ich bisher mit Sicherheit nur die Ent- Ludwig Edinger: Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea. 171 wicklung bis zu dem oben beschriebenen aus zwei Schichten beste- henden centralen Gebilde habe verfolgen können. Das eigentliche Plasma der encystirten Kugel besteht aus grö- beren, dunkeln und glänzenden Körnchen und einer äusserst feinen Körnermasse, die nach aussen getreten eine sehr lebhafte Moleku- larbewegung zeigt. Diese Körner sind im eine hyaline zähflüssige Substanz eingebettet ). Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea. Von Dr. Ludwig Edinger in Worms. (Anatomisches Institut zu Strassburg.) Hierzu Tafel XI. „Wenn sich so eine voliständige Analogie zwischen allen peri- pheren Endorganen oder Gefühlskörperchen im weitesten Sinne herausstellt, so wird man vereinzelte Beobachtungen — — nicht mehr als auffallende Curiosa betrachten dürfen, sondern vielmehr als werthvolle Bruchstücke zur Kenntniss einer allen Wirbelthieren zukommenden Reihe von Sinnesorganen.“ Dieser Ausspruch Krause’s, der leicht auch auf die Wirbel- losen zu übertragen ist, entschuldigt mich vielleicht, wenn ich einige 1) Beim Zerdrücken einer encystirten Kugel machte ich einmal die merkwürdige Beobachtung, dass der aus der gesprengten Kieselschale aus- strömende Inhalt in kleineren Kugeln hervortrat oder sich in solchen zu- sammenballte.. Die kleinen Kugeln zeigten in der Mitte einen hyalinen Kern und am äusseren Umfang eine contractile Vacuole, die sich in schneller Auf- einanderfolge (in der Minute 3 mal) contrahirte. Um die dunkle Körnermasse, an deren Umfang die Vacuole lag, schien sich noch ein feiner hyaliner Sarkode- saum zu ziehen. Ob diese merkwürdigen Kugeln zu einer gewissen Zeit der Entwicklung im Innern der Cyste sich bilden, oder erst ausserhalb aus dem gesprengten Inhalt als solche sich zusammenballen, habe ich bisher nicht constatiren können. 172 Ludwig Edinger: kleine Beobachtungen, die ich in letzter Zeit an den Hautnerven der Pterotrachea gemacht, hier veröffentliche. Herr Professor Waldeyer hatte die Güte, mir zwei mit Os- miumsäure erhärtete, in Glycerin wohl conservirte Thiere dieser Heteropodenart zur Verfügung zu stellen. Die bekannte glashelle Beschaffenheit der Leibeswand war durch die lichtbraune Färbung nicht gestört und gestattete eine eingehende Untersuchung der fein- sten Details. Die bräunliche Tinction der Thiere rührte im Wesent- lichen von der Muskulatur her. Cutis und Epitheldecke blieben ganz ungefärbt, die Hautnerven dunkelblaubraun bis in ihre feinsten Enden. Die nervöse Natur dieser feinen Fäserchen liess sich jedes- mal durch Zurückgehen auf einen grösseren Stamm und von diesem auf das centrale Nervensystem leicht feststellen. Der feinere Bau der Körperbedeckung der Pterotrachea hat in den bekannten Arbeiten von K. Gegenbaur?) und von R. Leuckart?) eingehende Berücksichtigung gefunden. Die Epidermis besteht aus einer Lage platter vieleckiger Zellen. Nach den Osmiumbildern scheinen deren Kerne während des Lebens befähigt zu sein, amöboide Bewegungen auszuführen. Sie zeigen vielfach Ausläufer, in die Länge gezogene, ovale, runde, ir sich selbst zurückgekrümmte längliche Formen, die besser, als eine genaue Be- schreibung, ein Blick auf Fig. 14 kennen lehrt. An vielen Stellen liegen zwischen den Epithelien Becherzellen eingebettet, so namentlich am Flossensaum schön sichtbar. Die enge Eingangsöffnung dieser Zellen führt in eine bauchige von glas- heller Masse angefüllte Kugel, an deren Grunde sich noch geringe Reste des unveränderten Zellprotoplasmas und des Kernes finden. Die Becherzellen entstehen aus den Plattenepithelien. Man trifft oft an den Stellen, wo die später zu beschreibenden Nervenendzellen zusammenliegen, in diesen letzteren, besonders aber in den sie umgebenden Zellen grössere und kleinere Tropfen derselben glasigen Substanz eingelagert, welche auch die Becher erfüllt. Bald ein grösserer bald ein kleinerer Theil des Zellproto- plasmas ist in diese Tröpfchen umgewandelt, die unter sich zusam- menfliessend einzelne Zellen bauchig ausdehnen. Platzt eine solche 1) K. Gegenbaur: Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden. Leipzig 1855. 2) R. Leuckart: Zoologische Untersuchungen III. Giessen 1854. Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea. 173 stark aufgetriebene Zelle am oberen Pole, so wird sie mit den Becher- zellen ganz identisch sein. Leuckart hat die Becherzellen nicht gesehen, wohl aber die eben beschriebenen Uebergangsstadien, wie wohl folgender Stelle ent- nommen werden darf: „Nicht selten sind zahlreiche Fettkörner zwischen die Epidermiszellen und in das Innere derselben eingelagert, mitunter in solcher Menge, dass eine ganze Epidermisinsel davon imprägnirt wird“. Auch Gegenbaur sagt: „Die Zellen sind häufig mit feinen Molekülen erfüllt, wie Zellen, welche der Fettmetamorphose anheim fielen“. Dass der Inhalt kein Fett, oder wenigstens keine der uns bekannten Fettarten ist, zeigt das Verhalten gegen Osmium- säure. Die Tröpfehen bleiben darin ganz ungefärbt, werden nicht schwarz, wie anderes thierisches Fett, sy Zwischen den Zellen konnte ich, im Gegensatze zu Leuckart, an meinen Präparaten, welche die Zellgrenzen sehr scharf zeigen, nie die besprochene Substanz finden. Im Allgemeinen sind die Becherzellen sehr spärlich in der Haut vertheilt. Ein basaler Fortsatz, wie er z. B. den Zellen im Wirbel- thierdarm zukommt, lässt sich nicht nachweisen. Dies steht völlig im Einklang mit der eben geschilderten Ent- stehung der Becher aus Plattenepithelien, ganz ebenso, wie sich die zwischen Cylinderzellen stehenden Becherzellen auf Cylinderzellen zurückführen lassen. Wo, wie hier, die Becher aus einem einschich- tigen Plattenepithel entstanden sind, muss ihnen der Fortsatz fehlen. Die Becherzellen verhalten sich also im einschichtigen Plattenepithel so, wie es, ist die allgemeine Annahme, dass sie aus dem umgeben- den Epithel durch Zellenmetamorphose entstehen, richtig, a priori gefordert werden muss. Einen Zellhaufen, der eine grosse Zahl der Uebergangsformen zeigt, stellt Fig. 5 dar. Unter dem Epithel liest das glashelle nervenreiche Cutisgewebe. Noch ehe die Nerven in die Haut eintreten, theilen sie sich zwischen dieser und der Muskulatur in zahlreiche Aeste, die, sich unter einander verbindend, ein Netz herstellen. In den Knoten- punkten desselben, aber auch in den Verlauf der Nerven seibst ein- gebettet, finden sich Ganglienzellen meist bipolarer Natur mit rundem Kern und mehreren Kernkörpern. Zu diesem Netz der vom centralen Nervensystem stammenden Aeste kommt noch ein zweites aus sehr viel feineren oft. varicösen Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd. 14. 12 174 Ludwig Edinger: Fäserchen bestehendes, das von den Ausläufern einer grossen Menge multipolarer Ganglienzellen hergestellt wird und mit dem ersteren vielfache Verbindungen eingeht. Die meisten Ganglien liegen noch unter der Cutis auf der Muskulatur und gehen daher leicht beim Abziehen der letzteren, wie es zum Untersuchen der Nervenendigun- gen dienlich ist, verloren. Ganz feine Fädchen der Ganglienzellen gehen in die verzweig- ten Muskelzellen der Haut, die sich namentlich in dem Schwanz leicht auffinden lassen. Wie sie darin enden, ist mir unklar geblieben. Die Muskel- faser ist leicht längs gestreift und zwischen diesen Linien verliert sich das feine Fäserchen. Wo die Faser den Muskel berührt, findet sich manchmal, aber nicht immer, eine kleine Anhäufung von fein- körnigem Protoplasma. Ein besonders auffallendes Bild, wo von einer Ganglienzelle aus drei Muskelzellen innervirt werden, ist Fig. 10 abgebildet. Die Mehrzahl aber der dem Hautnervennetz ent- stammenden Fasern geht zur Epidermis selbst. Nach Gegenbaur gehen „feine Fäserchen bald in spitzem, bald in rechtem Winkel ab und verlieren sich in der glashellen Bindesubstanz dergestalt, dass ihre Endigung durchaus in Dunkel gehüllt bleibt“. Auch Leuckart gibt an, dass die Hautnerven allmälig so dünn werden, ‚dass sie sich der Beobachtung entziehen‘, vermuthet aber, dass sie ein Netz- werk bilden, dem unter sich verbundene terminale Ganglienkugeln eingelagert seien. Die Anwendung der Osmiumsäure gestattet jedoch die Hautnerven noch weiter zu verfolgen. Verfolgt man einen etwas stärkeren Ast des Nervennetzes, so sieht man hie und da unter verschiedenen Winkeln feine kurze Zweigchen abgehen, die deutlich zu einer Epithelzelle ziehen, deren Rand sie noch überschreiten; ob die Endigung, wie es oft den An- schein hat, im Kerne stattfindet, ist nicht sicher zu sagen. Eine derartige Epithelzelle bleibt in Osmium ungefärbt und ist auch sonst nicht von ihren nervenlosen Nachbarzellen zu unterscheiden. Immer sieht man sehr deutlich dunkle Nervenstämmchen an die klare Zelle herantreten. (Fig. 1 bei A.) Könnten auch hier vielleicht Zweifel über den innigen Znsammenhang von Nerv und Epithelzelle noch geltend gemacht werden, so dürfen wir doch eine Art von Epidermis- zellen ganz sicher als Nervenendzellen bezeichnen, welche sich mit dem Nerv in Osmium braun färben und diesem dicht, wie die Blätter eines Baumes ihrem Zweige, aufsitzen. Solche stellen ge- Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea, 175 wissermassen die scharfe Differenzirung der erstgenannten Form von ihren nervenlosen Nachbarzellen dar. Nervenzweige, die zahlreiche feine Stiele zu den braunen Endzellen senden, bieten ein überaus zierliches Bild, das sich am besten mit dem einer Epheuranke ver- gleichen lässt (S. Fig. 1 u. 2). Die Gestalt dieser Zellen ist etwas von den gewöhnlichen Epithel- zellen verschieden, sie sind länglicher, oft von mehr birnförmiger Gestalt, wo dann der Stiel der Birne dem Nerven entspricht. Im breiteren, dem Nervenende entgegengesetzten Theile liegt der runde Kern. Häufig sind in der Umgebung solcher Zellen die Platten- epithelien sehr viel kleiner, als sonst wo. Solche Zellen färben sich in Osmium hellbräunlichgelb (S. Fig. 3). Diese kleinen Plättchen treten dicht von allen Seiten an die grössere Nervenendzelle und legen sich in kleine Ausbuchtungen des Randes derselben. Der Nerv verschmilzt innig mit der Zelle, in derem Inneren Nichts mehr von ihm zu sehen ist. Die Nervenendzellen sind fast in jedem von der Seitenwand des Körpers genommenen Hautstückchen nach Osmiumhärtung zu finden und werden durch Anilinblau- oder Haematoxylinfärbung noch deutlicher. Es ist zu empfehlen, die Haut erst nach Abtrennung des Mus- kelschlauches zu untersuchen, wo die Zellen sich dann von dem klaren Grunde sofort braun abheben. An einigen Stellen sind solche Zellen nicht wie gewöhnlich längs eines Nervenzweiges vertheilt, sondern liegen haufenweise dicht beisammen. (S. Fig. 3.) Diese seltenere Anordnung kann man als den Ausgangspunkt für zwei ganz verschiedene Arten von Hautsinnesgebilden auffassen, deren eines bisher bei Pterotrachea unbekannt war, das andere, wenn es seine höchste Entwicklung erreicht hat, uns begegnet in den zahlreichen kreisrunden Flecken, welche die Seitenwand des Thieres einnehmen und die von Gegenbaur sowohl, als von Leuckart genau geschildert worden sind. Entweder nämlich treten die Nervenendzellen mit den oben beschriebenen kleinen, sie umgebenden Plattenepithelien zu einem konischen Gebilde zusammen, das über die Hautoberfläche hervorragt, (Endkegel Fig. 3, Fig.4) oder es bleibt die flächenartige Ausbreitung bestehen, zwischen den Zellen aber treten Uebergangsstadien zu Becherzellen (s. 0.) und Becherzellen selbst auf. 176 Ludwig Edinger: In einzelnen solcher Zellhäufehen finden sich nur eine, zwei oder drei der bauchigen Zellen (Fig. 1), in andern nehmen sie fast den ganzen Raum des Haufens der kleinen Epithelzellen und Nerven- endzellen ein. So finden sich kleinere, mittelgrosse und grössere Haufen von beismmenliegenden Becherzellen über die ganze Körperhaut der Pterotrachea verbreitet und bilden eine schöne zusammenhängende Reihe von Uebergangsformen bis zu den grossen, fast einen Milli- meter im Durchmesser messenden, runden, flach halbkugelförmigen Organen, welche von Gegenbaur und Leuckart an der Bauch- fläche und vorn an den Seitentheilen des Körpers beschrieben wur- den (Fig. 1bb u. Fig. 5, 6, 7.) | Diese grossen Seitenscheibchen sitzen gleich einem flachen Kugelabschnitt der Haut auf. Der Nerv tritt von unten in sie ein. Sie sind meist von einer zarten Membran, welche dieke runde Kerne mit mehreren Kernkörperchen aufweist, umgeben. An dem Aufbau der Endkegel und der Becherzellen führenden Stellen nehmen ausser den Nervenendzellen noch die kleinen Platten- epithelien, sowie eine Abart desselben von mehr länglicher Gestalt Theil, die sich in Osmium ebenfalls braun, wie die Nervenendzellen färben, mit den Nerven aber in keiner Verbindung stehen. Diese letzteren Zellen sind es besonders, welche sich häufig in Becherzellen umwandeln. Kaum je findet man eine, die nicht schon glashelle Tröpfehen in ihrem Inneren zeigte. Manchmal scheint es, als fän- den sich auf diesen Zellen Flimmerhaare. In den grossen seitlich liegenden oben genannten Organen, die eine Vereinigung von oft über 100 Becherzellen darstellen, treten diese kleineren Aufbauelemente so zurück, dass sie nur schwer noch zwischen den Bechern erkamnt werden. Stärkere Vergrösserungen lösen aber doch die braune Masse zwischen denselben in einzelne Zellterritorien auf. Gegenbaur beschreibt diese seitlichen weissen Scheibchen sehr genau, doch gibt er an, dass die sie zusammensetzenden Zellen (die Becher) flimmer- ten. Die Flimmerhaare befinden sich aber auf den kleinen zwischen den Bechern liegenden Zellen und keineswegs auf allen. Derselbe Autor fand aus dem Centrum der runden Scheiben einen langen, flimmerbedeckten fadenförmigen Fortsatz hervorragend, der aus einer glashellen Membran gebildet, innen hohl und daselbst von durehsichtigen, unregelmässig in’s Lumen vorspringenden Zellen ausgekleidet sei. Leuckart erwähnt diesen Faden nicht. Ich Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea. 177 konnte ihn mehrfach, wenn auch durchaus nicht an allen Seiten- scheiben, beobachten. Der Entdecker nimmt, da er deutlich Nerven hinzutreten sah, diese Gebilde für Hautsinnesorgane, den Faden also für eine Art Taster. Ueber das Verhalten der in die Seitenscheiben eindringenden Nerven lässt sich nur bei den kleineren Gebilden etwas Sicheres aussagen. Hier tritt das fein verästelte Stämmchen zu einigen Nervenendzellen, die von der Becherzelle und den anderen Epithel- zellen, die auf dem Wege sind, sich zu solchen umzuwandeln, um- geben sind. Nur einmal sah ich ein Nervenästchen zu einer Becher- zelle selbst treten. Wir sich in den grösseren Seitenscheibchen der Nerv zu den einzelnen Zellen verhält, konnte ich nicht ermitteln. Soweit die Verästelung verfolgt werden konnte, istsie Fig. 9 abgebildet. In den centralen Faden Gegenbaurs konnte ich an den wenigen Scheibchen, wo er vorhanden war, keinen Nervenzweig verfolgen. Die Bedeutung der Seitenscheibchen ist ganz dunkel. Für Sinnesorgane hält sie, wie schon gesagt Gegenbaur; er theilt sie einstweilen dem Tastsinne zu, da sie nach aussen hervorragende Stellen seien, zu denen eine Nervenfaser verlaufe. Dafür spricht ferner noch, dass sie sich leicht durch zahlreiche Uebergangsformen auf die Anhäufungen von wahren Nervenendzellen zurückführen lassen. Die Hypothese, dass alsdann der centrale Faden der eigent- lich die Sinnesempfindung vermittelnde Theil an dem Seitenscheib- chen ist, wird durch folgenden Befund gestützt: Manchmal liegt inmitten einer kleineren Anhäufung von Epithel und Becherzellen, wie wir sie als Uebergangsformen zu den Seiten- scheibehen gedeutet haben, ein eigentlicher Endkegel, eine Anhäufung von Nervenendzellen (Fig. 6 bei a von’oben gesehen). Jedenfalls kommen also im Centrum von Becherzellenhaufen Nervenendapparate vor und wahrscheinlich ist der centrale Faden nur eine entwickeltere Form dieser Endkegel. Die gedrängte Anordnung der Scheibchen längs der Seitenwand des Thieres lässt vermuthen, dass nicht jede Einzelne eine gesonderte Wahrnehmung vermittelt, sondern, dass alle zusammenwirkend, viel- leicht entsprechend dem Organ der Seitenlinie bei Fischen, den Träger über die Druckverhältnisse und dergl. des umgebenden Mediums unterrichten. Nimmt man wesentlich Rücksicht auf die zahlreichen Becher- zellen, so könnte man unsere Organe vielleicht für Hautschleimdrüsen 178 Ludwig Edinger: Die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea. / ansprechen wollen; die reichliche Nervenausbreitung jedoch, der Zusammenhang mit Anhäufungen von Nervenendzellen und der zarte, centrale Faden, lassen sich schlecht mit solcher Auffassung vereinen. Es ergibt sich demnach bei Pterotrachea der interessante Be- fund, dass die vollständige Entwicklungsreihe eines Sinnesorganes in der Haut eines Thieres vertreten ist. Die Reihe geht aufwärts von dem Nerven aus, der zu noch nicht von der Umgebung sich unterscheidenden Epithelzellen geht, durch scharf ausgeprägte Nerven- endzellen zu Anhäufungen der letzteren, nervenreichen Epidermis- papillen; oder die Nervenendzellen liegen flächenhaft ausgebreitet beisammen, die umgebenden Epithelzellen wandeln sich allmälig zu Becherzellen um und so führen zahlreiche Uebergänge bis zu den grossen Seitenscheiben, die wahrscheinlich dem Tastsinn dienende Apparate sind. Durch die Fig. 12 der Tafel habe ich versucht, diesen Entwicklungsgang an nur wenig schematisirten Bildern noch deutlicher zu zeigen. Erklärung der Figuren auf Tafel X1. Sämmtliche Präparate sind den in Osmium gehärteten Exemplaren entnommen. Fig. 1. Ein Stück Haut aus der Seitenwand der Pterotrachea. Vergr.1:200, Anhäufung von Nervenendzellen und Becherzellen. a Nervenzweige zu Epithelzellen. b Flächenartige) Anhäufung von Nervenendzellen und Becher- ce Rankenartige ) zellen. z G Ganglienzelle. B Bindegewebskörperchen. Fig. 2. Nerv mit Nervenendzellen und Endkegel. Vergr. 1 : 260. Fig. 3. Flächenartige Ausbreitung von Nervenendzellen und Endkegel. Vergr. 1: 260. Fig. 4. Endkegel. Vergr. 1: 260. Fig. 5. Gewöhnliche Epithelien und Nervenendzellen in Uebergang zu Becher- zellen. Vergr. 1: 260. Fig. 6. Becherzellenhäufchen, in der Mitte ein Endkegel von der Fläche gesehen. Vergr. 1 : 180. Fig. 7. Seitenscheibe mit centralem Faden T und einigen Flimmerzellen F. Vergr. 1: 120. Fig. 8. Querschnitt durch eine Seitenscheibe; bei B ein durchschnittenes Ge- fäss. Vergr. 1: 120. C.Partsch: Beitr. z. Kenntn. d. Vorderdarmes einiger Amph. u. Rept. 179 Fig. 9. Die Nervenausbreitung in einer Seitenscheibe. Vergr. 1 : 120. Fig. 10. Drei Muskelfasern von den Ausläufern einer Ganglienzelle ver- sorgt. Vergr. 1 : 460, Fig. 11. Ein Stück vom Flossensaum. b Bindegewebskörper, m Muskel, n Nerv. Fig. 12. Schematische Darstellung des Entwicklungsganges der Endkegel und Seitenscheiben. Fig. 13. Formveränderungen der Kerne in den Flattenepithelien. Vergr. 1:460, Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarmes einiger Amphibien und Reptilien. Von Carl Partsch stud. med. (Aus dem physiologischen Institute zu Breslau.) Hierzu Taf. X. Den im Folgenden mitgetheilten Untersuchungen lag die Idee zu Grunde, der Lösung der so oft discutirten Streitfrage, welchen Zellen der Magendrüsen der Säuger wohl die Pepsinbereitung zu- zusprechen sei, auf dem Wege der vergleichenden Physiologie und Histologie näher zu treten. Dass diese Idee keineswegs unfruchtbar, beweisen die vor Kurzem von Swiecicki veröffentlichten „Unter- suchungen über die Bildung und Ausscheidung des Pepsins bei den Batrachiern‘“ auf’s Beste. Ehe ich zur ausführlichen Darlegung der Resultate meiner Untersuchungen schreite, möge es mir verstattet sein, Einiges über die Methode meiner Untersuchungen vorauszu- schicken. Die Schleimhaut des Vorderdarms des frisch getödteten Thieres wurde von dem aufliegenden Schleim und etwaigen Speiseresten möglichst schonend gesäubert und soweit, wie es thunlich von der muscularis abpraeparirt. Während dies am Magen besonders bei hungernden Thieren ziemlich leicht gelingt, ist es am oesophagus fast unausführbar. Dieses Verfahren wurde natürlich nur angewen- det bei den Thieren, bei welchen die Schleimhaut so stark, dass sie 180 Carl Partsch: durch diese Manipulationen nicht zerrissen wurde. Bei kleineren Thieren (Triton, Lacerta, Salamandra) wurde die Schleimhaut auf der muscularis gelassen. Immer wurde sie dann auf Filtrirpapier ausgebreitet und der Länge nach in zwei Theile zerschnitten, von denen der eine in Alkohol erhärtet, der andere behufs der Unter- suchung seines Pepsingehaltes getrocknet wurde. Auf dem Papier wurde die Grenze zwischen oesophagus und ventriculus, die sich meist durch eine geschlängelte Linie kenntlich macht, markirt. Die mikroskopische Untersuchung wurde so ausgeführt, dass feine Längs-, Quer- und Flächenschnitte der gleichmässig ausge- spannten und in Alkohol erhärteten Schleimhaut mit Haematoxylin oder mit der von Heidenhain modificirten Bealeschen Karmin- lösung gefärbt und in Glycerin untersucht wurden. Sehr brauchbare Bilder lieferte mir auch die Tinetion mit einer in folgender Weise dargestellten Färbeflüssigkeit. Fein zerriebene Cochenille wird mit einer Alaunlösung (5 : 100) längere Zeit gekocht; das filtrirte Decoct hat eine schön carmoisinrothe, etwas in’s Violet spielende Farbe. Dureh Zusatz von wenig Salicylsäure wurden die in Lösungen von Alaun so leicht eintretenden Pilzbildungen vollständig hintangehal- ten, ohne dass eine schädliche Einwirkung der Salicylsäure auf die zu tingirenden Gewebe beobachtet werden konnte. Diese Flüssigkeit, die sich jeden Augenblick leicht und constant herstellen lässt, färbt in 2—5 Minuten in Wasser abgespülte Schnitte von Präparaten, die in Alkohol oder in Chromsäure gehärtet sind sicher und gut, Die Farbe hält sich sowohl in flüssigem wie in festem Einschluss. Ausser der Erhärtung in Alkohol wurde auch die Behandlung mit 0,5—1°/, Ueberosmiumsäure, allein oder mit nachfolgender Alkohol- erhärtung, mit concentrirter Pikrinsäurelösung, mit Chromsäurelösung (1—2°/,), mit Lösungen von rothem chromsauren Kali angewendet. Als Isolationsmittel wurden benutzt Ranvierscher Alkohol, neutrales chromsaures Ammon, Chloralhydrat (5%), Müllersche Flüssigkeit. Mit der mikroskopischen Untersuchung eines Schleimhautstückes wurde die Bestimmung seines Pepsingehaltes verbunden. Aus den in der erwähnten Weise getrockneten Schleimhäuten wurden mit einem Locheisen gleich grosse Stücke ausgeschlagen und mit 0,1 /, CIH und gefärbtem Fibrin bei Zimmertemperatur zusammengebracht. Diese colorimetrische Methode Grützners bietet grade dem An- fänger so in die Augen springende Vortheile, dass derjenige, welcher nur einige genaue Versuche mit ihr gemacht hat, so vollkommen Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarmes einiger Amphibien und Reptilien. 181 von ihrer Brauchbarkeit überzeugt ist, dass er sich wohl schwerlich durch Einwände, wie sie neuerdings gegen diese Methode erhoben worden sind, veranlasst fühlen wird, sie aufzugeben. Der Vorderdarm des Frosches zeigt eine in verstreichbare Längsfalten gelegte Schleimhaut, die sich von der Muskulatur desselben nur im Bereich des als Magen zu bezeichnenden Abschnittes leicht ablösen lässt. Die weisse Schleim- haut des gleichmässig weiten oesophagus setzt sich von der gelbröth- lich gefärbten des erweiterten Magens in einer leicht sichtbaren, im Hungerzustande besonders deutlichen Demarcationslinie ab. Zu die- sen makroskopisch sichtbaren Verschiedenheiten kommt noch die der chemischen Reaction. Während die Oberfläche der Schleimhaut des oesophagus, wenn sie rein ist, alkalisch reagirt, ist die des Ma- gens sauer. Ein Querschnitt des in Alkohol gehärteten oesophagus zeigt unter dem Mikroskop folgendes Bild. Das Bindegewebe der Schleim- haut macht wulstartige Vorsprünge, welche der Ausdruck der er- wähnten Längsfalten sind und auf denen sich das Bindegewebe aber- mals papillenartig erhebt. Diese Papillen tragen das Epithel. Ein- gebettet in das bindegewebige Stroma der mueosa sind Knäuel von Drüsen, deren Ausführungsgänge schräg zu der Oberfläche der Schleim- haut aufsteigen. Nach aussen liegt der Schleimhaut eine innere eireuläre und eine äussere longitudinale Schicht glatter Muskel- fasern auf, welche bisweilen vereinzelte Muskelbündel in das Binde- gewebe der mucosa hinein schicken. Das Epithel besteht aus 2 Zellformen; den grössten Theil des- selben bilden Becherzellen !). Ihr ampullenförmig erweiterter Leib eommunieirt durch einen etwas verengerten Hals mit der Oberfläche der Schleimhaut. Auf der Unterfläche haften diese Becherzellen nur mit einem sehr kurzen Stiel, in dessen Nähe gewöhnlich noch etwas Protoplasma, selten ein Kern zu bemerken ist, der sich durch seine Färbung von dem den angewandten Färbemitteln widerste- henden, homogenen, hellen Inhalt der Zelle abhebt. Diese Zellen I) Fr. E. Schulze. Epithel- und Drüsenzellen. Archiv für mikr. Anatomie. Band III. pag. 174. Klein, Artikel XVI »Darmkanal«e im Handbuch der Lehre von den Geweben der Menschen und Thiere von $. Stricker. 182 Carl Partsch: sind als ein Endstadium, als das Product der Mucinmetamorphose der Cylinderzellen anzusehen, wie sie sich bei Isolationspräparaten noch häufig finden. Der stark granulirte Inhalt derselben verdeckt oft den im Grunde der Zelle, an der Basis des zu einem langen Fortsatz ausgezogenen Fussendes liegenden Kern, der ein deutliches Kernkörperchen trägt. Von dieser Zellform bis zur erst beschrie- benen findet man mannigfache Uebergangsstufen, welche die An- nahme aufdrängen, dass diese Zellformen nicht ganz von einander verschieden, sondern als zwei Lebensstadien derselben Zellform an- zusehen sind. Haben diese Zellen nun durch die vollständige Mucinmetamorphose ıhre physiologische Funktion erfüllt, so wird Ersatz für sie geschaffen wahrscheinlich von kleinen Zellen aus, welche als kugelrunde bis spindelförmige Gebilde zwischen den Ba- salenden der Epithelzellen eingelagert sind. Ich halte diese Zellen für identisch mit den von Ebstein!) beim Epithel des Magens der Säuger beschriebenen „Ersatzzellen“. Ausser diesen Zellen finden sich in dem Epithel noch reichliche gewöhnliche Flimmerzellen. Sie erscheinen schwach granulirt, und haben einen deutlichen Kern. An ihnen beobachtete ich deutlich, besonders nach Isolation in neutralem chromsaurem Ammoniak, den neuerdings vielfach bezweifelten Zu- sammenhang mit Zellen des unterliegenden Bindegewebes. Das Basalende dieser Flimmerzellen setzte sich in einen mehr oder we- niger langen Fortsatz fort, der mit einer mannigfach verästelten, mit einem hellen, schwach granulirten Kern versehenen Bindege- webszelle in untrennbaren Zusammenhang stand. Wenden wir uns nun zu dem Theil der Schleimhaut, welcher am meisten unser Interesse in Anspruch nimmt, zu den Drüsen. Swiecicki?) hat das Verdienst, zuerst auf ihre hohe physiologische Bedeutung aufmerksam gemacht zu haben. Beobachtet waren sie schon von Klein°), der in dem erwähnten Aufsatz von ihnen be- reits folgende, für ein Lehrbuch ausführlich zu nennende Beschrei- bung giebt: „Die acinösen Drüsen des oesophagus bilden beim 1) Ebstein Beiträge zur Lehre vom Bau und der physiologischen Funktion der sogenannten Magenschleimdrüsen. Archiv für mikr. Anatomie. Band VI. 2) Heliddor von Swiecicki, Untersuchung über die Bildung und Ausscheidung des Pepsins beiden Batrachiern. Pflügers Archiv Bd. XIII. pag. 444. 3) 1. c. p. 384. Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarmes einiger Amphibien und Reptilien. 183 Frosch eine 0,4—0,5 Mm. breite, fast zusammenhängende Schicht. Die acini sind ungleich gross, rundlich oder oval. Das Epithel, mit dem sie ausgekleidet sind, besteht aus dicht liegenden, rundlichen, oder gegen einander abgeplatteten kubischen oder cylindrischen Zellen. Eine eigene muscularis mucosae fehlt im obern Theile ganz; im untern ist jedoch stellenweise ausserhalb der Drüsen eine nicht sehr starke Schicht longitudinal verlaufender glatter Muskelfasern vorhanden, von welcher sich ebenso, wie von der Ringschicht der äussern muscularis im obern Theile einzelne Bündelchen zwischen die Drüsen hineinziehen.‘“‘ Diese Drüsen, (Fig. 1) nach dem Typus verästelter tubulöser Drüsen gebaut, sind durch gröbere Bindege- webszüge zu einzelnen Knäueln zusammengefasst, innerhalb deren kleinere bindegewebige Septa die einzelnen Schläuche von einander abgrenzen. Das Epithel dieser Drüsenschläuche, welche bald längs bald quer getroffen scheinen, ist ein kegelförmiges, fast cylindrisches. Die mit breiter Basis der Drüsenwand ansitzenden, membranlosen Zellen zeigen ein sehr fein granulirtes, etwas gelbgrünlich verfärbtes Protoplasma, in welchem der im Hungerzustande etwas zackige Kern wandständig eingebettet ist. Der Kern färbt sich intensiv mit Haematoxylin, Karmin, Cochenilleroth, Methylviolett; letzteres wird auch von dem Zellinhalt aufgenommen, aber weniger stark, wie vom Kern. Bei Isolationen mit chromsaurem Ammon hebt sich der eckig verzogene Kern mehr durch sein helles Aussehen wie durch scharfe Contouren vom stark gekörnten Inhalt der Zelle ab. Besser tritt der Kern hervor bei Isolation mit 5 °/, Lösung von.Chloralhydrat ; die Drüsenzellen erscheinen dann scharf umschrieben, stark granu- lirt und tragen einen hellen, wandständig gelegenen runden Kern mit einem deutlichen Kernkörperchen. Die Zelle scheint gequollen zu sein, eine Annahme, die noch dadurch eine Stütze erhält, dass an vielen Zellen der Inhalt ausgetreten ist. Neuerdings hat Nussbaum!) eine besondere Structur dieser Drüsenzellen beschrieben. „Die Drüsen des oesophagus sind in ihrem der membrana propria zugewendeten Abschnitt etwa die Hälfte der Zellen hell und durchsichtig; ihr Centrum birgt den grossen Kern, in dem das Kernkörpchen nicht vermisst wird. Der dem lumen des Schlauches zugewandte Theil der Zelle ist von grö- beren Körnern angefüllt, die sich in Ueberosmiumsäure gebräunt 1) Nussbaum, die Fermentbildung in den Drüsen. Bonn, pag. 37. 184 Carl Partsch: haben. Im frischen Präparat sind diese Körner mattgglänzend, lösen sich nicht wie die granula der Speicheldrüsen in destillirtem Wasser, wohl aber wie die des Pankreas in starker Kalilauge, auch unter langer Einwirkung von Glycerin und verdünnten Säuren.“ Nussbaum zieht daraus den Schluss, dass die Drüsenzellen des oesophagus Ähnlich constituirt seien, wie die des Pankreas. Mir war diese Angabe höchst überraschend, da ich weder an frischen Isolationspräparaten noch nach Härtung in Chromsäure oder Alko- hol oder Pikrinsäure jemals ein solches Verhalten gefunden. Selbst nach genauer Durchmusterung aller meiner Präparate, unter denen sich auch solehe befinden, welche in Ueberosmiumsäure gehärtet, dann aber in Alkohol gebracht worden sind, konnte ich keine Bestätigung für die Nussbaum’sche Angabe finden. Leider kam mir die Arbeit Nussbaums erst zu, als ich bereits meine Untersuchung abgeschlossen ; und zu einer Nachuntersuchung, welche eine Entscheidung dieses Differenzpunktes herbeiführen könnte, er- schien mir nach mehreren angestellten Versuchen das mir zu Gebote stehende Material an Winterfröschen wenig geeignet. Ich behalte mir daher vor noch einmal später auf diesen Punkt zurückzukommen, sobald mir Sommerfrösche zu Gebote stehen werden, kann aber nicht umhin vorläufig meinen Zweifel an der Nussbaum’schen Angabe auszusprechen. Es leuchtet mir nicht ein, weshalb eine Structur einer Zelle, wie sie von Heidenhain für die Drüsen- zellen des Pankreas beschrieben worden ist, nur bei der Behand- lung mit einem einzigen Reagens deutlich hervortreten soll, während sie bei Behandlung mit andern, doch nicht eingreifenderen Reagentien verschwinden soll. Sollte sich die Beobachtung Nussbaums be- stätigen, so wäre der Vergleich der Drüsenzellen des oesophagus mit denen des Pankreas immer noch gewagt. Ausser den eben beschriebenen Drüsenzellen trifft man in den Drüsenschläuchen des oesophagus noch helle, ungefärbte Zellen, die mit einem kurzen Fortsatz der Schlauchwand ansitzen und an diesem Fortsatz einen kleinen, sich färbenden Kern tragen. Diese Zellen finden sich gewöhnlich in den der Oberfläche der Schleimhaut zu- nächst liegenden Querschnitten der Schläuche, meistens in der mitt- leren Partie eines Drüsenpaquets. Diese Zellen sind als Epithelien der Ausführungsgänge anzusehen; trifft man einen Ausführungs- gang auf einem Querschnitt, so sieht man wie das Epithel der Ober- fläche der Schleimhaut sich in ihn hinein fortsetzt; die Becherzellen Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarmes einiger Amphibien und Reptilien. 185 werden etwas kleiner, die Flimmerzellen werden spärlicher. Ein soleher Ausführungsgang führt das Secret aller Schläuche eines Drü- senpaquets an die Oberfläche; in ihn münden 15—20 Drüsenschläuche ein, ähnlich wie im Vormagen der Vögel. In jeden dieser Schläuche setzt sich nun das Epithel des Ausführungsganges mehr oder weniger tief fort, und so findet man auf den Querschnitten der Schläuche die erwähnten, als Schleimzellen in Anspruch zu nehmenden Gebilde. Wie die Zellen der meisten Drüsen, so zeigen auch die der Oesophagusdrüsen auffallende Veränderungen in den verschiedenen Stadien ihrer physiologischen Thätigkeit. In den ersten 5—10 Stunden nach der Fütterung lässt sich eine auffallende Vergrösserung ihres Volumens beobachten, die nicht allein vom Zellinhalt, sondern auch vom Kern ausgeht. Der im Hungerzustande wandständige Kern rückt mehr nach der Mitte der Zelle, wird grösser und bekommt an Stelle seines zackigen, fast möchte ich sagen, magern Aussehens im Hungerzustande ein rundes, volles, saftiges Aeussere. Diese Ver- änderung des Kerns scheint charakteristisch für die beginnende Thä- tigkeit einer Drüsenzelle zu sein. Wenigstens ist ein ähnliches Verhalten schon bei den Zellen der Magendrüsen, des Pankreas und besonders an den Drüsenzellen der Speicheldrüsen von Heiden- hain beobachtet worden. Mit der Volumenzunahme geht auch bei diesen Zellen eine Steigerung des Pepsingehaltes Hand in Hand, wie das zahlreiche Verdauungsversuche mir bestätigten und wie es bereits Swiecicki für diese Drüsen angegeben hat. Jedesmal ver- dauten Schleimhautstücke, welche dem oesophagus eines vor 5—10 Stunden gefütterten Thieres entnommen waren und bei der mikro- skopischen Untersuchung vergrösserte Zellen aufwiesen, besser als gleich grosse Schleimhautstücke eines hungernden Thieres. Aus- führlichere Tabellen über diese Versuche mitzutheilen, halte ich für überflüssig, da bereits Swiecicki diese Thatsache genügend bespro- chen hat, In den spätern Verdauungsstunden bis zur 16. schrumpfen die Zellen auffällig, trüben sich stark; der grosse Kern verschwindet fast in dem trüben Inhalt; selbst bei Einwirkung von den Kern fär- benden Mitteln hebt er sich wenig hervor, da sich meistens, wenn auch nicht in dem Grade wie der Kern, das Protoplasma der Zelle mitfärbt. (Fig. 2.) Wie zu erwarten, erweist sich auch der Pe- psingehalt der Zellen in diesem Zustand als ein sehr geringer; die Zellen sind albuminreich. Erst in den folgenden Stunden, in wel- 186 Carl Partsch: chen die Zellen zu dem für das Hungerstadium charakteristischen Aussehen zurückkehren, steigt auch der Gehalt an Ferment wieder- Die Gefässe des oesophagus lassen sich am besten vom Herzen aus injieiren. Es füllt sich dann ein Gefässnetz, dessen grössere Stämme in dem Bindegewebe liegen, welches die Drüsen von der Muskulatur trennt. Von diesen aus steigen kleinere Verzweigungen direct in dem die einzelnen Drüsenpackete trennenden Bindegewebe zum Epithel auf und lösen sich unter diesem in ein sehr engmaschi- ses Capillarnetz auf, so eng, dass man auf Querschnitten eine fast eontinuirlich unter dem Epithel verlaufende injieirte Linie findet. Eine deutliche Vorstellung von diesem Capillarnetz geben erst Flä- chenbilder, welche leicht dadurch herzustellen, dass man den gröss- ten Theil der Muskulatur abpräparirt, und die übrigbleibende dünne Membran in Terpenthin oder Nelkenöl aufhellt. Andere Gefässzweige sehen von den erwähnten grössern Gefässstämmen zu den Drüsen- knäueln und umspinnen, den kleinern bindegewebigen Septis folgend, die einzelnen Drüsenschläuche. Die Nerven folgen nach Goniaew!) dem Verlauf der Gefässe und breiten sich auch unter dem Epithel ganz besonders aus. Bei dem Uebergang des oesophagus in die cardia des Magens ändert sich zunächst das Epithel, indem an Stelle der Becherzellen - und des Flimmerepithels ein einfaches Cylinderepithel tritt, das von da ab den ganzen Magen auskleidet. Das Epithel, welches im oeso- phagus nur hie und da sich tief einsenkte zu einem Ausführungs- gange, macht immer mehr und dabei seichtere Einsenkungen; die bindegewebige Schicht zwischen Epithel und Drüsen schwindet immer mehr, wird immer dünner, bis endlich die Drüsen mit ihrem obern Rande an den untern der Einsenkung stossen. Diese Drüsen, die im oesophagus noch zu grossen Paqueten zusammengefasst waren, lösen sich in der cardia gleichsam in die einzelnen Schläuche auf, so dass dann ein Ausführungsgang, gebildet von einer Epithelein- senkung, nicht mehr 15—20, sondern nur 5—7 Schläuche aufnimmt. So erfolgt allmählich der Uebergang zu dem Verhalten, wie es die Drüsen des Magen zeigen. Eine strenge Grenze zwischen den Drüsenformen des Magens und denen des oesophagus lässt sich nicht ziehen. 1) Goniaew, die Nerven des Nahrungsschlauches. Archiv für mikr. Anatomie. Band XI. pag, 479. Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 187 Vom oesophagus setzen sich die makroskopisch sichtbarenWülste auf die Magenschleimhaut fort, ziehen hier von der cardia bis zum Ende des Magens ziemlich parallel weiter, um gegen den pylorus hin zu eonvergiren. Sie nehmen in ihrem Verlauf continuirlich ab, so dass die Schleimhaut des pylorus auch beim Frosch eine weniger sefurchte und glättere ist, ähnlich der des pylorus der höheren Thiere. Auf diesen Wülsten und in den diese trennenden Furchen stehen die Magendrüsen. Ihre Länge ist verschieden nach dem Standort. Die auf der Höhe der Wülste stehenden sind länger als die in den Furchen befindlichen; die der cardia sind grösser wie die des pylorus. Jedoch ist diese Differenz im Ganzen nicht so bedeu- tend und nicht immer so deutlich markirt. Die Drüsen selbst sind nach dem Typus der tubulösen Drüsen gebaut und lassen sich leicht nach dem Vorgange Heidenhains an den Drüsen der Säuger in drei Abtheilungen gliedern: Ausgang, Drüsenhals, Drüsenkörper. Der Drüsenausgang ist besetzt von einem einfachen Gylinderepithel, das auch noch den Drüsenhals auskleidet, wenn auch in etwas modificirter Form. Während an den Epithelzellen des Ansführungsgangs der der Mucinmetamorphose anheimgefaliene Theil mehr als die Hälfte der Zelle ausmacht, bildet er hier nur einen kleinen Theil derselben. Im übrigen Theil ist das Protoplasma noch körnig, trübe, albuminat- reich und deshalb sich intensiver färbend. Der Drüsenkörper trägt die eigentlichen Drüsenzellen. Am Uebergang des Drüsenhalses in den Drüsenkörper finden sich sowohl bei rana esculenta wie bei rana temporaria die schon von Heidenhain!) beobachteten Schleimzellen. Der Drüsenkörper ist gewöhnlich lang gestreckt, selten an seinem unteren Ende umgebogen. Drei bis vier Drüsenkörper münden in einen Drüsenausgang; doch hat auch öfters ein Drüsenschlauch seinen eigenen Ausgang. Jeder derselben ist von dem andern durch ziemlich reichliches Bindegewebe getrennt, das ausser muskulösen Elementen, die von der muscularis mucosae aufsteigen, auch stern- förmige Zellen enthält; zwischen den Drüsenkörpern finden sich nur dünne, bindegewebige Scheidewände. Querschnitte zeigen deutlich jeden Ausgang vom andern, durch ein breites Band vom Bindegewebe 1) R. Heidenhain: Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Archiv für mikr. Anatomie. Band IV. p. 368. Bleyer: Magenepithel und Magendrüsen der Batrachier. Diss. inaug. Königsberg 1874, 188 Carl Partsch: gesondert, während die Querschnitte der Drüsenkörper dicht neben einander liegen. Dies trifft nur für die Drüsen der cardia und des fundus zu, im pylorus ist das Bindegewebe etwas reichlicher ent- wickelt und ist auch zwischen den Drüsenschläuchen von grösserer Mächtigkeit. Die Länge der einzelnen Abtheilungen des Drüsenschlauches und ihr Verhältniss zu einander ist ziemlich schwankend. Während in den Fundusdrüsen der Drüsenausgang etwa ein Drittel des ganzen Drüsenschlauches ausmacht, beträgt er im pylorus oft drei Viertel desselben. Nachdem so die Verhältnisse der Magendrüsen im Grossen und Ganzen dargestellt worden sind, mögen jetzt die einzelnen zelligen Elemente eine nähere Berücksichtigung finden. Das Epithel !) des Magens ist cylindrisch. Nach F. Schulze besteht „das die Innenfläche des Magens aller Wirbelthiere deckende Epithel aus Cylinderzellen, welche oben oflen sind“. Klein tritt dieser Ansicht bei, indem er sagt, dass das Magenepithel des Frosches durchweg aus prächtigen Becherzellen bestehe. Dagegen spricht Heidenhain die Ansicht aus, dass, wenn die freie Basis des Zell- körpers des Epithels ausnahmslos offen erscheine, der Grund dafür in der Präparationsweise zu suchen sei. Im natürlichen Zustande fänden sich die Zellen, zwar nicht durchweg, aber doch zum grössten Theil geschlossen, wie F. E. Schulze gegenüber betont werden müsse. Theilweise freilich seien die Cylinderzellen auch im frischen Zustande eröffnet, diejenigen nämlich, welche die schleimige Metamorphose, die den typischen Entwicklungsgang dieser Zellen bezeichne, bereits. durchgemacht und ihren Inhalt entleert hätten. Ebstein?) schloss sich dieser Ansicht an. Nach ihm handelt es sich bei dem die Innenfläche des Magens überziehenden Epithel lediglich um Gylinder- epithel mit geschlossenen freien Enden, welches in gewissen Zustän- 1) Leydig: Lehrbuch der Hystologie des Menschen und der Thiere. pag. 308. Vogelsang: de structura ventrieuli manimmalium et avium. Diss. inaug. Bonnae 1860. F. E. Schulze. ]. e. pag. 174. Klein l.c. Heidenbhainl. cc. 2) Ebstein: Beiträge zur Lehre vom Bau und der physiologischen Funetion der sogenannten Magenschleimdrüsen. Archiv für mikr. Anatomie Band VI. pag. 515. Beiträge zur Kennntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 189 den besonders zur Zeit der Verdauung in Folge schleimiger Meta- morphose seines Inhalts berstet und dann oben offene Zellen darstellt. Dagegen wird neuerdings von Bleyer !) die Ansicht F. Schulze’s wieder aufgenommen, indem er behauptet, dass alle Cylinderzellen ohne Ausnahme offen seien und an ihrer freien Basis ein hyalines Aussehen hätten. Zum Gegenstand einer ausführlicheren Untersuchung ist das Magenepithel von Repräsentanten aus den vier höheren Thierklassen von Biedermann?) gemacht worden. Das Resultat dieser Untersuchung ist, dass die Cylinderzellen wohl seitlich von einer deutlichen Membran begrenzt, oben aber immer, in jeder Lebensphase offen seien. Ferner sei der Vordertheil jeder Zelle ausgefüllt von einem rundlichen oder ovalen Körper, der schon histologisch, immer aber durch seine physikalischen und chemischen Eigenschaften von der übrigen Zellsubstanz differenzirt sei. Er nennt diesen Körper „Pfropf*. Naeh meinen Untersuchungen zeigen die Cylinderzellen des Magens stets einen mehr oder weniger langen, schwach granulirten protoplasmatischen Fortsatz, über dem in einer bauchigen Er- weiterung der Kern liegt. Der Kern und das um denselben lie- gende Protoplasma bewirken die Färbung dieses basalen Theils des Cylinders in Karmin oder Hämatoxylin. Nach oben zu verbreitert sich die Zelle ein wenig und steht hier stets offen. Seitlich aber ist sie deutlich von einer Membran begrenzt. Die über dem Kern gelegene hyaline Partie quillt bei Behandlung mit destillirtem Wasser oder Alkalien bedeutend auf, so dass sie sich hügelartig über das freie Ende der Zelle vorwölbt. Auch an Isolationspräparaten aus Ranvier’schem Alkohol oder Liquor Mülleri zeigt sich eine mehr oder weniger hochgradige Quellung dieses Theils. Nicht selten be- gegnet man dann Zellen, bei denen dieser gequollene Inhalt ganz ausgeflossen ist, so dass diese Zellen die Form einer Düte annehmen, deren unterster Theil vom Kern und dem übrig gebliebenen Proto- plasma ausgefüllt ist. Es hat sich eben der dem freien Ende der Zelle zunächst lie- 1) Bleyer: Magenepithel und Magendrüsen der Batrachier. Diss. inaug. Königsberg 1974. 2) Biedermann: Untersuchungen über das Magenepithel. Sitzungs- berichte der kais, Akad. der Wissenschaften zu Wien, Aprilheft. Jahrgang 1875. Band 51. Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd, 14. 13 196 Carl Partsch: gende Theil zuerst in Mucin umgewandelt, das natürlich ein andres chemisches Verhalten gegen die Färbemittel, ein andres physikalisches Verhalten zeigt als seine Matrix, das Protoplasma der Zelle. Des- halb dieser Theil ganz besonders als „Pfropf“ und seine Substanz „als eine dem Magenepithel eigenthümliche Modification des Zell- protoplasmas“ bezeichnen zu wollen, halte ich mindestens für über- flüssig. Das Cylinderepithel der Oberfläche setzt sich nicht unverändert in den Grund des Drüsenausganges fort, sondern modifieirt sich in gewisser Weise. Während an den Cylindern der obern Partie des Ausganges die protoplasmatischen Fortsätze in der Axe der Zelle verlaufen, krümmen sie sich an dem Grunde des Ausgangs haken- förmig und stellen sich in einen mehr oder minder schiefen Winkel zur Axe. Diese umgebogenen Enden der Zellen decken sich wie Dachziegeln. Dabei werden die Zellen an und für sich kleiner, ihr Inhalt trüber, protoplasmareicher, färbbarer; die hyaline Zone am freien Ende der Zelle wird immer kleiner, schwindet immer mehr und mehr. Gegen die verschiedenen Isolationsflüssigkeiten zeigten die Epi- thelzellen ein verschiedenes Verhalten. Während bei Behandlung mit Chromsäure oder deren Salzen der protoplasmatische Fortsatz der Zelle hell und homogen, der vordere Theil der Zelle granulirt, der Kern im Ganzen blass, und mehrere stark lichtbrechende nucleoli bergend erscheint, führt Ranvier’scher Alkohol eine geringe Quellung herbei, lösst alle Kernkörperchen bis auf eins. Ob dieses allein (Auerbach) dem Reagens Widerstand leisten konnte, oder durch Verschmelzung der andern Kernkörperchen hervorgegangen ist, liess sich nicht entscheiden. Destillirtes Wasser löst die Kern- körperchen und quellt die ganze Zelle -auf. Essigsäure liess den Kern sehr schön hervortreten, und trübte den sonst hyalinen Theil der Zelle. Bleyer !) beschreibt noch runde, kernlose Zellen, welche zwischen den Epithelzellen liegen sollen, und die er nicht mit den von Ebstein entdeckten „Ersatzzellen“ verwechselt wissen will. Ich habe nur letztere zwischen den Epithelzellen eingebettet gefun- den; erstere sind mir nie zur Beobachtung gekommen. An dem Uebergange zwischen Drüsenhals und Drüsenkörper 1) Bleyer |. c. Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 191 liegen die schon von Heidenhain beobachteten Schleimzellen. Er sagt über diese Folgendes (l. c. pag. 396 Fig.3): „An der Stelle, wo der Schlauch sich theilt, treten fast constant grosse blasenförmige Zellen auf, deren ganzer Charakter über ihre Natur als Schleim- zellen kaum einen Zweifel lässt. Nicht selten dringen sie tiefer in den Schlauchzipfel ein.“ Dieser Befund wurde von Bleyer nur für rana esculenta bestätigt. Nach ihm sieht man am Uebergang des Drüsenhalses in den Drüsenkörper auf Längsschnitten der Drüsen eine kurze Partie des Drüsenschlauches angefüllt mit hellen, blassen Zellen. BeiTinction färbt sich nur der Kern, die Zelle selbst bleibt ungefärbt. Merkwürdigerweise hat Bleyer diese Zellen nie an Ueberosmiumsäurepräparaten wieder gefunden. Biedermann betrachtet diese Zellen „als höchst wahrscheinlich gleichwerthig mit dem die Oberfläche der Magenschleimhaut bedecken- den Epithel, von dem sie sich nur durch die etwas abweichende Ge- stalt und ausserdem noch dadurch unterscheiden, dass der bei Wei- tem grösste Theil des Zellinhaltes in jene eigenthümliche, quellungs- fähige Masse umgewandelt erscheint, die bei dem Oberflächenepithel uur den Vordertheil der Zellen ausfüllte und dort als Pfropf bezeichnet wurde.‘ Biedermann hat diese Zellen auch in den Schläuchen von rana temporaria und bombinator igneus gefunden, hebt aber ganz ausdrücklich ihr beschränktes Vorkommen hervor. Diese Schleimzellen haben wenigstens bei rana eine viel aus- gedehntere Verbreitung. Sie bilden den hauptsächlichsten Bestand- theil der Drüsen des pylorus. Hier, wo das Magenepithel sehr tief in den Drüsenschlauch ‘hinabsteigt und der Drüsenausgang sehr lang ist, ist der Drüsenkörper zur Hauptsache von diesen grossen blasigen Zellen erfüllt, welche die kleinen, stark granulirten Zellen des Drüsenkörpers der Fundusdrüsen auf ein sehr geringes Maass be- schränken, ja ganz verdrängen können (Fig. 4). Während Bieder- mann noch ausdrücklich hervorhebt, dass die sogenannten „Magen- schleimdrüsen“ nur dem Magen der Säugethiere zukommen, und den andern Wirbelthieren gänzlich fehlen, finden sich doch im pylorus von rana tubulöse Schleimdrüsen. War also in den Pylorusdrüsen eine ergiebige Quelle für die Schleimzellen gefunden, so konnten sie auch in Betreff ihres physi- kalischen und chemischen Verhaltens genauer studirt werden. Ihrem Aussehen nach erinnern diese Zellen schon sehr an die Zellen der acinösen Schleimdrüsen der höhern Thiere. Mit breiter Basis sitzen 192 Carl Partsch: sie der Drüsenwand, die bei den Pylorusdrüsen von einer mächtigen Bindegewebslage gebildet wird, auf, verschmälern sich nach dem Lumen der Drüse zu und stehen in dasselbe offen. An der Basis liegt der kleine, granulirte, von wenig Protoplasma eingefasste Kern, der die Färbung dieser Gegend mit Tinctionsmitteln gestattet, wäh- rend dabei der übrige Zellinhalt ganz ungefärbt, hell, homogen er- scheint. Diese Zellen zeigen bei Isolation mit liquor Mülleri oder „Alcool ä tiers“ deutlich eine sie umgebende Membran, die gegen- über dem Kern, dort, wo die Zelle ans Lumen der Drüse heranragt, immer eine Oeffinung zeigte. Dabei zeigte der auf Querschnitten von in Alkohol gehärteten Präparaten helle, pellucide Theil eine leichte Trübung, eine schwache Körnung. Jede Schleimzelle trägt einen kurzen, hakenförmig umgebogenen Fortsatz, mit dem sie fest in dem bindegewebigen Boden eingewachsen ist. Oefters erscheint dieser Fortsatz noch pinselartig zerfasert. Weisen schon die äussern Merk- male, Gestalt, Tinctionsfähigkeit äuf die Schleimzellennatur dieser Gebilde hin, so geben die chemischen Reactionen derselben noch' einen deutlichern Beweis dafür. Trübung in organischen Säuren jeder Concentration und in verdünnten anorganischen Säuren, Aufhellung in starken anorganischen Säuren und Alkalien — diese Reactionen stellen wohl den Mucingehalt ausser Zweifel. Das Aussehen der Schleimzellen ändert sich während der Ver- dauung. Auf der Höhe der Verdauung zeigt sich der sonst wand- ständige Kern in die Mitte gerückt, der sonst helle homogene Inhalt setrübt und schwach färbbar. Eine Vermehrung dieser Zellen während der Verdauung, wie dies Heidenhain beobachtet hat, war mir gerade bei rana nie so auffällig. Zwischen den Drüsen des pylorus, die also nur Epithelien und Schleimzellen tragen, und denen des Magenfundus findet sich Keine strenge Grenze. Die Pylorusdrüsen sind Fundusdrüsen, denen der eigentliche Drüsenkörper fehlt. Sie repräsentiren nur die obere Hälfte der Fundusdrüsen. Schnitte, in der Längsaxe des Magens geführt, zeigen, wie allmählig der Drüsenkörper der Fundusdrüsen immer kleiner wird, der Drüsenhals dagegen sich immer mehr und mehr verlängert, bis im pylorus endlich zwischen den Schleimzellen nur noch hie und da eine Zelle aus dem Drüsenkörper der Fundus- drüsen eingestreut gefunden wird. Die Drüsenzellen der Drüsenschläuche des Magenfundus sind polygonale, im frischen Zustande oder nach Maceration in Jodserum Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 193 ganz und gar die Charaktere der Belegzellen der Säuger — fein- körniges Protoplasma, bläschenförmiger, grosser Kern, Mangel einer Membran — tragende Gebilde. (Heidenhain.) Ihre Verwandtschaft mit den Belegzellen der Säuger spricht sich auch noch aus in dem sleichen Verhalten gegen gewisse chemische Reagentien. Ebenso wie die Belegzellen werden sie von Salpetersäure gelb gefärbt, von verdünn- ter (0,05—0,02 °%/,) Salpetersäure aufgehellt, von concentrirter (0,5 bis 5%,) getrübt und zum Schrumpfen gebracht. Auch bei Behand- lung mit doppeltchromsaurem Kali werden sie wie die Belegzellen stark gefärbt, und ihr Kern tritt deutlich contourirt hervor. Eine weitere Aehnlichkeit haben sie noch mit den Belegzellen — ihre Veränderungen während der Verdauung sind sehr wenig auf- fällige. Bemerkbar ist nur eine Volumszunahme während der ersten Verdauungsperiode; die mehr polygonale Form des Hungerzustandes geht in eine rundliche, volle über. Das Protoplasma sowie der Kern scheinen in ihrer inneren Zusammensetzung nur geringe, optisch nicht wahrnehmbare Veränderungen zu erleiden. Durch die Volu- menszunahme der einzelnen zelligen Constituentien des Drüsenschlauchs wird auch dieser breiter und mächtiger. Sein Inhalt erscheint, da sich die Grenzen zwischen den einzelnen Drüsenzellen weniger scharf markiren, mehr homogen. Nachdem hierauf in der 12. bis 18. Ver- dauungsstunde eine Volumsabnahme der Zellen und Drüsenschläuche erfolgt, kehren die Drüsen um die 24. Stunde wieder zu dem Aus- sehen zurück, wie sie es im Hungerstadium darboten. Ein sehr gutes Isolationsmittel für die Drüsenschläuche ist chromsaures Ammon. Die Drüsenzellen zeigen dabei einen grossen, hellen, ovalen Kern (Fig. Sb), ein feinkörniges Protoplasma; da sie keine Zellmembren haben, erscheinen die Zellgrenzen mehr oder weniger verschwommen. Bei Isolation mit Ranvier’schem Alkohol ist der Inhalt der Drüsenzellen stark gekörnt; der undeutlich be- ‚grenzte, helle Kern trägt auch hier wieder ein deutliches Kernkör- perchen. Die Gefässe des Magens steigen von den grösseren Stämmen, welche zwischen Schleimhaut und Muskulatur verlaufen, in den bindegewebigen Scheidewänden zwischen den Drüsenschläuchen auf- wärts bis unter das Epithel, um hier schlingenförmig wieder um- zubiegen. Ein sich dicht unter dem Epithel ausspinnendes Gefäss- netz, wie es am Oesophagus sich fand, liess sich hier nicht injieiren. 194 Carl Partsch: Ueber die Nerven habe ich keine Untersuchungen ange- stellt und kann nur auf die Darstellung Goniaew’s (l. c.) ver- weisen. Wenn auf Grund dieser bisher geschilderten Beobachtungen über den Vorderdarm der Frösche ein Rückschluss gemacht werden darf auf die physiologische Bedeutung der zwei Zellformen in den Magendrüsen der Säuger, so kann dieser nur zu Gunsten der Heidenhain’schen Hypothese ausfallen, die in den Hauptzellen die Pepsinbildner, in den Belegzellen die Säurebildner sieht. Stets hat man von allen Seiten die Aehnlichkeit der Zellen der Magendrüsen des Frosches mit den Belegzellen der Säuger be- tont und gerade diese Thatsache gegen die Hypothese Heidenhain’s in’s Feld geführt. Wir wissen aber jetzt, dass der Froschmagen nicht Pepsin, wohl aber ein saures Secret produeirt. Wir kennen ferner in den Drüsen des Oesophagus eine zweite Zellform, verschie- den von der den Magendrüsen eigenthümlichen; was wäre da wohl nicht natürlicher, als diese Zellform für ein längst gesuchtes Analogon der Hauptzellen anzusehen? Denn was thut diese Zelle? Sie pro- ducirt ein alkalisches, pepsinhaltiges Secret gleich den Hauptzellen der Pylorusdrüsen der Säuger. (Klemensiewicz.) Ich glaube, dass diese Analogie für die Entscheidung der Frage schwerer wiegend ist, als alle die Gründe, welche Nussbaum in seiner schon erwähnten Arbeit gegen die Hypothese Heidenhains vorbringt. Sein Haupt- argument, dass die Zellen der Oesophagusdrüsen des Frosches sich gegen Ueberosmiumsäure ähnlich verhalten wie die Belegzellen der Säuger, verliert sehr an Beweiskraft durch die Thatsache, dass die Zellen der Magendrüsen des Frosches bei Behandlung mit Ueber- osmiumsäure auch eine bräunliche Körnung zeigen, wie die Zellen des Oesophagus. Leider erwähnt Nussbaum die Drüsenzellen des Magens des Frosches mit keinem Worte. Andere Beweise, welche Nussbaum gegen die Heidenhain’- sche Hypothese vorbringt, sind ebenso hinfällig. Die so oft eitirte Beobachtung Rollets, dass in den Magendrüsen winterschlafender Fledermäuse nur adelomorphe Zellen vorkommen, wird erst dann beweiskräftig werden, wenn mit einer nochmaligen mikroskopischen Untersuchung die Untersuchung der Schleimhaut auf ihren Pepsin- gehalt verbunden wird, und dieser sich als minimaler ausweist oder gar nicht vorhanden ist. So lange dieser Beweis nicht erbracht, lässt sich aus dem Factum kein bindender Schluss ziehen. Wie Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 195 erwähnt, werde ich mir erlauben, in einer spätern Arbeit ausführlicher auf diese ganze Frage zurückzukommen. So viel also steht fest — wenn eine Analogie zwischen den Drüsenzellen der Amphibien und der der Säuger zulässig ist, so ist in den Drüsenzellen des Oesophagus des Frosches das Analogon der Hauptzellen, in den Drüsenzellen des Magens das Analogon der Belegzellen zu suchen. Damit wäre der Einwurf gegen die Heiden- hain’sche Hypothese, welcher Seitens der Gegner von den Magen- drüsenzellen des Frosches hergeholt wird, erledigt. Leider aber ist die Erledigung der Streitfrage nur bei der Gattung rana gelungen. Denn bei keinem andern der von mir untersuchten Amphibien ist mir der Nachweis von Eiweissferment bildenden Drüsen, die ein vom Epithel der Magendrüsen verschie- denes Epithel tragen, gelungen. Die Untersuchung des Vorderdarms von hyla arborea ergab, dass im Oesophagus keine Drüsen vorhanden. Das Epithel, welches vollkommen dem des Oesophagus des Frosches gleicht, macht viele, tiefe Einsenkungen in das stark entwickelte Bindegewebe der mucosa, das viele Gefässe, aber keine Drüsenconglomerate trägt. In der Tiefe dieser Einsenkungen schienen die Becherzellen vergrössert und hatten eine den beim Froschmagen beschriebenen Schleimzellen ähnliche Form. Leider stand mir von hyla arborea nicht ausreichen- des Material zu Gebote, um mit der mikroskopischen Untersuchung auch die auf den Pepsingehalt verbinden zu können. Aber nach den Beohachtungen, die ich an anderen Thieren gemacht, glaube ich annehmen zu dürfen, dass der Oesophagus von hyla kein Pepsin producirt. Die Drüsen des Magens sind bei diesem Thiere etwas kleiner wie beim Frosch; sehr schmale Bindegewebszüge trennen die Drüsen- schläuche von einander. Die Drüsenzellen haben ein sehr fein granulirtes Protoplasma, einen nicht grossen, runden Kern, dessen Kernkörperchen meist sehr undeutlich. Chemische Reactionen er- gaben keinen Unterschied zwischen ihnen und den Magendrüsenzellen des Frosches. Die Schleimzellen finden sich auch hier am Uebergang des Drüsenhalses in den Drüsenhörper und auch die Drüsen des Pylorus sind ganz so gebaut, wie die Pylorusdrüsen des Frosches. Edinger!) gibt an, dass es ihm manchmal an gelungenen, in 1) Edinger. Ueber die Schleimhaut des Fischdarms nebst Bemerkun- 196 Carl Partsch: Anilinblau gefärbten Schnitten durch den Froschmagen geschienen, als fänden sich hellere und dunklere Zellen in demselben, ohne dass jedoch je der Färbungsunterschied so deutlich gefunden worden wäre, wie dies bei Säugethieren und Vögeln der Fall. Ich habe Aehnliches nicht beobachtet; vielleicht liesse sich der geringe Farben- unterschied aus einer geringen Differenz im Säuregehalt der Zellen erklären. Geringe Farbenunterschiede beobachtet man ja auch an den Belegzellen der Säuger. Ebenso wie der Vorderdarm von hyla ist der von bombinator | igneus gebaut. Der Oesophagus von bufo (sowohl einereus wie variabilis) er- scheint dem Magen gegenüber etwas verkürzt. Er ist zusammen- gesetzt aus Schleimhaut und Muskulatur; das Epithel der Schleim- haut ist nicht fimmernd, sondern einfach eylindrisch, von dem des Magens nicht verschieden. Die Einsenkungen des Epithels nehmen die Form breiter Schläuche an, in deren Grunde das Epithel durch die erwähnten Schleimzellen ersetzt ist. Man wird bei dem Anblick dieser Schläuche an die Pylorusdrüsen des Frosches erinnert; nie findet sich hier aber zwischen den Schleimzellen eine andere Zell- form eingesprengt; bei der Verdauung trüben sich diese sonst klar und hell und ungefärbt erscheinenden Zellen, werden granulirt und färbbar. Die Produktion von Schleim, die nicht, allein von den Schleim- zellen, sondern auch vom Epithel besorgt wird, scheint bei den Kröten gefordert zu sein durch die eigenthümliche Art der Nahrungs- aufnahme. Die Beute wird mit der Zunge erfasst, und, ohne dass sie von den zahnlosen Kiefern eine Zerkleinerung erfährt, voll- kommen verschluckt. Dem Acte der Deglutition ist die durch die reichliche Schleimsecretion bewirkte Schlüpfrigkeit und Glätte der Schleimhaut sehr förderlich. - Ausserdem aber finden sich bei bufo noch in dem bindegewebigen Lager der Schleimhaut zahlreiche Bündel von longitudinell verlaufenden Muskelfasern; die der Schleim- haut aufliegende Muskulatur ist auch von ziemlicher Stärke. Drüsen, welche den Oesophagusdrüsen des Frosches entsprechen, finden sich hier auch nicht. Untersuchungen auf den Pepsingehalt der Schleim- haut haben mir bei bufo, entsprechend dem mikroskopischen Befunde, stets negative Resultate ergeben. gen zur Phylogenese der Drüsen des Dünndarms. Diss. inaug. Bonn 1876. pag. 21. Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Ampbibien und Reptilien. 197 Die Drüsen des Magens sind in ihrem Bau denen des Frosches sehr ähnlich. Nur erscheint der Drüsenausgang gegenüber dem verlängerten Drüsenkörper sehr verkürzt. Die einzelnen Schläuche erscheinen daher sehr verschmälert und verlängert und sind nur durch schmale bindegewebige Züge getrennt. Auch hier fehlen die den Uebergang des Drüsenhalses in den Drüsenkörper vermittelnden 'Schleimzellen nicht. Die eigentlichen Drüsenzellen dagegen zeigen ein ganz charak- teristisches Aussehen. Ihre Grenzen treten sehr wenig hervor. In ihrem sehr feinkörnigen Protoplasma hebt sich der helle, bläschen- förmige Kern hervor, der bei Tinetionen sich nur sehr schwach mit- färbt. Dagegen nimmt das eine Kernkörperchen Haematoxylin und Karmin mit grosser Vorliebe auf und zeigt sich schon bei schwachen Vergrösserungen als intensiv gefärbter Punkt in dem hellen Kern. Bei Tinetion mit Cochenilleroth oder Methylviolett bleibt in Mitten des gefärbten Kerns ein heller Fleck. Bei Isolation in Ranvier’- schem Alkohol erscheinen die Drüsenzellen bis auf den scharf um- schriebenen Kern molekulär zerfallen. Chromsaures Ammon isolirt die Drüsenschläuche besonders schön. Die Drüsenzellen zeigen dann keine runde, sondern eine ausgeprägt eckige Gestalt. Nach der Wand zu verschmälern sich die Zellen zu zipfelförmigen Fortsätzen, die sich ebenso wie die der Epithelien dachziegelförmig decken. Der Kern ist hell, das Protoplasma stark granulirt. Auch bei bufo zeigen die Drüsen des Pylorus einen anderen Bau wie die des Magenfundus. In ihrem Grunde finden sich wieder die Schleimzellen, zwischen die hie und da einige Zellen, wie sie in den Drüsen des Fundus vorkommen, eingesprengt sind. Von den geschwänzten Amphibien habe ich triton cristatus, taeniatus, igneus untersucht. Die im Folgenden für den Vorderdarm von triton eristatus gegebene Schilderung gilt auch für die übrigen Re- präsentanten dieser Thierklasse, da sie hinsichtlich dieses Theils keine merklichen Unterschiede bis auf Unterschiede in der Grösse auf- weisen. Schon makroskopisch bemerkt man, dass der Oesophagus dieser Thiere im Vergleich zu dem der bisher erwähnten auffallend dünn und zartwandig ist, und keine merklich entwickelte Schleim- haut trägt. Ein Querschnitt desselben zeigt eine sehr dünne binde- gewebige Schicht, bedeckt von einem Epithel, aufliegend auf einer doppelten Lage von Muskulatur. Das Epithel ist wie bei rana ge- mischt aus Flimmer- und Becherzellen. Jene sitzen mit breiter 198 Carl Partsch: Basis auf der bindegewebigen Unterlage auf und stehen mit deren Elementen durch Fortsätze in mehr oder weniger innigem Zusam- menhang. Diese erscheinen breit, mit grossem Kern und breitem Fussende, das sich bei Chloralisolatien sehr fein zerfasert. In dem spärlichen bindegewebigen Stroma der Schleimhaut finden sich keine Drüsen vor. Der Mangel derselben wurde schon von Klein (l. c. pag. 387) hervorgehoben. Ebenso wie Klein fand ich dicht an der cardia in einer ringförmigen Zone einzelne acinöse Drüsen direkt in die tubulösen Pepsindrüsen der cardia übergehend, indem ihre Ausführungsgänge kürzer werden und die acini an Zahl und Grösse abnehmen. Ihr Epithel unterschied sich. aber nicht von dem der Magendrüsen. Die Magenschleimhaut von triton stellt gleichsam eine (Fig. 5 u. 6) einzige, grosse Drüse dar; so wenig sind die einzelnen Drüsen- zellen durch Bindegewebe zu Schläuchen gruppirt. Das cylindrische Epithel macht seichte Einsenkungen, in deren Grunde gewöhnlich einige Schleimzellen liegen. Diese Einsenkungen dienen als Aus- führungsgänge für das Secret der durch sehr spärliche, schmale Bindegewebszüge zu grösseren Gruppen zusammengefassten Drüsen- zellen. Bei diesen wie bei den Epithelien imponirt auf den ersten Blick der Zellkern durch seine Grösse. Er ist im Hungerzustand eckig, stark granulirt, gut färbbar. Bei keinem andern Thier ist die Veränderung des Kerns während der Verdauung so drastisch wie bei triton. Der Kern erscheint während der Verdauung zu einem grossen, runden, den grössten Theil der Zelle einnehmenden Bläschen aufgequollen (Fig. 6). Das Protoplasma der Zellen, im Hungerzustand feinkörnig, wird zu einer homogenen Masse, in der die Zellgrenzen schwer zu erkennen. Bei Isolation mit Ranvier’schem Alkohol erscheinen die Drüsenzellen stark gekörnt, membranlos, mit einem hellen Kern versehen, der ein helles Kernkörperchen birgt. Bei Einwirkung 33% Kalilauge sind die Contouren der Zellen meist scharf, der Inhalt fein granulirt, der helle Kern deutlich hervortretend, etwas eckig verzogen. Die Drüsenschläuche des pylorus stellen einfache Epithelein- senkungen dar, in deren Grunde keine Schleimzellen zu beobachten sind. AnKröten und Wassersalamandern, von denen mir ausreichend Material zu Gebote stand, habe ich stets Verdauungsversuche mit der Schleimhaut des Oesophagus und Magens angestellt, bin aber Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 199 zu ganz entgegengesetzten Resultaten wie Swiecicki gekommen. Während Swiecicki angibt, bei Pelobates fuscus, Hyla arborea, Bufo variabilis und einigen Tritonen im Wesentlichen dieselben Ver- hältnisse, wie bei den Fröschen d. h. im Oesophagus stets eine grössere Pepsinmenge als im Magen gefunden zu haben, haben mir meine Untersuchungen ein umgekehrtes Resultat ergeben. Stets war der Pepsingehalt im Magen grösser, als im Oesophagus. Die im Oesophagus enthaltne Pepsinmenge war stets so gering, dass man sie auf Pepsin, welches dem die Oberfläche überziehenden Schleim anhaftet, zurückführen konnte. Bei Kröten, wo man den stark entwickelten Oesophagus genügend von dem ihm anhaftenden Schleim befreien konnte, blieb jede Pepsinwirkung aus. Bei Tritonen aber, deren Oesophagus sehr zart und dünnwandig, leicht zerreiss- lich ist, und deshalb vor mechanischen Eingriffen möglichst geschont werden musste, waren immer noch geringe Pepsinmengen nachzu- weisen. Wie dieser gegentheilige Befund möglich, ist mir nicht ganz erklärlich. Denn auch angenommen, dass bei den Versuchen von Swiecicki beim Ausschlagen der Schleimhautstücke aus dem Oesophagus immer etwas Magenschleimhaut mitgenommen worden wäre — eine Möglichkeit, die bei der Kürze des Oesophagus sowohl bei Kröten wie bei Tritonen, und bei nicht ganz genauer Markirung der nur im frischen Zustande deutlich sichtbaren Grenze zwischen Oesophagus und Magen leicht eintreten kann — so würde sich da- durch nur das Vorhandensein einer gewissen Pepsinmenge, aber nicht das einer grösseren Pepsinmenge als im Magen erklären lassen. Mit dem mikroskopischen Befunde stehen meine Ergebnisse im Einklang, man müsste denn das Epithel für die Pepsinproduction heranziehen wollen. Leider schweigen sowohl Swiecicki wie Nuss- baum, der die Angaben Swiecickis „vollkommen“ bestätigt, über die Quelle des Pepsins, über die anatomischen Substrate, welche bei diesen Thieren das Pepsin produciren, vollkommen. Es erübrigt nun noch, die Resultate der Untersuchung von lacerta, coluber natrix und vipera berus mitzutheilen. Das dünne, bindegewebige Stroma der Schleimhaut des Oeso- phagus liegt bei- lacerta in vielen, leicht verstreichbaren Falten, die von einem aus Becher- und Flimmerzellen gemischten Epithel über- zogen sind. Conglomerate von Drüsen sind auch hier nicht wahr- zunehmen. Bis in den untern Theil des Oesophagus reichen einzelne Wülste der Magenschleimhaut herauf, die auch hier noch von Drüsen- 200 Carl Partsch: schläuchen, wie sie dem Magen zukommen, bekleidet sind. Oft findet man daher auf Querschnitten neben einem mit Drüsen be- kleideten Wulste die Falten der übrigen Schleimhaut von einfachem Epithel überzogen. Daraus erklärt sich auch, dass Stücke der Schleimhaut des Oesophagus sich peptisch wirksam erweisen, wenn auch nicht in dem Grade wie Stücke aus dem Magen. In diesem finden sich die Drüsen ebenso vertheilt, ebenso gebaut wie bei hyla. Charakteristische Merkmale, wie ich sie für die Drüsenzellen der Kröte angegeben, habe ich bei Lacerta nicht herausfinden können. Auf- fällig ist nur die schwere Färbbarkeit in Karmin und die unange- nehme Eigenschaft des schnellen Nachdunkels, welche in Glycerin aufbewahrte Präparate binnen Kurzem verderben macht. Der Pylorus trägt auch bei Lacerta die für ihn charakteristi- sche Drüsenform. Coluber natrix und Vipera berus zeigen identische Verhältnisse. Der Vorderdarm ist entsprechend der Entwicklung dieser Thiere in der Längendimension zu einem langen Schlauch ausgezogen, dessen grössten Theil der dünnwandige Oesophagus bildet. Seine Schleim- haut macht zahlreiche, leicht verstreichbare Falten, welche dicht mit grossen Becher- und Flimmerzellen besetzt sind. Auffällig ist die geringgradige Entwicklung der Muskulatur. Während man ge- mäss der Schwierigkeit des Aktes der Deglutition bei diesen Thieren eine starke, muskulöse Schicht der Wand des Vorderdarms aufge- lagert glauben sollte, ist die Muskulatur im Interesse der Dehn- barkeit dieses Theils auf zwei mässig entwickelte muskulöse Schichten reducirt. Vielleicht fällt ein Theil der Arbeit bei dem Verschlucken der Körpermuskulatur zu. Im Magen finden sich auffallend lange Drüsenkörper (Fig. 7), denen gegenüber die Drüsenhälse sehr kurz erscheinen. Die Schleim- zellen fehlen auch hier nicht. Das Epithel ist zarter, schmäler wie bei den Amphibien. Die Drüsenzellen sind ziemlich klein, sehr fein granulirt und tragen einen kleinen, runden Kern. Durch chrom- saures Ammon isolirt lassen sie in dem stark gekörnten Protoplasma einen hellen Kern bemerken; von der Peripherie aus gehen kleine protoplasmatische Fortsätze, mit denen die Zellen zum Theil sich decken, zum Theil mit dem bindegewebigen Gerüst der Wand der Drüse in Verbindung treten, Während der Verdauung — ich fütterte Schlangen mit jungen Fröschen und untersuchte die Mägen am 1., 2. und 3. Tage nach Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Amphibien und Reptilien. 201 der Fütterung — war eine auffällige Vermehrung der Schleimzellen während der ersten 24 Verdauungsstunden bemerkbar. Die Drüsen- zellen nahmen ein mattes Aussehen an, ihre im Hungerzustande deutlich sichtbaren Grenzen verschwammen, das Protoplasma nahm auch Farbstoff auf, wenn auch etwas weniger wie der bläschenför- mige, runde Kern. Auch bei coluber fanden sich im pylorus nur die einfachen Epitheleinsenkungen ohne die Schleimzellen im Grunde. Der Ver- dauungsversuch ergab, dass im Magen ein sehr kräftig verdauendes Secret, im pylorus nur geringe Mengen, im oesophagus gar kein Pepsin vorhanden ist. e Fassen wir zum Schluss das Mitgetheilte kurz zusammen, so hat sich also gezeigt, dass die Natur beim Frosch ein Verhalten der beiden den Magensaft producirenden Elemente geschaffen hat, wie es bei keinem der bisher untersuchten Thiere sich findet. Bei ihm sind die das alkalische, pepsinhaltige Secret bereitenden Zellen lo- kalisirt im Oesophagus, scharf getrennt von den im Magen vor- kommenden Säure bildenden Zellen. Nun ist die Identität der im Froschmagen vorkommenden Drüsenzellen mit den Belegzellen der Säuger stets und von allen Forschern behauptet und anerkannt worden. Ebenso wenig lässt sich aber auch bezweifeln, dass die Drüsenzellen des Froschoesophagus analog den Hauptzellen der Säuger seien. Der daraus zu ziehende Rückschluss kann doch nur zu Gunsten der Heidenhain’schen Hypothese dahin ausfallen, dass auch bei den Säugern den Hauptzellen die Pepsinbildung, den Be- legzellen die Säurebildung zuzuschreiben ist. Je befriedigender das Resultat der Untersuchung des Vorder- darms des Frosches ist, desto auffälliger muss es ercheinen, dass ihm so nah verwandte Thiere, wie hyla, bufo, triton, ein ganz ab- weichendes Verhalten zeigen. Während beim Frosch die Bereitung des verdauenden Secrets zwei Zellformen zugewiesen ist, von denen jede einen besonderen Abschnitt des Vorderdarms für sich allein in Anspruch nimmt, muss bei den erwähnten Thieren (ihnen schliessen Sich die untersuchten Reptilien und Schlangen an) eine Zellform, die nicht über den ganzen Vorderdarm verbreitet ist, sondern nur in einem bestimmten Theile derselben vorkommt, die Absonderung 202 Carl Partsch: Beiträge zur Kenntniss ete. des sauren, pepsinhaltigen Secrets besorgen. Selbst wenn man die Thatsache in’s Auge fasst, dass bei den Säugern eine Zellform, die Drüsenzelle des Pankreas, drei verschiedene Fermente bildet, und damit die Möglichkeit zugeben kann, dass eine Zelle Pepsin und Säure zugleich absondern kann, so bleibt doch immer der Gedanke unbequem, dass bei Thieren, die ein und derselben Klasse angehören, dieselbe physiologische Arbeit bei dem einen Thier gesondert und auf zwei Zellformen vertheilt, bei dem andern ungetrennt und von einer Zellform verrichtet sein soll. Hier ist eine Lücke, die auszu- füllen späterer Forschung vorbehalten ist. Trotz dieser Verschiedenheit liegt dem Bau des Vorderdarmes aller von mir unter$uchten Thiere ein gemeinsames Prineip zu Grunde, die Sonderung in drei verschiedene Abtheilungen. Die erste der- selben, der Oesophagus, dient als Zuleitungsapparat zu dem Ort des chemischen Umsatzes. Wenn auch die Frösche darin eine Aus- nahme zu machen scheinen, da bei ihnen der Oesophagus von den das Verdauungssecret absondernden Drüsen eingenommen wird, so erfolgt doch auch bei ihnen in Wirklichkeit die Verdauung erst in dem Magen, wo das alkalische Oesophagusseeret durch die Säure des Magens seine Wirksamkeit erhält. Dieser bildet die zweite und grösste Abtheilung des Vorderdarms und stellt den eigentlichen Heerd der chemischen Umsetzung der aufgenommenen Nahrung vor. In ihm verweilt dieselbe auch am längsten. Der Pylorus endlich, der an Grösse weit hinter den beiden andern Abtheilungen zurück- steht, hat auch eine weit geringere Bedeutung hinsichtlich der phy- siologischen Function. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Querschnitt eines Drüsenpacketes aus dem Oesophagus eines hungern- den rana esculenta. Fig. 2. Querschnitt eines Drüsenpacketes aus dem Oesophagus, 13 Stunden nach Fütterung. Fig. 3. Querschnitt durch die Schleimhaut des Magens von rana temporaria. (Fundus.) Fig. 4. Querschnitt durch die Magenschleimhaut von rana esculenta. (Pylorus.) Fig. Querschnitt durch die Magenschleimhaut von triton eristatus. (Hun- gerzustand.) a G. Denissenko: Zur Frage über den Bau der Kleinhirnrinde et. 203 Fig. 6. Querschnitt durch die Magenschleimhaut von triton ceristatus. (Ver- dauungssystem.) Fig. 7. Querschnitt durch die Magenschleimhaut von coluber natrix. (Hun- gerzustand.) Fig. 8. Isolirte Drüsenzellen. a aus dem Oesophagus von rana esculenta. b aus dem Magen von rana esculenta. ce aus dem Magen von bufo variabilis, nach Behandlung mit chromsaurem Ammon. Die Zeichnungen 1, 2, 3, 6, 7 sind von Herrn Assmann, 4, 5, 8 von mir ausgeführt worden mit dem Zeichenprisma bei 2 : 7 Hartnack. Zur Frage über den Bau der Kleinhirnrinde bei verschiedenen Klassen von Wirbelthieren. Von Dr. Gabriel Denissenko (St. Petersburg). (Aus dem anatomischen Institute zu Strassburg, Elsass.) Hierzu Tafel XIII und XIV. Die Erkenntniss des Baues des Centralnervensystems bietet noch so viele Schwierigkeiten, dass ungeachtet der grossen Anzahl von Forschern, die sich mit diesem Gegenstande befassten, sehr viele Fragen noch gar nicht gelöst, oder gar unberührt blieben. Diese . Schwierigkeiten erhellen aus der ungemein zarten Structur und der fast halbflüssigen Consistenz des Gewebes, ein Umstand, der der Untersuchung des frischen Materiales bedeutende Schwierigkeiten ent- gegenstell. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, war es noth- wendig, eine Flüssigkeit zu finden, welche das Gewebe selbst möglichst wenig verändern und entsprechend hart machen würde. Ferner musste die Aufmerksamkeit auf das Verhalten verschiedener Reagentien und färbender Substanzen zu den einzelnen Gewebselementen gerichtet werden. Der schwierigste Theil der Technik bleibt aber die Her- stellung entsprechend dünner Schnitte. Obgleich Boll (8) !) behauptet, dass eine gute Färbung die Dünne des Schnittes zu ersetzen im 1) Die betreffenden Nummern sind in dem nachstehenden Literatur- verzeichniss nachzusuchen. 204 Gabriel Denissenko: Stande sei, können wir uns damit keineswegs einverstanden erklären. Es ist wahr, dass für gewisse Zwecke die Dicke des Schnittes von keiner Bedeutung ist, aber die Feinheit der Struktur des Gewebes erfordert auch Schnitte von entsprechender Dünne. Und es ist um so schwieriger, diese letztere Bedingung zu erfüllen, als die aus der härtenden Flüssigkeit herausgenommenen Präparate zuweilen brüchig werden, und das um so mehr, je feiner dieselben sind. Was die Zupfpräparate anbelangt, so können dieselben nur einen verhältniss- mässig geringen Dienst erweisen, und zwar nur als Supplemente und zur Bekräftigung anderweitiger Resultate. Auch spielt die Frage, wie man die Präparate aufbewahren und einschliessen soll, keine zu unterschätzende Rolle, indem man, wenn man sich zu einer oder der anderen Methode entschliesst, diese oder andere Elemente zu Gesichte bekommt. Es macht z.B. das Terpentin und speciell das Nelkenöl das Gewebe so durchsichtig, dass manchmal sogar die Pur- kinje’schen Zellen kaum gesehen werden können, von einer Er- kenntniss ihrer feinen Struktur kann aber keine Rede sein. Ich richtete meine Aufmerksamkeit besonders auf die Unter- suchung des Kleinhirns in vergleichend anatomischer Hinsicht. Meine Arbeit habe ich im anatomischen Institut zu Strassburg im Laufe eines Jahres ausgeführt und dann in Wien fortgesetzt. Im Folgen- den will ich eine kurze Skizze der Resultate meiner Untersuchungen entwerfen. Was die reichhaltige Literatur, die diesen Gegenstand behan- delt, anbelangt, so war Purkinje (32) der erste, ‚welcher im Jahre 1837 die grossen Ganglienzellen entdeckte (welche noch bis jetzt seinen Namen führen). Seither sind eine ganze Menge von Arbeiten erschienen, welche sich aber hauptsächlich auf die Erforschung des Kleinhirnbaues beim Menschen beziehen. Es ist nur eine einzige Arbeit von Stieda (39) zu verzeichnen, welche sich mit der ver- gleichenden Anatomie des Kleinhirns befasst. Obgleich der grösste Theil der Forscher sich nicht ausschliesslich auf die Untersuchung des Kleinhirns des Menschen beshränkte und von vielen auch das Kleinhirn der Thiere untersucht wurde, so ist doch zur Lösung un- serer Frage nur wenig geliefert worden. Andererseits finden wir Arbeiten über den Bau des Centralnervensystems der einzelnen Thierklassen (Blattmann, Reissner, Hoffmann), in welchen auch das Kleinhirn behandelt wird; dieselben sind aber nicht sehr zahlreich und grösstentheils unbefriedigend, weil zu ober- Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 205 flächlich, so dass die Arbeit von Stieda als die einzige und beste bezeichnet werden muss, obgleich auch diese nicht ganz vorwurfs- frei ist. Einerseits hat Stieda sehr wenig eigene Beobachtungen über den Bau des Kleinhirns aus der Säugethierreihe, wie er das auch selbst zugesteht, andererseits ist die Klasse der Vögel und Reptilien äusserst kurz behandelt. Nur die Klasse der Fische ist eingehender berücksichtigt und zwar in einer speciellen Arbeit (38). Nach der Stieda’schen Untersuchung erschien eine Menge von Pu- blicationen ganz ausgezeichneter Forscher, wie: Deiters, Wal- deyer, Henle und Merkel, Hadlich, Koschewnikoff, Ober- steiner, Meynert, Golgi und viele andere. Der grösste Theil aber der genannten Untersuchungen behandelt das Kleinhirn des Menschen. Mein Untersuchungsverfahren war folgendes: Die zu härtenden Kleinhirnstücke wurden entweder in Mülller’sche Flüssigkeit ein- gelegt, oder in einer 2—5°/, Lösung von Ammoniumbichromat während 2—3 Wochen, auch länger, liegen gelassen. Nachher wur- den dieselben auf 24 St. in Wasser gebracht, und dann zuerst in schwächeren, schliesslich in starken Alkohol. Das in der Weise be- handelte Hirn war zur Erhaltung dünner Schnitte besonders gut, geeignet. Zuweilen benützte ich auch Präparate, die mit Alkohol nicht behandelt wurden. Unter den verschiedenen Färbemethoden leistete mir die Doppelfärbung mit Eosin und Haematoxylin die besten Dienste. Die Schnitte wurden auf 24 St. in eine verdünnte alkoholische Eosinlösung gebracht, mit Wasser gewaschen und dann so lange mit Haematoxylin behandelt, bis sich die Kerne färbten. Dann wurden sie wieder mit Wasser gewaschen und in mit Wasser verdünntes Glycerin eingelegt. Andere durchsichtigmachende Flüs- sigkeiten eignen sich für das Kleinhirn weniger, weil die Schnitte zu hell werden. Bei dieser Behandlungs- und Färbemethode bekommt man ausser- ordentlich schöne Bilder. Auf dem rosarothen Hintergrunde treten die mehr dunkelgefärbten Protoplasmafortsätze der Purkinje’schen Zellen sehr deutlich hervor. Die sehr grell roth gefärbten Blutkörperchen können, Dank der ausgezeichneten Färbung, im ganzen Sehfelde mit grosser Leichtigkeit unterschieden werden. Das Protoplasma der Hae- matoxylinzellen (s. weiter unten) sowie die Kerne der peripheren Schicht (s. pag. 211 Nr. 3), werden mit Haematoxylin nicht gefärbt und nur wenig mit Eosin. Ueberhaupt verleiht die letztere Farbe verschie- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14, 14 “ 206 Gabriel Denissenko: denen Elementen des Kleinhirns verschiedene Farbennüancen, wäh- rend das Haematoxylin die Kerne der Zellen der Körnerschichte (Haematoxylinzellen), die Kerne der Deiters’schen Zellen und die Kerne der Capillargefässe sehr schön violett färbte. Leider aber besitzt auch diese Farbencombination ihre Unzulänglichkeiten. Wenn nämlich die, auf genannte Weise gewonnenen Präparate längere Zeit der Einwirkung der atmosphärischen Luft ausgesetzt bleiben, so verwischen sich die Farben und das früher doppelt, nämlich rosa- roth und violett, gefärbte Präparat, nimmt eine diffuse schmutzig- violette Farbe an. In diesem Falle ist es auch schwer, das frühere Bild zu bekommen. Nichtsdestoweniger wurde ich aber genöthigt, diese Methode in Gebrauch zu ziehen, weil sie bei frischen Präpa- raten so deutliche Bilder liefert. Für Zupfpräparate wurde der verdünnte Alkohol Ranvier’s gebraucht. Besonders schöne Präparate erhielt ich aus Kleinhirn- stücken, die einige Zeit (24 St.) in Müller’scher Flüssigkeit und nachher in Alkohol Ranvier’s gelegen hatten. Solche Präparate färben sich ausserordentlich schön mit Carmin und lassen sich un- gemein fein zerzupfen. Verdünnte Osmiumsäure (1/,—!/ıo %/o) liefert überraschende Resultate wegen ihrer gleichzeitig färbenden und härtenden Eigenschaften. Alle Forscher betrachten das Kleinhirn als aus drei Schichten zusammengesetzt: der äusseren, moleculären, der darauf folgenden Körnerschichte und der innersten Faserschichte. Die drei genannten Schiehten finden wir bei allen Wirbelthieren vor, aber die Anord- nung derselben verändert sich. So finden wir die oben beschriebene Aufeinanderfolge derselben bei Säugethieren und Vögeln. Bei den Fischen, wo das Kleinhirn an und für sich eine Blase darstellt, deren Wände mit Epithel ausgekleidet sind, bildet die molekuläre Schichte die äussere Wand, zwischen welcher und der Epithelschichte die Körnerschichte eingelagert ist. Die letztere wird von Faserbündeln durchzogen, welche Bündel dünnere Fasern für die molekuläre Schichte liefern. Bei den Fröschen und Schlangen stellt das Kleinhirn eine Platte dar, auf deren oberer Fläche sich die molekuläre Schichte befindet, und deren unterer Theil mit Epithel ausgekleidet ist, indem diese das Dach des 4. Ventrikels bildet. Ueber dem Epithel befindet sich die Körnerschichte und zwischen der letzteren und der molekulären Schichte unmittel- Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 207 bar unter den Purkinje’schen Zellen verbreitet sich die Faserschicht. Aus dieser kurzen Darstellung ist es ersichtlich, dass, wiewohl dieses Organ bei verschiedenen Thierklassen verschiedene Formver- änderungen erleidet, in demselben doch überall die genannten Schich- ten angetroffen werden und aus diesem Grunde will auch ich diese Eintheilung, wegen der leichteren Auffassung, gelten lassen. 1. Die molekuläre Schichte. Die molekuläre Schicht zeigt ausserordentlich charakteristische Eigenthümlichkeiten und lässt nicht nur bei den einzelnen Thier- klassen, sondern auch bei den Familien bedeutende Unterschiede erkennen. Aus diesem Grunde habe auch ich meine besondere Auf- merksamkeit dem Studium dieses Theiles zugewendet, womit sich auch fast alle Forscher befassten. Ein Querschnitt durch das Kleinhirn belehrt uns schon bei oberflächlicher Betrachtung und geringer Vergrösserung von dem Vorhandensein folgender Elemente in der molekulären Schichte: -1) Die körnige Substanz. 2) Kerne, die sich mit Haematoxylin färben. 3) Besondere Kerne, die sich mit Eosin schwach und mit Haematoxylin gar nicht färben. 4) Zerstreute Ganglienzellen. 5) Elip- soide Zellen, welche in der Schichte der Purkinje’schen Zellen liegen. 6) Purkinje’sche Zellen. 7) Die Hüllen der Purkinje’- schen Zellen. 8) Die Protoplasmafortsätze derselben. 9) Bindege- webe. 10) Blutgefässe. Im Folgenden will ich das Resultat meiner Beobachtungen über alle diese Theile skizziren. | 1) Die körnige Substanz. Dieselbe besitzt bei verschie- denen Thieren einen verschiedenen Charakter. So erscheint sie beim Menschen als eine ausserordentlich feinkörnige Masse, welche die ganze Oberfläche der molekulären Schichte bedeckt. Am besten kommt sie an Zupfpräparaten zur Beobachtung. Hier sehen wir, dass die feinsten Protoplasmafortsätze der Purkinje’schen Zellen ringsum von dieser körnigen Substanz umgeben sind, welche Rind- fleisch (34) als die Endigungsweite der Protoplasmafortsätze be- trachtet. Auf den Präparaten aus der Säugethierreihe ist dieses Bild ebenfalls sehr schön zu sehen. Bei den Vögeln (Huhn, Taube) tritt diese körnige Masse bei weitem weniger deutlich hervor, so dass dieselbe auch bei sehr starken Vergrösserungen nur mit Mühe untersucht 208 Gabriel Denissenko: werden kann. An Zupfpräparaten wird sie noch weniger deutlich sichtbar, als an Schnitten. Bei Fröschen kommt diese Masse in geringerer Quantität vor, als bei anderen Thieren. Hier ist sie nur im unteren Theile der molekulären Schichte in Form ziemlich grober Körner zu sehen. Bei Eidechsen erscheint dieselbe ziemlich gleich- mässig vertheilt in der ganzen molekulären Schichte. Bei den Fischen (Karpfen) ist die körnige Masse in grösserer Quantität vor- handen. Sie besitzt den Charakter einer lockeren, grosskörnigen Substanz, die sich mit Carmin und Eosin schwach färbt. Sie ist aber nicht überall gleichförmig. So ist sie in der Mitte der mole- kulären Schichte mehr gleichmässig, grobkörnig, locker; an der Peripherie ist sie mehr feinkörnig und in ihr sind hier andere Ele- mente eingebettet, welche aus feinen Schnitten des gehärteten Klein- hirns nicht selten herausfallen und dadurch runde oder unregelmässige Löcher im Schnitte bedingen. Es fragt sich, was für eine Bedeu- tung die körnige Substanz hat und ob Rindfleisch Recht hat, in- dem er behauptet, dass die Protoplasmafortsätze in dieser Weise ihre Endigung finden? Ich kann die Meinung Rindfleisch’s nicht theilen, weil die beschriebene Masse physikalische und chemische Eigenschaften besitzt, durch welche sie sich von den Protoplasma- fortsätzen und dem Nervengewebe überhaupt deutlich unterscheidet. So stellt sie einerseits eine grobe, formlose Masse dar, welche mit den Protoplasmafortsätzen in keiner directen Verbindung sich be- findet und nur neben denselben gelagert zu sein scheint. Anderer- seits spricht auch gegen die genannte Ansicht die Beobachtung, dass beim Karpfen, wo der grösste Theil dieser Masse in der Mitte der molekulären Schichte lagert, die Protoplasmafortsätze eben dort sich am wenigsten verzweigen. Die chemischen Eigenthümlichkeiten der körnigen Schichte unterscheiden sie auch bedeutend von denen der Protoplasmafortsätze. So wird sie durch Essigsäure durchsich- tig gemacht und färbt sich schwach mit Eosin und Garmin. In Präparaten, welche mit chromsaurem Ammoniak und nachher mit Alkohol gehärtet wurden, färbt sich die körnige Masse ganz anders mit Gold, Silber und Purpurin, als die Protoplasmafortsätze. Auch kann ich diese Masse nicht als Reste der Hülle betrachten, welche dickere Zweige der Protoplasmafortsätze umgibt, weil sowohl die Schnitte, als auch die Zupfpräparate ihren körnigen Charakter hervortreten lassen, was unter keiner Bedingung möglich wäre — da die Hüllen die Fortsätze von allen Seiten dieht umschliessen, Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 209 nicht aber in Form von Körnern auftreten müssten. Ich bin eher geneigt, diese Masse für eine Zwischensubstanz des Nervengewebes (Götte) zu betrachten, als ihr den Charakter des Nervengewebes selbst zuzuschreiben, welche Eigenschaft sie, meiner Ansicht nach, gar nicht besitzt. 2) Die Kerne der molekulären Schichte, welche sich mit Haematoxylin färben, kann man als drei Kategorien von Zellen angehörend, betrachten: a) dieselben sind entweder Kerne von Zellen, die in die Wandungen von Blutgefässen (besonders Ca- pillaren) eingelagert sind, oder b) Kerne der Deiter’schen Zellen oder ec) Kerne von besonderen Zellen, welche im unteren Theile der molekulären Schichte neben den Purkinje’schen Zellen liegen. a) Die Zellen (bez. Kerne) der Blutgefässe haben gewöhnlich eine ovale Form und sind in Reihen, zugförmig und zwar so typisch angeordnet, dass man in ihrer Vertheilung ein Mittel an der Hand hat, mit grosser Leichtigkeit den Verlauf eines Gefässes zu erkennen und zwar auch eines solchen, welches sonst wegen der grossen Fein- heit und Durchsichtigkeit kaum zu beobachten wäre. Der Typus der Anordnung unterscheidet sich nicht von dem, der bei anderen Körpergefässen eingehalten wird. b) Die Kerne der Deiters’schen Zellen. Die Deiters’- schen Zellen, deren Kerne sich mit Haematoxylin ebenfalls färben, können auf Schnitten, die von den aus härtenden Flüssigkeiten ge- wonnenen Präparaten gemacht wurden, nicht genau beobachtet werden; man sieht nur deren rundliche oder ovale Kerne. Erst an Zupfpräparaten zeigt es sich, dass diese Zellen eine Menge von Fortsätzen abgeben, die entweder von einem Punkte büschelförmig ausstrahlen, oder von allen Seiten spinnenfussartig abgehen u. s. w. Diese Formverschiedenheit wurde von Boll (8) sehr genau beschrie- ben. Auf den Zeichnungen von Meynert (28) erscheinen diese Kerne drei- oder vieleckig, was ich aber nie sehen konnte. Ich glaube auch, dass dabei die Phantasie des Zeichners mit im Spiele war. Genauere Zeichnungen findet man bei Henle und Krause. Bei der Betrachtung der ganzen molekulären Schichte zeigt es sich, dass diese Zellen hier in relativ geringer Menge und zwar zerstreut in der ganzen molekulären Schichte vorhanden sind, gegen die Peripherie hin aber nur sehr spärlich angetroffen werden können. Betrachtet man jetzt die Protoplasmafortsätze der Purkinje’schen Zellen, so stellt es sich heraus, dass die grösste Mehrzahl derselben 210 Gabriel Denissenko: hier peripheriewärts vorbeigeht, ohne den genannten Zellen, neben welchen sie verläuft, Fortsätze abzugeben. Andererseits geht die grösste Mehrzahl der Fortsätze gegen die Peripherie zu, wo die be- schriebenen Kerne sehr selten angetroffen werden, was schon ge- nügend beweisend ist gegen die Richtigkeit der Golgi’schen Ansicht, welcher behauptet, dass die Protoplasmafortsätze mit den Binde- gewebszellen in Zusammenhang stehen, die aber dort fehlen. c) Bei der Maceration des Kleinhirns des Menschen in ver- dünntem Alkohol Ranvier’s, habe ich auf den mit Carmin ge- färbten Zupfpräparaten unter anderem auch eine grosse Anzahl kleiner, stäbchenartiger Zellen erhalten, welche bei starker Ver- grösserung eine ovale oder unregelmässige Form zeigen, und von deren einem oder beiden Enden Fortsätze abgehen, die mit der Zelle selbst durch ein lichteres Protoplasma in Verbindung stehen. Die Grösse dieser Zellen ist unbedeutend. Ihre Länge beträgt 0,009 bis 0,015 Mm., die Breite 0,003 bis 0,0045 Mm. In ihrer Mitte ist ein dunkel granulirter Fleck vorhanden, welcher ganz die Form der Zelle selbst besitzt. Auch bei sehr starken Vergrösserungen war es unmöglich, eine besondere Struktur in denselben zu entdecken, so dass die Zellen aus einem lichten, fein granulirten Protoplasma zu bestehen scheinen, in welchem sich ein etwas dunkleres Proto- plasma befindet. Ausserdem sind hier noch keulenförmige Zellen, mit deutlichen, sich mit Carmin schön färbenden Kernen, vorhanden. Die Fortsätze aller dieser Zellen bestehen aus einem sehr zarten Protoplasma, so dass sie beim Zupfen zerrissen werden, aus welchem Grunde auch die Zellen nur selten mit vollkommen erhaltenen Fort- sätzen gesehen werden. An gelungenen Präparaten kann man zu- weilen sehen, dass diese Fortsätze immer dünner werden, indem sie successive in schwächere Zweige zerfallen und schliesslich als sehr feine Fäden endigen, an deren Enden nicht selten Stücke von Pro- toplasma oder körniger Masse haften bleiben. In unseren, durch gewöhnliche Präparations- und Färbemethode gewonnenen Schnitten wurden keine stäbchenförmigen Zellen angetroffen, während die keulenförmigen Zellen, mit durch Carmin schön gefärbten Kernen, den Zellen des unteren Theiles der molekulären Schichte angehören dürften. Diese Zellen haben aber einen ganz anderen Charakter und eine ganz andere Bedeutung als die Zellen der Körnerschichte, die sich mit Haematoxylin färben; nur die Deutlichkeit der Struktur und das Vorhandensein von Fortsätzen bei den genannten Zellen Zur Frage über den Bau d, Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 211 war die Ursache, dass von den Forschern auch den Zellen der Körnerschichte, die sich mit Haematoxylin färben, Fortsätze zuge- schrieben wurden. Was die Vertheilung der stäbchenförmigen Zellen anbelangt, so muss bemerkt werden, dass dieselben auch im unteren Theile der molekulären Schichte angetroffen werden. 3) In der ganzen Dicke der molekulären Schichte werden noch andere Elemente angetroffen, welche bei einigen Thieren hauptsäch- lich an der Peripherie derselben concentrirt sind. Dieselben treten in Form von Kernen auf, die sich mit Eosin und Carmin nur schwach, mit Haematoxylin aber nicht färben. Im Sehfelde treten dieselben entweder in Form kleiner, runder Flecke auf, oder indem mehrere derselben Gruppen bilden, in ganz unregel- mässigen Formen. Besonders scharf treten sie beim Karpfen hervor, bei welchem diese Kerne auf der Oberfläche in einer ziemlich dicken Schichte sich zeigen; im oberen Theile der molekulären Schichte sind sie spärlich zerstreut. Zuweilen fallen dieselben aus dünnen Schnitten heraus und dann zeigen sich dort runde Oeffnungen; wenn aber eine ganze Gruppe derselben herausfällt, so entstehen ganz unregelmässige Löcher. In Zupfpräparaten, die mit Osmiumsäure behandelt wurden, erscheinen sie in Form runder, 0,006 bis 0,009 Mm. grosser, dunkelgrünlicher, nicht granulirter Kerne, welche in der Mitte einen dunklen Punkt besitzen. Der eigentliche Unterschied zwischen den genannten und den Haematoxylinzellen besteht darin, dass erstere sich mit Carmin gar nicht färben oder nur eine schwach rosarothe Nüance annehmen, während letztere sich mit Carmin sehr schön färben. Die Grössenunterschiede sind unbedeutend. Die pe- ripheren Kerne nämlich haben eine Grösse von 0,006 bis 0,009 Mm., während die Kerne der Haematoxylinzellen 0,0045 bis 0,0075 Mm. betragen. Die ersteren sind gewöhnlich rund und kommen einzeln vor, während die letzteren eine polygonale Form besitzen und ge- wöhnlich gruppenweise auftreten, mit einander durch sehr feine lichte Protoplasmastreifen verbunden sind. Von den Deiters’schen Zellen unterscheiden sich die peripheren Kerne nicht nur durch verschiedene Färbung durch Carmin und Haematoxylin, sondern auch, was be- sonders charakteristisch ist, darin, dass die Deiters’schen Zellen Kerne haben, welche Fortsätze abgeben, die peripheren Kerne aber keine Fortsätze besitzen. Verschiedene Thiere zeigen gewisse Eigenthümlichkeiten in der Vertheilung der genannten Kerne. So sind diese Elemente beim 212 Gabriel Denissenko: Frosch nicht ausschliesslich an der Peripherie angebracht, sondern die ganze molekuläre Schichte ist mit denselben überfüllt, so dass sie eine siebförmig durchbrochene Grundlage darstellt, in deren Löchern die genannten Kerne eingelagert sind. Bei Eidechsen sind sie wieder mehr an der Peripherie angehäuft. Bei den Vögeln bieten sich der Untersuchung genannter Kerne grössere Schwierigkeiten, weil alle Elemente der molekulären Schichte ihres Kleinhirns sich den Färbemitteln gegenüber ganz gleich verhalten, aus welchem Grunde dann das ganze Sehfeld vollkommen gleichmässig gefärbt erscheint und die einzelnen Elemente nicht scharf hervortreten. Nur mit Mühe kann man hier dieselben beobachten, und zwar mehr an der Peripherie angehäuft und nur spärlich auf der Oberfläche des Schnittes zerstreut. Bei den Säugethieren lassen sie sich zuweilen besser beobachten (Meerschweinchen, Ratte, Hund) und bilden hier kleine runde Kerne, die theils an der Peripherie der molekulären Scehichte, theils in der Mitte derselben, einzeln oder gruppenweise vereinigt angetroffen werden und verschiedene Formen bilden. Beim Menschen sind sie auch bei sehr sorgfältiger Untersuchung sehr schwer zu sehen. Das hängt theils mit ihrer ungemein feinen Struetur, theils mit ihrer unbedeutenden Grösse zusammen. Aus diesem Grunde treten alle anderen Elemente mehr deutlich hervor und nur die genannten Kerne sind weniger deutlich bemerkbar. Ich bin überzeugt, dass die von Golgi beschriebenen sogenannten Bindege- webskerne, welche sich mit Protoplasmafortsätzen Purkinje’scher Zellen verbinden sollen, nichts anderes sind, als die eben beschrie- benen Kerne. Auch halte ich diese Elemente nicht für einfache Kerne, sondern glaube vielmehr, dass es Zellen sind, deren Kerne leicht zu sehen sind, während das Protoplasma nur schwierig dar- zustellen ist. Es entsteht jetzt die Frage: Woher und wie entstehen die beschriebenen Zellen? An Präparaten des Kleinhirns von Em- bryonen des Kaninchens, der Katze, des Hundes und des Menschen sieht man, dass die molekuläre Schichte bei Embryonen nur in Form eines breiten Streifens existirt. Die Purkinje’schen Zellen . sind ganz gut zu sehen und fast der ganze Raum zwischen diesen und der Peripherie der molekulären Schichte besteht aus dicht neben einander liegenden Zellen, deren gewisse mit Haematoxylin gefärbte Kerne den letzteren die Form von sogenannten »Körnern« verleihen. Zwischen diesen Zellen verlaufen feine, lichte Streifen. An der Peripherie sind diese Zellen dichter angeordnet und gewöhn- Zur Frage über d. Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 213 lich von geringerer Grösse, als die Zellen, welche sich in der Nähe der Purkinje’schen Zellen befinden. Mit dem Wachsthum der Protoplasmafortsätze und der Verbreitung der molekulären Substanz verschwinden diese Kerne von der Peripherie und ihre Schichte wird stufenweise, parallel mit dem Wachsthum des Organs, immer dünner und dünner, bis sie schliesslich in einem gewissen Alter (nach frü- heren Untersuchungen) ganz verschwindet. Andererseits treten die beschriebenen Zellen mit fortschreitendem Wachsthum der moleku- lären Schichte dort, wo sie an Purkinje’schen Zellen angrenzen, auseinander, lassen die Fortsätze Purkinje’scher Zellen, so wie die molekuläre Substanz zwischen sich durchgehen und werden auf diese Weise mehr oder weniger isolirt. Hess (19). Gleichzeitig mit der Isolirung verlieren diese Zellen auch die Eigenschaft, sich mit Hae- matoxylin zu färben, werden kleiner, schwieriger bemerkbar, und erlangen dadurch den Charakter der früher beschriebenen Zellen. Ich bin fest überzeugt, dass die von mir beschriebenen Eeosinkerne oder Zellen der molekulären Schichte, aus den Zellen entstehen, die im Embryo den Raum der künftigen molekulären Schichte einnehmen und dass sich aus ihnen nicht Bindegewebszellen bilden, wie dies Obersteiner (30) glaubt. Was die Bindege- webszellen anbelangt, so müssen dieselben eine ganz andere Ursprungsweise besitzen. Die obere Zellenschichte (1. Schichte), welche Obersteiner für eine Bindegewebsschichte betrachtet, aus welcher zum Theil die weiche Hirnhaut, seiner Ansicht nach, sich bilden soll, betrachte ich für identisch mit den beschriebenen Zellen, die an der Oberfläche gelagert und noch nicht ganz metamorphosirt sind. Diese Ansicht basirt darauf, dass die Bindegewebszellen, nicht nur in der von Obersteiner angegebenen, sondern auch schon in einer bei weitem früheren Entwicklungsperiode, sich zur weichen Hirnhaut gestalten, und zwar unabhängig von den Kernen der künf- tigen molekulären Schichte. Ausserdem sieht man auf der Zeich- nung von Obersteiner, dass die neben den Purkinje’schen Zellen liegenden Bindegewebszellen spindelförmig sind. Und warum sollen diese Zellen auf der Kleinhirnoberfläche, wo die weiche Hirn- haut schon lange gebildet ist, nach Obersteiner’s Ansicht rund und nicht spindelförmig sen? Obersteiner hätte gewiss andere Bilder und sehr gut die Bindegewebselemente zu Gesichte bekommen, wenn er den Versuch gemacht hätte, aus Kleinhirnen von Neuge- borenen, an welchen die weiche Hirnhaut absichtlich zurückgelassen 214 Gabriel Denissenko: wurde, Schnitte zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass er dann ein dem von Henle und Merkel (18) dargestellten Bilde ähnliches bekommen hätte. 4) In der molekulären Schichte des Kleinhirns sieht man ferner noch Ganglienzellen. Ich beobachtete dieselben in allen drei Kleinhirnschichten, nämlich in der molekulären, Körner- und Faser- . schichte. In der molekulären Schichte des Menschen werden spärlich zer- streute Ganglienzellen von runder oder ovaler Form angetroffen. Einige von ihnen kommen nur an gewissen Stellen vor, wäh- rend andere scheinbar regellos liegen. So sieht man oft neben den Purkinje’schen Zellen birnförmige oder ovale Ganglienzellen von 0,012 Mm. Länge und 0,006 Mm. Breite, welche mit ersteren mittelst einer grossen Anzahl feiner Fäden verbunden sind. Sie liegen gewöhnlich so, dass die Verlaufsrichtung ihrer Fortsätze mit der Verlaufsrichtung der Fortsätze der Purkinje’schen Zellen über- einstimmt, d. h, die Protoplasmafortsätze verlaufen gegen die Peri- pherie der molekulären Schichte, und die Axencylinderfortsätze ver- lieren sich in der Körnerschichte. Obersteiner (30) hat auf seiner Zeichnung (vom neugeborenen Kind) eine ähnliche Zelle abgebildet und hält dieselbe für eine unreife Purkinje’sche Zelle. Gegen diese Ansicht spricht aber der Umstand, dass diese Zellen in allen Entwicklungsperioden und zwar von constanter nicht sehr bedeuten- der Grösse angetroffen werden, und andererseits, dass die Purkin- je’schen Zellen eine vollendete Form und eine bedeutendere Grösse haben schon in einer ziemlich frühen Entwicklungsperiode. Bei anderen Säugethieren kommen die Ganglienzellen seltener vor, noch seltener findet man dieselben bei den Vögeln, Fischen und Amphibien. 5) Im unteren Theile der molekulären Schichte fand ich neben den Purkinje’schen Zellen in grösserer oder geringerer Anzahl im Kleinhirn fast aller von mir untersuchten Säugethiere und Vögel ellipsoide oder runde Zellen, mit grossen, sich mit Haemato- xylin zuweilen gut färbenden Kernen, die von einem sich schwach fär- benden grobkörnigen Protoplasma umgeben sind. Die Färbung und der Charakter des Protoplasmas sind nicht constant. So ist es beim Menschen licht und färbt sich schwach mit Eosin, beim Kaninchen ist es mehr grobkörnig und färbt sich besser, beim Huhn ist es ge- wöhnlich bläulich gefärbt, und besteht aus einer feinkörnigen Masse. Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 215 Diese Zellen sind entweder einzeln oder gruppenweise angeordnet und liegen nicht selten neben den Purkinje’schen Zellen oder so- gar in einer Reihe mit diesen. Beim Menschen sind diese Zellen nicht constant, aber manchmal sind sie stellenweise in grösserer Menge angehäuft. Sie besitzen eine Länge von 0,012 bis 0,021 Mm., eine Breite von 0,006 bis 0,009 Mm., der Kern derselben beträgt 0,0045 bis 0,0075 Mm. Bei einigen Säugethieren (Kaninchen) wer- den sie so constant und von solcher Grösse angetroffen, dass die molekuläre Schichte dadurch ein eigenthümliches Aussehen bekommt, welches sich von dem bei anderen Thieren bedeutend unterscheidet. Diese Zellen nehmen gewöhnlich die untere Hälfte der molekulären Schichte ein. Ihre Länge beträgt 0,015 bis 0,030 Mm. Die Breite 0,012 bis 0,015 Mm., der Kern 0,010 bis 0,0135 Mm. Nicht selten kann man bei diesen Zellen Fortsätze beobachten, welche theils gegen die Peripherie der molekulären Schichte, theils zur Körner- schichte sich begeben. Bei den übrigen Säugethieren kommen diese Zellen selten vor. Bei den Vögeln ist ihre Grösse unbedeutend. So sind sie beim Huhn 0,009 bis 0,015 Mm. lang und 0,006 bis 0,012 Mm. breit, ihr Kern beträgt 0,006 bis 0,0075 Mm. Sie sind hier im unteren Theile der molekulären Schichte spärlich zerstreut. Ihr Protoplasma ist eigenthümlich bläulich gefärbt und besitzt ein gleichmässiges feinkörniges Aussehen. Zuweilen habe ich von den- selben im oberen Theile Fortsätze abgehen gesehen, die gegen die Peripherie der molekulären Schiehte verlaufen. Bei den Fröschen, Eidechsen und Fischen habe ich diese Zellen nicht angetroffen. 6) An der Grenze der molekulären und der Körnerschichte liegen gewöhnlich und zwar dicht an die erstere angeschlossen, die Purkinje’schen Zellen. Bei allen Thieren zeichnen sich diese Zellen durch typische ei- oder birnförmige Gestalt aus, und durch zwei an entgegengesetzten Enden entspringende Fortsätze, deren einer, der Protoplasmafortsatz, in die molekuläre, und deren zweiter, ‚der Axencylinderfortsatz, in die Körnerschichte übergeht. Bei den Säugethieren und dem Menschen, auch bei Vögeln bilden diese Zellen eine Reihe, bei den Reptilien bilden sie zwei Reihen, und bei den Fischen sind sie weit von einander ganz unregelmässig in der ganzen Dicke der molekulären Schichte zerstreut. Gewöhnlich sind sie derart gelagert, dass der eine Theil der Zelle mit dem Axen- cylinderfortsatz in der Körnerschichte liegt, während der andere Theil mit dem Protoplasmafortsatz in der molekulären Schichte zu 216 Gabriel Denissenko: finden ist. Nur selten trifft man Bilder, wo eine ganze Purkin- je’sche Zelle in eine von den beiden Schichten zu liegen käme. Die von Max Schultze (36) beschriebene faserige Struktur der Purkinje’schen Zellen habe ich bei vielen Thieren, auch beim Menschen gesehen. Es sind aber dazu starke Vergrösserungen nothwendig (System VII von Hartnack). Aber nicht alle Thiere besitzen Purkinje’sche Zellen, die mit gleicher Deutlichkeit ihre innere Struktur zeigen, auch tragen verschiedene Färbungen nicht in gleichem Masse dazu bei, um diese Struktur deutlicher zu machen. So erscheinen die kleineren Zellen des Huhns, der Taube und des Karpfens bei der Eosinfärbung als aus einer homogenen, festen Masse bestehend, während die grösseren Zellen der genannten Vögel und überhaupt die Purkinje’schen Zellen des Menschen und an- derer Thiere, ihre innere faserige Struktur bei derselben Eosin- färbung sehr deutlich zeigen. Die besten Präparate, welche die faserige Struktur der Zellen zeigen, habe ich aus den Kleinhirnen des Menschen und Ochsen, bei der Behandlung mit verdünntem Alkohol Ranvier’s und Carminfärbung erhalten. In der Mitte der Zelle befindet sich gewöhnlich ein Kern welcher mehr grobkörnig, als die Zelle selbst erscheint. Derselbe färbt sich auch intensiver, als die Zelle. Fast alle Beobachter haben ihn ganz rund abgebildet. Und wirklich erscheint er auch gewöhn- lich rund, aber bei genauerer Untersuchung findet man, dass der Kern die Form der Zelle annimmt, dass er sich gegen die beiden Enden zu verjüngt und feine Fortsätze abgibt, deren einer in der Richtung des Protoplasma —, der andere in der Richtung des Axen- cylinderfortsatzes verläuft. In der Mitte des Kernes liegt das Kernkörperchen, welches auf den ersten Anblick auch rund erscheint und sich intensiv färbt. Bei genauerer Beobachtung gelungener Präparate kann man sehen, dass auch das Kernkörperchen die Gestalt der Zelle annimmt und dass auch dieses ein oder zwei Fortsätze abgibt, welche zum Proto- plasma- und Axencylinderfortsatz gehen. Aber diese Fortsätze zeichnen sich durch so grosse Feinheit aus, dass ich sie nicht weit verfolgen konnte. Aın deutlichsten habe ich diese Struktur des Kernes und Kernkörperchens an Präparaten aus Kleinhirnen des Menschen und Ochsen gesehen. Die Grösse der Purkinje’schen Zellen variirt bedeutend. Es Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 217 übt aber die Grösse der Thiere keinen Einfluss auf ihre Grösse. Es kommt vor, dass kleine Thiere grosse Zellen besitzen und umgekehrt. Die Gestalt der Purkinje’schen Zellen ist mannigfaltig und hängt davon ab, wie viele Fortsätze von einer Zelle weggehen. Wenn nur zwei Fortsätze vorhanden sind, so hat auch die Zelle eine regelmässige Gestalt, wenn mehrere (ich habe 4—5 gesehen), so wird ihre Gestalt unregelmässig. Ich erwähnte schon früher, dass einige Vögel (Huhn, Taube) Purkinje’sche Zellen zweierlei Art besitzen: kleinere und grössere. Die kleineren Zellen liegen gewöhnlich an der Convexität der lobuli des Kleinhirns, obgleich auch die seitlichen und die concaven Theile eine genügende Anzahl derselben enthalten. Bei der Eosin- färbung erscheinen diese Zellen fest, ihre innere Struktur, so wie der Kern und das Kernkörperchen treten gar nicht zum Vorschein, so dass die ganze Zelle das Aussehen eines gleichmässigen, stark lichtbrechenden Körpers bekommt. Ihre Länge beträgt 0,027 bis 0,039, die Breite 0,009 bis 0,021 Mm. Der Kern hat die Grösse von 0,009 und das Kernkörperchen von 0,003 Mm. Schon bei früherer Gelegenheit konnte ich bemerken, dass diese Zellen mit anderen Färbemitteln, z. B. mit Carmin, sich besser färben und dass ihre einzelnen Theile schärfer hervortreten, ihre innere Struktur aber, wie sieM. Schultze fand, konnte ich doch nie deutlich unter- scheiden. Diese Zellen liegen an der Convexität der lobuli und be- sonders an den Winkeln, wo der convexe Theil in den Seitentheil übergeht, ziemlich dicht neben einander; in anderen Theilen sind sie spärlicher. Es ist interessant, dass einige Vögel nur kleinere Zellen besitzen und dass dort keine grossen aufgefunden werden konnten. So z. B. bei der Ente. Die feine homogene Hülle umgibt nur locker die Purkinje’sche Zelle und bietet nicht geringe Schwie- rigkeiten nicht nur der Untersuchung der feinen Struktur, sondern ‚auch grösserer Theile: — der Kern und das Kernkörperchen nämlich werden auch bei der Carminfärbung schwer unterschieden. Die Zellen der zweiten Art sind, wie ich schon bemerkte, grösser und grobkörnig. Ihre Länge beträgt: 0,0335 bis 0,051, die Dicke 0,021 bis 0,036 Mm. Das grobkörnige, geschichtete Protoplasma färbt sich schwach mit Carmin und Eosin. Neben dem Kerne ist die körnige Masse dichter und färbt sich mehr dunkel; gegen die Peripherie zu ist sie lockerer und fast farblos. Diese Zellen sind eiförmig oder rund. Sie liegen gewöhnlich in den Seitentheilen der lobuli des 218 Gabriel Denissenko; Kleinhirns, theils isolirt, theils in Reihen, und zwar im ersten Falle ziemlich frei herum, im zweiten Falle aber manchmal so dicht an einander gepresst, dass viele Zellen aus der Reihe herausgedrängt werden und entweder oberhalb oder unterhalb anderer Zellen ihre Plätze einnehmen. Dabei bekommen sie auch eine von den Seiten zusammengepresste Form. Obgleich die einzelnen Elemente im Ganzen ziemlich klein sind, so kann man doch, obgleich selten, runde Zellen von 0,012 Mm. Grösse sehen. Die Kerne der genannten Zellen sind rund, körnig und stechen vom Protoplasma sehr scharf und deutlich ab. Der Kern wird mehr rosaroth gefärbt und hat eine Grösse von 0,009 bis 0,012 Mm. Im Kerne liegt gewöhnlich ein Kernkörperchen von 0,0035 Mm. Grösse. Dieses letztere färbt sich auch schön mit Eosin und Carmin. Diese Purkinje’schen Zellen sind von einer ziemlich genau anliegenden Hülle umgeben, welche sich dadurch von den Hüllen anderer Zellen auszeichnet, dass man in ihren Wandungen Haematoxylinkerne sehen kann, was ich bei einzelnen Thieren nicht bemerkte. Auf den Seitentheilen und dem concaven Theile der lobuli des Kleinhirns des Huhns und der Taube sieht man diese beiden Arten von Zellen und zwar entweder unregelmässig zerstreut oder in ganz regelmässigen Reihen angeord- net, so dass man auf Schnitten einmal diese, das andere Mal die andere Art von Zellen sehen kann. Aehnliche Verhältnisse sieht _ man auch bei einigen Säugethieren (Meerschweinchen). Beim Frosch liegen die Purkinje’schen Zellen nicht in einer Reihe, wie es bei den früher erwähnten Thierklassen der Fall war, sondern in zwei, obgleich eine ganz regelmässige Anordnung fehlt. Die Lagerichtung dieser Zellen ist auch nicht so ganz regelmässig, wie bei den früher besprochenen Thierklassen, wo die Zellen und die von ihnen abgehenden Fortsätze eine zur Peripherie der mole- kulären Schichte mehr vertikale Stellung einnehmen, während hier die Richtung der Zellen und ihrer Fortsätze eine verschiedene ist, - so dass die Zellen nicht selten sich mit einander kreuzen. Diese Zellen haben gewöhnlich eine ovale Form und sind ent- weder kleiner, wobei sie sich auch intensiver färben, oder sie sind grösser und färben sich dann schwächer. Die Grösse der ersteren beträgt im Längsdurchmesser 0,020 bis 0,025 Mm., im Querdurchmesser 0,015 bis 0,020 Mm. Die letzteren besitzen durch- schnittlich eine Länge von 0,035 Mm., eine Breite von 0,030 Mm. Beide Arten von Zellen besitzen einen ziemlich grossen Kern von Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 219 0,015 Mm. Durchmesser. Derselbe ist entweder ganz rund oder länglich. Das Kernkörperchen hat eine Grösse von 0,005 Mm. In den kleinen Purkinje’schen Zellen ist die Quantität des Proto- plasmas unbedeutend und dasselbe bildet eine ziemlich dünne Schichte um den Kern. Die faserige Struktur konnte ich weder in den kleineren noch in den grösseren Zellen des Frosches deutlich be- obachten. Beide Zellenarten haben ihre feinen Hüllen. Bei der Eidechse sind die Purkinje’schen Zellen oval oder birnförmig — 0,021 bis 0,030 Mm. lang und 0,009 bis 0,005 Mm. breit, mit einem ovalen Kerne von 0,015 Länge und 0,009 Mm. Breite, und einem Kernkörperchen von 0,003 Mm. Grösse. Ihre Anordnung so wie ihre Lage ist auch unregelmässig zerstreut oder stellenweise angehäuft. Die sie umgebende Hülle kann man nur mit Mühe sehen. Beim Karpfen sind die Purkinje’schen Zellen mehr spindel- förmig. Ihre Lage ist ganz unregelmässig: horizontal, vertikal oder in schiefen Flächen, die unter verschiedenen Winkeln zur Kleinhirn- oberfläche geneigt sind. Auch ihre Vertheilung ist so unregelmässig, wie bei keiner andern von den früher erwähnten Thierklassen. Man kann sagen, dass sie !/; des unteren Theiles der molekulären Schichte einnehmen und zwar in den verschiedensten Lagen. Sie liegen ent- weder knapp an der Grenze der Körnerschichte und zwar mit ihren Längsdurchmessern in der Längsrichtung der Grenze, oder vertikal oder schief zu derselben, oder es sind dieselben in diesen verschie- denen Lagen im unteren Dritttheil der molekulären Schichte zer- streut. Manchmal liegen sie in Gruppen beisammen, das anderemal einzeln. Ihre Länge beträgt: 0,027 bis 0,045 Mm., die Breite 0,012 bis 0,015 Mm. Der Kern hat 0,012—0,015 Mm. und das Kern- körperchen 0,003 Mm. Durchmesser. Diese Zellen färben sich in- tensiv mit Eosin. Bei dieser Färbung aber kann man die innere Struktur nicht beobachten, es ist sogar schwierig, den Kern und das Kernkörperchen zu sehen — ganz ähnliche Verhältnisse wie bei den kleinen Zellen des Huhns. Wenn man aber das Präparat mit Carmin färbt oder mit Osmiumsäure behandelt, so kann man alle Zellentheile sehr gut wahrnehmen. Die faserige Struktur bleibt aber immer schwer zu erkennen. Der obere Theil der Zelle geht, sich allmählich verjüngend, in den Protoplasmafortsatz über, während der untere Theil der Zelle nicht so allmählich in den Axencylinder- fortsatz übergeht; an der Austrittsstelle des letzteren sieht man 2230 Gabriel Denissenko: gewöhnlich einen Ausschnitt, dessen Bedeutung jedoch für mich un- erklärlich geblieben ist. 7) Die Purkinje’schen Zellen erscheinen auf ihren Quer- und Längsschnitten umgeben von glänzenden, stark lichtbrechenden Ringen, auf deren Aussenseite verfilzte Nervenfasern liegen. Im oberen Theile, neben den Protoplasmafortsätzen, umschliessen diese Ringe die Purkinje’schen Zellen enger; der untere Theil der Zelle wird nur locker von ihnen umgeben. Dieser Umstand führte mich auf die Idee, dass die Purkinje’schen Zellen eigene Hüllen haben müssten. Beim Zerzupfen von ÖOchsenhirnen habe ich auch ein Präparat erhalten, in welchem eine, mit einer Hülle vollständig um- schlossene Zelle vorhanden war. Bei einer anderen Zelle war diese Hülle zerrissen und die Zelle erhielt dadurch eine Aehnlichkeit mit einer Zelle mit zwei Axencylinderfortsätzen. Die Hülle hat den Charakter eines feinen, sich schwach färbenden und stark licht- brechenden Säckchens; sie ist so fein und durchsichtig, dass sie ge- wöhnlich die Untersuchung der feineren Zellenstruktur nicht ver- hindert. Wie ich schon früher bemerkte, wird der obere Theil der Purkinje’schen Zelle am Protoplasmafortsatz von der Hülle ganz dicht umschlossen; im unteren Theile aber, beim Axencylinderfort- satz, umgibt sie die Zelle nur locker, so dass dadurch zwischen der unteren Grenze der Purkinje’schen Zelle und der Peripherie der Hülle ein grösserer oder kleinerer Raum zu Stande kommt. Dieser Raum wird gewöhnlich mit einer körnigen Masse ausgefüllt und erscheint zuweilen durch mehrere feine Spalten in Abschnitte eingetheilt, durch deren einen der Axencylinderfortsatz hindurchgeht. Aber nicht immer werden diese Räume mit der genannten Substanz ausgefüllt. An Präparaten aus den Kleinhirnen des Huhns und Hundes beobachtete ich, dass in diesem Raume sich ein Knäuel dicht verfilzter Nervenfäden befindet. Zuweilen sah ich, dass in diesem Knäuel von aussen Nervenfäden hineingingen, welche die Hülle durchbohrten. Gewöhnlich füllte dieser Knäuel den Raum der Hülle ganz aus. Andererseits kommen auch Zellen vor, deren Hülle ganz dicht von allen Seiten dem Zellenleib anliegt, so dass kein Raum sichtbar ist. Ich fand diese Hülle bei allen von mir untersuchten Thieren, obgleich nicht überall mit derselben Deutlichkeit. 8) Das der molekulären Schichte zugewendete Ende der Pur- kinje’schen Zelle ist ein wenig abgerundet und geht in einen dicken Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 221 Fortsatz über, den sogenannten Protoplasmafortsatz. Die Struktur dieses Fortsatzes ist bei verschiedenen Thieren verschieden. Bei den Säugethieren und speciell beim Menschen, wo seine Struktur besser hervortritt, besteht er, wie dies M.Schultze schon zeigte (36), ‘ aus einer Masse sehr feiner Fäserchen, welche bereits mit dem System VIII von Hartnack ganz gut gesehen werden können. In ihrem Verlaufe gegen die Peripherie theilen sich diese Fortsätze allmälig gewöhnlich in zwei, seltener in mehr Zweige. Bei dieser Theilung kann man immer beobachten, dass der Hauptzweig von der früheren Verlaufsrichtung ablenkt. Diese Eigenthümlichkeit hat Hadlich (15) auf seiner Zeichnung sehr gut dargestellt. An den Theilungsstellen der Zweige kommt gewöhnlich eine Auftreibung in Form eines Dreiecks zu Stande, mit nach einwärts gebogenen Rändern. An dicken Zweigen sieht man bei starken Vergrösserungen, wie sich die Fasern in zwei Theile theilen und dann in die entsprechenden Zweige hineingehen. Ausserdem kann man hier sehr deutlich sehen, dass diese Zweige mit einer dünnen, homogenen Hülle umgeben sind, welche auf der, der Theilungsstelle der Zweige gegenüberlie- genden Seite des Dreiecks mit besonderer Deutlichkeit hervortritt. Auch bei sehr starken Vergrösserungen konnte ich hier keine zelli- gen Elemente entdecken. Die Verzweigung der Protoplasmafortsätze kann man nur in einer Ebene beobachten und zwar sieht man sie nur auf Quer- schnitten der lobuli des Kleinhirns. Auf Schnitten, die in einer anderen, als der beschriebenen Fläche gelegt sind, sieht man wohl einzelne Zweige, aber keine Verzweigung. Fasst man nun einerseits das eben’ Gesagte mit der Beobachtung beim Huhn und der Taube zusammen, wo dicke und feine Fortsätze in parallelen Reihen ab- wechseln, und eine nur ziemlich unbedeutende Dicke einnehmen — so glaube ich behaupten zu dürfen, dass die Verzweigung der Pro- toplasmafortsätze nur in einer Ebene fächerförmig stattfindet und in die Tiefe nur unbedeutend hineingreift. Bei früherer Gelegenheit bemerkte ich schon, dass die Art der Verzweigung der Protoplasmafortsätze, oft so eigenthümlich ist, dass man manchmal sogar aus dieser charakteristischen Verzweigung auf das Thier schliessen kann, von welchem das Präparat gewonnen wurde. Andererseits ist dieser Typus der Fortsätze und ihrer Ver- zweigung bei manchen Thieren mehr gleichartig, bei anderen ver- schieden. So z. B. besteht dieser Typus bei der Ratte, dem Meer- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 15 992 Gabriel Denissenko: schweinchen und dem Wiesel darin, dass bei der Verzweigung der Hauptast gewöhnlich eine bedeutende Ablenkung von der früheren Verlaufsrichtung zeigt, in Folge dessen dann die Fortsätze sich mehr in der Dicke der molekulären Schichte ausbreiten. Beim Hunde zeigen sie zwar eine Uebereinstimmung mit den eben beschriebenen, besitzen aber ausserdem äusserst charakteristische Eigenthüm- lichkeiten, die sich theils auf die Art der Theilung der feinen Fortsätze, theils auf die besonderen Charaktere dieser letzteren be- ziehen. Bei der Katze und dem Widder theilen sich die Fortsätze unter mehr spitzigen Winkeln, in Folge dessen dann der Hauptzweig weniger von der früheren Verlaufsrichtung abweicht. Diese Fort- sätze bilden auf diese Weise pyramidenpappelähnliche Figuren und verlaufen gegen die Peripherie. Beim Menschen ist die Verlaufs- richtung der Fortsätze mehr mit der letzten Form übereinstimmend, obgleich sie auch von dieser ziemlich differiru Das Kaninchen zeigt ein ganz anderes Bild. Hier sind die Verzweigungen seltener und die Fortsätze verdünnen sich allmälig in ihrem Verlaufe gegen die Peripherie. Bei den Vögeln kann man die Fortsätze selbst und die Art ihrer Verzweigung in zwei ganz verschiedene Typen unterscheiden. Einmal findet man nämlich feine 0,003 Mm. messende Fortsätze, die sich intensiv mit Färbemitteln tingiren, und welche den kleineren Pur- kinje’schen Zellen angehören. Dieselben theilen sich in ihrem Ver- laufe im ersten Drittheil der molekulären Schichte unter mehr oder weniger spitzen Winkeln und verlaufen, ähnliche Zweige abgebend, gegen die Peripherie. Auf diese Weise erscheinen sie pinselförmig. Ausserdem zeichnen sie sich durch ihre ausserordentliche Feinheit aus, so dass sie im rothen Hintergrunde in Form dunkler feiner Linien _ erscheinen. Auch hier ist bei der Vertheilung der Hauptzweig von der früheren Verlaufsrichtung abgelenkt und die Nebenzweige gehen bogenförmig auseinander. Beim Huhn und der Taube sind die Zweige ausserordentlich fein; bei der Ente sind die Fortsätze sowie ihre Zweige bedeutend dicker. Im Uebrigen sind sie einander gleich. Die Hülle beobachtete ich nur am unteren Fortsatze, in der Nähe der Purkinje’schen Zelle. In weiterer Entfernung habe ich sie nicht gesehen. Die grösseren Purkinje’schen Zellen besitzen ganz andere Protoplasmafortsätze. Sie haben das Aussehen dicker (0,01 Mm.), lichter, sich schwach mit Garmin und Eosin färbender Fasern. Im Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 223 ersten Dritttheil der molekulären Schichte zerfallen sie in Zweige und kehren manchmal um, zuweilen sich im unteren Dritttheil der molekulären Schichte mit den Fortsätzen anderer Zellen verfilzend und hier ein dichtes Netz bildend. Nachher, oder wenn sie keinen Antheil an der Bildung des Netzes nahmen, verlaufen sie von vorne her wellenförmig, sich allmälig verjüngend und verzweigend gegen die Peripherie. In der Mitte dieses dicken Fortsatzes kann man eine sehr feine dunkle Linie beobachten, welche durch den ganzen Fortsatz hindurchzieht. An der Peripherie bilden diese Zweige ent- weder ein zweites, noch dichteres Netz, als das frühere oder ver- lieren sich in einer unbekannten Weise. Diese beiden Arten von Fortsätzen kann man bei ein und demselben Thiere beobachten, aber nicht alle Vögel besitzen beide Arten. Ausserdem liegen diese Fortsätze beim Huhn und der Taube in regelmässigen Reihen und zwar so, dass Reihen von dünnen und dicken Fortsätzen abwechseln. Daraus kann man schliessen, dass, indem diePurkin je’schen Zellen mit ihren Fortsätzen in regelmässigen Reihen geordnet sind, dieselben auch die lobuli des Kleinhirns in Regionen eintheilen, in welchen entweder die einen oder die anderen Zellen mit ihren Fortsätzen untergebracht sind. Es muss noch bemerkt werden, dass beide Arten von Fortsätzen der Purkinje’schen Zellen so zart sind, dass sie an Zupfpräparaten nicht gesehen werden können. Nur der der Zelle zunächst liegende Theil des Fortsatzes kann dargestellt wer- den. Die Hüllen der beiderlei Fortsätze habe ich auch nicht beob- achten können. | Die Kleinhirnquerschnitte des Frosches (Rana temporaria) und der Eidechse (Lacerta viridis) zeigen auf den ersten Anblick die un- regelmässige Anordnung der Protoplasmafortsätze, welche sich viel- fältig unter einander kreuzen. Aber bei alledem kann man sich doch überzeugen, dass es zwei Hauptverlaufsrichtungen der Proto- plasmafortsätze gibt: die eine schief nach hinten gegen die Peripherie des Kleinhirns gerichtet, die zweite nach vorn, wobei man nicht selten eine dreieckige Stelle sehen kann, deren Basis nach aussen und deren Spitze gegen die Körnerschichte gerichtet ist, in welcher sehr wenige Fortsätze vorhanden sind. Auf diese Weise wird das Kleinhirn durch dieses Dreieck in zwei Theile, einen vorderen und einen hinteren eingetheilt.. Beim Frosch haben die Fortsätze eine Dicke von 0,003—0,006 Mm., färben sich intensiv mit Eosin und Haematoxylin und scheinen eine Hülle zu besitzen. Ihre faserige 394 Gabriel Denissenko: Struktur, so wie die Theilung der Fasern kann man auch beobach- ten. Die Endigungsweise dieser Fortsätze des Frosches war ich nicht im Stande zu erforschen. Bei der Eidechse verlaufen die Zweige gegen die Peripherie der molekulären Schichte und verlieren sich zwischen den Kernen. Der Protoplasmafortsatz des Karpfens bietet in seinem Verlaufe 4 verschiedene, charakteristische Abschnitte: 1. Das Anfangsstück erscheint im Verlaufe von der Purkinje’schen Zelle dureh das untere Dritttheil der molekulären Schichte glatt, fest, mit Carmin, Eosin und Osmiumsäure sich nur schwach färbend. 2. Im weiteren Verlauf verfilzen sich die einzelnen Fortsätze dicht untereinander. Ihre Oberfläche erscheint ein wenig rauh, in Folge dessen, dass sie mit äusserst feinen und kurzen Fäserchen bedeckt sind. Dieser Abschnitt der Fortsätze färbt sich intensiv mit Garmin, Eosin und Osmiumsäure. 3. Weiter kommen sie in eine lockere, grobkörnige Schichte und verlaufen, sich stellenweise verzweigend, gegen die Peripherie. Ihre Oberfläche wird hier noch mehr rauh und sie fär- ben sich nur schwach mit den früher genannten Mitteln. Endlich 4. wenn die Fortsätze an die Peripherie gelangen, so zerfallen sie in äusserst feine Zweige, welche sich nur sehr schwach färben und zwischen die peripheren Kerne eintreten, wo sie sich verlieren. Die Verzweigung der Fortsätze kann man nicht selten beobachten und dieselbe geschieht unter einem mehr rechten Winkel. An der Ver- zweigungsstelle pflegt eine Verdickung vorzukommen. Eine genauere Untersuchung lehrt, dass die Fortsätze eine faserige Struktur be- sitzen und dass die oberflächliche Rauhigkeit derselben ihrer Hülle angehört. Aus der vorliegenden Beschreibung geht hervor, dass die Pro- toplasmafortsätze aller Thiere gegen die Peripherie der molekulären Schichte verlaufen. Nun entsteht die Frage: Wo und wie endigen dieselben? Ueber diese Frage existiren 4 verschiedene Meinungen: 1. Kölliker glaubt (22), dass die Fortsätze nach ihrer Ankunft an der Peripherie in knopfförmige Endigungen übergehen. 2. Gerlach (12) und mit ihm Hess, Rutkowski, Oberstei- ner, Hadlich, Boll und Andere behaupten, dass diese Fortsätze in sehr feine Zweige zerfallen, zur Peripherie der molekulären Schichte gelangen, dann wieder umkehren, in die Körnerschichte gelangen, wo sie die Kerne durchsetzen und sich dort verlieren. 3. Rindfleisch (34) behauptet, dass die Fortsätze in feinen Zur Frage über den Bau d, Kleinhirurinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 225 varicösen Fäden endigen, an deren Enden Stücke molekulärer Sub- stanz haften. 4. Golgi (10) meint, dass die letzten Zweigchen der Pro- toplasmafortsätze an der Peripherie der molekulären Schichte sich mit Bindegewebskörperchen vereinigen, welche ihre Fortsätze in die Körnerschichte absenden und dort mit dem Axencylinderfortsatz zu- sammenhängen. Die Meinung Kölliker’s kann ich nicht bestätigen. Was die Behauptung Gerlach’s anbelangt, so wird mir dieselbe dadurch unwahrscheinlich, dass ich solche rücklaufende Zweige der Protoplas- mafortsätze, wie er sie zeichnet und was eine ganze Reihe seiner An- hänger bestätigte, nicht sehen konnte. Man sieht zwar bei jungen Thieren, dass feine Fasern gegen die Peripherie der molekulären Schichte verlaufen, welche an der Oberfläche bogenförmig nach innen abbiegen. (Obersteiner) (30). Dieser Umstand hat am meisten dazu beigetragen, dass Gerlach sein oben beschriebenes Schema aufstellte und dass dasselbe von vielen Anderen angenommen wurde. Die von Obersteiner beschriebenen Fasern sind aber keine Fasern des Protoplasmafortsatzes, sondern besitzen einen bindegewebigen Charakter. Von der Behauptung Rindfleisch’s muss ich be- merken, dass man an Zupfpräparaten solche Bilder, wie er sie zeichnete, wirklich sehen kann. Weil ich aber diese molekuläre Masse nur für die Zwischensubstanz, nicht aber für nervöse Elemente halte, so kann ich auch eine wirkliche Endigung der Purkinje’- schen Fortsätze in dieser Weise nicht annehmen. Die Ansicht Golgi’s erscheint mir noch am wahrscheinlichsten, obgleich sie auch nicht ganz vorwurfsfrei ist. Seine Behauptung nämlich, dass die Protoplasmafortsätze sich mit Bindegewebszellen verbinden, ist nicht stichhaltig, wie ich das schon früher auseinandergesetzt habe. Ich konnte schon bei früherer Gelegenheit bemerken, dass an der Peripherie, so wie in der ganzen Dicke der molekulären Schichte Zellenformationen besonderer Art vorkommen, deren Kerne man bei einigen Thieren mit grosser Leichtigkeit beobachten kann. Zu diesen Formationen verlaufen die letzten Endigungen der Protoplasmafort- sätze. Es kommen nämlich die letzten Zweigchen der Fortsätze an die genannten Kerne, theilen sich in zwei Theile und umfassen schlingenförmig einen Kern oder eine Gruppe derselben, so dass sie eine Art Einfassung für dieselben bilden. Diese Verhältnisse kann man sehr deutlich an Präparaten von Meerschweinchen sehen. IS II © Gabriel Denissenko: Endlich habe ich bei einigen Thieren (besonders deutlich beim Hund) neben den genannten Verhältnissen noch andere angetroffen. Von den peripheren Zeilen, oder besser gesagt, Kernen, gehen feine, schön gefärbte, glatte, unter einander parallel verlaufende Fasern durch die ganze Dicke der molekulären Schichte, welche an der Grenze der Körnerschichte seitwärts abbiegen und sich in einer un- bekannten Weise verlieren. Was für eine Bedeutung die genannten Fasern besitzen, ist mir ganz unerklärlich. Es ist zweifellos, dass diese feinen Fasern auch bei anderen Thieren existiren; wie sie sich aber hier zu den peripheren Kernen der molekulären Schichte ver- halten, konnte ich nicht hinreichend deutlich sehen. 9) Bei der Betrachtung der Querschnitte der lobuli des Klein- hirns überzeugte ich mich, dass ein Theil der körnigen Substanz aus Querschnitten von Fasern besteht. Besonders schöne diesbe- zügliche Bilder lieferten Kleinhirnquerschnitte vom Schaf und (zum Theil) der Katze. Hier bilden diese Fasern im unteren Theile der molekulären Schichte zuweilen einen ziemlich bedeutenden Abschnitt. An Schnitten, die parallel der Oberfläche des Kleinhirns gelegt sind, oder in der Längsrichtung der lobuli, sieht man, dass feinere oder dickere Fasern (bei verschiedenen Thieren ist das verschieden) the ils in. der Längs- theils in der Querrichtung des lobulus verlaufen und sich unter einander kreuzen. Der grösste Theil dieser Fasern liegt im unteren Theile der molekulären Schichte, obgleich sie auch im oberen Theile nicht selten vorkommen. Eine ähnliche Zeichnung findet man bei Stieda (39), welcher behauptet, dass diese Fasern Verbindungszweige verschiedener Abschnitte der Protoplasmafortsätze sind. Dagegen lässt sich aber folgendes einwenden: 1. Die Proto- plasmafortsätze verzweigen sich in der Länge der lobuli nur in unbedeutender Ausdehnung, während man die genannten Fäden auf eine grössere Ausdehnung verfolgen kann. 2. Die Dicke dieser Fä- den ist in der ganzen Ausdehnung eine und dieselbe, während sie bei den Protoplasmafortsätzen nach kurzem Verlaufe sich ändert. 3. Die Fäden selbst erscheinen ausserordentlich glänzend und be- stehen aus einer homogenen Substanz, während die Protoplasma- fortsätze mehr faserige Struktur zeigen. Wenn man endlich die von mir beschriebene Endigungsweise der Protoplasmafortsätze im Auge hält, so muss man gestehen, dass solche Verbindungszweige vollkommen überflüssig erscheinen. Aus diesen Gründen möchte ich diesen Fasern keine Beziehungen zu den Protoplasmafort- Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 227 sätzen zugestehen, sondern glaube, dass es nur Bindegewebs- fasern sind. | 10) Bezüglich der Blutgefässe haben meine Untersuchungen keine erwähnenswerthen Resultate ergeben. Il. Die Körnerschichte. Ein doppelt gefärbter Querschnitt des Kleinhirns des Menschen zeigt bei der Untersuchung mit dem System V Hartnack folgende Elemente: 1) Eine grosse Menge von Kernen, die sich mit Haema- toxylin färben. 2) Mit Eosin gefärbte Zellen. 3) Ganglienzellen. 4) Ein dichtes Netz von Nervenfasern. 5) Blutgefässe. Im Folgen- den will ich in Kürze die erwähnten Elemente beschreiben. 1) Betrachtet man einen dünnen, nach unserer Methode doppelt gefärbten Querschnitt des Kleinhirns der Ratte mit System IV Hartnack, so sieht man im Sehfelde eine Menge violetter Flecke, welche dicht neben einander liegen und durch sehr feine, grell roth gefärbte Gänge von einander getrennt sind, welche bald breiter, bald enger werden und, mit einander kommunizirend, ein ziemlich dichtes Netzwerk bilden. Dieses Netzwerk erstreckt sich durch die ganze Körnerschichte, von der Faserschichte angefangen bis zur moleku- lären Schichte. Die Präparate aus dem Kleinhirn des Menschen liefern ein anderes Bild. Hier sind im rothen Felde kleine Zellen zerstreut, theils einzeln, theils in Reihen, die in verschiedenen Rich- tungen verlaufen. Die Kerne dieser Zellen färben sich mit Haema- toxylin. Diese Kerne sind von einer nur unbedeutenden Menge lichten Protoplasmas umgeben, so dass sie eben mehr als violette Kerne erscheinen, die im farblosen oder schwach rosaroth gefärbten Proto- plasma liegen. Das sind die Zellen, welche ich bereits früher als sogenannte »Haematoxylin-Zellen« bezeichnete. Die Reihen dieser Zellen umfassen in der Dicke 2 oder 3 Lager. Indem diese Reihen von Zellen in verschiedenen Richtungen verlaufen, und sich mit einander verbinden, — umgrenzen sie kleine Bezirke des Seh- feldes. Sehr deutliche Bilder bekommt man von Präparaten, die mit Damarlack durchsichtig gemacht und darin oder im Ganadabal- sam eingeschlossen wurden. Legt man aber einen dünnen gefärbten Schnitt in Glycerin und untersucht ihn mit der Imersion X Hart- nack, so bekommt man folgendes Bild: Rings um die Gruppen der Eosinzellen — so sollen vorläufig die in Eosin sich besonders fär- benden Elemente bezeichnet werden — liegen in zwei oder mehr 228 Gabriel Denissenko: Reihen die Haematoxylinzellen, deren polygonale Kerne von einan- der nur durch sehr feine, lichte Streifen geschieden sind, oder durch schwach mit Eosin gefärbtes Protoplasma, wodurch die Kerne noch mehr polygonal erscheinen. Dieses lichte Protoplasma ist beim Menschen nicht scharf nach Zellengrenzen gesondert, so dass zwischen je zwei Kernen eine ungetheilt 0,001—0,002 Mm. dicke Schichte Protoplasma liegt. An Zupfpräparaten, die mit verdünntem Alkohol Ranvier’s behandelt und mit Carmin geffrbt wurden, sieht man im Sehfelde eine grosse Menge 0,006— 0,075 Mm. grosser Kerne herumschwimmen, welche nicht selten in angesäuertem Glycerin ein Kernkörperchen von 0,0015 Mm. Grösse hervortreten lassen. Diese Kerne sind Kerne der früher beschriebenen Haematoxylinzellen, welche ihren Protoplasmamantel verloren haben. Bei genauerer Unter- suchung erscheinen diese Kerne nicht rund, sondern mehr polygonal, nicht selten 5 oder 6eckig. Uebrigens tritt die polygonale Form der Kerne, welche ihres Protoplasmas beraubt wurden, weniger deutlich hervor. Zuweilen findet man aber eine ganze Gruppe solcher Kerne, die unter einander durch das helle Protoplasma verbunden sind; in diesem Falle erscheinen die Kerne polygonal und das ganze Bild wird mehr dem von Schnitten gewonnenen Bilde ähnlich. Bei der Beobachtung dieser in der Flüssigkeit schwimmenden Kerne sieht man, dass dieselben beim Herumschwimmen in ein und derselben Lage verharren, woraus ich schliesse, dass der Schwer- punkt derselben nicht in ihrer Mitte, sondern an einem Rande oder an einem Winkel sich befindet. Wenn man aber bedenkt, dass diese Kerne eine pyramidale Form haben, so lässt sich dieser Umstand, dass sie beim Schwimmen ihre Lage nicht verändern, leichter erklären. Alle Autoren zeichnen diese Kerne rund oder oval; ich bin aber überzeugt, dass sie polygonal sind und wiederhole, dass diese winklige Form nur bei sehr genauer Beobachtung gut erkannt werden kann. So sind die Verhältnisse beim Menschen. Bei Thie_ ren, bei welchen rings um den Kern sich mehr Protoplasma befindet (Huhn, Taube, Meerschweinchen u. a.) ist diese polygonale Gestalt weniger ausgeprägt. Die Grösse der Kerne variirt nicht bedeutend, aber die Quan- tität und Qualität des sie umgebenden Protoplasmas spielt -eine wichtigere Rolle. Beim Frosch habe ich die grössten Kerne gesehen Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 229 von 0,0135 bis 0,0150 Mm. Länge und 0,0120 Mm. Breite. Beim Menschen haben sie eine Grösse von 0,006 bis 0,009 Mm., beim Ka- ninchen 0,009, beim Meerschweinchen 0,009, beim Huhn 0,0045 bis 0,0075, beim Karpfen 0,006 bis 0,0075, bei. der Eidechse 0,006 Mm. Daraus sieht man auch, dass die Grösse der Thiere keinen Einfluss auf die Grösse der Kerne übt. Das Protoplasma bietet bei verschiedenen Thieren besondere Eigenthümlichkeiten dar. So ist es beim Menschen gewöhnlich hell oder mit Eosin nur schwach rosaroth gefärbt, bei der Ente und der Katze färbt es sich intensiver, beim Huhn färbt es sich schwach hellblau und bei der Ratte bläulich. Es erscheint als eine sehr zarte, leicht zerstörbare Substanz. Beim Menschen sind, wie bemerkt, die Zellengrenzen der Haematoxylinzellen nicht wahrnehmbar; bei der Ente sind sie schon deutlicher, noch mehr beim Huhn und beim Kaninchen. Bei der Ratte ist dieses Verhältniss auch ziemlich gut ausgesprochen, aber die dunkle Färbung des Zellenprotoplasmas er- schwert etwas die Unterscheidung der Grenzen. Auch wechselt die Quantität des Zellenprotoplasmas bei verschiedenen Thieren. So sind beim Huhn diese Kerne mit einer 0,003 Mm. dicken Schichte Protoplasma umgeben; beim Kaninchen besteht beiläufig dasselbe Verhältniss. Beim Karpfen, wo ich eine genaue Abgrenzung des Protoplasmas nicht sehen konnte, beträgt die Dicke des zwischen zwei Kernen liegenden Protoplasmas 0,002 Mm., beim Menschen 0,0015 Mm. Jedem Kern muss davon also die Hälfte zugerechnet werden. Beim Frosch liegen die Kerne so dicht bei einander, dass man nur in den Winkeln, wo mehrere Kerne zusammenstossen, etwas Protoplasma sehen kann, so dass dasselbe hier nur sehr spärlich vorhanden ist. Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass diese Körper mit Recht als vollständige Zellen betrachtet werden können. Die schon früher beschriebene verschiedene Vertheilung der Haematoxylinzellen in Reihen, Gruppen, oder einzelweise führte mich zur Frage: wozu denn eigentlich diese Zellen in so grosser Menge im Kleinhirn vor- handen sind? Um diese Frage lösen zu können, untersuchte ich möglichst feine Schnitte unter bedeutender Vergrösserung (System 8—9 von Hartnack) und bemerkte, dass diese Zellen nicht selten rings um Oeffnungen angebracht sind, die eine unregelmässige, eckige Form besitzen. An dickeren Präparaten konnte man bei verschie- dener Einstellung sehen, dass von diesen Oeffnungen Kanäle ab- 230 Gabriel Denissenko: sehen, deren Wände auch von diesen Zellen belegt sind. Anderer- seits habe ich manchmal folgendes Bild bekommen. Wenn der Schnitt durch die Reihen der Zellen längsverlaufend gelegt war, so sieht man deutlich den der Länge nach verlaufenden Kanal, dessen Wände von diesen Zellen gebildet werden. Solche oder gar ähnliche Ver- hältnisse habe ich fast bei allen von mir untersuchten Gehirnen an- getroffen. Dieses gilt auch vom Menschen. Aus diesem Grunde glaube ich, dass diese Zellen dazu dienen, um die genannten Kanäle zu bilden, wofür auch ihre Anordnung in Reihen spricht. Was die Bedeutung dieser Kanäle anbelangt, so glaube ich, dass dieselben Lymphe führen. Aber nicht alle Haematoxylinzellen betheiligen sich an der Bildung dieser Kanäle, ein Theil derselben oder Zellen, die den Haematoxylinzellen äusserst ähnlich sind, kommen einzeln, zer- streut oder in einer Reihe angeordnet, vor und liegen an der Grenze der Faserschichte oder sogar in derselben. Ihre Bedeutung ist mir unerklärlich. Ausserdem findet man hier noch andere Zellen, deren Kerne sich mit Haematoxylin färben — das sind aber die Kerne der Deiters’schen Zellen und der Capillargefässe. Jetzt entsteht die Frage, ob die genannten Zellen Fortsätze abgeben, wie dies Gerlach (12), Obersteiner (30) und Andere behaupten. Viele Beobachter nehmen, Gerlach folgend, an, dass die Kerne sich mit den Nervenelementen vermittelst feiner Fäden verbinden, nämlich vermittelst der feinen Zweigchen der Protoplas- mafortsätze. Ich bin fest überzeugt, dass die Haematoxylinzellen keine Fortsätze abgeben, dass sie sich auch mit keinen Fortsätzen der Purkinje’schen Zellen verbinden — und um so weniger in der Weise durchbohrt sein können, wie dieses Gerlach und Ober- steiner zeichneten. Uebrigens konnte ich nicht selten an Zupf- präparaten die von den erwähnten Forschern beschriebenen soge- nannten durchbohrten Kerne sehen und mich leicht überzeugen, um was es sich hier handelt. Wenn man nämlich demselben Präparate eine andere Lage gibt, z. B. dasselbe nicht horizontal, sondern ver- tikal stellt, so dass die einzelnen Theile derselben die Möglichkeit erlangen, eine andere Stellung zu einander einzunehmen, so sieht man, dass die Kerne, welche früher von den Fasern durchbohrt zu sein schienen, von den letzteren sich weit entfernten oder eine ganz andere Lage zu denselben einnahmen. Wie soll man sich aber die Zeichnung von Waldeyer (44) erklären? Ich habe öfters Gelegen- heit gehabt, Verbindungen ähnlicher Art zu beobachten und glaube, Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 231 dass sich hier nicht die blossen Gerlach’schen Kerne, oder unsere Haematoxylinzellen, welche keine Fortsätze besitzen, sondern die unter Nro. 2 von mir beschriebenen keulenförmigen Zellen der molekulären Schichte mit einander verbinden. Auch betreffen diese Verbindungen die Ganglienzellen, welche in der Körnerschichte in grösserer Anzahl zerstreut sind, und vermittelst ihrer Fortsätze sich mit einander und anderen Elementen verbinden können. R Die Eigenthümlichkeiten dieser Zellen bestehen fermer nicht nur darin, dass sich ihre Kerne besonders mit Haematoxylin und Carmin färben, sondern, dass dieselben, ähnlich wie die Kerne der Deiters’schen Zellen und der Capillargefässe, sich mit Purpurin rosaroth färben. Was das Purpurin anbelangt, so muss ich bemerken, dass es in der Form, wie es von Ranvier zur Untersuchung des Bindege- webes des Hirnes vorgeschlagen wurde, keine Vorzüge vor dem Haematoxylin hat, ja aus manchen Gründen diesem sogar nach- steht. Man kann nämlich das Haematoxylin längere Zeit aufbewah- ren, während das Purpurin jedes Mal frisch bereitet werden muss, was ziemlich unangenehm und zeitraubend ist. Ferner kann man mit Haematoxylin verschiedene Doppelfärbungen vornehmen, während das Purpurin dies nicht zulässt. Auch färbt das Haematoxylin schneller, während das Purpurin 24 Stunden dazu fordert. Beide Färbemittel färben dieselben Theile bei denselben Zellen. Der ein- zige Vorzug des Purpurins ist der, dass die mit demselben gefärb- ten Präparate einer gelinden Einwirkung der Essigsäure unterworfen werden können, während das Haematoxylin sich dabei entfärbt. Auch färbt das Purpurin diejenigen Präparate, welche zuerst mit der Müller’schen Flüssigkeit, dann mit Alkohol behandelt wurden, sogleich doppelt, nämlich: die Kerne rosaroth, und das übrige Ge- webe braunroth mit verschiedenen Nüancen. Diese Behandlung er- weist sich vortheilhafter als die von Ranvier vorgeschlagene. Das Gold färbt die Zellen an Spirituspräparaten blöulich und das Silber dunkelgelb. Ich muss aber bemerken, dass die zwei letzten Rea- gentien auf die Nervenelemente anders einwirken. 2) Betrachtet man die schon früher erwähnten mit Eosin roth gefärbten Flecke der Körnerschichte des Menschen bei starker Ver- grösserung, so sieht man, dass ein jeder von denselben aus einer ganzen Gruppe von Zellen besteht, die dicht neben einander liegen und durch feine Fortsätze unter einander verfilzt sind, welche in 232 Gabriel Denissenko: srösserer Anzahl von einer jeden Zelle abgegeben werden. Dieser Umstand verhindert nicht nur die Untersuchung der Zellengren- zen, sondern auch ihrer Structur. Es erscheinen nämlich diese Zellengruppen auf Schnitten in Form von Protoplasmahäufchen und erst die genauere Beobachtung lehrt, dass es Zellenformationen sind von 0,0045 bis 0,0060 Mm. Grösse, mit einem nur selten und mit Mühe zu unterscheidenden Kerne. Die Untersuchung dieser Zellen an Zupfpräparaten ist ziemlich schwierig, weil die Zellen von ver- schiedenen sie umgebenden Elementen nicht leicht zu unterscheiden sind, und andererseits trägt ihre undeutliche Begrenzung und un- bedeutende Grösse dazu bei, dass dieselben sehr leicht übersehen, oder mit anderen Elementen verwechselt werden können. Bei ver- schiedenen Säugethieren bieten diese Zellen besondere Eigenthüm- lichkeiten. So liegen diese Zellen bei der Katze grösstentheils auch stellenweise angehäuft und die ganze Gruppe ist von mehr oder weniger dicken Fasern umgeben, wodurch sie eine unregelmässige — polygonale Gestalt annimmt. Diese Gruppen haben eine Länge von 0,021 bis 0,030, eine Breite von 0,012 bis 0,021 Mm. und bestehen aus runden, 0,003 bis 0,006 Mm. grossen Elementen. Ins Innere solcher Gruppen geht eine grosse Menge feiner Fasern hinein und verliert sich dort. Bei der Ratte kann man diese Elemente aus dem Grunde gut beobachten, weil hier das Protoplasma der Haematoxylinzellen dunkel ist und die Eosin-Elemente schärfer her- vortreten. Beim Huhn erscheinen diese Zellen rundlich, auch mit sehr undeutlichen Contouren und bestehen aus einer sehr feinkörni- gen Substanz. Hier konnte ich nicht immer die einzelnen Elemente unterscheiden. Beim Frosch kommen dieselben seltener als bei ir- gend einem anderen Thiere vor. Ihre Grösse beträgt 0,006 bis 0,0075 Mm.; einen Kern kann man nicht sehen. Beim Karpfen haben sie sehr verschiedene Formen, sind 0,0075 bis 0,010 Mm. lang, und 0,0045 bis 0,0060 Mm. breit. Ihr Kern hat eine Grösse von 0,005 Mm. Ueberhaupt ist die Form dieser Zellen bei allen Thieren bald rund, bald unregelmässig. Die letztere Form findet man gewöhnlich dann, wenn viele Zellen dicht neben einander liegen, während die vereinzelt liegenden Zellen meist rund sind. Diese Zellen oder die Gruppen derselben pflegen in grösserer Menge im convexen Theile und in den Seitentheilen des Kleinhirns in der Körnerschichte vorzukommen, obgleich sie auch im concaven Theile in genügender Menge vorhan- Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 233 den sind, in diesem Falle nicht selten einzeln herumliegend oder in Reihen zwischen dicken Nervenfasern. In der Körnerschichte sind diese Gruppen von Zellen entweder von Nervenfasern oder von einem Ringe von Haematoxylinzellen umgeben. Den Reagentien gegenüber verhalten sich diese Zellen ganz “ anders als die Haematoxylinzellen. So werden ihre Kerne mit Hae- matoxylin gar nicht, mit Carmin nur sehr schwach gefärbt. Mit Eosin färben sie sich schwach rosaroth. Das Purpurin färbt Prä- parate, die mit doppeltchromsaurem Ammoniak behandelt wurden, gar nicht; bei den Spirituspräparaten werden die Eosinzellen röth- lich zimmtfarben gefärbt, ähnlich wie die Purkinje’schen Zellen und deren Fortsätze. Die Spirituspräparate werden auch von Gold und Silber, namentlich in ihren Eosinzellen dunkel zimmtfarben ge- färbt, eine ähnliche Reaktion liefern auch die Ganglien- und Pur- kinje’schen Zellen. Diese Zellen sind so zart, dass sie in stark durchsichtigmachenden Flüssigkeiten, (Nelkenöl, Terpentin, Canada- balsam, Damarlack), nicht einmal gesehen werden können und an ihrer Stelle sieht man nur rothe Flecke, von welchen manchmal feine Fortsätze abgehen, die in verschiedene Richtungen verlaufen. Aus dem Gesagten erhellt, dass diese Zellen einen ganz an- deren Charakter besitzen, als die früher beschriebenen Haematoxylin- zellen, und dass sie nach ihrem Charakter und chemischen Reaktionen den Nervenelementen beizuzählen sind. 3) Die Ganglienzellen. Dieselben werden in der Körner- schichte in noch mehr verschiedenartigen Formen und Grössen als in der molekulären Schichte angetroffen. Ihre Form ist entweder oval, rund, unregelmässig oder sternförmig. Ihre Grösse variirt auch bedeutend. Manchmal sind sie 2—5 mal kleiner als die Purkinje’- schen Zellen (beim Menschen), oder sie sind gleich, oder übertreffen sogar die letzteren an Grösse (beim Frosch). Sie sind entweder in der ganzen Körnerschichte unregelmässig zerstreut, oder sie werden, in regelmässigen Reihen geordnet, ziemlich constant an gewissen Stellen angetroffen. Zu letzteren gehören Ganglienzellen, die an der Grenze zwischen den Purkinje’schen Zellen und der Körnerschichte liegen und mit einer grossen Menge feiner Nervenfasern umflochten sind. Diese ‚letzteren Zellen haben eine ovale oder runde Gestalt, 0,015—0,030 Mm. Länge und 0,015—0,024 Mm. Breite. Sie sind nicht nur beim Menschen und anderen Säugethieren, sondern auch bei den Vögeln vorhanden. In zwei Fällen konnte ich sehen, dass der Axencylinder- 234 Gabriel Denissenko: fortsatz der Purkinje’schen Zellen zu den beschriebenen Ganglien- zellen verlief, aber sein weiteres Schicksal ist mir unbekannt ge- blieben. Die in der Körnerschichte zerstreut liegenden Ganglienzellen . sind entweder von Nervenfäden dicht umflochten oder von Haema- toxylinzellen umgeben. Bei einigen Thieren, z. B. der Katze, liegen die Ganglienzellen in der Weise, dass das eine Ende derselben sammt den Fortsätzen der molekulären Schichte zugekehrt ist, das andere geht mit dem Axeneylinderfortsatz durch die Körnerschichte in die Faserschichte. 4) Die Verlaufsrichtung der Fasern der Körnerschichte bietet grosse Mannigfaltigkeiten. Einerseits verlaufen dieselben durch die ganze Dicke der Körnerschichte, von der Faserschichte angefangen und verlieren sich in der molekulären Schichte; anderer- seits verlaufen sie in verschiedenen schrägen und Längsrichtungen und bilden, sich unter einander kreuzend, ein dichtes Netzwerk, in dessen Maschen alle beschriebenen Elemente angebracht sind. Bei genauerer Beobachtung kann man drei Arten von diesen Fasern unterscheiden: a. Faserzüge, welche zwischen den Purkinje’schen Zellen und der Körnerschichte an der Oberfiäche derselben liegen. b. Eine grosse Anzahl von Fasern, die sich verschiedenartig unter einander kreuzen. c. Die Axencylinderfortsätze der Purkinje’schen Zellen. a. An der Grenze der molekulären und der Körnerschichte, zwischen der letzteren und den Purkinje’schen Zellen liegen Bün- del von Fasern, die der Oberfläche der lobuli parallel verlaufen, so dass sie die Körnerschichte gleichsam bedecken. Golgi (11). Diese Faserbündel besitzen nicht überall gleiche Dicke, sondern sind stellenweise bald dicker, bald dünner, und stellen auf diese Weise eine Kette dar. In dem erweiterten Faserbündel sind gewöhnlich in der Mitte grössere oder kleinere Ganglienzellen von ovaler oder runder Form angebracht. Diese Faserknäuel verbinden sich nicht nur untereinander, sondern entsenden eine grosse Anzahl von Fasern nach verschiedenen Richtungen. So sieht man einer- seits nicht selten, dass eine grössere Menge der beschriebenen Fasern zu den Purkinje’schen Zellen verlaufen, ihre Hüllen von allen Seiten umgeben und theilweise auch sich an dieselben anheften; andererseits kann man auch sehen, dass diese Fasern sich in die Tiefe der Körnerschichte begeben, entweder in Form dichter Bündel oder zerstreut, Gruppen von Haematoxylinzellen verschiedenartig Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 235 umflechtend, auch in grosser Menge in die molekuläre Schichte über- gehend; ihren weiteren Verlauf konnte ich aber nicht beobachten. Die Bündel dieser Fasern liegen manchmal der molekulären Schichte fester an, während sie gewöhnlich mit der Körnerschicht zusammen- hängen. L b. Ausserdem findet man Fasern von verschiedener Dicke, welche in verschiedenartigen Richtungen verlaufen und “sich mit einander unter verschiedenen Winkeln kreuzen. Die Aus- gangspunkte dieser Fasern sind nicht immer leicht zu finden. An Präparaten aus dem Kleinhirn der Ratte sieht man nicht selten, dass diese Fasern von einer Gruppe der Eosinzellen zu einer anderen ver- laufen, und dieselben mit einander verbinden. In anderen Fällen sieht man, dass sie aus dem Innern der Körnerschichte heraus- kommen, zur molekulären Schichte einzeln oder in grösseren Bündeln verlaufen und sich darin verlieren. Beim Menschen sind sie sehr fein, bei der Katze nicht selten ziemlich diek. Aber ihren weiteren Verlauf konnte ich nicht über eine grössere Strecke verfolgen. Auch kann man zuweilen sehen, dass eine grössere oder geringere Masse von Fasern zu den Hüllen der Purkinje’schen Zellen geht, welche sie umspinnen und an welcher sie sich in Form einer Garbe anheften. Schliesslich soll noch erwähnt werden, dass die Ganglien- zellen der Körnerschichte zwei Fortsätze abgeben, einen in die mole- kuläre Schichte, den anderen in die Faserschichte. Die beschriebenen Fasern erscheinen bei unserer Untersuchungs- methode in Form verschieden dicker Fäden, welche in den verschie- densten Richtungen verlaufen. Eine genaue Beobachtung lehrte, dass man an ihnen 2 verschiedene Theile unterscheiden kann. In der Mitte verläuft eine mit Eosin schwach gefärbte Faser, die von einer ziemlich dicken Schichte einer lichten Masse umgeben ist. An Zupfpräparaten, die mit verdünntem Alkohol von Ranvier, oder mit der Müller’schen Flüssigkeit, oder mit Kochsalzlösung behan- delt wurden, konnte man eine grosse Anzahl intensiv mit Carmin gefärbter Fasern sehen. Diese Fasern stellen eine homogene Masse dar, in welcher man auch bei starken Vergrösserungen keine feinere Structur unterscheiden kann. Man kann diese Fasern in der ge- nannten Form ziemlich weit verfolgen und nur manchmal schien es, dass ein Stück einer lichten oder nur schwach gefärbten Masse die- selben fest umschlossen hat. Endlich überzeugte ich mich an Präparaten vom Huhn, welche mit Osmiumsäure (Y/soo bis 1/1000) 236 Gabriel Denissenko: behandelt wurden, dass die nackten Fasern, wie ich sie früher be- schrieben habe, nur sehr selten vorkommen, und dass diese Fasern einfach Axencylinder waren, die bei der Manipulation ihrer weichen Hülle beraubt wurden. Diese Hülle erscheint in Form einer ziem- lich dieken Schichte einer ausserordentlich weichen Marksubstanz, welche den Axencylinder fest umschliesst. Auch sah ich eine Menge von Nerven, deren Dicke kaum 0,002 Mm. und sogar weniger betrug, welche aber dennoch immer einen Axencylinder enthielten, der in Form einer sehr feinen Linie erschien, deren Dicke man aber zu bestimmen nicht im Stande war. Das Nervenmark zeichnet sich durch eine so grosse Zartheit aus, dass es sich bei einer jeden, etwas stärkeren Einwirkung der Reagentien oder schon durch ein- faches Liegen an der Luft verändert, in der es varicös wird. Auch kommen varicöse Axencylinder vor. ce. Die Purkinje’schen Zellen entsenden, wie bekannt, 2 Fort- sätze, welche in entgegengesetzten Richtungen verlaufen. Der eine von ihnen ist an dem etwas dickeren Ende der Purkinje’schen Zelle angesetzt und begibt sich in die Körnerschicht — das ist der Axencylinderfortsatz. Seine hauptsächlichste Eigenthümlichkeit be- steht darin, dass er constant nur einzeln vorkommt. Die Dicke des Axencylinderfortsatzes, in der Form, wie er von Koschewnikoff (23) beschrieben wurde, — pilegt bei verschie- denen Thieren eine verschiedene zu sein. So stellt er beim Kalb einen ziemlich dicken Faden .dar; bei der Katze ist er dünner. Beim Menschen wird er in einer Entfernung von 0,045—0,060 Mm. von der Purkinje’schen Zelle zu einem so ausserordentlich feinen Fa- den, dass man seine Dicke nicht leicht bestimmen kann. Die von Koschewnikoff beschriebene Einschnürung des Axencylinderfort- satzes in der Nähe der Purkinje’schen Zelle existirt wirklich, ob- gleich nicht bei allen Thieren und nicht immer deutlich ausgespro- chen. Ich glaube, dass diese Einschnürung der Stelle entspricht, wo der Axeneylinderfortsatz vor seinem Austritte aus der Hülle von Nervenfasern umgeben wird. Nach den Untersuchungen von Ko- schewnikoff entspringt der Axencylinderfortsatz aus der Zelle als eine nackte Faser und gewinnt erst im weiteren Verlaufe eine Mark- scheide, und dadurch eine beträchtliche Dicke. Ich habe mich von der Unrichtigkeit dieser Ansicht überzeugt, zu welcher Koschew- nikoff nur durch Untersuchung von Zupfpräparaten gekommen ist. Ich bin im Besitze eines Schnittes vom Kleinhirn der Katze, an Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 237 welchem man sehr deutlich sehen kann, dass der Axencylinderfort- satz gleich nach seinem Austritte aus der Hülle der Purkinje’schen Zelle mit einer Markscheide umgeben ist. Andererseits habe ich auch Schnitte aus dem Kleinhirn des Sperlings, an welchen man deutlich sehen kann, dass die Hülle der Purkinje’schen Zelle in die Scheide des Axeneylinderfortsatzes übergeht. Auch habe ich nicht selten an Präparaten vom Kleinhirn des Menschen gesehen, dass der Axencylinderfortsatz in die Markscheide hineingeht. Es entsteht. jetzt die Frage: Wohin begeben sich die Axen- eylinderfortsätze der Purkinje’schen Zellen? An Präparaten von Kleinhirnen der Katze und der Ratte konnte ich den Verlauf dieser Fortsätze durch die ganze Körerschichte verfolgen und sehen, wie sie in die Faserschichte hineingehen und dort die Richtung der Fasern annehmen. In neuerer Zeit erschienen Untersuchungen von Golgi, in welchen er behauptet, dass der Axencylinderfortsatz (beim Menschen) in seinem Verlauf durch die Körnerschichte eine grössere Anzahl von Zweigen unter rechten Winkeln abgibt. In der Körnerschichte befindet sich, wie ich schon bemerkte, eine grosse Anzahl von Nerven- fasern, welche sich mit dem Axencylinderfortsatz unter verschiedenen Winkeln kreuzen. Ob sich nun viele von diesen Fasern mit dem Axencylinderfortsatz vereinigen, kann ich nicht sagen; überhaupt aber scheinen solche Anastomosen vorzukommen, weil der Axen- eylinderfortsatz während des kurzen Verlaufes, auf welchem ich ihn verfolgen konnte, an Dicke zunimmt, was man sich sonst schwer erklären könnte. Ausserdem beweisen die Untersuchungen von Hadlich (16), dass in der Faserschichte die Nervenfasern sich mit einander ver- binden. III. Die Faserschichte. Die weisse Substanz des Kleinhirns, oder die Faserschichte ist beim Menschen und den Säugethieren besonders stark entwickelt; bei den Vögeln ist sie weniger ausgebildet, weil hier das Cerebellum relativ ziemlich klein ist. Bei den Fröschen und den Eidechsen liegt die Faserschichte zwischen Reihen von Purkinje’schen Zellen und der Körnerschichte; bei den Fischen erscheint diese Schichte in Form grösserer oder kleinerer Faserbündel, welche durch die Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 14. _ 16 238 Gabriel Denissenko: Körnerschichte durchgehen und kleine, zur molekulären Schichte verlaufende Bündel abgeben, Stieda (38). Diese Substanz besteht bei allen Thieren aus ziemlich dicken Nervenfasern, welche durch die Körnerschichte hauptsächlich zu den Purkinje’schen Zellen verlaufen. Alle diese Nervenfasern sind durchgehends markhaltig. Ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften stimmen vollkommen mit denen überein, wie ich sie im vorigen Abschnitt beschrieben habe. In dieser Schichte sieht man Zellen, welche mit Haematoxylin- zellen grosse Aehnlichkeit besitzen und entweder einzelnweise oder in Reihen liegen. Ihre Bedeutung ist mir unbekannt. Zuweilen sieht man hier auch zerstreute Eosinzellen und Ganglienzellen, welche auch in feinen Zweigen des Hirnmarkes gefunden werden. Erklärung der Zeichnungen auf Taf. XII u. XIV. Fig. 1. Ein Schnitt durch das Kleinhirn des Meerschweinchens. 3: VI. (Hartnack). Die weiche Hirnhaut dringt kammförmig in’ die mo- lekuläre Schichte hinein, an deren Peripherie (p), so wie an der ganzen Oberfläche des Präparats kleine Kerne zerstreut sind. Die Protoplasmafortsätze schieken ihre feinsten Endzweige zu denselben und umkreisen sie. Die Deiters’schen Zellen sind deutlich zu sehen. Ein Blutgefäss (dunkel gehalten). 2:VIi. Ein Schnitt durch das Kleinhirn des Huhns. Die breiten Protoplasmafortsätze der grösseren Zellen verlaufen, sich allmählich Fig. D verjüngend, gegen die Peripherie (p), wo noch Reste der Hirnhaut zu sehen sind. Die feinen Zweige der kleinen Purkinje’schen Zellen erscheinen in Form sehr feiner Fädchen. Bei a) sieht man, wie ein feiner Fortsatz an einen Kern herantritt. Bei b) liegen ellipsoide Zellen. Fig. 3. 3:VII A bezeichnet die Verlaufsrichtung der feinen Protoplasma- fortsätze zur Peripherie (p), wo undeutlich bemerkbare Kerne liegen. B zeigt den Charakter der Verzweigung feiner Protoplasmafortsätze. Fig. 4. (vom Karpfen) 3: VI. Verzweigung der Protoplasmafortsätze. Lichte Stellen sind Orte, wo früher die herausgefallenen Zellen lagen. Die dunkeln, starken Linien bezeichnen Blutgefässe. Fig. 5. Ein Schnitt durch das Kleinhirn des Frosches. 3 : 7. Die peripheren Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 239 Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Kerne sind herausgefallen (bei p). Die Deiters’schen Zellen von sternförmiger Gestalt sind deutlich zu sehen. Die Purkinje’schen Zellen liegen in zwei Reihen; unter denselben befinden sich Haema- toxylinzellen. Ein Schnitt durch das Kleinhirn des Menschen. 3: VII. An der Grenze zwischen der molekulären und der Körnerschichte liegt eine Ganglienzelle, umgeben von einer grossen Menge von Nervenfasern, die nach allen Richtungen verlaufen. Die ellipsoiden Zellen mit ihren Haematoxylinkernen liegen höher. Hier liegen auch einige Ganglienzellen, die keine scharfen Umrisse besitzen. Linkerseits von der Purkinje’schen Zelle liegt eine kleine Ganglienzelle. Der Kern und das Kernkörperchen der rechtsseitigen Purkinje’schen Zelle besitzen Fortsätze. Die Haematoxylin- und Eosinzellen sind theils einzeln, theils in Gruppen angeordnet. Zwei Purkinje’sche Zellen des Ochsen. 3: VIII. An denselben sieht man Hüllen und Fortsätze, die von den Kernen und Kernkörperchen ausgehen. Die zwei Arten von Purkinje’schen Zellen des Huhns mit ihren Fortsätzen. 3: VII. An einer kleineren Purkinje’schen Zelle ist die Hülle zerrissen. Die Körnerschichte der Ratte. 3: IV. Die Haematoxylinzellen liegen gruppenweise, nur durch sehr feine Fasern, die von den Eosinzellen und den Ganglienzellen kommen, von einander geschieden. An der Grenze der molekulären Schichte liegen 2 Ganglien- und 2 ellipsoide Zellen. Die Körnerschichte des Menschen. 4: III. Die Haematoxylinzellen liegen in Reihen. Zwischen denselben befinden sich Eosinzellen. An der oberen Grenze sieht man ellipsoide und Purkinje’sche Zellen. Ein Schnitt durch das Kleinhirn des Menschen. 2:X Immers. Die Haematoxylinzellen liegen in Reihen, durch enge Protoplasmastreifen von einander geschieden. Sie umgeben Gruppen von Eosinzellen, deren Fortsätze nach allen Richtungen auseinandergehen. Ein Schnitt durch das Kleinhirn des Huhns. 2: X Immers. Reihen von Haematoxylinzellen, deren Kerne und Protoplasma scharf um- grenzt sind. Innen sieht man einige Lücken, welche von den genannten Zellen umgeben werden. Eosinzellen sind hier nicht zu sehen. Stäbchen- oder keulenförmige Zellen des Menschen (A, B, C 2: VI. D 4: VII). C besitzt einen mit Carmin lebhaft gefärbten Kern, was bei den anderen nicht der Fall ist. Ein Schnitt durch die Kleinhirnrinde des Hundes. 2: VIII. Hart- 2 240 Gabriel Denissenko: nack, Tubus eingeschoben. Gefärbt mit Purpurin und eingeschlossen in Glycerin mit Essigsäure. An der Peripherie (p) liegen die peri- pheren Kerne in Form lichter Flocken, welehe mit einem dunkleren Protoplasma umgeben sind. Von diesen Kernen verlaufen dunkle, gerade Fasern durch die ganze Zeichnung. Die Protoplasmafortsätze verzweigen sich dendritisch, verlaufen gegen die Peripherie, nähern sich der peripheren Zellenschicht und verlieren sich dort. Die Deiters’schen Zellen erscheinen in Form dunkler Kerne. Auch sieht man am ganzen Präparat, obgleich nicht sehr deutlich, runde Kerne, welche den peripheren ähnlich sind '). Literaturverzeichniss. 1) Arndt, Rud., Studien über die Architectonik der Grosshirnrinde des Menschen. Max Schultze, Arch. Bd. IV, 1868. 2) Bergmann, Untersuch. über d. Structur d. Mark- und Bindesub- stanz d. grossen u. kleinen Gehirns. Müller’s Arch. 1841. 3) Bergmann, Notiz über einige Structurverhältnisse des Cerebellum u. Rückenmarks. Ztschr. f. ration. Medic. v. Henle u. Pfeufer. Neue Folge Bd. 8, 1857. 4) Bergmann, Untersuchungen an einem atropischen Cerebellum Ztschr. f. rat. Med. von Henle u. Pfeufer. 3 R. Bd. 9. 1861. 5) Besser, Zur Histogenese d. nervösen Elementartheile. Virch. Arch. Bd. 36. 1866. 6) Bartenew, Ueber den Bau der peripheren Schicht des Kleinhirns von Fischen. Cannstatt’s Jahresber. 1867. 7) Blattmann, Microscopisch-anatomische Darstellung d. Centralor- gane d. Nervensystems bei d. Batrachiern. 1850. 8) Boll, Histologie u. Histogenese der nervösen Centralorgane. Arch, f. Psychiatrie. Bd. IV. 1874, 9) Deiters, O., Untersuchungen über Gehirn u. Rückenmark. Heraus- geg. v. M. Schultze. 1868. 10) Golgi, C., Sulla struttura della sostanza grigia del Cerevello. Centrbl. f. d. Med. Wiss. 1873. 1) Die Figuren: 1, 2, 3, 4, 5, 9, 10, 11 sind vom Hrn. Universitätszeichner Wittmaack in Strassburg, 6, 7, 8 vom Hrn. Prof. der Philosophie Gr ot in Nieschin gezeichnet. ne re Di 20 en u ee re en 5 Zur Frage über den Bau d. Kleinhirnrinde b. versch. Klassen v. Wirbelth. 241 11) Golgi, C., Sulla fina anatomia d. cervelleto umano. Centralbl. f. d. Med. Wiss. 1874. ‘12) Gerlach, Beiträge zur Structurlehre der Windungen d. Klein- hirns. Mikroskop. Stud. aus .d. Gebiete d. menschl. Morphologie. 1858. 13) Hannover, Recherches microscopiques sur le systeme nerveux. 1844. 14) Hadlich, Mittheilung über d. Bau d. menschlichen Kleinhirnrinde. Arch. f. Psychiatrie. II. Bd. 1869. 15) Hadlich, dasselbe, Arch. f, mikroskop. Anat. Bd. 6. 1869. 16) Hadlich, Ueber varicöse Hypertrophie des Hauptnervenfortsatzes der grossen Ganglienzellen d. Kleinhirnrinde. Virch. Arch. Bd. 46. 1869. 17) Henle, Handbuch d. system. Anatomie d. Menschen. 1871. 18) Henle u. Merkel, Ueber die sogenannte Bindesubstanz d. Central- organe d. Nervensystems. Ztschr. f. rat. Med. v. Henle u. Pfeufer. 3. Rh. Bd. 34. 1868. 19) Hess, De cerebelli gyrorum textura disquisitiones microscopieae Dorpat, 1858. 20) Hoffmann, Amphibien — in Bronn’s Klassen u. Ordnungen d. Thier- reichs. Bd. VI, II. Abth. 1874. 21) Jakubowitsch, Mittheilungen über d. feinere Structur des Gehirns und Rückenmarks. 1857. Breslau. 22) Kölliker, Handbuch d. Gewebelehre. 3 Aufl. 1850. 23) Koschewnikoff, Axeneylinderfortsatz der Nervenzellen im Klein- hirn des Kalbes, M. Schultze’s Arch. Bd. V. 1869. 24) Krause, Allgemeine u. mieroscopische Anatomie. Hannover 1876. 25) Mauthner, Beiträge zur näheren Kenntniss der morphologischen Elemente des Nervensystems. Denkschr. der Wiener Akademie. II. Abth. 1863. 26) Mauthner, Ueber d. sogen. Bindegewebskörperchen d. centralen Nervensystems. Wiener Sitzber. Bd. 43. l. Abth. 1861. 27) Meynert, Ein Fall v. Schrumpfung d. Varolsbrücke u. d. Klein- hirnes. Medie. Jahrbüch. d. Gesellsch. d. Aerzte in Wien. XX, Jahrgang, IV. Heft. 1864. 28) Meynert, Vom Gehirn der Säugethiere — Stricker’s Handbuch d. Gewebel. 1871. 29) Oegg, Untersuch. über d. Anordnung u. Vertheilung der Gefässe der Windungen des kleinen Gehirns, 1857. 30) Obersteiner, Beiträge zur Kenntniss v. fein. Bau d. Kleinhirn- rinde mit besonderer Berücksichtigung d. Entwickelung. Wiener Sitzber. Bd. LX. II. Abth. 1870. 31) Obersteiner, Eine partiale Kleinhirn-Atrophie. Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie. Bd. 27. 1870. 3la) Owsjannikow, Ueber die feinere Structur des Kleinhirns der Fische. Bull. de la classe phys.-math&m. de l’Acad. imper. de St. P6tersbourg. T. VII. 1864, 242 Gabriel Denissenko. Zur Frage über d. Bau d. Kleinhirnrinde, 32) Purkinje, Bericht über die Versammlung deutscher Naturforscher in Prag, 1837. 33) Reissner, Der Bau d. centralen Nervensystems der ungeschwänz- ten Batrachier. Dorpat 1864. 34) Rindfleisch, Zur Kenntniss d. Nervenendigung in der Hirnrinde. M. Schultze’s Arch. Bd. VIII. 1871. 35) Rutkowski, Ueber d. graue Substanz der Hemisphären d. Klein- hirns. Dorpat 1861. 36) Schultze, Max, Allgemeines über die Structurelemente des Ner- vensystems. Stricker’s Handb. d. Gewebelehre. 1871. 37) Schulze, F. E., Ueber d. feineren Bau der Rinde des kleinen Ge- birns. Rostock 1863. 38) Stieda, Ueber d. Rückenmark u. einzelne Theile des Gehirus von Esox Lucius. 1861. 39) Stieda, Zur vergleichenden Anatomie und Histologie des Cerebellum Reichert’s Archiv 1864. 40) Stieda, Ueber d. Bau d. centr. Nerv.-Syst. d. Axolotl. Zeitschr. f.. Wiss. Zoologie. Bd. 25. 1875. 41) Stieda, Ueber d. Bau d. centr. Nerv.-Syst. d. Schildkröte. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. 25. 1875. 42) Stilling, Untersuch. über den Bau des:Kleinhirnes des Menschen. 1865—67. 43) Wagner, Rud., Neurologische Untersuchungen. Göttingen 1854. 44) Waldeyer, Untersuch. über d. Ursprung u. Verlauf d. Axeneylin- ders bei Wirbellosen u. Wirbelthieren etc. Ztschr. f. rat. Med. Bd. 20. 1863. Stieda: Ueber quergestr. Muskelfasern in d. Wand d. Lungenvenen, 243 Ueber quergestreifte Muskelfasern in der Wand der Lungenvenen. Von Dr. Ludwig Stieda. Nebst zwei Holzschnitten. Vor einiger Zeit stiess ich bei der Untersuchung der Lunge einer Maus auf die Thatsache, dass die Wand kleiner im Innern der Lunge verlaufender Venen fast nur aus quergestreiften Muskel- fasern besteht. Beim Orientiren in der betreffenden Literatur fand ich, dass gerade die neuen Hand- und Lehrbücher ven Henle, Frey, Krause, Stricker weder bei Beschreibung der Lunge, noch bei Beschreibung der Blutgefässe irgend eine Bemerkung über quer- gestreifte Muskelfasern in der Wand der Lungenvenen machen. Eine Notiz in Kölliker’s mikroskopischer Anatomie führte mich aber auf einen ältern Autor, dem jene Thatsache schon auf- gefallen war. Ferd. Räuschel in seiner Dissertation »de arteriarum et venarum structura« (Breslau 1836, 4°, mit einer Tafel) sagt: »fibrae vere musculares tantummodo inveniuntur in Vena cava superiore et inferiore prope cor, ubi mediam earum tunicam efficiunt. In vena cava superiore tunica musculosa sese extendit usque ad elaviculae regionem, in Vena cava inferiore usque ad diaphragma per- sequenda est. Eodem modo sese habent Venae pulmonales, quarum tunica media musculosa demonstranda est eo usque ubi trunci earum secundo in ramos dividuntur.« Dass Räuschel hier unter der tunica media musculosa querge- streifte Muskeln verstanden hat, unterliegt keinem Zweifel; der damaligen Anschauung entsprechend anerkannte er die Tunica media der Arterien nicht als muskulös; Muskelfasern, d. h. quergestreifte an den Lungenvenen, fielen ihm daher besonders auf. ‘Die Deutung der Tunica media der Arterien als muskulös, die Auffassung der Elemente derselben als »glatte« Muskelfasern hat sich erst später Bahn gebrochen. -—— Wie es scheint, beziehen sich Räuschel’s An- gaben nur auf den Menschen, da von Thieren gar keine Rede ist. 244 Ludwig Stieda: Die Notiz Räuschel’s ist nun in Kölliker’s mikroskopische Anatomie II. Bd., 2. Hälfte, Leipzig 1854 p. 518 übergegangen. An die bekannte Thatsache, dass alle grosse Venen, die in das Herz einmünden, auf eine kurze Strecke eine äussere ringförmige Lage von Muskelfasern besitzen, knüpft Kölliker folgenden Satz: »Die- selben (Muskelfasern) sollen nach Räuschel im Bereich der oberen Hohlvene bis zur Subclavia sich erstrecken und auch an den Haupt- zweigen der Venae pulmonales noch zu finden sein, und zwar nach Schrant im erstern Falle mehr im Innern der Gefässwand und longitudinal.« Ich glaube aus diesem Citat den Schluss ziehen zu dürfen, dass Kölliker die Behauptung Räuschel’s anzweifelt und die Verantwortung derselben von sich ablehnt. — An einer andern Stelle finde ich wenigstens bei Kölliker den Ausspruch: »Der feinere Bau aller Lungengefässe zeigt nichts von den gewöhn- lichen Verhältnissen Abweichendes, ausser dass die Lungenvenen kleine Klappen haben.« — Ich darf annehmen, dass weder Kölli- ker noch irgend ein anderer Forscher die Angaben Räuschels in Betreff der quergestreiften Muskelfasern der Pulmonalvenen contro- lirt hat, ‘denn auch in Kölliker’s Handbuch der Gewebelehre, 5. Auflage, Leipzig 1867, p. 593 findet sich genau derselbe Passus über Räuschel wie oben. Es sei jedoch angeführt, dass Leydig (Lehrbuch der Histologie Frkfrt. a. M. 1857 p. 401) bei Beschreibung der Blutgefässe des Menschen es direct ausspricht, dass die Venae pulmonales bis in ihre Hauptzweige von der Herzmuskulatur aus mit einer querge- streiften Muskellage ausgestattet sind. In ganz gleicher Weise äussert sich Hessling (Grundzüge der Gewebelehre, Leipzig 1866, p. 249). Irgend nähere Mittheilungen über die Beschaffenheit der Muskellage, über die eigentliche Ausdehnung der Lage fehlen. Da, wie schon angedeutet, in den neuern Handbüchern, z. B. in dem so fleissig ausgearbeiteten von Krause, jegliche auf die angeregte. Eigenthümlichkeit der Pulmonalvene hinzielende Angabe vermisst wird, so sei es mir gestattet, in einigen Worten die Resultate meiner darauf bezüglichen Forschungen hier niederzulegen. Wenn ich da- mit erreiche, - dass einer oder der andere Anatom die Angelegenheit einer gründlicheren und eingehenderen Untersuchung würdigt als es mir möglich war, so ist mein Zweck erfüllt. In Betreff des Menschen habe ich folgendes ermittelt. Man kann leicht schon mit unbewaffnetem Auge wahrnehmen, dass die Ueber quergestreifte Muskelfasern in der Wand der Lungenvenen. 245 Muskulatur des linken Vorhofs sich auf die Stämme der Venae pul- monales und auf die unmittelbar aus jeder Vena pulmonalis her- vorgehenden beiden Hauptäste fortsetzt. Dieser Muskelüberzug hört aber auf dicht am Hilus der Lunge, woselbst die Lungenvenen in die Lunge eintreten. Präparirt man, um die Venen in das Innere der Lunge hinein zu verfolgen, am Hilus die Pleura ab, so löst sich mit der Pleura auch der Muskelüberzug: im Innern der Lunge sind die Venen ohne Muskulatur. Das stimmt mit den geläufigen Angaben überein und wenn das mit Räuschel insofern nicht stimmen will, als er von einer tunica media als einer muskulösen redet, so hängt das nur von seiner Bezeichnung ab: es ist mir nicht zweifelhaft, dass Räuschel dasselbe meint, als ich. Mit Hülfe des Mikroskops nun wird die Zusammensetzung jenes Ueberzuges aus quergestreif- ten Muskelfasern mit Sicherheit bestätigt, zugleich aber auch etwas Näheres über die. Ausdehnung und Anordnung der Muskelschicht festgestellt. Die Muskelhaut lässt nämlich zwei deutlich in verschie- dener Richtung laufende Faserzüge unterscheiden. Unmittelbar auf die bindegewebige Innenhaut der Vene folgt eine aus quer oder kreisförmig oder ringförmig angeordneten Muskelfasern bestehende Lage, 0,180—0,210 Mm. dick, und an diese schliesst sich eine äussere, aus longitudinal verlaufenden Muskelfasern zusammengesetzte Lage von 0,270—0,50 Mm. Dicke. Letztere wird von einer zarten Bindegewebsschicht überzogen. — Bemerkenswerth ist, dass in der bindegewebigen Innenhaut der Vene glatte Muskeln nicht fehlen, sondern als querlaufende Züge mit unregelmässiger Anordnung sich nachweisen lassen. Die Anschauung also, dass die Pulmonal-Vene gleichsam einen äusseren Ueberzug an der Fortsetzung der Herz- muskulatur erhalten, wird hierdurch bestätigt; der Ueberzug besteht aber nicht in einer einfachen ringförmigen Muskellage, sondern aus einer innern ringförmig und kreisförmig und einer äussern longitudinal angeordneten Muskelfaserschicht. Auf den feinen Bau der Muskelfaser komme ich zum Schluss zurück. In gleicher Weise wie beim Menschen verhalten sich die Pul- monal-Venen beim Hunde. Jede einzelne Vena pulmonalis be- sitzt während des kurzen Verlaufs von der linken Vorkammer bis zum Lungenhilus einen deutlichen muskulösen Ueberzug. Die Dicke der Wandung einer Lungenvene beträgt etwa 1/a Mm., die bindege- webige Innenhaut ist dünn, 0,045—0,060 Mm., die Muskelhaut ver- hältnissmässig stark, 0,30—0,40 Mm. Mit Leichtigkeit sind zwei Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 14. 16* 246 Ludwig Stieda: Schichten zu unterscheiden, eine innere Kreisfaserschicht, 0,20 bis 0,30 Mm. dick und eine äussere Längsfaserschicht von ce. 0,10 Mm. Mächtigkeit. In das Innere der Lungensubstanz lässt sich die Muskelfaserschicht ebensowenig verfolgen, wie beim Menschen. Ebenso ist das Verhalten der Pulmonal-Venen beim Meer- schweinchen. Die Wand einer Pulmonalvene ist verhältnissmässig dick und zeigt deutlich quergestreifte Muskelfasern und zwar eine innere Kreisfaser- und eine äussere Längsfaserschicht. Beim Eintritt in die Lunge ist keine quergestreifte Muskulatur an den Lungen- venen erkennbar. Die Pulrponal-Venen einesAffen (Inuus cynomolgus) boten einen andern Befund dar. Nicht allein ausserhalb der Lunge, sondern auch im Hilus innerhalb der Lunge besitzen die Venen quergestreifte Muskelfasern in ihrer Wand. Die Mächtigkeit der Muskelschicht beträgt 0,09—0,120 Mm. und nimmt beim Eintritt in den Hilus all- mählig ab; die bindegewebige Innenhaut ist 0,060 Mm. dick. Ferner zeigt sich dadurch ein Unterschied von den oben genannten Lungen, dass eine Scheidung in zwei nach verschiedener Richtung laufende Muskelfaserzüge beim Affen nicht möglich ist. Die Muskelfasern sind vorherrschend in querer Richtung als Kreisfaserzüge angeord- net, welche der Innenhaut anliegen, doch sind auch schräge, sowie einander kreuzende Muskel- züge wahrnehmbar. In der Lunge des Maulwurfs finde ich, dass die Muskelfaserzüge eine kleine Strecke in das Innere der Lunge hinein die Lungenvenen begleiten. In gewissem Sinne schliesst sich der Befund an denjenigen in den Lungen der Affen: es sind nur kreisförmig angeordnete Fig. 1. Aus der Pul- Muskelfaserzüge nachweisbar. Ausserdem bilden monalvene einer Ratte die Muskelzüge keine compacte Schicht, sondern bei 500facher Vergröss. ©. existiren 2 oder 3 aus je einzelnen Muskel- a bindegewebige Innen- haut, fasern zusammengesetzten Lagen, welche durch b Muskelfaserzügequer- Bindegewebe von einander getrennt werden. Die verlaufend, einzelnen Muskellagen sind nur dünn, 0,030 e querdurchschnittene bis 0.006 Mm vereinzelte Längsfa- ET ; Germweichbäm Innern Für die Lunge der Ratte stellt sich das- denhellenKernzeigen. selbe Resultat heraus, wie für die Lunge des \ Ueber quergestreifte Muskelfasern in der Wand der Lungenvenen. 247 Maulwurfs. Die Muskelfaserschicht der Pulmonalvenen setzt sich eine kurze Strecke in das Innere der Lunge hinein, die Muskelfasern verlaufen vorherrschend ringförmig, liegen aber nicht direct an einander gedrängt, sondern sind durch reichliches Bindegewebe von einander geschieden (Fig. 1). Am weitesten in das Innere der Lunge lassen sich die Muskel- fasern verfolgen bei der Fledermaus oder Hausmaus. Bei der Fledermaus hat ein Gefäss von 0,360 Mm. Lumen eine Wand von - €. 0,915 Mm. Dicke; davon kommt 0,003 Mm. auf die grosse binde- gewebige Innenhaut und c. 0,012 Mm. auf die ‚Muskulatur. Die Faserzüge der quergestreiften Muskeln sind aber nur ringförmig angeordnet, von Längsfasern keine Spur. Bei der Hausmaus zeigen sich an den verhältnissmässig grös- seren Lungenvenen ausserhalb der bindegewebigen Innenhaut mehrfache Lagen von Kreisfaserzügen, denen einzelne Längsfaserzüge anliegen oder eingeschoben sind. Bei einer Lungenvene, welche ein Lumen von 0,210 Mm. besass, betrug die Dicke der bindegewebigen Innenhaut 0,006 bis 0,009 Mm., die Dicke der Muskelschicht 0,015 Mm. Bei ganz kleinen Gefässen (Fig. 2) ist scheinbar die ganze Wand nur aus einer Muskellage bestehend; die bindegewebige Innenhaut ist auf ein zartes Endothelhäutchen reducirt (Fig. 2), die Muskellage besteht aus einer einzigen Schicht von Muskelfasern, welche kreis- förmig das Lumen einschliessen. Bei glücklich getroffenen Längs- schnitten kann man sowohl bei der Fledermaus als bei der Maus das allmählige Abnehmen der Musku- latur bis zum völligen Verschwin- den sehen. Bei der Maus, bei welcher auch vereinzelte Längs- faserzüge vorkommen, schwinden erst diese, während die Querfaser- züge sich noch erhalten. Fig. 2. Querschnitt einer kleinen Was den feinern Bau der ee en ie einer . « maus. rer. acn. duer gestreiften a liasemn D A ve zarte a lehnt sich Lungenvenen betrifft, so kann ich die aus einer einzigen Schicht Muskel- für alle von mir untersuchten fasern zusammengesetzte Muskelhaut ; Thiere und den Menschen dasselbe innerhalb der Muskelfaser die hellen sagen. Die Fasern sind sehr fein Kerne sichtbar. 248 Ludwig Stieda: Ueber quergestreifte Muskelfasern etc. und zart, ihre Dimensionen durchweg geringer als die der gewöhn- lichen Muskelfasern, (als Vergleich dienten mir jedesmal die Mus- kelfasern des Oesophagus); die Quer- und Längsstreifung sehr deut- lich. Die Muskelfasern gleichen denen der Herzvene darin, dass sie im Innern ihre zugehörigen Kerne beherbergen und dass sich kein Sarcolemma an ihnen erkennen lässt. Ich fasse das Gesagte in folgende Schlussworte zusammen: Von der Muskulatur des linken Vorhofs aus erstrecken sich Muskelfasern auf die Lungenvene und zwar beim Menschen . und einigen untersuchten Säugethieren (Hund, Meerschweinchen) bis an den Hilus der Lunge. Die Muskelhaut lässt sich in eine innere Ringfaserhaut und eine äussere Längsfaserhaut scheiden. Bei andern Säugethieren (Affe, Maulwurf und Ratte) er- strecken sich die nur als Ringfaserhaut auftretenden Muskelzüge über den Hilusin die Lunge hinein. Schliesslich, bei eini- gen Säugethieren (Fledermaus, Hausmaus) gehen die Muskelfasern so weit in dieLunge hinein, dass bei kleinen Venen die ganze Wand fast nur aus quergestreiften Muskelfasern gebildet wird. Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. Von Oscar Schmidt, Mit Tafel XV und XVI. 1. Haeckel, Kalkschwämme. 1872. Oscar Schmidt, Zur Orientirung über die Entwickelung der Spongien. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXV. Supplement. 1875. 3. F.E. Schulze, Ueber den Bau und die Entwickelung von Sycandra raphanus. Haeckel. Ebendaselbst. 4. Oscar Schmidt, Nochmals die Gastrula der Kalkschwämme. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 1876. 5. Barrois, Embryologie de quelques Eponges de la Manche. Annales des Sciences nat. 6° Serie. P. 3. 1876. 6. Metschnikoff, Beiträge zur Morphologie der Spongien. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Bd. 27. 1876. 7. F.E. Schulze, Zur Entwickelungsgeschichte v. Sycandra. Ebendaselbst. 8 Keller, Untersuchungen über die Anatomie u. Entwickelungsgeschichte I) einiger Spongien des Mittelmeeres. Basel 1876. 9. Haeckel, Studien zur Gasträa-Theorie. Jena 1877. Meine Beobachtungen über die Larven von Sycandra raphanus und glabra (2) liefen in dem Satze zusammen, dass beide Arten keine Gastrula bildeten. Ich bestätigte Metschnikoff’s Angabe, dass die Larve sich mit dem geissellosen Hintertheile festsetze und sah wenigstens in einem Falle, dass nach dem Ansetzen die grossen körnigen Zellen von einer wechselnd dieken Schichte Protoplasma als einer Aussenschieht bedeckt waren. Ich irrte, als ich dieses Protoplasma aus den Körmerballen ausgetreten glaubte, indem ich Archiv €. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 17 250 Oscar Schmidt: durch Metschnikoff’s, jetzt sicher als unrichtig erkannte Mei- nung befangen war, wonach die Geisselzellen sich zum Entoderm einstülpen sollten. Unmittelbar darauf wurde durch F. E. Schulze (3) die Gastrula von Sycandra raphanus wieder zu Ehren gebracht, bis, auch nur ein Jahr später, Barrois (5) erklärte, die Gastrula folge nicht auf das bekannte Larvenstadium, wie Schulze dargestellt, sondern gehe der amphiblastula-förmigen Stufe voraus, sei ein Vor- übergehender Zustand und für die definitive Entwickelung und die Organanlage der betreffenden Kalkschwämme nur von untergeord- neter oder keiner Bedeutung. Auch Schulze beeilte sich zu er- klären (7), er habe sich bei erneutem Studium überzeugt, dass, wie esBarrois angebe, aus der Amphiblastulaform zunächst dureh Einstülpung des dunkelkörnigen Zellenlagers sogleich die Gastrula, und aus dieser dann erst durch gewaltiges Auswachsen und Wie- dernachaussendringen der dunkelkörmigen Zellen die oft beschrie- bene freie eiförmige Larve entsteht. Beide Beobachter sind also bei dem Punkte angelangt, von wo aus ich den definitiven Schwamm hervorgehen liess, und ich möchte nur Barrois’ Angabe, dass meine kurze Vertheidigung (4) „ne contient pas d’observations nouvelles“, dahin berichtigen, dass ich darin doch die für die ganze Frage nicht unwichtige Beob- achtung veröffentlichte: dass die jüngsten festsitzenden Ascandra coriacea und variabilis mundlos sind. Diese Thatsache ist von ihm selbst auch an anderen Kalkschwämmen bestätigt und nach ihrer Bedeutung gewürdigt. Gleichzeitig hatte Keller (8) seine Untersuchungen angestellt. Sie waren vor der Publication der Barrois’schen abgeschlossen. Er macht die Geisselhälfte der Larve zum Hinterende, lässt aus der Larve eine Gastrula entstehen und dieselbe sich in der Weise festsetzen, wie Haeckel es sich vorgestellt hatte, jedoch mit Ver- schluss des primitiven Mundes. Er hält, auch nach Bekanntwerden von Barrois’ Beobachtungen an dem Uebergang der Gastrula in den fertigen Zustand fest, befindet sich aber hinsichtlich dieses Punktes jetzt auch mit Schulze, hinsichtlich der Ansatzstelle mit allen anderen Beobachtern, Karter einbegriffen, im Widerspruch. Schulze ist unentschieden. Die Bildung einer echten Gastrula, wie Keller solche an- nimmt, halte ich noch heute für eben so unrichtig, wie ich es da- Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. 251 mals Schulze gegenüber gethan. Bei der Veröffentlichung seiner Arbeit konnte sieh Keller hinsichtlich des Ueberganges der Larve in den jungen Schwamm noch auf Schulze berufen. Seitdem der letztere sich mit Barrois nach erneuten Beobachtungen einver- standen erklärt, steht Keller allein. Auch widerspricht Haeckels neueste Aeusserung (7), dass durch die meisten andern Beobachter die Existenz der Gastrula bei den Kalkschwämmen festgestellt sei, dem literarischen Thatbestande. Denn selbst wenn man das vor- übergehende Einstülpungsstadium nach Barrois und Schulze gelten lassen will, so wäre dasselbe doch keine Gastrula nach dem von Haeckel selbst umgrenzten Begriffe. Eine sack- oder schüsselför- mige Larve, deren Vertiefung für die spätere Entwicklung ohne die geringste Bedeutung ist, weder mit den Darmöffnungen noch mit irgend einem Theile des Darm- und Canalsystems die geringste Beziehung hat oder irgend einen Einfluss ausübt, ist keine Gastrula. Zu diesem Resultat ist Barrois gelangt. „Les eavites de l’&ponge adulte n’ont pas plus le rapport avec la cavite de segmentation qu’avec la cavit& d’invagination de la larve; V’oseule de l’adulte, qui ne se formera que plus tard, n’a pas non plus de rapport avec la bouche de la larve; il n’y a done aucune homologie entre l’os- eule ou le eloaque des Eponges et la bouche des Zoophytes.“ Dieser Vergleich und diese Homologie war die Hauptsache, auf welche es Haeckel ankam. Mit Ausnahme von Keller sind wir aber jetzt Alle der Ueberzeugung, ich seit meiner Angabe in 1 über Kalk- und Kieselschwämme, dass diese Homologie, welche den Uebergang der Gastrula in die definitive Form voraussetzt, nieht existirt. Allerdings kommen Diejenigen, welche an der Ho- mologie des Canalsystems der Schwämme mit dem der Gastrovascu- larapparat der Coelenteraten festhalten, die Beobachtungen Kowa- lewsky’s in seiner russischen Abhandlung von 1873 über Cam- panularia zu Statten, wo, soweit sich aus den Bildern urtheilen lässt, die Höhlungen der Campanularie sich im Entoderm ähnlich zeigen, wie die Wimperkörbe und Wimpercanäle bei den jungen Spongien. Auch sind Kowalewsky’s Untersuchungen über die Brachiopoden von 1874, so weit es sich aus den Abbildungen ent- nehmen lässt, hierher zu ziehen. Was bei Argiope durch eine Invagination der weitschiehtigen embryonalen Blase zu Stande kommt, die Beschaffung des von vorn herein häutigen Entoderms als des Materials für Darm und Leibeshöhle, geschieht bei Theei- 252 Oscar Schmidt: dium dureh Bildung eines Zellenhaufens vermittelst Wanderzellen aus dem Exoderm. Wir könnten uns also nicht wundern, wenn bei einigen Spongien die ächte Invaginations-Gastrula entdeckt würde, obschon bei der Mehrzahl und in allen bis jetzt mit einiger Sicherheit beobachteten Fällen die Entwiekelung anders verläuft. Meine Beobachtungen über Ascetta clathrus standen bisher nieht nur mit Haeckels Mittheilungen über diese Art und über Asculmis armata in Widerspruch, sondern schienen überhaupt iso- lirt und mit dem anderweitig Erforschten nicht vereinbar zu sein, namentlich auch, seitdem Barrois’ Abbildung der Flimmerlarve von Ascandra eontorta (5. Fig. 2) sich eng an die der übrigen von ihm untersuchten Kalkschwämme, sowohl Leuconen als Syconen an- schliesst. Ich habe nun während eines abermaligen Aufenthaltes in der zoologischen Station in Neapel von Februar bis Mai 1877 nicht nur die Untersuchung von Ascetta clathrus revidiren, sondern auch auf Ascetta primordialis ausdehnen können. Es liess sich nicht zu einem Abschluss gelangen, allein die höchst wichtige Periode der Bildung des Entoderms!) glaube ich nunmehr an beiden Arten klar darstellen zu können, und es wird sich daraus ein Schluss auf die ontogenetische Stellung der amphiblastulaförmigen Larven der anderen Kalkspongien ziehen lassen. Sehr vortheilhait erwies sich auch diesmal eine kurze, nach Seceunden, höchstens einigen Minuten zählende Behandlung der Flimmerlarve mit stark verdünnter Ueberosmiumsäure. Hat man es gut getroffen, so brechen die Larven bei vorsichtiger Verschie- bung des Deckglases so auseinander, dass man in die Innenfläche der einen Hälfte und auf die daneben liegende andere Hälfte sieht. Unter meinen sparsam ausgewählten Abbildungen befinden sich daher keine optischen oder sonst eombinirten Durchschnitte, sondern sie sind der gerade Ausdruck der sich direet darbietenden Flächen des Präparates. Ich führe zuerst die Larve von Ascetta primordialis vor (Fig. 1 bis 8). Meine Beobachtungen betreffen nicht die Furchung und die Bildung der Flimmerlarve, sondern beginnen mit dem Stadium, 1) Ich habe früher die Bezeichnung Entoderm für einen unregelmässi- gen Zellenhaufen vermieden und gesagt, ein Entoderm sei nicht da. Es wird jetzt an der Sache nichts geändert, indem ich das Wort in der von den meisten Histologen gebrauchten weiteren Bedeutung nehme. Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. 253 wo die Larve in Gestalt eines etwas platt gedrückten Ovals aus einer Sehichte geisseltragender Cylinderzellen besteht. Diese Wand umgibt einen mit einer eiweissartigen Flüssigkeit erfüllten Raum, also die grosse primitive Furchungshöhle. Das Vorderende ist der stumpfere Eipol, und man zählt auf den grossen Durchmesser der dem blossen Auge als weisse Pünktchen sichtbaren Larven einige vierzig bis fünizig Geisselzellen von der bekannten Form und Be- schaffenheit. Das den Kern enthaltende Vordertheil der Zelle hat einen körnchenlosen klaren Inhalt, die untere Hälfte ist mit den Pigmentkörperchen versehen. Nur in der Form und Länge weichen die Geisselzellen des Vordertheiles um ein Geringes von denen des Hintertheiles ab, indem die ersteren schlanker sind (Fig. 8). Die Larve ist also jetzt eine einschichtige Blase. Die erste An- deutung einer künftigen Veränderung besteht in einer gewissen Aufloekerung der Zellen des Hinterpoles, wobei der Breitedurch- messer der betreffenden Zellen sich etwas vergrössert und die ein- zelnen Zellen sich mit ihren Kuppen mehr hervorwölben. Eine dieser Zellen aus der Nachbarschaft des Poles, nie die Polzelle selbst, wie man sie mathematisch bestimmen würde, eilt der an- dern voraus, erweitert sich unter Einziehung der Geissel und Ver- kürzung des Längsdurchmessers auf das Dreifache und bekommt einen grobkörnigen Inhalt, eine Verwandlung, welche unmittelbar darauf noch zwei andere neben ihr auf einer Seite, nicht rechts und links liegende Zellen durchzumachen pflegen (Fig. 1. 2). Da die Geisselzellen der Natur der Sache nach gleich den Steinen eines Gewölbes sich verschmälern, so werden die in der Umwand- lung begriffenen und sich vergrössernden Zellen nothwendig etwas hervorgedrängt. Beim leisesten Druck, wodurch man den Inhalt der Larve gegen die Wand presst oder die Zellen gegen einander, erhält man solehe Zustände und Bilder wie Fig. 3. Im normalen Verlauf aber tritt jene vergrösserte Zelle durch eine mir nicht bekannte mechanische Nöthigung, vielleicht in Folge der Aufsaugung von Flüssigkeit aus der Furehungshöhle, nach innen, ein Moment, wie ich ihn glücklicher Weise abgefasst habe (Fig. 4). Die Lücke, aus welcher die erste Entodermzelle eingetreten, schliesst sich alsbald wieder und der Umwandlungsprocess der Ecto- dermzellen zu einwafhdernden Entodermelementen hat seinenFortgang. Ein sehr instructives und überzeugendes Präparat ist in Fig. 5 wiedergegeben. Die Larve ist im Längsdurchmesser ausein- 254 Oscar Schmidt: andergebrochen; man sieht in dem aus den Geisselzellen gebildeten Napfe die sechs bisher eingeschlüpften Entodermzellen. Bei reichlich mir zufliessendem Material habe ich alle möglichen Grade der Aus- füllung mit solchen Entodermzellen angetroffen. Wie das Präparat (Fig. 6) zeigt, die Ansicht einer Larvenhälfte von innen, sind diese Zellen nicht gleich gross, ein Unterschied, der schon bei der An- lage der ersten Wanderzellen hervortritt. Auch finden sie sich im ganzen Binnenraum zerstreut, nachdem eine grössere Anzahl eingewandert. Ich muss es unentschieden lassen, ob die Umwand- lung und Einwanderung bloss von der einen Stelle des Hinterendes der Larve aus geschieht. Doch ist dies wahrscheinlich, da ich nie an einer anderen Stelle der Larve Spuren davon angetroffen. Eine Anordnung der eingewanderten Zellen zu einem regelmässigen Lager, einem eigentlichen Entoderm nach dem Sinne des Wortes, findet nicht statt. Ich habe mir viele Mühe gegeben, theils durch öftere gänz- liche Erneuerung des Wassers, theils durch continuirlichen lang- samen Wasserwechsel die Larven in den definitiven Schwamm umzuwandeln, habe aber nur sehr unvollständige Resultate erzielt. Nach zwei bis drei Tagen wurden die Larven sesshaft in Form von flachen unregelmässigen Fladen (Fig. 7). Die Zellen des Eetoderms verkürzen sich unter Einziehung der Geissel und fangen an zu verschmelzen. Das wie eine Zwischenmasse erscheinende nunmehr gemeinschaftliche Protoplasma zieht sich in feine Fort- sätze aus, die auch zum Theil direet aus den Geisseln hervorge- gangen sind. Denn ich beobachtete wiederholt, dass die von ihrer Unterlage durch die mikroskopischen Hantierungen losgelösten Pseudopodien wieder die Form der Geissel annahmen, Letztere also hatten sich vorher theilweise zurückgezogen, verdiekt und dienten so zur Fixirung des Körpers. An der Mehrzahl der Exem- plare konnte man auf diese Weise eine langsame amöbenartige Veränderung des Randes wahrnehmen. Ich beobachtete in einem Falle, dass der Rand sich im Verlaufe einer halben Stunde abge- rundet hatte und der ganze Körper uhrglasförmig geworden war; alle Protoplasmafortsätze waren eingezogen, und die schon ver- misehten Zelleneonturen wieder deutlich geworden. Es scheint jedoch, als ob schon auf diesem Stadium die Zahl der zum Syn- cytium sich verbindenden Zellen verringert sei. Dies war ganz entschieden bei dem Exemplare der Fall, von dem ich ein Stück Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. 255 in Fig. 8 abgebildet. Zelle für Zelle ist gezeichnet, und da an eine Verwechslung mit einem andern Organismus nicht wohl zu denken, so bleibt nichts übrig, als eine Verwachsung mehrerer Geisselzellen zu diesen grossen amöboiden Aussenschichtzellen anzunehmen. Ich werde unten darauf zurückkommen, dass ich durchaus nicht der Ansicht bin, diese Zellen gingen schliess- lich in die Pflasterzellen über, welche M. Schultze bei Sycandra raphanus beschreibt. Allem Anschein nach gehört auch die auf der Unterlage auf- liegende Partie der sich umwandelnden Larve dem Eetoderm an. Ueber das Schicksal des Entoderms weiss ich nichts zu sagen, als dass es als ein dunklerer Inhalt durch die Aussenschicht durch- schein. Würde die Verschmelzung des Syneytiums weiter vor sich gehen, so wäre die Uebereinstimmung mit dem jüngsten Zu- stande der umgewandelten Sycandra compressa bei Barrois (4. Fig. 15) hergestellt. Das Auftreten der Nadeln habe ich jedoch weder bei Ascetta primordialis noch bei Ascetta elathrus beobachtet. Ich wende mich nun zu dieser zweiten Art, welche wegen der Kleinheit der Eetodermzellen und des dieselben begleitenden srünen Pigmentes der Untersuchung einige Hindernisse bereitet. Vor zwei Jahren (2) habe ich festgestellt, dass die Abbildung Haeckels (1. Taf. 4. Fig. 6) von der ganzen Larve, abgesehen von der etwas zu gross gerathenen Länge der Geisseln richtig ist, dass aber der optische Längsdurehschnitt (Fig. 7) mit der schönen Entodermschichte auf Täuschung beruht, und dass man bei den ausgebildeten schwärmenden Larven statt dieser Schicht nur einen unregelmässigen Zellenhaufen findet. Diesen Angaben ist man mit entschiedenem Misstrauen begegnet, vorzüglich desshalb, weil eine Vergleichung mit den andern bekannten Kalkschwammlarven aus- geschlossen schien. Dass auf der andern Seite gerade eine An- knüpfung für die Larven der Kieselspongien und Halisarken ge- geben war, blieb unbeachtet. Ich habe das Vergnügen, die voll- kommene Uebereinstimmung der Larve der Ascetta elathrus mit derjenigen von Ascetta primordialis zu constatiren und meine damaligen Beobachtungen mit einigen un- wesentlichen Modificationen aufrecht zu erhalten. Die erste Cor- reetur meiner früheren Mittheilungen betrifft das grüne Pigment. Dasselbe liegt nicht nur, wie ich glaubte, oberflächlich, gleichsam 256 Oscar Schmidt: wie eine Ausscheidung auf den membranlosen, doch isolirbaren Cylinderzellen, sondern ist in Gestalt feiner contourirter Körnchen über und durch die ganze Zelle verbreitet, ja vorzugsweise im unteren Theile hinter dem Kerne angehäuft. Es fällt also meine Behauptung, dass eine, jedenfalls eng mit dem Eetoderm verbun- dene Schichte grüner Pigmentkörnehen von dem eigentlichen Eeto- derm als eine Art Cutieularschieht unterschieden werden könne; und damit ist die Harmonie mit Ascetta primordialis völlig her- gestellt. Man sieht in Fig. 12 und 14, wie die Körnchen in und auf der äusseren Grenzschicht des Zellenleibes sich befinden. Wie oben erwähnt, ist es mir diesmal sehr gut gelungen, die Flimmerlarven zu spalten und zu sprengen und an Hälften oder kleineren Stücken der Wandung mich von ihrer Einschichtigkeit zu überzeugen. Fig.11 ist ein solches Stück, aber schon mit einer Entoderm-Wanderzelle. Was ich vorher von der Entstehung und dem Orte der Entstehung der Entodermelemente gesagt habe, müsste ich für diese Art wiederholen. Fig. 10 zeigt das Hinter- ende einer leise gedrückten aber unversehrten Larve, bei welcher zwei zum Einwandern fertige Zellen hervorgetreten sind. Bei Fig. 9 ist unter stärkerem Drucke das Hinterende geplatzt und ein ganzer Kranz soleher Zellen zum Vorschein gekommen. Ich bitte, diese Abbildung umzudrehen und neben Haeckels Flimmerlarve von Asculmis armata (1. Taf. 13. 5) zu halten, so wird man sich der Vermuthung nieht erwehren können, dass eine Verwechslung einer solehen gesprengten Larve mit einem normalen Gastrulazustande stattgefunden hat. Ich habe meine Darstellung von 1875 also nur dahin zu vervollständigen, dass der Zellenhaufen nicht wechselnd in dem einen oder dem anderen Ende des Hohlraums, sondern im Hinterende angetroffen wird. Die Zellen sind jedoch gleich nach der Einwanderung ausgezeichnet amöboid beweglich, so dass binnen 20 bis 30 Seeunden Formen wie Fig. 13 in einander über- gehen. Es ist also nicht zu verwundern, wenn sich nicht selten einzelne dieser Zellen weiter von ihrer Ursprungsstelle entfernen, und man sie da und dort in der grossen Höhlung antrifft, wie die eine in Fig. 11. Es kommen auch Fälle vor, dass beim Zerzupfen eines Präparates sich einige Geisselzellen in Gesellschaft von einigen Entodermzellen so isoliren, wie in Fig. 14. Es würde aber nach Allem, was vorausgegangen, ganz verkehrt sein, wollte man sich daraus eine Entodermschicht oder gar eine Gastrula construiren. Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta celathrus. 257 Es handelt sich nun darum, nach einem einheitlichen Plane oder einem Zusammenhange der so verschieden dargestellten und ohne Zweifel wirklich sehr verschieden sich verhaltenden Larven der Kalkschwämme zu suchen, wobei ich gegen Keller für bewiesen ansehen darf, dass die von Metschnikoff, mir, Schulze und Barrois beschriebenen Larven sich nicht in Gastrula-Form, son- dern in der bekannten Amphiblastula-Form und zwar mit dem Körnerzellenende festsetzen. Wir sind zunächst zur Vergleiehung unserer beiden Asconen mit der von Barrois beobachteten Larve von Ascandra contorta (5. Fig.21) eingeladen. Diese Vergleichung kann aber nur unter der Voraussetzung stattfinden, dass das Sta- dium, von welchem ich aus Mangel an Beobachtungen über den Verlauf der Furchung und überhaupt der früheren Bildungen aus- zugehen gezwungen bin, das der einschichtigen Flimmerlarve, nicht etwa einem Amphiblastula-Stadium gefolgt ist, sondern in der Reihenfolge der Entwickelung von Ascetta primordialis und Ascetta elathrus der amphiblastula-förmigen Larve von Sycandra raphanus u. a. entspricht, dass sie also in gleicher Weise wie bei dieser das Endresultat der Furchung ist. Ich erlaube mir dabei, auf das von Barrois und Schulze behauptete Intermezzo der gastrulaartigen Invagination keine Rücksicht zu nehmen, da demselben selbst von diesen Forschern jede tiefere Bedeutung abgesprochen wird. Meine Voraussetzung ist aber deshalb kaum angreifbar, weil bei Halisarca und verschiedenen Horn- und Kieselschwämmen die directe Bildung der einschichtigen Flimmerlarve aus der Furchung vollständig vorliegt, und weil das bei unseren Asconen nunmehr folgende Sta- dium nun wirklich die besten Ankntpfungspunkte zur bisher ver- geblich gesuchten Erklärung der caenogenetischen Amphiblastula- Form zu geben scheint. Wenn ich mich einmal gegen den Miss- brauch und das allzuergiebige Berufen auf die von Haeckel ins Licht gestellte Caenogenese ausgesprochen, so will ich mich natürlich damit nicht des Rechtes auf diese Betrachtungsweise überhaupt begeben haben und halte das damit verbundene Prineip der verkürzten Entwickelung nach wie vor für eines der frucht- barsten. Man kann darüber streiten, ob Ascetta mit Dreistrahlern oder Aseyssa’mit Stabnadeln die einfachere oder ursprünglichere Form sei; jedenfalls sind beide sehr einfach; und bei der fabelhaften Formenwandelbarkeit einiger oder aller sogenannten Species von 258 Oscar Schmidt: Ascetta, sowie der verhältnissmässigen Seltenheit und Einförmig- keit der nur in zwei Arten auseinandergehenden Aseyssa ist es nicht unwahrscheinlich, dass Ascyssa eine redueirte, verkümmernde Ascortis, Asculmis oder Ascandra sei). Auch thut es der Einheit des Kalkschwammstammes keinen grossen Eintrag, wenn man sich die Stabnadeln von Ascyssa unabhängig entstanden denkt. In der Abtheilung der Kieselschwämme kann man der Annahme solcher Convergenzen kaum aus dem Wege gehen. Auf das jüngere Alter von Ascetta aus der grösseren Variabilität zu schliessen, wie wir sonst unter ähnlichen Verhältnissen bei Thier- und Pflanzenformen berechtigt sind, dürfte bei der allgemeinen Unstetigkeit der Schwamm- formen nicht erlaubt sein. Die Hexactinelliden der Gegenwart, wenn auch in der Abnahme, ja im Schwinden begriffen, variiren noch eben so, wie in der Kreide. Also ist gegen das hohe Alter von Ascetta-Arten nichts einzuwenden. Jedenfalls auch ist Haeckel im Recht, wenn er die Leuconen und Syconen von den Asconen ableitet. Niemand endlich wird der Annahme widersprechen, dass innerhalb der Asconen Ascandra eine jüngere und höhere Stellung einnimmt, als Ascetta. Im Gange von Barrois’ Untersuchungen lag es, dass er die Larve seiner Ascandra contorta, welcher sich die von Keller behandelte Ascandra Lieberkühnii anreiht, mit der ihm wohlbekannten Larve von Sycandra verglich und ihre Homologien hervorzuheben suchte, und ich finde es begreiflich, wenn er betreffs der Larve von Ascetta elathrus sagt: O. Schmidt, qui a etudie recemment la m@me Ascetta elathrus, donne de ces embryons une description qui en rende diffieile la comparaison avec les embryons des autres Eponges. Hatte ich doch selbst diese Vergleichung abgewiesen. Allein jetzt steht die Sache anders; die Larven der Asconen können und müssen zuerst unter einander verglichen werden. Es heisst von den Larven von Ascandra con- torta: Les larves libres de Ascandra eontorta, telles qu’on les voit lorsqu’elles nayent dans un aquarium oü on a mis des eponges adultes dont les produits genitaux &taient mürs, ressemblent entiere- ment a celles des Sycons preeedemment deerits. — En dilacerant des Ascandra eontorta adultes, j’ai pu observer des embryons plus jeunes; il est diffieile de se procurer ainsi les oeufs en bon e&tat, mais jai pu parfaitement reconnaitre le stade qui suit la -gastrula l) So auch Haeckel. Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. 259 et precede la larve libre, eelui oü les grosses cellules endodermiques quittent la cavit& de segmentation. La figure 21 represente un de ces embryons, la cavit& d’invagination a disparu, la cavite de segmentation est encore tres spacieuse. Barrois erklärt also, dass er die Stufe nach der Gastrula gesehen und nimmt als selbst- verständlich an, dass ein Gastrula-Stadium vorausgegangen sei, weil es so bei Sycandra war. Setzen wir den Fall, der Beobachter wüsste noch nichts von der Entwiekelung und den Larven der Leuconen und Syconen, ihm wären bisher nur meine beiden Asconen bekannt gewesen, und er entdeckte die so abweichende Form von Ascetta contorta: was würde er schliessen und schliessen müssen? Er würde die Ga- strula nicht mit den Haaren herbeiziehen, auf die zu verfallen nieht die geringste Veranlassung vorliegt, sondern die einzige Möglichkeit eines Zusammenhanges von Ascetta und Ascandra darin finden, dass bei den Vorfahren von Ascandra contorta die ehe- mals seeundäre Entodermbildung in verkürzter auf die Furehung übertragener Entwickelung zu einer primären geworden ist. Barrois sagt, wir wiederholen: j’ai pu parfaite- ment reconnaitre le stade qui suit la gastrula. Er hat sie aber nicht gesehen, diese imaginäre, im besten Falle unnütze Gastrula, die er hier voraussetzt, weil er sie bei Ascandra gesehen zu haben glaubt. Wer nun nach diesen Erfahrungen auf die Syconen über- ginge, dem könnte es doch kaum einfallen, die schüsselförmigen und nach meiner Ueberzeugung rein zufälligen Vertiefungen durch- aus als Gastrula zu retten. Es fehlt hierfür jede Nöthigung, jeder Vorwand, und ich hoffe, dass wir endlich diesen wesenlosen Schemen aus der Entwickelungsgeschichte der Spongien ausgemerzt haben. Alle Beobachtungen über Halisarcinen und Kiesel- schwämme stimmen dazu. Es scheint, dass Haeckel bei Abfassung des zweiten, 1877 veröffentlichten Theiles seiner Studien zur Gasträa-Theorie die Arbeit von Barrois und den bedeutsamen Widerruf Schulze’s mit der Zustimmung zu Barrois Resultat noch nicht kannte. Er hätte sonst unmöglich die nur noch von Keller unterstützte Be- hauptung nochmals vorbringen können (9. S. 260 ff.), der Urmund der Gastrula gehe bei den Spongien in den bleibenden Mund (os- culum), der Urdarm, die Gastrulainvagination in den bleibenden Darm, d. h. das Canalsystem über. Auch hätte er unmöglich die 260 Oscar Schmidt: Gasträaden, vorausgesetzt, dass sie sich wirklich so entwickeln, wie er es dargestellt, also vorausgesetzt, dass ihm nicht eine ähn- liche Täuschung, wie bei den Kalkschwämmen untergelaufen ist, unmöglich, sage ich, hätte er auf diese Entwicklung hin die Gasträ- aden für die allernächsten Verwandten der Spongien, gleichsam für Spongien ohne Poren erklären dürfen. Von den von Haeckel beschriebenen Haliphysemen muss die eine ausgeschieden werden, Haliphysema echinoides. Haeckel nimmt nämlich irrthümlich an, die Spieula seiner vier Exemplare seien aus verschiedenen Spon- gien zusammengewürfelt und als fremde Körper von Haliphysema zusammengeleimt. Dem ist nicht so. Ich habe schon in den „Spongien von Algier“ zwei Stelletten, St. geodina und intermedia beschrieben, welche dieselben oder nahe die gleichen Kieselkörper wie die von dem vermeintlichen Haliphysema echinoides genuin enthalten, und in den „Spongien des atlantischen Oceans“ sind weitere Beweise für die Combination aller dieser Kieselformen bei Stelletten und Geodien enthalten. Die Stellung derselben in und an dem Körper des Haliphysema echinoides ist die naturgemässe. Wenn nun Haeckel dazu fügt, dass seine durch Koren empfan- genen, von dem Tiefgrunde des atlantischen Meeres stammenden Exemplare auf der Basis einer Stelletta gesessen hätten, so wird man genöthigt sein, die Dinger erstens nicht für Haliphysemen, sondern für Spongien, und zweitens mit grösster Wahrscheinlichkeit für Junge eben jener Stellette zu halten, auf der sie sich ange- siedelt hatten oder auch vielleicht gesprosst waren. Eine Unter- suchung jener Stelletta im Museum von Bergen kann darüber entscheiden. Auf den Umstand, dass keine Poren gefunden wurden, ist, wie Haeekel am besten weiss, kein Gewicht zu legen. Man sucht oit an lebenden Spongien vergebens nach ihnen. Was die von Wriht beschriebene Wyvillthomsonia betrifft, welcher Haeckel ebenfalls den Charakter eines Haliphysema retten möchte, so ist dieselbe, wie ich entschieden behaupte, eine junge Stelletta, höchst wahrscheinlich die weit verbreitete, jüngst von mir auch bei Neapel nachgewiesene Tisiphonia agarieiformis W. T., und gerade durch sie muss der letzte Zweifel an der Schwammnatur von Haliphysema echinoides weichen, welches einstweilen Stelletta echinoides zu nennen wäre. Damit ist jedoch gegen die Selbstständigkeit der übrigen Haeckel’schen Gasträaden nichts gesagt. Nur das Eine habe ich -Das Larvenstadium von Ascetta primordialis und Ascetta clathrus. 261 wollen feststellen, dass, wenn in ihrer Entwicklung jene in Haeckels Arbeit abgebildete Archigastrula vorkommt, sie gerade in diesem fundamentalen Punkte von den Spongien sich entfernen würden. Ich habe nicht nur nichts gegen die Gasträatheorie, sondern halte sie für eine der bedeutendsten Förderungen, welche unsere Wissen- schaft neuerlich erfahren, zumal wenn ihr Urheber ‚ihr zunächst mehr eine heuristische als eine causale Bedeutung sichern“ will; es ist aber eine sonderbare Ironie des Schicksals, dass sie gerade bei der Thierklasse, von wo aus sie begründet und einheitlich gestaltet wurde, bei näherem Zusehen nicht ausreicht und nicht zutrifft. Ich habe noch einige Bemerkungen über das Verhältniss der larvalen Keimblätter und Zellenmassen zu ‚den Körperschichten der erwachsenen Spongien zu machen. Metschnikoff, auf eigene Beobachtungen gestützt und die früheren Beobachtungen Schulze’s bestätigend, hat die Spongien ganz allgemein für dreiblätterige Thiere erklärt. Diese Aufstellung wird durch Barrois Zustim- mung der Schulze’schen Entdeckungen an Kalkschwämmen und Schulze’s neue schöne Untersuchungen an Halisarca bekräftigt. Auch ich habe mich an der lebenden Halisarca lobularis von der Richtigkeit von Schulze’s Beobachtungen überzeugt. Somit lässt sich Keller’s Einwand, dass bei den Kalkschwämmen die Zellen- contouren Kunstproducte seien, wenigstens nicht verallgemeinern. Am lebenden Sycon raphanus und anderen Syconen sowie an Leuconen ist es mir niemals gelungen, mich von der Zellennatur der Oberflächenschieht zu vergewissern. Die kernartigen Körper, Körnehen und Körnchenhaufen, welche die Kerne der Plattenzellen sein würden, sind von der verschiedenartigsten Form, Grösse und Zahl, so dass nach dieser Richtung wenigstens Schulze’s Bild den Eindruck des Schematischen auf mich machen würde, wenn ich nicht an seinem eigenen Präparat mich von der Ueber- einstimmung überzeugt hätte. Bei Ascetta blanca, die bei Neapel sehr gemein ist (Lucia), Asc. primordialis und elathrus, habe ich mich vergeblich abgeplagt, an frischen sowohl wie an vorschrifts- mässig zugerichteten Präparaten, das Plattenepithel zu finden. Man muss aber, wie gesagt, zugeben, dass unzweifelhaft wenigstens bei Halisarca das Plattenepithel vorhanden ist, dass es auch bei an- deren Spongien vorhanden sein kann und wahrscheinlich vor- handen ist. 262 Oscar Schmidt: Nun ist es für Sehulze, Barrois und Metschnikoff eine ausgemachte Sache, dass diese äussere Plattenzellenschicht der gan- zen Cylinderzellenschicht der Larve entspricht, oder mit anderen Worten, dass letztere in ihrer Totalität sich in jene umwandelt. Das halte ich für unrichtig. Würde es sich bestätigen, wie es allen Anschein hat und auch von Schulze als nicht unwahrschein- lich angenommen wird, dass auch nur einige Schwämme, z.B. die Ascetten, dieses Plattenepithel im erwachsenen Zustande nicht be- sitzen, so ständen die 'Thatsachen — hier der Uebergang der Geisselzellen in das Plattenepithel, darunter die aus dem pri- mären Entoderm stammende hyaline Schicht, dort kein Platten- epithel, aber eine dem Larvenepiderm entsprechende hyaline Syneytiumschicht, in unversöhnlichem Widerspruch zu einander und zu der Auffassung der Vertheidiger der allgemeinen Drei- schichtigkeit. Dieser Widerspruch scheint auch Barrois dunkel vorgesehwebt zu haben, wie ich beim Vergleich seiner Abbildung des jungen Schwammes (Fig. 15) mit den dazu gehörigen und daran anknüpfenden Worten entnehme. Die Rolle, welche er die oberste, oft, aber nieht immer sehr regelmässig kranzförmige Abtheilung der Körnerzellen spielen lassen möchte, um jenes hyaline „Meso- derm“ des älteren Schwammes daraus herzuleiten, während die hyaline Schicht des jungen Schwammes zum Plattenepithel ein- schrumpfen müsste, ist eine reine Conjeetur. Die vorhandenen Schwierigkeiten beheben sich, wenn die von keinem jener Forscher, wohl aber von Haeekel aufgeworfene Frage durch die Beobachtung bejaht würde, ob denn nicht bei den Sehwämmen, welche im erwachsenen Zustande ein Geissel-Plattenepithel als Epidermialschicht besitzen, dasselbe erst nachträglich entstanden sei. Mir scheinen alle bisherigen Beobachtungen über den Uebergang der Flimmer- larve in den sesshaften Zustand auf das Syneytium als die umge- wandelte Cylinderzellenschicht der Larve zu weisen. Warum sollen nicht bei einem Theil der Spongien an der Oberfläche dieser um- geformten Schicht, mit oder ohne Benutzung der vorhandenen, übrig gebliebenen Kerne Pflasterzellen sich bilden, während bei einem anderen Theile diese Neubildung unterbleibt? Betrachtet man die Grösse der larvalen Cylinderzellen und die Inhaltsmasse der von ihnen gebildeten Schichte und auf der anderen Seite das selbst in seiner Gesammtheit fast verschwindende Plattenepithel Oscar Schmidt: Das Larvenstadium von Ascetta primordialis ete. 263 der jungen Spongien, so ist der Unterschied der Quantität so gross, dass schon deshalb an eine Homologie des Inhaltes kaum zu denken. Nach dieser Richtung hin werden wir uns also erst Ge- wissheit verschaffen müssen, ehe das definitive Urtheil gefällt werden kann. Mir scheint, dass nur auf diesem Wege die Lösung sich ergeben wird. Er Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XVI. 1 bis 8. Ascetta primordialis. Haeckel. Stück vom Hinterende der Larve. Bildung einer Wanderzelle aus einer Geisselzelle. Es sind drei Wanderzellen entstanden. Man sieht in das Innere der aufgebrochenen einschichtigen Larve. Häufig vorkommendes Aussehen des Hinterendes bei Druck. Theil- weises Heraustreten reifer Wanderzellen. Einschlüpfen der ersten Wander- oder Entodermzelle. Auseinandergebrochene Larve mit sechs Entodermzellen, Hälfte einer Larve von innen mit zerstreuten Entodermzellen. Larve kurz nach dem Festsetzen. Stück von einer Larve kurz nach dem Festsetzen. 9 bis 14. Ascetta elathrus. Haeckel. Larve am Hinterende geplatzt. Entodermzellen sind herausgetreten. Hinterende der Larve mit hervortretenden Wanderzellen. Ein Stück der aus den Cylinderzellen gebildeten Larvenwand. Daran eine Entodermzelle. Eine Cylinderzelle, zur Erläuterung der Vertheilung der grünen Pig- mentkörnchen. Zwei Cylinderzellen mit zufällig an ihnen haftenden zwei Entoderm- zellen. Frische amöboide Entodermzellen. 264 Kuhn: Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. Von Dr. Kuhn, Docent der Ohrenheilkunde an der Universität Strassburg. Hierzu Tafel XVII-XX. Seitdem im Jahre 1858 Max Schultze seine Untersuchungen über die Endigungen des n. acusticus im Labyrinthe veröffentlicht hat, wurde von einer grossen Zahl von Histologen der gleiche Gegenstand einer näheren Bearbeitung unterworfen; bis jetzt sind aber die Resultate dieser mitunter ganz trefflichen Untersuchungen noch weit entfernt uns eine klare Einsicht in das Verhalten der Nervenendigungen des acusticus zu gewähren. Nicht allein die Art und Weise der Nervenendigung, ja sogar die Form der Epi- thelien, welche die feinsten Ausbreitungen des Hörnerven umgeben, sind noch immer Gegenstand der Controverse. Am häufigsten wurde das Gehörorgan der Fische in Bezug auf diese feinsten histologischen Details untersucht; die leichtere Zugänglichkeit des an und für sich schon sehr ausgebildeten Sinnes- organes dieser Thiere erklärt hinlänglich die relativ grosse Vor- liebe der Untersucher für das Studium des Gehörapparates bei dieser unserer niedrigsten Vertebraten-Ulasse. Aus den Schriften von E. H. Weber!) und Breschet?) er- sehen wir den makroskopischen Bau des Gehörorganes der Fische in einer nahezu vollständigen Weise. Steifensand?) zuerst machte hierüber einige, wenn auch ganz oberflächliche, mikroskopische Angaben; er war es auch, der zum ersten Male die plana semilu- nata der Ampullen näher beschrieben. 1) E. H. Weber, De aure animalium aquatilium. 1820. 2) Ereschet, Recherches anat. et physiol. sur l’organe de l’ouie des poissons. Paris 1838. 3) Müller’s Archiv. 1835. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 265 Erst im Jahre 1857 finden wir bei Reich !) Näheres über die letzten Acusticusausbreitungen; er beobachtete nämlich bei Petro- myzon, dass die Fibrillen des Hörnerven in der Crista immer dünner und dünner werden, um schliesslich als ganz feine Fasern zwischen den Cylinderepithelien durchzutreten und am freien Ende sogenann- ter birnförmiger Zellen zu enden. Leydig?) beschreibt das Epithel der maculae und eristae acusticae als eine einfache Lage cylindri- scher Zellen, deren jede einzelne mit einem Flimmerhaare ver- sehen sei. Es war auch hier Max Schultze?) vorbehalten, genauere Angaben über die feinere Structur des Labyrinthes machen zu können und seine Untersuchungen können heute noch als nahezu vollständig in dieser Hinsicht betrachtet werden. Von den früheren Angaben bestätigte er diejenige von Reich und Leydig in Bezug auf die langen Flimmerhaare, war aber nicht im Stande, deren eigent- liehen Ursprung näher zu bezeichnen. Weit wichtiger ist seine Schilderung von dem Bau der Gehörleisten und der Gehörflecke; nach Schultze sind dieselben aus drei verschiedenen Epithelformen zusammengesetzt: 1) aus den Basalzellen, die als rundlich ab- sestutzte und mit grossem Kerne versehene Zellen auf dem knorpel- artigen Gewebe des septum nerveum aufruhen, 2) aus den Faden- zellen, die unmittelbar auf die Basalzellen folgen und ovale Zellenkörper darstellen mit zwei fadenförmigen Fortsätzen, von denen der untere zu den Basalzellen resp. zu den durch den Spindelknorpel eintretenden Nervenfasern sich wendet, der obere, diametral entgegengesetzte, nach der Peripherie aufsteigt, zwischen die Cylinderzellen eindringt und an deren ireier Oberfläche endet, und endlich 3) aus den Cylinderzellen, grossen eylindrischen Ge- bilden mit rundem Kerne, die den oberen Abschluss der eristae und maculae bilden. Schultze sieht in den Fadenzellen das eigentlich nervöse Element; Basal- und Cylinderzellen hält er für völlig indifferent; noch mehr, er findet hier ein der Endausbreitung des n. olfactorius analoges Verhalten und spricht die Vermuthung aus, dass der untere Ausläufer der Fadenzellen als Fortsetzung einer feinsten Nervenfaser anzusehen sei, der obere dagegen, welcher 1) In Ecker’s Untersuchungen zur Ichthyologie. Freiburg 1857. 2) Leydig, Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. 3) Müller’s Archiv 1858. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 18 266 Kuhn: an der Cristaoberfliche frei ende, das letzte Glied in der Ver- zweigungskette des acusticus darstelle. | Dies gilt ihm, wenigstens für das Verhalten des Hörmerven in den Otolithensäcken, als das wahrscheinliche; für die Ampullen dagegen, wo er an isolirten Fadenzellen nie eine Spur von den sogen. „Hörhaaren“ gefunden, sieht er sich zur Annahme einer vierten Art von Zellen genöthigt, den „haartragenden“, deren ur- sprüngliche Gestalt ein schmales Stäbehen sei, das durch Aufquellen jene bimförmigen Körper vorstelle, wie sie Reich beschrieben, und an deren Oberfläche das eigentliche Hörhaar sitze. Späterhin hat F. E. Schulze!) an jungen Gobiusexemplaren den direeten Zusammenhang der feinsten Nervenfasern mit den Hörhaaren beschrieben. Hartmann?) dagegen schliesst sich der Ansicht von Leydig an, findet nur eine einzige Epithelschichte, die Cylinderzellen, von denen eine jede ein Haar trägt; nach die- sem Autor stehen diese Haare in keiner Verbindung mit den Nervenfasern, sondern letztere endigen schlingenförmig und zwar unmittelbar nach ihrem Durchtritt durch das septum nerveum, ohne mit einem Epithelialelemente der erista in Verbindung zu stehen. Lang?) in seiner Arbeit über das Gehörorgan der Cyprinoiden hält die von Reich und Schultze beschriebenen Hörhaare für nichts Anderes als für die durch gewisse Reagentien zusammenge- schrumpften Reste der Cupula terminalis; die beiden Zellenformen, Faden- und Cylinderzellen erkennt er an; den Zusammenhang mit den Endiasern des acusticus konnte auch er nicht nachweisen. Weiterhin finden wir in Odenius?) wieder einen Vertheidiger der M. Sehultze’schen Angaben; dieser Autor sieht in Zellenformen, die den Fadenzellen Schultze’s nahestehen, die Träger der Hör- haare. Koelliker in der 4. Auflage seiner Gewebelehre erkennt die Fadenzellen sowohl wie auch die Cylinderepithelien an, fügt jedoch hinzu, dass letztere nach unten einen varicösen Fortsatz besitzen, der vielleicht mit einer feinen Nervenfaser in Verbindung stehen könnte. Im Gegensatze zu allen bis jetzt genannten Autoren nimmt 1) Archiv v. Reichert u. Du Bois 1862. 2) Archiv v. Reichert u. Du Bois 1862. 3) Lang, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie 1863. 4) Odenius, Arch. f. mikrosk. Anat. 1867. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 267 Hasse!) im Nervenepithel der Acustieusendstellen nur zwei ver- schiedene Zellformen an: die Zahnzellen und die Hörzellen. Als Zahnzellen beschreibt er Epithelien, die mit breiter Basis auf dem Knorpel aufliegen, nach oben hin immer schmäler und schmäler werden und dann in die Zwischenräume der eylindrischen Hör- zellen eindringen, um dieselben von einander zu isoliren; die am unteren Ende dieser Zellen befindlichen grossen runden Kerne, wie sie Hasse beschreibt, erinnern an die Basalzellen von Schultze. Die Zahnzellen sind, nur Isolirungszellen im Gegensatze zu den eigentlichen Hör- oder Stäbchenzellen, die wir bei Schultze als Cylinderzellen kennen gelernt haben und die nach Hasse die Träger der Hörhaare resp. des Endapparates sind; dieses Verhal- ten, das er zuerst blos bei Vögeln beobachtet hatte, nahm er späterhin für alle Thierabtheilungen an. Er leugnet demnach vollständig die Existenz der von M. Schultze beschriebenen Faden- zellen. Aehnliches will auch Grimm?) in Petersburg bei jungen Katzen gefunden haben. Diesen Untersuchern gegenüber verthei- digt wieder Rüdinger?) die Ansicht von M. Schultze und hält die Faden- oder, wie er sie bezeichnet, die Spindelzellen mit ihren aufsteigenden Fasern und den daran sitzenden Hörhaaren als die letzte Endigung des acustieus. In gleicher Weise tritt v. Ebner‘) für die Angaben von M. Schultze ein; derselbe fand bei Vögeln die Basal-, Faden- und Cylinderzellen wieder; die Fadenzellen bil- den die Endausläufer des acustieus, ihre oberen, zwischen die Cylinderzellen eindringenden Fortsätze reichen bis zum Cutieular- saume der Cylinder und aus den Zwischenräumen dieser letzten gehen die Hörhaare ab.‘ Im schroffsten Gegensatze zu dieser letzten Arbeit sieht Retzius?) in seiner vorzüglichen Monographie über das Gehörorgan der Teleostier, in den Fadenzellen nur in- differente Stützorgane; die Cylinderzellen mit ihren Hörhaaren und ihren unteren fadenförmigen Fortsätzen gelten ihm als das nervöse Endelement, wenngleich er den Zusammenhang mit den Aecustieus- fasern nicht finden konnte. 1) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 1866 u. Anatom. Studien 1873. 2) Grimm, Bulletin de l’acadömie imper. de St. P&tersbourg 1870. 3) Rüdinger, Histologie des Gehörorgans 1870. 4) v. Ebner, Med.-naturwissensch. Verein. Innsbruck 1872. 5) Retzius, Anatom. Untersuchungen. Stockholm 1872. 268 Kuhn: Im vorigen Jahre endlich hat Paul Meyer!) in seiner In- augural-Dissertation, die wir zweifelsohne als eine der besten Mo- nographien über diesen Gegenstand ansehen dürfen, bei Reptilien und Vögeln ähnliche Verhältnisse gefunden, wie sie Hasse be- schrieben; er stellt gleichfalls die Existenz einer Fadenzellenschiehte in Abrede und nimmt nur eine Kern- und eine Cylinderepithelschichte an. Die Kernzellen ruhen auf dem Knorpelsaume, ähnlich wie die Schultze’schen Basalzellen und nur eine fein amorphe protoplas- matische Masse trennt sie von den an der Cristaoberfläche gelegenen Cylinderepithelien. Letztere besitzen an ihrem oberen Rande meh- rere haarförmige Fortsätze; am unteren Pole dieser Zellen sah Meyer regelmässig einen spitz auslaufenden fadenförmigen Fort- satz, der zuweilen mit einer aufsteigenden feinsten Nervenfaser in direeter Verbindung stand. Neben diesem unmittelbaren Zu- sammenhange der Acustieusfasern mit dem unteren Ende der Cylinderepithelien spricht dieser Untersucher von anderen feinen Nervenfasern, die neben den Cylinderepithelien vorbeiziehen, sich in deren Interstitien hineinlegen und daselbst bis zum oberen Rande dieser Zellen, zuweilen sogar noch etwas darüber, aufsteigen und daselbst endigen. Zum Schlusse hätte ich noch einer kleinen Ar- beit von Pritehard?) zu gedenken, der im Labyrinthe junger Katzen wieder ganz andere Verhältnisse gesehen haben will. Er spricht von Dorn- und Borsten-Zellen, von denen erstere den Cylin- der-, letztere den Fadenzellen nahezu gleichkommen. Beide Zellenformen besitzen an ihrer Oberfläche haarförmige Bildungen, die einen dorn-, die anderen borstenartige Fortsätze. Eine Ver- bindung mit den Acustieusfasern konnte er nicht nachweisen. Diese grossen Meinungsverschiedenheiten, diese mitunter sich geradezu widersprechenden Angaben der einzelnen Autoren über Form und Natur des Nervenepithels und dessen Zusammenhang mit dem acusticus veranlassten mich den Gegenstand zu bearbei- ten. Auch hier, wie überall in der Anatomie, konnte nur ein um- fassendes Studium der fraglichen Verhältnisse bei allen Thierelassen zur vollständigen Einsicht in den Bau dieses complieirten Organs führen. Durch Aneinanderreihung der bei den verschiedenen 1) Paul Meyer, Du labyrinthe membraneux chez les reptiles et les oiseaux. Strassburg 1876. 2) Pritehard, Quart. Journal of Mikroskop. Sc. 28. 1876. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 269 Thiergattungen gefundenen Resultate wird man in die Lage gesetzt, die bei den niederen Thieren vorliegenden Verhältnisse des Baues und der intimen Structur mit denen der höher organisirten zu vergleichen und unter Zugrundelegung der einfacheren Befunde lassen sich dann die complieirteren eher bewältigen. Bei den Vertebraten finden wir das Gehörorgan in seiner aus- gebildetsten, seiner vollkommensten Gestaltung. Meine Aufgabe soll nun sein, dasselbe in aufsteigender Reihenfolge zu untersuchen, von den untersten Repräsentanten der Wirbelthiere an bis hinauf zu den Mammiferen und dem Menschen. In dem folgenden theile ich zunächst die Resultate einiger Untersuchungen mit, die ich im hiesigen anatom. Institute über das häutige Labyrinth der Knochenfische gemacht habe. Unter den Teleostiern, die mir hier zugänglich waren und die ich näher untersuchte, war es besonders Esox Lucius, Perca fluvia- tilis "und Chondrostoma nasus; ausser diesen standen mir noch Muraena Anguilla, Cyprinus carpio, Solea vulgaris und Gadus morrhua zu Gebote, und die ich auch des Vergleiches halber in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen. Ich schicke nun eine kurzgefasste Beschreibung der makro- skopischen Verhältnisse des häutigen Labyrinthes der Knochen- fische voraus, an die sich dann die mikroskopischen Details und besonders die Schilderung der Art und Weise der Nervenendigung anschliessen sollen. Unter den Knochenfischen erschien mir Esox Lucius gewisser Massen ein sehr geeigneter Typus; auch bot mir dessen nähere Unter- suchung schon um desswillen relativ weniger Mühe, als er hier zu Lande in grossen Exemplaren zugänglich, und ausserdem sein membranöses Labyrinth von nur ganz spärlichen Fettmassen um- ‘geben und desshalb leichter zu bearbeiten ist. Das häutige Gehörorgan des Hechtes liegt wie bei allen Knochenfischen im Innern der Schädelhöhle, an beiden Seiten des Gehirns und von diesem nur durch eine dünne, zuweilen mit grossen Fettmengen durchzogene Membran getrennt. Nach Aussen wird das membranöse Labyrinth dieser Thiere von der äusseren Schädel- wand begrenzt, besitzt jedoch keinen die Knochenwandungen durch- bohrenden Canal; es fehlt somit jede direete Communication mit den äusseren Medien. An der Innenseite der äusseren Schädel- wand sehen wir eine Reihe von grösseren und kleineren Knochen- . 270 Kuhn: gruben und Canälen, in die das membranöse Labyrinth gebettet ist. Sämmtliche Knochen, die den hinteren Schädeltheil zusammen- setzen, tragen zur Bildung dieses das membranöse Labyrinth auf- nehmenden knöchernen Gehäuses bei; ausser den 3 Knochen, dem prooticum, dem epioticum und dem opisthotieum, die allein bei höheren Thieren die Knochenhülle des Gehörorganes bilden, sehen wir bei den Knochenfischen noch die 3 Oceipital-Beine und das Squamosum an der Bildung des Gehäuses theilnehmen. Es ist nicht unsere Aufgabe, näher auf diese-Details einzugehen, und können wir umsomehr auf die Untersuchungen über den Bau des Wirbelthierschädels von Huxley (Comparat. Anatomy. London 1864) hinweisen, als derselbe unter den Fischen ebenfalls den Esox Lueius als Typus der Teleostier gewählt hat. Wir beschränken uns auf eine kurze Angabe der Lageverhältnisse der Labyrinth- theile in diesem knöchernen Gehäuse. Vorerst hätten wir im unteren Theile des median durchsägten Schädels eine vom os prooticum, vom oceipitale basilare und la- terale gebildetete tiefe ovale Grube zur Aufnahme des Saceulus; von ihr nach aussen und oben sehen wir eine Knochenerhöhung, (prooticum, oeeipitale laterale und superius) auf welcher der Utri- culus mit seinem sinus superior aufliegt; nach vorn und dicht nebenan befindet sich die fovea recess. utrieuli; noch weiter nach vorn liegt alsdann eine ovale Grube zur Aufnahme der sagittalen Ampulle; von hier aus zieht ein semicanal. sagittalis, der vorn aus Knorpel, hinten vom oceipitale superius gebildet wird, nach aussen und oben; etwas nach hinten von der fovea recess. utrieuli geht der ebenfalls halbknorpelige halbknöcherne [prooticum, oceipitale later. und squamosum]| Canal. horizontalis ab; am hinteren Rande der oben erwähnten Knochenerhebung befindet sich eine weitere kleine Vertiefung zur Aufnahme der Amp. frontalis und unmittelbar daneben. beginnt der knorpelig-knöcherne Canal. frontalis. (Taf. XVII, Fig. 1 u. 2). Wir haben also beim Hecht das Homologon des knöcher- nen Labyrinthes der höheren Wirbelthiere: eine nach Aussen feste Wand, an der eine fovea saceuli und lagenae, eine fovea recess. utrieuli, eine fovea und ein Semicanalis sagittalis, ein Canalis horizontalis mit ostium anterius und ein Canal. frontalis mit ostium inferius. Nach Aussen ist demnach das membranöse Labyrinth von Knochen begrenzt; nach Innen, nach der Schädelhöhle zu liegt es offen in einem sogenannten Cavum perilymphaticum, Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 271 Eine dünne, bei vielen Fischen farblose, beim Hechte da- gegen an einzelnen Stellen goldglänzende Membran umgibt das ganze häutige Labyrinth; sie erstreckt sich einerseits in die Gruben und Canäle an der Innenfläche des Schädels hinein, andererseits trennt sie das Gehörorgan vom Gehirn; ihre loekeren Maschenräume enthalten eine dünne, wasserklare — bei manchen Fischen ölartige — Flüssigkeit. Unter dem Mikroskop zeigt diese Membran viel lockeres Bindegewebe, elastische Fasern und zahlreiche runde Kerne; ausser- dem ist sie von mächtigen Blutgefässen durchzogen. (Taf. XVII, Fig. 10.) Von einigen Autoren wird diese theils auskleidende theils umhüllende membranöse Ausbreitung zu den perilymphatischen Ge- weben gezählt; andere, wie z.B. Gegenbaur stellen sie der sogen. Arachnoidea der höheren Thiere an die Seite. Wird das häutige Labyrinth aus dem perilymphatischen Ge- webe und den auf und in demselben liegenden Fettmassen heraus- präparirt, so finden wir dieses aus mehreren Hohlräumen und Canälen bestehende Organ aus zwei Haupttheilen zusammengesetzt, einer pars superior und einer pars inferior. Den oberen Theil bildet der Utrieulus und die 3 Ampullen nebst ihren Bogengängen, der untere besteht aus dem Saceulus und der Lagena. Das Labyrinth eines mittelgrossen Esox L. hat eine Länge von 1,5 Ctm. und eine Höhe von 1 Ctm.; mit der Grösse des Thieres nehmen auch die Maasse verhältnissmässig zu. Der Utrieulus (vestibulum proprium, saceul. hemielliptie.) bil- det die Mittelparthie des Ganzen, um welche die übrigen Labyrinth- theile geordnet sind und in die sie alle einmünden; er stellt eine fast eylindrische, 1 Ctm. lange und 2—3 Mm. breite Röhre dar, deren vorderes unteres Ende in den recessus utrieuli übergeht, deren oberes dagegen enger und langgestreckter wird und als sogenannter sinus utrieuli superior ausläuft. In den Utrieulus münden die drei halbzirkelförmigen Canäle, und zwar der horinzontale an seiner hinteren Seite, gerade da, wo der Utrieulus in den sinus superior übergeht; die beiden anderen, der frontale und sagittale, münden, der eine dem anderen gegen- über, in das oberste Ende des sin. superior. Ausserdem finden wir unterhalb der Einmündung des horizontalen Bogenganges in den Utrieulus die Oeffnung resp. den Anfangstheil der Ampulla frontalis und unmittelbar darunter den Ansatz des Appendix utrieuli, eines accessorischen Gebildes, das sich nur beim Hechte vorfindet, % 272 Kuhn: Nach oben verlängert sich der Utrieulus schlauehförmig, und dieses Stück heisst alsdann sinus superior utrieuli; es stellt einen langen, 2 Mm. breiten Hohlraum dar, welcher ohne Unterbrechung aus dem Utrieuluskörper emporsteigt und an seinem oberen, leicht eingezogenen stumpfen Ende 2 halbzirkelförmige Canäle aufnimmt, den Canal. frontal. (vorderen verticalen oder oberen) an seiner hinteren Seite, den Canal. sagittal. (hinteren verticalen oder unteren) gerade gegenüber an seiner vorderen Seite. (Taf. XVII, Fig. 1, 3 u. 4.) Nach unten und vorn geht der Utrieulus mit weiter Oeffnung in den recessus utrieuli über; der Uebergang ist ein ganz direeter, nur an der unteren Wand besteht eine leichte Einschnü- rung mit entsprechendem Kantenvorsprunge nach dem Hohlraume zu. Der Utrieulus besteht wie alle das häutige Labyrinth bilden- den Theile aus einem dichten homogenen Gewebe, in welchem grosse Mengen spindelförmiger Zellen sich vorfinden. Das Ganze muss als sogenannter „Spindelknorpel“ (Retzius)!) angesehen wer- den; an verschiedenen Stellen ist das Gewebe mehr oder weniger dick, von 0,02—0,06 Mm. Gegen den Binnenraum zu ist der Utrieulus von einer feinen Membran überzogen, die ein glänzendes polygonales Plattenepithel mit rundlichen Kernen trägt (Taf. XVII, Fig. 19); im frischen Zustande ist letzteres hell und klar und nur durch die Einwirkung einzelner Reagentien trübt es sich und wird körnig. Die Form dieses Epithels variirt ungemein; wir finden hier die verschiedensten Uebergänge des gewöhnlichen einfachen Plattenepithels bis zur langen Spindelform, und endlich treten hier jene breiten unförmlichen Epithelklumpen bald von rundlicher bald von flaschenförmiger Gestalt auf (Taf. XVII, Fig. 12), die M. Schultze als Cylinderzellen mit sternförmigem Querschnitte, Hasse als Pig- mentzellen und Retzius als protoplasmatische Epithelien beschrei- ben und auf die wir späterhin nochmals zurückkommen werden. Am Boden des Utrieulus und zwar nahezu in der Mittellinie liegt eine ungemein kleine Oeffnung, die nach abwärts in einen sehr kurzen blos !/; Mm. breiten Hohlgang führt, der weiter unten in den Saeculus mündet; es ist dies die Utrieularöffnung des Canalis utrieulo-saceularis, vermittelst dessen die beiden Hohl- I) Mit dem Ausdrucke „Spindelknorpel“ bezeichnet Retzius das hier vorliegende aus einer hyalinen Grundsubstanz bestehende Knorpelgewebe, in welchem zahlreiche spindelförmige Zellen eingebettet sind. Der Kürze halber habe ich diese Bezeichnung beibehalten, Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 273 räume, Utrieulus und Saceulus, communieiren, und durch welchen die im Labyrinthe enthaltene Endolymphe zu- und abfliesst. Der wichtigste Theil des Utrieulus ist der nach unten und vorn gelegene recessus; er stellt einen blasenartigen runden Hohl- raum dar, von 4 Mm. Länge und 3 Mm. Breite, der in seinem Inneren einen Otolithen aufnimmt. Nach hinten geht, wie schon erwähnt, der recessus in den utrieulus über; nach vorn sehen wir die sagittale und horizontale Ampulle von ihm abgehen und zwar die erstere nach vorn und oben, die letztere nach hinten und oben. Die vom Hohlraume des recessus in die beiden Ampullen führende Oeffnung ist /g Mm. weit und durch einen kleinen faltenartigen Vorsprung in eine vordere zur sagittalen und in eine hintere zur horizontalen Ampulle führende Abtheilung getrennt. Die Wan- dungen des Recess. utrieuli sind viel dieker und unnachgiebiger, besonders am Boden, als die des Utrieulus; sie zeigen jedoch die- selbe mikroskopische Zusammensetzung aus Spindelknorpel und sind von zahlreichen Blutgefässen durchzogen. Am Boden des Re- cessus liegt ein Otolith, Lapillus genannt, auf jener Ausbreitung des nervus acustieus, die wir noch als maecula acustica utrieuli näher kennen lernen werden. Die schon im Utrieulus erwähnten polygonalen Plattenepithelien finden sich auch im recessus; weiter- hin gegen die Macula acustica zu sehen wir Gruppen niedriger, runder Cylinderzellen auftreten, die je näher der Macula an Grösse zunehmen. Zwischen diesen letzteren erscheinen dann grosse flaschenförmige, bald runde, bald längliche protoplasmatische Zellen, die zuweilen fadenförmige Ausläufer besitzen. Durch Osmiumsäure färben sich diese Zellen, analog den nervösen Gebilden, sehr dunkel und ihr Inhalt wird körmig. Meist enthalten sie einen einzigen grossen runden Kern (Taf. XVII, Fig. 12); liegen mehrere solcher Zellen übereinander, so geben sie leicht das Bild einer mehrker- nigen Zelle; doch war ich zuweilen in der Lage an solehen durch Zerzupfung gut isolirten Elementen mit Sicherheit zwei Kerne in einzelnen Zellen gesehen zu haben (Taf. XVII, Fig. 11) und muss ich hierin M. Sehultze beistimmen, der ähnliche Beobachtungen gemacht hat. Andere Untersucher stellen das Vorhandensein zweier Kerne in Abrede, wie z. B. Retzius und Hasse. Beim Anblick dieser isolirten zweikernigen dunkelgefärbten Zellen wird man un- willkürlich an Ganglienzellen erinnert, doch stimmen bis jetzt alle Autoren darin überein, dass diese protoplasmatischen Elemente in 274 Kuhn: * keinem Zusammenhange mit den Nerven stehen. Auch ich war nie im Stande, trotz grösster Aufmerksamkeit, irgend welchen Zu- sammenhang dieser Zellengebilde mit Nerven aufzufinden. Am Boden des recessus liegt die macula acustica utrieuli; sie bildet die Endausbreitung des ramus recess. utriculi, jenes starken Astes vom Vorhofsnerven, der sich an der Aussenwand des recessus ' in halbmondförmiger Form und gleiehsam fächerartig ausbreitet, die Knorpelwand durchdringt und sich in eine grosse Anzahl stark contourirter gelblicher Nervenfasern auflöst, die dann im Epithel des Hörflecks sich verlieren. Die macula utrieuli liegt demnach an der Innenfläche der unteren Wand des recessus; sie stellt eine 3 Mm. lange, halbmond- förmige Erhabenheit von leicht gelblicher Farbe dar, die von dem umliegenden Epithel aus allmählig aufsteigt, um in ihren Mittel- partien die grösste Höhe, ungefähr 0,06 Mm., zu erreichen. Von der Fläche betrachtet kann man an derselben und schon bei schwacher Vergrösserung rundliche Cylinderepithelien mit Flimmerhaaren er- kennen; bei stärkerer Vergrösserung dagegen sieht man an dünnen Stellen viele grössere Kreise neben einander liegen, an deren Rand kleine glänzende Punkte vorhanden sind; die kreisförmigen Elemente selbst sind regelmässig durch einen kleinen hellen Zwischenraum getrennt. Auf Querschnitten erhält man bessere Einsicht in die den Hörfleck zusammensetzenden Elemente, und zwar finden wir drei verschiedenartige Zelleniormen, die in drei getrennten Schichten über einander gelagert sind; es sind dies, von unten nach oben gerechnet, vorerst grosse runde Zellen, die auf der Utrieuluswandung aufsitzen, die Basalzellensehichte Schultze’s; weiterhin ovale Zellenkörper mit fadenförmigen Ausläufern, die das Centrum der Maeula einnehmen — Schultze’s Fadenzellen — und schliesslich eylindrische Zellen mit Flimmerhaaren, die die Macula nach oben abschliessen. Die Basalzellen sind runde kernhaltige Elemente, die, regel- mässig neben einander liegend, blos eine einzige Lage von Zellen darstellen, und unmittelbar auf der Knorpelwand aufruhen. Sie sind besonders schön und zahlreich an den Randpartien, werden dagegen in der Maculamitte, wo die Fadenzellenschiehte ungemein mächtig ist, viel seltener. Max Schultze beschreibt zuerst die Basalzellenschiehte und will die Zellen derselben mit einem peri- pheren, zwischen die übrigen Elemente eindringenden, zugespitzten Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 275 Fortsatze gesehen haben. Hasse, der nur zweierlei Zellfiormen in der macula acustica der Fische und aller übrigen Thiere unter- scheidet, nämlich Stäbehenzellen und Zahnzellen, sieht in letzteren die Basalzellen Sehultze’s, und hält die von diesem Autor ange- gebenen fadenförmigen Zellen für Basalzellen, deren unteres Ende unmittelbar auf dem Knorpel sitze, und die nach oben vermittelst eines feinen Ausläufers in die macula aufsteigen. Paul Meyer nimmt gleichfalls nur 2 Schichten im Nervenepithel der macula an; er stellt für Reptilien und Vögel die Fadenzellenschichte ab- solut in Abrede, beschreibt eine Cylinderzellen- und eine Kern- schichte, welch’ letztere mit den Schultze’schen Basalzellen nahezu vollständig übereinstimmt. — Wenn auch die Basalzellenschichte von geringer Mächtigkeit ist, so ist sie doch immer deutlich vorhan- den und auf guten Querschnitten stets nachzuweisen. Wir sehen dann an der Maculabasis eine dicht neben einander liegende ein- zige Reihe runder kernhaltiger Zellen, die den Uebergang vom Knorpelsaume zum Hörfleck darstellen, an denen ich aber nie Ausläufer oder eine sonstige Verbindung weder mit dem unter- liegenden Knorpelgewebe noch mit den darüber liegenden Epithe- lien und Nerven entdecken konnte. (Taf. XVIIL, Fig. 13 u. bes. 22.) Sie stellen so zu sagen ein indifferentes Polster dar, auf dem die Endgebilde des acusticus aufruhen. Die Fadenzellen liegen unmittelbar über den Basalzellen und erstrecken sich bis hinauf unter die Cylinderepithelienschichte (Taf. XVIIL, Fig. 13 u. 22.); in der Mitte der macula sind sie un- gemein zahlreich, gegen die Peripherie dagegen werden sie spär- licher. Sie stellen kleine Zellen von ovaler Form dar mit 2 dia- metral entgegengesetzten fadenförmigen Fortsätzen; im Innern der klar durchsichtigen, das Licht stark brechenden Zellen liegt je ein grosser Kern, der den Zellenraum nahezu vollständig ausfüllt, und bei Färbungen durch Haematoxylin sehr deutlich als ein starker dunk- ler Körper hervortritt, um den sich eine höchst dünne Zellmembran anlegt, wie in Fig. 41a, Taf. XX. Durch Osmiumsäure werden diese Zellen deutlich gefärbt, wenn auch nicht so intensiv als die Cylinderzellen. Diese so oft geleugneten Elemente bestehen, bei den Fischen wenigstens, ganz gewiss und wenn auch etwas schwer, gelingt es doch fast immer an Präparaten, die mit CrO3 oder mit Ranvier’schem Alkohol behandelt wurden, dieselben isolirt dar- zustellen (Taf. XX, 42b, 43g‘ u. g“); zuweilen ist ihr centraler [7 ’ 276 Kuhn: Faden sehr kurz, abgebrochen, durch Aufquellen breiter geworden (Taf. XX, Fig. 41 b); oft jedoch sind beide Fäden nahezu gleich lang und dünn (Taf. XX, Fig. 41a); in der Regel ist der obere Fortsatz der überwiegend längere. Von den Fortsätzen selbst sah ich bisweilen kleinere Nebenfäden abgehen, die sich jedoch nicht weiter verfolgen liessen. Die oberen Ausläufer treten zwischen die Cylinderepithelien hinein und lassen sich bis zu deren oberem Rande gut verfolgen, wo sie dann plötzlich wie abgeschnitten endigen (Taf. XX, Fig. 42 a, b, e, 43e); nur in ganz wenigen Fällen sah ich einen solchen feinen Faden über die Zelle hinausragen und dann eine kurze Strecke weit wagerecht verlaufen (Taf. XX, Fig. 41 e); neben den Fäden, die in die Interstitien des Cylinderepithels eintreten, sah ich auch die oberen Ausläufer der Fadenzellen mit dem spitz endenden un- teren Pole der Cylinderzellen in direetem Zusammenhange stehen. Die Verbindung ist eine unmittelbare und an keiner Stelle eine Unterbrechung zu sehen; der obere Faden geht ganz direet in das spitz ausgezogene untere Ende des Cylinderepithels über. (Taf. XX, Fig. 43 a, b, e ete.) Ich habe an Zerzupfungspräparaten, die, sei es mit OrO;, sei es mit OsO, u. s. w. behandelt worden waren, diesen doppelartigen Verlauf des oberen Ausläufers ungemein häufig gesehen; neben einer Fadenzelle, deren oberer Ausläufer in den Zwischenraum zweier Cylinderepithelien eintrat und bis zu deren Oberfläche ver- lief, lag eine andere ovale Zelle, deren oberer Faden direet in das untere spitz zulaufende Ende einer Cylinderzelle überging (Taf. XX, Fig. 43e, g‘, i).— Der untere ebenfalls lange Fortsatz der Fadenzellen ist etwas stärker als der obere, bricht jedoch häufig ab; das abgebrochene Stück quillt zuweilen auf und stellt dann einen kurzen breiteren Fortsatz dar (Tat. XX, Fig. 41b), wie ihn Retzius beschrieben hat; es ist dies jedoch keineswegs die nor- male Gestalt des unteren Fadens, wie es Retzius glaubt und auch stets so abgebildet hat, sondern meist behält er seine normale Länge, die jener des oberen Fortsatzes nahezu gleich kommt; wir sehen dies besonders an Präparaten, die mit ganz schwachem CrO3 behandelt oder die Osmiumsäuredämpfen ausgesetzt worden waren. Dieser untere Faden erstreckt sich nach unten in das intra- epitheliale Nervennetz und kann dort nieht mehr verfolgt werden. Nur an einzelnen wenigen, ganz feinen Querschnitten war es mög- Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 277 lich, den unteren Fortsatz der Fadenzelle in eine feinste Nerven- faser übergehen zu sehen. Es gehört der sichere Entscheid über diese Dinge zu den schwierigsten Punkten der ganzen Untersuchung; vorerst ist das Zellenpolster ein ziemlich diekes und nur die fein- sten Durchschnitte gestatten einen Ueberblick über den Zusammen- hang der feinsten Nervenfasern mit den unteren Fortsätzen der Fadenzellen. Bei sehr starken Vergrösserungen ist es ausserdem ungemein schwierig, genau zu unterscheiden, ob eine von unten herauisteigende feinste Nervenfaser in die Zelle selbst eintrete, oder ob sie nicht unter oder auf derselben verlaufe. Wir werden bei der Schilderung des Verlaufes der Endausbreitung des acusticus auf diese Verhältnisse wieder zurückkommen. Die dritte und letzte Zellenform, die zur Bildung der macula acustica beiträgt, sind die Cylinderepithelien. Es sind dies grosse, regelmässig neben einander gereihte Cylinderzellen, deren jede einen grossen runden Kern in ihrer Mitte besitzt (Taf. XVIIL, Fig. 13 u. 22). Im frischen Zustande oder in einer 10 °/, Kochsalzlösung haben diese Cylinder ein klares homogenes Aussehen, sind von lichtglänzender gelber Farbe und es ist zuweilen schwer, ihren Kern zu unterschei- den; durch Osmiumsäure färben sie sich dunkel, ihr protoplasmati- scher Inhalt trübt sich, wird körnig und der grosse runde Kern tritt sehr deutlich zu Tage. Gegen das untere Ende verjüngt sich die Zelle mehr und mehr und endet schliesslich in einen feinen fadenartigen Fortsatz (Taf. XX, Fig. 42 a, b, e, 43 f, h, i); letzterer bricht sehr leicht ab und es erscheint dann das untere Zellenende abgerundet und kolbig. (Taf.XX, Fig.40 f.) An ihrer quer abgestumpften oberen Fläche tragen diese Zellen mehrere sehr feine haarlörmige Gebilde, die, stets von einem Zellenrande ausgehend, an mehreren Stellen der Epithelialober- fläche vorhanden sind (Tai. XX, Fig. 40 a). Häufig, und wahrschein- lich durch die Wirkung einzelner Reagentien, kleben mehrere dieser dünnen Haargebilde zusammen, an ihrer Basis sowohl wie auch ihrer ganzen Länge.nach, und es gewinnt alsdann den Anschein, als ob die Zelle nur mit einem einzigen an der Basis verdickt er- scheinendem Haare versehen sei (Taf. XX, Fig. 40 e u. d); an ganz frischen Präparaten jedoch, oder auch an solchen, die vorsichtig mit ganz verdünnter CrOs; behandelt werden, erkennt man mit Leichtigkeit, dass mehrere (3—4—5) sehr dünne und lange Här- chen dem oberen breiten Saume der Cylinderzelle aufsitzen. Diese Haarbildungen brechen und fallen sehr leicht ab und ist es schwer, 278 Kuhn: ihre Länge zu bestimmen; im Utrieulus sind sie jedenfalls viel kürzer als in den Ampullen, erreichen aber auch hier zuweilen eine Länge von 0,02 Mm. Es erscheint mir zweekmässig, gleich hier an die Beschrei- bung des Macula-Epithels die feinere Vertheilung des Nerven im Hörfleek des utrieulus anzureihen, und, um Wiederholungen zu vermeiden, ist es rathsam, an dieser Stelle auch den ganzen Verlauf des nervus acustieus zu schildern. j Der aus der Medulla entspringende nervus acustieus verläuft eine Strecke weit mit dem facialis zusammen und theilt sich dann in zwei Hauptstämme, die portio vestibularis und die portio eoch- learis. Erstere versorgt den recessus utrieuli, die ampulla sagitta- lis und die ampulla horizontalis; letztere breitet sich am saecculus und seinem Divertikel, der lagena, aus, entsendet dann zwei kleine ramuli basilares eochleae an die untere Wand des Utrieulus und endet schliesslich an der ampulla frontalis. In ihrem Verlaufe hängt die portio eochlearis eine Strecke weit mit dem nerv. glosso- pharyngeus zusammen und findet nach M. Sehultze ein Austausch von Fasern zwischen beiden Nerven statt. Der an der inneren, dem Gehirn zugewandten Fläche des Labyrinthes gelegene Nerven- stamm entsendet vorerst die ziemlich voluminöse portio vestibula- ris, welche an die untere Wand des recessus utrieuli herantritt, sich daselbst fächerförmig ausbreitet und dann nach rechts und links an die etwas höher gelegenen beiden Ampullen sagittalis und horizontalis sich verzweigt; weiter unten von der Stelle, wo die portio vestibularis sich nach oben gewendet, liegt die portio coch- learis an der medianen Fläche des saceulus; sie gibt ihren Haupt- stamm an den saceulus ab, bleibt stets auf der medianen Wand desselben liegen und entsendet einen Zweig zur Crista lagenae, um schliesslich sich etwas nach oben zu wenden und als ramus ampullae frontalis zu endigen. Auf diese Weise entstehen 3 Ner- venendstellen im Bereiche der portio vestibularis, die macula utri- culi und die beiden eristae ampullae sagittalis und horizontalis; die portio eochlearis besitzt deren gleichfalls drei: die macula sac- euli, die erista lagenae und die erista der ampulla frontalis. Ausser diesen drei Endausbreitungen der portio cochlearis hat Retzius'), zum ersten Male, zwei weitere kleine Nervenpapillen 1) Retziusl. c. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 279 im Fischlabyrinthe beschrieben, die an der unteren Fläche des Utrieulus, ungefähr '/; Mm. von dem oberen Pole des Sacculus entfernt liegen und zu denen zwei schmale Nervenbündel gehen, die der port. cochlearis entstammen und von derselben gerade da entspringen, wo der Schneckentheil des acusticus an die erista lagena einen dicken Ast abgibt. Vor Retzius waren diese beiden Endstellen des acusticus von keinem Autor beschrieben worden; an Präparaten, die mit Osmiumsäure (1/4—!/a °/o) behandelt werden, treten sie sehr deutlich hervor. Bei Esox liegt der Boden des Utrieulus dicht am Saceulus an und es ist schwierig, an noch in toto zusammenhängenden Labyrinthen die genauen Grenzen beider Theile zu bestimmen und anzugeben, welchen von ihnen die bei- den Nervenpapillen angehören; doch gelingt es bei grosser Vorsicht die beiden Theile von einander zu trennen, und befinden sich als- dann die erwähnten zwei Nervenstellen in der Nähe des vom Utrieulus in den Sacculus gehenden canalis communicans und des duetus saceuli (Taf. XVII, Fig. 3 u. Taf. XX, Fig. 32). An dem in Fig. 32 gezeichneten Präparate ist die untere Utrieularwand mit dem oberen Theile des Sacculus in Verbindung geblieben; es lässt sich nichtsdestoweniger erkennen, dass die Gewebspartie, in welcher die papillae sich befinden, nicht zum Sacculus gehört, sondern nur an dieselben gelöthet und in den Bereich des darüber gelegenen Utrieularbodens fallen. Von der Fläche betrachtet stellen diese papillae basilares zwei kleine, eonvexe pilzförmige Erhabenheiten dar, die eine Länge von je Y/s Mm. besitzen. In ihrer näheren Zusammensetzung und in der Ausbreitung der beiden Nervenzweige in denselben liefern sie uns genau dieselben Verhältnisse, wie die macula utrieuli und alle anderen im Fischlabyrinthe vorkommenden Nervenendstellen. Der Stamm des nervus acusticus sowie seine Zweige bestehen aus breiten, myelinhaltigen Nervenfasern mit zahlreichen in die- selben eingestreuten Ganglienzellen. Im Gegensatze zu den höheren Thieren treten bei den Fischen alle Nervenfasern, die gröberen wie die feineren, unverändert durch den Knorpel des Utrieulus, der Ampullen u. s. w. hindurch, also mit Axeneylinder, Myelin und Sehwann’scher Scheide, dringen in dieser Weise bis in die Faden- zellenschichte ein und zerfallen alsdann in sehr feine Nervenfäden, nackte Axencylinder, die in dem Raume zwischen Basalzeilen und Cylinderzellen zu einem sehr verworrenen intraepithelialen Nerven- 280 Kuhn: netze zusammentreten und dann erst in die nervösen Zellelemente der maculae und cristae auslaufen. An Osmiumsäure-Präparaten (1Y,—!/s %/,) tritt dies sehr deut- lich hervor; die braunschwarz gefärbten Nervenfasern behalten ihr doppelt contourirtes Aussehen und durchbohren als markhaltige Fasern den Knorpelsaum, um sich im Epithel zu verlieren. Zer- zupit man Nervenfasern, die mit schwacher Chromsäure oder besser mit Osmiumsäure behandelt wurden, so sieht man, dass sie in dem sogen. intraepithelialen Nervennetze ihre Myelinscheide verlieren und nun als Axeneylinder sich diehotomisch verzweigen, bis sie dann zuletzt sehr fein und etwas varicös werden. Der weitere Verlauf dieser, nur zuweilen varicös aussehenden feinsten Fasern ist ungemein schwer zu verfolgen, doch muss ich mich nach Allem, was ich an Vertiealschnitten und besonders an gut zerzupften Präparaten gesehen, dahin aussprechen, dass die aus dem intraepithelialen Nervennetze hervorgehenden feinsten Axeneylinder mit den Fadenzellen resp. deren unteren Fortsätzen in Verbindung treten und in denselben vollständig aufgehen. Wenn ich nämlich einerseits die Verbindung des oberen Fadenzellentort- satzes mit dem unteren zugespitzten Ende der Cylinderepithelien gesehen habe (Tai. XX, Fig. 43a, b, ce, d) und andererseits ähn- liche obere Ausläufer in die Zwischeuräume des Cylinderepithels habe treten sehen (Taf. XX, Fig. 42a, b, ce), so kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die Ausbreitung des oberen Fadenzellen- endes eine zweifache ist, 1) direet an die Cylinderzellen und 2) in die Interstitien dieser Zellen hinein bis zu deren oberem Rande. Andererseits sah ich an feinen Ampullen-Querschnitten, dass von unten aufsteigende feinste Nervenfasern mit zelligen Gebilden in direeter Verbindung standen, die den ovalen Körpern der Faden- zellen vollständig gleichen (Taf. XIX, Fig. 27). — Gleich wie Paul Meyer eine zweifache Endausbreitung der feinsten Nerven-. fäden angibt, einmal direct an das untere Oylinderepithelende, und dann zwischen diese Zellen hinein bis zur freien Zellenoberfläche, so habe auch ich ein analoges Verhalten von zweifacher Nerven- ausbreitung constatirt, nur mit dem Unterschiede, dass bei den Knochenfischen ein weiteres Zellgebilde, die ovalen Fadenzellen, das vermittelnde Glied herstellen, sozwar, dass die feinste Nervenfaser sich stets mit dem unteren Fortsatze der Fadenzelle verbindet und diese alsdann vermittelst ihres oberen Ausläufers sich entweder mit dem Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 281 unteren zugespitzten Ende der Cylinderzelle vereinigt oder dass ein ähnlicher oberer fadenförmiger Fortsatz zwischen die Cylinder- zellen sich hineinlegt und am oberen Maeula- oder Oristarande frei endigt. Also auch hier besteht eine doppelte Art von Aus- breitung der feinsten Nervenfasern: entweder am unteren Pole der Cylinderzellen oder frei am oberen Rande der Hör-Flecke und Leisten ; der Unterschied zwischen der Auffassung von Meyer und der meinen wäre nur der, dass Meyer bei Reptilien und Vögeln die Fadenzellen völlig leugnet, dieselben niemals nachweisen konnte, ich dagegen bei Fischen jene ovalen Zellgebilde mit aller Sicher- ‚heit auf Durehschnitten sowohl wie bei Zerzupfungen zu den ver- schiedensten Malen gesehen habe. Es wäre nun daran zu denken, dass diese Elemente bei diesen niedriger stehenden Thieren vor- handen sind, bei den höheren Vertebraten dagegen allmählich in den Hintergrund treten, ja sogar vollständig verschwinden. Fallen diese vermittelnden Zellen weg, so wäre die Art und Weise der Ausbreitung genau die gleiche, einerseits bei Reptilien und Vögeln, andererseits bei Fischen. Was nun die auf den Cylinderepithelien befindlichen mehr- fachen Haarbildungen betrifft, so werden dieselben von mehreren Autoren als letztes Glied des nervösen Endapparates gehalten; es hat aber bis jetzt Niemand mit Sicherheit ein Durchlaufen der feinsten Nervenfaser durch Cylinderzelle und Kern bis zur Ober- fläche derselben gesehen. Die von Reich (l.c.), Rüdinger (I. e.), Coyne (These d’agregation. Paris 1376) aufgestellte Ansicht, als seien diese Haarbildungen die unmittelbare Fortsetzung des zwischen die Cylinderepithelien eindringenden oberen Fortsatzes der Faden- zelle, kann um deswillen nicht richtig sein, weil an gut isolirten Präparaten die grossen Cylinderzellen die alleinigen Träger der Flimmerhaare sind. — Ein einziges Mal war ich in der Lage, den an den unteren Pol einer Cylinderzelle herantretenden oberen Fort- satz einer Fadenzelle bis in den grossen runden Kern der ersteren verfolgen zu können (Taf. XX, Fig. 43 e), eine Fortsetzung desselben bis zur Oberfläche konnte ich jedoch nicht beobachten. Um mich vor jedweder Täuschung bei diesem seltenen Befunde zu bewahren, habe ich diese beiden zusammenhängenden, aber sonst vollständig isolirt lie- genden Zellen unter dem Deckglase in allen Riehtungen gedreht und gewendet, fand jedoch immer wieder den innigen Zusammenhang des aufsteigenden Fadens mit dem Kerne der Cylinderzelle. Entgegen der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 19 282 Kuhn: von einigen Autoren ausgesprochenen Vermuthung, dass dieser bis zum Zellkerne vordringende Nervenfaden die ganze Cylinderzelle durchlaufe und an deren Oberfläche in den haarförmigen Gebilden sich auflöse, erscheint es mir doch auffallend, dass diese eine feinste Faser, an dem oberen Rande der Cylinderzelle angekommen, hier in die 4 oder 5 neben einander gestellten haarförmigen Fortsätze sich auflöse. Letztere, deren ich in den Ampullen stets mehrere (3—4—5) die Oberfläche der Cylinder einnehmen sah, sind von gleicher Höhe und Dicke und nicht, wie einige Autoren angeben, in der Art ungleichmässig gross, dass sie von einem Rande bis zum andern allmählich an Grösse abnehmen. Sie stellen stets, auch an den sehr dunkel gefärbten Osmiumsäurepräparaten helle durch- sichtige homogene Fäden dar, im Gegensatze zu den oberen faden- förmigen Fortsätzen zwischen den einzelnen Oylinderzellen, die ein viel dunkleres, manchmal leicht varieöses Aussehen besitzen, was besonders dann hervortritt, wenn solche Fortsätze über die Zellen- oberfläche heraustreten (Taf. XX, Fig. 4le). Ich wäre demnach eher geneigt, diese haarförmigen Bildungen an der Oberfläche der Cylinderzellen, als einfache Cutieularbildungen, als Flimmerhaare anzusehen; es schliesst dies trotzdem die Möglichkeit nicht aus, dass dieselben, wenn einmal von aussen in mechanischer Weise in Bewegung gesetzt, bis zu einem gewissen Grade den Impuls zur Auslösung der physiologischen Reaetion der nervösen Cylinder- zellen geben können. — Von gewiss gleich grosser Wichtigkeit sind jedoch auch die oberen Ausläufer der Fadenzellen, welche in die Interstitien der Cylinderzellen sich erstrecken; stets sah ich die- selben am oberen freien Ende enden und konnte sie nur ein ein- ziges Mal bis über dasselbe hinaus verfolgen, welch’ letzteren Befund ich aber als einen durch die Zerzupfung entstandenen zufälligen be- zeichnen muss (Taf. XX, Fig.41 e), gegenüber der sich unzählige Male wiederholenden Thatsache der stumpfen Endigung dieses Fortsatzes an der Oberfläche des Cylinderepithels. Wenn man aus der dunkeln Färbung, bei Osmiumsäurezusatz, und der leicht varieösen Form dieses Fadens auf seine nervöse Natur schliessen darf, so muss auch er als eine letzte Endigung des Gehörnerven angesehen wer- den. Niemals konnte ich zwischen den ovalen Zellgebilden, zu denen diese Fäden gehörten und jenen, die zum unteren Cylinder- zellenende traten, einen Unterschied herausfinden; es wäre deshalb auch bis auf Weiteres kein Grund vorhanden, den ersteren ihre Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 283 nervöse Eigenschaft abzusprechen und sie, wie z. B. Retzius es gethan, als reine Stützorgane aufzufassen. Immerhin muss ich zu- gestehen, dass, so lange die direete Verbindung eines von unten aufsteigenden Nervenaxencylinders mit einer ovalen Fadenzelle, deren oberer Ausläufer in die Oylinderzwischenräume hineintritt, nicht nachgewiesen ist, die nervöse Natur der Fadenzellen bezwei- felt werden kann. Bei der Dieke der ganzen hier in Betracht kommenden Nervenepithellage ist dies ungemein schwer und konnte mir bei den Fischen nie gelingen. Ich will hoffen, diesen Punkt bei meinen späteren Untersuchungen an Amphibien u. s. w. näher beleuchten zu können. Auf der in so complieirter Weise zusammengesetzten Macula utrieuli liegt der Lapillus, der zweitgrösste von den im Fischlabyrinthe vorhandenen drei Otolithen (Taf. XIX, Fig. 28). Derselbe besitzt eine rundliche Form, ist an seinen Rändern leicht gezackt und seine beiden Oberflächen sind uneben und ziemlich stark eonvex; die untere Fläche jedoch, mit welcher der lapillus auf der Macula ruht, ist weniger gewölbt als die obere. Wie alle Otolithen ist auch der Lapillus von harter, steinartiger Consistenz und besteht nach Krieger!) aus einer elastischen, dichtgefaserten Grundsubstanz, in und um welche herum sich kohlensaure Kalksalze angelagert haben. Zieht man durch CrO; oder noch besser durch Holzessig diese Kalksalze aus, so bleibt eine deutlich gefaserte elastische Grundsubstanz zurück, die an einzelnen Stellen sehr mächtig ist (Taf. XX, Fig. 37). Der Ötolith liegt in einer weichen, glashellen, schleimähnlichen Masse, die im frischen Zustande völlig strukturlos erscheint; wird dieselbe in Osmiumsäure oder in schwachem Alkolol leicht gehär- tet, so sieht man zahlreiche grössere und kleinere ovale und rund- liche Oeffnungen, die in blindgeschlossene, glockenförmige Räume hineinführen (Tai. XX, Fig. 33); anderseits finden sich an solchen gehärteten Schleimmassen deutliche Streifungen (Taf. XX, Fig. 34), die ganz die Beschaffenheit und Anordnung zeigen, wie die Streifen der Cupula terminalis der Ampullen, von der wir später noch sprechen werden. Im Zusammenhange mit dieser streifigen Schleim- masse steht zweifelsohne jenes Deckpolster, das wir auf feinen Querschnitten durch die Macula die Oberfläche der Cylinderepithe- lien bedecken sehen. Es erstreckt sich diese Decke (Tak XVII, 1) Krieger, De otolithis. Berlin 1840. (Dissertatio.) 284 Kuhn: Fig. 13 u. 22), eine sogenannte Membrana tectoria, über die ganze Macula, besitzt sehr deutliche Streifungen, die mit der Oberfläche des Hörflecks parallel verlaufen und sieht man zuweilen an ganz dünnen Querschnitten die von den Cylinderzellen aufsteigenden Haare in kleinen Oeffnungen sich verlieren, die an der Basis dieser sogenannten Membrana tectoria liegen. Wir wenden uns jetzt zu den Ampullen und ihren halbzirkel- förmigen Canälen, müssen jedoch zuvor mit einigen Worten eines Organes gedenken, das zum Utrieularraume gehört, aber nur bei Esox Lucius vorzukommen scheint. Wir meinen den Appendix utrieuli. — Es stellt derselbe eine birnförmige, Y/s Cm. lange und 2 Mm. breite Blase dar, die mit engem Halse und kleiner Oeff- nung an der hinteren unteren Fläche des Utrieulus eimmündet und zwar unterhalb und nach hinten von der Einmündungsstelle der frontalen Ampulle (Taf. XVII, Fig. 1, 3 u. 4). Sein hinteres Ende ist ziemlich breit und von oben nach unten abgeplattet; es liegt dasselbe hier dicht unter der Dura mater neben dem Foramen oceipitale. Die Wandungen des Appen- dix sind ziemlich mächtig und bestehen gleichfalls aus Spindel- knorpel; an seiner Innenfläche ist derselbe von einfachem Pflaster- epithel überzogen, in dem Pigmentmassen zerstreut liegen, was besonders an der oberen Wand der Fall ist. Man hat bis jetzt dieses blasenartige Anhängsel des Utrieulus einzig und allein bei Esox Lucius gefunden und hier in constanter Weise; bei an- deren Fischarten konnte nichts derartiges nachgewiesen werden. Bresehet!) allein will den Appendix auch bei der Rothfeder (Trigla gurnardus), bei der Seebarbe (Perca labrax) und bei der Seetrüffel (Lophius piscatorius) gesehen haben; es geht jedoch aus der betreffenden Schilderung dieses Autors mit Bestimmtheit her- vor, dass der Appendix utrieuli, den Breschet und schon vor ihm mehrere Autoren beim Hechte gefunden haben, etwas ganz anderes ist, als jenes Organ der eben erwähnten Fische, das dieser Autor als dem Sacculus zugehörend beschreibt und welches wir. jetzt als lagena auffassen, die, wie wir sehen werden, bei allen Knochenfischen vorhanden ist. Breschet spricht nämlich von einer Nervenendigung und einem Otolithen in dem vermeintlichen Appendix jener Fische, was aber beim Hechte nicht der Fall ist. 1) Breschet ]. c. pag. 46 etc. -. _. Be Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 285 Es ist unmöglich, in diesem accessorischen Organe des Esox L. irgend welches Nervenästehen nachzuweisen, noch enthält dasselbe einen Otolithen oder demselben ähnliche Coneremente. Bis auf Weiteres muss es deshalb dahingestellt bleiben, welche Function diesem Anhängsel inne wohnt. Breschet sieht in ihm das Rudi- ment der bei Cyprinus carpio zwischen Labyrinth und Sehwimm- blase bestehenden Verbindung. Jedenfalls steht derselbe mit dem eigentlich nervösen Apparate in gar keiner Beziehung. Die drei Ampullen münden in den Utrieulus resp. in dessen recessus; die frontale, am hinteren Ende des Utriceulus, die sagit- tale und horizontale, am vorderen Ende des recessus (Taf. XVII, Fig. 3 u. 4). — Die frontale Ampulle mündet in den hinteren un- teren Theil des Utrieulus, etwas oberhalb der Eintrittsstelle des Appendix; sie stellt einen 3 Mm. langen, 2 Mm. hohen blasenarti- sen Hohlraum dar mit stark convexem Dache, parallel verlaufender vorderer und hinterer Wand und einem leicht eingezogenen Boden, dessen Mitte eine von vorn nach hinten ziehende eoncave Leiste (Suleus transversus) einnimmt. Dach sowohl wie Boden der Am- pulle sind schmäler als ihre beiden Seitenwände. Am vorderen und hinteren Ende der Ampulle ist die obere convexe Wand, vor ihrem Uebergange in den Utrieulus einerseits und in den frontalen Bogengang anderseits, stark eingeknickt. Am Boden des Organs ist das Septum transversum durch eine quere faltenartige Einstül- pung der Knorpelwände gebildet, und in diese Einziehung des Ampullenbodens dringt ein platter Nervenstamm, der von der portio eochlearis kommende ramus ampullae frontalis, zerfällt in eine grosse Zahl von Fasern, die sich dann auf der Kuppel des in die Ampullenhöhle hineinragenden Knorpelwulstes ausbreiten und verästeln. Die obere Fläche dieses Knorpelhöckers (Taf. XVII, Fig. 16) ist uneben und zeigt deutliche Einziehungen und Hervorragungen mit querverlaufenden Löchern zur Aufnahme von Blutgefässen. In der Mitte erhebt sich der Höcker am meisten, fällt nach den Seiten zu allmählich ab, um schliesslich beim Ueber- gange auf die beiden Wandungen der Ampullen wieder in die Höhe zu steigen (Taf. XVIIL, Fig. 14). Das Septum transversum nimmt nahezu Y/; des Ampullenumfanges ein. Die Wandungen der Ampullen bestehen aus Spindelknorpel, dessen Zellen eine der Fläche parallel verlaufende Anordnung darbieten; Blutgefässe sieht man in mässiger Menge das Gewebe 286 Kuhn: durchziehen. Die Innenfläche der Ampullen ist an den meisten Stellen von einem einfachen polygonalen Plattenepithel (Taf. XVII, Fig. 19) überzogen, das gegen das Dach zu immer höher wird und hier einen dunklen Zellstreifen bildet, der als raphe durchschim- mert und auf die Concavität der Bogengänge übergeht; die so ge- bildete Leiste am Ampullendache besteht aus rundlichen eylindri- schen Zellen mit deutlichem Kerne. An den beiden gegenüber- liegenden vorderen und hinteren Seitenwandungen sieht man eine nach oben convexe halbmondförmige Zellenpartie, die aus einer einfachen Schichte hoher Cylinderepithelien (Taf. XVII, Fig. 18) besteht; es ist dies das von Steifensand!) zuerst beschriebene planum semilunatum (Taf. XVIIL, Fig. 15 u. 17), das nahezu 1 Cm. Höhe und !/; Cm. Breite besitzt; seine obere convexe Grenze geht scharf in das gewöhnliche Plattenepithel des Ampullendaches über; nach unten aber wird der Uebergang des planum semilunatum zum Septum transversum resp. zur crista desselben durch ein mehr spindelförmiges minder hohes Cylinderepithel bewerkstelligt. Von, der Fläche gesehen stellt das planum semilunatum einen halbmond- förmigen Kreisausschnitt (Taf. XVIIL, Fig. 17) dar mit breitem con- vexem oberen Rande und mit einem viel schmäleren gleichfalls nach oben gewölbten unteren Rande, an welchen sich die erista des Septum nerveum anschliesst. Die Cylinderzellen des planum semilunatum bieten, von der Fläche betrachtet, eine regelmässige Mosaik von dieht aneinander gereihten 5- oder 6eckigen Zellen dar, in denen zuweilen der tiefer gelegene runde Kern dureh- schimmert; von der Seite gesehen sind es sehr hohe (0,07 Mm.) glashelle Cylinderzellen mit rundem Kerne, der meist im unteren Drittel der Zelle liegt (Taf. XVII, Fig. 18). Die Zellen des planum stehen senkrecht auf der Knorpelwand; im frischen Zustand sind dieselben hell, durchsichtig, färben sich aber sehr intensiv dunkel durch Chromsäure oder Osmiumsäure; durch letztere be- sonders tritt ihre dunkle Färbung in gleich starker Weise auf, wie dies bei den Cylinderepithelien der maculae und cristae der Fall ist; jedoch von einem Zusammenhange derselben mit den Nerven, wie dies einige Autoren angeben, konnte ich nichts entdecken, ebensowenig von der Existenz sogenannter Flimmerhärchen auf der Oberfläche dieser Elemente. 1) Steifensand I. c. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 287 Ausser dem polygonalen Plattenepithel der Ampullenwandun- gen und den Cylinderzellen der plana semilunata findet sich am Boden des Organes und zwar an der dem Utrieulus zugewen- deten Hälfte eine dritte Epithelienvarietät, die schon aus dem re- cessus utrieuli her bekannten protoplasmatischen Zellen; sie be- sitzen die ähnlichen polymorphen Formen wie im recessus, und liegen in grosser Menge und dichtgedrängt an dem Theile des Ampullenbodens (Taf. XVII, Fig. 17), der an den Utrieulus grenzt; sie treten hier bis an das septum nerveum heran. In der anderen Hälfte des Ampullenraumes kommen sie gleichfalls vor, aber nicht in so zahlreicher Weise. In das vordere Ende des Utrieulus, oder besser gesagt, des recessus utrieuli münden die beiden anderen Ampullen, die sagit- tale und die horizontale (Taf. XVII, Fig. 3 u. 4). Erstere mündet vorn und unten in den recessus mit weiter runder Oeffnung; sie besitzt einen Längendurchmesser von 3 Mm. und eine Höhe von 2 Mm.; was Form, Grösse und Wölbung betrifft, so gleicht sie nahezu vollständig der schon beschriebenen Amp. frontal., ebenso finden wir an ihrer Innenfläche genau dieselbe Anordnung und Zusammensetzung wie in der Amp. frontalis; bei letzterer ragt die als Septum nerveum beschriebene knorpelige Einstülpung höher in den Hohlraum hinein, als bei der Amp. sagittal. Während auf Durehsehnitten der Amp. frontal. der in die Höhlung des Organes aufsteigende Knorpelwulst langgestreckt, zungenförmig erscheint, ist die Knorpelleiste der sagittalen Ampulle viel niedriger und fällt von seinem etwas vorspringenden Centraltheile leicht ab gegen die Seitenwandungen der Ampulle (Taf. XVII, Fig. 16). Wie die frontale Amp. besitzt auch die sagittale an ihren beiden gegenüberstehenden Wandungen die aus hohen Cylinder- zellen zusammengesetzten plana semilunata von Steifensand. Die dritte und kleinste Ampulle ist die horizontale; sie liegt nach hinten und oben von der sie begrenzenden und mit ihr durch eine gemeinschaftliche grosse Oeffnung in den recessus mündenden Amp. sagittalis. Die Grenze der oberen Wand der sagittalen Am- pulle und der unmittelbar darüber liegenden unteren Wand der horizontalen ist durch eine ziemlich starke Ausbuchtung der beiden Wandungen angedeutet. Die nach innen gelegene obere Wand der horizontalen Ampulle geht direet auf die gewölbte obere Recessus- wand über und ist viel kürzer als die entgegengesetzte andere 288 Kuhn: Hälfte des Organs, die sich in den Bogengang fortsetzt. Viel kleiner als die beiden anderen besitzt die Amp. horizontal. nur eine Länge von 2}; Mm. auf eine Höhe von 1%/,—2 Mm. Die feinere Structur dieser Ampulle ist genau dieselbe wie die der beiden anderen; das Septum nerveum ist der Seitenlage des Organs halber etwas nach vorn gerichtet; auf einem Durch- schnitte gleicht es aber nahezu dem der sagittalen Ampulle; nur ragt die Knorpelleiste nicht ganz so hoch in den Hohlraum und ihr oberes Ende gleicht einer schwach ausgehöhlten Schaale. Im Inneren der horizont. Ampulle finden sich die gleichen Verhältnisse vor wie in den beiden anderen; nur darin besteht eine Abweichung, dass nur ein planum semilunatum und zwar an der dem orifieium utrieulare entsprechenden Wandung vorhanden ist, während es an der gegenüberliegenden Hälfte vollständig fehlt und durch einfaches Plattenepithel ersetzt ist. In allen drei Ampullen finden wir eine gleiche Zusammen- setzung und Anordnung der Nervenendausbreitung; dieselbe findet in den von Scehultze mit dem Namen der Hörleisten, Cristae acusticae, bezeichneten Zellenpolstern statt, die auf der Oberfläche der Septa nervea liegen und dieselben mützenartig bedecken. Die Cristae der sagittalen und horizontalen Ampullen sind nahezu von gleicher Form, nur ist die Hörleiste der sagittalen etwas stärker in ihrer Mitte gewölbt, während diejenige der horizontalen mehr gerade verläuft, ja sogar etwas muldenförmig erscheint; es ent- spricht dies der oben beschriebenen Formverschiedenheit der Septa nervea beider Ampullen. Die Form der frontalen Crista acustica ist eine andere als die der beiden eben erwähnten Hör- leisten, und zwar desshalb, weil ihr knorpeliges Septum nerveum viel weiter in den Ampullenraum hineinragt, daher viel langge- streekter ist und der Nerv viel höher aufsteigen muss, um in die auf der Oberfläche des Septum gleichsam mützenartig auigestülpte Crista einzudringen; die Hörleiste selbst hat eine nach den Rändern zu abfallende und nach oben leicht eonvexe Form. Zwischen den Cristae und den plana semilunata besteht beider- seits eine tiefe Rinne (Taf. XIX, Fig. 24), an der ein niederes Cylinderepithel den Uebergang in die beschriebenen grossen Cylin- derzellen der plana semilunata bildet. Die Cristae besitzen ihre grösste Dieke im Centrum (0,06 bis 0,08 Mm.); gegen die Ränder nimmt dieselbe allmählich ab. Wir ei 2 wi ren en a u Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 289 finden in den cristae acusticae dieselben Elemente wie in der macula utrieuli (Taf. XIX, Fig. 24): die Basalzellen liegen in gleich geordneter Weise auf der knorpeligen Basis der Hörleiste; ober- halb derselben sehen wir die Fadenzellenschichte, die in den Am- pullen viel mächtiger ist als im recess. utrieuli; allein auch hier haben sie genau dieselbe Form, die nämlichen zwei fadenförmigen Fortsätze, wie im Utrieulus (Taf. XIX, Fig. 25); die dritte Zellenlage endlich, die grossen Cylinderepithelien mit ihren Haaren, schliesst wieder das Ganze nach oben ab; ihre Grösse und Beschaffenheit sowie die ihrer Kerne sind die gleichen wie im rec. utrieuli; nur die Flimmerhaare am oberen Rande dieser Epithelien sind beträcht- lich länger (0,04—0,07 Mm.) und feiner (Taf. XIX, Fig. 26); man wird auch hier, besonders an Chromsäurepräparaten, deutlich er- kennen, dass diese haarförmigen Bildungen nicht ein einziges Stäbehen darstellen, sondern dass es mehrere (3—5) meist gleich- grosse ganz feine Fädchen sind, die von einem Rande der Zelle ausgehend neben einander, an verschiedenen Punkten der Zellen- oberfläche, getrennt entspringen, in die Höhe steigen und in die darüberliegende cupula terminalis eindringen (Taf. XX, Fig. 40a, b). An Osmiumsäure und Alkoholpräparaten stellen sie blos ein ein- ziges dickeres borstenartiges Haar dar, was dadurch entstanden sein muss, dass die einzelnen Haare an ihrer Basis durch die Ein- wirkung dieser Reagentien zusammengeklebt sind. Häufig brechen sie auch an so behandelten Präparaten theils vollständig, theils - zum grossen Theile ab, und wir sehen dann mehrere ungleich lange Haare an der Zellenoberfläche aufsitzen. Aus der Ungleichmässig- keit der haarförmigen Gebilde in ihrer Länge glaubten einzelne Autoren (Paul Meyer) schliessen zu dürfen, dass überhaupt auch im normalen Zustande das am einen Zellenrande stehende Haar das längste sei, die daneben stehenden Härchen jedoch gradatim an Länge abnehmen, so dass das an der anderen Ecke der Cylin- derzelle stehende nur sehr kurz sei. Da ich häufig Gelegenheit ‚ hatte, mehrere gleich lange haarförmige Fortsätze auf der Zelle auf- sitzen zu sehen, so möchte ich die von Anderen erwähnte Ungleich- mässigkeit der Haare von der Einwirkung der Reagentien abhängig gemacht wissen. — Die grossen Cylinderepithelien der eristae brechen häufig an ihrem unteren Pole ab, das untere Ende derselben erscheint alsdann rund oder gerade abgestumpft; an gut erhaltenen Präparaten jedoch sieht man sie in ihrer unversehrten Form; ihr 290 Kuhn: unteres Ende läuft in einen fadenförmigen Fortsatz aus, den ich zuweilen in unmittelbarem Zusammenhange mit dem oberen Aus- läufer einer Fadenzelle gesehen habe. Von einem Zusammenhange dieser unteren Zellenendigung mit einer Nervenfaser konnte ich Jedoch, selbst an den feinsten Durchschnitten, nie etwas zu Gesicht bekommen. Dagegen war es an Zerzupfungspräparaten wie auch an guten verticalen Schnitten nieht zu verkennen, dass der vom oberen Pole der Fadenzellen aufsteigende feine Fortsatz sich regel- mässig zwischen je 2 Cylinderepithelien hinein erstreckt, bis an ihren oberen Rand gelangt, hier frei endet und denselben nur in den allerseltensten Fällen überragt (Taf. XX, Fig. 4le). An ein- zelnen Präparaten war es fernerhin möglich, den unteren Ausläufer der Fadenzellen mit einer emporsteigenden Nervenfaser in Ver- bindung zu sehen (Taf. XIX, Fig. 27). Auch hier fand ieh neben Fadenzellen, deren oberer Fortsatz zwischen die Cylinderepithelien eindrang, andere Fadenelemente, deren peripherer oberer Ausläufer mit dem zugespitzten unteren Ende der Cylinder innig zusammen- hieng (Taf. XX, 43a, b, e, f, i). — Die Nervenfasern treten in den Ampullen gleich wie im recessus utrieuli mit ihrer vollen Dicke und ihrer Myelinscheide durch den Spindelknorpel des Septum ner- veum hindurch und gehen bis zur Fadenzellenschichte; hier biegen sie um, verlieren ihre Myelinscheide und verlaufen dann horizontal und parallel mit der Oberfläche der erista acustica; alsdann bilden sie ein wirres intraepitheliales Nervennetz (Taf. XIX, Fig. 27), dessen letzte Ausläufer sich meist unseren Blicken entziehen; nur an seltenen Beispielen war es mir möglich, dieselben mit fadenzellenähnlichen Elementen in Verbindung treten zu sehen (Taf. XIX, Fig. 27). Auf feinen Querschniten der Ampullen beobachtet man wie im recessus utrieuli kolbenartige Anschwellungen (Taf. XIX, Fig. 25) der durchtretenden Nervenstämme, von deren Rändern alsdann höchst feine Nervenfasern nach beiden Seiten hin abgehen, um sich im intraepithelialen Nervennetze zu verlieren. Es stellten sich diese ganglienartigen Nervenanschwellungen so häufig, ja sogar so regelmässig auf feinen Durehschnitten dar, dass ich ihrer er- wähnen zu müssen glaubte. Die Oberfläche einer jeden Crista ist von zwei von einander trennbaren und verschiedenartig gebildeten Cutieulargebilden über- zogen, von einer einfachen structurlosen Cutieularmembran und von der Cupula terminalis. Erstere liegt dicht auf dem oberen Rande Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 291 der Cylinderepithelien, ist ungemein dünn und wird von den haar- förmigen Cilien der Cylinderzellen durchbohrt; im frischen Zustande ist sie glashell und sehr schwer zu sehen; nach Einwirkung von Chrom- oder Osmiumsäure tritt sie deutlich zu Tage, lässt aber auch dann keine näheren Strueturverhältnisse erkennen. , Auf ganz feinen Durchschnitten (Taf. XVIH, Fig. 21) ragt zuweilen ein kleiner Theil derselben über den Rand der Zellen frei hinaus, ebenso an durch Zerzupfung erhaltenen Einzelelementen (Taf. XX, Fig. 42 b u. ec, 439). Das zweite, viel wichtigere Cutieulargebilde, welches die Gehörleiste nach dem Binnenraum der Ampulle zu abschliesst, ist die von Lang!) zuerst gesehene und beschriebene Cupula terminalis. Dieselbe ist in situ an frischen Präparaten ungemein schwer zu sehen, sie fällt meist ab und geht zu Grunde; an Os- miumsäure-, Goldehlorid- oder Alkololpräparaten erscheint sie deutlicher, ist aber alsdann stark geschrumpft und gibt uns kein getreues Bild mehr über ihre Form und Structur; am besten er- hält sie sich noch an Objeceten, die durch schwache Chromsäure oder Chromkali langsam erhärtet wurden, allein auch dann noch thut man gut, durch irgend ein Tinetionsmittel (Haematoxylin, Anilin ete.) ihre Contouren stärker hervortreten zu lassen. — Im gut erhaltenen Zustande (Taf. XVII, Fig. 14 u. Taf. XX, Fig. 24 u. 26) stellt sie eine die ganze Crista bedeckende Kuppel dar, die nahezu die Hälite des Höhendurchmessers der Ampulle einnimmt; ihre grösste Breite resp. Dicke besitzt sie an ihrer auf der Crista auf- ruhenden Basis; gegen ihr oberes Ende wird sie schmäler, ist aber immerhin noch ziemlich dick; ihr Tiefendurchmesser, also von vorn nach hinten, ist geringer als der Breitendurchmesser. Der Cupula- scheitel ist eonvex und fällt nach den Seiten hin allmählich ab; der untere Rand, die Basis eupulae, entspricht genau der oberen Cristawölbung; sie ist deshalb stark eoneav und steht mit letzterer in intimer Verbindung, d. h. liegt ihr fest an; an den peripheren . Rändern der Cupula, da wo sie auf die Seitenwandungen übergeht, ist das Organ viel dünner und geht nieht über die Ausdehnung der Crista hinaus; sie endet ganz nahe am Anfangstheile der plana semilunata, steht jedoch mit denselben in gar keiner Verbindung (Tai. XIX, Fig. 24). Die Cupula hat eine halbfeste ‚Consistenz, ist glashell und fast durchsichtig; schon bei mittleren Vergrösserungen 1) Lang loe. cit. 292 Kuhn: erkennt man feine Streifen an derselben; sie ist aus dieht anein- anderliegenden, vertical verlaufenden, feinen Fasern zusammengesetzt, die an dem unteren Theile ganz parallel neben einander stehen, dann aber mehr und mehr dem Centrum sich zuneigen, um schliess- lich am Scheitel eine Streifenanordnung darzubieten, in der die gegen- über liegenden Fasern in einander übergehen; das Gefüge des oberen Endes der Cupula ist desshalb viel straffer und dichter als dasjenige der unteren Hälfte. Zerzupit man einzelne Theile des Organs, so sieht man es aus wellenförmig geschlängelten Fibrillen (Taf. XVIIL, Fig. 20) bestehen, mit wenig aber deutlicher Zwischen- substanz; die einzelnen dünnen Fasern der Cupula liegen wir durcheinander, allein von einem Uebergang, von einer Verbindung unter den Fasern selbst konnte ich nichts wahrnehmen. An der unteren concaven Fläche des Organs liegen der Breite nach eine grosse Zahl kleiner Oeffnungen (Taf. XIX, Fig. 24), die nach Hasse zur Aufnahme der haarförmigen Fortsätze der Cylinderzellen bestimmt sind. Den Eintritt der Cristahärchen in die Cupula kann man häufig genug nachweisen (Taf. XIX, Fig. 26), ob aber in diese Löcher, lässt sich nur vermuthen. Die Streifung der Cupula ist eine senkrechte und nicht der Crista parallel, wie dies einzelne Autoren an- genommen. Bei der grossen Menge von Fasern, welche die Cupula bilden, und besonders bei deren relativer Stärke erscheint es mir nicht wahrscheinlich, dass sie die directen Fortsetzungen der an und für sich viel feineren Haarbildungen sind, die sich an der Oberfläche des Cristaepithels befinden, wie dies Lang und Hasse annehmen wollen. An Osmiumpräparaten besitzen die Haare der Cylinder- zellen neben ihrer viel grösseren Zartheit auch noch eine viel hellere Färbung und einen geringeren Glanz als die Fasern der Cupula. Das Gewebe der Cupula besteht aus einer Schleimsub- stanz, die anderen Cutieularbildungen homolog zu sein scheint, und auch in physiologischer Beziehung scheint deshalb dieses Organ mehr die Rolle eines Dämpfungsapparates, als die eines Schall an- regenden oder verstärkenden zu haben. Schliesslich wäre noch zu erwähnen, dass Retzius an der Oberfläche der Cupula ein dünnes steites Häutchen gesehen hat, das die freie Oberfläche der ganzen Cupula überzieht. An einzelnen Präparaten konnte auch ich einen ähnlichen strukturlosen dünnen Ueberzug der höchsten Cupulapartien nachweisen (Taf. XIX, Fig. 26). Den drei Ampullen entsprechen drei halbkreisförmige Bogen- Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 293 gänge: ein frontaler, ein sagittaler und ein horizontaler (Taf. XV, Fig. 3 u. 4). Der frontale ist der kürzeste; er hat eine Länge von 10 Mm., geht mit weiter Oeffnung von der Ampulle ab, wendet sich nach oben und aussen, um sieh dann nach vorn in die hintere obere Ecke des sinus utrieuli superior zu Öffnen; er liegt in einem theils knöchernen, theils knorpeligen Canale, der auf der inneren und unteren Partie des os epioticum verläuft. Der sagittale Bogengang ist 12 Mm. lang, entwickelt sich aus der entsprechenden Ampulle, wendet sich erst nach vorn und oben, um schliesslich rückwärts in die vordere obere Ecke des sinus superior, der Einmündungsstelle des oben beschriebenen canalis frontalis gegenüber, einzumünden; er ist stärker gewölbt als der vorige und liegt, gleich dem canal. frontalis, in einem halb knö- chernen halb knorpeligen Halbcanale, dem semicanalis sagittalis. Der grösste unter den Bogengängen ist der horizontale; er hat eine Länge von 15 Mm., geht von der Ampulle schlank ab, wendet sich nach hinten und aussen in nahezu horizontaler Rich- tung, nimmt aber alsbald seinen Verlauf wieder nach vorn und innen, um zuletzt an der unteren und hinteren Seite des Utrieulus, da wo der Utrieularkörper in den sinus superior übergeht, einzu- münden. Die dieken und elastischen Wandungen der Bogengänge sind aus Spindelknorpel zuammengesetzt, ganz ähnlich wie die Am- pullen; auf verticalen Durchschnitten stellen sie eylindrische Röhren dar, deren nach unten gerichtete Basis etwas diekere Wandungen besitzt als die lateralen Theile. Der Raphe der Ampullen ent- sprechend, finden wir an der Concavität der Bogengänge ebentalls einen etwas dunkleren aus Cylinderzellen bestehenden Zellenstreifen. Im Inneren der Bogengänge sehen wir ein schönes, polygo- nales Pflasterepithel mit sehr zarten Zellgrenzen, das je näher der Raphe kleiner aber höher wird und daselbst in kleine runde Cylinderzellen mit deutlichem Kerne übergeht. Rüdinger will bei Esox Lucius im Lumen der Bogengänge ein feines excentrisches Canälchen gesehen haben und betrachtet dasselbe als Homologon des eigentlich häutigen Bogenganges der höheren Wirbelthiere, während der knorpelige Gang selbst dem knöchernen Halbzirkel- Canale dieser Thiere entspreche. Es löst sich nämlich das feine Epithel von der Innenfläche der Bogengänge leicht ab und hier- durch entsteht ein künstlicher kleiner Gang im Binnenraume des 294 Kuhn: Canals. Hasse glaubt nun, dass solche künstlich entstandenen Spalten und Hohlgänge es waren, was Rüdinger als besonderen normalen knorpeligen Canal angesehen hat. Ich konnte mich zu- weilen bei Esox von der Gegenwart einer solchen künstlichen Ab- trennung des Epithels überzeugen, musste aber mit Hasse das Abnorme eines solchen Beiundes anerkennen. Die Bogengänge sind von einer ganz geringen Zahl von Blut- gefässen durchsetzt, die besonders an den äusseren Theilen der Wandungen ihren Verlauf nehmen. Von Nerven in diesen Hohl- räumen habe ich nie eine Spur auifinden können. Wir wenden uns nun zur Schilderung der sogenannten pars inferior des häutigen Labyrinths; es besteht dieselbe aus dem Sae- culus (rotundus s. sphaericus) und der Lagena (cochlea). Beim Hechte, wie bei den meisten Teleostiern, bilden diese beiden Organe zusammen einen mandelförmigen Hohlraum, der auf eine Länge von 1 Cm., eine Höhe von 4 Mm. und eine gleichgrosse Tiefe be- sitzt und von vorn nach hinten leicht abgeplattet ist. Der vordere spitz zulaufende Theil dieses Organes entspricht dem eigentlichen Saeceulus, der hintere stumpf abgerundete stellt die Lagena dar. Das ganze sackartige Gebilde liegt in der ovalen fossa saceuli et lagenae, die von dem os prooticum und den beiden ossa oceipitalia gebildet wird; es liegt dasselbe unmittelbar unter dem recess. utrieuli, dem Utrieuluskörper und einem Theile der frontalen Ampulle (Taf. XVL, Fig. 1, 3 u. 4). Der Saeculus ist in seiner äusseren Hälfte dünn und zart, und besteht aus einem sehr feinen homogenen Bindegewebe mit spär- lichen Zellelementen, die aus dem die innere Saceulushälfte bilden- den mächtigen Spindelknorpel hervorgehen. Die äussere Fläche des Sacculus ist von zahlreichen Gefässen durchzogen (Taf. XX, Fig. 29 u. 30); an seiner Innenfläche finden wir ein grosses poly- gonales Pflasterepithel, das gegen die innere resp. vordere Wand des Saceulus, da wo die maecula acustica liegt, immer höher und rundlicher wird; ausserdem sehen wir auch im Saceulus, in der Nähe seines Gehörfleeks, jene protoplasmatischen Zellengruppen auitreten, die wir im recess. utrieuli und in den Ampullen kennen gelernt haben. Zwischen diesen Elementen und denen der eigent- lichen Macula liegt eine ziemlich entwickelte Zone von hellen Cylinderzellen. Auf der Innenfläche der inneren Sackwand und zwar in ihrer Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 295 Mitte liegt die langausgezogene Macula sacceuli (Taf. XX, Fig. 39), auf welcher der grösste der drei ÖOtolithen, die Sagitta, sich befindet. Die Macula nimmt fast die ganze Länge des Sackes ein, also nahezu 7—8 Mm. auf eine Breite von 1,5 Mm.; in ihrer mittleren Partie besitzt sie die grösste Ausdehnung und spitzt sich gegen beide Enden allmählich zu; ihre Oberfläche ragt mit einer Dieke von 0,05 Mm. über das Niveau der Innenfläche des Sackes. In der Flächenansicht sowohl, wie auch an Durchschnittspräparaten derselben ergibt sich genau dasselbe Bild wie an der macula utrieuli, und auch an zerzupiten Objeeten finden wir, dass es die gleichen Einzelelemente sind, die sie zusammensetzen, wie am Hör- fleck des Utrieulus und an den Cristae der Ampullen; die Verbin- dung dieser Elemente unter einander und anderseits ihr Zusammen- hang mit‘den Nervenästchen findet in ganz gleicher Weise statt, wie an den oben genannten Labyrinththeilen. Den Uebergang des eigentlich nervösen Maculaepithels zu dem die Innenfläche des Sacculus auskleidenden polygonalen Platten- epithel bildet ein schmaler Streifen von eylindrischen Zellen; auch hier treffen wir wiederum jene eigenthümlichen polymorphen Zell- gebilde, die wir im Utrieulus und in den Ampullen als ls matische Epithelien kennen gelernt haben. Die Sagitta liegt auf der Macula saceuli; sie stellt beim Hechte einen 7 Mm. langen, 4 Mm. breiten und 11/; Mm. dieken Stein dar, der hinten breit abgerundet nach vorn ganz spitz zuläuit; an seiner vorderen, stark convexen Fläche sieht man eine langgezo- gene Rinne, die zur Aufnahme der Macula bestimmt ist. Die vordere Fläche dieses Hörsteins ist stark convex, die hintere nahezu flach und an einzelnen Stellen sogar leicht concav (Taf. XIX, Fig. 30 u. 31). Die Zusammensetzung der Sagitta ist genau die nämliche wie die des Lapillus (Taf. XX, Fig. 37). — Auch hier liegt der Ötolith in einer schleimigen, durchsichtigen Masse, die den Raum zwischen Stein- und Sackwand ausfüllt und es finden sich an ihr gleichfalls jene glockenförmigen Hohlräume an der dem Ötolithen zugewandten Fläche und anderseits jene streifige regel- mässige Faserung, wie wir dies am lapillus resp. an dessen um- hüllender Membran kennen gelernt haben (Taf. XX, Fig. 33 u. 34). — Mit der vorderen eoncaven Fläche und der in seiner Mitte befind- lichen langen Rinne liegt die Sagitta auf der Macula auf und ist von derselben nur durch die glasige Zwischensubstanz und eine soge- 296 Kuhn: nannte Membrana teetoria getrennt. In letztere dringen die auf den grossen Cylinderzellen der Maculaoberfläche sitzenden Haare ein und verlieren sich in derselben. Der Hohlraum des Saceulus geht beim Hechte ununterbrochen in die Lagena über; dieselbe liegt senkrecht zur Maecula saceuli am hinteren stumpf abgerundeten Ende des Sackes (Taf. XX, Fig. 38); es zeigt dieser Theil des Saceulus die gleiche Zusammensetzung aus Spindelknorpel, wie alle Labyrinththeile; das Gewebe ist jedoeh in diesem Abschnitte ein viel derberes und mächtigeres als am übrigen Theile des Saceulus. Bei einer grossen Zahl von Teolostiern ist der Uebergang des Saceulus in die Lagena kein so direeter, kein so ununterbrochener, wie beim Esox; bei den Cypriniden, den Gadiden u. s. w. ist das hintere Ende des Sackes ausgebuchtet, Saceulus und Lagena stehen nur veriittelst eines engen Canals in Verbindung; bei anderen wird die Trennung beider Theile durch eine im Innern befindliche ring- förmige Leiste angedeutet, an der dann die Lagena wie ein kleiner Anhang mützenförmig auisitzt (Fig. 5, 7, S u. 9 der XVII. Tafel). Die Ausbreitung des zur Lagena gehenden ramus cochlearis geschieht in der sogenannten Crista lagenae, auf welcher der kleinste Otolith, der Asteriscus, aufliegt. Das Epithel des Saeculus geht ununter- brochen in dasjenige der Lagena über; an den äussersten Schichten um die Crista lagenae herum, finden wir das bekannte Pflasterepithel, das gegen die Gehörleiste zu an Höhe zunimmt und dort niedere Cylinder darstellt, zwischen denen ziemlich zahlreiche protoplasma- tische Zellen eingestreut sind. Am hinteren econvexen Ende des Saceulus liegt die Crista la- genae (Taf. XX, Fig. 35 u. 36); sie besitzt eine Länge von 4 Mm. und eine Breite von 1 Mm.; auch sie ragt, wie die oben beschrie- benen maculae utrieuli und saceuli, besonders in ihrer Mitte sehr stark über das Niveau der Innenfläche hervor und flacht sich dann gegen die beiden zugespitzten Enden mehr und mehr ab. Ihre Form ist, entsprechend der knorpeligen Unterlage des Lagenahohl- raumes, leicht nach vorn und hinten gewölbt. Flächenansichten so- wohl wie Durchschnittspräparate ergeben ebenfalls die gleiche Zusammensetzung wie die Macula saceuli und utrieuli. Der Asteriscus liegt auf der Crista auf; er besitzt eine halb- mondförmige Gestalt mit eonvexer hinterer und leicht abgeplatteter vorderer Fläche, die an verschiedenen Stellen grössere und kleinere Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 297 Unebenheiten zeigen (Taf. XIX, Fig. 29); an seiner hinteren con- vexen Fläche besitzt er eine flache Rinne zur Aufnahme der Crista. Gleich der Sagitta liegt auch der Asteriseus in einer halbfesten, klaren Masse, die ebenfalls keine speciell ausgesprochene Structur besitzt. Hasse wies zuerst darauf hin, dass dieser Abschnitt des Saeculus als Schneekentheil der Fische angesehen werden muss, und die Umstände, dass wir auch hier einen Otolithen finden, ferner, dass ein specieller, vom Hauptast des nervus vestibularis unabhängiger Nervenzweig der lagena angehört, beweisen zur Ge- nüge die Richtigkeit der Hasse’schen Ansicht. — Aus der Reihe der Knochenfische haben wir von den uns hier zu Gebote stehenden Teleostiern noch folgende Fischarten unter- sucht: Muraena anguilla (Physostomi apodes), Cyprinus carpio, Chondrostoma nasus (Physostomi abdominales, zu denen auch Esox Lueius gehört), Solea vulgaris (Anacanthini, Pleuronectiden) und Gadus morrhua (Anacanthini, Gadiden) und schliesslich Perca flu- viatilis (Acanthopteri, Pereidae). Bei den Muraeniden entsprieht der geringen Schädelentwick- lung ein verhältnissmässig kleines häutiges Labyrinth; es erreicht bei ziemlich grossen Thieren von 50—60 Cm. Länge kaum die Hälite der Maasse, die wir bei mittelgrossen Esoxexemplaren ge- funden haben (Taf. XVII, Fig. 9); im Durchschnitte beträgt die Höhe des ganzen Organs, also die Entfernung des oberen Poles des Sinus utrieuli bis zum unteren Pole des Saceulus 6,5 Mm., seine Breite vom hinteren Pole der Ampulla frontalis bis zum vorderen der Ampulla sagittalis 7 Mm. Das perilymphatische Gewebe, von dem das Labyrinth umgeben ist, setzt sich aus viel diekeren und strafferen Fasern und Balken zusammen als bei Esox und Perea. Die einzelnen Theile des häutigen Gehörorganes dieser Thiere sind die nämlichen und besitzen die gleiche Anordnung wie bei den übrigen Knochenfischen; mit Ausnahme des viel kleineren re- eessus und des sehr kurzen sinus bietet der Utrieulus keine merk- lichen Abweichungen dar. Auch die Ampullen mit ihren verhält- nissmässig kurzen halbzirkelförmigen Canälen geben in ihrer Zusammensetzung, in ihrer Form und in der Art und Weise ihrer Einmündung in den Utrieulus die bei Esox geschilderten Verhält- nisse wieder. Bei der geringen Höhe des ganzen Organs sind alle diese Theile kleiner, niedriger und leicht abgeplattet. Zwischen Utrieulus und Saceulus besteht auch hier der sogenannte Canalis Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14, 20 298 Kuhn: communicans als eine sehr kurze Röhre, die an der unteren Wand des Utrieulus, nieht weit von der Einmündungsstelle der Ampulla - irontalis beginnt und im Saceulus in der Nähe der beginnenden Lagenaabtheilung einmündet. Der Saceulus ist mehr abgerundet, fast ebenso hoch als breit; an seinem hinteren Ende sitzt die Lagena in Form einer Warze auf und wenn auch die Verbindungsöffnung zwischen diesen beiden Abschnitten eine ziemlich weite ist, so lässt sich doch von Aussen schon an einer Einschnürung des Sackes die Trennung der beiden Theile von einander leicht erkennen zum Unterschied von Esox, bei dem der Uebergang ein ununterbrochener und von Aussen durch kein besonderes Merkmal bemerkbarer ist. Die Nervenausbreitung im Labyrinthe von Muraena ist die gleiche der übrigen Teleostier. Die papillae basilares utrieuli sind zwar viel schwerer nachzuweisen als bei Esox, Perca u. s. w., lassen sich jedoch an Präparaten, die etwas lange in Osmiumsäure gelegen sind, als zwei kleine, an der unteren Utrieularwand gelegene schwarze Nerven-Papillen erkennen, zu deren oberer ein etwas längeres Nervenbündel zieht als zu der unteren; diese beiden Nervenzweige entspringen vom nervus cochleae, gerade da, wo der ramus ampullae frontalis sich abzweigt. Der Lapillus besitzt eine plattovale Gestalt und ist sehr klein, ebenso der Asteriscus; die Sagitta dagegen ist sehr breit und dick. ; In Bezug auf die feinere histologische Zusammensetzung fin- den wir im membranösen Labyrinthe dieser Fische ganz analoge Verhältnisse wie bei Esox Lueius. — Die den Physostomi abdominales und der Familie der Cypri- “niden angehörenden Cyprinus carpio und Chondrostoma nasus zeigen im Bau ihres häutigen Gehörorgans einige Verschiedenheit gegenüber Esox und Muraena. Trotz einer mässigen Entwickelung des Utrieulus und der Ampullen finden wir die Höhen- und Breiten- Durchmesser des ganzen Organs viel beträchtlicher als bei Esox, was auf die bedeutendere Länge der halbzirkelförmigen Canäle in dem sehr voluminösen Cyprinidenschädel bezogen werden muss (Taf. XVII, Fig. 6; Taf. XIX, Fig. 32). Das häutige Labyrinth dieser Fische ist in grosse Fettmengen eingebettet und es füllen dieselben den ganzen perilymphatischen Raum aus, so dass es schwer ist, die Membrana perilymphatica zu isoliren; an kleineren Stückehen derselben ist es jedoch möglich, die gleiche fibrilläre Structur wie bei Muraena nachzuweisen. R Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 299 Die Utrieulartheile der Cypriniden zeigen die gleiche Anord- nung wie bei Esox u. $. w.; ebenso Nervenausbreitung und Zu- sammensetzung der Nervenendstellen. Die Papillae basilares lassen sich bei Chondrostoma nasus (s. Taf. XIX, Fig. 32) sehr leicht nachweisen, weil die Verbindung des Utrieulus mit dem Saceulus dureh einen langgezogenen Canal hergestellt wird; bei Cyprinus schon sehen wir, wie an der unteren Utrieularwand der Uebergang in den Saceulusraum durch eine eylindrische Röhre mit feinem Canale bewerkstelligt wird; noch viel ausgesprochener ist dies bei Chondrostoma der Fall und es tritt deshalb der von Retzius als pars basilaris aufgefasste Utrieularabschnitt mit seinen beiden Nervenpapillen deutlich und isolirt hervor. Der Saceulus selbst besitzt eine Länge von 10—12 Mm. und ist an seinem Lagenarande um das Doppelte breiter, als an seinem Anfangstheile (Taf. XVII, Fig. 6 u. Taf. XIX, Fig. 52). Im Gegensatze zu anderen Tele- ostiern ist hier der Lagenaabschnitt viel grösser als der eigent- liehe Saceulustheil; dem entsprechend ist auch der Asteriscus viel voluminöser als die Sagitta. Während bei vielen Knochenfischen die Lagenahöhle kaum den vierten, zuweilen nur den sechsten Theil des Saceulusraumes einnimmt, ist bei den Cypriniden der vom Asteriscus eingenommene Hohlraum ebenso gross, bei Chon- drostoma sogar noch etwas beträchtlicher als der die Sagitta umschliessende Saceulus. Der Uebergang des Sacculus in die Lagena wird durch einen kurzen Canal vermittelt, der von der Mitte der unteren lateralen Wand des Sacculus ausgeht und vermittelst einer ovalen Oeffnung in den Lagenaraum einmündet. Die an den beiden Figuren (Taf. XVII, Fig. 6 u. Taf. XIX, Fig. 32) siehtbare runde Oeffnung, die sich an der medianen Sac- euluswand befindet, wird von Hasse als die Mündungsstelle des von E. H. Weber beschriebenen Sinus impar angesehen; bei der uns vorgezeichneten Aufgabe, vorzugsweise die genauere Zusammen- ° «setzung der Nervenendstellen zu untersuchen, haben wir es unter- lassen, diesen Punkt für jetzt näher in Betracht zu ziehen, glauben Jedoch erwähnen zu dürfen, dass es uns auch bei dem vorsichtig- sten Herauspräpariren der beiden häutigen Labyrinthe nicht mög- lieh war, irgend welchen Zusammenhang der beiden im Innern der gegenüberstehenden Schädelhäliten liegenden Gehörorgane aufzu- finden; ja nicht einmal Reste eines Canals konnten wir an der be- 300 Kuhn: treffenden Oeffnung eonstatiren, sondern stets sahen wir dieselbe als ein kreisrundes Loch mit glatten regelmässigen Rändern. (Retzius.)— Die Solea vulgaris (Pleuroneetiden) und Gadus morrhua (Ga- diden) sind zwei verschiedene Repräsentanten der Anacanthini; sie bieten, was ihre Formen betrifft, einige Abweichungen dar, welche sich aber auch hier wie bei Muraena auf die Unterschiede ihres Schädelbaues zurückführen lassen. Während bei der hohen, aber kurzen Schädelhöhle der Solea der Höhendurchmesser des häutigen Labyrinthes die Breite desselben übertrifft (Taf. XVII, Fig. 8), sehen wir bei Gadus morrhua ähnliche Verhältnisse wie bei Esox. Das Labyrinth ist niedrig aber breit (Taf. XVII, Fig. 2 u. 7). Der Utrieulus mit seinen Theilen bietet niehts Abweichendes dar; bei Solea konnten wir die Papillae basilares nachweisen, bei Gadus dagegen, die wir freilich nie frisch genug erhalten konnten, war uns dies nicht möglich. Der Saceulus von Solea besitzt eine ähnliche runde abge- plattete Form wie bei Muraena und Perca; der Lagenatheil wird durch eine ähnliche mützenartige Ausstülpung gebildet, wie dies bei den Physostomi apodes und den Acanthopteri der Fall ist. Bei Gadus dagegen ist der Saceulus sehr langgestreckt, nimmt die ganze untere Breite des Labyrinthes ein und umschliesst die flache, dünne und sehr breite Sagitta; auf seiner hinteren, oberen Kante sitzt die Lagena in Form eines kleinen Beutels, von der Grösse einer starken Erbse (Taf. XVII, Fig. 2 u. 7); dieser wulstförmige Anhang ist an seiner Basis vom Saceulus abgesehnürt und steht mit demselben durch einen langen, engen Canal in Verbindung; er umschliesst den kleinen runden Asteriseus. Es konnten diese Fische erst einige Tage nach ihrem Ab- sterben untersucht werden und musste ich desshalb von einem Studium der feineren histologischen Verhältnisse Abstand nehmen. — Von den der 5. Classe der Teleostier angehörigen Fischen habe ich Perea fluviatilis näher untersucht. Das häutige Labyrinth des Barsches ist viel schlanker und höher als bei Esox Lucius (Taf. XVII, Fig. 5); bei einer Höhe von 15 Mm. besitzt dasselbe eine Breite von Il Mm. Der schmale Sinus superior ist langge- streckt und besitzt an seinem oberen Ende eine kurze stumpfe Ausbuchtung, die Hasse als Ueberrest des bei den Plagiostomen vorkommenden recessus labyrinthi ansehen zu dürfen glaubt und der, mit Ausnahme der Cypriniden, (Taf. XVII, Fig. 6) bei den > B— Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 301 anderen Knochenfischen fehlt. Während bei den übrigen Fischen die.pars inferior, also Saceulus und Lagena nur selten die ganze untere Breite der Utrieulustheile einnehmen, überragt beim Barsch der Lagenatheil noch um ein beträchtliches den hinteren Pol der frontalen Ampulle. An der unteren Wand des Utrieulus finden wir auch bei Pereca die beiden Papillae basilares, die jedoch so nahe zusammen liegen, dass sie zuweilen nur eine einzige vorzustellen scheinen; beim vorsichtigen Ausbreiten der dünnen Utrieularwand treten je- doch immer zwei von einander getrennte pilzförmige Nervenwülste auf, zu denen die zwei vom ramus lagenae aufsteigenden dünnen Nervenbündel ihren Verlauf nehmen. - An etwas grösseren Exemplaren von Perca lässt sich gleich- falls wie bei Esox der Canal. utrieulo-saceularis, sowie auch der Duetus saceuli nachweisen, was mir bei den anderen Fischarten nieht immer gelungen ist; vom Canale selbst konnte ich jedoch nur die im Saceulus befindliche Oeffnung zu Gesicht bekommen. Die Form des Saceulus ähnelt viel der des Hechtes, ist jedoch gleieh- mässig hoch und verjüngt sich gegen die Spitze nicht so stark wie bei Esox; am hinteren Ende des Saceulus sitzt die Lagena düten- förmig auf und ist dureh einen leichten Vorsprung am Inneren der medianen Wand von der Saceulushöhle abgegrenzt. Der feinere Bau des membranösen Labyrinthes und speciell der Nervenendstellen und der Cupula terminalis zeigt genau die gleichen Verhältnisse wie bei Esox. Das häutige Gehörorgan des Barsches ist von geringeren Fettmassen umgeben als bei den Cy- priniden und schon um deshalb eignet sich dasselbe in gleich hohem Grade als Esox Lucius zur näheren Untersuchung. Die wesentlichen Resultate dieser Untersuchungen, und inso- ferne dieselben von denen anderer Autoren abweichen, kann ich in Folgendem zusammenfassen. Das membranöse Labyrinth des Esox Lueius kann als Typus des häutigen Gehörorganes der Teleostier aufgefasst werden; nur die pars inferior resp. das Verhältniss der Lagena zum Saceulus bietet einige Verschiedenheiten dar gegenüber dem Verhalten die- ser Theile bei den Cypriniden und Gadiden. 302 Kuhn: Zu den bisher angenommenen sechs Nervenendstellen im membranösen Labyrinthe der Knochenfische müssen noch zwei weitere kleine Nervenendpapillen zugerechnet werden, nämlich die von Retzius zuerst gefundenen Papillae partis basilaris utrieuli. Die Basalzellenschichte findet sich sowohl in den Maeulae wie auch in den Cristae acusticae; sie besteht aus indifferenten, dieht neben einander liegenden runden Zellen. Die Fadenzellenschichte, wie sie zuerst von M. Schultze beschrieben worden ist, existirt bei den Fischen; ihre. unteren Aus- läufer vereinigen sich mit den Nerven-Axeneylindern, ihre oberen verbinden sich entweder mit dem unteren Pole der Cylinderzellen oder legen sich in die Zwischenräume der letzteren hinein, um am oberen Rande derselben stumpf zu enden. Die Fadenzellen müssen daher als ein Hauptfactor des nervösen Endapparates im Fisch- labyrinthe angesehen werden. Die Cylinderzellen stehen vermittelst ihres unteren spitzen Endes mit dem oberen Fortsatze der Fadenzellen und hiedurch mit den Nerven-Axencylindern in Verbindung; ob die auf der oberen Fläche dieser Cylinderepithelien aufsitzenden Flimmerhaare das letzte Glied des Nerven-Endapparates sind, muss zum wenig- sten noch bezweifelt werden. — Ich verhehle mir keineswegs, dass noch manche dieser histo- logischen Punkte einer lichteren Erklärung bedürfen und betrachte ich auch desshalb diese kleine anatomische Arbeit blos als die Ein- leitung zu meinen, theilweise schon begonnenen, Untersuchungen der Gehörorgane der Amphibien, Reptilien u. s. w., wobei ich hoffen will zur endgültigen Lösung der einzelnen noch offenstehen- den Punkte etwas beitragen zu können. Es bleibt mir noch übrig, die verschiedenen Methoden in Kürze zu besprechen, die ich bei meinen Untersuchungen zu Hilfe gezo- gen habe; und hier darf ich vorerst Hasse vollständig beistimmen, wenn er sagt, dass er bei keiner Thierelasse mit solehen Schwie- rigkeiten in der Erkenntniss dieser wichtigen nervösen Elemente zu kämpfen gehabt habe, wie bei den Fischen; es hängt dies einmal von der ausserordentlichen Vergänglichkeit und Zartheit der einzel- nen Zellen besonders der Cylinderzellen mit ihren Haaren ab und vor Allem von der Dieke und Höhe der Epithellage. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 303 Zu Durchschnittspräparaten sowohl wie für Zerzupfungen er- schien es mir stets nothwendig, den median gespaltenen Kopf des frisch getödteten Thieres mehrere Stunden lang in schwacher Chromsäure (Ys %) liegen zu lassen; die feineren Labyrinththeile und besonders Haare und Cupula terminalis werden dadurch etwas gehärtet und fallen weniger leicht ab; das nach dieser vorläufigen Procedur in toto herauspräparirte membranöse Labyrinth wurde alsdann während mehrerer Stunden (6 bis 12) in Osmiumsäure (YU—!/s—"/°/o) gebracht und später die einzelnen Ampullen und Säcke in frisches Rückenmark vom Rind eingebettet und durch schliessliches Einlegen in absoluten Alkohol sehnittfähig gemacht. Recessus utrieuli und Saceulus mit ihren Otolithen in situ mussten jedoch zuvor in Chromsäure oder Holzessig entkalkt werden. Die verschiedenen anderweitig angegebenen Einbettungsmethoden, wie Glycerin-Seife, Wachs mit Oel, Paraffine, Glycerinleim u. s. w. er- gaben mir bei Weitem keine so günstigen Schnitte, und schien mir die zur Einbettung in diese Massen nothwendige höhere Tempera- tur stets nachtheilig auf die subtilen Zellelemente und ihre haar- förmigen Fortsätze einzuwirken. — Die aus freier Hand gemachten Schnitte wurden mit Haematoxylin oder Pierocarmin gefärbt. Wir haben zu wiederholten Malen die Chlorgoldmethoden von Cohnheim wie auch von Gerlach versucht; die hierdurch er- haltenen Präparate waren jedoch immer undeutlicher und ver- schwommener als die durch Osmiumsäure, denn stets schrumpiten dabei Faden- und Cylinderzellen in einer Weise, dass ihre Grössen und Lageverhältnisse zu einander beträchtlich modifieirt wurden. Auch zur Herstellung von Zerzupfungspräparaten leistete uns die Osmiumsäure die weitaus besten Dienste; es durfte jedoch das häutige Labyrinth nieht länger als 2—3 Stunden und keiner zu starken Lösung (1/s—!/s °/o) ausgesetzt werden, wollte man das Cristaepithel nicht zu hart und zu dunkel werden lassen. Auch ganz verdünnte Chromsäure !/go %/o erwies sich mir sehr vortheilhait zur Darstellung von zerzupfiten Einzelelementen, die jedoch nachher, weil ungemein blass, durch irgend ein Färbemittel, oder was am vortheilhaftesten, dureh einen Tropfen Osmiumsäure dunkler ge- färbt werden müssen, um deutlicher in ihren Details hervor- zutreten. Andere die Einzelelemente gut eonservirende Reagentien, wie z. B. Kochsalzlösungen (10%), Ranvier’scher Alkohol, Kal. acetie. ergaben mir gleichiallls gute Präparate, jedoch immerhin 304 Kuhn: nieht so schön erhaltene als die schwache Osmiumsäure. Dagegen ist es rathsam, zur Aufbewahrung der Schnitt- wie Zerzupfungs- Objeete nur concentrirte Kali acetie.-Lösungen zu verwenden, weil die höchst delicaten Nerven-Elemente durch andere Flüssigkeiten mit der Länge der Zeit stets alterirt werden, aufquellen u.s. w. — Zur Aufbewahrung ganzer Labyrinthe oder einzelner Ampullen, Saceulus u.s. w. bediente ich mich mit Nutzen kleiner Caoutchoue- Ringe, die aul einer Glasunterlage mit Canadabalsam befestigt, dann mit Glycerin gefüllt und von oben mit dem Deckglase ge- schlossen werden. Die so erhaltenen Präparate lassen sich bei schwachen Vergrösserungen unter dem Mikroskope sehr gut unter- suchen. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVII. Fig. 1. Linke Hälfte eines sagittal durchschnittenen Schädels von Esox Lucius mit dem häutigen Labyrinth in situ. (Natürl. Grösse; von Innen gesehen.) Fig. 2. Rechte Hälfte eines sagittal durchschnittenen Schädels von Gadus morrhua mit seinem häutigen Labyrinth in situ. (Natürl. Grösse; von Aussen gesehen nach Wegnahme der äusseren Schädelwand.) Fig. 3. Rechtes membranöses Labyrinth von Esox Lucius. (Von der media- len Fläche‘geschen, bei 5facher Vergrösserung.) Fig. 4. Dasselbe von der lateralen Fläche gesehen bei gleicher Vergrösserung. Fig. 5. Rechtes membr. Labyr. von Perca fluviatilis. (Von Innen; 5fache | Vergrösser.) Fig. 6. Dasselbe von Cyprinus carpio; von der medialen Fläche, 5fach. Fig. 7. Linkes membran. Labyrinth von Gadus morrhua. (Von Innen; 5fache Vergrösser.) Fig. 8. Dasselbe von Solea vulgaris; gleiche Ansicht u. Vergrösser. Fig. 9. Rechtes membranöses Labyrinth von Muraena anguilla; von der medialen Fläche geschen bei 5facher Vergrösser. Fig. 10. Perilymphatisches Gewebe von Esox L. (Hartnack Ocul. 3 Linse V). Fig. 11. Dasselbe mit Osmiumsäure behandelt (Hartn. 3: VIII). Zwischen den einzelnen mit zwei Kernen versehenen Zellen sind kleine Binde- gewebs-Zellen und -Faserzüge sichtbar. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische. 305 12. 15. 14. 15. 16. 17. 18. 24. Protoplasmatische Zellen aus dem Recess. utriculi von Esox Luc. (Hartn. 3: VID)'). Nach oben Uebergang in Bindegewebszüge und -Zellen. Tasel;Xx VII! Verticaler Schnitt durch die Macul. utrieuli von Esox Luc. (Os- miumsäurepräp.) Hartn. 3: V. Flächenansicht der geschlossenen Ampull. horizont. von Perca fluvia- til. Osmiumsäure. Hartn. 3: IV. Flächenansicht der hinteren Wand der Ampull. horizont. von Esox L., mit erhaltenem Septum nerveum. Osmiumsäure. Hartn. 3:1. Vertikaler Schnitt des Septum nerveum der Amp. sagitt. von Esox. Chromsäurepräp. Hartn. 4:1. Am oberen höckerigen freien Rande ist die Crista vollständig entfernt; und man sieht hier die Oeffnun- gen der durchtretenden Blutgefässe. Von unten steigen die Nerven- fibrillen auf. Flächenansicht einer Wand der Amp. front. von Esox L. Osmium- säure. Hartn. 3:I. Sehr deutliche Ausdehnung des Plan. semilun. 2 Cylinderzellen aus dem Plan. semilunat. der Amp. sag. eines ganz kleinen Percaexemplars. (Hartn. 3: VII.) Osmiumsäure. . Flächenansicht des polygonalen.Plattenepithels aus einer Ampulle vom nämlichen Thiere. Osmiumsäure. (Hartn. 3: VII.) . Durch Zerzupfung erhaltene Einzelfasern einer durch Chromsäure behandelten Cupula termin. von Esox L. (Hartn. 2: VII.) . Theil eines verticalen Durchschnittes durch die Crista acust. einer Amp. sagitt. von Chondrostoma nasus. Hartn. 2:X Imm. Osmium- säure und Alkohol-Präparat, leicht eingeschrumpft, zeigt sehr deut- lich die Fadenzellen mit ihren Ausläufern und den Anastomosen der unteren Fäden. . Aehnliches Präparat bei Hartn. 2:X Imm. Basalzellen sehr deut- lich, ebenso das Aufsteigen des oberen Fadens der Fadenzellen zwischen den grossen Cylinderzellen mit ihren runden Kernen. Die ovalen Zellkörper der an der Basis der Cylinderzellen gelegenen Fadenzellen sind dreieckig zusammengedrückt. . Flächenansicht des Recessus utriculi mit Amp. horizont. von Esox Luc. Obere Wandung entfernt. Macul. acust. in ihrer ganzen Aus- dehnung. (Hartn. 3:1.) Osmiumpräparat. Paiel XIX. Uebersichtbild einer vertical durchschnittenen Ampull. frontal. von Esox L. Osmiumsäurepräp. Hartn. 3: VII. Die mit kleinen Oefl- 1) Hartnack 3: VII = Ocular 3, Linse 7. Ru 306 Fig. 25. Fig. 26. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30 Fig. 32. Fig. 33. Kuhn: nungen an der Basis versehene Cupula ist von der Crista abgehoben; an letzterer sind die 3 Zellenschichten (Basal-, Faden- und Cylinder- mit Härchen) gut zu unterscheiden; die seitlich liegenden Ausläufer der Crista sind von den aus hohen, regelmässig geordneten Cylinder- zellen der Plana semilunata durch eine scharf markirte Einziehung getrennt. Verticaler Durchschnitt einer mit Osmiumsäure und Haematoxylin behandelten Amp. horizont. vonEsoxL. (Hartn. 2:X Imm.) Deut- liches Bild der Fadenzellenschichte mit ihren oberen Ausläufern; von der eingeschrumpften Cupula nur noch eine ganz dünne Schichte erhalten. An der linken Hälfte des Schnittes sieht man zwei starke Nervenfasern nach ihrem Durchtritte durch den Knorpel kolben- förmig anschwellen und ganz feine schwarze Nervenfibrillen seitlich davon abgehen. Vertical. Durchschnitt der Crista amp. horizont. von Perca fluv. Ösmiumsäure. (Hartn. 3: VII.) Ungemein dünne lange Haare gehen von der Oberfläche des Cylinderepithels in die abgehobene Cupula über; an der Oberfläche der Cupula ist ein dünnes strukturloses Häutchen sichtbar. . Verticaler Durchschnitt der Amp. sagittal. von Abramis Brama (Cy- prinidae). Osmiumsäure. Hartn. 3: VII.) Durch Zerrung sind einzelne Nervenfibrillen schon vor ihrem Eintreten in die Crista in feinste Nervenfäden ausgezogen und an einigen Stellen sieht man deut- lich solche Fäden in Elemente übergehen, die den Fadenzellen ganz ähnlich sind. An der rechten Seite des Präparates ist das intra- epitheliale Nervennetz sehr deutlich zu sehen, ebenso die dichotomi- sche Verzweigung der Nervenfibrillen. Innere Ansicht des Lapillus von Esox L. (Hartn. 3:1.) Seitenansicht des Asteriscus v. Esox L. (Hartn. 3:1.) u. 31. Laterale (A) und mediale (B) Ansicht der Sagitta. In A. die Furche zur Aufnahme der Macul. Saceuli. Esox Lucius. Hartn. 3:1. Untere Hälfte des membr. Labyr. von Chondrostoma nasus in situ. Osmiumsäure. Hartn. 3:1. Es soll hier besonders ein deutliches Bild der am Boden des Utricul. gelegenen zwei pap. basilar. gege- ben werden. Ausserdem tritt hier deutlich die Ueberlegenheit des Lagenatheiles gegen den zwar etwas gezerrten, aber immerhin viel kleineren Sacculustheil zu Tage. Tafel XX. Ein Stück der Membrana tectoria sagittae von Esox L. bei Hartn. 3: VIII. In der ganz strukturlosen Substanz sieht man verschiedene grosse ovale Figuren, die in geschlossene Hohlräume führen. De A er a ee" We 5 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. EBig. Fig. 42. Fig. 43. Untersuchungen über das häutige Labyrinth dor Knochenfische. 307 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. Ein Theil der Membr. tector. sagittae von Esox L. bei Hartnack 3: VII. Rechts ganz strukturlose Substanz, die gegen die Mitte zu einzelne Hohlräume zeigt und schliesslich links in eine Bildung übergeht, welche die ähnlichen Streifungen wie an der Cupula termin. besitzt. Verticaler Durchschnitt der Crista lagen. von Esox L. Osmium- säure. Hartn. 3: IV. Uebersicht der nach beiden Seiten in ein- faches Cylinderepithel übergehenden Cristaelemente. Gleiches Präparat, mit Chromsäure und Osmiumsäure behandelt, bei Hartn. 3: VII. Neben den 3 Zellschichten der Crista sieht man die kolbenförmige Anschwellung des Nerven ähnlich wie in Fig. 20. Ein Theil des nach Behandlung mit Holzessig übrigbleibenden Fa- sergerüstes einer Sagitta von Esox Lucius. (Hartn. 3: VII). Obere Flächenansicht eines mit Osmiumsäure behandelten Sacculus, an dem ein Theil der unteren Utrieularwand zurückgelassen wurde. (10fache Vergrösser.) Neben. dem vorderen und oberen Ende der Crista lagenae liegt ein Stück vom Utriculus; die beiden pap. basilar. gehören in dessen Bereich, nebenan liegt der Canal. communie. und etwas nach der Mitte zu die Utrieular- sowie auch die Saccular- Öeffnung des bei Esox sehr kurzen duct. utriculo-saceular. Flächenansicht eines halbirten Sacculus von Esox L. Osmiumsäure. 10Ofache Vergrösser. Macula sacculi in ihrer ganzen Länge; Crista lagen. undeutlicher zu sehen wegen der starken Convexität des Organs an dieser Stelle. Isolirte Elemente. Cylinderzellen mit ihren Haaren. Aus den Am- pullen von Perca und Esox mit Chromsäure oder Ösmiumsäure. (Hartn. 2: X Imm.) a—f. Isolirte Elemente. Fadenzellen: a. aus Amp. front. von Perca mit Osmiumsäure und Kal. acet. (Hartn. 2: X); b. ebenso aus Lagena von Esox (Hartn. 3 : VIII ausgez.); c. aus der front. Amp. v. Perca bei Hartn. 2: X; die centralen Fortsätze stark gequollen und die beiden peripher. Fortsätze gehen in einander über; d. mit ChrO® behandelte Fadenzellen aus der Amp. sag. von Esox L. (Hartn. 2: X); mit einander zusammenhängende untere und obere Fortsätze. Bei e dringt der obere Faden über die Cylinderoberfläche hinaus. Isol. Elemente. Cylinderzellen mit nebenanliegenden Fadenzellen und ihren oberen Fortsätzen. a. aus der Amp. von Esox, b. aus rec. utr. von Esox, beide mit Osmiumsäure und Kal. acet., Hartn. 2:X; c. aus der Amp. von Perca, Chromsäure und Haematoxylin. (Hartn. 3: VIII lang), d. aus einer Amp. von Esox, wo ein von der Fadenzelle ausgehender Fortsatz an das untere Ende der Cylinder- zellen sich abzuzweigen scheint. Hartn. 2: X. Isol. Elemente. Cylinderzellen in Verbindung mit Fadenzellen. Hartn. 2:X. a. aus einer Amp. von Chondrostom. Osmiumsäure und 308 Wilhelm Breitenbach: Haematox., b. ebendaher mit Pierocarmin, c. aus Amp. front. von Perca, d. ebendaher mit Haematox., e. aus horiz. Amp. von Perca; f. aus der Lagena von Esox; g’ g'' g“‘ aus dem rec. utr. von Esox Lucius; h‘ h“ aus der front. Amp. von Perca; i aus der horiz. Amp. von Perca; von e—i mit Osmiumsäure und Kal. acet. Vorläufige Mittheilung über einige neue Unter- suchungen an Schmetterlingsrüsseln. Von Wilhelm Breitenbach (Jena). Hierzu Tafel XXI. Franeis Darwin hat im „Quarterly Journal of Mieroseopical Science“ (vol. XV. New Ser. pag. 3355—396) einen kurzen Aufsatz „über den Bau des Rüssels von Ophideres fulloniea, einer Orangen ansaugenden Motte“, veröffentlicht. . Die bajonetförmige, d. h. im Durchschnitt etwa dreieckige Spitze des Rüssels ist mit starken chitinösen Zähnen bewaffnet, welche theils nach der Spitze des Rüssels zu, theils umgekehrt stehen, so dass der Rüssel, sowohl wenn er in die Orange hineingestossen, als auch wenn er wieder herausgezogen wird, wie eine Säge wirkt. Das Gewebe der Frucht wird aufgerissen und dadurch wird der in den Zellen enthaltene Salt blosgelegt, so dass ihn die Schmetterlinge dann ungehindert saugen können. Es ist durh Charles Darwin und Dr. H. Müller eine be- kannte Thatsache geworden, dass viele Inseeten, und unter diesen auch Schmetterlinge, einige Blumen, welche keinen freien Honig absondern, doch wegen einer süssen Flüssigkeit eifrig besuchen. Diese Blumen bieten den Honig dann in einem weichen Gewebe dar, welches die Inseeten mit ihrem Rüssel anbohren müssen, wenn sie sich des Saites bemächtigen wollen. Die einheimischen Schmetter- linge, welehe solche Blumen besuchen, müssen also doch nothwen- Vorl. Mittheilung über einige neue Untersuchung. an Schmetterlingsrüsseln. 309 diger Weise irgend eine Anpassung an diese Thätigkeit im Bau ihres Rüssels zeigen; sie müssen, so dachte ich mir, irgend welche Vorrichtungen besitzen, welche mehr oder minder an die bei Ophi- deres fulloniea erinnern. | Dr. H. Müller sagt in dieser Beziehung folgendes von den Schmetterlingen: „Eigenthümliche, starre, spitzzackige Anhänge an den Enden der Kieferladen setzen sie ausserdem in den Stand, zartes, saftreiches Gewebe aufzuritzen und auf diese Weise auch den Saft soleher Blumen sich zu Nutze zu machen, welche keinen freien Honig absondern.“ (Befruchtung der Blumen durch Inseeten. pag. 57). Franeis Darwin sagt in dem oben erwähnten Auisatz vom Rüssel von Catocala nupta, dem rothen Ordensband, folgendes: „Er endist in eine stumpfe Spitze und hat keine von den bei Ophideres beschriebenen Zähnen und Rippen; er ist auf seiner Dorsalseite mit einer Anzahl von gebogenen, dornigen Haaren und mit stumpfen Papillen bedeckt, ähnlich den von Newport vom Rüssel von Vanessa Atalanta abgebildeten.“ Da der von Franeis Darwin abgebildete und beschriebene Bau des Rüssels von Ophideres fullonica mich sehr interessirte, so beschloss ich, den Versuch zu machen, der Entstehung und Ausbildung dieser merkwürdigen Anpassung an die Gewinnung von Honig nachzugehen. Ich trat dieserhalb mit Franeis Darwin in briefliehen Verkehr; und derselbe war so freundlich, mir eine Anzahl australischer und afrikanischer Schmetterlinge zur Unter- suchung zu überlassen, welche ihm selbst zugesandt worden waren. Die australischen waren Ophideres fullonica und nahe Verwandte, deren Namen ich leider nicht anzugeben vermag; von den ajlrika- nischen sei nur Egybolis Vaillantina genannt, da uns dieser Schmetter- ling weiter unten beschäftigen wird. Sodann untersuchte ich noch eine grössere Anzahl einheimischer Schmetterlinge verschiedener Familien. Durch diese Untersuchungen bin ich nun meiner Ueber- zeugung nach auf den Weg zur Erklärung der Entstehung jenes eigenthümlichen Rüsselbaues von Ophideres fullonieca gekommen. Die nachfolgenden Zeilen sind eine vorläufige Mittheilung über einige meiner Untersuchungen, welche durchaus noch keinen Ab- schluss gefunden haben. Ich möchte das Interesse der Entomologen namentlich auf diesen sehr interessanten Gegenstand lenken, der uns sicher eine der schönsten Anpassungen der Inseeten an die Gewinnung von Nahrung vorführt. 310 Wilhelm Breitenbach: Es ist schon lange bekannt, dass die Rüsselspitze mancher einheimischer Schmetterlinge mit fingerförmigen oder eylindri- schen Fortsätzen besetzt ist, dass ausserdem auf der Dorsalseite sich feine, gebogene Zähne hinziehen. Weder Franeis Darwin noch Dr. H. Müller haben erstere Gebilde genauer untersucht, wie ich gleich zeigen werde. Auch bei Ophideres fullonica finden wir diese eylindrischen Fortsätze. (Siehe Darwin’s Aufsatz; Fig. l,vsp.) Franeis Darwin kann uns aber nicht sagen, was die- selben für eine Funktion haben. Es ist dies ganz erklärlich; man kann eben nicht das ganze Wesen einer Erscheinung aus der Er- scheinung selbst erklären. Franeis Darwin hat nur den Rüssel vonOphideres fulloniea und höchstens den weniger anderer Schmetter- - linge, alles aber nur wenig eingehend untersucht, und er ist daher leicht erklärlicher Weise nicht im Stande, eine Eigenthümlichkeit klar zu legen, deren Natur sich nur durch vergleichende Studien ergeben kann. Nun sind es, wie wir sehen werden, gerade diese eigenthümlichen, fingerförmigen Gebilde, welche uns in das Ver- ständniss eines so eomplieirt gebauten, so speciellen Funktionen angepassten Organes, wie wir es im Rüssel von Ophideres fullo- nica vor uns haben, einführen können. Ich will zunächst den genaueren Bau dieser Gebilde an zwei einheimischen Schmetterlingen zur Anschauung zu bringen suchen; und zwar wähle ich Vanessa Jo und eine der gewöhnlichen Cato- cala sp. Bei Vanessa Jo kann man die in Rede stehenden Gebilde nicht mehr als fingerförmig bezeichnen (Fig. 1); sie haben vielmehr die Form eines kleinen Tönnchens. Diese Tönnchen müssen hohl sein; denn erstens sehen wir bei schräger Ansicht, welche man leicht dadurch erlangen kann, dass man ‚solche Exemplare in Augenschein nimmt, welche dicht an den Rüssel gepresst worden sind, am untern Ende, d. h. an der Insertionsstelle, eine Ellipse; sodann, was noch wichtiger ist, bemerken wir bei Einstellung auf die Mitte (optischer Durchschnitt) peripherisch, also parallel der Längsaxe des Tönnehens, einen sieh vom übrigen Theil etwas ab- hebenden Streifen, der uns die Dieke der Wandung des Tönnchens angibt. Die nach Aussen gerichtete Oeffnung des Tönnchens hat auf dem Rande acht bis zehn scharfe, ehitinöse Spitzen, welche als lokale Verlängerungen der Wandung des Tönnchens aufzufassen sind. Ausserdem ragt aus der Mitte des Ganzen eine etwas längere Vorl. Mittheilung über einige neue Untersuchung. an Schmetterlingsrüsseln. 811 Spitze hervor. An diesem Objeete kann man nicht entscheiden, ‚wo dieselbe befestigt ist; man kann nicht sagen, ob sie etwa zwi- schen zweien der kleineren angeheitet ist oder sonst wo. Um zu einer Erklärung zu kommen, bedarf es des Vergleiches mit andern Sehmetterlingen; und hier leisten uns die Catocala gute Dienste (Fig. 2). Die bei Vanessa Jo tönnchenförmig gestalteten Gebilde sind hier fingerförmig oder eylindrisch, ausserdem auch relativ länger. Sie sind gleichfalls hohl und tragen wie bei Vanessa Jo am oberen Rande eine Anzahl scharfer Spitzen. Aus der Mitte ragt wiederum eine längere Spitze hervor. Das, worauf es uns hier nun hauptsächlich ankommt, ist folgendes: Stellen wir das Mikroskop gerade auf die Mitte des Cylinders ein, so dass wir einen optischen Durchschnitt haben, so erscheint uns dann die über die kleinen Spitzen hervorragende längere am deutlich- sten, und mitten durch den ganzen Cylinder sehen wir einen Stab hindurchgehen, als dessen Fortsetzung über den Rand des Cylinders hinaus sich die längere Spitze zu erkennen gibt. Die längere Spitze ist also das Ende eines durch den Cylinder sich hindurehziehenden Stabes, den wir als Mittelstab bezeichnen wollen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass auch die längere Spitze bei Vanessa Jo einem solchen Stabe angehört; wenn wir denselben nicht sehen können, so liegt das augenscheinlich nur an der Un- durchsichtigkeit der Wandung des Tönnchens. Bei allen von mir untersuchten Schmetterlingen, mochten die- selben einheimische, australische oder afrikanische sein, fand sich, falls Cylindergebilde an dem betreffenden Rüssel vorhanden waren, derselbe Bautypus, als dessen wesentlichsten Charakter ich die Cylinderform und den Mittelstab betrachte. Ich glaube daher, dass es wohl keinem Zweifel unterliegen kann, dass dieses Gebilde eine allen Lepidopteren zukommende Eigenthümlichkeit ist, welche sie von ihren gemeinsamen Stammeltern geerbt haben, oder die sich event. bei den Ursehmetterlingen entwickelt hat, und die dann auf die Nachkommen übertragen wurde. Ich glaube nun schon jetzt, dass trotz der verhältnissmässig wenigen Untersuchungen, die ich in Folge des mangelhaften, mir zu Gebote stehenden Materials leider nur anstellen konnte, den Nachweis liefern zu können, dass die bei Ophideres fullonica so exquisit ausgeprägten starren und festen Zähne weiter nichts sind als 312 Wilhelm Breitenbach: solehe modifieirte Cylindergebilde, wie ich sie von Vanessa Jo und Catocala beschrieben habe (Fig. 1 u. 2). Ich will einige charakteristische Uebergangsiormen erläutern. Eine erste gibt uns der afrikanische Schmetterling Egybolis Vaillau- tina, welchen mir Franeis Darwin schickte. Es ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, ob hier die fragl. Gebilde Hohleylinder darstellen; vielmehr erscheinen sie in Folge des Diekenwachsthums der Wand als massiv. Mitten hindurch geht wieder der in eine Spitze auslaufende, hier ziemlich dieke Mittelstab (Fig. 3). In diesem Falle ist aber die Spitze keine einfache Endigung des Stabes, sondern sie sitzt auf einer kleinen kugeligen Anschwel- lung, welche in Folge einer lokalen Einschnürung am oberen Ende des Mittelstabes entstanden ist. Wichtig für meine Deutung dieser Cylindergebilde von Egybolis als Hohleylinder ist folgender Um- stand: Die niemals vollständig über den Rand des Cylindergebildes hervorragende Spitze mit darunter befindlicher kugeliger An- schwellung ist dünner als der übrige Theil des Mittelstabes und ragt frei in den Cylinder hinein, während der übrige Theil des Stabes fest von demselben umschlossen ist. Das Ganze haben wir also als Hohleylinder auizufassen, dessen Lumen so weit ist, dass es gerade von dem Mittelstab ausgefüllt wird. Nur am oberen Ende des Cylinders ist etwas Spielraum, da hier der Mittelstab dünner ist als in seinen übrigen Theilen. Die Zähne am oberen Rande des Cylinders sind verschwunden. Der Cylinder selbst variirt an einem Rüssel nicht unbedeutend; bald ist er länger, bald kürzer, bald dicker, dann dünner, gerade oder etwas gebogen. Die Spitze des Stabes ragt bald etwas über den Rand des Cylin- ders hervor, bald kommt sie über denselben nicht hinaus. Egybo- lis Vaillantina saugt von den Bäumen geiallene Früchte an, niemals wurde sie an noch auf den Bäumen befindlichen Früchten gesehen. (Briefliche Mittheilung des Herrn R. Trimen vom Cap der guten Hoffnung an Herrn Franeis Darwin; der Brief ist durch die Güte des letzteren in meinem Besitz.) Auf diese Thatsache kom- men wir noch zurück, und wir werden eine Erklärung für dieselbe finden, wenn wir den Rüsselbau von Ophideres fulloniea und die Thätigkeit dieser Motte kennen gelernt haben. Zwischen Egybolis und Ophideres will ich noch eine Zwischen- form einschalten, einen sehr interessanten anstralisehen Schmetter- ling, der auf seinem Rüssel zwei charakteristische Zwischenformen Vorl. Mittheilung über einige neue Untersuchung. an Schmetterlingsrüsseln. 8313 enthält. Der Schmetterling, dessen Namen ich leider noch nicht anzugeben vermag, ist entschieden, nach seinem ganzen Habitus zu urtheilen, sehr nahe mit Ophideres verwandt. Eine Abbildung des von seiner Ventralseite gesehenen Rüssels gibt Fig. 4. Am äusser- sten Ende der Spitze sehen wir zahlreiche, je in eine Grube ein- sesenkte, starke, starre, kegelförmige Hervorragungen, Zähne, wie wir sie nennen wollen. Die Zähne selbst, welche immer mit ihrer Spitze der Basis des Rüssels zu gerichtet sind, erscheinen meistens ein wenig gebogen. Um die Grube, in der die Zähne eingesenkt sind, herum erhebt sich ein entweder völlig geschlossener oder an einzelnen Stellen auch unregelmässig unterbrochener Wall, der sich durch seine dunklere Färbung von der Umgebung abhebt. Die Zähne werden, je weiter sie nach der Basis des Rüssels zu stehen, um so grösser. Wir kommen auf dieselben noch zurück. Auf diese Zähne folgen dann andere Bildungen, nämlich eine srosse Anzahl von Cylindergebilden (Fig. 5). Wie die nähere Untersuchung ergibt, schliessen sie sich eng an die bei Egybolis erläuterten an. Der Unterschied ist aus der Vergleichung der be- treffenden Figuren leicht ersichtlich. Der Hohleylinder hat sieh über dem Mittelstab geschlossen und ist ziemlich spitz geworden. Die Spitze des Stabes ist etwas gebogen und kommt niemals, oder doch nur in sehr seltenen Fällen und auch dann nur in äusserst geringem Maasse, durch die Cylinderwand hindurch zum Vorschein. Der Vortheil dieser Umwandlung liegt auf der Hand. Dadurch, dass der ganze Cylinder einen massiven Körper darstellt, hat er natürlich bedeutendere Festigkeit erlangt, und in Folge dessen ist auch der ganze Rüssel bei seiner gewebeanbohrenden Thätigkeit zu höheren Leistungen befähigt. Das an diesem Rüssel Merkwür- dige und höchst Interessante ist nun, dass wir an ihm gleich noch eine andere Entwiekelung sehen, welche uns unmittelbar zu Ophi- deres hinüberleitet, nämlich die Ausbildung der schon erwähnten, wie Widerhaken nach hinten gerichteten Zähne. Auf den Bau derselben wollen wir jetzt etwas näher eingehen, um uns über ihre Natur klar zu werden (Fig. 6). Wie schon gesagt, liegen sie mit ihrer Basis in einer Grube, um deren Wand herum sieh ein mehr oder minder breiter Wall von unregelmässiger, meist elliptischer Gestalt erhebt. Diese Thatsache ist für später fest zu halten. Sehr wichtig für uns ist, dass weiter diese Zähne einen Bau zeigen, der in seiner Grundform gleich dem der weiter oben stehenden Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 14. 21 314 Wilhelm Breitenbach: Cylindergebilde ist. Im Innern des Zahnes sehen wir ganz deut- lich den allerdings rudimentär gewordenen Mittelstab. Er hat keine bestimmte Gestalt mehr; zeigt aber an seinem vorderen Ende noch den Rest der kugeligen Anschwellung mit der darauf sitzen- den Spitze. Durch diese Zähne muss der Rüssel zu noch grösseren Arbeiten befähigt werden, der Schmetterling muss schon verhält- nissmässig festes Gewebe mit Erfolg anbohren können, und in der That ist dies auch der Fall; denn die Ophideres und nächste Ver- wandte, deren vorliegendes Exemplar sicherlich einer ist, bohren noch auf Bäumen befindliche Früchte, Orangen, Pfirsiche u. dgl. mit solchem Erfolg an, dass sie grossen Schaden anrichten können. Ich will noch auf eine Eigenthümliehkeit an dem vorliegenden | Rüssel aufmerksam machen, die, wenn sie auch, strenge genommen, nicht hierher gehört, aber doch in den weiteren Bereich meines Themas fällt. Die Spitze des Rüssels ist an und für sich schon scharf; bei den von mir untersuchten Exemplaren fand sich ausser- dem noch, dass die Spitzen der beiden Rüsselhälften nicht unmit- _ telbar neben einander stehen, sondern dass die eine von der andern um ein kleines Stück überragt wird. Ich halte dies nicht für zu- fällig, sondern für eine eigenthümliche, durch die natürliche Zucht- wahl erworbene Anpassung. Durch Zurückweichen der einen Spitzenhälfte ist die ursprünglich aus zweien bestehende Gesammt- spitze des Rüssels ersichtlicher Weise bedeutend schärfer gewor- den, und dadurch ist natürlich das Eindringen in pflanzliches Gewebe um Vieles erleichtert. Die Funktion der Zähne liegt auf der Hand. Beim Hineinbohren in das Gewebe spielen sie keine Rolle; dagegen werden sie beim Zurückziehen des Rüssels aus dem angebohrten Pflanzentheil das Gewebe zerreissen und so den in den Zellen enthaltenen Saft in Freiheit setzen. Wir kommen jetzt zu Ophideres fullonica (Fig. 7), wo wir die letzte Umformung vollzogen sehen zur Ausprägung eines 80 sonderbaren Organes. Die Zähne sind sehr stark ausgebildet; der Wall hat sieh namentlich auf der Basalseite der Zähne, also der Rüsselspitze zu, mächtig nach oben entwickelt, so dass er die Zähne selbst in ihrer Arbeit unterstützt, entweder activ, dadurch, dass der ziemlich scharfe Rand sich am Aufreissen des Gewebes betheiligt, oder, vielleicht in noch wirksamerer Weise, passiv, da- durch, dass er als fester Hintergrund für die Zähne dient, und zwar in folgender Weise. Wenn die Zähne in vollster Thätigkeit Vorl. Mittheilung über einige neue Untersuchung. an Schmetterlingsrüsseln. 315 begriffen sind, so kann es bei ziemlich resistenten Geweben sehr wohl möglich sein, dass die Insertion der Zähne nicht so fest ist,- als dass diese dem Gewebe genügenden Widerstand entgegenstellen könnten. Im vorliegenden Falle kann aber auch dann ein Zahn kaum jemals losgerissen werden, da der hinterliegende Wall ein weites Zurückbiegen und vollends gar ein Abbrechen niemals ge- statten würde. Die Zähne selbst zeigen manchmal noch hinreichend deutlich erkennbare Spuren des Mittelstabes; im Allgemeinen sind sie aber sehr massiv. Auf jeder Rüsselhälfte befinden sich sechs Zähne, also im Ganzen zwölf. Francis Darwin spricht nur von drei Zähnen auf jeder Rüsselhälfte (the eurious peg-like teeth, of which there are three on each lateral surface); er hat also drei, event. sechs übersehen und damit hängt ein weiterer Fehler seinerseits zusam- ' men. Er spricht von Zähnen, welche von den dorsalen Rändern der beiden lateralen Oberflächen sich erheben sollen (teeth projee- ting from the dorsal margius of the two lateral surfaces). Diese von Franeis Darwin fälschlich für Zähne gehaltenen, nach der Rüsselbasis zu gerichteten Vorsprünge sind weiter nichts als die hinteren, höher erhobenen Wälle der. Gruben, in welehen die drei, resp. sechs von Darwin übersehenen Zähne eingesenkt liegen. Dass Franeis Darwin die wirklichen Zähne nicht gesehen hat, geht hinreichend aus seiner Abbildung hervor. Ausserdem finden wir noch am Rüssel von Ophideres fullonica auf der Ventralseite nach ‘der Spitze zu gerichtete Vorsprünge. Ueber den Ursprung derselben vermag ich noch nichts Gewisses anzugeben; vermuthlich aber sind es modifieirte Zähne. Von den ursprünglichen Cylinder- gebilden sind auch noch einige vorhanden; es sind einfache mas- sive Körper, in denen trotz annähernder Beibehaltung der ur- sprünglichen Gestalt nur sehr geringe Spuren des Mittelstabes noch zu erkennen sind. Hiermit will ich meine vorläufige Mittheilung schliessen, und es sei mir nur noch gestattet, auf einige der wesentlichsten Punkte aufmerksam zu machen, welche bei der weiteren Forschung meiner Meinung nach namentlich zu berücksichtigen wären. 1) Kommen in allen Schmetterlingsfamilien und bei Schmetter- lingen aller Länder ähnliche Vorrichtungen vor, wie wir sie soeben an einigen Beispielen kennen gelernt haben? 2) Wie und woraus sind diese Gebilde entstanden? Sind es 316 WW. Breitenbach: Vorl. Mittheilung über einige neue Untersuch. ete. vielleicht modifieirte Haare, welche später etwa als Anpassung an Blumen- und überhaupt an Pflanzennahrung sich zu den jetzigen Gestaltungen entwickelt haben ? 3) Welche specielle Funktion hat der Mittelstab, und wie er- klärt sich seine Entstehung? Wie ist sein feinerer Bau? 4) Wenn die Cylinder bei einheimischen Schmetterlingen z. B. wirkliche Hohleylinder sind, ist es da vielleicht nicht möglich, dass sie mit dem den Rüssel durchziehenden Canal in Communi- eation stehen? Diese vier Punkte würden zunächst in Angriff genommen werden müssen, und ich halte es für eine ebenso interessante als lohnende Aufgabe, den in den vorstehenden Zeilen nur flüchtig angedeuteten Erscheinungen genauer nachzugehen. Ich bin über- zeugt, dass der Forschung ein weites Feld geöffnet ist und dass in diesem Felde auch noch Manches verborgen liegt, welches auf das Leben der Schmetterlinge Licht werfen kann. Ich glaube im Vorhergehenden den Weg ziemlich richtig getroffen zu haben, welcher bei weiterer Forschung eingeschlagen werden müsste, wenngleich sich Irrthümer schon auch herausstellen mögen. End- lich spreche ich eine Bitte an die Herren Entomologen aus, mich event. mit Material gütigst unterstützen zu wollen. Selbst die kleinste Zusendung ist mir sehr willkommen und wird mich zu auifrichtigem Dank verpflichten! Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. (Alle Figuren sind vergrössert.) Fig. 1. Cylindergebilde vom Rüssel von Vanessa Jo. Fig. 2. Cylindergebilde einer Catocala sp. ; Fig. 3. Cylindergebilde von Egybolis Vaillantina. Fig. 4. Rüssel eines australischen Schmetterlings, der nahe mit Opkidzeee verwandt ist. Von der Ventralseite gesehen. y Fig. 5. Cylindergebilde desselben Rüssels. Fig. 6. Zahn desselben Rüssels. Fig. 7. Eine Rüsselhälfte von Ophideres fullonica, von der Seite gesehen. Die Figuren 4 und 7 stellen natürlich nur den hierher gehörenden Theil der Rüssel dar. 7 Bedeutung der Buchstaben in allen Figuren: z Zähne um den Rand der Cylindergebilde herum. sm Spitze des M. Foster u.A.G. Dew-Smith: Die Muskeln u. Nerven d. Herzens ete. 317 Mittelstabes. m Mittelstab. w Wall. & Grube. wz Wie Wider- haken gestellte Zähne. cg Cylindergebilde. c Der aus beiden Rüsselhälften sich zusammensetzende Canal. Die Querstreifen in 4 und 7 sollen die den Rüssel zusammensetzenden, übereinanderliegenden Ringe andeuten. h in Fig. 7 sind feine Haare oder Fransen, deren Bedeutung und Ur- sprung mir noch nicht völlig klar ist. Sie finden sich bei allen von mir untersuchten Schmetterlingen. Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Von M. Foster und A. & Dew-Smith, Trinity College, Cambridge. Unter dem obigen Titel (Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 14, erstes Heft) hat Dogiel die Resultate von Untersuchungen mitgetheilt, welche die Schlüsse, zu denen wir selbst gekommen ‚ sind (Proc. Royal Soe.), aufzuheben scheinen. Mit Bezug hierauf sei uns gestattet, die folgenden Bemerkungen zu machen: Die Beobachtungen, worauf wir unsere Folgerungen gründen, wurden fast ausschliesslich an Helix (pomatia und aspersa) ge- macht. Nur ziemlich gering an Zahl und weniger eingehend waren unsere Experimente an andern Mollusken; und obgleich wir hin- reichende Evidenz zu besitzen glauben, um die Annahme zu recht- fertigen, dass die charakteristischen Züge von Helix keineswegs eine Ausnahme unter den Mollusken bilden, so lassen wir uns natürlich dennoch gern eines Bessern belehren, wenn uns die Re- sultate ausgedehnterer Untersuchungen entgegentreten. Dogiel jedoch scheint, wenn er auch Studien an Helix gemacht hat, seine Aufmerksamkeit hauptsächlich andern Arten zugewandt zu haben. Bezüglich der Histologie dieser Frage scheint es Dogiel entgangen zu sein, dass Frank Darwin (Journal of Anat. and Physiol. Vol.X, p. 506) die Structur des Herzens von Helix sorg- 318 M. Foster und A. G@. Dew-Smith: fältig untersucht hat und zum selben Resultat wie wir selbst, ge- langt ist. Er sagt: „Ich habe sorgfältig, aber vergeblich nach Ganglienzellen gesucht — — Auch kann ich keinen zum Herzen gehenden Nerven entdeeken.“ Andrerseits fiel ihm die eigenthümliche Entwicklung der „Bindegewebekörperchen“ auf. „Diese“, behauptet er ausdrücklich, „sind oft birnförmig.“ Reich- lich zerstreut im Muskelgewebe (welches nach Darwin aus quer- gestreiiten, spindelförmigen Zellen mit Nuclei besteht), besonders nach der Oberfläche zu, geben sie dem ganzen Herzgewebe ein eigenthümliches Aussehen. Befänden sich wirkliche Nervenzellen, die sich überhaupt mit denen der grösseren Ganglien vergleichen liessen, im Herzen von Helix, so würden sie, dessen sind wir ge- wiss, der Beobachtung eines so sorgfältigen und gründlichen For- schers, ‘wie Darwin, der, weit entfernt unsre Ansichten bekräfti- gen zu wollen, aus allgemeinen Gründen denselben entgegen war, sicherlich nieht entgangen sein. Ja, auch Dogiel selbst sagt, dass die von ihm im Herzen von Peceten maximus gefundenen Ganglien- zellen apolar gewesen seien, und seinen Abbildungen (Fig. 12, A) nach zu schliessen, können sie wirklichen Nervenzellen vom wahren Ganglion keineswegs sehr ähnlich gewesen sein. Es lässt sich schwerlich annehmen, dass apolare Zellen die ‚Wichtigkeit besitzen können, die Dogiel den von ihm im Herzen gefundenen beilegt; und wenn es auch gewagt erscheinen mag, anzunehmen, dass alle Zellen, die man ihres morphologischen Charakters wegen unter die Bindegewebskörperchen reehnen dari, keine andern als Ernährungsfunetionen haben, so glauben wir doch nicht, dass angesichts der Resultate Darwin’s unsere Stellung, wenig- stens bez. Helix, erschüttert ist. Im Ganzen genommen, lässt es sich leichter annehmen, dass im Herzgewebe von Helix die Diffe- renzirung noch nicht genugsam vorgeschritten ist, um besondere histologische Elemente für die Manifestation automatischer und regulirender Kräfte zu ereiren, als diese Kräfte gewissen, zufällig runden oder birnförmigen Zellen zuzuweisen, blos weil allgemeine Theorien uns zwingen, diese Kräfte in besondere Zellen zu ver- legen. Bezüglich der Physiologie dieser Frage verdienen die folgen- den Thatsachen Beachtung: Im Herzen von Helix ist die Geschwindigkeit und der Cha- rakter der Schläge ganz ausserordentlich von der Dehnung der nen u Die Muskeln uud Nerven des Herzens bei einigen Mollusken, 319 Hohlräume abhängig. Dies ist so augenfällig, dass Einer von uns (Foster, Brit. Assoc. Rep. 1859) sich schon lange durch das Studium des Schneckenherzens allein zur Annahme der von Heidenhain (mechanische Leistung ete. bei der Muskelthä- tigkeit) so gründlich ausgearbeiteten These veranlasst sah, dass Spannung alle Moleeularveränderungen einer Muskelfaser vermehrt. Verstärkter Blutzufluss zum Vorhof vermehrt den Herzschlag ver- hältnissmässig. Wird der Zufluss zum Vorhof plötzlich unter- brochen, so erleidet der Herzschlag häufig ebenfalls eine Unter- brechung, indem das Herz auf kurze Zeit in Diastole verharrt. Nun ist aber bei Helix der Blutzufluss durch die Lungenge- fässe zum Vorhof sowohl, als der Widerstand gegen den Ab- fluss aus dem Ventrikel den Eigenthümlichkeiten des Blut- umlaufs bei. Mollusken zufolge ganz genau von den Bewegun- gen des Thieres abhängig. Dies kann man leicht sehen, wenn man das Herz von Helix bloslegt, und den Herzschlag und die Bewegungen des Thieres gleichzeitig beobachtet. Im trägen Leben eines Mollusks scheint nämlich diese einfach mechanische Re- gulirung des Herzens allen Erfordernissen zu entsprechen. Die Mollusken brauchen weder Hemmungs- noch Beschleunigungsnerven. In unserer oben eitirten Abhandlung behaupteten wir, dass wir bei Helix keine bestimmten hemmenden Herznerven finden konnten. Mehrmals glaubten wir allerdings, Hemmungswirkung in Folge von Reizung verschiedener Körpertheile zu bemerken; aber immer wie- der kamen wir zum Schluss, dass das Aufhören des Herzschlags von den durch die Reizung bedingten Bewegungen verursacht - wird, indem dieselben den Blutzufluss zum Vorhof sistiren. Und wenn auch die Einzelheiten von Dogiels Experimenten, in denen ihm Hemmung gelang, unzureichend sind, um uns ein bestimmtes Urtheil darüber zu gestatten, so will uns doch bedünken, dass der von ihm beobachtete Hemmungsmechanismus nicht nervöser, son- dern, wenn uns der Ausdruck erlaubt ist, hydraulischer Natur gewesen sei. Diese grosse Abhängigkeit des Charakters des Herz- ‚schlags von der Blutzufuhr macht es unmöglich, die in unserer Abhandlung dargelegten Beobachtungen in zufriedenstellender Weise zu wiederholen, ohne zuerst das Herz herauszunehmen und es in eine Quantität Schneckenblut zu legen, wobei unter gleiehmässigen Bedin- gungen des Drucks etc. die charakteristischen Züge des Herzschlags auf geraume Zeit in merkwürdiger Gleichmässigkeit verharren. 320 M. Foster u. A.G. Dew-Smith: Die Muskeln u. Nerven d. Herzens ete. Dogiel behauptet, dass bei direeter Reizung des Vorhofs mittelst eines intermittirenden Induetionsstroms Stillstand in der Diastole erfolge, dass dagegen direete Reizung des Ventrikels mit demselben Strome Stillstand in der Systole (vermuthlich eine teta- nische Systole) zur Folge habe. Das stimmt vollkommen mit unsern Resultaten überein. In der angeführten Abhandlung be- haupteten wir, dass zur Inhibirung des Vorhofs eine geringere Stromstärke erforderlich sei, als zur Inhibirung des Ventrikels. Hätte Dogiel den Ventrikel direct mit einem intermittirenden Strom gereizt, der nicht ebenso stark wie der, welcher das Atrium inhibirte, sondern entschieden schwächer gewesen wäre, so hätte er nicht „Stillstand — in der Systole“, sondern, wie bei uns der Fall’war, „Stillstand in der Diastole“ gefunden. Dass der Still- stand des Ventrikels als das Resultat direeter Reizung nicht da- durch bewirkt wird, dass etwa ein Entweichen des Stromes gleich- zeitig irgend einen Hemmungsapparat im Vorhof zeigt, dieses be- weist schon die Thatsache, dass man den Yentrikel allein, oder auch nur die untere (arterielle) Hälfte desselben für sich inhibiren kann durch direete Reizung mit einem intermittirenden Strom von passender Stärke. Folgendes ist demnach die von uns zu dieser Frage einge- nommene Stellung: Jeder Theil des Ventrikels des Herzens von Helix schlägt automatisch, und jeder automatisch schlagende Theil kann inhibirt oder zum Stillstand in der Diastole gebracht werden durch direete Reizung mittelst eines intermittirenden Stromes von passender Stärke, d. h. eines Stromes, der noch keine tetanische Systole her- vorbringen würde. Dies stimmt mit Darwin’s Beobachtung über- ein, dass keine localisirten Ganglien im Herzen von Helix vor- handen sind. Die Abhängigkeit des Charakters des Herzschlags von der Dehnung der Hohlräume des Herzens ist genügend, um die Herz- thätigkeit mit den Bedürfnissen des ganzen Systems in Einklang zu setzen, ohne die Dazwischenkunft eines besonderen regulirenden Nervenapparates: Dies stimmt mit Darwin’s Ansicht überein, der keinen zum Herzen von Helix gehenden Nerven entdecken konnte. Es ist möglich, dass bei einigen andern Mollusken ein regu- lirender (inhibirender oder anderweitiger) Mechanismus eingeschaltet % Gscheidlen: Beitr. z. Lehre v. d. Nervenendig. i. d. gl. Muskelfasern. 321 ist; aber das thut dem unserer Ansicht nach ‘interessanten Punkt in unsern Beobachtungen, dass nämlich ein sich spontan contra- hirender Organismus ohne das Dazwischentreten eines besonders differenzirten inhibirenden Nervenmeechanismus inhibirt wer- den kann, keinen Eintrag. Aus dem physiologischen Institute zu Breslau.) pay g Beiträge zur Lehre von der Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. Von Dr. Richard Gscheidlen, Assistent am physiologischen Institute zu Breslau. Hierzu Tafel XXH. Seit der Zeit, wo Klebs'!) seine Untersuchungen über die Nerven der glatten Muskelfasern bekannt machte, sind die Bezie- hungen der Nerven zu diesen wiederholt Gegenstand eingehender histologischer Forschung gewesen. Die Resultate der Klebs’schen Arbeit wurden, was die Verhältnisse der Nervenfasern im Allge- meinen anbelangt, von allen Autoren, die über diesen Gegenstand gearbeitet haben, bestätigt. Dieselben erweisen sich Dank der ge- nauen Beobachtung und der überaus sachkundigen Wiedergabe des Beobachteten durch Klebs auch jetzt noch als richtig, obwohl seit der Zeit ihrer Bekanntmachung mehr denn 14 Jahre verstri- chen sind, ein Zeitraum, in dem die mikroskopische Technik ganz bedeutende Fortschritte machte. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, als wäre die hier vorliegende Materie seit dieser Zeit nicht weiter gefördert worden und lägen keine weiteren Mit- theilungen über die Beziehungen der Nerven zu der glatten Mus- kulatur vor, im Gegentheil, die Angaben einzelner Autoren darüber lauten so bestimmt, dass es scheinen möchte, als wäre der Modus der Nervenendigung in den glatten Muskelfasern 1) Klebs. Die Nerven der organischen Muskeln. Centralbl. f. die med. Wissensch. I. Jahrg. S. 561. 1863. Derselbe: Die Nerven der organischen Muskelfasern. Virchow’s Arch. Bd. 32. S. 168. 1865. 322 Richard Gscheidlen: im Prineip endgültig gelöst und könnten durch weitere Unter- suchungen nur noch morphologische Details erbracht werden. Denn was bleibt zur Ergänzung der Angaben Frankenhäuser’s!) übrig, dass ein Nervenfäserchen nach Abzweigung von einem diekeren Nerven und wiederholter Theilung endlich an einer Muskelfaser angekommen, unmittelbar vor dem Eintritt in die Muskelzelle, eine kleine Anschwellung bildet, und hinter derselben sich in zwei unter einem spitzen Winkel aus einander weichende Fäserchen spaltet, welche, wenn der Zellkern zwei Kernkörperchen enthält, beide in den Kern eintreten und je in einem Kernkörper- chen enden? Weiter, ist im Kern nur ein Kernkörperehen vor- handen, so dringt nur eines der hinter dem letzten Knötchen sich bildenden Aestehen durch die Zelle bis zum Kernkörperchen vor, das andere zieht über die Muskelfaser hinweg, bildet ein neues Knötehen und neue Verzweigungen. Diese Angaben Frankenhäuser’s wurden durch Arnold?) erweitert, indem derselbe ein engmaschiges nervöses Netz zwischen den Muskelzellen glaubt gefunden zu haben, aus welchem äusserst feine Fäserchen in die Substanz der Muskelfaser meist in der Nähe der spindelförmigen Auftreibung eintreten und gegen den Kern hinziehen. Solche Fäserchen dringen, je nachdem nur ein oder mehrere Körner im Kern vorhanden sind, bald nur eines bald mehrere auf der nämlichen Seite in diesen ein, verlassen denselben aber alsbald wieder und münden in entgegengesetzter Richtung, die Substanz des Kerns und der Muskelfasern durchsetzend, in das intermuskulare Netz wieder ein. Es sind somit die Körner nicht die Enden der Nerven, sondern nur im Kern gelegene Knoten- _ punkte dieses freien Nervennetzes. Arnold hat diesen Angaben zwei Abbildungen beigegeben, darstellend „Nervenverzweigung und Endigung in einem Muskelbündel aus der Harnblase des Frosches“ und „Nervenverzweigung der Muscularis einer kleinen Arterie“. In der ersten Abbildung sind von 15 gezeichneten Muskelkernen 8 mit feinen Nervenfäserchen und kleinen Knötchen versehen, in der zweiten Abbildung sind von 14 Kernen 11 mit Nervenfäser- chen und Knötchen gezeichnet. In dem Leser wird dadurch die Vorstellung erweckt, er habe es hier mit constanten Verhältnissen 1) Frankenhäuser. Die Nerven der Gebärmutter. 8. 79. 1867. 2) Arnold. Gewebe der organischen Muskeln.. Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen u. der Thiere. Bd. I. S. 142. 1871. — En Beiträge zur Lehre v. d. Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. 323 zu thun, umsomehr als Arnold die Methoden angibt, wie man sich von diesem Sachverhalt überzeugen kann. Theilweise mit den Angaben Arnolds übereinstimmend sind die Beobachtungen Henoeque’s!). Nach diesem Autor findet sich ein intramuskuläres Netz zwischen den Muskelbündeln, von welchen die terminalen Fibrillen ausgehen, die sich diehotomisch theilen, anastomosiren und mit leichten knopf- oder punktförmigen Anschwellungen enden. Als weitere jedoch nur einfache Bestätigungen der Angaben Frankenhäusers und Arnolds sind noch die Abhandlungen von Hertz?), Lippmann?°) und Popoff?) anzuführen. Trotz dieser, wie man sieht, zahlreichen Erhärtungen der Frankenhäuser-Arnold’schen Befunde, die an verschiedenen Ge- weben mittelst verschiedener Methoden gewonnen wurden, hat es doch nicht an Forschern gefehlt, welche theils an der Richtigkeit der Beobachtung, theils an der Deutung des Beobachteten zweifelten. Unter diesen ist zunächst Engelmann zu nennen. Engelmann’) konnte am Ureter des Kaninchens eine Bestätigung der Angaben Arnolds nicht liefern, obwohl er mit dessen Methoden arbeitete, vielmehr gelangte er zu ganz abweichenden in der Hauptsache mit Klebs übereinstimmenden Resultaten. Er steht deshalb nicht an, die Ergebnisse Arnolds für falsch zu erklären. Ingleichen vermochte Tolotschinoff‘) an der Froschharnblase nicht solche Bilder zu erhalten, welche mit denen von Arnold übereinstimmten. Krause’) dagegen erhielt ähnliche Bilder wie Arnold bei der 1) Henocque. Du mode de distribution et de la terminaison des nerfs dans les muscles lisses. Archives gle physiolog. norm. et patholog. T. IH. p. 401. 1870. 2) Hertz. Zur Structur der glatten Muskelfasern und ihrer Nerven- endigungen in einem weichen Uterus-Myom. Virchow’s Arch. Bd. 46. >. 240. 1869. 3) Lippmann. Die Nerven der organischen Muskeln. Inaug.-Dissertat. 8. 20. 1869." 4) Popoff. Die Nerven der Gallenblase. Hoffmann und Schwalbe’s Jahresberichte über die Fortschr. der Anatom. u. Physiol. Bd. I. S. 153. 1873. 5) Engelmann. Zur Physiologie des Ureters. Pflüger’s Arch. Jahrg. I. S. 252. 1869. 6) Tolotschinoff. Ueber das Verhalten der Nerven zu den glatten Muskelfasern der Froschharnblase. - Dieses Archiv. Bd. 5. S. 510. 1869. 7) Krause. Die Nervenendigung in den glatten Muskeln. Arch. für Anatom., Physiolog. und wissensch. Med. Jahrg. 1870. 8: 7, 324 Richard Gscheidlen: Untersuchung des M. reetocoeeygeus junger Kaninchen mit ver- dünnter Chromsäure, wie sie Frankenhäuser und Arnold beob- achteten, allein er deutet die feinen Fasern, welche die Muskel- fasern, mitunter auch deren Kerne mit einander in Verbindung zu setzen scheinen, mit Henle!) als elastische Fasern, indem er her- vorhebt, dass Gold die elastischen Fasern des Muskels und Binde- sewebes ebenso gut färbt wie die Nervenfasern. Die Richtigkeit der Deutung ergibt sich nach Krause auch noch daraus, dass mittelst Natronlauge ein elastisches anastomosirendes Netzwerk deutlich gemacht werden kann. Bei solcher Sachlage war es nicht uninteressant, vielmehr von hoher Bedeutung an der Hand der von Pritchard?) vervollkomm- neten und von Böttcher?) erprobten Methode der Goldfärbung und wo möglich an noch einfacheren Objeeten als die Harnblase des Frosches, das Verhältniss zwischen Nerv und Muskel aufs neue zu untersuchen. Wir studirten das Verhältniss der Nerven zu den glatten Muskeliasern in der Blase und den Blutgefässen des Frosches und des Salamanders, vorzugsweise aber das Verhalten der Nerven zu den Muskelfasern des Blutigels, wozu wir von Herrn Prof. Heiden- hain veranlasst wurden. Als wir mitten in der Arbeit waren, erschien die Abhandlung Löwit’s*) über die Nerven der glatten Muskulatur. Da das Ergebniss unserer Untersuchung betreffs der eziehung zwischen Nerv und Muskel mit den Befunden Löwits fast übereinstimmt, so können wir uns in der Darstellung unserer Beobachtungen kürzer fassen als es sonst wohl erlaubt wäre. Von vornherein bemerken wir, dass wir uns in nachfolgenden Zeilen nur mit dem sogenannten nervösen intramuskulären Plexus von Klebs oder den Terminalfibrillen Löwit’s beschäftigen, da wir 1) Henle. Bericht über die Fortschritte der Anatomie im Jahre 1870. 8781.‘ 1871. 2) Pritchard. Methods of preparing the cochlea for mieroscopical in- vestigation. Quaterly journ. of microscop. science. Vol. XII. N. S. pag. 383. 1872. 3) Böttcher. Experimentelle Untersuchungen über die Entstehung der Eiterkörperchen bei der traumatischen Keratitis. Virchow’s Arch. Bd. 58. 8. 370. 1873. 4) Löwit. Die Nerven der glatten Muskulatur. Sitzungsber. der math.- naturw. Classe der kaiserl. Akademie der Wissensch. Bd. 71. Abth. 3. 8, 355. 1875. Beiträge zur Lehre v. d. Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. 325 zu den Angaben dieser Autoren über die Vertheilung der übrigen nervösen Materie, wie sie uns in dem Grundplexus und dem inter- mediären Netz entgegentritt, nichts zuzufügen haben. Die Methode, deren wir uns zum Nachweise der nervösen Elemente der Harnblase bedienten, bestand in Vergoldung. Wir verfuhren dabei entweder in der Weise, dass wir die Harnblase oder das Mesenterium von Frosch und Salamander über einen Korkring mit kleinen Nadeln spannten, das Ganze alsdann in eine 0,5—1,5 %/ Aurichloridlösung brachten und dort so lange liessen, bis die Membranen strohgelb gefärbt waren, wozu 10—30 Minuten je nach der Concentration der angewandten Lösung erforderlich waren. Hierauf brachten wir das Präparat in die Pritehard’sche Säuremischung, die aus 1 Theil Ameisensäure und 1 Theil Amyl- alkohol und 100 Theilen Wasser besteht. Wir haben damit, aller- dings nicht constant, sehr schöne Präparate bekommen; ungleich eonstanter aber waren dieselben, als wir nach Löwit’s Vorsehrift verfuhren. Durch die Methode Löwit’s ist ein grosser Fortschritt in der Technik der Vergoldung geschehen. Wir können dieselbe nur empfehlen. Löwit’s Vorschrift ist, die Präparate zuerst mit Ameisensäure anzusäuern, sie in die Aurichloridlösung zu bringen, mit Wasser abzuwaschen und dann die Reduetion des Goldes in einer Ameisensäuremischung im Dunkeln vor sich gehn zu lassen. Steht kein dunkler Raum z. B. zur Verfügung, so kann die Reduction zweckmässig auch in schwarzen Gläsern geschehen. Wir haben Versuche angestellt, um die Substanz in den Ner- ven zu finden, welche hauptsächlich redueirend auf das Gold wirkt. Zu dem Ende machten wir wässerige, alkoholische und ätherische Extracte aus Ischiadieis des Frosches und setzten nach dem Ver- Jagen des Wassers, des Alkohols und des Aethers je ein kleines Tröpfchen Goldlösung zu den Extracten. Das Resultat war: die ätherische Lösung redueirte das Gold nach 3—4 Stunden, das Al- koholextraet in 7—8 Stunden, das wässerige Extraet in 18—20 Stunden. Die das Gold reducirende Substanz kann den Nerven nach dem Entwässern mit absolutem Alkohol durch Behandlung mit Aether während mehrerer Tage entzogen werden; denn nach dieser Zeit redueiren die Nerven nicht mehr das Aurichlorid. Da nun das ätherische Extraet der Nerven aus etwas mehr denn 90 °/, Fetten besteht, die das Gold redueirende Substanz der Nerven aber durch Aether vollständig entzogen werden kann, so ist es nicht 326 Richard Gscheidlen: unwahrscheinlich, dass das den Nerven eigenthümliehe Reduktions- vermögen des Goldes vorzugsweise auf ihrem Gehalte an Fetten beruht und nur zum geringen Theile auf Substanzen, die in Wasser in Lösung übergehen. Wenn wir nun das Resultat unserer Beobachtung über ‚das Verhältniss der Nerven zu den glatten Muskelfasern des Frosches und des Salamanders mittheilen sollen, so stehen dieselben in Ueber- einstimmung mit den Angaben Löwits. Wir sahen die feinen Nervenfasern aus grössern oder kleinern Nüancen sich diehotomisch abzweigend, senkrecht oder nahezu senkrecht an die Muskelfasern herantreten. Dort angekommen theilten sie sich entweder in zwei Aestchen, die divergirend parallel der Muskelzellenreihe, soweit die- selbe isolirt verlief, folgten oder sie verliefen ungetheilt einer Muskelzellenreihe anliegend eine Strecke weit, zweigten dann ab und gingen an eine andere Muskelzellenreihe, an der sie sich theilten, die von Löwit sogenannten Terminalfibrillen bildend. In Bezug auf die Angaben Frankenhäusers und Arnolds über den Zusammenhang zwischen Nervenfäserchen und Kernen der Muskelzellen, so konnten wir uns nie davon überzeugen. Die Entscheidung ist leicht zu treffen bei Muskeln, die aus zwei Muskel- zellenreihen bestehen, sie ist schwieriger, wenn viele Muskelfasern neben einander verlaufen. Hier sieht es in der That oft auf den ersten Blick so aus, als zweige sich ein Fäserchen aus der Ter- minalfibrille ab und ginge in den Muskelkern, allein bei näherer Untersuchung erkennt man den Irrthum. Nicht selten ereignet es sich auch, dass Bilder zur An- schauung gelangen, namentlich bei sehr starker Vergrösserung, die denen von Henoeque sehr ähnlich sehen; allein wenn uns der Ein- wand gemacht würde, dass hier die Vergoldung in den punkt- fürmigen Anschwellungen abschneide, so wüssten wir denselben nicht zu entkräiten, weshalb wir die Beobachtungen nicht im Sinne einer Nervenendigung verwerthen zu können glauben. Ein wahrheitsgetreuer Bericht erfordert von uns auch die Mittheilung, dass wir hie und da auch die Muskelfasern von einem feinen Netz umgeben sahen, gerade so wie es Arnold beschreibt, allerdings nur Bruchtheile eines Deeimillimeters lang, allein auch hier müssen wir gestehen, dass wir den Beweis für die nervöse Natur desselben nicht zu erbringen vermochten, indem wir nicht nachweisen konnten, dass dieses Fasernetz mit einer dickeren Dar . Beiträge zur Lehre v. d. Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. 327 Nervenfaser im Zusammenhang stände. Wir erinnern uns hierbei an die von Arnstein mitgetheilte Beobachtung Goniaew’s"), nach welcher es diesem Forscher zwar mehremal gelang, ein von den Muskeln des Froschmagens scharf abgegrenztes Netz mittelst Auri- chlorid darzustellen, allein der Nachweis des Zusammenhangs dieses Netzes mit unzweifelhaften Nerven gelang nicht. In Bezug auf die Anordnung und Vertheilung der Nerven in der Muskularis der kleinen Arterien und Venen des Frosches und Salamanders müssen wir bekennen, dass wir nie auf eine. Beob- achtung gestossen sind, die der von Armold angegebenen ent- spräche. Wir wandten dem Modus der Nervenverzweigung in den Blutgefässen um so mehr unsere Aufmerksamkeit zu, als dieselbe physiologisch von grosser Wichtigkeit ist, namentlich forschten wir darnach, ob sich die Existenz von Ganglienzellen nicht darthun lasse. Unsere Nachforschungen aber waren vergeblich. Wir fanden Ganglienzellen nur in der untern Hohlvene des Frosches. Dort hat sie bereits Lehmann!) angegeben. Wenn man jedoch die Ab- bildung der Ganglien ansieht, die Lehmann gibt und die Be- schreibung derselben liest, so erkennt man, dass dieser Forscher wohl etwas anders vor sich gehabt hat, als Ganglienzellen. Die Ganglienzellen, die wir fanden, glichen vollständig denen, die sich im Sympathikus des Frosches finden und unter anderen von Ar- nold®) beschrieben wurden. Die Abbildung und Beschreibung, die Lehmann gibt, scheint jedoch vielmehr auf die sogenannten Nervennester zu passen, welche Mayer*) häufig neben den sym- pathischen Ganglienzellen der Frösche fand; nämlich feinkörnige, mit vielen Kernen versehene Körper, die sich durch Aurichlorid dunkelroth färben und zuweilen Fortsätze besitzen, welche mark- losen Fasern vollkommen gleichen. 1) Goniaew. Die Nerven des Nahrungsschlauchs. Dieses Archiv Bd. 11, S. 493, 1875. 2) Lehmann. Ueber die Nervenendigungen und das Vorkommen von mikroskopischen Ganglien in den Gefässwandungen. Zeitsch. für wissensch. Zoolog. Bd. 14, S. 347, 1864. 3) Arnold. Ueber die feineren histologischen Verhältnisse der Ganglien- zellen in dem Sympathikus des Frosches. Virchow’s Arch. Bd. 32, S.1, 1865. 4) Mayer, Beobachtungen und Reflexionen über den Bau und die Verrichtungen des sympathischen Nervensystems. Sitzungsber. der math.-naturw. Classe der kaiserl. Akadem. der Wissensch. Bd. 66, Abth. 3, S. 119, 1872, 328 Richard Gscheidlen: Die Vergoldung der Gefässe geschah nach Ausspritzen der- selben mit 0,6 %/, Kochsalzlösung in der bekannten Weise von der Bauchvene aus, durch Imbibition in 1—2 °/, Ameisensäure während 24 Stunden, Verweilen in der Goldlösung bis zur strohgelben Fär- bung und Zurückbringen der gefärbten Organe in die Ameisen- säuremischung. Bei der Untersuchung schnitten wir die Gefässe meist der Länge nach auf. Mit Goniaew unterscheiden wir ein doppeltes die Gefässwand durchsetzendes Nervengeflecht. Das eine liegt in der Adventitia, das andere in der Muskularis; letzteres, das Terminalnetz ist bei den Venen weitmaschiger als bei den Arterien. In einzelnen Ge- fässen, namentlich grösseren Venen z. B. der Bauchvene fanden wir die Knotenpunkte des in der Adventitia liegenden Netzes sehr verbreitert und meist mit einem Kern versehen. Dieselben erinnern an die Form von Ganglienzellen, wie man sie in dem Meissner schen Plexus nicht selten antrifft. Möglicherweise haben diese Gebilde Beale!) zu der Behauptung veranlasst, dass Ganglienzellen im Gefässsystem des Frosches sehr verbreitet sind. Wir glauben nicht berechtigt zu sein, sie für Ganglienzellen ansprechen zu dürfen, weil ein Kern constant sich nicht nachweisen lässt. Ueberaus klar und anschaulich aber werden die Beziehungen der Nerven zu der Muskelsubstanz, wenn man als Objekt der Untersuchung die Muskeln des Blutigels wählt. Als vortrefflich fanden wir zu diesem Zweck die Muskeln des sogenannten Chy- lusmagens dieses Thieres. Bekanntlich stellt der Chylusmagen des Blutigels einen weiten Schlauch mit vielen seitlichen Aussackungen dar. Die Wände dieses Schlauchs bestehen aus einer starken strukturlosen Membran, in der kolossale Muskelfasern in verschiedener Anordnung meist ringförmig und isolirt verlaufend eingebettet sind. Schneidet man ein derartiges Stückchen aus dem lebenden Thiere aus, so sieht man dasselbe lebhafte Contraktionen machen, indem die Muskeln in Thätigkeit gerathen. Die Muskeln stellen Cylinder dar, .die bald rundlich bald ein wenig plattgedrückt erscheinen. Dieselben sind mit einer zarten strukturlosen Hülle umgeben und bestehen 1) Beale. On the structure and formation of the so-called apolar, uni- polar and bipolar nerve-cells of the frog. Philos. transact. of the roy. soC. Vol. 153, $. 562, 1864. Beiträge zur Lehre v. d. Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. 329 aus einer hellen homogenen stark lichtbrechenden Rindensubstanz und einer Marksubstanz, die in frischem Zustande eine klare zähe Flüssigkeit darstellt, in welcher eine Menge kleiner dunkler Körnehen eingelagert ist. Zwischen diesen Muskelzügen sind Ganglienzellen eingebettet, die in manigfaltiger Anordnung mit breiteren oder dünneren Nerven in Verbindung stehen. Eine Ansicht dieses Reichthums an Nerven und Ganglien- zellen zeigen Fig. I und II. Oc. 2 Obj. 8. Hartn. Diese Muskeln bilden nun ein ganz vorzügliches Material zur Untersuchung der hier in Betracht kommenden Verhältnisse. Bei Goldpräparaten ist die Marksubstanz oder die punktförmige Masse, welche das Innere der Muskel bildet, rosa gefärbt; dieses Rosaband ist von einer hellen Rindensubstanz umgeben, schwarz heben sich davon die Nervenfasern ab und roth die Ganglienzellen. Diese Präparate erhält man am besten, wenn man den Blut- igel am oberen und unteren Ende mittelst einer starken Stecknadel auf einem Korkrahmen fixirt, ihn von der Rücken- und Bauchseite aufschneidet und die Hautlamellen mit kleinen Nadeln an dem Korkrahmen ansteckt. Man spült den reichlich abgesonderten Schleim mit destillirtem Wasser ab und versenkt das Ganze in eine 2 bis 4%, Ameisensäuremischung. Nach 24 Stunden nimmt man das Präparat heraus und bringt es in eine 1°/, Aurichlorid- lösung, lässt es dort etwa 15 Minuten verweilen, spült mit Wasser ab und bringt es in dienämliche Ameisensäuremischung. Nach 24 Stun- den ist das Gold redueirt, man schneidet den Blutigel in Stücke und bewahrt sie in Glycerin. Die auf diese Weise dargestellten Prä- parate halten sich lange Zeit. Keines derselben ist uns zu Grunde gegangen, obwohl seit der Zeit ihrer Anfertigung mehr als zwei Jahre vergangen sind. Die Präparate sind noch so schön, wie zur Zeit ihrer Herstellung. Jede Muskelfaser ist mit einem Nervenfäserchen versehen, die wir, Löwits Bezeichnung adoptirend, eine Endfibrille nennen! Fig. I. Diese Endfibrille zweigt sich entweder aus einem grösseren Nervenstamme ab oder geht aus einer minder dieken Nervenfaser hervor, die aus einer Ganglienzelle ihren Ursprung nimmt Fig. II. Oe.2. Oej. 8. Hartn. Die Endfibrillen verlaufen entweder am Rande der Muskelfaser oder im Ziekzack auf derselben wie Fig. IV Oe.2. Obj. 8Hartn. erläutert. Sie verzweigen sich, gehen zu einer andern Muskelfaser, legen sich an diese an oder gehen in eine andere Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14, 22 330 Richard Gscheidlen: über, die bereits schon am Rande der Muskelfaser verläuft oder münden in ein grösseres Nervenstämmcehen ein, in ähnlicher Weise, wie dies von versehiedenen Forschern an der Cornea beobachtet wurde. In der Nähe des verhältnissmässig kleinen Kerns dieser kolossalen Muskelfasern findet man häufig eine Anschwellung, die von oben gesehen sich als eine Verbreiterung des Nervenfäser- chens dokumentirt, seitlich gesehen aber sich wie ein kleines Nervenhügelehen ausnimmt, an dem jedoch kein Kern von uns beobachtet werden konnte. Manchmal sieht es aus, wie Fig. V, Oec. 2, Imm. 9 Hartn. bei a, als hätte hier die Fibrille ihr Ende erreicht, an andern Stellen wie bei b aber sieht man das Nerven- füserchen sich deutlich fortsetzen und varieöse Anschwellungen zeigend, wieder an anderen Stellen z. B. bei e, e verläuft die End- fibrille über die Muskelfaser hinweg. In Erwägung dieser Ver- hältnisse ist man daher nicht berechtigt die Ansicht auszusprechen, als bilde die durch die Vergoldung sichtbar gemachte Anschwel- lung eine Nervendigung. Während bei der Verzweigung der Nervenfäserchen in der Harnblase des Frosches oder im Mesenterium des Kaninchens, des Frosches ete. sich an den Verzweigungsstellen kreisförmige, elliptische, birnförmige, dreieckige ete. Anschwellungen finden, die man als gangliöse Gebilde oder auch als Nervenknoten be- zeichnet, ist beim Blutigel nichts derartiges zu bemerken. Die Fäserchen scheinen vor und nach der Anastomose nicht dicker zu sein. Jede Muskelfaser ist mit einer Nervenfibrille versehen. Ja manchmal verlaufen an beiden Rändern Nervenfäserchen, die unter einander anastomosiren wie in Fig. I bei a, ein ähnliches Ver- halten zeigend, wie man dies bei der Froschharnblase beobachtet. Die Beobachtung Engelmanns und Krause’s, dass die Anzahl der darstellbaren Nervenendigungen kleiner ist als die Zahl der glatten Muskelfasern mag für den Ureter und M. reeto- coecygeus des Kaninchens sich als richtig erweisen, dürfte aber als allgemeines Gesetz zu modifieiren sein, was übrigens auch Löwit schon hervorgehoben. Die Muskeln der Körperwände des Blutigels bestehen aus Fasern von kolossaler Länge. Heidenhain!) mass dieselben 1) Heidenhain. Zur Frage nach der Form der contraktilen Faser- Beiträge zur Lehre v. d. Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. 331 und fand sie bis zu 0,95 mm. Länge, nach Weissmann!) schwankt ihre Grösse zwischen 1,17 und 1,78 mm. Die Endfibrillen ver- laufen hier zum Theil in der Kittsubstanz. Man sieht deutlich Varieositäten an den Stellen, wo die Muskeln etwas aus einander weichen, sonst gibt sich die Faser nur durch stärkere Contour der Rindensubstanz zu erkennen; daneben sieht man auch Fäserchen über die Muskeln ziehen und sich theilen, wie Fig. X, Oc. 2, Obj. 8, Hartn. erläutert, ein ähnliches Verhalten darbietend wie Fig. V. Ein mit dem Uebrigen in Einklang stehendes Verhalten zeigen die Nervenfasern des Gefässsystems. Dasselbe besteht beim Blut- igel aus einer strukturlosen Membran. Diese Membran ist bei den contraktilen Gefässstämmen mit ringförmigen Muskeln umgeben, die besonders an den Seitengefässen ausgebildet sind. Frisch unter das Mikroskop gebracht, zeigen die contraktilen Gefässe leb- hafte Pulsationen. Auf denselben breitet sich ein weitmaschiges Netz aus, das von breitern Nervenfasern gebildet wird. Von diesen zweigen sich dünne Fäserchen ab, die sich als Endfibrillen an die Rindensubstanz anlegen und längs derselben verlaufen, wie Fig. XI, Oe. 2, Imm. 9, Hartn. zeigt. Interessant sind die Beziehungen der Ganglienzellen zu den Nervenfasern. Die Ganglienzellen sind z. Th. unipolar, z. Th. ' bipolar, z. Th. zeigen sie mehrere Fortsätze. Die Gestalt derselben ist meist rund Fig. II und Fig. VIIL. oder oval Fig. VI und Fig. IX oder birnförmig Fig. VII. Oc. 2, Imm. 9 Hartn. Die Be- obachtung Hermanns?), dass die ovalen und runden Zellen alle mehr als einen Fortsatz haben, die birnförmigen stets nur einen, können wir nicht bestätigen; dagegen seine Beobachtung, dass die birnförmigen Zellen weniger häufig sind als die ovalen und runden. In Bezug auf die ovalen Zellen möchten wir daran zellen während ihrer Thätigkeit. Studien des physiolog. Instituts zu Breslau Heft I, S. 184, 1861. 1) Weissmann. Ueber die zwei Typen contraktilen Gewebes und ihre Vertheilung in die grossen Gruppen des Thierreichs, sowie über die histolo- gische Bedeutung ihrer Formelemente. Zeitschr. für rationell. Med. III. R. Bd. 15, $. 86, 1862. 2) Hermann. Das Central-Nervensystem von Hirudo medicinalis 8. 39, 1870. 332 Richard Gscheidlen: Beiträge zur Lehre v. d. Nervenendigung. erinnern, dass möglicherweise diese Gestalt durch Druck hervor- gerufen wird. Die unipolaren Ganglienzellen sitzen häufig seitlich an den Nervenfasern, eine Thatsache, die unsers Wissens zuerst Faivre?!) so bemerkenswerth fand, dass er sie abbildete. Diese Form der Verbindung mit den Nervenfasern erregte aufs neue unsere Auf- merksamkeit, weil Ranvier?) vor nicht langer Zeit, wie mir scheint ein analoges Vorkommen der Verbindung bei den Spinalganglien des Kaninchens beschrieb. Sonst sind die unipolaren Ganglienzellen auch zwischen dickeren oder dünneren Nervenfäserchen eingeschaltet, wie Fig. I und IX zeigen, oder sie liegen zerstreut zwischen den Muskelfasern. Aus den mitgetheilten Beobachtungen geht hervor, dass die Art der Nervenverzweigung bei dem Blutigel sich analog der in der Froschharnblase verhält. Jeder Muskelfaser kommt beim Blut- igel eine eigene Nervenfaser zu, wie jeder Muskelzellenreihe beim Frosche. Von einer Nervenendigung, wie solche bei den querge- streiiten Muskelfasern vorkommt, kann nach obigen Untersuchungen bei den glatten Muskelfasern des Frosches und des Blutigple nicht die Rede sein. 1) Faivre. Etudes sur l’histologie compar&e du systeme nerveux chez quelques annelides. Annal. des sciences natur. IV. ser. Zool. T. VI, Pl. I, Fig. 8. 1856. 2) Ranvier. Des tubes nerveux en T et de leurs relations avec les cel- lules ganglionnaires. Compt. rend. T. 81, p. 1274, 1875. Dr. A. v. Brunn: Ueb. d. d. rothen Blutkörperchen d. Säugethiere ete. 333 Ueber die den rothen Blutkörperchen der Säuge- thiere zugeschriebenen Kerne. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XXII. A. Böttcher hat in letzter Zeit zwei Abhandlungen ver- öffentlicht!), in denen er zu dem Schluss kommt, dass die rothen Blutkörperchen des Menschen und der Säugethiere kernhaltig seien; seine Resultate haben bereits eine Bestätigung durch Alexander Brand erhalten?). Meine durch diese Publicationen angeregten Untersuchungen haben mich von der Unhaltbarkeit der dort aus- gesprochenen Ansicht überzeugt und mir die Gewissheit gegeben, dass in jenen Gebilden, wie man es bisher annahm, Kerne nicht existiren. Es ist Zweck des nachstehenden Aufsatzes, diesen Aus- spruch zu begründen und mit den von Böttcher beschriebenen Bildern in Einklang zu bringen. f Die von dem genannten Forscher in jener ersten Abhandlung beschriebene Methode, die Kerne zur Anschauung zu bringen, be- steht darin, dass man frisches Blut mit Alcohol in verschiedenen Mengenverhältnissen behandelt und dann eine Essigsäurebehandlung nachfolgen lässt. Man findet nach blossem Alcoholzusatz, falls die zugesetzte Quantität keine zu geringe war — mindestens 3 Volum- theile Aleohol auf einen Theil Blut — die rothen Blutkörperchen in ihrer Form vielfach verändert, namentlich in Spindelform aus- gezogen und scheinbar aus zwei Theilen bestehend, einem cen- tralen roth gefärbten und einem peripherischen absolut farblosen, 1) Memoires de l’acad. impör. des sciences de St. Petersburg, VI. Serie, Tome XXI Nr. 11, und Arch. f. mier. Anat. v. Waldeyer u. de la Valette BERN, T. 2) Dasselbe Archiv Bd. XII. 2. 334 A. v. Brunn: der durch eine innen glatte, aussen rauhe Membran begränzt ist. Setzt man zu solchem Blut — am besten eignet sich ein Gemisch von 1 Theil Blut auf 4—12 Alcohol — l1procentige Essigsäure, so tritt eine Entfärbung des rothen Theiles ein und bleibt in jedem Körperchen ein scharf umschriebenes, farbloses, kugliges Gebilde übrig, das häufig noch von etwas feinkörniger Masse umgeben ist. Bötteher betrachtet die nach Aleoholbehandlung die helle Zone nach Aussen abgrenzende Membran als die geronnene äusserste Schichte, den nach Essigsäurezusatz im Centrum bleibenden Rest als den Kern des Blutkörperchens, welcher von dem durch den Aleohol im Centrum angesammelten Blutfarbstoff verdeckt gewesen sei, die den Kern umgebende körnige Masse als Zellprotoplasma. Ich muss die durch den Alcohol sichtbar gemachten diffe- renten Theile anders deuten: der centrale rothe Körper ist das ganze durch die Wasserentziehung geschrumpite Blutkörperchen; die jenseits der hellen Zone gelegene Membran ist ein Eiweisshäutchen, welches durch den an das Körperchen herantretenden Alcohol auf dessen Ober- fläche aus dem Blutserum niedergeschlagen wurde, die helle Zone zwischen ihr und dem Blutkörperchen ist ein durch die Schrumpfung des letzteren entstandener Hohl- raum, welcher mit Alcohol gefüllt ist. Zu dieser Ansicht gelangte ich zuerst durch eigenthümliche Bilder, die ich erhielt, als ich behufs Controlle der Bötteher’schen Angaben zunächst frische Blutstropfen unter dem Deckglase mit Alcohol versetzte und über das regelmässige Auftreten der von ihm beschriebenen Bilder in Staunen begriffen war. Es zeigten dort nämlich zufällig im Präparat vorhandene Luftblasen nach dem Aleoholzusatz dieselben in einiger Entfernung von ihrer Peripherie befindlichen Membranen (s. Fig. la) wie die Blutkörper, glatt an der innern, rauh und mit Blutkörpern und krümeligen Nieder- schlägen besetzt auf der äusseren Fläche; Membranen, die sich als solche zweifellos zu erkennen gaben, die man durch Anstossen des Deckglases zum Flottiren bringen konnte, welehe sich in Fuchsin lebhaft färbten, die durch Strömungen in der Flüssigkeit zerrissen, sich theilweise auf die Fläche legten u. s. w. — Die Entstehung dieser Bildungen ist zweifellos die, dass sich auf der Oberfläche der durch das Deckglas plattgedrückten Luftblase ein Eiweiss- häutchen niederschlägt, dass dann wegen der Vermehrung der Ueb. d. den rothen Blutkörperchen der Säugethiere zugeschriebenen Kerne. 335 Flüssigkeit die Luftblase Kugelform annimmt, also sich in den horizontalen Durchmessern verkleinert, dass zwischen sie und die gebildete Membran Aleohol eindringt. Besonders spricht für diese Deutung noch, dass die Membranen an absichtlich durch Auf- drücken auf das Deckglas lang ausgezogenen Luftblasen nach dem Aleoholzusatz stets helle von Blutkörperchen völlig freie Räume umgeben, die genau die Form jener absichtlich verzerrten Luft- blasen behalten, während diese selbst klein und kugelig geworden sind und sich in der Mitte der Räume befinden (s. Fig. 1b). Auch an den Blutkörperchen selbst lässt sieh diese Entste- hung der Membran leicht erkennen, wenn man Blut, das mit 4—30 Theilen Alcohol versetzt ist, benutzt. Da wo mehrere Körper zu- sammenliegen, findet man regelmässig eine zarte, matte, milchglas- ähnlich aussehende Masse, welche nach Aussen durch deutliche, zerrissene Ränder begrenzt ist und in welche die Blutkörperchen eingelagert sind. Diese Masse, die doch nicht wohl etwas Anderes sein kann, als eine Gerinnungsmembran, geht unmerklich in den von Böttcher als Contour des Körperchens selbst gedeuteten Rand über, welcher nun seinerseits nach dem ihn von dem centralen gefärbten Theil trennenden Raum sich ausserordentlich scharf ab- hebt (Fig. 2). Dies Verhalten kann nur darin seinen Grund haben, dass er nach Innen von einer sehr viel schwächer lichtbrechenden Substanz umgeben ist, als nach Aussen, — was doch nicht wohl denkbar wäre, falls die ihn nach Innen begrenzende Masse homo- gene Eiweisssubstanz wäre. — Sichergestellt wird diese Ansicht vom Wesen der fraglichen Contouren durch Fuchsinfärbung, indem hier- bei die Gerinnungsmembran sich färbt, die besprochene helle Partie aber eine sehr viel schwächere Färbung zeigt. Es stimmt hiermit auch die von Böttcher selbst gemachte Angabe vollständig über- ein, dass diese Membran nach Aussen hin niemals glatt sei. Es lässt sich ferner damit leicht in Einklang bringen ein Verhalten, welches man häufig zu sehen Gelegenheit hat, dass nämlich die Membranen nur die Hälfte der Blutkörperchen kappenförmig be- deeken und mit scharf abgeschnittenen Rändern endigen (Fig. 3 b), sowie, dass dieselben nicht selten direct von der Oberfläche des einen auf die des anderen Körperchens überspringen, ohne in die zwischenliegenden Räume sich einzusenken (Fig. 3). Nun soll nach Bötteher durch Entfärbung der so gehärteten Blutkörper in Essigsäure sich innerhalb der centralen Masse eine 336 A. vw. Brunn: Differenzirung einstellen in einen Kern und eine diesen umgebende körnige Protoplasmamasse. Auch diese Bilder sind unschwer an- ders zu deuten. Die Essigsäure bewirkt, zu gleichen Theilen mit der Mischung 1 Blut auf 4 Alcohol versetzt, keine Quellung der Blutkörperchen, nur ihre Entiärbung; sie löst aber auch nicht die Gerinnungsmembranen, wie man an grösseren Stücken derselben sieht: also bleibt ein farbloser Rest der Körperchen innerhalb der Eiweisshülle übrig, dessen Form der Form der letzteren entspricht, also bald rund bald spindelförmig ist. Auf diesem „Kern“ des Blutkörperchens liegen nicht selten dunkle Körnchen auf, die aber nicht protoplasmatischer Natur sind, — sonst müssten sie ja grade durch Essigsäure hell werden oder verschwinden, — sondern viel- mehr ursprünglich gelöste, dann nach längerer Säurebehandlung wieder ausgefallene Blutrothmassen. Die Richtigkeit dieser Deutung ergibt sich bei Behandlung von in Alcohol gehärtetem Blut mit verschieden grossen Quantitäten 1 proc. Essigsäure. Ich behandelte gleiche Por- tionen einer Mischung von 1 Theil Kaninchenblut auf 12 Theile Aleohol nach mehrtägiger Einwirkung des letzteren mit 3, 2, 1, 0,5, 0,3, 0,2 Theilen Essigsäure mehrere Tage lang. Die mit dem doppelten bis dreifachen Volum Essigsäure behandelten Blutproben zeigten absolut keine Spur „kernhaltiger“ Blutkörper, aber auch nirgends mehr die vorher vorhanden gewesenen Gerinnungsmem- branen. Mit gleichen Theilen Säure versetztes Alcohol-Blut liess noch vereinzelte Fetzen der Membranen erkennen und die in die- sen letzteren gelegenen rothen Blutkörperchen liessen dann auch „Membran, helle Zone, Kern“ und auf letzterem aufliegende bräun- liche Krümcehen unterscheiden. 0,5 Theil Säure genügte nur zur theilweisen Extraetion des Hämoglobins und vermochte nur einen kleinen Theil der Gerinnsel zu lösen. Hier fanden sich also die Böttcher’schen Bilder in grosser Menge, theils mit gefärbten, theils farblosen „Kernen“; noch geringere Säuremengen lösten endlich weder das Blutroth noch die Gerinnsel, liessen also das Bild un- verändert. Demnach hängt es nur von dem quantitativen Verhält- niss zwischen Essigsäure und Blut ab, welche Bilder man erhält und es ist die Auflösung der membranösen Gerinnsel gleichbedeutend mit der Auflösung des Böttcher’schen Begrenzungscontours der Blutkörper, gleichzeitig mit dem Verschwinden seiner Kerne. Ueb. d. den rothen Blutkörperchen der Säugethiere zugeschriebenen Kerne. 337 Nach der gegebenen Erklärung der durch Alcohol erzeugten Bilder ist zu erwarten, dass nachgewiesen kernhaltige Blutkörper wie die der Amphibien und Vögel, jenseits ihres Randeontours in einiger Entfernung von demselben ebenfalls diese Gerinnungsmem- branen zeigen. Die angestellten Versuche lieferten befriedigende Resultate. Froschblut zeigte sie recht schön; dass der Raum zwi- schen ihnen und den Blutkörperchen ein relativ kleiner war, kann nicht befremden, wenn man bedenkt, dass die Verkleinerung biconvexer Körper durch Schrumpfung eime sehr viel geringere sein muss, als die biconcaver von derselben chemischen Zusam- mensetzung, welche auch ihre Concavitäten beim Kugligwerden noch ausfüllen müssen. Ebenso war die Erscheinung deutlich im Blut der Dohle (Fig. 4), weniger schön in dem der Taube. Ich muss diesen theilweisen Misserfolg ausser auf die Form der Blut- körper auch noch auf die Beschaffenheit des Blutserums dieses Thieres schieben, welches wenig dureh Alcohol in Form von Membranen gerinnbares Eiweiss zu enthalten scheint; denn eine Mischung von frischem Tauben- und Menschenblut mit Alcohol versetzt zeigte die Gerinnungshäutehen um beiderlei Körper in schönster Deutlichkeit (Fig. 5), nur mit dem aus ihrer resp. Form herzuleitenden Unterschiede der Entfernung zwischen ihnen und dem Rande der Körperchen. Zur Herstellung der Bötteher’schen kernhaltigen Blutkör- perehen der Säugethiere würde also zweierlei nöthig sein: ein Klümpchen Blutkörperchensubstanz, das schrumpfen und ein umge- bendes Serum, aus dem der Alcohol eine Membran abscheiden kann. Fehlt letzteres, so dürfen sich keine Membranen bilden, — andrerseits muss die in beliebiger Form vorhandene Substanz der Körper mit Serum und Alcohol doppelte Contouren zeigen. Ich machte die bezüglichen Versuche auf folgende Weise. Um mir Blutkörper in möglichst eiweissfreier Flüssigkeit darzu- stellen, versetzte ich einen Theil des frischen defibrinirten Blutes eines Kaninchens mit 50, einen anderen mit 2500 Theilen halb- procentiger Kochsalzlösung und liess diese Portionen, sowie eine dritte ohne Zusatz 48 Stunden an einem kühlen Orte stehen. Die Blutkörper hatten sieh nach dieser Zeit zu Boden gesenkt, so dass ich sie als dieken Schlamm mit der Pipette herausheben konnte. Diejenigen der dritten Portion zeigten nun nach Aleoholbehandlung die von Böttcher beschriebenen Erscheinungen sehr deutlich, 338 A. v. Brunn: waren auch in der gewöhnlichen Weise zu Haufen zusammen- geballt. Die mit Salzlösung versetzten dagegen, namentlich die der zweiten Probe, lagen fast ausnahmslos einzeln, nur höchst selten zu dreien oder vieren zusammen. Eine Sonderung in einen centralen gefärbten und peripheren farblosen Theil, sowie eine den letzteren umschliessende Haut kam nur in den letzteren seltenen Fällen und unvollkommen ausgebildet vor, sämmtliche übrigen waren einfach glatt begrenzt, von dem Aussehen der gefärbten Theile des gewöhnlichen Blutes, — membranartige Gerinnungen waren nirgends zu sehen, ausser in den erwähnten seltenen Fällen. Ich versuchte nun auch noch diese Veränderung wieder aus- zugleichen durch Wiederzusatz von Serum zu den isolirten Blut- körpern, es gelang aber dieses Experiment leider nicht: es wur- den keine zusammenhängenden Membranen mehr ausgefällt, son- dern nur feinkörnige Massen, welche nicht in Zusammenhang mit den Blutkörpern traten, sei es in Folge bereits im Serum einge- tretener chemischer Umsetzungen, sei es dass die die Oberfläche der Körperehen benetzende Kochsalzlösung das Anhaften des Ei- weisses verhinderte. — Trotzdem glaube ich dies Ergebniss als völlig genügend betrachten zu dürfen zum Beweise dafür, dass Blutkörperehen plus Serum nöthig sind zur Hervorbringung der besprochenen Bilder. Den Beweis aber, dass nicht die Blutkörperchen, sondern nur ihre Substanz es ist, um welche sich die helle Zone und Mem- bran bilden, hoffe ich auf folgende Weise zu erbringen. Ich zer- störte die Blutkörperchen auf zwei Arten ohne Lösung ihres Farb- stoffes. Erstens indem ich Blut in einem Reagensglase langsam auf 51—52°C. so lange erwärmte, bis die mieroscopische Untersuchung der entnommenen Proben nachwies, dass der Zerfall der Körper in grössere und kleinere Kügelchen, wie sie M. Schultze!) und später Rollett?) beschrieben haben, eingetreten sei. Dies Blut wurde nun mit Aleohol und zwar ein Theil mit 20, ein andrer mit 50 Theilen versetzt. Da zeigte sich denn das höchst interes- sante und dureh seine Regelmässigkeit überraschende Resultat, dass mit Ausnahnie der kleinsten Partikelchen fast alle abgeschnür- ten Theile bis etwa zu denen von 0,001 mm. Durchmesser herab den- selben doppelten Contour besassen, wie die ganzen Blutkörperchen. jun 1) Archiv für mier. Anat. Bd. 1. 2) Handbuch der Lehre von den Geweben von 8. Strieker Bd. I. Ueb. d. den rothen Blutkörperchen der Säugethiere zugeschriebenen Kerne. 339 Den entgegengesetzten Effeet, grössere Klumpen von Blut- körpersubstanz zu erhalten, erzielte ich durch Zerreiben des Blutes zwischen zwei Glasplatten. Es entstanden vielfach bald mehr kuge- lige, bald unregelmässige Schollen. Die zerriebenen Massen wurden mit Aleohol von der Glasplatte abgewaschen und es zeigte nun ein Theil der Schollen ebenfalls doppelte Contouren, während an vielen anderen solche fehlten, was ohne Zweifel darauf zu schie- ben ist, dass bei der Manipulation des Zerreibens viel Luft zwi- schen die beiden Platten und mit dem Blut in Berührung kam, so dass es theilweise trocknete, bevor der Aleohol wirken konnte. Die doppelten Contouren erinnern, wo sie vorhanden sind, an die ausgetretener Nervenmarkmassen oder auch varieöser Nervenfasern, je nachdem, wie (bei Fig. 7b) mehrere Blutkörper zu unregel- mässigen Klumpen zusammengeballt, oder (Fig. 7a) nur so mit einander zu langen Strängen verschmolzen sind, dass man die Gebiete der einzelnen noch an Anschwellungen erkennen kann. Damit glaube ich die Frage nach der Bedeutung der Bött- cher’schen Bilder gelöst und den Nachweis geführt zu haben, dass die Säugethierblutkörper, wenigstens der von mir untersuchten Species (Mensch, Hund, Rind, Schaf, Schwein, Kaninchen, Katze) auf Grund der bisher angewandten Methoden nichtals kernhaltig angesehen werden können. Säugethierblut mit ovalen gefärbten Elementen hat mir nicht zur Verfügung gestanden, so dass ich über etwaiges Vorhandensein von Kernen in solehen eine Ansicht nicht aussprechen kann. Böttcher’s zweite Methode!) besteht in der Behandlung fri- schen Blutes mit concentrirter aleoholischer Sublimatlösung (d. i. 30,0. gr. Subl. auf ca. 84,0 Ale.) während 48 Stunden, Auswaschen des Sublimats mit Alcohol, Entfernung des letzteren durch Wasser und nachträglicher Färbung. Die Methode soll auch die Zweifler am Vorhandensein eines Kernes eines Besseren belehren; — ich muss gestehen, dass der Erfolg ihrer Benutzung bei mir ein ganz anderer gewesen ist. Von Vornherein wird wohl Jeder vor einer Behandlung so zarter Gebilde mit solchen Mengen eines so diffe- renten Reagens, — man bedenke, dass auf 1 Ce. Blut 15 Grm. Sublimat kommen, — zurückscheuen und sich nur falls die danach sichtbare Structur auch durch viele andere weniger eingreifende 1) Arch. f. mier. Anat. Bd. XIV. 1. 340 A. v. Brunn: Reagentien auftritt, dazu entschliessen, dieselbe als präformirt an- zusehen; jedenfalls aber müssten die danach auftretenden Forma- tionen sehr constante sein und absolut keine andere Deutung, als die ihnen beigelegte, zulassen. Dem ist nun aber nicht so; viel- mehr hat sich mir die Ueberzeugung nach und nach aufgedrängt, dass die eigenthümlichen Bilder, wie ich sie in Fig. 8 wiederzu- geben versucht habe, lediglich optische Effeete sind, her- rührend von der durch die Sublimatbehandlung wesent- lich gesteigerten Dichtigkeit und in Folge deren ver- stärkte Lichtbrechungsfähigkeit der Substanz der Blut- körper. Lange Zeit bin ich im Zweifel gewesen, ob ich auch wirklich die Körper, welche Bötteher als Beweise für die Kern- haltigkeit herbeizieht, vor mir hätte und habe mich zu der An- nahme, dass dieses der Fall sei, erst entschlossen, als ich sechsmal Blut von verschiedenen Thieren in der von ihm angegebenen Weise mit serupulöser Beobachtung seiner Vorschriften behandelt und jedesmal nach tagelangem Suchen nicht® Anderes gefunden hatte, was ich mit grösserem Rechte als die ihm vorgelegenen Elemente hätte betrachten können. Nur weiss ich nicht, ob unsere Sublimat- lösungen dieselben waren; er spricht nur von „eoncentrirter“, ohne die Mischungsverhältnisse anzugeben; ich habe mich stets der von der angegebenen höchsten Concentration (30 Gr. Subl. auf 84 Ce. Alcohol) bedient. Weiter weiss ich nieht, bei welcher Vergrösserung er beobachtet hat und seine Figuren gezeichnet sind, weil jede Angabe darüber sowohl im Text wie bei der Tafelerklärung fehlt. Was ich an Sublimatpräparaten gesehen habe, ist Folgendes. Es fanden sich theils kuglige, theils biconcave, theils unregel- mässige Formen, die bei einer Vergrösserung von 450 (Hartnack 7/IV, Fig. 8a) eine dunkle Mitte erkennen liessen, in der mitunter noch ein hellerer Punkt sichtbar war, — die also an kernhaltige Zellen erinnerten. Diese Illusion verflog indessen schnell bei An- wendung stärkerer Vergrösserungen von 950 und 1100 (Hartnack 20% und 10/IV Fig.8b,e,e); es traten dort um so mehr concen- trische Ringe auf, je stärkere Vergrösserung angewandt wurde. Regelmässig kugelige Körper, b, können so noch allenfalls für kernhaltige gelten, unregelmässig geformte, c, e, aber ganz gewiss nicht. Durch Rollen dieser letzteren gelingt es allerdings mitunter, auch hier das Bild eines regelmässigen Kreises im Centrum zu erzielen, c, €, aber dessen Deutung kann ja keinem Zweifel unter- Ueb. d. den rothen Blutkörperchen der Säugethiere zugeschriebenen Kerne. 341 liegen. Ich wiederhole, dass ich die genannten Bilder nur in Er- mangelung anderer den Böttcher’schen Abbildungen mehr glei- chenden als die seinen Zeichnungen zu Grunde liegenden angesehen habe und noch immer dem anerkannten Microscopiker gegenüber das höchst peinliche Gefühl nieht unterdrücken kann, etwas An- deres vor mir gehabt zu haben, als er. Jedenfalls aber hat mir die Anwendung der Sublimatbehandlung die Ueberzeugung gege- ben, dass sie den Kernen der Blutkörperchen keine Anerkennung verschaffen wird. Nachdem ich so in den unverletzten Blutkörpern vergeblich nach den Kernen gesucht, unterwarf ich auch in der oben ange- gebenen Weise durch Wärme zerstörte der Einwirkung des Subli- mates; ich hoffte, an Körpern, die, eben im Zerfall begriffen, rosenkranzartig ausgezogen waren, durch die so künstlich ver- dünnte Umhüllung hindurch den etwa vorhandenen Kern wahrzu- nehmen oder ihn in abgeschnürten kleineren Klümpchen aufzufin- den. Aber auch da erzielte ich nur negative Resultate. Die kleineren abgeschnürten Blutkügelchen liessen, wie aus Fig. 8a3 und b; ersichtlich, dieselben Erscheinungen auftreten, wie die ganzen Körper; an solchen, die eben den Abschnürungsprocess durchmachten (Fig. Sd) zog sieh die dunkle Mitte von einer Ab- theilung in die andere hinüber, — bei Anwendung stärkerer Ver- grösserung trat dieselbe Vermehrung der Contouren ein, — so dass ich also auch hiernach das Auftreten der oben beschriebenen Con- touren als eine Eigenschaft nicht der Blutkörper, sondern ihrer durch den Sublimat veränderten Substanz hinzustellen genöthigt bin. Die Angaben Brand’s!), dass man in dem sofort in frischem Hühnereiweiss vertheilten menschlichen Blute innerhalb der Blut- körper einen zarten Kern von amöboider Gestalt erkennen könne, ' ist mir zu bestätigen nicht geglückt. So sehr ich es also auch bedauere, muss ich dennoch die schöne Hoffnung wieder vernichten, dass den Säugethierblutkörpern (ausgenommen die ovalen, die ich wie angegeben, noch nicht aus eigener Anschauung kenne) keine Ausnahmestellung gegenüber denen der anderen Wirbelthierklassen zukomme, muss ihnen eine solche vielmehr aufs Neue zugestehen; und hoffe, in dem Vorste- henden einen Beitrag, wenn nicht zur Förderung unserer Kenntniss 1) Archiv für mier. Anat. XIII 2. 342 A. v. Brunn: Ueb. d. den rothen Blutkörperchen der Säugethiere zug. etc. dieser Gebilde gegeben, so doch auf Fehlerquellen bei ihrer Un- tersuchung die Aufmerksamkeit gelenkt zu haben. Göttingen, 3. August 1877. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIH. Fig. 1. Zwei Luftblasen a und b, die in einen Blutstropfen eingeschlossen waren, nach Behandlung des letzteren mit Alcohol. Im unvermisch- ten Blute hatten dieselben die Form der von den Membranen a und b umgebenen Hohlräume; nach Alcoholzusatz retrahirten sie sich unter Hinterlassung der durch den Alc. gefällten Membranen. Vergr. 600 (Winkel 8/IV). Fig. 2. Menschenblut mit 30 Thl. Alcohol. Bei a die in Spindelform aus- gezogenen Blutkörper in Löchern der Gerinnungsmembran liegend, bei b dieselben in Kantenansicht. Vergr. wie bei 1. Fig. 3. Kaninchenblut nach Behandlung mit 30 Thl. Alcohol. Die Körper sind theils vollständig (a), theils unvollständig (b, c) von Gerinnungs- membranen umgeben, die ununterbrochen vom einen auf das andere sich fortsetzen. Vergr. wie oben. Fig. 4. Dohlenblut mit 30 Thl. Alcohol; Gerinnungsmembranen um die Kör- per. Vergr. wie oben. Fig. 5. Menschen- und Taubenblut frisch gemischt, mit 30 Theilen Alcohol. Vergr. wie oben. Fig. 6. Schweineblut, nach Zerstörung der Blutkörper durch Wärme mit 20 Thl. Alcohol versetzt; auch die kleineren abgesprengten Kugeln doppelt contourirt. Vergr. 950. (Hartn. an Fig. 7. Durch Zerreiben frischen Schweineblutes zwischen zwei Glasplatten erhaltener Klumpen von Blutkörpersubstanz, mit Alcohol behandelt. Doppelte Contouren über die ganze Masse hinlaufend, besonders bei a. Vergr. 600. Fig. 8. Kaninchenblutkörper, theils frisch (aı-2, bı-2, c, e,) theils nach Zer- störung durch Wärme (as, b;, d) mit 50 Theilen concentrirter alco- holischer Sublimatlösung behandelt. Vergr. bei a und d 450 (Hart- nack 7/IV) bei b, c, e 1100 (Hartnack 10/IV). Dr. B. Afanassiew: Ueb. Bau u. Entwickelung der Thymus etc. 343 (Anatomisches Institut zu Strassburg.) Weitere Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Thymus und der Winterschlaf- drüse der Säugethiere. Von Dr. B. Afanassiew aus St. Petersburg. Hierzu Taf. XXIV. Die Thymusdrüse, Glandula Thymus, war schon den alten Anatomen!) bekannt, welche gewöhnlich bei der Beschreibung der obern Hohlvene auch einige Worte über diese Drüse sagten. Die ersten, mehr ausführlichen Untersuchungen über die Thymusdrüse sind von Wharton gemacht worden. Von dieser Zeit an hat die- selbe, im Verlauf von mehr als 200 Jahren, die Aufmerksamkeit vieler Forscher auf sich gezogen, und Einige widmeten ihr beson- dere Monographien. Aber das Bestreben der Untersucher war mehr auf die Aufklärung der Funetionen der Thymusdrüse, als auf den Bau derselben gerichtet. Sokommt es, dass eine Masse von Theo- rien über die Functionen der Thymus und ihre Bedeutung für den Organismus existiren, die jedoch in dem noch wenig aufge- klärten und streitigen Bau der Drüse fast keine Stütze finden. Auf Vorschlag von Professor Waldeyer unternahm ich eine aus- führliche Untersuchung über den Bau der Thymusdrüse. Um mit Er- folg dies Ziel zu erreichen, begnügten wir uns indessen nicht mit einer Seite dieser Frage, sondern führten eine vergleichend-ana- tomische Untersuchung der Drüse in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung bei verschiedenen Wirbelthieren aller Klassen aus. 1) Galen, Vesal, Bauhin, Laurentius etc. 344 Dr. B. Afanassiew: Zur besseren Uebersicht über die Resultate dieser Unter» suchungen bemerke ich, dass wir der Reihenfolge nach betrachten werden : 1) Form und Lage der Thymusdrüse bei verschiedenen Wirbelthieren; 2) den histologischen Bau des Organes im allgemeinen und einige Besonderheiten bei den verschiedenen Thieren; 3) die Veränderungen der Thymusdrüse im Verlauf des extrauterinen Lebens der Thiere und endlich 4) die erste Anlage der Thymus und ihre Entwickelungsgeschichte. r Form und Lage der Thymusdrüse bei verschiedenen Wirbelthieren. Anfänglich wurde die Glandula Thymus nur beim Menschen und einigen Säugethieren beschrieben. Im Beginne dieses Jahr- hunderts fand Meckel bei den Wasservögeln in der fossa iugu- laris sterni ein Organ, welches er als Thymus ansah. Die genaueren Untersuchungen von Haugstedt und Simon aber haben gezeigt, dass bei den Vögeln an der Stelle, die bei den Säugethieren der Lage der Thymus entspricht, sich keine Drüse, sondern eine ein- fache Anhäufung von Fett findet. Auf die wahre Lage der Thymus- drüse bei den Vögeln hat eigentlich zuerst Lucae aufmerksam gemacht, nichts desto weniger haben spätere Forscher entweder gänzlich ihre Anwesenheit bei diesen Thieren geleugnet!), oder hielten sie für die Schilddrüse ?). Den Grund zu einer besseren vergleichend-anatomischen Untersuchung der Thymus hat Simon gelegt. Später sind seine Untersuchungen von Eeker undLeydig fortgesetzt worden. Simon ° untersuchte eine grosse Zahl verschiedener Wirbelthiere und kam zu dem Schlusse, dass diese Drüse nur denjenigen Thieren eigen ist, die durch Lungen athmen, darum leugnet er die Anwesenheit der Thymus bei Fischen, fischähnlichen Amphibien (Proteus, Siren) und bei den Froschlarven (Rana paradoxa) die durch Kiemen athmen. Ecker erkennt die Abhängigkeit, in welche Simon die Thymusdrüse von dem Athmungsapparat der Thiere stellt, nicht an, da seine Untersuchungen gezeigt haben, dass die Knorpelfische 1) Haugstedt. 2) Stannius. Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 345 eine Thymusdrüse haben; ausserdem sieht er bei den schwanzlosen Batrachiern die kleinen ovalen Bläschen, die nach aussen von der Glandula carotis liegen, als Thymusdrüse an. Simon versetzt die Lage der Thymus bei dieser Art Batrachier an die Basis des Herzens. In neuerer Zeit behaupten Leydig und Toldt, dass die Lage der Thymusdrüse bei den schwanzlosen Batrachiern von Simon und Ecker nicht richtig angegeben sei, sondern dass die Thymus bei diesen Thieren wie bei den geschwänzten Batrachiern und Fischen sich auf dem Rücken befinde in der Nähe der Nacken- gegend, zwischen den Rückenmusken und den Kiemenbogen. Was die Knochenfische anbelangt, so nimmt Leydig bei ihnen die follieuli branchiales als Thymus an, da sie der Lage nach voll- ständig der Tymusdrüse der Knorpelfische entsprächen. Aus dieser kurzen literarischen Uebersicht ist ersichtlich, dass die Anwesenheit der Thymusdrüse bei allen fünf Klassen der Wirbelthiere nachgewiesen ist; nur bei den Knochenfischen ist ihre Existenz zweifelhaft, obwohl man sie nieht gänzlich leugnet. Da unsere Untersuchungen über Form, Grösse und Lage der Thymus mit den bisher gewonnenen Resultaten übereinstimmen, beschränken wir uns auf die Schilderung jener Einzelheiten, die bisher am wenigsten beachtet worden sind. Im Allgemeinen lassen sich bei Säugethieren zwei Theile der Drüse unterscheiden: ein Hals- und ein Brusttheil. Der Hals- theil liegt gewöhnlich oberflächlich, sehr oft direet unter der Haut, hat das Aussehen eines paarigen Organs von ceylindrischer oder bohnenförmiger Gestalt. Im ersteren Falle erstreckt sich die Drüse über die ganze Länge des Halses, vom Winkel des Unterkiefers an nach unten bis zum Sternum; im zweiten nimmt sie nur einen kleinen Theil des Halses ein. Der Brusttheil befindet sich am oberen Abschnitt des mediastinum anterius auf dem Herzbeutel, und hat die Form eines platten, breiten Körpers; dabei theilt er sich mehr oder weniger deutlich in zwei Hälften oder Lappen. Am unteren Ende vereinigen sich die Lappen gewöhnlich, während das obere Ende zwei Hörner bildet, welche zu beiden Seiten der Luftröhre, nach vorne von den Artt. carotides liegen. Beide Theile der Drüse zusammen finden sich nur bei wenigen Säugethieren, sie können dann entweder vereinigt sein (Schwein, Schaf) oder sie liegen vollständig gesondert von einander (Katze, Ratte). Meistens aber existirt nur ein Theil der Drüse, entweder der Hals- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14, 23 346 Dr. B. Afanassiew: theil (Meerschweinchen, Kalb) oder der Brusttheil (Mensch, Kanin- chen). Individuelle Verschiedenheiten in der Form und Grösse der Thymusdrüse kommen am häufigsten beim Menschen vor; in einigen Fällen besteht die Drüse aus zwei vollständig getrennten Lappen; in anderen dagegen vereinigen sich diese Lappen so, dass sie an- scheinend ein unpaariges Organ bilden. Die häufigen und bedeu- tenden Schwankungen in der Grösse der Drüse, nicht nur in ver- schiedenen Altersperioden, sondern auch bei Neugeborenen erlaubt es nicht ein Durchschnittsmass für die Grösse des Organs zu be- stimmen. Z. B. ersehen wir aus den vielen Messungen verschie- dener Autoren, dass das Gewicht der Drüse bei neugeborenen Kindern zwischen 5—25 Gramm schwankt; es versteht sich von selbst, dass man eines Mittelgewichtes von 15 Gramm bei der Be- stimmung der Vergrösserung oder Verkleinerung des Organs in der Mehrzahl der Fälle sich nicht bedienen kann. J Bei den Vögeln liegt die Thymusdrüse am Halse, nach aussen und hinten von der Ven. Jugularis und dem Nerv. Vagus; gewöhn- lich am Brustkasten anfangend, in der Nähe der Schilddrüse, zieht sie sich nach oben bis zu verschiedener Höhe; bei den Hühner- arten und Tauben, erstreckt sie sich z. B. nach oben bis zu den grossen Hörnern des Zungenbeins. Die Drüse liegt sehr ober- flächlich, unmittelbar unter der Haut, von Fettgewebe umgeben, und besteht aus gesonderten, platt-ovalen Läppchen, die durch Bindegewebsbündel mit einander verbunden sind. In einigen Fällen liegen die Läppchen ununterbrochen nebeneinander, in anderen stehen sie in mehr oder weniger bedeutenden Zwischenräumen von einander ab. Bei den Reptilien findet sich die Thymusdrüse, ähnlich wie bei den Säugethieren und Vögeln in der Nähe des Herzens und der grossen Gefässe; bei den Amphibien und Fischen dagegen ändert sich diese charakteristische Lage der Drüse; bei diesen beiden Klassen der Wirbelthiere findet sie sich am hinteren Theil des Körpers, nach hinten von der Nackengegend; sie liegt oft sehr oberflächlich unmittelbar unter der Haut. Da die Bestimmung der Lage der Thymusdrüse bei diesen drei Klassen, im Vergleich mit anderen Thieren, grosse Schwierigkeiten bietet, so wollen wir die Lage der Drüse bei den von uns untersuchten Arten genauer be- schreiben. Bei der Schildkröte (Emys europaea) finden sich in der Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 347 Gegend des Herzens und der grossen Gefässe eine unpaarige und zwei paarigeDrüsen. Die Erstere liegt an der Basis des Herzens, von rundlicher oder würfelförmiger Gestalt und ist nichts anderes als die Schilddrüse. Von den paarigen Drüsen ist die eine von unbedeutender Grösse, fest mit der Wand der Art. carotis ver- bunden, und bildet die Glandula carotidea, die zweite paarige Drüse, Glandula Thymus, liegt nach aussen von der Glandula carotidea an der Theilungsstelle der Art. Subelavia und Carotis communis. Sie ist von pyramidaler Gestalt, hat einen vorderen scharfen Rand, erreicht die Grösse von 1 Ctm. Länge und 0,76 Ctm. Breite und zeigt deutlich einen lappigen Bau. Nach Aussehen und Farbe ist sie dem umgebenden Fett sehr ähnlich, unterscheidet sich von dem- selben aber durch die härtere Consistenz. Die Thymusdrüse der Schlangen (Tropidonotus natrix) ver- läuft in Form von zwei spindelförmigen Körpern an der äusseren Seite der Art. carotis. Beide Lappen begegnen sich unten, mehr nach der Mittellinie des Körpers zu, und berühren den oberen Rand der Schilddrüse, die auf der Basis des Herzens zwischen den grossen Gefässen liegt. Die Länge der Thymus beträgt 1—1,5 Ctm,, die Dicke 3 Mm. Der Raum zwischen beiden Lappen ist gewöhn- lieh mit Fettgewebe ausgefüllt. Die Lage der Thymusdrüse bei den Eidechsen (Lacerta vi- ridis) hat einige Aehnlichkeit mit der Lage dieser Drüse bei den Batrachiern, da sie von der vorderen Mittellinie des Körpers mehr nach hinten und aussen abweicht. Die Drüse erreicht die Grösse einer Linse, und liegt nach unten vom äusseren Gehörgange in gleicher Höhe mit den grossen Hörnern des Zungenbeins, nach aussen von der Art. carotis, und ist mit der Haut fest verbunden. Bei den Fröschen liegt die Thymus am hinteren dorsalen Kopfrande gleich unter dem äusseren Gehörgange, von dem vorderen Rande der Musculus depressor maxillae bedeckt. . Durchschneidet man diese Muskeln quer und bewegt den Kopf des Frosches nach vorne und etwas nach unten, so sieht man leicht ein Körperchen, von der Grösse eines Hirse- bis Hanfkorns, auf den Gefässen aufsitzen. Eine etwas andere Lage hat die Thymus bei den Tritonen und Salamandern (Triton cristatus, Salamandra aquatica). Hinter dem grossen Horn des Zungenbeins, unmittelbar unter der Haut, und fest mit ihr verbunden, liegt eine Drüse von der Grösse einer 348 Dr. B. Afanassiew: Linse, bis zu Erbsengrösse, die einen deutlich erkennbaren, lap- pigen Bau zeigt. Die Thymusdrüse der Knorpelfische (Raja Clavata, Torpedo Galvani) ist von bedeutender Grösse, und liegt hinter den Spritz- löchern, keilförmig sich zwischen den langen Rückenmuskeln und Kiemen hineinerstreckend. Von oben ist sie durch die Haut und eine dünne Schicht querlaufender Muskeln bedeckt. Viel schwieriger ist die Thymusdrüse bei den Knochenfischen zu constatiren, es scheint uns aber, dass die von Leydig beschriebenen follikulären Gebilde, die unter der Haut nach innen von den Kiemenhöhlen liegen, als Thymus in ihrer einfachsten Form angesehen werden ® können. Il. Bau der Thymusdrüse. Das lappige Aussehen der Thymusdrüse ist schon lange be- kannt. Die früheren Forscher zählten sie desshalb zu der Klasse der sogenannten acinösen Drüsen. Einige Autoren beschrieben so- gar einen Ausführungsgang der Drüse. Bei den späteren, ge- naueren Untersuchungen ist dargethan worden, dass jeder Lappen der Thymusdrüse sich in mehrere kleinere Läppchen theilt, die ihrerseits aus den sogenannten primären Läppchen bestehen. Die Structur dieser letzteren ist sehr verschieden beschrieben worden. Die verbreiteteste Ansicht war die: dass das primäre Läpp- chen aus einer Zahl von Bläschen bestehe, die sich wie die Körner der Maulbeere gruppirend, das Läppchen bilden. Einige Autoren behaupten, dass die Bläschen vollkommen geschlossene Gebilde seien, andere dagegen sprechen von einer Communication der Höhlen der Bläschen mit der Höhle des Läppehens; die Höhlen der ein- zelnen Läppehen sollen auch ihrerseits unter sich communieiren. Dureh Injeetionen mit Wasser, Quecksilber und auch durch Ein- blasen von Luft in das Parenehym der Drüse schien die Communiea- tion der Läppehenhöhlen untereinander sowie mit dem sogen. Central- kanal so unstreitig bewiesen zu sein, dass letztere Ansicht das Uebergewicht bekam, und bis zur neuesten Zeit sich erhalten hat. Die Structur der Thymusbläschen ist ebenfalls sehr ver- schieden beschrieben worden. Einige Autoren behaupten sogar, Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 349 dass ihre Höhlen mit einer Schleimhautmembran ausgekleidet seien ; aber im Allgemeinen war der grösste Theil der Autoren bis zur neueren Zeit der Meinung, dass die Wände der Bläschen aus einer strueturlosen Membran gebildet, und die Höhle mit dem Secret oder Saft der Drüse ausgefüllt sei. Das Secret der Drüse soll aus einer eiweissreichen Flüssigkeit bestehen, in welcher zellige Elemente und freie Kerne, sowie Körner suspendirt wird. Die in neuerer Zeit angestellten Untersuchungen über den Bau der Thymusdrüse baben) nun aber gezeigt, dass die Bestandtheile der Läppehen nicht Bläschen sondern mehr oder weniger solide Gebilde sind. Von der früheren Ansicht über den Bau der Bläs- chen hat sich zuerst Kölliker losgesagt. Er gibt an, dass die Höhle jedes Läppchens von soliden Körpern, die dicht einer an dem anderen sitzen, umgrenzt ist. Die der Höhle zugekehrten Theile der Körper bilden durch Zusammenfliessen eine glatte Fläche, während sie nach der Peripherie zu mehr oder weniger von ein- ander abgegrenzt sind, und die sogenannten Drüsenkörner bilden. Fast zu ähnlichen Resultaten kam His. Die ausführliche Unter- suchung des Baues der Kalbsthymus hat gezeigt, dass jedes Läpp- chen aus mehreren Drüsenkörnern besteht, die an der Peripherie eine bindegewebige Kapsel tragen. Aus dieser Kapsel geht ein Retieulum von sternförmigen Zellen hervor. Die Fortsätze dieser Zellen communieiren theilweise unter einander, theilweise befestigen sie sich an den im Innern des Follikels verlaufenden Gefasswänden. Retieulum und Gefässe füllen jedoch nicht den ganzen Follikel aus, sondern bilden nur die Wand einer Höhle, die im Centrum liegt. Die Höhle eines jeden Follikels steht in Verbindung mit einem Kanal, der in der Mitte des Läppehens verläuft. Dieses ganze System von Höhlen vereinigt sich schliesslich mit dem Central- canal der Drüse. Von der Höhle eines jeden Follikels zur Peri- pherie gehen Lymphkapillaren, die "ich in die Lymphgelässe des interfollikulären Bindegewebes ergiessen. Im Reticulum, das die Höhle des Follikels umgrenzt, finden sich Lymphzellen, je nach- dem sie sich vermehren, treten sie in die Höhle des Follikels ein, und gelangen von da durch die Lymphkapillaren in die Lymph- gefässe. Die Anwesenheit von Höhlen im Thymusgewebe, sowie das System communieirender Kanäle wird von Friedleben und Jen- drassik, deren Untersuchungen fast gleichzeitig erschienen sind, 350 Dr. B. Afanassiew: geleugnet. Die Resultate der Friedleben’schen Untersuchungen stützen sich hauptsächlich auf die Entwickelungsgeschichte des Organs beim Menschen und verschiedenen Säugethieren. Ohne eine solehe embryologische Untersuchung, nach der Meinung dieses Autors, ist das richtige Verständniss des Baues der Thymusdrüse bei erwachsenen Thieren unmöglich. Ursprünglich besteht nach Friedleben die Thymus aus einer dünnen Zellenschicht, welche im Bindegewebe liegt, später schickt sie nach allen Richtungen hin Auswüchse, die sich allmählich absehnüren und dann als einzelne Bläschen erscheinen. Beim weiteren Wachs- thum dehnen sich die Wände der ursprünglichen Bläschen aus und zerfallen ihrerseits in Gruppen kleinerer Bläschen und auf diese Weise entstehen die Lappen, Läppchen und die Follikel, die durch Bindegewebe von einander getrennt sind. Bei der Ab- schnürung bleibt jedes Bläschen mit dem ursprünglichen Blastem- streifen durch ein Bindegewebsbündel in Zusammenhang. Im nor- malen Zustande existiren keine Communicationen zwischen den einzelnen Follikeln, sondern dieselben sind von allen Seiten von einer strueturlösen Hülle umgeben; ihr Inhalt bildet den Drüsensaft und besteht aus einer eiweissreichen interzellulären Flüssigkeit, und aus einer ungemein grossen Zahl von Kernen, die kleiner sind als Blut- körperehen. Ausser den Kernen findet man noch im Drüsensaft Zellen, die theilweise Kerne, theilweise Fettkügelchen und mole- culäre Partikelehen in wechselnder Zahl enthalten. Jendrassik untersuchte vorzugsweise den Bau menschlicher Thymusfollikel und kam zu dem Schlusse, dass jeder Follikel ein gerundetes, von Bindegewebe umgebenes, solides Gebilde sei, das eine grosse Aehnlichkeit mit Lymphorganen zeige, insbeson- dere mit den Peyer’schen Plaques des Darmkanals. Die Thymus an und fürsich sei nur ein Aggregat solcher Gebilde. Die Höhlen in den Läppehen, sowie der Centralkanal der Drüse kommen in Folge eines Erweichungsprocesses des Drüsengewebes zu Stande. Die Erweichung kann eine künstliche oder eine natürliche sein; in beiden Fällen fängt sie im Centrum des Läppchens an, be- sonders im Verlauf der venösen Gefässe. Die oben angeführten Untersuchungen verschiedener Autoren geben uns im Wesentlichen ein Bild der jetzt herrschenden An- sichten iiber den Bau der Thymusdrüse. Indessen finden sich noch in den neuesten Untersuchungen grosse Differenzen, wie sich ohne Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 351 weiteres aus den Schilderungen ergibt, welche z. B. E.Klein und W. Krause in den betreffenden Handbüchern (von Strieker und W. Krause) entwerfen. Klein sieht die Thymus, dem Baue nach, als mit den Lymph- follikeln identisch an. Jeder Thymusfollikel ist vollständig durch Bindegewebe umgeben, aber oftmals können die in der Tiefe liegen- den Follikel unter sich verschmelzen; die Höhlen im Inneren der Follikel entstehen in Folge des zarten Baues des Retieulums im Centrum derselben, so dass bei einer fortgesetzten Härtung der Drüse dieser Theil bei der Untersuchung leicht herausfällt. Das follikuläre Gewebe besteht hauptsächlich aus Lymphelementen, die in die Maschen des Retieulums eingebettet sind; ausserdem finden sich noch ein- oder mehrkernige, grosse protoplasmatische Gebilde von körnigem Aussehen, und endlich eoncentrische Körper. Ueber die Bedeutung und Art der Entwickelung der zwei letzteren Bestand- theile des Follikels, sagt dieser Autor nichts. Im Bindegewebe, das die Follikel umgrenzt, finden sich weite Räume, die mit Lymphelementen angefüllt sind. Nach seiner Meinung stellen diese Räume die follikulären Sinus dar. Krause bezeichnet die Thymus als eine grosse Lymphdrüse. Sie besteht nach ihm aus vielen primären Läppchen, welche sich zu secundären Läppchen. und Lappen vereinigen. Jedes primäre Läppehen besteht aus mehreren Follikeln und enthält im Centrum einen Raum, der mit Bindegewebe ausgefüllt ist, in welchem die Gefässe und Nerven verlaufen. Dieses Bindegewebe unterscheidet sich schon für das unbewaffnete Auge von dem übrigen Drüsen- parenchym und zerfällt leicht bei der Einwirkung verschiedener Reagentien. In Folge dieses Zerfalls bildet sich ein System von künstlichen Höhlen und Kanälen in den Läppchen erster, zweiter und dritter Ordnung aus. Die Thymusfollikel sind den Lymph- follikeln vollständig analoge Gebilde, sie enthalten in sich keine hohlen Räume, sondern sind mit Gefässen und retieulärem Binde- gewebe ausgefüllt. Die Form der primären Läppchen und Follikel ist bei den verschiedenen Thieren sehr verschieden, was Anlass gab zu den vielen Synonymen für ihre Benennung wie z. B. Acini, Alveolen, Drüsenbläschen, Drüsenkörper, Thymusiollikel ete. Aus dieser literarischen Uebersicht kann "man ersehen, dass die Thymusdrüse in neuerer Zeit ihrem Baue, sowie ihrer Function nach auf gleiche Stufe mit den Lymphdrüsen gestellt wird; dabei 3 352 Dr. B. Afanassiew: ignorirte man vollständig die Ursache ihres Verschwindens und das Auftreten von Neubildungen in ihren Follikeln, in Form von grossen, vielkernigen Zellen, concentrischen Körpern ete. Das Verschwinden der Thymusdrüse, sowie die oben ange- führten Gebilde finden sich bei den Lymphdrüsen nicht vor, folglich kann man eine vollständige Analogie der Thymusdrüse mit ihnen nicht anerkennen, oder wenigstens muss die Thymusdrüse ausser den ihr zukommenden Funetionen der Lymphdrüsen noch irgend eine ganz besondere Bedeutung für den Organismus haben. Zur Aufklärung dieser Frage ist es besonders nothwendig, den Bau der Thymusdrüse in verschiedenen Perioden ihrer Existenz zu ver- folgen, was in den neuesten Untersuchungen fast ganz ausser Acht gelassen war. Mit den folgenden Untersuchungen waren wir bemüht, wo möglich diese Lücke in der Lehre über die Thymusdrüse auszu- füllen, und dabei hat sich die von uns oben ausgesprochene Be- hauptung, dass die Thymusdrüse in verschiedenen Perioden ihrer Existenz auch eine ganz andere Bedeutung für den Organismus habe, vollständig bestätigt. Das Aufhören der ursprüngliehen Function der Thymus als Lymphdrüse steht im Zusammenhang mit den allmählich auftreten- den Veränderungen in ihrem Parenchym. Die Schilderung unserer Untersuchungen zerfällt somit in zwei Abtheilungen: 1) der ur- sprüngliche Bau der Thymusdrüse, 2) die progressive Veränderung dieses Baues infolge der Bildung neuer Elemente in ihrem Paren- chym, sowie die Art der Entwickelung dieser Elemente. Schon in frühen Perioden des embryonalen Lebens stellt sich die Thymus- drüse als vollständig ausgebildetes Organ dar. Von dieser Zeit an behält sie ihren ursprünglichen Bau bis zur Geburt des Thieres und oftmals noch längere Zeit nach derselben. Der einzige Unter- schied in den verschiedenen Perioden des intrauterinen Lebens besteht darin, dass die Thymus unter steter Neubildung von Läpp- chen fortfährt zu wachsen; dasselbe sieht man auch noch nach der Geburt des Thieres, gleichzeitig mit dem Auftreten von Ver- änderungen im Parenehym einiger Läppchen. Das Wachsthum der Drüse durch die Vergrösserung der Zahl ihrer Läppchen spricht nicht dagegen, dass die zuerst gebildeten Theile der Drüse sich als vollkommen formirt darstellen und fähig sind zu functioniren, da hier nur eine einfache Vergrösserung des Organs in seinem Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 353 Umfange, ohne jede Veränderung der Eigenschaften seiner Be- standtheile, stattfindet. Der ursprüngliche Bau der Thymusdrüse kann nicht nur im embryonalen Zustande, sondern auch in den spätern Perioden an denjenigen Abschnitten, die noch keiner Veränderung unterworfen waren, studirt werden. Ein wichtiges Hülfsmittel beim Erforschen des ursprünglichen Baues der Drüse ist die vergleichend anatomische Untersuchung. Wenn wir den allmählichen Uebergang von den einfachsten Formen der Construction des Organes bei niederen Thieren zu den complieirten und verwickelten Verhältnissen der Theile bei höheren Thieren verfolgen, ist es leicht, sich in den letzteren zu orientiren und falsche Schlüsse zu vermeiden. In An- betracht dessen untersuchten wir die Drüse nicht nur in den ver- schiedenen Perioden ihrer Existenz, sondern verfolgten auch ihren Bau bei den verschiedenen Arten der fünf Wirbelthierklassen. Die allereinfachste Form des Baues findet sich in der Thymus- drüse der zwei niederen Klassen der Wirbelthiere, d. h. bei den Fischen und Amphibien. Auf einem Schnitte, der durch die ganze Drüse von Triton gelegt ist, sieht man, wie von dem subeutanen Bindegewebe sich Faserbündel abzweigen, welche mit Lymph- elementen ausgefüllte Räume von ovaler oder runder Form um- grenzen. Die Zahl solcher Follikel ist nicht bedeutend; sie schwankt von 5--10. Manche von ihnen sind von allen Seiten von dicken Bündeln Bindegewebes umgrenzt; andere dagegen liegen sehr nahe nebeneinander, und die Quantität des sie abtheilenden Binde- gewebes ist unbedeutend. In der Thymusdrüse der Fische be- merkt man selten ein solches Zusammenfliessen der Follikel. Bei den Reptilien und Vögeln nimmt die Thymusdrüse schon deutlich einen lappigen Bau an; die primären Läppchen sind scharf abge- grenzt von einander, aber ein Zusammenschmelzen der einzelnen Follikel bemerkt man auch bei ihnen noch sehr häufig, so dass es grosse Schwierigkeiten bieten kann, die Grenzen der einzelnen Follikel zu erkennen. Gewöhnlich sind die der Peripherie der Läppehen zugekehrten Theile der Follikel deutlich abgegrenzt, die nach dem Centrum. hin liegenden mehr oder weniger unter einander zusammengeflossen. Ausserdem dringen von der Peri- pherie der Follikel aus nach dem Innern Bindegewebsbündel ein, in welchen die Gefässe verlaufen. Dies alles ändert die ursprüng- lich regelmässige, rundliche Form der Follikel. 354 Dr. B. Afanassiew: Die primären Läppchen, wie wir oben gesagt haben, grenzen sich durch Bindegewebe von einander ab und bilden secundäre Läppchen. Diese letzteren sind bei den Vögeln vollständig von einander getrennt und verbinden sich durch Bindegewebe nur in der Richtung ihrer Längsaxe. Die Thymusdrüse der Säugethiere besteht bekanntlich aus mehreren Lappen, die entweder vollständig von einander getrennt, oder durch lockeres Zellgewebe vereinigt sind, und von einer all- gemeinen Kapsel umhüllt werden. Jeder Hauptlappen besteht aus einer grossen Zahl secundärer Läppchen, in welchen die pri- mären Läppehen unter einander eng verbunden sind. Die Quan- tität des Bindegewebes zwischen den primären Läppehen und ihren Follikeln, ebenso die Form beider ist nicht nur bei verschiedenen Thieren verschieden, sondern in der Thymus eines und desselben Thieres, je nach dem Orte ihrer Lage, schwankt sie zwischen be- deutenden Grenzen. Wir wollen die weitere Beschreibung der Form der primären Läppchen bei Seite lassen und gehen zur aus- führlichen Betrachtung ihrer Bestandtheile über. Die Thymusfollikel stellen die Endgebilde der Drüse dar, die durch verschiedene Combinationen unter einander die primären Läppehen, secundären Läppchen und Lappen bilden; wenn wir also die Struetur eines Follikels kennen, so sind wir im Stande, uns ein Bild über den Bau der ganzen Drüse zu schaffen. Die Gruppirung der Follikel in den Läppchen hat keine wesentliche Bedeutung und hängt hauptsächlich von der Vertheilung der Ge- fässe ab; so z.B. entsteht das primäre Läppchen aus einer Gruppe Follikel, in welchen sich der Endast der betreffenden Arterie ver- zweigt hat. Die Bestandtheile des Follikels sind folgende: interfolliku- läres Bindgewebe, Retieulum, in dessen Maschen Lymphelemente eingelagert sind, und endlich Nerven, Blut- und Lymphgefässe. Das interfollikuläre Gewebe besteht aus Bindegewebs- und elastischen Fasern, zwischen welchen eine grössere oder kleinere Zahl zelliger Elemente eingelagert ist. Die Quantität sowie die Form des Bindegewebes ist verschieden. Bei den Fischen und einigen Amphibien findet es sich in grösserer Masse zwischen den Follikeln als beiden Vögeln und Säugethieren ; ausserdem sind in der- selben Driüse die mehr an der Oberfläche liegenden Follikel von einer grösseren Menge Bindegewebe umgrenzt, als die tiefer liegen- Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 355 den. In manchen Fällen stellt sich das interfollikuläre Gewebe in Form eines Retieulums dar (Halstheil der Thymusdrüse bei der Ratte); dabei sind seine Fasern dicker, die von ihnen gebil- deten Maschen weiter, und die Zahl der eingebetteten Lymph- elemente geringer als in dem Gewebe des Follikels selbst. In dem interfollikulären Gewebe verlaufen die Gefässe und Nerven zu den Follikeln hin. Von dem interfollikulären Bindegewebe trennen sich Faser- bündel ab, die in den Follikel selbst eindringen und Trabekeln bilden. In den letzteren verlaufen die Gefässe und Nerven, die sich im Innern des Follikels verbreiten. Die Räume zwischen den Trabekeln sind mit reticulärem Gewebe ausgefüllt. Das Retieulum der, niederen Thiere, besonders der Schild- ‚kröte, des Triton u. a. besteht aus Fasern, welche sehr regel- mässige Maschen bilden, in denen nicht mehr als eine einzige Lymphzelle Platz findet. Bei den Vögeln und Säugethieren hat das Reticulum keinen so gleichmässigen Bau; seine Fasern be- sitzen verschiedene Dicke und daher bilden sie auch Maschen von verschiedener Weite. An der Peripherie der Follikel, ebenso an der Befestigungsstelle an den Trabekeln und den Gefässwänden sind die retieulären Fasern dieker und ihre Maschen weiter, als in den centralen Theilen, darum die leichte Zerreisslichkeit des Retieulums beim Auspinseln des centralen Theiles der Follikel. An den Vereinigungsstellen der Fasern zu den sogenannten Kno- tenpunkten des Netzwerks liegen bindegewebige platte Zellen. Eine solche Vertheilung der letzteren gibt den Anschein, als wäre das Reticulum durch die Anastomosirung der Fortsätze sternför- miger Zellen gebildet worden. In der embryonalen Thymusdrüse gelingt es, nach der Här- tung mit Osmiumsäure, einzelne Theile des Retieulums im Zusam- menhang mit den Gefässen zu isoliren, welehe wirklich aus Zellen, die durch ihre Fortsätze mit einander anastomosiren, bestehen. Die Zellen sowie ihre Fortsätze sind sehr zart und reich an Pro- toplasma. Nach der Meinung Waldeyer’s (mündliche Mittheilung) besteht das Retieulum des cytogenen Gewebes im embryonalen Zustande immer aus einem System anastomosirender Zellen, später differenziren sich allmählich die Fortsätze zu Fasern; es bleiben aber Protoplasmareste mit Kernen übrig, welche sich mehr und mehr von den fasrig gewordenen Theilen absondern, immer platter wer- 356 Dr. B. Afanassiew: den und bei erwachsenen Thieren das Aussehen platter Binde- gewebs-Zellen haben, die in den Knotenpunkten des Retieulums den Fasernetzen anliegen, wie Bizzozero es geschildert hat. Aus feinen Schnitten durch die Thymus der Ratte, die unmittelbar nach einer Härtung (16—20 Stunden) in Osmiumsäure (1/—Y;%o) gemacht und nachher ausgepinselt waren, ist es uns gelungen, ein Reticulum zu erhalten, das merkwürdig ist durch die eigenartige Gestalt seiner Zellen. Diese grossen Zellen bestehen aus mehreren Plättchen, welehe mit ihren Rändern in einer Axe vereinigt sind; von jedem Plättehen läuft, sich verjüngend, ein Fortsatz aus um mit den Fortsätzen der benachbarten Zellen zu anastomosiren, und so die Maschen des Retieulums zu bilden. In den Maschen sowie in den Zwischenräumen der einzelnen Plättehen der Zellen, sind Lymphelemente eingelagert. Diese Art von Zellen, die von Wal- deyer unter dem Namen „Flügelzellen“ beschrieben worden ist, s. dieses Archiv Bd. XI, findet sich in den Sehnen, dem subeu- tanen Bindegewebe u. s. w., aber ihre Anwesenheit im eytogenen Gewebe ist, wie uns scheint, bis jetzt noch nicht eonstatirt worden. Die Plättehen der Thymustflügelzellen sind so zart, dass sie bei der Behandlung mit anderen Reagentien (Alcohol, Müller’sche Lösung) und bei unbehutsamer Auspinselung leicht zerstört wer- den; dabei erscheint denn das Retieulum als aus sternförmigen Zellen bestehend. Die Blutgefässe der Thymusdrüse entspringen aus der Art. mammaria interna und bei denjenigen Thieren, die einen Halstheil der Drüse besitzen, auch von der Art. thyreoidea inferior, deren Aeste zwischen die Lappen und Läppehen der Thymus eindringen. Kleine Aestchen der Arterie gelangen bis zu den primären Läpp- chen und vertheilen sich in den Follikeln bei verschiedenen Thie- ren verschieden. Im grössten Theil der Fälle drängen Gefässe von kleinem Kaliber sich zwischen die einzelnen Follikel hinein und zerfallen in Kapillaren, die einerseits die Peripherie der Follikel mit einem dichten Gefässnetz umschlingen, andererseits in der , Riehtung der im Innern der Follikel liegenden Bindegewebsbündel verlaufen, um dort wieder ein weniger dichtes Netz zu bilden. Bei einigen Thieren (wie z. B. Hund, Katze) ist die Vertheilung der Gefässe in den primären Läppehen und Follikeln folgende: Der Arterienstrang, der in der Mitte des Läppehens läuft, gibt seitliche Aestchen ab, die direct in das Centrum eines jeden Follikels ein- Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d: Winterschlafdrüse d. Säugeth. 357 dringen und dann erst vom Centrum zur Peripherie in Kapillar- netze zerfallen. Die Gefässe, besonders die Venen, haben sehr dünne Wände, so dass bei den Injeetionen Extravasate leicht zu Stande kommen. Bei der Verästelung der Gefässe bemerkt man sehr oft die Beson- derheit, dass dickere Röhren mit einem Male pinselförmig in Ka- pillaren zerfallen. Die Lymphgefässe der Thymusdrüse waren bis jetzt sehr wenig untersucht worden. Grössere Lymphgefässe, die im inter- lobulären und interfollikulären Bindegewebe verlaufen, sind von vielen Autoren verfolgt worden. Ueber die Vertheilung der Lymph- gefässe in den Follikeln selbst spricht ausführlich nur His. Nach seiner (schematischen) Darstellung entspringen die Lymphgefässe von der centralen Höhle des Follikels, verlaufen :radiär zur Peri- pherie, um in die Lymphgefässe des interfollikulären Bindegewebes sich zu ergiessen. Stiehinjeetionen mit Berliner Blau oder flüssigem Silberleim haben mir gezeigt, dass im interlobulären und interfollikulären Bindegewebe mehr oder weniger grosse Lymphgefässe verlaufen. Diese Gefässe laufen nach der Peripherie des Follikels hin, und zuletzt geht ihr Endothel auf die Aussenfläche desselben über. Die Injeetionsmasse verbreitet sich sehr leicht und gleichmässig über die Peripherie des Follikels, von hier gelangt sie in das In- nere desselben, hauptsächlich in der Richtung der Blutgefässe, und zuletzt vertheilt sie sich ziemlich regelmässig netziörmig im Ge- webe zwischen den einzelnen Elementen. Aus dieser Vertheilung der Injectionsmlasse kann man schliessen, dass im Innern der Follikel die Lymphbahnen keine Wände besitzen, sondern, mit den Zwischen- räumen der einzelnen Elemente zusammenfallen. Von hier sammeln sie sich zu grösseren Räumen, die in der Richtung der Gefässe verlaufen und wahrscheinlich deren Lymphscheiden bilden ; an der Peripherie der Follikel ergiessen sich diese Lymphräume in Sinus, von welchen die zwischen dem interfollikulären und in dem inter- lobulären Bindegewebe verlaufenden Lymphgefässe entspringen. Die abführenden grösseren Lymphgefässe begeben sich zu den nahe- liegenden Lymphdrüsen des Mediastinum anterius und des Halses. Die Nervenstränge und Fasern begleiten in ihrem Verlauf gewöhnlich die Gefässe. Die Art ihrer Endigung in den Follikeln selbst ist von uns nieht verfolgt worden. 358 Dr. B. Afanassiew: In den Maschen des Retieulums der Thymusdrüse. sind runde Elemente eingebettet, die den Hauptbestandtheil der Follikel bilden. Die Grösse dieser Elemente ist bei den verschiedenen Thieren ver- schieden; die grössten Zellen finden sich in der Thymusdrüse der Tritonen. Wir haben einige vergleichende Messungen der Grösse der Thymuselemente mit den Elementen der Lymphdrüsen bei ver- schiedenen Säugethieren angestellt, und da zeigte sich, dass die Grösse der Elemente dieser Drüsen, von einem und demselben Thiere genommen, unter denselben Verhältnissen und im frischen Zustande (in Humor aqueus, Jodserum, !/ıo°/o Osmiumsäure ete.) untersucht, zum grössten Theil die gleiche ist; aber in den Lymph- drüsen besitzen nicht alle Zellen dieselbe Grösse, es findet sich ausserdem zwischen ihnen eine grössere Zahl von Elementen, deren Kerne der Grösse nach den übrigen Lymphzellenkernen gleich sind, aber mit einer nur dünnen Protoplasmaschicht umgeben sind; solche Elemente sind in der Thymusdrüse verhält- nissmässig sehr wenig vorhanden, ausserdem haben selbst die Lymphzellen der Thymusdrüse ein mehr homogenes mattglänzen- des Aussehen, während sie in den Lymphdrüsen feinkörmig er- scheinen. Die embryonalen Elemente der Thymusdrüse dagegen besitzen genau dieselben Eigenschaiten wie die Lymphdrüsenzellen der Erwachsenen; dieselbe feinkörnige Beschaffenheit der Zellen und dieselbe Verschiedenheit in der Grösse der Elemente. Solehe Erscheinungen drängen zur Annahme, dass die Thymus während des intrauterinen Lebens als Lymphdrüse functionirt. Nach der Geburt, wenn die Lymphapparate sich vollständig aus- gebildet haben, und der Organismus möglicher Weise indifferente Elemente nicht mehr soviel braucht, wie in der ersten Zeit der Entwickelung, hört die Thymus allmählich auf als Lymphdrüse thätig: zu sein, und es fangen in ihr eine Reihe von Veränderungen an, zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen. III. Die Veränderungen der Thymusdrüse im Verlauf des extrauterinen Lebens. Die Veränderungen, die in dem Gewebe der Thymusdrüse vor sich gehen, treten beim Menschen und einigen Säugethieren Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 359 am Ende des intrauterinen Lebens, bei anderen Thieren einige Zeit nach der Geburt auf. Diese Veränderungen kennzeichnen sich erstens durch das Auftreten der sogenannten concentrischen Körper, zweitens durch das Untergehen der Drüsenfollikel in Folge stattfindender Entwickelung von Binde- und Fettgewebe an ihrer Stelle. Die Ursachen, sowie die Art der Entwickelung der letzt- genannten Veränderungen, besonders die Bildung der eoncentrischen Körper, waren bis jetzt noch nicht aufgeklärt worden und finden sich darüber bei den Autoren die verschiedensten Ansichten. Als Hauptergebniss unserer Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass die Gefässe und die in ihnen sich entwickelnden eoncentrischen Körper als Ausgangspunkte für alle weiteren extrauterinen Ver- änderungen der Thymus anzusehen sind. Wir haben bereits in Kurzem (s. d. Arch. XIV, p. 1) den Zusammenhang der concen- trischen Körper mit den Endothelien der Blutgefässe mitgetheilt, müssen aber hier noch etwas genauer auf diese merkwürdigen Bildungen eingehen. Der Erste, der diese Gebilde mit dem Namen „concentrische Körper“ belegt hat, war Ecker, der, man kann fast sagen, auch der Erste war, der den Bau dieser Gebilde näher untersucht und richtig erkannt hat. Bis zu jener Zeit waren sie unter dem Namen der sogenannten „Hassall’schen Körper“ bekannt, da Hassall sie zuerst erwähnt. Dieser Forscher fand concentrische Körper im Blute, in fibrinösen Gerinnungen des Herzens. Er unterschied an denselben einen Inhalt und eine Kapsel, die aus vielen concen- trisch gehäuften Bläschen bestehen sollte. Dieselben Gebilde sah dieser Forscher in der Thymusdrüse und betrachtete sie als Mutter- zellen, die neugebildete Tochterzellen und Kerne enthielten. Aehn- liches über die Art der Entwickelung der einfachen und zusammen- gesetzten concentrischen Körper behauptete später Günsburg. Zu dieser Kategorie von Ansichten kann noch die originelle Be- hauptung von Berlin über die Bedeutung der concentrischen Körper hinzugefügt werden. Diese Körper als normalen Bestand- theil der Thymusdrüse betrachtend, stellte er die Behauptung auf, dass in derselben eine endogene Bildung von Kernen stattfinde, welche die Körper verlassen, um sich in drüsige Zellen umzu- wandeln, über deren Funetion niehts bestimmtes bekannt sei. Eine ausführliche Untersuchung über den Inhalt der concentri- schen Körper hat Bruch ausgeführt und kommt zu dem Schlusse, dass 360 Dr. B. Afanassiew: die Thymuskörper drüsige Bläschen seien, deren Zellen einer re- sressiven Metamorphose unterworfen wären. Diese Ansicht ist später von Friedleben in seiner ausführlichen Monographie über die Thymus noch mit grösserer Bestimmtheit ausgesprochen worden. Das eoncentrische Aussehen der Körper rührt seiner Meinung nach daher, dass die Kapsel der drüsigen Bläschen nach ihrer fettigen Metamorphose sich in Falten zusammenlegt. Was die Bedeutung dieser Körper betrifft, so sieht Friedleben in ihnen nur den Aus- druck morphologischer Veränderungen in einigen Abschnitten der Drüse zur Zeit ihrer verstärkten Function, keineswegs aber einen Zusammenhang dieser Körper mit der Involution der Drüse. Noch früher als Friedleben und viel sorgfältiger als derselbe hat Ecker den Bau der concentrischen Körper beschrieben. Er unterschied deutlich, dass, bei Druck und bei Einwirkung von Ammoniak, die Kapsel der concentrischen Körper aus platten homogenen Zellen besteht, die ihr ein gestreiites Aussehen verleihen. Die Bildung dieser Körper geschieht nach Ecker von den drüsigen Zellen aus dadurch, dass diese sich zusammenballen. Diese Zellenhaufen ver- fallen zuletzt der fettigen Metamorphose. Zur Zeit der Involution der Drüse vermehrt sich die Zahl der Körper sehr bedeutend, so dass Ecker die regressive Metamorphose der Drüse in Zusammen- hang mit der Bildung der eoncentrischen Körper bringt. | Die Ecker’sche Untersuchung über den Bau der concen- trischen Körper wird von His vollständig bestätigt, dagegen er- kennt er, ähnlich wie Friedleben, nicht die Abhängigkeit der Bildung dieser Körper von der regressiven Metamorphose der Drüse an. Die Art der Bildung der concentrischen Körper nach His ist die, dass sich die sich vermehrenden Zellen der Thymusdrüse an einer beliebigen Stelle des Reticulums ungemein anhäufen, da für die Entfernung der neugebildeten Elemente irgend ein Hinder- niss sich findet. Jetzt ballen sich diese Zellen zusammen, nehmen eine platte Form an, und auf diese Weise entsteht ein concen- trischer Körper, ähnlich den geschichteten Körpern des Cancroids, mit welchen Virchow!) sie schon früher verglichen hat. Beim Auspinseln feiner Schnitte der Drüse bemerkte His, dass die concentrischen Körper sich schwer entfernen lassen, und dass sie gewöhnlich in Zusammenhang mit den Gefässen sich befinden. 1) Virchow, Archiv Bd. III S. 222. Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u.d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 361 Kölliker stimmt den Ansichten von Ecker und Bruch, dass die Thymuskörper aus einer direeten Metamorphose der Zellen und Kerne hervorgehen, nicht bei, sondern behauptet, dass sich um Zellen und Kerne eine amorphe Substanz ablagere, welche Ursache des eoncentrischen Aussehens dieser Körper sei. Diese Art der Bildung der concentrischen Körper bestätigt auch Jen- drassik, nach dessen Ansicht die amorphe Zwischensubstanz sich zusammenziehend schichtweise um die Kerne und Zellen, welche vorher schon mehr oder weniger der regressiven Metamorphose unterworfen waren, sich ablagert. Ausserdem sah dieser Autor in vielen eoncentrischen Körpern mehr oder weniger veränderte Blutkörperchen, seiner Meinung nach wahrscheinlich aus Extrava- saten stammend. Letztere fänden sich, Dank dem Reichthume an Gefässen, sehr oft im Parenchym der Drüse. Die Bildung der eoncentrischen Körper stellt Jendrassik in Abhängigkeit von der regressiven Metamorphose der Drüse. Im Anfange der Involution des Organs findet sie sich nur in einzelnen Läppcehen, in den spätern Perioden des Lebens aber trifft man sie überall im Paren- chym der Drüse an. Als Jendrassik die Grösse der eoncen- trischen Körper (0,01-—- 0,05) mit der Grösse der Zwischenräume des innern Kapillarnetzes der Drüsenläppchen (0,006—0,018) ver- glich, kam er zu dem Schlusse, dass bei der Entwickelung der eonceentrischen Körper die Kapillaren zusammengedrückt werden müssen und obliterirten. Dadurch erklärt er die Abwesenheit der Gefässe an denjenigen Stellen, wo eine Anhäufung von concen- trischen Körpern stattfindet. Ueber die Form, sowie den Bau der eoncentrischen Körper der Thymusdrüse des Menschen hat in der letzteren Zeit Paulizky ausführliche Beobachtungen angestellt. Seine Untersuchungen zei- gen, dass diese Körper aus neugebildeten Zellen, die den Charakter von Epithelzellen haben, hervorgehen. Da dieser Autor keinen Unterschied zwischen dem wahren und falschen Epithel macht, so vergleicht er an einer Stelle seiner Abhandlung die neugebildeten Zellen, aus denen nachher die concentrischen Körper sich bilden, mit dem Epithel des Pleural- und Peritonealsackes, an einer anderen Stelle mit den Zellen der Zungenschleimhaut. Als Anfangsstadium der Entwickelung der concentrischen Körper beschreibt Paulizky die oben erwähnten Zellenhaufen, die ohne jede Zwischensubstanz sind und Kerne verschiedener Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 24 362 Dr. B. Afanassiew: Grösse mit zwei Kernkörperchen enthalten. Die ungemein schnelle Vermehrung der neugebildeten Zellen bringt eine immer grössere Anhäufung derselben zu Stande, so dass zuletzt sich Körper von geschichtet-angehäuften Zellen bilden, die nach der Peripherie zu in Folge des Druckes eine mehr platte Form annehmen. Zuletzt tritt bei den Zellen derselben fettige Metamorphose auf, wie bei dem Epithel des Rete Malpighi der Haut, und dieselben verlieren ihre Kerne. Diesen platten, kernlosen, dieht geschichteten Zellen verdanken eigentlich die eoncentrischen Körper ihr charakteristisch gestreiftes Aussehen. Uebereinstimmend mit dieser Art der Bildung der ceoncen- trischen Körper betrachtet sie dieser Autor als pathologische Neu- bildungen, die dem normalen Bau der Drüse nicht eigen sind, und zählt sie zu den heterologen,- aber gutartigen epithelialen Ge- bilden, die dem Cholesteatom, „tumeur perlee“ Cruveilhier’s, und der „Perlgeschwulst“ Virehows an die Seite zu stellen seien. Aus der angeführten literarischen Uebersicht ist es ersichtlich, dass die Ansichten der Forscher über Bau, Bedeutung und Art der Entwickelung der concentrischen Körper sehr verschieden sind. Als einigermassen aufgeklärt zu betrachten ist der Bau der con- centrischen Körper, da, wie Ecker, Virchow, His undPau- lizky gezeigt haben, dieselben aus verschiedenartig metamöorpho- ‚sirten Zellen bestehen, die gegen die Peripherie hin in Form eon- eentrisch angehäufter Blättchen vertheilt sind, und in Folge dieser Anordnung den Körpern ein eigenthümliches charakteristisches Aussehen geben. Woher aber diese Körper stammen, warum sie in ihrer Gestaltung verschiedene Grösse annehmen, und endlich, welche Bedeutung diese Körper haben, — in allen diesen Fragen gehen die Autoren auseinander, und dabei giebt keiner von ihnen eine genügende Antwort. Unsere Untersuchungen, vgl. auch Bd. XIV Heit 1 dieses Archivs, haben dargethan, dass die concentrischen Körper in der Thymus des Menschen, sowie in der der Thiere, zu verschiedenen Perioden des Lebens und in verschieden grosser Zahl sich vorfinden. Eine feste Regel lässt sich dabei nicht aufstellen. In einigen Fällen trifft man die concentrischen Körper bei Neugeborenen oder auch sogar bei 6—8 monatlichen Aborten in ungemein grosser Zahl an, in anderen Fällen dagegen bei einjährigen oder auch älteren Kin- dern, ist ihre Zahl sehr klein. Die Vertheilung dieser Körper im Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u.d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 363 Parenchym der Drüse ist auch nicht gleichmässig. Oftmals kann man sie in allen Läppchen der Drüse auffinden, in anderen Fällen dagegen sind sie auf einzelne Follikel beschränkt. Die Form der coneentrischen Körper ist eine sehr verschiedene, im allgemeinen sind sie rund, oder länglich-oval, und man kann dabei die von Eeker und Kölliker vorgeschlagene Eintheilung der Thymus- körper in einfache und zusammengesetzte annehmen. Das Aussehen und die Grösse dieser Körper sind so mannigfaltig, dass man sich nicht wundern darf, über die Gegensätze, die man in dieser Hin- sicht bei den Schilderungen verschiedener Autoren antrifft. Im allgemeinen lässt sich so viel sagen, dass diese Körper von einer minimalen Grösse anfangend 0,006“, oftmals eine solche Grösse erreichen können, dass sie im isolirten Zustande sogar mit unbe- waffnetem Auge deutlich erkennbar sind. Das Aussehen der con- centrischen Körper hängt hauptsächlich von der Periode ihrer Existenz ab, in der man sie untersucht, d. h. ob im Stadium des Wachsthums, der Reife oder der regressiven Metamorphose. Dieser Umstand ist es unserer Meinung nach, der den Anlass gab zu so vielen ' Versehiedenheiten, denen man bei der Beschreibung der Structur und des Aussehens der concentrischen Körper bei den Autoren begegnet. Im Stadium der regressiven Veränderungen haben die Körper das Aussehen, wie Friedleben, Kölliker, Jendrassik und Andere sie schilderten, während man an den nicht veränder- ten Körpern alle die Besonderheiten und Eigenschaften, auf welche Ecker, His und Paulizky aufmerksam machten, wiederfindet. Wir werden noch zur Frage über das Aussehen der eoncentrischen Körper zurückkehren müssen, jetzt wollen wir nur bemerken, dass die Structur und die Entwiekelung derselben nur im ersten Stadium ihrer Existenz mit Erfolg beobachtet und daher nicht an jeder Thymusdrüse, die eoneentrische Körper enthält, die Entwickelungs- geschichte derselben verfolgt werden kann. Diesen Umstand im Auge behaltend, unternahmen wir erstens eine vergleichend-ana- tomische Untersuchung, und zweitens, da uns ein grosses Material zu Gebote stand, wählten wir nur solche Fälle, welche die uns interes- sirende Frage über die Art der Entwiekelung der concentrischen Körper entscheiden konnten. Bei der Untersuchung von Drüsen, in welchen die Zahl der eoncentrischen Körper nicht bedeutend ist, sieht man, dass die eigentlich drüsigen Elemente durchaus keine Veränderungen zeigen, 364 Dr. B. Afanassiew: e dagegen existiren in den Gefässen Veränderungen, auf welche wir unsere Aufmerksamkeit besonders richten müssen. Diesen Ver- änderungen unterliegen hauptsächlich die Kapillaren und venösen Blutgefässe. Dabei sieht man zuerst, dass in vielen von ihnen die Endothelzellen stark aufquellen, zwei Kerne enthalten und deutlich in das Lumen des Gefässes hineinragen. Besonders gut kann man diese Erscheinung beobachten auf Querschnitten der venösen Ge- fässe. Daneben trifft man Gefässe, in welchen. die Proliferation des Endothels noch weiter vorgeschritten ist, indem dies letztere sich nicht wie gewöhnlich in einfach, sondern in mehrfach geschich- teten Lagen darstellt. Das Lumen des Gefässes verkleinert sich und an einigen Stellen, besonders in den Kapillaren, kommt ein vollständiger Verschluss durch die endothelialen Piröpfe zu Stande. In diesem Stadium infiltrirt sich das neben den Gefässen und der Adventitia der Venen liegende Gewebe mit rothen und weissen Blutkörperchen und als Folge dieser Infiltration kommt in einer spätern Periode eine Vermehrung des Bindegewebes in der Richtung der Gefässe, und eine Verdiekung der Adventitia der venösen Stränge zu Stande. In gleicher Zeit erreicht die Wucherung des Endothels in den verschiedenen Abschnitten der betroffenen Gefässe kolossale Dimensionen, so dass ein vollständiger Verschluss ihres Lumens resultirt. Auf gelungenen Längsschnitten der Gefässe kann man sehen, dass sie Einschnürungen haben, und dieses rosenkranz- ähnliche Aussehen der Gefässe hängt erstens von der ungleich- mässigen Wucherung des Endothels, in seiner ganzen Länge, in das Lumen des Gefässes hinein, zweitens von dem grösseren oder kleineren Druck des wuchernden Bindegewebes ab. Aussehen sowie Form und Inhalt der abgegrenzten Abschnitte des Gefässes sind nicht gleich. Während einige gänzlich aus den angehäuften endothelialen Elementen bestehen, bildet das neugebildete Endothel in anderen Abschnitten nur Ringe, deren Liehtung mit geronnenem Blute erfüllt ist. Andere wieder eommunieiren mit den benach- barten Gefässen, die entweder wenig oder gar nicht verändert sind, so dass der Inhalt solcher Abschnitte aus unveränderten Blutkörper- chen besteht. In einigen Fällen kann man diese Gebilde neben einander liegen sehen und nur wenig durch Einschnürungen von einander getrennt, so dass man das Bild der sogenannten zu- sammengesetzten concentrischen Körper bekommt, in anderen Fällen dagegen stehen sie in bedeutenden Entfernungen von einander ab Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 365 und sind dureh einen lockeren Streifen Bindegewebe verbunden, in dessen Mitte noch endotheliale Zellen bemerkbar sind. Diese letzteren stellen Ueberreste der Intima des untergegangenen Ge- fässes vor, welches nicht einer so grossen Wucherung des Enthothels anheimfiel, wie dies in anderen Abschnitten des Gefässes der Fall war. In einem noch späteren Stadium sehen wir schon noch voll- ständig formirte concentrische Körper. Einige derselben bestehen gänzlich aus platten zelligen Elementen, die wie Blätter einer Zwiebel übereinander geschichtet sind, andere enthalten Blutge- rinnsel und geschichtete endotheliale Elemente in verschiedenen Stadien der regressiven Metamorphose. Auf diese Weise kommen Körper zu Stande, deren peripherischer Theil aus endothelialen Elementen besteht, die eine concentrisch gestreifte Kapsel bilden, in deren Centrum zerfallenes Fibrin und Blutkörperchen sich finden. Je nachdem der Inhalt eine fettige oder colloide Metamor- phose durchgemacht hat, stellt derselbe bei einigen Körpern eine homogene matt glänzende fast opaleseirende Masse dar, bei anderen Fetttropfen von verschiedener Grösse und starker Lichtbrechung. Ausserdem finden sich im Inhalte Pigmenthaufen und veränderte rothe Blutkörperchen. Aus feinen Schnitten fällt der Inhalt der concentrischen Körper leicht heraus. Man erblickt dann in den Präparaten hohle Räume von verschiedener Grösse, deren Wände ein eoncentrisch gestreiftes, faseriges Aussehen haben. Die gestreiften Ringe heben sich von dem umgebenden Gewebe ab und breiten sich der Länge nach im freien Raum so aus, dass dann die Möglichkeit gegeben ist, sie en face zu sehen. In solchem Falle zeigt es sich, dass diese Plätt- chen aus grossen platten Zellen bestehen, die einen deutlich ab- srenzbaren Kern tragen. Im zusammengeballten Zustande, oder von der Seite aus betrachtet, kann man die Contouren der einzelnen Zellen nicht mehr sehen, und sie erscheinen als Fasern, zwischen welchen zerstreute Kerne liegen. Durch Zerzupfen der Präparate bekommt man ähnliche Bilder. Ausserdem findet man hier und da lange Cylinder aus ähnlichen Zellen bestehend, die nichts anderes sind, als isolirte Kapillaren oder die Intima einer Vene von nicht grossem Kaliber, mit verändertem Endothel. Bei längerer Existenz der eoneentrischen Körper verfallen die endothelialen Elemente einer regressiven Metamorphose. Zuerst 366 Dr. B. Afanassiew: werden die Plättehen homogen, die Kerne bekommen ein granu- lirtes Aussehen, dann verschwinden letztere gänzlich, sehr oft an ihrer Stelle Lücken in den Plättehen hinterlassend, so dass man physalidenförmige Gebilde bekommt. Zuletzt schmelzen diese kern- losen Plättehen des Endothels zusammen und stellen eine homogene Masse ohne jede Spur von Contouren der einzelnen Zellen dar. Bei der Zerzupfung solcher concentrischer Körper erhält man Bruchstücke von halbmondförmiger Gestalt, die aus einer struetur- losen Masse bestehen. Dies gab wahrscheinlich Kölliker und Jendrassik Anlass, die Bildung dieser Körper als Folge allmäh- licher Ablagerung einer amorphen Substanz um Extravasate "und die drüsigen Zellen zu betrachten. Nachdem die concentrischen Körper einer solchen regressiven Metamorphose unterworfen waren, schrumpfen sie allmählich ein und werden von dem wuchernden Bindegewebe verdrängt. Dieses Verschwinden der eoncentrischen Körper erklärt vollständig den Umstand, dass in den letzten Stadien der Involution der Thymus- drüse die Anzahl derselben geringer ist, und dass hauptsächlich Bindegewebe und Fettzellen praevaliren. Da, wie wir gesehen haben, manche der concentrischen Kör- per, besonders im Stadium ihrer ersten Entwieklung, sich im Zu- sammenhang mit Gefässen, in welchen noch das Blut eireulirt, be- finden, führten wir einige Injeetionen der Thymusgefässe mit einer blauen 'Leimmasse aus, in der Erwartung, dass diese Masse auch in die concentrischen Körper eindringen müsste. Die Zahl der Injeetionen, die wir zu diesem Zwecke ausführten, war im Ganzen fünf? — zwei an Kinderleichen, drei an Thieren {zwei Lämmer, ein Kaninchen). In allen Fällen bekamen wir positive Resultate, da die Injeetionsmasse im Centrum mehrerer eoncentrischer Körper sich ablagerte, und uns damit noch anschaulicher von der Richtig- keit der oben beschriebenen Entwicklungsweise dieser Körper über- zeugte. Schon frühere Beobachter sahen viele Erscheinungen, die für die Entwiekelung der eoncentrischen Körper aus den Gefässen sprachen, die jedoch entweder gar nieht weiter beachtet oder falsch gedeutet wurden. Zum Beispiel beschreibt Jendrassik die Ver- minderung der Blutgefässe in denjenigen Follikeln, in welchen eine Entwickelung der eoncentrischen Körper stattfindet, nimmt aber an, dass die Verödung der Gelässe nur eine seceundäre Er- scheinung sei, die in Folge des Druckes der wuchernden concen- Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 367 trischen Körper auf ihre Wände zu Stande komme. Femer erklärt er die Anwesenheit der Blutkörperchen in den Thymuskörpern dadureh, dass sie im Anfange der Entwickelung der Körper aus Extravasaten dorthin gelangen. Den Zusammenhang der concen- trischen Körper mit den Blutgefässen betrachtet His als eine Regel, da sie sich durch Auspinseln aus den Präparaten nicht entfernen lassen, gibt dieser Erscheinung aber keine Erklärung. Durch die von uns beschriebene Art der Entwickelung der concentrischen Körper werden alle diese Erscheinungen, sowie das verschieden- artige Aussehen, Form, Grösse derselben und ihr Verhältniss zur Involution der Drüse, sehr einfach erklärt. Ausserdem bietet uns dieser Process der physiologischen Verödung der Thymusgefässe, - seiner Verständlichkeit und der Art seines Auftretens wegen, an und für sieh ein hohes Interesse, und kann zur Aufklärung vieler räthselhafter Vorgänge und pathologischer Processe im Organismus dienen. Da sieh die coneentrischen Körper aus den Grefässen ent- wiekeln, so müssen sie sich auch in Zusammenhang untereinander befinden, was man auch sehr oit bei der genaueren Untersuchung beobachten kann. Ihre Grösse schwankt zwischen bedeutenden Grenzen, von der Dimension der Capillaren, bis zu nicht genau bestimmter Grösse der venösen Stränge. Die runde und ovale Form entspricht der Stelle ihrer Ent- wickelung in den Gefässen. Ihre Structur steht einerseits im Zu- sammenhang mit dem proliterirenden Endothel der Gefässwände, anderseits mit dem Inhalt der letzteren, so dass der zellige Bau der peripherischen Schichten der eoncentrischen Körper, ihr ge- streiites Aussehen, die Anwesenheit von Pigment, Blutkörperchen, Colloiden und Fettmassen Hand in Hand gehen mit diesen beiden Momenten. / Die minimalen, von den Capillaren stammenden concentrischen Körper erinnern beim ersten Ansehen, der Grösse und Form nach, an (die Zellen’ der sympathischen Nerven-Ganglien. Die mit endo- thelialen Elementen ausgekleidete Kapsel enthält eine homogene, leicht körnige Masse, in welcher man einen oder mehrere Kerne erkennen kann. Von solchen Gebilden kann man oft ein faseriges Bündel verfolgen, welches in das interfollieuläre Bindegewebe ver- läuit. Dieses äussere Aussehen veranlasste wahrscheinlich Fleischl die Capillaren concentrischen Körper in der Thymusdrüse des 368 Dr. B. Afanassiew: Frosches, welche über das ganze Organ zerstreut, an einigen Stellen in Haufen liegen, als nervöse Ganglienzellen zu betrachten und zu beschreiben. Beschreibung und Abbildung dieser Zellen lassen keinen Zweifel aufkommen, dass dieser Autor mit eoncen- trischen Körpern, die auf eine besondere Art durch Blutkörperchen, wie wir unten sehen werden, verändert waren, zu thun hatte. Die Bedeutung der concentrischen Körper für die Involution der Drüse ist somit gleich Null, da wie wir gesehen haben, diese Gebilde nur in Folge einer Verödung der Gefässe auftreten, welche allein das hauptsächlichste Moment bei der Atrophie des ganzen oder einzelner Theile des Organs ist. Zu gleicher Zeit ist es aber auch klar, dass, obwohl diese Körper nicht als Ursache der Involution betrachtet werden können, nichts desto weniger ihre Anwesenheit als Ausdruck der regressiven Metamorphose der Thymusdrüse an- zusehen ist. Sowie die Beobachtungen des grössten Theiles der Forscher, so zeigen auch meine Untersuchungen, dass die concentrischen Körper bei Embryonen in den letzten Monaten der Schwangerschaft und in frühester Kindheit vorkommen, zu einer Zeit also, wo von einer Involution der Thymusdrüse nicht die Rede sein kann; dies widerspricht dem Obengesagten keineswegs; die Entwicklung der concentrischen Körper beschränkt sich in diesen Fällen nur auf einzelne Follikel, welche veröden, während die Drüse fortfährt zu wachsen und in ihrem Umfange zuzunehmen. Später, wann das Wachsthum der Drüse aufhört, greift die Verödung der Gefässe, und im Zusammenhang damit die Entwickelung der eoncentrischen Körper immer mehr um sich, so dass schliesslich dieser Process sich über alle Läppehen der Drüse verbreitet. Zu gleicher Zeit geht die Entwickelung von Bindegewebe vor sich. Der Untergang der Gefässe und der interstitielle Process sind die Hauptmomente, die die Involution der Drüse verursachen; die concentrischen Körper aber repräsentiren, wie wir oben gesagt haben, nur den Ausdruck der Ursache, durch deren Vermittelung die Verödung der Gefässe zu Stande kommt. Die räthselhafte Anwesenheit der concentrischen Körper im Blute, wo sie Hassall zuerst sah, ist jetzt vollständig erklärlich, da frei gewordene Thymuskörper, vom Blutstrom fortgerissen, als Quelle des letzteren dienen können. Der Form und Art der Entwickelung nach können die con- Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 369 eentrischen Körper als Vorbild für Neubildungen, die man in neuerer Zeit mit dem Namen Endotheliome belegt hat, dienen; die econcen- trischen Körper sind nichts anderes als solche kleine Endotheliome, welche sich bei dem physiologischen Untergang der Gefässe ent- wickeln. Die morphologische Aehnlichkeit der zelligen Elemente dieser Gebilde mit dem wahren Epithel ist so gross, dass mehrere Autoren sie als Ueberreste eines embryonalen Epithels in der Thymusdrüse, von welchen sich nachher die eoneentrischen Körper bilden, angesehen haben; aber dies zeigt uns nur, wie vorsichtig man sein muss, um nach dem äusseren Aussehen die wahren epi- thelialen Gebilde nieht mit den ähnlich aussehenden Pseudo-Epi- theliomen zu verwechseln. Ebenso wie die Blutgefässe müssen auch die Lymphgefässe als Quelle der Entwickelung von Endotheliomen angesehen werden. Die Eigenschaften und Verbreitung der letzteren erlaubt, dass die von ihrem Endothel stammenden Neubildungen eine bedeutende Grösse erreichen. Diese Tumoren, da sie von den Gefässen ausgehen, gehören natürlich zu dem bindegewebigen Typus, und haben somit ganz andere Eigenschaften, eine andere Abstammung und Bedeu- tung für den Organismus, als die wahren epithelialen Gebilde, mit welchen sie nur eine äussere Äehnlichkeit haben. Doch kann es sich ereignen, dass in Tumoren, die an Blut- und Lymphgefässen reich sind, eine Wucherung ihres Endothels, nach der oben be- o schriebenen Art, zu Stande kommt. Ein solcher Process, besonders in eareinomatösen Tumoren, kann der riehtigen Erkenntniss der dabei beobachteten Erscheinungen grosse Schwierigkeiten darbieten, da man Bilder bekommt, auf welchen die verschiedenen Stadien der Entwiekelung von Neubildungen aus dem Gefässendothel leicht zu verfolgen sind, Gebilde, die den daneben liegenden wahren epi- thelialen Neubildungen morphologisch sehr ähnlich sind. Dieses Zusammenfallen zweier von einander verschiedener Processe kann leicht den Anlass geben, sie als einen zu betrachten und zu dem Schlusse führen, dass das Endothel der Gefässe sich in eareinoma- töse Elemente umwandelt, oder noch mehr, dass der Krebs direet aus demselben sich entwickelt. Eine solche, wie ieh meine, irr- thümliche Anschauung liegt der Lehre von der primären Entwicke- lung der Krebse vom Endothel der Lymphgefässe zu Grunde. Der Urheber dieser Lehre — Koester und seine Anhänger — haben entweder mit Krebsen zu thun gehabt, in welchen neben einer 370 Dr. B. Afanassiew: ächt epithelialen Production eine Proliferation des Endothels und eine Bildung von Pseudo-Epitheliomen vor sich ging, oder reine En- dotheliome untersucht. Die Thatsache — die Wucherung des Ge- fässendothels, die sie beobachteten, ist vollständig richtig, aber die Erklärung und Deutung, die sie dieser Thatsache geben, dass das proliterirende Endothel nachher die wesentlichen Bestandtheile des Krebses bilde, ist eine sehr gewagte. Jedenfalls müssen für die Zukunit bei der Untersuchung von pathologischen Neubildungen die hier mitgetheilten an der Thymus jederzeit zu constatirenden Thatsachen in Rechnung gezogen werden. Der Untergang der Thymusgefässe und die Veränderungen der Intima derselben bringen ausser der Bildung der eoncentri- schen Körper Störungen in der Bluteireulation zu Stande, die sich durch das Auswandern einer grossen Zahl weisser und rother Blutkörperehen manifestiren. Das Auftreten dieser Elemente in dem Gewebe der Thymusdrüse führt wiederum eine andere Reihe von Veränderungen nach sich, die hauptsächlich eine Wucherung des Bindegewebes und eine Bildung von Pigment zur Folge haben. Die Intensität beider Processe ist eine verschiedene; so prävalirt bei einigen Thieren die Bindegewebs-Wucherung, bei anderen die Pigmentbildung. Die Wucherung des Bindegewebes fängt in der Nachbarschaft der Gefässe an, und verbreitet sich nachher über alle Theile des Follikels; die fest nebeneinander eingelagerten drüsigen Elemente „ der Follikel werden durch das neugebildete Bindegewebe aus- einandergedrängt und zusammengepresst, in Folge dessen verklei- nern sie sich, und nehmen eine unregelmässige Form an; noch später tritt in den drüsigen Elementen eine Fettkörnehenbildung auf, und sie zerfallen. Im Verhältniss zum Untergange der Lymph- elemente wird die Quantität des Bindegewebes immer grösser, und an vielen Stellen, besonders an der Peripherie der Follikel, nimmt es den Character des Fettgewebes an. Die Bildung der concentrischen Körper geht, wie wir oben gesehen haben, diesem Processe voran; sobald aber die Bindege- webswucherung eine bedeutende Grösse. erreicht hat, gehen die eoneentrischen Körper unter dem Einflusse verschiedener regres- siver Metamorphosen ihrer Elemente zu Grunde und die Entwicke- lung von neuen Körpern in den verödeten Follikeln findet nieht mehr Statt, x Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 371 Der beschriebene Involutionsprocess der Thymus ergreift nieht gleichzeitig alle Läppehen und fängt in verschiedenen Perio- den des Lebens an; so z. B. fanden wir in einigen Fällen in der Thymusdrüse dreijähriger Kinder viele Follikel im Zustande des vollständigen Untergangs, und nur einige Läppchen waren ver- hältnissmässig wenig verändert, in anderen Fällen zeigten die Drüsen im 5. und sogar im 7. Jahre sehr unbedeutende Zeichen der Involution. Ich hatte keine Gelegenheit, die Thymusdrüsen aus noch höherem Alter zu untersuchen, aber Prof. Waldeyer theilte mir mit, dass er bei Seetionen die Thymus oitmals bis zu 17 jährigem Alter, — einmal noch bei einer etwa 40 jährigen Frau — angetroffen hat. Ausserdem beschrieben Krause und Andere Fälle, m denen man bei alten Individuen die Thymusdrüse noch gefunden hat. Die Verödung der Thymustollikel in Folge der Bindegewebs- wucherung findet man, ausser beim Menschen, auch bei vielen Säugethieren, Vögeln und beider Schildkröte; beidenanderen Thieren tritt die Involution unter einer anderen Form auf, und dabei spielen die rothen Blutkörperehen die Hauptrolle. Das Auftreten der rothen Blutkörperchen ausserhalb der Ge- fässe, zwischen den drüsigen Elementen, fängt gleichzeitig mit der Auswanderung der weissen, gleich nachdem sich die Intima der Gefässe verändert hat, an. Die Vertheilung, sei es einzeln, oder in kleinen Gruppen, zwischen den Thymuselementen, und auch der Umstand, dass sie im Gewebe erst nachdem die Intima ange- fangen hat zu wuchern, auftreten, spricht nicht dagegen, dass sie dureh die unversehrten Gefässwände ins Gewebe gelangen. Die auf diese Weise in das Gewebe gelangten Blutkörperchen bleiben nieht unverändert, sie durchlaufen vielmehr eine Reihe der Meta- morphosen und zerfallen schliesslich in Haufen kleinkörnigen Blut- pigmentes. Die Veränderungen, denen die rothen Blutkörperchen vor ihrem Zerfall in körniges Pigment unterliegen, sind besonders deutlich bei den niederen Thieren ausgesprochen. Die Anwesen- heit eines Kernes, bedeutende Grösse und das charakteristische Aussehen der rothen Blutkörperchen machen es möglich, besonders ‚noch mit Hülie der Eosinfärbung, Schritt vor Schritt alle Verän- derungen, die in ihnen, vom Moment ihres Auftretens im Gewebe, bis zu ihrem vollständigen Zerfall vorgehen, zu verfolgen. Nach der Auswanderung im Gewebe der Drüse, nimmt die 372 j Dr. B. Afanassiew: ovale Gestalt der Blutkörperchen eine rundliche Form an; die Körperchen quellen dann auf und bekommen ein mattes Aussehen; ihre Dimensionen vergrössern sich dabei sehr bedeutend und sie übertreffen einigemal die Grösse der normalen rothen Blutkörper- chen. Ausser der Quellung trägt noch oftmals wahrscheinlich das Zusammenfliessen zweier neben einander liegender Blutkörperchen zu dieser Vergrösserung der Dimensionen bei. Wenigstens fanden wir in der Thymus der Schildkröte doppelkernige Gebilde, die eine Länge von 0,045, eine Breite von 0,015 erreichten. Die Anhäu- fung einer grossen Zahl aufigequollener und vergrösserter Blutkör- perehen im Follikel kann nicht ohne Einfluss auf das betreffende Gewebe bleiben; das Reticulum, sowie die Lymphelemente werden von Seiten dieser Gebilde einem Drucke ausgesetzt, atrophiren in Folge dessen und zerfallen. In der Thymus von Schlangen (Tro- pidonotus natrix) kommt der Untergang des follikulären Gewebes und die Bildung der mit körnigen und veränderten Blutkörperchen angefüllten Höhlen ausschliesslich auf die oben beschriebene Weise zu Stande. Eine weitere Veränderung der gequollenen rothen Blutkör- perchen besteht darin, dass ihr Protoplasma undurchsichtig und körnig wird, und die Kerne gänzlich verschwinden. Zuletzt zer- fallen diese Gebilde bei den meisten Thieren in Haufen körnigen Pigmentes, welches durch Eosin hellroth-orange gefärbt wird (Hae- moglobinreaction). In der Thymusdrüse des Frosches beobachtet man selten den Zerfall der veränderten Blutkörperchen in Pigment- körner, vielmehr erhalten sie sich lange Zeit in der Gestalt runder undurehsichtig-körniger Körper, und verlieren allmählich die Eigen- schaft, die charakteristische Färbung durch Eosin anzunehmen; daraus kann man schliessen, dass das Haemoglobin in das umge- bende Gewebe allmählich diffundirt und nur das metamorphosirte Stroma der Blutkörperchen übrig bleibt. Diese Gebilde in der Thymusdrüse des Frosches sind von Fleischl als Ganglienzellen angesehen worden und beschrieben, wenigstens vermag ich seinen Zeichnungen zufolge die Sache nicht anders zu deuten. Wenn er aber die Thymus eines jungen Frosches, sobald dieser den Sehwanz verloren hat, untersucht hätte, so hätte er wahrnehmen können, dass die von ihm beschriebenen Ganglien- zellen nicht existiren. Die Thymus eines solchen Frosches ist ein Mohnkorn grosses, ovales Körperchen (Länge 1,0; Breite 0,6), das Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 373 nur aus Lymphelementen besteht; von den oben beschriebenen veränderten Blutkörperchen ist in ihr noch keine Spur vorhanden. Die Blutkörperchen der Säugethiere sind weniger wider- standsfähig und zerfallen nach einer unbedeutenden Aufquellung in Pigmentkörnerhaufen. Ausser den frei im Gewebe liegenden rothen Blutkörperehen findet man sehr oft runde Zellen, die eine oder mehrere rothe Blutkörperchen enthalten, diese zerfallen ebenfalls in Pigmentkörner, und somit bekommt man pigmentirte Zellen, die in dem Gewebe der Thymusdrüse zerstreut sind; das frei im Ge- webe liegende körnige aus zeriallenen Blutkörperchen entstandene Pigment wird ebenfalls von den indifferenten Elementen aufge- nommen, in diesem Falle fängt der Pigmentationsprocess an der Peripherie der Zellen an. Im Anfange bemerkt man dann an der Peripherie der betreffenden Zellen einen sehr schmalen Pigment- ring, der allmählich breiter wird; zu gleicher Zeit vergrössert sich die Zelle; endlich wird die ganze Zelle mit Pigmentkörnchen an- gefüllt, dabei verändert sich ihre Gestalt, aus der runden geht sie in eine polygonale Form über. Die beschriebene Art der Pigmentation kann man sowohl bei Menschen als bei Thieren beobachten, aber bei keinen der von uns untersuchten Thiere erreicht sie solche kolossale Dimensionen und führt zu solchen Folgen, als in der Thymusdrüse des Igels (Erinaceus europaeus). Beim Igel ist die Zahl der ausgewanderten rothen Blutkör- perchen im Gewebe der Thymus immer eine auffallend grosse. Die Ursache dieser Erscheinung hängt möglicherweise von den ver- hältnissmässig kleinen Dimensionen der Blutkörperchen ab (0,0045 — 0,005). | Wie dem auch sei, man sieht im Anfange des in Rede ste- henden Processes, dass das follikuläre Gewebe dicht von rothen Blutkörperehen infiltrirt ist, die entweder einzeln zwischen den drüsigen Elementen liegen, oder Gruppen von 5—6 fest mit ein- ander verklebter Körperchen bilden; ausserdem bemerkt man runde Elemente, die Blutkörperchen enthalten; nachher tritt eine Auf- quellung und ein Zerfall der letzteren auf und zu gleicher Zeit erscheint im follikulären Gewebe eine grosse Zahl zerstreuter oder in Gruppen liegender Zellen, die an der Peripherie pigmentirt sind. Diese Zellen werden immer mehr und mehr pigmentirt, zu- letzt erreichen sie solche Dimensionen (0,012—0,015), wie wir sie 374 Dr. B. Afanassiew: nie in der Thymusdrüse anderer Thiere gesehen haben. Die pigmen- tirten Zellen, wie wir oben sagten, liegen zerstreut oder in Gruppen und grenzen sich von dem umgebenden Gewebe durch das im In- nern des Follikels in Form von dünnen Bündeln verlaufende Binde- gewebe ab. Die drüsigen Elemente zwischen den pigmentirten Zellen werden undurchsichtig, körnig und zerfallen schliesslich. Ebenso atrophirt auch das retieuläre Gewebe des Follikel. In An- betracht der regressiven Metamorphose der Lymphelemente der Thymusdrüse, sowie der Abwesenheit der Bindegewebswucherung, die bei der Involution der Thymus anderer Thiere eine solehe hervorragende Rolle spielt, sind wir berechtigt zu schliessen, dass die oben beschriebenen pigmentirten Zellen unmittelbar aus den weissen Blutkörperchen hervorgegangen sind. | Vor dem Auftreten der eben beschriebenen Veränderungen in den Thymusfollikeln des Igels bemerkt man immer eine Wuche- rung des Gefässendothels ähnlich wie es bei anderen Thieren der Fall zu sein pflegt; jedoch geht dieses wuchernde Endothel all- mählig zu Grunde und verliert sich gänzlich; nur selten stösst man auf kleine concentrische Körper, so dass dieses Verhalten sehr auffallend ist im Vergleich mit der grossen Zahl und der bedeu- tenden Grösse der eoncentrischen Körper in der Thymus anderer Thiere. Die Ursache dieser Erscheinung muss unter anderem wohl in der Abwesenheit der Bindegewebswucherung längs der Gefässe, die eine Abschnürung des wuchernden Gefässendothels hätte her- beiführen können, gefunden werden. Folgen wir noch den weiteren Veränderungen in den Thy- musfollikeln des Igels, so stellt sich heraus, dass die oben beschrie- benen pigmentirten Zellen sich immer mehr und mehr’ vergrössern und an Zahl zunehmen; das umgebende Gewebe wird gänzlich verdrängt, so dass die Follikel vollständig mit pigmentirten Zellen ausgefüllt werden. Die Zellen lagern sich dicht aneinander und haben eine polygonale Gestalt. Die im Innern des Follikels ver- laufenden Gefässe und Bündel intrafollieulären Gewebes zertheilen sie in Gruppen von der verschiedensten Grösse und Form. Somit treten an die Stelle der früheren Thymusfollikel einige Läppcehen pigmentirten Gewebes, die durch feine Faserbündel und die in diesen verlaufenden Gefässe von einander abgegrenzt sind. Das Protoplasma der Zellen enthält Pigment entweder in Form von Körnern verschiedener Grösse, oder sie ist von demselben Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 375 diffus inbibirt, so dass die Zellen ein mattes gleichmässiges Aus- sehen haben. Beide Arten Zellen färben sich durch Eosin intensiv roth-orange. Oftmals fliessen die hart nebeneinander liegenden pigmentirten Zellen zu grossen (0,03 — 0,035), runden, kernlosen Gebilden von matt glänzendem, gleichmässigem oder körnigem Aussehen zusammen. Man muss sich vorstellen, dass diese Gebilde unter dem Einflusse der regressiven Metamorphose, denen einige Zellen unterworfen waren, sich gebildet haben; sie als neugebil- dete, durch das Zusammenfliessen entstandene Formelemente an- zunehmen, ist unstatthaft. Die Läppchen des oben beschriebenen pigmentirten Gewebes behalten diese Gestalt nicht lange, sondern sehr bald bilden sich zwischen den einzelnen Zellen ungemein feine Capillarnetze, die die letzteren umschlingen; zu gleicher Zeit erscheinen die pigmen- tirten Zellen mit Fetttropfen angefüllt; in manchen Läppehen ist die Ansammlung von Fett so bedeutend, dass jede Zelle fast voll- ständig von demselben ausgefüllt wird, nur an der Peripherie bleibt noch eine pigmentirte Protoplasmaschicht verschont; in diesem Sta- dium haben die Läppcehen eine grosse Aehnlichkeit mit gewöhn- lichem Fettgewebe. Wenn man das Gewebe der eben beschriebenen Läppchen mit dem Gewebe eines anderen Organs beim Igel, das zwisehen den Brust- und Rückenmuskeln liegt, und den Namen „Winterschlaf- drüse“ führt, vergleicht, so stellt sieh die vollste Aehnlichkeit im Bau beider Organe heraus. Es entsteht daher die Frage: bildet sich die Winterschlafdrüse aus der auf die oben beschriebene Weise metamorphosirten Thymus? Die in der Literatur existirenden Angaben über den Baü der Winterschlafdrüse und ihr Verhältniss zur Thymus sind so verschieden, dass es unmöglich ist, hier einen festen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage zu finden. Die früheren For- scher machten keinen Unterschied zwischen beiden Organen, und hielten sie beide fürdie stark entwickelte Thymus. Später ist diese An- sicht noch von Simon unterstützt worden. Aber schon Jacobson, Haugstedt und andere Autoren behaupten, dass diese Drüsen unter sich nichts gemeinschaftliches haben; nachher ist dieser Un- terschied von Barkow und Eeker mit Hülfe des Mikroskops fest- gestellt worden. Barkow beschreibt ausführlich die Lage der Winterschlaf- x 376 Dr. B. Afanassiew: drüse bei verschiedenen Thieren und unterscheidet an ihr vier Theile: Hals-, Brust-, Axillar- und Rückentheil. Die mikrosko- pische Untersuchung, die er ausgeführt hat, zeigte, dass dieses Organ aus kleinen mit Fett angefüllten Zellen besteht, die sich von den Fettzellen durch ihre kleineren Dimensionen, grössere Con- sistenz und Undurcehsichtigkeit unterscheiden. Bei neugeborenen Thieren sind die Contouren dieser Zellen undeutlich und das Fett fehlt bei ihnen gänzlich. Die Form der Läppchen sowie die Farbe der Drüse ist verschieden. Im Winter hat sie eine braunröthliche Farbe, dagegen treten die Läppchen im Sommer schärfer hervor, und ihre Farbe ist heller; im- Allgemeinen unterscheidet sich diese Drüse leicht von Fettgewebe und ist specifisch schwerer als Wasser. Barkow nennt diesen Apparat die „Wintersehlafdrüse“ und wegen ihres Reichthums an Gefässen zählt er sie zu der Gruppe der Blutgefässdrüsen. Die Eeker’schen Untersuchungen haben gezeigt, dass Grösse, Farbe und Bau des Organs, je nach der Thierart, Alter und Jah- reszeit verschieden sind. Im Allgemeinen besteht nach ihm das Organ aus grossen, (0,025) kernhaltigen polygonalen Zellen, die von einem sehr feinen Capillarnetz umschlungen sind. Bei jungen Thieren, und auch am Ende des Winterschlafes, sind die Zellen körnig und enthalten Proteinsubstanzen, während sie im Sommer, besonders aber bei alten Thieren, mit Fetttropfen angefüllt sind. Zwischen Thymus und Winterschlafdrüse ist seiner Meinung nach nichts gemeinschaftliches vorhanden; bei jungen Thieren sind. beide Organe vollständig von einander getrennt, später verschwindet die Thymusdrüse, und an ihrer Stelle bildet sich die pars thoraeiea der Winterschlafdrüse, die oftmals die Ueberreste der Thymus um- hüllt. Valentin spricht sich in seiner Abhandlung über den Winterschlaf sehr unbestimmt über den Bau ‘dieser Drüse bei dem Murmelthier aus. Er untersuchte den Theil der Drüse, der den Nervus Sympathieus begleitet, und sagt Folgendes: „Der Bau er- innert in hohem Grade an die bekannte Struetur der verwandten Blutgefässdrüsen wie z. B. der Thymus“. Das Verhältniss der Schwere der Drüse zur Schwere des ganzen Körpers, das Valentin in verschiedenen Perioden des Winterschlafes untersuchte, hat ge- zeigt, dass diese Drüse- allmählich im Verlaufe des Schlafes sich verkleinert, so z. B. war dieses Verhältniss gleich nach dem Er- starren wie 1:75, nach 166 tägigem Schlafe wie 1: 177. Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 377 -Leydig nimmt an, dass die Winterschlafdrüse eine Art Lymphdrüse sei. Die Verkleimerung dieses Organs zur Zeit des Winterschlafes im Verhältniss zum Körpergewicht ist ähnlich wie von Valentin, von Friedleben bei den Hamstern constatirt worden. Nichts destoweniger zieht er .es vor, dieses Organ eine „Fettdrüse“ zu nennen, da die „Winterschlafdrüse“ ihrer Bestimmung nicht ent- spreche, denn einerseits existire diese Drüse bei Thieren, die dem Winterschlafe nicht unterworfen sind (Talpa, Mus, Sorex), anderer- seits fehle sie bei manchen Winterschläfern (Dachs). In neuerer Zeit ist der Bau der Winterschlafdrüse von Hirzel und Frey untersucht worden. Die dabei von ihnen ge- wonnenen Resultate führten beide Autoren zu dem Schlusse, dass die von Ecker beschriebenen drüsigen Zellen nicht existiren und dass dieses Organ keinen drüsigen Bau besitzt, im Gegentheil, es besteht aus einem dichten Netz feiner Capillaren, die mehr oder weniger gleichmässige Räume umgrenzen, die letzteren sind von einem ungemein zarten Netze feiner Fasern ausgefüllt, zwischen deren Maschen Fett in Form von Tropfen verschiedener Grösse sich ablagert. _ Die Zellenkerne, welehe Ecker beschreibt, seien nichts anderes, als die Kerne der Capillargefässe. Zur Entfernung des Fettes, und zur Erkennung des feineren Baues. der Drüse, gebrauchten die genannten Autoren vorzugsweise die Härtung in Alkohol und behandelten die mikroskopischen Schnitte längere Zeit mit warmem Glycerin. Die Kerne der Capil- laren sind deutlich nach Carminfärbung zu sehen. Mit den angeführten Untersuchungen erschöpfen sich alle An- gaben, die bis jetzt über den Bau der Winterschlafdrüse existiren, und wie man sieht, lassen sie noch manche Fragen über den Bau und die Bedeutung dieses Organs unerledigt. Fine erneute Unter- suchung erschien mir daher nicht überflüssig. Als Material dien- ten erwachsene Igel, Murmelthiere, Hausmäuse und Fledermäuse; ausserdem hatten®wir Gelegenheit dieses Organ bei Igelembryonen zu untersuchen. Wir werden uns mit der genauen Beschreibung der Lage dieser Drüse bei erwachsenen Thieren nicht aufhalten, da Bar- kow in anatomischer Hinsicht ziemlich genau und ausführlich ihre Lage bei verschiedenen Thieren beschrieben hat. Was das äussere Aussehen anbelangt, so ist die Drüse im embryonalen Zustande Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 25 378 Dr. B. Afanassiew: und bei neugeborenen Thieren von grauer Farbe, saftig und be- steht aus rundlich-ovalen Läppchen; mit dem Wachsthum nehmen die Läppchen eine mehr flache Form an und zeigen eine gelbliche Farbe, die bei alten Thieren in eine braun-rothe übergeht; ebenso verändert sich die Consistenz der Drüse, so dass sie bei sehr alten Thieren fest und faserig wird. Die mikroskopische Untersuchung der embryonalen Drüse zeigt, dass sie aus polygonalen grossen Zellen, die dieht neben- einander liegen, besteht. Diese Zellen haben mit den 'Thymusele- menten nicht die mindeste Aehnlichkeit, so z. B. erreichen sie beim Igelembryo von 3Y/; Ctm. die Länge von 0,019 und die Breite von 0,014 mm.; dagegen haben die Thymuselemente eine runde Ge- stalt, und schwanken zwischen 0,0075—0,01. Jede Zelle der Winterschlafdrüse besitzt einen grossen Kern (0,007 mm.) und ein körniges undurchsichtiges Protoplasma; in manchen Fällen sieht man auch Fetttropfen. Bei der doppelten Färbung mit Eosin und Haematoxylin nehmen die Kerne sehr schnell das Haematoxylin und das Protoplasma das Eosin auf; die Fetttropfen werden durch das Eosin nicht gefärbt, während das Protoplasma eine sehr in- tensive orange-rothe Farbe annimmt. Zerzupft man frische Stücke des Organs, so isoliren sich die Zellen sehr leicht. Bei dem neugeborenen Igel bleiben die beschriebenen Ver- hältnisse dieselben, nur erreichen die Zellen viel grössere Dimen- sionen (0,027 Länge, 0,019 Breite). Zugleich vergrössert sich auch der Fettgehalt im Protoplasma; in jeder Zelle finden sich gewöhn- lich einige Fetttropfen von verschiedener Grösse, aber gänzlich mit Fett ausgefüllte Zellen trifft man nicht. Bei der Zerzupfung frischer, oder in Osmiumsäure ('/ıo pCt.), Müller’scher Flüssigkeit, angesäuerter Lösung von Dahlia (1 Theil Alkohol, 2 Theile Wasser) macerirter Präparate, isoliren sich die Zellen sehr leicht. Wäscht man die vorher in Dahlia macerirten Präparate mit absolutem Al- kohol aus, und zerzupft sie dann in verharztem Terpentin, so be- kommt man einzelne oder in Gruppen liegende Zellen, deren Kerne blau gefärbt sind, während das körmige Protoplasma “ungefärbt bleibt. Viele Zellen zeigen im Protoplasma Usuren und Vaecuolen, die sich nach der Entfernung des Fettes in ihnen gebildet haben. Bei erwachsenen Thieren, besonders im Sommer, enthalten die Zellen noch eine grössere Menge Fett, das aber tropfenweise sich dort ablagert. Entfernt man das Fett aus den Zellen, so sieht Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 379 man, dass einige unter ihnen noch ihre Kerne behalten haben, andere aber stellen sich in Form eines feinen kernlosen Netzwerkes dar. Die Kerne der Zellen unterscheiden sich leicht von den Ca- pillarkernen durch ihre bedeutendere Grösse und runde Gestalt. Im Frühling ist der Fettgehalt der Drüse gering, so dass der zellige Bau des Organs bei erwachsenen Thieren noch deut- licher hervortritt. Bei den Fledermäusen sind die Zellen grösser als beim Igel (0,034-—0,028), und bei Abwesenheit von Fett ent- hält ihr Protoplasma eine grosse Menge Körner, die durch Eosin intensiv gefärbt werden; diese Zellen sind selten in der eben er- wähnten netzförmigen Gestalt zu sehen; grösstentheils bleiben, nach der Entfernung des Fettes, nur Usuren auf ihrer Oberfläche zurück. In einzelnen Läppchen beobachtet man oftmals einen kleinkörnigen Zerfall der Zellen, dabei fliessen die Contouren der einzelnen Zellen zusammen. In einer solchen kleinkörnigen Masse kann man noch Capillaren verlaufen sehen und bemerkt einzeln liegende unveränderte Zellen. | Jedes Läppchen enthält ausser den beschriebenen Zellen ein dichtes Capillarnetz. Die grossen Gefässe verlaufen im interlobu- lären Bindegewebe und treten nie in die Substanz des Läppchens selbst ein. An injieirten Präparaten kann man sehen, dass die Capillaren nicht nur zwischen den einzelnen Zellen. verlaufen, son- dern sie auch von allen Seiten umschlingen. Die Weite der Ca- pillaren ist eine sehr unbedeutende (0,006). Die in ihrem Lumen liegenden Blutkörperchen haben oft eine längliche Gestalt in Folge der Enge der Röhren. Bei jungen Thieren bemerkt man zwischen den Zellen eine sehr unbedeutende Quantität Bindegewebe; grossen- theils sieht man, wie die Capillaren unmittelbar die Oberfläche der Zellen berühren. Bei alten Thieren ist das Bindegewebe in den Läppchen stark entwickelt, so dass es unmöglich wird, die einzelnen Zellen zu erkennen. und zu isoliren; gewöhnlich ist dieses Gewebe mit braunen oder gelblichen Pigmentkörnern imprägnirt. Die gewonnenen Resultate über den Bau der Winterschlaf- drüse in den verschiedenen Perioden des Lebens führen uns somit zu dem Schlusse, dass dieses Organ aus grossen Zellen, welche in inniger Berührung mit einem diehten Capillarnetz stehen, zu- sammengesetzt ist; das Protoplasma dieser Zellen enthält in grösserer oder kleinerer Menge Fett und Körnchen von verschiedener Grösse. 380 Dr. B. Afanassiew: Sowohl das Protoplasma der Zellen als auch die Körner werden durch Eosin intensiv gefärbt. Der Fettgehalt der Zellen ist regel- mässigen Schwankungen unterworfen, bald vergrössert, bald ver- kleinert er sich. Die embryonale Entwickelung der Drüse geht selbst- ständig vor sich, und steht in keiner Beziehung zur Thymus; der Brusttheil der Drüse, der erst in einer späteren Periode des Lebens sich bildet, entsteht, wie die wiederholten genauen Untersuchun- gen zeigen, an der Stelle der Thymus, er bildet sich aus indif- ferenten Elementen, wobei dieselben das Haemoglobin der rothen Blutkörperchen aufnehmen. Es fragt sich jetzt: enthalten auch die Zellen anderer Abschnitte der Winterschlafdrüse Haemoglobin? Zur Entscheidung dieser Frage können wir uns der unschätz- baren Eigenschaft des Eosins, das Haemoglobin intensiv roth-orange zu färben, bedienen. Die Sicherheit und Beständigkeit dieses Reagens hat zuerst Wissozky!) an rothen Blutkörperchen nach- gewiesen. Diese Elemente nehmen so lange die charakteristische Eosinfärbung an, als sie noch Haemoglobin enthalten; entfernt man dasselbe aus den rothen Blutkörperchen, so werden sie durch Eosin nicht mehr gefärbt. Wendet man die Eosinfärbung bei verschiedenen Abschnitten der Winterschlafdrüse an, so überzeugt man sich, dass das Proto- plasma ihrer Zellen immer Haemoglobin enthält; in den ersten Perioden des Lebens findet es sich, ähnlich wie bei den rothen Blutkörperchen, ineinem diffusen Zustande, später tritt es in Form von Körnern auf. In dieser Form wird es wahrscheinlich zunächst in der Thymus, nachdem in ihr der Untergang der Gefässe und die Zer- störung der ins Gewebe ausgewanderten rothen Blutkörperchen angefangen hat, erzeugt. Eine Bestätigung dafür finden wir unter an- derem in einer grossen Zahl Lymphdrüsen, die in innigem Zusammen- hang mit der Winterschlafdrüse und der Thymus stehen. In diesen Lymphdriüsen nämlich bemerkt man, nachdem eine reichliche Emigra- tion der Formelemente des Blutes in die Thymus angefangen hat, das Auftreten von Pigmentkörnern und sogar von unveränderten Blut- körperchen. Augenscheinlich werden die Blutkörperchen, sowie das freie Pigment, aus dem Thymusgewebe durch die Lymphge- fässe fortgeführt und sie infiltriren dann naheliegende Lymphdrüsen. 1) Ueber das Eosin als Reagens auf Haemoglobin etc. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. XIII, Heft 3, S. 479. \ Ueb. Bau u. Entwickelung der Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 381 Dadurch erklärt sich auch die Ursache der Pigmentation dieser Drüsen bei den erwachsenen Thieren, sowie die Bedeutung ihrer so grossen Anhäufung; durch ihre Vermittelung wird das in der Thymus gebildete Hämoglobin den verschiedenen Abschnitten der Winterschlafdrüse, mit denen sie in enger Verbindung stehen, zu- geführt. Um sich die Bedeutung und Rolle der Winterschlafdrüsenzellen klar zu machen, ist es nothwendig, zu entscheiden, ob im Orga- nismus noch andere ähnliche hämoglobinhaltige Zellen existiren, und dann die Funktion dieser sowie jener zu vergleichen. Bei der Anwendung der oben beschriebenen Eosinfärbung an verschiedenen Geweben und Organen fanden wir, dass die Zellen vieler sogenannter Blutgefässdrüsen gerade so wie die rothen Blutkörperchen sich färben, so z. B. enthalten die Nebennieren Zellen, die der Form, der Grösse und Färbung nach sehr an die jungen Winterschlafdrüsenzellen erinnern. Das charakteristische aller solcher Organe besteht darin, dass ihre Elemente in eng- ster Berührung mit den Blutgefässen sich befinden; um diese Berührung noch zu vervollständigen, besitzen die Gefässe sehr dünne Wände. Somit befinden sich in naher Beziehung zum Blut- gefässsystem eine grosse Zahl Hämoglobinzellen, die entweder, in Gruppen vereinigt, Drüsen bilden, oder in verschiedenen Geweben, vorzugsweise längs der Capillaren, zerstreut sind. Die Rolle aller solcher Organe und einzelnen Elemente muss für die Oxydations- processe im Organismus, da sie Hämoglobin enthalten, eine sehr wichtige sein. Wir wissen, dass das Hämoglobin die Eigen- schaft besitzt, Sauerstoff zu binden, die rothen Blutkörperchen, aus der Lunge mit Sauerstoff beladen zurückkehrend, tragen den- selben zu den entlegensten Theilen des Körpers und geben ihn bei der Berührung mit einer erheblichen Zahl grosser Hämoglobin- zellen an diese ab. Die Hämoglobinzellen sind Reservoire des Sauerstoffs, der nachher zur Oxydation des umliegenden Gewebes verbraucht wird. Die rothen Blutkörperchen haben zum Theil die Aufgabe, diese Reservoire beständig mit Sauerstoff wieder zu füllen. Was die Winterschlafdrüsen direct anlangt, so ist die An- wesenheit von Hämoglobinzellen in ihnen unbedingt nothwendig. Zur Zeit des Wachsthums der Thiere lagert sich in ihnen eine grosse Menge Fett ab, das während des Winterschlafes zur Er- nährung verbraucht wird. Bei der herabgesetzten Athmungsenergie 382 Dr. B. Afanassiew: und bei der Verminderung des Oxydationsvermögens des Blutes wäre die Oxydation des Fettes ungemein erschwert; dies Hinder- niss wird aber durch die Anwesenheit von hämoglobinhaltigem Pro- toplasma ausgeglichen, indem jeder Fetttropfen von demselben über- zogen wird. Die Anwesenheit der Hämoglobinzellen muss nothwendiger Weise im Zusammenhange mit der Existenz solcher Apparate im Orga- nismus stehen, die das Hämoglobin für die Erneuerung und Er- sänzung in den Zellen produeiren. Als Quelle müssen dienen, wie für die übrigen specifischen Secrete, so auch für das Hämoglobin, erstens, die Ernährungssäfte des Organismus, zweitens das Hämo- globin der abgestorbenen Elemente. Für die rothen Blutkörperchen ist es fast bewiesen, dass sie sich in der Milz und im Knochenmarke bilden, folglich muss auch das Hämoglobin dort entstehen, um sich nachher in den Blutelementen abzulagern; ebenso wie in den Blutkörperchen kann das Hämoglobin, von den Stätten seiner Bildung aus sich über den ganzen Körper verbreitend, sich auch in den fixen Hämoglobinzellen ablagern. Ausserdem sahen wir bei der Winterschlaidrüse, dass auch das treiwerdende Hämoglobin von zerfallenen rothen Blutkörperchen in ihre Zellen eintritt; das Freiwerden des Hämoglobins geschieht in der Thymus; die Thymusdrüse functionirt aber in diesem Sinne bei vielen Thieren nur eine sehr kurze Zeit, daher müssen noch andere viel beständigere Organe existiren, deren Function während des ganzen Lebens des Organismus erhalten bleibt. Ob- wohl die Existenz solcher Organe, die das Hämoglobin aus den abgestorbenen Blutkörperchen frei machen, nicht mit Sicherheit be- wiesen ist, so fällt doch immer der Verdacht auf die Leber und Milz. Nach dem im Vorstehenden Erörterten glauben wir die Exi- stenz von besonderen Zellen ausser den rothen Blutkörperchen, welche Hämoglobin regelmässig und normaler Weise enthalten, dar- gethan zu haben. Weitere Forschungen müssen lehren, wie weit die Verbreitung dieser Zellen geht, und wie die Vorgänge ihrer Thätigkeit im Detail sich gestalten. Für diesmal sei uns in Betreff der Nebennieren noch eine Bemerkung gestattet. Es ist bekannt, dass bei Erkrankungen dieser Drüsen häufig eine Pigmentation der Haut zu Stande kommt. Einen Zusammenhang zwischen der Addison’schen bronzed-skin und der Erkrankung der Nebennieren zu finden, ist bis jetzt noch nicht gelungen. Wenn wir aber be- Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 383 denken, einerseits die Bildung von so grossen Mengen Blutpigment bei dem allmählichen Untergange zahlreicher Hämoglobinzellen der Nebennieren, andererseits, dass das dadurch freigewordene Hämo- globin im normalen Zustande in diesen Drüsen verbraucht worden wäre, so wird es verständlich, dass eine grosse Masse der färben- den Blutsubstanz sich in der Haut ablagern und sie pigmentiren kann. Freilich bleibt dabei immer noch unaufgeklärt, wesshalb die Färbung gerade die Haut betrifft. Schliesslich sei noch erwähnt, dass bei Schlangen in den Blutgefässen der Leber dieselben pigment- haltigen Zellen vorkommen, wie in der Thymus, und dass die quergestreiften Muskeln, deren Farbstoff bekanntlich mit dem Haemo- globin identisch ist, mit Eosin dieselbe Färbung annehmen, wie die von mir sogenannten Haemoglobinzellen. IV. DieersteAnlageder Thymusundihre Enüt- wickelungsgeschichte. Ueber die Entstehung der Drüse beim Embryo sind die Au- toren ebenfalls nicht einig. Simon beschreibt dieses Organ in seiner ersten Anlage als eine einfache Röhre, die später verzweigte Fortsätze ausschiekt, aus welchen die Läppehen und Drüsenbläschen sich entwiekeln; diese Gebilde sollen unter sich und auch mit der primären Höhle der Röhre, die sich zum Centralcanal der Drüse umbildet, ecommunieiren. Derselben Ansicht ist auch Kölliker. Arnold spricht von einer Verbindung der Drüse mit der Schleim- haut der Athmungswege, so dass die Bildung dieses Organs durch eine Abschnürung vom untern Keimblatt zu Stande käme. ° Remak beobachtete an Hühnerembryonen, dass das dritte und vierte Kiemenplättchen sich in Gestalt zweier Säcke ab- schnüre und zwischen die Aortenbogen sich lagere; in einer spä- teren Periode verschwinden die Hohlräume der Säcke und die so entstandenen soliden Körper oder Stränge bilden nach der Ab- schnürung die einzelnen Follikel der Thymus. Friedleben untersuchte die Entwiekelung der Thymus bei Embryonen von Menschen und verschiedenen Säugethieren. Im bindegewebigen Stroma in der Nähe des Ursprunges der grossen Gefässe entsteht anfänglich ein schmaler Blastemstreifen, der aus 384 Dr. B. Afanassiew: Kernen, die aus Vermehrung der Bindegewebskörperchen hervor- gegangen sind, besteht. Später schnürt sich der Blastemstreifen zu einzelnen, vollständig geschlossenen Drüsenbläschen ab. Unsere Untersuchungen über die erste Anlage der Thymus sind an Hühner-, Kaninchen-, Schwein- und Schafembryonen von verschiedener Grösse ausgeführt worden. Bei Hühnerembryonen, vom Ende des 5. oder Anfang des 6. Tages der Bebrütung, kann man im retieulären bindegewebigen Stroma nach hinten und aussen von den Gefässen, die vom Herzen nach oben verlaufen, eine grosse Anhäufung von rundlichen indiffe- renten Zellen bemerken. Der Zellenhaufen hat keine bestimmte Form, und geht allmählich in das umgrenzende Gewebe über, welches ebenfalls solche runde Elemente enthält. Am 7. und be- sonders am 8. Tage der Bebrütung vergrössert sich der Zellen- haufen sehr bedeutend, und in der Umgebung erscheinen feine Ge- fässsträngchen, durch die eine schärfere Abgrenzung zu Stande kommt. In den folgenden Tagen erscheint an der Peripherie des Zellenhaufens ein mehr faseriges Gewebe, durch das die Blutge- fässe sich durchzudrängen anfangen, so dass ein mehr ovaler Körper mit einzelnen Ausbuchtungen an den Rändern sich bildet. Am 10. Tage kann man die Drüse als vollständig formirt ansehen, da sie schon einzelne Läppchen zu erkennen giebt, deren Bau bei der weiteren Entwickelung sich nicht mehr ändert und die nur an Umfang und an Zahl zunehmen. Vollständig ähnliche Erscheinungen bemerkt man bezüglich der Entwickelung der Thymusdrüse bei Säugethieren. Beim Ka- ninchenembryo von 5 mm. sieht man in den Maschen des reticu- lären Gewebes, nach vorne von den Artt. Carotides, eine grosse An- häufung von rundlichen indifferenten Zellen, die sich, ohne-scharfe Grenze in das umgebende Gewebe übergehend, bis zur Herzbasis herabzieht. Wenn der Embryo die Grösse von 1—1!/; Ctm. er- reicht hat, nimmt der Zellenhaufen eine bestimmte Form an, zeigt ein lappiges Aussehen, und an der Peripherie fängt in der fein- faserigen Kapsel die Entwickelung der Gefässe an. Das Wachsthum des Organs vollzieht sich mehr nach unten, so dass die rechte und linke Hälfte zusammenfliessen; die oberen Theile bleiben in ihrem ‚Wachsthum zurück und nehmen die Gestalt dünner Hörner, die vom Körper der Drüse ausgehen, an, Ausserdem senkt sich das Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. S äugeth. 385 ganze Organ mehr in den Brustkasten hinab und lagert sich, in- dem es sich vergrössert, auf das Pericardium an der Herzbasis. Die Bildung der primären Läppchen und Follikel kommt in Folge des Hineinwachsens der Gefässe und des Bindegewebes in den ursprünglichen Zellenhaufen zu Stande. 14. 15. Literatur. a) Thymusdrüse. Thomas Wharton. Adenographia sive glandularum totius corporis descriptio. Noriomagi 1664. G. Metzger et L. Remmelin. Historia anatomico medica Thymi. Tu- bingae 1679. Haller et A. de Hugo. Diss. de glandulis in genere et speciatim de Thymo. Goettingae 1746. (cum figuris). Phil. Boecler et Frid. Reebmann. Dissert. de thyroideae, thymi at- que suprarenalium glandularum in homine nascendo et nato functioni- bus. Argentorati 1753. Lo. Duvernoy. Observationes circa structuram Thymi. In den Commentat. acad. Petropolit. Tom. VII. Danz. Grundriss der Zergliederungskunde des ungeborenen Kindes. Giessen 1793. S. Lucae. Anatomische Untersuchungen der Thymus in Menschen und Thieren. Frankfurt a/M. 1811— 1812. Meckel. Abhandlungen aus der menschlichen und vergleichenden Ana- tomie und Physiologie. Halle 1806. Becker. De glandulis thoracis Iymphatieis atque Thymo. Berol. 1826. Haugstedt. Thymi in homine ac per seriem animalium descript. anatom.- physiol. Havniae 1832. Astley Cooper. The anatomy of the thymus gland. London 1832. Arnold. Kurze Angaben einiger anatomischen Beobachtungen. Med.- chir. Zeitung 1831. C. Krause. Vermischte Beobachtungen und Bemerkungen. Arch. f. Anat., Physiol. und wissenschaft. Med. v. J. Müller 1837. Restelli. De thymo observ. anat.-physiol.-pathol. Tieini Regii 1845. J. Simon. A physiological Essay on the thymus gland. London 1845. 386 35. 36. Dr. B. Afanassiew: Bischoff. Entwickelungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen. Leipzig 1842. Stannius. Lehrbuch d. vergleichenden Anat. der Wirbelthiere. Berlin 1846. Goodsir. Thesuprarenal, thymus and thyroid. bodies. Philos. Transact. 1846. IV. Robin. Annales des sciences naturelles. 3me serie. Avril 1847. Bruch. Zeitschrift für ration. Medic. Henle und Pfeuffer. Bd. IX. 1850. Kölliker. 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Zoologie von v. Siebold und Kölliker. Bd. X und XI. Leipzig 1860— 1862. Paulizky. Disquisitiones de stratis glandulae Thymi corpusculis. Halis 1863. Inaug.-Diss. Toldt. Ueber lymphoide Organe der Amphibien. Sitzungsber. d. k. Akademie d. Wissensch. Bd. LVIH. 2. Abth. 1868. Fleischl. Ueber d. Bau einiger sog. Drüsen ohne Ausführungsgang. Sitzungsb. d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. LX. 2. Abth. 1869. Klein. Die Thymusdrüse. Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und d. Thiere. $S. Stricker. I. Bd. Cap. IX. C. Krause. Handbuch der menschl. Anat. Bearbeit. in 2. Auflage von W. Krause. Hannover 1876. Pd. I, pag. 359. Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u.d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 387 b) Winterschlafdrüse. Sulzer. Versuch einer Naturgeschichte des Hamster, Göttingen 1774. Pallas. Novae species quadrupedum e glirium ordine. Edit. II. Er- lang. 1784. Prunelle. Recherches sur les phenome£nes et sur les causes du sommeil hivernal de quelques mammiferes. Annales du museum d’Histoire na- turelle. Tom. XVIII. Paris 1811. Tiedemann. Bemerkung über die Thymusdrüsen des Murmelthieres während des Winterschlafs. Meckel’s deutsch. Arch. für Physiol. Bd. 1. 1815. Jacobson. Ueber die Thymusdrüse der Winterschläfer. Meckel’s Arch. für Physiol. Bd. III. 1817. Haugstedt. Thymi in homine ac per seriem animalium descriptiones ana- tomiae pathologicae et physiologicae Particula prior Havniae 1831, pg. 28—40. H. Barkow. Der Winterschlaf nach seinen Erscheinungen im Thier- reich. Berlin 1846. Capit. XVI. Stannius. Beobachtungen über Verjüngungsvorgänge im thierischen Organismus. Rostock und Schwerin 1853. Ecker. Wagner’s Handwörterbuch Bd. IV. Art. Blutgefässdrüsen. Valentin. Beitrag zur Kenntniss des Winterschlafes der Murmelthiere. (2. Abth.) Moleschott’s Untersuchungen zur Naturlehre. Bd. II. 1857. Friedleben. Die Physiologie d. Thymus. Frankfurt a/M. 1858. 10. ‘Abschnitt, pg. 102. Hirzel und Frey. Einiges über den Bau der sog. Winterschlafdrüsen. Zeitschrift für wissenschaft. Zoologie von v. Siebold und, Kölliker. Bd. XII 1863. 388 Dr. B. Afanassiew: Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXIV. Fig. I. Obj. IX. Oc. HI Hartnack. Reticulum der Thymusdrüse einer weissen Ratte nach der Härtung in Osmiumsäure und Auspinselung. Die Flügelzellen anastomosiren mit Fortsätzen unter sich und befestigen sich auch an dem in der Mitte des Präparats laufenden Gefässe. Oben liegt ein Stück Reticulum mit den in seinen Maschen eingelagerten runden Zellen der Drüse. Die übrigen Figuren sind mit Obj. VII. Oc. IV Hartnack gezeichnet. Fig. I. Theil eines Thymusfollikels einer jungen, aber vollständig be- fiederten Taube. a Reticulum, aus feinen Fasern bestehend, in dessen Knotenpunkten platte Zellen liegen; in einigen Maschen des Netzes befinden sich rundzellige Elemente. b Längsschnitt eines Blutgefässes, dessen Intima aus wucherndem En- dothel, das in mehreren Schichten liegt, besteht. ce Längsschnitt eines Gefässes, dessen Lumen mit Endothelzellen ausge- füllt ist; bei e, liegt ein Haufen körnigen Pigmentes; bei d ein con- centrischer Körper mit dem herausgefallenen Inhalte; der Körper be- steht aus geschichteten endothelialen Zellen; in der Umgebung bemerkt man Bindegewebe. Im Gewebe des Follikels, zwischen den drüsigen Elementen, finden sich eingewanderte Blutkörperchen; einige von ihnen unterscheiden sich sehr wenig von den normalen, andere sind vergrössert, dunkler, und haben eine rund- liche Form. Fig. II. Thymus einer Schildkröte (fünf Follikel, die aus zwei Prä- paraten combinirt worden sind). A Normaler Follikel mit den von der Kapsel sich abzweigenden Binde- gewebsbündeln, welche ins Innere des Follikels verlaufen. Der nach aussen liegende Theil des Follikels stellt das Reticulum vor. B Follikel in der Anfangsform der Veränderung. a Querschnitt eines Gefässes, welches in einem Bündel des interfolliku- lären Bindegewebes liegt. b Längsschnitt einer Capillare. cu.c, Concentrische Körper, deren äusserer Theil aus sehr platten Zellen besteht, der centrale Theil des Körpers e enthält veränderte rothe Blut- körperchen; im Körper e’ liegt eine formlose, pigmentirte, stark licht- brechende Masse. In dem Gewebe des Follikels befindet sich eine grosse Zahl rother Blutkörperchen, bei d wenig verändert, bei e stark aufge- quollen, undurchsichtig, von rundlicher, länglicher oder polygonaler Gestalt. Ueb. Bau u. Entwickelung d. Thymus- u. d. Winterschlafdrüse d. Säugeth. 389 f) Ein verändertes Blutkörperchen mit zwei Kernen. Beim Herausfallen der veränderten Blutkörperchen bleiben in dem Gewebe des Follikels Lücken von verschiedener Grösse zurück g und g;- C Theil eines Follikels, in dessen Gewebe man ausser den veränderten Blutkörperchen eine Wucherung von Bindegewebe sieht. Die drü- sigen Elemente finden sich in unbedeutender Zahl, sind verkleinert und körnig. D Theil eines verödeten Follikels, im Gewebe sind körnige Pigment- haufen von verschiedener Grösse und Form’ zerstreut. E Verödeter Follikel, welcher vorzugsweise aus Bindegewebsbündeln, die in verschiedener Richtung verlaufen, besteht. Fig. IV. Einige Thymusfollikel vom Igel, aus einem grossen Schnitte combinirt. n A Follikel im Anfangstadium der Veränderung. a Längsschnitt eines Gefässes mit dem wuchernden Endothel der Intima. b Querschnitt eines Gefässes, dessen Endothel stark aufgequollen ist. In dem Gewebetdes Follikels, zwischen den drüsigen Elementen, sind rothe Blutkörperchen zerstreut; stellenweise bilden sie Gruppen. Bei d runde Elemente, in deren Protoplasma sich Blutkörperchen befinden. e Pigmentirte Elemente. B Follikel mit einer grossen Zahl pigmentirter Zellen, die gesondert oder in Form von Gruppen im Gewebe liegen. Die Zellen sind grösstentheils in ihrem peripherischen Theil ringförmig pigmentirt. b Ein grosser matt-glänzender Körper, um welchen man mehrere runde Zellen von kleineren Dimensionen und ebenfalls stark lichtbrechend bemerkt. C Theil eines Follikels, der vollständig von Pigmentzellen verschiedener Grösse ausgefüllt ist. DD, Läppchen der Winterschlafdrüse an der Stelle von Thymusfollikeln entwickelt. Die Zellen enthalten Fetttropfen von verschiedener Grösse, zwischen welchen pigmentirtes Protoplasma liegt. In einigen Zellen erkennt man deutlich grosse Kerne. Fig. V. Einige isolirte Zellen der Winterschlafdrüse von einer Fledermaus. a Pigmentirte Zellen von unbedeutender Grösse. b Eine Gruppe solcher Zellen. c und d Gewöhnliche Zellen der Winterschlafdrüse mit einer verschiedenen Quantität körnigen Pigmentes im Protoplasma. e Eine Zelle mit Usuren auf der Oberfläche. f Dichtes Netz von Kapillaren, mit welchen eine pigmentirte Zelle ver- bunden ist. Fig. VI. Winterschlafdrüse von einer Fledermaus. 390 Dr. Moritz Nussbaum: Ein Beitrag zur Lehre von der Flimmerbewegung. A Ein dichtes Kapillarnetz bildet Schlingen, in welchen grosse pig- mentirte, kernhaltige Zellen eingebettet sind. Das Fett ist mit Al- kohol und Aether extrahirt; einige Zellen zeigen im Protoplasma an der Stelle der gewesenen Fetttropfen Usuren und Vacuolen. B Das Läppchen ist mit körnigem Pigment der zusammengeflossenen Zellen ausgefüllt; in dieser körnigen Masse bemerkt man stellen- weise Capillaren, Kerne und auch vollständig erhaltene Zellen. Ein Beitrag zur Lehre von der Flimmerbewegung. Von Dr. Moritz Nussbaum. Hierzu 2 Figuren (auf Tafel XXVI). Die Untersuchungen von Caliburces!), Kistiakowsky?) und Kühne‘) über die Einwirkung der Wärme, der Eleetrieität und des Sauerstoffs auf die Flimmerbewegung erweisen unzweifel- haft, dass dieser Vorgang eine Lebenserscheinung sei. Bedenkt man, dass nach dem Zeugniss sämmtlicher Autoren isolirte Cilien für immer zu schlagen aufgehört haben, so wird man die Sponta- neität der Bewegung nicht hierher verlegen; aber ebensowenig verräth die Zelle irgend welche Activität, wenn sie ihrer Cilien beraubt ist, so dass die Behauptung, die Cilien schwingen in Folge einer Thätigkeit des Zellprotoplasmas nur durch die Beobachtung Eimer’s‘) an modifieirten Flimmerzellen, den Spermatozo@n der Unke gestützt wird. Ein nach derselben Richtung beweisendes Objeet bietet die Niere der Plagiostomen. Durch die Liberalität der Nederlandsche Dierkundige Vereeniging, welche ihre zoologische Station in die- 1) Compt. rend..XLV et XLVI. 2) Sitzungsber. der k. k. Acad. d. Wissensch. zu Wien LI. Bd. 2. Abth. (Math.-naturw. Cl.) 3) Archiv für mikrosk. Anat. II. Bd. 4) Verhandl. der phys.-med. Ges. zu Würzburg. N. F. VI. Bd. Ein Beitrag zur Lehre von der Flimmerbeweg ung. 391 sem Jahre in Vlissingen aufgeschlagen hatte, wurde mir während eines kurzen Aufenthalts daselbst reichliches Material an lebenden Rochen und Haien zugeführt, so dass die einmal gemachte Beob- achtung oft genug bestätigt werden konnte. Ausserdem war ich in den Besitz von Fruchtwasser lebender Haiembryonen gelangt, für diese Untersuchung von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Mit scharfer, angehauchter Klinge wurden von der dem eben ge- tödteten Thiere entnommenen Niere feine Schnitte angefertigt, die sehr wohl mit „Zeiss Immersion 1* beobachtet werden konnten. Trübungen im Innern der Zellen traten nie vor. Ablauf einer hal- ben Stunde nach Anfertigung des Präparats ein; die Flimmerung selbst blieb sicher länger als sieben Stunden im Gang. Auf die nähere Localisirung des Vorkommens der uns hier interessirenden Zellen im Verlauf der Harnkanäle gedenke ich an einer anderen Stelle näher einzugehen. Hier nur Folgendes): Zwischen je drei bis vier einfachen, niedrigen, mit granulirtem Kern versehenen Zellen finden sich vereinzelt unsere eilientragenden Zellen, die sich im lebensfrischen Präparat noch ausserdem durch ihre Grösse und die Homogenität ihrer Kerne vor den anderen Zellen auszeichnen. Im Kern ist ein Kernkörperchen immer vor- handen; die durchsichtige Kernsubstanz wird erst später durch eintretende Gerinnung getrübt. Der Zellleib ist hell und klar; hier und da findet sich ein blasses Granulum ohne regelmässige Lagerung. Auf jeder dieser Zellen sitzen in der Regel vier Cilien von einer Grösse, welche die Höhe der Zelle um das Vierfache überragt und wie sie anderwärts wohl nieht wieder gefunden wird. Dabei ist das Lumen des Harnkanälchens nicht so breit, dass die Cilien in grader Verlängerung der Zelle Platz fänden; sie sind vielmehr nach einer Seite in Gestalt eines hakenförmig gekrümmten Fingers umgebogen. Die Höhe der Zellen im lebenden Zustande beträgt 11,66 «, die Länge der Cilien 40—43 u. Der Durchmesser des Harnkanälchens ist 44,98 «. In absolutem Aleohol schrumpfen die Durchmesser der Zellen auf 6,664 « zusammen; die Länge der Cilien bleibt aber unverändert. Was nun diese Zellen für die Beobachtung im lebenden Zu- stande so geeignet macht ist nicht allein die Kleinheit der Zellen 1) Vgl. Figur 1. Nach einem frischen Präparat von der Niere einer Raja clavata. Zeiss, Immers. I, Oc. 3. (Die Zellenreihe der gegenüberlie- genden Wand ist, weil hier irrelevant, nicht in die Zeichnung aufgenommen.) 392 Dr. Moritz Nussbaum: im Vergleich zu den Cilien, sondern auch die von der Natur ge- gebene Isolirung. Die Verschiebungen im Innern des Zellleibes müssen beträchtlich sein, wenn sie die relativ grosse Masse der Cilien bewegen sollen; die präformirte Isolirung erspart eine künst- liche, bei der in den seltensten Fällen und nur durch Zufall eine einzige intacte Zelle zur Beobachtung gelangen kann. Man sieht nun an frischen, in einer indifferenten Flüssigkeit — Fruchtwasser von Haiembryonen — untersuchten Schnitten die Höhe der Zelle isochron mit dem Schlagen der Zugehörigen Cilien ab- und zunehmen, die Zelle sich ceontrahiren. Die Phase der Bewegung der zu einer Zelle gehörigen Cilien ist dieselbe; die Bewegungen verschiedener Zellen und ihrer fliimmernden Fortsätze ist unabhängig von einander. Für gewöhnlich und während ener- gischer Thätigkeit, die aber niemals den verwirrenden Eindruck gewöhnlicher Flimmerbewegung macht, hat es den Anschein als ob jede Zelle sich in ein einziges mächtiges Geisselhaar verlängere; doch sieht man bei genauer Betrachtung, und namentlich wenn die Be- wegung in Folge des Absterbens sich verlangsamt, dass mehrere Flimmerhaare sich zu einem gleichzeitig bewegten Strang zusam- mengelegt hatten. Von einem Eindringen der Cilien in den Leib der Zelle ist an diesem Präparat Nichts zu sehen, ein Umstand, der unbedingt zur erneuten Prüfung der von Friedreich!) und Anderen an den Darm- und Kiemenepithelien verschiedener niederen Thiere ge- wonnenen Resultate aufforderte, zumal es sowohl an anderen Stellen der Plagiostomenniere als auch in der der Batrachier und Urodelen Flimmerzellen gibt, deren Leib im lebenden Zustand durchaus ho- mogen erscheint. Doch sieht man an den bisher untersuchten Ob- jecten und namentlich deutlich an den Wimperzellen des Darmes von Anodonta in der That sowohl an lebenden wie an gut conser- virten Präparaten eine Längsstreifung der oberen Zellenabschnitte. In einem Falle gelang es mir sogar, den direeten Nachweis von der Zusammengehörigkeit dieses Liniensystemes mit den Cilien nachzuweisen. Es handelte sich um ein Isolationspräparat?) 1) Virchow’s Archiv XV. Bd. 2) Vgl. Fig. 2. In der Zeichnung nur die beiden links gelegenen Zellen des Präparats dargestellt; die grösseren Granula im Innern derselben sind Pigmentkörncheu. Ein Beitrag zur Lehre von der Flimmerbewegung. 393 eines 12 Stunden in 0,1 °/, Osmiumsäure aufbewahrten Darms von Anodonta. Vier Zellen waren in einfacher Lage isolirt und in ihrer ganzen Länge zu übersehen; ihre Cilien nach rechts in spitzem Winkel gegen den Zellensaum gestreckt. Die äusserste Zelle links zeigte da, wo sie mit den übrigen zusammenhing, genau dasselbe Verhalten wie diese. Die Cilien waren eine Strecke weit deutlich in das Zellinnere zu verfolgen und zwar bestand jeder Faden im Inneren der Zelle aus zwei parallel laufenden verschieden licht- brechenden Hälften. Nach rechts — in Uebereinstimmung mit dem von Engelmann!) hervorgehobenen Verhalten über die Lage der elastischen Substanz — eine stärker lichtbrechende von der Beschaffenheit der Cilien; nach links eine weniger stark licht- brechende, dem Aussehen nach nicht von dem um den Kern ge- lagerten Zellprotoplasma zu unterscheiden. Auf der freien Seite der ganz links gelegenen Zelle waren drei von den Fäden, welche als Fortsetzungen der Cilien eine Strecke weit in das Zellinnere zu verfolgen waren, in ziemlich beträchtlicher Ausdehnung aus dem Zusammenhang untereinander und von dem übrigen Theile der Zelle losgelöst. Auf diesen Fäden sah man je zwei Wimperhaare. Bei leiehten Strömungen in der Zusatzflüssigkeit machte jeder der Fäden mit den zugehörigen Wimperhaaren Bewegungen wie ein einziger elastischer Stab. Der Drehpunkt ihrer Bewegungen war an die Stelle verlegt, wo die Fäden noch mit der Zelle zusammen- hingen. Trieb der Flüssigkeitsstrom die Fäden und ihre Anhänge nach der Seite der übrigen Zellen zurück, so bemerkte man, dass eine durch ihre höhere Lichtbrechung ausgezeichnete birnförmige Anschwellung die beiden Cilien von dem zugehörigen Faden ge- nau in der Höhe trennte, wo der sogenannte Stäbchensaum der Zelle gelegen war. In dieser Lage erreichten auch die Cilien dieser Fäden genau die scharfe äussere Begrenzungslinie der übrigen Wimperhaare. | ‚Bei einem derartigen Bau der Zellen darf man sichtbare Be- wegungen des Zellprotoplasmas nicht erWarten wollen. Die in der ‚ Plagiostomenniere an lebenden Flimmerzellen constatirten Contrac- tionen erlauben aber immerhin auch bei den übrigen Wimperzellen eine Protoplasmabewegung als Grund der Flimmerung anzunehmen, 1) Jen. Zeitschrift für Med. IV. Bd. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 14, 26 394 Dr. Th. Eimer: wenn wir auch darauf verzichten müssen diese Bewegung selbst, bei der Kleinheit der in Frage kommenden Verschiebungen, zu sehen. Die gelungene Isolation von Cilie und zugehörigem Faden und die Differentiation der Fäden in zwei Substanzen, von denen die eine mit der Substanz der Cilien, die andere mit dem Zell- protoplasma dem Aussehen nach identifieirt werden darf, macht die Vermuthung Engelmann’s!) vom Zustandekommen der Flim- merung an diesen Stellen durch eine Protoplasmabewegung ent- lang der im Inneren der Zelle befindlichen elastischen Fortsetzung der Cilien sehr wahrscheinlich. Demgemäss simd die Cilien elastische Anhänge der Zellen und werden durch innere Verschiebungen des zugehörigen Proto- plasmas bewegt. Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nerven- system der Medusen. Vortrag, gehalten am 21. September 1877.in der zoolo- gischen Sektion der 50. Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte zu München?). Von Dr. Th. Eimer, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie zu Tübingen. Im Jahre 1873 an Aurelia aurita und Cyanea capillata zum Zweck der Auffindung eines Nervensystems bei den Medusen an- gestellte Versuche hatten mir bekanntlich u. A. gezeigt, dass jedes von diesen Thieren abgeschnittene Stück rhythmische Contraetionen zeige, wie vorher das ganze Thier, so lange als das Stück noch mit einem Randkörper in Verbindung stehe, genauer: so lange als der Randsaum, welchem der letztere ansitzt, in der Länge und 1) Jen. Zeitschr. f. Med. IV. Bd. 2) Nach stenographischer Aufzeichnung. Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 395 Breite von wenigen Millimetern an dem Stück noch erhalten sei. Ich bezeichnete jene den Randkörperansatz umgebenden, in der Zahl von acht vorhandenen wichtigen Bezirke im Körper der Acraspedoten, als eontractile Zonen. Von ihnen aus verbrei- ten sich die rhythmischen Contractionen über die ganze Meduse. Bei ruhigem Schwimmen contrahiren sich ihrer alle 8 synchronisch, aber es können von dem Thier nach Belieben einzelne früher als die anderen oder ausschliesslich in Thätigkeit treten und vermag dasselbe auf diese Weise nach verschiedenen Richtungen hin zu steuern. Schnitt ich einer Meduse alle contractilen Zonen bis auf eine aus, so contrahirte sich dieselbe lebhaft rhythmisch weiter — schnitt ich auch die letzte contractile Zone aus, so war das Thier zu rhythmischen Bewegungen unfähig geworden und ging der Auflösung entgegen. Schnitt ich eine Aurelia oder eine Cyanea in zwei Häliten, so lebte jede Hälfte für sich weiter; zerschnitt ich sie in 4 oder in 8 Stücke, so contrahirte sich auch jeder dieser Theile rhythmisch — vorausgesetzt, dass an jedem derselben ein Randkörper mit Umgebung vorhanden war. Nahm ich von einer Achtelsmeduse, welche ich durch in der Mitte von je zwei Randkörpern einge- setzte, radiär zum Centrum geführte Schnitte erhalten hatte, ein Stück nach dem andern mit dem Messer weg, so zeigte es sich, dass stets nur jener Theil derselben sich weiter zu contrahiren vermochte, in welchem der Randkörper sass — alle übrigen Ab- schnitte waren bewegungslos.. Wenn ich aus einer Meduse die Kuppe herausschnitt, so bewegte sich der die Randkörper führende peripherische Ringtheil im Wasser ebenso wie vorher das ganze Thier, der centrale Theil dagegen lag unbeweglich, wie todt. Führte ich in jenen Ring zwischen je zwei Randkörpern von aussen nach innen einen Schnitt, so mussten die 8 Schnitte die einzelnen Theile des Ringes bis auf je eine schmale, nur wenige Millimeter breite Verbindungsbrücke getrennt haben, wenn die Abhängigkeit der Contractionsbewegungen zwischen diesen Theilen bestehen bleiben sollte. Führte ich die Schnitte von innen nach aussen, so war dasselbe der Fall!). 1) „Ueber künstliche Theilbarkeit von Aurelia aurita und Cyanea ca- pillata in physiologische Individuen. (Nach einem Vortrage, gehalten in der physik.-med. Gesellschaft zu Würzburg am 13. Dezember 1873)‘ Würzburger Verhandlungen N. F. Bd. VI. 1874. u 396 Dr. Th. Eimer: Neue, übrigens schon 1874, dann 1876 angestellte und kürz- lich fortgesetzte Experimente zeigten eine bei meinen ersten Beob- achtungen vereinzelt bemerkte Thatsache häufiger, die nämlich, dass viele aller contractilen Zonen beraubte Aurelien sich nach einiger Zeit, aber meist nur auf kurze Dauer erholen. Dass die- selben auch im freien Meere ohne jede contractile Zone nicht lange leben können, das schienen mir folgende Thatsachen zu be- weisen: ich fand unter den eingefangenen Thieren stets viele ver- krüppelte, durch Sturm und durch Netze der Fischer verletzt, welche sich munter wie ihre unversehrten Genossen umherbewegten, auch wenn sie nur noch eine einzige eontractile Zone hatten. Ohne Anwesenheit wenigstens einer contractilen Zone habe ich unter hunderten keinen einzigen dieser Krüppel freilebend getroffen. An meinen Versuchsthieren zeigte das Vermögen und die Dauer der Erholung bedeutende individuelle Schwankungen: grössere sind widerstandsfähiger, kleine lassen die Erholung am öftesten ganz vermissen. Weiter verfolgte ich 1874 an Aurelia das Absterben ganzer Thiere und einzelner Theilstücke: es geschieht dasselbe im Wesent- lichen durchaus so, wie das Experiment es erwarten liess. Ein Antimer (eine radiär ausgeschnittene Achtelsmeduse mit Randkörper im unte- ren, natürlichen Rand) beginnt zuerst etwa im unteren Drittel quer durch sich aufzulösen; dann schreitet die Auflösung nach unten und zu- gleich nach oben fort, jedoch so, dass das obere Stück längst zer- stört ist, zu einer Zeit, wo im Umkreis des Randkörpers noch ein grosser Rest von wohlerhaltener Körpersubstanz lebhafte rhythmische Contractionen ausführt. Weiter schreitet die Auflösung im unteren Stück ganz allmälig von allen Seiten gegen den Randkörper zu fort, so dass zuletzt nur noch dieser, sammt etwas von dem Rand- stück des Schirmes, an welehem er ansitzt (contraetile Zone) übrig bleibt. Dass der Antimer seinen oberen Theil zuerst eine Zeit lang erhält, dass die Auflösung nicht mit ihm beginnt, das rührt offenbar von der grösseren Dicke und Resistenz des Centraltheils der Meduse her. In entsprechender Weise sterben auch ganze Aurelien ab: ich habe kleine Exemplare derselben in Jodserum aufbewahrt, welches ein sehr langsames Absterben bedingt: nach 8 bis 10 Tagen war alles aufgelöst bis auf die Randkörper sammt unmittelbarster Umgebung. Ein Engländer, Romanes, der um ein Jahr später als ich Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 397 und ohne meine Arbeit zu kennen, den meinigen ähnliche Ver- suche künstlicher Theilung an Medusen gemacht hat!), behauptet, dass schon Zerstören aller Randkörper Bewegungslosigkeit der Thiere zur Folge habe. Ich selbst fand, dass sogar schon Ein- steehen in die Randkörperstiele an einer bestimmten Stelle zu- weilen dieselbe Folge habe (Aurelia) — allein die rhythmischen Contractionen kehrten darauf, ebensowohl wie nach Zerstören der Randkörper (Aurelia, Cassiopea) bald wieder — nur nach Aus- schneiden auch des die Randkörper unmittelbar umgebenden Körper- abschnittes (eontractile Zonen) bleiben sie gewöhnlich aus. Die Frage, wie sieh die Verhältnisse nach alleinigem Durehsehneiden der Muskelhaut oder nach Entfernung derselben unmittelbar um die Randkörper herum — im Gebiet der eontraetilen Zonen — gestalte, erscheint von besonderer Wichtigkeit. Nachdem die letzterwähnte Operation an einer Cas- siopea ausgeführt worden war — und zwar erst nachdem sie am letzten Randkörper ausgeführt war — zeigte sich sofort Unfähig- keit des Thieres noch irgend wirksame Contractionen zu machen. Zuerst lag dasselbe sogar ganz regungslos da; bald darauf begann es ohnmächtige — und zwar augenscheinlich rhythmische Con- tractionsversuche — aber am folgenden Tage war die normale Contraetionsfähigkeit durchaus wieder hergestellt und blieb wie bei einem normalen Thiere bestehen. — Schnitt ich, was den ersten Theil der Frage betrifft, z. B. an einem Antimer von rechts und links in die Muskelschichte ein, so dass dieselbe in einen 1) Nachdem Romanes meine Abhandlung kennen gelernt hatte, glaubte er aus derselben schliessen zu müssen, dass ich meine Versuche später als er gemacht habe. Dieser Irrthum ist daraus erklärlich, dass meine Arbeit, welche noch 1873 an die Würzburger Verhandlungen eingeschickt worden war, erst 1874 gedruckt worden ist. Sonderabzüge, welche ich versendet habe, enthalten auf dem Titel die Bemerkung: „Nach einem Vortrag, ge- halten in der physikal.-med. Gesellschaft zu Würzburg am 13. Dezember 1873“ und über diesen Vortrag ist auch in den Sitzungsberichten der Gesellschaft aus dem betreffenden Monate Nachricht gegeben. In den neueren Publikationen des Herrn Romanes — in der Zeitschrift „Nature“ — kommt mein Name gar nicht mehr vor und auch Huxley weiss in bezüglichen Bemerkungen in seiner kürzlich erschienenen Anatomie der wirbellosen Thiere von meinen Untersuchungen nichts, sondern er erwähnt nur diejenigen seines Landsmannes, deren Resultate übrigens mit den meinigen fast durchaus in höchstem Grade übereinstimmen. 398 Dr. Th. Eimer: oberen und in einen unteren Theil getrennt wurde, welche beide noch durch eine Brücke in Zusammenhang standen, so nahm der obere Theil nur so lange an den Contractionen des unteren, rand- körpertragenden, Antheil, als die Brücke eine gewisse Breite hatte — ganz wie beim Durchschneiden der ganzen Körperwand — aber die physiologische Continuität stellte sich bald wieder dauernd her. Was ich schon im Jahre 1873 auf Grund des physiologischen Experiments gefolgert hatte, und schon damals durch einige mor- phologische Thatsachen stützen konnte, dass bei den acraspedoten Medusen in der Umgebung der Randkörper Nervencentren vor- handen sein müssen, welche in zerstreuten Zellen bestehen, nicht aber abgegrenzte „Ganglien“, dass ferner Nervenstränge, wie bei den höheren Thieren hier nieht vorkommen, insbesondere ein Ringnerv nicht vorhanden sei, dass vielmehr der ganze Gallert- körper von Nervenfäden durchzogen sei, — dass das Nervensystem im Wesentlichen beschaffen sei ähnlich dem von mir bei Bero&!) be- scehriebenen — das bestätigten nieht nur diese und andere physiologische, sondern auch ausgedehnte morphologische Unter- suchungen, die ich 1874 an Aurelia und Cyanea gemacht habe, und deren Ergebnisse ich seitdem auch auf Rhizostoma, Pelagia (1876) und Cassiopea (1877) anwenden konnte. Das Nervensystem der Acraspedoten ist demnach folgender- massen beschaffen: Die Randkörper erhalten ihre Festigkeit durch eine Haut, welehe von einer sackartigen Fortsetzung des Gallert- gewebes des Schirmes gebildet wird. Dieser Haut sitzen am Randkörperstiel aussen eylindrische Geisselzellen und dazwischen zapfenartige Bildungen auf, an Gestalt nicht unähnlich den im Auge der höheren Thiere vorkommenden. An der Stelle des oder der Augenflecke sind jene pigmentirt. Beiderlei Zellenarten verschmälern sich nach unten und jede einzelne endigt in ein ausserordentlich feines, varicöses Nerven- fädehen. Der Geisselfaden der Geisselzellen lässt sich in diesen in den Kern hinein verfolgen — ebenso ein feines, Fädchen, welches von der Spitze der Zapfen aus in der Axe derselben nach abwärts zieht — beide treten in den Kern ein und auf der anderen Seite wieder aus, um sich in das Nervenfädchen fortzusetzen. | Auf dem Ötolithensack, wo die Zapfen fehlen, wird das 1) Zoologische Studien auf Capri. I. Ueber Bero& ovatus etc. Leipzig, Engelmann, 1873, Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 399 Epithel mehr niedrig oder geradezu platt und ist ohne Geisseln. Aber auch hier gehen seine Elemente in varieöse Fädchen über. Diese Fädehen bilden auf dem Randkörperstiel durch wiederholte diehotomische Verzweigung einen dichten Filz von Nervenfäserchen von relativ bedeutendem Höhen- durehmesser, eine Masse, welche bei Anwendung geringerer als der stärksten Vergrösserungen ‚wie eine feine Punktsubstanz aus- sieht. Aufdem Otolithensäckchen ist die Faserlage viel dünner und ihre Elemente streben hier gegen den Randkörperstiel nach aufwärts. Unter der Punktmasse des Randkörperstiels findet man Zellen, ähnlich den Bindegewebskörperchen des Gallertgewebs, aber da- dureh von denselben zu unterscheiden, dass sie sich auf Einwir- kung von Reagentien nicht ebenso zusammenziehen, sondern ihre häufig schön varicösen Fortsätze bleibend ausgestreckt halten, ferner dadurch, dass ihre Gestalt meist mehr langgezogen ist. Zuweilen konnte ich den Zusammenhang ihrer Fortsätze mit den Nervenfädchen des Epithels direet beobachten. Diese Nervenzellen stehen andererseits mit einer Unzahl von Nervenfäden in Verbindung, welche in der unterliegenden Gallertwand ihren Verlauf nehmen. Es kommen nun aber die wesentlichsten der beschriebenen Verhältnisse nicht allein am Randkörper vor. Zunächst liegt bei allen von mir untersuchten Formen, ausser bei Cyanea, in der Aussenfläche des Thieres gegenüber der Randkörperwurzel eine kleine Grube, deren Grund von der Höhle der letzteren nur noch durch eine dünne Wand geschieden ist. Diese Grube, welche ihrer wahrscheinlichen Aufgabe nach als Riechgrube bezeichnet werden muss, zeigt in ihrer Auskleidung durchaus dieselben Eigenschaften, wie sie von der Umhüllung des Randkörperstieles beschrieben worden sind, nur fehlen die Zapfen und der Nervenfilz ist nicht so mächtig, die Nervenzellen dagegen reichlich. Vom Rande der Grube an verlieren sich die eigenartigen Einrichtungen und das Epithel geht in das gewöhnliche des übrigen Theils der Körper- oberfläche über. Bei Cyanea ist statt der Grube nur eine seichte Delle vorhanden. Dieselben Verhältnisse finden sich nun weiter und zwar in grösserer, bei verschiedenen Formen übrigens wechselnder Aus- dehnung auch auf der Aussenfläche der Lappen, welchen die Rand- körper ansitzen und von welchen dieselben bedeekt werden, und nicht minder auf ihrer Unterseite, in dem dort gelegenen muskel- 400 Dr. Th. Eimer: freien Bezirk. In dieser Gegend ist auch das Gallertgewebe be- sonders reichlich und in bestimmten Richtungen, vorzugsweise von der Peripherie (z. B. Riechgrube) nach dem Randkörper zu, von Fäden durchzogen, welche dem Nervensystem zugerechnet werden müssen. Nervenzellen liegen unter dem Epithel und sehr zahlreich auch unmittelbar unter der angrenzenden Muskelhaut. Die Ele- mente jener sind hier wie überall nach Art der „Neuromuskel- zellen“ gebaut, d. h. die kernführende Ektodermzelle steht — und zwar zuweilen durch ein langes varieöses Fädehen — in Zusam- menhang mit einem spindelförmigen Muskelfaden. Es sind nun aber offenbar diese Einrichtungen an den Rand- lappen, wie diejenigen an den Randkörpern selbst, nichts anderes, als eine Modification derjenigen, welche sich an der ganzen Körper- oberfläche finden. Am besten lässt sich dies bei Cyanea erkennen, wo die ganze Körperoberfläche aussen von Cylinderepithel bedeckt ist, welches vielfach grosse Aehnlichkeit mit den geschilderten lokalisirten Sinnesepithelien hat, theilweise sogar geisselt. Die per- cipirenden Elemente des Seh-, Hör-, Riech- und Tastsinnes sind also nichts als — und zwar oft nur leicht — umge- wandelte gewöhnliche Ektodermzellen. Ebenso stehen die gewöhnlichen Ektodermzellen bei Cyanea auch über den Umfang der Randlappen hinaus, mit abnehmender Deutlichkeit nach dem oberen Theil des Thieres zu, aber wahrscheinlich allerorten, mit die Gallerte durchziehenden Fädehen in Verbindung und Nerven- zellen finden sich, wenngleich sehr spärlich und höchst unscheinbar, auch hier zerstreut und ebenso unter der Muskulatur. Bei den höheren Formen, deren Gallertgewebe Zellen führt, muss nun offenbar auch ein Theil dieser Zellen dem Nervensystem zugerechnet werden. Solche Zellen liegen ausserordentlich reich- lich im Gebiete der eontractilen Zonen und sind theilweise deut- lich durch Nervenfädehen verbunden. Andere vereinigen sich zeit- weilig dureh Förtsätze zu langen kettenartigen Strängen, und mögen so die Leitung vermitteln. — Unterscheidungsmerkmale zwischen Bindegewebs- und Nervenzellen lassen sich nicht mehr aufstellen — als Abkömmlinge des Ektoderms müssen sie ohnehin alle betrachtet werden. — Bei Cyanea, wo solche Zellen tief in der Gallertsubstanz fehlen, erstreckt sich das Ektoderm in der Umgebung der Randkörper vielfach zapfenartig wuchernd in die- selbe hinein und lässt dort von seinen Elementen reichliche Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 401 Nervenfäden — häufig geradezu büschelförmig — abgehen: es hat hier das Epithel augenscheinlich die Aufgabe von anderwärts abgesonderten Nervenzellen noch mit zu übernehmen, und ist so eine tiefere Stufe der Entwicklung gegeben, welche dieses Thier somit in allen bezüglichen Organisationsverhältnissen einnimmt. Ich "muss mich hier darauf beschränken nur im Allgemeinen auf die Erklärung hinzuweisen, welche die geschilderten morpho- logischen Thatsachen für die physiologischen Versuche geben, und zu bemerken, dass diese Erklärung eine nach allen Richtungen hin vollständige sein dürfte. Nur soviel sei speciell zur Verhütung von Missverständnissen in Betreff meiner Auffassung des centralen Apparates hervorgehoben, dass die Randkörperstiele und die Stelle des Sehirmrandes, an welchem sie ansitzen, offenbar den Central- apparat des Nervensystems im engeren Sinne bilden, d. h. den eoncentrirtesten Theil desselben, da er im weiteren Sinne, ganz wie bei Bero®, in der ganzen Körperoberfläche zu suchen ist. Dass die contractilen Zonen den Randkörperstielen gegenüber eine so grosse Bedeutung für die rhythmische Bewegungsfähigkeit des Thieres haben, erklärt sich wesentlich mit aus ihrer Lage und aus ihrer unmittelbaren Beziehung zur Muskulatur, deren Elemente u. A. bei Cassiopea von ihr radiär in die Umgebung ausstrahlen. Im Einzelnen werde ich die Beziehungen zwischen Organisation und Funktion (Experiment), in meiner ausführlichen Abhandlung über den Gegenstand erörtern. Ich gehe nun über zur Beschreibung des Nervensystems der Craspedoten, welches ich besonders genau bei den Geryoniden und zwar speciell bei Carmarina hastata untersucht habe. Meine Studien an diesem Thiere sind im März und April 1876 in der zoologischen Station zu Neapel gemacht worden. Die Versäumniss, ‚damals keine Experimente zur Controle meiner morphologischen Ergebnisse angestellt zu haben, konnte ich zu meinem grossen Be- dauern im August d. J., da ich hauptsächlich zu diesem Zwecke wieder in Neapel verweilte, nicht nachholen, weil ich während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes dort nur 2 todte, ausserdem verstümmelte Exemplare erhalten konnte. Bei Carmarina hat Häckel einen Nervenring beschrieben, welcher zu 12 Ganglien angeschwollen sei, von deren jedem ein Nerv durch ein zweites Ganglion („Basalganglion“) in ein Sinnes- bläschen eintrete, um sich hier in 2 Sinnesnerven zu theilen. Die 402 Dr. Th. Eimer: Sinnesnerven sollen endlich in einem dritten, den ÖOtolithen um- gebenden Ganglion — „Sinnesganglion“ — endigen. Von jedem Ganglion des Ringnerven aus soll ein Nerv unter der Aussenfläche (Spangennerv), ein anderer an der Innenfläche des Schirms (Radial- nerv) nach oben ziehen. Den Ringnerven konnte ich bald bestätigen, vielmehr fand ich deren zwei, einen unteren, ringsum laufenden und einen über demselben gelegenen, welcher letztere mit je zwei Schenkeln in je ein Sinnesbläschen eintritt. Im Hinblick auf die bei den Acraspe- doten aufgefundenen Verhältnisse, war mir dieser Fund zuerst sehr unbequem. Allein die Uebereinstimmung mit jenen zeigte sich bald: die Ringnerven der Geryoniden sind nichts anderes, als die Summe von Fibrillen, welche aus der Auffaserung des unteren Theils ihnen aufliegender Ektodermzellen hervorgehen. Zwischen den letzteren liegen ausserdem spindeliörmige Zellen, die in je einen Faden auslaufen, welcher sich ebenfalls in den Nerven hinein verfolgen lässt. Ob dieselben alle Nervenzellen sind, oder ob ihrer ein Theil mit gewissen, von der hinteren Wand des Schirmrandringes auf Papillen entspringenden Stützfasern in Ver- bindung steht, ist zweifelhaft. Die Fäden der Ringnerven zeigen vielfach eingeschaltet spindelförmige, wenig Protoplasma, dagegen grosse Kerne enthaltende Zellen. Ausserdem nehmen an der Bildung der Ringnerven noch Ausläufer prachtvoller multipolarer Ganglienzellen theil, die unter dem beschriebenen Epithel ihm aufliegen, aber auch noch ausserhalb seines Bereichs unter den Ektodermzellen des Velums und ebenso nach oben von ihm am’ Sehirmrande gefunden werden. Ihr Inhalt ist fadenartig differenzirt. Uebereinstimmend mit den Verhältnissen wie sie sich bei den Acraspedoten finden, sind es nun aber nicht ausschliesslich die Ektodermzellen eines bestimmten Bezirks, welche Beziehungen zum Nervensystem haben; auch die die obere Aussenfläche des Velums deekenden und andererseits die Ektodermzellen, welche nach oben vom Ringnerven in der Gegend des Schirmrandes ge- legen sind, zeigen — und zwar mit der Entfernung vom Rande in abnehmender Deutlichkeit — einen faserig differenzirten Inhalt, welcher sie schon morphologiseh als Nervenzellen erscheinen lässt. Ebenso sind nun auch die die Unterseite des Schirmes deekenden Ektodermzellen beschaffen. Sie zerfasern sieh dort vielfach, z. B. sehr schön auf und neben den radialen, von Häckel fälschlich Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 403 für Nerven (Radialnerven) gehaltenen Muskelzügen, nach beiden Seiten geradezu in feine Nervenfibrillen. Einzelne solcher Zellen bekommen häufig auch sonst mehr und mehr die Eigenschaften typischer Ganglienzellen. Ausserdem liegen unter diesen Ektoderm- zellen der Unterseite des Schirmes prachtvolle Ganglienzellen, bilden hier eine subepitheliale Schieht. — Die ringförmig ver- laufenden Muskelelemente der Subumbrella sind auch hier wesent- lich wie ‚„Neuromuskelzellen“, aber doch im Speeiellen höchst eigenartig gebaut. Damit sind die Bauverhältnisse des Nervensystems der Geryo- niden noch nicht erschöpft. Im Schirmrandring — so nenne ich das zwischen Schirmrand und Velum eingefügte, innen von einer Gallert- wand, aussen von Nervenepithel gebildete Rohr, in dessen unterem Raume die Ringnerven eingelagert sind — im Schirmrandring und zwar an der hinteren Wand desselben, liegt noch eine Reihe von Zellen, welehe ganz unabhängig von den geschilderten faserigen Nerven verlaufen und je unter der Basis eines Sinnesbläschens eine Ansammlung bilden — den „Ganglienknoten des Ringnerven“ Häckels. Von diesem Ganglion — denn ein solches ist es in der That, wenngleich es mit dem Ringnerven nichts zu thun hat — setzt sich nach oben je ein zuerst mehrreihiger, dann ein- reihiger Zellenstrang fort, um über dem Sinnesbläschen weg und unter dem Ektoderm der Aussenfläche des Thieres eine Strecke weit nach aufwärts zu ziehen. Diese Zellen geben seitlich Fäden ab, die, gemischt mit solchen, welehe direkt vom Ganglion kommen, einen im Umfang des Zellenstranges und mit ihm radial nach aufwärts ziehenden Faserzug — den ‚„Spangennerven“ bilden. Der Zellenstrang selbst, welcher also dem Nervensystem zu- gehört, wurde von Häckel unter dem Namen der „Mantelspange“ als knorpeliger Stützapparat des Schirmrandes beschrieben. Der übrig bleibende Raum des Schirmrandringes ist erfüllt von eigenartigen Zellen, welche von Häckel gleichfalls als Knorpel- zellen und einen knorpeligen Stützstrang des Schirmrandes bildend beschrieben worden sind, aber schon desshalb nicht in diesem Sinne aufgefasst werden können, weil sie von allen Zellen des Körpers den geringsten Zusammenhang haben und schon beim leichtesten Eingriff auseinander fallen. Es bleibt nun noch übrig, die Sinnesorgane der Carmarina zu beschreiben. 404 Dr. Th. Eimer: Das „Basalganglion“ Häckels kann ich nicht finden; sein „Sinnesganglion“ aber ist kein solches, besteht vielmehr aus den Ötolithen umgebenden pereipirenden Sinneszellen. Die vom oberen Ringnerven gebildeten Sinnes- (Hör-) Nerven treten je zu zweien in ein Sinnes- (Hör-) bläschen, steigen an dessen seitlichen Wänden nach aufwärts und biegen sich zuletzt gegen die den Otolithen umschliessende Zellenhülle herab, um zwischen den Elementen derselben sich einzusenken. Diese letzteren bilden, auf einer den Otolithen umgebenden häutigen Kapsel aufsitzend, eine einfache Lage von eylindrischen Epithelzellen. Jede dieser Zellen geht nach unten in ein Nervenfädchen über; die Summe der Nervenfädchen legt sich über die Kapsel hin und bildet, zu zwei Bündeln sich vereinigend, die nach oben austretenden Hör- nerven. Jedes Nervenfädchen sieht man in der Zelle hinauistreben bis gegen den Kern. Aus der Basis jeder der Hörzellen tritt ein ungemein langer Geisselfaden aus, der wohl in einer das Hör- bläschen erfüllenden Flüssigkeit schwimmt. Den Geisseifaden kann man gleichfalls mehr oder weniger weit in die Zelle hinein verfolgen. Er ist wahrscheinlich die Fortsetzung des Nerven- fädchens. Abgesehen von anderen Geryoniden, fand ich bei den übrigen Craspedoten das Nervensystem nicht so ausgeprägt differenzirt wie bei Carmarina. Gröbere Fäden, wie sie z. B. von F. E.-Schulze bei Sarsia als Elemente eines Nervenringes beschrieben worden sind, ebenso die Fäden der dort als Radialnerven bezeichneten Stränge, gehören dem Muskelsystem an. Die Nervenfädchen sind stets umgemein fein und in den meisten Fällen habe ich sie nur als Fortsätze, besonders der Sehzellen oder der Ganglienzellen zu Gesicht bekommen. Aber auch die Ganglienzellen sind gerade bei Sarsia z. B. höchst unscheinbar und von gewöhnlichen Ekto- dermzellen kaum zu unterscheiden. In den die Augen tragenden Anschwellungen des Schirmrandes dieses Thieres finde ich ihrer je eine grosse Ansammlung. Viel ansehnlicher, übrigens von allen Grössen und ebenfalls ausserordentlich reichlich, sind sie bei Bougainvillea in den pigmentirten, am Schirmrand sitzenden Polstern zu finden, unter welchen die Tentakel hervortreten. Ver- schiedentlich sind übrigens schon die den Schirmrand deckenden Ektodermzellen durch grosse Kerne und durch faserige Bildung des Inhalts leicht als Nervenzellen zu erkennen. Wahrscheinlich Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 405 dürfte sich ein eigentlicher körperlich umschriebener Ringnerv bei den meisten niederen Craspedoten noch nicht als ausgebildet erweisen. Schliesslich sei bemerkt, dass auch die im Innern der Ten- takel von Craspedoten vorkommenden verzweigten Zellen, wie sie bei manchen Formen als Knorpelzellen beschrieben worden sind, ihren Eigenschaften nach, wenigstens da wo ich sie untersucht habe, nicht als solche, sondern als Nervenzellen betrachtet werden müssen, welche dann wohl gleich den Zellen des Spangennerven aus dem Schirmrandring als Wucherung des Ektoderms herstam- men möchten. Ueber die manichfachen Ergebnisse, welehe mir die Unter- suchung der Sinnesorgane der Craspedoten — abgesehen von den Geryoniden — geliefert hat, kann ich der Kürze der Zeit wegen leider nicht mehr berichten. Aus dem Mitgetheilten aber geht hervor, dass das Nervensystem der Medusen nichts anderes ist, als eine Diiferenzirung des Ektoderms und seiner Abkömmlinge, welche in bestimmten Bezirken, vor Allem gegen den Schirmrand hin, zunimmt, entweder in dessen ganzem Umfang (Geryoniden), oder vorzugsweise in der Um- sebung der Randkörper (Acraspedoten). Es steht somit dieses Nervensystem, wie vorausgesetzt, in voller Uebereinstimmung mit jenem der Ctenophoren (Bero&), mit der unwesentlichen Ein- schränkung, dass bei diesen die grösste Anhäufung der Nerven- elemente nicht am Rande, sondern am aboralen Pole statthat. Zusatz: Die Eingangsworte meiner oben eitirten, im Jahre 1873 verfassten Abhandlung „Ueber künstliche Theilbarkeit von Aurelia aurita und Cyanea capillata in physiologische Individuen“ zei- gen, dass ich die in denselben geschilderten Versuche angestellt habe, „um die an Bero& ovatus über das Nervensystem der Coelen- teraten von mir begonnenen Untersuchungen zunächst an Scheiben- quallen fortzusetzen.“ Auf Seite 21 der Abhandlung machte ich die Mittheilung, dass ich körperliche Ganglien in den von mir unter- 406 Dr. Th. Eimer: suchten Thieren nicht habe auffinden können, dass ich dagegen ungewöhnlich zahlreiche Nervenelemente (Fasern und Zellen) in der Umgebung der Randkörper treffe, Elemente, welchen ohne Zweifel zum Theil die Aufgabe zufalle, die contractilen Zonen zu beherrschen, während sie zum anderen Theile zu den Randkörpern selbst treten. — In dem im vergangenen Frühjahr in diesem Archiv von mir erschienenen Aufsatz, betitelt: „Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns“ ete., habe ich wiederholt auf die inzwischen von mir bei Craispedoten erlangten histologischen Resultate, insbe- sondere an Carmarina, Bezug genommen und habe auch einzelne Ab- bildungen darüber gegeben. Meine Ergebnisse an Aurelia und Cyanea sind schon im Jahre 1874 an der Ostsee, die an Carmarina im Jahre 1876 in der zoologischen Station zu Neapel gewonnen. Ich habe die- selben seitdem wiederholt in meinen Vorlesungen öffentlich vor- getragen, auch verschiedenen Fachgenossen mitgetheilt und demon- strirt. Besondere Verhältnisse haben die Vollendung meiner Ab- handlung, die demnächst selbstständig erscheinen wird, verzögert. Auch fehlten mir noch einige physiologische Versuche, die ich im verflossenen August in Neapel an Carmarina ausführen wollte und ebensolche an Acraspedoten, die ich an Cassiopea und Rhizostoma auch wirklich ausgeführt habe. Ich hoffte ein Thema, mit dem jeder Zoologe mich beschäftigt wusste, in Ruhe nach allen Seiten behandeln zu können ohne genöthigt zu sein, meine Ergebnisse dureh vorläufige Mittheilungen zu privilegiren. Als ich acht Tage vor der Münchener Versammlung von Neapel nach Tübingen zurückkehrte, traf ich eine Arbeit _ von Claus (Studien über Polypen und Quallen der Adria, Denkschr. d. k. Akad. d. W. math.-natw. Cl. XXXVI. Bd. I. Abth. 1877), welche einige vorläufige Nachrichten über das Nervensystem der Acraspedoten enthält. Claus beobachtet, dass in dem verdickten Ektodermepithel des Randkörperstiels „eine tiefe Lage von Gang- lienzellen und Nervenfibrillen enthalten ist“. An der Basis des Randkörpers sollen sich zwei Ganglien finden, welche als sensible Centren und als Ausgangspunkt für die spontanen Bewegungen des Schirmmuskels betrachtet werden. Ausserdem soll „sehr wahr- scheinlich noch eine Menge grösserer Ganglienzellen unter dem Epithel der Ringmuskulatur zerstreut liegen“ (Aurelia, Chrysaora). Ferner erwähnt Claus die Riechgrube in dieser Eigenschaft und sieht Nervenfäden von ihr ausstrahlen. Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 407 Es ist hier nieht der Ort, auf diese Angaben specieller ein- zugehen — trotz der unbestimmten Fassung derselben ist ersicht- lich, dass Claus einige der von mir beschriebenen Dinge vor sich gehabt, wenn auch noch nicht genau untersucht hat. — Seine „Ganglien* kann ich nicht finden. f Obigen Vortrag, den ich kurz darauf in München gehalten habe, konnte ich dort schon durch einige fertige lithographirte Tafeln über das Nervensystem von Carmarina aus meiner in Aus- führung begriffenen Abhandlung illustriren. Etwa drei Wochen nach meiner Rückkehr von München (am 10. Oktober), nachdem der Vortrag zum Zweck der Aufnahme in den Bericht über die Natur- forscherversammlung längst dem Sekretär der Sektion zugestellt war), erhielt ich eine weitere vorläufige Mittheilung „Ueber das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen“ von O. und R. Hertwig. Die Verfasser haben, gleich mir, unter den Cras- pedoten vorzugsweise Carmarina behandelt und ihre Resultate stimmen mit den meinigen in den wesentlichsten Dingen durch- aus überein, soweit sie die von mir beschriebenen Thatsachen gleichfalls behandeln. Weniger weit sind sie bei den Acraspedoten gekommen, indem sie hier den Epithelbelag der Randkörperstiele ausschliesslich für das Nervensystem halten. Es gereicht mir zur Freude und der Wissenschaft zum Vor- theil, dass, wie früher meine physiologischen, so nun auch meine morphologischen Untersuchungen über denselben Gegenstand eine so rasche Bestätigung finden, um so mehr, als die Lösung der Frage nicht zu dem Leichtesten gehört. Nur wird man mir einige Ueberraschung bei dem Lesen der Hertwig’schen Mittheilung zu Gute halten darüber, dass die Ver- fasser sich des Breiteren einleitend darüber auslassen, welche mor- phologischen Erwägungen sie zur Behandlung des Themas veran- lasst haben und wie sie an die Untersuchung gegangen seien in der Hoffnung, durch Anwendung der histologischen Methoden, wie sie hauptsächlich durch Max Schultze eingeführt seien, zu be- stimmten Resultaten zu gelangen. Es dürfte für jeden mit der bezüglichen Literatur Vertrauten klar sein, dass es nach meinen Arbeiten angestrengter Reflexionen 1) Man vergleiche diesen Bericht. 408 Dr. Th. Eimer: Ueb. künstl. Theilbarkeit u. üb. d. Nervensyst. d. Medusen. nicht mehr bedurfte, um zu wissen, welche Methoden man zur Un- tersuchung des Nervensystems der Quallen anwenden müsse (Bero&), um zu vermuthen, wo und in welcher Form dasselbe zu suchen sei, endlich, um zu schliessen, welche phylogenetische Bedeutung dieses Deeknervensystem habe. So sehr willkommen mir die geschickte Mitarbeiterschaft an dem Thema an sich ist, so sehr wünschenswerth muss es mir auf der anderen Seite sein, anerkannt zu sehen, durch wessen Thätigkeit die leitenden Fragen gestellt, in wie weit zur Lösung für Andere vorbereitet und in ihrer Bedeutung von vornherein gewürdigt worden sind. Tübingen am 17. Oktober 1877. Nachtrag zu der Arbeit des Herrn Dr. B. Afanassiew $. 343. Bezüglich der Entstehung der concentrischen Körper wolle man noch folgende Angaben von Cornil und Ranvier (Manuel d’histologie pathologique, Paris, 1869, pag. 133—136 Sarcöme an- giolithique — ), welche erst nachträglich zu meiner Kenntniss ge- kommen sind, vergleichen: „Les vaisseaux sanguins sontnombreux dans ces tumeurs et lais- sent facilement isoler par la dissoeiation. .... .... Aussi observe-t-on constamment des bourgeons ereux qui conimuniquent avee la lu- miere vasculaire. Ces petits bourgeons en s’accroissant, se pedi- eulisent. Les @l&ments cellulaires aplatis et superposes en couches concentriques dans la paroi du bourgeon s’inerustent de sels cal- caires. Ce processus est de tout point semblable aux modifications physiologiques des vaisseaux du plexus choroide. ..... La sou- dure de ces @löments est iei tout a fait semblable & la soudure des @l&öments des parois vasculaires, dont ils font partie par leur mode de developpement. Il est facile de constater que ces globes sont toujours en rapport avee les vaisseaux, ce qui les &loigne par cela m&me des globes 6pidermiques. ..... Dans d’autres parties du corps et en partieulier dans le thymus on rencontre tr&s frequemment des globes ä couches eon- centriques, caleifies ou non, qui dependent aussi de pa- rois vasceulaires et qui reconnaissent la m&me origine.“ Beiträge zur Anatomie der Retina. Von Dr. Carl Heinemann in Vera Cruz. Hierzu Tafel XXV. Erste Abhandlung. Trotz zahlreicher und gründlicher Untersuchungen sind un- sere Kenntnisse über den Bau der Retina noch in vieler Beziehung lückenhaft, namentlich ist die Retina der Reptilien noch unvoll- kommen bekannt, grösstentheils wohl deshalb, weil europäischen Forschern nur sehr wenige Formen zu Gebote stehen. Während meines mehr als lOjährigen Aufenthalts in dem heissen Küsten- lande des Staates Vera Cruz habe ich mich in den letzten 6 Jahren, soweit es die Thätigkeit als praktischer Arzt und meine schon stark geschwächte Gesundheit gestatteten, mit Untersuchung der Retina beschäftigt und will im Folgenden die bisher gewonnenen Resultate mittheilen. Den Plan, damit zu warten, bis eine an- ‚nähernde Vollständigkeit in Bezug auf die zugänglichen Arten er- reicht sein würde, habe ich aufgeben müssen, ich werde meine Mittheilungen in mehr ungeordneter Weise je nach Bewältigung des Materials machen. Da es mir unmöglich war alle Originalarbeiten nachzulesen, erkläre ich vorweg, dass meine Angaben sich hauptsächlich an M. Schultze’s Darstellung in Striekers Handbuch anlehnen werden, und dass mir ausser diesem Werk noch das Archiv für mikroskopische Anatomie, Leydig’s Histologie, Bronn’s Klassen ete., das Centralblatt und die Henle’schen, jetzt Hoff- mann-Schwalbe’schen Jahresberichte zu Gebote stehen. Archiv £, mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 27 % 410 Dr. Carl Heinemann: Die Methode betreffend kam neben Beobachtung der frischen Retina in künstlichem Serum oder Glaskörperflüssigkeit ausschliess- lich 1°/, Lösung von Os.-S. zur Verwendung. Alle Untersuchun- gen wurden mit einem Zeiss’schen Objektiv F und Ocular 2 und 3 angestellt. I. Retina der Amphibien. Hier bespreche ich für heute nur zwei Thiere, den Tlaco- netl und den Axolotl, deren Netzhäute unser Interesse in hohem Grade in Anspruch nehmen. a) Retina des Tlaconetl. Der mexikanische Volksmund bezeichnet mit dem Namen Tlaconetl (eorrumpirt aus Tlaleonetl, tlalli, Erde und conetl, Sohn, Kind) eine Reihe von Erdsalamandern, welche der Gattung Spe- lerpes angehören. Die einzige von mir untersuchte, sowohl in den heissen als gemässigten Landstrichen der Ostküste Mexikos häu- fige Art, will ich, da sie nur wenigen Lesern bekannt sein dürfte, kurz beschreiben. Ich werde sie von jetzt ab einfach als Tlaeo- netl bezeichnen. Der Tlaconetl ist ein nächtliches Thier, welches an feuchten Orten und unter Steinen lebt und beispielsweise in den Hofräu- men der Häuser häufig angetroffen wird. Das grösste von mir ge- fangene Exemplar mass 20 Cm. Leib von oben nach unten zusam- mengedrückt, Kopf platt, Schnauze abgerundet, Schwanz fast so lang als der Körper, rund, Greifschwanz. Vorderfüsse 4, Hinter- füsse 5 durch Schwimmhäute verbundene Zehen ohne Krallen. Sehr kleine Zähne in den Oberkiefer und Pflugbeinen, zahlreiche schräg von hinten und aussen nach vorn und innen gerichtete Zahnreihen im Keilbein. Unterkiefer nur der vordere Theil zahn- tragend; Zunge lang, vorn ähnlich wie beim Chamäleon zu einer Scheibe verbreitert; Augen klein, Pupillen rund; Farbe der Bauch- seite schwarz, Rücken glänzend dunkelbraun oder graugelb. Die Retina des Tlaconetl ist durch zwei Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet: die auffallende Grösse der speeifischen Elemente in der Stäbehen-, der Körner-, und der Ganglienzellenschicht und Beiträge zur Anatomie der Retina. 411 die geringe Entwicklung des Stützfasersytems, Eigenthümlichkeiten, welche eine vollständigere Trennung beider Systeme gestatten als bei irgend einem anderen bisher von mir untersuchten Thier. In der Stäbehenschicht, wie ich sie der Kürze wegen immer nennen werde, finden sich zwei Hauptgruppen von Elementen, Stäbehen und Zapfen, deren Verhältniss zu den äusseren Körnern ein so wesentliches ist, dass man beide in der Beschreibung nicht trennen kann, ja sogar besser thut, von letzteren auszugehen. An feinen Schnitten sieht man die äusseren Körner in zwei Reihen angeordnet, von denen die äussere durch die Stäbchen, die innere durch die Zapfenreihe gebildet wird. Die Ersteren entsen- den nach Innen eine starke Faser, welche sich zur äusseren gra- nulirten Schieht in bekannter Weise verhält, die Letzteren sitzen derselben entweder ganz auf oder vermitteln die Verbindung durch eine kurze und breite sich theilende Faser. Die Stäbehenkörner sind kugliger oder ellipsoider, die Zapfenkörner von Flaschenform; der lang ausgezogene Hals der Flasche trägt den eigentlichen Zapfen. Das Mittel aus 6 Messungen der häufigsten Formen ergab für erstere 0,022 Mm. Breite und 0,04 Länge, für letztere 0,02 Breite und 0,034 Mm. Länge, dieselbe nur bis zum Abgang des Halses gerechnet, dessen Länge ziemlich stark variirt. Betrachten wir zunächst genauer den Stäbchenapparat (Stäb- chen, Korn und Faser), so sehen wir, dass das Korn fast ganz von dem scharf contourirten Kern gefüllt wird, welcher an Os.-S- Präparaten ein trübfeinkörniges Aussehen und 1 oder 2 Kernkör- perchen erkennen lässt. Dem Korn schliesst sich nach Aussen unmittelbar das Innenglied des Stäbchens an, an welchem man zwei Abtheilungen unterscheidet, eine innere, im Allgemeinen von der Form eines abgestumpften Kegels und eine äussere, welche einen structurlosen Körper von nicht constanter Gestalt enthält, der sich in Os.-S. gelblich färbt. Wie die Zeichnungen erläutern, ist das Innenglied von verhältnissmässig geringer Ausdehnung und macht auf den Beobachter viel mehr den Eindruck eimes Anhangs des Korns als eines selbständigen Gebildes. Weiterhin werden wir Stäbehenformen kennen lernen, welche es in der That in hohem Grade wahrscheinlich machen, dass das Innenglied nichts ist als ein differenzirter Theil des äusseren Korns. Die Grösse unserer Elemente musste die Hoffnung erwecken, nähere Einsicht in den feineren Bau derselben zu gewinnen; na- 412 Dr. Carl Heinemann: mentlich interessirte mich die Frage, ob sich am Korn oder Innen- gliede eine fibrilläre Textur nachweisen lasse. Dies ist nun trotz aller darauf verwendeten Sorgfalt nicht gelungen, und muss ich mich auf wenige düritige Angaben beschränken. Die innere Ab- theilung des Innengliedes ist entweder homogen oder schwach körnig; in letzterem Falle sieht man, wie die körnige Masse con- tinuirlich in die unbedeutenden Protoplasmamengen übergeht, welche sich zuweilen neben dem Kern des äusseren Korns vor- finden. Der homogene Körper in der äusseren Abtheilung des Innengliedes darf nicht als Analogon des linsenförmigen Körpers bei anderen Thieren angesehen werden, einmal seiner Gestalt wegen und dann weil er sich in Os.-S. gelblich und nicht blauschwarz färbt, wie dies meiner Erfahrung nach bei letzterem durchgängig der Fall ist. Diesem Körper sitzt das Aussenglied auf, welches wie man an gelungenen Präparaten sieht, in der Pigmeitschicht abgerundet endigt. Das Mittel aus 6 Messungen ergab 0,02 Mm- Durchmesser. Frisch in Serum untersucht zeigen die Aussen- glieder sehr scharf die bekannte Längsstreifung, welche an der Grenze des Innengliedes wie abgeschnitten aufhört. Vorgreifend muss ich jetzt Verhältnisse besprechen, welche eigentlich ihre Stelle bei Beschreibung des Stützfasersystems fänden, deren Erwähnung aber schon hier geboten erscheint. Bei scharfer Einstellung auf die Oberfläche eines Stäbehenkorns wird eine zarte Linie bemerkbar, welche das Korn scheinbar in zwei Theile theilt und sich bei weiterer Beobachtung als Ausdruck der limitans ext. erweist. Mit dieser Grenzschicht des Stützgewebes stehen Hüllen für die Elemente der Stäbchenschieht in Verbindung, die mit der Oberfläche derselben verschmelzen. Dass es sich um wirkliche Hüllen handelt, sieht man an Präparaten, bei welchen die äusseren Körner dieselben nicht vollständig füllen; es erscheint dann das Korn wie in eine Röhre hineingestülpt. Später bei anderen Thieren werden wir sehen, dass das Korn häufig ganz in diese Hülle aufgenommen wird und sich also nach aussen von der limi- tans ext. befindet; reisst ein solches Präparat an der limitans ext. ab, so kann man bei geeigneter Stellung in die Hülle hinein und die Stäbehenfaser aus derselben heraustreten sehen. In dieser Be- ziehung können meine Beobachtungen nur dazu dienen, die von Beiträge zur Anatomie der Retina. 413 Landolt (siebenter Band dieses Archivs) zu bestätigen und zu er- weitern. Bei dem Tlaconetl ist immer nur die Hälite, oft sogar nur ein sehr schmaler Abschnitt des Korns in die Hülle auige- nommen. Die Stäbehenfasern erscheinen häufig structurlos, häufig aber lassen sie einen trüben Inhalt unterscheiden, von dem man in ein- zelnen Fällen nachweisen kann, dass er mit dem Protoplasma des Korns in Continuität steht. Sehr rasch bilden sie feinere und _ gröbere Varieositäten wie die retinalen Fasern des opticus, denen sie in Allem aufs Haar gleichen. Als merkwürdige Ausnahme ist zu erwähnen, dass die kegelförmige Anschwellung der Stäb- chenfaser an der äusseren granulirten Schicht sich beim Tlaconetl dureh Os.-S. nicht schwarz färbt, sondern farblos bleibt. Wir haben nun noch die von der Regel abweichenden Stäb- chenformen zu beschreiben. Es lassen sich folgende Gruppen solcher Abweichungen unterscheiden: 1) Das Stäbchen gewinnt ein von der Regel abweichendes Aussehen je nach verschiedener Grösse und Gestalt der inneren Abtheilung des Innengliedes. | 2) Das Korn verlängert sich in einen kolbigen Fortsatz, welcher das Stäbchen trägt. (Seltene Form.) 3) Ziemlich häufig finden sich sehr sonderbare und wie ich glaube noch nieht beschriebene Stäbchen, welche sich in Os.-S. total blauschwarz färben, während dies sonst bekanntlich nur mit dem Aussengliede der Fall ist. Die letzteren geben sich auch hier durch die bekannte Quer- scheibenbildung zu erkennen, die Innenglieder, welche häufig einen länglichen Körper enthalten, spitzen sich allmählich zu und gehen ohne Vermittlung eines Korns in die granulos. extr. über. In dem sich zuspitzenden Theil wurden einige Male Vacuolen beobachtet. Wir werden diesen Formen noch öfter begegnen; leider ist es mir nicht gelungen nachzuweisen, ob sie auf eine bestimmte Region der Netzhaut beschränkt sind. Mit der von Schwalbe beim Frosch entdeckten selteneren Stäbehenform hat die unsrige offen- bar nichts gemein. 4) Sehr interessant sind allerdings seltene Formen, bei denen es zur Ausbildung des eigentlichen Stäbehens gar nicht gekommen ist, sondern das Korn sich in einem eylindrischen Fortsatz ver- längert, in welchen hinein sich ein entsprechender Kernfortsatz 414 Dr. Carl Heinemann: erstreckt. Die Entwicklung ist hier auf halbem Wege stehen ge- blieben. Das Korn, Abkömmling der ursprünglichen Bildungs- zellen, hat sich angeschiekt durch Auswachsen das Stäbehen zu bilden, die Differenziation des ausgewachsenen Theiles ist aber unterblieben. Zapfen müsen zwei Arten unterschieden werden; die einen haben ein bauchiges Innengewebe und zwei Körper in dem äusseren Theil desselben, von denen der kleinere äusserste, welcher eine Art Kappe oder Aufsatz bildet, sich in Os.-S. gelblich, der andere innere dagegen, ein echter linsenförmiger Körper, sich blauschwarz färbt, die anderen haben ein schlankeres Innengliede mit nur einem kleinen sich in Os.-S. blauschwarz färbenden Körper. Beide Zapfenarten kommen auch zu Doppelzapfen vereinigt vor. Wie bei den Stäbchen finden sich Formen, bei welchen die Entwick- lung des äusseren Korns zum vollständigen Zapfenapparat unter- blieben ist. Mit der limitans extr. zusammenhängende Hüllen haben die Zapfen mit den Stäbchen gemein. Sehr interessant ist die feinere Structur des Zapfenkerns. Der Kern, von gleicher Beschaffenheit wie beim Stäbchenkorn, füllt dasselbe fast vollständig aus und verlängert sich in den den Zapfen tragenden Fortsatz um mit dem Inhalt des Innengliedes zu verschmelzen. Dies der gewöhnliche Befund; in nicht sehr seltenen Fällen aber erkennt man, wie vom Kern eine spiralig ge- wundene Faser in den Fortsatz aufsteigt und sich im Innengliede verliert. Die innere Abtheilung des Innengliedes zeigt einen von dem des Korns abweichenden, mehr grobkörnigen, wie zerklüf- teten Bau. Die granulosa ext. ist von sehr geringer Mächtigkeit; Zellen konnte ich nicht in ihr nachweisen, wohl aber horizontal verlau- fende, dem Stütziasersystem angehörende Fasern. In der inneren Körnerschicht findet sich nur eine Art Zellen von rundlicher, ovaler, polygonaler oder kolbiger Form, welche sich ganz wie die unzweifelhaiten Ganglienzellen verhalten. Das Mittel aus sechs Messungen runder Formen ergab 0,022 Durchmesser. Nieht selten findet man zwei Zellen in einer Weise verbunden, welche von Auerbach als opponirte Stellung zweier Ganglienzellen bezeichnet worden ist. Der trübfeinkörnige Kern füllt die Zelle _ fast vollständig aus und lässt 1 oder 2 Kernkörperchen erkennen. Sehr häufig werden Zellen mit 2 Fortsätzen beobachtet, einem dün- Beiträge zur Anatomie der Retina. 415 neren und einem diekeren; wenn, was selten geschah, an feinen Sehnitten beide sichtbar waren, erwiessich jedesmalder peripherische als der diekere. Ueber das Schicksal dieser Fortsätze, einen der wichtigsten Punkte in der feineren Anatomie der Retina, bin ich zu einem befriedigenden Abschluss noch nicht gekommen; der centrale konnte einige Male weit in die granulos. int. verfolgt werden, wobei eine Theilung desselben in 2, ja selbst 3 feinere Fasern mehrmals beobachtet wurde; nie gelang es eine Verbin- dung mit den Ganglienzellen nachzuweisen. Der peripherische Fortsatz endigt an der granulos. ext. ganz wie die Stäbchenfaser mit einer kegelförmigen Anschwellung. Die ausgezeichnete Klar- heit der Retina-Präparate beim Tlaconetl lässt mich die Hoffnung nicht aufgeben, in diese Verhältnisse bei fortgesetzter Untersuchung und namentlich mit verbesserten Methoden mehr Licht zu bringen. Die Struetur der Fortsätze betreffend lässt sich an ihrem Ur- sprung leicht erkennen, dass die Kernmasse sich in die Faser ver- längert, weiterhin erscheinen sie structurlos und sind in nichts von den retinalen Opticusfasern zu unterscheiden, mit denen sie auch die Neigung theilen, feinere und gröbere Varicositäten zu bilden. In grösseren Varicositäten beobachtet man einen trüben Inhalt und zuweilen Vacuolen. Man muss sich hüten den inneren Körnern anklebende und sie umspinnende Stützfasern für Zellfortsätze zu halten, doch ist dies beim Tlaconetl der Klarheit der Bilder und der Grösse der Elemente wegen kaum möglich. Die Mächtigkeit der inneren Körnerschicht beträgt durchschnittlich 6 Reihen Körner. Von der granulosa int. wird weiter unten die Rede sein. Die Ganglienzellenschicht wird von 3 Zellenreihen ge- bildet; die Zellen selbst stimmen in Form, Grösse und Struetur so vollkommen mit den inneren Körnern überein, dass an der Identität beider nicht gezweifelt werden kann. Das radiäre Stützfasersystem tritt beim Tlaconetl so gegen die übrigen Gewebe zurück wie bei keinem andern bisher von mir untersuchten Thier. Man kann viele Schnitte durchmustern ohne die gröberen von der limitans int. aufsteigenden Fasern zu Gesicht zu bekommen; dennoch existiren sie, wenn auch in ver- ‚hältnissmässig grossen Zwischenräumen, und kann man, wie ich hervorhebe, bestimmt nachweisen, dass ein Theil derselben die granulos, ext, durchsetzt und an der limitans ext. 416 Dr. Carl Heinemann: endigt. Ich kann den Einwurf, dass hier ein Irrthum möglich ist, durehaus nieht zulassen. Noch ein anderer Umstand kommt der Trennung der spezi- fischen von den stützenden Elementen zu Statten, dass nämlich die Stützfasern sich allerdings theilen und in feinere Fäserchen auf- lösen, es aber nie zur Bildung jenes spongiösen Gewebes kommt, welches bei anderen Thieren der Untersuchung so hinderlich ist. Interessant ist die Thatsache, dass beim Tlaconetl nichts den Schultze’schen Faserkörben analoges vorkommt. b) Retina des Axolotl. Ich kann diesen Abschnitt nicht beginnen, ohne mich des Herrn Kaufmann Rapp, früher in der Hauptstadt Mexiko, und meines Collegen Dr. Semeleder dankbar zu erinnern, da ich durch die Güte derselben Gelegenheit hatte, eine grosse Anzahl Axolotl zu untersuchen. Die Retina des Axolotl (Ajolotl soviel als arrugadodel agua; xolotl del verbo xolochoa, arrugarse, plegarse, tal vez porqu6 su piel es muy rugosa. Nach Eugenio Mendoza, apuntes para un catalogo razonado de las palabras mejieanas introduridas al Cas- tellano. Mexico 1872) stimmt in den speeifischen Elementen, die Grössenverhältnisse abgerechnet, fast vollständig mit der des Tla- conetl überein, unterscheidet sich aber durch die starke Entwick- lung des Stützfasersystems. In der Stäbehenschicht finden sich in regelmässiger Abwechs- lung grössere Stäbehen und viel kleinere Zapfen; bei Beobachtung der äusseren Retinafläche im frischen Zustand ist nur die Mosaik der Stäbehenaussenglieder sichtbar, von den Zapfen bekommt man eine Anschauung nur an Stellen des Präparats, wo die Elemente umgelegt sind; hier bietet sich auch Gelegenheit, bei fortschrei- tender Verdunstung der Flüssigkeit die Stäbehenfaser in ihrer na- türlichen Verbindung mit dem Stäbehen und ihr konisch ange- schwollenes Ende an der granulos. extr. zu beobachten. Sehr schnell nehmen diese Fasern eine varicöse Beschaffenheit an, gerade wie die retinalen Opticusfasern. Betrachten wir nun zu- nächst genauer die Stäbehen, so fällt bei Beobachtung im frischen Zustand die ausserordentlich scharf ausgeprägte Längsstreifung der Aussenglieder auf, deren Deutlichkeit übrigens individuellen Schwan- kungen unterworfen ist. Der Querdurchmesser der Aussenglieder Beiträge zur Anatomie der Retina. 417 beträgt durchschnittlich 0,014; sie enden abgerundet in der Pig- mentscehicht. Das Innenglied ist meistens ziemlich kurz und ent- hält dieht unter dem Aussengliede einen rundlichen Körper, welcher wenn jenes abgebrochen ist, über die Bruchfläche emporragt. Eine mit der limitans ext. zusammenhängende Hülle des In- nengliedes ist mit der grössten Bestimmtheit nachzuweisen; da, wo sie an isolirten Stäbchen fetzig abgerissen ist, kann man bei ge- eigneter Lage des Präparates in die Höhle des Innengliedes hin- einsehen. In Bezug auf die Stäbchenkömer begegnen wir denselben Verhältnissen wie beim Tlaconetl, sie sind häufig theilweise, meist sogar ganz in die Hülle des Innengliedes eingeschlossen, so dass man die Stäbehenfaser aus demselben heraustreten sieht. Aehn- liche Bilder, wenn auch lange nicht mit derselben Klarheit, wieder- holen sich beim Frosch und haben zu der Annahme einer Axen- faser im Innengliede Veranlassung gegeben. Bei Reptilien trifft man eine solche in der That an, doch sind hier, wie wir sehen werden, die Verhältnisse sehr complieirt. Ausser dieser gewöhnliehen Stäbcehenform lassen sich noch folgende andere unterscheiden. 1) Innenglied und Korn sind bedeutend grösser, das Korn zuweilen so gross, dass es, wie dies bei den Zapfenkörnern die Regel ist, die ganze Tiefe der äusseren Körnerschieht einnimmt. Die Länge des Innengliedes variirt ziemlich stark. Es sind diese Formen sehr interessant, weil sie auf das Klarste die engste Zusammengehörig- und Abhängigkeit vom Korn und Stäbehen demonstriren. Innenglieder und Korn hängen eontinuirlich zusammen der Art, dass das Protoplasma des Korns sich direet in den feinkörnigen Inhalt des Innengliedes fortsetzt. 2) Formen ähnlich wie beim Tlaconetl, welche mit ihrem in- neren zugespitzten Ende die granulos. ext. erreichen und durch O8.-S. in ihrer ganzen’Ausdehnung blauschwarz gefärbt werden. 3) Unentwickelte Formen, bei denen es zur Bildung des Stäbchens nicht gekommen ist, vielmehr das Korn sich in einen nicht weiter differenzirten Fortsatz verlängert. Noch in anderer Beziehung haben fortgesetzte Beobachtungen der Retina des Axolotl interessante Resultate ergeben. Man findet nämlich, wenn auch selten, Stäbchen, deren Faser in eine weite Röhre eingeschlossen ist, welche nach aussen mit der limit. ext. nach innen mit der granulos. ext. zusammenhängt. Hier sieht 418 Dr. Carl Heinemann: man also die Scheidenbildung um Elemente der musivischen Schicht in deutlichster Weise verwirklicht. Zapfen müssen 3 Arten unterschieden werden. Die gewöhn- lichen sind viel zarter als die Stäbehen und zeigen in der äusseren Abtheilung ihres Innengliedes einen ellipsoiden, fein granulirten Körper. Die Körner sind viel grösser wie die der Stäbehen und nehmen die ganze Tiefe der äusseren Körnerschicht ein, so dass von einer Zapfenfaser nicht die Rede ist, sie vielmehr direkt der granulosa ext. aufsitzen, in welche hinein sie sich zerfasern. Seltener sind zwei andere Zapfenformen, welche Doppelzapfen bilden. Die einen unterscheiden sich von den gewöhnlichen durch die bauchige Beschaffenheit des Innengliedes, bei den anderen ist gerade dieser Theil wie auf Kosten jener verschmälert. Von der äusseren granulirten Schicht gilt dasselbe wie beim Tlaeonetl. In der Schieht der inneren Körner kommt mit Ausnahme einzelner in die Substanz der Stützfasern eingebetteter Kerne nur eine Art Zellen vor, welehe denen der Ganglienzellenschicht an Grösse und Beschaffenheit vollkommen gleichen. Fortsätze wurden häufig beobachtet, oft ein diekerer und ein viel dünnerer, zuweilen sehr langer, doch gelang es mir nicht wie beim Tlaconetl über die Riehtung derselben ins Klare zu kommen. Die Ganglienzellen bilden beim Axolotl nur eine Reihe; Fort- sätze derselben konnte ich einige Male weit in die granulos. int. verfolgen. Das Stützfasersystem ist, wie schon gesagt, stark entwickelt. Die gröberen Fasern durchsetzen die granulosa int. ohne an Stärke einzubüssen oder sich netzartig aufzulösen und gelangen durch die innere Körnerschicht zur granulosa ext., wo sich ein Theil der- selben horizontal ausbreitet, während andere sich bis zur limitans ext. fortsetzen. Neben diesen groben Fasern und mit ihnen in Zusammenhang verbreitet sich durch beide Körnerschichten ein spongiöses Stützgewebe bis zur Stäbehenschicht. In der äusseren Körnerschicht habe ich kleine blasse Spindelzellen aufgefunden, welche mit diesem spongiösen System in unzweifelhafter Verbin- dung stehen; ich glaube daher sie als Stützzellen auffassen zu müssen. Von den Hüllen der Stäbchen und Zapfen, so wie den weiten röhrenartigen Scheiden einiger Stäbehenfasern ist schon die Rede Beiträge zur Anatomie der Retina. 419 gewesen, hier bleibt noch Einiges über die Structur dieser Hüllen nachzutragen. Im Gegensatz zum Tlaconetl finden sich beim Axo- lotl schön entwickelte von sehr feinen Fäserchen gebildete Faser- körbe; ausserdem erkennt man aber an den Hüllen selbst eine _fibrilläre Structur, die namentlich an Präparaten deutlich ist, bei denen man in die Höhle des Innengliedes hineinsehen kann. Ich erinnere an die Beobachtungen von M. Schultze über fibrilläre Zusammensetzung der Scheiden für äussere Körner, für Stäbchen und Zapfenfasern. Eine fibrilläre Structur der Masse des Innen- gliedes dagegen, wie sie Schultze beim Menschen beobachtete, habe ich bisher bei keinem Thiere nachweisen können. Rückblick auf die Retina der Amphibien. Bis hierher war ich in der Bearbeitung meines Beobachtungs- materials gekommen, als mir die ersten Bände des Gräfe-Saemisch’- schen Handbuchs, der 12. Band dieses Archivs mit Krause!'s letzter Arbeit über die Retina, sowie der Hoffmann-Schwalbe’sche Jahres- bericht für 1875 zugingen, wodurch ich in den Stand gesetzt wurde, die neueren Anschauungen über Structur der Retina besser als es mir bisher möglich gewesen war, kennen zu lernen. Trotz- dem habe ich mich entschlossen, an meiner Darstellung nichts zu ändern, einmal weil das Neue, was meine Beobachtungen ent- halten, durch die alte Ausdrucksweise nicht an Werth verliert und dann, weil mir der Augenblick zu einer gründlichen Reform noch nicht gekommen scheint. So sehr auch die auf Vergleichung mit homologen Geweben so schön begründete Betrachtung der musivi- schen Schicht als Sinnesepithel unsere Anschauungen im Allge- meinen gefördert hat; können wir doch im Einzelnen wie ich glaube, die alte Bezeichnungsweise noch nicht entbehren. Stäbehen- und Zapfen als Sehzellen zu bezeichnen, kann gewiss nur ge- billigt werden, die Identifizirung dieser Namen aber mit Licht- und Farbenzellen lässt sich, wie wir später sehen werden, nicht überall durchführen. Auch der Einwurf, dass die Beschaffenheit der Aussenglieder für die Unterscheidung beider nieht massgebend sei, weil bei Triton und beim Axolotl leicht konische Aussen- glieder vorkommen, scheint mir nicht stichhaltig; ist doch der Un- terschied der pallisadenartigen, abgerundet endigenden Stäbchen- aussenglieder von den immer evident konisch geformten in eine haarieine Spitze ausgezogenen Aussengliedern der Zapfen ein so 420 Dr. Carl Heinemann: bedeutender, dass dieser Charakter immer noch als einer der wich- tigsten festgehalten werden muss, wenn nicht in der Nomenelatur eine vollständige Verwirrung eintreten soll. In unserer in Erfin- dung von Namen so productiven Zeit kann es nicht fehlen, dass, liegt erst das nöthige Beobachtungsmaterial vor und sind wir erst in der Deutung desselben weiter gekommen, sich auch richtige Bezeichnungen einstellen werden. Da ich die Hoffmann’sche vor- läufig abschliessende Darstellung der Amphibienretina in Bronn’s Klassen als allen Lesern bekannt voraussetzen kann, werde ich um Wiederholungen zu vermeiden, nur kurz das hervorheben, was in meinen Untersuchungen neu ist. 1) Ganglienzellenschicht. Die Ganglienzellen bilden nicht bei allen Amphibien eine einfache Schicht, sie sind beim Tlaconetl immer in 3 Reihen geordnet. 2) Innere granulirte Schicht. Die früher auch von mir (Virchow’s Archiv, 30. Band) vertheidigte Ansicht M. Schultzes über die Zusammensetzung dieser Schicht muss ich den neueren Beobach- tungen gegenüber im Allgemeinen aufgeben, mache aber darauf aufmerksam, dass dieselbe weder bei allen Thieren noch an allen Stellen der Netzhaut einen gleichen Bau zeigt. Der Antheil, den Stütznervenfasern und die homogene von feinen Kügelchen durch- setzte Grundmasse an ihrer Zusammensetzung nehmen, ist ein äusserst verschiedener. Sicherlich stehen die Stützfasern nie in Con- tinuität mit der chemisch von ihnen durchaus verschiedenen Grund- masse, die Menge der letzteren kann aber sehr unbedeutend werden, so dass faktisch die Stütziasern den Hauptbestandtheil unserer Schicht bilden. In klarster Weise ist dies bei den Vögeln der Fall; hier sieht man nur sehr selten, ich beobachtete es bei. Eulen und bei der grossen Waldschnepie, die Stützfasern, welche, zarter als beianderen Wirbelthieren, von der limitans int. aus die Nerven- faser und Ganglienzellenschicht als solide Fasern durchsetzen, ein gleiches Verhalten auch in der granulos. int. bewahren, sie lösen sich in derselben vielmehr zu einem feinen retieulum auf, aus welchem wie beim Stamm eines Baumes aus einem reich verzweigten Wurzel- werk sich die Stützfasern der inneren Körnerschicht erheben. So- weit muss ich also meine früher gegebene Darstellung festhalten. Ferner erinnere ich, dass beim Pyrol in einem grossen Theil des Augenhintergrundes die granulos intr. grösstentheils aus radiär ver- Beiträge zur Anatomie der Retina. 421 laufenden Axeneylindern besteht, ein Objekt, was ich europäischen Forschern zur erneuten Untersuchufg empfehlen möchte. Speeiell beim Tlaconetl und Axolotl findet die Bildung eines reticulums aus Stützfasern nicht statt. 3) Innere Körnerschicht. Hier hebe ich hervor a) die beim Tlaeonetl beobachtete opponirte Stellung zweier innerer Körner. b) Ich bestätige beim Tlaconetl, dass von den 2 Fortsätzen der inneren Körner der peripherische sich als der diekere erweist. ec) Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Sehwalbe und Hoff- mann konnte ich beim Tlaconetl eine Theilung des inneren Fort- satzes in zwei selbst drei feinere Fäserchen nachweisen. d) Der äussere Fortsatz endigt beim Tlaconetl an der granulosa extr. mit einer kegelförmigen Anschwellung gerade wie die Stäbchenfaser. 4) Aeussere granulirte Schicht. In Bezug auf diese Schicht muss ich leider bekennen, dass meine Beobachtungen weder mit genügender Methode noch der so nöthigen Würdigung des Gegen- standes angestellt sind, woran hauptsächlich die Opposition, welche Anfangs die mir nuraus unvollständigen Referaten bekannte wich- tige Schrift Krause’s über die membrana fenestrata fand, Schuld hat. Nur zu häufig habe ich empfinden müssen, wie sehr man an einem Platz wie Vera-Cruz die Anregung und den Ideenaustausch mit gleichstrebenden Fachgenossen entbehrt. 5) Epitheliale Schicht. a) Es müssen mehr Stäbechenformen angenommen werden, als bisher geschehen ist; ich habe beim Tlaconetl 4, beim Axolotl 3 Hauptgruppen derselben nachgewiesen, von denen die gewöhnlichen allerdings weitaus die Mehrzahl bilden. Hierzu kommen noch die höchst interessanten unentwiekelten Formen, welche uns am erwachsenen Thier den Entwieklungsmodus vor Augen führen. Freilich stimmen die Resultate der bisherigen em- bryologischen Untersuchungen nicht in allen Punkten mit der Auf- fassung überein, dass Stäbchen und Zapfen differenzirte Theile der äusseren Körner, seien, doch sind sie in der Hauptsache sehr wohl mit derselben vereinbar. Die Schwierigkeit liegt in der limitans extr., aus welcher nach Krause die Stäbehen und Zapfen aus- wachsen und somit Cuticularbildungen darstellen sollen. Zugegeben dass die Aussenglieder solche sind, kann das Gleiche unmöglich für die Innenglieder gelten, welehe häufig noch vollkommen den Charakter einer Zelle bewahren. Ganz unvereinbar aber mit dieser Ansicht ist die Thatsache, dass am erwachsenen Thier die äusseren 423 Dr. Carl Heinemann: Körner häufig theilweise, ja sogar vollständig nach Aussen von der limitans extr. liegen. Hier liegt offenbar eine Lücke in der Beob- achtung vor, zu deren Ausfüllung es wohl schwerlich ein günstigeres Objekt geben möchte, als den Tlaconetl. Leider ist es mir bisher nicht geglückt, die Eier dieser Thiere auch nur zu Gesicht zu be- kommen. b) Zapfen kommen beim Tlaconetl2, beim Axolotl 3 Formen vor; die Bildung von Doppelzapfen scheint allen Amphibien 'gemein- sam zu sein. Pigmentkugeln sind bei den Urodelen bisher nicht beob- achtet worden, sie scheinen auf die Anuren beschränkt zu sein. e) In den Innengliedern der Stäbchen und Zapfen kommen 2 Arten von Körpern vor; die einen färben sich in Os.-S. blauschwarz, haben eine planparaboloidische Gestalt und verdienen mit Recht den Schultze’schen Namen linsenförmige Körper, da sie offenbar diop- trischen Zwecken dienen, wozu sie durch die Homogeneität ihrer Substanz vorzüglich befähigt sind; die anderen liegen immer im äussersten Theil des Innengliedes, haben keine so regelmässige Ge- stalt, sind meist feinkörnig und färben sich in Os.-S. gelblich grau. Dies sind Krause’s ellipsoide, Müllers empfindliche Körper. Bei der Beschreibung der Retina von Cheloniern und Sauriern wird hiervon ausführlich die Rede sein. d) Die Beobachtungen am Tlaeonetl und Axolotl beweisen, dass auch bei Amphibien sehr be- deutende Unterschiede der Stäbchen und Zapfenkörner sowohl in Grösse, Gestalt als Struetur vorkommen. e) Was die schwierige Frage der Hüllen der Stäbchen und Zapfen betrifft, habe ich mich von ihrer Existenz vollkommen überzeugt und kann sie nicht für Kunstprodukte ansehen. 6) Stützfasersystem. a) Ich erinnere an die auffallend schwache Entwicklung desselben beint Tlaconetl, ein Umstand, welcher die Retina dieses Thieres zu einem so ausserordentlich günstigen Ob- jekt für das Studium der anderen Elemente macht. b) Beim Tlaconetl ist auf das Unzweideutigste nachzuweisen, dass ein Theil der radiären Stützfasern bis zur limitans extr. zieht, um mit dieser zu verschmelzen. Dass bei anderen weniger günstigen Objekten dieser Nachweis vielen Schwierigkeiten unterliegt und auch Täu- schungen mit unterlaufen, will ich gerne zugeben, hier kann aber davon nicht die Rede sein. Bei 3) ist nachzutragen: man sieht beim Tlaconetl häufig sehr klar, wie die Masse des Kerns der inneren Körner sich in die Fortsätze derselben verlängert. Beiträge zur Anatomie der Retina. 423 II. Retina der Reptilien. A. Retina der Chelonier. Von Sehildkröten konnte ich folgende Arten untersuchen: eine Testudo Gray, welche sich durch rothe und gelbe Schilder am Kopf und den Extremitäten auszeichnet, eine Dermatemys Gray (Tortuga blanca der Veracruzaner), eine Ptychemys (Tortuga pinta), Staurotypus triporeatus (Galapago), ein Cinosternum Spix, Che- lydra serpentina Schweigg. (Tortuga lagärto), mehrere Arten Che- lone Brogn. und zwei nicht näher zu bestimmende, von denen die eine Dermatemys sehr nahe steht. Wenn man die bauchige oder kolbige Beschaffenheit des Innengliedes als hauptsächlichstes Merkmal der Zapfen gelten lässt, muss man alle Elemente der Stäbehenschicht bei Schildkröten als Zapfen bezeichnen, legt man dagegen grösseres Gewicht auf die Gestalt der Aussenglieder, so muss man bei denselben Elemente mit konischen und solehe mit stäbehenförmigen Aussengliedern un- terscheiden. Diese letzteren, welche so viel ich weiss noch nicht beschrieben sind, will ich vornweg abhandeln. Ihr Innenglied ist ellipsoidisch und enthält einen linsenförmigen Körper, welcher dasselbe ganz oder nur seine äussere Hälfte ausfüllt, das stäbehen- fürmige Aussenglied ist bei Chelone von beträchtlicher Länge und zeigt nach dem Ende zu eine geringe Abnahme des Querdurch- messers. Trotzdem ich reichlich Gelegenheit hatte, diese Gebilde sowohl frisch, isolirt und in situ, als an Os.-S.-Präparaten zu beob- achten, ist es mir nicht gelungen, eine Beziehung zu einem Korn ‚ oder einer Faser aufzudecken. Sie fehlten nur bei der oben ge- nannten Testudo-Art. Bei Schlangen werden wir ähnliche Formen kennen lernen. Unter den echten Zapfen muss man 2 Hauptformen unterscheiden: 1) Zapfen mit Pigmentkugel, die ich kurzweg als Kugelzapfen bezeichnen werde und 2) Zapfen ohne Kugel. Alle mit Ausnahme unentwickelter Formen haben konische in eine feine Spitze auslaufende Aussengliede, welche bei den kugellosen kürzer und zarter sind. 1) Kugelzapfen. Ihre Innengliede sind von viel schlankerer Gestalt als die der anderen Gruppe, ja sie nähern sich häufig der Stäbchenform; sie lassen 2 Abtheilungen unterscheiden, welche sich sowohl im frischen als erhärteten Zustande sehr leicht von einander ablösen. Die äussere enthält einen der Form des 424 Dr. Carl Heinemann: Zapfens sich anschmiegenden Körper, welcher sich auch im frischen Zustand durch matt-trübes Aussehen charakterisirt und in Os.-S. eine graugelbliche Färbung annimmt (W. Müller’s empfindlicher Körper), die innere ist von wechselnder Gestalt und enthält in der Regel einen linsenförmigen Körper, dessen Form man am besten mit der des Samens der Sonnenblume vergleichen kann. Derselbe ist wie in eine Nische von auch im frischen Zu- stande feinkörniger Substanz eingebettet. Man muss mehrere Un- terarten von Kugelzapfen unterscheiden: a) solche mit bauchigem Innengliede und grossem linsenförmigen Körper; b) schlankere mit kleinerem Körper; ce) solche, welche sich nach Innen zuspitzen und hier entweder einen Körper von der Gestalt dieses Abschnitts oder keinen enthalten. Im letzteren Falle deutet die blauschwarze Färbung durch Os.-S. an, dass sich immerhin eine der des linsen- fürmigen Körpers analoge Substanz vorfindet; d) Zapfen mit stark bauchigem äusserem Abschnitt des Innengliedes und unregel- mässig gestalteter, immer viel schmälerer innerer Abtheilung desselben. Selten findet sich hier ein kleiner linsenförmiger Körper, meist ist dieser Theil structurlos oder von feinkörniger Masse erfüllt. Die beiden letzten Zapfenarten bilden mit den kugellosen Doppelzapfen, nur bei Testudo vereinigen sich auch je 2 Kugel- zapfen zu solchen, wodurch ein Uebergang zum Bau der Retina bei Vögeln gegeben ist. Was nun die Kugeln unserer Zapfen betrifft, denen ihrer Grösse und zum Theil glänzenden Farben halber, die Retina der Schildkröten ihr hübsches Aussehen unter dem Mikroscop verdankt, so finden sich sowohl farbige als farblose, letztere immer in der Minderzahl. Bei Testudo beobachtet man rubinrothe, gelbe und zwar dunklere und hellere, graugrüne und farblose, bei Dermate- mys, Ptychemys und Chelydra carminrothe, gelbe und farb- lose, bei Staurotypus carminrothe, gelbrothe, hellgrüne und farb- lose, bei Cinosternum carminrothe, orangenfarbige, grüne und farblose, bei Chelone ziegelrothe, grünlichgelbe und farblose. Diese Kugeln sind an verschiedenen Stellen der Retina in sowohl absolut als relativ wechselnder Menge vertheilt, auch ist ihre Grösse ziemlich bedeutenden Schwankungen unterworfen. Es giebt aus- gezeichnete Stellen der Retina, wo alle Kugeln und, da deren Grösse der der Zapfen annähernd proportional ist, auch diese viel Beiträge zur Anatomie der Retina. 425 kleiner sind und daher gedrängter stehen; meine Bemühungen eine focea aufzufinden waren erfolglos, dagegen beobachtete ich bei mehreren Schildkröten eine kleine Papille an der Eintrittsstelle des Sehnerven. Ausser den Kugeln enthalten unsere Zapfen kein Pigment. 2) Die Zapfen ohne Kugel sind retortenförmig (noch treffender ist der Vergleich mit den bekannten gekühlten Glas- tropfen, deren man sich in der Physik zur Demonstration der Oberflächenspannung bedient); ihr nach Aussen sich zuspitzendes Innenglied ist ebenfalls in 2 Abtheilungen getheilt, von denen die äussere sich wie bei den Kugelzapfen verhält, die innere fast ganz von einem grossen linsenförmigen Körper gefüllt ist. Bei Testudo, Ptychemys, Chelydra und Chelone findet sich in der Spitze des Innengliedes, bei Chelone ausserdem noch zwischen beiden Abtheilungen desselben gelbes Pigment, jedoch nicht bei allen Zapfen, so dass man hiernach zwei Unterarten unterscheiden muss. Die Aussenglieder sind, wie schon oben bemerkt, sehr kurz und zart, weshalb man Anfangs leicht in Versuchung kommt, die Existenz von Zapfen ohne Aussenglieder anzunehmen, doch lässt fortgesetzte Beobachtung keinen Zweifel darüber, dass alle ent- wickelten Formen Aussenglieder haben. Um so interessanter sind bei Chelone beobachtete unentwickelte Formen, bei denen jede weitere Differenzirung des Innengliedes fehlt, dasselbe vielmehr mit feinkörniger Masse erfüllt ist, die sich bis in die Zapfenspitze fortsetzt; hier fehlen in der That die Aussenglieder. Nachdem so der Bau der Zapfen im Allgemeinen geschildert worden ist, wenden wir uns zur Beschreibung einiger bisher grösstentheils unbekannter Einzelheiten, die Structur der linsen- förmigen Körper und ihr Verhältniss zu den äusseren Körnern betreffend. Die linsenförmigen Körper sind bei Schildkröten und das- selbe findet bei Eidechsen statt, nicht völlig structurlos; in einigen bemerkt man nach Einwirkung von Os.-S. einen dunkler gefärbten Körper und in diesem häufig ein feines Körnchen, andere zeigen einen durch concentrische Schichtung bedingten schaligen Bau. Sehr merkwürdige Beobachtungen habe ich bei Testudo und Chelone gemacht. Hier sah ich linsenförmige Körper, welche sich nach Innen in einen spitzen, seltner keulenförmigen Fortsatz verlängerten, andere in schlanken Zapfenformen liefen in eine Faser aus, deren endliches Schicksal zwar nie direkt festgestellt Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 25 426 Dr. Carl Heinemann: werden konnte, jedoch aus anderen Beobachtungen mit Sicherheit zu erschliessen ist. In diesem Fall kann man in der That von einer Axenfaser im Innenglied sprechen, welche an dem linsenför- migen Körper endigt. (Krause’s und Hensen’s einschlägige Ar- beiten standen mir leider nicht zur Verfügung.) Die Faser zeigt feinwellige Contouren, hie und da bemerkt man in ihr ein feines Körnchen. Sehr interessant und für die Erklärung der erwähnten Bilder entscheidend ist das Verhalten des Zapfenkorns zum linsen- förmigen Körper. Man sieht nämlich gar nicht selten beide in unmittelbarer Verbindung, der Art, dass der Kern des Zapien- korns in eine Aushöhlung des Körpers eingefügt erscheint. Diese Ausbuchtung befindet sich entweder am innern Ende des Körpers oder seitlich. Einige Male wurde beobachtet, dass ein kolbiger Fortsatz des Korns oder richtiger gesagt dessen Kerns sich an einen ähnlichen Fortsatz des linsenförmigen Körpers anlegte, an- dere Male, namentlich in schlanken Zapfen stieg von jenem eine Faser in das Innenglied hinauf, die nach dem eben Mitgetheilten jedenfalls an diesem endigt. Nach Allem herrscht hier eine bisher unbekannte Mannichfaltigkeit, welche für die Funktion der ver- schiedenen Formen nicht ohne Bedeutung sein kann. Man darf also durchaus kein Schema für die Struetur des Innengliedes auf- stellen, nicht überall eine Axenfaser annehmen, weil sie in einer Reihe von Fällen deutlich ausgeprägt ist; nur weitere Forschungen können die nöthige Aufklärung bringen. Auch bei Schildkröten finden sich unentwickelte Formen, bei denen die Entwicklung des Zapienkorns zum vollständigen Zapien- apparat auf halbem Wege stehen geblieben ist; eine derselben von Chelone habe ich gezeichnet. Die äusseren Körner sind in der Regel in einer Reihe ange- ordnet, nur bei Ptychemys bilden sie stellenweise zwei; wesentliche Unterschiede je nach der Zapfenform, welcher sie angehören, sind nicht nachweisbar; ihre Grösse schwankt bei verschiedenen Gat- tungen, die grössten fanden sich bei Chelone und Testudo. Da sie meistens dem Innengliede eng angefügt sind und nach Innen eine nur sehr kurze Faser entsenden, so ist die Breite der äusseren Körnerschicht eine geringe; bei Chelone kommen jedoch auch Zapfen vor, bei denen Innengliede und Korn durch eine längere Faser verbunden sind. Bei Ptychemys finden sich in der Schicht der äusseren Körner Beiträge zur Kenntniss der Retina. 427 ausser diesen noch eigenthümliche zapfenartige Gebilde, welche mir in Verbindung mit dem Stützfasersystem zu stehen und mit den von Landolt bei Tritonen und Salamandern beobachteten Kolben identisch zu sein scheimen. Da ich ähnliche Elemente auch bei Bufo agua und bei einer hiesigen Geckoart beobachtete, muss man annehmen, dass ihnen eine allgemeinere Verbreitung zukommt. Von den radiären Stützfasern ist zn bemerken, dass sie in der inneren granulirten Schicht feine, in der inneren Körnerschicht sehr breite, wie ausgezackte Fasern bilden, wogegen das feinspon- giöse Gewebe, wie es sich beim Axolotl, bei Eidechsen und Vögeln findet, fehlt. B. Retina der Crocodilina Bisher konnte ich nur das Mexikanische Crocodil (Crocodilus rhombifer Cuv.) untersuchen, da Alligatoren in der Nähe von Vera-Cruz nicht vorkommen. Wie in vielen anderen Beziehungen unterscheiden sich die Crocodile auch im Bau der Retina wesentlich von den Sauriern, denen sie bekanntlich früher zugerechnet wurden, ja sie nehmen in dieser Beziehung eine völlig isolirte Stellung unter den Repti- lien der Jetztzeit ein. Da viele Schlangen und fast alle Schild- kröten eine ähnliche amphibische Lebensweise führen wie die Oro- codile, da ferner alle Schlangen und viele Schildkröten Fleisch- fresser sind, kann man annehmen, dass die grossen Verschieden- heiten im Bau der Retina bei diesen Ordnungen nicht auf Anpassung an eine bestimmte Lebensweise beruhen, sondern hereditärer Natur sind. Durch diese für die Retina noch kaum berührte Frage ge- winnt die vergleichende Untersuchung derselben ein neues Interesse und eine nicht unerhebliche Wichtigkeit für die Beurtheilung der Verwandtschaft der verschiedenen Klassen und Ordnungen. Frei- lich ist das vorliegende Material noch sehr dürftig, doch liegt gerade hierin die Anregung auf dem kaum betretenen Wege mit Ausdauer fortzufahren. Was früher leicht als unnütze Spielerei, am Kleinen haftende Wissbegierde angesehen werden konnte, ge- winnt im Licht der Descendenztheorie eine tiefere Bedeutung. Betrachten wir nun die Retina des Mexikanischen Crocodils, so fallen sofort zwei Eigenthümlichkeiten auf; erstens finden wir wohl charakterisirte Stäbehen abwechselnd mit viel weniger zahl- reichen kürzeren Zapfen und zweitens vermissen wir die Pigment- 428 Dr. Carl Heinemann: kugeln der Chelonier und Saurier, überhaupt jedes Pigment im Innern der Stäbehen und Zapfen. An in künstlichem Serum isolirten Stäbchen schwellen die Innenglieder sehr schnell kuglig® auf; nach Innen bemerkt man an dieser Kugel einen napfförmigen Eindruck, welcher, wie Os.-S.- Präparate lehren, von dem abgebrochenen Stäbchenkorn herrührt. An solchen Präparaten wird nun auch die Struetur des Innen- gliedes deutlich. Es ist dasselbe in zwei Abtheilungen getheilt, welche oft durch eine scharfe Linie getrennt sind; die relative Grösse dieser Abtheilungen ist bedeutenden Schwankungen unter- worfen; die äussere enthält einen der Form des Innengliedes sich anpassenden Körper mit convexen Endflächen, welcher sich in Os.-S. gelblich färbt und 1 oder 2 Körnehen unterscheiden lässt, die innere färbt sich blauschwarz; in diese letztere ist das ellip- soide Stäbehenkorn häufig zum Theil oder auch ganz hineinge- stülpt, der’Art, dass man wenn es herausgefallen ist in die offene Röhre des Innengliedes hineinsehen kann. Die Hülle desselben hängt mit der limitans ext. und den an dieselbe sich anheftenden Stützfasern fest zusammen und reisst an dieser Stelle häufig in Fetzen ab. Faserkörbe sind schön entwickelt; die Stäbchenfaser ist kurz, ihre kegelförmige Anschwellung an der granulos. ext. erweist sich an Präparaten, wo sie von derselben abgetrennt ist, als hohl. Die Verbindung mit den Stützfasern der inneren Körnerschicht ist hier eine so innige, dass man mit Leichtigkeit Präparate darstellen kann, welche Stäbchenzelle, granulos. extr. und radiäre Stützfaser in vollkommenster Continuität erscheinen lassen. Als Thatsache muss ich die gleiche Beobachtung Krause’s am Alligator bestä- tigen, ob aber seine Deutung die richtige ist, möchte ich doch noch dahingestellt sein lassen. Man muss sich, glaube ich, sehr hüten, an einer Thierspecies gemachte Beobachtungen zu sehr zu verallgemeinern, namentlich wenn sie mit anderen völlig unvereinbar sind. Ich erinnere nur an den Tlaconetl, welcher fast gar keine Stütziasern hat. Ausser den gewöhnlichen Stäbchen findet sich noch eine andere seltene Form, welche ausserordentlich lange, durch die be- kannte Plättehenstructur charakterisirte Aussenglieder haben; ihr Innenglied ist in eine lange Faser ausgezogen, welche mit leichter Anschwellung an der granulos. extr. endigt. Aehnliche Formen, nur durch die normale Länge der Aussenglieder . unterschieden, Beiträge zur Kenntniss der Retina. 429 haben wir früher beim Tlaconetl und Axolotl kennen gelernt. Zapfen giebt es zwei Arten, bauchige und schlanke, welche Dop- pelzapfen bilden. Beide enthalten in der äusseren Abtheilung des Innengliedes einen ellipsoiden Körper, welcher sich in Os.-S. gelb- lich färbt und ein kleines central gelegenes Körnchen erkennen lässt, die schlanken zeigen ausserdem meistens einen kleinen linsen- fürmigen Körper, welcher sich wie gewöhnlich in Os.-S. blauschwarz färbt. Die Zapfenkörner sind von denen der Stäbehen durch kuglige Gestalt und bedeutendere Grösse unterschieden; beide bilden übrigens nur eine Reihe. eretina der. Ophidier. In Bezug auf die Ordnung der Schlangen befinde ich mich in der peinlichen Lage nur wenige der von mir untersuchten Gat- tungen systematisch bestimmen zu können, was um so mehr zu bedauern ist, als sich unerwarteter Weise eine bedeutende Man- nigfaltigkeit im Bau der Netzhaut herausgestellt hat. Es muss dies in hohem Grade unsere Aufmerksamkeit erwecken, da be- kanntlich .die Schlangen als ein nur eigenthümlich entwickelter Seitenzweig der Saurier angesehen werden, deren Retina, wie wir bald erörtern werden, wenige Ausnahmen abgerechnet, eine wun- derbare Gleichförmigkeit der Structur zeigt. Es giebt keine einzige Schlange, deren Retina der eines Sauriers gliche. Wenden wir uns nun zur Sichtung meines allerdings noch sehr unvollständigen Materials. Während sich bei den meisten bisher untersuchten Schlangen nur Zapien vorfinden, macht die Gattung Boa und eine andere nicht bestimmte hiervon eine Ausnahme, indem bei ihnen neben Zapfen auch ächte Stäbehen beobachtet werden. Gemeinsam scheint allen Schlangen das Fehlen der Doppelzapfen und der Pigment- kugeln; nur bei einer einzigen Gattung, die Tropidonotus nahe steht, habe ich im Innenglied der Zapfen diffus verbreitetes gelb- grünes Pigment gefunden. Die Grösse der Elemente der Stäbchen- schicht ist sehr verschieden, die kleinsten fand ich bei Boa und Crotalus, die grössten bei Spilotes und anderen, welche dieser Gattung und Herpetodryas nahe stehen. Bei den Schlangen, welche keine Stäbchen haben, finden sich 2 Arten Zapfen, grössere in der Mehrzahl und vereinzelt sehr schmächtige. Das Innenglied der ersteren hat die Form einer 430 Dr. Carl Heinemann: niedrigen bauchigen Flasche und wird fast ganz von dem linsen- förmigen Körper gefüllt, die Aussenglieder sind kurz und haben die Form eines abgestumpiten Kegels.. Die Endflächen dieser Kegel bilden auf Flächenansichten eine Mosaik sehr regelmässig gestalteter Sechsecke, zwischen denen in den meisten Fällen von den kleineren Zapfen nichts zu sehen ist. Diese letztere haben spitz endigende Aussengliede und entbehren den limsenförmigen Körper. Ausser diesen zwei Zapfenarten finden sich bei vielen Schlangen noch merkwürdige Gebilde, immer je an einen Zapfen dieht angeschmiegt, über deren Natur ich noch völlig im Zweifel bin. Sie sind aus einem äusseren stäbcehenförmigen und einem inneren leicht kolbig angeschwollenen Theil zusammengesetzt, welche eontinuirlich in einander übergehen; der stäbehenförmige Theil zeigt keine Plättchenstructur, der kolbige keinen linsenför- migen Körper; überhaupt keine weitere Structur. Von wesentlich anderem Habitus sind die Zapfen von Boa; sie ähneln am meisten denen von Crocodilus rhombifer, und sind breiter als die viel zahl- reicheren sehr feinen Stäbchen. Die äusseren Körner sitzen den Innengliedern unmittelbar an und sind bald von kugliger, bald ellipsoider Gestalt; bei vielen Gattungen haben sie fast alle die Form eines länglichen Kolbens, der dem Zapfen nicht in der Verlängerung seiner Axe, sondern schräg, ja selbst senkrecht zu derselben angefügt ist. Von einem Kern oder sonstiger Struetur ist in den meisten Fällen nichts zu erkennen und würde man bei flüchtiger Beobachtung leicht an der Zellnatur dieser Gebilde zweifeln können. Es wird diese Erschei- nung durch die Anwesenheit einer ungewöhnlich diehten Scheide erklärt, welehe, wie wir gleich sehen werden, auch den Zapfen- fasern ein ganz fremdartiges Ansehen verleiht. Bei sorgfältiger Durehmusterung findet man aber genug Zapfenkörner, welche über ihre wahre Natur keinen Zweifel lassen, namentlich war dies bei einer zu Erythrolamprus F. Boie, Wagl. gehörenden Schlange der Fall. Hier sah man deutlich den grossen Kern mit Kernkörper- chen und um denselben angesammeltes Protoplasma, welches sich sowohl in das Innenglied als auch sehr deutlich in die Zapfen- faser fortsetzt. | Die Zapfenfasern sind bei vielen Schlangen von enormer Länge, der Art, dass hier sehr gut von einer Faserschieht (Henle) gesprochen werden kann. Ihre Richtung ist im Allgemeinen schräg Beiträge zur Kenntniss der Retina, 451 zur Axe der Zapfen, ja sie nähert sich häufig der wagrechten, es kommen aber auch alle Uebergänge bis zur senkrechten vor. Ihr Aussehen weicht meist erheblich von dem anderer Zapfenfasern ab; oft haben sie ausgezackte Ränder wie die radiären Stütziasern, erscheinen schraubenförmig gedreht und nehmen bei langsamem Eintrocknen der Zusatzflüssigkeit doppelte Contouren an, ein Verhalten, welches wie ich glaube dadurch erklärt wird, dass das Stützgewebe wesent- lich an ihnen haftet, sie einhüllend und begleitend. Diese Ansicht wird wesentlich dadurch gestützt, dass es mir nur bei sehr wenigen Schlangen gelang, isolirte radiäre Stützfasern, die überhaupt bei diesen Thieren sehr zart sind, in der äusseren Faser- und Kör- nerschicht nachzuweisen. Die Länge der Zapfienfasern, das Fehlen der Stütziasern in der äusseren und ihre Zartheit in der mächtigen inneren Körner- schicht machen es begreiflich, warum bei vielen Schlangen die Zwischenkörnerschicht sich auffallend leicht isoliren lässt. Man braucht an Os.-S.-Präparaten nur den Versuch zu machen, die Re- tina aus dem Bulbus zu entfernen, um dieselbe sich sofort in drei Schichten spalten zu sehen, deren äussere von den Zapfen ‘und einem Theil der Fasern, die mittlere von der Zwischenkörner- schicht, die innere von den übrigen Schichten der Retina gebildet wird. Die so gebotene Gelegenheit die Zwischenkörnerschicht isolirt zu untersuchen wird durch die ihr anhaftenden Fasern er- schwert, immerhin aber überzeugt man sich, dass hier keine Zellen vorhanden sind, sondern ein Convolut von Fasern und feinkörniger Substanz; einige Male wurden durch Os.-S. sich blauschwarz fär- bende structurlose Schollen beobachtet. Ich muss daher für die Schlangen die Existenz einer membrana fenestrata im Sinne Krause’s in Abrede stellen. D. Retina der Saurier. Bisher wurden untersucht: eine zu der Familie der Xantusidae Baird. gehörige kleine Eidechse, zwei Arten Gerrhonotus Wiegm., Iguana rhinolophus Wiegm., Cyelura peetinata und denticulata Wiegm., Corythaeolus vittatus Kaupp., Chamaeleopsis Hernandesii Wiegm., zwei Arten Seeloporus Wiegm., und zwei Geekoarten, von denen die eine zu Sphaeriodaetylus gehört, die andere durch den Besitz von Augenlidern ausgezeichnet, nicht näher bestimmt werden konnte. Da die Retina dieser beiden zuletzt genannten Thierehen sich in ihrem Bau wesentlich von der der übrigen # 432 Dr. Carl Heinemann: Eideehsen unterscheidet, soll sie Brlzennk, am Schluss dieses Ab- schnittes beschrieben werden. Für alle übrigen vorher genannten Formen kann man ein gemeinschaftliches Schema aufstellen. Wie bei den Schildkröten finden sich zwei Hauptiormen von Zapfen, solche mit Pigment- kugeln und solehe ohne dieselben; in folgenden Punkten aber un- terscheiden sich die Netzhäute beider Ordnungen: 1) Es fehlen durchaus Elemente mit stäbehenförmigen Aussengliedern; 2) die Pigmentkugeln der Eidechsen zeigen nicht die Mannichfaltigkeit der Farben, wie man sie bei den Schildkröten bewundert, es kommen viel- mehr nur gelbe in verschiedenen Nüancen und farblose vor; 3) ist das Stützfasersystem viel mächtiger entwickelt als bei den Schildkröten. Die Kugelzapfen lassen so ziemlich dieselben Modifikationen unterscheiden wie bei den Schildkröten, nur dass die Form der Innenglieder sich häufig noch mehr der Stäbehenform nähert. Von voluminösen Zapfen mit grossen linsenförmigen Körpern finden sich alle Uebergänge zu sehr schlanken und zarten, nach Innen sich stark verjüngenden Formen, denen ein linsenförmiger Körper meistens abgeht, siesindmit den kugellosen zu Doppelzapfen vereinigt. Im Innengliede liegt dieht hinter der Pigmentkugel ein trüb- körniger Körper, welcher sich in Os-S. graugelb färbt. Nach der Structur der inneren Abtheilung des Innengliedes müssen folgende Unterarten von Kugelzapfen unterschieden werden: 1) Nach Innen von dem feinkörnigen Körper folgt eine schmale, ebenfalls körnige, aber von dem genannten Körper scharf abgesetzte Zone, welche bei gewissen Zapfen ein gelbes Pigment enthält, hierauf der linsen- förmige Körper von plan- oder concav-convexer, kugliger oder ellipsoider Gestalt. Er füllt das Innenglied entweder vollkommen aus, in welchem Falle die erwähnte körnige Masse eine auf ihm liegende Scheibe bildet oder er liegt in einer Höhlung oder Nische feinkörniger Substanz, wahrscheinlich in einer Flüssigkeit schwe- bend, ein Verhalten, welehes mich unwillkürlich an das der Oto- lithen erinnerte. Hinter dem linsenförmigen Körper jolgt eine längere oder kürzere Abtheilung, welche oft fast structurlos ist oder feine Gerinnungen zeigt, zuletzt das Zapfenkorn. 2) Alles Uebrige unverändert, der linsenförmige Körper aber mit dem Zapfenkorn durch eine scharf contourirte Faser verbunden. 3) Alles Uebrige unverändert, der linsenförmige Körper sitzt unmittel- bar auf dem Zapfenkorn. 4) Der linsenförmige Körper fehlt. 5) Beiträge zur Kenntniss der Retina. 433 Das Innenglied ist überhaupt nicht differenzirt, vielmehr durch- gängig von feinkörniger Masse erfüllt. Seltene Form. Was die Pigmentkugeln betrifft, giebt es dunkelgelbe, hell- gelbe und farblose, deren Mengenverhältnisse und Grösse an ver- schiedenen Stellen der Retina wechseln. In der Regel sind die farblosen die kleinsten, nur bei Chamaeleopsis findet das Gegen- theil statt; bei der kleinen, zu der Familie der Xantusidae gehö- rigen Eidechse finden sieh merkwürdiger Weise überhaupt nur farblose Kugeln; die hellgelben haben bei Corythaeolus und Cha- maeleopsis einen Stich ins Grünliche. Ausser den Pigmentkugeln kommt noch an einer anderen Stelle bei einer Anzahl Zapfen gelbes Pigment vor, nämlich in jener feinkörnigen schmalen Zone, welehe den empfindlichen Körper (W. Müller) von dem linsen- förmigen trennt, man erkennt aber bei aufmerksamer Beobachtung, dass dies nur bei Zapfen mit dunkelgelben Kugeln der Fall ist. Die grossen kugellosen Zapfen von Retorten- oder Glastropfenform sind ganz ebenso gebaut wie bei den Schildkröten, nur verdient ein Structurverhältniss der äusseren körnigen und pigmentirten Abtheilung besondere Erwähnung. Man sieht hier nämlich die Körnchen oft in so regelmässige der Axe des Zapfens parallel lau- fende Reihen geordnet, dass man den Eindruck varieöser Fäden empfängt. Die linsenförmigen Körper zeigen auch hier und ebenso bei den Kugelzapfen einen schaligen Bau und zuweilen einen kugligen Körper im Innern; mit den Zapfenkörnern sind sie meist in unmittelbarem Contact oder mit denselben durch einen ziemlich mächtigen Fortsatz verbunden, welcher weder durch optische Täu- schung vorgespiegelt, noch Kunstproduct sein kann, da er mehr- mals in Verbindung mit dem linsenförmigen Körper isolirt beob- achtet wurde. Die Zapienkörner selbst sind meist in einer, seltener an nicht näher bestimmten Stellen der Retina in zwei Reihen an- geordnet; die der kugellosen Zapfen sind durch ihre Grösse aus- gezeichnet; auch hier begegnen wir der schon so oft besprochenen Erscheinung, dass das Korn ganz oder theilweise in die Hülle des Innengliedes aufgenommen ist. Die Zapfenfasern sind meist sehr kurz, es kommen aber auch längere vor, welche häufig schräg an das Korn angesetzt sind. Von dem Stützfasersystem ist hervorzuheben, dass es am mächtigsten in der sehr breiten inneren Körnerschicht entwickelt ist, wo es ein engmaschiges spongiöses Gewebe bildet. Die von 434 Dr. Carl Heinemann: den Hauptstämmen seitlich abgehenden Zweige sind auf Vertieal- schnitten nach zwei sich kreuzenden Richtungen orientirt, wodurch leicht der Eindruck zweier sich kreuzender Fasersysteme vorge- täuscht wird. Diesen Irrthum habe ich in der That auch früher begangen, als ich in einer oben eitirten Abhandlung über dieselbe Erscheinung beim Pyrol berichtete. Die Faserkörbe sind bei den Eidechsen stark entwickelt, die Fasern selbst bedeutend grösser als die z. B. beim Axolotl beobachteten. Die Ganglienzellen sind immer in mehreren Reihen angeordnet. Die Retina der beiden Geekoarten ist wesentlich anders ge- baut; ihre Stäbchenschicht ist für die Classifieirung und Benennung der verschiedenen Formen der Sehzellen ein wahrer Stein des Anstosses. Betrachtet man nämlich die äussere Retinafläche im frischen Zustande, so gewahrt man in der Mosaik der Aussenglieder Kreise von grösserem und viel kleinerem Durchmesser in regel- mässiger Abwechslung, so dass man glaubt es mit Stäbchen und Zapfen zu thun zu haben; die weitere Präparation belehrt uns aber, dass es sich hier um Elemente von derselben Form und Be- schaffenheit handelt, die nur in den Dimensionen von einander abweichen. Alle haben evident stäbehenförmige Aussenglieder, dagegen und besonders die dieken stark bauchige Innenglieder. Was das Verständniss noch mehr erschwert ist der Umstand, dass die dieken mit den dünnen Doppelelemente bilden, was bisher nur an Sehzellen mit konischen Aussengliedern beobachtet worden war. Rechnet man dazu den Mangel der Pigmentkugeln, überhaupt jeg- lichen Pigments, so muss man bekennen, dass wir gänzlich ausser Stande sind zu sagen ob unsere Elemente Stäbchen oder Zapfen, dass wir nicht entscheiden können, welches die Lichtzellen und welches die Farbenzellen (Krause) sind. Den feineren Bau betreffend zeigen alle im äusseren Theil des Innengliedes den feinkörnigen ellipsoiden, im inneren den para- boloiden Körper. Faserkörbe der Innenglieder deutlich entwickelt. Die Aussenglieder zeigen im frischen Zustand sehr klar die be- kannte Längsstreifung. Rückblick auf die Retina der Reptilien, Was hauptsächlich unsere Aufmerksamkeit erregen muss, ist die auffallende Verschiedenheit im Bau der Retina bei den vier noch durch lebende Repräsentanten vertretenen Ordnungen der Beiträge zur Kenntniss der Retina. 435 Reptilien. Dass dies Verhalten nicht auf verschiedene Lebensweise, wenigstens der Hauptsache nach, zurückzuführen, nicht als Folge der Anpassung zu betrachten ist, lehrt ein Bliek auf die den Rep- tilien so nahe stehende Klasse der Vögel. Ein Condor, eine Ente, ein insektenfressender Singvogel und ein Papagei führen eine min- destens ebenso und vielleicht mehr verschiedene Lebensweise als eine Schildkröte, ein Crocodil, eine Schlange und eine Eidechse, und doch ist der Bau ihrer Retina im Wesentlichen der gleiche. Vögel leben in allen Climaten, in der Luft, auf der Ebene, in Wäldern, in Felsengebirgen, auf und unter dem Wasser, auf dem Eise, sie nähren sich von Aas, vom frischen Fleisch aller Wirbel- thierklassen, von Gliederthieren, Würmern und Mollusken, von Vege- tabilien der verschiedensten Art, sie gehen ihrer Nahrung bei Tag, in der Dämmerung und bei Nacht nach, und doch findet man nie auch nur annähernd so beträchtliche Unterschiede im Bau der Retina, wie sie die Ordnungen der Reptilien bei oft fast identischer Lebensweise zeigen. Folgerichtig sind wir genöthigt, die Ursache dieser auflallenden Erscheinung in der Vererbung zu suchen. Während für die Vögel, diese in ihren anatomischen Charakteren so scharf abgegrenzte Classe der Wirbelthiere, ein Ursprung aus einer oder wenigen nahe verwandten Reptilienformen, am wahr- scheinlichsten Saurier und vielleicht auch Schildkröten, anzunehmen ist, müssen wir für die Ordnungen der Reptilien verschiedene Ausgangsformen voraussetzen, die sich früh von der allen gemein- samen Urform abgezweigt haben. Schildkröten und Saurier stimmen am meisten im Bau der Retina überein; beiden kommen zwei Hauptiormen von Zapfen mit ihren Modifikationen, farbige Pig- mentkugeln und Pigment in den Innengliedern zu, beiden fehlen echte Stäbehen; Crocodile und Schlangen repräsentiren beide für sich einen besonderen Typus. Da nun die Schlangen als eine von den Sauriern abgezweigte Form betrachtet werden müssen, so sind wir, glaube ich, zu der Annahme berechtigt, dass ihre Stammform im Bau der Netzhaut ebenfalls beträchtlich von den bis jetzt un- tersuchten Eidechsen verschieden sein müsse. Vielleicht finden sich bei dennoch jetzt lebenden schlangenartigen Sauriern Ueber- gänge von der Eidechsen- zur Schlangenretina, eine Vermuthung, welche ich leider bis jetzt nicht auf ihre Richtigkeit habe prüfen können. Die Retina der Vögel ist charakterisirt durch das. Auf- treten oit sehr zahlreicher echter Stäbehen und durch den Mangel 436 Dr. Carl Heinemann: der kugellosen Zapfen ; unter den bis jetzt untersuchten Sauriern finden sich keine Formen, welche die Abweichungen vom Bau der Vogelretina vermitteln, wohl aber sind solehe bei den Schild- kröten nachzuweisen, ich erinnere nur an das bei diesen beobach- tete Vorkommen von Elementen mit stäbchenförmigen Aussenglie- dern und von Doppelzapien, welche, wie dies bei den Vögeln die Regel ist, von je zwei Kugelzapfen gebildet werden. Dass das Stützfasersystem der Saurier wesentlich mit dem der Vögel über- einstimmt, wurde schon mehrmals betont. Nicht nur für die Ordnungen der Reptilien, sondern auch für Familien und Unterfamilien muss man verschiedene Ausgangspunkte annehmen, wie z. B. das Verhalten der Retina bei Boa, bei den Schlangen und das der Geckos bei den Eidechsen beweist. Dass hierfür auch viele andere Gründe sprechen, bleibt natürlich in einer Abhandlung, welche sich ausschliesslich mit dem Bau der Retina beschäftigt, unberücksichtigt. Es bleibt jetzt noch übrig, aus der Menge der oben mitge- theilten Einzelheiten einige allgemeinere Folgerungen zu ziehen. l. Angesichts der Reptilien-Retina kann man denjenigen Forschern, welche wie W. Müller auf die Unzulänglichkeit der bisher üblichen Bezeichnungen für die Elemente der Stäbehenschicht aufmerksam machen, nur Recht geben, schwer aber wird es sein, etwas Besseres an ihre Stelle zu setzen. Ist doch gar nicht abzu- sehen, wie man die physiologische Bedeutung all dieser verschie- denen Formen ermitteln wird, wie man in einzelnen Fällen beweisen will, was im Sinne Krause’s Licht und was Farbenzelle sei. Krause betont, dass in der ganzen Thierreihe sich immer zwei Formen von Sehzellen nachweisen lassen, meine Beobachtungen zeigen, dass bei weitem am häufigsten die Anzahl derselben grösser ist. Wie aber unterscheiden sich funetionell alle diese verschie- denen Modifikationen von Stäbchen und Zapfen? Dies ist eine Frage, deren befriedigende Lösung vielleicht immer unmöglich bleiben wird. Welches sind z. B. bei den oben angeführten Sauriern, welche in allen Sehzellen Pigment führen, die ausschliesslichen Licht- und Farbenzellen, wie will man diese Frage für die Schlangen beantworten, von denen die meisten nur evidente Zapfen, wenn auch in zwei Modifikationen haben? Was ist endlich mit der Retina unserer Geckos anzufangen, deren Elemente sich nur in ihren Dimensionen unterscheiden? Am richtigsten erscheint es Beiträge zur Kenntniss der Retina. 437 mir, vorläufig die Begriffe von Stäbchen und Zapfen im Sinne von M. Sehultze festzuhalten und sie dem allgemeineren Begriff Seh- zellen (W. Müller) unterzuordnen; die Ausnahmen werden wohl am besten als solche angeführt, bis ihre Bedeutung unserer Erkennt- niss näher gerückt ist. 3. Was die Axenfaser der Innenglieder betrifft, über welche von vielen Seiten Mittheilungen vorliegen, haben, wie ich glaube, meine Beobachtungen ihre Bedeutung auf das richtige Mass zurückge- führt. Sie ist keine allgemeine Erscheinung und speciell bei den Reptilien auf die Ordnungen der Chelonier und Saurier beschränkt, aber auch bei diesen wird sie nicht häufig und nur in bestimmten Zapfenformen beobachtet. Für die Einzelheiten, namentlich die interessanten Beziehungen zwischen Zapfenkorn und linsenförmigem Körper, verweise ich auf das oben Mitgetheilte. "3. Schräger Verlauf der Zapfenfasern, für Reptilien zuerst vonM. Müller beim Chamäleon, später bei verschiedenen Gattungen von Hulke, zuletzt bei Coluber natrix von Flesch beobachtet, ist von mir bei Schlangen und Sauriern als sehr allgemein vor- kommend nachgewiesen worden. ill. Retina der Vögel. Aus meinen dem kolossalen Material gegenüber noch sehr spärlichen Untersuchungen will ich für heute kurz folgende Punkte hervorheben. 1. Bekanntlich überwiegt bei den Vögeln die Anzahl der Zapfen im Allgemeinen die der Stäbchen, jedoch ist dies Verhält- niss bedeutenden Schwankungen unterworfen. Fast ganz fehlten die Stäbchen bei einem zur Gattung Phalacrocorax gehörigen Cor- moran, bei einem zu den Nyctocoraceae gehörigen Reiher und bei einer Alcedinee von der Gattung Chloroceryle, dagegen finden sich bei Caneroma cochlearia bedeutend mehr Stäbehen als Zapfen. 2. Die Farben der Oelkugeln sind nicht so brillant wie bei den Schildkröten; es finden sich deren a) farblose, wobei ich Krause gern zugeben will, dass dieselben bei zweekmässiger Untersuchungsmethode einen leicht bläulichen Farbenton zeigen; b) grüne, und zwar dunklere und hellere, gelbgrüne; ce) gelbe in verschiedenen Nüancen, braungelbe, röthliehgelbe; d) rothe und 438 Dr. Carl Heinemann: zwar meistens carminrothe. Die relative Menge dieser Kugeln wechselt sowohl bei verschiedenen Gattungen als auch an verschie- denen Stellen derselben Netzhaut. Einige Beispiele werden dies erläutern. So überwogen z. B. bei einem kleinen Falken, bei einem anderen zur Unterfamilie der Aceipitrinae gehörigen Raubvogel, bei mehreren Gattungen der Familie Sturnidae, ferner bei Sipho- norhis americana die blassgrünen Kugeln an Zahl die rothen und selben, am meisten bei den genannten Raubvögeln, bei Chloro- ceryle finden sich vorherrschend carminrothe, weniger gelbgrüne und noch weniger farblose, bei dem oben erwähnten Reiher fıehr rothe und braungelbe, als grüne und hellgelbe, bei dem Cormoran, eleichmässig vertheilt, carminröthe, rothgelbe, hellgelbe und grünlich- gelbe, bei Caneroma mehr gelbe in verschiedenen Abstufungen als rothe und auffallender Weise gar keine farblosen. Die Vertheilung der Kugeln an verschiedenen Netzhautstellen wurde bei mehreren Gattungen untersucht. Bei Siphonorhis fanden sich in dem unter dem horizontalen Meridian gelegenen Netzhautabsehnitt auffallend wenige und kleine farbige Kugeln, namentlich fehlten fast ganz rothe und gelbe, in dem oberen Abschnitt waren die Kugeln nicht nur viel zahlreicher, auch die rothen und gelben, sondern auch viel grösser; bei dem oben genannten Sperber waren die periphe- rischen Netzhautstellen ärmer an rothen und gelben Kugeln, als die centralen, wo sie sich durch ihre viel geringere Grösse aus- zeichneten; bei einer nicht näher bestimmten Ralle waren grade in der Peripherie rothe und gelbe Kugeln zahlreich, im Centrum fehlten sie fast ganz. j 3. Die Grösse der Oelkugeln ist sowohl absolut als relativ verschieden. Es giebt ausgezeichnete Stellen der Retina, an welchen die Kugeln und mit ihnen die Zapfen einen auffallend kleineren Durehmesser haben als an anderen, ein Umstand, auf den zuerst M. Schultze aufmerksam machte, nachdem vorher M. Müller das Vorkommen einer, ja zweier foveae bei Vögeln kennen gelernt hatte. Bei unserem Reiher waren im Allgemeinen die braungelben und rothen Kugeln grösser als die hellgelben, bei den Sturnidae ebenso die rothen am grössten, an wenigen Stellen nur wurden sie von den gelbgrünen übertroffen, bei Siphonorhis überwiegen die grünen etc. 4. In sehr vielen Fällen Konnte ich die Beobachtung Krause’s Beiträge zur Kenntniss der Retina. 459 bestätigen, dass immer eine rothe Kugel sich mit einer gelben zu- sammenfindet. 5. Der Auseinandersetzung Krause’s über die Bedeutung der Oelkugeln für den Farbensinn der Vögel muss ich vollkommen beipflichten, so dass Wiederholungen hier überflüssig sind, nur kann ich die von ihm beigebrachten Thatsachen um einige neue vermehren. a) Bei den genannten scharfblickenden Tagraubvögeln, sowie bei vielen Sturnidae finden sich lebhaft gefärbte Kugeln sehr in der Minderzahl im Vergleich mit den fast farblosen; diese Thiere gleichen darin also den nächtlichen Eulen. b) Der aus- ‚schliesslich in der Dämmerung und in der Nacht fliegende ameri- kanische Ziegenmelker (Siphonorhis, von den Mexikanern Tapaca- mino genannt, weil er vorzugsweise Wege aufsucht und nicht eher auffliegt als bis man ihn fast berührt) hat ebenfalls wenig rothe und gelbe, dafür aber sehr zahlreiche und zum Theil intensiv ge- färbte grüne Kugeln. 6. Damit, dass Krause die farbigen Oeltropfen mit der ge- schlechtlichen Zuchtwahl in Beziehung bringt, kann ich mich nicht unbedingt einverstanden erklären. Es finden sich zahlreiche und ‚lebhaft gefärbte Kugeln auch bei vielen Vögeln mit unscheinbarem oder weissem Gefieder, so bei Reihern, bei dem grauen Pelikan der Tropen etc., ferner aber, und hierauf lege ich das Hauptge- wicht, muss man sich der glänzenden Pigmentkugeln der Schild- kröten erinnern, deren Hautdecken bekanntlich durehsehnittlich ein sehr unscheinbares oft düsteres Aussehen haben. Ich glaube mit viel mehr Berechtigung die Oelkugeln als ein Erbstück, bei den Vögeln speeiell von Sauriern und Ophidiern überkommen und als einen Rückschlag auf die einfachste Augenform (Pigmentfleck mit Sehnery) betrachten zu können. IV. Retina der Fische. - Dieses Capitel ist für unseren Gegenstand unstreitig eines der wichtigsten, ich werde mich jedoch für heute auf die Mitthei- lung einer einzigen Thatsache beschränken. Bekanntlich sprach man seit Leydig’s Untersuchungen den Rochen und Haien den Besitz von Zapfen ab, bis kürzlich Krause dieselben für Seyllium 440 Dr. Carl Heinemann: canicula nachwies. Ich kann dasselbe für einen zur Gattung Nar- cine gehörigen elektrischen Rochen bestätigen. Zwar sind die Stäbehen in ungeheurer Ueberzahl vorhanden, bei fortgesetzter Beobachtung findet man aber auch die viel kürzeren Zapfen und hat man erst einen entdeckt, so werden wie mit einem Zauber- schlage auch mehr. und mehr sichtbar. Nachtrag. Es ist nachzutragen, dass die Retina von Crocodilas rhom- bifer sich in ihrem Bau am meisten an die des Axolotls anschliesst. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV. Bei meiner Unkenntniss im Zeichnen habe ich mich auf Darstellung der gröbsten Verhältnisse beschränken müssen. Figur 1—21. Zur Retina des Tlaconetl. 1—3 Stäbchen, bei 1 ist das Aussenglied abgebrochen, bei 3 ist die innere Abtheilung des Innengliedes verlängert. 4 Ein Stäbchen, ein Zapfenkorn und ein inneres Korn in Verbindung mit der granulosa extr. Man sieht, dass der peripherische Fortsatz des inneren Korns der dickere ist und dass er an der granulos. extr. mit trichterförmiger Anschwellung endigt. 5 Stäbchen mit auffallend kleinem Korn und leicht konischem Aussen- gliede. 6 Unentwickelte Stäbchenform. 7 Stäbchen mit kegelförmigem Innengliede. 8u.9 Seltene Stäbchenform mit verlängertem, spitz ausgezogenem Innen- gliede. 10 Zapfen mit Innenglied. 11 Linsenförmiger und empfindlicher Körper isolirt. 12 Zapfen mit bauchigem Innengliede. 13-17 Verschiedene Zapfenformen, bei 16 sieht man die Spiralfaser im Hals des Zapfenkorns. 12 Einzelnes Zapfenkorn. 19-21 Innere Körner, bei 20 zwei in opponirter Stellung. Figur 22—27 Zur Retina des Axolotl. 22-26 Verschiedene Stäbcehenformen; bei 23 sieht man die Stäbchenfaser in eine röhrenartige Hülle eingeschlossen. Beiträge zur Kenntniss der Retina. 441 27 Zapfen. Figur 28—31 Zur Retina der Schildkröten. 23 Innenglied mit dem linsenförmigen Körper. 29 Nicht differenzirter Zapfen. 30 Der linsenförmige Körper in eine Faser verlängert. 31 Linsenf. Körper und Zapfenkorn in Verbindung. 32 Linsenf. Körper in einen Fortsatz verlängert. 33 Zapfenkorn in eine seitliche Ausbuchtung des linsenf. Körpers ein- gefügt. 34 Unentwickelter Zapfen. 35u.36 Kugelzapfen. 37 Element mit stäbchenförmigem Aussenglied. Figur 38—43 Zur Retina der Eidechsen. 38 Doppelzapfen. 39 Verschiedene Kugelzapfen; bei einem sieht man die Axenfaser im Innenglied. 40 Kugelloser Zapfen; linsenf. Körper in einen starken Fortsatz ver- längert. 1-43 Verschiedene Kugelzapfen; 42 nicht differenzirte Form. 44 Element aus der Stäbchenschicht des Geckos. Zwischen empfindlichem Körper und Aussenglied ein scharf abgesetzter structurloser Abschnitt. Figur 45—49 Zur Retina von Crocodilus rhombifer. 45 Stäbchen mit gequollenem Innenglied. 46 Zapfen mit bauchigem Innenglied. 47 Stäbchen. | 48 Seltene Stäbchenform mit sehr langem Aussenglied und Innenglied. 49 Schlankere Zapfen. 50u.5l Zapfen von Schlangen. 52 Neben dem Innengliede eines Zapfens, an dieses angeschmiegt, der eigenthümlich kolbige Körper. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Ba. 14. 2) 442 Dr. E. Gasser: Beobachtungen über die Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern und Gänsen. Von Dr. E. Gasser, Privatdocent zu Marburg. Es könnte beinahe überflüssig erscheinen, über ein embryo- nales Organ, dessen Genese Gegenstand so vieler älterer und neuerer Untersuchungen gewesen ist, von Neuem Beobachtungen veröffent- lichen zu wollen. Es wird indessen ein solches Unternehmen ge- rechtfertigt durch die Controverse, welche in die Frage der Ent- stehung des Wolff’schen Ganges gebracht ist durch die Mitthei- lungen von Romiti und Kowalewsky, die sämmtlichen anderen Angaben widersprachen. Deshalb legte ich am 10. Februar 1875 der „Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften“ in Marburg meine Bedenken gegen die Auffassung Romiti’s und zu- gleich meine Beobachtungen früheren Datums vor und wiederhole dies hier in ausführlicherer Weise, mit Beibringung des von mir damals in Aussicht gestellten weiteren Beobachtungs- und Beweis- materials. Zur Erleichterung der Uebersichtlichkeit und zum Zwecke der Bezugnahme im Laufe meiner Darstellung schieke ich in Kürze die wichtigsten der früheren Ansichten über die Entstehung des Wolif’schen Ganges, chronologisch geordnet, voraus. Remak!) lässt den Wolff’schen Gang als soliden, eylindrischen Strang, verwachsen mit den Seitenplatten, entstehen; er werde später hohl. His?) nahm Anfangs an, der Wolff’sche Gang entstehe aus dem 1. Stratum, Hensen vertrat diese Annahme für das 1) Remak, Untersuchungen über Entwicklung der Wirbelthiere. 1851. 2) His, Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes, Archiv für mikroskopische Anatomie von M. Schultze. 1865. Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern ete. 443 Säugethier; His liess sie später!) fallen und, wie die Uebrigen, das 2. Stratum als Ursprungsstätte gelten, Hensen?) hält für das Säugethier noch an der Ableitung aus dem Eetoderm fest. Waldeyer?°) sagt: Der Wolff’sche Gang erscheint in Form eines soliden Stranges in Verbindung mit den Mittelplatten. Die Höhlung des Ganges entsteht durch Umlegung des Stranges nach aussen. (Die Elemente, welche den genannten Strang bilden, werden vom 1. Stratum abgeleitet, weil im Achsenstrang das 1. und 2. Stratum verwachsen sind und dureh Auswandern von dieser Stelle das Material zum Aufbau des Ganges geliefert würde.) Schenk*) ist der Ansicht, der Wolff’sche Gang beginne in der Höhe jenes Rumpitheiles des Embryo, wo die Urwirbel als kubische Stücke zu sehen sind’ und erstrecke sich von da nach dem Schwanzende. An der Uebergangsstelle von Urwirbel- zu Hautmuskelplatten sehe man anfangs auf Querschnitten eine kleine, rundliche Zellmasse, in der 5—5 Zellen übereinander liegen. Bald sehe man sie isolirt und mit einem Lumen versehen, welches da- durch entstehe, dass sich die Zellen ringförmig gruppiren und um ein kleines Lumen ordnen. Romiti5) sagt: Der Wolff’sche Gang entsteht beim Huhn wie der Müller’sche Gang als Ausstülpung der Pleuroperitonealhöhle kurz unter dem Herzen; die Strecke, auf welcher die Ausstülpung zu sehen ist, dehnt sich nur auf wenig Schnitte aus. Foster und Balfour°). Ungefähr um die 24.—36. Stunde bemerkt man auf Querschnitten durch die Urwirbelgegend des Embryo eine kleine Zellgruppe, die an jeder Seite von der unge- theilten Mittelblattmasse an der Aussenseite der Urwirbel hervor- tritt, in den annähernd dreieckigen Raum hineinragt, der oben vom Hautdrüsenblatt, innen von der oberen und äusseren Kante der 1) His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. 1868. 2) Hensen, Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kaninchens und Meerschweinchens; Zeitschrift für Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte von His und Braune. 1876. 3) Waldeyer, Eierstock und Ei. 1870. 4) Schenk, Lehrbuch der vergleichenden Embryologie der Wirbel- thiere. 1874. 5) Romiti, Archiv für mikroskopische Anatomie von M. Schultze. 1874. 6) Foster und Balfour, Grundzüge der Entwicklungsgeschichte der Thiere. Deutsch von Kleinenberg. 1876. (Original 1874.) 444 Dr. E. Gasser: Urwirbel und aussen vom Mittelblatt begrenzt ist. Diese Zellgruppe | ist der Durchschnitt eines Längsstranges, die Anlage des Wolff- schen Ganges. Am Ende des zweiten Tages wird diese Leiste deutlich hohl, ist also keine Leiste mehr, sondern ein Kanal. Querschnitte zeigen nicht mehr einen unregelmässigen Haufen ge- wöhnlicher Mittelblattzellen, sondern eine kleine Höhlung, die von einer Zellwandung eingeschlossen ist; die Zellen derselben werden säulenförmig und erscheinen daher strahlenartig um den Innenraum angeordnet. Der so gebildete Kanal oder Gang, dessen vorderes Ende geschlossen ist, reicht vom 5. Urwirbelpaar bis zum Hinter- ende des Embryo. Die Verwandlung des soliden Vorsprungs in ein Rohr scheint durch die radiäre Umlagerung der Zellen statt- zufinden; denn zuerst erscheint eine sehr enge Höhle im Centrum, wo sich die Enden der Zellen fast berühren. Diese Lücke erweitert sich schnell zum bleibenden Lumen der Röhre. — Der Auffassung beider Autoren in Bezug auf die Darstellung Romiti’s stimme ich bei. Gasser!). Ich trat in der kurzen Mittheilung für die frühere Ansicht von der Entstehung des Ganges gegen Romiti ein. Ich unterlasse es, das damals Vorgebrachte ausführlich zu besprechen, weil die hier vorliegende Mittheilung nur eine weitere Ausführung jener kurzen Notiz sein soll. Kowalewsky°) präparirt die Embryonen in besonderer, com- plieirter Weise. Er findet die Entstehung des Ganges meist um die 48. Stunde. Erste Anlage dort, wo sie auch von Waldeyer abgebildet ist. Nach seinen Beobachtungen setzt sich anfangs die Pleuroperitonealhöhle durch die Mittelplatten in die Urwirbel fort. Aus der oberen Lamelle der Mittelplatten stülpt sich der Gang aus nach oben zu, verlängert sich sehr schnell röhrenförmig von vorn nach hinten und schliesst sich endlich völlig ab. Kölliker®). Der Wolff’sche Gang entsteht in der Gegend l) Gasser, Sitzungsberichte der Marburger Naturforschenden Gesell- schaft. Februar 1875. 2) Kowalewsky, Die Bildung der Urogenitalanlage (des Wolff’schen Ganges) bei Hühnerembryonen. Gekrönte Preisschrift. Warschau 1875. (Mir war nur das Referat über die Arbeit in den Jahresberichten über die Fort- schritte der Anatomie und Physiologie von Hoffmann und Schwalbe Band IV. I. 448 zugänglich.) 3) Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. II. Auflage, 1876. Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern etc. 445 des 4.—5. Urwirbels und wächst von hier rasch nach hinten; er bildet sich dureh Abschnürung einer kleinen Zellmasse der Seitenplatten, die beim ersten Auftreten nicht hohl ist. So ist das Verhalten beim Vogel und im Wesentlichen ebenso beim Säugethier. Egli!) hat zwar die Entstehung des Wolffschen Ganges nicht beobachtet, indessen ist die Angabe von Wichtigkeit, dass beim Kaninchen der Gang zur Zeit, da er sich schon gebildet hat und gegen die Pleuroperitonealhöhle vorrückt, erst einen feinen Spalt, noch kein deutliches Lumen zeigt. Ich reihe hieran die Darstellung der Entwieklung des Wolf’- schen Ganges an, wie sich dieselbe nach meinen Präparaten dar- stellt, und lasse dann eine Begründung derselben folgen. Man kann, wenn man will, 3 Phasen der ersten Entwicklung unterscheiden, indem man scharf charakterisirte Momente herausgreift: I. Hühnerembryo von 8 Urwirbeln eirca. Der Wolif’sche Gang ist im Entstehen sichtbar beiderseits neben dem 5.—8. Urwirbel (ungefähr) als Verdiekung der Mittelplatten des Mesoderms gegen das Eetoderm hin. I. Embryo von eirca 14 Urwirbeln. Der Wolif’sche Gang ist ein solider Strang, frei zwischen Ectoderm und Mesoderm beiderseits neben dem 5. bis letzten Urwirbel und noch im Bereich der Urwirbelplatten gelegen. — Jene Verdickung neben dem 5.—8. Urwirbel löste sich allmählich von oben nach unten vom Mesoderm und wuchs gleichzeitig nach dem Schwanzende weiter, ohne hier je mit dem Mesoderm zusammenzuhängen. Der Wolif’sche Gang überholt im Abwärtswachsen die Ur- wirbelreihe. IH. Embryo über 14 Urwirbel. Der solide Strang höhlt sich nach oben und unten aus, wächst zugleich bis zum Schwanzende, stets mit solider Spitze, und nähert sich vom oberen Ende anfangend, der Pleurope- ritonealhöhle, umgeben vom Mesoderm. Das Längenwachsthum des Wolff’schen Ganges 1) Egli, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Ge- schlechtsorgane. I. Zur Entwicklung des Urogenitalsystems beim Kaninchen, Inauguraldissertation, Basel 1876, 446 Dr. E. Gässer: kopfwärts ist, wenn überhaupt vorhanden, verhältniss- mässig unbedeutend. Die Entwicklung des Ganges bei Huhn und Gans ist im Wesentlichen dieselbe. Es gelang nicht, die Spalten, welche von der Pleu- roperitonealhöhle durch die Mittelplatten nach den Centren der Urwirbel führen, in unmittelbare Be- ziehung zur Bildung des Lumens des Wolfifi’schen Ganges zu bringen: Ehe ich näher auf die Darlegung der Entwicklung des Wolff’schen Ganges eingehe, schicke ich voraus, dass die vorlie- genden Beobachtungen im Jahre 1874 angestellt und neuerdings von mir durch weitere Untersuchungen controlirt sind, dass die hier vorliegenden Resultate übereinstimmen mit dem, was ich in meiner früheren Mittheilung in den Sitzungsberichten der Marburger Naturforschenden Gesellschaft am 10. Februar 1875 veröffentlicht habe. Ueber 30 vollständige Serien von Hühner- und Gänseem- bryonen wurden zur Untersuchung der Entstehung des Wolff’schen Ganges angefertigt. Die Präparate waren sämmtlich mit Ueber- osmiumsäure, z. Th. ausserdem noch mit Pikrokarmin oder in der eomplieirteren von Kowalewsky l. ce. angegebenen Weise behan- delt. Die Schnitte wurden mit einem hier in Marburg üblichen Mierotom angefertigt, welches von Herrn cand. med. Bermann hier eingeführt, wesentlich verbessert und von Herrn Mechanikus Süss hier gefertigt ist. Als Einschlussmasse diente die Flem- ming’sche Seifenlösung. — Ich habe bei den Altersbestimmungen der Embryonen die gewöhnliche Art der Bezeichnung nach Stun- den aufgegeben und an Stelle derselben die, wie mir scheinen will, für die ersten Tage der Entwicklung genauere und beque- mere nach leicht sichtbaren Merkmalen am Embryo, hier nach den Urwirbeln, deren Zahl ja anfangs mit ziemlicher Sicherheit ange- geben werden kann, angewendet. Es lassen sich die von mir ge- ‚wählten Bezeichnungen mit Leichtigkeit in Zeitangaben umsetzen. Figuren sind nicht beigegeben, weil für das Auftreten des Wolff- schen Ganges die von Waldeyer l. c. noch mustergiltig sind; gelegentlich werde ich diejenigen veröffentlichen, welche Neues enthalten. — ar Zur Begründung meiner Auffassung der Entwicklung des Be Entstehung des Wolf’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern etc. 451 Ich gehe zunächst näher ein auf jene Fortsetzungen der Pleuroperitonealhöhle dureh die Mittelplatten hindurch nach den Urwirbeln, von denen ich zuerst 1875 in meinen Mittheilungen in den Sitzungsberichten der Marburger Naturforschenden Gesell- - schaft 1. e. gesprochen habe und die dann weiterhin von Kowa- lewsky 1. e. ebenfalls beschrieben und von ihm in Beziehung zur Bildung des Lumens des Wolff’schen Ganges gesetzt wurden. Es gibt, wie ich damals und neuerdings wieder untersucht habe, besonders im Bereiche der obersten Urwirbel schon zu einer Zeit, in der an der bezeichneten Stelle die Pleuroperitonealhöhle noch nicht eine einzige Spalte, sondern noch mehr ein System von einzelnen, allerdings bald zusammenfliessenden Lücken in den Seitenplatten des Mesoderms darstellt, Fortsetzungen jener Lücken medianwärts, so dass an bestimmten Stellen nicht bloss die Seitenplatten, sondern auch die Mittelplatten und die Urwirbel gespalten erscheinen; bei genauer Betrachtung erkennt man, dass nicht die ganze Pleuroperitonealhöhle nach innen bis zu den Urwirbeln vordringt, sondern nur an einzelnen, von einander geschiedenen Stellen finden sich Fortsetzungen, soweit ich ge- sehen habe gewissermassen Kanäle, welche von der Pleurope- ritonealhöhle durch die Mittelplatten nach dem centralen Theil der Urwirbel hinlaufen, dergestalt, dass man auf Schnitten, welehe zwischen zwei Urwirbel fallen oder den Rand eines Urwirbels treffen, keine Fortsetzungen der Pleuroperitonealhöhle sieht, auf jenen Schnitten dagegen, welche gerade durch den Urwirbel gehen, dieselben erkennt. In der späteren Zeit der Entwieklung vermisst man dieselben. — Im Allgemeinen erscheinen jene Fortsetzungen besser bei Embryonen von Gänsen als bei denen von Hühnern, wenn gleich sie auch bei letzteren unschwer zu constatiren sind. Man sieht an den betreffenden Stellen die Pleuroperitonealhöhle zunächst sich in die Mittelplatten fortsetzen und diese in zwei völlig getrennte Lamellen zerlegen, eine obere und eine untere; dann zieht die Spalte weiter medianwärts und verliert sich im Centrum der Urwirbel. In den Mittelplatten sind die Lücken entweder einfache Spalten oder aber sie dehnen sich zu kleinen Höhlen aus. Ich komme nun zu einer weiteren Erscheinung. Betrachtet man jene Spalten, welche die beiden Lamellen der Mittelplatten von einander trennen, sorgfältiger, so bemerkt man häufig, dass 448 Dr. E. Gasser: er nirgends mit den Mittelplatten zusammen; das Wachsthum des Wolff’schen Ganges schwanzwärts geschieht also so, dass er, isolirt vom Mesoderm, als solider Strang mit solider Spitze zwischen Ectoderm und Mesoderm parallel den Urwirbeln und, wie wir gleich sehen werden, an Schnelligkeit des Wachsthumes die Ur- wirbel überholend, abwärts wächst. Als Mutterboden des Wolff’schen Ganges ist demnach nur die Region der Mittelplatten vom 5.— 8. Urwirbel ungefähr zu nennen; weiterhin entwickelt er sich frei, ohne directen Zusammenhang mit dem Mesoderm, und auch an der Stelle, wo er ursprünglich mit dem Mesoderm zusammenhängt, gibt er von oben nach unten allmälich die Verbindung mit dem- selben auf. Betrachtet man nun einen Embryo von eirca 12 Urwirbeln, so sieht man im Wesentlichen noch dasselbe Bild; der obere Theil des Wolff’schen Ganges ist schon isolirt, ein darauf folgender kleinster Theil noch im Zusammenhang mit dem Mesoderm, der weitaus grösste untere Theil des Ganges ist wiederum isolirt; man findet aber jetzt den Gang nicht allein mehr im Bereich des 5.— 12. Urwirbels, sondern er hat die Urwirbel überholt; er er- streckt sich schwanzwärts in das Gebiet der Urwirbelplatten, und, je weiter er nach unten wächst, umsomehr überholt er die Ur- wirbelreihe im Wachsthum. — Der Wolff’sche Gang ist in seiner ganzen Länge ein solider Strang; dieser Strang ist oben mehr rundlich, in seinem mittleren Theile unregelmässiger, eckig, scheint gleichzeitig weniger compact zu sein; weiter abwärts flacht er sich mehr ab und endet mit einer feinen Spitze. Auffällig ist, dass von jetzt ab das obere Ende des Wolff’schen Ganges weniger scharf markirt ist. — Es beginnt nun ausserdem der Gang eine Lageveränderung vorzunehmen; von seinem oberen Ende her an- fangend, sinkt er dergestalt in die Tiefe, dass er nicht mehr frei zwischen Ecetoderm und Mesoderm liegt, sondern, von den Elementen des Mesoderms umgeben, eine Prominenz gegen die Pleuroperitonealhöhle zu machen beginnt; es ist der mediane, den Urwirbeln zunächst gelegene Theil der Pleuroperitonealhöhle, in dem der Wolff’sche Gang als Wulst erscheint. — Auf die Art der Loslösung des Theiles des Wolff’schen Ganges, welcher anfangs mit dem Mesoderm zusammenhing,’ wird später ausführlich ein- gegangen. Ein Embryo von 14 Urwirbeln (2. Hälite des 2. Tages nach Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern ete. 449 Erdl, 7. Stadium von His) zeigt keinen Wolff’schen Gang im Bereich der ersten 4 Urwirbel; dann beginnt derselbe, erstreckt sieh vom 5. — 14. Urwirbel und ausserdem eine weitere Strecke (8 Schnitte, von denen je zwei der Dieke eines Urwirbels gleieh- kommen) in den Bereich der Urwirbelplatten. Der Wolff’sche Gang ist jetzt ganz vom Mesoderm losgelöst. Der Wolff’sche Gang tritt mit seinem oberen Ende noch mehr als im vorigen Stadium gegen den hinteren Winkel der Pleuroperi- tonealhöhle hervor, indem er die obere Umgrenzung derselben, das sogenannte Hautmuskelblatt, vor sich her treibt; er erzeugt so gegen das Lumen der Pleuroperitonealhöhle einen Vorsprung und es nimmt desshalb der hinterste oder innerste Theil jener insofern eine eigenthümliche Gestalt an, als dieselbe mit zwei Schenkeln, wenn man so sagen will, nach beiden Seiten jenen “Vorsprung umgreift. — Die Gestalt des Wolff’schen Ganges ist im Wesentlichen noch ebenso, wie im vorigen Stadium, auch die An- ordnung seiner Elemente. Auffällig ist hier noch mehr als vorher, dass der untere Theil des Ganges sich stark abflacht und nament- lich nach aussen zwischen Hornblatt und Seitenplatten dünner werdend sich ausbreitet in einer Weise, die sich an allen Schnitten und bei allen Embryonen so regelmässig wiederholt, dass es wohl nicht für zufällig, durch Druck z. B. hervorgerufen, gelten kann. Das unterste Ende des Ganges ist spitz und ebenfalls in deut- lichster Weise vom Mesoderm geschieden. — Bei Hühnerembryonen von 14 Urwirbeln ist vielleicht die erste Spur der Lichtung des Ganges in dem mittleren Theile des Ganges zu sehen. Gänseembryonen zeigen zu der Zeit noch einen soliden Strang, der seine Lösung vom Mesoderm noch nicht vollendet hat. Embryonen von 16 Urwirbeln vom Huhn, 17 Urwirbeln von der Gans fangen an, ein deutliches Lumen in der Mitte des Ganges zu zeigen; das obere Ende des Ganges ist rundlich, dünn, ohne Höhlung, das untere platt und ebenfalls solid. Mit 18 Urwirbeln ist bei Hühnerembryonen an dem oberen Ende des Ganges das entstehende Lumen an der Anordnung der Zellen zu erkennen, nach der Mitte zu wird dasselbe deutlich und verliert sich in dem unteren verbreiterten Theile spaltiörmig; der grösste Theil des letzteren Abschnittes ist jedoch noch solid; ebenso TEN 450 Dr. E. Gasser: ist es dort noch bei Embryonen vom 3. Tage, die eine deutlich bauchwärts vorspringende Allantoisfalte besitzen. Der Wolff’sche Gang eines Gänseembryo von über 20 Ur- wirbeln ist nach oben solid, in der Mitte mit engem Lumen ver- sehen, unten wiederum solid und erst in der folgenden Zeit rückt auch in den breiteren unteren Theil des Ganges das Lumen auf eine gewisse Strecke nach. Von nun an beginnt bei Huhn und Gans das unterste Ende des Ganges sich dem Enddarme zu nähern. Zu dem Zwecke tritt das anfangs noch solide Endstück in das Mesoderm, welches es noch vom Entoderm trennt; (der höher oben gelegene Theil ist zur Zeit noch frei über den Mittelplatten gelegen); das Vordringen bis zum Entoderm scheint langsam zu geschehen, denn jetzt folgt das Lumen bald soweit nach, dass der ganze Gang ausgehöhlt ist, bis auf das unterste Ende; in derselben Zeit sinkt auch der obere Theil des Ganges soweit er noch nicht von Mesoderm umwachsen - war, in dieses gegen die Pleuroperitonealhöhle hin. Das unterste Ende, welches dann zur Ausmündung kommt, ist nicht auf längere Strecke solid; seine Abgrenzung gegen das umgebende Mesoderm ist weniger scharf als höher oben. Ehe bei der Gans die Aus- mündung erfolgt, sieht man ein bedeutend weiter gewordenes Lumen, welches nur ganz nach unten sich wieder verengt, durch den ganzen Gang sich erstrecken, bis zu der Stelle, wo dieser gerade da vor dem Entoderm blind aufhört, wo er nachher aus- mündet; die Lichtung holt also das untere Ende ein, ehe der Gang in directe Berührung mit dem.Entoderm tritt. — Bei Gänseem- bryonen zeigt das Ectoderm gegen den unteren Theil des Ganges einen so äusserst aullallenden zapfenförmigen Vorsprung, dass wenn Gleiches bei den Säugethieren vorkommt, sich so vielleicht erklärt, dass Hensen für den Wolff’schen Gang noch an dem zapfenförmigen Hervorwachsen aus dem Eetoderm festhält. Die Ausmündung erfolgt bei Embryonen, welche eben gerade die Allantoisfalte als Verdiekung an der Bauchseite zeigen. Jetzt ist auch das letzte Ende des Ganges mit einem Lumen versehen und setzt sich scharf gegen das umgebende Mesoderm ab. Dasselbe, was man an Durchschnitten der Embryonen über Lage und Ausdehnung des Wolff’schen Ganges ersieht, bestätigt die Betrachtung der ganzen Embryonen, nachdem dieselben zweck- entsprechend durchsichtig gemacht und conservirt sind. E| 4 Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern etc. 447 Wolff’schen Ganges will ich zunächst die Beschreibung einiger Stadien derselben nach meinen Präparaten folgen lassen. Bei Hühnerembryonen von 7 Urwirbeln finde ich noch keine Spur des Wolff’schen Ganges. Bei Embryonen von 8 Urwirbeln eirca (erste Hälfte des 2. Tages nach Erdl, 5.—6. Stadium nach His) findet sich im Bereiche des 5.—8., also der 4 letzten Urwirbel an den von Wal- deyer als Mittelplatten!) bezeichneten Stellen des Mesoderms eine flache Verdiekung, welche nach dem Hornblatt hingewendet ist. Denkt man sich den Embryo in seiner natürlichen Lage auf dem Dotter und lässt man das Hornblatt weggenommen sein, so würde man .in dieser Zeit neben den 4 letzten Urwirbeln, beiderseits denselben parallel laufend einen wenig über die Fläche hervor- tretenden Wulst des Mesoderms sehen. Aus den späteren Be- schreibungen wird sich zeigen, dass dies diejenige Region ist, in welcher fast mit einemmal der Gang als Wulst des Mesoderms entsteht und die einzige Gegend, in der je der Wolff’sche Gang mit dem Mesoderm zusammenhängt. Bei einem Embryo von 11 Urwirbeln eirea findet sich der . Wolff’sche Gang vom 5.—11. Urwirbel und zwar im Bereiche der obersten der genannten Urwirbel losgelöst von den Mittelplatten, im Bereiche der nächsten noch im Zusammenhang, der letzten Urwirbel dagegen wiederum losgelöst. Der Wolff’sche Gang stellt auch hier, wie im vorigen Stadium in seiner ganzen Ausdehnung einen Wulst, einen Strang, keine Röhre dar, er ist solid. — Ver- gleicht man dieses Stadium mit. dem vorbeschriebenen, so erkennt man klar die Art des Wachsthumes des einmal angelegten Wolff’schen Ganges. Der Wolff’sche Gang befindet sich noch im Bereiche des 5. — 8. Urwirbels wie vorher und ausserdem vom 8.— 11. Urwirbel; er hat sich also, wenigstens im Wesentlichen, nach unten verlängert, Untersucht man sein Verhalten zu den *Mittelplatten, so erkennt man einmal, dass er nicht mehr im ganzen Bereich des 5. — 8. Urwirbels wie vorher seinen Zusammenhang bewahrt hat, sondern sieh von oben nach unten gehend von seinem Mutterboden zu lösen beginnt; die Loslösung ist noch nicht voll- endet; zweitens sein Verhalten vom 8.— 11. Urwirbel; hier hängt 1) Mittelplatte ist der Theil des Mesoderms, welcher die Urwirbel mit der durch die Pleuroperitonealhöhle gespaltenen Seitenplatte vereinigt. 452 Dr. E. Gasser: von ihnen nach aufwärts (man stelle sich einen Querschnitt vor) ganz feine Spalträume gehen, welche die obere Mittelblattlamelle nach beiden Seiten umgreifen; früher und, deutlicher sieht man die nach aussen, später die nach innen gehende feine Spalte. Diese ebengenannten Erscheinungen sind scharf zu trennen von jener der Fortsetzung der Pleuroperitonealhöhle in die Urwirbel- centren; letztere sind breite Hohlräume, die erstgenannten feinste Spalten, bei deren Verwerthung man nicht ausser Acht lassen darf, dass man es mit Schnitten von gehärteten Embryonen zu thun hat, an denen namentlich nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure so häufig die Intercellularräume verhältnissmässig weit klaffen. Will man indessen die Erscheinung als Nicht-Kunstproduet gelten lassen und hält sie mit der grossen, unzweifelhaften Lücke, die an den genannten Stellen in den Mittelplatten sich finden zu- sammen, so könnte man in denselben eine Beziehung zur Los- lösung des Wolff’schen Ganges finden; denn es umgrenzen die aufgezählten Lücken gerade jenen Theil der Mittelplatten, welcher sich zum Wolff’schen Gang umwandelt. Ich will diese Deutung einmal der von Kowalewsky gegebenen gegenüberstellen, die aus der Mittelplattenlücke das Lumen des Wolff’schen Ganges hervorgehen lässt. Für die Loslösung spricht der Umstand, dass von jenen Lücken gerade diejenigen Zellen der Mittelplatten umgrenzt wer- den, welche den Wolff’schen Gang bilden. Abgesehen von jener Lücke in den Mittelplatten, welche mit der Pleuroperitonealhöhle zusammenhängt, ist namentlich die früher auftretende äussere Spalte, welche also die obere Lamelle der Mittelplatten (späteren Wolff’schen Gang) von der oberen Lamelle der Seitenplatten (Haut- muskelplatte) trennt, oft sehr deutlich. Diese Lücke in Verbindung mit der Einsenkung, welche durch die stellenweis nach aussen stark abgeplattete Gestalt des entstehenden Wolff’schen Ganges zwischen ihm und den Seitenplatten erscheint, ist es, nach meinem Dafürhalten, welche die Auffassung ermöglichte (Waldeyer I. e.), das Lumen des Ganges entstünde durch Umlegung des Stranges nach aussen. — Gegen Loslösung kann sprechen, dass jene Lücken nur von Streeke zu Strecke vorhanden sind, zum Theil auch ausser dem Bereich des Wolff’schen Ganges liegen. Doch ist hier zweierlei scharf zu trennen: jene feineren Spalten, welche von der Mittel- plattenlücke ausgehen, finden sich nur im Bereich des Wolff’schen Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern etc. 453 Ganges und sind, wenn man sie überhaupt gelten lassen will, wohl mit Sicherheit auf die Lösung des Ganges, die erst aussen, dann innen erfolgt, zu beziehen. Anders mit der Lücke zwischen beiden Lamellen der Mittelplatten. Mag man auch annehmen, dass sie da, wo sie sich im Bereich des Wolff’schen Ganges finden, zur Lösung desselben beitragen, so kann man doch darin kaum ihre volle Bedeutung erkennen; denn sie findet sich, und oft am deut- lichsten, im Bereich der obersten Urwirbel, wo gar kein Wolff’scher Gang liegt. Eine befriedigende Erklärung jener Fortsetzungen der Pleuroperitonealhöhle durch die Mittelplatten in das Urwirbe- centrum ist also so noch nicht gefunden. Für die Auffassung Kowalewsky’s, dass sich die obere Lamelle der Mittelplatten röhrenförmig als Wolff’scher Gang ab- schliesse, das Lumen des Ganges also aus der Lücke der Mittel- platten herzuleiten sei, finde ich in meinen Präparaten keinen Beweis; einer Täuschung, als ob sich die obere Lamelle wie eine nach unten concave Rinne erhebe, kann man bei einzelnen Schnitten unterworfen sein, die die Mittelplattenlücken in der von mir oben erwähnten Form von kleinen Höhlen sehen lassen. Gegen jene Auffassung spricht aber, dass der Wolff’sche Gang auch nach seiner Trennung vom Mesoderm noch solid ist. Kann der Beweis dafür geliefert werden, so kann der Wolff’sche Gang auch keine Ausstülpung jener Fortsetzung der Pleuroperi- tonealhöhle in die Mittelplatten sein. Ich werde diesen Beweis in Folgendem zu führen suchen. Zunächst muss bemerkt werden, dass die Frage gar nicht mehr lautet: ist der Wolff’sche Gang eine Ausstülpung oder ist er solid angelegt, sondern es kann nur noch gefragt werden: ist der Theil des Wolff’schen Ganges, der allein mit dem Mesoderm zusammenhängt (vom 5.—8. Urwirbel ungefähr), eine Ausstülpung oder ist auch er solid; denn dass der ganze übrige Wolffsche Gang keine Ausstülpung sein kann, habe ich oben dadurch be- wiesen, dass er überhaupt nie mit dem Mesoderm direct zu- sammenhängt. Der Wolff’sche Gang ist zuerst eine Verdickung der oberen Lamelle der Mittelplatten vom 5.—8. Urwirbel ungefähr. Von hier wächst er nach unten frei zwischen Eetoderm und Mesoderm weiter und gleichzeitig beginnt das mit dem Mesoderm in Zusammenhang stehende, zuerst vorhandene Stück, diesen Zusammenhang auszu- 454 Dr. E. Gasser: geben. Es geschieht dies allmählich vom oberen Ende des Ganges her unter Auftreten gewisser Erscheinungen, die auf die Lösung bezogen werden können und früher an der Aussenseite des Ganges als innen sichtbar werden. So bekommen wir, wie zwei der be- schriebenen Präparate zeigen, Zustände der Entwicklung, wo das obere Ende des Ganges schon isolirt ist, ein kleiner unterer Theil des zuerst angelegten Stückes des Ganges noch mit dem Mesoderm zusammenhängt und von da nach abwärts folgt jener Theil, welcher sich frei zwischen Eetoderm und Mesoderm nach abwärts ent- wickelt. Wäre der Theil des Wolff’schen Ganges, der zuerst mit dem Mesoderm verbunden war, eine Ausstülpung, so müsste der obere isolirte Theil des Ganges jetzt hohl sein; er ist aber solid. — Einen Schritt weiter: der Wolff’sche Gang hat eben seine Ver- bindung mit dem Mesoderm völlig aufgegeben und auch jetzt ist er noch von oben bis unten vollständig solid. — Erst später tritt ein Lumen in ihm auf, auf dessen Erscheinen der Gang selbst durch eine gewisse Aenderung seines Aussehens aufmerksam macht; er wird rund, erscheint compacter, seine Zellen ordnen sich in bestimmter Richtung, indem sie sich um das entstehende Lumen radiär gruppiren. Vorher war die Gestalt des Ganges in seinen oberen Theilen eine unregelmässig eckige, unten war er platt und auffallend namentlich nach aussen verdünnt, das Ende spitz, aus locker nebeneinander liegenden Zellen gebildet, überhaupt die Elemente des ganzen Ganges weniger fest aneinander gefügt, ohne jede Regelmässigkeit der Anordnung. So könnte man, mag das Lumen noch so fein sein oder durch Zufall verdeckt werden, aus dem Ansehen des Ganges allein erkennen, ob er noch solid oder bereits hohl ist. — Ich will nicht unterlassen zu bemerken, um jedem Missverständnisse vorzubeugen, dass ich bei stärkerer Vergrösserung schon in früherer Zeit in dem Wolff’schen Gange kleine Lücken gesehen habe; es sind das aber ganz unregelmässig auftretende, wesentlich wohl durch die Behandlung mit Säure und Alcohol entstandene Intercellularräume, wie sie überall vorkommen, mit dem späteren Lumen unmöglich zu verwechseln, dessen Auftreten, wenn es ja auch wohl nur einem Grösserwerden und Zusammen- fliessen solcher Räume zuzuschreiben ist, durch das Verhalten der Zellen zu dem Hohlraum scharf characterisirt, vor jeder Verwechs- lung geschützt wird. Wenn so die Präparate den Wolff’schen Gang als einen Entstehung des WolfPschen Ganges bei Embryonen von Hühnern ete. 455 soliden Strang zeigen, so kann man nicht mit Kowalewsky die Bedeutung der Fortsetzung der Pleuroperitonealhöhle in die Mittel- platten in der Bildung des Lumens des Wolff’schen Ganges finden, die ausschliessliche Bedeutung schon desswegen nicht, weil der we sentlichste Theil jener Fortsetzungen niemals im Bereiche des Ganges liegt, auch keine theilweise Beziehung, weil dagegen alle meine Befunde sprechen. — Andererseits war es auch nur bei einem Theile der. bei Loslösung des Ganges beschriebenen Lücken mög- lich, sie auf die Lösung zu beziehen; am wenigsten gelang dies für jene Lücken der Mittelplatten, welche die Fortsetzung der Pleuroperitonealhöhle nach den Urwirbelcentren sind. Desshalb muss man die wesentliche Bedeutung jener Erscheinung ander- weit suchen. — Weiter oben habe ich gesagt, dass sich die Pleu- roperitonealhöhle an gewissen Stellen nach einwärts fortsetzte, nämlich nach den Centren der vorderen Urwirbel, indem sie dabei auch die Mittelplatten spalte. Wir kommen auf diesem Wege zu der vielbesprochenen Frage nach dem Verhalten der sogenannten Höhlen der Urwirbel. Zur Zeit der Entstehung haben meisthin die Urwirbel einen deutlichsten durchweg radiären Bau. Die zuerst auftretenden besitzen mehr oder weniger unregelmässige Spalten in ihrem centralen Theile. Nach einiger Zeit verän- dert sich das Aussehen des centralen Theiles derselben, die einzelnen Radien erreichen nicht mehr die Mitte, es er- scheint inmitten des Urwirbels eine Anzahl regellos liegen- der Zellen, die an Menge bald zunehmen; damit geht Hand in Hand bei den kopfwärts gelegenen Urwirbeln eine solche Ver- änderung vor, dass am erhärteten Präparat eine deutlich umgrenzte Spalte erscheint, die sich seitwärts durch die Mittelplatten bis in die Pleuroperitonealhöhle fortsetzt. Kurze Zeit darauf, nachdem aus den Mittelplatten sich der Wolff’sche Gang entwickelt, nach- dem die Urwirbel weiterwachsend zum Theil ihren gestreiften Bau eingebüsst, ist die Erscheinung verschwunden; am längsten sah ich sie noch an den obersten Urwirbeln. Bei Gänseembryonen von 17 Urwirbeln sind jene Spalten noch sehr deutlich; bei sol- chen von 26 Urwirbeln fehlt dagegen die Communication mit dem Coelom und es ist nur noch ein Hohlraum in dem oberen Theile des Urwirbels zu sehen. Es drängt sich so die Vorstellung auf, die ganze Erscheinung jener Spaltbildung sei nur die Folge eines vielleicht hier gerade sehr bedeutenden Wachs- 456 Dr. E. Gasser: thums, sich einfach anreihend an die Umwandlung des Urwirbel- baues, wie solche Erscheinungen auch anderweit, z. B. bei Ent- wicklung der Retina vorkommen. Ob bei dem unversehrten Embryo es vielleicht offene Hohlräume, nur mit Flüssigkeit erfüllt, sind, oder ob hier nur Zellen mit massenhafter Grundsubstanz, die bei der Erhärtung verloren gehen, gelegen waren, kann ich nicht ent- scheiden; es muss nur hervorgehoben werden, dass jene Spalten selbst in den Urwirbeln zum Theil sehr wohl umgrenzt sind. — Noch in späterer Zeit ist auffällig, ‚dass das oberste Ende des Wolff’schen Ganges eine Zeit lang eine bemerkenswerthe Un- regelmässigkeit der Gestalt und unregelmässige Anordnung der Elemente zeigt, dabei eines Lumens entbehrt. Man kann diese Erscheinung in Beziehung zu einem etwaigen Wachsthum des. Wolff’schen Ganges nach oben bringen. Vorher wurde erwähnt, dass von jener beschränkten Stelle des Ursprunges des Ganges aus dem Mesoderm dieser sich frei nach dem Schwanzende fort- entwickelt; es würde sich nun zweitens fragen, wächst der Gang wohl auch kopfwärts. Diese Frage ist schwer zu entscheiden ; man müsste zu dem Zweck, weil im Verhalten des Ganges zu den Urwirbeln das einzige sichere Merkmal für seine Längenveränderung gelegen zu sein scheint, zunächst mit Sicherheit wissen, in welcher Weise sich die Urwirbel vermehren, ob bloss nach abwärts von dem zuerst auftretenden, oder auch nach aufwärts. Es ist mir trotz vieler Bemühungen noch nicht gelungen, eine unzweifelhafte Beobachtung über diesen Punkt zu machen; es gibt indessen manche Momente, welche mir dafür sprechen, dass wenigstens einige Urwirbel kopfiwärts von dem ersten sich entwickeln, ein- mal die Gestalt der späteren obersten Urwirbel!) und dann sehr eingehende Messungen, welche ich an Embryonen angestellt habe, und die, wenn sie auch nieht mit absoluter Nothwendigkeit ein Wachsthum nach aufwärts anzunehmen zwingen, dies doch zum mindesten sehr wahrscheinlich machen. Wachsen aber die Ur- wirbel kopfwärts, so ergibt sich daraus, dass das oberste Ende des Wolff’schen Ganges wenigstens bis zu der Zeit der Entwick- lung, die ich verfolgte, bis zum dritten Tage in derselben Höhe zum oberen Ende der Urwirbelreihe (ungefähr dem 5. gegenüber) 1) Namentlich auf Längsschnitten und an Flächenbildern sieht man, dass oft der oberste Urwirbel unfertig ist, während bald darauf auch dieser die vollendete Gestalt der übrigen zeigt. Entstehung des Wolff’schen Ganges bei Embryonen von Hühnern etc. 457 bleibt, dass er sich, wenn auch nur wenig, mit der Urwirbelreihe zusammen nach oben ausgedehnt hat. Dieser Grund mit dem oben angeführten zusammengehalten, lässt mich annehmen, dass der Wolff’sche Gang bei seinem Längenwachsthum sich vorwiegend nach unten, in geringerem Masse auch wohl nach oben ent- wickelt. — Mit den meisten Autoren, welche sich mit der Entwicklung des Wolff’schen Ganges beschäftigt haben, befinde ich mich in den wesentlichen Punkten in Uebereinstimmung; über Unwesent- liches kann ich wohl weggehen. Wesshalb ich mit der Ansicht Kowalewsky’s nicht übereinstimme, habe ich oben auseinander- gesetzt; ich bedaure sehr, die Originalarbeit nicht haben einsehen zu können; es will mir scheinen, als ob namentlich noch über- sehen sei, dass jene Fortsetzungen der Plenroperitonealhöhle nur stellenweise vorhanden sind, ferner dass der grössere Theil des Wolff’schen Ganges überhaupt ohne direeten Zusammenhang mit dem Mesoderm ist, also auch nicht durch Abschnürung gebildet sein kann. Besondere Vortheile hat die von Kowalewsky an- gewendete Erhärtungsmethode nicht ergeben. Neben Kowalewsky vertrat noch Romiti die Anschauung, der Wolff’sche Gang entstehe durch Abschnürung und zwar nach ihm aus der Pleuroperitonealhöhle selbst. Andere, z. B. Foster und Balfour, ferner Semper!) haben das Irrige jener Auffas- sung dargethan; ich stimme denselben völlig bei und füge nur noch hinzu, dass es mir neuerdings gelungen ist, dieselben Bilder zu erzielen, die Romiti bei Aufstellung seiner Ansicht vorgelegen haben müssen. Es sind das Durchschnitte des oberen Endes des Ganges zu einer Zeit, wo derselbe vom Mesoderm getrennt, bereits seine Bewegung gegen die Pleuroperitonealhöhle angetreten hat. Hat sich der Gang derselben soweit genähert, dass er einen Vor- sprung in ihr erzeugt, so ist er von derselben nur getrennt durch jene Zelllage, die später Keimepithel genannt wird. Daraus er- klärt sich zunächst überhaupt die Möglichkeit, in späterer Zeit noch irrthümlich eine Beziehung des Ganges zur Pleuroperitoneal- höhle annehmen zu können. Nun sieht man hin und wieder zwischen den Zellen, welche den Gang von der Pleuroperitonealhöhle trennen, feine Spalten, klaffende Intercellularräume, wie sie so oft bei Ueber- 1) Semper, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen, 1875. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 30 458 Dr. E. Gasser: osmiumpräparaten erscheinen. Es kann sogar vorkommen, dass ebensolehe Spalten auch zwischen den Zellen des Ganges selbst sichtbar werden und namentlich bei Schiefschnitten des Ganges kann die Täuschung entstehen, der Gang münde durch feinste Communication in die Pleuroperitonealhöhle aus. Wer sich aber in den vorhergehenden und nachfolgenden Stadien der Entwick- lung des Embryo einigermassen umgesehen hat, wird die Unmög- lichkeit der Deutung zugeben. Semper bespricht 1. ec. neben der Entstehung des Wolff’schen Ganges auch die des Müller’schen und findet zwischen den Dar- stellungen Waldeyer's, Bornhaupt’s, Foster und Balfour's und der von mir früher!) gegebenen Widersprüche. Ich glaube zu deren Hebung etwas beitragen zu können. Zeitangaben sind unzuverlässig, wie Semper selbst hervor- hebt, man thut also besser, sich an das Präparat selbst zu halten. Semper meint, die Abbildungen Waldeyer’s und die meinen stimmten nicht. Einmal muss ich hervorheben, dass meine Fig. 2 Tafel II mit denen Waldeyer’s ganz wohl stimmt; Fig. 1 Tafel I dagegen stimmt nicht mit denen von Waldeyer, so wenig wie mit meiner zweiten, weil sie von einem jüngeren Embryo herrührt, der eben gerade den ersten Anfang zeigt, ein Stadium, welches Waldeyer nicht abbildet. Dass der Müller’'sche Gang später seine Lage etwas ändert, hängt mit dem Wachsthum des Wolff- schen Ganges und Körpers zusammen. In der Arbeit von Foster und Balfour ist die Entstehung des Müller’schen Ganges ganz ebenso dargestellt wie von Waldeyer, Bornhaupt und mir. In der Figur ist ein Versehen vorgekommen, welches durch die Lectüre des Textes sich von selbst ergibt. Der deutsche Uebersetzer Kleinenberg hat desshalb auch in der Figur die Bezeichnung ausgemerzt. In den Figuren Waldeyer’s kann ich keinen Widerspruch entdecken; es wäre nur besser bei Fig. 49 auf der rechten Seite statt z ein anderer Buchstabe ge- wählt. In der Figurenerklärung sind übrigens links z und rechts z' gegenübergesetzt und damit ein Missverständniss ausgeschlossen. Ueber einige Punkte bin ich damals zu anderen Resultaten ge- kommen, als die übrigen Autoren, über die Entstehung als Ein-" 1) Gasser, Entwicklungsgeschichte der Allantois, der Müller’schen Gänge und des Afters. 1874. Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. 459 stülpung sind die Ansichten Waldeyer’s, Bornhaupt’s, die von Foster und Balfour und mir gleich; ich habe nur ein etwas früheres Stadium abgebildet als die Uebrigen; abgesehen von dieser Uebereinstimmung, die mich an die Richtigkeit der Ansicht glauben liesse, habe ich auch in späterer Zeit noch Gelegenheit gehabt, an vollständigen Serien mich von dem Einstülpungsvorgang zu überzeugen. Derselbe ist ja auch keine schnell vorübergehende Erscheinung, sondern kann Schritt für Schritt verfolgt und con- trolirt werden, wie ich das denn damals auch gethan habe. Für den Vogel halte ich desshalb an der Anschauung fest, dass der Müller'sche Gang als eine Ausstülpung der Pleuroperitonealhöhle auftritt. Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogel- embryonen. Von Dr. E. Gasser. (Hierzu Taf. XXVI und XXVI.) In der Sitzung der Marburger naturforschenden Gesellschaft vom 3. Februar 1876 theilte ich meine Beobachtungen über Herz- entstehung mit, unter Vorzeigung von Präparaten und derjenigen Zeichnungen, welche jetzt hier beigegeben sind; in den Sitzungs- berichten derselben Gesellschaft erschien bald darnach eine be- zügliche kürzere Mittheilung. Während ich nun in der darauf folgenden Zeit mit der detaillirten Ausarbeitung des Gegenstandes beschäftigt war, erschien die erste Hälfte der Entwicklungs- geschichte des Menschen und der höheren Thiere von Kölliker; ich fand in derselben die Entstehung des Herzens beim Huhn, anschliessend an die des Säugethieres, so dargestellt, dass mir die vollkommene Uebereinstimmung mit meiner Auffassung eine specielle Publication entbehrlich zu machen schien; ich legte dess- halb die Arbeit zurück und vervollständigte nur im Laufe der Zeit meine Beobachtungen noch an Gänseembryonen, die theil- weise auch früher schon zur Untersuchung gedient hatten. 460 Dr. E. Gasser: Wenn ich nun trotzdem jetzt darauf zurückkomme, eine aus- führliche Mittheilung meiner Beobachtungen zu geben, so geschieht dies einmal, weil in dem Lehrbuche von Kölliker zwar die Ent- stehung des Herzens beim Säugethier durch eine grössere Zahl von Figuren verdeutlicht ist, nicht so die beim Vogel; dann weil meine Untersuchungen nicht nur an Embryonen von Hühnern, son- dern auch an solchen von Gänsen angestellt sind; ferner weil mir eine Reihe von Beobachtungen über das Verhalten des Endothels zur Herzentstehung zur Verfügung steht und dann auch desswegen, weil es immerhin wünschenswerth sein muss, gegenüber abwei- chenden Darstellungen, wie sie noch neuerlich von anderer Seite gegeben sind, durch wiederholte Darlegung die richtige Auffassung möglichst zu sichern. Ich berücksichtige im Folgenden die ältere Literatur nicht; die Verdienste der früheren Autoren sind in der Entwicklungs- geschichte der Thiere von Foster und Balfour entsprechend ge- würdigt; ich gehe nur auf die Arbeiten aus den letzten Jahren näher ein. — Schenk, Lehrbuch der vergleichenden Embryologie der Wirbelthiere, 1874, gibt an, das Herz entstünde durch Ausstülpung jenes Theiles der Darmfaserplatte, welcher unterhalb des Vorder- darmes an dem Darmdrüsenblatt anliegt; anfangs sei das Herz als eine kleine, rundliche, hohle Vortreibung der Darmfaserplatte zu sehen; in dieser Ausstülpung beobachte man eine Lage von Zellen, die auf dem Durchschnitt Spindeln gleichen; von diesen weiss er nicht genau anzugeben, aus welchem Substrat des Em- bryonalleibes sie stammen, doch sei gewiss, dass sie dem Meso- derm entnommen würden. Das Herz sei unpaar angelegt. — Die Abbildungen repräsentiren nur die spätere Zeit der Herzent- wicklung. ‚ His, Unsere Körperform, 1875. Die Muskelwand des Her- zens geht aus dem Darmfaserblatt durch Faltung derselben an der unteren Wand der fovea cardiaca bei deren Abschluss hervor; er unterscheidet einen Bulbus-, einen Ventrikel- und einen Vor- hoitheil des Herzens; der erste und letzte Theil seien doppelt, der mittlere einfach angelegt. In die Lücken wachsen später die Parablasten hinein und bilden das Endothel; sie haben anfangs mit der Muskelwand gar keinen organischen Zusammenhang. Die Zeit des Auftretens des Endothels ist nicht angegeben; die Dar- Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. 461 stellung deutet aber darauf hin, dass es erst später erscheine. — Bei den Abbildungen ist vor Allem zu bemerken, dass sie sämmt- lich des Endothels entbehren; Längsschnitte können nur dann in- struetiv sein und vor Fehlschlüssen wahren, wenn sie aus der Zeit genommen sind, in der das Herz einfach ist, gerade verläuft und wenn der Schnitt genau die Mitte trifft; in Bezug auf das Endothel waren die früberen Abbildungen in „Anlage des Wirbel- thierleibes“ besser. Foster und Balfour, Grundzüge der Entwicklungsgeschichte der Thiere. 1874. Deutsch von Kleinenberg 1876. Ich hebe aus der detaillirten Schilderung des Entwicklungs- vorganges nur die wichtigsten Momente hervor. — Die erste Spur des Herzens erscheint in Form einer Verdiekung des Darmfaser- blattes längs der auseinanderweichenden Falten der fovea cardiaca; die Verdiekungen treffen sich im Vereinigungspunkt der Falten und verwachsen von hier aus nach abwärts miteinander. Durch Umbildung der centralen Zellen wird die Verdiekung hohl; der vereinigte Theil wird Herz, der untere, nicht vereinigte venae omphalo - mesentericae; das Herz ist nicht doppelt angelegt. An- gaben über das Endothel fehlen. Die Abbildungen sind schema- tisch; eine von His entlehnte ist aus späterer Zei& genommen. Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. II. Auflage. 1876. 1. Entwicklung des Herzens beim Vogel. Während der Kopf- darm zum Verschluss kommt und nachdem dies geschehen ist, tritt die erste Spur des Herzens in Gestalt zweier der Länge nach verlaufender Spaltungslücken auf, die zwischen den Darmfaser- platten des Vorderdarmes und dem Darmepithel entstehen, in welchen gleichzeitig mit ihrem Auftreten eine zarte Zellauskleidung, das spätere Endothel des Herzens sichtbar wird. Diese zwei Lücken sind anfangs ganz gesondert. Die zwei Herzanlagen rücken einander entgegen und verschmelzen, sowohl Wand als Auskleidung. Die Figuren, sowohl von Quer- als Längsschnitten stimmen mit den meinen völlig, sind aber aus etwas späteren Stadien als diese. — Auf dem Wege der Venen gehen endotheliale Gefässröhren des Fruchthofes zwischen Darmfaser- und Darm- drüsenblatt in oben bezeichneter Richtung und drängen jene aus- einander. 2. Das Säugethier. Mit der Bildung der Parietalhöhle, die 462 Dr. E. Gasser: hier gesondert für jede Seite entsteht, geht die Bildung des Her- zens einher, dessen Muskelwand gegeben ist vom Darmfaserblatt und dessen Auskleidung ein besonderes Endothel darstellt. Die Vereinigung beider Herzhäliten geschieht allmählich. Erst nähern sich dieselben, dann kommt ein Zustand, in dem wir zwei Parietal- höhlen, eine verschmelzende Muskelwand und zwei getrennte Endothelschläuche haben; (für das Huhn gilt ganz dasselbe, wie meine Figuren zeigen); dann folgt Verschmelzung beider Parietal- höhlen und beider Herzanlagen. — Die Figuren zeigen, dass in allen wesentlichen Punkten die Entwicklung beim Säugethier der beim Huhn gleichzusetzen ist. Hensen, Beobachtungen über die Befruchtung und Entwick- lung des Kaninchens und Meerschweinchens. Zeitschrift für Ana- tomie und Entwicklungsgeschiehte 1876. Die Herzanlage ist streng bilateral und erscheint bei Em- bryonen von zwei Urwirbeln in Form von zwei Verdiekungen, die nach dem Kopfende hufeisenförmig zusammenlaufen. In den Ver- diekungen zeigt sich später ein Kanal mit spindelförmiger Erwei- terung. Durch die Bildung der fovea cardiaca nähern sich die beiden Kanäle und verschmelzen dadurch. Mit dem ersten Auf- treten zusammen geht die Bildung der Pericardialhöhle, eines Theiles der Coeloms (Parietalhöhle nach His oder vorderes Ende der Pleuroperitonealhöhle, auch Halshöhle genannt). — Die Figur 37 ist von grossem Interesse; sie gibt ein sehr gutes Bild von der Bildung der Höhle und der Endothelzellen und ist einer auf gleicher Stufe stehenden des Vogels sehr ähnlich. Die primitive Pericar- dialhöhle erweitert sich und die Endothelien bilden ein Rohr; dasselbe wird von dem Darmiaserblatt umwachsen; während dessen erfolgt die Annäherung beider Herzschläuche und auch die beiden anfangs getrennten Pericardialhöhlen vereinigen sich (es gilt dies auch für den Vogel, bei dem durch Einreissen des unteren und eines Theiles des oberen Herzgekröses die Vereinigung erfolgt); endlich vereinigen sich auch die beiden Herzschläuche in der ge- meinsam gewordenen Pericardialhöhle. Die Herzmuskulatur geht aus dem Darmfaserblatt hervor. — Für meine nunmehr zu schildernden eigenen Beobachtungen über Entstehung des Herzens stehen mir über 80 Serien von Schnitten, in Quer- und Längsrichtung durch den Embryokörper gelegt, zur Verfügung. Es wurde ausschliesslich die Behandlung Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. 463 mit Ueberosmiumsäure (1°/,) angewendet, welche für Gefässanlagen sehr gute Bilder liefert. Die Schnitte sind mit einem Microtom angefertigt und in Balsam conservirt. Abgesehen von geringen zeit- liehen Differenzen ist der Vorgang der Herzbildung bei Hühnern und Gänsen der gleiche. Als Ausgangspunkt der Betrachtung nehme ich einen Hühner- embryo an, in dem, bei ungefähr 2 Urwirbeln, die fovea cardiaca eben angelegt ist und die Ausdehnung von etwa 2 — 3 Schnitten besitzt; zunächst untersuche ich das Verhalten des Mesoderms in dieser Zeit. Dasselbe reicht in der Stammzone des Embryo zu beiden Seiten. und unter dem Centralnervensystem bis nahezu zum äussersten Ende des Kopfes; es ist hier ungespalten; auf Durch- schnitten durch die Gegend der fovea cardiaca ist es jetzt also in der oberen Wand derselben, wenn auch in dünner Lage an Ösmiumpräparaten, und in der Seitenwand zu finden. In der unteren Wand der fovea cardiaca, welche durch Umbiegung des Kopfendes von vorn nach hinten ‚anfänglich sich bildete, ist da- gegen kein Mesoderm vorhanden und ebensowenig vor dem Kopf- ende des Embryo in der Keimscheibe; es hat sich das Mesoderm so vorgeschoben, dass es, mit seinen Seitentheilen schneller wach- send, hier vorn zu dieser Zeit auf der Grenze zwischen area pellu- cida und opaca und auf letzterer angelangt ist, (auf einer Seite weiter vorgerückt als auf der anderen) während ein halbmond- förmiges Stück der Keimscheibe vor dem Kopf frei von Mesoderm ist. Mit Ausnahme des Stammtheiles des Mesoderms, eingeschlossen das Mesoderm, welches in jener Zeit in der fovea cardiaca vorhanden ist, zeigt dasselbe in allen seinen Theilen von den Urwirbeln an nach vorn und den Seiten eine bemerkenswerthe Neigung zur Lücken- oder Spaltbildung. Durch den Zusammenfluss jener Lücken zerfällt das Mesoderm in die Haut- platte und Darmfaserplatte. Die trennende Spalte führt in ihrem vorderen, äusseren Theil den Namen Halshöhle oder Parietalhöhle, da diese aber nur ein Theil des gemeinsamen Spaltraumes dar- stellt, gebrauche ich auch für sie den Ausdruck Pleuroperitoneal- höhle, wie das für den weitaus grössten Theil jener Spalte ja gebräuchlich ist. Wir sehen demnach in dieser Zeit den Theil des Mesoderms, der vor einer Linie liegt, welche tranversal durch den letzten Urwirbel geht, sich an verschiedenen Stellen verschieden verhalten; die Stammzone, soweit sie vor den Urwirbeln liegt, ist 464 Dr. E. Gasser: ungespalten, die Urwirbel selbst zeigen unvollkommene Spalträume, das Mesoderm, welches von der Stammzone nach aussen liegt, ist in den Anfängen einer Spaltung begriffen, die in den Seitenplatten des Körpers am vollkommensten ist und hier bis zum Eingang in die fovea cardiaca reicht. — Betrachtet man in diesem Stadium einen Embryo von der Bauchseite her, so sieht man den Eingang zu dessen noch wenig entwickelter fovea cardiaca von zwei nach oben eonvergirenden Falten begrenzt; ich nenne sie Eingangs- falten. Es bestehen diese Eingangsfalten nach Vorgesagtem aus Darmdrüsenblatt und der Darmfaserplatte, denn bis hierher reichte ja die Pleuroperitonealhöhle in den Seitenplatten. Das Darmfaser- blatt zeigt von vornherein hier eine beträchtlichere Dicke. Jetzt folgt die zweite Epoche in der Bildung der fovea car- diaca. Diese schliesst sich nunmehr ab durch das allmähliche Zusammentreten der beiden seitlichen Eingangsfalten in der Rich- tung vom Kopf zum Schwanz. Dadurch kommt das Mesoderm in die untere Wand der fovea cardiaca, welches vorher dort noch fehlte!), und mit demselben selbstverständlich nach oben Gesagtem die Pleuroperitonealhöhle und zwar muss diese bilateral vorhanden sein; denn es verschmelzen die Darmiaserplatten des Mesoderms beim Abschluss der unteren Wand der Kopfdarmhöhle nicht, son- dern nur das Entoderm in der aus den Figuren ersichtlichen Weise; daher die Erscheinung, dass in der unteren Wand der fovea cardiaca in der Mittellinie auch jetzt noch kein Mesoderm vorhanden ist, sondern dass höher oben Eetoderm und Entoderm, weiter unten zwei Lamellen des Entoderms aneinander liegen. Das Eetoderm, welches anfänglich mit dem Entoderm zusammen sich am Kopiende zur Bildung der fovea cardiaca umbog, bleibt 1) Es tritt zunächst das Mesoderm in der seitlichen unteren Wand der fovea auf und lässt die Mittellinie noch frei. Wie und auf welche Strecke es unter Bil- dung des Herzens auch dorthin kommt, ergibt sich aus der Betrachtung der Fi- guren. Wenn auch schon kurz vorher und weiter nach dem Kopfende vereinzelte Zellen des Mesoderms sich nach der Unterwand der fovea herabzogen, so ist doch der oben geschilderte Moment ein scharf characterisirter; denn jetzt erscheinen 2 Lamellen des Mesoderms, durch das Cölom wohl getrennt, und die eine der beiden, das Darmfaserblatt, welches der Unterwand der fovea zunächst liegt, ist von auffälligster Dicke, wie es vorher und später im Bereiche der Ein- gangsfalten der fovea gerade dem herzbildenden Theile des Mesoderms eigen- thümlich ist, Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. 465 in dieser Zeit zurück, so dass es nicht die ganze fovea von unten her überkleidet. Siehe den Längsschnitt Tafel XXVIL Fig. 5. Dieser zweite Act der Schliessung der fovea cardiaca beginnt bei Em- bryonen von 3—4 Urwirbeln. Betrachtet man des Näheren die Eingangsfalten der Kopfdarmhöhle, die durch ihre Vereinigung deren untere Wand bilden sollen, so findet man nicht nur, wie oben erwähnt, dass dieselben aus dem Darmdrüsenblatt und dem verdiekten Darmfaserblatt bestehen, sondern dass zwischen beiden sich noch Zellen finden, die in der Verlaufsriehtung von denen jener beiden Blätter abweichen, auf Durchschnitten spindelförmig erscheinen; es sind das die Endothelzellen des entstehenden Her- zens. — Schliessen sich demnach jene Falten zur Bildung der unteren Kopfdarmwand, so führen sie gleichzeitig mit sich das Mesoderm, die Pleuroperitonealhöhle und zwischen Darmfaserblatt und Darmdrüsenblatt die Anlage des Herzens. Und hat auf eine gewisse Strecke die Vereinigung beider Falten stattgefunden, so erscheint auch in der unteren Wand der Kopfdarmhöhle zu jeder Seite die Herzanlage, gegeben durch die verdickte Darmfaserplatte und die Endothelzellen, welche zwischen jener und dem Darm- drüsenblatt liegen. — Man ersieht hieraus, dass die Art der Herz- bildung, enge zusammenhängend mit der Schliessung der fovea cardiaca, hier dieselbe ist, wie beim Säugethier, nur dass dort die Falten, welche zur Herzbildung und Bildung der fovea car- diaca zusammentreten müssen, anfangs weiter auseinanderstehen und desshalb auch längere Zeit gebrauchen, um sich zu ver- einigen; ferner dass beim Säugethier durch die grössere anfäng- liche Distanz die doppelte Anlage schärfer hervortritt, als beim Vogel. — Ich sehe jene Endothelzellen zuerst bei Embryonen von 4 Urwirbeln eirca auf den Schnitten, welche unter die fovea car- diaca fallen, zwischen Entoderm und Darmfaserplatte und zwar von der area opaca bis in die Eingangsfalten der fovea cardiaca hinein. Jene Zellen liegen bereits in den erwähnten Falten ehe im Bereiche der area opaca oder pellueida Gefässlumina zu sehen sind. Deutlicher erscheinen diese Verhältnisse bei Embryonen von 4—5 Urwirbeln. Man denke sich einen solchen Embryo in Quer- schnitte zerlegt. Vom äussersten Kopfende beginnend findet sieh zunächst in der unteren Wand der fovea eardiaca (stets noch mit Ausschluss der Mittellinie) ungespaltenes Mesoderm; dasselbe ist 466 Dr. E. Gasser: also inzwischen auch bis hierhin weitergewachsen. Dann folgt auf den drei letzten Schnitten durch die fovea cardiaca die Spal- tung desselben, die Pleuroperitonealhöhle zu jeder Seite und da- mit erscheint auch beiderseits das Endothel zwischen Darmdrüsen- blatt und verdiekter Darmfaserplatte, also die oberen Herzenden in der Unterwand der Kopfdarmhöhle. Die folgenden Schnitte, welehe abwärts von der fovea cardiaca durch deren Eingang fallen, zeigen den grösseren, unteren Theil der doppelten Herzanlage, als eine Verdieckung der Darmfaserplatte mit Endothelzellen zwischen dieser und dem Darmdrüsenblatt im Bereich der Eingangsfalten der fovea cardiaca. Jetzt findet sich also die Herzanlage nicht mehr allein in den beiden Eingangsfalten, sondern eine kleine Strecke bereits in der Unterwand der fovea cardiaca, aber auch hier noch die beiden Hälften unverschmolzen nebeneinander liegend. — Man sieht indessen auf jenen Schnitten, welche unterhalb der fovea ceardiaca fallen, nicht nur das Endothel gerade in den Ein- gangsfalten, sondern kann dasselbe auch weiter hinaus zwischen Entoderm und Mesoderm verfolgen bis zur area opaca und sieht die ersten Spuren von Gefässbildung aus jenem erscheinen. Das Mesoderm vor dem Kopfende ist weiter gewachsen, erreicht aber die Mittellinie nicht. Bei Embryonen mit 5—6 Urwirbeln bestehen im Wesentlichen dieselben Zustände; man bemerkt nur, dass im Bereiche der area pellueida, opaca und in der Parietalzone grössere Greefässlu- mina allmählich sich zwischen Darmfaserplatte und Entoderm ent- wickeln, ferner erscheint auf ganz ähnliche Weise wie jene jetzt die vena cardinalis, zunächst auf eine ganz kurze Strecke. Man sieht sie unterhalb der fovea eardiaca da zuerst, wo sich die Mittelplatten schärfer abheben, über diesen. Die fovea. cardiaca nimmt an Länge immermehr zu durch Zusammentreten der sie be- srenzenden Falten. Im Bereich des oberen Endes derselben ist das Mesoderm in ihrer unteren Wand nicht gespalten; dann folgt eine grössere Strecke als vorher, auf der dort die Pleuroperitoneal- höhle vorhanden ist und damit jederseits hier zwischen Darm- drüsenblatt und Darmfaserplatte das obere Ende der Herzanlage. Es ist das ein Moment in der Entwicklung des Herzens, der durch die Fig. 1-6 Taf. XXVI wiedergegeben ist; es würden nur noch einige Schnitte an Figur 6 anzureihen sein, welche in derselben Weise / die Herzanlage in den Eingangsfalten der fovea cardiaca zeigten; Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. 467 wegen zu grosser Aehnlichkeit mit der letzten Figur sind sie weggelassen. Die Anlage ist durchweg bilateral, der untere Theil des Her- zens liegt noch in den Eingangstalten der fovea cardiaca, der obere findet sieh durch theilweises Zusammentreten jener Falten in der untern Wand der fovea zu beiden Seiten; die Anlage wird erkannt an den dort liegenden Endothelzellen und der, wie er- wähnt, verdiekten Darmfaserplatte., Das obere Herzende ist weniger diek, der mittlere und untere Theil dagegen erscheint an meinen Präparaten stärker aufgebläht. In der nächsten Zeit sieht man, dass auf den obersten Schnitten, welche die Herzanlage treffen, Darmdrüsenblatt und Darmfaserplatte nahe aneinanderliegen, nur wenig Raum für die Endothelzellen übrig lassen. Es ist das die Anlage des Bulbustheiles des Herzens und der primitiven Aorten, soweit diese in der unteren und seitlichen Wand der fovea car- diaca liegen; dann folgt auf den beiden letzten Schnitten durch den Kopfdarm jederseits schärfer als im vorigen Stadium eine Abhebung der Darmfaserplatte vom Darmdrüsenblatt, welche sich auch auf die nächsten Schnitte durch den Eingang der fovea car- diaca fortsetzt und wir sehen diesen Raum eingenommen von den hier bereits zu einem vollendeten Schlauch zusammengeflossenen Endothelzellen; nach abwärts und auswärts setzt sich derselbe in die Anfänge der venae omphalomesenterieae fort. — In derselben Zeit werden die Aorten in der Stammzone, zunächst in der oberen Wand der fovea cardiaca sichtbar. — Durch weiteres Wachsthum der Kopfdarmhöhle treten die Eingangsfalten derselben immer mehr zusammen und dadurch er- scheint die Herzanlage auf eine immer grössere Strecke in der unteren Wand der fovea cardiaca. Dabei erhält sieh die doppelte Anlage noch in allen Theilen. Das Endothel im Herzen und den Aorten tritt schärfer und zusammenhängender hervor. Diese Zeit der Entwicklung bei Embryonen von 7—8 Urwirbeln ist für die einzelnen Abtheilungen des Herzens wiedergegeben durch die Fig. 1—3 Taf. XXVIL Mit dieser Zeit beginnt nun aber auch die Ver- schmelzung der bis dahin getrennt nebeneinander liegenden Herz- hälften im Bereiche der fovea eardiaca und zwar finden wir zu- nächst den mittleren Theil des Herzens vereint zu einem Rohr, dessen Wand von der Darmfaserplatte gebildet ist, während in seinem Inneren noch zwei getrennte Endothelröhren gelegen sind. 468 Dr. E. Gasser: Das obere und untere Herzende erhält am längsten die doppelte Anlage entsprechend dem doppelseitigen Uebergang in die primi- tiven Aorten, resp. die venae omphalo-mesentericae. So ist der Zustand noch bei einem Embryo von beinahe 10 Urwirbeln; die äussere Muskelwand des Herzens ist einfach, die Auskleidung durch Endothel doppelt. Bei Embryonen von 10—11 Urwirbeln findet sich dann der Beginn der Verschmelzung der Endothelröhren und in meinen Präparaten sieht man jetzt Blutkörper im Herzen und den Aorten gelegen. So ist jetzt das Herz ein einfacher Schlauch in der unteren Wand der fovea cardiaca mit zwei Ausläufern nach oben, den primitiven Aorten, zwei nach unten, den venae ompha- lo-mesentericae. Bis dahin liegt das Herz zwischen der rechten und linken Parietalhöhle, dieselben trennend (s. Fig. 4 Taf. XXVID. Reisst nun (bei Embryonen mit 12 Urwirbeln pflegt der Vorgang zu beginnen, bei solchen mit 14 beendet zu sein) zunächst das un- tere Herzgekröse ein, so ist eine Communication beider Höhlen hier oben hergestellt. Später schwindet auch der mittlere Theil des oberen Herzgekröses.. So haben wir also später beim Vogel wie beim Säugethier eine gemeinsame Pleuroperitonealhöhle am oberen Körperende. Bei Gänseembryonen sind die Entwicklungsstadien den ge- schilderten gleich, man muss nur die gleichen Erscheinungen bei der Gans etwas später suchen, als beim Huhn. — Man ersieht aus der gegebenen Darstellung, wie vollständig die Resultate der Untersuchungen von Kölliker und Hensen über den Vorgang der Herzentwicklung beim Vogel und Säuge- thier mit meinen Befunden stimmen. Es erübrigt mir nur noch, auf die abweichenden Angaben der anderen, oben aufgeführten Autoren einzugehen. Schenk scheint nur die späteren Stadien beobachtet zu haben, in denen das Herz bereits einfach geworden ist. Foster und Balfour lassen das Herz solid angelegt sein, weil sie offenbar ihr Hauptaugenmerk auf jene Verdickung der Darm- faserplatten, die oben erwähnt wurde, richteten, ohne die Endo- thelien zu berücksichtigen; sonst beschreiben dieselben die Art der Vereinigung ebenso, wie es hier geschehen ist; sie nennen das Herz einfach mit zwei nach unten divergirenden Schenkeln; hier ist auch die Zeit herangezogen, in der die beiden Schenkel nach oben sich noch nicht vereinigt haben. Ueber die Entstehung des Herzens bei Vogelembryonen. 469 His gegenüber habe ich nur zu bemerken, dass das ganze Herz, auch der Ventrikeltheil, doppelt angelegt ist; ferner, dass ich Lücken und Endothelzellen gleichzeitig erscheinen sehe. — Man kann demnach die Erfahrungen über Entstehung des Herzens ungefähr folgendermassen zusammenfassen: 1. Beim Vogel (wie Säugethier) ist das Herz doppelt an- gelegt. 2. Man findet die ersten Spuren des Herzens bei Hühnerem- bryonen von 3—4 Urwirbeln. 3. Bei solehen Embryonen sieht man in den beiden Eingangs- falten der fovea cardiaca zwischen Darmdrüsenblatt und der ver- diekten Darmfaserplatte auf dem Durchschnitt spindelförmige Zellen liegen, Endothelzellen des Herzens, während die verdickte Darm- faserplatte die Muskelwand des Herzens liefert. 4. Jene Falten treten zusammen zur Bildung der fovea car- diaca (dabei erscheint mit dem Mesoderm zugleich die Pleurope- ritonealhöhe jederseits in der unteren Wand der fovea); dadurch gelangt gleichzeitig die Herzanlage in die untere Wand der Kopf- darmhöhle, anfangs bilateral, dann verschmilzt zuerst die Muskel- wand (Embryo von 8 Urwirbeln) darauf die Endothelauskleidung. (Embryo von 10 Urwirbeln.) Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI und XXVI. Tafel XXVI. Figur 1—6 stellt eine ununterbrochene Serie von Querschnitten durch die Herzanlage eines Hühnerembryo von 6 Urwirbeln circa dar. Figur 1, am weitesten nach dem Kopfende, Beginn der doppelten Herzanlage und Erscheinen der Pleuroperitonealhöhle in der untern Wand der fovea cardiaca. Figur 4 unteres Ende der fovea cardiaca. (Auf Figur 6 folgen noch einige Schnitte, welche dasselbe Bild ge- währen wie Figur 6 und desshalb nicht gezeichnet sind.) Tafel XXVI. Figur 1 Hühnerembryo von 8 Urwirbeln. Querschnitt, oberes Herzende, dop- pelte Anlage. Bei demselben Embryo ist die Mitte des Herzens auf eine kurze Strecke bereits einfach, das untere Ende wieder doppelt. Figur 2 Hühnerembryo von 7—8 Urwirbeln, Querschnitt, Mitte des Herzens, doppelt angelegt. Figur 3 Hühnerembryo von 8 Urwirbeln. Querschnitt, unteres Herzende doppelt. 470 J. Dogiel: Figur 4 Hühnerembryo von 10 Trwirbeln, Querschnitt unterer Abschnitt des Herzens. Muskelwand des Herzens ist einfach; das Endothelrohr zeigt noch die doppelte Anlage. (Bei demselben Embryo ist in der Mitte des Herzens auch das Endothelrohr einfach.) Figur 5 Hühnerembryo von 10 Urwirbeln; Längsschnitt. Die Mitte ist ziem- lich genau getroffen. Man vergleiche diesen Schnitt mit dem vor- hergehenden Querschnitt. Vergrösserung der Querschnitte 1:80, des Längsschnittes 1:50. Die Buchstabenbezeichnungen sind für alle Figuren gleich. fc. fovea cardiaca. pp- Pleuroperitonealhöhle. h. Herzanlage. e. Endothel derselben. m. Muskelwand des Herzens. u. g. unteres Herzgekröse. ch. Chorda dorsalis. Die Ganglienzeilen des Herzens bei verschiedenen Thieren und beim Menschen. Von J. Dogiel. Hierzu Tafel XXVIL. 5 Die bekannten Arbeiten von Ludwigt!), Bidder?), Köl- liker°), ©. Eckhardt), Schweigger-Seidel’), Langerhaus®), L. Gerlach’) und Anderen, geben ziemlich befriedigende Auf- 1) Ludwig, Ueber die Herznerven des Frosches.. Müller’s Archiv. 1848. S. 139. 2) Bidder: a) Die Endigungsweise der Herzzweige des N. Vagus beim Frosch. Arch. f. Anatomie u. Physiol. 1898. 8. 1. b) Ueber functionell verschiedene und räumlich getrennte Nervencentra im Froschherzen. Müller’s Arch. 1852. S. 103. 3) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. 8. 581. 4) C. Eckhard, Experimentalphysiologie des Nervensystems. Giessen, 1867. S. 208. 5) Schweigger-Seidel, Das Herz. Stricker’s Gewebelehre. 8. 177. 6) Langerhaus, Zur Histologie des Herzens. Virchow’s Archiv. 1873. Band 58. S. 65. 7) L. Gerlach, Ueber die Nervenendigungen in der Muskulatur des Froschherzens. Virchow’s Archiv 1876. Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren u. b. Menschen. 471 schlüsse über die Nerven und Ganglien des Froschherzens. Was aber die Ganglienzellen bei Vögeln und Säugern anlangt, so ist das einschlägige Material sehr dürftig. Daher ist der Mechanis- mus der rhythmischen Herzeontraetionen bei diesen Thieren nicht vollkommen klar gelegt. In Bezug auf die nervösen Elemente des menschlichen Herzens sind wir in unserem Urtheil vollends auf Analogien angewiesen, deren Berechtigung noch zu beweisen ist. Auf die Gegenwart von Ganglienzellen in dem Herzfleisch der Säuger, wird gewöhnlich geschlossen aus einer Aeusserung Re- mak ’s!) in seinen „Neurologischen Erläuterungen“. Da diese Aeusse- rung, auf die sich die Anatomen fortwährend beziehen, nur aus einigen Zeilen besteht, so will ich sie wörtlich anführen, um dar- auf zu zeigen, wie weit selbige berechtigt ist. Remak sagt: „Die erste Figur der beigehenden Tafel stellt das Herz eines Kalbes mit einem Theile der Herznerven dar, um das Vorkommen der kleinen Ganglien an diesen Nerven zu erläutern. Es konnten hier natürlich bloss die mit blossen Augen sichtbaren Ganglien aufgenommen wer- den, soweit sie sich bei der etwas schwierigen Präpa- ration erhalten liessen. Ein bei weitem grösserer Theil von Ganglien findet sich an der mikroskopischen Aus- breitung der Herznerven in der Muskelsubstanz des Herzens. Ein solches Ganglion (aus der Muskelwand des rechten Herzohrs desselben Herzens) ist (Fig. 2) bei 20- maliger Vergrösserung dargestellt, wobei schon die Ganglienkugeln sichtbar werden. An der einen Hälfte dieses Doppelganglions (M) ist es deutlich, dass die sechs seitlich austretenden Nervenstämmchen (a, b, c, d, e, f) zusammen viel stärker sind, als die aus dem Haupt- nervenstamme (P P) in dieses Ganglion eintretende Fa- sermasse (NN). Diese Verdiekung kommt, wie die mi- kroskopische Untersuehung nachweist, auf Reeh nung der in dem Ganglion (M) zunehmenden grauen Fasern.“ Das ist Alles was Remak über die Herznerven beim Kalbe ge- sagt hat. Text und Abbildungen Remak’s, sowie meine eigenen Studien haben mich überzeugt, dass der ehrenwerthe Forscher l) Dr. R. Remak, Neurologische Erläuterungen. Müller’s Archiv 1844. S. 463. 472 J. Dogiel: Ganglienzellen im Kalbsherzen wirklich gesehen hat, wenn auch nieht dort, wo er sie beschrieben und nicht so, wie er sie zeichnet. Wenigstens ist es mir, trotz längerer Beschäftigung, nicht gelungen, in der museulösen Wand des Kalbherzens Ganglien oder verein- zelte Nervenzellen aufzufinden. Dieses Missverständniss Remak’s entstand wahrscheinlich in Folge dessen, dass er nicht besondere Acht gab auf die Stellen, aus denen er seine Präparate entnahm. Remak sagt zwar (wie oben eitirt), dass das in Fig. 2 abgebil- dete Ganglion, „aus der Muskelwand des rechten Herzrohrs“ stamme, dadurch wird aber die betreffende Stelle noch nicht ge- nügend bezeichnet, dieser Hinweis ist im Gegentheil geeignet falsche Vorstellungen zu wecken, weil eben in der musculösen Wand des Herzrohrs keine Ganglien vorkommen, wohl aber an dessen Oberfläche, wie unten gezeigt werden wird. Zu ähnlichen Resultaten ist, wie es scheint, auch Schweigger-Seidel!) ge- kommen. Er äussert sich in dieser Beziehung folgendermassen: „Wenn man sich aber hierbei auf die Angaben Remak’s stützt, so ist zu beachten, dass derselbe den mikrosko- pischen Nachweis von Ganglienzellenhaufen nur im Herzrohre des Kalbes geliefert hat. Mir ist es nicht ge- lungen inmitten der eigentlichen Muskulatur, zwischen den Muskelfasern selbst, Ganglien aufzufinden, ich kann eigentlieh nurzugeben, dass dieselben sich an einzelnen durcehtretenden Stämmehen oder Zweigen finden mögen.“ Ueber den uns beschäftigenden Gegenstand handeln 'noch 1) die Untersuchungen von R. Lee?) und 2) die Mittheilung von Schklarewski?). Robert Lee suchte zu beweisen, dass an verschiedenen Stellen des menschlichen und des Vogel-Herzens die Nerven mit Ganglien versehen sind, später hat jedoch Cloeta nachge- 121.4 2) R. Lee: a) On the Ganglia and Nerves of the Heart. 1848. Philos. | Transact. P. 1. p. 43; b) Postscript to a Paper „On the Ganglia etc.“ 1849. Philos. Transact. P. ]. p. 47. 3) Dr. Schklarewski. Ueber die Anordnung der Herzganglien bei Vögeln und Säugethieren. Nachrichten von der K. Gesellschaft der Wissen- schaften u. d. Georg-August, Universität 1872, 5. 426. Göttingen. Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren u. b. Menschen. 473 wiesen, dass diese vermeintlichen Ganglien nur Verdiekungen des Neurilemms vorstellen. Ich konnte auch bei der mikroskopischen Untersuchung der Herznerven vom Kalbe, Hunde, der Katze und des Menschen, weder Ganglien noch vereinzelte Nervenzellen auffinden, weder an den oberflächlich gelegenen Nerven, noch den dünnen Nervenfäden, die sich zu der Herzmuskulatur begeben. Schliesslich muss ich noch die Untersuchungen von Schkla- rewski berücksichtigen, der sich, wie es scheint, die Aufgabe ge- stellt hat, die Herzganglien der Vögel und Säuger genauer zu verfolgen. Der Mittheilung von Meissner über die Arbeit von Schklarewski fehlen Abbildungen, man ist somit auf die Be- schreibung allein angewiesen, aus letzterer kann man sich aber keine bestimmte Vorstellung machen von dem Ort, wo die Herz- ganglien der Vögel und Säuger liegen. Der betreffende Passus lautet: „Die grösseren Herzganglien der Säugethiere und Vögel (Kaninchen, Hund, Maulwurf, Fledermaus, Ratte, Sperling, Taube, Huhn, Corvus cornix, Falco buteo, Museicapa) bilden durch Nervenfaserstränge zu Ketten verbundene zunächst zwei geschlossene Ringe, deren einer, nahe rechtwinklig zur Herzbasis streichend, dem äussersten Umfange der Vorhofscheidewand entspricht, während der andere, nahe rechtwinklig zu jenem, in der Atrioventrieulargränze verläuft und dabei vorn und hin- ten in derEbene der Scheidewand zwischen rechtem und linkem Herzen den ersten Ring unter Anastomosirung durehkreuzt. Von diesen gangliösen Ringen gehen indie Muskula- turder Vorhöfe und Ventrikel beiderseits geflechtartigsich verbindende dünnere Zweige ab, welche kleinere Gang- lien und einzeln eingelagerte Ganglienzellen enthalten. Die Mitte der Vorhofscheidewand ist bei den ge- nannten Thieren ganz frei von Nervenstämmen und Ganglien.“ „Die ansehnlichsten Ganglien des Säugethierherzens liegen weiter oben nahe der Einmündung der Vena cava superior.“ Was meine eigenen Untersuchungen anlangt, so erstrecken sie sich auf das Herz des Tritons, des Frosches, der Schildkröte, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14, 31 474 J. Dogiel: des Kaimans, des Hechtes, der Taube, des Kaninchens, des Hun- des und des Menschen, sowohl vom erwachsenen, als vom neuge- borenen. Die Untersuchungsmethode bezweckte hauptsächlich das Erkennen der Nerven und Ganglien mit unbewaffnetem Auge um die Stellen genauer zu bestimmen, wo die Herznerven und Gang- lien liegen. Um mich von der nervösen Natur der mit blossem Auge sichtbaren Fäden und Punkte zu überzeugen, habe ich sie jedes- mal mikroskopisch untersucht. Das gesteckte Ziel wurde erreicht, indem das möglichst frische Herz mit Osmiumsäuredämpfen oder mit Pikrocarmin, oder endlich mit Essigsäure behandelt wurde. Ich gebrauchte immer !/2°/, Lösungen. Wendet man salpetersaures Silber (1%,) an, so treten anfangs an den Stellen wo Ganglien liegen, halbdurchscheinende Punkte hervor, die man manchmal am frischen Herzen auch ohne Reagentien sieht. Durch das Osmium treten die Nerven und Ganglien als schwarze Fäden und Punkte hervor; das Picrocarmin färbt dieselben Gebilde gelb, während sie bei Essigsäurewirkung als weisse Fäden und Punkte erscheinen. Die besten mikroskopischen Demonstrationsapparate erhält man, wenn man der Essigsäure, Osmium folgen lässt. Das in der beschriebenen Weise behandelte Herz wurde der mikroskopischen Untersuchung unterworfen, indem Schnitte oder Isolationspräparate angefertigt wurden und zwar aus den Partien, die die meisten Ganglien enthielten. Die Präparate wurden häufig mit Pierocarmin gefärbt und in Glycerin eingeschlossen. Meine Untersuchungen der Herzganglien verschiedener Thiere haben mir Folgendes ergeben. Beim Frosch liegen die Ganglien, wie längst bekannt, an den N. N. eardiaci und folgen ihnen auf die Vorhoisscheidewand. Die grösseren Ganglienzellengruppen liegen an den Hauptstimmen der genannten Nerven, kleinere Ganglien oder einzelne Nervenzellen findet man in der Nähe der dünnen Zweige. In dem Herzen selbst liegen die grössten Gang- lien an der Grenze der Vorhöfe und des Ventrikels, die nächst- grössten an den Kreuzungsstellen der Herznerven, da wo diese ins Herz eindringen in der Nähe der Venen. Alle Ganglienzellen des Froschherzens befinden sich entweder zwischen den Nerven- fasern, oder liegen den Nervenstämmen einfach an (Fig. 1). Bearbeitet man die Vorhofscheidewand mit Silbernitrat und fürbt das Präparat mit Pierocarmin, so überzeugt man sich leicht, Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren u. b. Menschen. 475 dass beide Flächen der Vorhofscheidewand von Endothelien bedeckt sind, zwischen diesen zwei Lagen von Endothelien liegen die Muskeln und Nervenzellen sammt Nervenfasern (Fig. 23). Die Nervenzellen liegen den Muskelfasern nur an, ohne mit ihnen in direetem Zusammenhange zu stehen. In der musculösen Wand der Vorhöfe und des Ventrikels habe ich ebenso wenig, wie meine Vorgänger, Nervenzellen finden können. Was die Structur der Ganglienzellen im Froschherzen an- langt, so unterscheidet man die bindegewebige Kapsel und deren Inhalt, d. h. Protoplasma der Nervenzelle mit Kern und Kernkör- perchen. Die bindegewebige Kapsel umgibt sowohl den Zellkör- per, als dessen Fortsatz. Das Protoplasma der Nervenzelle ist körnig und enthält einen oder mehrere Kerne, die mit einem oder mehreren Kernkörperchen versehen sind. In seltenen Fällen findet man in einer Kapsel zwei bis drei Nervenzellen (Fig. 7). Kern und Kernkörperchen der Nervenzelle, sowie die Kapsel- kerne färben sich in Pierocarmin roth, Protoplasma und Fortsatz der Nervenzellen nehmen eine gelbe Färbung an. Dieses Verhalten gegen Färbemittel hat einige Bedeutung bei dem Versuche, den Nervenzellenfortsatz zu verfolgen. — Ob- gleich viele Ganglienzellen apolar erscheinen, so bin ich doch über- zeugt, dass fast alle Nervenzellen des Froschherzens einen geraden Fortsatz besitzen, der sich direet aus dem Zellprotoplasma ent- wickelt und aus einem Bündel von Nervenfäden besteht. (Fig. 5.) Was die Spiralfortsätze anlangt, so existiren sie nicht, trotz der gegentheiligen Behauptung vieler erfahrener Histologen, und wenn auch an einigen Präparaten spiralförmige Fäden zu sehen sind, so sind es eben Falten der bindegewebigen Kapsel, die auch den Zellfortsatz überzieht. (Fig. 6.) Solche Trugbilder werden nament- lich durch die Essigsäure bedingt, weil an solchen angesäuerten Präparaten die Kerne der Zellkapsel und die Kerne der binde- gewebigen Scheide, die den Zellfortsatz überzieht; verschiedene Formen annehmen und dadurch die Mannigfaltigkeit der binde- gewebigen Falten noch vermehren. Dasselbe gilt auch von dem Fadennetz, das nach Arnold von dem Kernkörperchen ausgeht und den Zellkörper umspinnt, das sind eben auch nur Falten der bindegewebigen Kapsel. Der Zellfortsatz hängt mit dem Zellkerne nicht zusammen, sondern erscheint, wie schon erwähnt, als un- mittelbare Fortsetzung des Zellprotoplasmas. Manchmal sieht es 476 J. Dogiel: allerdings so aus, als ob der Zellfortsatz von dem Kernkörperchen ausgehe; das erklärt sich aber durch die zufällige Lage des Kerns unterhalb des Fortsatzes. Diese Deutung wird noch dadurch unter- stützt, dass das Picrocarmin das Protoplasma nebst Fortsatz gelb färbt, während Kern und Kernkörperchen roth erscheinen. Endlich muss ich noch erwähnen, dass ein direeter Zusammenhang des Zelltortsatzes mit den doppeltcontourirten Fasern des N. vagus nicht existirt. Im Froschherzen verlaufen alle Nervenzellenfortsätze in einer Richtung und zwar gegen die Eintrittsstelle der N. car- diaci. Entfernt man das umgebende Bindegewebe, so hängen die Ganglienzellen an ihren Fortsätzen, wie die Weintrauben an ihren Stielen. Man findet auch solche Ganglienzellen, die an den ent- gegengesetzten Polen je einen Fortsatz besitzen (Fig. 8), ich konnte mich aber immer überzeugen, dass einer von den Fortsätzen nicht der Nervenzelle, sondern dem umgebenden Bindegewebe . angehört. Aus Allem, was über die Ganglienzellen des Froschherzens gesagt wurde, kann man schliessen: ]) dass die meisten Ganglien an den Venen liegen und zwar an den Stellen, wo die N.N. car- diaeci ins Herz eintreten; die nächstgrössten Ganglien liegen an der Grenze zwischen Ventrikel und Vorhöfe; 2) dass sowohl die Ganglien, als die ins Herz eintretenden Nerven in der Vorhofs- Scheidewand zwischen zwei endothelialen Lagen mitsammt den hier befindlichen Muskeln liegen; 3) dass zwischen den Nervenzellen und den für das Herz bestimmten Zweigen der N.N. vagi kein directer Zusammenhang existirt; 4) dass die Ganglienzellen des Froschherzens grössten Theils nur einen Fortsatz be- sitzen, der aus einzelnen Fäden zusammengesetzt ist, die Existenz von apolaren Zellen kann jedoch mit Bestimmtheit nicht in Abrede gestellt werden; 5) dass der Nervenzellen- fortsatz eine direecte Fortsetzung des protoplasma- tischen Zellkörpers ist und mit dem Kernkörperchen nicht zusammenhängt. Bei dem Krokodill und der Schildkröte, die nach Organisa- tion und Lebensweise dem Frosch nahe stehen, ist die Vertheilung der Ganglien im Herzen eine etwas andere. Dasselbe gilt auch von den Herzganglien des Hechtes (Fig. 10), und zwar verlaufen die N.N. eardiaci an dem Vorhof und dem Ventrikel unmittelbar Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren u. b. Menschen. 477 unter dem Endothel der ÄAussenfläche des Herzens, die Ganglien- zellen liegen an dem Verlaufe der Nerven, an den grossen Venen und an der Grenze zwischen Vorhöfe und Ventrikel. Aehnlich verhält sich auch das Nervensystem im Herzen der Vögel und Säuger. Beispielsweise will ich das Nervensystem des Hundeherzens genauer beschreiben. An der Aussenfläche des Herzens verläuft schräg zwischen linkem Herzohr und Einmündungsstelle der Vena cava ascendens ein Nervenbündel, das von dem Vorhof auf den Ventrikel über- geht. Im Verlaufe dieser Nerven sind mehrfache Ganglien zer- streut und zwar an der Aussenfläche der Vena cava ascendens, an deren Einmündungsstelle und etwas unterhalb dieser, an der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel (Fig. 11). Von der Ein- mündungsstelle der Vena cava descendens bis zum Anfangstheil der Aorta verläuft ein zweites Nervenbündel, in dessen Verlauf ebenfalls Ganglien eingestreut sind und zwar liegt eine Gruppe an der Aussenfläche an der Einmündungsstelle der Vena cava descendens; eine zweite Gruppe folgt dem Verlauf des besagten Nervenbündels (Fig. 12, 13); endlich liegt noch eine dritte Gruppe von Ganglien an der Basis des rechten Herzohrs (Fig. 00) in der Nähe der Einmündungsstellen der Aorta und der Vena pulmonalis. Das topographische Verhalten der letztgenannten Gruppe von Ganglien lässt sich am besten zur Anschauung bringen, wenn man den Arcus aortae und die Vena pulmonalis durchsehneidet und die durchschnittenen Gefässenden seitwärts zurückschlägt, so dass beide Herzohre gleichzeitig sichtbar werden (Fig. 14). Dann präsentirt sich die in Rede stehende Gangliengruppe in dem Raume zwischen den durchschnittenen Gefässen und den beiden Herzohren. Die beschriebenen Ganglien liegen sehr oberflächlich, d. h. un- mittelbar unter dem Endothel oder in dem Fettgewebe, das die Herzmuskulatur bedeckt (Fig. 15). An dem Verlaufe der Nerven an der Oberfläche der Ventrikel und in der Herzscheidewand, wie es Remak für das Herz des Kalbes beschreibt, ist es mir ebensowenig, wie in der Muskulatur der Ventrikel, der Vorhöfe und der Herzohren gelungen, Ganglien, oder vereinzelte Nervenzellen zu finden. Isolirt man die mit Osmiumsäure behandelten als schwarze Punkte und Fäden erschei- nenden Ganglien und Nerven aus dem Herzen des Hundes, der Katze, des Kalbes und des Menschen, so bekommt man ein Bild, 478 J. Dogiel: wie es an Fig. 20 in natürlicher Grösse dargestellt ist. Mit Syst. 5, Ocular 3, bekommt man von den Herzganglien der Katze ein Bild, das den in Fig. 16 dargestellten Ganglien des neuge- borenen Kindes sehr ähnlich ist (Fig. 17). Betrachtet man Theile eines solchen Ganglions mit Syst. 8. Oc. 3, so erscheinen die Ganglienzellen eingeflochten in Nervenfasern (wie es in Fig. 18 aus dem Herzen des erwachsenen Menschen dargestellt ist), oder die Nervenfasern bilden mit dem Bindegewebe Nester, in denen die Ganglienzellen liegen (Fig. 19). In Bezug auf die Structur unterscheiden sich die Nervenzellen des Herzens vom Menschen, Kalbe, Hunde und des Vogelherzens, keineswegs von denen der Fische, der Schildkröte, des Krokodils und des Frosches. Hier wie dort sind sie verschieden gross. Das Protoplasma erscheint grösstentheils gelb, namentlich bei niederen Thieren — Mollusken, beim Triton (Fig. 4) und beim Frosche. Die Nervenzellen des Herzens beim Menschen und Hunde enthalten ein oder zwei Kerne mit einem oder zwei Kernkörperchen. Es giebt hier auch Doppel- zellen, die in einer Kapsel liegen. Wir kommen somit zu folgenden Schlusssätzen: 1) Ganglien- zellen kommen regelmässig vor im Herzen des Frosches, der Schildkröte, der Fische, der Vögel, der Säuger, (des Hundes, der Katze, des Kalbes) und des Menschen. 2) Im Herzen der genannten Thiere und des Menschen liegen die Ganglien an den Einmündungsstellen der grossen Venen ins Herz und an der Grenze zwischen Vorhöfe und Ventrikel. Bei Mollusken und Insekten liegen die Nervenzellen zwischen den Muskelfasern des Herzens, während die Herzganglien des Frosches, der Fische, der Vögel, der Säuger und des Menschen in die Zweige der N.N. cardiaei eingeflochten sind, ohne mit den letzteren direct zusammenzuhängen und ohne indie tieferen Schichten der Herzmuskulatur einzudringen; sie liegen immer an der Aussenfläche des Herzens. Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren u. b. Menschen. 479 Fig Fig. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig Fig. Fig. © 10. 21. 12. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIM. . Gruppe von Nervenzellen aus der Vorhofsscheidewand des Frosch- herzens in Verlauf des N. cardiacus, unweit des an der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel gelegenen Ganglions, aa, Nervenfasern nach Färbung mit Pierocarmin und Entfernung des Bindegewebes. Ocular 3. Syst. 3. Hartnack. . Doppelte Lage von Endothelien a, b, aus der Vorhofsscheidewand des Froschherzens mit zwischenliegenden Muskelfasern c. e. Syst. 8. Oc. 3, Hartnack. . Vorhofsscheidewand des Froschherzens. Unter dem Endothelium a, sieht man Muskelfasern (ce und b), denen Nervenzellen d an- und aufliegen. . Pigmentirte Nervenzelle aus dem Herzen von Triton cristatus. 8. 8. Oc. 3. Hartn. . Nervenzelle aus dem Froschherzen. «a — Kapsel, b — Protoplasma, ce — Kern mit Kernkörperchen, d — Nervenzellenfortsatz in Form eines Bündels von varieösen Fäden. S. 8. Oc. 3. Hartn. 0Os- miumsäure 1°/o. . Ganglienzelle aus dem Froschherzen. « — Kapsel, b — Protoplasma, e — Kern mit Kernkörperchen, d — nervöser Fortsatz, e — faden- förmiges Gebilde, das in die bindegewebige Hülle des Nervenfort- satzes übergeht, f — Bindegewebskern, khh — Kapselkerne, 9 — Fasern des N. cardiac. S. 8. 0Oc. 3. Hartn. . Zwillingszelle aus einem Ganglion des Froschherzens. a — gemein- same Kapsel, b und ce — Protoplasma, d und e — Kern mit Kern- körperchen, f — Nervenzellenfortsatz, g — bindegewebige Hülle. S.8. Oc. 3. Hartn. . a — Kapsel einer Ganglienzelle aus dem Froschherzen, b — Proto- plasma, e — Fortsatz, d — Fasern des N. cardiacus. 8. 8. Oc. 3. Hartnack. . Ganglienzelle aus dem Herzen vom Hechte an der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel. S. 8. Oc. 3. Hartn. Halbschematische Darstellung des Herzens vom Hecht; a — Ven- trikel, b — Vorhof, ce — bulbus aortae, d — Nervenfaser, e-— Nervenfasern und Lagerungsstätte von Nervenzellen (durch schwarze Punkte angedeutet). Herz des Hundes mit Osmiumsäure behandelt. «a — Vena as- cendens, b — linkes Herzohr, e — Nervenfasern (als schwarze Linien) und Ganglien (als schwarze Punkte), d — Blutgefässe. Dasselbe Herz. a — Vena cava descendens, b — Arcus aortae, ce — Nervenfasern und Nervenzellen. . Herz eines andern Hundes mit Osmiumdämpfen behandelt. a — 480 ig. 16. Fig. Knochengewebes angewandten Methoden: dem Schnitt des ent-- . 14. lo. F. Busch: Trachea, b — Vena cava descendens, ce — rechtes Herzohr, d — Arcus aortae — abgeschnitten, e — Vena pulmonalis — abgeschnit- ten, f — Nervenfasern und Nervenzellen, g — Nervenfasern und Ganglien an der Basis des rechten Herzrohrs. Hundeherz mit Osmiumsäure behandelt, a — Arcus aortae — abge- schnitten, b — Vena pulmonalis — abgeschnitten, e und d — rech- tes und linkes Herzohr, f — Nervenfasern, e — Ganglien. Schnitt parallel der Ventrikelbasis, an der Grenze zwischen Vorhöfe und Ventrikel, a — Endothelium, b — Bindegewebe, ce — Ganglion d — Fettgewebe, e — Muskeln. Ganglien aus dem Herzen der Katze, aa — Nervenfasern, b — Ner- venzellen. S. 5. Oc. 3. Hartn. '. Ganglion aus dem Herzen eines neugeborenen Kindes, aa — Nerven- fasern, bb — Nervenzellen. 8. 5. Oc. 3. Hartn. . aa — Nervenfasern und bb — Ganglienzellen aus dem Herzen eines erwachsenen Menschen. S. 8. Oc. 3. Hartn. . Ganglienzellen und Nervenfasern aus dem Hundeherzen. Die Gang- lienzellen (ec) liegen in Nestern, die durch die Nervenfasern a ge- bildet werden, b — doppelteontourirte Nervenfasern des N. cardiac. S. 8. Oc. 3. Hartn. . Zwei Ganglien mit Nervenfasern aus dem Hundeherzen. Natürliche Grösse. Entnommen an der Grenze zwischen Ventrikel und Vorhof in der Nähe des linken Herzohrs. Zur Technik der mikroskopischen Knochen- Untersuchung. Von F. Busch, a. ö. Professor für Chirurgie an der Universität zu Berlin. Von den beiden zur mikroskopischen Untersuchung des kalkten und dem Schliff des mazerirten Knochens ist die erstere Methode wohl nach allgemeiner Uebereinstimmung die bei Weitem wichtigere. 5 Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. 481 Zur zweekmässigen Ausführung derselben handelt es sich zuerst um die Anwendung einer Säure, welche dem Knochen- gewebe die Kalksalze entzieht mit möglichster Schonung der histo- logischen Verhältnisse des Knochengewebes selbst und der in dem- selben eingeschlossenen Weichtheile. Beide Gruppen von Säuren kommen hiefür in Betracht, die organischen ebensowohl als die unorganischen. Zur letzteren Gruppe gehören die Salzsäure, die Salpeter- säure, die Phosphorsäure und die Chromsäure, zur ersteren die Essigsäure, die Milchsäure, der Holzessig und die Pikrinsäure. Was nun zuerst die Salzsäure betrifft, so ist sie die bisher am meisten zur Entkalkung von Knochen verwendete Säure. Die Schnelligkeit, mit welcher sie auch in erheblicher Verdünnung die Entkalkung vollendet, liess sie als besonders geeignet erscheinen. Man verkannte jedoch nicht, dass der Salzsäure die unange- nehme Wirkung anhaitet, die Gewebe stark quellen zu lassen und H. Müller war wohl der erste, welcher angab, dass man die Salzsäure mit der Chromsäure verbinden solle, um die Entkalkung zu erreichen und die Quellung zu vermeiden. Zu demselben Zweck empfahl v. Ebner einer 1 — 5°,, Salzsäurelösung 10—15°/, Koch- salz zuzusetzen (Sitzungsber. der Akademie in Wien med. nat. Cl. 72ter Bd. 3te Abth. p. 58). Ein drittes Mittel zu demselben Zwecke ist der Zusatz von Alkohol zu der Säure. Ich glaube mich zu erinnern, dass auch diese Mischung empfohlen ist, kann jedoch nicht angeben von wem; jedenfalls ist diese Methode nur selten zur Anwendung gebracht. Einen gleichen Zweck erstrebte auch wohl Waldeyer als er rieth, zur Entkalkung der Schnecke eine Lösung von Yiooo”/o Chlorpalladium mit !/;, Theil Salzsäure zu mischen. (Strickers Gewebelehre 1571, p. 958.) Die Stärke, in welcher die Salzsäure zur Anwendung kam, ist vielfach nicht bestimmt angegeben und hing wohl hauptsäch- lich von der Masse der zu entkalkenden Knochen ab. Während _ man für foetale und jugendliche Knochen mit wenigen p. m. der Säure auskam, ging man für die erwachsenen Knochen der grösseren Säugethiere und des Menschen bis zu 10 p. e. und darüber. Auf alle Fälle blieb es die bessere Methode die Lösung von bestimmtem Gehalt häufig zu wechseln als etwa, wie es auch zur Anwendung kam, täglich etwas reine Säure der Flüssigkeit zuzusetzen,‘ bis die Entkalkung vollendet war. 482 F. Busch: Die Salpetersäure ist zuerst durch Strelzoff (Eberth, Unters. aus dem pathol. Inst. zu Zürich, Heft 1, 1873) zur Entkalkung von Knochen empfohlen worden. Er rühmt an ihr die schnelle Entkalkung und die Abwesenheit jeder Quellung und gibt ihr vor der Salzsäure den unbedingten Vorzug. Die Prozente sind ebenso wie bei der Salzsäure. Es ist mir nicht bekannt, dass die Empfehlung Strelzoffs andere Forscher bereits veranlasst hat die Salpetersäure zur Entkalkung von Knochen zu verwenden. Die Phosphorsäure ist gleichfalls von Strelzoff geprüft und für jugendliche Knochen als brauchbar bezeichnet. Die Chromsäure ist seit langer Zeit in Gebrauch, jedoch wegen ihrer geringen entkalkenden Kraft entweder nur bei foe- talen und sehr jugendlichen Knochen oder in Verbindung mit stärkeren Säuren, wie besonders Salzsäure. Wegen ihrer stark _ schrumpfenden Wirkung kann man diese Säure nicht in stärkeren als höchstens 1°/, Lösungen verwenden und muss bei zarten Ge- weben noch erheblich herabsteigen. Wendet man sie in Ver- bindung mit Salzsäure an, so tritt ihre entkalkende Wirkung voll- kommen in den Hintergrund und die Verhinderung der Quellung ist der Zweck ihrer Anwendung. Was nun die Erfahrungen betrifft, die ich bei meinen Unter- suchungen über die Knochenentzündung (v. Langen beck’s Archiv Bd. 20 und 21) in dieser Beziehung gemacht habe, so hat sich mir die Salpetersäure als das bei Weitem geeigneteste Mittel zur Entkalkung bewährt. Sie hat vor der Chromsäure und Phospor- säure den grossen Vortheil, dass man dureh einfaches Variiren des Procentsatzes alle Knochen mit ihr entkalken kann von den zartesten bis zu den stärksten. Vor der Salzsäure hat sie den Vortheil, durchaus keine Quellung hervorzurufen und -viel milder auf die Gewebe einzuwirken. Die Anwendung der Salpetersäure erfordert jedoch gewisse Vorsiehtsmassregeln. Ich benutzte chemisch reine Salpetersäure von 1,25 spee. Gewicht und verdünnte dieselbe mit Wasserleitungs- wasser bis auf 10 Volum °/.. Für zarte jugendliche Knochen ver- diünnte ich diese Lösung wieder bis zu 1°/, herunter, für foetale Knoehen empfiehlt es sich noch tiefer zu gehen. Für die starken durch periostale Auflagerungen bedeutend verdiekten Knochen grosser ausgewachsener Hunde wandte ich sie zu 10°, an; dar- über hinaus bin ich nicht gegangen. Eine Herabsetzung des Pro- Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. 483 centsatzes für starke Knochen hat keinen Vortheil, denn was man an Procenten der Säure vermindert, muss man an Zeit zulegen und ich habe die Erfahrung gemacht, dass 5 Tage in 10%, Säure die Knochen weniger angreift, als 14—16 Tage in 5°/o. Die Art der Anwendung war folgende: Die frischen Knochen wurden entweder als ganze oder durch Sägesehnitte in 6— 8 Quer- stücke zerlegt auf 3 Tage in 95 °/, Alcohol gebracht. Aus dem Aleohol kamen sie in die 10°/, Salpetersäure und blieben bei täg- liehem Wechsel der Flüssigkeit S—-10 Tage in derselben. Ob die Entkaikung vollendet ist, erkennt man am besten durch Einstechen einer feinen Nadel in den Knochen.. Man muss nun darauf achten, dass man den Knochen nicht über seine Entkalkung hinaus in der Säure lässt. Bis zur vollendeten Entkalkung bleiben die Knochen in der Salpetersäure rein weiss, einige Zeit darauf aber nehmen sie eine schwefelgelbe Farbe an, die besonders dadurch störend wirkt, dass sie die spätere Tinktion der Schnitte beein- trächtigt. Nach dem Herausnehmen aus der Säure werden die Knochen. womöglich durch fliessendes Wasser 1—2 Stunden aus- gewaschen und dann wieder in 95°/, Aleokol gelegt. Nach einigen Tagen wird der erste Alcohol, der meist noch ziemlich stark säurehaltig ist, abgegossen, die Knochenstücke auf Fliesspapier leicht abgetrocknet und dann in neuen Alcohol gelegt, in dem sie dann dauernd bleiben. Jugendliche und foetale Knochen legte ich meist zuerst in Lösungen, die gleichzeitig 1°, chromsaures Kali und !/ıo %/o Chrom- säure enthielten, alsdann entkalkte ich sie mit Salpetersäure von 1— 2°, der ich häufig geringe Mengen von Chromsäure (!/ıo°/o) oder ehromsaures Kali (1°/,) zusetzte. Legt man derartige Knochen nach vollendeter Entkalkung in Alcohol, so nehmen sie die be- kannte reine hellgrüne Farbe an, welche eine vorzügliche Grund- farbe sowohl für die Haematoxylin-, als ganz besonders für die Eosin-Färbung bildet. Nachdem ich die Vorzüge der Salpetersäure kennen gelernt hatte, habe ich die anderen anorganischen Säuren gar nicht mehr benutzt. Auch von den organischen Säuren bin ich nach einigen Ver- suchen wieder abgegangen. Die Essigsäure, die Milchsäure und der Holzessig haben alle drei eine ziemlich bedeutende entkalkende Kraft, aber sie lassen die Gewebe stark quellen und wenn man 484 F. Busch: auch die Quellung durch die oben erwähnten Zusätze etwas be- schränken kann, so bleiben sie doch gegenüber der Salpetersäure noch immer erheblich im Nachtheil. Die von Ranvier empfohlene Pikrinsäure entkalkt ausserordentlich langsam und reicht, wie R. selbst angiebt, nur aus, um ganz kleine Knochenstückehen zu ent- kalken. Für meine Untersuehungen konnte ich sie gar nicht gebrauchen. Was die Schnittführung betrifft, so habe ich alle entkalkten Knochen mit dem Mierotom geschnitten. Für Knochen von ge- ringem Umfang mag die freie Hand mit dem Mierotom in Con- eurrenz treten und nach einzelnen Richtungen auch vielleicht Vor- theile haben. Für grössere Dimensionen bleibt aber auch die geschickteste Hand weit hinter dem Microtom zurück. Von den durch entzündliche Auflagerungen verdiekten Knochen habe ich viel- fach Flächen-Querschnitte bis zu 4 Cm. Durchmesser bei !/\o—!/ı; Mm. Dicke mit Hilfe des Mierotoms mit grosser Leichtigkeit angefer- tigt und ich glaube nicht, dass es in der Möglichkeit der freien Sehnittführung liegt, etwas Aehnliches zu erreichen. Ich benutzte ausschliesslich das Gudden’sche Mierotom (von 6'/; Cm. innerem Cylinderdurchmesser), welches wegen der Festig- keit der Einbettung, die es gestattet und der Schwere seines Messers das bei weitem geeigneteste für Anfertigung mikroskopischer Schnitte aus der nach der Einlegung in Alcohol stets sehr re- sistenten entkalkten Knochensubstanz ist. Eine unverrückbar feste Einbettung ist für mikroskopische Knochenschnitte grösseren Flächeninhalts eine nothwendige Vorbedingung und ich halte es daher nieht für überflüssig zu beschreiben, wie ich dieselbe er- reichte, besonders da ich dabei von den gewöhnlichen Vorschriften erheblich abwich. Da die Einbettungsmasse eine sehr feste sein musste, so be- nutzte ich dazu das von Fritsch empfohlene Wallrath. Dasselbe wurde auf dem Wasserbade geschmolzen, wobei es eine Tempe- ratur von 609° — 70° C. annahm, und dann durch längeres Stehen bis zum Erstarrungspunkte von 45° ©. abgekühlt. Alsdann nahm ich das 2—53 Cm. hohe Querstück des entkalkten Knochens aus dem Alcohol und trocknete es sehr sorgfältig mit Filtrirpapier an allen Stellen ab. Nun legte ich dasselbe mit der Fläche, an welcher ich schneiden wollte, nach unten in ein Becherglas, welches einen geringeren Durchmesser hatte als der Cylinder des Micro- Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. 485 toms und übergoss das ganze Stück mit flüssigem Wallrath. Dann liess ich das Glas bis zur vollständigen Erkaltung des Wallrath stehen. Am nächsten Tage tauchte ich das Glas in heisses Wasser bis der in demselben befindliche Wallrath-Cylinder durch Ab- schmelzen anfing sich zu lockern; dann kehrte ich es um und fing den herausfallenden Cylinder auf einer Platte auf. Ich hatte jetzt also das Knochenstück in dem Wallrath - Cylinder allseitig eingeschlossen mit der beabsichtigten Schnittfläche nach oben ge- richtet. Nun goss ich heisses Wallrath in den Cylinder des Micro- toms bis zu einer gewissen Höhe ein und setzte den Wallrath- Cylinder mit seiner unteren Fläche in das geschmolzene Wallrath fest auf die Knöpfe des Cylinderbodens auf. Nach kurzer Zeit war die Masse erstarrt. Das Knochenstück, in seiner ganzen Peripherie von Wallratlı umgeben, richtete seine beabsichtigte Schnittfläche nach oben und die Anfertigung der Schnitte konnte beginnen. Das Knochenstück hatte also eine Drehung gemacht. Diejenige Fläche, welche ursprünglich nach dem Boden des Becher- glases gelegen hatte, sah jetzt nach oben. Ich erreichte dadurch den Vortheil, dass die bei der Erstarrung des Wallraths stets nachgezogenen Luftblasen nicht in der Umgebung der Schnitt- fläche sondern an der entgegengesetzten Fläche, wo sie mir nicht störend waren, sich ansammelten, Durch die allseitige Umgebung des Knochenstücks mit dem Wallrathmantel hatte ich den Vor- theil, dass die bindegewebige Umhüllung des Knochens, speeciell das bei der Entzündung so stark verdickte Periost sich nicht vor dem Messer herschieben konnte, sondern sich der Schneide darbieten musste. Uebrigens schnitt ich, nachdem ich das Messer fest und genau auf dem Schnittring angelegt hatte, sehr schnell und mit grosser Kraft. Was die Knochen von kleinen Dimensionen betrifft, so ist für dieselben die Anwendung des Microtoms weniger nothwendig und der freihändige Schnitt in den meisten Fällen vollkommen ausreichend. Es giebt aber auch hier Fälle, in denen die An- wendung des Mierotoms ausserordentliche Vortheile gewährt, wie z. B. am Fuss des menschlichen Foetus. In demselben liegen die 14 Phalangen, die 5 Metatarsalknochen und die 7 Fussgelenks- knochen, also zusammen 26 Knochen flächenhaft ausgebreitet eng neben einander. Bettet man nun den Fuss mit daran haftendem Unterschenkel so in die Wallrathmasse ein, dass die planta sich 486 F. Busch: als Schnittfläche präsentirt, so erreicht man, nachdem man zuerst Haut- und Unterhautbindegewebe mit wenigen Schnitten entfernt hat, mit dem Messer die Schicht der Knochen, resp. knorpeligen Knochenanlagen. Indem man nun Schnitt für Schnitt abträgt, er- langt man auf jedem Präparat leicht die Durchschnitte von 10—15 Knochen, resp. Knochenanlagen in den verschiedensten Graden der Verknöcherung. Man hat daher bei diesen Präparaten den ganzen Verlauf der Verknöcherung von der ersten Knorpelanlage durch die Knorpelanlage mit reihenweise geordneten Zellen, die Scheidung des Periosts in seine beiden Schichten: die fibröse und osteogene, das Eindringen der Zellen der osteogenen Schicht in die reihenweise geordneten Zellen der Knorpelanlage und die weitere Fortbildung des Processes in die endochondrale und perio- stale Knochenbildung, wie es Stieda, Strelzoff und Steudner beschrieben haben, vor Augen. Der foetale menschliche Fuss, den ich auf diese Weise unter- suchte, hatte eine Plantarlänge von 21 Mm. Die Metatarsal- knochen, welche eine Länge von 5"/a—6'!/s Mm. hatten, waren be- reits alle sowohl in der periostalen wie endochondralen Ver- knöcherung ziemlich weit vorgeschritten. Die ersten und zweiten Phalangen zeigten theilweise die erste reihenweise Anordnung der Knorpelzellen und an zwei Stellen auch bereits das Eindringen der Zellen der osteogenen Schicht in dieselben, die Fusswurzel- knochen sowie die Endphalangen befanden sich noch in ihren knorpe- ligen Anlagen, ohne dass die Zellen derselben die geringsten vorbereitenden Schritte zur Verknöcherung erkennen liessen. Ich glaube kaum, dass irgend eine andere‘ Körperstelle so günstige Verhältnisse für die Untersuchung der ersten Knochen- bildung darbietet, als der foetale menschliche Fuss. Der mensch- lichen Hand, die ja eben so knochenreich ist, fehlt die Ausbreitung dieser Knochen in einer Ebene, so dass keine grosse Anzahl der- selben gleichzeitig in die Schnittfläche fallen kann, und ausserdem würde es nicht leicht sein eine foetale Hand so einzubetten, dass sie sich gut und sicher schneiden lässt. Ich empfehle daher den Fuss ganz besonders für diese Untersuchungen. Was die Färbemittel betrifft, deren ich mich bediente, so habe ich Carmin vielfach nützlich gefunden, entweder in der schwach amoniakalischen Lösung oder als Pikrocarmin. Ein mässiger Zu- satz von Alcohol zur amoniakalischen Carminlösung erhöht, wie Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. 487 Hoyer (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 13 p. 650) bereits angab, die färbende Kraft derselben, macht die Färbung aber unangenehm glänzend und gleichmässig. Mit dem neutralen, resp. essigsauren Carmin habe ich keine guten Resultate erzielt. Das im Wasser lösliche Methylviolet giebt hübsche, aber durch keine besonderen Vorzüge ausgezeichneten Präparate. Die Hauptfärbemittel für das Studium der Knochen-Entwickelung sind Haematoxylin und Eosin. Hämatoxylin verwendete ich in der bekannten Weise, dass ich eine starke Lösung von H. 5 auf Alcohol absolutus 30 vor- räthig hatte. Von dieser träufelte ich in eine 1/s—1°/, Alaunlösung Tropfen hinein bis eine deutliche blaue Färbung entstand. In diese Lösung legte ich die aus dem Alcohol entnommenen Schnitte auf 1— 24 Stunden je nach der färbenden Kraft der Lösung und der beabsichtigten Farbenintensität des Schnittes. Für die Anwendung des Eosin habe ich mir folgende Methode ausgebildet und bereits früher beschrieben (Verh. der physiol. Gesellsch. in Berlin vom 9. Febr. d. J., abgedruckt in der Deut- schen medizinischen Wochenschrift, 1877 p. 92). Knochenstücke, welche nur in der Salpetersäure und dem Alcohol gelegen hatten und dem entsprechend eine reine weisse Farbe besassen, nahmen die Färbung aus der wässerigen Eosinlösung gut an. Die Färbung blieb aber wie die Eosinlösung selbst stark fluoreseirend und er- bleichte allmählich am Licht. Haben die Knochen dagegen durch die Zuhülfenahme der Chromsäure die reine hellgrüne Farbe an- genommen, so färben sie sich in dünner wässeriger Eosinlösung in kurzer Zeit (5—10 M.) mit einem sehr schönen, reinen, jeder Fluorescenz entbehrenden und dem Licht gegenüber vollkommen ausdauernden roth, welches den Vorzug hat starke Elektion aus- zuüben. Es bleibt nämlich die Knorpelgrundsubstanz absolut farblos, ebenso die kleinen unregelmässig zerstreuten Knorpel- zellen. Die Kerne der grossen geblähten und reihenweise geord- neten Knorpelzellen sind dagegen roth, ebenso das Periost, das Knochengewebe und der zellige Inhalt der Markräume. Die Knorpel- zellenreihen am epiphysären Verknöcherungsrande eines Röhren- knochens auf einem feinen Schnitt mit Eosin gefärbt, gewähren eines der schönsten mikroskopischen Bilder, die ich kenne. Da nun Hämatoxylin gerade die Knorpelgrundsubstanz be- sonders stark färbt, so eignen sich beide Farbstoffe sehr gut zur Doppelfärbung. Ich habe auch auf diese Weise ganz brauchbare 488 F. Busch: Präparate erhalten, theils indem ich zuerst das Hämatoxylin und dann das Eosin anwandte, theils indem ich umgekehrt verfuhr. Ich bekenne jedoch, dass ich niemals beide Farbstoffe ganz rein neben einander bekommen habe, einzelne Gewebe hatten doch meist eine Mischfarbe aus roth und blau angenommen. So war die Knorpelgrundsubstanz rein blau, die Kerne der geblähten Knorpelzellen und der zellige Inhalt der Markräume rein roth, das Knochengewebe selbst bot dagegen stets eine Mischfarbe dar. Die Kunst bei der Doppelfärbung ist nicht die reine Blaufärbung der Knorpelgrundsubstanz, denn diese ist ausserordentlich leicht zu erreichen, sondern die Fernhaltung des blauen Farbstoffs vom Knochengewebe, damit dies durch Eosin oder Carmin eine reine rothe Farbe annehmen kann und dieser letztere Punkt ist mir nicht vollkommen geglückt. Ich habe es daher auch meist vorge- zogen, von zwei aufeinander folgenden Schnitten derselben Serie den einen mit Eosin und den folgenden mit Hämatoxylin zu färben und dann beide mit einander zu vergleichen. Ich gebe jedoch gerne zu, dass auch die Doppelfärbung desselben Präparats eine werthvolle Methode ist, und glaube, dass hiebei das Eosin dem Carmin als rothe Farbe vorzuziehen ist, während für Blau das Hämatoxylin wohl durch kein anderes Färbemittel ersetzt wer- den kann. Aufbewahrt habe ich die Präparate ausschliesslieh in Canada- Balsam. Nach Anwendung der wässerigen Lösung des Färbemit- tels werden die Schnitte in Wasser ausgewaschen und kommen dann auf längere Zeit (10—-12 Stunden) in 95%, Alcohol und zu- letzt auf kurze Zeit (!/s;—1 Stunde) in absoluten Aleohol. Aus dem absoluten Alcohol lege ich die Schnitte auf den Objektträger und beträufiele sie, sowie die Oberfläche durch die Verdunstung des Aleohols ihren Glanz zu verlieren anfängt, sofort mit Canada- Benzol-Lösung von der gewünschten Consistenz und lege dann das Deckglas auf. Die fast ausnahmslos noch geübte vorausgehende Klärung der Schnitte durch ätherische Oele, bes. Nelkenöl, ist wie mir Professor Fritsch zuerst mittheilte und wie ich es später vielfach bestätigen konnte, vollkommen überflüssig, ja störend, da das ätherische Oel den Canada-Balsam ausserordentlich lange flüssig erhält. Die einfache Canada-Benzollösung klärt die Präpa- rate vollkommen und nimmt geringe Reste guten absoluten Aleo- hols ohne Trübung in sich auf. Da nun jede Vereinfachung einer Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. 489 Methode eine Verbesserung ist, so empfehle ich die Fortlassung der ätherischen Oele auf das angelegentlichste. Wenn somit der Schnitt des entkalkten Knochens als die bei Weitem wichtigere Methode der Untersuchung betrachtet werden muss, so darf doch auch der Schliff des macerirten Knochens nicht übergangen werden. Vollkommen nothwendig wird diese Untersuchung bei den durch Krappfütterung roth gefärbten Knochen, da ihnen bei der Entkalkung die Säure den Farbstoff entziehen würde. Die Vorbedingung eines guten Schliffes ist ein guter Säge- schnitt. Bei kleinen Dimensionen macht es keine grosse Schwie- riskeiten sich einen dünnen Sägeschnitt mit parallelen Flächen freihändig herzustellen. Je grösser die Dimensionen des zu unter- suchenden Knochens steigen, um so schwieriger wird der freihän- dige Sägeschnitt, um schliesslich bei Querdurchmessern von 3—4 Ctm., wie ich sie bei den durch endzündliche Auflagerungen ver- diekten Knochen beobachtete, so schwer zu werden, dass man auch bei Aufwendung grosser Mühe durch das freihändige Sägen nur ziemlich dicke Platten mit unregelmässigen nicht parallelen Flächen erlangt. Ich bemühte mich daher eine Methode zu finden, um diesen Uebelständen auszuweichen. Ich erreichte das folgender- massen: Das zur Untersuchung bestimmte Querstück eines mace- rirten Knochens wird mit gutem Leim auf einen festen Stab von Buchenholz aufgeleimt. Ist der Leim nach 'etwa 24 Stunden voll- kommen getrocknet, so haftet das Knochenstück ausserordentlich fest am Holz. Alsdann wird der Holzstab in einen s. g. Support eingeschroben. Ein Support ist eine in der Technik ausserordent- lich bekannte Vorrichtung, welche durch zwei senkrecht aufeinan- der gestellte Schrauben gestattet, den oben eingeschrobenen Gegen- stand in zwei genau senkrecht aufeinander stehenden Richtungen (von vorne nach hinten und von rechts nach links) zu bewegen. Der Support wird auf einer Drehbank so eingestellt, dass sich das auf dem Holzstab aufgeleimte Knochenstück den Zähnen einer Kreissäge gegenüber befindet. Die Kreissäge wird nun in Bewe- gung gesetzt, entweder durch Treten oder was besser ist, weil die Säge dann gleichmässiger und schneller geht, durch Dampf und mittelst des Support’s wird das Knochenstück gegen die Säge gegenbewegt. Zuerst wird eine glatte Sehnittfläche hergestellt, dann das Knochenstück mit der von vorne nach hinten wirkenden Archiv f. mikrosk. Anatomie. Ba. 14, 32 490 F. Busch: Sehraube zurückbewegt, mit der von rechts nach links wirkenden etwas vorgeschoben und nun durch die vorige Schraube der Säge entgegen geführt. Auf diese Weise zerlegt man in kürzester Zeit mit leichtester Mühe Knochenstücke von beliebiger Dieke ohne jeden Materialverlust als die Sägespäne in dünne Fournirblätter, welche durch ihre Zartheit und die Regelmässigkeit ihrer Flächen jeder freien Handarbeit spotten. Ich bin überzeugt, dass, wenn man die Kreissäge besonders sorgfältig auswählen würde, man bei kleineren Dimensionen nur durch den Sägeschnitt Plättchen ge- winnen würde, die man nach einer leichten Abplättung beider Flächen sofort unter das Mikroskop legen könnte. Eine derartige Ersparniss an Zeit und Mühe scheint mir wahrlich der kleinen Vorbereitungen werth, denen man sich Behufs der Anwendung der Kreissäge unterziehen muss?). Was nun das Schleifen der durch die Säge gelieferten Four- nirplättchen anbetrifft, so habe ich auch in der Beziehung eine Methode angewandt, die viel Zeit und Mühe erspart. Ich glättete die eine Seite der Knochenplättchen bis die Spuren der Sägezähne verschwunden waren. Dann klebte ich das Plättehen mit Leim auf eine kleine Platte von Buchenholz von 4 Ctm. im Quadrat, 1 Ctm. Dieke und sehr eben ausgearbeiteter Fläche. Um das Plätt- chen gegen diese Fläche zu fixiren bedeckte ich es mit einer eben solchen Platte aus diekem Spiegelglas und schrob die beiden Platten, zwischen denen sich nun das Knochenfournirplättchen be- fand, fest aneinander. Nach 24 Stunden nahm ich die Glasplatte ab. Das Knochenplättehen haftete nun in ganzer Ausdehnung fest an der Holzplatte.. Diese spannte ich in einen Schraubstock und feilte nun mit feinen englischen Feilen das Knochenplättehen dün- ner und dünner, indem ich zuletzt die feinste Feile anwandte, deren ich habhaft werden konnte. War das Knochenplättehen überall so dünn, dass die Holzfaserung ganz deutlich durchschimmerte, so legte ich die Holzplatte in lauwarmes Wasser bis der Leim sich gelöst hatte, und das Knochenplättchen abfiel. Dieses musste dann, um zu verhindern, dass es sich nicht beim Trocknen zusammen- rollte, zwischen zwei der oben beschriebenen GJasplatten gelegt werden, die wieder mit einer Schraube fest aneinander gedrückt 1) Ich machte diese Schnitte in der Werkstatt des hiesigen chirurgi- schen Instrumentenmachers Herrn Chr. Schmidt. Zur Technik der mikroskopischen Knochen-Untersuchung. 491 wurden. Nach 24 Stunden, wenn die Austrocknung vollendet war, wurde die Schraube gelöst, das Knochenplättehen herausgenommen und je nach Belieben, wenn die Luit in den Knochenkanälehen erhalten werden sollte, in alten verharzten und durch Erwärmen wieder flüssig gemachten Canadabalsam, oder wenn auf die An- wesenheit der Luft in den Knochenkanälchen keine Rücksicht ge- nommen wurde, in die gewöhnliche Canada-Benzollösung einge- ‘schlossen. Wenngleich die Methode nach der Beschreibung etwas weit- läufig aussieht, so kann ich doch versichern, dass man nach einiger Uebung mit ihr sehr viel Zeit und Mühe erspart und besonders die so geisttödtende Arbeit des Knochenschleifens selbst voll- kommen umgeht. Die Knochenplättchen werden bei Anwendung guter Feilen so fein wie man es nur irgend verlangen kann, sie erfordern da- her durchaus kein Nachschleifen. Legt man sie in Canadabalsam so braucht man die Flächen nicht zu poliren, weil der Balsam be- kanntlich die Rauhigkeiten der Oberfläche verschwinden lässt. Will man die Plättchen dagegen trocken untersuchen, so ist es nöthig, sie zwischen zwei Spiegelglasplatten zu poliren. Was übrigens das Knochenschleifen anbetrifft, so halte ich es für eine nothwendige Vorbedingung einer brauchbaren Methode, dass das Schleifmaterial derart beschaffen ist, dass keinerlei Par- tikelehen desselben in den Knochenplättchen zurückbleiben, da dieselben bei der mikroskopischen Untersuchung aufs äusserste stören. Die harten Oelsteine sind schon wegen des Oels nicht zu verwenden, die Wassersteine und auch der senkrecht auf seine Fasern geschnittene Bimstein entsprechen dieser Anforderung nicht, die matte Glastafel, auf der man trocken oder mit Wasser schleifen kann, erfüllt zwar jene Forderung, stellt aber an die Geduld des Schleifenden die allergrössten Anforderungen, die Feile dagegen lässt keinerlei Partikelchen zurück, wirkt schnell und bei den obigen Vorsichtsmassregeln bis zu der äussersten Feinheit des Plättchens und hinterlässt Flächen, welche weniger unregelmässig sind’als die. dureh die Schleifsteine bewirkten. Ich glaube daher diese Modifikationen als eine wesentliche Erleichterung der mikroskopischen Untersuchung des macerirten Knochens empfehlen zu können. Ich habe mit Absicht hier nur von dem macerirten Knochen 492 Dr. A. Nykamp: gesprochen. Ich weiss wohl, dass es möglich ist, frische Knochen- stücke mit den anhaftenden Weichtheilen bei höherer Temperatur zu trocknen und dann ebenso zu behandeln wie den macerirten Knochen. Ich habe mich jedoch überzeugt, dass eine derartige Conservirung der Weichtheile keinen Werth hat. Für die Unter- suchung der Weichtheile am und im Knochen ist der Schnitt des entkalkten Knochens die brauchbare Methode, die Schliff ist nur dann verwerthbar, wenn man von den Weichtheilen im Knochen . vollkommen abstrahirt und nur die verkalkte Knochensubstanz so untersuchen will, wie sie sich darstellt, wenn abgesehen von der Zerstörung der Weichtheile durch die Fäulniss keinerlei Ein- wirkung auf sie stattgefunden hat. Als dritte Methode sei übrigens noch kurz die unmittelbare mikroskopische Untersuchung des Knochengewebes erwähnt. Die- selbe kann natürlich nur an denjenigen Stellen geschehen, an denen die Knochen so dünn sind, dass sie direkt unter das Mikroskop gelegt werden können wie die Ausbreitungen des Siebbeins, ein- zelne Spongiosa-Bälkchen und bisweilen kleine Stücke aus der fossa infraspinata und fossa iliaca os. il. Klebs untersuchte auf diese. Weise, als er die Anwesenheit der Zellen in den sternförmigen Höhlen des Knochengewebes bestritt und die Erfüllung derselben mit Kohlensäure behauptete. (Centralblatt f. d. m. W., 1868, Nr. 6.) So wichtig diese Methode ist, da sie die einzige ist, welche das Knochengewebe genau so unter dem Mikroskop zeigt, wie es während des Lebens war, so wird sie doch durch die wenigen Orte, an denen sie ausführbar ist, in ihrer Bedeutung wieder sehr beschränkt. Berlin, den 5. Oktober 1877. Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels, Von Dr. A. Nykamp in Leiden. Hierzu Tafel XXIX. Da ich bei Untersuchungen des Knorpelgewebes, mit denen ich mieh in den Jahren 1876 und 77 beschäftigte, Bilder zu Ge- sicht bekam, die, meiner Ueberzeugung nach, auf nichts anderes," Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels. 493 als auf Saftkanälehen oder Saftbahnen hin zu deuten scheinen, lag es nahe, zu versuchen, ob nicht eine künstliche Füllung dieser Kanälehen zu bewerkstelligen wäre. Die dahin zielenden Versuche glückten mir damals nicht; eine Injeetion der Kanälchen nach dem Tode des Thieres konnte ich nicht zu Stande bringen. Die Prä- parate, aus welchen ich die Schlussfolgerung machte, dass dem Knorpel ein Kanalsystem zukomme, waren mittelst neutralen chroms. Ammoniaks von 5°, angefertigt, und die Herren Professoren Heynsius, Laayer und Broquard, welche die Präparate ge- sehen haben, bestätigten meine Annahme. Bis soweit hatte ich meine Untersuchungen im physiologischen Institute hier angestellt, als ich nach Breslau ging, um unter Leitung des Herrn Prof. Cohnheim fortzuarbeiten. Den lehrreichen Fingerzeigen dieses verehrten Lehrers und seiner freundlichen Theilnahme überhaupt danke ich die Fortschritte meiner ferneren Untersuchung dieses Gegenstandes, wofür ich meinen wärmsten Dank an dieser Stelle ausspreche. Inzwischen war auch mein Freund Treub, der von Beginn an den gleichen Gegenstand in Angriff genommen hatte, bestrebt gewesen, die Frage nach dem Vorhandensein von Kanälchen im Knorpel der Lösung näher zu bringen. Auch er fand Grund zur Annahme eines solchen Satt- bahnsystems, und wir sind im Stande, gemeinsam eine ganze Reihe von Versuchen mitzutheilen und Präparate vorzulegen, welche unsere ursprüngliche Annahme vollkommen bestätigen. Ueber das Vorhandensein von Kanälchen in der Knorpel- grundsubstanz bei Cephalopoden haben schon Leydig und Kölliker berichtet, während später F. Boll Kanälchen mit un- zähligen feinen Endfäden auffand im Knorpel von Sepia. Im Knorpelgewebe der beiden Cephalopodenarten, die wir unter- suchten (octopus vulgaris und eine Ommatoshephesart) gelang es uns leicht, die Kanälchen, sowohl mit als ohne Hülfe von Reagen- tien aufzufinden. Für beide Thiere fanden wir die folgenden Structurverhältnisse, welche in der Nähe des Periehondriums am deutlichsten und ausgeprägtesten waren. Von den Zellhöhlen gehen, hauptsächlich nach derselben Seite gerichtet, Kanälchen aus, welehe sich mehrfach verzweigen. Sehr oft kann man sehen, wie die Endausläufer der Kanälchen verschie- dener Zellen sich untereinander verbinden, wobei gewöhnlich an den Vereinigungsstellen eine mehr oder weniger grosse, wie vari- 494 Dr. A. Nykamp: - eöse Anschwellung stattfindet. Mit Hülfe verschiedener Reagentien!) sind die Kanälchen bis zu äusserst feinen Ausläufern zu verfolgen ° (Fig. D); niemals jedoch gelang es uns, Bilder zu Gesicht zu be- kommen, wie sie F. Boll zeichnet. Mit Osmiumsäure, und besser noch mit Goldehlorid, sahen wir oft Fortsätze vom Zellprotoplasma mehr oder weniger weit in die Kanälchen hineinragen, sowie im weiteren Verlaufe vereinzelte Stellen, welche ganz dieselbe Färbung angenommen hatten, wie das Protoplasma. Bei den oben erwähnten Anschwellungen der Vereinigungsstellen zweier Kanälchen sieht man diese Färbung fast immer. Je weiter vom Perichondrium, desto sparsamer werden die Ausläufer; immer bleiben jedoch ein oder zwei übrig; also ändern die Verhältnisse sich im Wesent- lichen nicht. Noch andere, nicht unwichtige Ergebnisse lassen sich im Knorpelgewebe bei den genannten Thieren auffinden. Die Grund- substanz nämlich, welche beim ersten Anblick hyalin erscheint, erweist sich bei genauer Betrachtung aus feinen Fasern bestehend, welche ziemlich genau einander parallel und feingeschlängelt ver- laufen, und ganz das Aussehen von sehr feinen Bindegewebsfasern haben. Gewöhnlich sieht man dieselben nach einer Seite stärker werden, bis man an eine Stelle kommt, wo die Zellen verkalkt sind. Aber überall, wo die Zellen sonst vollkommen normal sind, findet man in der Grundsubstanz diese Faserung wieder?). Bei der Octopusart, die wir untersuchten, waren die Fasern so ausgeprägt (Fig. ID, dass sie Jedem sofort ins Auge springen mussten; auch gelang es hier sehr gut, den Uebergang von Perichondriumfasern in Knorpelfasern zu verfolgen. Das Endresultat ist also, dass im Cephalopodenknorpel Zellen mit ramifieirten untereinander communicirenden Ausläufern in einer faserigen Grundsub- stanz eingebettet liegen. Nachdem wir das Vorstehende gefunden hatten, haben wir auf ähnliche Weise das Knorpelgewebe von Fröschen, Kaninchen und Menschen untersucht. | eu 1) Wir untersuchten mit Arg. nitr., Golchlorid, Ueberosmiumsäure und Picrocarmin Ranviers; Neutr. Chroms. Amm. von 5°/, hatte keinen heson- ders erkennbaren Einfluss. 2) Es wäre daran zu denken, dass die feinen fast parallelen Endrami- fikationen, welche Boll an den Kanälchen zeichnet, Fasern der Grundsub- stanz gewesen sind, da diese keineswegs immer leicht zu unterscheiden sind. Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels. 495 Arg. nitr. und Goldcehlorid gaben im Ganzen negative Resul- tate. Mit Ueberosmiumsäure sahen wir einige Male die Bubnoff’schen Linien,. sind indessen geneigt, dieselben für Kunstprodukte zu erklären. Ganz anders verhielt es sich aber bei Anwendung des 5°, neutr. chroms. Ammoniak. Lässt man feine Knorpelschnitte einige Tage darin liegen, dann sieht man von vielen oder den meisten Zell- höhlen feinste Ausläufer in verschiedene Richtungen abgehen. Hier gehen von einer Zelle zwei bis fünf und mehr Kanälchen nach allen Seiten aus; dort sieht man mehrere parallelgerichtete zum Vorschein kommen. Ramificationen sind hier nicht so zahlreich, aber man sieht sehr oft zwei Zellen in Verbindung gestellt durch feine Kanälchen, die man an anderen Stellen ziemlich weit in der Grundsubstanz verfolgen kann. (Fig. II.) Ausserdem gewahrt man in der Grundsubstanz eine ganz eigen- thümliche Veränderung. Anstatt der hyalinen Grundsubstanz, die man ohne Reagentien wahrnimmt, sieht man sie jetzt ausserordent- lich fein gefasert. Die Fasern verlaufen mehr weniger untereinander parallel und geschlängelt, sind aber sehr viel feiner und zarter wie die offenbar analogen Gebilde im Cephalopodenknorpel. Gold- chlorid gab auch hier und da Andeutungen dieser Faserung; am deutlichsten war diese aber zu erkennen nach drei oder viertä- giger Behandlung mit Kal. bichr. Auch das Ranvier’sche Pierocarmin liess in vielen Präparaten die Faserung erkennen und in zwei Präparaten vom Kaninchen- "knorpel fanden wir daneben die Saftkanälchen in vollkommen der- selben Form wie sie neutr. chroms. Amm. auffinden lässt (Fig. IV.!). Wir glauben aus dem Gesagten zu der Schlussfolgerung be- rechtigt zu sein, dass auch im Säugethierknorpel die Zellen durch feinste Kanälchen mit einander verbunden sind, und dass auch hier die Grundsubstanz sieh ebenso auf- fassen lässt. Eine Selbstinjeetion des Knorpels, eine physiologische Fül- lung der möglichen Kanälechen war noch nicht versucht, oder we- nigstens die Resultate eines solchen Experiments nicht veröffent- 1) Tillmanns kam zu ähnlichen Resultaten nach Behandlung von Knorpelschnitten mit NaCl von 33%, Kali hypermang. und Trypsine; auch Creonill Babed sah die Faserung auftreten bei Anwendung von Kalk und Barytwasser. 496 Dr. A. Nykamp: licht, bis Gerlach im Centralblatt Nro. 48 d. J. 1875 und kurz darauf Arnold in Nro. 51 d. s. J. die Befunde mittheilten, welehe sie nach Einführung von Indigearmin in den lebenden Organis- mus erhalten hatten. Gerlach hatte anfänglich eine vorläufige Mittheilung gegeben, der später eine grössere Arbeit „Ueber das Verhalten des indig- schwefelsauren Natrons im Knorpelgewebe lebender Thiere“ folgte. Diese Arbeit kritisch ‚zu prüfen war unsere Aufgabe, als wir die Versuche Gerlach’s wiederholten. Wie überraschend war sein Befund bei den am Kaninchen angestellten Versuchen! Bei Fröschen sah er wenigstens, wiewohl erst nach 4 oder 5 Tagen und einer täglichen Injection von 3—5 Cem. einer vollkommen gesättigten Lösung von Indigearmin, Farbstoffkügelchen in den Knorpelzellen auftreten: bei Kaninchen jedoch nach 6 oder 11 Tagen einige blasse Körnchen „also doch wenigstens Spuren von Indigearmin“ in den Knorpelzellen. Einmal nur ist es ihm ge- lungen, Indigokömehen in den Trachealknorpelzellen aufzufinden; er hatte nämlich 35 Cem. der Farbstofflösung innerhalb 4 Stunden nach der von Wittich’schen Methode in die Trachea eingespritzt und sah nun in den Knorpelzellen der Trachealringe unweit der Bifureationsstelle einige Indigokörnchen; im Gelenk- oder Rippen- knorpel war jedoch nichts zu finden. Vergleicht er nun seine Versuche an Kaninchen mit den an Fröschen angestellten, so hält er es nicht für möglich, bei Warm- blütern die nöthigen Bedingungen herstellen zu können, um das Indigearmin auch im übrigen Knorpelgewebe zum Vorschein kommen zu lassen. Seiner Meinung nach liegt das günstige Moment zur Aufnahme des Indigcarmins grade in den Trachealknorpelzellen, in der reichen Entwickelung und der Nachbarschaft der Lymph- gefässe. Es ist eine allerdings wichtige Frage, die sich an diese Schlussfolgerung anknüpfen lässt, ob etwa die Ernährungsvor- gänge beim Trachealknorpel andere seien, als beim ÖOhrknorpel, oder beim Gelenk- oder Rippenknorpel? Ist die Nachbarschaft grösserer und kleinerer Lymphgefässe die Ursache, dass nur die Knorpelzellen der Trachealringe die feinen blauen Körnchen ent- halten, und fehlt dem übrigen Knorpelgewebe eine so glückliche Nachbarschait? Oder endlich, liegt es daran, dass die Methode nicht stichhaltig, und dass vielleicht dem Organismus nicht eine en 1 Fr Swen 2 Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels. 497 genügende Menge Indigearmin zugeführt ist, um in den verschie- denen Knorpelarten den Farbstoff nachweisen zu können? Nachdem wir die Versuche Gerlach’s genau wiederholt hatten, erkannten wir bald die Unbrauchbarkeit seiner Methode und schlugen daher einen anderen Weg ein, der, wie man aus den Versuchen erfahren wird, sicherer zum gewünschten Ziele führt. Die Versuche wurden im Breslauer path.-anatom. Institute begon- nen und in Leiden fortgesetzt. Injieirt man einem Frosch 1 Gr. einer durchaus gesättigten Indigearminlösung in den Rückenlymphsack und überlässt man das Thier sich selbst, so sieht man schon nach einer Viertelstunde eine Blaufärbung der Niekhaut und bald darauf eine blaue Fär- bung der gesammten Haut auftreten. Wirft man jetzt, also eine halbe oder dreiviertel Stunde nach der Injeetion das Thier in Ale. abs. und untersucht nachher das Knorpelgewebe in Ol. Therebinth., so sieht man den künstlichen Ernährungsprocess des Knorpels in vollstem Gange. Aehnliche Versuche wie an Fröschen, haben wir auch an Ka- ninchen und Hunden angestellt. In jener ersten Versuchsreihe wurden die Nierenarterien den Kaninchen entnommen, und nachher an verschiedenen Stellen des - Körpers bis zu 20 Cem. einer Indigearminlösung subeutan injicirt. Die Thiere lebten gewöhnlich den Tag und die Nacht und wurden dann am Morgen des zweiten Tages getödtet, und die Knorpel in Ale. abs. gelegt. Die mikroskopische Untersuchung ergab keine Indigokörnchen in den Zellen. Bei weiteren Versuchen, wie oben angestellt, bekam das Thier früh Morgens 20 Cem. Indigearmin und am Mittag noch 10 Cem.; 8 Stunden nach der ersten Injection wurde es getödtet; das Knor- pelgewebe hatte einen Stich ins Blaue, und nur in einzelnen Zellen konnten sparsame Indigokörnchen nachgewiesen werden. Aus diesen und anderen Versuchen schien es uns, dass die eingespritzte Indigolösung nicht genügende Mengen von Indigo- partikelchen enthielt, um in allen Theilen des Organismus und desshalb auch im Knorpelgewebe die Körnehen deutlich auftreten zu lassen. Wir haben darum die Versuche geändert und ergab sich alsdann Folgendes: 20. Juli 1876. Um 10 Uhr wurde die Bauchhöhle eines Albino-Kaninchen 498 Dr. A. Nykamp: mittelst einer sehr kleinen Wunde geöffnet und 1 Gr. indig- schwefelsaures Natron (aus der Apotheke des Herrn Maschke in Breslau) in Substanz in sie eingebracht. Die Wunde wurde sorg- fältig zugenäht und das Thier sich selbst überlassen. Nach einer Viertelstunde entleerte es spontan blauen Urin, und zeigte es einige Minuten nachher heftige Schmerzen. Von diesen erholte es sich indessen, und bald war die gesammte Hautdecke ebenso wie die Conjunetia Bulbi, Nasen- und Mundschleimhaut blau gefärbt. Am folgenden Morgen wurde es todt gefunden. Hautdecke und ge- sammte Schleimhäute schön blau gefärbt; fast die ganze Menge Indigearmin resorbirt; keine Peritonitis, nur einige blaue Flüssig- keit in der Bauchhöhle. Von den Baucheingeweiden sind ein- zelne Stellen am Magen und Darm blau, Leber weniger, Milz etwas mehr, Nieren ganz blau gefärbt. Mikroskopisch sieht man im Knorpelgewebe theils eine post- mortale Imbibition, theils auch Indigokörnchen in den Zellen. 29. Juli 1876. Frühmorgens um 8 Uhr wurde ein graues Kaninchen auf dieselbe Weise wie oben behandelt. Nach 10 Minuten blauer Urin, Augenlieder, Nasen- und Mundschleimhaut fingen an blau gefärbt zu werden. Nach einer halben Stunde ist das ganze Thier intensiv blau. Bis 3 Uhr Mittags lebte es ganz munter, bis es plötzlich heitige Krampfanfälle bekam. Um 4 Uhr wurde es getödtet, und die Knorpel, welche intensiv blau aussahen, in Aleohol abs. gelegt. Die mikroskopische Untersuchung erwies, dass sowohl im Gelenk- und Rippenknorpel, als im Tracheal- und Ohrknorpel fast alle Zellen Körnehen von Indigcarmin aufgenommen hatten. Die Beschreibung mehrerer ähnlicher Versuche scheint uns nieht nöthig, da sie zu denselben Resultaten führten: doch muss constatirt werden, dass, wenn die Versuche, wie oben gemacht werden, und die Thiere nur 10, 8 oder 6 Stunden im Leben blieben, wir immer in der Lage waren, Indigokörnchen in allen Knor- peln aufzufinden. Die Frage drängte sich nun von selbst auf, wie gelangen die Farbstoffkörnchen zu den Zellen und ist es möglich, ihren Spuren dahin zu folgen ? Zur Entscheidung dieser Frage haben wir wieder eine ganze Reihe von Versuchen angestellt, wobei wir die Thiere 3, 2/s, 2, 11s, = ul ur ra ne A nn Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels. 499 1 und !/s Stunde leben liessen; wir führten hiebei nicht 1, sondern 2 Gr. Indigearmin in die Bauchhöhle ein. Bringt man einen Knorpelschnitt eines so behandelten Ka- ninchens in Terpentinöl unter das Mikroskop, so springen augen- blicklich die Indigokörnchen, welche sich in den Zellen befinden, in’s Auge. Je peripherer die Zellen liegen, desto mehr Körnehen enthalten sie; die Zellen aber in der Nähe des Perichondriums sind am meisten gefüllt; sie bleiben fast ohne Ausnahme frei von Kügelehen. Aber nicht nur in den Zellen, auch in der Intercellullar- substanz liegen die Körnchen und es ist nicht schwer, Stellen auf- zufinden, wo mehrere Zellen untereinander verbunden sind, durch eine Reihe von Indigokörnchen, welche sich ganz bestimmt in der Intereullarsubstanz vorfinden. (Fig. V.) Ist es nun nur Zufall, dass die Indigokörnchen in der Inter- cellullarsubstanz so hinter einander gelagert sind, wie wenn sie in einem präformirten Kanälchen liegen? Auch diese Frage lässt sich an glücklichen Präparaten be- antworten. Nicht nur sieht man die Zellen durch eine Reihe von Körnchen verbunden, sondern die Reihe selbst ist oft verästelt, so dass eine Zelle z. B. mit drei oder mehr Zellen in Verbindung steht. Am Rippenknorpel sieht man ausserdem wie die Kanälchen des Perichondriums mit denen des Knorpels zusammenhängen und wie die Körnchenreihe in der intercellulären Substanz des Knorpels ganz analog ist der des Perichondriums; giebt man zu, dass die Körnchen, welche sich im Periehondrium auffinden lassen, in einem Saftbahnensystem liegen, dann kann man auch nicht umhin, ein gleiches für die Körncehen in der Knorpelgrund- substanz anzunehmen. (Fig. VI.) Eine weitere Stütze für unsere Annahme haben wir ausser- dem in unseren Präparaten, wo wir mittelst verschiedener Reagentien ein die Zellen untereinander verbindeudes Netzwerk auffanden; es würde doch sonderbar sein, dass Regentien von so verschie- dener chemischer Beschaffenheit alle dasselbe Kunstproduet im Knorpel zum Vorschein brächten. Auf Grund unserer Präparate und vor allem unserer Injeetionen meinen wir daher alles Recht zu haben zu dem Schlusse, dass ebensowohl im bisher hyalin genannten Knorpel, als in allen an- deren Knorpelarten ein System von Saftbahnen oder Kanälchen besteht, durch welche das Ernährungsmaterial zu den Knorpelzellen gelangt. 500 Dr. A. Nykamp: Erst nachdem unsere Versuche schon längst abgeschlossen waren und wir über das Bestehen von Saftbahnen im Knorpel eine feste Ueberzeugung bekommen hatten, kam uns die werthvolle Arbeit Arnold’s unter die Augen. (Virchow’s Archiv, Bd. 68, S. 65 ff.) | Auch in dieser Arbeit werden die Fehler der Gerlach’schen Methode besprochen, und es freut uns auch von Arnold die Gerlach’schen Anschauungen bestritten zu sehen, so dass auch dieser Forscher nicht abgeneigt ist, ein Saftkanalsystem im Knorpel- gewebe anzuerkennen. Wie Arnold für das Bindegewebe Experimente angestellt hat mit Kaliumeiseneyanin, löslicher Stärke und Tusche, so haben wir ähnliche Versuche für das Knorpelgewebe gemacht. Was die Experimente mit Kaliumeiseneyanin betrifft, so sind wir in folgender Weise verfahren. Wir injieirten einem Frosche 1 Gr. einer 20%, Lösung in den Rückenlymphsack. Nach einer halben Stunde sind die Thiere sehr schlaff und apathisch ge- worden. Wir schnitten alsdann die Knorpel aus, und legten diese theils in eine sehr verdünnte Eisenchloridlösung, theils in Aqua dest. Die Knorpel, welche in die Eisenchloridlösung geworfen worden waren, färbten sich fast augenblicklich intensiv blau; bei der mikroskopischen Untersuchung jedoch sah man nur die Grund- substanz blau gefärbt, die Knorpelzellen mit ihren Kernen ganz ungefärbt: ganz ähnlich also den negativen Bildern, welche Arnold bei seinen Experimenten auch bisweilen auftreten sah. Legt man aber einen Knorpelschnitt vorher in destillirtes Wasser und lässt nun die Eisenchloridlösung unter das Deckgläschen zufliessen, dann bekommt man nicht dieselben negativen Bilder, denn die Grundsubstanz färbt sich nicht so intensiv; doch höchstens sieht man einige blaue Körnchen in den Zellen und in der Intercellullar- substanz. | Mit löslicher Stärke haben wir leider sehr wenige Resultate bekommen; fast niemals ist es uns gelungen etwas davon im Knorpel zu sehen. Ganz neuerdings erschien noch eine Arbeit von Budge (Schultze’s Archiv Bd. XIV, 1. Heft), der zu ähnlichen Resultaten als wir gekommen ist. Seinen Versuchen und Injektionen nach kommt er zur Annahme, dass eine Communication zwischen Lymph- gefässen und Knorpelkapseln besteht, und dass die Knorpelkapseln Notiz üb. eine Modification des Rivet-Leiser’schen Mikrotoms v. Dr. Long. 501 unter sich durch feine Kanälchen verbunden sind. — Wir waren nieht im Stande, die Versuche wie Budge anzustellen; seine Bilder stimmen jedoch im Wesentlichen so mit den unsrigen überein, dass es uns auch nicht nothwendig schien, seine Versuche zu wiederholen. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXIX. Fig. I. Knorpelzellen von Octop. Vulg. mit vielfach rumificirten Ausläufern. Fig. II. Faserung der Grundsubstanz bei Oct. Vulgaris. Fig. IH. Rippenknorpel des Kaninchens; die Zellen sind durch Kanälchen miteinander verbunden. Präparat behandelt mit Pierocarmin. Fig. IV. Rippenknorpel (Kaninchen) nach Anwendung von Neutr. chr. Amm. v. 50,- Fig. V. Reihen von Indigokörnchen in der Knorpelgrundsubstanz. Fig. IV. Indigokörnchen in dem Perichondrium ; die Kanälchen verlaufen theils horizontal, theils vertical; Kanälchen in der Grundsubstanz, welche mit denen des Perichondriums zusammenhängen. Notiz über eine Modification des Rivet-Leiser’schen Mikrotoms von Dr. Long. Mitgetheilt von Prof. Waldeyer. Ich habe vor Kurzem von Dr. Long, pr. Arzt in Breslau, Vorwerkstrasse 34, ein Mikrotom bezogen, welches mir manche Vortheile zu gewähren scheint, so dass ich nicht verfehlen möchte die Aufmerksamkeit der Fachgenossen darauf zu richten. Das in Messing massiv ausgeführte Mikrotom von Dr. Long steht den Hobelvorrichtungen von Oschatz- Grönland -Rivet nahe, welche Leiser schon lange aus Metall fertigt, doch sind die Bahnen 20 Centimeter lang. Die starke Klemme lässt. sich abnehmen und in den verschiedensten Stellungen rasch und sicher fixiren. Ihre Form erlaubt eine stete Parallelstellung des Spaltes zwischen ihren Backen mit der Schneide Da die Messerbahn von der benachbarten nach hinten divergirend gelegt ist, so be- 502 Dr. A. Goette: kommt die Klinge einen oft sehr erwünschten feinen Zug neben dem, welehen ihre Schieistellung im Gefolge hat. Dr. Long wendet zweibällige Messer an, die, wie Rasirmesser, hohl ge- schliffen, an ihrer Angel torquirt, sich in der Richtung der untern Faecette bewegen, welche, ebenso wie die obere, auf dem Abzieh- steine hergestellt wurde, um die Reibung der dünnen Klinge zu überwinden. Auf diese Weise liegt die Klinge bei der Arbeit über dem Präparat und hebt zwar die Schnitte ab, kann aber die Ob- jekte weder quetschen, noch ihnen federnd ausweichen. Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skelet- systems der Wirbelthiere. Von Dr. A. Goette, Professor in Strassburg. Hierzu Taf. XXX — XXXILU. Als ich die Entwiekelungsgeschichte der Unken schrieb, er- kannte ich sehr bald die Nothwendigkeit, alle neuen Angaben, welche ich dort weder eingehender erörtern, noch durch Abbil- dungen erläutern konnte, nachträglich in ausführlicher Darstellung zu erhärten, falls sie nicht unbeachtet, vielleicht auch zum Theil unverstanden bleiben sollten. Die überaus abfällige Kritik, welche meine in jener Arbeit niedergelegten Bemerkungen über das Skeletsystem der Vertebraten von Seiten Gegenbaurs erfuhren, hat mich veranlasst, die erwähnte eingehendere Bearbeitung zu- nächst diesem Organsystem zuzuwenden. Dass ich dabei mit dem Brust- bein und Schultergürtel beginne, hat einen rein äusseren Grund; die Untersuchungen über die Wirbelsäule, welche naturgemäss vorange- stellt werden sollten, sind ebenfalls abgeschlossen und werden sich der vorliegenden Arbeit unmittelbar anschliessen. Für alle diese Unter- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 503 suchungen muss ich aber vorausschicken, dass sie keinen Anspruch auf eine systematisch umfassende Darstellung erheben, sondern soweit das mir zu Gebote stehende Material es gestattete, nur die wichtigsten Homologien und Unterschiede zwischen den einander im allgemeinen entsprechenden Skeletapparaten und -theilen der Klassen, Ordnungen u. s. w. erörtern und feststellen sollen. Ferner habe ich überall, wo es anging, die bezüglichen Homologien aus der Entwiekelungsgeschichte zu begründen gesucht, ausgehend von der Thatsache, dass Theile des fertigen Organismus, welche in ihrem rein anatomischen Verhalten eine grosse oder selbst scheinbar vollkommene Uebereinstimmung zeigen, diesen Zustand oft genug von einem ganz verschiedenen Ursprunge aus durch eine, wenn ich so sagen darf, später eintretende konvergirende Verähnlichung erreichen, während wiederum andere Theile in entgegengesetzter Weise ihre ursprünglich gleichen Lagebeziehungen in Folge diver- genter Entwickelung ihrer selbst und ihrer Umgebung im fertigen Zustande nur unvollkommen oder gar nicht mehr erkennen lassen. Allerdings bleibt die Möglichkeit bestehen, dass auch in solchen Fällen eine eingehende Vergleichung der gerade vorliegenden fertig gebildeten Körpertheile mit eben solchen verwandten oder ver- mittelnden Uebergangsformen für sich allein zum Ziele, zur Er- kenntniss führt, indem bei einer genügenden Anzahl solcher Formen fortlaufende Bildungsreihen aufgestellt werden können, welche zu den einfacheren früheren Zuständen der fraglichen Theile hin- führen und daraus deren ursprüngliche Beziehungen erkennen lassen. Ist aber damit anerkannt, dass die morphologische Gleich- werthigkeit oder Homologie lediglich in der Uebereinstimmung der fundamentalen, ursprünglichen Lagebeziehungen zu suchen ist, trotz der oft tief eingreifenden sekundären Umbildungen, so sollte meiner Ansicht nach auch zugegeben werden, dass die Untersuch- ungsmethode, welche jene Beziehungen unmittelbar aufdeckt, näm- lich die ontogenetische, im allgemeinen sicherere Grundlagen für die Vergleichung gewährt, als das eben gekennzeichnete Ver- fahren, dessen Schlüsse sich nicht auf einen wirklich wahrgenom- menen Zusammenhang der Formen, sondern auf Kombinationen eines solchen stützen, mögen dieselben auch noch so überzeugend motivirt sein. Nun muss allerdings anerkannt werden, dass in neuerer Zeit die innige Zusammengehörigkeit der vergleichenden Anatomie und 504 Dr. A. Goette: der Ontogenie zur allgemeinen Ueberzeugung geworden ist, die erstere ganz ohne Berücksiehtigung der anderen kaum noch ge- trieben wird. Es besteht aber einmal eine gewisse Meinungs- verschiedenheit darüber, wie bei wirklichen oder scheinbaren Con- flikten und Widersprüchen der beiderlei Befunde entschieden werden soll, und anderseits wird in praxi das, was man in allge- meiner Voraussetzung zugab, nämlich die gleichberechtigte Com- petenz jener beiden Disciplinen, nicht immer beachtet. Ich befinde mich gar nicht in dem Falle, den ersten Punkt hier in nähere Erwägung zu ziehen; in Betreff des zweiten glaube ich aber zu- nächst den Vorwurf der Einseitigkeit von den folgenden Unter- suchungen fern halten zu können. Denn die vergleichend-anato- mischen Resultate, zu denen ich, von entwicklungsgeschichtlicher Grundlage ausgehend, gelange, entstanden unter Berücksichtigung aller der Einwendungen, welche aus dem Vergleiche der fertigen Formen dagegen erhoben werden könnten. Auch haben wenigstens mit Bezug auf den gerade vorliegenden Gegenstand, viele meiner Vorgänger im allgemeinen den gleichen Weg der Untersuchung eingeschlagen, dem auch ich folge. Ich weiche nur darin von ihnen ab, dass ich eine ausreichendere Benutzung der Entwicklungs- geschichte verlange als es bisher üblich war. Um den wirklichen Ursprung, den genetischen Zusammenhang gewisser Theile zu erfahren, genügt es aber nicht, ältere Ent- wiekelungsstufen zu untersuchen, welche oft im wesentlichen das- selbe zeigen wie die ganz fertigen Zustände; die auf diese Weise gesammelten und verwertheten Thatsachen können nur dahin führen, die Bedeutung der Entwicklungsgeschichte zu unterschätzen, indem sie entweder nichts Neues darbieten, also die fertigen Formen für die gewünschte Beurtheilung ausreichend erscheinen lassen, oder früher oder später Widersprüche mit anderweitigen Thatsachen ergeben, welche der Unzulänglichkeit der Entwickelungs- geschichte zur Last gelegt werden. Wenn z. B. bisher die erste Anlage des ventralen Schultergürtelabschnittes der Anuren allgemein in einem geschlossenen Rahmen gefunden wurde, so war dadurch für den genetischen Zusammenhang der Theile nieht mehr eruirt als aus der fertigen Form gefolgert ‚werden konnte; oder wenn das unzweifelhafte Sternum von Anguis auch ontogenetisch ohne Beziehung zu den Rippen erschien (Rathke), so konnte daraus geschlossen werden, dass die gleichen negativen Resultate auch wo. > Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. W irbelthiere. 505 in anderen Fällen der Deutung eines echten kostalen Sternum keine Schwierigkeiten bereiten dürften. Diese beiderlei Angaben, welehe für die Unzulänglichkeit der Entwickelungsgeschichte zeugen möchten, betreffen aber durchaus nicht die frühesten Zustände der genannten Theile, welche ganz andere sind; die daraus abgeleiteten „embryologischen Thatsachen“ sind eben falsch, nicht weil die Wahrnehmung selbst eine unrichtige, sondern weil die Voraus- setzung, dass darin der ursprüngliche Zustand gegeben sei, eine unberechtigte war. Und darin liegt gerade meistentheils das Un- zureichende in der Benutzung der Entwickelungsgeschichte, dass man die embryologischen Thatsachen gleich den rein anatomischen aus der einzelnen oder in gleicher Weise wiederholten Wahrneh- mung entnehmen zu können glaubt, während die ersteren nothwendig ein bestimmtes Urtheil über den Zusammenhang mit vorangegan- genen oder folgenden Zuständen enthalten, welches eben begründet sein will. Endlich wird sich nicht läugnen lassen, dass die onto- genetische Untersuchung dort, wo sie gleichsam subsidiär auftritt, meist nicht systematisch, sondern nur gelegentlich benutzt wird, so dass die mit einander verglichenen Einzelresultate einen un- gleichen Werth haben, also auch die Sicherheit des Vergleichs beeinträchtigen. Solehe Ueberlegungen, die hier weiter auszuführen nicht, der Ort ist, sollen es rechtfertigen, dass ich in den folgenden Untersuchungen das Hauptgewicht allerdings auf die Entwickelungs- geschichte der miteinander zu vergleichenden Theile gelegt habe. Mögen nachträglich auch Irrthümer darin angetroffen werden, wie ich selbst einige meiner früheren Angaben berichtige, oder mag die eine oder andere Schlussfolgerung beanstandet werden, so werde ich doch der Ueberzeugung bleiben, dass die von mir be- folgte Methode der Untersuchung keine einseitige ist, weil sie das mehr betont und hervorhebt, was bisher nieht die verdiente Beachtung erfuhr. I. Ueber das Brustbein und den Schultergürtel. Ich habe mir für diesen Abschnitt die Aufgabe gestellt, die gleichwerthigen Stücke zunächst in den verschiedenen Brustbein- apparaten der Wirbelthiere aufzufinden. Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd. 14. 33 506 Dr. A. Goette: Mit diesem Namen bezeichnet man allgemein diejenigen Ske- lettheile, welche in der rentralen Bauchwand theils die Rippen jeder Körperhälite unter sich und mit denen der anderen Seite verbinden, theils als ventrale Schluss- und Verbindungsstücke des Schultergürtels oder endlich als Anhangsgebilde dieser medianen Skeletstücke erscheinen. Hinsichtlich ihres genetischen Zusammen- hangs wird gegenwärtig die Auffassung Rathke’s getheilt, welcher das eigentliche Brustbein in inniger Verbindung mit den Rippenenden, den episternalen Verbindungsapparat zwischen den Schlüsselbeinen und dem ersteren aus einer mehr oder weniger selbstständigen Anlage entstehen sah. Davon ausgehend durfte die Untersuchung des Brustbeinapparats sich darauf beschränken, die sternalen und episternalen Skelettheile von einander zu unterscheiden und in ihren Modifikationen bei den verschiedenen Thieren zu verfolgen. Da es sich aber im Verlauf meiner Untersuchungen herausstellte, dass der Schultergürtel in viel innigeren genetischen Beziehungen zum Brustbeinapparat stehe als bisher bekannt war, so musste derselbe nunmehr in entsprechend umfassender Weise in die Un- tersuchung mit hineingezogen werden. Immerhin wurde er wesent- lieb nur um dieser Verbindungen willen berücksichtigt, und dar- aus erklärt sich, warum der Schultergürtel der Fische, denen ein Brustbeinapparat fehlt, von der Untersuchung ausgeschlossen blieb, und diese sich also auf die Amphibien und Amnioten beschränkt. Die Reihenfolge, in welcher ich die einzelnen Klassen dem Leser vorführe, bedarf noch einer besonderen Erklärung. Sollten bei der Vergleichung der verschiedenen Brustbeinapparate die bis- her üblichen Namen — Sternum, Episternum — beibehalten werden, so musste die ganze morphologische und insbesondere die gene- tische Bedeutung der so bezeichneten Theile zunächst an jenen Vertebratenformen bestimmt festgestellt werden, an denen jene Namen zuerst in Gebrauch kamen; dies sind aber wenigstens hin- sichtlich des Sternum unzweifelhaft nicht die Amphibien, sondern die Amnioten. Unter diesen mussten wiederum diejenigen voran- stehen, deren Brustbeinapparat alle wesentlichen Stücke vollstän- dig enthält und den relativ klarsten Einblick in die genetischen und anatomischen Beziehungen der letzteren zu einander und zum Schultergürtel gestattet; und als solche habe ich die Saurier kennen gelernt, mit denen ich also meine Darstellung beginnen werde. An die Saurier schliessen sich naturgemäss die Chelonier, Kroko- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 507 dile und Enaliosaurier an. Dann bieten aber die Reptilien über- haupt gute Anknüpfungen auf- und abwärts dar, indem die Vögel und Säuger ebenso an die Saurier, wie die Amphibien an die Chelonier und Enaliosaurier sich anreihen lassen. Wenn auf diese Weise gegen die systematische Ordnung gefehlt wird, so gewinnt man dafür meines Erachtens durch die getroffene Anordnung einen um so günstigeren Ausgangspunkt der Untersuchung. Das von mir benutzte Material habe ich zum Theil selbst gesammelt, theils verdanke ich es der Liberalität der Herren Prof. O. Sehmidt und Prof, Sechimper hier und Prof. Ehlers in Göttingen. 1. Die Amnioten. a. Die Reptilien, Saurier. Der Brustbeinapparat der Saurier besteht bekanntlich aus zwei Haupttheilen, dem Sternum und dem Episternum, von denen das erstere — eine mehr oder wenige rautenförmige, oft mit hin- teren Fortsätzen versehene Platte — mit den schrägen Vorder- rändern sich den Korakoidplatten anfügt und in der Regel mit den Rippenenden verbunden ist, während das stets knöcherne Episternum mit seiner hinteren Hälfte an die Bauchfläche des Sternum befestigt ist, naeh vorn aber gewöhnlich eine Verbindung zwischen dem letzteren und den Schlüsselbeinen vermittelt. — Rathke entdeekte nun, dass diese beiden Stücke des Brustbein- apparats der Saurier nicht nur im fertigen Zustande, sondern noch weit mehr nach ihrer Entwicklung zu trennen seien (Nr. 25 8. 22—25). Die Anlage des Sternum fand er bei Embryonen von Lacerta agilis in zwei getrennten bandiörmigen Streifen, welche dicht unter einigen Rippenenden hinlaufend, dieselben unter einander verbanden. Eine ursprüngliche Continuität zwischen jedem Streifen und den ihm anliegenden Rippenenden erwähnt Rathke von der ge- meinen Eidechse nicht, bestreitet es aber bestimmt für Anguis fragilis indem er sagt, dass an den Embryonen dieses Thieres das Ster- num von den Rippenenden noch weiter abstände als später, also getrennt von denselben entstände. Die getrennten Hälften der Brustbeinanlage verwüchsen bei den Eidechsen allmählich von vorn 508 Dr. A. Goette: nach hinten zu einem Stück, welches frühzeitig knorpelig wird und spät zu verknöchern beginnt; indem aber jene Verwachsung zum Theil unterbliebe, entständen einmal die Fontanellen und fer- ner die hinteren Hörner des Sternum, an welchen letzteren allein ein kontinuirlicher Zusammenhang mit den Rippen von Rathke bemerkt wurde. Erst nachdem die Brustbeinplatte zum grössten Theile fertig geworden und eine weiche Knorpelhaut erhalten, entsteht in der letzteren die unpaare und sofort verknöchernde Anlage des Epi- sternum (vorderes Brustbeinstück Rathke) in Form eines medianen Stiftes an der Bauchseite des Sternum, welcher alsdann unter Vor- schiebung der Knorpelhaut nach vorn auswächst. Auf Grund dieser Entwickelung hält Rathke das Episternum für einen Deckknochen der knorpeligen Brustbeinplatte. — Ueber die Entwickelung des Schlüsselbeins der Saurier gibt Rathke an, dass es „anfangs mit dem Schulterblatte eine einzige und allenthalben gleichartig be- schaffene Masse“ bildet (Nr. 24 S. 137). Gegenbaur hebt be- züglich der Entwickelung des Schultergürtels der Saurier hervor, dass alle knorpelig angelegten Theile desselben anfangs ein zu- sammenhängendes Stück seien, welches erst durch die diskreten Verknöcherungen in das halbknorpelige und knöcherne Stück des Schulterblattes und die verschiedenen Theile des Coracoideum sich sondern (Nr. 11 8.40, 42). Vom Schlüsselbein dagegen heisst es im Gegensatz zu Rathke’s Angaben, dass es unabhängig vom knorpelig präformirten Schultergürtel und rein knöchern entstehe (Nr. 11 8. 47, 135, Nr. 12 $. 681). Die Entwickelung des Brustbeinapparats und des Schulter- gürtels der Saurier habe ich selbst ausser an der Blindschleiche noch an einer ausländischen Eideehse verfolgt. Ich fand nämlich in einer Anzahl in Weingeist konservirter Eidechseneier, welche aus Südamerika stammten, Embryonen von so vielen verschiedenen Entwickelungsstufen, dass sie meinem Zwecke ziemlich ausreichend dienen konnten; an den ältesten von ihnen liess sich die Gattung Cnemidophorus feststellen. Ich werde die an diesen Embryonen gewonnenen Befunde zuerst mittheilen. Cnemidophorus sp. An den jüngsten Embryonen (Fig. 1) bestanden Schultergürtel und Brustbein noch aus je zwei weit getrennten Hälften. Jede Hälfte des Schultergürtels stellt eine längliche, schräg von vorn und oben nach hinten und unten ge- richtete dünne Platte dar, deren weiches Gewebe aus indifferenten Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 509 Bildungszellen und einer konsistenten Intereellularsubstanz besteht. Eine beträchtliche Verschmälerung der Platte ohngefähr in der Mitte ihrer Länge sondert eine vordere dorsale Hälfte von einer hinteren ventralen ab. Jene, woraus der grösste Theil des Supra- scapulare hervorgeht, ist und bleibt eine rundlich schaufelförmige, ‘zusammenhängende Platte. In der grösseren ventralen Hälfte des Sehultergürtels befindet sich parallel dem Vorderrande und dicht hinter demselben eine lange, medianwärts frei auslaufende Spalte, wodurch ein vorderer schmaler Streifen, die Anlage des Schlüssel- beins von dem beilförmigen hinteren Hauptstück geschieden wird, in welehem Scapula und Coracoideum gemeinsam enthalten sind. Die Grenze dieser beiden letzteren Theile wird zunächst nur durch die am Hinterrande gelegene Gelenkgrube für den Humerus an- gedeutet, da das Gewebe noch überall das gleiche ist. Um die Gelenkgrube herum ist die Anlage dicker und verdünnt sich merk- lieh nach vorn und medianwärts, wo später die grossen Lücken auftreten, während das kleine Nervenloch neben der Gelenkgrube bereits vorhanden ist. Das Sehlüsselbein besteht mit Ausnahme eines inneren Strei- fens, welcher aber die beiden Enden nicht erreicht, aus demselben Gewebe wie der übrige Schultergürtel, sowie denn auch sein dor- sales Ende kontinuirlich in das Suprascapulare übergeht!). Ich muss darin Rathke vollständig bestätigen. In seiner Mitte ist das Schlüsselbein ein wenig konvex nach vorn gebogen; das ventrale Ende erscheint verbreitert mit einem gegen die Medianlinie auf- gebogenen vorderen und einem hinteren Zipfel, welcher der Vorder- ecke des Coracoideum genähert ist, aber mit derselben nicht un- mittelbar zusammenhängt, sondern nur vermittelst des lockeren embryonalen Bindegewebes, in welches alle jene Skeletanlagen eingebettet sind, und in welchem jenes ventrale Ende der Clavi- eula sich unmerklich verliert. Der erwähnte innere Streifen, welcher an Masse gegen die weiche Rindenschicht noch zurück- steht und die beiden Enden nicht erreicht, besteht aus verkalktem Gewebe, der Anlage eines sogenannten sekundären Knochens. Auf Durchschnitten zeigt dieses Gewebe eine sehr reichliche Inter- cellularsubstanz mit rundlich spindelförmigen Zellen, welche zum 1) Vgl. die Abbildung eines älteren Stadiums von Anguis (Fig. 11), wo ein solcher Zusammenhang noch immer besteht, 510 Dr. A. Goette: Theil noch durch Ausläufer zusammenhängen; der Verknöcherungs- rand ist noch uneben, indem die feste Intercellularsubstanz unregel- mässig zwischen die dichtgedrängten Zellen der weichen Rinden- schicht eingreift. Es unterliegt also wohl keinem Zweifel, dass die ganze Schlüsselbeinanlage ursprünglich durchweg aus dem- selben Gewebe bestand, welches noch die Rindenschicht und die anderen kontinuirlich damit zusammenhängenden Schulterstücke bildet, und dass jene Knochenanlage in seinem Innern sekundär durch Bildung und Verkalkung einer reichlichen Intercellularsub- stanz entstand. Gegenbaur hat mithin durchaus Recht, dass die Clavieula der Saurier als sekundärer Knochen auftritt. Doch entwickelt sich derselbe nicht in Form eines soliden Cylinders, und betrifft nieht die gesammte Masse der weichen Anlage, wie wir auf der nächsten Entwiekelungsstufe sehen werden; an den in Rede stehenden Embryonen besteht die Knochenanlage noch aus unregelmässigen, locker zusammenhängenden Knocheninseln, welche einen annähernd bandförmigen Streifen bilden. Das Hauptergebniss der eben vorgeführten Beobachtungen ist also dieses, dass der Schultergürtel unserer Eidechse seine Entwiekelung als ein durchaus zusammenhängendes Stück beginnt, so dass das Schlüsselbein nieht in selbstständiger Anlage (Gegen- baur), sondern als ein Ast oder Fortsatz des Schulterblattes er- scheint (Rathke), welcher aber darauf nicht in Knorpel, sondern gleich in einen sekundären Knochen sich zu verwandeln beginnt. Zu Gunsten der gegentheiligen Ansicht Gegenbaur’s liesse sich zwar annehmen, dass die Anlage des Schlüsselbeins auf noch früherer Entwickelungsstufe selbstständig auftrete und erst darauf mit derjenigen des Schulterblattes verschmölze; dies wird aber sehr unwahrscheinlich, wenn man überlegt, dass der völlig konti- nuirliche Zusammenhang zwischen beiden Theilen nicht lange dauert, also dieselben unter jener Voraussetzung gleich nach ihrer getrennten ersten Entstehung ohne jede Trennungsspur verschmelzen sollten, um darauf an derselben Stelle den Process einer neuen Sonderung einzuleiten. Ferner habe ich dieselbe Erscheinung der zusammenhängenden Anlage des ganzen Schultergürtels nicht nur bei anderen Reptilien, sondern auch bei den Amphibien und dort zwar von den frühesten Stadien an gesehen, sowie auch Rathke dasselbe von Vögeln und Säugern behauptet (a. a. O.) Ich bin daher überzeugt, dass die immerhin sehr junge Anlage des Schulter- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 511 gtirtels von Cnemidophorus, welche ich eben beschrieb, das ur- sprünglicehe Verhältniss des genetischen Zusammenhangs seiner, Theile zeigt. — Unter den übrigen Befunden an demselben Objekt ist ferner besonders hervorzuheben, dass das Coracoideum und Sehulterblatt, wenn man vom kleinen Nervenloch absieht, anfangs undurehbrochen sind. Das Brustbein war an denselben jungen Embryonen von Cnemidophorus ebenfalls schon angelegt, aber in anderer Weise als es Rathke von Lacerta beschreibt. Jede Brustbeinhälfte be- stand nieht in einem gesonderten bandartigen Streifen, welcher einigen oder mehreren Rippen anlag, sondern in einer kleinen dreieckigen, hinter dem Coracoideum liegenden und nur mit einer Rippe in Verbindung stehenden Platte. Ihr Vorderrand ist der lateralen Hälfte des Hinterrandes vom Coracoideum angefügt!); der schräg nach hinten gerichtete mediale Rand ist am wenigsten scharf gegen das Grundgewebe, die Membrana reuniens inferior abgesetzt. Am Seitenrande der Brustbeinplatte geht eine Rippe kontinuirlich und ein wenig verbreitert in dieselbe über, welche daher als das in Form einer Lanzenspitze verbreiterte Ende jener Rippe sich darstellt; das Gewebe beider Theile ist noch dasselbe wie am Schultergürtel. Die folgende Rippe steht noch deutlich von der Brustbeinplatte ab; die vordere Seitenecke der letzteren ist aber in einen Zipfel ausgezogen, welcher gerade dem Ende der letzten Halsrippe entgegensieht. Da nun die Entfernung dieser beiden Theile später zunimmt, und zugleich jener Zipfel sich ver- kürzt, anderseits aber bei Anguis eine völlige Trennung zwischen der mit dem Brustbein anfangs zusammenhängenden Rippe und dem ersteren thatsächlich erfolgt (vgl. Fig. 7— 9), so kommt es mir sehr wahrscheinlich vor, dass auch jene Halsrippe von Cne- midophorus mit der Brustbeinanlage früher zusammenhing und der genannte Zipfel die letzte Andeutung der erst vor kurzem gelösten Kontinuität ist. Die vorletzte Halsrippe von Cnemi- dophorus liegt aber völlig ausser dem Bereich der Brustbeinanlage. Ich kann nun diesen ganzen Befund nicht anders deuten, als dass die verbreiterten Enden der letzten Hals- und ersten echten Rippe l) Die Abbildung Fig. 1 zeigt freilich einen kleinen Zwischenraum zwischen beiden Theilen; derselbe ist aber nur die unvermeidliche Folge des bei der Präparation auf jene ausgeübten Druckes. 512 Dr. A. Goette: ‘ miteinander verschmolzen und so die dreieckige Brustbeinplatte bildeten, worauf der unveränderte Theil der Halsrippe sich von der Platte völlig trennte, während der gleiche Theil der folgenden Rippe seine Kontinuität mit derselben erst später aufgibt. Die Annahme, dass diese Bildung, welche erst eine kurze Zeit bestan- den haben kann, also jedenfalls ein sehr frühes Stadium repräsentirt, dennoch aus einer anfangs diskontinuirlichen Anlage des Brustbeins und der Rippen hervorgegangen sei, wäre ohne zwingende Gründe ebenso wenig wahrscheinlich wie die gleiche Annahme bezüglich des Schlüsselbeins. Auch stimmt unser Befund an Cnemidophorus wesentlich mit der jüngsten nachweisbaren Brustbeinanlage bei Anguis überein, welche thatsächlich jederseits in einer allmählich zunehmenden Verbreiterung eines Rippenendes besteht und sich später von der übrigen Rippe trennt. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Objekten beruht lediglich darin, dass bei Anguis nur eine, bei Cnemidophorus aber mehre Rippen an der Brustbeinbildung betheiligt sind. So sprechen also sowohl der einzelne Befund für sich wie die Vergleichung durchaus für jene oben von mir gegebene Deutung. Auf der zweiten Entwickelungsstufe, welche ich an den Embryonen von Cnemidophorus unterscheiden konnte, waren die Hälften des Schultergürtels und Brustbeines noch getrennt aber näher zusammengerückt; die ersteren näherten sich ferner mehr. der queren Lage und hatten sich im schmäleren Mitteltheile etwas gestreckt (Fig. 2). Das Gewebe war in den meisten Theilen fester und in der Umgebung des Schultergelenks knorpelähnlich ge- worden. In dem Seapulo-Coracoideum, d. h. der noch ungeson- derten Anlage dieser beiden Stücke hat die Bildung der ovalen Fenster begonnen, von denen das mittlere dicht vor und median- wärts von dem kleinen Nervenloche, ein zweites davor und lateral- wärts, das dritte dahinter liegt. Das erste und dritte gehören dem Coracoideum an (Gegenbaur’s Haupt- und Nebenienster, Nr. 11 S. 44), das laterale der Scapula. Das korakoidale Neben- fenster ist aber erst nur durch eine etwas lichtere Stelle in dem zusammenhängenden Gewebe angedeutet; die zwei anderen treten viel deutlicher hervor, indem die sie verschliessende Gewebsmasse bereits mehr den Charakter einer durchscheinenden Bindegewebs- . membran angenommen hat und dadurch sich von der umgebenden Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 513 knorpelähnlichen und weniger durchscheinenden Masse schärfer ab- hebt. Alle diese Fenster sind nach den obigen Befunden in der ersten Anlage des Sehultergürtels nicht vorhanden, sondern gehen gleicher- weise sekundär aus einer histiologischen Sonderung der ursprüng- lich homogenen und kontinuirlichen Platte hervor, indem innerhalb der verknorpelnden Masse rundliche Bindegewebsmembranen ent- stehen, welche sich später als die Verschlussmembranen entspre- chender Knorpellücken oder eben der sogenannten Fenster darstellen. Genau genommen sind also die Fenster nicht als eigentliche Lücken, sondern als bindegewebige Theile des Skapulo- Coracoideum aufzufassen; anders wie die Spalte zwischen der Clavieula und dem letzteren, welche ein gleich ursprünglich ge- gebener Ausschnitt zwischen diesen zwei ungleichen ventralen Aesten der Schultergürtelanlage ist, mag derselbe später ebenfalls von einer Bindegewebsmembran ausgefüllt werden oder nicht. Das Sehlüsselbein derselben Embryonen ist zugleich mit der Scapula länger geworden, aber nur noch in seiner medialen Hälfte nach vorn konvex, lateralwärts aber konkav, also im ganzen schwach S-förmig gebogen. Es hat sich ferner dem Scapulo- Coracoideum soweit genähert, dass die beide Theile trennende Spalte grösstentheils unsichtbar ist, und sein verbreitertes, mit divergirenden Rändern auslaufendes mediales Ende von unten her die Vordereeke des Coracoideum merklich überragt und verdeckt, um sich gegen das Brustbein hin zu verlieren. Das laterale Ende des Schüsselbeins geht noch wie vorher ohne jede Absonderung in das Suprascapulare über. Sein innerer Knochen ist breiter geworden auf Kosten der Rindenschicht, welehe eben immer mehr in die Knochenbildung hineingezogen wird. Dort, wo die mediale Verbreiterung der ganzen Anlage beginnt, folgt der Knochen dem vor- deren Rande derselben und hört gegenüber der Ecke des Coraeoideum ganz auf; in seiner geraden Fortsetzung verläuft medianwärts ein wulstiger Streifen der Anlage, während deren hinter dem Knochen gelegene Ausbreitung membranartig dünn ist. An Durchschnitten lässt sich erkennen, dass der Knochen, obgleich seine unebenen Flächen noch keinen scharfen Umriss ergeben, im grösseren Theile seines Verlaufs die Gestalt einer nach aussen konvex, nach innen rinnenförmig gekrümmten Platte annimmt. In seiner lateralen Hälfte ist die Rinne nicht immer deutlich, indem dort ein Streifen des weichen, unverknöcherten Gewebes an der visceralen Seite 514 Dr. A. Goette: unregelmässig in den Knochen sich hineinzieht (vgl. Fig. 14 von Anguis); am skapularen Ende verliert sieh auch diese Bildung. In der medialen Hälfte des Knochens erweitert sich aber die Rinne unter entsprechender relativer Verdünnung der knöchernen Wand, wobei deren Vorderrand merklich einwärts gekrümmt ist, der hintere Rand aber gerade gegen die membranartige Ausbrei- tung der Rindenschicht ausläuft (Fig. 6a). Da nun diese Knochenrinne durch lokale Differenzirung in einer annähernd eylindrischen Ge- websmasse entsteht, so ist es klar,« dass ein axialer Theil der letzteren in die Höhlung der Rinne zu liegen kommt. Und dieser axiale, vom Knochen zuerst rinnenförmig, zuletzt röhrenförmig umwachsene Strang nimmt an der direkten Verknöcherung nicht Theil wie die (periostale) Rindenschicht, sondern bleibt weich, um allmählich sich in eine Marksubstanz umzuwandeln. Mit den voranstehend beschriebenen Veränderungen des Schultergürtels ist auch die Brustbeinplatte jederseits in der Entwickelung fortgeschritten (Fig. 2). Sie ist grösser gewor- den, ihr Vorderrand am Coracoideum weiter vorgeschoben, der seitliche Zipfel verkürzt; der verlängerte Seitenrand endlich steht mit drei Rippen in fortlaufendem Zusammenhang, deren sternale Abschnitte von hinten schräg nach vorne gerichtet sind. Nach dem, was ich von dem Antheil der letzten Hals- und ersten echten Rippe an der Bildung der Brustbeinplatte gesagt, kann ich auch den vorliegenden Befund nicht anders deuten, als dass die Enden auch der zweiten und dritten echten Rippe median- und vorwärts wachsend suecessiv die Brustbeinplatte erreicht und nach der Verschmelzung mit derselben sie um das ihr unmittelbar ange- fügte Stück vergrössert haben. Eine merkliche Verbreiterung dieser Rippenenden vor ihrer Verschmelzung mit der schon vor- gebildeten Brustbeinplatte findet nicht statt, da der hinterste Ab- schnitt der letzteren kaum breiter ist als die unveränderten Rippen- theile. Ein selbstständiges Auswachsen der Brustbeinanlage an den Rippenenden vorbei, um sich erst sekundär mit ihnen zu ver- binden, habe ich an den vielen von mir untersuchten Embryonen verschiedener Entwickelungsstufen niemals angedeutet gefunden. Die Kontinuität der Rippen mit der im Entstehen begriffenen Brustbeinplatte, das suecessive Wachsthum der letzteren in dem Masse, als sich ihr neue Rippen anschliessen, endlich der Umstand, dass die unveränderten Rippentheile sich erst spät vom Sternum Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 515 abgliedern, und dadurch demselben erst seine Selbstständigkeit ver- leihen, sind nach meiner Ansicht hinlängliche Zeugnisse, dass das Brustbein unserer Thiere nicht aus selbstständiger Anlage, sondern aus der Verschmelzung mehrer Rippenenden hervorgeht. Ich komme zur dritten Entwiekelungsstufe unserer Or- gane (Fig. 3). Die beiden Hälften des Schultergürtels haben sich noch mehr der queren Lage genähert und sind soweit gegen die ventrale Mittellinie vorgerückt, dass sie mit ihren vorderen Eeken, d. h. den medialen Enden der Schlüsselbeinanlagen zu- sammenstossen. Da dieser Zusammenstoss immerhin unter einem nach vorn offenen Winkel erfolgt, so ist es natürlich, dass die diekeren weichen Zipfel, in welche der verknöchernde Haupttheil jener Anlagen ausläuft, bei ihrem Zusammentreffen nach hinten umbiegen und nunmehr dicht nebeneinander und parallel der Me- dianebene zwischen den genäherten Korakoidplatten sich rückwärts ausziehen. Die vorderen Enden dieser Zipfel sind bereits ver- schmolzen und bilden ein längere Zeit weich bleibendes Verbin- dungsstück der beiderseitigen Schlüsselbeinknochen; im übrigen Verlauf sind sie aber noch getrennt und ihre Sonderung bleibt noch lange dadurch kenntlich, dass in jedem von ihnen alsbald ein schmaler Streifen von sekundärem Knochen sich zu bilden an- fängt, welche beiden erst sehr spät der Länge nach zusammen- fliessen. Diese ganze paarige mediane Bildung ist nun die Anlage des Episternum; die eigentlichen Schlüsselbeine entstehen also nur aus den lateralen Hauptabschnitten der von mir bisher so genann- ten Schlüsselbeinanlagen. Der schon erwähnte membranöse Theil der letzteren, welcher jederseits den Hinterrand der Schlüsselbein- knochen mit dem Seitenrande des Episternum verbindet und die Vorderecke des Coracoideum von unten her verdeckt, fällt später zur Hälfte den Schlüsselbeinen, zur Hälfte dem Episternum zu. Alle diese Thatsachen beweisen, dass die Angaben Rathke’s be- treffs der Bildung des Episternum der Eideehsen zum Theil un- richtig sind, wahrscheinlich weil er eine viel spätere Entwicke- lungsstufe für die ursprüngliche, erste hielt: das Episternum dieser Thiere entsteht nieht als unpaare Bildung, sondern aus einer Doppelanlage, nicht selbstständig, sondern aus den medialen En- den der ursprünglichen Schlüsselbeinanlagen, und zwar nicht nach der Verbindung der beiden Brustbeinhälften auf diesen, sondern einige Zeit vorher und vor den letzteren. 516 Dr. A. Goette: Der Schlüsselbeinknochen hat sich indess mit glatter Fläche gegen die umgebende Rindenschicht und den in seiner Höhlung liegenden Zellenstrang abgesondert, zeigt daher an Durch- schnitten gerade fortlaufende Umrisse. Indem die nach innen um- gebogenen Ränder einander entgegenwachsen und endlich zusam- mentreffen, verwandelt sich die Rinne in eine vollkommene Röhre und trennt den eingeschlossenen Zellenstrang von der Rindenschicht völlig ab. Diese Trennung erfolgt übrigens, wenigstens in der me- dialen Hälite des Knochens schon zu der Zeit, wann dessen Innen- raum noch durch eine enge Spalte nach aussen kommunieirt. (Fig. 6b.) Während aber nun die Knochenröhre selbst im ganzen Verlauf einen ziemlich gleichen Durchmesser behält, erfährt doch die ganze Knochenbildung des Schlüsselbeins in der Folge dadurch medianwärts eine merkliche Verbreiterung, dass die er- wähnte membranartige Ausbreitung der weichen Anlage im An- schluss an den Hinterrand der Röhre ebenfalls zu verknöchern be- ginnt. — Die periostale Rindenschicht ist so weit zur Knochenbil- dung verbraucht, dass sie sich nur noch als fibröse Haut darstellt. In dem übrigen Schultergürtel derselben Embryonen war die Knorpelbildung weiter gediehen; trotzdem war eine Abgliederung des oberen oder lateralen Schlüsselbeinendes vom Suprascapulare noch immer nicht eingetreten, indem das embryonale Knorpelge- webe des letzteren durch ganz allmähliche Uebergänge sich an die periostale Rinde der Clavicula anschliesst. Ich habe dies von einem gleich weit entwickelten Anguisembryo abgebildet (Fig. 11). Am Coracoideum war das mediale oder Nebenfenster nunmehr ebenso deutlich gebildet wie das Hauptienster. An dem lateralen, schon im Bereich der künftigen Scapula gelegenen Fenster machte ich in diesem Stadium einmal die Beobachtung, dass die dasselbe nach vorn abschliessende, Coracoideum und Suprascapulare ver- bindende Brücke (Praescapulare) zum Theil in Bindegewebe ver- wandelt war. Es zeigt uns diese bei Cnemidophorus ausnahms- weise vorkommende Bildung, dass das Gewebe jener Brücke wechseln kann, ohne dass dadurch die morphologische Bedeutung des Fensters irgendwie berührt wird; ein Punkt, auf den ich noch ausführlicher zurückkomme. Die Brustbeinhälften haben auf dieser Entwickelungsstufe im Verein mit dem Schultergürtel ihre Lage verändert: sie sind nieht nur der Medianebene genähert, sondern haben sich auch mit Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 517 ihren etwas geschweiiten medialen Rändern einander mehr gegen- über gestellt. Immerhin besteht zwischen ihnen noch ein ansehn- licher Zwischenraum. Mit dem Seitenrande jeder Hälfte sind vier Rippen verbunden; die Abgliederung derselben ist noch nicht ein- getreten, doch lässt sich eine Einleitung dazu vielleieht daraus vermuthen, dass an den Stellen, wo sie in das Brustbein über- gehen, die ununterbrochen zusammenhängende Knorpelmasse etwas trüber erscheint. Dass dieses Merkmal noch nicht der unmittel- bare Vorläufer der Abgliederung ist, ergibt sich daraus, dass jener Zusammenhang noch am Schluss des Fruchtlebens besteht. Auf der vierten Entwickelungsstufe (Fig. 4) haben die beiden Hälften des Schultergürtels schon so ziemlich die blei- bende quere Lage eingenommen, sodass die hinteren Ränder der beiden Korakoidplatten zu medialen und nach vorn stark konver- girenden geworden sind. Ihre vorderen Ecken nähern sich unter dem Episternum allmählich bis zur Berührung, worauf sie sich übereinander schieben. An den Schlüsselbeinen hat sich der in die Knochenröhre eingeschlossene Zellenstrang zu differenziren angefangen: es sind darin kleinere und grössere Vakuolen aufgetreten, welche dort, wo sie einander nahe kommen, das Zellengewebe zu dünnen Zwischenwänden zusammendrücken. Auch finden sich an einigen Stellen Kommunikationen dieser Innenmasse nach aussen, wahr- scheinlich beim Schluss der Knochenröhre zurückgebliebene Lücken; und da solche röhrenförmige Zugänge später sich ganz deutlich als Gefässkanäle des Knochens darstellen (vgl. Fig. 10), so möchte ich annehmen, dass sie es auch schon in jenen Embryonen sind. Durch eine solche frühzeitige Vaskularisation der Innenmasse er- klärt sich auch deren Umbildung zu Knochenmark, welches sich an den ältesten von mir untersuchten Embryonen als blutrothe Axe des Knochens unzweideutig zu erkennen gab. Von diesem Mark- raume aus erfolgt später ebenfalls eine Knochenbildung. Denn indem ich die Schlüsselbeine verschiedener Altersstufen von An- guis, Lacerta und Ameiva untersuchte, fand ich, dass sie anfangs mit denen der Cnemidophorusembryonen übereinstimmten, dass aber später der Markraum ersichtlich verdrängt wird: bald er- scheint er ungleich im Durchmesser, bald an den dünneren Stellen streckenweise unterbrochen oder selbst nur auf eine Hälfte des ganzen Knochens beschränkt. — 518 Dr. A. Goette: Ueberblieken wir nun den Entwickelungsverlauf des Schlüssel- beins, so können wir ihn mit demjenigen eines einfachen sekun- dären, etwa eines Deekknochens nicht ohne weiteres identifieiren. In einer eylindrischen Anlage wird mit Ausnahme des einen (ska- pularen) Endes ein axialer Zellenstrang von einer peripherischen Knochenanlage erst rinnen-, dann röhreniörmig umwachsen, und verwandelt sich darauf in Markmase, welche allmählich einer inne- ren Knochenbildung weicht. Die letztere müssen wir unzweifel- hait derjenigen vergleichen, welche an Stelle eines in Markmasse aufgelösten Knorpels tritt und als primärer Knochen bezeichnet wird. Wir hätten demnach bei der Bildung des Schlüsselbeins zu unterscheiden: 1. eine direkt entstandene Knochenröhre und 2. innerhalb derselben eine durch Marksubstanz vermittelte Knochen- substanz, d. h. der histiogenetische Unterschied des Schlüsselbeins von anderen, „primär“ gebildeten Knochen redueirt sich darauf dass bei ersterem das grundlegende Gewebe im Innern ohne Ver- mittelung eines Knorpels sich in die Markmasse verwandelt, welche in beiden Fällen zur indirekten Knochenbildung führt. Unterdess hat auch die früher vermisste Absonderung des dor- salen oder lateralen Schlüsselbeinendes vom Suprascapulare be- gonnens Anfangs erreichte der Schlüsselbeinknochen die Ueber- gangsstelle des ganzen Schlüsselbeins in das Schulterblatt nicht; darauf schritt aber die Knochenbildung bis in den Bereich des letzteren vor, sodass das betreffende Schlüsselbeinende in einer wirklichen Grube des Schulterblattrandes ruht (vgl. Fig. 12, 13). Dort hängt es aufs innigste mit einem weichen Gewebe zusammen, welches die ganze Grube ausfüttert und ohne scharfe Grenze in deren Knorpelwand übergeht. Eine solche innige Verbindung zwischen Clavieula und Suprascapulare habe ich auch noch an verschiedenen erwachsenen Sauriern angetroffen. Die Sonderung jener beiden Schultergürteltheile gleicht also, da sie niemals bis zu einer Gelenkbildung fortschreitet, etwa der Sonderung der ein- zelnen Wirbel der Fische, deren ursprünglich kontinuirliche zellige (äussere) Chordascheide durch histiologische Differenzirung in die knorpeligen oder knöchernen Wirbelkörper und die sie verbin- denden weichhäutigen Intervertebralringe zerfällt!.. Wird im 1) Ich mache darauf aufmerksam, dass auch bei vielen Selachiern die Anlagen der späteren Intervertebralringe jederzeit weich und knorpelfrei bleiben. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 519 letzteren Falle die genetische Zusammengehörigkeit der gesonderten Theile zugegeben, so kann sie auch für den andern Fall nicht be- stritten werden. ‘ In ähnlicher Weise vollzieht sich die Scheidung der medialen Schlüsselbeinenden vom Episternum. Die jederseits zwischen ihnen ausgespannte Membran verknöchert zunächst nur im Bereich des sekrümmten röhrenförmigen Klavikularknochens und im Zusam- menhang mit demselben, sodass das dadurch verbreiterte und abgerundete Schlüsselbeinende scharf begrenzt erscheint (Fig. 4, 5). Inmitten der verknöchernden Membra bleibt eine Stelle häutig und bildet das bekannte Fensterchen oder Oehr der Clavieula. Der Rest der Membran schliesst sich jederseits dem Episternum an und bildet dessen ebenfalls verknöchernde Seitenflügel; die häutige Verbindung, welche zwischen dem klavikularen und episternalen Knochenrand zurückbleibt, ist also der Rest des ursprünglichen kontinuirlichen Zusammenhangs beider Skelettheile. Die Knochenbildung des Mittelstückes vom Episternum verdient noch eine besondere Erwähnung. Ich bemerkte schon, dass sie in den beiden, theilweise noch getrennten Hälften mit je einem schmalen Knochenstreifen beginnt. Diese sind nun nicht stabförmig, sondern wie die jungen Schlüsselbeinknochen gleich- falls rinneniörmig gebogene Platten, deren Höhlung sich median- wärts öffnet, und welche dort, wo die Bildung der Seitenflügel durch Verknöcherung der jederseitsangewachsenen Membran an ihnen beginnt, gekielt erscheinen (Fig. 5, 15). Nachdem die zwischen beiden gegen einander gekehrten Knochenrinnen gelegenen Weichtheile beider Episternalhälften zu einem Strange verschmolzen, wird der- selbe von den beiderseitigen Knochenrändern umwachsen und endlich in eine vollständige Knochenröhre eingeschlossen; diese setzt sich vorwärts bis zwischen die Schüsselbeinenden fort, rück- wärts aber nur bis an das Sternum, also bis gegen das Ende der ursprünglichen Anlage, während die spätere Verlängerung über die Bauchfläche des Sternum hin einen soliden flachen Knochen bildet. Der in die Knochenröhre eingeschlossene Zellenstrang er- leidet dieselben Schieksale wie derjenige der Schlüsselbeine: er wird zu Mark, welches später theilweise durch Knochen ersetzt wird. — Aus dieser Bildungsgeschichte des Episternum lässt sich nun diejenige der Schlüsselbeine, als deren unmittelbare Fortsetzung wir das erstere kennen gelernt haben, noch besser verstehen. Von 520 Dr. A. Goette: den knöchernen Schlüsselbeinanlagen könnte zunächst gesagt wer- den, dass ihrer Markbildung keine besondere Bedeutung zukomme, da eine solche in sehr vielen sekundären Knochen sich fände. Dennoch vindieire ich ihr eine solche Bedeutung, da sie nicht unregelmässig innerhalb eines sekundären Knochens angelegt wird, sondern der ihr zu Grunde liegende Zellenstrang ganz regelmässig von einer einseitig auftretenden und in bestimmter Richtung fort- wachsenden peripherischen Knochenplatte umschlossen wird. Leidet nun aber diese Ansicht allerdings dadurch, dass der bezügliche Vorgang nur in einer (der medialen) Hälfte jeder Schlüsselbein- anlage deutlich zu Tage tritt, so wird sie dagegen bestätigt durch das Verhalten der Fortsetzungen jener, der Episternalanlagen, welche in ihrer ganzen ursprünglichen Ausdehnung und bis zu ihrer Vereinigung miteinander dünnwandige weit offene Knochen- rinnen um je einen weichen centralen Strang bilden. Eine solche Bildung darf wohl eine andere Erklärung beanspruchen, als sie der Vergleich mit den Markräumen anderer sekundärer Knochen gewährt. Und zwar könnte man schon durch die vorliegenden Thatsachen allein zu einer solchen Erklärung hingeleitet werden, wenn nicht überdies gerade für den Episternalapparat der Saurier Homologa bei den anderen Vertebraten sich fänden, welche eine besondere Deutung seiner eigenthümlichen Entstehungsweise we- sentlich unterstützten. Ich werde weiterhin zeigen, dass die. Episterna der Amphibien, Vögel und Säuger nicht nur den gleichen Ursprung, sondern auch die gleichen Lagebeziehungen haben wie das Episternum der Saurier, oderdoch durch verwandte Formen sich leicht mit demselben verknüpfen lassen, sodass sie also in dieser Hinsicht mit ihm viel vollständiger übereinstimmen als man bisher annahm. Dagegen besitzen sie durchweg, auch wo sie von viel älteren Formen als denjenigen der eigentlichen Saurier abzuleiten sind, knorpe- lige Anlagen, welehe theilweise „primär“ verknöchern. Daraufhin darf aber doch angenommen werden, dass auch das Episternum der Saurier ursprünglich ein knorpeliges war, dass aber allmählich die Knorpelbildung ausfiel und durch einen direkten Uebergang des grundlegenden Gewebes in Marksubstanz ersetzt wurde, wobei jedoch die äusseren Formverhältnisse, nämlich die Bildung des periostalen rinnen- bez. röhrenförmigen Knochens und der Ein- schluss des centralen Stranges sich erhielten. Die hier voraus- gesetzte Umbildung einer knorpeligen Skeletanlage in eine direkt Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 521 verknöchernde ist durchaus nicht als eine Ausnahmserscheinung anzusehen: ich werde bei einer anderen Gelegenheit zeigen, dass die zellige Chordascheide der Teleostier, welche bei deren Vor- fahren höchst wahrscheinlich knorpelig war, direkt ‚verknöchert. Aus jener das Episternum betreffenden Annahme ergibt sich aber auch ein Verständniss für die ähnlichen Verhältnisse der Schlüssel- beine. Sind die Episterna Fortsetzungen der letzteren, so lässt sich auch für diese die gleiche phyletische Entstehung aus Knorpel- theilen annehmen, womit die Klavikularbildungen der anderen Verte- braten, wie sich zeigen wird, au?’s Beste übereinstimmen. Und der an- fangs kontinuirliche Zusammenhang der Scehlüsselbeinanlagen der Saurier mit den verknorpelnden Schulterblättern kann jene Annahme nur unterstützen. Ist nun aber der so erschlossene ursprüngliche Bil- dungsgang der uns beschäftigenden Organe am Episternum relativ noch am klarsten angedeutet, schon etwas weniger in der Mitte des Sehlüsselbeins, so ist es begreiflich, dass die lateralwärts zu- nehmende Rückbildung jenen Bildungsgang gegen das skapulare Ende des Schlüsselbeins hin ganz unkenntlich machte. Während der oben geschilderten Ausbildung des Episternum rücken beide Brustbeinhälften einander so nahe, dass ihre vorderen Enden unter dem stiletförmigen Theil des ersteren zu- sammenstossen und verschmelzen , worauf diese Verbindung sich längs der medialen Brustbeinränder nach hinten fortsetzt. Da jedoch die letzteren, wie erwähnt, konkav ausgeschnitten waren, lassen sie eine Lücke in der Naht zurück, welche vom Ende des Episternum zum Theil ausgefüllt wird. Im Bereich der drei vor- deren ersten Rippen bilden die dreieckigen Brustbeinplatten eine rautenförmige Platte, in welcher sich die mediane Lücke befindet; ihre hinteren Verlängerungen bleiben schmal und vereinigen sich daher zu einem bandartigen medianen Fortsatze, welcher die zwei hinteren echten Rippen aufnimmt und den kontinuirlichen Zusam- menhang mit denselben längere Zeit deutlich zeigt, was schon Rathke für Lacerta hervorhob. Die bleibende Spaltung dieses Fortsatzes in zwei Hömer, wie z. B. bei Iguana u. a., bedeutet also, wie längst bekannt, einen embryonalen Zustand. Im weiteren Verlauf der Entwiekelung des Schultergürtels interessiren uns noch die Verknöcherungen des Scapulo-Cora- coideum. Bekanntlich tritt an dem Knorpel dieses Stücks theils eine blosse Verkalkung, theils eine vollständige Knochenbildung Archiv f. mikrosk, Anatomie. Ba. 14, 34 522 Dr. A. Goette: auf, indem nach innen von einer periostalen Knochenrinde der Knorpel aufgelöst und durch primären Knochen mit Markräumen ersetzt wird. Diese letztere Bildung erfolgt in zwei getrennten Strecken, deren Grenze vom Schultergelenk zum medialen Rande des Skapulariensters verläuft, sodass der mediale Knochen das Coracoidum, der laterale die Scapula bezeichnet. Der letztere umfasst die ganze Partie der Skapularplatte, welche den hinteren Umfang des Skapularfensters begrenzt; der nur theilweise ver- kalkende Knorpel des sich daran schliessenden Suprascapulare erhält sich dagegen auch in der Brücke, welehe das Fenster nach vorn abschliesst und in den ebenso gebildeten Rahmen des an- srenzenden Korakoidiensters übergeht. Diese Brücke wird von Parker (Nr. 22) Praescapulare genannt. Man vergleiche für diese Verhältnisse den Schultergürtel von Seps, welcher bis auf das fehlende, aber durch eine verdünnte Knochenpartie angedeutete korakoidale Nebenfenster völlig mit demjenigen von Cnemidophorus übereinstimmt (Fig. 12). Der Korakoidknochen erstreckt sich vom medialen Umfange der Gelenkgrube bis an den hinteren Rand der Platte, median- und vorwärts aber nur so weit, dass dort ein breiter Knorpelsaum übrig bleibt und auch die Fenster nur in ihrem hinteren Umfange knöchern begrenzt erscheinen. Bekannt- lieh wird dieses knorpelige, nur zum Theil verkalkende Stück, welches kontinuirlich in das Praescapulare übergeht, als Epicora- coideum bezeichnet. Mit Recht macht Gegen baur darauf aufmerksam, dass das Epi- coracoideum gegenüber dem Coracoideum keine grösseres Selbststän- digkeit besitze als das Suprascapulare gegenüber der knöchernen Sea- pula, indem es sich in beiden Fällen um sekundäre, histiologische Sonderungen innerhalb einer kontinuirlichen Knorpelanlage handle. Dagegen glaubt er durch genaue Prüfung der verschiedenen Fenster- bildungen eine für den Vergleich mit anderen Formen viel wich- tigere Gliederung des Coracoideum in ganz anderem Sinne hervor- heben zu müssen (Nr. 11 5. 40—45). Indem er das Skapularfenster verschiedener Saurier (vgl. die Tabelle), welches bisweilen durch einen knöchernen Fortsatz der Scapula in zwei Hälften getheilt wird, nach vorn nur durch ein zwischen Suprascapulare und Coracoideum ausgespanntes Band abgeschlossen sein lässt, hält er diese Fenster ftir „genetisch verschieden“ von den innerhalb der Korakoidplatten, aus Durchbrechungen derselben entstandenen Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 523 Fenstern. Da folglich das Praescapulare ganz übergangen wird und die dorsale Hälite des Schultergürtels mithin nur aus der knöchernen Scapula und dem Suprascapulare bestehen soll, so wäre das Skapularienster, insofern es sich um die integrirenden Skelettheile des Schultergürtels handelt, nach Gegenbaur's Darstellung nur als Ausschnitt zwischen dem Suprascapulare und Coracöideum zu betrachten, der ausserhalb der ursprünglichen Grenzen dieser Skelettheile läge. Als eigentliche Durchbrechungen der Schulterstücke blieben also nur die Korakoidfenster übrig, von denen das mediale häufig fehle und in der Form wechsele, also sich als unbeständige, untergeordnete Bildung ergebe, während das laterale oder Hauptienster bei allen Sauriern mit Ausnahme von Chamaeleo vorkomme!). Die typische Bildung der Korakoidplatte der Saurier wäre also nach Gegenbaur so zu denken, dass sie vom Gelenktheile, wo sie mit der knöchernen Scapula zusammen- hängt, in zwei Fortsätze ausläuit, „die vorne und median durch einen knorpeligen, nur verkalkenden Bogen mit einander verbunden sind und so die als Hauptienster bezeichnete Oeffnung umschliessen“ (vgl. meine Fig. 16). Diese beiden Schenkel, der vordere das Procoracoideum, der hintere Coracoideum s. str. genannt, seien die für den Vergleich mit Cheloniern und Amphibien mass- gebenden Stücke der ganzen ventralen Platte des Schultergürtels der Saurier. Diese ganze Auffassung Gegenbaur’s stützt sich aber auf eine irrige Voraussetzung von der Entstehung und Bedeutung des Skapulariensters. Einmal ist dasselbe durchaus nicht bei allen, auch nieht einmal durchweg bei den von Gegenbaur selbst ange- führten Sauriern nach vorn lediglich durch ein Band abgeschlossen; 1) Weitere Ausnahmen in dieser Beziehung finden sich bei den Anu- nulaten und den schlangenähnlichen Seincoideae. Allerdings könnte einge- wendet werden, dass alle diese Formen ebenso wie Chamaeleo, dem die Schlüsselbeine fehlen, in einigen Stücken eine offenbare Rückbildung des Schultergürtels zeigen, also für die Aufstellung des typischen Verhaltens nicht massgebend sein können. Da nun aber Hatteria einen im übrigen vollstän- digen, wohlentwickelten Schultergürtel besitzt, dem nur jede Fensterbildung fehlt (Nr. 16 8. 611, vgl. meine Fig. 17), so kann diese Form bei ihrer Uebereinstimmung mit dem embryonalen Schultergürtel anderer Saurier nicht als rückgebildete, sondern im Gegentheil nur als eine ursprüngliche ange- sehen werden, 594 Dr. A. Goette: dies findet vielmehr, wie es scheint, seltener statt als das bei Cnemidophorus geschilderte Verhalten, wonach die Skapularfenster ebenso wie die Korakoidienster als nachträgliche Durchbrechungen der Knorpelplatte entstehen und nach vorn durch das knorpelige, mit Suprascapulareund Epieoracoideum kontinuirlich zusammenhängende Praescapulare begrenzt werden. In der folgenden Tabelle stelle ich dievon Gegenbaur, Parker und mir daraufhin untersuchten Saurier zusammen und bemerke dazu, dass wenn ich auch für Trachysaurus und Monitor nicht entscheiden kann, ob Gegenbaur oder Parker Recht hat, ich doch für Iguana und Histiurus ganz bestimmt behaupten kann, dass dieselben ein knorpeliges Prae- scapulare besitzen. Wollten wir daher auch die zwei erstgenannten Fälle als unentschieden bei Seite lassen, so bleiben nur 7 Fälle zurück, wo unzweifelhaft ein blosses Band das Skapularienster abschliesst, während in 7 anderen Fällen ein vollständiges Prae- scapulare und in 3 Fällen wenigstens kenntliche Reste eines sol- chen vorkommen. | Nach ! Nach | Nach Gattungen und Arten Gegenbaur | Parker | Goeiid | Trachysaurus rugosus Band Praescap. — Beh: (M. dracena) a Monitor Band Praescap. . (H. Oualens.) \ar Hemidactylus Band Band Grammatophora barbata Band — Zi Laemanetus longipes — Band = Stellio eordylinus — Band II Plestiodon Aldrovandi Band —_ = Lacerta agilis Band _ Band Psammosaurus seineus == Band — Iguana tubereulata Band Praescap. | Praescap. ne (H. amboin.) Histiurus Band = Praescap. Uromastix spinipes _ — Praescap. Bunde ca Praescap. Anguis fragilis (ra Cyelodus nigroluteus - Praescap. er Seps chaleidiea —_ — Praescap. Cnemidophorus sp. = an Praescap. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 525 en N Nach | Nach Gattungen und Arten ee Parker | Goette e Praescap. Strobilurus torquatus Zu #7 Pranscan ' ? ar 2 Praescap. Ameiva vulgaris unvollständig ; Be: ah rs Praescap. . Ameiva sp. Juv. ‚ unvollständig Von diesen letzteren besitzen Ameiva vulgaris und Strobi- lurus torquatus je zwei Skapularfenster, von denen das laterale durch ein vollständiges Praesecapulare, das mediale durch ein Band abgeschlossen ist, in welches hinein das vorragende Ende des Praescapulare sich zu verlieren scheint. An der Ameiva sp., welche mir ineinigen ganz jungen Exemplaren vorlag, sah ich allerdings ein breites Band vom Epicoracoideum zum Suprascapulare aus- gespannt, aber von letzterem aus einen sich allmählieh spitz aus- ziehenden Knorpelfortsatz in jenes Band eindringen und den srössten Theil desselben durchlaufen (Fig. 13). An diese Ameiva mag sich noch Lacerta erocea anschliessen, von welcher Leydig einen ebensolehen Fortsatz als eine Art Aeromion beschrieb und abbildete (Nr. 19 S. 59, Taf. VI Fig. 78). Es liegen hier also Uebergangsformen vor zwischen den oben beschriebenen extremen Formen, sodass die Frage entsteht, welche von den letzteren die ursprüngliche und welehe die abgeleitete ist. Ich glaube nun, dass die Entwickelungsgeschichte von Cnemidophorus darüber ge- nügende Auskunft ertheilt. Entwickelt sich das Skapularfenster wirklich ebenso wie die Korakoidienster, indem sich ein Theil der verknorpelnden Platte des Scapulo - Coracoideum zu einer Bindegewebsmembran umwandelt, und kommt sehon bei Cnemido- phorus ausnahmsweise eine Umbildung des knorpeligen Praescapu- lare in ein Ligament vor, so muss ein gleiches Ligament bei an- deren Sauriern in derselben’ Weise gedeutet werden, mag nun ontogenetisch ein knorpeliges Praescapulare dem bindegewebigen vorausgehen oder die Bildung der Membrana obturatoria gleich über den ganzen Bereich des Praescapulare sich ausbreiten. Da- raus folgt aber, dass das Procoracoideum Gegenbaur’s und Parker’s lediglich ein zwei Fenster trennendes inneres Stück der Korakoidplatte ist (Fig. 12), gleich den ähnlichen Stücken ” 526 Dr. A. Goette: zwischen beiden Korakoid- oder beiden Scapularfenstern (Meso- scapula Park.), und dass es niemals mit einem Theil verglichen werden kann, weleher den vorderen freien Rand der ganzen Kora- koidplatte bildet. Allerdings könnte dagegen auf Anguis verwiesen - werden, bei welchem Thier nach Gegenbaur von der knorpe- ligen Seapula aus das knöcherne Coracoideum und das knorpe- lige Procoracoideum das einzige (Haupt)-Fenster umgreifen, also das Procoracoideum trotz des abweichenden Beiundes beiden übrigen Sauriern ganz die Lagebeziehungen zu haben scheint, welche nach dem Verhalten der Chelonier und Amphibien für dieses Skeletstück gefordert werden. Parker theilt mit Gegenbaur wenigstens die Bezeichnungen (No. 22 8. 98, 100, Taf. VIII). Diese Deutung am Schultergürtel von Anguis ist aber eben unzulässig. Dass das einfache Knoehenstück nieht bloss das Coracoideum, sondern zu- gleich auch die Scapula darstellt, hat Fürbringer an Pseudopus dadurch bewiesen, dass er das Rudiment eines Schultergelenkes, welches stets die Grenze jener beiden Regionen bezeichnet, am Hinterrande des einfachen Knochenstücks fand (Nr.7 8.13, Taf. 1, Fig. 21). DaForm und Lagebeziehungen des letzteren bei Anguis genau dieselben sind, so muss es auch bei diesem Thier Coracoi- deum und Seapula gemeinsam vertreten. Dadurch erweist sich aber das davor liegende, von dem Knochen in seiner ganzen Länge begrenzte Fenster ebenfalls als eine Zusammenziehung des kora- koidalen Haupt- und des Skapularfensters; wofür ich als weiteres Zeugniss anführe, dass ich nicht selten bei Embryonen und er- wachsenen Blindschleiehen statt des einen zwei Fenster antraf, welche durch einen Fortsatz aus der medialen oder korakoidalen Hälfte des Knochens getrennt wurden (Fig. 10). Vergleichen wir ein solehes Bild mit dem Schultergürtel irgend eines anderen Sauriers, z. B. Seps (Fig. 12), so liegt es auf der Hand, dass jener die beiden Fenster trennende Knochenfortsatz von Anguis eben dem Procoracoideum von Seps und aller übrigen Saurier entspricht, das bisher sogenannte Procoraecoideum von Anguis aber vor dem medialen Fenster noch zum Epicoracoideum gehört, vor dem Skapularienster aber niehts anderes ist als ein Praescapulare. Und diese Deutung bleibt natürlich bestehen, wenn, wie in der Regel, die beiden Fenster unter Schwund der sie trennenden Knochenleiste (Procoracoideum der übrigen Saurier) zu einem verschmelzen. Beiträge 2. vergleich. Morphologie d.. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 527 Fassen wir die Ergebnisse der voranstehenden Untersuchung über das Procoracoideum der Saurier zusammen. Von Anguis kann dabei nicht ausgegangen werden, da dessen sogenanntes Procoracoideum zur Hälfte der skapularen Region angehört. Der von Gegenbaur und Parker so bezeichnete Skelettheil der übrigen (typischen Saurier) ist lediglich eine dem Coraecoideum angehörige Knochenbrücke zwischen dem korakoidalen Haupt- und dem angrenzenden Skapularfenster, und kann daher für den Ver- gleich mit anderen Schultergürteliormen, denen das Skapular- oder gar beide Fenster fehlen, nicht verwerthet werden. Denn es würde dort, indem wir uns die Fenster dureh Knorpel- und Knochen- masse ausgefüllt denken, nur den mit der Scapula zusammen- gefügten Rand des Coracoideum darstellen, wie man dies an Hatteria sich leicht vergegenwärtigen kann (Fig. 16, 17). Am Schulter- gürtel dieses merkwürdigen Thieres fehlen alle Fenster, doch sind die denselben entsprechenden Regionen leicht zu erkennen, wenn man den lateralen Rand des vor dem Gelenk befindlichen Theils vom Coracoideum ins Auge fasst: dieser Rand, welcher lateral- wärts durch Naht mit der undurchbrochenen Scapula, medianwärts kontinuirlich mit der korakoidalen Fensterregion zusammenhängt, ist eben das Homologon des Procoracoideum anderer Saurier. Soll aber mit diesem Namen nur der vordere freie Rahmenabsehnitt eines Hauptfensters bezeichnet werden, so müsste ein solches Pro- coracoideum bei den Sauriern in einem kleinen Abschnitt ihres Epicoracoideum gesucht werden, wo es aber weder in der Anlage noch in der späteren Ausbildung sich irgendwie von seiner Um- gebung, dem übrigen Epicoracoideum und dem Praescapulare ab- sonderte. Kurz, die Unterscheidung eines Procoracoideum als besonderen Skelettheils lässt sich aus den Befunden bei den ver- schiedenen Sauriern nicht genügend rechtfertigen und erscheint auch bei der Vergleichung dieser mit anderen Vertebraten nieht geboten, wie sich aus dem Folgendem ergeben wird. ‚Anguis fragilis. Ich habe an diesem Thiere das, was sich bei der Untersuchung von Cnemidophorus ergab, wesentlich bestätigen können. Die jüngsten Embryonen der Blindschleiche, welche mir zu Gebote standen, hatten eine Länge von 38 mm. (Fig. 7). Die Sehulter- gürtelhälften waren noch weit getrennt und schräg gestellt; sie bestanden noch aus embryonalem Bildungsgewebe und liessen 528 Dr. A. Goette: einen beilförmigen ventralen und einen stielförmigen dorsalen Theil unterscheiden. Der letztere stellt zum grössten Theil das Supraseapulare vor, die beilförmige Platte das Epicoracoideum; der Verbindungstheil zwischen diesen beiden enthält das Fenster, welches vorn durch eine schmale Brücke abgeschlossen wird, die, wie bereits erörtert wurde, medianwärts noch zum Epicoracoideum gehört und lateralwärts einem Praescapulare entspricht, während der hintere Theil des Fensterrahmens, der sich durch grössere Dichtigkeit des Gewebes auszeichnet, am frühesten knorpelig wird, und später allein verknöchert, die niemals getrennten Stücke des Coracoideum und der Scapula enthält. Ich sah schon auf dieser Entwiekelungsstufe gelegentlich zwei Fenster, welche nach Grösse und Lage ein einfaches vertreten. Vom Rande des Supra- scapulare ging ziemlich hoch oben die Clavieula aus, um dem Rande desselben und weiter des Praescapulare und Epieoracoideum zu folgen. Meist überragt sie diesen Rand und verdeckt dadurch die sie trennende Spalte, welche erst medianwärts sichtbar wird, wo das Schlüsselbeinende sich nach vorn konvex biegt und dann über die vordere Spitze des Epieoracoideum nach hinten krümmt, um sich darauf mit einem weichen Zipfel zu verlieren. Die Wurzel der Clavieula geht wie bei Cnemidophorus Kontinuirlich in das Supraseapulare über und zwar so, dass ihr Vorderrand in gerader Linie sich in den Rand jenes Schulterstücks fortsetzt. Sie besteht in der an Masse noch überwiegenden Rindenschicht aus demselben embryonalen Gewebe wie das Scapulo - Coracoideum, und in ihrem Innern verläuft ein dünner Knochenstreifen von der bei Cnemidophorus angegebenen Textur, aber noch ohne be- stimmte Form. Jede Brustbeinhälfte dieser Embryonen war nur durch das verbreiterte und medianwärts ausgezogene Ende der ersten Rippe dargestellt, welches dicht am Hinterrande des Epieoracoideum sich hinzog und ohne scharfe Grenze verlor, mit dem unveränderten Rippenkörper aber durch eine schmälere Brücke zusammenhing. Eine solche Verbreiterung des Endes kommt auch an den folgenden Rippenpaaren, nur in geringerem Grade vor, und da bei Anguis jede Brustbeinhälfte nur von jener ersten Rippe gebildet wird, so ist unzweifelhait jedes folgende Rippenende der betreffenden Brust- beinhälite homodynam und von ihr nur dadurch unterschieden, dass sie, wie es scheint, durch Anpassung an einen Theil des ‘ Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 529 Sehultergürtels bedeutend stärker auswächst, ähnlich wie die Enden der sakralen Rippenfortsätze!) oder Rippen durch Anpassung an den Beckengürtel zu besonderer Entwiekelung gelangen. Ich kann nieht umhin, hier darauf hinzuweisen, dass ich einen solchen Ver- gleich gelegentlich schon früher ausgeführt habe, der aber dem heftigsten Widerspruche von Seiten Gegenbaur’s begegnete, in- dem derselbe in einer durch verschmolzene Rippenenden angelegten Brustbeinhälite und dem gleichfalls aus verschmolzenen Rippen- enden bestehenden Seitentheile eines Sacrum nicht gleich mir eine Homologie, bez. Homodynamie, sondern nur eine „oberfläch- liche“ Aehnlichkeit sieht (Nr. 13 S. 319). Gegenbaur begründet seinen Widerspruch dadurch, dass der Begriff des Brustbeins nicht in einer Verwachsung von Rippenenden überhaupt, sondern in einer solehen an bestimmter Stelle beruhe und fährt dann fort: „Auch mit dem Begriff der Homologie wird willkürlich geschaltet, denn die mit der Verbreiterung des Darmbeines jederseits unter sich zusammentretenden Sacralrippen können mit dieser Ver- schmelzung keine Brustbeinhälften vorstellen, da sie weder zu einer Brustbeinbildung führen, noch von ihr herstammen, sondern nur aus jener Verbindung mit dem Darmbein entstanden“. Ich verstehe nun aber nicht, wie die Gleichwerthigkeit von Folge- stücken (Rippenenden der Brust- und Kreuzbeingegend) oder ihrer Produkte abhängig gemacht werden soll davon, dass sie an der gleichen Stelle vorkommen, da doch die Homodynamie sich gerade auf Stücke an aufeinanderfolgenden, also verschiedenen Stellen bezieht. Ferner habe ich weder gesagt, dass unter sich zusammentretende Sakralrippen eine Brustbeinhälite „vorstellen“ (statt: ihr gleichwerthig sind), noch kann ich zugeben, dass die Homologie erst durch die Gleiehartigkeit der verglichenen Stücke perfekt wird, wie denn Gegenbaur selbst auf die Homo- logie so verschiedenartiger Theile wie die Kiemenbögen mit den Kiemen und die Gliedmassen wiederholt hingewiesen hat. Mögen diese Bildungen auch einen gleichen Ursprung gehabt haben, so sind sie doch nach ihrer gegenwärtigen Ausbildung und Lage gewiss viel differenter als die noch getrennten Brustbein- 1) Unter Rippenfortsätzen verstehe ich die nicht abgegliederten Anlagen oder Homologa der Rippen. 530 Dr. A. Goette: anlagen und die Seitentheile des Saerum, von denen es nicht nur feststeht, dass sie einen gleichwerthigen Ursprung (Rippenenden) haben, sondern welche auch darin eine Uebereinstimmung bekun- den, dass sie unter dem Einflusse gleichwerthiger Apparate, eben der beiden Gliedergürtel, sich weiter ausbildeten. Die Anpassung der Sakralrippen an das Darmbein wird wohl kaum bezweifelt, und bei den Reptilien, wo uns die kostalen Brustbeinanlagen zuerst entgegentreten, glaube ich die letzteren nicht mit Unrecht dureh eine gewisse Anpassung der Rippenenden an den Hinterrand des Coracoideum mit bedingt zu sehen. Ich finde daher keine Veran- lassung, den bezüglichen Vergleich, so wie ich ihn ausgesprochen, wieder aufzugeben. Auf einer folgenden Entwiekelungsstufe waren beide Schultergürtelhälften bereits mit den nach hinten umge- hogenen Schlüsselbeinenden in der Medianebene zusammengestossen. (Fig. 8.) Abgesehen von der. Vergrösserung waren die Scapulo- Coracoidea nicht wesentlich verändert. Die Schlüsselbeine standen noch im vollkommenen Zusammenhange mit den Schulterblättern; bezüglich ihrer Verknöcherung lässt sich im allgemeinen alles das wiederholen, was ich von Unemidophorus angegeben habe, sodass ich mich einer erneuten Beschreibung überhoben halte. Es sei nur bemerkt, dass die Rinnenform des Knochens nicht so deutlich erschien wie bei der Eidechse, obgleieh die Röhrenbildung nicht ausbleibt (Fig. 14). Die weichen medialen Verlängerungen bei- der Schlüsselbeinanlagen waren dort, wo sie in der Medianebene zusammentreffen, zu einem Strange verschmolzen, weleher zwischen beiden Epieoracoidea rückwärts zog, aus diesem Zwischenraum hervortretend aber wieder in zwei Zipfel auseinanderfuhr, von dener jeder sich mit dem Ende der betreffenden Brustbeinhälfte verband. Diese hintere Spaltung des Stranges halte ich für einen Rest seiner Doppelanlage, indem die beiden Verlängerungen der Schlüsselbeine anfangs nicht gerade rückwärts verliefen, sondern je um das zugehörige Epicoracoideum einen Bogen beschrieben, so dass beim Zusammentreffen der Bögen ihre vorderen und hin- teren Enden noch divergirten. Es erhellt nun auf den ersten Blick, dass diese Bildung der Anlage des Episternum bei Cnemi- dophorus entspricht; doch verwandelt sich in das definitive Epi- sternum von Anguis nur der hinterste gespaltene Theil jener An- lage, wo bereits zu derselben Zeit Knochenspuren in jedem Zipfel Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 531 angetroffen werden; der Haupttheil des Stranges atrophirt und schwindet in der Folge vollständig. Die beiden Brustbeinhälften sind ebenfalls gewachsen und zu beimahe dreieckigen, quer gestreekten Platten geworden, welehe einander sehr nahe gerückt, zunächst doch nur durch Ver- mittlung des Episternum zusammenhängen. Der dieke Vorderrand jeder Brustbeinhälfte fügt sich einmal genau an den Hinterrand des Epieoracoideum, entsendet dann aber noch einen dünnen Saum unter den letzteren, so dass dieser in einer Hohlkehle des Brustbeins ruht. Die Verbindung der Brustbeinhälite mit der zu- gehörigen Rippe kann auf dieser Entwickelungsstufe noeh bestehen oder sich bereits gelöst haben, wie denn das abgebildete Präparat (Fig. 8), beide Zustände zeigt. Die abgelöste Rippe behält ein dünnes Ende und bleibt im Wachsthum gegen die anderen Rippen zurück, so dass sie weiterhin sieh vom Brustbein stetig entfernt. Offenbar hat also Rathke aus späteren Entwiekelungsstadien auf eine selbstständige, von den Rippen entfernte Anlage des Brustbeins von Anguis geschlossen (Nr. 25 S. 24), während ge- rade dieses Thier die Bedeutung des Brustbeins als abgeglie- derter Rippentheile besonders deutlich offenbart. Noch ältere Embryonen von Anguis zeigen am Schultergürtel weitere merkliche Veränderungen (Fig. 9). Die beiden Hälften haben sich so gedreht, dass die Suprascapularia ganz quer liegen, die Epicora- coidea nach vorn konvergiren'). Während dieser Lageveränderung hat sich die Verbindung beider Schlüsselbeinenden unter sich und mit der Anlage des Episternum gelöst, ohne Spuren des früheren Zustandes zurückzulassen, gerade so wie Brustbein und Rippen nunmehr ihren ursprüngliehen Zusammenhang nicht mehr erkennen lassen. Ein Episternum, welches mit dem Brustbein, und ein Brustbein, welches mit den Rippen in gar keiner Beziehung, nicht einmal der einer unmittelbaren Nähe steht, entbehren gerade der wichtig- sten anatomischen Merkmale solcher Skelettheile, und würde da- her ihre Homologie mit den gleichnamigen Theilen anderer Verte- braten ohne die gegebene ontogenetische Erklärung meines 1) Die Abbildung Fig. 9 zeigt die beiden Hälften von einander und vom Brustbein zu weit entfernt, eine schwer zu vermeidende Folge der Präparation. 532 Dr. A. Goette: Erachtens kaum weniger zweifelhaft erscheinen, als z. B. diejenige zwischen dem Brustbeinkamm der Vögel und Säuger und dem Episternum der Reptilien es gegenwärtig noch ist. Wenn aber die angeführten embryonalen Beobachtungen beweisen, dass die eben berührte Verschiedenheit im anatomischen Verhalten des Sternum und Episternum von Anguis gegenüber den gleichnamigen Theilen anderer Reptilien keine ursprüngliche, sondern eine nachträglich erworbene ist, obgleich Rathke aus der Entwickelungsgeschichte desselben Thieres gerade das Gegentheil herausfand, so erhellt daraus, eine wie befriedigendd Auskunft die Ontogenie geben kann, wenn man nicht an den Befunden auf älteren Entwickelungs- stufen, welche häufig bereits die definitiven Verhältnisse zeigen, sich genügen lässt und daraus Beweise für die Unzulänglichkeit der Ontogenie entnimmt. Wenden wir uns zu der Ausbildung der einzelnen Theile auf dieser Entwickelungsstufe. Schulterblatt und Coracoideum zeigen keine erwähnenswerthen Formveränderungen; sie sind in- dess knorpelig geworden, ohne dass dadurch der kontinuirliche Zusammenhang des Schlüsselbeins mit dem Supraseapulare aufgehoben wäre. Der Knorpel setzt sich nämlich mit ganz un- merklichen Uebergängen in die weiche Rindenschicht des Schüssel- beins fort (Fig. 11), und erst nach der vollständigen Verknöche- rung des letzteren erfolgt die schärfere Absonderung beider Theile, wie ich sie bei Cnemidophorus beschrieb. Die Schlüsselbeine dieser älteren Anguisembryonen unterscheiden sich übrigens von denen jener Eidechse dadurch, dass sie medianwärts keine dünne Knochen- tafel angefügt haben wie jene; dies erklärt sich aus ihrer früh- zeitigen Trennung vom Episternum, denn jene Knochentafel ent- steht eben nur aus der zwischen beiden Theilen ausgespannten Verbindungsmembran. Die beiden Brustbeinhälften sind in der Medianebene zu- sammengestossen, um alsbald zu einem Stück zu verschmelzen, dessen vordere Konvexität in den Winkel sich einfügt, welchen die beiden Epikorakoidplatten mit einander bilden. In dem vor- deren Einschnitt, der in die Fuge beider Brustbeinhälften führt, liegt das noch kleine, etwas rautenförmige Episternum, dessen Knochenbildung noch deutlich die paarige Anlage verräth und eben über die Bauchfläche des Sternum sich auszubreiten beginnt. Ueber die weitere Entwickelung des Schultergürtels, welche Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 533 übrigens zur Zeit der Geburt, vom einfachen Wachsthum abge- sehen, abschliesst, sei noch bemerkt, dass die gemeinsame Anlage des später einheitlich verknöchernden Scapulo-Coracoideum zuletzt ganz andere Lagebeziehungen zum Epicoracoideum zeigt als anfangs. Ein Vergleich der embryonalen und der fertig gebildeten Theile ergibt nämlich, dass das hintere, in eine allezeit kenntliche Seiten- ecke ausgezogene Ende des Epicoracoideum zuerst so weit seit- wärts hinter das Scapulo-Coracoideum reicht, dass es das oder die Fenster in derselben Richtung oft ansehnlich überragt. Erst zur Zeit der Verknöcherung verschiebt das sich streckende Scapulo- Coracoidenm jenen Theil des Epicoracoideum so weit medianwärts, dass es allein hinter dem Fenster liegt (vgl. Fig. 7—10). Ueber die Bedeutung dieses nicht selten verdoppelten Fensters im Zusammen- hange mit derjenigen des dahinter liegenden Knochens (Scapula und Coracoideum) habe ich mich bereits ausgesprochen. Sowie nun die Blindschleiche sowohl im Schultergürtel wie im Brustbein eine gewisse Vereinfachung, Rückbildung der bei den typischen Sauriern herrschenden Verhältnisse offenbart, so vermittelt sie den Uebergang zu noch einfacheren Formen jener Skelettheile bei anderen Seinkoiden und bei den Wirtelschleichen, denen sich in dieser Beziehung noch die Ringelechsen anschliessen (vgl. Nro. 7 Taf. I. Wenn man alle diese Formen nach dem Grade ihrer Rückbildung aneinanderreiht, also auf diejenigen, welche der Anguisform am nächsten stehen (Ophiodes, Pseudopus, Anguis, Ophisaurus, Lialis, Pygopus), Chirotes, Amphisbaena und die Acontiadae folgen lässt, so fallen von den Hauptstücken zuerst die Episterna, dann die Schlüsselbeine, darauf erst das Brustbein fort, während die Scapulo-Coraeoidea als undurchbrochene Plättehen die letzten erkennbaren Rudimente des ganzen Skeletapparats sind. Alsdann lässt sich dieser Reihe auch Chamaeleo und zwar in der Nähe von Chirotes anschliessen, indem Chamaeleo neben einem wohlentwickelten Sternum und soliden Seapulo-Coracoidea jede Spur eines Episternum und der Schlüsselbeine vermissen lässt. Ich stelle im Folgenden die Hauptergebnisse der Untersuchung über die Bildung des Schultergürtels und Brustbeins der Saurier zusammen. L Schultergürtel. l. Derselbe tritt stets in zwei getrennten Hälften auf, welche 534 Dr. A. Goette: mit Ausnahme gewisser zurückgebildeter Formen später unmittel- bar (durch das Episternum) oder mittelbar (durch das Sternum) in Verbindung treten. 2. Jede Sehultergürtelhälite entsteht mit allen ihren Theilen als völlig kontinuirliche Bildung und besteht aus einer querge- lagerten Platte (Sceapulo-Coracoideum) und einem von deren Vor- derrande ausgehenden, anfangs frei auslaufendem Fortsatz, welcher die Anlagen des Schlüsselbeines und einer Episternalhälfte enthält. Schlüsselbein und Episternum entwickeln sich also im Zusammen- hang mit dem übrigen Schultergürtel. 3. Jede Sonderung dieser kontinuirlichen Anlage in einzelne Skeletstücke erfolgt sekundär durch histiologische Differenzirung und äussert sich einmal zwischen dem Fortsatz und der Platte, dann in jedem dieser Theile. 4. Jene erste Sonderung erfolgt in der Weise, dass das Sea- pulo-Coracoideum allmählich knorpelig wird, der damit verbundene Schlüsselbeinfortsatz aber zunächst theilweise direkt verknöchert; eine wirkliche Trennung beider Theile erfolgt niemals, indem als Rest des ursprünglichen Zusammenhangs eine weiche Gewebs- masse das knöcherne Schlüsselbein mit dem knorpeligen Schulter- blatt verbindet. 5. In der Anlage des Schlüsselbeins verknöchert die Rinden- schicht direkt, zuerst rinnen-, dann röhrenförmig, wodurch ein axialer weicher Zellenstrang in den Knochen eingeschlossen wird. Dieser Strang verwandelt sich allmählich in Markmasse, welche zur indirekten inneren Knochenbildng hinüberführt. Die Schlüssel- beine der Saurier unterscheiden sich also histiogenetisch von sog. primären Knochen nur dadurch, dass der Knorpel durch eine weiche Zellenmasse vertreten wird, und ist daher auch ihre phylo- genetische Ableitung von knorpeligen Schlüsselbeinen sehr wahr- scheinlich. 6. Das Episternum entsteht weder in selbstständiger Anlage, noch im Zusammenhange mit dem kostalen Sternum, sondern gleichfalls als Theil des Sehultergürtels, aus den rückwärts umge- bogenen und mit einander verschmolzenen medialen Verlängerungen der Schlüsselbeine; bei den typischen Sauriern wird diese Anlage in ihrer ganzen Länge zum Episternum verbraucht, bei Anguis und wahrscheinlich Pseudopus, Ophisaurus nur ihr hinterster, das Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 535 Brustbein berührender Abschnitt, unter gleichzeitigem Schwund der vorderen Hälite. 7. Der Episternalknochen entsteht aus zwei Knochenrinnen mit eingelagerten Zellensträngen, welche in die zu einer Röhre verwachsenden Knochen eingeschlossen werden. Auch diese Bil- dung ist mit grosser Wahrscheinlichkeit auf knorpelige Anlagen zurückzuführen. 8. Die Hauptplatte jeder Schulterhälite zerfällt in einen dor- salen skapularen und einen ventralen korakoidalen Theil. Bei den meisten typischen Formen erhält jeder derselben durch Entwicke- lung von Bindegewebsmembranen innerhalb der Knorpelplatte we- nigstens ein Fenster. Alle Fenster sind nach ihrer Entstehung gleichartige und sekundäre Bildungen; die Grundform des betref- tenden Schulterstücks ist die einer undurehbrochenen Platte, wie z. B. bei Hatteria. 9. Durch die räumlich beschränkte indirekte Verknöcherung zerfällt der dorsale Theil der Hauptplatte in Scapula und Supra- scapulare, der ventrale in Coracoideum und Epicoracoideum; die beiden Knochen (Scapula, Coracoideum) sind übrigens bei Anguis u. a. nicht einmal in der Anlage geschieden. Durch die Fenster- bildung entstehen die als Praescapulare und Procoracoideum be- zeichneten Abschnitte. 10. Das Praescapulare kann theilweise oder ganz sich in ein Ligament verwandeln, durch welche Bildung aber die genetische Bedeutung der betreffenden Fenster nicht berührt wird. — Das bisher unterschiedene Procoraeoideum der typischen Saurier ist ein Innentheil des Coracoideum, eine Knochenbrücke zwischen zwei Fenstern und von den gleichen anderen Knochenbrücken (Meso-Seapula ete.) durch nichts ausgezeichnet. Sein Homologon bei Anguis fehlt in der Regel, indem die beiden Fenster zusam- menfliessen; das bisher sogenannte Procoracoideum von Anguis besteht aus einem Theil des Epicoracoideum und dem Praescapu- lare, gehört also zur Hälfte der skapularen Region. Il. Brustbein. 11. Das Brustbein der Saurier entsteht ebenfalls paarig, aber nicht mit besonderer Anlage, sondern aus den verbreiterten Enden eines (Anguis ete.) oder mehrerer Rippenpaare (typische Saurier); im letzteren Falle verschmelzen die Rippenenden jederseits suc- 536 Dr. A. Goette: cessiv miteinander. Die Abgliederung der unveränderten Rippen- theile vom Brustbein erfolgt theilweise erst nach der Vereinigung beider Brustbeinhäliten. Mit seiner Bauchseite geht das Episternum eine feste Verbindung ein. Chelonier. Bekanntlich hat Rathke nachgewiesen (Nr. 24 S. 122—131), dass das Bauchschild der Schildkröten, welches man vorher im ganzen oder zum Theil für ein Brustbein hielt, in seiner Gesammt- heit aus Hautknochen besteht und zu den benachbarten Organen, namentlich den Muskeln, durchaus andere Lagebeziehungen hat’ als das Brustbein der übrigen Amnioten. Ich habe Gelegenheit gehabt, an jungen Schildkrötenembryonen mich von der Richtig- keit jener Angaben vollkommen zu überzeugen und unterliegt es daher für mich keinem Zweifel, dass die Chelonier ein Sternum in dem Sinne wie die übrigen Amnioten nicht besitzen. Dagegen halte ich die Akten über die richtige Deutung der einzelnen Theile ihres Schultergürtels noch nicht für geschlossen. Die Be- deutung des dorsalen Astes als Scapula und des in der Gelenk- grube damit zusammentreffenden hinteren ventralen Stückes als Coraeoideum ist zuletzt übereinstimmend anerkannt worden. Da- gegen blieb eine Verschiedenheit hinsichtlich des vorderen ven- tralen Stückes bestehen, welches an erwachsenen Thieren mit dem Schulterblatt nicht wie das Coracoideum durch Naht oder Knorpel, sondern kontinuirlich verbunden ist. Nachdem Pfeiffer (Nr. 23 S. 33—39) und Gegenbaur (Nr. 118.35) eine ausführliche Dar- stellung der bezüglichen divergenten Ansichten der früheren Ana- tomen gegeben haben, beschränke ich mich darauf, die zwei wich- tigsten Auffassungen kurz zu erwähnen. Carus, dem sich Meckel anschloss, sah in dem fraglichen Stück eine Clavieula (Nr. 2 1. Aufl. S. 123, Nr.20 II 1, S. 444), Oken, dem später Cuvier!), Stannius und Pfeiffer folgten, wollte darin nur ein Acromion erkennen (Nr. 21 $.446, Nr.3 S. 361, Nr. 31 $. 76). Erst Rathke suchte die Bedeutung dieses Skelettheils aus dessen Genese zu begründen, und auch Gegenbaur stützt sich wesentlich auf des Ersteren Beobachtungen, ohne mit ihm in der Deutung überein- zustimmen. 1) Cuvier spricht sich nicht ganz bestimmt aus: „Sa branche descen- dante est son acromion; je n’ai pas vu quelle soit regulierement separee de l’autre, ce qui me fait douter que la tortue ait une clavicule.“ Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 537 Rathke fand an Embryonen und Jungen von Emys europaea, Chelonia, Trionyx und Terrapene, dass alle drei Schulterstücke schon im rein knorpeligen Zustande und auch nachdem sie von einander getrennte periostale Knochenröhren erhalten, im Umfange des Schultergelenks kontinuirlich mit einander zusammenhängen (Nr. 248.136—141, 237). Da nun die Clavieula der andern Amnioten schon während der Knorpelbildung in der Scapula sich von dieser abgliedere und getrennt bleibe, und da ferner nur das Acromion die Bildungsweise jenes Knochens der Schildkröten zeige, so sei derselbe eben auch nur als ein solches Acromion anzusehen. Gegenbaur (Nr. 11 S. 36—39) schliesst sich Rathke darin an, dass der fragliche Knochen keine Clavieula sein könne, meint aber bezüglich seiner Deutung als Acromion, dass, wenn „das für diese Deutung vorzüglich massgebende Moment, die Beziehung zum Schlüsselbein nicht in Wirksamkeit komme“, von jenem Vergleich mit dem Acromion der Säuger abgesehen werden müsse. Dagegen sei zu beachten, dass der Knorpel an den Enden des Coracoideum und jenes vor deren Knochenschenkel sich in das beide verbindende Ligament fortsetze und direkt übergehe. Dadurch gebe sich diese nur theilweise ligamentöse Verbindung zweier durch ihren Ursprung ohnehin zusammengehöriger Theile als ein „wenn auch modifieirter Theil des Skeletes selbst“ zu erkennen. Man müsse sich also den Schultergürtel der Schildkröten „aus einem dorsalwärts ein- fachen, ventralwärts jenseits des Schultergelenks in zwei Aeste auslaufenden Stücke vorstellen, das mit den ventralen Aesten durch die Verbindung, von deren Enden mittels eines nur theilweise ligamentösen Stranges eine ovale Oeffnung umschliesst“. Wegen seiner Beziehungen zum Coracoideum wird daher der vordere Ast Proceoracoideum, die Verbindung beider Epicoracoideum genannt. Bei dem Mangel der Schlüsselbeine und des Brustbeins findet Gegenbaur auch das Fehlen eines Episternum ganz natürlich. Parker gebraucht dieselben Bezeichnungen für die Schulterstücke der Schildkröten wie Gegenbaur; die beiden Schlüsselbeine mit dem Episternum (Interelaviele) sieht er aber in den drei vordersten Stücken des Bauchschildes, ohne jedoch diese Ansicht näher zu begründen (Nr. 22 S. 139—140). Huxley schliesst sich dieser Bezeichnungsweise an, für Clavicula und Episternum allerdings nicht unbedingt (Nr. 18 S. 173. 177). Für das Studium der Entwickelung des Schultergürtels der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 35 538 Dr. A. Goette: Schildkröten standen mir zu Gebot: 1. Embryone von 14—15 mm. Rückenschildlänge, welche wahrscheinlich einer Podocnemisart an- gehörten; 2. Junge von Cistudo carolina von 30 mm. Rückenschild- länge. Die Embryonen besassen einen noch durchaus unver- knöcherten, knorpeligen Schultergürtel, von dessen Hälften jede den kontinuirlichen Zusammenhang von Scapula, Coracoideum und des dritten Astes, den ich vorläufig ebenfalls Procoracoideum nennen will, auf das deutlichste zeigte (Fig. 18). Die Lage des ganzen Schultergürtels wich von derjenigen an erwachsenen Schildkröten nicht wesentlich ab. Jene drei schmalen und platten Stücke standen in solchem Verhältniss zu einander, dass die Sca- pula an ihrem unteren Ende in voller Breite in das quergelagerte Procoracoideum umbog, während das Coracoideum an der hinteren Ecke dieser Biegung, wo auch das Schultergelenk sich befand, entsprang und schräg median- und rückwärts sich erstreckte. Da der unmittelbare Zusammenhang von Procoracoideum und Coracoi- deum neben der Gelenkgrube ein sehr schmaler ist, so erscheinen sie nicht sowohl als zu einem besonderen Stück gehörig, sondern vielmehr als zweineben einander wurzelnde Fortsätze der Scapula. Vergleichen wir damit den Schultergürtel der Amphibien, dessen Uebereinstimmung mit demjenigen der Schildkröten bereits von Carus und Meckel ausgesprochen wurde, so finden wir an den Jüngsten Anurenlarven eine Trennung jener beiden Fortsätze bis zur Gelenkgrube (Fig. 34), sodass eine ursprüngliche engere Zu- sammengehörigkeit derselben durchaus in Abrede zu stellen ist. Das breite Ende des Coracoideum der Schildkrötenembryonen war hakenförmig nach vorn umgebogen und endete mit scharfem ab- gerundetem Rande; es ist dieses knorpelig bleibende Stück un- zweifelhaft ein Epicoracoideum. Von ihm geht mit breitem Ansatz ein Ligament zum stumpfen Ende des Procoracoideum hinüber, wo es aber ebensowenig wie am Epicoracoideum einen Kontinuir- lichen Zusammenhang mit dem Knorpel zeigt. An den Jungen von Cistudo war dagegen bereits das zu sehen, was Gegenbaur von erwachsenen Schildkröten schilderte: sie besassen statt der hakenförmigen breiten Epicoracoidplatte einen von der Umbiegungs- stelle an sich stark verschmälernden und fadenförmig im Ligament auslaufenden Knorpelfortsatz, dessen Ende allerdings kontinuirlich in Bindegewebsfasern überging. Indem ich auf diese Weise Gegenbaur’s Beobachtung bestätige, erkläre ich diesen Befund Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 539 ebenfalls aus einer Rückbildung, aber mit Rücksicht auf die be- züglichen Verhältnisse der. Embryonen von Podoenemis, nicht der Rückbildung einer ursprünglich vorhandenen vollständigen Knor- pelbrücke zwischen den Enden beider Fortsätze, sondern bloss des frei endigenden Epicoracoideum, während das Band als sekundäre Bildung zwischen zwei ursprünglich getrennten Theilen aufzufassen ist. Andernfalls hätte der Uebergang des Knorpels in das Liga- ment bei den jungen Embryonen noch deutlicher gewesen sein müssen als bei den Jungen. Gegen die Ansicht, dass Procoracoi- deum und Coracoideum und das sie verbindende Ligament ursprüng- lich ein kontinuirlicher Rahmen um das von ihnen eingeschlossene Fenster gewesen seien, ähnlich der Korakoidplatte mit dem Hauptfen- ster bei den Sauriern (Gegenbaur), scheint mir auch der Umstand ins Gewicht zu fallen, dass jenes angebliche Fenster der Schildkröten gerade bei den Embryonen nicht rundlich, sondern scharf dreieckig gebildet ist, wodurch die drei Seiten seines Rahmens noch deut- licher gesondert erscheinen als später. Auch erwähnt Rathke am Schultergürtel der Emysembryonen von 3!/; Linien Rücken- schildlänge keinerlei mediale Verbindung der beiden ventralen Knorpeläste (Nr. 24 S. 224, 237). Es bliebe aber noch zu prüfen, ob nicht das, was sich anato- - misch und ontogenetisch als unwahrscheinlich ergab, durch den Vergleich mit anderen Vertebraten wesentlich unterstützt würde. Vergleicht man nun den Schultergürtel der Amphibien, Saurier und Chelonier in der Weise, dass man sich dessen ventralen (Haupt-) Theil in allen drei Gruppen aus zwei von der Scapula ausgehenden und ein Fenster umschliessenden Schenkeln vorstellt, so ist es am Ende für die Uebereinstimmung soleher Bildungen von geringerem Belang, ob dieser Rahmen medianwärts kontinuirlich oder durch ein Band abgeschlossen ist. Denn wenn sich im übrigen Verhalten der drei Formen kein Widerspruch ergibt, so lässt sich zur Ausgleichung jener Verschiedenheit wohl annehmen, dass ent- weder der vollständige Rahmen das Ursprüngliche sei und seine Unterbrechungen durch Rückbildung entstanden, oder dass zwei ursprünglich getrennte Schenkel einmal sieh unmittelbar verbinden, in anderen Fällen getrennt bleiben, um erst durch ein Ligament in Konnex zu treten. Unter solcher Voraussetzung liesse sich das Proeoracoideum der Schildkröten sowohl mit dem vorderen Skapularfortsatz der Urodelen und Anuren, wie anderseits mit 540 Dr. A. Goette: dem entsprechenden vorderen Schenkel des Rahmens bei den Sauriern homologisiren, welcher letztere Theil aber, wie ich zeigte, nicht in dem bisher sogenannten Procoracoideum, sondern in dem an das Praescapulare anstossenden Theil des Epicoracoideum dieser Thiere zu suchen ist. Danach besässen die Chelonier, was das zunächst Wahrscheinlichere wäre, gar keine Schlüsselbeine, oder dieselben könnten in anderen Skelettheilen, z. B. dem Bauch- schilde enthalten sein. Jene Voraussetzung von der im allge- meinen gleichartigen Entstehung der bezeichneten Schultergürtel- theile, worauf allein sich die ausgeführte Vergleichung stützen kann, ist aber nach meinen Beobachtungen an den Sauriern und Amphibien unzulässig. Das korakoidale Haupttenster der Saurier ist nicht eine ursprüngliche Lücke zwischen zwei getrennten Skelet- theilen, ähnlich dem Ausschnitt zwischen den beiden Skapular- fortsätzen der Amphibien, der ganze jenes Fenster umschliessende Rahmen nicht gleich anfangs als solcher angelegt, sei es mit oder ohne mediale Unterbrechung — welche beiden Zustände von den Anuren nacheinander durchlaufen werden (vgl. Fig. 34—36) ui sondern jenes Fenster und sein Rahmen entstehen bei den Sauriern erst durch sekundäre histiologische Differenzirung inner- halb einer undurchbrochenen, kontinuirlichen Platte, sodass die Membrana obturatoria thatsächlich ein „modifieirter Skelettheil“ in dem Sinne ist, wie Gegenbaur diesen Ausdruck für das zwi- schen Procoracoideum und Coracoideum ausgespannte Band der Schildkröten gebraucht. Soll für die ventrale Schultergürtelhälfte dieser Thiere das Bild eines Rahmens durch die vorausgesetzte histiologische Umbildung seines medialen Theils nicht aufgehoben werden, so darf mit gleichem Recht behauptet werden, dass die Saurier nicht eigentlich durehbrochene, sondern nur theilweise bindegewebig umgebildete, solide Korakoidplatten besitzen. Dann lassen sich aber die letzteren mit dem ventralen Rahmen des Schultergürtels der Amphibien nicht vergleichen; denn dieser ent- steht bei den Anuren nicht minder als den Urodelen aus zwei völlig getrennten, von der Scapula ausgehenden Fortsätzen, deren Enden bei den Anuren sich erst sekundär miteinander verbinden (Fig. 34 — 36, Fig. 52). Vielmehr stimmt die ganze Korakoidplatte der Saurier, inbegriffen den darin als Procora- coideum unterschiedenen Theil, nur mit dem allerdings völlig” knorpelig angelegten, also nicht „durchbrochenen* Coracoideum Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. -Wirbelthiere. 541 der Amphibien überein: beide Theile haben die gleichen Bezieh- ungen zum Gelenktheil der Scapula, die gleiche Lage und im allgemeinen auch gleiche Form und Verknöcherung, indem dabei ein mediales knorpeliges Epieoracoideum übrig bleibt. Hinsichtlich der Chelonier handelt es sich nunmehr darum, nicht wie sie jenen beiden Formen, sondern welcher von beiden sie sich anschliessen, den Sauriern oder den Amphibien. Bei der Beantwortung dieser Frage darf ein Bedenken daraus nicht ge- schöpft werden, dass die Chelonier dabei eventuell einer andern Classe sich näher stellten als den eigenen Klassenverwandten. Dies wäre nichts Unerhörtes; die Monotremen z. B. entfernen sich bezüglich ihres Schultergürtels unzweifelhaft um so viel von den übrigen Säugern, als sie sich den Sauriern nähern. Wie steht es also nun mit den Sauriern? Ich habe oben entwickelt, warum es sehr wahrscheinlich sei, dass die ventrale Hälfte ihres Schultergürtels ontogenetisch aus zwei getrennten Skapularfortsätzen, folglich das von denselben mit Hilfe des Bandes umschlossene Fenster nicht aus einer histio- logischen Sonderung innerhalb einer anfangs zusammenhängenden Platte wie bei den Sauriern, sondern aus dem gleich in der ersten Anlage gegebenen Ausschnitt zwischen jenen Fortsätzen hervor- gehe. Eine solche Bildung liegt uns in der Korakoidplatte der Saurier nicht vor, sondern nur in der ventralen Schultergürtel- hälfte der Amphibien; wir werden uns also dahin entscheiden müssen, dass die zweiästigen ventralen Schultergürtelhälften der Amphibien und Chelonier einander homolog sind, und dass die ganze Korakoidplatte der Saurier lediglich dem hinteren Aste oder dem Coracoideum jener entspricht. Kein Theil dieser Platte der Saurier, weder das bisher sogenannte Procoracoideum, noch das vordere Schlussstück des Hauptiensterrahmens hält den Vergleich aus mit dem vorderen Skapularast der Chelonier und Amphibien, welche beide ebenfalls den Namen Procoracoideum führen. Die- selbe Bezeichnung bei den Sauriern kann also nur dazu dienen, in der nur ihnen eigenthümlichen Gliederung des Coracoideum sich leichter zu orientiren. Dieses Ergebniss führt uns sofort zu einer weiteren Unter- suchung. Wir haben im Sehultergürtel der Saurier und Chelonier zunächst zweierlei homologe Abschnitte zu konstatiren, die Schulter- blätter und die eben miteinander verglichenen Korakoidstücke; es 542 Dr. A. Goette: verbleibt mithin jeder dieser Ordnungen noch ein Schulterstück, welches der anderen scheinbar fehlt, nämlich das Schlüsselbein der Saurier, welches nach der herrschenden Ansicht bei den Che- loniern — wenigstens im besprochenen Skeletapparat — nicht vorkommt, und das Procoracoideum der letzteren, welches nach derselben Ansicht mit Schlüsselbein und Acromion der Saurier nicht vergleichbar sein soll, anderseits aber auch, wie ich zeigte, in deren Korakoidplatte kein Homologon findet, also überhaupt unter den Reptilien ein Stück sui generis wäre. Unter solchen Umständen dürite aber die Wiederaufnahme der Frage gerecht- fertigt sein, ob das sogenannte Procoracoideum der Chelonier und das Schlüsselbein der Saurier wirklich heterogene Bildungen seien. Wie erwähnt, vertritt die überwiegende Mehrzahl der Anatomen eine solche Verschiedenheit (s. o.), im allgemeinen wohl dess- halb, weil die unzweifelhaften Schlüsselbeine, von denen man auszugehen habe, vom übrigen Schultergürtel getrennte und ur- sprünglich nicht knorpelig angelegte Stücke seien. Allerdings sind die Skelettheile, welche unbestritten als Schlüsselbeine bezeichnet und anerkannt werden, nämlich die- jenigen der Saurier, Vögel und Säuger, im ausgebildeten Zustande vom Schulterblatte deutlich gesondert, die Procoracoidea der Schild- kröten aber nicht; da aber der fertige Zustand, ja selbst die vor- gerückten Entwickelungsstufen der Körpertheile einen unbedingt sicheren Schluss auf ihre ursprüngliche Zugehörigkeit nicht ge- statten, so wird man eine Entscheidung darüber in ihrer aller- ersten Erscheinung zu suchen haben. Rathke erklärt nun, dass die Schlüsselbeine der genannten drei Abtheilungen „anfangs mit dem Schulterblatte eine einzige und allenthalben gleichartig be- schaffene Masse“ bilden und sich erst später von ihm sondern (Nr. 24 S. 137); gegenüber der gegentheiligen Angabe Gegen- baur’s bezüglich der Saurier habe ich bereits Veranlassung ge- habt, Rathke zu bestätigen. In dem kontinuirlich verbleibenden Zusammenhang des Procoracoideum der Chelonier mit dem Schulter- blatte liegt also kein fundamentaler Unterschied desselben von unzweifelhaften Schlüsselbeinen ; derselbe bedeutet lediglich den Fortbestand eines allen diesen Stücken gemeinsamen frühesten Bildungszustandes. Eine vorübergehende Anbahnung zur Abson- derung des Procoracoideum vom Schulterblatte fehlt übrigens den Cheloniern nicht, indem Rathke für verschiedene Gattungen nach- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 543 wies, was ich wenigstens für Cistudo bestätigen kann, dass die erste Verknöcherung beider Skelettheile getrennt und ihre Ver- schmelzung erst später erfolgt. Es wäre also im Zusammenhange der beiderseitigen Theile das Ergebniss einer Rückbildung anzu- erkennen, wie eine solche in der Abgliederung der Clavieula von der Seapula ausnahmsweise auch unter den Säugern vorkommt (Faulthiere). Ein weiterer Einwand gegen die Zusammenstellung des Pro- coracoideum der Schildkröten mit Schlüsselbeinen kann dem ver- schiedenen Gewebe beider Bildungen entnommen werden: die ‘ Sehlüsselbeine der Saurier wenigstens enthalten niemals Knorpel, jene Schulterstücke der Schildkröten sind aber anfangs rein knor- pelig und verknöchern indirekt. Aber ich habe bereits darauf hingewiesen, was uns zur Annahme drängt, dass die Schlüsselbeine der Saurier von knorpeligen Bildungen abstammten; ferner ent- halten die gleichen Theile der Säuger bekanntlich Knorpel in geringerem oder grösserem Masse, so dass wir an den Formen, von denen wir naturgemäss auszugehen haben, die Norm einer nicht knorpeligen Anlage nicht ableiten, also daraus auch keinen Schluss gegen die Schlüsselbeinnatur des Procoracoideum der Schildkröten ziehen können. — Gegenbaur gelangt freilich auf anderem Wege auch zu anderen Ergebnissen. Er findet die rein knöcherne Anlage der Schlüsselbeine nicht nur bei den Sauriern, sondern auch bei den Amphibien, indem er den Knochen auf dem Vorderrande des Knorpelrahmens der Anuren auf dieselbe Weise entstehen sieht wie das Schlüsselbein der Eidechsen, ihn also um so mehr ebenfalls für ein Schlüsselbein halten muss, als ihm kein anderer Theil desselben Schultergürtels die gleichen Merkmale zu besitzen scheint (Nr. 11 S. 59). Waren aber so die Schlüssel- beine der Amphibien und Saurier als sekundäre Knochen erkannt, so konnte gefolgert werden, dass die Erscheinung des Knorpels in den Schlüsselbeinanlagen der Vögel und Säuger eine neue Erwer- bung sei (Nr. 11 S. 16, 17, 135, Nr. 12 S. 681, 683), woraus natürlich auf den ursprünglichen Zustand jener Skelettheile nicht geschlossen werden könnte. Die einem solehen Schlussverfahren zu Grunde gelegten Thatsachen kann ich aber als richtige nicht anerkennen. Ich werde im letzten Abschnitt nachweisen, dass Jene vermeintliche Clavieula der Anuren weder in ihrem Ursprunge noch in ihren Lagebeziehungen mit dem Schlüsselbein der Saurier 544 Dr. A. Goette: übereinstimmt, dass also ihre direkte Verknöcherung zur Beur- theilung der Frage, wie die Schlüsselbeine ursprünglich beschaffen gewesen, nichts beitragen kann. Ich glaube ferner die Auffassung Cuvier’s, dass jener Knochen der Anuren sammt dem ihm’ unter- liegenden Knorpelschenkel (Procoracoideum Gegenbaur) einer Clavieula gleichkomme, begründen und bestätigen zu können. Daraus lässt sich aber folgern, dass die nicht knorpelig präformirte Clavieula der Saurier eine zurückgebildete Form, also die Grund- form für die Schlüsselbeinbildung der Amphibien, Saurier, Vögel und Säuger in einer knorpeligen Axe und einer sich darum bildenden knöchernen Rinde gegeben ist. Das ebenso angelegte Procora- coideum der Schildkröten widerspricht daher in dieser Beziehung ebenso wenig wie durch seinen Zusammenhang mit der Scapula dem Begriff eines Schlüsselbeins; und da ich es aus den von Gegenbaur entwickelten Gründen für ein Acromion ebenfalls nicht halten kann, so muss ich in Bestätigung von Carus und Meckel darin das Homologon der Clavieula zunächst der Saurier erkennen. Dann ist die Kluft, welche nach der Erörterung der Homologie der Coracoidea jene beiden Ordnungen bezüglich ihres Schulterbaues noch zu trennen schien — indem jeder ein wichtiger Skelettheil zukam, welcher der anderen fehlte (Clavieula der Sau- rier, Procoracoideum der Chelonier) — in beiriedigender Weise aus- gefüllt und der Anschluss beider an die Amphibien, wie sich zeigen wird, wesentlich erleichtert. Die Ansicht Oken’s und Parker’s, dass den Cheloniern Schlüsselbeine und Episternum nicht fehlen, aber in den vordersten Stücken des Bauchschildes zu suchen seien, verträgt sich natürlich mit meiner Interpretation nicht. Ich habe übrigens gegen jene Ansicht noch im besonderen zu bemerken, dass ich directe Fort- setzungen des Schultergürtels in die Anlagen des Bauchschildes an meinen jungen Embryonen durchaus vermisst habe, wie denn auch Rathke solche nicht erwähnt; eine zweifellos selbstständige Anlage des Episternums ist mir aber nicht bekannt, und so schliesse ich mich in dieser Beziehung Gegenbaur an, dass den Chelo- niern ein solcher Skelettheil fehle. Die Ergebnisse der voranstehenden Untersuchung sind folgende: 1. Jede der getrennt bleibenden Schultergürtelhälften der Chelonier entsteht im völligen Zusammenhang ihrer Theile, näm- lich des dorsalen Stücks oder der Scapula und ihrer zwei diver- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 545 girenden ventralen Fortsätze, deren freie Enden durch ein Liga- ment verbunden werden. 9, Die Knorpelbildung erstreckt sich ebenfalls kontinuirlich dureh alle drei Aeste, und erst deren (primäre) Verknöcherung erfährt im Umfange des Schultergürtels eine Unterbrechung, welche aber zwischen der Scapula und dem vorderen ventralen Aste als- bald einer Verschmelzung weicht. 3. Der hintere ventrale Ast ist ein Coracoideum, dessen knor- pelig bleibendes mediales Ende (Epicoracoideum) anfangs von dem zum vorderen Aste hinziehenden Bande sich scharf abgrenzt, später aber sich unmerklich in demselben verliert. 4. Der vordere ventrale Ast des Schultergürtels der Chelonier lässt sich als selbstständiger Skapularfortsatz mit dem sogenannten Procoraeoidem der Saurier, welches erst in Folge der unbestän- digen Fensterbildung des Scapulo-Coraeoideum als unvollkommen gesonderter, untergeordneter Abschnitt des Coracoideum hervor- tritt, ebensowenig vergleichen wie mit einem Aeromion. Er ent- spricht dagegen in allen wesentlichen Beziehungen einem Schlüssel- bein: sein Zusammenhang mit der Scapula bezeichnet den Ausgangs- punkt jeder Schlüsselbeinbildung, sowie seineindirekteVerknöcherung mit der (bei den Sauriern abgekürzten) ursprünglichen Histiogenese der Sehlüsselbeine übereinstimmt. Die Verschmelzung der selbst- ständigen Verknöcherung der Claviecula mit derjenigen der Sea- pula bei den Cheloniern ist ein Rückbildungsprocess. 5. Ein kostales Sternum sowie ein von den Schlüsselbein- anlagen ausgehendes Episternum sind bei den Cheloniern nicht nachweisbar. Krokodile. Nur anhangsweise und in aller Kürze erwähne ich hier die Krokodile, deren Schultergürtel und Brustbein bekanntlich mit demjenigen der Chamaeleonten wesentlich übereinstimmt. Beide besitzen nur ein ventrales Schulterstück, welches allgemein als Coracoideum bezeichnet wird. Gegenbaur vergleicht es aber nur mit dem knöchernen Coracoideum der Saurier, sodass also Pro- und Epieoracoideum darin nicht enthalten wären, weil es mit dem ganzen Rande dem Brustbein anliege (Nr. 11 S. 46). Da nun aber die Fensterbildung als sekundäre Erscheinung die Be- deutung des ganzen Stücks ebensowenig beeinträchtigen kann wie 546 Dr. A. Goette: meines Erachtens der Umstand, ob dessen medialer Rand bei grösserer Breite nur theilweise, oder bei geringerer Breite voll- ständig dem Sternum anliegt, so halte ich das Korakoideum der genannten Reptilien für gleichwerthig der gesammten Coraeoidplatte der Saurier. Ein Epieoraeoideum besteht übrigens sehr deutlich an Krokodilembryonen (vgl. Parker Nr. 22 Taf. XL). — Vor Chamaeleo haben die Krokodile das Episternum voraus. Da dieser Skeletapparat nach meinen Beobachtungen bei allen Amnioten und den Amphibien aus den medialen Enden der Schlüsselbeinanlagen hervorgeht, so entsteht für die Krokodile die Schwierigkeit, ein Episternum in Abwesenheit von Schlüsselbeinen anzunehmen. Diese Schwierigkeit wird noch erhöht durch die Angaben Rathke’s über die Entwieklung jenes Knochens, wonach derselbe erst spät und unpaar in dem Perichondrium der ventralen Seite des Ster- num entstehen soll (Nr. 25 S. 23, Nr. 28 S. 67). Diese Angaben halte ich aber nicht für gesichert, da sie zugleich für die Saurier gelten sollen, für welche ich sie jedoch als entschieden irrig zu- rückgewiesen habe. Es bleibt daher sehr wohl die Möglichkeit bestehen, dass die Krokodile wie manche Vögel (S. 557) schwache Schlüsselbeinanlagen besitzen, welche im Haupttheil frühzeitig zu- Grunde gehen und nur in den medialen Enden sich erhalten, welche darauf ähnlich wie bei den Sauriern das Episternum bilden‘). 1) Ich ergreife hier die Gelegenheit, einen gerade die Krokodile be- treffenden Punkt aus der gegen mich gerichteten Kritik Gegenbaur’s näher zu beleuchten. Ich hatte in meiner Entwickelungsgeschichte der Unke angegeben, dass das Manubrium sterni des Maulwurfs aus den ventralen Schlüsselbeinenden entstehe, also genetisch zum Schultergürtel gehöre, wäh- rend das übrige Brustbein allein aus den Rippenenden hervorgehe (Nr. 15 S. 618). Eine gleiche Konkurrenz des Schultergürtels und der Rippen am Aufbau des ganzen Brustbeinapparates glaubte ich auch für die Reptilien annehmen zu dürfen und sprach mich daher an der einzigen darauf bezüg- lichen Stelle folgendermassen aus (a. a. O. S. 619). „Die Säuger besitzen ein klavikulares Brustbein, ein kostales Brustbein und ein Hyposternum; einigen Säugern, welchen Schlüsselbeine fehlen, mag auch ein selbstständig angelegtes Episternum zukommen. Bei den Reptilien ist das letzere unzwei- felhaft vorhanden, und da das Brustbein des Chamaeleons und der Krokodile in dem vordersten grossen, mit dem Schultergürtel verbundenen Stücke nach meiner Ansicht unzweifelhaft ein Homologon des Manubrium enthält, so sind die beiden Formen des Brustbeins in dieser Klasse vertreten‘ Gegenbaur sagt in seiner Kritik (Nr. 13 S. 315): „Gleich unbegründet ist Goette’s Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems der Wirbelthiere. 547 - Die Entstehung des Sternum der Krokodile schildert Rathke so wie bei den Sauriern (Nr. 28 S. 63—67). Es verdient hervor- gehoben zu werden, dass die hinteren Brustbeinhörner nicht etwa gleich anfangs vorhanden sind, sondern erst aus der schon fertigen Anlage allmählich hervorwachsen. Ich sehe daher keine Schwierig- keit für die Annahme, dass das Sternum der Krokodile so wie bei den Sauriern aus vereinigten Rippenenden hervorgehe. Enaliosaurier: Ichthyosauras. Ich habe dieses Thier in den Kreis der Untersuchung ge- zogen, weil es, wie der weitere Verlauf dieser Abhandlung bewei- sen wird, für den Schultergürtel ein vorzügliches Verbindungsglied zwischen den Sauriern und Amphibien darstellt. Um Form und Verbindungen der einzelnen Knochen etwas genauer erläutern zu können, bringe ich drei Abbildungen, welche einander ergänzen; die zwei ersten sind nach Gypsabgüssen, die dritte nach einem Original angefertigt (Fig. 31 —33). Die ersteren rühren von den Originalen her, welche Cuvier abbilden liess (Nr. 4 Taf. 258)'). Behauptung, dass das Coracoid der Krokodile und des Chamaeleons unzweifel- haft ein Homologon des Manubrium sterni sei. Dass daraus folgen müsse, dass die Scapula dem Sternum ansitze,... das beirrt Goette gar nicht“ etc. Auf derselben Seite wird mir noch einmal die gleiche Behauptung in den Mund gelegt. Also das „vorderste grosse, mit dem Schultergürtel verbundene Stück des Brustbeins“ wird bei Gegenbaur einfach zum „Coracoid“, und daraus ergeben sich natürlich Folgerungen, welche meine Darstellung auf das Aergste blossstellen. Allerdings muss ich zugeben, dass manche gar zu aphoristische Bemerkungen oder ungenaue Ausdrücke in meiner Arbeit die missverständlichen Auffassungen,, worauf ein grosser Theil von Gegen- baur’s Kritik beruht, bis zu einem gewissen Grade mit veranlasst haben. Das obige Beispiel, dem sich noch andere anreihen lassen, möge aber dar- thun, dass solche „Missverständnisse“ nicht lediglich durch mich verschuldet sind. Dass meine oben citirte Auffassung des Sternum der Krokodile nicht ganz unberechtigt war, wird sich, hoffe ich, aus dem Text ergeben: besitzen diese Thiere ein echtes Episternum, so hat auch ihr ganzer Brustbeinapparat einen doppelten Ursprung, von den Rippen und vom Schultergürtel her. 1) Cuvier’s Abbildungen sind, abgesehen von ganz untergeordnetem Detail, dadurch etwas von den meinigen verschieden, dass sie unter Fort- lassung einiger zugehörigen aber abgebrochenen Stücke der Originale ange- fertigt wurden, während die Gypsabgüsse, nach denen ich zeichnete, von den völlig restaurirten Stücken herrühren. Auch liess ich einige nicht zum Schultergürtel gehörige Theile fort. 548 Dr. A. Goette: Die Scapula ist nur in der Originalabbildung vollständig zu sehen (Fig. 33); in den Cuvier’schen Stücken fehlt ihr dorsales Ende, welches ebenso wie das ventrale verbreitert ist. Die von den Schulterblättern abgegliederten Coracoidea der Ichthyosauren erinnern durch ihre Bildung lebhaft an diejenige der Anuren. Sie sind in der Mitte verschmälert, lateralwärts und insbesondere me- dianwärts beilförmig verbreitert. Ihre dicken medialen Ränder nähern sich, da sie konvex gekrümmt sind, der Medianebene nur an einem Punkte beinahe bis zur gegenseitigen Berührung, um davor und dahinter zu divergiren (Fig. 31). Von der Visceralseite her, welche an einem Stücke gut erhalten ist, sehe ich aber eine breite und tiefe Spalte, mit allen Merkmalen einer normalen Bil- dung, zwischen beiden Coracoidea ganz gerade verlaufen ; ein Be- fund, welcher ebenso bei den Anuren mit zusammenstossenden Schultergürtelhäliten angetroffen wird und daher wohl mit Recht so erklärt werden darf, dass an die konvexen divergirenden Kora- koidränder der lebenden Ichthyosauren sich ebenfalls Epikorakoid- knorpel anschlossen, welche den Zwischenraum zwischen den knöchernen Theilen ausfüllten und vielleicht auch so wie bei jenen Anuren durch ein Gelenk mit einander verbunden waren (vgl. Fig. 31. 39. 45). Das Schlüsselbein von Ichthyosaurus ist S-förmig ge- bogen wie bei den Sauriern, dem lateralen Rande des Schulter- blattes aufruhend und in der Nähe seines oberen Endes mit ihm verschmolzen; wenigstens zeigte es so das in jener Partie schein- bar ganz intakte Stück (Fig. 33). Ich brauche nur auf die Abbildung Fig. 5 von einem Anguisembryo zu verweisen, um darin ein vollkommenes Seitenstück zu denselben Theilen von Ichthyosaurus erkennen zu lassen. Die medialen Schlüsselbein- enden des letzteren ruhen auf den Seitenästen des Episternum, wie wir es ebenfalls von Sauriern, insbesondere aber von Monotremen wissen; denn nach den Pariser Fossilen zu urtheilen bestand zwischen jenen beiden Theilen eine sehr fest gefügte Verbin- dung (vgl. Fig! 29 — 33 und Fig. 5.). Einen solchen Vergleich stellte bereits Cuvier an (Nr. 4 Tom. X. S. 435). Das Vorkom- men eines Episternum bei Ichthyosaurus in Abwesenheit eines Sternum hebt bereits Gegenbaur hervor als Beweis für die re- lative Unabhängigheit beider Theile (Nr. 11 S. 51); die Ueberein- stimmung dieses Episternum mit demjenigen der Saurier hinsichtlich der Klavikularverbindung verweist ferner wie ich glaube mit Sicher- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 549 heit auf den gleiehen Ursprung. Das Auffallendste am Episternum von Ichthyosaurus ist aber seine Beziehung zu den Coracoidea. Sein schlanker Körper, welcher sich an das in zwei Seitenäste ausgezogene Klavikularende anschliesst, läuft hinten lanzetiörmig aus und bedeckt in seiner ganzen Länge die wahrscheinlich vor- handen gewesene Fuge zwischen den Epikorakoidalrändern!). Es ist daher nieht unwahrscheinlich, dass er die ganzen Korakoid- platten ohngefähr so miteinander verband, wie es bei den bezeich- neten Anuren durch einen ebenfalls stabiörmigen Skelettheil ge- schieht, der aber mit den äusseren Epikorakoidsäumen verschmilzt (vgl. Fig. 32. 39—44). So finden wir also im Schultergürtel von Ichthyosaurus eben- so viele Beziehungen zu den Reptilien (Saurier) wie zu den Am- phibien (gewisse Anuren). Mit den ersteren stimmt Ichthyosaurus durch die Form, Lage und Verbindung der Schlüsselbeine und durch die Gestalt und Klavikularverbindung des Episternum über- ein; mit den Fröschen theilt er den Mangel eines zwischen die divergirenden Korakoidränder eingefügten Sternum und die Ver- bindung der in der ganzen Dieke ihrer (epikorakoidalen) Ränder getrennten Korakoidplatten vermittelst eines ventral über der Fuge gelagerten Skelettheils, welcher bei Ichthyosaurus unbestritten als Episternum gilt, und dessen gleiche Bedeutung bei den Fröschen ich nachweisen werde. b. Die Vögel. Soweit es sich um die Deutung der einzelnen Skeletstücke handelt, kann die vergleichende Anatomie des Schultergürtels der Vögel so ziemlich als abgeschlossen gelten. Die Deutung der Scapula stiess wohl niemals auf Schwierigkeiten; und nachdem Cuvier und Meckel gegen die früheren Auffassungen festgestellt hatten, dass der Gabelknochen der Vögel als das Homologon der beiden Clavieulae der Säuger, ihr hinteres Schlüsselbein als Cora- 1) Ich glaube, dass man sich aus dem Vergleich meiner Abbildungen davon überzeugen kann, dass die von Conybeare und Huxley mitgetheilten Bilder eines restaurirt gedachten Schultergürtels von Ichthyosaurus die wahren Verhält- nisse, wenigstens bei den gewöhnlichen Arten nicht getreu wiedergeben (Nr. 4 Taf. 260, Nr. 18 S. 206). Nach Huxley ist der Körper des Episternum (Interela- vicle) ganz kurz und füllt eben nur die Lücke zwischen den vorn divergirenden Korakoidrändern aus, statt über ihnen im ganzen Verlauf ihrer Fuge zu liegen. 550 Dr. A. Goette: coideum zu betrachten sei, endlich Pfeiffer dies noch ausführ- licher und überzeugend gegen Mayer begründet hat, besteht über- haupt kein Zweifel an der richtigen Auffassung des ganzen Schul- tergürtels!). Ebenso liegt die Bedeutung des Sternum im allge- meinen auf der Hand, sodass für meinen besonderen Zweck nur übrig bleibt, einige weniger hervorragende Punkte zu beleuchten. In erster Linie dürfte es von Interesse sein zu prüfen, in wie weit die einzelnen Schulterstücke der Vögel, nachdem sie sich bei der anatomischen Untersuchung unzweifelhaft als Homologa der betreffenden Stücke der übrigen Amnioten ergeben haben, auch in der Entwickelung mit diesen übereinstimmen. — Rathke gibt an, dass Schulterblatt und Schlüsselbein vor dem Beginn der Knor- pelbildung kontinuirlich zusammenhingen, und dass erst durch die letztere, welche an der Verbindungsstelle unterbrochen wird, eine Sonderung jener beiden Theile eintrete (Nr. 24 8. 137). Gegen- baur behauptet dagegen, dass die Clavicula völlig unabhängig von den anderen Schulterknochen entstehe (Nr. 11 8. 26, 135). Ich selbst habe an 4+—5tägigen Hühnerembryonen die Clavieula freilich von der Scapula gesondert gesehen, aber nur insofern als diese schon knorpelig, die erstere aber noch ganz weich war, während der Zusammenhang beider Gewebe ein ununterbrochener war. Dieser Befund widerspricht also der Behauptung Rathke’s nicht, die offenbar an jüngeren Embryonen angestellt wurde, da deren Schultergürtel noch keinen Knorpel enthielt. Der Umstand aber, dass die beschriebene schwache Sonderung in der Folge zunahm, und das, was ich selbst an den Sauriern fand, scheint mir Rathke’s wenig beachtete Angabe ausreichend zu bestätigen. Nimmt man dazu, dass der genetische Zusammenhang von Scapula - und Coracoideum von frühen Stadien an bis nach dem Beginn der Verknöcherung leicht zu constatiren ist, so erweist sich der Schultergürtel der Vögel ebenso wie wir es bei den Reptilien sehen, als ein in der ersten Anlage durchaus zusammenhängendes Stück, mit einem dorsalen Haupttheil, der Seapula, von dem Cla- 1) Für die ganze einschlägige Litteratur verweise ich auf Pfeiffer (Nr.23 S. 20 ff.) und Gegenbaur (Nr. 11 S. 24 ff.), welche eine vollstän- dige Uebersicht über dieselbe gegeben haben. Eine nochmalige Wieder- holung erscheint mehr als überflüssig, da eine Kontroverse eben nicht mehr besteht. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 551 vienla und Coracoideum als zwei ventrale Aeste oder Fortsätze ausgehen. Auch über die Anlage des Brustbeins der Vögel verdanken wir Rathke die ersten Beobachtungen (Nr. 26, Nr. 27 S. 131). Danach entsteht es aus zwei bandartigen Hälften, welche sich unter den Enden einiger Rippen der betreffenden Seite hinziehen und mit ihnen verbunden sind. Auch hier darf ich wohl mit Bezug auf die Reptilien und Säuger (s. u.), an denen ich die Bildung des Sternum aus einer Abgliederung der miteinander verbundenen Rippenenden erkannte, jene Rathke’sche Angabe dahin erweitern, dass das Brustbein der Vögel gleichfalls aus Rippenenden hervor- gehe, aber bereits sehr frühe sich von denselben abgliedere. Im allgemeinen sehen wir also den Schultergürtel und das Brustbein der Vögel sich gerade so entwickeln wie bei den Sauriern. Die Uebereinstimmung zeigt sich aber auch in einigen speeielleren Verhältnissen, auf die ich etwas näher eingehen will. An 4-5tägigen Hühnerembryonen (Fig. 19) fand ich die beiden Sehultergürtelhäliten noch weit von einander entiernt. Scapula und Coracoideum bildeten ein Stück; doch war die in jedem von ihnen deutliche Knorpelbildung in dem das Gelenk ent- haltenden Verbindungstheil noch nieht so weit vorgeschritten. Der ebenfalls noch nieht verknorpelte mediale Rand des Coracoideum sass in einem Falz der angelagerten Brustbeinhälite und setzte sich nach vorn mit einem gleichfalls weichen und dunklen Strang bis unter die Clavieula fort, von dem ich aber nicht angeben kann, ob er kontinuirlich in das darübergelagerte mediale Schlüsselbein- ende überging, und den ich auch auf der nächsten von mir beobach- teten Entwickelungsstufe nicht recht wiedererkennen konnte. Wahr- scheinlich ist es aber doch die Anlage der später zwischen Co- racoideum und Furcula ausgespannten Bandmasse und daher mit dem ähnlichen Bande der Chelonier zu vergleichen (Fig. 18, 19 e.) Die Clavieula hing über dem Gelenk fest mit der Scapula zusammen und war von derselben nur dadurch gesondert, dass sie noch durch- weg aus embryonalem Bildungsgewebe bestand, welches nur in der medialen Hälfte eine etwas hellere Axe zeigte. An ihrem sternalen Ende lief sie in ein mehr faseriges, dunkles Gewebe aus, welches in Form eines zugespitzten Zipfels und von der eigentlichen Schlüsselbeinanlage winkelig abgebogen auf dem vorderen me- dialen Rande der knorpeligen Brustbeinhälite ruhte und mit ihm 552 Dr. A. Goette: ziemlich fest verbunden war. Schon auf diesen Befund hin lässt sich der eben beschriebene Zipfel mit dem Episternalfortsatz der Schlüsselbeinanlagen der Saurier vergleichen. Die Brustbeinanlage war von den ihr angefügten Rippen bereits abgesondert. An einem 5tägigen Embryo traf ich wesentliche Veränderungen nur am Schlüsselbein (Fig. 20). Dasselbe war von der Scapula weiter gesondert, sodass es sich von ihr nach Entfernung der äusserlich anhaitenden Theile leicht ablöste. Die helle Axe, welche ich schon auf der vorigen Entwickelungsstufe gesehen, hatte sich verlängert, war aber dem sternalen Ende viel näher gekommen, als dem skapularen. Die Erscheinung dieser Axe wird dadurch hervorgerufen, dass dort die im übrigen Gewebe spärliche Intercellularsubstanz merklich zugenommen hat: eine Vorbereitung für die alsbald eintretende Verknöcherung, welche daher auch zuerst vom skapularen Ende weiter entiernt bleibt als vom sternalen, sodass man auch später verschiedene Stadien dieses Processes in der skapularen Hälfte der Clavicula nebeneinander antrifft. Doch muss ich hervorheben, dass jene innere Gewebs- veränderung!) mit einer Knorpelbildung keine Aehnlichkeit hat: die vermehrte hellere Intercellularsubstanz ist unklar faserig und die kleinen Zellen darin sind nur durch geringere Deutlichkeit von denen der noch unveränderten Rindenschicht verschieden. Bekanntlich hat nun aber Gegenbaur im Gegensatz zu Bruch’s kurzer Bemerkung, „dass die Furcula der Vögel zu den sekundären Knochen gehört“ (Nr. 1 S. 371), angegeben, dass der Knochenbildung dieses Skeletiheils eine Knorpelbildung in Form eines axialen Fadens vorausgehe (Nr. 9 S. 13, Nr. 11 8. 26). An 6tägigen Hühnerembryonen sei die ganze Schlüsselbeinanlage aus dicht gedrängten Zellen zusammengesetzt und von dem benach- barten indifferenten Gewebe nicht geschieden. „Am 7. und 8. Tage ist die Abgrenzung gegen das nachbarliche Gewebe scharf, indem die Zellen grösser geworden sind und die Intercellursubstanz ver- kalkte.“ Dieses Gewebe wird darauf „wahres Knorpelgewebe mit verkalkter Grundsubstanz“ genannt. „Dieser Knorpel nimmt die sanze Länge der Fureula ein. Am acromialen Ende verbreitert er sich etwas, um dann spitz auszulaufen, ebenso ist er am ster- 1) Gegenbaur erwähnt jene Umbildung im Innern der Clavicula an den miteinander bereits zur Furcula verbundenen Anlagen nicht. (Nr.9 8. 13.) Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 553 nalen Ende verbreitert.“ Nach dem 8. Tage beginne die Abla- gerung einer dünnen periostalen Schicht. Dies alles wurde an Staarembryonen bestätigt (Nr. 9 S. 14). — Es hat also Gegen- baur, nach seinen Worten zu schliessen, einen unverkalkten Knorpel in der Schlüsselbeinanlage überhaupt nicht gesehen, sondern wahr- scheinlich aus der Form der in die Knochensubstanz eingeschlos- senen Zellen annehmen zu müssen geglaubt, dass ein solcher vor- angegangen sei. Ich habe gleichfalls die Clavieula von Stägigen und älteren Hühnerembryonen und solchen von Fuliea atra theils in toto, theils an successiven Durchschnitten untersucht und bin dabei zu fol- genden Ergebnissen gekommen. Das skapulare Ende der Clavi- eula zeigte an den jüngsten (Stägigen) dieser Embryonen noch keinerlei Verknöcherung, umschloss aber das verbreiterte Ende des hellen axialen Stranges, dessen (schon beschriebenes) höchst un- klares Gewebe von einer dieken und dichten Zellenschicht mit an- nähernd radiär gestellten Elementen umschlossen war, worauf nach aussen noch eine faserige Hülle mit koncentrischer Anordnung der Zellen folgte (vgl. Fig. 21, wo die peripherischen Schiehten die- selben sind). Diese zwei Schichten entsprechen dem sogenannten Cambium und der eigentlichen Periostalschicht: von knorpelig präformirten Knochen. Etwas weiter medianwärts veränderte sich der axiale Strang sehr eigenthümlich (Fig. 21). Sein Centrum war in ein lockeres Zellennetz verwandelt, worin gelegentlich deut- liehe Durchschnitte von Blutgefässen erschienen; nach aussen war es durch eine festgefügte Zellenlage scharf abgesetzt, und an diese schloss sich eine unregelmässige Zone an, worin das frühere Ge- webe des Stranges eine noch weitere Zunahme der faserigen In- tercellularsubstanz erfahren hatte (vgl. Fig. 21 gegenüber 0). Die- selbe war nicht gleichmässig zwischen allen Zellen entwickelt, sondern zerfiel in breitere, durch kleinere und grössere Gruppen von kleinen undeutlichen Zellen getrennte Stränge, welche mit zackigen Fortsetzungen in das Cambium ausstrahlten. Am vor- liegenden Querdurchschnitte war aber dieses Gewebe nur an der visceralen Seite des centralen Stranges zu sehen; an der gegen- überliegenden ventralen Seite war die Intercellularsubstanz bereits verkalkt, sodass die in kleinen Höhlen eingeschlossenen Zellen grösser aussahen. An den folgenden Querdurchsehnitten lässt sich die Ausbreitung der Verkalkung in die übrigen Faserzüge hinein Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 36 554 Dr. A. Goette: verfolgen, so dass es nicht zweifelhaft sein kann, dass das beschrie- bene, nichts weniger als knorpelähnliche Gewebe der unmittelbare Vorläufer des Knochens ist. Aus dem Gesagten ergibt sich ferner, dass die noch dünne Knochenkruste sich zuerst rinnenförmig um das beschriebene Centrum krümmt, in welchem man unschwer eine _ Marksubstanz mit umgebender Osteoblastenschicht erkennt. Inden mittleren Abschnitten der Clavicula, wo, wie oben bemerkt, alle jene Veränderungen früher eintreten, war denn auch die Ver- knöcherung in der rund um die Marksubstanz dazu vorgebildeten Zone weiter vorgeschritten und schloss die erstere, welche sich oft in zwei Stränge spaltet, bereits völlig ein (Fig. 22); am ster- nalen Ende der Clavieula verlor sich die Marksubstanz ganz und gar, sodass der Knochen nur mehr eine unregelmässige, unebene Platte innerhalb der dieken Rindenschicht bildete. “ Auf den folgenden Entwickelungsstufen schreitet die beschrie- bene Verknöcherung nach aussen, und wo die Markräume bestehen, auch nach innen fort, bis die ganze Anlage in Knochen verwan- delt ist; von einem besonderen periostalen Knochen ausser dem beschriebenen habe ich nichts wahrgenommen. Aus den voranstehenden Beobachtungen schliesse ich, dass die Verknöcherung des Schlüsselbeins der Vögel ohne voran- gehende Knorpelbildung direkt in der vermehrten Intercellular- substanz desselben Gewebes erfolgt, welches anfangs die Gesammt- anlage der Clavieula und nach der Entwickelung ihres centralen Markstranges die peripherischen, periostalen Schichten bildet. Wäre eine dem Knochen zu Grunde liegende Knorpelbildung vor- handen (Gegenbaur), so müsste sie vor der Ablagerung der Kalksalze nachweisbar sein; das ist aber nicht der Fall, weder beim Vergleich verschiedener Embryonen, noch auch, was vielleicht einen noch sicheren Beweis liefert, wenn man die verschiedenen Bildungsphasen des Knochens in der angegebenen Weise an dem- selben Schlüsselbeine verfolgt!). Dass aber aus dem blossen Aus- sehen der ersten Knochenkruste auf einen ihm zu Grunde liegenden 1) Parker bezeichnet die ganze weiche Aussenschicht des skapularen Endes der Clavicula als Knorpel (Meso-scapula), und theilt ferner diesen ganzen Skelettheil in 3 Regionen ein — Meso scapula, proximal Praecoracoid, Clavi- cula —, wozu noch an der Verbindungsstelle beider Schlüsselbeine ein kleines Interelavicle (Episternum) kommt (Nr. 22 S. 145 ff.) Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 555 Knorpel nicht geschlossen werden könne, ergibt sich aus dem Vergleich mit den jungen Schlüsselbeinknochen der Saurier und den Periostalknochen der ventralen Schulterstücke der Amphibien (Fig. 14, 47, 48), welche zum Theil eine noch viel grössere Aehn- lichkeit mit verkalktem Knorpel besitzen, obgleich dort eine voran- segangene Knorpelbildung bei der bedeutenderen Grösse und Deut- lichkeit aller Elemente noch bestimmter ausgeschlossen werden kann als bei den Vögeln. Auch sind die zackigen Ausläufer un- serer Knochenanlage in das umgebende Gewebe eine Erscheinung, welche man an der glatten Oberfläche des Knorpels niemals an- trifft. Indem ich aber so die von Bruch behauptete direkte Ver- knöcherung der Schlüsselbeine der Vögel bestätigen muss, finde ich darin, dass die letzteren sich auch in dieser Hinsicht den Sauriern und nicht etwa den Säugern anschliessen, nur ein wei- teres Zeugniss ihrer längst erkannten Verwandtschaft. Darf man nun annehmen, dass die Schlüsselbeine der Saurier ihre ursprüng- liche knorpelige Grundlage im Laufe der Phylogenie verloren, so haben die Vögel in dieser Rückbildung vielleicht sogar einen kleinen Schritt weiter gethan, indem alle die charakteristischen Bildungen des Marks, der Knochenrinne und -röhre in jeder Beziehung beschränkter und, wie mir scheint, auch unregelmässiger auftreten. Dass bei den Vögeln nicht wie bei den Sauriern das sternale, sondern umgekehrt das skapulare Schlüsselbeinende jene Erscheinungen am ausgeprägtesten zeigt, hängt vielleicht damit zusammen, dass das letztere ebenfalls umgekehrt wie bei den Sauriern das entschieden stärkere Ende ist. Der Episternalfortsatz der Clavicula der Vögel ist auf der zweiten von mir beschriebenen Entwickelungsstufe sehr deutlich von dem eigentlichen Schlüsselbein abgesetzt (Fig. 20). Da aber das mediale Ende des letzteren nach vorn hin vom Sternum ab- gerückt ist, so spannt sich auch die vordere Hälfte des Episternal- fortsatzes zwischen beiden Skelettheilen bandartig aus; seine hintere schmälere Fortsetzung hat sich indess über den ganzen medialen Rand der Brustbeinhälfte ausgedehnt und an ihm befe- stigt. An wenig älteren Embryonen, deren Brustbeinhälften noch eine ansehnliche Lücke zwischen sich freilassen, habe ich nun ge- sehen, dass der eben beschriebene Episternaltheil sich so unmittel- bar an den Brustbeinrand anschliesst, dass er wie eine kontinuir- liche Fortsetzung desselben erscheint (Fig. 23). Eine Sonderung 556 Dr. A. Goette: beider Theile besteht aber in der grösseren hinteren Hälfte der Brustbeinhälite noch immer darin, dass die etwas nach aussen umgebogene Episternalleiste weich und dunkel, das Brustbein aber schon längst knorpelig ist. Kommt man jedoch mit sueces- siven Schnitten bis in die Korakoidalregion, so zeigt sich auch in jener Leiste Knorpelgewebe, welches kontinuirlich in dasjenige des Sternum übergeht. Später pflanzt sich dann diese Umbildung rückwärts fort, und indem in Folge fortschreitender Annäherung beider Bıustbeinhäliten ihre knorpeligen Episternalleisten endlich von beiden Seiten zusammentreffen, verwachsen sie zur Crista sterni. Bekanntlich hat schon Carus die Homologie des Brustbein- kammes (Schultersternum) mit den Episternalbildungen der Reptilien behauptet (Nr. 2, 2. Aufl. I, S. 179); anderseits hat Harting!) die zwischen der Fureula, dem Brustbein und den Coracoidea aus- gespannten Membranen als Episternalapparat aufgefasst. Gegen- baur bezweifelt die Richtigkeit der ersteren Ansicht (Nr. 11 S. 49), weil ihr die Angabe von Rathke entgegensteht, dass die Crista sterni nicht selbstständig, sondern im kontinuirlichen Zu- sammenhange mit der Sternalplatte entstehe (Nr. 26). Auf Grund meiner Beobachtungen muss ich aber behaupten, dass diese Konti- nuität keine ursprüngliche ist, und die Anlage der Crista unab- hängig vom Sternum sich entwickele. Ferner schliesst schon Gegenbaur mit Recht Harting gegenüber die seitlichen Ver- bindungsmembranen der Furcula und der Coracoidea von dem Bestande eines Episternalapparates aus (Nr. 11 S. 27), und er- kennt nur für die senkrechte Mittellamelle die Wahrscheinlichkeit an, dass sie aus dem Episternalapparate der Saurier hervorge- gangen sei. Jene ersteren Membranen habe ich bereits als Seiten- stücke zum ventralen Schulterbande der Chelonier bezeichnet. Die Mittellamelle, welche ebenfalls aus zwei Seitenhälften verschmilzt, ist nun aber in der That in Gemeinschaft mit der ganzen Crista sterni nach Ursprung und Verbindungen dem Episternum der Saurier homolog. Der Unterschied in der weiteren Ausbildung der beiderlei Episternalapparate, die völlige Verknöcherung bei 1) Hartings Arbeit ist mir weder separat noch in den Natuurkundige Verhandlingen von Utrecht zur Hand gewesen; ich halte mich daher an die Referate von Gegenbaur (Nr. 11 $.27) und Seleuka (Nr. 30 8. 52, 61.) Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 557 den Sauriern und die theils ligamentöse, theils knorpelige und primär-knöcherne Umbildung bei den Vögeln, beweist wiederum, wie leicht das Gewebe homologer Skelettheile wechseln kann. Die Knorpelbildung in der Crista sterni der Vögel, welche doch in den Schlüsselbeinen, also am Ursprunge der Episterna, so sehr mit den Sauriern übereinstimmen, lässt sich übrigens wohl daraus erklären, dass die betreffenden Episternalfortsätze schon in der frühesten Anlage mit dem Sternum verschmelzen, also gewisser- massen von ihm histiologisch beeinflusst werden, während die Episterna der Saurier das Sternum erst nach begonnener Verknö- cherung erreichen. Dass diejenigen Papageien, deren Schlüssel- beine völlig geschwunden sind (Nr. 23 S. 25, Nr. 11 8. 28), doch noch ein Episternum im Brustbeinkamm besitzen, erinnert an das ähnliche Verhalten der Krokodile (vgl. S. 546). Ueber den Sechultergürtel und das Brustbein der Cursores, welche in bekannter Weise von denjenigen der übrigen Vögel abweichen, kann ich in Ermangelung eines bezüglichen Unter- suchungsmaterials mich nicht weiter auslassen. Nach den vor- liegenden Thatsachen (vgl. insbesondere Parker) glaube ich eben- falls, dass nur Dromaeus und Casuarius eine rudimentäre Clavicula besitzen, und das sogenannte Procoracoideum durch eine Art Fensterbildung in der ursprünglichen Korakoidplatte entsteht. Die allgemeinen Ergebnisse der voranstehenden Untersuchung über die Vögel sind folgende: I. Schultergürtel. 1. Der Schultergürtel der Vögel entsteht jederseits in einem Stück, von welchem aber die Schlüsselbeinanlagen durch die auf das Scapulo-Coracoideum beschränkte Knorpelbildung frühzeitig abgesondert werden (Rathke). 2. Das Coracoideum greift sehr bald in einen Falz des Brust- beins ein und entsendet von seinem Epikorakoidalrande ein Band zum sternalen Ende der Clavicula, welches dem ventralen Schulter- bande der Chelonier entspricht. Bei den Cursores scheint das Coracoideum in Folge einer Fensterbildung einen vorderen Fort- satz (Procoracoideum) zu bilden. 3. Die Schlüsselbeinanlage jeder Schulterhälfte enthält nur in ihrem lateralen Theile das eigentliche Schlüsselbein; ihre rück- wärts umgebogene mediale Fortsetzung greift frühzeitig auf den 558 Dr. A. Goette: medialen Rand der Brustbeinhälite über und stellt den Episternal- apparat dar. Durch die Verbindung der medialen Enden der Schlüsselbeine entsteht die Fureula. Von den Cursores besitzen nur Dromaeus und Casuarius rudimentäre Schlüsselbeine. 4. Die Verknöcherung der Clavieula der Vögel folgt dem bei den Sauriern erkannten Modus, indem ein centraler Gewebsstrang sich in Markmasse verwandelt, um welche die periostale Rinden- schicht direkt, erst rinnen-, dann röhrenförmig verknöchert. Um- gekehrt wie bei den Sauriern verliert sich aber der ventrale Strang nicht in dem skapularen, sondern in dem sternalen End- abschnitte. I. Brustbein. 5 5. Das ganze Brustbein besteht aus zwei genetisch verschie- denen Theilen, der kostalen Sternalplatte und dem von den Schlüssel- beinanlagen herstammenden Episternaltheil (Crista sterni). Beide sind paarig in weit getrennten Häliten angelegt. 6. Jede Hälfte des kostalen Sternum entsteht wahrscheinlich ebenso wie bei den Reptilien und Säugern aus miteinander ver- bundenen Rippenenden und fügt sich frühzeitig dem Coracoideum an; beide Hälften verwachsen relativ spät zu einem Stück. 7. Jede Hälfte des Eppisternalapparats sondert sich in zwei Abschnitte, 1. ein zwischen der Clavicula und dem Brustbein aus- gespanntes Ligament, 2. eine dem medialen Rande der betreffenden Brustbeinhälfte angefügte Leiste, welche in Kontinuität mit der letzteren knorpelig wird. Die Verbindung der paarigen Stücke in der Medianebene stellt das Sterno - Klavikularligament und die Crista sterni her. Dieser zweitheilige Episternalapparat entspricht also dem einfachen Episternalknochen der Saurier. Er fehlt den Cursores ganz. ce. Die Säuger. Da die Bezeichnungen der Hauptstücke des eigentlichen Schultergürtels (Scapula, Processus coracoideus, Clavicula) ge- rade bei den Säugern zuerst aufkamen, und die etwas abwei- chenden Formen desselben (Monotremen) längst mit den übrigen in Uebereinstimmung gebracht sind, so kann ich mich hier auf die- selben Punkte wie bei den Vögeln beschränken. Seit den Untersuchungen von Bruch (Nr. 1 S. 371, 372) und Gegenbaur (Nr. 9 S. 13, 14, Nr. 11 S. 5—17), welche eine der Clavieula ganz eigenthümliche, von anderen, primären Skelet- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 559 bildungen mehr oder minder abweichende Verknöcherung nach- wiesen, mag es ganz gesichert erscheinen, dass dieses Schulter- stück völlig selbstständig und unabhängig von dem zweiten Schulter- stücke der Säuger, welches Scapula und Processus coracoideus umfasst, sich entwickele. Es wird aber dabei die noch nicht widerlegte Beobachtung Rathke’s vergessen, welche er gleicher- weise an Sauriern, Vögeln und Säugern machte, dass nämlich die Clavieula in Kontinuität mit der Scapula entstände, und sich wäh- rend der Knorpelbildung von ihr sondere (a. a.0.). Da ich diese Beobachtung an den Sauriern bestätigen, an den Cheloniern das mit der Scapula in Zusammenhang entstehende und bleibende vordere ventrale Schulterstück ebenfalls als Clavieula deuten konnte und endlich dasselbe an den Amphibien beweisen werde, so stehe ich nicht an, die Angabe Rathke’s als wohlbegründete anzusehen und für die ‚Säuger in Uebereinstimmung mit anderen Vertebraten anzunehmen, dass ihr gesammter Schultergürtel aus einem Stück hervorgeht, und die Absonderung der Clavicula eine sekundäre ist. Ihre eigenthümliche Verknöcherung kann einen Einwand dagegen nicht ergeben, da der bezügliche Unterschied an der Clavicula und dem Scapulo-Coraeoideum der Saurier noch grösser ist und diese Stücke anfangs doch unzweifelhaft in Konti- nuität stehen. Jene Verknöcherung der Clavieula verdient noch eine be- sondere Erwähnung. Bekanntlich hat Gegenbaur (a. a. O.) an dem menschlichen Schlüsselbeine die interessante Entdeckung ge- macht, dass dasselbe nicht, wie es Bruch annahm (a. a. O.), ein- fach als sekundärer Knochen entsteht, sondern in seiner ganzen Ausdehnung eine knorpelige Anlage besitzt, deren mittelster Theil frühzeitig, und später auch deren pheripherische Schicht direkt verknöchert, während die Seitentheile zum Theil in Mark ver- wandelt werden, theils das Längenwachsthum besorgen. Im Um- fange dieser Knorpelanlage entsteht noch eine periostale Verknö- cherung, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass sie anfangs eine Seite des Knorpels freilässt. Durch diese Entwickelung unter- scheidet sich die Clavicula des Menschen sowohl vom primären wie vom sekundären Knochen. Indem aber Gegenbaur die Clavieula der Amphibien und Saurier für eine direkte Knochen- bildung hält, musste ihm jene Bildung am Menschen als ein Uebergang von der ursprünglich direkten zur indirekten Ver- 560 Dr. A. Goette: knöcherung erscheinen. Ich halte aber aus den schon angeführten Gründen die Clavieula für einen ursprünglich knorpelig präfor- mirten Knochen, wie er sich noch bei den Cheloniern und Am- phibien zeigt, und muss daher jene Eigenthümlichkeit des mensch- lichen Schlüsselbeins ebenso für eine theilweise Rückbildung der Grundform erklären, wie die Saurier und Vögel eine solche in noch viel höherem Grade zeigen. Während nämlich in allen diesen Abtheilungen der Gegensatz einer periostalen Rindenschicht, welche anfänglich überall rinnenförmig zu verknöchern scheint, und eines nicht direkt verknöchernden centralen Stranges hervortritt, ist diese indirekte innere Verknöcherung in aufsteigender Reihe mehr oder weniger abgekürzt. Die Amphibien zeigen noch einen voll- kommenen inneren Knorpel, der gewöhnlich nur verkalkt, in einigen Fällen aber wie ein anderer primärer Knochen in Mark verwan- delt wird und einer inneren Knochenbildung Platz macht (s. u.); bei den Cheloniern findet nur das letztere statt. Der Knorpel findet sich noch bei den Säugern; bei Lepus und Talpa sah ich ihn vollkommen ausgebildet, bei ersterem Thier nur mit einer merkwürdig unregelmässigen Vertheilung der Zellen, während sich aussen ein sehr regelmässiges Periost mit den zwei schon bei den Vögeln beschriebenen Schichten befindet, dessen Grenzschicht gegen den Knorpel hin die ersten Kalkablagerungen zeigt (Fig. 26). In diesem Knorpel sah ich bei etwas älteren Maulwurfembryonen nur Markräume mit dünnen knöchernen Zwischenwänden, sodass dort die Verhältnisse wohl etwas anders liegen als beim Menschen. Bei letzterem aber fand Gegenbaur eine theilweise direkte Knorpel- verknöcherung, worin die erste Abkürzung des normalen Verlaufs der ursprünglichen primären Knochenbildung zu erkennen ist. Bei den Reptilien und Vögeln geht aber eine solche Abkürzung noch weiter, indem die Knorpelbildung ganz ausfällt, und das Grundgewebe durch unmittelbaren Uebergang in Markmasse die innere Verknöcherung vorbereitet. Von den morphologischen Verhältnissen des Schultergürtels der Säuger habe ich nur seine Betheiligung an der Bildung des Brustbeinapparats vermittelst des Episternalapparats hervor- zuheben, was ich mit der Bildungsgeschichte des eigentlichen Sternum verbinde. Auch für die letztere lag bisher nur die Notiz von Rathke vor (Nr. 26), der bei Schweinsembryonen jede Brustbeinhälite aus einem schmalen, 7 Rippen verbindenden Streifen Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 561 bestehend antraf, welche Hälften später von vorne her mit einan- der verwachsen. Nun habe ich aber an noch jüngeren Kaninchen- und Maulwurfembryonen erkannt, dass jener Streifen nicht aus einer selbstständigen Anlage hervorgeht, sondern aus den zum Theil verbreiterten und mit einander verschmoizenen Enden der ursprünglichen Rippenanlagen (Fig. 24, 25, 27). Die Verbreiterung habe ieh namentlich an der 1. und später der 7. Rippe der Kaninchen- embryonen deutlich gesehen; auch tritt die Verwachsung nicht gleichzeitig an allen Rippen ein, sondern sie schliessen sich ebenso wie bei den Sauriern von vorn nach hinten sucecessiv an einander an: die jüngsten von mir untersuchten Maulwurfembryonen zeigen nur zwei Rippenpaare, deren nach vorn umgebogene Enden sich jederseits berührten, die jüngeren Kaninchenembryonen jederseits erst 5 zur Anlage des Sternum verbundene Rippenenden. Die beiden Brustbeinhäliten vereinigen sich alsdann so wie es Rathke angab (Fig. 25, 28), wozu ich noch bemerke, dass der Processus xiphoideus nicht etwa selbstständig sich entwickelt, sondern aus einem allmählich hervorwachsenden hinteren Zipfel der Sternalhälite hervorgeht, also den frei auslaufenden Brustbeinhörnern, z. B. der Krokodile entspricht (Fig. 25). Die Abgliederung der unverän- derten Rippentheile vom Sternum tritt nicht an allen gleichzeitig ein und wird durch eine merkliche Einschnürung an der Ueber- gangsstelle eingeleitet. Damit ist aber die Bildung des Sternum nicht abgethan; in dieselbe geht am Vorderrande desselben, also an dem als Manu- brium bezeichneten Stücke, ein Theil des Schultergürtels ein. Ich habe die erste Mittheilung darüber in meiner Entwickelungs- geschichte der Unke gemacht, wo ich angab, dass das Manubrium von Talpa aus der Verwachsung der sternalen!) Enden der Schlüsselbeine hervorgeht, sodass man eine solche Abgliederung des Schultergürtels als klavikulares Brustbein von dem eigentlichen kostalen zu unterscheiden hätte (Nr. 15 S. 618, 619). Wie sich gleich ergeben wird, habe ich mich bei der schwierigen Unter- suchung so zarter Embryonen in einem Punkte geirrt, obgleich die Betheiligung des Schultergürtels an der Brustbeinbildung ganz richtig ist. Die erste bezügliche Entwiekelungsstufe des 1) An der betreffenden Stelle ist ein Druckfehler stehen geblieben: „vertebrale‘ statt „ventrale“. 562 Dr. A. Goette: Maulwurfis zeigt uns die noch relativ schlanken und noch nicht knorpeligen Sehlüsselbeinanlagen in der Medianebene zusammen- gestossen, von welcher Stelle an ihre Fortsetzungen rückwärts nebeneinander hinlaufen, durch eine zarte, aber deutliche Grenz- linie von einander geschieden, wenngleich ihre Verschmelzung be- reits eingeleitet sein mag(Fig. 27). Vollendet wird die letztere erst viel später, da jene Grenzlinie auf der gleich zu erwähnenden älteren Entwiekelungsstufe noch deutlich besteht. Dort wo die queren Schlüsselbeinanlagen an die sagittal verlaufenden Fortsetzungen angrenzen, zeigt sich jederseits eine Einschnürung, welche den queren Theil oder das eigentliche Schlüsselbein von jener Fort- setzung schon zu jener frühen Zeit deutlich absondert; das aus beiden Fortsetzungen zusammengesetzte, also paarig angelegte Verbindungsstück der Schlüsselbeine ist ganz vorn am breitesten und verschmälert sich allmählich bis zur abgerundeten hinteren Spitze. Diese ruhtnun ventral über der Lücke zwischen den nach vorn umgebogenen Enden des ersten Rippenpaares. An ziemlich älteren Maulwurfembryonen waren die beschriebenen Theile bereits in embryonalen Knorpel verwandelt (Fig. 28). Die Schlüsselbeine waren kürzer aber dieker geworden und bereits von ihren medialen Fortsetzungen oder ihrem Verbindungsstück abgegliedert. Das letztere war in drei Stücke zerfallen, nämlich ein dolchförmiges medianes Hauptstück, welches die Doppelanlage noch erkennen liess, und zwei kleine runde Seitenstücke, welche sich vom Vor- derende der ganzen Anlage so abgegliedert hatten, dass jenes Hauptstück zugespitzt zwischen ihnen auslief und sie selbst den Zwischenraum zwischen ihm und den Schlüsselbeinen ausfüllten. Aus diesen Formverhältnissen geht auch klar hervor, dass alle drei Stücke wirklich aus dem gegen die Schlüsselbeine durch Ein- schnürung abgesonderten ursprünglichen Verbindungsstücke der- selben hervorgingen; denn das letztere war gerade vorne am brei- testen, um sich rückwärts zu verjüngen, und das spätere Mittel- stück beginnt vorn mit einer Spitze, an welcher die Seitenstücke anliegen, um erst hinter den letzteren sich plötzlich zu verbreitern, sodass erst alle drei zusammengenommen die Gestalt der früheren Anlage wiederholen. Da nun die Abgliederung dieser ihrer ge- meinsamen Anlage von den Schlüsselbeinen früher eingeleitet wird als diejenige der genannten drei Stücke voneinander, so scheint mir daraus die engere Zusammengehörigkeit der letzteren er- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 563 wiesen. Das vordere Drittheil des Mittelstücks liegt vor dem indess gebildeten Sternum, die zwei übrigen Dritttheile bedecken aber von unten her die Fuge der beiden zusammengestossenen und von den übrigen Rippentheilen bereits abgegliederten Brust- beinhälften. Die runden Vorderenden der letzteren oder die Enden des ersten ursprünglichen Rippenpaares (Fig. 27, 28) ragen seitlich besonders weit unter jenem Mittelstüek hervor und scheinen in die Seitenflügel des künftigen Manubrium sterni überzugehen. Denn dass das bezeichnete Mittelstück und der von ihm bis zur zwei- ten Rippe bedeckte Sternalabschnitt nach ihrer Verschmel- zung das Manubrium darstellen, so zwar, dass ersteres das ganze vordere Drittheil mit der Knorpelspitze (vgl. Nr. 10 S. 186) und weiterhin den kielartig vorspringenden Mitteltheil des Manubrium bildet, brauche ich kaum noch zu erwähnen. Die zwei vorderen Seitenstücke aber, welche später etwas nach innen rücken und die Verbindung der Schlüsselbeine mit dem Manubrium vermitteln, sind die von Gegenbaur beschriebenen seitlichen Episterna (Nr. 10 S. 185). Jetzt wird es wohl keine Schwierigkeiten haben zu über- sehen, wie weit meine ersten Angaben über den eben beschriebenen Entwickelungsverlauf irrig waren. Richtig daran war, dass eine kontinuirliche Fortsetzung der Schlüsselbeine sich von diesen ab- gliedert und in drei nach ihrer Entstehung zusammengehörige Stücke zerfälllt, dass von diesen die beiden Seitenstücke die Epi- sterna Gegenbaur's sind und das mittlere Hauptstück in die Zusammensetzung des Brustbeins eingeht; falsch dagegen war die Behauptung, dass dieses klavikulare Abgliederungsprodukt das ganze Manubrium statt nur den nach Masse grösseren Theil des- selben herstellt. Dass dieser Irrthum aber keinen Kardinalpumkt betrifft, geht daraus hervor, dass ich die aus meinen früheren Beobachtungen gezogenen allgemeinen Schlüsse ihrem wesentlichen Inhalte nach aufrecht erhalten kann; denn nach den obigen Mitthei- lungen besitzt Talpa in der That sowie andere Säuger (s. u.) neben einem kostalen Brustbein einen klavikularen Brustbeintheil, welcher den grösseren Theil des verknöchernden Manubrium (nicht das ganze Manubrium, wie ich früher sagte) bildet und zu dem auch die zwei kleineren, knorpelig bleibenden Seitenstücke (Episterna Gegenbaur’s) gehören. Dies wird noch klarer, wenn wir die Homologa dieser drei Stücke 564 Dr. A. Goette: bei anderen Vertebraten aufsuchen. Nach Ursprung und Lagebe- ziehungen entsprechen sie zweifellos den Episternalapparaten der Saurier und Vögel, welche ebenfalls als ursprünglich paarige kla- vikulare Abgliederungsprodukte die Verbindung der Schlüsselbeine mit dem Sternum vermitteln und zum Theil in den Bestand des letzteren eingehen. Bei den Sauriern verschmelzen beide Hälften der Episternalanlage zu einem einzigen Skelettheil, aber mit wohl unterscheidbaren mittlerem Hauptstück und vorderen klavikularen Seitentheilen; bei den Vögeln zerfällt der ganze Apparat in zwei histiologisch verschiedene, hintereinander liegende Abschnitte, einen hinteren sternalen, die Crista sterni, welcher knorpelig und knöchern wird, und einen vorderen ligamentösen, welcher die ursprünglich gleichfalls getrennten klavikularen Endstücke des Episternum dar- stellt. Bei Talpa finden wir nun denselben Apparat in ein me- dianes, mit dem Sternum verbundenes Hauptstück und zwei vor- dere kleinere Seitenstücke gegliedert, welche weiterhin durch den Mangel einer Verknöcherung von dem ersteren sich histiologisch abweichend verhalten. Finden wir das einheitliche Episternum der Saurier in der Crista sterni und dem Sterno-Klavikularliga- ment der Vögel wieder, so müssen wir es ebenso in den drei ge- nannten Stücken von Talpa wiedererkennen. Ins Einzelne ein- gehend können wir das Homologon des Manubrium von Talpa bei den Sauriern sogar bestimmter abgrenzen als bei den Vögeln. Es entspricht nicht etwanur der Brustbeinplatte ') mit der damit nicht sel- ten ganz verschmolzenen hinteren Episternalhälfte der Saurier, sondern seinreinepisternalesVorderende, bis zuder zwischen den Seitenstücken vorragenden Spitze, stellt ganz zweifellos die vor dem eigentlichen Sternum gelegene Hälfte des episternalen Mittelstücks bei den Sauriern dar (vgl. Fig. 5 und 28). Das Manubrium von Talpa ist also homolog der Sternalplatte sammt dem ganzen medianen Hauptstück vom Episternum der Saurier, sodass die episternalen Seitenstücke von Talpa (Episterna Gegenbaur’s) lediglich den Seitenästen des letzteren entsprächen; jenes Manubrium ent- hält also auch vergleichsweise den Haupttheil des Episternalapparats. 1) Die Brustbeinplatte der Saurier nimmt gewöhnlich, aber nicht immer (schlangenähnliche Saurier), mehr Rippen auf als das Manubrium von Talpa, dies kann aber die allgemeinen hier untersuchten Homologien nicht stören. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 565 Somit kann ich meine früheren Mittheilungen über die Be- ziehungen der Schlüsselbeine und des Brustbeins bei Talpa im wesentlichen bestätigen. Gegenbaur hat freilich dieselben, weil eine nähere Beschreibung des Thatbestandes fehlte, als „leere Be- hauptungen“ bezeichnet, welche dadurch nichts gewinnen, „dass man sie wiederholt“ (Nr. 13 S. 316, 317). Ich glaube aber nicht, dass sich jetzt diesem Urtheil der Vorwurf mindestens der Voreiligkeit wird ersparen lassen. Denn jene meine aphoristische Angabe erweist sich trotz des darin enthaltenen Irrthums immer noch weit begründe- ter als die auf ausgedehnte Untersuchungen über den Episternalappa- rat der Säugergestützte Ansicht Gegenbaur's, der den letzteren über- haupt für eine selbstständige, von den Schlüsselbeinen wie vom Brust- bein genetisch gleich unabhängige Bildung hält und bei Talpa ins- besondere nur in den Seitenstücken und der winzigen Knorpel- spitze das Manubrium dargestellt findet (Nr. 10 S. 186, Nr. 11 8. 23), auch es ausdrücklich für undenkbar erklärt, die Crista des Manu- brium von Talpa mit einem Episternum in Beziehung zu bringen (Nr. 11 S. 50 Anm.). Was ich aber bei Sauriern und Vögeln nach- wies, bestätigt sich auch beim Maulwurf: der Episternalapparat entwickelt sich aus den medialen Enden der Schlüsselbeinanlagen und vermittelt theils die Verbindung der Schlüsselbeine mit dem Sternum (Seitentheile), theils geht er in die anatomische Zusammen- setzung desselben ein (Mitteltheil), so zwar, dass die Crista manubrii derjenigen der Vögel homolog ist. Dieses Verhalten des Epister- num ist aber nicht etwa auf Talpa beschränkt, sondern wiederholt sich im allgemeinen auch bei anderen Säugern. Gegenbaur hat am Episternum von Didelphis und Dasyurus ausser den Seiten- theilen ein ansehnliches Mittelstück gefunden, welches vor dem Manubrium gelegen, zuletzt vollständig mit demselben verschmilzt (Nr. 11 8. 18); ich finde aber an jungen Didelphis guica (11/—2 Ctm. 1.), dass jenes Mittelstück ein wenig unter das Manubrium geschoben sich wie bei Talpa an dessen Bauchseite befestigt. Ferner habe ich noch zwei ziemlich entgegengesetzte Bildungszustände jenes Apparats anzuführen, nämlich bei Lepus euniculus, an welchem wenigstens das sonst als Haupttheil erscheinende Mittelstück ver- schwindet, und bei den Monotremen, bei welchen das ganze Episternum die grösste Entwickelung unter den Säugern erlangt. An den jungen Kaninchenembryonen, deren Brustbeinhäliten noch einfach aus den verschmolzenen, nicht abgegliederten fünf 566 Dr. A. Goette: Rippenenden bestanden, waren die beiden Schlüsselbeinanlagen in einen kontinuirlichen Bogen zusammengeflossen, an welchem keine medialen nach hinten gerichteten Fortsätze und keinerlei Verbin- dungen mit den dahinter liegenden Brustbeinanlagen zu sehen waren (Fig. 24). Eine Episternalanlage war daher noch nicht zu unterscheiden. An den älteren Embryonen war jener Bogen in die beiden Schlüsselbeine gesondert, welche einen geschwungenen Ver- lauf, etwas angeschwollene Enden und in der Mitte auch schon eine periostale Verknöcherung um ihre knorpelige Axe zeigten (Fig. 25). Ihre etwas rückwärts gekrümmten sternalen Enden waren scheinbar unmittelbar an der Bauchseite des bereits angelegten Manubrium befestigt; es bedurfte aber keines starken Zuges, um sie davon abzulösen, wobei sie aber nicht getrennt, sondern durch eine ziemlich breite, bandartige Brücke verbunden blieben, durch welche sie eben in der angegebenen Weise am Sternum befestigt gewesen waren. Diese Gewebsbrücke mit den umgebogenen Enden der Schlüsselbeinanlagen ist nın sowohl nach Ursprung wie nach dem späteren Verhalten die Anlage des Episternalapparats. Sein Mittelstück oder jene Brücke wird aber schon auf den nächsten Entwickelungsstufen unkenntlich, wahrscheinlich indem es sich dem Perichondrium des Manubrium assimilirt. Die Seitentheile oder die umgebogenen Schlüsselbeinfortsätze strecken sich aber in dem Masse als die eigentlichen Schlüsselbeine im Wachsthum relativ zurückbleiben und ihre medialen Enden daher sich von dem Ster- num entfernen; es ist derselbe Entwickelungsprocess, welcher bei den Vögeln das Sterno-Klavikularligament erzeugt. Auch verwan- deln sich jene episternalen Seitentheile von Lepus bekanntlich zum grösseren Theil in Bandmasse und enthalten nur ein unansehn- liches Knorpelstück (Nr. 10 S. 183, 184, Nr. 22 Taf. XXV), ob- gleich sie in der Fötalperiode durchweg knorpelähnlich erscheinen. Es fehlt also das beide Seitentheile verbindende Mittelstück des Episternum bei Lepus nieht vollständig, sondern bildet sich nur im Laufe der Ontogenese völlig zurück. Ein ganz anderes Verhalten treffen wir bei den Monotremen, deren mächtiges knöchernes Episternum längst bekannt ist (vgl. Pfeiffer Nr. 23 S. 16—18). Es besteht aus einem breiten und platten Mitteltheile, welcher vorn wie bei den Sauriern in zwei die Schlüsselbeine tragende Seitenäste ausläuft (Fig. 29). Eine Schwierigkeit beim Vergleich dieses Episternum sowie überhaupt Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 567 der Episternalbildungen der Säuger mit denen der Saurier sah Gegenbaur in der verschiedenen Lage, indem die ersteren stets vor dem Sternum lägen, die anderen aber mit der hinteren Hälite auf der Bauchfläche des Sternum befestigt wären (Nr. 11 S, 49). Diese Verschiedenheit ist aber bezüglich der Monotremen ebenso scheinbar wie bezüglich des Maulwurfs und des Kaninchens, bei welchen das Mittelstück des Episternum den Vordertheil des kostalen Sternum anfangs von unten her bedeckte, um erst später mit demselben zu verschmelzen oder durch Rückbildung unkennt- lich zu werden. Parker hat nämlich an einer sehr jungen Echidna hystrix gefunden, dass das knorpelige Vorderende des kostalen Ster- num sich vor dem Ansatz des ersten Rippenpaares zu einer schildförmigen Platte erweitert, welche von der hinteren Hälfte des noch schlanken Episternum überlagert wird (Nr. 22 S. 193, Tai. XVII), sodass man durchaus das von den Sauriern her bekannte Bild vor sich sieht (vgl. Fig. 30). Später bleibt dieser vom Epi- sternum verdeckte Theil des Sternum knorpelig und dünn und sondert sich von dem hinteren, das 1. Rippenpaar tragenden, diekeren und (wie ich bei Ornithorynchus zu sehen glaube) ver- kalkenden Brustbeinstücke soweit ab, dass dieses allein als das vollständig hinter dem Episternum liegende „Manubrium“ er- scheint, während jene dünne Knorpellamelle nur in den seitlichen Lücken zwischen den beiden letztgenannten Theilen in Form eines Ligaments zu Tage tritt (vgl. Fig. 29), unter dem Episternum aber, wie ich es an einem mir vorliegenden Skelet sehe, sich wie eine eingetrocknete Bandmasse ausnimmt. Diese Rückbildung des vom Episternum überlagerten Theils vom kostalen Sternum erklärt die eben bezeichnete Täuschung, verleiht aber zugleich den Mono- tremen eine ganz besondere Eigenthümlichkeit ihrer betreffenden Skelettheile, die sich am besten aus dem Vergleiche, z. B. mit Talpa ergibt!) (vgl. Fig. 28, 30). Das Manubrium des Maulwuris besteht 1. aus dem ganzen medianen Hauptstück des Episternal- apparats, 2. aus dem vordersten Abschnitte des kostalen Sternum. Das Homologon dieses Manubrium ist also bei den Monotremen enthalten in 1. der ganzen medianen Episternalplatte und 2. dem zum Theil davon verdeckten und rückgebildeten Sternaltheil, wozu 1) Parker selbst hat die betreffenden Unterschiede und Homologien nicht weiter erörtert. 568 Dr. A. Goette: man auch das das 1. Rippenpaar tragende Stück oder das bisher sogenannte Manubrium hinzurechnen kann. Kurz — während man in dem Manubrium von Talpa und wohl auch anderer Säuger nur einen kostalen Brustbeinabschnitt erblickte, weil das darin im fer- tigen Zustande spurlos aufgegangene Episternum unbekannt blieb, übersah man im eigentlichen Homologon desselben bei den Mono- tremen den rudimentären Theil des kostalen Sternum und hielt das Episternum für ein vor dem vermeintlich „zweifellosen“ Ma- nubrium liegendes Stück. Fand daher Gegenbaur gerade in den Monotremen ein besonders gutes Zeugniss dafür, dass das Episternum der Säuger lediglich vor dem Sternum liege (Nr. 13 S. 318), so müssen wir jetzt den Schluss gerade umkehren: die Monotremen sowie die anderen hier in nähere Untersuchung gezogenen For- men (Talpa, Lepus, Didelphis) beweisen, dass das Episternum der Säuger, mag es in einzelne Stücke zerfallen oder nicht, und mag es in seinem mittleren Hauptstück noch so sehr redueirt sein (Lepus), dieselben Verbindungen mit dem Brustbein eingeht wie dasjenige der Saurier und Vögel. Aus seiner Entwickelungsgeschichte bei Talpa und Lepus ist ferner erwiesen, dass es dieselben genetischen Beziehungen zu den Schlüsselbeinen hat wie bei jenen Vertebraten. Steht dies aber für die genannten Säugethiere fest, so darf man wohl mit einiger Sicherheit annehmen, dass dasselbe sich aus der Ontogenie auch für die übrigen Säuger ergeben wird, bei denen die episternalen Mittelstücke im fertigen Zustande entweder ver- misst oder scheinbar nur vor dem Sternum angetroffen wer- den. In Anbetracht dessen also, dass der anatomische Be- sriff des Sternum bei den Säugern ebenso wie bei den Vögeln ausser den kostalen Theilen noch einen Abschnitt des Episternalapparats umfasst, welcher sowohl an und für sich (Talpa) wie auch im Vergleich mit den Vögeln und Sauriern als Hauptstück desselben bezeichnet werden darf, erscheint es mir passender die übrigen theils abgegliederten, theils aber auch mit dem Manubrium noch zusammenhängenden oder selbst verschmel- zenden Episternaltheile nicht als besonderen Apparat aufzufassen, sondern zum gesammten Brustbeinapparate hinzuzuziehen. Bezüglich der Histiologie der Episternalbildungen der Säuger ist allerdings zu beachten, dass sie durch ihre knorpelige, liga- ınentöse oder primär knöcherne Beschaffenheit sich von dem rein knöchern angelegten Episternum der Saurier unterscheiden. Die Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 569 Schwierigkeiten, die sich daraus für die Homologie dieser beiden Episternalapparate ergeben könnten (vgl. Gegenbaur Nr. 11 S. 49), werden aber durch den Hinweis auf die Vögel beseitigt, welche trotz ihres im allgemeinen unzweifelhaft engen Anschlusses an die Saurier sich von ihnen hinsichtlich des Episternum ebenso unterscheiden wie die Säuger. Bei diesem offenbaren Wechsel des episternalen Gewebes kann einmal dem gleichen Unterschied zwischen Säugern und Sauriern nicht mehr die frühere Bedeutung zugeschrieben werden und muss ferner das Postulat histiologischer Gleichartigkeit in homologen Skelettheilen eingeschränkt werden. Um so wahrscheinlicher wird also jetzt die bereits begründete Annahme, dass der Episternalapparat der Saurier, sowie er bei den Vögeln sich wieder in einen knorpelig präformirten verwan- delt, selbst aus einem solchen hervorging!). Auch hier will ich zum Schluss die Hauptergebnisse meiner Untersuchung zusammenstellen. I. Schultergürtel. 1. Der Schultergürtel der Säuger entsteht jederseits aus einem Stück, welches sich frühzeitig in zwei Hauptabschnitte sondert: die Scapula mit dem Processus coracoideus und die Clavieula mit ihrer episternalen Fortsetzung. Ausnahmsweise bildet sich diese Absonderung wieder zurück, indem die Clavicula mit dem Acromion oder Processus coracoideus verwächst (Faulthiere). 2. Die Verbindung beider Schultergürtelhäliten erfolgt ver- mittelst des Episternalapparats, während die rudimentären Cora- coidea das Brustbein nicht erreichen. Eine Ausnahme davon bilden die Monotremen mit ihren dem Sternum angefügten und mit grossen Epicoracoidea versehenen Korakoidstücken. Ebenso kann jene erstgenannte Verbindung durch Rückbildung der Schlüsselbein- anlagen wieder aufgehoben werden (Hufthiere, Carnivoren u. s. w.) 3. Die Verknöcherung der Clavieula ist eine indirekte, indem l) Gegenbaur selbst erwähnt an einem andern Ort (Nr. 12 S. 629) die Möglichkeit, dass der sekundär knöcherne Episternalapparat der Reptilien durch Rückbildung aus einem knorpelig präformirtem hervorging. Doch lägen zu einer bestimmteren Aeusserung noch keine Thatsachen vor. Die oben mitgetheilte Entwickelungsgeschichte desselben und die bezüglichen Vergleiche mit den anderen Vertebraten scheinen mir jene unbestimmte Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit zu erheben. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 14. 37 570 Dr. A. Goette: ihr überall ein eentraler Knorpel zu Grunde liegt. :Derselbe kann entweder theils unmittelbar verknöchern, theils durch primären Knochen ersetzt werden (Homo nach Gegenbaur), oder es findet nur das letztere statt (Talpa). Ueberall tritt dazu eine periostale Knochenröhre. U. Brustbeinapparat. 4. Das Brustbein der Säuger setzt sich in der Regel wie dasjenige der Vögel aus zwei genetisch verschiedenen Anlagen zusammen, den kostalen Abgliederungen und dem Hauptstück des Episternalapparats; es ist daher gerechtfertigt, die abgesonderten Episternalstücke ebenfalls zum Brustbeinapparate hinzuzurechnen. 5. Das kostale Brustbein entsteht mit zwei getrennten Hälften; jede derselben stellt unmittelbare, etwas verbreiterte Fortsetzungen der Rippen ihrer Seite dar, welche successiv von vorn nach hinten mit einander zu einem Streifen verschmelzen. Beide Streifen ver- einigen sich in der Medianlinie ebenfalls von vorne nach hinten fortschreitend. 6. Die gleichfalls paarigen Anlagen des Episternalapparats fliessen viel früher als diejenigen des Sternum zusammen und gliedern sich alsbald in ein mittleres Hauptstück und zwei vordere Seitenstücke. Jenes überlagert entweder ganz (Lepus) oder mit seinem grösseren oder geringeren Theile (Talpa, Monotremen) das Vorderende des kostalen Sternum; die Seitenstücke vermitteln die Verbindung mit den Schlüsselbeinen. Das Mittelstück verschmilzt mit dem kostalen Sternum entweder nicht, wie bei den Monotremen (wobei der überdeckte Theil des kostalen Sternum sich zurück- bildet), oder völlig (Lepus und Talpa, die Beutelratten, einige Nager und Carnivoren nach Gegenbaur) oder endlich nur theil- weise (einige Nager, Bradypus u. s. w.) 2. Die Amphibien. Der ausgebildete Schultergürtel und Brustbeinapparat der Amphibien bietet so eigenthümliche Form- und Lagebeziehungen seiner Theile dar, dass manche derselben, man mochte sie deuten wie man wollte, mit Bezug auf die Amnioten stets nicht unerheb- liche Abweichungen ergaben. Ich nenne z. B. die Clavicula, welche Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 571 weder in dem Sinne von Cuvier, noch in demjenigen von Ecker- Gegenbaur ganz selbstständig und mit den medialen Verbindungen anderer Schlüsselbeine erscheint; das Episternum, welches nur vor den Schlüsselbeinen liegt; die verschiedenen als Sternum ge- deuteten Theile, welche sämmtlich zu keiner Zeit irgend welche Beziehungen zu Rippen offenbaren u. s. w. Auch die Entwicke- lungsgesehiehte, von welcher man in solchen Fällen mit Recht bessere Aufschlüsse erwartet, hat bisher wesentlich nur die That- sachen bestätigt, welche man aus dem fertigen Zustande der Theile entnehmen konnte. Aber allerdings geschah dies, wie sich gleich zeigen wird, nur desshalb, weil man sich mit ihr nicht ebenso eingehend beschäftigte wie mit der anatomischen Untersuchung. Nachdem uns aber die Entwickelungsgeschichte schon bei den Amnioten in mehrfacher Hinsicht ein besseres Verständniss der fertigen Formen eröffnete, hoffe ich dureh die an Amphibienlarven gewonnenen neuen Ergebnisse auch die Schultergürtel und Brust- beinapparate dieser Klasse in grössere Uebereinstimmung mit denjenigen der Amnioten bringen zu können. Ich beginne mit den Anuren, weil der Anschluss an die höheren Vertebraten be- züglich jener Skelettheile mit Recht zunächst in dieser Ordnung gesucht wird. a. Anura. Duges, Gegenbaur und Parker stimmen darin überein, dass der Schultergürtel der Anuren in seinem frühesten Zustande aus zwei getrennten Hälften bestehe, von denen jede eine zusammen- hängende knorpelige Platte sei, mit einem festen dorsalen und einem durchbrochenen ventralen Theil, welcher letztere eben den bekannten, vielgedeuteten Rahmen der erwachsenen Thiere dar- stellt (Nr. 5 S. 113, Nr. 11 8. 54, Nr. 22 S. 79). Ich selbst habe bei meinen früheren Untersuchungen keine anderen Ergebnisse gehabt. Solche fanden sieh aber, als ich mit diesem Gegenstande mich eingehender zu beschäftigen veranlasst war. Wenn die beiden weit getrennten Hälften des Schulter- gürtels der Froschlarven (Rana esculenta) noch völlig aus in- differentem embryonalen Bildungsgewebe bestehen, zeigen sie die oben bezeichnete Gestalt noch nicht (Fig. 34). Der ausserordent- lich überwiegende Haupttheil jeder Hälfte ist die ziemlich lang- gezogene und dorsalwärts verbreiterte Skapularplatte. Gerade vor 572 Dr. A. Goette: dem Sehultergelenk setzt sie sich kontinuirlich in einen noch relativ kurzen und annähernd eylindrischen Ast fort, welcher nach vorn konvex gebogen, medianwärts frei endet; an dem medialen. Umfange desselben Gelenks, aber mit dem ersteren Ast nicht un- mittelbar zusammenhängend, entspringt ein zweiter querer Ast, ohngefähr von derselben Stärke und Länge wie jener, nur umge- kehrt gebogen und gegen das gleichfalls freie Ende ein wenig verbreitert. Diese beiden Aeste ergeben also das Bild einer offenen Zange. Auf einer späteren Entwickelungsstufe, wann der Schulter- gürtel bereits knorpelig geworden ist, traf ich beide Aeste noch mit freien Enden aber doch veränderter Gestalt und verändertem Zusammenhang (Fig. 55). Der vordere Ast war allerdings wesent- lich nur länger und schlanker geworden; der hintere Ast hatte aber unter gleichzeitiger Abplattung ansehnlich an Breite zuge- nommen, namentlich gegen die beiden Enden hin, so dass seine Wurzel nach vorn mit derjenigen des vorderen Astes zusammen- geflossen und die Vorderecke seines beilförmigen freien Endes der Spitze des vorderen Astes sehr nahe gekommen war. Bald darauf fand dort die Verbindung beider statt, indem jene Ecke sich etwas medianwärts vor den vorderen Ast schiebt und darauf mit ihm verschmilzt (Fig. 36); und dann erst war der geschlossene längliche Rahmen mit dem schwächeren vorderen und breiteren hinteren Theil fertig. Dieser Thatbestand von der Entstehung des Rahmens ge- stattet bereits einige wichtige Folgerungen. Schon Meckel und Dug£s verglichen diesen Rahmen mit dem durchbrochenen Scapulo- Coracoideum der Blindschleiche (Nr. 20 U. 1. S. 445, Nr. 5 S. 67); Gegenbaur hält ihn ebenfalls für das Homologon der mit einem Hauptienster versehenen Korakoidplatte der Saurier und nennt daher den vorderen Skehenel Procoracoideum, den hinteren Coracoideum (Nr. 11 S. 58, 59); auch Parker bedient sich derselben Namen bei Amphibien und Sauriern (Nr. 22 S. 79 und ff.). Diese Vergleiche lassen sich aber nicht mehr aufrecht erhalten, sobald wir auf die Entwickelung der bezüglichen Rahmen zurückgreifen, sowie ich sie eben von den Anuren und weiter oben von den Sauriern mittheilte. Bei den ersteren sind es zwei völlig getrennte Aeste der Scapula, deren freie Enden sich später ver- binden und so einen Rahmen herstellen; bei den Sauriern ist es eine plattenförmige Fortsetzung der Scapula, welche nicht selten Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 573 undurehbrochen bleibt (Hatteria, Chamaeleo, Amphisbaenida u. s. w.) und nur in der Regel durch sekundäre histiologische Differenzirung ein bis zwei Fenster und so eine bloss äusserliche Aehnlichkeit mit jener Bildung der Amphibien enthält. Und diese Aehn- liehkeit ist im Grunde genommen sogar nur scheinbar, indem die Membranae obturatoriae der Korakoidienster der Saurier eigentlich Theile der ganzen Skeletanlage („modifieirte Skelet- theile*) sind, also die durchbrochenen Korakoidplatten den un- durchbrochenen morphologisch durchaus gleichstehen, welche letz- teren aber, trotzdem sie die ursprünglichere Form darstellen, den Vergleich mit jenen Skeletrahmen der Anuren erst recht nicht aushalten. Wenn wir ferner berücksichtigen, dass die beiden Skapularäste der Anuren bei den Urodelen unverbunden, also bei der Hälfte der Amphibien im ursprünglichen Zustande erhalten bleiben, so darf man sagen, dass nur die abgeleiteten, sekundären Formen des Schultergürtels der Amphibien und Saurier (Anura, die meisten typischen Saurier) jene äusserliche Aehnlichkeit be- sitzen, während gerade die ursprünglicheren Formen in beiden Abtheilungen jede Aehnlichkeit zwischen der gabeligen ventralen Schultergürtelhälfte der Urodelen und der geschlossenen Korakoid- platte z. B. der Hatteria vermissen lassen. Dagegen lässt sich nicht verkennen, dass der hintere, allmählich plattenförmig aus- wachsende Skapularast der Amphibien für sich allein den gleichen - Ursprung, die gleiche Lage und Verbindung mit dem Schulterblatt aufweist wie die gesammte Korakoidplatte der Reptilien und Am- nioten überhaupt, mag dieselbe nun sekundär durchbrochen sein oder nicht; wir sehen ferner auch in jenem hinteren Skapularast der Amphibien später die Sonderung eines lateralen knöchernen und eines knorpelig bleibenden medialen Theiles eintreten, so dass wir diese Theile mit dem knöchernen Coracoideum und dem knorpeligen Epicoracoideum der Reptilien sicher ver- gleiehen und sie ebenso bezeichnen können. Dabei mache ich darauf aufmerksam, dass, wie ieh sehon in der Beschreibung her- vorhob, die Spitze des noch freien vorderen Astes bei den Anuren unverändert bleibt, bis sie ein wenig medianwärts von der Vorder- ecke des hinteren Astes erreicht wird (Fig. 35, 36), welcher folg- lich den gesammten medialen Knorpelrand am vollendeten Rahmen allein bildet; dieser Rand kann daher in seiner ganzen Ausdeh- nung bis zum vorderen Aste den Namen Epicoracoideum füglich 574 Dr. A. Goette: behalten, gerade weil der vordere Ast an seiner Bildung nicht betheiligt ist. Indem ich so in der Bezeichnung des Coracoideum und Epieoracoideum der Anuren mit den meisten meiner Vor- gänger zum Theil oder ganz übereinstimme, glaube ich doch auf einen Unterschied in der Deutung hinweisen zu müssen. Cora- coideum und Epicoraeoideum sind die knöcherne und die knorpelige Hälfte einer einheitlichen Bildung, der ganzen Korakoidplatte; diese Korakoidplatte der Amphibien ist also nach meiner Ansicht homolog der ganzen Korakoidplatte aller Amnioten, während nach der Auffassung von Gegenbaur, Parker, Huxley die Korakoid- platte der Saurier noch ein besonderes Stück, eben das Procora- coideum enthalten soll, dessen Homologon eventuell ausserhalb der Korakoidplatte anderer Vertebraten, zunächst also der Am- phibien gesucht werden müsste. Ich habe aber gezeigt, dass jenes sogenannte Procoracoideum der Saurier nur ein sehr un- selbstständiger und untergeordneter Theil der einheitlichen Kora- koidplatte ist, welcher bei dem nicht seltenen Mangel der Fenster- bildung aus dem ungesonderten ursprüngliehen Zustande über- haupt nicht hervortritt, wesshalb der ihm entsprechende Theil bei den Amphibien ebenfalls nur in dem undurchbrochenen Co- racoideum enthalten sein muss. Nach der eben ausgeführten Vergleichung ist der vordere Ast des Schultergürtels der Anuren weder im Ganzen noch zum Theil mit irgend einem Abschnitt der Korakoidplatte der Amnioten vergleichbar, muss also entweder ausserhalb derselben ein Homologon finden oder ein besonderes, nur den Anuren oder den Amphibien überhaupt eigenthümliches Gebilde sein. Konnte aber das Coracoideum bereits nach den jüngeren Entwiekelungs- zuständen gedeutet werden, weil es alsdann seine definitive Bil- dung im wesentlichen schon erreicht hat, so gilt dies nieht in gleicher Weise für den vorderen Ast, dessen Entwickelungsgeschichte weniger einfach ist. Bei der Knorpelbildung im Innern beider noch getrennter Aeste bleibt an ihrer Oberfläche eine relativ dicke, weiche Perichondralschicht zurück, aber in ungleicher Mächtigkeit: am Coracoideum ist sie in der Mitte seiner Länge überhaupt und insbesondere an seinen beiden langen Rändern, am vorderen Aste längs des Vorderrandes am dieksten (Fig. 34, 35). Ich bemerke noch ausdrücklich, dass irgend eine Absonderung ihrer oberfläch- lichen Lagen am vorderen Aste nicht vorhanden ist. In dieser Beiträge z. vergleich. Morphologie .d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 575 Schieht beginnt alsbald eine Verknöcherung in ähnlicher Weise wie ich sie vom periostalen Schlüsselbeinknochen der Saurier und Vögel schilderte; am Coracoideum umschliesst sie den Knorpel sofort allseitig, am vorderen Ast aber erstreckt sie sich nur auf den Vorderrand und die ventrale Seite, umgiebt also den Knorpel nur rinnenförmig und läuft medianwärts sogar platt an seiner Bauchseite aus (Fig. 36, 47, 48). Dass wir es am Coracoideum mit einem gewöhnlichen Periostalknochen zu thun haben, wird von keiner Seite bezweifelt, insbesondere da der eingeschlossene Knorpel bald darauf in der bekannten Weise durch Verkalkung, Auflösung in Markmasse und durch die Herstellung von neuer Knochensubstanz sich an der Ossifikation des ganzen Skeletstücks betheiligt, also das Coracoideum sich dabei gerade so verhält wie andere „primär“ verknöchernde Skelettheile.. Am vorderen Aste verkalkt allerdings der Knorpel mit seltenen Ausnahmen (Rhino- derma, Phyllomedusa — Gegenbaur Nr. 11 S. 57). ebenfalls, wenn auch später als am Coracoideum; indess kann als Regel festgehalten werden, dass die Verknöcherung nicht weiter geht, und namentlich der oberflächliche Knochen in seiner ursprünglichen Rinnenform auf dem Knorpel liegen bleibt, sodass beide zusammen nicht wie die gleichen Theile am Coracoideum zu einem Knochen zusammenfliessen (vgl. Fig. 47, 48). Dies veranlasste ältere wie neuere Beobachter, beide Theile des vorderen Astes als völlig getrennte Skeletstücke aufzufassen (Duges, Ecker, Gegenbaur), während andere Anatomen sie ebenso wie Periostknochen und Knorpelanlage anderer Skeletstücke zusammenfassten (Cuvier, Stannius, Parker). Eine eigentliche Begründung seiner Ansicht und zwar durch die Entwickelungsgeschichte hat nur Gegenbaur unternommen. Für die Selbstständigkeit des rinnenförmigen Knochens führte Gegenbaur Folgendes an. „Dieser Knochen entsteht ohne Be- theiligung des Knorpels, nicht einmal unmittelbar demselben auf- gelagert, sondern durch eine Bindegewebslage davon getrennt“. „Während er bei Rana wie ein Deck- oder Belegknochen auftritt und den Knorpel rasch von vorne her umwächst, finde ich ihn bei Bufo (B. variabilis) kurz nach vollendeter Metamorphose des Thiers noch ganz selbstständig vor dem Knorpel liegen, zu dem er noch gar keine näheren Beziehungen eingegangen hat. Er be- steht aus einer Rinde lamellöser Knochensubstanz, die einen die 576 Dr. A. Goette: Länge des Knochens durchziehenden Markraum umschliesst. Es geht daraus hervor, dass der Knochen bei Bufo nicht etwa später sich bildet, sondern sich längere Zeit selbstständig hält, ehe er mit der Umwachsung des Knorpels zu diesem in nähere Verhält- nisse eintritt.“ „Er wirkt nicht verändernd auf den Knorpel ein, und wenn dieser auch verkalkt, so ist er ersterem dadurch noch nicht enger verbunden, als er vorher es war“ (Nr. 11 S. 57, 58). Die Frage, um die es sich handelt, ist also die: ist der fragliche Knochen ein periostaler, zum unterliegenden Knorpel gehöriger oder nicht? — Die weiche Gewebsschicht, in welcher der Knochen seinen Ursprung nimmt, erscheint durchaus als Perichondrium des Knorpels, den es allseitig und kontinuirlich umschliesst; nach aussen ist es ebenso gut abgesondert wie das Perichondrium des Coracoideum und seine anfangs unbedeutende einseitige Verdickung findet am letzteren ebenfalls ein Analogon. Auf der ersten bezüg- lichen Entwickelungsstufe ist also von einer besonderen vom übrigen Skelettheil getrennten Anlage des Knochens nichts zu sehen. Mit der Verknöcherung nimmt die Mächtigkeit der perichondralen Schicht desswegen bedeutend zu, weil zwischen den anfangs dicht- gedrängten Zellen eine reichliche Zwischensubstanz abgesetzt wird, welche eben zur Ablagerung der Kalksalze dient. . Tritt die Ver- knöcherung nur einseitig aber ziemlich in der ganzen Dicke der Schicht auf wie am vorderen Aste, so wird eine ansehnliche Un- gleichlreit dieser perichondralen Schicht die nothwendige Folge sein, ohne dass wir in der den Knochen enthaltenden einseitigen Verdiekung, welche diejenige am Vorderrande des Coracoideum kaum übertrifft, eine ‚besondere Anlage zu erkennen vermöchten (Fig. 47, 48). Der ganze in der ein- oder allseitigen Ausbildung des Knochens beruhende Unterschied in den Durchschnittsbildern des Coracoideum und des vorderen Astes ist also ein untergeord- neter, umsomehr als das Verhalten des letzteren bei ähnlichen einseitigen Periostverknöcherungen, z. B. an dem Suprascapulare derselben Thiere sich wiederholt. Ein anderer scheinbar viel wich- tigerer und auch von Gegenbaur besonders hervorgehobener Unterschied des vorderen’Astes vom anderen knorpelig präfor- mirten Knochen ist der, dass der Periostalknochen der letzteren dem Knorpel unmittelbar anliegt, der Knochen des vorderen Astes aber durch „Bindegewebe“ vom Knorpel getrennt ist. Dieses Bindegewebe ist aber ein unverbrauchter Theil des Perichondrium Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 577 selbst, weleher mit dem die ganze Anlage umgebenden und zu derselben nicht gehörigen Bindegewebe niemals verbunden er- scheint, indem er unmittelbar in die innersten Perichondralschichten der vom Knochen unbedeckten Knorpelhälite übergeht, während die darüber gelagerten äussersten Perichondralschichten sich auf die äussere Knochenfläche, in das Periost desselben fortsetzen (Fig. 48). Soll daher aus der Einlagerung jenes innersten Theils vom Perichondrium zwischen Knochen und Knorpel eine Trennung beider Skeletbildungen abgeleitet und begründet werden, so könnte dieselbe allenfalls nur so gedacht werden, dass der mit einem Perichondrium versehene Knorpel allseitig, also röhrenförmig von einer zweiten Skeletanlage eingeschlossen wird, die aber nur ein- seitig verknöcherte, im übrigen Umfange weichbliebe. Denn Knochen und Knorpel bilden mit dem zugehörigen Perichondrium und Periost — vorausgesetzt, dass es wie im vorliegenden Fall vom umgebenden Bindegewebe deutlich abgesondert ist — ein einheitliches Ganze. Die eben eingeräumte Möglichkeit, dass am vorderen Aste des ventralen Schultergürtelrahmens der Anuren eine besondere äussere Skeletanlage eine andere innere umschliesse, ist natürlich an die Bedingung geknüpft, dass jene Einlagerung zwischen dem Knorpel und dem ihn deekenden Knochen eine bei anderen zweifellos ein- fachen Skelettheilen nicht vorkommende Erscheinung ist; dies trifft aber nicht zu. Untersucht man das Suprascapulare der Anuren, welches ebenso wie der ventrale vordere Ast des Schulter- sürtels aus einem theilweise verkalkenden Knorpel und einem denselben nur in beschränkter Ausdehnung deekenden Knochen besteht, so findet man dieselbe Erscheinung wie bei dem ersteren Skeletstück: unter der Knochenplatte, welehe allgemein als perio- stale gilt (vgl. Gegenbaur Nr. 11 S. 56), liegt ebenfalls eine kontinuirliche Fortsetzung des Perichondriums, welche sie von dem unterliegenden Knorpel scheidet. Es fällt also jeder Grund hinweg, in dem gleichen Verhalten des anderen Skeletstücks eine Ausnahmserscheinung zu sehen, welche seine Trennung in zwei gesonderte Skeletanlagen rechtfertigte!). Dagegen ist es Thatsache, 1) Ich möchte hierzu bemerken, dass das von Gegenbaur geschilderte Verhalten von Bufo veriabilis (s. o.)— Larven und Junge von B. calamita und communis zeigen es nachmeinen Beobachtungen so wenig wie einjährige B. varia- bilis — nicht als ein von dem der übrigen Anuren prineipiell: verschiedenes auf- 578 Dr. A. Goette: dass, während der Periostalknochen des Suprascapulare bei allen bekannten Anuren in den angegebenen Verhältnissen, also der Knorpel zum Theil unbedeckt und unverknöchert bleibt, der vor- dere ventrale Ast des Schultergürtels bei einigen Arten vollständig so wie das Coracoideum verknöchert. Parker hat den Schulter- gürtel von vier Arten beschrieben und abgebildet, deren bezüg- liche Skeletstücke äusserlich ganz knöchern erscheinen, Docido- phryne gigantea, Pleetropus (Hylaedaetylus) pietus, Systoma gib- bosum und Systoma granosum (Nr. 22 S. 67—78, Taf. VL, VID; aber nur bei der ersten Art führt er an, dass der Knochen röhren- törmig den Knorpel umwachsen habe (S. 71), ohne eine Verände- rung des letzteren zu erwähnen, und für die übrigen drei Fälle wird der Antheil des ursprünglichen Knochens und Knorpels an der Bildung des ganzen Skelettheils und überhaupt dessen innere Struktur unerwähnt gelassen. Auch Fürbringer bemerkt für Breviceps (Systoma) gibbosus nur, dass Praecoracoideum und Clavi- cula, d. h. jene beiden fraglichen Theile des vorderen Astes nicht zu unterscheiden seien (Nr. 8 S. 178). Ich habe nun aber selbst Gelegenheit gehabt, solche Formen eingehender zu untersuchen, wobei sich Folgendes ergab. Von zwei jungen und gleich grossen (17 mm. Länge) Individuen der Hylaplesia (Dendrobates) lugubris?) zeigte das eine im vorderen Aste des Rahmens die gewöhnlichen Verhältnisse, nämlich einen verkalkten Knorpel mit darauf ruhender Knochenrinne, während der Knorpel des Coracoideum bereits völlig in Marksubstanz verwandelt war. An dem anderen offenbar älteren Thier war aber jener erstere Knorpel völlig durch Markmasse ersetzt, welche in einer vollständigen Knochenröhre eingeschlossen war; diese konnte aber, da das Mark den gleichen Durchmesser hatte wie der vorangegangene Knorpel, nur durch den um die ventrale Masse herumgewachsenen, ursprünglich rinnenförmigen Knochen gefasst werden kann; wie es auch von Gegenbaur selbst nicht geschieht, in- dem er die Verschiedenheit nur in dem verzögerten Auswachsen des Knochens bei B. variabilis zu finden scheint. 1) Die Species stimmt in der Zeichnung der weissen Linien und Flecke nicht ganz mit dem von O. Schmidt beschriebenen Dendrobates lugubris (Nr. 29 S. 14) überein; dennoch dürfte sie mit demselben identisch sein, da eine mir von Prof. Ehlers zur Untersuchung anvertraute Hylaplesia tinctoria in demselben Charakter von der betreffenden, durch Günther anfgestellten Diagnose abweicht (Nr. 17 8. 125). Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 579 gebildet sein (Fig. 50). Auch zeigten in Uebereinstimmung damit Querdurchschnitte dieses Theils einen völlig kontinuirlichen, aus koneentrischen Schichten gebildeten Knochenring, welcher dort, wo er zuletzt entstanden war, also an der visceralen Seite und dem Hinterrande des ganzen Astes, am dünnsten war (Fig. 51). Ein wie es scheint ausgewachsenes Exemplar von Hylaplesia tin- ctoria, wovon H. lugrubis nur eine Varietät sein soll (Günther Nr. 17 S. 125), besass rein knöcherne vordere und hintere Aeste des Skeletrahmens. Diese Befunde beweisen, dass in der Gattung Hylaplesia, der sich höchst wahrscheinlich auch die drei von Parker angeführten Gattungen werden anschliessen lassen — im Ganzen Vertreter von vier Familien — jener fragliche Skelettheil sich gerade so verhält wie das Coracoideum und andere knorpelig vorgebildete Knochen, deren Ossifikation mit einem Periostknochen beginnt; so zwar, dass wir die Zusammengehörigkeit der ursprüng- lieh nur rinnenförmigen peripherischen Knochenplatte und des unterliegenden Knorpels noch weniger zu bezweifeln berechtigt sind als diejenigen der gleichen Theile des Suprascapulare. Auf diese Weise ergibt sich der gewöhnliche Zustand des vorderen ventralen Schulterstücks der Anuren als der Anfang einer bisweilen zur Vollendung gelangenden „primären“ Verknöcherung des Ganzen; und daraus folgt, dass jene rinnenförmige Knochenplatte desselben Schulterstücks thatsächlich keine selbstständige Bildung, ähnlich etwa der ganzen Schlüsselbeinanlage der Saurier (Gegenbaur 8. u.), sondern nur eine beschränkte periostale Verknöcherung des ganzen einheitlichen und knorpelig präformirten Skelettheils sein kann, welche, wenn sie sich in dieser Form erhält, wie bei den meisten aber durchaus nicht allen Anuren, eine ansehnliche Dieke und einen Markraum erlangten kann!). Die thatsächlichen Anhaltspunkte, die wir nunmehr für die Deutung des vorderen Astes vom ventralen Schultergürtelrahmen der Anuren gewonnen haben, sind folgende. 1. Er entsteht als freiendi- gender Skapularfortsatz, der sich erstsekundär mit der Korakoidplatte 1) Dieser Markraum entsteht aber nicht etwa wie in den Schlüssel- beinen und dem Episternum der Saurier sehr frühe und mit einer bestimmten Lage, sondern erst nach der Metamorphose der Larven und öffnet sich bald gegen den Knorpel, bald lateralwärts an der Oberfläche des Knochens. 580 Dr. A. Goette: in Verbindung setzt; 2. die an ihm sich entwiekelnde Knochen- platte gehört als Periostalknochen zu dem unterliegenden Knorpel, sodass beide einen einheitlichen Skelettheil darstellen; 3. sein eventuelles Homologon bei den Amnioten kann folglich ebenfalls nur ein einfacher Skelettheil sein, der als selbstständiger Skapu- larfortsatz vor der Korakoidplatte entsteht, wesshalb auch Theile der letzteren (Procoracoideum) vom Vergleich ausgeschlossen sind. Alle diese Merkmale vereinigt aber lediglich die Clavieula der Amnioten, von denen natürlich die den Amphibien zunächst- stehenden Reptilien (Saurier, Chelonier, Ichthyosaurus) hier in erster Reihe in Betracht kommen. Diese Deutung des fraglichen Skelettheils der Amphibien wurde bereits von Carus (Nr. 2 1. Aufl. S. 119) und Geoffroy St. Hilaire (Nr. 14)!) vertreten, denen sich Cuvier (Nr. 3 S. 364), Stannius (Nr. 31 S. 73) und Pieififer (Nr. 23 S. 40—49) anschlossen. Duges trennt den Knochen als Acromiale vom Knorpel, welcher allein mit einem Theil der Clavicula verglichen wird (Nr. 5 S. 63 ff.). Ecker be- zeichnet wiederum den Knochen als Clavicula, den unterliegenden Knorpel aber gar nicht (Nr. 6 S. 46); Gegenbaur folgt Ecker, indem er zugleich den Knorpel als Procoracoideum deutet (Nr. 11 S. 59). Parker geht bereits davon aus, dass die Schlüsselbeine, da sie Hautknochen seien, den Amphibien fehlen, und erblickt daher im ganzen Skeletstück ein Procoracoideum (Nr. 22 S. 87, 89). Eine auf Vergleiehungen beruhende, ausführliche Begründung fin- den wir aber auch bei diesem Anlass nur bei Gegenbaur. Aller- dings habe ich schon im allgemeinen erörtert, warum eine Tren- nung des Knochens und Knorpels unserer Clavieula, wie sie Gegenbaur annimmt, nicht durehführbar ist; doch müssen hier noch die besonderen Erwägungen näher geprüft werden, welche Gegenbaur gegen die Schlüsselbeinnatur des Knorpels und für diejenige des Knochens allein vorbringt. Den Knorpel will er als Clavieula oder Theil einer solehen desshalb nicht gelten lassen, weil derselbe „mit dem Coracoideum eine gemeinsame knorpelige Anlage besässe“, was „allen über das Verhältniss der Clavicula zum Schultergürtel bekannten Thatsachen“ zuwiderlaufe. Die An- 1) Jene Deutung wird im Texte nicht erwähnt, die Bezeichnung „Fur- eulaire‘“ findet sich nur in der Tafelerklärung. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 581 nahme des ursprünglichen Zusammenhangs, der gemeinsamen An- lage beider Skapulariortsätze ist aber, wie ich zeigte, irrig; sie treten beide völlig getrennt auf, und ihre sekundäre mediale Ver- bindung ist kaum höher anzuschlagen wie die Bandverbindung zwischen Schlüsselbein und Coracoideum bei den Cheloniern und Vögeln (s. 0.). Auch bei den Urodelen, welche die ursprüngliche Trennung beider Skapularfortsätze in der Regel zeitlebens behalten, kommt ausnahmsweise die gleiche Verbindung wie bei den Anuren vor, wodurch die sekundäre Bedeutung der letzteren erst recht in helles Licht gesetzt wird: ich habe es schon früher einmal notirt, dass ich bei Menopoma auf der einen Seite beide Fortsätze ge- trennt, auf der anderen zu einem Rahmen verbunden antraf (Nr. 15 5. 617). Sowie nun Gegenbaur im Knorpel des vorderen Skapulariortsatzes der Anuren weder eine Clavieula noch einen Theil derselben erkennen will, glaubt er andererseits alle we- sentlichen Merkmale eines Schlüsselbeins allein in dem Pe- riostalknochen jenes Skelettheils zu finden. „Er entsteht auf die ‘ gleiche Weise wie das Schlüsselbein der Eidecehsen, und besitzt die gleiche Lagerung, wenn er auch vom knorpelig angelegten Schultergürtel sich noch nicht freigemacht hat, vielmehr diesen auch da, wo er ganz unabhängig entsteht, halbrinnenförmig um- wächst. Darin liegt die Eigenthümlichkeit der Schlüsselbein- bildungen der ungeschwänzten Amphibien, wodurch zugleich die Bedeutung dieses Knochens am ausgebildeten Skelete verhüllt wird.“ Nachdem ich aber gefunden habe, dass der letztere nicht selbst- ständig am wenigsten aber aus einem selbstständigen Skapular- fortsatze wie das Schlüsselbein der Saurier entsteht, kann ich auch der Deutung Gegenbaur's nicht beitreten; jener Knochen gehört eben zum unterliegenden Knorpel, und erst beide zusammen stellen ein Skeletstück dar, welches durch Ursprung und Lagebeziehungen sich lediglich einer Clavicula vergleichen lässt. Allerdings scheint dasselbe, solange noch eine andere Auffassung geläufig ist, in ei- nigen Stücken nicht ganz unbedeutend von den Scehlüsselbeinen der Amnioten abzuweichen. Erstens könnte hier der Mangel einer Abgliederung desselben von der Scapula angeführt werden. Nun darf man aber nicht vergessen, dass der Zusammenhang mit der letzteren der ursprüngliche Zustand aller Schlüsselbeinbildungen ist, dessen Fortdauer gerade bei den Amphibien als tiefer stehenden Formen nichts Auffälliges haben kann, um so weniger als sich das- [2 582 Dr. A. Goette: selbe bei den Cheloniern wiederholt), bei denen die durch die getrennte Verknöcherung bezeichnete Absonderung der Clavieula von der Scapula nicht einmal so wie bei den Anuren erhalten bleibt. Ferner könnte an die in der Regel nur theilweise und ein- seitig auftretende Verknöcherung der Clavieula der Amphibien ge- dacht werden; diese führt aber nicht selten zur vollständigen Ver- knöcherung hinüber, und wo sie bestehen bleibt, erinnert sie durch die Rinnenform des einen centralen Strang umschliessenden Pe- riostalknochens durchaus an die Anfangszustände der Schlüssel- beinverknöcherung bei den Amnioten, so dass wir sie füglich eben- falls als eine jüngere Stufe des vollständigen Verknöcherungs- processes auffassen dürfen, welche den Anuren als niedriger organi- sirten Vertebraten gegenüber den Amnioten eigen ist. Alsdann lassen sich aber die höchstentwickelten, nämlich die völlig ver- knöcherten Schlüsselbeinformen der ungeschwänzten Amphibien (Docidophryne, Systoma, Hylaedactylus, Hylaplesia) unmittelbar an diejenigen der Chelonier anschliessen, für welche schon Gegen- baur die entfernte Möglichkeit zugab, dass sie nicht nur dem Procoracoideum, d. h. dem Schlüsselbeinknorpel der Anuren, son- dern auch der darum gewachsenen Cavicula, d. h. dem Periostal- knochen des Schlüsselbeins zugleich entsprächen (Nr. 11 8. 62, Nr. 12 S. 682). Diese Möglichkeit erscheint mir jetzt als That- sache, aber nicht in dem Sinne Gegenbaur's, dass bei den Cheloniern zwei grundverschiedene Schulterstücke zu einem ver- schmolzen wären, sondern so, dass die höchstentwickelte aber sel- tenere Form des durchaus einheitlichen Schlüsselbeins der Amphi- bien bei jenen Reptilien zur regelmässigen wird, welche schon durch den Zusammenhang zwischen Clavicula und Scapula und durch die Verbindung der medialen Enden des Schlüsselbeins und des Coracoideum sich den Anuren nähern. So finden wir also unter den Eigenthümlichkeiten der Cla- vieula der Anuren, sowie sie eben bestimmt wurde, keine, welche nicht Analogien in der Entwickelung oder dem fertigen Zustande desselben Skelettheils bei den Amnioten böte, keine, die so schwer wiegt wie die Eigenthümlichkeit, welche Gegenbaur für seine 1) Meckel macht auf die Homologie beider Schlüsselbeinbildungen aufmerksam, unterlässt es aber, dieselben namentlich zu bezeichnen (Nr. 20° II. 1. $. 440, 444). Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 583 Clavieula (unseren Periostalknochen) in Anspruch nehmen muss (vgl. S. 581), und die noch dadurch auffälliger würde, dass diese vermeintliche Clavieula, wie ich zeigte, in nicht seltenen Fällen ganz in einen anderen Skelettheil aufginge). Von den allgemeinen genetischen und anatomischen Bezie- hungen, welche die Schlüsselbeine der Amnioten in der Regel auszeichnen, ist aber für die Amphibien Eines noch nicht erwähnt worden — die Beziehungen zum Episternalapparat. — Schon um die Zeit, wann sich die beiden Skapularäste der Froschlar- ven verbinden, fand ich, dass die dieke Perichondralschicht der Clavieula am medialen Ende derselben zu einer kleinen, die dar- unterliegende Knorpelecke etwas überragenden Wucherung aus- wächst, welche sich scheinbar kontinuirlich in einen weichen Wulst fortsetzt, der den ganzen Rand des Epicoracoideum einfasst und den Brustmuskeln zum Ansatz dient (Fig. 36). Wenn dar- auf die beiden Schultergürtelhälften einander nahe gekommen sind, ist die bezeichnete Wucherung etwas grösser und vorspringender geworden, zugleich aber auch deutlich von der Sehnenmasse der Brustmuskeln am Rande des Epicoracoideum geschieden, sowohl durch ihre bestimmten Grenzen wie durch ihr Gewebe (Fig. 37). Das letztere erscheint nämlich alsdann schon knorpelähnlich und daher verschieden vom Fasergewebe der Sehnenmasse; ebenso glaube ich einen hinteren Rand der knorpelähnlichen Wucherung erkannt zu haben, welcher schräg über die Knorpelecke hinziehend, lateralwärts ins Periost und Perichondrium der Clavieula, median- wärts aber am Rande des Epicoracoideum sich verliert, während die Muskelsehne, mit der jene Wucherung ohne Grenze zusam- menzuhängen schien, in gleichmässiger Breite den Saum des Epi- coracoideum bedeckt und sich auf die erstere hinüberschlägt. Ich bin daher der Ansicht, dass beide Theile nicht aus einer ge- meinsamen Anlage hervorgehen und nur die Indifferenz ihres an- 1) Aehnlich wie die Chamaeleonten und Krokodile unter den Reptilien lassen auch einige Anuren eine Olavicula gänzlich vermissen. Parker führt als solche auf: Hylaedactylus celebensis und Microps oxyrhynchus (Nr. 22, S. 67, 68), Fürbringer ebenfalls (Nr. 8 S. 177); Günther zählt noch dazu: Uperodon marmoratum und Diplopelma ornatum (Nr. 17 S. 49, 50). Ich selbst habe bei Hylaedactylus baleatus vergeblich nach Rudimenten einer Clavicula gesucht. 584 Dr. A. Goette: einandergrenzenden anfänglichen Bildungsgewebes die Scheidung auf den früheren Entwickelungsstufen verhinderte. Um die ge- naueren Lagebeziehungen jener knorpelähnlichen, nunmehr annähernd dreieekigen Wucherung zu verstehen, muss vorausgesehiekt werden, dass indem der Periostalknochen der Clavieula medianwärts auf der Bauchfläche des Knorpels glatt ausläuft, die unbedeekte Vor- derecke des letzteren davor und medianwärts gleichfalls als ohn- gefähr dreieckiger Vorsprung unter dem Knochen vorragt, um sich weiter rückwärts ohne Grenze dem Epicoracoideum anzuschliessen. Auf diesem Vorsprunge sitzt nun die bezeichnete Wucherung der Perichondralschicht, ihrerseits den ersteren nach vorn weit über- ragend, was bei der relativen Durchsichtigkeit der Theile nicht schwer zu konstatiren ist. Uebrigens muss ich hier gleich hervorheben, dass der Ausdruck „Wucherung der Perichondralschicht“ kein ganz genauer ist. Zur Zeit, wenn jene Wucherung zuerst auftritt, ist jene ihre Grundlage noch kein eigentliches Perichondrium, son- dern lediglich der bei der Knorpelbildung der Clavieula übrigge- bliebene Rest ihrer ganzen ursprünglichen Anlage, welcher late- ralwärts allerdings in Perichondrium und Periost übergeht, median- wärts aber eben zu einer besonderen, alsbald ebenfalls knorpelig werdenden Skeletanlage hervorwuchert. Unzweifelhaft hat man also die letztere als ein Erzeugniss des ganzen vorderen Astes aufzufassen, während der Ausdruck „Perichondralschieht“ nur die lokalen Beziehungen andeuten sollte. Sobald die beiden Sehulter- gürtelhäliten mit den Rändern der Epicoracoidea völlig zusammen- gestossen sind, vereinigen sich auch jene beiderseitigen Wuche- rungen zu einer rautenförmigen Masse, welche mit ihrer hinteren, in eine mediane Spitze auslaufenden Hälfte auf dem Vordertheil der beiden Epieoracoidea und der oben erwähnten Eeken der Sehlüsselbeine ruht, und nach vorn dieselben mit einem abgerun- deten Vorsprung überragt (Fig. 38); seitlich geht sie noch immer kontinuirlich in das Perichondrium und Periost der Schlüsselbeine über. Die Vorderhälite dieser Bildung ist nun die noch immer nicht völlig knorpelige Anlage des Episternum aut. Parker schildert die Doppelanlage desselben oder seines „Omosternum* ähnlich, hat aber nach Beschreibung und Abbildung die unter der eigentlichen Anlage liegenden Knorpelecken der Schlüsselbeine dafür gehalten (Nr. 22, S.81, Taf. V Fig. 5), obgleich dieselben auch noch viel später unter dem unpaaren Episternum zu erkennen sind “22 Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 585 (Fig. 39); daher erklärt er sie, wo sie bei anderen Anuren in Abwesen- heit eines Episternum offen vorliegen, wie z. B. bei Pipa und Pseudis, für die in der Entwiekelung zurückgebliebenen Homologa eines solehen. Ich muss aber zum besseren Verständniss des Fol- genden besonders hervorheben, dass die von mir beobachtete An- lage des Episternum als Neubildung auftritt, welche nicht nur vor den Knorpelecken der Schlüsselbeine, also auch. den Epicoracoi- dea (wie ich selbst früher annahm, Nr. 15 S. 472), sondern auch zum Theil auf deren Fuge liegt. Die Bedeutung dieser Thatsache wird sich sofort ergeben. Die noch getrennten Schultergürtelhälften der Froschlarven sind miteinander durch eine Membran verbunden, welche während“ der Annäherung der ersteren schrumpft, sodass die zuletzt zusam- mentreffenden dicken Ränder der Epicoracoidea nur eine unbedeu- tende Masse weichen Gewebes zwischen sich fassen. Dieselbe redueirt sich noch mehr, sobald die vorn und hinten anfangs noch divergirenden Ränder auch dort zusammenstossen und im Durch- schnitt sich gegeneinander abplatten. Querdurchschnitte dieser Gegend zeigen nun, dass während dieser engen Zusammenfügung der hintere Fortsatz der Episternalanlage schmäler geworden aber zugleich über der Fuge rückwärts bis in den Bereich der Cora- coidea weitergewachsen ist (Fig. 41, 42). Sein Gewebe ist wie erwähnt knorpelähnlich; aber obgleich es mit den Rändern der Epicoracoidea und der zwischen sie eingeschlossenen bindegewe- bigen Masse innig zusammenhängt, bleibt es von dieser, welche viel dunkler und faseriger erscheint, sowie von dem fertigen Hya- linknorpel der Epicoracoidea deutlich geschieden. Es kann daher dieser die Fuge der letzteren von unten her deckende, zunächst erst knorpelähnliche Wulst als ein blosses Verschmelzungsprodukt der äusseren Knorpelränder nicht angesehen werden; und im Gegen- satz zu der deutlichen Sonderung von den letzteren lassen Längs- durchschnitte seinen völlig kontinuirlichen Zusammenhang in die indess weiter ausgewachsene vordere Hälite der Episternalanlage, deren Knorpelbildung etwas weiter vorgeschritten ist, ganz un- zweideutig erkennen (Fig. 46). An den Querdurchschnitten sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass die von dem vorwachsenden Episternalwulst aufgehobenen und nunmehr auf ihm befestigten Muskelsehnen sich bisweilen sehr deutlich als besondere Schicht von demselben abheben, zur weiteren Bestätigung des oben ange- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 14. 38 586 Dr. A. Goette: führten Befundes, dass diese Muskelsehnen und die Episternalan- lage durchaus verschiedene Bildungen sind. Ist die Entwickelung des Episternum so weit gediehen, so lässt sich bei vorsichtiger Präparation noch am zusammenhängenden Schultergürtel folgendes Verhalten des ersteren feststellen (vgl. Fig. 39 von einem etwas älteren Stadium). Die vordere Hälfte des Episternum ist ansehnlich gewachsen und läuft bei- nahe spitz aus; ihre Basis hat sich seitlich vom Perichondrium und Periost der Schlüsselbeine ganz abgesondert und ist, obgleich die darunterliegenden Knorpelecken noch theilweise deckend, den- noch merklich vorgerückt, sodass sie noch später ganz vor dieselben zu liegen kommt. Der Uebergang dieses vorderen Episternalstückes in die hintere sich stabförmig verlängernde Fortsetzung ist nicht mehr durch eine allmähliche Verschmächtigung vermittelt, sondern dieselbe entspringt gleich mit dem durchgängigen Durchmesser aus der etwas vorragenden Mitte des Hinterrandes von jenem Stück, sodass beide Theile des Episternum, obgleich noch im kontinuir- lichen Zusammenhange stehend, deutlich gesondert erscheinen. Der die Epikorakoidfuge deckende hintere Episternalfortsatz war bei dieser Ansicht nur bis zwischen die Coracoidea kenntlich. An etwas älteren Thieren war er nicht nur weiter gewachsen, sondern auch gerade zwischen der Coracoidea zuerst völlig knor- pelig geworden, während sein Vorderende sich schon von dem grossen vorderen Stücke oder eben dem Episternum aut. abzu- lösen begann. Querdurchschnitte zeigen ferner noch eine andere wichtige Veränderung in der Verbindung beider Epicoracoidea; bevor ich aber auf dieselbe näher eingehe, will ich hier die Auf- merksamkeit noch auf einen anderen Punkt Jenken. Schon an älteren Larven zeigt sich eine kortikale Verkalkung des Epikora- koidknorpels, welehe nach der Larvenmetamorphose stärker her- vortritt, aber auf den äussersten Saum beschränkt bleibt und unter den Seitentheilen des Episternalfortsatzes fortlaufend eine gute Grenze gegen denselben bildet (Fig. 44). Zwischen diesem theil- weise verkalkten Saum und dem Rande des verknöchernden Co- racoideum befindet sich inmitten des unverkalkten Hyalinknorpels eine senkrechte Zone mit dichter stehenden, senkrecht verlängerten Zellen, welche weicher und nachgiebiger ist als die Umgebung, daher eine gewisse Beweglichkeit des Epicoracoideum daselbst bedingt und wenn man die beiden Sehultergürtelhälften auseinan- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 587 derzieht, leicht eine Kontinuitätstrennung herbeiführt (Fig. 44). Betrachtet man einen solehen Schultergürtel mit ausgebildeter Ver- kalkung, also bei nicht gar zu jungen Thieren, im durchfallenden Lichte, so erscheint wenigstens der ganze Hyalinknorpel des Epi- coracoideum als ein heller Streif, welcher dem Knochenrande des Coracoideum parallel zieht und dasselbe sehr deutlich vom stark verkalkten Epikorakoidalsaume sondert (Tai. XXXII Fig. 49). Es ist mir nun sehr wahrscheinlich, dass Ecker durch ganz ähnliche Befunde an einer jungen Rana haleeina bewogen wurde, eine wirk- liche Abgliederung des äusseren Knorpelsaums vom übrigen, mit dem Korakoidknochen zusammenhängenden Epicoracoideum anzu- - geben (Nr. 6 S. 47, Fig. 35). Jedenfalls habe ich früher die gleiche Angabe für den gemeinen Frosch gemacht, weil jene Lockerung des Zusammenhangs mir ebenso bedeutend erschien wie diejenige zwischen den Rippen und Wirbeln mancher Urodelen, wo lediglich eine Synehondrosis besteht, aber doch eine Abgliederung bisher nicht geläugnet wurde (vgl. Hyrtl Nr. 18a 8. 49). Allerdings verliert sich jene senkrechte und weiche, eine unvollkommene Abgliederung darstellende Knorpelzone in den alten Fröschen; doch bleibt zwischen dem eigentlichen Korakoidknochen und dem verkalkten unpaaren und medianen Verbindungsstück beider Epicoracoidea eine unverkalkte Hyalinknorpelschicht und somit wenigstens eine entsechiedene Absonderung jenes Stücks nach beiden Seiten be- stehen. Gegen Ecker bemerkte nun aber Gegenbaur, dass er von der angegebenen Abgliederung bei den einheimischen Fröschen nicht einmal eine Andeutung gefunden habe (Nr. 11 S. 60 Anm.); mir gegenüber bezeichnet er die Wiederholung der Ecker’schen Angabe bezüglich der Abgliederung sogar als „reine Erfindung“ (Nr. 13 8. 315)! Ich überlasse es meinen Lesern, die Berechtigung eines solchen Urtheils überhaupt und insbesondere im vorliegenden Falle zu prüfen; ich selbst halte daran fest, dass im Epicoraeoi- deum der Frösche zu einer gewissen Zeit die angegebene, frei- lich unvollkommene Abgliederung und später wenigstens die deutliche Sonderung von Mittel- und Seitentheilen besteht. Etwas anderes ist es, welche Bedeutung man diesen Erscheinungen bei- messen will; und da muss ich gestehen, dass ich dies in der frü- heren Weise nieht mehr thue. Denn seitdem ich den hinteren Episternalfortsatz kennen gelernt habe, glaube ich allerdings, dass jene Absonderungserscheinungen nur sekundäre, von untergeord- 588 Dr. A. Goette: neter Bedeutung sind, indem sie lediglich aus der engen Anpas- sung der Epikorakoidsäume an jenen ersteren hervorgehen. Dies wird verständlich, wenn wir die Verbindung beider Epicoracoidea, deren Betrachtung oben unterbrochen wurde, jetzt weiter unter- suchen Diese Verbindung der Epicoracoidea des Frosches wird von den einzelnen Beobachtern sehr verschieden beschrieben. Duges und Stannius lassen sie einfach zu einem Stück verwachsen (Nr. 5 8. 65, Nr. 31 S. 74), Meckel spricht bloss von einer Fuge der- selben (Nr. 20 II, 1 8. 441), Cuvier und Ecker von verbinden- dem Faserknorpel und Bindegewebe (Nr. 4 Tom. X S. 298, Nr. 6 S. 47); Gegenbaur vereinigt gewissermassen alle diese Ansichten,” indem er die Epicoracoidea zu einem unpaaren, medianen Stück verschmelzen lässt, aber unter Zurücklassung von mit Bindegewebe ausgefüllten Lücken (Nr. 11 S. 57, 58). Parker endlich erwähnt nur ein Uebereinandergreifen der Ränder, welches auch sehr deut- lich gezeichnet wird (Nr. 22 S. 83, Taf. V Fig. 6). Diese letztere Behauptung kann ich weder bestätigen, ‘noch weiss ich sie mir irgendwie zu erklären; die übrigen Angaben sind aber wenigstens für Rana durchweg ungenau. Eine wirkliche Verschmelzung der Epicoracoidea findet nicht statt, ihre Vereinigung durch weiche Bindesubstanz ist nur ein vorübergehender Entwickelungszustand (Fig. 41—43). Die darauf eintretende, gleich näher zu beschrei- bende Veränderung jenes ersten Zusammenhangs der beiden Epi- coracoidea beginnt in der Mitte der Fuge und schreitet allmählich gegen deren Enden fort (Fig. 43, 44). Es spaltet sich nämlich jene Verbindungsmasse schon an ganz jungen Thieren in ihrer sanzen Höhe, und diese senkrechte Spalte weitet sich in der Folge immer mehr aus, erhält eine glatte Auskleidung und flüssigen In- halt, bleibt aber gegen die Bauchhöhle durch Bandmasse geschlossen, sowie sie nach aussen durch dewEpisternalfortsatz verdeckt wird. Indem sie aber in den letzteren allmählich vordringt, wird er in eine dachförmige Platte verwandelt, welche darauf vollständig ver- kalkt und an ihren Rändern mit dem gleichfalls verkalkten äusseren Knorpelsaum der beiden Epicoracoidea völlig verschmilzt (Fig. 44, 45 und 40). So kann der durch den Episternalfortsatz gebildete mediane Kiel, welcher beide Schultergürtelhäliten verbindet, im ausgebildeten Zustand wohl den Anschein hervorrufen, als wenn er aus den nach aussen umgebogenen und mit einander verschmol- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 589 zenen äussersten Rändern der Epicoracoidea bestände ; um so mehr, wenn die Verkalkung, wie ich dies stellenweise antraf, die Mitte des Kiels freilässt, also eine Theilung desselben in zwei Hälften anzudeuten scheint. Diese schliesslich kontinuirliche Verbindung beider Epicoracoidea ist aber nicht die Folge einer unmittelbaren Verschmelzung derselben, sondern durch ein besonderes genetisch von ihnen zu trennendes und ihnen nur ventral aufgelagertes Schlussstück vermittelt; was, wie ich schon erwähnte, wahrschein- lich die durch Verkalkung bezeichnete Absonderung der in jene Verbindung hineingezogenen äussersten Säume der Epicoracoidea von deren hyalinen Partien veranlasst. Zwischen den ganzen senk- rechten Randflächen der Epicoracoidea besteht aber weder eine direkte noch eine Bandverbindung, vielmehr eine vollkommene Gelenkhöhle, zu der sich die Spalte entwickelt hat. Man kann sich von diesem Verhalten leicht überzeugen, wenn man den frei herauspräparirten Schultergürtel eines erwachsenen Frosches mit unbewaffnetem Auge untersucht: ventral findet man einen medianen, unpaaren verkalkten Kiel!), durch den beide Epicoracoidea zusam- menhängen, an der Visceralseite eine Bandmasse, die aber leicht zu sprengen ist, worauf sich eine geräumige, bis in den Kiel rei- chende Höhle zeigt. Soweit es die Elastieität des letzteren und des inneren Bandes gestattet, können daher auch beide Schulterhälften sich gegeneinander bewegen. Das vordere freie Episternalstück (Episternum aut.), dessen weitere Formveränderung und Verknöcherung ich hier nicht näher anzugeben brauche, rückt schliesslich ganz vor die ihm ursprüng- lich unterliegenden Knorpelecken der Schlüsselbeine und trennt sich vom hinteren Fortsatz oder dem Kiel völlig ab, so dass er diesen beiden miteinander verschmolzenen Theilen nur von vorn her angefügt bleibt (Fig. 40). Dass der ganze voranstehend beschriebene „Episternalapparat“ seinen Namen wenigstens auf Grund seiner Entwickelung verdient, liegt auf der Hand; er entsteht ebenso wie bei allen Amnioten aus Fortsetzungen der medialen Schlüsselbeinenden, welche in der Medianebene zusammentreffen und sich zu einem unpaaren, von 1) Cuvier hat offenbar diesen Kiel gemeint, wenn er sagt, dass bis- weilen statt des beide Schultergürtelhälften verbindenden Faserknorpels ‚il s’ossifie un filet intermödiaire“ (Nr. 4 Tom. X $. 299). 590 Dr. A. Göette: den Schlüsselbeinen abgesonderten Skelettheil vereinigen, ohne jedoch die Verbindung mit den letzteren ganz aufzugeben. Weniger gewöhnlich erscheinen die übrigen Lagebeziehungen und Verbin- dungen des fertigen Episternalapparats der Anuren, welche daher durch eingehendere Vergleiche aufzuklären sind. Es war bisher nur dessen vorderes Stück bekannt, welches bisweilen als Manu- brium (Mertens, Stannius), meist aber als Episternum gedeutet wurde (Geofiroy, St. Hilaire, Cuvier, Duges, Ecker). Doch macht Gegenbaur darauf aufmerksam, dass dieses Episternum, wenn auch seine Deutung richtig sei, doch sowohl durch seine Lage vor dem Schultergürtel, wie durch den Mangel einer Ver- bindung mit den Schlüsselbeinen (den Periostknochen der vorderen Aeste) sich von den gleichnamigen Stücken aller Amnioten und durch seine knorpelige Anlage von denjenigen der Saurier unter- scheide (Nr. 11 S. 65). Parker nennt es „Omosternum“, weil es aus Abgliederungen des Schultergürtels entstehe (s. o.), also mit einem Episternum (Interelavicle), das den Amphibien über- haupt fehle, nicht verglichen werden dürfe (Nr. 22 S. 87). Dieser letztere Einwand gegen die Homologie der Episterna der Amphi- bien und Amnioten wird aber hinfällig, sobald man weiss, dass die letzteren ebenfalls Abgliederungen des Schultergürtels darstellen. Wiehtiger sind dagegen die von Gegenbaur hervorgehobenen Schwierigkeiten bei der Deutung des Episternum der Anuren. Von diesen ist der letzte Punkt, die distiologische Differenz gegen- über den Sauriern, bereits mehrfach von mir erläutert worden; wenn man das rein knöcherne Episternum der Saurier sich in das theilweise knorpelig präformirte der Vögel verwandeln sieht, so kann der umgekehrte Wechsel des Episternalgewebes von den Amphibien zu den Sauriern hinüber nicht mehr besonders in’s Gewicht fallen. Die zweite Schwierigkeit, nämlich die mangelnde Verbindung des Episternum der Anuren mit deren Schlüsselbeinen, besteht natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die letzteren allein in den Periostalknochen der eigentlichen Claviculae gesucht werden; so wie ich die Schlüsselbeine und Episterna der Anuren bestimme, stehen allerdings die letzteren in engem Konnex mit den ersteren. Das letzte und vielleicht wichtigste Bedenken end- lich, welches bisher bei der Vergleichung der Episterna der Anuren und Amnioten sich aufdrängen musste, dass nämlich das Epister- num aut. der ersteren lediglich vor dem Schultergürtel liege, dieses Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 591 Bedenken wird gehoben, wenn wir zu jenem bisher allein bekannten Stück den sich daranschliessenden hinteren Fortsatz hinzunehmen, den ich bei den Fröschen auffand. Immerhin enthält die Lage desselben auf den Epicoracoidea und seine Verbindung mit ihnen eine auffailende Abweichung von den Lagebeziehungen der Epi- sterna der höheren Amnioten, welche sich nur durch eine successiv fortschreitende Vergleichung erklären lässt. Die Lage des von mir so genannten hinteren Episternal- fortsatzes der Frösche stimmt zunächst nur mit derjenigen des Episternum von lIchthyosaurus überein (vgl. Fig. 31—33, 39, 40). Den Fröschen und Ichthyosaurus gemeinsam ist der Mangel eines zwischen die Korakoidplatten eingeschobenen Brustbeins; daher stossen die letzteren zusammen und das Episternum liegt über ihrer Fuge oder Gelenkverbindung und ist auch auf deren Aus- dehnung beschränkt. Ob es mit den von ihm bedeckten Epikora- koidrändern eine kontinuirliche Verbindung eingeht oder, wie man es für Ichthyosaurus voraussetzen darf, ihnen nur durch Li- gamente angeheitet war, ändert nichts an den Lagebeziehungen. Bei den Sauriern liegt das Episternum anfangs ebenfalls über der die beiderseitigen Epicoracoidea trennenden Lücke (Fig. 3, 4, 8); indem aber das Brustbein von hinten her sich in diese Lücke vor- schiebt, kommt das Episternum wenigstens mit seinem hinteren Abschnitt auf das letztere zu liegen, verbindet sich mit dem- selben und gibt dafür die Verbindung mit den von ihm noch überlagerten vorderen Theilen der Epiceoracoidea auf, welche sich in der Regel kreuzen. Aber schon Hatteria zeigt ein weiteres Vorrücken des Brustbeins und in Folge dessen ein Auseinander- rücken der Korakoidplatten ganz an die Seiten desselben (vgl. Nr. 16 Fig. 26), bis endlich bei den Krokodilen, denen sich darin unmittelbar die Vögel anschliessen, die Coracoidea jede Beziehung zum Episternum verlieren und dieses gleich in der ersten Anlage auf die Ventralseite des Sternum zu liegen kommt (Fig. 19, 20). Unter den Säugern wiederholen die Monotremen die Verhältnisse der Saurier (Fig. 8, 29, 30); in den übrigen Ordnungen ziehen sich bekanntlich die Coracoidea ganz von der Ventralseite der Brustbeinregion zurück, sodass der Episternalapparat und das da- mit verbundene kostale Sternum die letztere allein einnehmen (Fig. 24 — 28). Indem wir auf diese Weise den Haupttheil des Episternum von dem Verbindungskiel der beiden ventralen Schulter- 592 Dr. A. Goette: gürtelhälften (Rana, Ichthyosaurus) an bis in die Crista sterni der Vögel und Säuger (Talpa) verfolgen, erkennen wir leicht, wie die erst nach seiner Entstehung, also sekundär sich ent- wickelnden Beziehungen zu seiner Unterlage (Coracoidea, Sternum) sich allmählich völlig verändern, während seine primären, geneti- schen Beziehungen zu den Schlüsselbeinen auch im fertigen Zu- stande durchweg erhalten bleiben. Zu den sekundären und unbe- ständigen Merkmalen der Episterna gehört auch die Entwickelung von vorderen abgegliederten oder als Queräste erscheinenden Seitentheilen, welche nur dort auftritt, wo die Schlüsselbeinenden nicht unmittelbar zusammentreffen und damit zugleich eine voll- ständige Zusammenziehung der paarigen Anlagen des Episternum in der Medianebene verhindern — Saurier, Säuger — und umge- kehrt — Anuren, Vögel. Diese Zusammenstellung beweist schon, dass wir es hier nicht mit einer ursprünglichen, von einer Klasse zur anderen vererbten Erscheinung zu thun haben, sondern einer Anpassung, welche unabhängig vom verwandtschaftlichen Zusam- menhange jener Abtheilungen da und dort erfolgte. Alles, was ich bisher über den hinteren Episternalfortsatz der Anuren gesagt habe, bezieht sich zunächst nur auf die Frösche. Bekanntlich gibt es aber noch viele Anurengattungen, welche sich denselben wenigstens darin anschliessen, dass ihre Epicoracoidea ebenfalls in der Medianlinie zusammenstossen und mehr oder we- niger innig sich miteinander verbinden. Nach Cope (Natural History Review 1865 S. 97 ff.), Gegenbaur (Nr. 11 8. 63) und Parker (Nr. 22) sind es folgende: 1. die Aglossa: Pipa, Dactylethra, 2. die Ranidae: Rana, Dieroglossus, Cerato- phrys, Cystignathus, Cassina, Pleurodema (Cyeloramphus macht davon eine Ausnahme, wie ich finde), 3. die Phryniscidae: Phryniseus!), Brachycephalus, Hemisus, 4. Rhinophry- nus, 5. die Engystomidae: Rhinoderma, Atelopus, Gacopus, Diplopelma, Engystoma, Chelydobatrachus, Breviceps, 6. Calophryne von den Bufonidae, 7. die Polypedatidae: Poly- pedates, Crumenifera, Ixalus, Theloderma, Rhaco- phorus, Chiromantis, Amolops, Heteroglossa, Staurois, Hylorana, Hyperolius, Leptopelis, Cornufer, Hemiman- tis, Arthroleptis, Hylambates, Halophila, 8. Miero- 1) Cope stellt Phrynisceus auffallenderweise zu den Bufonidae. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 593 hyla, 9. Hylaedaetylus, 10. Hylaplesia (nach meinem Be- funde). Ich habe an diesen Formen gerade eine von den Ranidac ziemlich entfernte, Phryniseus, untersuchen können. Die Epicora- coidea waren grösstentheils miteinander verschmolzen; doch waren sowohl im Bereich der Schlüsselbeine wie namentlich der Cora- coidea Reste einer senkrechten von innen her zwischen sie ein- dringenden medianen Spalte vorhanden. Zwischen den Schlüssel- beinen tritt ein ventraler knorpeliger Kiel sehr deutlich hervor; seine Basis erscheint durch eine zellenfreie und etwas dunklere Zone der hyalinen Intercellularsubstanz von den Epicoracoidea abgegrenzt und zwischen deren Aussenränder eingekeilt. In der relativ ansehnlichen Strecke zwischen den Schlüsselbeinen und den Coracoidea waren die Epicoracoidea mit dem Kiel zu einem schmalen Knorpelstabe verschmolzen, welcher sich erst im Bereich der Coracoidea wieder in jene drei Theile sondern liess. Doch war dieser hintere Abschnitt des Kiels, in welchem der Episternal- fortsatz der Frösche nicht zu verkennen ist, ausserordentlich flach und verbreitert. Er war unverkalkt, während die Epikorakoid- ränder eine kortikale Verkalkungszone zeigten, wie bei den Frö- schen. Aus diesem ganzen Verhalten lässt sich deutlich erkennen, dass Phryniseus in der Bildung des mit den Epicoracoidea ver- bundenen Episternum sich wesentlich an die jungen Frösche an- schliesst. Aus der völligen Verschmelzung dieser Theile in der mittleren Strecke ihres Verlaufs und der theilweisen Rückbildung der die Epicoracoidea trennenden Spalte folgt aber, dass, falls jene Sonderungen an den erwachsenen Individuen der andern oben genannten Gattungen sich nicht mehr nachweisen lassen sollten, daraus auf einen ursprünglichen Mangel derselben, also des bezüglichen Episternaltheiles nicht ohne weiteres geschlossen werden dürfe. Jedenfalls kann Rana in der gedachten Beziehung nicht als Ausnahme bezeichnet werden. Bei den übrigen Anuren, deren dünne Epiecoracoidea sich übereinander schieben, fehlt ein hinterer Episternalfortsatz. Da- gegen erhält sich bei ihnen die ursprüngliche Verbindungsmembran der Epicoracoidea dauernd, welche bei den Fröschen in der Fuge und später dem Gelenke aufgeht; beim Uebereinandergreifen der Knorpelplatten wird sie nach innen umgeschlagen und liegt zwi- schen den einander zugekehrten und aneinander sich verschieben- den Knorpelflächen, wie mir scheint zu dem gleichen Zweek wie 594 Dr. A. Goette: die Synovialhäute in den Gelenken (vgl. Fig. 54, 55 von Salamandra). Die vorderen Knorpelecken der Schlüsselbeine verbinden sich aber unmittelbar miteinander, wie ich bei vielen solcher Formen sah, sodass die Verschiebungen der Epicoracoidea als Drehungen um jenen festen Punkt erscheinen (vgl. Nr. 15 S. 471, 472). Uebrigens finden sich auch Uebergänge von diesen Formen der Epicoraeoidea zu denjenigen der Frösche u. s. w., indem bei einigen der letzteren die Epicoracoidea nicht in einer senkrechten Ebene, sondern mit schräg abgestumpiten Rändern zusammenstossen, sodass der eine den andern etwas überragt und der Episternalkiel entspre- chend schief nach einer Seite verschoben wird. Ich habe dies z. B. bei Phryniscus gesehen. Nachdem dargethan ist, dass die Anuren hinsichtlich ihres Schultergürtels mit den Amnioten im wesentlichen übereinstimmen, und dass insbesondere einem Theil von ihnen ebenfalls ein von den Schlüsselbeinen rückwärts sich erstreckender medianer Epi- sternalapparat zukommt, so bleibt noch zu untersuchen übrig, ob sie nicht auch ein kostales Sternum besitzen, welches bei den Amnioten zusammen mit dem Episternum den gesammten Brust- beinapparat darstellt. In neuerer Zeit wurde die frühere Ansicht, dass die Epieoracoidea das Mittelstück des eigentlichen Brustbeins darstellten, von Ecker wieder aufgenommen (Nr. 6 8. 47); es lässt sich aber eine irgendwie ausreichende Begründung dafür nicht auffinden. Eben so wenig halte ich meine frühere Ansicht aufrecht, dass die, wie ich oben ausführte, zeitweilig bis zu einem gewissen Grade abgegliederten Epikorakoidränder als zum Brustbein- apparate gehörige Theile aufgefasst werden könnten (Nr. 15 8. 471— 473, 617—619). Ich ging dabei von der mir damals schon bekannten Thatsache aus, dass das allgemein als ein einheitlicher Skelet- apparat betrachtete Brustbein gewisser Säuger Erzeugnisse sowohl der Rippen wie der Schlüsselbeine (Episternum) enthalte, und schloss daher, dass wo noch andere Abgliederungen des Schulter- gürtels sich in mediane, unpaare Skeletstücke der Brustbeingegend verwandeln, diesen die Zugehörigkeit zum allgemeinen Brustbein- apparat nieht abgesprochen werden könne. Ich glaubte damals wie Gegenbaur selbst (Nr. 11 S. 58, 61), dass die Epieoracoidea zu einem solehen medianen unpaaren Stück verschmolzen seien; ich hielt ferner ihre seitliche Absonderung von den Coracoidea für beständig und erklärte sie daraufhin für ein klavikulares und Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystews d. Wirbelthiere. 595 korakoidales Brustbeinstück. Ich befand mich dabei im Gegen- satze zu denen, welche darin ein Corpus sterni, also das Homologon eines kostalen Brustbeins sehen (z. B. Geoffroy St. Hilaire Nr. 14 $. 109, Ecker a. a. O.), dessen Anwesenheit bei den Am- phibien ich ausdrücklich bestritt. Der Vergleich jenes vom Schulter- gürtel abstammenden scheinbaren Brustbeinstückes mit dem Manu- brium sterni der Säuger ergab sich daraus, dass ich das letztere damals für ein bloss von den Schlüsselbeinen abgegliedertes Epi- sternalstück hielt, während sich an seiner Bildung auch die Rippen betheiligen. Meine Schlussfolgerungen waren daher an sich nicht unriehtig und beruhten nur auf ungenauen Beobachtungen, näm- lich bezüglich der vollständigen und dauernden Abgliederung der Epikorakoidalränder, welche nur unvollkommen und vorübergehend ist, und der Bildung des Manubrium, welches nicht nur epister- naler, sondern auch kostaler Natur ist. Mit der Erkenntniss dieser Irrthümer fallen natürlich auch die daraus gezogenen Schlüsse und Vergleiche, aber nicht alles das, was Gegenbaur in seiner unbe- dingten Verurtheilung jener meiner Darstellung theils für erfunden, theils für unerwiesen erklärt. Oder ist etwa in dem medianen Kiele am Schultergürtel der Frösche, wo ich früher ein klaviku- lares und korakoidales Brustbein annahm (vgl. Nr. 15 S. 471), nicht thatsächlich wenigstens ein Episternalstück enthalten, welches bei den Säugern, soweit es einen Theil des Manubrium sterni bildet, als klavikulares Brustbeinstück bezeichnet werden darf? Und bleibt etwa die unvollkommene Abgliederung der Epicoracoidea eine Erfindung, weil Gegenbaur sie an den wahrscheinlich aus- gewachsenen Thieren nicht bestätigt fand? Ich kehre zu der Frage nach dem eigentlichen Sternum der Anuren und zunächst der Frösche zurück, worunter man also ein Homologon des kostalen Sternum der Amnioten zu verstehen hätte. In diesem Sinne wurde früher und neuerdings der dem Sehulter- gürtel der Frösche und anderer Anuren hinten angefügte Skelet- theil gedeutet, und daher von Cuvier, Duges!), Gegenbaur, Parker als Sternum bezeichnet; Stannius und Ecker sahen darin wie manche andere ältere Anatomen nur das Endstück eines 1) Diese beiden Anatomen bezeichnen das knorpelige Ende als Xiphoi- deum gegenüber dem knöchernen Sternaltheil (Nr. 3 I S. 254, Nr. 4 X S. 298, Nr. 5 8. 61). 596 Dr. A. Goette: Brustbeins, welches sie Xiphoideum oder Hyposternum nennen. Parker hat die Entwickelung dieses Skelettheils, welchen ich Hyposternum nennen will, bei Rana temporaria verfolgt (No. 22 S. 80, 81, Taf. V Fig. 3, 4, 8). Nachdem die Korakoidplatten zusammengetroffen, erscheine jederseits ein schmaler Knorpelstreif am Hinterrande des Epieoracoideum; diese beiden Streifen, welche mit der serösen Haut der Bauchhöhle (Peritoneum ?) unmittelbar zusammenhingen, wüchsen dicht nebeneinander zu grossen Lappen aus, ehe sie sich zu einem Stück vereinigten. Dieses sei trotz seiner Entiernung von den Rippen ebenso als ein echtes kostales Brustbeinstück anzusehen wie das Manubrium sterni des Menschen, welches als Schlussstück eines zum 7. Wirbel gehörigen Rippen- bogens gleichwohl der verbindenden Rippen ermangele. Ich kann aber diese Beobachtungen Parker’s für Rana eseulenta nicht be- stätigen. Ich finde die Anlage des Hyposternum schon ‚vor dem Zusammentreffen der Schultergürtelhälften in Form einer unpaaren, nach hinten abgerundeten und noch nicht knorpeligen Platte, welche innerhalb der oben erwähnten Verbindungsmembran jener Hälften liegt und den Raum zwischen den divergirenden, längst knorpe- ligen Hinterrändern der Epicoracoidea ausfüllt (Fig. 37). Indem jene Membran rückwärts ausgebreitet sich in der Linea alba be- festigt, wächst auch die bezeichnete Platte in ihr nach hinten aus, um erst allmählich durch Einschnürung an ihrer Wurzel und Aus- bildung der beiden Endlappen die definitive Gestalt anzunehmen (Fig. 38, 39, 50). Da ich die Anlage des Hyposternum im nicht- knorpeligen Zustande und vor der Verbindung der Epieoracoidea, also jedenfalls in einem früheren Stadium wahrnahm als Parker, so bleiben mir dessen bestimmte Angaben und Abbildungen von der Doppelbildung jener Anlage in späterer Zeit unerklärlich; doch lege ich darauf kein sonderliches Gewicht, da ich dasselbe Gebilde bei Bombinator allerdings aus einer Doppelanlage hervor- gehen sah, und anderseits eine solche Differenz mir für die Deu- tung nicht belangreich erscheint. Jedenfalls lehrt uns die Entwickelungsgeschichte des Hyposternum, dass es weder aus Schulterstücken, noch aus Rippenenden hervorgeht, sondern völlig selbstständig in einer zwischen dem Schultergürtel und der Linea alba ausgespannten, und die Bauchmuskeln bedeckenden Membran entsteht. Die Voraussetzung Park er’s, dass das Manubrium sterni der Säuger in ähnlicher Weise sich erhalte, ist, wie ich gezeigt Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 597 habe, irrig; die daraufhin behauptete Homologie desselben mit dem Hyposternum der Anuren kann ieh daher nicht als begründet anerkennen. In anderer Weise vertritt Gegenbaur die Bedeu- tung des Hyposternum als eines ganzen kostalen Sternum (Nr. 11 S. 64). Dem Einwande, dass demselben die für ein solches Ster- num bezeichnenden Verbindungen mit den Rippen fehlen, begegnet er dadurch, „dass in den Beziehungen zu den Rippen nur ein Theil der Charaktere des Sternum gegeben ist, denn auch die Beziehung zu den Coracoidstücken gehört hieher“. Diese sei aber bei den Anura so gut vorhanden wie bei den Reptilien und Vögeln, da wenigstens bei beweglichen Korakoidplatten die vorderen Sternal- ränder mit einer Rinne zur Aufnahme der Epikorakoidränder ver- sehen seien. Diese Bemerkungen Gegenbaurs wären ganz ge- rechtfertigt, wenn das Sternum der Amnioten eine selbstständige Anlage besässe und mit den Rippen ebenso wie mit den Coracoidea erst nachträglich in eine gewisse Verbindung träte; es geht aber aus den Rippenenden selbst hervor und schliesst sich den Kora- koidplatten nur bei den Reptilien (Saurier, Krokodile), Vögeln und Monotremen an, während es diese Beziehungen bei allen übrigen Säugern nicht besitzt und nur mit dem Episternum sich verbindet. Ich halte daher den konstanten Ursprung des Sternum der Amnioten aus den Rippen für das weitaus wichtigere Moment zur Bestimmung seiner Homologaals diesekundäre Anpassungan die Coracoidea, welche seine Bildung nur bei den Reptilien mit beeinflussen mag. Diese Aui- fassung wird auch, wie ich glaube, durch die analogen Erschei- nungen am Episternum gut erläutert und bestätigt. Beide Theile, das kostale Sternum der Amnioten wie das Episternum der Am- phibien und Amnioten, sind Abgliederungen anderer Skeletanlagen, der Rippen und der Schlüsselbeine; an beiden erhalten sich diese genetischen Beziehungen, wechseln aber die sekundären Verbin- dungen und Anpassungen an andere, mit ihnen genetisch nicht zusammenhängende Skelettheile, indem das Sternum zuerst mit den Coracoidea und dem Episternum, weiterhin nur mit dem letzteren, dieses anfangs nur mit den Coracoidea, später nur mit dem Sternum sich verbindet. Hat man nun aber bei dem Epi- sternum diese wechselnden Verbindungen (welche wenigstens bei Ichthyosaurus und den Amnioten schon längst bekannt waren) für seine Deutung nieht weiter in Anschlag gebracht, so können auch die analogen sekundären Beziehungen des Sternum für dessen 598 Dr. A. Goette: Bestimmung nicht so massgebend werden, dass darüber seine Ab- stammung von Rippen ganz unberücksichtigt bleibt. Kurz — so wie ich für episternale Bildungen nur mediale Fortsetzungen der Schlüsselbeinanlagen halten kann, so verlange ich von einem Ho- mologon eines Kostalen Sternum, dass es ein Erzeugniss der ur- sprünglichen Rippenanlagen sei. Und dies ist bezüglich des Hypo- sternum der Anuren und wie ich weiterhin zeigen werde, auch der Urodelen nicht der Fall. Allerdings dürfte hier der Einwand erhoben werden, dass wenn ein solcher Zusammenhang zwischen Hyposternum und Rippen auch jetzt nicht mehr nachweisbar ist, er doch früher bestanden haben könne, und nur im Laufe der Phylogenie verloren gegangen sei, ohne darum die Bedeutung des Hyposternum als eines ko- stalen Sternum zu verändern. Gegenbaur selbst hat später eine solche Ansicht ausgesprochen, freilich aber nicht um die Deutung des Sternum zu unterstützen, sondern in umgekehrter Erwägung: da die Amphibien ein (anderweitig erwiesenes) Sternum besässen, welcher Skelettheil doch sonst in genetischen Beziehungen zu vippen stände, so müsse für ersteres eine Rückbildung der bezüg- lichen Rippen angenommen werden, „derart, dass von den ursprüng- lieh eontinuirlichen Knorpelspangen sich nur das vertebrale Stück, sowie das in die Bildung des Sternum eingehende Ende erhalten hat“ (Nr. 12 S. 622, vgl. S. 626). Gesetzt den Fall, eine solche Annahme würde von anderer Seite in dem oben erwähnten Sinn gemacht, um damit die Deutung des Hyposternum als Sternum zu ermöglichen, so kann ieh doch diese Hypothese weder an sich für zulässig, noch dureh die vorliegenden Verhältnisse für geboten erachten. — Jede Rippe entsteht nicht gleich in ihrer ganzen relativen Länge innerhalb der Leibeswand, sondern ist ein Aus- wuchs eines Wirbels, welcher erst allmählich in jene eindringt. Eine solche Anlage kann sich gewiss in zwei, selbst weit getrennte Stücke, die eigentliche Rippe und die ventrale Brustbeinanlage, trennen, aber doch erst, nachdem sie als Ganzes aus dem Wirbel hervorgewachsen ist, wie ich dies auch bei Anguis nachwies. Die in Rede stehende Hypothese würde aber besagen, dass die An- lagen des Hyposternum der Frösche früher allerdings Rippenenden gewesen seien, aber einmal im Laufe der phyletischen Entwicke- lung aufhörten, Theile jener Wirbelauswüchse zu sein, nicht aber solche zu bedeuten, sodass, während die Amphibienrippe. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 599 aus dem Wirbel seitwärts hervorsprosste, ihr eigent- liches Ende bereits als selbstständige Bildung in einer oberflächlichen ventralen Fascie läge!) Eine solche Vorstellung kann ich mir wenigstens nicht zu eigen machen. Soll aber damit nur gesagt sein, dass trotz des verschiedenen Ursprungs die gleichgelagerten Stücke ihre Gleichwerthigkeit behalten, so ist es ja gar nicht nöthig, den gleichen Ursprung dennoch vorauszu- setzen, um eine solehe Homologie zu beweisen, welche alsdann freilich einen ganz andern Sinn hätte als den hier als massgebend angenommenen. Es liegt aber auch gar kein anderer Grund vor .auf jener Hypothese zu bestehen. Wir kennen keine mit einem unzweifelhaften kostalen Sternum versehenen Vertebraten, welche unter den Amphibien ständen und daher Veranlassung böten, das Hyposternum der letzteren mit dem Sternum der ersteren in Ueber- einstimmung zu bringen. Anderseits sind aber auch das Hypo- sternum der Frösche und seine eigentlichen Homologa bei anderen Amphibien nicht die einzigen Stücke, welche mit den Coracoidea in die erwähnten näheren Beziehungen treten und darin den ähn- lich gelagerten Brustbeinbildungen gleichen. Ich habe schon früher gezeigt, dass zum sogenannten Hyposternum von Bombinator igneus zweierlei ganz verschiedene Anlagen sich verbinden, und werde noch zeigen, dass dieses Thier darin sich ganz an die Urodelen anschliesst (Fig. 52, 55). Soll nun das Hyposternum auch dieser Thiere in dem von mir bestrittenen Sinn gedeutet werden, so kämen wir dazu, bei ihnen zweierlei Sternalbildungen annehmen zu müssen, welche ganz verschiedenen Ursprungs unter sich und mit dem Sternum der Amnioten, dennoch demselben in gleicher Weise homolog wären. Wollen wir aber auch zunächst von dieser Thatsache absehen, weil ich dieselbe erst im folgenden Ab- schnitt erläutern will, so können wir doch schon auf Grund der anderen vorausgeschiekten Erwägungen für die Frösche und die mit gleichem Hyposternum versehenen Anuren aussprechen, 1) Ganz erfolglos wäre hierbei die Berufung auf andere Skelettheile, welche bisweilen in getrennten Stücken auftreten, z. B. die Fibula (Nr. 20 II. 2 S. 445, Nr. 3 I S. 515), denn einmal fehlt der Beweis, dass das später fehlende Mittelstück auch schon in der Anlage fehlte, und ferner entsteht die Fibula gleich mit allen ihren Theilen in den definitiven Lagebeziehungen, sodass die Bildungsursachen des einen Theils selbst völlig ausfallen könnten, ohne die Identität der anderen Theile zu beeinträchtigen. 600 Dr. A. Goette: dass 1. nichts uns nöthigt, bei ihnen überhaupt die Anwesenheit eines kostalen Sternum anzunehmen, 2. ihr Hyposternum gerade das konstante Merkmal aller Sternalbildungen der Amnioten, näm- lich den kostalen Ursprung, nicht zeigt und nur mit einem Theil der letzteren die Beziehungen zu den Korakoidplatten theilt. Ich kann desshalb im Hyposternum der Anuren nur eine selbstständige Anhangsbildung des Schultergürtels sehen, welche lediglich in Folge einer konvergirenden Verähnlichung als ein Seitenstück zum Sternum der Amnioten erscheint. Den Namen „Hyposternum“ desswegen aufzugeben, sehe ich mich nicht veranlasst; denn der- selbe ist noch nicht für Theile eines kostalen Sternum eingeführt, und daher für ein Anfangsgebilde des Schultergürtels ebenso be- rechtigt wie der Name ‚„Episternum“ für ein Abgliederungsprodukt desselben, welches mit einem kostalen Sternum ebensowenig Ge- meinschait hat!), Lässt sich im Hyposternum der Anuren ein kostales Sternum nicht erkennen, so fehlt ein solches diesen Thieren überhaupt, wie ich dies schon früher behauptet habe (Nr. 15 S. 617). b. Urodela. Ueber den Sehultergürtel dieser Amphibien habe ich nicht viel zu sagen, da er viel einfacher gebaut ist als derjenige der Anuren, und seine Theile sich mit Hülfe des letzteren unschwer erkennen lassen. Bei ganz jungen Larven von Triton cristatus finde ich den Schultergürtel so gebildet, wie ihn Parker bereits von einer an- deren Molehlarve (Lissotriton punctatus) dargestellt hat (Nr. 22 S. 63, Taf. IU. Fig. 4). Die schmale Scapula besitzt bereits zwei ventrale Fortsätze; während aber der hintere vom Gelenktheil aus sichelförmig sich nach vorn krümmt, ist der vordere in einem kur- zen Vorsprunge gerade vor dem Schultergelenk nur eben ange- deutet (Fig. 53). Es ergibt sich daraus, dass der vordere Fortsatz thatsächlich allmählich aus der Scapula hervorwächst und mit dem hinteren anfangs nur vermittelst des skapularen Gelenktheils zu- sammenhängt, um erst später von seiner Wurzel aus mit ihm zu verschmelzen und so den sie trennenden Ausschnitt zu verkleinern. 1) Seit ich die Abgliederung des Episternum von dem Schultergürtel kennen gelernt habe, kann ich auch die früher von mir angenommene Homo- logie zwischen Epi- und Hyposternum nicht mehr aufrechterhalten. Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 601 Dies wird ferner dadurch bewiesen, dass das später in der gemein- samen Wurzel beider Fortsätze befindliche Nervenloch an jenem jungen Schultergürtel noch nicht vorhanden war, vielmehr sich erst dadurch bildet, dass auf den nächstfolgenden Entwickelungs- stufen der die Basen beider Fortsätze verbindende Knorpelrand weiter vorrückt und den Nerv umwächst. Der von Parker ab- gebildete junge Schultergürtel besitzt das Nervenloch bereits, ist aber auch, nach der Verknöcherung zu schliessen, älter als der von mir beschriebene. Die ursprüngliche Trennung beider Fort- sätze muss also stets mindestens bis zu jenem Loch reichend an- genommen werden; und damit stimmt auch der Umstand überein, dass dasselbe bei den Salamandrinen, welche getrennte Ver- knöcherungen dieser Theile besitzen, in der die beiderseitigen Knochen trennenden Nath liegt (vgl. Parker Nr. 22 Taf. III, IV). Dies wird übrigens schon von Cuvier erwähnt (Nr. 4 X S. 320). Im weiteren Verlauf der Entwickelung wächst der hintere Fortsatz zu einer breiten und runden, der vordere zu einer schma- len Platte aus, welche erst gegen das Ende hin etwas breiter wird; beide Platten verwachsen wie erwähnt bis über das Nerven- loch hinaus miteinander, im übrigen bleiben sie durch einen Aus- schnitt getrennt. Ausnahmsweise kommt auch bei den Urodelen eine terminale Verbindung beider Skapularfortsätze vor; bei Me- nopoma fand ich die rechte ventrale Schultergürtelhälite auf diese Weise in einen breiten runden Rahmen verwandelt (vgl. Nr. 15 S. 617). Die Verknöcherung des Schultergürtels beginnt bei allen Urodelen an der Scapula; bei den Salamandrinen verknöchern auch die Basen der ventralen Fortsätze, so zwar, dass anfangs alle drei Verknöcherungsbezirke getrennt sind und erst später verschmelzen (vgl. Parker a. a. O.). Die Deutung beider ventralen Skapularfortsätze der Urodelen wird naturgemäss an die entsprechenden Bildungen der Anuren anzuknüpfen haben. Diese letzteren zeigen uns in der ersten An- lage ebenfalls zwei frei endigende ventrale Skapularfortsätze, von denen der hintere vom Schultergelenk ausgeht, der andere davor entspringt; später fliessen beide an der Wurzel zusammen und verbinden sich mit ihren medialen Enden zu einem Rahmen (Fig. 34—38, 53). Es kann daher gar kein Zweifel obwalten, dass die beiderlei Fortsätze der Urodelen und Anuren einander homolog sind, und dass bei den Anuren nur die weitere Entwickelung des ursprünglichen Zustandes der Fortsätze zu einem Rahmen, welche Archiv f. mikrösk. Anatomie. Bd. 14. 39 602 Dr. A. Goette: bei den Urodelen nur ausnahmsweise vorkommt, zu einer regel- mässigen Erscheinung geworden ist. Auch wurde dieser Vergleich schon von Cuvier angestellt und folgerichtig auch bei den Uro- delen der hintere Fortsatz „Coracoideum“, der vordere „Cla- vicula“ genannt (Nr. 3 IS. 365, Nr. 4 X S. 320, 330 u. 8. w). Von den Neueren führt Hyrtl dieselben Namen an (Nr. 18a S. 54). Diese Deutung wurde von Duges beanstandet, indem er die grosse runde Platte oder den hinteren Skapularfortsatz der Urodelen dem ganzen Knorpelrahmen der Anuren gleichstellte und folglich in dem vorderen Fortsatze nur den Periostalknochen der Clavicula der Anuren, welchen er Acromion nannte, sah (Nr. 5 S. 165, 180, vgl. auch Stannius Nr. 31 8.72). Da jener Knochen aber gene- tisch zum unterliegenden Knorpel gehört, beide nur histiologische Differenzirungen einer und derselben Anlage, und zwar eines vor- deren Skapularfortsatzes sind, so ist auch der Vergleich von Duges nicht stichhaltig, wie denn auch jene Cuvier’sche Bezeichnung des Coraeoideum (bez. Coracoideum und Epieoraeoi- deum) allgemein angenommen ist. Bezüglich des vorderen Fort- satzes verfuhr aber Gegenbaur umgekehrt wie Dug£&s, indem er Knochen und Knorpel der Clavieula der Anuren gleichfalls trennend, nur den letzteren, sein Procoracoideum, in dem vorderen Skapularfortsatze der Urodelen wiedererkannte, eine Clavicula aber denselben fehlen liess (Nr. 11 S. 69, 70), was seither sehr allge- mein anerkannt wurde (Fürbringer, Wiedersheim, Hofi- mann u. A). Ich kann hiergegen nur wiederholt darauf hinweisen, was ich über den Schultergürtel der Anuren gesagt habe, und wo- von natürlich anch die Deutung desjenigen der Urodelen abhängt. Ist die ganze vordere Leiste des Rahmens der Anuren nur als die einheitliche Bildung aufzufassen, welche weder im Ganzen noch zum Theil in der Korakoidplatte der Saurier gesucht werden, und nur der Clavieula der Amnioten entsprechen kann, so bleibt für den ihr homologen vorderen Skapularfortsatz der Urodelen u eine gleiche Deutung übrig: er stellt gerade die ursprüngliche Fo einer Clavieula dar, welche bei den Anuren und Amnioten nur i den frühesten Entwickelungszuständen wiedererscheint, um dara theils durch die Verbindung mit dem Coracoideum (Anura, Che- lonii) theils durch Abgliederung von der Scapula (Saurii, Aves, Mammalia) in neue Einrichtungen überzugehen. Will man dar& Gewicht legen, dass das zwischen der Clavieula und dem Cor Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 603 eoideum der Chelonier ausgespannte Ligament keine so innige Verbindung derselben darstelle, wie die unmittelbare Verschmel- zung der Enden beider Fortsätze bei den Anuren, so schliesst sich allerdings der ventrale Schultergürtelabschnitt der Chelonier am meisten an denjenigen der Urodelen an. Ein Episternalapparat ist bei den Urodelen, deren Schul- tergürtelhälften sich nicht unmittelbar verbinden, noch nicht zur Ausbildung gelangt. Dagegen findet sich bei ihnen ziemlich all- gemein eine Bildung, welche dem Hyposternum der Anuren ver- glichen und daher auch ebenso wie das letztere als Sternum oder Xiphoideum bezeichnet wird. Allerdings stellt sie sich, wenn man von ihren übrigen Lagebeziehungen und ihrer Entwickelung ab- sieht, als eine Knorpelplatte dar, welcheähnlich wie das Hyposternum mancher Anuren am vorderen Rande Rinnen zur Aufnahme der Epikorakoidalränder besitzt (vgl. Gegenbaur Nr. 11 8. 64). Aus der Entwickelungsgeschichte dieses sogenannten Sternum der Urodelen lernen wir aber eine andere Bedeutung desselben kennen. An ganz jungen Larven von Salamandra maculosa sind ‚die noch voneinander entfernten Korakoidplatten wie bei Anuren- larven durch eine dünne Membran verbunden, welche mit dem ganzen Schultergürtel über dem geraden Bauchmuskel liegt und rückwärts sich in die noch sehr breite Linea alba verliert. Wäh- rend jene Platten näher zusammenrücken, entsteht in dieser Linea alba und zwischen den beiderseitigen Inscriptiones tendineae, welche dicht hinter dem Schultergürtel liegen, eine dünne Knor- pelplatte, deren zwei Schenkel nach vorn zu einer Spitze zusam- menstossen, rückwärts aber theils in die Inseriptio ihrer Seite, theils am medialen Rande des Bauehmuskels auslaufen (Fig. 54, 56). Auf dieser Knorpelplatte befestigt sich auch die von den Epi- coracoidea herkommende Membran jederseits in einer schräg median- und vorwärts verlaufenden Linie, sodass beide Ansatz- linien sich vorn schneiden. Indem nun die Korakoidplatten bei fortgesetztem Vorrücken gegeneinander sich endlich übereinander schieben, wird die an ihren Rändern befestigte Membran zwischen die sich deckenden Epikorakoidstücke umgeschlagen, sowie ich es schon an einem Theil der Anuren beschrieb (Fig. 55). Zu gleicher Zeit verknorpelt die Membran längs ihrer Ansatzlinien an der medianen Knorpelplatte der Linea alba; die auf diese Weise entstandenen, durch einen mittleren Einschnitt mehr oder 604 Dr. A. Goette: weniger getrennten Knorpellappen bilden nun mit dem von ihnen überlagerten dreieckigen Vordertheil jener Platte eine Art Tasche, deren Grund jederseits längs der ursprünglichen Ansatzlinien der Membran schräg nach hinten abfällt. Um zu verstehen, wie aus dieser ganzen, durch die ursprüngliche mediane Knorpelplatte und die ihrer Bauchseite angefügten zwei Knorpellappen zusammen- gesetzten Bildung der definitive fragliche Skelettheil der Urodelen herzorgeht, hat man sich nur zu denken, 1. dass der zwischen den Knorpellappen und den Epicoracoidea befindliche Theil der Membran sich mehr und mehr zusammenzieht, sodass die Epicoracoidea in un- mittelbare Nähe der ersteren kommen, und 2. dass die Knorpel- bildung von den beiden Lappen aus sich in die zwischen die Epi- coracoidea umgeschlagene Membran fortsetz. An der Fig. 55, lässt sich verfolgen, wie diese Membran auf der linken Körper- seite (der rechten in der Abbildung) vom Knorpellappen aus den Saum des linken Epicoracoideum sowohl aussen überdeckt, wie auch unter denselben sich umschlägt, um den Saum des verdeckten rechten Epieoraeoideum zu erreichen. Daher ruht der linke Epi- korakoidalsaum in einer von der Membran gebildeten Tasche, deren hinterer Theil, im Anschluss an den linken Knorpellappen ebenfalls verknorpelnd, zu einem festen Falz wird; andererseits ruht der reehte Epikorakoidalsaum in einer anderen Tasche, welche aus dem umgeschlagenen Membrantheil, also dem tiefen Blatt der ersten Tasche und dem unterliegenden Vordertheil der ursprüng- lichen medianen Knorpelplatte gebildet wird, und nach der be- zeichneten Verknorpelung der Membran auch vom rechten Knor- pellappen her, in ihrem hinteren Theil ebenfalls einen Knorpellalz darstellt. Man begreift nun, wie die beiderseitigen Falze sich _ kreuzen, einer über den anderen hinausläuft, und dass sie ferner sich kontinuirlich in die häutigen Taschen fortsetzen, welche den u vorderen Theil der Epikorakoidalsäume umschliessen und durch Faltung einer anfangs oben ausgebreiteten Membran entstanden. | Bei den einheimischen Tritonen ist die Entwickelung dieser Knorpelbildung die gleiche wie bei Salamandra; und dies gilt wohl auch für die übrigen Salamandrinen (vgl. Wiedersheim Nr. 52 S. 153). Unter den Ichthyodea besitzen Cryptobranchus und Menopoma die Knorpelplatte der Linea alba, doch ist 7 Verknorpelung der daran befestigten Membran nur auf die Ansatz ränder beschränkt, sodass der Knorpelialz sehr flach erscheint” Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skelstsystems d. Wirbelthiere. 605 (vgl. Hyrtl Nr. 18a S. 55, 59). Doch habe ich jene mediane Knorpelplatte von Menopoma mit ähnlichen Fortsetzungen ange- troffen, welehe Stannius von Menobranchus beschreibt (Nr. 31 S. 13). Bei diesem Perennibranchiaten bestände nämlich der be- treffende Theil „in einem Längsknorpelstreifen, der oberhalb der Partes coracoideae des Schultergürtels in der Kontinuität der me- dianen ventralen Aponeurose (Linea alba) liegt und in zwei Paar von ihm aus in Ligamenta intermuscularia übergehenden Knorpe- ligen Seitenfortsätzen“. An einem jungen Menopoma, dessen Epi- coracoideae die Medianlinie noch nicht erreicht hatten, fand ich zunächst die schon erwähnte Knorpelplatte mit dem wulstigen An- satz der Membran, aber unregelmässig gestaltet und durchbrochen (Fig. 57). Von ihrem Hinterrande ging jederseits ein Schenkel in die angrenzende Inscriptio tendinea ab, dahinter lagen in der Linea alba ein Paar Knorpelstreifen, deren Enden gegen die folgenden In- seriptiones gerichtet waren: vor der Platte endlich befanden sich zwei Knorpelstäbe in den über der Mitte der Epieoracoidea gele- genen Sehnenstreifen, welche in der Linea alba zusammenfliessen. Alle diese getrennten Stücke halte ich für ein zusammengehöriges System von Skelettheilen, welche auch verschmelzen können (Stan- nius) und’ der bezüglichen Knorpelplatte der Salamandrinen ent- sprechen. Während also diese Knorpelbildungen bei den genannten Iehthyodea zum Theil noch umfangreicher sind als bei den Sala- mandrinen, bei gleichzeitigem Mangel einer Knorpelbildung in der daran befestigten Membran, finde ich es umgekehrt bei einer jungen Siren lacertina, an welchem Urodel bisher keine jener Knorpel- stücke gefunden wurden (vgl. Cuvier Nr. 4 S. 347, Parker Nr. 22 S. 62). Eine mediane Knorpelplatte scheint allerdings zu fehlen; dagegen waren die für die Epicoracoidea bestimmten häu- tigen Taschen, welche längs der hinter dem Schultergürtel be- findlichen Inscriptiones befestigt waren, in grosser Ausdehnung in äusserst dünne Knorpellamellen verwandelt, die jedoch ohne bestimmte Form ganz allmählich in die häutigen Theile übergingen. Von der gesammten bezüglichen Knorpelbildung der Salamandrinen waren also bei Siren nur die Falze vorhanden. — Bei Proteus, dem sich Amphiuma anzuschliessen scheint, habe ich ebenso wenig wie Andere einen Knorpel in der Nähe des Schultergürtels angetroffen. Am sogenannten Sternum der Urodelen müssen wir also zwei Theile unterscheiden: 1. die Knorpelstücke der Linea alba mit 606 Dr. A. Goette: ihren Fortsetzungen in den geraden Bauchmuskel, welehe mit Ausnahme von Proteus, Siren und Amphiuma (?) allen Urodelen, frei- lich in verschiedenerem Maasse zukommen; 2. die Knorpeltheile der die Epicoracoidea verbindenden Membran, welche sich an jene Stücke anschliessen und (mit Ausnahme von Siren) den Ichthyodea so gut wie ganz fehlen, dagegen bei den Salamandrinen stärker entwickelt sind. Diese beiderlei Theile werden schon durch ihre verschiedenen Ursprungsstätten, die zum Schultergürtel gehörige Membran und den _ geraden Bauchmuskel, genetisch geschieden, sodass die ganzen so- genannten Sterna der Urodelen schon unter sich nicht ohne wei- teres vergleichbar sind. Gemeinsam ist ihnen die mediane Knorpel- platte des geraden Bauchmuskels, aber die in der aufsteigenden Reihe sich daran entwickelnden tiefen Falze sind nicht am Rande jener Platte, sondern eben durch Anfügung neuer Theile entstanden. Für den Vergleich dieser Bildungen mit den Hyposternalap- paraten der Anuren ist es nun sehr wichtig, dass ein Vertreter der letzteren, Bombinator igneus, im wesentlichen jene Doppel- bildung der Urodelen wiederholt zeigt. Bei diesem kleinen Anuren entsteht nämlich, wie ich dies schon früher angab (Nr. 15 S. 471— 473, 618, Taf. XX), in den beiden hinter dem Schultergürtel ge- legenen Sehnenstreifen des M. rectus je ein Knorpelstab, welche beiden in der Linea alba zusammenstossend einen Bogen bilden, an dessen Bauchseite sich die Verbindungsmembran der Epicora- coidea befestigt (Fig. 52). In dieser Membran entwickeln sich nun völlig getrennt von jenem Bogen zwei kleine Knorpelscheiben, ähnlich dem gespaltenen Hyposternum anderer Anuren und dem- selben durchaus homolog, wie sie denn auch in die membranösen Taschen der übereinandergeschobenen Epiecoracoidea übergehen. Wenn diese Scheiben die Bauchseite des unterliegenden Bogens erreichen und mit ihr sich verbinden, so wird dadurch letzterer in die Homologie nicht mit hineinbezogen, sondern bleibt ein Stück ; für sich, welches den übrigen Anuren fehlt. Nun bedarf es aber keiner weitläufigen Auseinandersetzung, um jenen Knorpelbogen in der Linea alba und dem Bauchmuskel sowie die mit ihm ver- ee bundenen Knorpelscheiben von Bombinator, in der medianen Knor- pelplatte und den angefügten Knorpellappen der Salamandrinen, welche Ursprung und Lagebeziehungen mit den ersteren gemein haben, wiederzuerkennen. Es ergibt sich aber daraus, dass das gewöhnliche Hyposternum der Anuren nur auf jene Knorpelbil- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 607 dungen der Urodelen zurückgeführt werden kann, welche in der gleichen zum Schultergürtel gehörigen Membran entstehen, nur in Folge ihres Anschlusses an die ihnen genetisch fremde mediane Knorpelplatte der Linea alba sich später wie Theile derselben ausnehmen und eigentlich auf die Salamandrinen beschränkt sind. Jene mediane Knorpelplatte bleibt aber vom Vergleich mit dem Hyposternum ausgeschlossen. Noch verständlicher wird uns das Verhältniss aller dieser Theile zueinander, wenn wir sie in der na- türliehen Reihenfolge ihres Vorkommens verfolgen. Bei den nie- dersten Amphibien fehlen sie ganz (Proteus) oder sind nur durch allgemeine, in ihrer Form wenig bestimmte Verknorpelungen der zum Schultergürtel gehörigen Membran angedeutet (Siren); darauf erscheinen Knorpelbildungen der Linea alba, welche sich in ver- schiedenen Sehnenstreifen des geraden Bauchmuskels fortsetzen, aber doch ein grösseres Mittelstück, an welches sich jene Mem- bran befestigt, hervortreten lassen (Menobranchus, Menopoma); darauf koncentrirt sich die Knorpelbildung ganz auf dieses Mittel- stück, dem sich erst geringe, dann bedeutendere Knorpeltheile der Membran anschliessen und so die festen Falze für die Epico- racoidea herstellen (Cryptobranchus, Salamandrina) ; endlich treten diese hyposternalen Knorpeltheile in bestimmter Sonderung und Form und miteinem gewissen Uebergewicht über diedem Bauchmuskel angehörigen Stücke hervor (Bombinator), bis sie unter gänzlichem Wegfall der letzteren ganz allein die bestimmt geformten Hyposterna der übrigen Anura darstellen. Es lässt sich daraus erkennen 1. dass alle diese Theile zuerst als wenig bestimmte Verknorpe- lungen von Sehnen und Faseien auftreten; 2. dass sie dann all- mählich sich zu bestimmten Formen koncentriren, 3. dass die zweierlei Formen einander ablösen, indem die Knorpel des Bauch- muskels zuerst allein vorhanden sind (Ichthyodea), dazu die hypo- sternalen Stücke dazukommen (Salamandrina, Bombinator) und endlich bei der Mehrzahl der Anura allein bestehen. Diese Er- gebnisse der vergleichenden Betrachtung bezeugen einmal den un- tergeordneten Werth aller dieser Knorpeltheile; sie lehren ferner, dass gerade das Hyposternum der Anuren, welches durch den innigen Anschluss an den Schultergürtel doch noch mehr Aehn- liehkeit mit einem Sternum darbietet als die darunterliegende Knorpelplatte der Linea alba, in der absteigenden Reihe sich bei den Urodela verliert, wo allein die verwandtschaftlichen Anschlüsse 608 Dr. A. Goette: der Amphibien an die Amnioten gesucht werden können. Ich kann daher auch den hyposternalen Stücken der Urodela die Be- deutung eines Sternum sowenig wie dem Hyposterna der Anura zuerkennen; und es bliebe folglich nur zu untersuchen übrig, ob eine solche Bedeutung etwa den unter den Urodela am meisten verbreiteten, innerhalb des Bauchmuskels gelegenen Knorpeltheilen zukomme, wobei Bombinator natürlich in die Untersuchung mit hereingezogen werden muss. Ich habe den betreffenden Knorpelbogen von Bombinator, welcher aus zwei Hälften in einem Paar Sehnenstreifen des M. re- etus entsteht, schon früher mit Bauchrippen verglichen. Gegen- baur hat daraus Veranlassung zu folgenden Schlüssen genommen: da jene Bauchrippen immerhin Rippen sind, so hätte das Hypo- sternum von Bombinator auch ohne Zusammenhang mit der Wirbel- säule einen kostalen Ursprung wie die Sterna der Amnioten (Nr. 13 S. 321), woraus sich natürlich die Homologie der beiderlei Bil- dungen ergeben müsste. Ich glaubte aber bei jenem früheren An- lass voraussetzen zu dürfen, dass, wenn ich von „bauchrippenähn- lichen Knorpeln“ in den Sehnenstreifen des geraden Bauchmuskels sprach (Nr. 15 S. 471, 473), und sie später einfach „Bauchrippen“ nannte (S. 618), man darin lediglich einen Hinweis auf die ebenso gelagerten und allgemein bekannten „Bauchrippen“ der Krokodile und anderer Reptilien (Hatteria) erkennen würde, welche ersteren nach Rathke unabhängig von der Wirbelsäule „in der Substanz‘ des geraden Bauchmuskels oder wenigstens in Verbindung mit dem- selben entstehen, dessen Inscriptiones tendineae darstellen und daher mit den eigentlichen Rippen nichts gemein haben (Nr. 28 S. 69, 73). Mag desshalb der Name „Bauchrippe‘“ auch unpassend erscheinen, so dürfte er doch, bis ein passenderer sich findet, bei- behalten werden, ohne dass, nach den bekannten Untersuehungen Rathke’s, das eben bezeichnete Missverständniss nothwendig zu befürchten wäre. Braucht man doch in ganz ähnlicher Weise die Ausdrücke „Episternum, Sternum“ ohne weitere Irrungen. Das Bauchrippenpaar der Unke und noch mehr die ihm homologen Bildungen von Menobranchus und Menopoma, welche von der Linea alba aus sich in mehrere Sehnenstreifen des M. reetus fort- setzen, stimmen nun in der That nach Ursprung und Lagebezie- hungen mit den Bauchrippen der Krokodile überein (Fig. 52, 56, 57). Sie entwickeln sich gerade so wie diese unabhängig von Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 609 anderen Skelettheilen, insbesondere den Rippen, in der Linea alba ‘und den Sehnen des geraden Bauchmuskels, und sind nicht durch- weg auf die Gegend hinter dem Schultergürtel beschränkt, sondern können sich auch über demselben weiter nach vorn erstrecken, wo doch ein Sternum nicht zu liegen pflegt. Auch finden sich bei den Urodelen ganz gleiche Knorpel noch an anderen Stellen desselben Muskels, welche ich daher ebenfalls in die Kategorie jener Bauchrippen stelle; ich meine die Cartilago ypsiloides der Urodelen, wozu unter den Anuren Daetylethra ein Seitenstück be- sitzt (Stannius Nr. 31 8. 77). An Larven von Tritonen und Salamandra habe ich mich davon überzeugen können, dass dieser Knorpel kein einfacher Auswuchs der Schamsitzbeine ist (Fig. 56 B); denn sein hinterer an» dieselben angefügter Theil ent- steht unpaar aus einem weichen Gewebe innerhalb der Linea alba, während die Schamsitzbeine schon knorpelig, aber noch völlig getrennt sind. Dieses Stück wächst dann vorn in zwei Hörner aus, welche in die nächsten Inseriptiones tendineae ein wenig hineinragen!). Ich halte daher die Cartilago ypsiloidea für eine Wiederholung jener in der vorderen Körperhälite befind- lichen ähnlich gelagerten Stücke, welche ich mit den Bauch- rippen der Krokodile vergleiche. Der Unterschied, dass die letz- teren, wenngleich ihre erste Anlage noch nicht bekannt ist, sehr frühe knöchern erscheinen, dürfte bei dem untergeordneten Werth dieser Theile um so weniger in’s Gewicht fallen, als wir den gleichen Gewebswechsel von den Schlüsselbeinen und Episterna her kennen (s. o0.). Wir hätten somit in allen jenen mit einander verglichenen Stücken ein System von selbstständigen Verknorpe- lungen und Verknöcherungen in den Sehnen des geraden Bauch- muskels, welches bei den Amphibien nur in getrennten Abschnitten und wenig regelmässig, beiden genannten Reptilien aber vollständiger erscheint. Bei den Krokodilen wurde es bekanntlich früher Sternum abdominale genannt („Bauchbein“ — Meckel), welche Bezeich- ‚nung aber schon von Rathke für unpassend erklärt wurde und 1) Auch bei den Krokodilen kommen ähnliche aber paarige Knorpel- platten vor, welche die letzten Bauchrippen mit den ossa ileopectinea ver- binden und von Meckel als Homologa der Cartilago ypsiloidea der Urodelen betrachtet wurden (Nr. 20 II 1, S. 476, 477), während Rathke sie für Theile des Beckens hält (a. a. O., vgl. auch Gorski, Ueber das Becken der Saurier 8. 7). 610 Dr. A. Goette: gegenwärtig allgemein aufgegeben ist. Was aber von diesem Theil der Krokodile gilt, lässt sich dann auch von den homologen Knorpelbildungen der Linea alba und des M. reetus der Amphibien behaupten, dass sie in keinem Theil mit einem kostalen Sternum verglichen werden können. | In den Skeletstücken der Anuren und Urodelen, welche man gleicherweise für echte Sternalbildungen hält, sind zweierlei völlig heterogene Elemente enthalten: die nach ihrem Ursprung zum Schultergürtel gehörigen hyposternalen Stücke und die knorpeligen Umbildungen der Linea alba und der Sehnen des geraden Bauch- muskels. Es ist schliesslich gleichgültig, welche von ihnen eine grössere äusserliche Aehnlichkeit mit einem kostalen Sternum haben; da aber die Hyposterna ‘als zum Schultergürtel gehörige Theile, die anderen als Homologa von den, neben einem Sternum bestehenden Bauchrippen der Reptilien sich darstellen, so können sie weder einzeln (Ichthyodea, Anura) noch in ihrer Verbindung (Sala- mandrina, Bombinator) ein Sternum bedeuten. Selbstredend fehlt alsdann ein solches den Amphibien gänzlich. Die Ergebnisse der voranstehenden Untersuchungen über den Schultergürtel der Amphibien sind folgende: 1. Jede Hälfte desselben entsteht in allen Theilen völlig kon- tinuirlich als eine quergelagerte, alsbald verknorpelnde Platte, welche durch das Schultergelenk in zwei Abschnitte geschieden wird, einen einfachen dorsalen oder skapularen und einen ventralen, welcher aus zwei völlig getrennten, gabelig auseinanderstehenden Fortsätzen der Scapula besteht. Der hintere und ursprünglichere Fortsatz ist die Korakoidplatte; der vordere oder das Schlüsselbein wächst erst sekundär aus der Seapula hervor. 2. Der dorsale Abschnitt sondert sich später in Scapula und Suprascapulare, indem die erstere entweder allein verknöchert (Urodela) oder ihre vollständige Verknöcherung von der theilweisen Verknöcherung des Suprascapulare getrennt bleibt (Anura). 3. In ähnlieher Weise zerfällt die Korakoidplatte (mit Aus- nahme der meisten Ichthyodea) in das knöcherne Coracoideum und das knorpelige oder theilweise verkalkende Epieoracoideum. 4. Das Schlüsselbein bleibt bei den Urodelen entweder ganz knorpelig oder verknöchert nur an seiner Wurzel. Der rinnen- förmige Schlüsselbeinknochen der meisten Anuren gehört genetiseh als Periostalknochen zum unterliegenden, gewöhnlich verkalkten 3 e | # % 4 Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 611 Knorpel, umwächst ihn auch bisweilen ganz (Docidophryne, Sy- stoma, Hylaedactylus, Hyalplesia), worauf eine vollständige Ver- knöcherung des ganzen Schlüsselbeins eintritt. — Das Schlüssel- . bein der Amphibien bleibt in Kontinuität mit der Scapula wie dasjenige der Chelonier. 5. Die medialen Enden des Schlüsselbeins und der Korakoid- platten bleiben bei den Urodelen mit seltenen Ausnahmen (bei Menopoma) beständig getrennt; bei den Anuren verbinden sie sich zu einem Rahmen. 6. Beide Schultergürtelhäliten sind ursprünglich bei allen Amphibien nur durch eine breite Membran verbunden. Bei den Urodelen gehen sie keine weitere Verbindung ein, ob sich die Epicoracoidea übereinanderschieben oder nicht (Proteus) ; bei einem Theil der Anuren (Bufonidae, Hylidae, Bombinatoridae ete.) vereinigen sich nur die Enden der Schlüsselbeine, während die Epieoraeoidea sich unter Faltung der Membrana übereinander- schieben; bei den anderen Anuren (Ranidae, Phryniseidae ete.) stossen die Epicoracoidea unter Schwund jener Membran in der Medianebene zusammen und erhalten eine Gelenkverbindung (Rana), welche in anderen Fällen sich theilweise zurückbildet (Phryniscus). 7. Ein Episternalapparat fehlt durchweg den Urodelen und einem Theil der Anuren (Bufo, Bombinator, Pipa ete.); bei den ‚ Ranidae u. a. entsteht ein solcher aus paarigen Auswüchsen der Schlüsselbeinanlagen, welche sich in der Medianebene zu einem unpaaren Stück verbinden, welches entweder nur frei nach vorn vorragt (Episternum aut.) oder auch noch, bei zusammenstossenden Epicoracoidea, deren Fuge ventral verdeckt, und nach Verschmel- zung mit ihnen eine kielförmige Verbindung derselben darstellt. Bei Rana verkalkt dieser Kiel im Zusammenhang mit den Epi- korakoidsäumen, welche durch den hyalinen Theil der Epieoracoidea von den Coracoidea gesondert erscheinen; in diesem hyalinen Theil tritt bei jungen Fröschen sogar eine unvollkommene Abgliederung der medialen und lateralen Hälften der Epicoraeoidea ein. 8. Ein kostales Sternum besitzen die Amphibien nicht. Seine Stelle wird von Skeletbildungen mit verschiedenem Ursprung und verschiedener Zusammensetzung eingenommen: 1. Knorpelbildungen der Linea alba und der angrenzenden Sehnenstreifen des geraden Bauchmuskels (Ichthyodea), welche gemeinsam mit der Cartilago 612 Dr. A. Goette: ypsiloidea als Homologa von Bauchrippen aufzufassen sind; 2. dazu kommen Verknorpelungen der Verbindungsmembran der Epicora- coidea längs ihres Ansatzes an das bauchrippenähnliche Stück, woraus die Falze für die Epikorakoidränder hervorgehen (Sala- mandrina, Bombinator); 3. das gewöhnliche Hyposternum der Anuren entsteht nur aus jenen Verknorpelungen der Verbindungs- membran der Epicoracoidea, gehört also ganz zum Schultergürtel. Am Schlusse meiner Untersuchungen über das Brustbein und den Schultergürtel der Amphibien und Amnioten angelangt, möchte ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, der mir für die Beurtheilung meiner Arbeit von Belang scheint. Meine Ergeb- nisse weichen in nicht wenigen und wesentlichen Punkten von denjenigen Gegenbaur's ab, der mit Recht den Ruf geniesst, das Vertebratenskelet nicht nur am gründlichsten zu kennen, son- dern es auch in geistvollster Weise nach allen genetischen Be- ziehungen der Einzeltheile erläutert und gedeutet zu haben. Ueber- dies hat Gegenbaur gerade seine Untersuchungen über den Schultergürtel auf alle Vertebraten ausgedehnt, während ich die Fische von meinen Untersuchungen ausschloss, sodass vielleicht das Vorurtheil gegen die letzteren entstehen könnte, sie möchten bei dem beschränkteren Untersuchungsgebiet auch einseitigere Ansichten zu Tage gefördert haben. Es darf aber nicht übersehen werden, dass, wie es schon Gegenbaur aussprach und befolgte, die Untersuchung des Schultergürtels nothwendigerweise von den Amnioten auszugehen hat, weil bei diesen zuerst die bestimmt bezeichneten Theile bekannt wurden, die dann bei den Amphibien und zuletzt bei den Fischen nachzuweisen waren. Ferner eitire ich hier die Worte Gegenbaur’s, mit denen er die Uebersicht seiner bezüglichen Ergebnisse einleitete: „Der Schultergürtel der Fische bietet einen dem der übrigen Wirbelthiere gegenüberstehen- den Zustand, der mit diesen nach der gegenwärtigen Lage unserer Erkenntniss nicht unmittelbar verbunden scheint, da alle Zwischen- stufen fehlen. Es sind die Theile des Schultergürtels der Fische daher nur bedingterweise mit jenen der höheren Wirbelthiere ver- gleichbar“ (Nr. 11 8. 130). Aus beiden Erwägungen ergibt sich also, dass allein die Nichtberücksiehtigung der Fische bei den bezüglichen Vergleichen der Amphibien und Amnioten weder Un- [ Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 613 klarheiten noch Irrthümer bedingen kann. Auch hat Gegenbaur selbst nirgends vom Sehultergürtel der Fische auf denjenigen der übrigen Vertebraten geschlossen; der „Clavicula“ genannte Kno- chen der ersteren z. B. wurde von ihm nicht etwa benutzt, um die selbstständige und ursprünglich rein knöcherne Anlage des Sehlüsselbeins bei Amphibien und Amnioten zu beweisen, sondern nachdem er zuerst eine solche Anlage bei diesen gefunden zu haben glaubte, erklärte er jenen ähnlich gebildeten Knochen der Fische für eine Clavieula (Nr. 11 8. 113). Endlich möchte ich aber auch nicht zugeben, dass meine Deutungen schon von vornherein dadurch Bedenken erregen könn- ten, dass sie in den Reihen verschiedenerBildungszustände desselben Organs mehr und schärfer getrennte Ausnahmen und weniger natür- liche Uebergänge darböten, als man bisher anzunehmen gewohnt war. Ich glaube sogar das Gegentheil behaupten zu dürfen. Man vergegenwärtige sich zunächst den Schultergürtel im Ganzen, von den niedersten der von mir untersuchten Vertebraten aufwärts. Jede seiner Hälften stellt bei den Urodelen anfangs eine quere Platte vor, welche durch den Ansatz des Arms in einen dorsalen (skapularen) und ventralen (korakoidalen) Abschnitt geschieden, durch einen nachträglich ventralwärts abgesandten Fortsatz (Schlüs- selbein) dort gabelig getheilt erscheint (Fig. 53). Diese Gestalt des Schultergürtels, welche sich bei den Urodelen dauernd erhält, wiederholt sich auch in den frühesten Entwickelungszuständen der Anuren und Amnioten (Fig. 1, 34). Die sekundäre Umbildung ‘ dieses Zustandes bei den Anuren, durch Verbindung der beiden ventralen Skapularfortsätze zu einem Rahmen, kommt ausnahms- weise schon bei den Urodelen vor, und ist auch noch bei Che- loniern und Vögeln dureh ein entsprechendes Band angedeutet; und der völlige Ausfall des vorderen Skapularfortsatzes bei Ver- tretern aller Klassen erklärt sich jedenfalls leichter, wenn man dessen sekundäres Auftreten bei den niedersten der hier in Frage kommenden Vertebraten, den Urodelen, nachweisen kann. Bei der von mir vertretenen Deutung dieses vorderen Skapularfort- satzes als Clavieula entgeht man aber der Schwierigkeit, diesen wichtigen Theil des Schultergürtels bei den Urodelen gänzlich fehlen und erst bei den Anuren (noch dazu in der ungewöhnlichen völligen Abhängigkeit von einem anderen Schulterstück) auftreten zu lassen, wodurch die gerade bei den Urodelen zu suchenden 614 . Dr. A. Goette: Uebergänge von den Amphibien zu den Amnioten sich einer be- stimmten Vorstellung ganz entziehen. Auch kann meine Deutung der Clavieula der Anuren durch deren eigenthümliche Verknöche- rung nicht beeinträchtigt erscheinen, da dieselbe bei manchen Änuren zu einem normalen Verknöcherungsprocesse hinüberführt (Fig. 50, 51), ferner Andeutungen einer solchen einseitig beginnenden Verknöcherung auch bei Reptilien und Vögeln sich nachweisen lassen (Fig. 6, 21), und endlich die Unregelmässigkeiten in der Histiogenese dieses Skelettheils bei jeder Deutung bestehen bleiben. Da ich ferner wenigstens bei den Sauriern die Abgliederung der Clavicula von der Scapula als sekundären Vorgang kennen lernte, so kann der bleibende Zusammenhang beider Theile bei den Am- phibien und Cheloniern nicht als unvermittelte Ausnahme, son- dern nur als Erhaltung eines früheren Entwickelungszustandes an- gesehen werden, welche gerade bei den niedersten der hier betrachteten Vertebraten natürlich erscheint, und für die Che- ionier sich aus ihrem vielseitigen Anschluss an die Anuren erklärt. — Für den Episternalapparat habe ich den gleichen Ursprung aus den Schlüsselbeinanlagen bei Amphibien und Amnioten nach- gewiesen (Fig. 3, 8, 19, 27, 37); indem ich ihn aber bei einigen der ersteren vollständig auffand, und seine Beziehungen zu den Coracoidea bei Ichthyosaurus in derselben Weise wiederholt sah (Fig. 32, 39), ergab sich mir auch eine Vermittelung und Ver- bindung zwischen dem früher allein bekannten Episternum der Anuren und den Episternalbildungen der Amnioten. Es liess sich nämlich aus dem Vergleich der aufeinanderfolgenden Formen ent- nehmen, dass die ursprünglichen Beziehungen des Episternum zu den Coracoidea allein (Ichthyosaurus, Anura) sich allmählich lösen und in solche zum Sternum übergehen (Saurier), um endlich nur auf dieses beschränkt zu bleiben (Vögel, Säuger), wobei das Epi- sternum zum Theil ganz in das Brustbein aufgeht, ein klavikulares Brustbeinstück wird. Damit fällt endlich zusammen, dass ein echtes Sternum, dessen Entstehung aus Rippenenden ich bei Sauriern und Säugern nachwies, bei den Amphibien ganz fehlt; sowie das wichtigste und konstante Merkmal eines kostalen Ster- num sich aus jenem Ursprung ergab, konnte dessen sekundäre Beziehung zu den Coracoidea allein die Bedeutung eines Sternal- apparats den Skeletbildungen nicht verleihen, welche bei den Anuren und Salamandrinen als hintere Anhangsgebilde des Schulter- Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 615 gürtels (Hyposternum) sich darstellen. Und dies um so weniger, als bei den Urodelen dieser hyposternale Theil immer mehr zurück- bleibt gegen die damit verbundenen bauchrippenähnlichen Elemente, von welchen aus ein Anschluss an die kostalen Sternalbildungen - der Amnioten weder nach Ursprung noch Lagebeziehungen mög- lich erscheint. So erwarte ich denn von einer eingehenderen Prüfung dieser Arbeit die Anerkennung, dass mein Widerspruch gegen vielfach anerkannte Ansichten nicht etwa aui polemische Neigungen zurück- zuführen sei, und dass, wenn ich denselben auf Grund meiner Untersuchungen vormehmlich gegen Gegenbaur richtete, die längst anerkannte Bedeutung seiner Arbeiten mich dazu noth- wendig veranlasste. Was er im Ganzen geschaffen, wird ja auch dadurch nicht beeinträchtigt erscheinen, was ich an dem einzelnen Theil verändert zu sehen wünsche. Litteraturverzeichniss. 1. Bruch, Ueber die Entwickelung der Clavieula und die Farbe des Blutes, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie von v. Siebold und Köl- liker. IV. 1853. Carus, Lehrbuch der Zootomie, 1. Aufl. 1818, 2. Aufl. 1834. Cuvier, Lecons d’anatomie compar6e, 2. ödition, I 1836. — Recherches sur les ossements fossiles, 4. edition 1835—1837. Duges, Recherches sur P’osteologie et la myologie des Batraciens ä leurs DemrnD> differens äges, in: Mömoires prösentös par divers savants a l’academie royale des sciences de l’institut de France. Sciences mathematiques et . Physiques. Tom. VI 1835. 6. Ecker, Die Anatomie des Frosches. 1864. 7. Fürbringer, Die Knochen und Muskeln der Extremitäten bei den schlangenähnlichen Sauriern. 1870. 8. — Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln, in: Jenaische Zeit- schrift für Mediein und Naturwissenschaft. VIII 1876. 9. Gegenbaur, Ein Fall von erblichem Mangel der Pars acromialis Olavi- culae mit Bemerkungen über die Entwickelung der Clavieula, ebend. I 1864. 616 10. Gegenbaur, Ueber die episternalen Skelettheile und ihr Vorkommen bei den Säugethieren und beim Menschen, ebend. 11. — Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 2. Heft. Schultergürtel der Wirbelthiere. Brustflosse der Fische. 1865. 12. — Grundzüge der vergleichenden Anatomie, 2. Aufl. 1870. 13. — Einige Bemerkungen zu Goette’s „Entwickelungsgeschichte der Unke als Grundlage einer vergleichenden Morphologie der Wirbelthiere“, in: Morphologisches Jahrbuch, herausgegeben von Gegenbaur. I 1876. 14. Geoffroy-St.-Hilaire, Philosophie anatomique. 1818. 15. Goette, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875. 16. Günther, Contribution to the Anatomy of Hatteria, in: Pine Transactions of the Royal Society of London. 1867. 17. — Catalogue of the Batrachia salientia in the collection of the British Museum. 1858. 18. Huxley, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere, übersetzt von Ratzel. 1873. 18a.Hyrtl, Cryptobranchus japonicus. 1865. 19. Leydig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872. 20. Meckel, System der vergleichenden Anatomie. II 1824—1825. 21. Oken, Ueber das Schultergerüste, in: Isis. 1823 H. 22. Parker, A Monograph on the structure and development of the Shoulder- girdle and Sternum in the Vertebrata. 1868. 23. Pfeiffer, Zur vergleichenden Anatomie des Schultergerüstes und der Schultermuskeln bei Säugethieren, Vögeln und Amphibien. 1854. 24. Rathke, Ueber die Entwickelung der Schildkröten. 1848. 25. — Ueber den Bau und die Entwickelung des Brustbeins der Saurier, 1853. 26. — Zur Entwickelungsgeschichte der Thiere, in: Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Mediecin. 1838. 27. — Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 1861. 23. — Untersuchungen über die Entwickelung und den Körperbau der Kroko- dile. 1866. 29. 0. Schmidt, Deliciae herpetologicae musei zoologiei Cracoviensis, in: Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathem.- naturwiss. Klasse. 1858. 30. Selenka, Vögel in: Bronns Klassen und Ordnungen des Thierreichs, VI:-4. 31. Stannius, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere, 2. Aufl. II 1856. 32. Wiedersheim, Salamandra perspicillata und Geotriton fuscus. 1875. Dr. A. Goette: 4 Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 617 Erklärung der Abbildungen. Taf. XXX. Fig. 1—5. Verschiedene embryonale Entwickelungsstufen des Schultergür- Fig. tels und Brustbeins von Cnemidophorus sp. . Schultergürtel und Brustbeinanlage der rechten Seite. se Schulter- blatt, cor Coracoideum, cl Clavicula, st Brustbein, ce c’ Rippen, letztere mit dem Brustbein in Zusammenhang. . Dasselbe von einem älteren Embryo. cl Clavicula, st ‚Brustbein, c, ec’, ce, c‘“ Rippen, die drei letzteren mit dem Brustbein zusam- menhängend. . Beide Hälften des Schultergürtels und des Brustbeins, weiter ent- wickelt. cl Clavicula, eps Episternum, st Brustbein, 1. skapulares Fenster, 2, 3 Haupt- und Nebenfenster des Coracoideum. . Dasselbe, noch älter; cl, eps, st wie vorher. . Schlüsselbeinenden (cl) und Vorderende des Episternum (eps) von einem nahezu reifen Embryo. . Querdurchschnitte der embryonalen Schlüsselbeine von Ünemi- dophorus sp. a von einem jüngeren, b von einem älteren Em- bryo, c Stelle, wo der Schluss der Knochenröhre erfolgt, d Anlage des Knochenmarks, e Periost. Fig. 7—9. Verschiedene Entwickelungsstufen des Schultergürtels und Brust- Fig. Fig. Fig. iO. sr. 12. 13. beins von Anguis fragilis. . Schultergürtel und Brustbeinanlage von der linken Seite eines Embryo. sc Schulterblatt, cor Coracoideum, cl Clavicula, f Fenster, st Brust- bein, e ce’ Rippen. . Der ganze Schultergürtel und das ganze Brustbein eines älteren Embryo. cl, st, e, e’ wie vorher, eps Episternum. . Dasselbe noch weiter entwickelt... cl, st, eps wie vorher, 1. skapu- lares, 2. korakoidales Fenster. Linke Schultergürtelhälfte einer erwachsenen Blindschleiche. el Cla- vieula, ssc Suprascapulare, sc Scapula, cor Coracoideum, epc Epi- coracoideum, pr Procoracoideum nach Gegenbaur, psce Praesca- pulare, 1, 2 wie vorher. Skapulares Ende des Schlüsselbeins von Fig. 9, stärker vergrössert. ssc Suprascapulare, cl Clavieula, cl’ deren Knochenanlage. Linke Schultergürtelhälfte von Seps chalcidica. a Anheftungs- stelle des Schlüsselbeins, b Schultergelenkgrube; die übrigen Be- zeichnungen wie in Fig. 10. Linke Schultergürtelhälfte von Ameiva sp. juv. Bezeichnungen wie in Figg. 10, 12. Taf. XXXI. Fig. 14. Querdurchschnitt des embryonalen Schlüsselbeins von Anguis, nach Archiv f. mikrosk. Anatomie. BA. 14. 40 618 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Eig. Fig. Fig. 15. 16. 17. 18. 19. 24. 25. “ und Nebenfenster, a Anheftungsstelle der Clavicula, b Schulter- . Dasselbe von einem 5tägigen Hühnerembryo; Bezeichnungen wie in . Querdurchschnitt einer embryonalen Clavicula am skapularen Ende, . Dasselbe aus der Mitte der Claviceula; Bezeichnungen wie vorher. . Querdurchschnitt durch die beiden Brustbeinhälften eines e. 6—Ttä- Dr. A. Goette: Hr Entkalkung des Knochens. e Periostale Rindenschicht, d Anlage des Marks, o die rinnenförmige Knochenanlage. u Querdurchschnitt des embryonalen Episternum von Cnemidophorus sp. d Anlage des Marks, o die zwei Knochenrinnen, m Muskeln. Rechte Schultergürtelhälfte von Lacerta agilis juv. ssc Supra- scapulare, sc Scapula, pse das in ein Band verwandelte Praesca- en a Ze pulare, epe Epicoracoideum, pr Procoracoideum nach Gegenbaur, cor Coracoideum, 1. skapulares Fenster, 2. 3. korakoidales Haupt- gelenkgrube. Rechte Schultergürtelhälfte von Hatteria nach Günther (Nr. 16, Fig. 25). a, b, ssc, sc, cor, epe wie in Fig. 16; 1. Stelle, wo sonst das Skapularfenster liegt, pr der dem Gegenbaur’schen Procora- coideum entsprechende Knochentheil. Rechte Schultergürtelhälfte von einem Embryo von Podocnemis sp., alle Stücke in einer Ebene dargestellt. sc Scapula, cor Cora- coideum, epe Epicoracoideum, el Clavicula, b, Schultergelenkgrube, d Ausschnitt zwischen Clavicula und Coracoideum, e Ligament zwi- schen ihren Enden. Linke Hälfte des Schultergürtels und Brustbeins von einem 4—5tä- gigen Hühnerembryo. sc Scapula, cor Coracoideum, cl Clavieula, a Anheftungsstelle derselben, eps ihr Episternalfortsatz, e Ligament zwischen Coracoideum und Clavicula, b Schultergelenkgrube, r Rippen, st Sternum. Fig. 19. von Fulica atra. d Anlage des Marks, e Cambium, e’eigentliches Periost, o rinnenförmiger Knochen. gigen Hühnerembryo, dicht unter dem Ansatz des Coracoideum. st Sternum, b Ende des Falzes für das Coracoideum, eps Anlage des Brustbeinkamms, a Membrana reuniens inferior, m Brust- muskeln. Anlagen der Schlüsselbeine und des Brustbeins von einem jungen Kaninchenembryo (die durch punktirte Linien angedeuteten Rippen waren im Präparat verletzt). cl Clavicula, eps Episternum, st Sternum, ce Rippen. Dasselbe von einem älteren Embryo. cl, eps, st, e wie vorher; st Anlage des Schwertfortsatzes (eps, welches ursprünglich auf dem Vorderende des Brustbeins lag und mit ihm verbunden war, löste sich bei der Präparation ab). Beiträge z. vergleich. Morphologie d. Skeletsystems d. Wirbelthiere. 619 Fig. 26. Querdurchschnitt durch die Clavicula eines Kaninchenembryo. d In- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 30. 27. 28. 29. 31. 32. 33. nerer Knorpel, e Cambium, e’ eigentliches Periost, o beginnende Periostalverknöcherung. Schlüsselbein und Episternum von einem jungen Maulwurfem- bryo. cl Clavieula, eps Episternalfortsätze beider Schlüsselbeine, ce Rippen, m Muskeln. Schlüsselbeine, Episternum und Brustbein von einem etwas älteren Maulwurfembryo, aus zwei aufeinanderfolgenden Frontaldurch- schnitten zusammengesetzt, von denen der eine die obere, der an- dere die untere Hälfte des Bildes vollständig zeigte. cl Clavicula, eps Mittelstück des Episternum, eps’ Seitenstücke desselben , st vorderster Theil des Sternum, welcher mit eps das Manubrium bildet, c Rippen. Schultergürtel und Brustbein von Ornithorhynchus paradoxus, von unten (n. d. Original). sc Scapula, cor Coracoideum, b Schulter- gürtelgelenkgrube, epc Eipicoracoideum, cl Clavicula, eps Epister- num, st Sternum, st‘ knorpeliger, zurückgebildeter Theil desselben, ce Rippen. Verbindung der Schlüsselbeine und des Sternum bei einer jungen Echidna hystrix nach Parker (Nr. 22 Taf. XVII Fig. 10); Bezeichnungen wie in Fig. 29, st’ noch in völlig kontinuirlichem Zusammenhange mit st. Tafel XXXL. Schultergürtel von Ichthyosaurus nach einem Pariser Gypsabguss (vgl. Cuvier Nr. 4 Taf. 258 Fig. 5). cl Clavicula, eps Epister- num, sc Scapula, cor Coracoideum, h Oberarmknochen, d Lücke zwischen Clavicula und Coracoideum. Desgl. mit gleichen Bezeichnungen (vgl. Nr. 4 Taf. 258 Fig. 3.) Schultergürtel von Ichthyosaurus (Original). cl, sc, eps wie vorher; a Anheftungsstelle der Clavicula, x mediale Enden der Schlüssel- beine ? 34—40. Schultergürtel verschiedener Entwickelungsstufen von Rana esculenta, Fig. 34—38 von Larven, Fig. 39, 40 von einem jungen und einem erwachsenen Thier. sc Scapula, cor Coracoideum, epe Epicoracoideum, cl vorderer Skapularast (Clavicula), eps vorderes Episternalstück, eps’ hinterer Episternalfortsatz, d Ausschnitt oder Lücke zwischen Clavieula und Coracoideum, b Schultergelenkgrube, ı Ansatzsehne des Brustmuskels, h Hyposternum, m gerader Bauch- muskel. Fig. 41, 42. Querdurchschnitte durch die medianen Theile des Schultergürtels einer Larve von Rana esculenta, vordere und mittlere Region. epce Epicoracoideum, eps’ hinterer Episternalfortsatz, m Brustmus- kel, g Fuge der Epicoracoidea. 620 Fig. Fig. Fig. Fig. . 48. . 49. ig. 50. . 54 55. 56. [eb | =] Dr. A. Goette: Beitr. z. vergl. Morphologie etc. ‚44. Dasselbe von einem jungen Frosch, in der Gegend der Clavicula (43) und des Coracoideum (44). epe, eps’ m, wie vorher, i Ansatz- sehne des Muskels, g Fuge der Epicoracoidea, in Fig. 44 in eine Gelenk- höhle verwandelt, cor Coracoideum. . Dasselbe vom erwachsenen Frosch, Bezeichnungen wie in Fig. 44. . Medianer Längsschnitt durch das Episternum einer sich metamor- phosirenden Froschlarve. epe Epicoracoideum, eps vorderes Epi- sternalstück, eps’ hinterer Episternalfortsatz. . Querdurchschnitt durch das Coracoideum einer älteren Froschlarve. d Knorpel, e Periost. Querdurchschnitt durch das Schlüsselbein derselben Larve. d, e wie vorher, o Periostalknochen. Tafel XXXIU. Mittelstück vom Schultergürtel einer jungen Rana esculenta. cor Coracoideum, cl Clavicula, epc Epicoracoideum, epe’ verkalkter Rand desselben, eps‘ hinterer Episternalfortsatz, h Hyposternum. Mittelstück vom Schultergürtel einer jungen Hylaplesia lugubris. cor. cl, epc, h, wie vorher; eps Episternum. . Querdurchschnitt der Clavicula desselben Thieres. o Periostalknochen, d Knorpelmark. . Hyposternum (h, h) und Bauchrippe (h’) von Bombinator igneus. . Rechte Schultergürtelhälfte einer Tritonlarve. cor Coracoideum, cl Clavicula, h Oberarm, sc Schulterblatt. Mittelstück des Schultergürtels von einer jungen Salamander- larve. epc Epicoracoideum, m Verbindungsmembran, ms gerader Bauchmuskel, 1 linea alba, h’ Bauchrippenknorpel. Dass. von einer älteren Larve. epc, ms, l, h‘, wie vorher, m epi- korakoidaler Theil, m’ hyposternaler Theil der Verbindungsmem- bran, h Hyposternum. Vorderer (A) und hinterer (B) Abschnitt des geraden Bauchmuskels einer Salamanderlarve. ms, l, h’ wie vorher; il Schamsitzbein, y cartilago ypsiloidea. . Mittelstück vom Schultergürtel eines jungen Menopoma. Bezeich- nungen wie vorher. N Fr. Merkel: Eine neue Methode für Untersuchung des Centralnervensyst. 621 Eine neue Methode für Untersuchung des Central- nervensystems. Von Fr. Merkel in Rostock. In der Arbeit über die Bindesubstanz der Centralorgane, welche von Henle und mir in der Zeitschr. f. rat. Med. 3. R. B. XXXIV veröffentlicht wurde, beschreiben wir p. 66 eine Me- thode für Aufhellung von Schnitten des Centralnervensystems, mittels des im Handel vorkommenden „Brönner’schen Fleckwassers“; doch mussten wir sogleich hinzufügen, dass wir das Reagens nicht völlig beherrschten, sondern durch unbekannte Zufälligkeiten ge- stört, oft das gewünschte Bild nicht zu erzielen im Stande waren. Auch nach der Publikation der genannten Arbeit bemühten wir uns lange Zeit den Eigenschaften des Brönner’schen Wassers auf die Spur zu kommen, ohne jedoch von Erfolg begünstigt zu sein, so dass Henle in der Vorrede zu seiner Nervenlehre 1871 gestehen musste, dass wir noch immer auf dem alten Flecke stünden. Bei späteren Versuchen waren die Erfolge ganz entmuthigend, indem sich das „Brönner’sche Fleckwasser“ augenscheinlich in ganz gewöhnliches Benzin umgewandelt hatte, von welchem ich längst wusste, dass es die gewünschte Wirkung niemals zu Stande kommen liess. Viele Fachgenossen, welche mich mündlich über das beschrie- bene Reagens befragten, versicherten mir ebenfalls, nur negative Resultate bekommen zu haben, so dass ich an dem gänzlichen Verlorensein des schönen Untersuchungsmittels nicht zweifeln konnte. Vor einiger Zeit nun wurde ich von befreundeter Seite zu anderen Zwecken auf das Xylol aufmerksam gemacht, und er- kannte sogleich an dem Geruch die Aehnlichkeit mit dem alten „Brönner’schen Fleckwasser‘. Ich machte mich sofort an erneute Versuche, in welchen ich von Herrn Dr. Schiefferdecker aufs Thätigste unterstützt wurde, und bin nun im Stande die Fachge- nossen mit einer Methode bekannt zu machen, welche stets brauch- 622 Fr. Merkel: bare Präparate ergibt, und wobei dieselben womöglich noch schöner werden, als mit Fleckwasser. Es wird in folgender Weise verfahren: Stücke des Central- nervensystems werden in der gewöhnlichen Weise erst in Müller’- scher Flüssigkeit, dann in Alcohol gehärtet, bis sie schnittfähig geworden sind. Die davon angefertigten Schnitte werden nun in Alcohol von ungefähr 94° Tralles eingelegt, und können darin beliebig lang aufbewahrt werden; jedenfalls aber müssen sie min- destens 10 Minuten in demselben verweilen. Wird nun der Schnitt herausgenommen, dann saugt man mit Filtrirpapier oder einem Leinwandlappen den Alcohol rasch soweit auf, bis das Präparat beginnt trocken zu werden, und überträgt es in ein Schälehen mit Xylol. Hierin schwenkt man den Schnitt einige Augenblicke hin und her, bis er ein gleichmässiges Aus- sehen bekommen hat und besieht ihn dann unter Xylol. Es ist nicht rathsam, die Untersuchung ohne Deckglas vor- zunehmen, da sich das freiliegende Object durch die sehr rasche Verdunstung des Xylols baldigst verändert. Ein in dieser Weise behandelter Schnitt ist nun im Allge- meinen glasig durchsichtig, nur die Axencylinder, eventuell auch die Ganglienzellen schimmern mit irisirendem Glanze und treten mit ungeahnter Schärfe hervor, die Kerne sind ganz ver- schwunden und von den Gefässen sind nur noch Andeutungen sichtbar. Eine Untersuchung des Präparates ist bei allen Vergrösse- rungen, von der schwächsten bis zu den stärksten Immersionen hin- auf möglich und ich muss die Ansicht aussprechen, dass alle bis- herigen Methoden für Untersuchung des Faserverlaufes einschliess- lich der Goldbehandlung durch die beschriebene in Schatten ge- stellt werden. Der Grund des auf den ersten Blick so räthselhaften Phäno- mens scheint mir ein ganz einfacher zu sein. Der eine Theil der Gewebe des Centralnervensystems hält das Wasser, welches sich in dem 94 procentigen Alcohol befindet, hartnäckiger zurück, als der andere. Glücklicherweise sind darunter die wesentlichen Theile, die Axeneylinder. Auf sie kann nun das Xylol, welches sieh mit Wasser durchaus nieht mischt, in keiner Weise seinen aufhellen- den Einfluss ausüben, sondern sie behalten das ganz andere Licht- brechungsvermögen des Wassers bei, wodurch eben ihr sehr scharies Eine neue Methode für Untersuchung des Centralnervensystems. 623 Hervortreten bedingt wird. In der grauen Substanz, deren granu- lirte Grundlage ganz durchsichtig ist, findet sich nun —- beson- ders auf Querschnitten des Rückenmarkes — ein Gewirr von durch- einander verlaufenden Axencylindern, dass man fast daran ver- zweifelt, wohlcharakterisirte Züge und Bahnen festzustellen. Die Ausläufer der Ganglienzellen im Grosshirn und Kleinhirn erscheinen in vorzüglicher Klarheit und in unvermutheter Menge. Die Medulla oblongata mit ihren vielen nach allen Richtungen verlaufenden aus starken und schwachen Fasern zusammengesetzten Bündeln, ist selbstverständlich ein ganz besonders dankbares Object. Es steht zu hoffen, dass die Xylolmethode noch manches Neue in der Anatomie des Centralnervensystems an den Tag bringen wird und es versprechen die Arbeiten, welche nach dieser Richtung augenblicklich im hiesigen anatomischen Institute vorge- nommen werden, gute Resultate. Die Conservirung der Präparate gelingt leider nicht für längere Dauer, doch ist es immerhin möglich, die Objecte durch Einlegen in Canadabalsam bis zu 6 Wochen zu erhalten; es ist dies ja lange genug, um ein eingehendes Studium und eine Zeichnung des Schnittes zu ermöglichen. Nach einiger Zeit wird das Präparat von den Rändern her vollkommen durchsichtig und dadurch un- brauchbar. Auch dann aber ist es noch nicht verloren. Man hat es blos nach Auflösung des Balsams in die genannte Alcoholeon- centration zurückzubringen und dann die ganze Behandlung aufs Neue durchzumachen!!). Selbstverständlich kann man auch solche Präparate, welche man nur in Xylol besehen hat, wieder in Alco- hol zurücklegen und nach beliebiger Zeit von Neuem mit Xylol behandeln. Das Xylol ist ein chemisches Präparat, welches bis jetzt nicht in vollkommener Reinheit im Handel vorkommt. Es ist desshalb auch nach den verschiedenen Bezugsquellen eine bedeutende Ver- schiedenheit der Flüssigkeit im Geruch, Aussehen, Siedepunkt u. s. f. zu eonstatiren. Doch scheinen alle unter diesem Namen verkauften Producte mit gleichem Erfolg angewandt werden zu können ; we- nigstens habe ich mit sechs verschiedenen Xylolen günstige BRe- sultate erzielt. Es muss nur der Concentrationsgrad des Alcohols, 1) Schnitte, welche mehrere Monate lang im Balsam gelegen hatten, lassen sich jedoch nicht mehr wiederherstellen. 624 Fr. Merkel: Eine neue Methode für Untersuchung des Centralnervensyst. in welchen die Schnitte vorbereitend eingelegt werden, nach der jedesmaligen Beschaffenheit des Xylols modifieirt werden. Er- scheint das fertige Präparat zu dunkel, dann setzt man dem J4procentigen etwas absoluten Alcohol zu, wird es zu hell, dann muss man etwas Wasser hinzugeben. Jedenfalls kann man bei einiger Uebung in Zeit von einer halben Stunde für jedes Xylol die nöthige Aleoholeoncentration bestimmen und dann, solange als beide Reagensflüssigkeiten vorhalten, stets gleichmässige Präparate anfertigen. Sollte einer oder der andere der Herren Fachgenossen ein Object zur Ansicht wünschen, dann bin ich gerne erbötig, ihm ein solches, in Balsam eingeschlossen, zuzusenden. Rostock, Ende October 1877. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn, Archiv [mikroskon- Anatomie. Bd ANZ Taf l, —— er — mn u N m W Grohmann:se. hio Fmikreskop Anatomie. Bd.AW- Lith. Anstv.J.b.Bach, Leipzig io f mikroskop. Anatomie. Bd X Taf: UT. Lith-Anst. 4.6: Bach, Leipzig. u - = u ER a a u sh) 5 ü u a Ger a de IP a ae rar s # iv £ mikroskop Anatomie. Ba. XIV. Taf: IV . Lith Anstw.JGBach. Leipzig. Archiv £Fmikroskop. Inatomte Bd. AM Tal] 7a Fig.d. Fig. Kig 10: b Tarlb Lith. Anst.v J.G.Ba Krkams N,Leipzig # TaR IT. io Kmikroskop. Anatomie. BaXIV- Fig. 3. TEN Fu Fig. 7. Fig. 3. Lin Ansev.J.G.Bach, Leipzig, Archio fm ihroskop. Anatomie Bd. XIV. Taf. IN. IP, Ba Tien-Anstx.d.G.Bachl " ne en REN Taf’ IX. v£ mikroskop. Anatomie. Bd. MV. IIESCCCDEOTOSE u SINE u IB a EN 2% N R 7 \ Il — er) Ü i = \ ISA a = N ) © Lith.Anst.v. J.G.Bach, Leipzig! LithAnstv g.& Bach Leipzig. ja Eberth, del. Archiv £ mikraskop. Anatomie.bd.AWV. Fig.9. Taf. .tdınger del Taf MI. Archiv F mikroskop Anatomie. Ba. XV Fig. 8. Lith. Anst.v.l.G.Bach, Leipzig ON 9, Bay u f malreshkon. Anatomie, Ba. XV. Be t | Taf XiL, = = —; Degen Wittmaack del. £ MGrohmenn se. Archiv Fmikroskoa Anatomie. BAME p} nr = En =) nd am) » { Archiv 2 muikroskop. Anatomie, Bd AU. | Tar X Gez.v. 0.8. % | | n Lith. Anstv.J.& Bach, leipzig: > u 4% aan 27 = we. Archiv f mikroskop Anatomie. Ba, IM. Taf XUI Gez.v. 0.8. Lith. 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Bd MV ; Taf Aı. — Fig. Y | Gscheidlen, Nervenendigung in glatten Muskelfasern. “ Lith.Anstv.J.G. Bach, Leipzig .-_ Archir Lmikroskop Anatomie Bd. XV Tu KXIU. v.Brunn. “ Lith.Anst.v..6-Bach, Leipzig, ar or? „si A I, Wimaach et Kelasnıkem det Pr Archirf mikroskop Anatomie. Ba r Tara. x 22. j a er Lith, Anstv. J.@ Bach, leipzig. . EIER, \ ER RT BeRszee, ee) NZ F Zu pag. 330. Lith.Anst v.3.6.Bach; Leipzig, 1,57 B LF>. 5 y p - s @ ” ° . r I ” “ » 4 . = u u rue —r no u a ———— — Zu 4 ” “ . - ® . un Sam u = FROH | a Ben ‚ # Archiv I mikroskop. Anatomie Bd._NT! Archiv £. mikroskop. Anatomie. Bd. XIV. Taf. XNIX. IV. D? A.Nijkamp fec Wins» \V7Z NL G \ Al % lit Anstv.).& Bach, Leipzig A.Goette del, Fig. 24 «ps Fe u A .Goetle Jel Lith. Anst.v...6.Bach, Leipzig. ar Anatomie Bd. IV. A.Goeite del. a i E = ; - - 1} IER Lith.Anst v.J.b.Bach, Leipzig .—— ... re f ’ Archür i' mikroskop Anatomie. Ba.XW . - Taf XXX . 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