ER RENT yo y $Y > BUTLER RSE BRHE [er et: BT KIEEN, ” of H BE, BE 4 lc & ER “ FR, ) EN M i 2. RR SEN ER RER RN TR RR BAR NER IN ERDRONZ EN ENERREN N VORALORE NEN, EI HL ; 17: 7 ar A KR RT RN Pal ik u PT v UN. LISTEN ” N [ N Re BR IODSORIDEBE NE ARTE INN Ay aTe LU8 & LEN, OA KR W EAN IN WE « MR RL BES or ROTEN "rn, j N i ER F v ER ar N W AN ( vv) OR N > o * N URAN k N % REEL, REN) SL % & VAR er rn EN RER un | ES or | \ RA RR) RR EHEUHBENGRNLN 2. Re EDEN TER € Roy KINN UN EN SR RN ER 1) 24 RE rm ER a a DEZE ET, LS < ES Ve a 4 4 % a TTS ur AR EL RL ELSE g ER EERLEH 7 ne aa EIS Fon a x er EICHE TR Be ss RE REEL RE 2 ER IRER: Bi DRELLER Do. “ 2 3 a Dr N RL o N a REUR re = e ERLNE He ER 2er IT REES re) 32% - N Ne RR Y ER I CE h BER) RN EyA AN) 2 AeRL, . we Pe TR O8 BR, Bm m on 2 AR u Arehiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. nano un Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Siebenzehnter Band. Mit 35 Tafeln und 12 Holzschnitten. Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1880. E65 Inhalt. Ueber Knochenmark und Blutbildung. Von Dr. G. E. Rindfleisch, Professor in Würzburg. I. Hierzu Tafel I, Fig. 1.2. Ueber die morphologischen Veränderungen der Thränendrüse bei ihrer Thätigkeit. Von Paui Reichel, stud. med. Hierzu Tafel I, Fig. A. B. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Zur Histologie des Nierenbeckens und des Harnleiters.. Von Ad. a burger. stud. med. in Budapest. Hierzu Tafel JI. Aus der An- stalt des Herrn Professor Mihalkowicz.) Bi? 1 An TER Ueber Knochenmark und Blutbildung. Von Dr. G. E. Rindfleisch, Professor in Würzburg. I. 11. Hierzu Tafel IIl.. , 8 Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. I. Die nee mente und Dotterballen der Insecten. Von Dr. Alexander Brandt. Hierzu Tafel IV. RR 02 |». \ ER, 205 Ueber das unicorneale Tracheaten- und N Beciell es Krneinaidken: und Myriopoden-Auge. Von V. Graber. Hierzu Tafel V, VI und VU und ein Holzschnitt SE a ee erh Nachtrag, betreffend die Convergenz zwischen dem Thesen ea Annelidenstamme. Von V. Graber. She ddr Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der ae) I. Die Seitenorgane von Chimaera. Von B. Solger. Hierzu Tafel VIII Ueber die Entwickelung der Glomeruli. Von Dr. Hugo Ribbert, Assistent am pathologischen Institut zu Bonn. Mit 4 Holzschnitten. Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. Von Dr. Jos. Schöb] in Prag. Hierzu Tafel IX und X SM ES Weitere Untersuchungen über das Riechepithel und sein Verhalten zum Nervus olfactorius. Von Dr. A. von Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XI. - rei: Palkiıı u ; Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya nei Aukeam, Ten Dr. Bela Dezsö aus Kolozsvar. Hierzu Tafel XII. Ein neues Präparations-Mikroskop. Von Dr. Jos. Schöbl in Prag. Hier Tafel XIII. a : a Pe Ueber die Theilung der Hecischen Zt. Von ln Dede meschko in Kiew. (Fortsetzung.) Hierzu Tafel XIV. Ueber den Bau der „Fettflosse‘. Von v. la Valette St. Bes Hierzu‘ TatelHRV aa 4a. a oichke RER N: . Zur Kenntniss der Drüsenzellen des OR enden beim Deren Von Dr. Ludwig Edinger, Assistent der medic. Klinik zu Strass- burg i. E. Hierzu Tafel XVl. . EN Notiz, betreffend den Magen von Tropidonotus natrix. Von Dr. Lud- wie, Bdınzer. in strassburg 1. B. .. me. er, Seite 43 Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. Angestellt zum Zweck der Controle seiner morphologischen Befunde über das Nervensystem dieses Thieres von Th. Eimer in Tübingen. Mit 2 Holzschnitten Ser Mei E - Notiz über unvollkommene electric lohe RR den Mahlzähnen der Ratte — Mus decumanus. Von Dr. A. von Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XXVU.. . .. . L an Morphologische Untersuchungen über die Augen der een marinen Borstenwürmer. Von V.Graber, k. k. o. ö. Professor ‘der Zoologie an der Universität Czernowitz. Hierzu Tafel XXVIil, XXIX, XXX und 2 Holzschnitte . AR BAAR DALE En LA Te ee Die Nervenendigungen in der Iris. Von Andreas Meyer. (Mitge- theilt von Professor Arnstein in Kasan.) Hierzu Tafel XXXI und XXX. SLR RUN en DS TERDE InEE VERRETAHERT ze ra Draht Ueber ein die Lymphgefässe umspinnendes Netz von Blutcapillaren. Von Alexander Dogiel. Hierzu Tafel XXXIII. (Aus dem histo- logischen Laboratorium des Professors C. Arnstein in Kasan.) Ueber Tastapparate bei Eucharis multicornis. Von Th. Eimer in Tü- bingen. Hierzu 3 Holzschnitte es ile KEN Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. Von Dr. Andrea Batelli in Florenz. Hierzu Tafel XXXIV und XXXV. (Anato- misches Institut zu Strassburg.) Bun 5 Beiträge zur Kenntniss der Lymphbahnen des Central - EN. Nach Untersuchungen von Dr. Fr. Fischer mitgetheilt von Pro- fessor Waldeyer . FREE BERN SR NIE STELTRLEIN Te ut Ueber die Endigungsweisen der sensiblen Nerven. Nach Untersuchungen von Dr. V. [zquierdo mitgetheilt von Professor Waldeyer Berichtigung. Von Dr. J. Disse Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. nee a er Von Dr. Max Weber, Prosector in Amsterdam. Hierzu Tafel XXXVI, XXXVH und XXXVl. Sr EA Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. Il. Die Seitenorgane der Selachier. VonB. Solger in Hallea d.S Hierzu Tafel XXXIX . ln Sl Lan Fere a Ueber das häutige Labyrinth der Ainphibien. Von Dr. Kuhn, Docent der Ohrenheilkunde an der Universität Strassburg. Hierzu Tafel NV en an rss LETTER en verkee EO EA Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. II. Das Keimbläschen als primäre Zelle. Die amöboide Beweglichkeit des Keimbläschens und Zellkerns, besonders in ihren Beziehungen zur Eifurchung, Be- fruchtung und Kerntheilung. Von Dr. Alexander Brandt 213 241 243 346 362 367 383 385 458 479 5öl Tafel 17—35 sind aus Versehen mit 27—45 bezeichnet; da letztere Be- zeichnung auch im Text beihehalten ist, sind Störungen beim Lesen der betr. Arbeiten ausgeschlossen. Ueber Knochenmark und Blutbildung. Von Dr. G. E. Rindfleisch, Professor in Würzburg. Hierzu Tafel I, Fig. 1, 2. Kein Wort über die Nützlichkeit, ja die Nothwendigkeit neuer und immer neuer Untersuchungen über die Bildungsstätten des Blutes und über die Blutbildung. Wer von uns empfindet es nicht fast wie eine wunde, schmerzhafte Stelle seines wissenschaftlichen Menschen, dass wir noch immer nicht sagen können: Hier und so entstehen die rothen Blutkörperchen! Seien wir indessen den Autoren dankbar, welehe nach langer unfruchtbarer Pause die Frage neuerdings gestellt und durch ihre Arbeiten gefördert haben. Ich meine Neumann und Bizzozero, an welche sich noch andere Autoren angeschlossen haben. Danach kommen im rothen Knochenmark Zellen vor mit rothgelbem homogenem Protoplasma und deutlichen Kernen, Zellen also, welche den rothen Blutkör- perchen der frühesten Lebensepochen gleichen. Jedermann kann diese Beobachtung ohne Anstand bestätigen. Seitdem wissen wir, wo wir, abgesehen von der Milz, den Heerd der Blutbildung zu suchen haben. Das Knochenmark — und zwar das rothe soge- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 17. 1 2 G. E. Rindfleisch: nannte foetale Mark — ist ein solches Organ der Blutbildung. Eine fesselnde Vorstellung, selbst wenn dieselbe zunächst als Hypo- these das Licht der Welt erblickt hätte. Ich erinnere mich noch des tiefen Eindruckes, welchen die- selbe auf den unvergesslichen Max Schultze machte. Seitdem sind freilich wieder Jahre verflossen, ohne dass es gelungen wäre, auf dem neu gewiesenen Wege erheblich weiter zu kommen. Man hat das Knochenmark bei den verschiedensten Blutver- änderungen untersucht, aber selbst die Ergebnisse bei Leukämie und Anaemie haben etwas Widersprechendes.. Man unterschied kleinere und grössere Formen von kernhaltigen rothen Blutkörperchen. Aber wo blieb die Brücke von den kernhaltigen zu den kernlosen Formen? Welche anatomische Einrichtungen besitzt überhaupt das rothe Knochenmark, die es zur Bereitung und Ab- sonderung der rothen Blutkörperchen befähigen? Diese Fragen waren es, auf welche hin ich diese neuen Un- tersuchungen unternahm. Zunächst war es mir darum zu thun, eine exakte Vorstellung von dennoch strittigen Cirkulationsverhält- nissen des rothen Knochenmarks zu gewinnen. Ich hatte noch niemals vollkommen gelungene Injektionen des Knochenmarks ge- sehen. Die grössten Meister der Injektionstechnik sind an diesem Punkt stillschweigend vorübergegangen. Ist es denn so schwierig, das Knochenmark gut zu füllen? In der That ich hätte nicht geglaubt schon hier auf Schwie- rigkeiten zu stossen. Die meisten Knochen lassen sich mit den gewöhnlichen heiss- und kaltflüssigen Injektionsmassen gar nicht beikommen. Die parostalen und periostalen Gefässe sind viel- leicht bis in das letzte feinste Reis aufs schönste gefüllt und doch ist kein Tropfen Injektionsmasse in das Mark eingedrungen. Ich kann diese Erscheinung nur theilweise verstehen. Es handelt sich hier um eine besondere Schwierigkeit, das in den Markgefässen enthaltene, dieselbe völlig füllende Blutquantum durch die Injektionsflüssigkeit zu verdrängen und zu ersetzen. Andere Organe, deren Kapillaren sich leieht und vollständig füllen, ent- halten aber vor der Injektion wenig oder gar kein Blut. Es ist etwas ähnliches mit der Marksubstanz der Nieren, welche auch stets mit Blut gefüllt gefunden wird und nur sehr ausnahms- weise ein wenig Injektionsflüssigkeit in die Kapillaren eindringen lässt. Bizzozero gelang es, das Mark der Kaninchen-Tibia von der Ueber Knochenmark und Blutbildung. 3 A. erualis auszufüllen. Ich habe in den platten Knochen der jüngeren Meerschweinchen das Objekt gefunden nach dem ich suchte. Ein handlanges Meerschweinchen wird durch einen Schlag auf den Kopf getödtet, mit ausgespreitzten Extremitäten auf ein Brettehen genagelt, der Bauch in der Linea alba geöffnet, in die Aorta abdominalis eine Canüle aufwärts eingebunden, die Vena cava geöffnet und unverzüglich eine blutwarme blaue Leimmasse injieirt. Man erhält auf diese Weise sehr vollkommene Injektionen der Markgefässe an den mittleren Rippen. Das Objekt ist sehr handlich. Man kann die Rippenwand in toto durchsichtig machen um die allgemeinen Zufluss- und Abflusswege des Knochenblutes zu übersehen. Man kann aber auch an der entkalkten Rippe beliebig dünne Scheiben entnehmen. Man kann sogar den grössten Theil des Markes mit Ausnahme desjenigen, welches die äussersten Mark- räume an der ÖOssifikationsgrenze gegen den Knorpel hin füllt, als ein zusammenhängendes Ganze aus der Markhöhle herausheben; man weiss stets genau ob man in einem zu zerzupfenden Stück- chen Material eine kleine Vene oder Arterie mitbekommen hat ete. Hat man bei irgend einer der zur weiteren Untersuchung ge- wählten Methode dafür gesorgt, dass der Blutfarbstoff nicht aus den rothgefärbten Zellen diffundiren konnte, so ist das Erste was für Manchen vielleicht doch nicht so ganz selbstverständlich ist und daher hier von mir hervorgehoben wird, dass das rothe Knochen- mark eine von dem Blut in den Blutgefässen gänzlich unabhängige dunkel-gelbrothe eigene Parenchymfarbe besitzt. Ich finde bei den Autoren häufig eine gewisse Unsicherheit in dieser Beziehung. Fast immer wird ausdrücklich der weiten oder erweiterten Blutgefässe des rothen Markes Mit-Erwähnung gethan und dem Gedanken Raum gegeben, als ob fie rothe Farbe des Markes von diesem Faktor grösstentheils abhängig sei. Dem ist jedoch nicht so. Das Mark- parenchym ohne alles Gefässblut ist rothgelb, und diese Farbe ist auf seinen Gehalt an blutbildenden Zellen zurückzuführen. Zum zweiten haben wir es mit einer im Allgemeinen wohlge- schlossenen Blutbahn zu thun (Fig. 1). Das Kapillarnetz ist ver- hältnissmässig engmaschig und gleichmässig in allen Theilen des Markes gebildet, die Kapillarwege selbst auffallend weit und etwas gewunden, was namentlich im Gegensatz zu den arteriellen Bahnen hervorzuheben ist. Die Arterien (a), welehe die knöcherne Schale an 4—5 Punkten durehbohren, dringen bis gegen die Mitte des 4 @. E. Rindfleisch: Markeylinders vor, um sich sofort in einige wenige der Knochen- axe parallel verlaufende dünne und grade Zweige aufzulösen. Diese dringen nach mehrmaliger spitzwinkeliger Gabelung bis in die äussersten Enden der Markeylinder vor und inseriren sich an we- nig zahlreichen Punkten in das Kapillarsystem. Die Injektions- masse, welche in diesen Arterien enthalten ist, ist quantitativ so gering, dass sie gewiss kaum den zwanzigsten Theil der gesammten, in Kapillaren und namentlich Venen enthaltenen ausmacht. Dagegen drängen sich die Venen (v) dem Beobachter als ein besonders bevorzugter Bestandtheil der ganzen Bluteanalisation von selbst auf. In jedem Markeylinder existirt zum Mindesten ein durehgehenderVenenstamm von beträchtlicher Dicke, welcher an allen Seiten mit kurzen breiten Stümpfen besetzt ist, welche die Enden der Kapillargefässe gruppenweise vereinigen. Diese sind oft noch dicht vor ihrer Insertion stark in entgegengesetztem Sinne ge- krümmt, so dass das Ganze den Eindruck eines diekstämmigen Baumes mit kurzen, knorrigen Aesten macht. An verschiedenen Stellen finden sich Emissarien, durch welche das in den Venen- stämmchen gesammelte Blut zur Knochenoberfläche geführt wird. Die Einriehtung einiger besonders bevorzugten Arteriae und Venae nutritiae ist an den Rippen der Meerschweinchen ebenso vorhanden wie an den längeren Röhrenknochen und dadurch erhält die Blut- bahn des Markeylinders etwas Insichgeschlossenes, der Markey- linder selbst aber eine nutritive Selbständigkeit, welche unter Anderen auch wohl die auffallend leichte Ablösbarkeii desselben von der innern Knochenfläche bewirkt. Im Uebrigen sei hier gleich bemerkt, dass diese Einrichtung durchaus nur ein secun- däres Ergebniss des Längenwachsthums der Knochen ist. Die pri- märe Einrichtung ist die an allen kurzen und würfligen Knochen das ganze Leben über bestehende Versorgung des Knochenmarkes durch zahlreiche Imissarien und Emissarien, welehe über die ganze Oberfläche mehr oder wenig gleiehmässig vertheilt sind. Wir werden weiter unten wohl noch einmal auf diesen Punkt zu- rückkommen, wenn es sich nämlich um die Beziehung der Blut- versorgung auf die Beschaffenheit des Markparenchyms handelt. Jetzt stehen wir zunächst der Thatsache einer sehr vollkommenen Versorgung des rothen Knochenmarks mit einem Kapillargefäss- system sowie mit zuführenden Arterien und abführenden Venen gegenüber und müssen uns jetzt eine Vorstellung über die Art der Ueber Knochenmark und Blutbildung. 5 Circulation in diesen Gefässen zu bilden suchen. Dass das ge- wöhnliche, fürs die übrigen Organe fast ausnahmslos gültige Schema für das Knochenmark nicht passt, darau sind wir schon durch die auffallenden Misserfolge der Injektionstechnik hingewiesen. Wir müssen wohl etwas weiter ausholen. Wir haben alle mit grosser Genugthuung die rasche Entwick- lung verfolgt, welche der Gedanke einer Gesammt-Blutvertheilung durch das Gefässcentrum in den letzten Decennien erfahren hat. Eine kleine Stelle des Centralnervensystems bestimmt wieviel Blut jedem Organe des Körpers jederzeit zufliessen soll. Wo das Blut für den Augenblick minder nöthig ist wird es abgesperrt um den am meisten bedürftigen Punkten zugeführt zu werden. So genügt eine verhältnissmässig kleine Menge dieses edeln Saftes um den ganzen Körper ausreichend zu versorgen und derselbe wird von den Sehwankungen des Blutquantums -bis zu einem gewissen Maasse unabhängig. Nur wenige Organe sind dem Gefässcentrum gegen- über selbständiger gestellt, vor allem das Centralnervensystem. Dieses liegt in einer unnachgiebigen knöchernen Kapsel, welche ihm jede grössere Volumssechwankung untersagt, also auch dieje- nige, welehe von einer zeitweise stärkeren oder schwächeren Fül- lung der Blutgefässe abhängig wäre. Wenn wir von den patho- logischen Beeinträchtigungen des Innenschädelraumes absehen, so ist es in der That nahezu richtig, dass für jedes Quantum von Flüssigkeit, welches an einer Stelle im Schädel Platz finden soll, ein gleich grosses Quantum auf einer andern entweichen muss, dass keine noch so starke Zusammenziehung der Cautiden und der Vertebralarterien das Gehirn ganz blutleer, keine Stauungs- oder Wallungsblutfülle das Gehirn über ein gewisses sehr geringes Maass hinaus anschwellen machen kann. Auch kann das Blut im Innern der Schädelkapsel zwar momentan zum Stillstand kommen, es muss aber und zwar in toto weiter fliessen, so bald nur die ge- ringste Druckdifferenz zwischen den Arterien vor dem Schädel und den Venen hinter dem Schädel wieder hergestellt ist. Die ganze Fortbewegung des Innen-Schädelblutes erhält nämlich durch die Intervenienz der starren Schädelkapsel, welche durch das Me- dium der zwischengelagerten Hirnsubstanz hindurch den Gefäss- wandungen eine feste Stütze verleiht, mehr denjenigen Charakter der Strömung, mit welchem sich die Flüssigkeiten in starren Röhren fortbewegen. Die Venensinus der Dura mater können ja wirklich 6 G. E. Rindfleisch: als starrwandige Röhren angesprochen werden und die Zartwan- digkeit selbst der grössten intracraniellen Arterien, wäre ohne die Annahme, dass der grössere Theil des Widerstandes gegen den Blutdruck von der festen 'Schädelkapsel geleistet wird, ein ganz unbegreiflicher Nonsens der Natur-Einriehtungen. Wir dürfen also für die Blutbahn des Gehirns eine Fortbewegung annehmen, welche nur von zwei Dingen abhängt; nämlich einerseits von dem Druck- unterschied des Arterienblutes diesseits und des Venenbluts jen- seits der Schädellöcher, anderseits von dem Querschnitt, welchen die Blutbahn von jedem zwischen Anfang und Ende liegenden Punkte besitzt. Jener Druekunterschied wird fast ganz in Ge- schwindigkeit und nur zum kleinsten Theil in eine Wandspannung der intracraniellen Gefässe übergeführt, so dass ein sehr schnelles und stetiges Fliessen des Hirnblutes die nothwendige Folge ist. Doch besitzt das Gehirn bekanntlich ausser dem Blute noch eine zweite Flüssigkeit, welche dem eventuell andrängenden Blute Platz machen kann. Der Liquor cerebro-spinalis kann aus den Ventrikeln des Hirns nach der Rückgratshöhle hin entweichen und daher kommt es, dass Alles was wir von der Beständigkeit des Blutgehaltes und der Stetigkeit der Blutströmung im Schädelinnern anführen konnten, in Wirklichkeit nur eine begrenzte Geltung hat. Im Gehirn kann wenigstens Platz geschafft werden für Gefässausdehnungen und Zerreissungen. Anders ist es aber mit denjenigen Organen, wo eine allseitig geschlossene knöcherne Kapsel jeder Volumsschwan- kung des eingeschlossenen weichen Kernes ein unübersteigliches Hinderniss entgegenstellt, anders ist es mit der Blutbewegung im Knochenmark. Durch verhältnissmässig enge, wenig verästelte, bis ans Ende gestreckt verlaufende Arterien wird das Blut mit verhältnissmässig grosser Geschwindigkeit eingeführt. Diese Geschwindigkeit re- präsentirt nahezu den ganzen Druckunterschied zwischen dem arte- riellen Blut vor dem Knochen und dem venösen Blut hinter dem Knochen. Der Querschnitt der Blutbahn allein ist innerhalb des Knochens für die thatsächliche Geschwindigkeit massgebend, mit weleher sich ein Bluttheilchen vorwärts bewegt. Dieser erweitert sich im Capillargebiet erheblich, verjüngt sich aber bei der Samm- lung zum Venenstämmchen wieder, so dass das Blut mit ziemlich grosser Geschwindigkeit aus den wenig zahlreichen Knochenmark- venen austreten dürfte. Von irgend einem nennenswerthen Ueber Knochenmark und Blutbildung. x 7 Druck, der unparirt von der knöchernen Kapsel auf der Stelle ruhte wo der Blutstrom das Knochenmark berührt, also auchan Stelle der Gefässwand, istgar nicht die Rede. Steigt der Blutdruck vor dem Knochen, so ist die Blutbe- wegung im Knochenmark eine entsprechend raschere. Dieses würde beispielsweise bei jeder andauernden und erheblichen Erhöhung des allgemeinen Arterienblutdruckes angenommen werden müssen. Sie würden angenommen werden müssen bei andauernd besserer Ernährung und steigender Blutfülle eines bis dahin schlechtge- nährten oder auf irgend eine Weise anämisch gewordenen Indivi- duums. Sicherer als jedem andern Organe würde der Knochen das jeweilige Plus des Arteriendruckes als ein „reichlicheres Durchströmtwerden vom Ernährungsfluidium“ zu Gute kommen müssen. ; Anderseits steht das Knochenmark jeder örtlichen oder all- gemeinen Herabsetzung des Blutdrucks vor dem Knochen resp. Steigerung des Blutdrucks in den Venen schutzlos gegenüber. Ver- langsamung der Cireulation, Verminderung des Blutwechsels, grössere Venosität des Blutes sind die unausbleiblichen Folgen. Soviel vorerst über die Cireulationsverhältnisse des Knochen- markes im Allgemeinen. Betrachten wir nun zunächst, welchen Einfluss dieselben auf den Bau der Gefässwandungen äussern. Wenn es wahr ist, dass die Diekenentwicklung der Gefässwan- dungen in gradem Verhältnisse steht zu dem Druck, welchen die innere Oberfläche auszuhalten‘hat, wenn dieser Satz nicht nur die Hypertrophien des Herzens, sondern auch die allmälige Umwand- lung der Kapillargefässe zu Arterien und Venen erklärt, wenn wir ein Recht hatten, die Schwachwandigkeit der Hirnarterie darauf zurückzuführen, dass hier der grösste Theil des Blutdruckes durch die knöcherne Schädelkapsel getragen wird, nun, so würde es vielleicht gar nicht so ausschweifend erscheinen, wenn wir für die Gefässe des Knochenmarks nur ein Minimum von Wand, vielleicht gradezu gar keine Wand postulirten ? In Wahrheit hat schon 1869 Hoyer die völlige Wandungs- losigkeit der Knochenmarkvenen behauptet und ich bin in der Lage diese Behauptung völlig zu bestätigen. Die Venen des rothen Knochenmarkes sowie der grösste Theil der Kapillar- bahnen desselben besitzen gar keine eigene Wandung, I 8 G. E. Rindfteisch: während die Arterien eine überaus zarte Membran be- sitzen, welche sich nur bis in die Anfänge des Kapillar- systems (arterielle K.) fortsetzt um hier ganz zu verschwinden. Die Feststellung dieses Satzes war ein weiteres Hauptergeb- niss meiner histologischen Forschung. Nachdem ich ‘einmal gesehen, wie überaus reich an Kapillarbahnen und sonstigen Blut- wegen der rothe Knochenmark ist, musste es von vornherein über- raschen, dass jede noch so schonend, noch so vollständig ausge- führte Zerzupfung desselben niemals grössere Bruchstücke des Ka- pillarnetzes, niemals eine Venenwand, sondern immer nur einige, vereinzelte Arterienstücke ergab. Man kann auch durch Ausspinseln eines ganzen Markey- linders, welchen man etwa mit der Nadel aus dem Markraum einer Rippe oder eines Röhrenknochens vom Meerschweinchen herausge- hoben hat, ohne Mühe die ganze arterielle Gefässeinrichtung isoliren. Man überzeugt sich dann, dass selbst die stärkste Arteria nutritia nur eine einschichtige Muscularis und statt der Intima ein einfaches Endothelrohr besitzt. Eine dünne, bindegewebige Adventitia besitzt die Arterie nur innerhalb des Eintrittsloches und eine ganz kurze Strecke über dieses hinaus. Sehr auffallend ist der grad- linige der Knochenaxe parallele Verlauf, die spärliche, spitzwink- iige Theilung und das verhältnissmässig sehr enge Caliber der Knochenmarkarterien. Die Arterienenden sind auf lange, unver- ästelte Strecken hin sogenannte „Uebergangsgefässe‘“, d.h. sie ent- behren einer vollständigen Muskularis; die vorhandenen Muskel- fasern sind vereinzelt und nicht immer quer, sondern vielfach schräg zur Axe des Gefässes gestellt. Nur das Endothelrohr ist vollständig und geht in die Membran der arteriellen Kapillaren über. Das Kapillargebiet theilt sich mit scharfem Absatz in eine arterielle und eine venöse Seite. Die arteriellen Kapillaren ent- wickeln sich unter mehrfacher spitzwinkliger Theilung aus den Arterienenden. Sie sind nicht zahlreich aber gleichmässig im Mark vertheilt. Es wollte mir scheinen als ob sie gegen die Epiphyse hin etwas zahlreicher und dichter gestellt wären. Die arteriellen Kapillaren sind auffallend enge, in die Länge gestreckte Röhrchen, welche auch eine deutliche mit ebenfalls langen stäbehenförmigen Kernen besetzte Membran besitzen. Gegen die Stelle hin, wo sie unter einem spitzen Winkel in eine venöse Kapillarschlinge über- gehen, sehe ich die Kerne in immer längere riff- oder faserartige Ueber Knochenmark und Blutbildung. 9 Bildungen übergehen, wodurch die Gefässwand längsstreifig, auch längsgegittert wird, da diese Riffe hier und da unter einander in Querverbindung treten. — Ob zwischen diesen Riffen und Git- tern noch ein häutiger Bestandtheil der Gefässwand existirt oder ob hiermit bereits die Auflösung des geschlossenen Gefässrohrs ge- geben ist, habe ich leider nieht positiv zu entscheiden vermocht. Die betreffende Stelle ist nämlich stets so dicht mit fester haften- den Parenchymzellen bedeckt, dass eine völlige Isolirung nur um den Preis einer bedenklichen mechanischen Läsion dieser zarten Theile erreicht werden kann. Ich habe hier meine ganze Kunst aufgeboten, um zu einer klaren Einsicht zu gelangen, unter anderem die wohl hundertmal wiederholte Erschütterung des Kapillarendes mit einer kleinen Luftblase, welche ich unter dem Deckgläschen gefangen hatte, aber die deckenden Zellen wollten nicht weichen und endlich riss das Gefäss dicht oberhalb ab und war die Ein- heit des Präparates aufgehoben. Vielleicht gelingt das Kunststück einer geschickteren Hand, als der meinigen. An zerzupften Injektionspräparaten unterscheidet man die ar- teriellen Kapillaren leicht von den venösen, einmal an ihrem sehr viel kleinern Kaliber, dann an ihrem gestreckten Verlauf, .vornehm- lich aber durch die Constatirung einer kernhaltigen Membran an der Oberfläche des blauen Leimeylinders, welcher das Lumen füllt. Die venösen Kapillaren lassen sich an nicht injieirten Präparaten ebensowenig studiren als die Venen selbst und zwar aus dem einfachen Grunde weil sie keine eigene Wand besitzen, sondern unmittelbar von dem Markparenehym begrenzt werden. Was ich daher im Folgenden über das Lumen derselben, über ihre Gestalt und ihren Verlauf mitzutheilen habe, ist ausschliesslich an sehr vollkommenen Injektionspräparaten gewonnen worden, ist zu- nächst nur eine Beschreibung des Leimausgusses derselben. Die venösen Kapillaren sind drei bis viermal so weit als die arteriellen. Bei einer schwächeren Vergrösserung und am unzerzupften, trans- parenten Präparate (Fig. 1) erscheint ihre Oberfläche zwar glatt und scharf begrenzt. Sobald man aber bei sorgfältig gelockerten und dann ganz allmälig und vorsichtig zerzupften Präparaten eine starke Vergrösserung anwendet, sieht man, dass die Oberfläche eigentlich nirgends ganz glatt, sondern mit zahlreichen Fortsätzen versehen ist, welche meist mit breiter Basis sich ein wenig von der Gefässoberfläche abheben um dann nach verschiedenen Rich- 10 G. E. Rindfleisch: tungen in feine grade Zinken überzugehen, welche der Axe des Gefässes parallel gerichtet sind (Fig. 2). Es gibt auch hier und da etwas schmalere und höhere Fortsätze dieser Art, alle aber sind mit den erwähnten kurzen und spitzen Zäckchen abgeschlossen. Fasst man nun das negative Bild ins Auge, betrachtet man die Form und Grösse der Lücken, welche von diesen eigenthümlichen Grenzeonturen des Leimeylinders ausgeschart bleiben, so sieht man bald, dass es runde oder rundliche Zellenleiber sind, welche gegen das Gefässlumen vortretend, in dasselbe mehr oder weniger weit hineinragen und dasselbe begrenzend Veranlassung zu der wunderlichen Configuration des Leimeylinders gegeben haben. Oft sieht man noch die kernhaltige Zelle eine entsprechend grosse Lücke des Leimcylinderrandes erfüllen, oft ist der Leimeylinder mit solehen halb eingeschlossenen Zellen wie gepflastert. Kurz, es kann gar kein Zweifel über die wahre Begrenzung oder vielmehr Nichtbegrenzung des venösen Kapillargefässes bestehen. Dasselbe ist ein Lumen ohne eigene Wand, ein rundes Kanalrohr im Mark und von dem Markparenchym allein begrenzt. Die Gestalt und Grösse der venösen Kapillaren ist insofern sehr abweichend von derjenigen der arteriellen, als wir es hier durchweg mit stark gekrümmten und verhältnissmässig weiten Röhren zu thun haben, welche das Mark in allen Richtungen sehr gleichmässig durchdringen, überall gleich breite Strecken von Parenchym zwischen sich lassend. Nur nach den Venen hin drängen sich diese Kapillaren etwas näher zusammen und bilden hart um jedes venöse Haupt- sefäss einen Korb, von welchem aus zahlreiche sehr weite und kurze Stämmehen den Uebergang in das Venenlumen vermitteln. Dass auch die Venen innerhalb des jungen, rothen Knochen- markes keine eigene Wandung besitzen sollten, schien mir anfangs ganz unglaublich. Doch musste ich mich davon vollständig und durch dieselben Mittel überzeugen, welche mir schon die Ueber- zeugung von der Wandungslosigkeit der venösen Kapillaren aufge- drungen hatte. Finmal zwar glaubte ich bei einer sehr sub- tilen Isolationsmethode ein Venenrohr aus zierlichen drehrunden Fäden geflochten dargestellt zu haben, musste mich aber als- bald überzeugen, dass auch dieses Ding nur ein Abguss und zwar ein Fibrinabguss des Gefässes darstellte. Es hat etwas sehr befremdliches, so einen dicken runden Cylinder von blauem Leim sich überall scharf gegen das Markparenchym absetzen und Ueber Knochenmark und Blutbildung. j 11 bei den weitergehenden mechanischen Beunruhigungen des Objeetes den Markmantel ohne Rückstand von der Oberfläche des Leim- eylinders abbröckeln zu sehen, darauf den Leimcylinder selbst in Stücke brechen ohne dass auch nur die kleinste häutige Brücke von einem Bruchstück zum anderen reichte oder frei an seiner Bruchfläche hervorstände. Die Venen des jungen rothen Knochen- markes haben kein Endothel, auch kein abgrenzendes Gitterwerk wie etwa die Milzvenen. Sie sind verhältnissmässig weitklaffende Sinus inmitten des Blutkörperchen zeugenden Parenchyms und selbstverständlich durch diesen Umstand vorzüglich geeignet alle körperlichen Zuflüsse aus dem Parenchym aufzunehmen und fort- zuführen. Erklärung auf Tafel I. Fig. 1. 2. Fig. 1. Das mit blauem Leim gefüllte Markgefässnetz vom vorderen Ende einer Meerschweinchenrippe. aa Endaste der art. nutritia. v Vene. Das weissgelassene Parenchym zwischen den Kapillaren ist von roth- gelber Farbe zu denken. zn [9] i : ! 1 Fig. 2. a Leimausguss des Lumens einer wandungslosen Markvene 300 b Bruchstück einer Markcapillare bei stärkerer Vergrösserung Er Literar. Notizen. Bizzozero hat sich schon 1865 mit dem Knochenmark eingehender beschäftigt und unter Anderem die Contractilität der farblosen Markzellen erwiessen. Im Herbst 1868 beschrieb Neumann zuerst, einen Monat später auch Bizzozero die Haematoblasten des Knochenmarks. Hoyer bestritt die Existenz einer Venenwand und wurde von Rüdinger darin unterstützt. (Centralblatt f. d. med. Wissenschaft aus den Jahren 1868 und 1869.) Bizzo- zero’s Hauptarbeit: Sul Midollo della Ossa. Napoli 1869. Kürzlich hat er nach grossen Blutentziehungen bei Meerschweinchen Milzhypertrophie erzeugt und die haemetopoötische Function dieses Organs über jeden Zweifel gestelit. 12 Paul Reichel: (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Ueber die morphologischen Veränderungen der Thränendrüse bei ihrer Thätigkeit. Von Paul Reichel, Stud. med. (Hierzu Taf. I. Fig. A. B.) Bekanntlich erleiden die Speicheldrüsen, Magendrüsen, das Pankreas und andere bei ihrer Thätigkeit morphologische Aende- rungen. Es liess sich daher erwarten, dass auch andere noch nicht in dieser Hinsicht untersuchte Drüsen analoge Erscheinungen zeigen würden. Ermuntert durch Professor Dr. Heidenhain wählte ich mir als Objekt einer Untersuchung nach dieser Rich- tung die Thränendrüse. Zur Reizung der Drüse diente mehrere Stunden lang fortge- setzte Injektion von Pilokarpin, welche früher schon Professor Heidenhain bei seinen Untersuchungen mit bestem Erfolge an- gewandt hatte. Ich versuchte zwar zwei Mal durch elektrische Reizung des n. laecrymalis die Drüse zur Sekretion zu bringen; doch stand ich bald von diesem Bemühen ab. Denn es ist dieser, beim Hunde, an dem ich die Untersuchungen vornahm, sehr feine Nerv am lebenden Thiere so schwer zugänglich, dass die Drüse bei der Operation, bei der die starke membrana orbitalis fortge- nommen und ein Theil der Orbitalwand abgetragen werden muss, zu sehr mechanischen Insultationen ausgesetzt ist, die an sich schon verändernd auf ihre Elemente einwirken können. Vor der Pilokarpininjektion wurde die Drüse der einen Seite exstirpirt, um zum Studium der unthätigen Drüse und zum Ver- gleich mit der thätigen zu dienen. Ueber den Bau der Thränendrüse hat schon Boll!) im Jahre 1868 berichtet, und kann ich mich seinen Angaben völlig an- schliessen. Zur Untersuchung dienten mir Schnitt-, Zerzupfungs- 1) Fr. Boll, Ueber den Bau der Thränendrüse, Archiv f. mikrosk. Anatomie herausgeg. von Schultze, IV, p. 146. Ueber die morphologischen Veränderungen der Thränendrüse ete. 13 und Macerationspräparate. Als Macerationsflüssigkeit benutzte ich 33pCt. Kalilauge. Es gehört die Thränendrüse dem Typus der acinösen Drüsen an. Die einzelnen Aeini sind durch ziemlich stark entwickeltes Bindegewebe von einander getrennt und mit unregelmässig ge- formten, meist mit einem Fortsatz versehenen Epithelien erfüllt. Alle Zellen enthalten einen deutlichen Kern. Um nun die durch die Sekretion der Drüse eingetretenen Veränderungen kennen zu lernen, wurden die unthätige, wie die thätige Drüse mit dem Mikrotom in feine Schnitte zerlegt, die Sehnitte in Pikrokarmin gefärbt, mit Glycerin aufgehellt und unter einander verglichen. An der unthätigen Drüse sieht man dann alle Zellen deut- lich gegen einander abgegrenzt; sie sind theils kegelförmig, theils eylindrisch, sind hell und nur wenig körnig. Ihr Kern ist mehr der Zellbasis als der Spitze genähert, scharf durch das Karmin ge- färbt und hat eine unregelmässige Form; er ist glatt, leicht gezackt oder eckig (Fig. A). Die thätige Drüse bietet ein wesentlich anderes Bild dar: Als charakteristisches Merkmal im Gegensatz zur unthätigen Drüse fällt zunächst das dunkle Aussehen des Präparates auf. Alle Zellen sind stark durch Albuminate getrübt und körnig. In Folge dessen erscheinen die Zellgrenzen verwischt und sind nur mit Mühe als feine Linien erkennbar. Gleichzeitig sind die Zellen ein wenig verkleinert, so dass es in Folge der dadurch näher zusammenge- rückten Kerne oft den Anschein gewinnt, als habe eine Vermehrung der letzteren stattgefunden. Die Kerne selbst sind jetzt vollkom- men rund. Wir sehen also, dass die durch Reizung eingetretenen Ver- änderungen der Thränendrüse denen, die an der gereizten Parotis erfolgen, ganz analog sind. 14 Ad. Hamburger: (Aus der Anstalt des Herrn Professor Mihalkovices.) ZAur Histologie des Nierenbeckens und des Harnleiters. Von Ad. Hamburger, stud. med. in Budapest. (Hierzu Taf U.) Die Kenntniss der histologischen Struetur des Nierenbeckens und des Harnleiters lässt, bei den gegenwärtig zur Verfügung ste- henden literarischen Angaben, noch Manches zu wünschen übrig. Um diesem Mangel theilweise abzuhelfen untersuchte ich jene Or- gane vom Menschen, Pferde und Rinde, und gebe kurz gefasst die Ergebnisse wie folgt, mit der Bemerkung, dass ich meine Aufmerk- samkeit namentlich auf das Epithel und die Drüsen gerichtet habe. Der untersuchte menschliche Harnleiter stammte von einem hinge- richteten gesunden Individuum, ist ganz frisch in starkem Alkohol aufbewahrt worden, folglich kann kein Zweifel über dessen nor- male Structur obwalten. Das Epithel im Harnleiter des Menschen ist in 5—8 Schichten 60—70 u hoch. Die Zellen der tieferen Schichten sind eylinder- und spindelförmig, in der obersten Schichte von eubischer Gestalt, welche — was ich in der Literatur noch nicht verzeichnet finde — einen homogenen Cuticularsaum besitzen; in den mittleren Schichten bilden die Zellen eine Uebergangsform zwischen eylindrischer und cubischer Gestalt. Die Längsaxe der ovalen Zellkerne ist in der obersten eubischen Zellenschichte parallel der Längsaxe des Harnleiters gestellt, in den mittleren Schichten liegt sie senkrecht auf die Längsaxe, in den tiefsten Zellen ist die Riehtung des Zell- kerns eine schiefe. Zur Isolirung der Zellen habe ich Ranvier’s diluirten Alko- Zur Histologie des Nierenbeckens und des Harnleiters. 15 hol verwendet. Das in dieser Flüssigkeit einen Tag hindurch ma- cerirte Epithel des Harnleiters konnte leicht entfernt werden, und zeigte unter dem Mikroskope die verschiedenen Formen des ge- schichteten Plattenepithels. Die einzelnen, 20--35 u grossen Zellen sind mit einem 10—40 u langen, fadenförmig dünnen Fortsatz ver- sehen. Ein Theil der Fortsätze hat am Ende einen dreieckig ver- breiterten Fuss, der grössere Theil entbehrt aber dieses Anhanges. Um den ovalen 10—12 u grossen Zellkern, und theilweise in ihm selbst sind 1—3 u grosse stark lichtbrechende gelblich gefärbte Körnchen angehäuft. Um die erwähnten Zellfortsätze eingehender zu studiren, wurde der Harnleiter mit Müller’scher Flüssigkeit, Jodserum und 2% Lösung von Ammon. bichromie. behandelt. An den Zupfpräparaten von mit Müller’scher Flüssigkeit und Jodserum behandelten Organen war zu erkennen, dass der Zellfortsatz in das unterliegende Binde- sewebe hineingeht (Fig. 1), das Fernere konnte jedoch nicht mit wün- schenswerther Klarheit ermittelt werden. Mit Bestimmtheit kann nur so viel angegeben werden, dass diese Zellfortsätze sich mit Ner- venfasern nicht verbinden, weil die für feine Nerven charakteristi- schen Varicositäten an ihnen nicht vorhanden waren, und nach Zusatz von Essigsäure der Fortsatz ähnlich dem Bindegewebe an- quoll und erblasste. Zweimal hatte ich Gelegenheit an Zupfprä- paraten aus Ammon. bichrom. Bilder zu sehen, wie wenn der Zell- fortsatz mit einer Bindegewebsfaser zusammenhinge, wie das auch Öbersteiner!) erwähnt. An Schnitten der in. starkem Alkohol erhärteten Harnleiter kann man sehen, dass die im subepithelialen Bindegewebe liegenden länglichen Bindegewebszellen gegen das Epithel zu grösser werden und ganz oben in schiefer Richtung in das Epithel hinein sich fortsetzen. Nach den erhaltenen Bildern halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass diese Zellen hier zu Epi- thelzellen werden, woraus folgen würde, dass im Harnleiter die Rege- neration des Epithels von den Bindegewebszellm ausgeht, was auch schon deshalb möglich ist, weil ich zwischen Epithel und Binde- sewebe nirgends eine Basalmembran — wie es auch Henle°) erwähnt — sah. 1) J. Strieker, Handbuch der Lehre von den Geweben. S. 521. 2) Henle, Anatomie Bd. II. 1864. S. 16 Ad. Hamburger: Diese Angabe stimmt freilich durchaus nicht mit der bisher herrschenden Ansicht über die Herkunft und Regeneration des Epi- thels nur aus Epithel, doch ist zu bedenken, dass letztere Angabe bereits stark erschüttert ist. Neuere embryologische Untersuchungen haben ergeben, dass aus den Epithelblättern (Eeto-Entoderma) her- vorgegangene Organe ganz bindegewebsartige Beschaffenheit an- nehmen können, wie es z. B. beim Sehnervenstiel und nach Köl- liker’s!) neueren Untersuchungen bei der Thymusdrüse der Fall ist. Selbst wenn man annimmt, dass eine solche Umwandlung nur bei der ersten Entwicklung — bei der Regeneration aber nicht — stattfindet, kann man beim Harnleiter die Regeneration des Epi- thels aus Bindegewebszellen anders interpretiren. Der Harnleiter entwickelt sich bekanntermassen aus dem Kupffer’schen Nieren- kanal, dieser aber aus dem Wolff’schen Gang, und dieser seiner- seits vom Keimepithel, welch letzteres aber unzweifelhaft aus dem Mesoderm sich entwickelt, und nach Kölliker's, Egli’s u. A. Un- tersuchungen (gegen Waldeyer) kein selbstständiges Epithel, son- dern nur ein Theil des Bauchfellendothels ist. Nachdem so das Epithel des Harnleiters in ultimo vom Mesoderm herstammt, kann man daran nichts Anstossendes finden, dass es sich aus Bindege- webszellen regenerirt, was jedoch in Bezug der aus den echten epithelialen Keimblättern herstammenden anderen Epithelgewebe nicht verallgemeinert werden soll. Das Epithel im Pferdeharnleiter ist in 5—7 Schichten 100 bis 125 « hoch, die Zellen selbst 12—20 «, darunter sind einzelne grössere (12-—28 wu), helle runde Zellen, und mit durchsichtigem In- halt gefüllte Räume von 50—180 « Durchmesser. Die Kerne der hellen Zellen sind an die Zellwand gepresst. Der Cuticularsaum ist hier weniger entwickelt als beim Menschen. Das Epithel im Ureter des Rindes ist niedriger, in 5—6 Schichten 60—80 u hoch. Die oberste Zellschicht ist hier beinahe ganz verhornt. Wfrd der frische Harnleiter mit starkem Alkohol injieirt und so in Alkohol erhärtet, so ist die Höhe des Epithels beinahe auf ein Drittel der gewöhnlichen Höhe redueirt, das Pro- toplasma der Epithelzellen muss also während des Lebens sehr weich sein. Im Uebrigen ist das Epithel der beiden letztgenannten Harnleiter von jenem des Menschen nicht verschieden. ı) Kölliker, Entwickelungsgeschichte, II. Auflage S. 875. Zur Histologie des Nierenbeckens und des Harnleiters. 17 In das längsgerichtete und von elastischen Fasern durchzogene subepitheliale Bindegewebe sind adenoides Gewebe, Drüsen, Blut und Lymphgefässe eingebettet. Das adenoide Gewebe, — das bisher der Aufmerksamkeit der Autoren entging, — ist namentlich beim Pferde stark entwickelt (45—90 u hoch). Im Nierenbecken und oberen Theil des Harn- leiters bildet es eine breitere, im untern Theil des Ureters aber eine allmälig bis zum Verschwinden dünne Lage. Im subepithe- lialen Bindegewebe des menschlichen Nierenbeckens sind stellen- weise einzelne 420 «u lange und 116 « hohe Lymphfollikel zu sehen. Die Anwesenheit von acinösen Drüsen im Nierenbecken haben Unruh!) und Egli?) beschrieben. Letzterer sah in einem Falle auch im oberen Theile des Ureters derartige Gebilde, die in letzter Zeit erschienenen histologischen Werke verschweigen oder leugnen — W.Krause?) im Harnleiter, nimmt sie aber im Nierenbecken an — die Anwesenheit soleher Drüsen. Meinen Erfahrungen zufolge kann ich mit Bestimmtheit behaupten, dass Drüsen im Harnleiter des Menschen vorkommen und zwar in grösserer Zahl in dessen oberem, als im unteren Theile. Die beiläufig 65—98 u grossen Drüsen besitzen einen 90— . 100 « langen, mit 3—4 u messendem Hohlraum versehenen Aus- führungsgang (Fig. 2). Zum Studium ihrer Lagerung habe ich den frischen Ureter, nachdem die Adventitia und Muscularis entfernt wurde, mit 3 pCt. Essigsäure behandelt, um das ‚Epithel zu ent- fernen. An dem so präparirten und mit Glycerin aufgehellten Harnleiter konnte ermittelt werden, dass während auf einzelnen Quadratcentimeter grossen Flächen keine einzige Drüse zu liegen kam, auf anderen Stellen ganze Drüsengruppen (5—8) auf einem kleinen Ort zusammengehäuft waren, so z. B. auf einer 0,2 qmm grossen Fläche 4-5. Die Anordnung ist also eine regellose. An feinen Schnitten ist zu erkennen, dass die Drüse von einer feinen Glashaut mit Kernen umgeben ist, auf diese folgen im Kreise angeordnete eylinderförmige Zellen von 10—15 « Höhe, von diesen nach innen liegen polygonale, mit grossen (d4—5 u) Kernen und 1) Unruh, Ueber Blutungen im Nierenbecken und Ureter bei Pocken. Archiv f. Heilkunde 1872. V. Heft. S. 289. 2) M. Schultze’s Archiv 9. Bd. 3. Heft. 3) W. Krause, Handbuch der Allgem. Anatomie 1876. Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. 17. 2 18 Ad. Hamburger: körnigem Protoplasma versehene Drüsenzellen von 12—18 u Grösse. Die Drüsen haben, wie Egli riehtig bemerkt, die Form einer ein- fachen unverzweigten Talgdrüse. Herr Professor G. Scheuthauer hatte die Güte mir einen interessanten, auf die pathologische Entartung dieser Drüsen be- züglichen Fall mitzutheilen. Der Fall bezieht sich auf eine im Jahre 1868 oder 1869 im Wiener K. K. Allgem. Krankenhause ge- machte Section, wo im Nierenbecken, im ganzen Verlaufe des Harn- leiters und theilweise auch in der Blase um die Einmündungsstelle des Harnleiters zahlreiche, bis Linsengrosse, mit einem klebrigen eolloiden Inhalte erfüllte Cysten verhanden waren. Der Fall wurde wegen der damaligen mangelhaften Kenntniss der Histologie des Harnleiters nicht publieirt, aber im Sectionsprotokolle vorgemerkt, und das Präparat im Museum aufbewahrt. Jetzt kann man schliessen, dass solche Drüsen (in wiefern Colloideysten nur aus degenerirten Drüsen entstehen können) im ganzen Verlaufe des Ureters vorkom- men können, vielleicht regelrecht (wie das auch in den von mir untersuchten Uretern der Fall war) nur im oberen Theile des Harnleiters, in einzelnen Fällen ausnahmsweise auch im unteren. Bezüglich der im Nierenbecken des Pferdes vorkommenden Drüsen stimmen die Ergebnisse meiner Untersuchungen mit denen Egli’s!) überein. Die Schleimhaut bildet hier breite Wülste von verschiedener Höhe, und ist mit vielen, theilweise ovalen und auch von schlauchförmig länglichen Drüsenräumen ausgestattet, die mit einander auch eommunieiren, und von zellenreichem Bindegewebe umgeben sind; ihr Hohlraum ist mit 30—31 «u hohen Cylinderzellen ausgekleidet. Die freie Oberfläche der Schleimhaut ist nur von einem einschichtigen Cylinderepithel bedeckt, das sich auch in die Ausführungsgänge der tubulösen Drüsen hineinsenkt. Auf der Oberfläche des Epithels liegt etwas Schleim. Auch im oberen Theile des Pferdeharnleiters sind noch solehe tubulöse Drüsen zu sehen, hier bildet jedoch die Schleimhaut beinahe gar keine Wülste. Im übrigen drüsenlosen Theile des Harnleiters wird der Schleim auf eine eigenthümliche Art bereitet: Es sind nämlich im Epithel ein- zelne sehr helle runde Zellen eingebettet, in welchen der Zell- kern mit dem verringerten Protoplasma halbmondförmig an die Zellwand gedrückt ist (Fig. 3). Solche Zellen sind stellenweise 1) Egli ebendort. Zur Histiologie des Nierenbeckens und des Harnleiters. 19 4—6 oder noch mehr in einer Gruppe vorhanden. Fernerhin, mehr gegen die Oberfläche, sieht man 50—180 u grosse, mit abgeplatteten Zellen ausgekleidete und theilweise mit geronnenem Schleim ge- füllte Räume. Hie und da sind auf der Oberfläche des Epithels die Reste solcher eröffneter Räume sichtbar. Die Funetion dieser Zellen und Räume kann folgender Art erklärt werden. Ein Theil der Epithelzellen wird zur Bereitung eines schleimigen Secretes verwendet, das Protoplasma nimmt all- mälig ab, bis es mit dem Zellkerne in Form eines halbmondför- migen Streifens an die Zellwand gedrückt wird. In Folge der Secretzunahme nimmt die Zelle eine runde Gestalt an. Durch Zu- sammenfliessen mehrerer solcher Zellen entstehen die Räume. Das sich regenerirende Epithel schiebt diese Räume gegen die Ober- fläche des Epithels vor, wo in Folge der sich abstossenden Zellen die obere Wand des Raumes immer dünner wird, am Ende sich eröffnet und der Inhalt auf diese Art sich in den Ureter entleert. Für die Richtigkeit dieser Erklärung spricht der Umstand, dass die der Oberfläche näher gelegenen Räume geronnenen Schleim enthalten. Beim Rinde konnte ich weder Drüsen noch ein anderes, die Drüsen substituirendes Gebilde finden. Dasselbe gilt von dem Harnleiter des Hundes und der Fledermaus. Es ist noch zu erwähnen, dass in der Mucosa ein feinfaseriges elastisches Netz vorhanden ist, das stellenweise unmittelbar unter dem Epithel stark entwickelt ist. Ergebnisse. 1) Die oberste Schichte des Harnleiterepithels besitzt einen homogenen Quticularsaum. 2) Die Regeneration des Harnleiterepitels geschieht wahr- scheinlich von Seite der Bindegewebszellen; die Fortsätze des Epi- thels dringen in das Bindegewebe hinein. 3) Unter dem Epithel liegt ein mehr minder entwickeltes ade- noides Gewebe; beim Menschen kommen auch zerstreut Lymph- follikel vor. 4) Die im Nierenbecken und Harnleiter vorhandenen Drlisen 20 Ad. Hamburger: Zur Histiologie des Nierenbeckens und des Harnleiters. sind weder ihrer Form noch ihrer Anordnung nach constante Ge- bilde — manche Säugethiere entbehren ihrer ganz (Rind, Hund, Fledermaus), wo sie vorkommen, sind sie von verschiedener Ge- stalt. Beim Menschen gleichen sie z. B. kleinen Talgdrüsen, deren Räume mit Zellen ganz erfüllt sind; beim Pferde haben sie die Gestalt von verzweigten schlauchförmigen Drüsen, mit engen oder mit weiten Lumina versehenen Endkammern. Beim Pferde kommen die Drüsen nur im Nierenbecken, beim Menschen auch im Ureter vor. Dieses inconstante Vorkommen spricht dafür, dass diesen Drüsen eine wichtige physiologische Function nicht zukommen kann. Die beim Pferde erkennbaren Erscheinungen deuten darauf, dass sie bei der Schleimsecretion betheiligt sind. Bei Abwesenheit solcher Drüsen kann die Schleimseeretion durch den übrigen Theil der Schleimhaut ersetzt werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Fig. 1. Theilweise defecter feiner Schnitt vom Harnleiter des Menschen, wo die oberflächlichen Epithellagen entfernt sind, und die Fortsätze der tiefsten schiefen Zellenlage in das Bindegewebe hineinziehen. Alko- holpräparat. Haematoxylinfärbung. Hartnack Objekt 9. Camera lucida. Fig. 2. Drüse vom Harnleiter des Menschen. Alkoholpräparat. Pikrocar- minfärbung. Obj. 9. Cam. luc. Fig. 3. Epithel und angrenzendes adenoides Gewebe vom Ureter des Pferdes zeigt die eigenthümliche Umwandlung der Epithelzellen zu runden Schleimzellen. Alkoholpräparat. Haematoxylinfärbung. Obj. 7 Camera lucida. G. E. Rindfleisch: Ueber Knochenmark und Blutbildung. 21 Ueber Knochenmark und Blutbildung. Von Dr. G. E. Rindfleisch, Professor in Würzburg. Hierzu Tafel IH. (Erklärung der Abbildungen im Text.) Il. Es dürfte vielleicht nicht unangemessen erscheinen, wenn ich von der Beschreibung des Gefässapparates und den so eigenthüm- lichen Cireulationsverhältnissen des Knochenmarkes zu den be- sonderen Ernährungs- und Wachsthumsverhältnissen übergehen würde, welche dadurch für das rothe Mark gegeben sind. Diese Betrachtungen aber werden uns erst dann recht erspriesslich sein, wenn wir vorher die Beschaffenheit des Parenchyms studirt haben. Fragen wir uns also fürs Erste: Welches ist die nähere Textur des jungen Knochenmarkes, jenes rothgelben Parenchyms, das die Zwischenräume zwischen den in Fig. I (Taf. 1) dargestellten Gefäss- netzen ausfülll? Aus welchen Theilen besteht es? Wie sind diese Theile unter einander und mit dem Gefässapparat verbunden ? Aus welchen Theilen besteht es? Auf diese Frage scheint die Antwort deshalb leicht, weil man das Knochenmark ohne Schwierigkeit in einem passenden Menstruum (?/ı %/o Kochsalzlösung) vertheilen und so die Elemente desselben isolirt betrachten kann. Doch sind auch hier einige Vorsichtsmassregeln nöthig. Um nicht eine unrichtige Vorstellnng von der Menge und Gestalt der rothen Blutkörperchen zu bekommen, welche im rothen Knochenmark ent- halten sind, thut man gut bei einem Meerschweinchen vorher die Gefässe in der oben angegebenen Weise mit ?/4 %/o Kochsalzlösung aus- zuspritzen. Macht man hierauf Zerzupfungspräparate, so ist man sicherer, dass Alles, was man vor sich hat, zum Markparenchym gehört hat. 22 G. E: Rindfleisch: Ich habe hier natürlich keine anderen Ergebnisse aufzuweisen, als die mehr oder minder bekannten Data früherer Autoren. Doch sei mir auch hier eine eigene Beschreibung verstattet, weil ich, nachdem ich die Entstehungsgeschichte der-rothen kernlosen Blut- körperchen wirklich ergründet zu haben glaube, auf einige diesbe- zügliche Punkte aufmerksam machen will, welche bisher wenig oder gar nicht beachtet worden sind. Unser Hauptinteresse wendet sich von selbst den rothgelben kernhaltigen Zellen zu, welche in verschiedener Form und Grösse, aber in mässiger Menge in jedem Präparate zu sehen sind. Diese Zellen sind auch nieht um ein Haar anders als die kernhaltigen Blutkörperchen der frühesten embryonalen Entwickelungsstadien. Ich habe diese frühesten Entwiekelungsstadien selbstverständlich möglichst oft und bei verschiedenen Thieren aufgesucht, bin aber beim Meerschweinchen besonders glücklich gewesen. Bei diesen Thieren findet man merkwürdigerweise sehr verschieden alte Foetus in einem Uterus beisammen. Beispielsweise fand sich in einem Uterus ein Foetus von 5 mm, einer von 11, einer von 13 mm und einer von 23mm. Der von 5mm zeigte die kernhaltigen rothen Blut- körper noch in voller Oberherrschaft über eine geringe Zahl von kernlosen und gestattete die Vergleichung in jeder Richtung. Danach muss ich sagen, es ist absolut auch nicht der kleinste qualitative Unterschied zwischen den embryonalen und denjenigen Formen, welche bei ältesten, längst ausgewachsenen Thieren im rothen Mark der Rippen oder der Wirbelkörper gefunden werden können. — Der kreisrunde grosse Kern, welcher aus stark lichtbrechenden ge- wundenen Körpern und Körnern zu bestehen scheint, und das roth- gelbe homogene ebenfalls stark leuchtende Protoplasma sind die cha- rakteristischen Merkmale dieser Elemente (Fig. la). Bleiben wir zunächst beim Kerne stehen. Ich habe keine wohlabgegrenzten Kernkörperchen in ihm bemerkt. Ich bin aber geneigt, diese Erscheinung, welche sich bekanntlich an allen Jungen proliferirenden Zellen, vor allen den farblosen Blutkörperchen und embryonalen Bildungszellen findet, nicht als einen Mangel, sondern als einen Ueberschuss an Kernkörperchensubstanz, aufzu- fassen. Bekanntlich nämlich färben sich die stark lichtbrechenden Kernkörperchen älterer, z. B. epithelialer Zellen in wässriger Hae- matoxylinlösung sehr intensiv veilchenblau. Dieses ist aber eine Eigenschaft, welche dem ganzen Kern der jugendlichen Zellen Ueber Knochenmark und Blutbildung. 23 und speciell der haematoblastischen Zellen zukommt. Ich halte die gesammten oben erwähnten gewundenen Körper und Körner, welche man bei starker Vergrösserung im Kerne wahrnimmt, für Kernkörperchensubstanz. Vielleicht ist es in der Hauptsache das von den Chemikern aus allen jungen üppig wuchernden Geweben dargestellte Nuclein?! Der Kern liegt niemals in der Mitte der Zelle. Auch wenn die Zellen kugelrund und mit centralem Kern erscheinen, wird man sich bei einigem Hin- und Wiederrollen von der excen- trischen Lage des Kerns überzeugen müssen. Ich hebe diess her- vor, weil sich hierin ein sehr wichtiger Unterschied von den rothen Blutkörperchen derjenigen Thiere ausspricht, welche einen blei- benden Kern besitzen. Man untersuche die Pulpa der Vogelmilz. Man wird sehr bald die Aequivalente unserer Haematoblasten ge- funden haben. Dieselben Zellen, was den Kern und das Proto- plasma an sich betrifft, aber durchaus centrale Lage des Kernes. Ich komme später auf diesen Punkt zurück, er enthält einen Hin- weis auf die spätere Auswanderung desselben an derjenigen Stelle der Zelle, wo er der Oberfläche am nächsten liegt. Unser besonderes Augenmerk haben wir auf die Grenze des Kerns gegen das Protoplasma zu richten. Diese Grenze ist scharf, insofern man überall deutlich unterscheiden kann, was zu dem farb- losen Kerngebilde und was zum gefärbten Protoplasma gehört. Insbesondere erscheint das letztere durch einen scharfen, einfachen Contour abgeschlossen und nicht wie eine, wenn auch noch so zähe Flüssigkeit, in welcher der Kern schwimmt. Der Kern hat aber jenseits der eigentlichen und Haupteontour noch einen schwachen Halo, welcher von einer homogenen oder höchstens ganz fein- körnigen Substanz gebildet wird. Gleichmässig um die ganze Peripherie des Kerns ausgebreitet ist diese Substanz kaum als eine dünne, schwächer lichtbrechende Schicht neben dem dunkeln Kerneontour bemerklich. So gleich- mässig aber ist die Substanz nicht immer angeordnet. Hin und wieder sieht man sie zu kleinen Zacken und stumpfen Fortsätzen erhoben, welche namentiich gegen die Hauptmasse des rothgelben Protoplasmakörpers hinweisen. Je ausgesprochener dieses Verhalten ist, um so mehr hat man vom Kern den Eindruck eines selbstständigen Elementarorganismus, einer amöboiden, farblosen Zelle, welche in einer Hülle rothgelben Protoplasmas steckt. Ich will auch gleich 24 G. E. Rindfleisch: hier bemerken, dass Zellen dieser Art, also Zellen mit deutlich ausgeprägtem zackigen Halo um den Kern, dieht vor jener Schei- dung von Kern und Protoplasma stehen, welche ich als den we- sentlichen Entstehungsakt des kernlosen rothen Blutkörperchens kennen lehren werde. Die Haematoblasten haben namentlich bei jungen, schnell- wachsenden Geschöpfen sehr häufig doppelte Kerne und mau kann an ihnen alle wünschenswerthen Stadien der Kerndoppelung in geradezu paradigmatischer Vollkommenheit nachweisen (Fig. 1b). Ist die Kerndoppelung vollzogen, so rücken die Kerne mehr oder we- niger weit auseinander und die Zellentheilung schliesst sich der Kerntheilung an. Wem es darum zu thun ist, neben dem Knorpel noch ein zweites Objekt zu besitzen, an welchem der wichtige Akt der Zellentheilung von Anfang bis zu Ende gut verfolgt werden kann, dem ist das Knochenmark eines mittelgrossen Meerschwein- chens nieht genug zu empfehlen. In ®/, pCt. Kochsalzlösung zer- zupft, liefert es willig die schönsten Präparate Bei dieser Theilung der Haematoblasten tritt regelmässig eine ge- wisse Kleinheit der Tochterzellen hervor. Diese Klein- heit mag vorübergehend sein und es mögen die Tochterzellen durch eigenes Wachsthum nach grade alle die typische Grösse erreichen können, aber sie fehlt niemals und ebendaher rührt die auffallend ungleiche Grösse der Haematoblasten, auf welche schon Neumann aufmerksam gemacht hat und welche in einer neueren Statistik über die rothen Markzellen von Orth u. Litten (Berl. K. W. 1877. 51.) ihre Verwerthung gefunden hat. Selbstverständlich wird die Grösse der Haematoblasten im graden Verhältnisse zu der Häufigkeit stehen, mit welcher sich der Theilungsprocess: in dem gegebenen Marktheil vollzieht und wir werden aus der Kleinheit der Haematoblasten einen vorsichtigen Schluss auf die jeweilige Intensität des Blut- bildungsprocesses- machen dürfen. Doch werde ich erst weiter unten Gelegenheit haben, die ganze Tragweite grade dieser Er- scheinung zu zeigen, wenn wir nämlich die schnellere Regeneration des Blutes nach grossen Blutverlusten betrachten. Mit diesem Hinweis auf die verschiedene Grösse der Haema- toblasten habe ich zugleich das Wichtigste über den zweiten Be- standtheil derselben, nämlich das rothgelbe Protoplasma gesagt. Ich kann nicht sagen, dass ich abgesehen von der verschiedenen Quantität an dieser Substanz irgend welche bemerkenswerthen Un- Ueber Knochenmark und Blutbildung. 25 terschiede sei es der Farbe, des Glanzes, der äusseren Contouri- rung wahrgenommen hätte. Da die Kerne der Haematoblasten — vorausgesetzt dass sie sich nicht grade durch Theilung vermehren — alle von gleicher Grösse sind, d. h. ungefähr von der Grösse eines farblosen Blut- körperchens — so liegt der mehrerwähnte sehr auffällige Grössen- unterschied der Haematoblasten allein in der Quantität der den Kern einschliessenden rothgelben Zellsubstanz. Mit dem Kern ge- messen beträgt der Unterschied der kleinsten und der grössten Haematoblasten etwa ?/;—1, während er ohne den Kern kaum !/;—1 betragen durfte. Im Uebrigen habe ich nur Negatives namentlich mit Bezug auf etwaige andere „Vorstufen“ der rothen Blutkörperchen zu be- riehten. Ich habe bei meinen zahlreichen Anläufen, die richtige Entwiekelungsreihe zusammenzufinden, mich immer mehr von der Wahrscheinlichkeit abwenden müssen, dass es ein körniges Vorsta- dium der Haematoblasten giebt. (Erb, Alexander Schmidt.) Es giebt körnige Zellen und zwar bei älteren Geschöpfen sogar in recht erheblieher Menge im Knochenmark; dieses sind aber meistentheils regressive Elemente, auch Pigmentzellen des Markes, aber keine Jungen Blutkörperehen. Für Hayem’s Haematoblasten habe ich viel- leicht eine Deutung gefunden (s. unten). Auch, dass farblose Blut- körperchen allmälig einen rothgelben Saum bekommen und sich auf diese Weise successive in Haematoblasten verwandeln, ist eine Annahme, welche ich zwar mit der gesammten Fachgenossenschaft theile, an der ich bis auf Weiteres festhalte, welche ich indessen durch entsprechende Befunde beim Meerschweinchen oder anderen mit kernlosen rothen Blutkörperchen ausgerüsteten Thieren nicht genügend unterstützen kann. Ich werde weiter unten anmerken, dass man unter den farblosen Blutkörperchen der Vogelmilz die gesuchten Uebergangsformen findet. Als solche erkenne ich ge- wisse farblose, aber nach aussen auffallend scharf und glatt be- srenzte Zellen an. Die glatte, glänzende Contour wird an anderen Exemplaren immer breiter und erhält dann allmälig einen rothen Schein. Doch diess beiläufig. An den Mark- und Milzzellen des Meerschweinchens, des Hasen, des Schweines, des Menschen habe ich die gleiche Beobachtung nieht gemacht. Viel eher und immer auf’s Neue wollte es mir so vorkommen, als ob gewisse Ueber- gänge von den grösseren Markzellen zu den Haematoblasten exi- 26 G. E. Rindfleisch: stirten. Aber ich musste wegen der unverhältnissmässigen Selten- heit der bezüglichen Befunde auch diese Möglichkeit beruhen lassen und mich also mit der einzigen ganz sichern That- sache begnügen: dass sich die grösseren Haematoblasten durch Theilung vermehren, und dass die Tochterzellen etwa ?/; so gross sind als die Mutterzellen; wobei die Anwesenheit zahlreicher Zwischengrössen auf ein allmäliges Wachsthum der Tochterzellen schliessen lässt. Nächst den Haematoblasten treten die ‚„‚grosszelligen Elemente“ des Knochenmarks bedeutsam hervor (Fig. 1sc.). Als solche bezeiehne ich alle grösseren Elemente mit doppelteontourirtem, Kernkörperchen haltenden, sogenannten bläschenförmigen Kern und körnigem, reichli- chem Protoplasma. Der Kern dieser Zellen ist bei Weitem schwächer lichtbrechend als der Kern der Haematoblasten oder der farblosen Blutkörperchen. Es macht den Eindruck, als sei derselbe durch Wasseraufnahme aus einem jungen Zellenkern hervorgegangen; da- bei habe sich die stark lichtbrechende Nuclearsubstanz in eine peripherische Randschicht und einen centralen Rest, das Kern- körperchen, geschieden, das ganze Gebilde aber habe sich beträcht- lich gebläht und erscheine „bläschenförmig*. Wäre diese Annahme richtig, so würde diese Blähung die Vermehrungsfähigkeit des Kernes keineswegs beeinträchtigt haben, denn wir finden nicht eben selten Doppelung und Verdreifachung auch an diesen Zellen- kernen, wenn auch die nachfolgende Zellentheilung sich nicht so leicht und häufig constatiren lässt, wie an den Haematoblasten. Die grosszelligen Elemente des Markes sind vor Allem durch ihren Umfang, d. h. durch die Quantität des körmnigen farblosen Protoplasmas ausgezeichnet, welches die Kerngebilde umlagert. Das Protoplasma ist bald feiner bald gröber, selbst ganz grob ge- körnt. Von den Protoplasmakörnchen müssen aber die häufigen Einlagerungen von Fett und Pigmentkörnchen unterschieden werden, welche zum Theil auf eine regressive Metamorphose dieser Ele- mente zu beziehen sein dürften. Die grösste Mehrzahl aller im Mark vorfindigen Zellen können wir als farblose Blutkörperchen bezeichnen, wenn wir es mit der Definition solcher nicht zu genau nehmen wollen. Denn von der ge- wöhnlichen Beschaffenheit der im Blute eireulirenden farblosen Zellen dürfte doch nur etwa die Hälfte der im Mark vorfindigen sein, Die übrigen weichen namentlich durch die Beschaffenheit Ueber Knochenmark und Blutbildung. 27 ihres Protoplasmas ab. Einige sind so arm an Protoplasma, dass es einem ungeübten Beobachter nicht zu verargen wäre, wenn er diesel- ben rundweg als „nackte Kerne“ bezeichnete (Fig. le). Andere haben einen grösseren, ganz durchsichtigen Schleier um sich, der sich bei noch anderen nur noch als ein leuchtender Halo darstellt (Fig. le.). Wieder andere sind mit stark liehtbrechenden Körnchen so stark beladen, dass sie wie kleine Körnchenkugeln aussehen. Kerntheilung sah ich nieht an ihnen, wiewohl ich sie grade hier besonders zu sehen erwartet hatte und Bizzozero dieselbe wirklich gesehen und be- schrieben hat, was mir ebensoviel gilt, als wenn ich sie selbst ge- sehen hätte. Ein fernerer, ganz constanter Befund, und zwar an allem rothen Knoehenmark, sind die bekannten Riesenzellen. Frisch un- tersucht zeigen sie sich als mattleuchtende Schollen mit verwaschenen und abgerundeten,. unregelmässigen Contouren, in deren Innerem man eine grössere Zahl runder Kerngebilde gewahrt, welche bei Focalverschiebung bald hier bald da aufleuchten. (Fig. 2a.) Nach Behandlung mit erhärtenden und Färbemitteln überzeugt man sich, dass die Kerngebilde zum Theil unter einander in Be- rührung getreten, ja zu eigenthümlichen wurstförmigen Körpern verschmolzen sind, als wenn sie sich unter dem Einflusse einer Zusammenziehung der Riesenzelle, eines äussern Druckes zusam- mengefunden hätten. (Fig. 2b.) Im Wirbelmark älterer Indivi- duen (beim Menschen jenseits des 40. Lebensjahres) findet man als eine fernere Umwandlungsform der Riesenzelle eine Fibrinscholle von bröckliger Contour und homogenem Innern (Fig. 2c), bei Osteo- malacia senilis sah ich regelmässig gewisse Ballen starklicht- brechender Fibrinfäden (Fig. 2d), welche ich ebenfalls für letzte Ueberreste der Riesenzellen halten muss. Da ich aber wahrscheinlich nicht wieder auf diesen Punkt zurückkommen werde, so will ich gleich an dieser Stelle meine endgültige Meinung über diese vielbesprochenen Gebilde äussern. Ich halte die Entstehung von Riesenzellen für eine Abla- gerung überschüssigen Bildungs-Materials. In der Regel findet dieselbe in Parenehymen neuer Bildung statt, in. denen der Mangel an offenen Lymphgefässen eine Abfuhr der Zellen nicht gestattet. Das Knochenmark hat keine Lymphgefässe. Daher treten hier Riesenzellen und zwar theils in der Mitte der von einer Capillar- schlinge umfassten Parenchympartie, theils an der freien Ober- 28 G. E. Rindfleisch: fläche, d. h. an der Resorptionsgrenze der Knochensubstanz auf und stellen einen Theil der im Knochenmark insbesondere bei der Blutbildung erzeugten und nicht verbrauchten Zellen dar. Die rothen kernlosen Blutkörperchen, welche sich im eigentlichen Markparenchym und nicht in den dasselbe durchzie- henden Gefässen vorfinden, sind zum Theil von ganz besonderen Formen, von ungleicher Grösse und verschiedener Intensität der Färbung. Betrachtet man sie aber längere Zeit, so wird man ge- wahr, dass die Grössen- und Farbenverschiedenheiten wesentlich auf die Verschiedenheiten der äusseren Form zurückzuführen sind. Die Blutkörperchen lassen nämlich zum grossen Theil die wohlbekannte Doppelnapfform vermissen; auch die Maulbeerform ist nicht ge- wöhnlich. Sie erscheinen wie durch äussere Druck- und Zugwir- kungen entstellt, im Allgemeinen gloekenförmig, aber verdrückt in allen möglichen gar nicht zu beschreibenden Contouren und daher denn auch bald dünn ausgewalzt, blass und gross, fast fetzenartig, bald mehr geknittert, oder mit zahlreichen Falten, Dellen und Höckern versehen. Es ist auf den ersten Blick kein rechter Zu- sammenhang in diesen Formen zu entdecken. Nur rund, kuglig erscheinen sie nie, was mir gleich beim ersten Präparat aufge- fallen ist und was ich seither immer wieder constatirt habe. (Vergl. Fig. 6b. Sie sind aber noch polymorpher.) Alle bisher betrachteten Zellenformen sind leicht isolirbar. Sie gehören zur Haematopoöse und bilden keinen bleibenden Bestand- theil des Parenchyms. Die Haematopoöse ist meines Erachtens eine accessorische, beziehentlich vorübergehende Function gewisser dazu örtlich disponirter Bindesubstanzen. Sehen wir uns nun nach den stabilen Elementen der Bindesubstanz: Knochenmark um. Als solche erkennen wir an eine wechselnde Menge, nament- lieh sternförmiger Gebilde. Vorzüglich erwähnenswerth sind Fettzellen von erheblicher Grösse; dieselben sind kenntlich an einem grossen kugelrunden Fetttropfen, welcher gewöhnlich noch mit ein bis drei kleineren Fetttropfen zusammen das Protoplasma füllt und zur Seite drängt. Von diesem zur Seite gedrängten fein- köruigen Protoplasma, was man oft erst beim Hin- und Herrollen der Zellen gewahr wird, gehen meist nach zwei entgegengesetzten Richtungen glatte in Spitzen auslaufende Fortsätze aus, die sich mit ähnlichen Ausläufern anderer, aber etwas entfernt liegen- der Fettzellen begegnen und verbinden. So entsteht ein Netzwerk Ueber Knochenmark und Blutbildung. 29 in dessen Knotenpunkten die ersten Fettzellen liegen und welches sieh in recht regelmässiger Weise durch das Markgewebe hin- spannt. Jeder Bröckel des zerzupften Markgewebes lässt zum mindesten die gleichmässig vertheilten Fettzellenknotenpunkte er- kennen, welche ausserdem leicht durch etwas Ueberosmiumsäure deutlich gemacht werden können. Wir werden weiter unten sehen, dass dieses Netzwerk ein ganz constantes Ingrediens jedes Knochen- marks ist, welches sich als solches innerhalb eines Knochens con- stituirt hat und dass die weiteren physiologischen Metamorphosen, welche dasselbe erfährt, grade diesen Bestandtheil unberührt lassen. Somit hätten wir nun eine vorläufige Uebersicht der Paren- chymbestandtheile gewonnen, wie sie uns die Zerzupfung des vor- her vom eigentlichen Blut befreiten rothen Knochenmarks in ?/4 %/o Kochsalzlösung an die Hand giebt. Dies Nebeneinander der ver- schiedensten Zellenformen, als da sind Haematoblasten oder rothe, kernhaltige Blutkörperchen, grosszellige Elemente des Knochen- marks, farblose Blutkörperchen, Riesenzellen, rothe Blutkörperchen und sternförmige Fettzellen wird noch bunter durch die zahlreichen Variationen der Form und Beschaffenheit, welche innerhalb der einzelnen Zellenspecies vorkommen. Von einer Reihe mehr incon- stanter und zum Theil gewiss nur zufälliger Befunde, namentlich Pig- mentkörper, einzelner blutkörperchenhaltiger Zellen, Haematoidin- krystalle ete. ist bei unserer Aufzählung vor der Hand ganz abgesehen. Ich habe jetzt die Eingangs dieses Artikels aufgeworfene Frage: aus welchen Theilen besteht das Knochenmark, beantwortet. Die Frage: wie sind diese Theile unter einander und mit dem Ge- fässapparat verbunden, kann nur mit Hülfe complieirter Methoden der Injektion, Härtung und Färbung, vor Allem aber mit Berück- sichtigung der verschiedenen Beschaffenheiten beantwortet werden, welche das Knochenmark nach Oertlichkeit, Alter und Nahrungs- stand darbietet. Das rothe Knochenmark, welches wir als die eigentliche hae- matogene Substanz bisher ausschliesslich betrachtet haben, ist so ‚reich an kleinen Zellen und das Parenchym deshalb trotz aller Erhärtung so brüchig und bröcklig, dass selbst die feinsten Schnitte, welche zu erhalten sind, nur ungenügenden Aufschluss über die Zusammenfügung der Theile gewähren. An den Rändern und an ganz besonders dünnen, durch einen glücklichen Zufall erhaltenen 30 G. E. Rindfleisch: Parthien soleher Schnitte sieht man (Fig. 14), dass im Allgemeinen die grosszelligen Elemente ihre runde Gestalt behaupten, während die kernlosen rothen Blutkörperchen die Zwischenräume zwischen ihnen ausfüllen; die kernhaltigen rothen Blutkörpchen verhalten sich mit ihrer rothen Seite ebenso wie die kernlosen, sie schieben dieselbe in die Lücken zwischen den benachbarten Zellen hinein, so dass sie, künstlich isolirt, noch deutlich die durch Erstarrung fixirten Fortsätze dieser Seite erkennen lassen (Fig. 4a). Der Kern bleibt dagegen rund und stellt ebenso wie die Kerne der farblosen Blutkörperchen einen festeren Punkt im Parenchymbild dar. Am wunderlichsten sind die Formen, welche die kernlosen rothen Blutkörperchen, nach der Erhärtung isolirt, darbieten. Viele von ihnen sind mit ganz langen Fortsätzen versehen; alle sind äusserst unregelmässig contourirt, was wir ja auch bis zu einem gewissen Grade an den frisch un- tersuchten Zellen constatiren konnten. Diese Blutkörperchen be- sitzen sonach eine teigig formbare wenn auch elastische Beschaffen- heit. Erst wenn sie frei geworden, streben sie gewissen ihnen bei der Entwicklung eingeprägten Formen zu. Den einzigen wirklich brauchbaren Anhaltspunkt für das Ver- ständniss der Struktur des rothen Markes bieten die stabilen Fett- zellen desselben dar (Fig. 5). Diese sind in ganz gleichmässigen Zwischenräumen durch das Parenchym vertheilt. Sie weisen mit ihren Fortsätzen nach einander hin, gehören also sämmtlich zu einem durch das Mark ausgespannten Saftzellennetz, dessen Kno- tenpunkte sie bilden. Die von Flemming ausgesprochene Vermu- thung (Dies Archiv Bd. 12), dass sie in ihrer Anordnung hier wie anderwärts zunächst durch die Gefässbahnen bestimmt würden, habe ich nicht bestätigt gefunden. Sie sind nichts anderes als die ursprünglich farblosen, später fetthaltigen sternförmigen Zellen der Bindesubstanz: Knochenmark und als solche an den Gefässen nicht reichlicher als überall sonst zugegen. Man kann sich von dieser Thatsache sofort überzeugen, wenn man injieirtes rothes Mark mit Ueberosmiumsäure behandelt. Die Fettzellen nehmen dabei eine schwarze Farbe an und heben sich scharf von der ungefärbten Umgebung ab (Fig. 5). | Nach alledem hätten wir uns also vorzustellen, dass sich im rothen Knochenmark wie in anderen Bindesubstanzen, z. B. dem Schleimgewebe, ein Saftzellennetz findet, welches sich zwischen den Gefässen ausspannt und nach den herrschenden Vorstellungen wohl Ueber Knochenmark und Blutbildung. 31 zur Vervollständigung und Speeialisirung der Ernährungseinrich- tungen bestimmt ist. Die Intercellularsubstanz wäre dann der Ort, wo sich die zur Blutbildung in näherer Beziehung stehenden Mark- elemente, die fertigen und unfertigen rothen Blutkörper, die gross- zelligen Markelemente, die Riesenzellen etc. aufhielten. Dass diese Vorstellung von der Struktur des haematogenen Markes ungefähr richtig ist, kann man aus den physiologischen und zum Theil pathologischen Veränderungen entnehmen, welchen dasselbe unterworfen ist. Die Umwandlung des haematogenen Markes in Fettmark voll- zieht sich in der Weise, dass anschliessend an die fettige Infiltra- tion der Sternzellen eine Fettinfiltration anderer benachbarter Mark- elemente statt hat. Woher diese stammen, habe ich nicht ent- scheiden können. An Bildungszellen fehlt es nicht. Man sieht eben statt einer Fettzelle deren mehre in kleinen Haufen das Mark durchsetzen. Je grösser diese Haufen werden, um so mehr verei- nigen sie sich untereinander. Es entsteht ein breitbalkiges Fett- zellennetz mit immer kleiner werdenden Augen, welche schliesslich ganz verschwinden. Auch diese Veränderung ist nieht besonders an die Gefässbahnen gebunden, sondern vollzieht sich ganz gleich- mässig überall, sobald die allgemeinen Bedingungen für dieselbe ge- geben sind. Worin diese allgemeinen Bedingungen zu suchen seien, ist eine Frage, welehe zu denken giebt, aber so bald kaum beant- wortet werden wird. Jederweiss, dass das Fettmark zuerst in den Dia- physen der vorzugsweise in die Länge wachsenden Knochen er- scheint. Hier sind es die „ältesten* Parthien der gesammten Marksubstanz eines Knochens, welche verfetten. Ist der Knochen ausgewachsen, so tritt allmälig auch in der Spongiosa der Epiphyse Fettmark an die Stelle des rothen Markes, welches hier während der ganzen Wachsthumsperiode gefunden wurde. Auch die kurzen Knochen der Hand und Fusswurzel erhalten Fettmark. Wenn es sonach scheinen könnte, als sei die Fettmarkbildung eine ständige Altersmetamorphose, so widersprechen dem andere Erfahrungen. Die Wirhelkörper erhalten sich Zeitlebens „roth“ und repräsentiren daher unstreitig den Haupthort der nicht-lienalen Haematogenese. Was haben nun die Wirbelkörper vor den kurzen Knochen der Hand- und Fusswurzel voraus? Allenfalls die höhere Tempe- ratur, da sie grösstentheils noch in den gleichmässig hoch tempe- rirten Leibeskern fallen, während die Hand- und Fusswurzel ausser- 32 G. E. Rindfleisch: halb desselben gelegen sind? Dem mag nun sein wie ihm wolle, die Fettmetamorphose des rothen Markes führt zu einer grösseren Befestigung der Markstruktur. Vor allem bekommen jetzt alle Gefässe Membranen. Venen und venöse Capillaren werden gegen das Parenchym durch eine wenn auch sehr zarte Haut ab- gegrenzt. Von einer Museularis freilich ist auch jetzt nirgends die Rede. Die Venen machen noch fortgesetzt den Eindruck von Lücken, welche zwischen den grösseren rundlichen Abtheilungen des Fett- markes ausgepart geblieben und nur mit einem dünnen spiegeln- den Häutehen ausgekleidet sind. Sie klaffen am erhärteten Mark, wie wir es nach den allgemeinen Circulationsbedingungen im In- nern einer festen Knochenschale zu erwarten haben. Aber für die mikroskopische Untersuchung ist doch jetzt ein fester Rahmen ge- geben, der uns beim weiteren Studium der Markstruktur dienen kann. Mit dem Fettmark freilich ist nicht viel anzufangen. Desto mehr mit einer gewissen Art von Schleimmark, welches sich so- wohl bei jungen Thieren in den Diaphysen der Röhrenknochen findet, als auch in Folge von Ernährungsstörungen aus dem Fett- mark entwickelt. Bleiben wir bei dem atrophischen stehen, so hat dieses eine lebhaft rothe Färbung und gallertige Consistenz. Es findet sich bei seniler und nicht seniler Osteomalie, bei Rha- chitis, bei anaemisch-kacheetischen Individuen (Krebs, Tuberku- lose) hier und da. Bringt man von diesem Mark ein Scheerenpräparat unter das Mikroskop, so findet man nichts, was dasselbe vom schlei- migen Bindegewebe wesentlich unterschiede. Die Sternzellen, welche sich zwischen den Gefässen ausspannen und den Parenchymraum ganz gleichmässig durchsetzen, enthalten je einen grösseren Fett- tropfen, oft von bräunlicher Färbung. Dieses sind offenbar dieselben Zellen, welche wir im rothen haematogenen Mark als sternförmige Fettzellen kennen gelernt haben. Sie haben das Fett am frühesten aufgenommen und halten es am längsten fest. Die schleimige In- tereellularsubstanz enthält noch eine kleine Anzahl von Rundzellen, meistens grosszellige, mehr oder minder mit kleineren Fettkörnchen gefüllte Elemente, sonst nichts, natürlich auch keine haematogenen Zellen; denn dieses rothe, atrophische Schleimmark steht dem rothen, haematogenen Mark trotz der Aehnlichkeit in Consistenz und Farbe ebenso gegenüber wie das Kind dem Greis, sie sind Anfang und Ende aller Markentwicklung und meist durch das breite Stadium des Fettmarks getrennt. Ueber Knochenmark und Blutbildung. 33 IH. Wir kommen nun zur Beantwortung der Hauptfrage: Durch welchen histologischen Process entstehen die kernlosen rothen Blutkörperchen aus den kernhaltigen Hämatoblasten des Knochen- markes? Dass sie aus diesen allein hervorgehen und dass wir jede andere Möglichkeit der Entstehung aus unserem Vorstellungs- kreise verbannen müssen, darüber wird, denke ich, bei Demjeni- gen kein Zweifel mehr obwalten, der meinen bisherigen Darlegungen mit einiger Aufmerksamkeit gefolgt ist. Wir können, wenn wir wollen, über die Herkunft der Hämatoblasten selbst verschiedener Meinung sein, wir könnten fragen, ob sich dieselben und auf welche Weise sie sich aus farblosen Blutkörperchen entwickeln, nothwendig ist diese Discussion für jetzt nicht, da wir wissen dass gerade die Hämatoblasten eine reichliche fissipare Vermeh- rung erkennen lassen, mithin eine nächste und ausreichende Ur- sache der numerischen Zunahme der rothen Blutkörperchen be- kannt ist. Also nochmals: wie entstehen die kernlosen rothen Blutkörperchen aus den kernbaltigen Hämatoblasten? Meine Ant- wort lautet: Genau so, wie beim Embryo aus den kernhalti- gen Blutkörperchen die kernlosen hervorgehen. Diesen Vorgang habe ich, dureh eine glückliche Wahrnehmung begünstigt, wieder- holt sehr genau verfolgen können. Nachdem ich einmal erfahren hatte, dass die in einem Meerschweinchenuterus vorfindigen Em- bryonen von so verschiedenem Alter sind, wusste ich, wo und wie ich mir das Material für meine Untersuchung zu verschaffen hatte. Freilich hat manches Meerschweinchenweibehen sein Leben lassen müssen, ohne dass es die gewünschte Ausbeute gegeben hätte. Aber wenn unter fünfen auch nur eines entsprach, so durfte ich wohl zufrieden sein. So ist es mir viermal geglückt, einen Embryo zu finden, in welchem der Uebergang der kernhal- tigen Blutkörper in kernlose verfolgt werden konnte. Ich habe die bezüglichen Bilder in Fig. 6a zusammengestellt. Man sieht, der Kern, von etwas farblosem Protoplasma umhüllt, verlässt die Zelle und lässt ein glockenförmiges Ge- bilde von rothgelber Farbe zurück, welches sofort als ein in der Form noch etwas abweichendes kernloses Blutkörperchen erscheint. Dieser Process scheint sich Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 5 34 G. E. Rindfleisch: verhältnissmässig schnell zu vollziehen, denn in einem besonders lehrreichen Falle fand ich den grössten Theil der kernlosen ro- then Blutkörperchen noch von jener glockenförmigen Gestalt, wie in Fig. 6b zu sehen ist. Die Glocken sind durch die Bewegung des Blutes freilich schon etwas gemodelt, die Ränder etwas ein- sebogen, die Höhlung verflacht und eingetrieben, aber zu erken- nen ist die glockenförmige Gestalt überall noch sehr deutlich und wenn man dann den Auswanderungsprocess selbst in den verschie- densten Fortschritten von der herniösen Hervorstülpung bis zum letzten Verbundensein des ausgewanderten Kerns mit der Glocke durch ein Protoplasmafädchen verfolgen kann, so schwinden für dieses Objekt wenigstens alle Zweifel. Halten wir hiermit die Befunde am rothen Knochenmarke zusammen, so werden wir keinen Anstand nehmen, die embryonale Trennung des Kernes von der rothgelben Protoplasmahülle in der Fig. 7, wiederzuerkennen. Ich habe diese Abbildungen als besonders bezeichnend und die einzelnen Stadien des Trennungs- processes charakterisirend aus einen ganzen Stoss von Zeichnun- gen ausgewählt, welche ich im Laufe der Zeit gesammelt habe. Fig.7ab ist z.B. aus dem Wirbelmarke eines fünfjährigen ohne vorgängige Krankheit verstorbenen Knaben. Es ist bemerkens- werth, wie maassgebend die völlige Gesundheit des betreffenden Individuums für die Ausbeute unserer Forschung nach blutkörper- bildenden Zellen ist. Darum ist dieselbe auch bei allem Schlacht- vieh, namentlich Schweinen, ungleich ergiebiger als bei dem Sektionsmaterial der Kliniken. Dass es im Grossen und Ganzen nicht eben häufig ist, die Trennung des Zooids von dem Oikoid grade in einem für den Vorgang entscheidenden Mittelsta- dium anzutreffen, das wird sich jeder sagen müssen, der einen Augenblick überlegt, wie geringe Anwartschaft wir haben, densel- ben grade in dem von nns untersuchten Milliontel hämatogener Substanz auch nur an einer Stelle im Vollzuge zu haben und dann noch diese Stelle in unseren Präparate ausfindig zu machen. Aus den Erfahrungen über den Wiederersatz des Blutes nach profusen Menstruationen oder andern Blutungen wissen wir ja beiläufig, wie langsam sich das Blut in seinen Hauptbestandtheilen regene- rirt. Nehmen wir an, dass bei einer reichlichen Menstruation 150—200 Gramm rothes Blut verloren gehen und dass dieser Verlust in 28 Tagen wieder gedeckt wird, so kommt auf den Tag 7 Gramm, Ueber Knochenmark und Blutbildung. 35 auf die Minute, in welcher sich der Vorgang nach Analogie ähn- lieher Vorgänge etwa vollziehen mag, ein Centigramm Blut: man denke sich diesen halben Tropfen auf die ganze Masse des Wir- belmarkes und — wie ich hier gleich hinzufügen will — die ganze Milzpulpa vertheilt, so wird man die ungefähre Wahrscheinlichkeit ermessen können, welche wir haben, die rothen Blutkörperchen in statu nascenti zu überraschen, welche diesen Verlust decken. Darum gehört grade die Frage nach der Entstehung, der kernlosen rothen Blutkörperchen zu den schwierigsten Problemen der Histologie und hat ihre Beantwortung so unverhältnissmässig lange auf sich warten lassen. Ich habe die Beantwortung wahr- lich nicht in der Richtung gesucht, in welcher ich sie schliesslich gefunden habe, denn was ich in einem früheren Schriftchen !) über die Umwandlung der rothen Blutkörperchen in farblose nie- dergelegt habe, betrifft einen ganz anderen Vorgang, der in die- ser Weise wohl nur im Extravasatblut des Frosches, hier aber auch ganz sicher, vorkommt. Von jenem Gesichtspunkte aus muss auch der Umstand be- urtheilt werden, dass es durch kein Reagens gelingen will, die Trennung künstlich, unter unseren Augen, in Scene zu setzen. Ich habe mir in dieser Richtung die erdenklichste Mühe gege- ben. Alle Säuren habe ich durchprobirt, alle möglichen organi- schen Substanzen, die verschiedensten Salze, dann Wärme, Elek- trizität, bis auf den Magnetismus. Es erschien mir gar zu wün- schenswerth, wenigstens die Neigung der Hämatoblasten zu jener Trennung in Kern und Schale auf diese Weise klar zu legen. Endlich aber musste ich mir sagen, dass auch mit solchem Nach- weis einem hartnäckigen Zweifler gegenüber wenig gethan wäre. Und da ich mir selbst den Ehrentitel eines hartnäckigen Zweiflers nicht vorenthalten möchte, so stand ich schliesslich ab und hielt mich nur an das, was ich wirklich in Händen hatte. Ich hatte auch noch viel in Händen. Zunächst die „glockenförmige* Gestalt der jungen Blutkör- perehen. Jeder unbefangene Beobachter wird nach einiger Orien- tirung zugeben müssen, dass wir es hier mit einem ganz sicheren Faktum zu thun haben. Er wird die in Fig. 6b abgebildeten For- men bald genug gefunden haben und das Hauptthema sowohl 1) Experimental-Studien über die Histologie des Blutes. Leipzig. 1863. 36 G. E. Rindfleisch: als die zahlreichen vorkommenden Variationen desselben bestäti- gen können. Man kann übrigens durch eine Reihe von Rea- gentien an seinen eigenen aus der Ader gelassenen rothen Blutkörperchen die Glockenform wieder hervortreten lassen; die- selbe ist inzwischen durch die „Rollung“ etwas umgemodelt worden. Aber es scheint mir doch kaum zweifelhaft, dass die in Fig. 3 abgebildeten Formen, welche auf Zusatz von Alaunlö- sung (1:15) zu den gewöhnlichen rothen Blutkörperchen entste- hen, nur in dem Sinne gedeutet werden können, dass hier eine Oeffnung auf der einen Seite des Biconcavs sichtbar wird und sich der Quer- oder Sternriss mit umgebogenen gewulsteten Rän- dern darstellt, während die andere Fläche geschlossen bleibt und krumm wird, so dass das Ganze einer niedrigen runden Kappe gleicht. Die biconcave Gestalt des rothen Blutkörperchens ist durch die glockenförmige Ursprungsform einerseits und die „Rollung“ im Blutstrom anderseits bedingt. Diese Rollung ist nichts weniger als eine einfache Vorwärtsbewegung in einer Richtung, sondern nebenher eine durch vielseitigen Contakt mit andern festen Kör- pern bedingte mechanische Modellirung der Blutkörperchen und hat auf die Formirung des Ganzen einen ähnlichen Einfluss, wie die mechanischen, mit Abschleifung verbundenen, Berührungen, welchen ein beliebiges Steinstück im strömenden Gewässer ausgesetzt ist. Welchem Biologen, der nicht blos am Studirtisch beobachtet, könnte die grosse Aehnlichkeit der sogenannten „Rollsteine“ mit den rothen Blutkörperehen entgangen sein, jener oft überraschend regelmässig geformten Trochisken des Ufersandes, mit welchen er schon als Knabe die Elastieität der Wasserfläche erprobt hat. Wenn man sich aus Glaserkitt, der aber recht steif sein muss, glocken- förmige Körper bildet und diese in einer wassergefüllten Flasche hin und her laufen lässt so entstehen aus ihnen platte Scheiben. Oder — was noch zutreffender sein dürfte — wenn man die mechanische Behandlung, welche ein Blutkörperchen in der Blutbahn erfährt, in die beiden Momente der eigentlichen Rollung an der Wand und der Compression a fronte durch Anprall auflöst und ‘das glockenförmige Gebilde zuerst ganz leicht zwischen den hoh- len Händen rollt und dann seitlich zusammendrückt, so bildet sich bei der Rollung eine hohle Kugel, bei der Compression der bekannte bieoncave Meniscus. Dieses Verfahren ist keineswegs Ueber Knochenmark und Blutbildung. 37 identisch mit der allerdings sehr einfachen Herstellung eines Bi- concaves durch Compression einer Thonkugel zwischen Daumen und Zeigefinger. Vielmehr wird man sich bei der sorfältigen Ausführung unseres Experiments überzeugen, wie sich die Ränder der Glocke zuerst nahtartig aneinanderlegen und dass diese Naht in ihrer Form auffallend an den Riss erinnert, welchen das mit Alaunlösung behandelte Blutkörperchen zeigt, wenn es im Begriff ist, die alte Glockengestalt anzunehmen. Sodann entsteht der bieconeave Meniscus ohne jeden gewaltsamen Druck fast von selbst, wenn man dafür sorgt, dass die Luft aus dem Innern frei ent- weichen kann. Eine diekwandige Blase giebt bei der Compres- sion einen biconeaven Meniskus ohne eine erhebliche Ver- sehiebung der kleinsten Theile, welche bei der Compression einer weichen Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger, das ein- zige formbildende Moment von Belang ist. In Wirklichkeit verhält sich die Sache folgendermassen: Die ursprüngliche Glocke ist ein grosses, aber schlaffes, hautartiges Gebilde. Sie wird aber, so lange sie noch im Gedränge der Markzellen steckt, zu einer Sammlung ihrer Gestalt nicht wohl gelangen können. Darum finden wir auch in dem zerzupften hä- matogenen Mark nur diese grossen vielgestaltigen Körper vor. Sind diese aber in den Blutstrom gelangt, so macht sich die ihnen innewohnende Elastieität in dem Sinne geltend, dass sie der ihnen bei der Entstehung aufseprägten Kugelgestalt zustreben. Dann erhalten wir kleine, runde, dunkelrothe Blutkörper, welche erst allmälig zu den grösseren platten Menisken ausgewalzt werden. Was die trennenden Kräfte betrifft, welche bei der Schei- dung der Hämatoblasten in seine beiden Bestandtheile in Frage kommen, so bin ich sehr geneigt eine thätige Ablösung des Ker- nes nebst seiner dünnen farblosen Protoplasmahülle, d. h. eine Auswanderung des Zooids aus dem Oikoid anzunehmen. Zu dieser Auffassung fordern die zackigen Ausläufer auf, welche ich oben beschrieben habe, noch dringender aber Vorkommnisse, wie die in Fig. 7 b abgebildeten. Hier hat die Zelle gradezu einen farblosen Fuss, den sie bereits über die Peripherie des Gesammt- leibes hervorstreckt. Ich glaube sicher, dass die ausgewanderten Kerne nichts anders sind als jene Art farbloser Blutkörperchen des Knochenmarks, welche ich oben als „scheinbar freie Kerne“ beschrieben habe, weil sie mit einem unverhältnissmässig grossen 38 G. E. Rindfleisch: Kern und sehr wenig Protoplasma ausgestattet sind. Doch wer kann das beweisen! Die Kategorie „farbloser Blutkörperchen“ ist nach grade eine Art Omnibus geworden, in welchem Alles fährt. Jedenfalls sind wir in der Lage über eine Unmasse im hämatoge- nen Gewebe vorfindiger farbloser Zellen zu verfügen und der Ge- danke, dass ein Theil derselben als ein Nebenprodukt der Blut- körperbildung hier abgelagert worden sei, liegt überaus nahe. Für jedes rothe Blutkörperchen, welches im Blut cireulirt, ist nach unserer Auffassung ein farbloses Element frei geworden, dessen weiteres Schicksal diskutirt werden kann. Neben der amöboiden Beweglichkeit des Zooids müssen insbesondere für die Ausstossung der jungen rothen Blut- körperchen in die das Markparenchym durchziehenden Blutwege, für die Absonderung derselben die mechanischen Kräfte des wachsenden Binnendrucks in Auspruch genommen werden, wel- che durch die numerische Zunahme der Hämatoblasten bei ihrer Theilung erzeugt werden. Wir haben‘ oben gesehen, dass die feste Einrahmung des Markes durch die Knochenkapsel gebieterisch verlangt, dass jede einseitige Inhaltsvermehrung durch eine gleich- zeitige Inhaltsverminderung ausgeglichen werden muss. Was liegt also näher, als dass das Gleichgewicht in diesem Falle da- durch erhalten wird, dass die im Markparenchym erzeugten Blutkörperchen in der Richtung gegen die wandungslosen venö- sen Capillaren und Venen, also gleichsinnig mit der gesammten Saftbewegung, welche wir im Marke anzunehmen haben, fort- geschoben und in das eirculirende Blut hineingestossen werden. Dass die farblosen Blutkörperchen ihren bekannten Eigenschaf- ten auch im Knochenmarke treu, d. h. haften bleiben, während die platten, rothen Blutkörperchen hier wie überall mit Leich- tigkeit durch das Parenchym hindurchgleiten und so zur Ab- sonderung gelangen, werden wir leicht begreiflich finden. So er- halten wir die ohne dieses kaum verständliche „Anhäufung“ farb- loser Elemente im blutbereitenden Marke, welche noch dazu durch die weitgehendste Vielgestaltigkeit auf eine Reihe von weiteren Schieksalen hindeutet, welche die farblosen Blutkörperchen hier erfahren. Ich werde mich ein anderes Mal der Diskussion dieser Schicksale nicht entziehen, da ich deutlich sehe, dass wir grade hier einer überaus wichtigen, für die Auffassung zahlreicher patho- logischer Zustände (namentlich Scrophulose und Leukämie), entschei- Ueber Knochenmark und Blutbildung. 39 denden Angelegenheit gegenüberstehen; für jetzt aber möchte ich bei der engeren Aufgabe stehen bleiben, welche ich mir gestellt habe und auf eine Reihe von Experimenten hinweisen, welche ich über die schnelle Regeneration des Blutes nach grossen Blutver- Justen angestellt habe. Das Experiment war freilich ein sehr einfaches, schon vielfach angestelltes. Einem Meerschweinchen wird eine recht grosse Portion Blut entzögen und darauf von Tage zu Tage die histologische Beschat- fenheit des Blutes geprüft. Am dritten Tage erscheinen neben den gewöhnlichen rothen Blutkörperchen etwa halb so grosse kugel- runde rothe Blutkörperchen. Die Zahl derselben wächst bis etwa zum siebenten Tage. Dann nimmt dieselbe wieder ab und gegen die vierte Woche hin ist kein einziges auffallend klei- nes Blutkörperchen mehr aufzufinden. Die „kleinen“ Blutkör- perchen schaaren sich in einem Blutpräparate gern zusammen, nieht durch gegenseitige Anziehung getrieben, sondern weil sie gern an etwelche feste Fremdkörper, die zufällig oder absich- lich in das Präparat gebracht sind, auch wohl an die Ränder des Präparates herantreten. Um sie recht con amore zu betrachten, braucht man nur ein nicht fettiges Haar in das Präparat zu legen. Gleich haben sie sich an dessen Seiten gesammelt und weichen selbst wenn Verdunstungsströme eintreten nicht von der Stelle. Ich muss beim Anblick dieser bekannten Microcyten an zwei Dinge denken. Erstens an jenes auffällige Phänomen der Verkleinerung der hämatoblastischen Tochterzellen gegenüber der Mutterzelle bei der Theilung. Zweitens an die Gestalt einer ge- schlossenen, kugligen Blase, welche unsere Glocke aus Fensterkitt annahm, wenn wir sie lose in den hohlen Händen rollten. Es macht mir den Eindruck, als ob das plötzlich gesteigerte Bedürfniss nach rothen Blutkörperchen ihren Bildungsprocess beschleunigt hätte, so zwar, dass eine lebhaftere Theilung und eo ipso eine beträcht- lichere Verkleinerung der Hämatoblasten ins Werk gesetzt wür- den. Von kleinen Hämatoblasten werden auch nur kleine Blut- körperehen geliefert ; dieselben haben aber die typische Forman- lage in sich und werden bei weiterem Wachsthum ganz so gross und so gestaltet wie die ausgebildeten rothen Blutkörperchen. Ich habe mich überzeugt, dass auch bei Frauen, welche einer profusen Menstruation unterworfen waren, die gleichen kleinen kugligen rothen Blutkörperchen und ungefähr auch in derselben 40 G. E. Rindfleisch: Zeit nach der Blutung auftreten. Niemals dagegen habe ich in Folge von grösseren Blutungen eine Vermehrung der farblosen Zellen wahrgenommen, was ja auch mit den Erfahrungen der meisten anderen Autoren übereinstimmt. Zum Schluss möchte ich noch einer möglicherweise kommen- den missverständlichen Auffassung der Hämatoblasten begegnen. Man könnte nämlich denken, die kernhaltigen Blutkörperchen der Vögel und Amphibien seien kurzer Hand mit den Hämatobla- sten gleich zu setzende Gebilde. Ich habe zu einer derartigen Auffassung vielleicht selbst etwas beigetragen, indem ich an die von Brücke für das Tritonenblut gewählten Bezeichnungen „Zooid“ und „Oikoid“ erinnerte. Dass sich bei den Thieren mit kernhaltigen rothen Blutkör- perchen die von mir beschriebene Scheidung nicht vollzieht und dass wir es also hier mit den ehemaligen Hämatoblasten selbst zu thun haben, versteht sich wohl von selbst. Aber nur bei gewis- sen Amphibien, namentlich den Tritonen, hat sich die alte Form der Hämatoblasten, hat sich der verhältnissmässig grosse Kern und die Achnliehkeit desselben mit einem farblosen Blutkörper- chen erhalten. Bei den Vögeln dagegen verdickt und verdichtet sich die rothe Hülle dermassen um den Kern, dass dieser sich be- deutend verkleinert und sicherlich keine Spur von farblosem Proto- plasma um sich behält. Man kann diese allmälige Verdiekung und Verdichtung des Hämoglobinmantels recht schön an Zerzupfungs- präparaten von der Milz einer jungen Taube studiren. Hier ist auch der einzige Ort, wo ich glaube die allmälige Umwandlung farbloser Blutkörperchen in Hämatoblasten demonstriren zu können. Man fin- det nämlich ziemlich häufig solche farblose Blutkörperchen, welche ohne bis dahin eine Spur rothgelber Färbung zu besitzen, doch durch eine scharfe glänzende Contour und zwar in runder Form abgeschlossen sind. Die Unterscheidung derselben von allen übri- gen farblosen Blutkörperchen fällt deshalb nieht schwer. Jene sind sämmlich entweder körnig oder unbestimmt, zerfliessend con- tourirt. Ich halte nun die scharf eontourirten glänzenden farblosen Zellen für das Anfangsstadium der Hämatoblastenbildung, ohne indessen durch hinreichend zahlreiche Befunde an anderen Objek- ten in dieser Deutung unterstützt zu werden. Für die Vögel ist die Milz das weitaus wichtigste Organ der Hämatogenese. Auch bei den meisten Säugethieren spielt sie eine Ueber Knochenmark und Blutbildung. al srosse Rolle. Sie darf im Allgemeinen als eine Anhäufung hä- matogenen Parenchyms angesehen werden, welches zu dem hä- matogenen Knochenmarke ergänzend hinzutritt. Die Milz ist frei- lich zugleich ein Ort, wo altes ausgedientes Hämoglobin frei wird, da das Milzblutserum deutlich gelb gefärbt ist und der Leber ge- wiss das hauptsächlichste Rohmaterial für die Bildung und Ab- sonderung des Gallenfarbstoffs zuführt. Wie diese Auslaugung, oder wie Andere meinen, Auflösung der rothen Blutkörperchen mit der Hämatogenese zusammengeht, ob sie bloss nebeneinander oder zum Theil durcheinander bestehen, darüber dürften wir wohl noch lange im Zweifel bleiben. Welches ist nun, wenn ich nochmals Alles erwäge, was mir in Bezug auf die Hämatogenese bei diesen Studien bekannt gewor- den ist, das endliche Ergebniss? Die Hämatogenese ist eine zeit- weise oder bleibende Funktion gewisser Oertlichkeiten im Binde- substanzapparate des Körpers, die für diesen Zweck und diese Zeit in eine offenere Verbindung mit dem Blutgefässlumen treten, sei es, dass die Capillaren und die Venen ihre Wand ganz verlieren, wie im Knochenmark, sei es, dass diese Wand wenigstens undicht wird, wie in der Milz. Dadurch ist die Möglichkeit der unge- hinderten Einwanderung sowohl als der Auswanderung von Zellen gegeben. Das hämatogene Bindegewebe wird zu einem Anhangs- raum für das Lumen des Blutgefässsystems. In diesem Raume gehen aus farblosen Zellen solche mit hämoglobinhaltigem Pro- toplasma hervor. Wie entsteht das Hämoglobin? woher kommt es? sind ungelöste Fragen. Ich kann nicht umhin, den ganzen Vorgang mit der Fettbildung zu parallelisiren, weil nämlich die Fettbildung auch eine in Zeit und Ort wechselnde Funk- tion des Bindegewebs ist und weil sie der Blutbildung am Kno- chenmark nachfolgt. Die Hämatoblasten zerfallen bei der Bildung der kernlosen rothen Blutkörper in Kern und Schale. Die letztere ist glockenförmig und rollt sich zu einem kleinen runden und hohlen Kügelehen zusammen, was später sich abplattet und schei- benförmig wird. Die freigewordenen Kerne mit etwas farblosem Protoplasma bleiben im Marke liegen. Man findet sie hier neben gewöhnlichen farblosen Blutkörperchen und anderen farblosen Mark- zellen, neben grosszelligen und riesenzelligen Elementen, sowie neben fettig entartenden und pigmenthaltigen Zellen, ohne dass sich vorab aus diesem Nebeneinander eine plausible Reihe aufeinander 42 G. E. Rindfleisch: Ueber Knochenmark und Blutbildung. folgender Verwandlungsbilder construiren, ‚geschweige denn mit Sicherheit nachweisen liesse. Die stabilen Zellen des dauernd oder zeitweilig hämatoepti- schen Bindegewebsparenchyms bleiben unbetheiligt. Offenbar sind die örtlichen Bedingungen der Hämatopoesis in ganz anderen Ver- hältnissen als in einer Prädisposition der autochthonen Zellen zu suchen. Aber in welchen Verhältnissen? Was haben die Milz, das Knochenmark und — fügen wir hinzu — der Keimwall des bebrüteten Hühnereies Gemeinschaftliches? Und wenn es noch bei diesen dreien sein Bewenden hätte. Bekannt sind aus der älteren Literatur einige Experimente, welche nach Milzexstirpation beim Hunde eine milzähnliche Beschaffenheit der Mesenterialdrüsen er- gaben. Leider sind diese Experimente später niemals, soweit mir bekannt, mit positivem Erfolg wiederholt. Ich habe aber kürzlich einen Fall beobachtet, wo der grösste Theil der Lymph- drüsen und sogar das Bindegewebe im Nierenhilus hämatopoetisch geworden war. Es war ein anämisches Kind, an Darmkatarrh ge- storben. Abgelaufene Rhachitis. Allgemeine Scelerose der spon- siösen Knochensubstanz. Sowohl die Epiphyse als die Beckenkno- chen und Wirbelkörper von bimssteinartiger Dichtigkeit. Daneben Milzhypertrophie und die erwähnte Heterotopie von hämatogenem, milzähnlichen Gewebe. Die genauere Untersuchung der Lymph- drüsen zeigte die Hämatoblasten in allen für die Lymphe bestimm- ten Hohlräumen, aufs Reichlichste gemischt mit rothen Blutkör- perchen. Die abführenden Lymphgefässe waren mit dieser Mi- schung strotzend gefüllt, geschlängelt und an den Klappen varikös aufgetrieben. Dass ich es hier mit blutbereitenden Lymphdrüsen zu thun hatte ist wohl klar, und als höchst wahrscheinlich darf es bezeichnet werden, dass diese Blutbereitung eine vicariirende war. Die rhachitische Verdichtung der sonst blutbereitenden Spon- giosa und ihres Markes hatte einen Ausfall in dieser Funktion herbeigeführt, dessen Deekung durch die Arbeit der Lymphdrüsen und des Nierenbindegewebes angestrebt wurde. Dass die von mir im Knochenmark gefundenen unfertigen Blutkörperchen, welche zum Theil sehr zarte, schwach gefärbte Gebilde sind, mit den von Hayem (Compt. rend. T. 84 und T. 85 1377) beschriebenen Haematoblasten des eireulirenden Blutes gleich- werthig sind, wage ich weder zu behaupten noch zu beanstanden. In diesem Punkt möchte ich Hayem selbst das erste Urtheil über- lassen. Alexander Brandt: Commentare zur Keimbläschent heorie des Eies. 43 Commentare zur Keimbläschentheorie des Bies. I. Die Blastodermelemente und Dotterballen der Insecten. Von Dr. Alexander Brandt. Hierzu Tafel IV. Zur Orientirung des Lesers sei es gestattet, hier zunächst in wenigen Worten die von mir in früheren Publicationen !) genauer dargelegte Keimbläschentheorie des Eies in Erinnerung zu bringen. Wie schon ihre Bezeichnung ausdrückt, legte besagte Theorie ganz besonderen Nachdruck auf das Keimbläschen. Dieses wird als die primäre (einfache) Eizelle und als Stammmutter sämmtlicher pri- märer Zellen des späteren Organismus betrachtet, wobei jeder Dotter als Umlagerungsgebilde, mithin das ganze Ei als secun- däre (complieirte) Zelle anzusehen wäre. Ohne hier, sei es auch nur in den allgemeinsten ‚Zügen, auf die Argumente zu Gunsten dieser Theorie einzugehen, erinnere ich nur daran, dass eine ihre Hauptstützen dem Studium der Blastodermelemente des Inseeteneies entlehnt wurde?). Man wird es daher erklärlich finden, 1) Brandt, A., Vergl. Untersuchungen über die Eiröhren und das Ei der Insecten. Moskau. 4. 1876 (in russ. Spr.), und Brandt, A., Ueber das Ei und seine Bildungsstätte. Ein vergleichend morphologischer Ver- such mit Zugrundelegung des Insecteneies. Leipzig. 8. 1878. 2) Man vergleiche Kap. VI. 3. der oben citirten deutschen Schrift. Es findet sich daselbst auch eine kritische Besprechung der einschlagenden vor- hergehenden Arbeiten. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin zu be- merken, dass trotz meines Bestrebens eine vollständige Uebersicht der bishe- rigen Angaben über die Blastodermbildung der Insecten zu geben, eine Quelle leider unbeachtet blieb. Es ist dies: Ganin, M., Ueber die Embryonalhülle der Hymenopteren- und Lepidopteren-Embryonen. St. Petersburg 1864, 4. (Mem. de l’Acad. de Sciences de St. Petersbourg. T. XV. Nr. 5) p. 2. 44 Alexander Brandt: dass der gegenwärtige Commentar gerade diese Elemente zum Gegenstande hat. Ein zweiter, gleichfalls bereits in Angriff ge- nommener Commentar soll einige auf das Ei und die Zelle bezüg- liche neueste Publicationen, darunter auch einen speciell gegen die Keimbläschentheorie gerichteten Aufsatz von Stossich kritisch beleuchten. Seit dem Erscheinen meiner Untersuchungen hat die bereits so vielfach ventilirte Frage nach dem Entstehen des Insecten- blastoderms abermals zwei Bearbeiter gefunden. Es sind dies die Herren Bobretzky und Graber, von denen übrigens bisher nur ersterer seine Beobachtungen in extenso veröffentlichte. Ihre An- gaben sind für die Keimbläschentheorie dermaassen von Belang, dass ich nicht umhin kann dieselben zu besprechen. Ich knüpfe dabei zunächst an die Untersuchungen des russischen Collegen?) an. Da die von Bobretzky gewonnenen Ergebnisse sich mit den mei- nigen nur theilweise decken, dabei in gewissen, sogar fundamen- talen Fragen weit divergiren, so proponirte ich ihm mit vereinten Kräften die streitigen Punkte von neuem vorzunehmen, worauf derselbe auch bereitwilligst einging. Nichtsdestoweniger stiess die projectirte gemeinsame Arbeit auf die Schwierigkeit sich auf brief- lichem Wege genügend zu verständigen. Da nun aber Bobretzky so freundlich gewesen mir nicht nur Auskunft über gewisse Fragen zu geben, sondern auch einige seiner auf Lepidopteren bezüglichen Schnitte zur Untersuchung zu überlassen, so mögen immerhin die nachstehenden Bemerkungen in einem gewissen Sinne als das Resultat gemeinsamer Bemühungen betrachtet werden. Indem ich die gegenwärtige kritische Nachlese an den Präparaten Bobretz- ky’s veröffentliche, hoffe ich, dass derselbe seinerseits möglichst bald Musse finden möchte die versprochenen Controlluntersuchungen an den von mir studirten lebenden Objeeten anzustellen, wodurch erst eine gegenseitige Annäherung oder gar vollständige Ueberein- stimmung erzielt werden könnte. Wie einzelne seiner Vorgänger, zu denen auch ich gehöre, 1) Bobretzky, N., Zur Frage über den Ursprung des Blastoderms bei den Insecten. Russisch in: Schriften der Kiewer Naturf. Gesellschaft 1878 und Bobretzky, N., Ueber die Bildung des Blastoderms und der Keim- blätter bei den Insecten. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. XXXI. 1878. p. 195—215, Taf. XIV. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 45 huldigt Bobretzky der Ansicht, dass dem Auftreten des periphe- risch gelegenen Blastoderms im Innern des Dotters eine Bildung resp. Vermehrung gewisser zelliger Elemente vorangeht. Es sind dies die ersten Keimzellen, welche ihrer Lage nach auch als ‚‚in- travitelline‘‘ Elemente bezeichnet werden können. Ein Theil der- selben tritt darauf als Blastodermzellen an die Peripherie des Dotters, während die übrigen im Innern des letzteren verbleiben. Das Blastoderm entsteht also, — um das morphologisch Wichtige, meine Untersuchungen bestätigende noch besonders hervorzuheben — unmittelbar, ohne etwaige Mitwirkung eines sogenannten „Keim- hautblastems“ (Weismann) — aus Keimelementen, welche zu- nächst innerhalb des Dotters, als vollständige Zellen auftreten. Die Identität der Blastodermzellen mit den intravitellinen Elementen ist ganz vorzüglich auf einigen mir zur Verfügung ste- henden Schnitten nachweisbar, welche ungefähr der Fig. 9 von Bobretzky entsprechen. Meine Fig. 1 stellt einen kleinen peri- pherischen Theil eines solchen Schnittes bei starker Vergrösserung dar. Der Dotter erscheint auf dem Schnitt im Ganzen farblos; nur seine Aussenschicht hat an wenigen Stellen bis zu einer geringen Tiefe eine ungleichmässige Carmintinetur angenommen. (Besser, wenn auch immerhin noch recht unregelmässig, erscheint der Dotter in den späteren Stadien angehörigen Präparaten tingirt. Es findet dieser kleine Mangel hier deshalb ausdrückliche Erwäh- nung, weil es den Unterschied in der Colorirung zwischen Fig. 1—2 und den übrigen erklären soll. Die Verschiedenheit der Färbung der Figuren beruht also nicht etwa auf einer verschie- denen Mischung des Dotters. Die durch weite, der Tinetions- Hlüssigkeit Zutritt lassende Spalten getrennten Dotterballen späterer Stadien sind, selbstverständlich, schon an sich leichter als eine zusammenhängende, compacte Dottermasse zu färben.) Mit dem im Präparat von Fig. 1, wie gesagt, ungefärbten Dotter contrastiren die darin suspendirten, rosenrothen Elemente um so lebhafter. Ganz zutreffend schildert unser Autor die verschiedenartige Gestalt der intravitellinen Keimzellen mit ihren bald kurzen und breiten, bald langen, fadenförmigen Fortsätzen, welche sogar mit denen der Nachbarzellen anastomosiren. Neben vollständig sichtbaren Zellen zeigen die Präparate.auch vielfach isolirte, der Länge oder der Quere nach durchsehnittene Fortsätze, theils als röthliche Flecke, theils als längere Stränge oder Fäden. Die im Dotter als 46 Alexander Brandt: einer Grundsubstanz zerstreuten Elemente erinnern Bobretzky mit Recht an ein reticuläres Bindegewebe. Hingegen trifft es nicht ganz zu, wenn unser Autor die Kerne der intravitellinen Elemente schlechtweg als rundlich bezeichnet. Ich finde sie nämlich nur in selteneren Fällen rundlich, meist jedoch durchaus unregel- mässig-amöboid gestaltet. Diese Kerne erscheinen dunkler, als das zugehörige Protoplasma tingirt. Eine noch intensivere Fär- bung kommt den gleichfalls amöboid gestalteten Kernkörperchen zu. Letztere sind übrigens meistentheils nur schwer wahrnehmbar, und zwar wegen der unregelmässig höckerigen Gestalt des Kernes sowohl, als auch ihrer eigenen zerflossenen Umrisse wegen. Nach früheren durch die Präparate unseres Forschers bestä- tigten Untersuchungen unterliegt es wohl kaum einem Zweifel mehr, dass, wie oben erwähnt, eine gewisse Anzahl der soeben bespro- chenen Elemente sich an die Peripherie des Dotters begiebt, um hier das Blastoderm zu bilden. Eine Frage von untergeordneter Bedeutung ist es, ob hierbei die ausgetretenen Elemente die Ober- fläche des Dotters überragen (Kowalewsky, Bobretzky) oder ob sie sich nur bis an dieselbe heranschieben. In den von mir (1. e.) untersuchten lebenden Inseeteneiern war entschieden Letz- teres der Fall. Vielleicht trifft dasselbe Verhältniss übrigens auch für Pieris zu. Beim Schälen der nach Bobretzky’s Methode in heissem Wasser geronnenen Eier, beim nachträglichen Härten, Ein- betten und Schneiden derselben konnten nämlich leicht manche der Blastodermelemente herausgefallen, und so der thatsächlich an den Präparaten vorhandene festonnirte Saum entstanden sein. In der That finde ich an diesen Präparaten Stellen, wo die Keim- zellen zwar endgültig zum Blastoderm zusammengefügt sind, die benachbarte Dotteroberfläche jedoch nicht überragen (Fig. 1, a). Ferner erweisen sich die den Rand des Dotters überragenden Zellen an ihren Seitenflächen zum Theil mit Dotterresiduen belegt. Endlich erscheint die Dotteroberfläche zwischen zwei benachbarten vorspringenden Blastodermzellen meist nicht etwa glatt, sondern rauh, wie lädirt. Mögen nun aber diese Gründe dafür sprechen, dass auch bei Pieris die aus der Tiefe des Eies auftauchenden Blastodermelemente nur bis gegen die Oberfläche des Dotter ge- drängt werden, wobei Reste von Dettersubstanz zwischen ihnen liegen blieben, so könnten immerhin bei gewissen andern Insecten die Blastodermelemente ganz ausserhalb des Dotters zu liegen Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 47 kommen. In diesem Falle muss letzterer jedenfalls durch eine vor- hergehende Contraetion und ein Herauspressen von Serum Platz unter der Dotterhaut schaffen. Mit dem Heransteigen von intravitellinen Keimzellen an die Oberfläche des Dotters soll nach Bobretzky eine wichtige Ver- änderung in deren äusserer Gestaltung stattfinden: das Protoplasma zieht seine Fortsätze ein, wodurch die Zellen ihre frühere stern- förmige Gestalt in eine kugelige verändern (l. e. p. 201). Nichts desto weniger lehrt ein Blick auf meine Figur 1, dass die an die Peripherie getretenen Elemente ihre amöboide Beweglichkeit kei- neswegs eingebüsst haben. (Dasselbe gilt auch für ihre Kerne.) Noch besser erhelt dies aus Fig. 2, einer Ansicht des werdenden Blastoderms en face. Erst ein dichtes Zusammenhängen der Bla- stodermelemente mag in Folge des gegenseitigen Druckes ihr amö- boides Spiel hemmen. Bei der gegenwärtigen Veranlassung drängt sich die Frage auf, wodurch wohl das Emporsteigen der Keimelemente an die Peripherie des Dotters bedingt sein könnte. Wandern dieselbe etwa lediglich Dank ihrer amöboiden Beweglichkeit gegen die Pe- ripherie? Schwerlich: denn erstens habe ich bei Donacia und einer Phryganide doch gar zu deutlich das Hervorquellen kugel- runder Zellen verfolgen können, und zweitens, dürfte es nicht einzusehen sein, woher die amöboide Bewegung sich mit einer solehen Consequenz in einer genau bestimmten centrifugalen Rich- tung vollziebt, und woher der Wandertrieb an die Peripherie des Dotters, man möchte sagen urplötzlich, ganze Schaaren von Ele- menten ergreift. Die fortschiebende Ursache scheint also ausser- halb der Keimzellen zu liegen, welche sich trotz ihrer notorisch amöboiden Beweglichkeit im gegebenen Falle passiv verhalten. Das Nähere gehört ins Bereich der Hypothesen. Als eine solche liesse sich aufstellen, dass der bekanntlich contraetile Dotter — etwa durch die in ihm so zahlreich suspendirten, mit Pseudopo- dien besetzten Elementen zu erhöhter Contraction angeregt, — sein Streben nach dem möglichst kleinen Raum offenbart und die Ele- mente als corpora aliena hervorpresst. Mit dieser Vorstellung scheint auch die bekannte Thatsache zu stimmen, dass in oblongen Eiern die ersten Blastodermzellen an den Eipolen, also in der Richtung der längsten Contractionsaxe auftreten. Da die Contrac- tionen des Dotters auf seine eigene centrale Masse so ziemlich 48 Alexander Brandt: gleichmässig von allen Seiten einwirken müssten, so erscheint es bei der gegebenen Hypothese begreiflich, warum nur die mehr pe- ripherischen intravitellinen Keimzellen hinausgepresst werden, die übrigen mehr centralen aber im Dotter zurückbleiben. Hoffentlich lässt sich die Ursache des Hervorquellens der Keimzellen endgültig auf experimentellem Wege entscheiden. Bobretzky (l. e. p. 199, Fig. 1—5) war so glücklich unter anderen auch solche Eier zu erhalten, in denen sich, — nach der Besichtigung aller angefertigten Durchschnitte zu urtheilen, — im Ganzen erst zwei oder nur einige wenige intravitelline Keimzellen befanden. Er bestätigt daher mittelst der Schnittmethode das suc- cessive Auftreten und die allmälige Vermehrung dieser Elemente. Untersuchungen über den ersten Ursprung derselben zu machen hat er jedoch keine Gelegenheit gefunden. Wenn er nichts desto weniger gegen den von mir aufgestellten und, — wie wir weiter unten sehen werden, — nunmehr auch von Graber acceptirten Ursprung der Keimzellen vom Keimbläschen plädirt, so geschieht dies wohl mehr auf Grund der herkömmlichen Anschauungen. Und in der That giebt er nur eine einzige kritische Bemerkung zu meinen Argumenten; indem er (p. 208) darauf hinweist, dass die von mir angenommene vollständige Aehnlichkeit zwischen den Keimzellen und dem Keimbläschen aus folgenden Gründen nicht zutreffen dürfte. Die Keimzellen wären nämlich, im Gegensatz zum Keimbläschen, unregelmässig, meistens sternförmig gestaltet und besässen einen rundlichen Kern, während ich diese Elemente, in Uebereinstimmung mit dem Keimbläschen, angeblich „stets als helle, rundliche, scharf contourirte Bläschen (?) mit einem dunklen amöboiden Kern im Innern“ zeichne. Sehen wir zu in wie weit diese sachlich gehaltene Bemerkung zutrifft und in wie weit sie etwa hinfällig sein dürfte. Nichts ist naturgemässer, als dass an lebenden, ungefärbten, im optischen Durchschnitt betrach- teten Eiern von den amöboiden Keimzellen die im gegebenen Mo- ment rundlichen deutlicher als die unregelmässig gestalteten her- vortreten mussten und daher von mir auch meist abgebildet wurden. Aus diesem Grunde möchten die amöboid geformten auch von den früheren Forschern übersehen worden sein. Uebrigens habe ich selbst an der amöboiden Beweglichkeit der in Rede stehenden, von mir als Descendenten des, wenigstens periodisch, gleichfalls amö- boiden Keimbläschen keineswegs gezweifelt, sondern erwähne ihrer Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 49 vielmehr ausdrücklich (Ueber das Ei, p. 125). In seinem oben ei- tirten russischen Aufsatz bezeichnet Bobretzky die intravitellinen Zellen nicht, wie im deutschen, kurzweg als unregelmässig gestaltet, sondern sagt vielmehr nur, sie hätten eine überaus verschiedene, gewöhnlich sternförmige Gestalt. Eine, wenigstens gelegentliche, runde, hat er um so weniger ausschliessen können, als er selbst eine solche abbildet (Fig. 2, 5, 9) und sowohl die an die Peripherie des Dotters steigenden (p. 201), als auch die innerhalb des Dotters verbleibenden (p. 206) später ihre Fortsätze einziehen lässt. Sind die amöboid-sternförmigen intravitellinen Zellen auf Bobretzky’s Präparaten in der Majorität, während sie an den meinigen in der Minorität waren, so könnte dieser prineipiell unwichtige Umstand ferner vielleicht auch durch die Verschiedenheit der Untersuchungs- objekte oder irgend welche äussere Umstände (Temperaturdifferenz ?) erklärt werden. (Das von Bobretzky, behufs einer vorläufigen Gerinnung des Eiinhaltes, angewandte warme Wasser konnte mög- lichenfalls die Bildungselemente zu erhöhter amöboider Thätigkeit angefacht haben. Nach dem angeführten Citat zu urtheilen, er- klärt sich unser Verfasser ferner gegen meine Darstellung des Kerns der intravitellinen Zellen als amöboiden Körpers. Er meint, der Kern wäre rundlich, eine Angabe, welcher ich auf Grund von Bo- bretzky’s eigenen Präparaten (s. meine Figg. 1, 2) nicht beipflichten kann, auf den mir vorliegenden Präparaten fällt es sogar schwer blos hin und wieder einen rundlichen Kern zu finden. Zudem wurde von mir an lebenden Präparaten der amöboide Gestalten- wechsel der Kerne auf’s Ueberzeugendste constatirt. -— Man dürfte hieraus die Unhaltbarkeit der soeben besprochenen Einwände gegen den muthmaaslichen Ursprung der Blastodermelemente vom Keim- bläschen ersehen. Abgesehen von andern, in meiner Schrift über das Ei genauer dargelegten Argumenten zu Gunsten dieses Ursprungs, halte ich daher auch an dem Zusammenhang der Keimzellen mit dem Keimbläschen auf Grund ihres Habitus, ihrer morphologischen Zusammensetzung und ihres optischen Verhaltens fest. Lebende, in Hühnereiweiss untersuchte ÖOvarialröhren viviparer Aphiden scheinen mir nach wie vor (l. ec. Taf. IV, Fig. 104—108) eine be- sonders gute Bürgschaft hierfür zu geben. Morphologisch interessant sind jene Ballen, in welche be- kanntlieh bei vielen Inseeten der Dotter früher oder später zer- fällt. Bobretzky hält dieselben für echte (also einfache, pri- Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd. 17. 4 50 Alexander Brandt: märe), den intra- und extravitellinen Keimzellen gleichwerthige. Gebilde, während ich in denselben zusammengesetzte oder secundäre Zellen, also Elemente erblicke, welche, gleich dem sanzen Ei, morphologisch eine Stufe über den Keimzellen stehen. Bei den von unserm Verfasser untersuchten Lepidopteren beginnt die Dotterballung, wie bei so vielen andern Insecten, erst nach dem Auftreten des Keimstreifs. Alsdann sollen die ziemlich gleichmässig im Dotter verbreiteten intravitellinen Keimzellen keine Fortsätze mehr zeigen (l. e. Fig. 10), ihre rundlichen Kerne stark mit Carmin tingirt und daher deutlicher als der sie umgebende hellrothe Protoplasmahof erscheinen. „Bei weiterer Entwicklung zerfliesst, so zu sagen, solcher Protoplasmahof immer mehr und mehr in dem umgebenden Dotter und erscheint auf Durchschnitten als ein röthlicher Fleck, welcher einen immer grösseren Bezirk des Dotters um den Kern einnimmt, bis end- lich der einem jeden Kern gehörende Theil des Dot- ters sich von dem benachbarten als ein Dotterballen ganz absondert (p. 206).“ An und für sich hätte ich nichts dagegen mit Bobretzky anzunehmen, dass die intravitellinen Elemente auf dem seiner Fig. 10 entsprechenden, der Dotterbal- lung vorangehenden Stadium ohne Pseudopodien seien, sich also im Zustande der Ruhe befinden. Doch möchte ich hierbei als Frage aufwerfen, ob nicht diesem Ruhestadium, wie sonst so häufig bei Elementarorganismen, ein Stadium erhöhter Thätigkeit folgt? Letz- teres könnte sich naturgemäss durch ein amöboides Zerfliessen des Zellprotoplasmas äussern. Hat Bobretzky vielleicht gerade ein solches gemeint? Jedenfalls müsste das von ihm angenom- mene Zerfliessen ein derartiges sein, dass eine Deutoplasmasphäre entweder amöboid vom Protoplasma verspeist oder anderweitig ihm beigemischt (eingelagert) wird, denn nur auf diese Weise konnten die Dotterballen den intravitellinen Elementen als echte Zellen gleichwerthig sein. Wie dem auch sei, es wollte mir nicht gelingen, mich mit diesem oder einem dem erwähnten ähnlichen Modus der Dotterballung zu befreunden, ‘und ich sehe mich viel- mehr nach wie vor nicht im Stande, die Dotterballen für einfache, den intravitellinen homologe Zellen zu halten. Das Warum will ich versuchen hier des Näheren auseinanderzusetzen. Doch hören wir zunächst was Bo bretzky über die ausgebildeten Dotterbal- len sagt. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 51 „Die ganz ausgebildeten Dotterballen haben eine rundliche oder des gegenseitigen Druckes wegen polygonale Form und sind von einander ganz abgetrennt, so dass sie auf den Durehschnitten bedeckt herausfallen“. ... Bei Pieris lassen sie einen hellen, von den Dotterbläschen freien, rundlichen Centralraum sehen, im Innern dessen sich ein dunkelrother Kern, selten zwei, findet. Bei starker Vergrösserung bemerkt man eine den Kern umgebende, sehr dünne Protoplasmaschicht, von welcher äusserst feine, fadenförmige Fortsätze bis an die von Dotterbläschen angefüllte peripherische Schicht der Dotterkugel, wo sie sich verlieren, mehr oder weniger radiär verlaufen.“ (p. 207. Zur Illustrirung dieser Angaben mag besonders meine Fig. 4 dienen.) Wäre — wie es Bobretzky offenbar will — bei der Entstehung der Dotterballen das Protoplasma der betreffenden intravitellinen Zellen, so zu sagen, in der sie umgebenden Dottersphäre aufgegangen, so er- schiene es morphologisch befremdend, dass im Innern der Dotter- ballen noch eine besondere den „Kern‘‘ umgebende, wenn auch dünne, immerhin unvermischte Protoplasmaschicht vorhanden ist. (Wie selbstverständlich, konnte unser Autor diese Schicht nicht für das ganze ursprüngliche Protoplasma, sondern nur für einen kleinen Theil desselben halten.) Was der ‚„Centralraum“ für ein Gebilde sei, darüber liess uns der Verfasser im Unklaren. Auf eine des bezügliche Anfrage schreibt mir derselbe wie folgt: „Als ich zum ersten Mal Durchschnitte von Eiern mit vollständig ausgebildeten Dotterballen erhielt, war ich, wie ich gestehen muss, einige Zeit in Bezug auf die Deutung des später von mir Cen- tralraum benannten Theiles unschlüssig. Ich dachte, ob wir nicht im gegebenen Falle eine doch differenzirte Kernform (im Sinne von Auerbach und Hertwig) mit einer grossen, mit Kernsaft angefüllten Höhle vor uns hätten. Nach Durchmusterung einer grossen Anzahl sehr dünner Schnitte, in welchen der Centralraum immer als Höhlung ohne selbstständige, als Kernmembran zu deutende Wandungen erscheint, kam ich zu dem Schlusse, der Centralraum bilde eigentlich nicht einen Theil des Kerns, sondern der Zelle selbst, er sei mithin eine mit einer wässerigen Flüssigkeit, etwa in.der Art des sogen. Zellsaftes, ausgefüllte Höhlung im Protoplasma. Bei dieser Meinung verharre ich auch gegenwärtig.“ Mit dieser Argumentation als solcher dürften sich die meisten Fachgenossen schon deshalb nicht einverstanden 52 Alexander Brandt: erklären, weil es misslich scheint, einer Membran eine histomor- phologisch so entscheidende Bedeutung beizumessen ; kennen wir doch Kerne sowohl mit, als auch ohne Membran ; zudem dürften die hüllenlosen sogar die häufigeren sein. Wäre der „Centralraum“ eine blosse Höhlung im Protoplasma, so müssten die denselben durchziehenden fadenförmigen Fortsätze nebst der zugehörigen, „den Kern umgebenden, sehr dünnen Protoplasmaschicht“ nicht dunkler, sondern gleich intensiv wie die angeblich die Haupt- masse des Protoplasmas enthaltende Dottersphäre tingirt sein, mithin, ihrer Dünne wegen, sogar heller erscheinen. Ferner müssten, falls der „Oentralraum“ eine Vacuole wäre, die „Proto- plasmaschicht“ nebst den Fäden ebenso wie die äussere, angeb- lich die Hauptmasse des Protoplasmas enthaltende Sphäre der Dotterballen von Dotterkörnchen durchsetzt sein, was sie nicht sind. In den mir gütigst zugeschickten, den Figg. 19 und 18 des Verfassers entsprechenden Präparaten sind die Dotterballen be- reits vollständig ausgebildet, erscheinen rund oder nur rundlich, bisweilen wurst- und birnförmig. Sie liegen nur lose nebenein- ander, sind nur zum Theil durch gegenseitigen Druck abgeplattet, ein Verhalten, welches wohl durch eine Schrumpfung zu erklären sein mag, da in lebenden Insecteneiern die Dotterballen dicht ge- drängt und polyedrisch abgeplattet zu sein pflegen. Die Dotter- körnchen erscheinen in Wirklichkeit relativ bedeutend grösser, als ich sie absichtlich in meinen Figuren dargestellt habe. Bald im Centrum, bald mehr oder weniger excentrisch befindet sich in den Dotterballen dasjenige Gebilde, welches Bobretzky ‚„Centralraum“ nennt (Fig. 3—8 p.). Seine Umrisse bilden nirgends eine ganz glatte Kreislinie, sondern sind meist unregelmässig gezähnt, ge- schlitzt, mit einem Wort, amöboid; was entschieden gegen eine Deutung des „Centralraums‘“ als Vaeuole spricht. An erfolgreich tingirten Abschnitten der Präparate ist der „Centralraum“ deutlich rosenroth gefärbt, was wiederum gegen eine Vacuole stimmt. Der „Centralraum“ erscheint entweder homogen und klar oder ist stellenweise mit einzelnen Dotterkörnchen oder Anhäufungen der- selben durchsetzt. (Diese sich auch in den Blastodermzellen wieder- findenden Körnchen könnten» leicht durch die amöboiden Bewegun- gen der intravitellinen Elemente aufgenommen worden sein.) Die grössere oder geringere Deutlichkeit der „Centralräume“ hängt ganz offenbar mit der Güte der betreffenden Präparate zusammen. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 53 In manchen Ballen sind sie nur schwer oder auch gar nicht sicht- bar. Dafür ragen an einem Paar geplatzter Dotterballen die sog. „Centralräume“ deutlich als scharf begrenzte Gebilde hervor (Fig. 5 und 6). Auch dieser Umstand spricht dafür, dass wir es mit einem compaeteren Körper zu thun haben. — Nicht selten findet man in,den Dotterballen statt eines, zwei, drei und mehr „Cen- tralräume“ nebst Kernen (Fig. 8, 9, 10). In einem derselben zählte ich ihrer mindestens sieben. Bobretzky zeichnet in manchen der Dotterzellen zwei, hin und wieder auch drei „Centralräume“. Aehnliche Bilder veranlassten ihn (p. 207) von Theilungsstadien, resp. einer späteren Vermehrung der Dotterballen zu reden. Weit davon entfernt die Möglichkeit einer ähnlichen Vermehrung zu leugnen (Fig. 7, 8), erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass bei dem bisher, unter Anderen auch von mir, acceptirten Modus der Dotterballung von Hause aus in einen Ballen eine grössere An- zahl von intravitellinen Elementen gerathen und gelegentlich auch verbleiben kann. Jenes Gebilde, welches Bobretzky als „Protoplasma- schicht“ bezeichnet, pflegt, wie oben bereits beiläufig erwähnt, bedeutend stärker, als der ‚„Centralraum“ tingirt zu sein. Die oben eitirte Beschreibung der „Protoplasmaschicht‘“ (meine Fig. 4 k) trifft nicht immer ganz zu, denn wir vermissen an derselben meist die langen bis gegen die Peripherie des „Centralraums‘“ reichenden fadenförmigen Fortsätze und finden statt dessen gewöhnlich nur kurze Höcker oder stachelige Pseudopodien. Nicht selten fehlen auch diese und ist die „Protoplasmaschicht“ alsdann rundlich-eckig oder rund gestaltet. Gleich der „Protoplasmaschicht“ ist auch der von ihr um- schlossene, noch intensiver von Carmin imbibirte „Kern“ (kk) unseres Autors ein sehr mannigfach gestaltetes Gebilde: bald rund- lich, bald mehr oblong, bald diffus-sternförmig. Beide, ‚„Protoplasma- schicht“ wie „Kern“, sind im Leben entschieden in hohem Grade amöboid beweglich gewesen. Stellen wir nach dieser Detailbeschreibung der Dotter- ballen nochmals an den ÖOriginalpräparaten von Bobretzky (s. meine Figg.) einen Vergleich dieser Dotterballen mit den ur- sprünglichen intravitellinen Zellen an, so können wir kaum um- hin eine etwaige morphologische Gleichwerthigkeit dieser mit jenen zu negiren. Die letztgenannten Zellen, (resp. auch die Bla- 54 Alexander Brandt: stodermelemente) scheinen mir nämlich ganz entschieden nicht den ganzen Dotterballen, sondern blos ihren „Centralräumen“ zu ent- sprechen. Die correspondirenden Gebilde besitzen dieselbe Grösse, bei runder oder rundlicher Gestalt etwa 0,022 mm. im Durchmesser, bei einem Kern von 0,008 mm. Auch der ganze Habitus, die Zahl der Componenten sind dieselben. Die „dünne Protoplasmaschicht‘“ der Dotterballen ist mit dem Kern, der sog. „Kern“ mit dem Kernkörpercehen der Keimzellen identisch. Durch die Dotterballung werden also die intravitellin verbleibenden Keimzellen einfach, ohne jegliche sonstige Veränderung von Dotter- sphären umgeben und nehmen dadurch allerdings den Charakter von Kernen (Furchungskernen) an. Hiermit stimmen auch ziemlich zahlreiche, von Bobretzky unberücksichtigt gebliebene, den Dot- terballungsprocess der Insecten betreffende frühere Beobachtungen überein. — Zunächst sei daran erinnert, dass die Dotterballung durchaus keine allen Insecten ohne Ausnahme zukommende, also eine physiologisch offenbar nicht wesentliche Erscheinung ist. So vermissen wir sie z. B. bei Hydrometra, Coraxa, Lecanium, Aspi- diotus!). Auch bei einer Mystacides-Art (wahrscheinlich M. nigra) fehlt sie, während sie bei der systematisch ihr so nahe stehenden Phryganea grandis vorhanden ist?). Schon hieraus dürfte zu schliessen sein, dass mit der Dotterballung wohl kaum eine so eigenthümliche und wesentliche Alteration der intravitellinen Ele- mente verknüpft sein dürfte, wie dies Bobretzky wähnt. An le- benden Libelleneiern lässt es sich u. A. deutlich verfolgen, wie am Dotter unregelmässige Spalten und Risse auftreten, welche sich fortwährend vergrössern. Ferner tritt die Dotterballung bei ver- schiedenen Inseeten bald früher, bald später ein. Bei Clothilla fand ich in einem noch in der Eiröhre liegenden und daher unbe- fruchteten, mit einem ziemlich deutlichen Keimbläschen ausgestat- teten Ei den Dotter bereits in Ballen gespalten (Ueber das Ei p- 147, Fig. 15). Mag hier eine normale oder- nur abnorme Er- scheinung vorgelegen haben, gleichviel, es zeigt uns das betreffende Ei zur Genüge, dass die Dotterballung ein von den intravitellinen 1) Brandt, A., Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Libelluliden und Hemipteren. St. Petersburg 1869. 4. p. 5. 2) Zaddach, G., Untersuchungen über die Entwickelung und den Bau der Gliederthiere. Berlin 1854. 4. p. 64. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 55 Elementen dem Wesen nach unabhängiger Process ist. Dohrn, welcher vor nieht langer Zeit eine ganz besondere Aufmerksamkeit auf die eben erwähnten Elemente gerichtet hatte, fand dieselben nieht immer innerhalb, sondern bisweilen auch zwischen den Dotterballen liegen. Dass sich hierbei die interstitialen Elemente von den intraglobulären unterschieden hätten (wie aus Bobretz- ky’s Bildungsmodus der Dotterballen zu schliessen wäre), erwähnt Dohrn nicht. Nach Uljanin geht bei gewissen Poduren der Bil- dung des Blastoderms eine regelmässige Zerklüftung des Dotters (Dotterfurchung) voran. Nach Maassgabe der Bobretzky’schen Daten könnten wohl kaum nachträglich unveränderte Blasto- dermzellen aus den Dotterballen hervortreten. Ferner dürfte es sehr schwierig sein die so regelmässige, successive Furchung des Po- durendotters mit der Auffassung von Bobretzky in Einklang zu bringen. — Dieser Erwägungen ungeachtet erscheint übrigens die, allerdings blos hypothetische Annahme von Bobretzky (p. 212), dass den im Innern des Dotters verbleibenden Keimzellen eine ac- tive Rolle bei der Bildung der Dotterballen zukomme, nicht abso- lut verwerflich. Meinen früheren Erwägungen (Ueber das Ei p. 147) treu, halte ich nämlich zwar nach wie vor die Theilung des Dotters (mag sie unter der regelmässigen Form einer Dotterfurchung oder der unregelmässigen einer Dotterballung auftreten), und die Theilung des Keimbläschens und seiner Descendenten für zwei ihrem Ursprunge nach von einander unabhängige Vorgänge, welche allerdings häufig in eine mehr oder weniger, zum Theil sehr in- time Wechselwirkung treten!). So dürften die anfangs häufig nur unregelmässigen, krampfhaften, nicht gehörig energischen spon- tanen Contractionen des reifen Eidotters so mancher Thiere sich erst dadurch bis zu einem Zerfall des Dotters steigern, dass der letztere von den sich in ihm ausbreitenden Pseudopodien des Keim- bläschen, resp. der Furchungskerne, gereizt (gleichsam gekitzelt) wird. Uebrigens tangiren uns diese Fragen hier weniger. Ich 1) Theilung des Keimbläschens und Dotterfurchung dürften im ge- sammten Thierreiche etwa in einem ähnlichen Zusammenhange stehen, wie Ovulation und Menstruation bei den Säugethieren: (Mayrhofer, C., Steri- lität, Entwicklungsfehler und Entzündungen des Uterus in Pitha und Bill- roth’s Handbuch der allgemeinen und speciellen Chirurgie. Stuttgart 1878, Bd. IV. 2. Lieferung p. 11. 56 Alexander Brandt: gehe daher nicht weiter auf sie ein und fasse zum ‘Schluss das in Veranlassung der Untersuchungen von Bobretzky Mitgetheilte zusammen. Die Dotterballen der Inseeteneier entsprechen mor- phologischnicht den Keimzellen, sondern sind Elemente höherer Ordnung. Sie entstehen keineswegs durch ein Zerfliessen oder Aufgehen des Protoplasmas der intra- vitellinen Keimzellen in der benachbarten Dottermasse oder — was dasselbe ist — durch Einlagerung von Dotter- substanz ins Protoplasma dieser intravitellinen Zellen, sondern durch Umlagerung derselben mit einer Dotter- sphäre. Demnach wären die Dotterballen, in Ueberein- stimmung mit dem Ei und im Gegensatz zu den Keim- zellen, keine primären Zellen (Cellulae primariae s. Cyta), sondern secundäre (C. secundariae s. Metacyta). Fanden sich in der Arbeit von Bobretzky neben wesent- lichen Bestätigungen meiner Untersuchungen auch wichtige Ne- gationen, so stimmen die Mittheilungen von Graber!) in den wichtigsten Punkten um so vollständiger überein. An Eischnitten verschiedener Insecten (Lina, Pyrrhocoris, Schmetterlinge) consta- tirte dieser Forscher, dass die vor der Anlage des Blastoderms im Innern des Dotters verbreiteten Keimzellen eine ausgesprochen amöboide Gestalt besitzen und ferner einen relativ sehr grossen Kern mit zahlreichen Kernkörperehen und ein kuchenartiges, mit strahligen und oft netzartig verbundenen Fortsätzen versehenes Protoplasma aufweisen. Manche dieser Nacktzellen stehen durch pseudopodienartige Ausläufer mit einander in Verbindung und bilden förmliche Netze. Nach Graber liefern diese Zellen die Blastodermelemente und sind wie auch ich es annehme, „wahr- scheinlich Theilungsproduete des Keimbläschen“, eine Auffassung, welcher er auch in seiner genealogischen Tabelle (p. 634) Ausdruck verleiht. Auch den Dotterballungsprocess fasst er genau so, wie ich es thue, auf, d.h. er lässt den Dotter sich im Umkreise der Keimzellen spalten und findet darauf innerhalb der Dotterballen die früheren Keimzellen unverändert wieder. — Mit 1) Graber, V., Vorläufige Ergebnisse einer grösseren Arbeit über vergleichende Embryologie der Insecten. Arch. für mikrosk. Anatomie Bd. XV. (1878) p. 630 —640. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies, 57 Spannung sehe ich den angekündigten ausführlichen, diese Resultate motivirenden Mittheilungen des Verfassers entgegen. St. Petersburg im Mai 1879. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Eischnitte von Pieris crataegi und sind nach Originalpräparaten des Prof. Bobretzky bei System IV Ocular 3 von Hartnack entworfen. 1. Peripherischer Theil eines Schnittes durch ein Ei, in welchem das Blastoderm im Entstehen ist. 2. Theil eines die Oberfläche desselben Eies tangirenden Schnittes. 3, 4. Zwei Dotterballen. 5, 6. Dotterballen, zum Theil geplatzt und mit entblösster intravi- telliner Zelle. 7. Zwei einander dicht anliegende Dotterballen, lebhaft an die beiden ersten Furchungskugeln mancher Thiere (z. B. Limnaeus) erinnernd. 8. Dotterballen mit zwei hochgradig amöboid zerfetzten Zellen. von denen eine sich mit den Pseudopodien bis an die Peripherie des Ballens er- streckt; — vielleicht ein Theilungsstadium des Dotterballens. 9, 10. Dotterballen mit mehrfachen intravitellinen Zellen. 58° V. Graber: Ueber das unicorneale Tracheaten- und speciell das Arachnoideen- und Myriopoden-Auge. Von V. Graber. Hierzu Tafel V, VI und VII und ein Holzschnitt. Nächst Joh. Müller’s, Leydig’s undM. Schultze’s grund- legenden Arbeiten bezeichnet das wohl allerseits mit Ungeduld erwartete ausführliche Prachtwerk von Prof. Grenacher hinsicht- lich der Erkenntniss der Arthropodenaugen und zwar, das Ent- wieklungsgeschichtliche ausgenommen, nach den verschiedensten Richtungen hin, unstreitig einen der grössten Fortschritte und die darin angeregten Fragen und angedeuteten Lücken werden zwei- felsohne auch zu neuen Forschungen wirksame Anregung geben. Dass Letzteres aber grade bei mir der Fall war, erklärt sich daraus, dass ich mich bereits i. J. 1875 eingehender mit der feine- ren Anatomie der Arachnoideen und speciell auch der Scorpioni- den-Augen beschäftigte und schon nach der ersten Durchsicht des Grenacher’schen Opus sofort erkannte, dass meine einschlägi- gen Zeichnungen von der Darstellung des genannten Forschers in einigen und zwar grade in sehr wesentlichen allgemeinen Verhält- nissen abweichen. Dies bewog mich den Gegenstand neuerdings sorgfältig durch- zuprüfen, wobei, des Vergleiches wegen, auch ein Paar Spinnen sowie die von Grenacher bekanntlich völlig unberücksich- tigt gelassenen und überhaupt sehr vernachlässigten Myriopoden zur Untersuchung herangezogen wurden. Indem ich hinsichtlich der einschlägigen älteren Literatur auf das Grenacher’sche Werk verweise, beziehe ich mich aus- schliesslich nur auf jene Arbeiten, die mit den hier zu behandeln- Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 59 den allgemeineren Fragen in unmittelbarem Zusammenhang stehen *), und schicke, da es zu keiner besonderen Bespre- chung der Myriopoden-Augen kommt, noch voraus, dass letztere in den wesentlichsten Puneten mit den Ocellen der Arachnoideen und den sog. Stemma’s der Hexapoden übereinstimmen. Aeussere Cutieula, Cornea-Linse. Aus Grenacher’s sowie aus unseren Abbildungen (Fig. 4 und 22) geht evident hervor, dass die theils nach Aussen theils nach Innen ausgebogenen Cornea-Lamellen (c-l, aCu) conti- nuirliche Fortsetzungen der allgemeinen Cuticularstraten sind, die am eingeschnürten Rande der Linse meist zu dünnen Platten zu- sammenschwinden, während sie in der Mitte zu dicken Balken anschwellen. Ob gewisse Linsenlamellen und namentlich die un- tersten vielleicht ohne Zusammenhang mit denen der Umgebung entstehen, d. h. ob die Linse vielleicht nach Innen auch völlig selbständige Schichten ansetzt, bleibt noch festzustellen. Bezüglich der Corneaschichtung bei Phalangium, von wel- cher man nach Grenacher (p. 41) wenigstens bei mässiger Ver- grösserung „Nichts wahrnimmt“, sei bemerkt, dass ich dieselbe (nach Kalilaugebehandlung) schon mit Zeiss C. sehr deutlich un- terscheide. Eine auffallend grobe Schiehtung fand ich (Fig. 21, 22) an der verkalten Cornealinse von Julus. Bei Vespa crabro erwähnt und zeichnet (Fig. 31) Grenacher zwischen den inne- ren Linsenschichten eine grössere Zahl von Spalträumen, die er für Kunstproducte (beruhend auf Gerinnung und Volumsverände- rung) ansieht. Eine ähnliche Klüftung zeigen auch mehrere Lin- senschnitte von Buthus (Fig. 13h) und der Umstand, dass die betreffende nahe der Oberfläche gelegene weite Höhle von senk- recht zur Oberfläche verlaufenden Plasmafäden oder Zellfort- sätzen durchzogen ist, welche mit denen der weiten Poren *) 1) Fr. Leydig, Zum feineren Bau der Arthropoden. Müller’s Archiv f. Anat. und Phys. 1855; 2) Lehrbuch d. Histologie 1857; 3) Das Auge der Glie- derthiere, Tübingen 1564; 4) Tafeln zur vergl. Anatomie, Tübingen 1864; 5) H. Grenacher, Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden 4° 188 S. mit 11 Tafeln Göttingen 1879. 60 V. Graber: identisch sind, zeigt zur Genüge, dass dieser Sprung factisch nur auf eine durch die Härtung erzeugte Zusammenziehung der in- 'neren Linsenschichten zurückzuführen ist. An den Mittel- und Seitenaugen von Scorpio eur. (Fig. 3 und 4) haben wir dagegen eine solche Kontinuitätstrennung zwischen den oberflächlichen und tiefern Schichten niemals bemerkt und müssen demnach auch Blanchard’s !) Distinetion einer gesonderten Cornea und Linse (eristallin) als der Wirklichkeit widersprechend zurückweisen. Die völlige Uebereinstimmung in der Structur der Linse mit jener der allgemeinen Cuticula zeigt sich aber ganz besonders in der Verbreitung der bekanntlich zuerst von Leydig näher studirten resp. entdeckten feinen Porenkanäle.e Während nämlich Grena- cher, im Gegensatz zu den Leydig’schen Angaben, p. 41 sagt: „Porenkanäle, wie sie Leydig gesehen hat, sind mir (an der Linse) nie zu Gesichte gekommen“, und demgemäss auch auf keiner seiner Abbildungen dergleichen angedeutet sind, fan- den wir solche ohne Ausnahme bei allen darauf untersuchten Gliederthieren, bei den Arachnoideen- so gut wie bei den Myrio- poden- und Inseetenstemma’s. Bei Anwendung einer starken Immersion (Zeiss L.) und im polarisirten Licht (bei eingeschobener Glimmerplatte) zeigt ein zu diesem Zweck möglichst dünn herzustellender und in Kalilauge aufgequollener Linsen-Axialschnitt ein ganz analoges Bild wie eine quergestreifte Muskelfaser, indem die einzelnen Linsenlamellen gleich den Discs in kleine dureh mehr oder weniger breite dunkle Zwischenlinien scharf von einander gesonderte starklichtbrechende Stäbehen oder Stücke zerfallen. Zu solehen Studien empfiehlt sich besonders das Integument resp. die Linse von Julus, da hier die senkrechte Streifung (Fig. 22) schon bei mittelstarker Vergrös- serung hervortritt und der Zerfall der Cuticularlamellen in an- scheinend prismatische Elemente ausserordentlich prägnant zu Tage tritt. Bei der Einstellung auf die Linsenoberfläche sieht man hier auch, dass es sich um wirkliche durch die ganze Dicke der Cu- tieula sich erstreckende Poren und keineswegs bloss um schwächer 1) L’Organisation du regne animal (Arachnides) par Emile Blanchard, p- 53 und Fig. 2 pl. IV. Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 61 liehtbrechende Streifen, resp. um den Ausdruck einer Faserstructur handelt, denn die freie Fläche zeigt dasselbe „punctirte und ge- strichelte“ Aussehen, wie man es an den meisten diekeren Quti- eularmembranen zu finden pflegt und auf die Mündungen sehr fei- ner Poren zurückführt. Hypodermis, Glaskörper, Pigmentzellen. Von der Existenz eines besonderen bereits von Joh. Müller entdeckten, aber erst durch Grenacher zur klaren Anschauung gebrachten subcornealen und von der Retina unabhängigen Zell- stratums und dessen durch die pigmentirten Rand- oder Iriszellen vermittelten eontinuirlichen Ueberganges in die allgemeine Hypo- dermis habe ich mich beim Scorpion bereits im Herbst 1875 über- zeugt (Fig. 3), der Sache aber gegenüber der Leydig’schen Dar- stellung desshalb kein Gewicht beigelegt, weil mir das Vorkommen einer eigenen Linsen-matrix als selbstverständlich erschien. Dass übrigens Leydig selbst der richtigen Auffassung von der Zweischichtigkeit des ocularen Weichkörpers sehr nahe war, beweist einmal die auch von Grenacher erwähnte Stelle desselben betrefis ‚der zelligen Zeichnung an der Innenfläche der Linse, bei der Maulwurfsgrille (3 pag. 36) und dann die andere, wo er beim gleichen Thier von einem „irisartigen Gürtel“ spricht, der sich von der Matrix der Cuticula her gegen die Linse erstreckt. Im Uebrigen habe ich hier zu den ausgezeichneten Dar- stellungen Grenachers nur wenig beizufügen. Da Grenacher die Grenzeonturen der Glaskörperzellen meist mit einer einfachen und nur auf Fig. 13 mit einer Doppellinie bezeichnet, könnte es scheinen, als ob diese „abgestutzt pyramidenförmigen“ Elemente überall hart aneinander lägen. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt aber das Flächenbild von Scolopendra (Fig. 19A). Jede Zelle besitzt hier eine selbständige scharf doppeltkonturirte Wand und zwischen den einzelnen doppelramigen Feldern dieser Mosaik befinden sich z. Th. sehr beträchtliche Intercellularräume , die wohl nicht ganz auf eine Schrumpfung der Zellen durch die Här- tung zurückzuführen sein möchten. Bezüglich der Kerne der Glaskörperzellen fügen wir bei, dass sie (vgl. Fig. 14, 19 und 25) meist verhältnissmässig etwas 62 V. Graber: P grösser sind, als sie auf den Grenacher’schen Zeichnungen .(z. B. Fig. 22) erscheinen, gleichfalls eine deutlich doppeleon- turige Wandschicht besitzen (Fig. 19) und in der Regel ein beson- deres Kernkörperehen erkennen lassen. Ihr Aussehen im frischen Zustand zeigt Fig. 27, gl, a. Hinsichtlich der sog. Pigmentzellen erwähne ich zunächst, dass dieselben, wie dies Grenacher für gewisse Spinnen und Inseeten angibt, auch an den Seitenaugen der Scorpione sowie bei den Myriopoden wenig entfaltet oder differenzirt sind. Einen sehr distineten Pigmentzellenring findet man dagegen an den Mit- telaugen von Buthus (Fig. 13 Ir), und tritt diese Iris, namentlich bei der Flächenansicht des Auges von Innen und nach vorheriger be- hutsamer Ablösung des Retinapolsters als breites Diaphragma sehr schön hervor. An feinen Schnitten überzeugt man sich ferner, dass die Verdiekung der hypodermalen Pigmentzone im Umfang der Linse keineswegs immer auf einer beträchtlichen Verlängerung der Randzellen, sondern vielmehr darauf beruht, dass letz- tere ihrer ganzen Länge nach, die Hypodermzellen der weiteren Umgebung aber nur am äusseren Ende pigmentirt sind. Wir haben also hier einen relativ einfachen, mehr auf die chemische als auf die morphologische Beschaffenheit gerichteten Differenzirungszustand. Interessant ist die hypodermale Pigmentzellenzone im vor- dern Mittel- oder Stirnauge von Epeira, auf die wir auch noch später zurückkommen. Grenacher stellt die betreffenden Ele- mente (auf Fig. 18 A bei GK,) als geradläufige Fasern dar, die den Kern ziemlich in der Mitte tragen. Nach meinen Präparaten (Fig. 25 pz) sind dieselben etwas anders. Man beachte einmal, dass die inneren d. h. dem Glaskörper zunächst liegenden Sförmig und die mittleren schwach sichelförmig gekrümmt sind. Auf diese _ Art wird es möglich, dass dieselben trotz des ffügelartig nach Aussen erweiterten Raumes, in dem sie sich befinden, mit beiden Enden die zugehörige Cutieula rechtwinkelig schneiden, ein Prineip, das bekanntlich in der Architektonik der Pflanzengewebe sehr allgemein herrscht. Aus der Zeichnung ersieht man ferner, dass, dem Ausbreitungsraum entsprechend, nur die äusseren resp. cornealen Enden dieser Zellen eine grössere Breite haben, während sie nach Innen, gegen die Retina, in zarte Fasern sich verschmächtigen. Ob die Kerne gerade in der Mitte liegen, konn- Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 63 ten wir nicht konstatiren, wohl aber, dass sie in manchen ent- schieden peripherisch situirt sind. Eine Gegenüberstellung von Fig. 14 und 25 zeigt, dass beim Scorpion die hypodermalen Randzellen gerade die entgengesetzte Lage einnehmen. Hypodermale Grenzhaut und Augenhülle. Wie u. A. auch von uns seinerzeit klargestellt wurde !) ent- steht theils durch Verschmelzung der Fussplatten der Hypodermis- zellen, theils auch durch besondere Ausscheidung eine zusammen- hängende innere (relativ zarte) Cuticula, die aber wohl zu unter- scheiden ist von gewissen echt bindegewebigen Basalmembranen, wie ich eine solche neuerlich wieder als separaten Beleg der inneren Cuticula an den Puppen und Imago’s verschiedener Schmetterlinge beobachtet habe. (Vgl. auch den einschlägigen Aufsatz in diesem Archiv Bd. X. Fig. 10). Eine solche echt-euticulare Grenzlage findet sich nun auch, wie es scheint, ganz allgemein am Integument der in Rede ste- henden Thiere, und kann man sich, wie meines Wissens zuerst Leydig bei der Biene (4) erkannt, an dünnen Schnitten leicht überzeugen, dass diese Membran (Fig. 4 und l14vgr) am Umfang des Stemma continuirlich auf das letztere und, in weiterer Fort- setzung, in das Neurilemm des Sehnervs übergeht, und auf diese Art also die Hülle oder Sclera des Auges bildet. Diese retinale Cutieula zeichnet auch Grenacher auf den meisten sei- ner Figuren und erwähnt (p. 45) speciell bei Epeira ausdrücklich, „dass beide Augen von einer feinen Cuticula überzogen werden, die sich einerseits nach der Hypodermis, andererseits auf den n. opticus fortsetzt‘. Wenn aber die Augenhülle wirklich eine Cuticula ist, so versteht es sich von selbst, dass auch eine besondere Matrix zugegen sein muss, welche sie absondert. Letzterer wird aber von Grenacher bei den Spinnen nirgends gedacht und geben auch die einschlä- gigen Zeichnungen keinerlei Andeutung derselben. Nur am Stemma von Vespa Crabro (Fig. 34) findet man sowohl am Neurilemm des 1) Die tympanalen Sinnesapparate der Orthopteren. Denkschr. d. Kais. Akademie d. Wissensch. Wien 1875 (vergl. insbes. Fig. 66). 64 V. Graber: Sehnervs als auch an der Selera zahlreiche kleine (durch Häma- toxylin blau gefärbte) Kerne, und im Text (p. 60) die Bemerkung „die feine Cuticula, welche Auge und Nerv einschliesst, ist nur in letzterer Figur (34) gezeichnet, zugleich mit den Kernen, welche zu ihr gehören‘, und die also wohl nur auf die Selera- Matrix bezogen werden können. Ausgezeichnet schön fanden wir nun letztere speciell bei Scolo- pendra (Fig. 18) nach theilweiser Auflösung des blauvioletten pe- ripherischen Augenpigmentes durch Kalilauge. Die Selera (se) ist hier diek uud deutlich geschichtet. Darunter sieht man dann, am deut- lichsten im Anfang der Kalieinwirkung, theils runde vorwiegend aber spindelförmige ziemlich grosse Kerne (k), die sich durch Aufspei- cherung des gelösten Pigmentes intensiv blau färben. Da diese Kerne der Cuticula sich eng anschmiegen, so kann es an dickeren Schnitten den Anschein gewinnen, als ob sie, wie an einer echten bindegewebigen Membran , in der letzteren selbst eingebettet wären. Wenn übrigens Leydig (4) auf Tafel IX Figur 4e die Augen- hülle wirklich als eine bindegewebige Schicht darstellt, so scheint uns dies — abgesehen davon, dass die betreffende Strecke, wie später zu zeigen, dem Glaskörper entspricht — im Widerspruch zu stehen mit seiner so klaren und auch von uns bestätigten Dar- stellung auf anderen Figuren seines klassischen Tafelwerkes, wo, wenigstens an der Nervenscheide, überall eine deutliche äussere Cuticula und eine dieser innen anliegende meist pigmentirte Matrix- schichte mit hellen Kernen gezeichnet ist. Bezüglich der in Rede stehenden Grenzhaut mache ich noch speciell auf die Strecke derselben unterhalb der „Pigmentzellen“ aufmerksam. Hier stehen nämlich (Fig. 25 x) die zugehörigen Hypodermzellen z. Th. nicht senkrecht auf der genannten Haut, sondern laufen vielmehr wie man sieht, derselben parallel, und ihre Abscheidung müsste also, falls sie überhaupt eine Cuticula ist, von der Seite her erfolgen. Praeretinale Zwischenlamelle. So nenne ich die am Tracheatenstemma bisher völlig unbe- achtet gebliebene eutieulare Membran (Fig. 141a), welche sich als Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 65 selbstständige, jedoch mit der parietalen Sclera sowie mit der allgemeinen Grenzhaut continuirlich verbundene Schichte zwischen Glaskörper und Retina einschiebt. Anscheinend hat zwar dieses die zwei Hauptstraten des Augenweichkörpers scheidende Septum bereits Leydig beob- achtet, es lässt sich indess leicht nachweisen, dass dies nicht der Fall ist. Der vorhin erwähnte „bindegewebige Saum“ näm- lich mit „den zahlreichen darunter liegenden runden Kernen“, welche Leydig speciell an der Horniss „namentlich am Vorderrand (des Auges) wahrgenommen“ (3, pag. 33) und auf seiner IX. Tafel zur vgl. Anatomie (Fig. 4e) gezeichnet hat, kann, wie auch @rena- cher (p. 62) bemerkt, nur auf den sehr dünnen Glaskörper bezo- gen werden, während die wirkliche Zwischenlamelle hier von kaum messbarer Dicke ist und keinerlei Kerne enthält. Dass aber auch Grenacher diese Membran entgangen ist, beweist sehon die angezogene Stelle (p. 62), wo er Leydig’s An- sicht, nach welcher sich die retinale Hüllmembran „auch über die Vorderfläche der Retina hinüberschlage“, als ‚‚irrthümlich“ bezeichnet, sowie die Darstellung auf seinen Zeichnungen, auf die wir kurz eingehen müssen. Während dieser Forscher bekanntlich die Retinaelemente im Larvenauge von Dytiscus u. A., nur als etwas aus der Reihe der Hypodermiszellen ausgetretene resp. nach Innen gerückte oder ver- senkte Gebilde hinstellt, macht er hinsichtlich des Spinnen- und des imaginalen Inseetenstemmas schon in der Einleitung (p. 40) eigens darauf aufmerksam, dass hier die Retina ganz „aus dem Verband (der Hypodermis) ausgeschieden ist“ und sagt dann speciell bei Pha- langium (p. 41) noch ausdrücklich: „auf Schnitten kann man immer mit vollster Sicherheit die hintere Abgrenzung des Glaskörpers als eine sehr scharfe vor den Stäbchenenden gelegene Linie nachweisen.“ Dass Grenacher aber unter dieser Grenzlinie keine eigene Membran versteht, ergibt sich zur Evidenz aus den einschlägigen Zeichnungen. Mustert man z. B. das Vorderauge von Epeira in sei- ner Fig. 18 A (rechts), so sieht man Folgendes. Unterhalb der bogen- förmigen Reihe der Glaskörperkerne zieht eine dunkle einfache Linie (Vgl. auch s. Fig. 19 u.20). Diese Linie bricht dann in der Nähe der Rand- oder Pigmentzellen plötzlich ab, und Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 5 66 V. Graber: letztere selbst erscheinen unmittelbar den äussersten . (parietalen) Elementen der Retina angelehnt. Wäre das Lagerungsverhältniss nun wirklich so, würden sich also, wie insbesondere auch auf seiner Fig. 31 Pg (Vespa cra- bes) unzweideutig ausgedrückt ist, die Pigmentzellen un- mittelbar und Glied für Glied an die Seiten der sog. Retinazellen anschliessen, so wäre ja thatsächlich ein continuirlicher Uebergang von den letzteren zu den echten Hypoder- miszellen vorhanden !) und könnte sonach auch das ty- pische zweischichtige Stemma nur als eine, Modifica- tion des anscheinend einschichtigen Dytiscus-Larven- auges betrachtet werden. Eine solche direete Verbindung der Retina mit den das Auge umsäumenden Integumentzellen existirt aber nicht; Hypodermis, Pigment- und Krystallkörperzellen einerseits und Retina anderseits bilden vielmehr je ein geschlossenes Ganzes für sich, indem sich eben zwischen beiden Straten unser präretinales Septum durch und durch zieht, und so vielleicht auch für die Zulässigkeit der Grenacherschen Theorie bezüglich des hypoder- malen (wir sagen nicht eetodermatischen) Ursprungs der Ar- thropoden-Retinaeineschwer zuüberwindende Schranke bildet. Das Weitere zeigt zunächst Fig. 25 (von Epeira) und deren Vergleichung mit Grenachers Fig. 18 A Gkı. Unter dem eigentlichen Glaskörperstratum sieht man am betreffenden Präpa- rat bei genügend starker Vergrösserung nicht eine einfache Linie, sondern deutlich einen doppeltkonturirten Grenzsaum, ja, an hin- länglich dünnen Schnitten innerhalb desselben noch ein Paar di- stinete Linien als Ausdruck einer allen dickeren Cuticeularhäuten zu- kommenden Schichtenbildung. Dieses Band (la) hört nun aber kei- neswegs, wie in Grenacher's Figur, an der Grenze der Pigment- zellen auf, sondern man sieht es deutlich in einem scharfen Bogen gegen die äussere Augenhülle hinziehen und dort (bei v) einer- seits mit der letzteren (oc), andererseits mit der allgemeinen Innen- 1) Wenn Grenacher pag. 158 hinsichtlich des Spinnen- und Insecten- Stemma’s sagt, „hier ist die Retina in den von mir untersuchten Zuständen ausser aller Continuität mit der Hypodermis“, so steht diese Acusserung ent- schieden im Widerspruch mit den erwähnten Zeichnungen. Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 67 Cutieula der Hypodermis (gr) verschmelzen. Demgemäss betrachte ich die Zwischenlamelle als directe Fortsetzung der integumentalen Binnen-Cutieula, von der sich nach Innen, gegen den n. opticus, die eigentliche Sclera abzweigt. | Noch leichter nachzuweisen, weil beträchtlich dicker, ist diese wichtige Demarkationsmembran bei den Scorpionen. Dieselbe erreicht hier (Fig. 14 la) unter dem Glaskörper eine Mächtigkeit von 0,002 mm und ist deutlich geschichte. Durch Maceration der Schnittpräparate gelang es hier auch dieselbe stellenweise zu isoliren und konnten wir uns so überzeugen, dass sie wirklich eine selbständige Gewebslage darstellt. Wie ich schon an älteren Zeichnungen dargestellt finde, ist die Zwischenlamelle an ihrem Rande, d. i. dort, wo sie sich in den einerseits gegen die Haut und andererseits gegen die Retina ziehenden Schenkel spaltet, beträchtlich verdickt und fanden wir neuerlich eine solche ringförmige im Durchschnitt drei- eckige Anschwellung auch bei Buthus (Fig. 14 v) ausgebildet. Hier erkennt man mit Immers. L. auch sehr schön die Lamellen, die von diesem Knotenpunete aus nach drei verschiedenen Rich- tungen divergiren. Indem ich noch beifüge, dass dasselbe Septum u. A. auch bei den Myriopoden (vgl. Fig. 17 v) vorkommt, möchte es wohl angezeigt sein, die Larvenaugen von Dytiseus speeiell nach dieser Richtung einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen; a priori glaube ich, dass auch sie eine solche m. limitans ha- ben, und dass sich also Grenachers Angabe von der Einschich- tigkeit ihres Weichkörpers nicht bewahrheiten wird '). Retina. Ganglienzellen- und „Stäbehenzellen“-Schichte. Während die den Grenacher’schen Untersuchungen zunächst vorausgehenden Angaben von Leydig betreffs der von ihm ange- nommenen continuirlichen Verschmelzung der Stäbehen- mit den Krystallzellen in der That sich als unrichtig erweisen, verdienen, wie sich zeigen wird, dessen allerdings etwas spärliche Daten über 1) Neustens beobachtete ich ein solches Septum in der That. 68 V. Graber: die ganglienzellenartigen Elemente des inneren Stratums mehr Be- _ achtung, als ihnen Grenacher schenkt, welcher Letztere bekannt- lich eine Lage besonderer intraoculärer Ganglienzellen ganz läugnet und ganz allgemein (p. 158) die gesammte Längs- streke der Netzhaut-Pallisaden vom Eintritt des Op- ticus in den Augenbecher bis zum Glaskörper als eine einzige und einkernige Zelle betrachtet. Die erwähnte Darstellung Leydig’s speciell an der bekannten Fig. 135 seiner Histologie (p. 256) und zwar nach einem „senk- rechten (wahrscheinlich etwas dicken) Schnitte vom Saltieus-Auge ist folgende. Der oculäre Weichkörper zeigt zwei Hauptschichten, eine ganz helle Aussenzone (e), der Glaskörper, und eine dunkel pigmentirte Innenzone (f), „die Stäbchenschicht.“ Jede dieser Zonen zeigt ferner hinten eine Lage grosser heller kernartiger Bläschen. Berücksichtigt man nun zunächst hinsichtlich der äusseren Kernzone, dass die Nuclei der eigentlichen Stäbchenzellen, wie auch Grenacher bemerkt, oft nur sehr schwer zu sehen sind, meist kein distinetes Binnenkörperchen (wie an den Leydig’schen Vorderkernen ein solches gezeichnet ist) erkennen lassen, während andererseits die gerade in diese Zone fallenden Glaskörperkerne auch an minder gelungenen Präparaten auf den ersten Blick sich präsentiren, so erscheint es mir, gleich Grenacher, ganz zwei- fellos, dass diese Leydig’schen Vorderkerne in der That dem letztgenannten Hypodermalgewebe angehören. Was nun aber die Kerne hinter den Stäbchen resp. am Grunde des Auges betrifit, so machen dieselben wegen ihrer Grösse und Deutlichkeit durchaus nicht den Eindruck jener meist unscheinbaren kleinen Nuclei, wie sie Grenacher auf seinen Stäbchenzellen zeichnet, während sie nach Lage und Form mit den von uns später zu besprechenden Ganglienzellen überein- stimmen, und da Leydig in der Erkenntniss der Nervenele- mente gewiss sehr bewandert, (p. 253 seiner Histologie) noch ausdrücklich bemerkt, dass in der Spinnen-Retina „bipolare Gang- lienkugeln“ existiren, so haben wir keinen Grund daran zu zweifeln, dass Leydig wirklich die Sonderung der Retinastrahlen in eine basale Nervenzelle und in ein terminales Stäbchen beobachtet hat, und wenn Grenacher (p. 56) bemerkt, „was Leydig als ganglienkugelartige Zelle bezeichnet, dürfte bei Lycosa wahr- Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 69 scheinlich der vor dem Stäbchen gelegene kolben- und kernfüh- rende Theil der Retina sein, während bei dem von ihm abgebil- deten Auge von Salticus die Kerne sicher den Glaakörperzellen angehören“, so kann Letzteres doch nur für die früher besprochene Leydig’sche Vorderkernzone unmöglich aber für die hintere Lage (g) Giltigkeit haben, da letztere auf der in Rede stehenden Figur ja thatsächlich hinter der Stäbehenschichte und überhaupt ganz rückwärts, im Grunde des Auges liegt. Wir gehen nun auf Grenacher’s Darstellung über, wobei hinsichtlich seiner Auffassung vom stemmalen Retinaelement vor Allem hervorzuheben ist, dass er in demselben, wie schon ange- deutet, nur einen einzigen Kern auffand und allgemein annimmt, und demzufolge auch dasselbe als ein einfaches Zell-Indi- viduum betrachtet. Aus der Vergleichung seiner einschlägigen zahlreichen Ab- bildungen ist aber zunächst leicht zu ersehen, dass der Kern sei- ner „Retinazelle“ in Bezug auf dessen Lage und z. Th. auch be- treffs seiner Beschaffenheit und des Verhaltens der zugehörigen Strecke des Retinastrahles bei den verschiedenen Thieren resp. bei den verschiedenen Augen eines und desselben Geschöpfes einen sehr ungleichen Werth besitzt. Mit Rücksicht auf die Lage zunächst erscheint Grenacher’s Retinalzellenkern bald als ein apikales d. i. an das äussere oder vordere Ende des Retinalschlauches gerücktes Gebilde, bald als ein mehr oder weniger basales, indem es weit nach hinten gegen die Optieusfaser verschoben erscheint, und wollen wir vorläufig dieses Lagerungsverhältniss der Kerne und zwar zunächst mit Bezug auf das Stäbchen als prä- und als postbaecilläres be- zeichnen. Präbaeillär erscheint der Kern nach Grenacher im Hin- terauge von Epeira (Fig. 13 Bk‘), im Hinterauge von Lycosa (Fig. 22 und 23k‘), ferner bei Phryganea (Fig. 35) und, aber in höchst eigenthümlicher Weise transloeirt, am äusseren Vorderrand- (Fig.25k) und am Hinterauge (Fig. 27 k) von Saltieus. Postbacillär hingegen in allen übrigen beobachteten Fällen: bei Phalangium (Fig. 15), am Vorderauge von Epeira (Fig. 18 A), desgleichen von Lycosa (Fig. 22k), dann am inneren Vorderrand- auge von Salticus (Fig. 28 k), und unter den Inseeten bei Musca (Fig. 30), bei Vespa (Fig. 31) und Crabro er. (Fig. 34). 70 V. Graber: Erwägt man nun: 1) dass der verhältnissmässig so selten . zur Beobachtung gelangte präbacilläre Kern nach Grenacher's eigenen Angaben selbst am grossen Hinterauge von Epeira sehr „vergänglich“ und schwer nachweisbar ist, und 2) dass der mit wenigen Ausnahmen allgemein erkannte postbaeil- läre Nucleus sowohl im Text (p. 44) als z. Th. auch auf den Zeichnungen als „ziemlich gross“ und deutlich angegeben wird, so erscheint schon von vornherein die Annahme, dass Gre- nacher die Vorderkerne, namentlich an den relativ kleinen Ocel- len der Spinnen und besonders der Insecten z. Th. übersehen hat, und dass also diese sowie die meisten anderen Stemmata zwei durch Lage und Beschaffenheit von einander verschiedene Kernzonen haben, viel wahrscheinlicher als die Ansicht, dass die Retina des einen Auges nur Vorder-, die desanderen nur Hinterkerne besitze. In Grenacher's Darstellung finden sich aber auch einige weitere Anzeichen dafür, dass im Hinterkerne wirklich ein vom präbaeillären Nucleus scharf zu unterscheidendes besonderes Ele- ment vorliegt, und zwar ein solches, das in Verbindung mit dem dasselbe umgrenzenden Abschnitt des Retinaschlauches genau dem entspricht, was bereits Leydig als bipolare Ganglienzelle ge- deutet hat. Wer in Grenacher’s Fig. 15 (Phalangium) die „spindel- förmigen (ineinander gekeilten) Auftreibungen“ (p. 41) der Sehschläuche am Grunde des Retinapolsters mit dem gerade an diese Stelle fallenden „deutlichen“ Kern völlig vorurtheilslos und unbekümmert darum, ob für den übrigen Endabschnitt bereits ein Kern nachgewiesen ist oder nicht, ansieht, wird sich, denken wir, wohl kaum der Vorstellung erwehren können, dass hier in der That eine besondere Schichte ganglienzellenartiger Elemente vorliegt, aus denen sich die eigentlichen Endschläuche erheben, Ein ähnliches Bild zeigt sich dann noch in Grenach er's Fig. 18 Ak (Vorderauge von Epeira) und wird auch im Text (p. 44) erwähnt: „Dass die Retinazellen in ihrer hinteren keu- lenförmigen Anschwellung einen deutlichen ziemlich grossen Zellkern“ tragen. Wenn im Anschluss an diese Stelle Grenacher noch besonders bemerkt, „ich habe mich genügend, auch nach Untersuchung von Tinctionspräparaten (mit Hämatoxylin) von dieser Lagerung überzeugt, um dies mit all’ der Sicherheit, Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 71 die eine oft und unter verschiedenen Umständen wiederholte Beobachtung gewähren kann, behaupten zu können‘, so hat es, wie übrigens sehr leicht zu konstatiren ist, mit dieser Angabe auch in der That seine volle Richtigkeit. Ich wende mieh nun zu den eigenen Untersuchungen. Macht man einen einigermassen dünnen Median- oder überhaupt Tiefen- schnitt durch ein Mittelauge von Buthus, so sieht man nach Ent- fernung des Retinapigmentes, und zwar schon mit schwächeren Lin- sen zwei Bogenreihen von Kernen: eine vordere, am Glaskörper (Fig. 13 gl) und eine hintere (gz), fast am Grunde des Augenpol- sters. Letztere Kerne treten besonders scharf hervor, was leicht begreiflich, da sie erstens ungefähr zweimal so gross sind (0,01 mm) als die Glaskörperkerne (0,006), und als sie zweitens ein stark lichtbreehendes fast öltropfenartiges Aussehen haben. Der Lage nach entsprechen die Kerne offenbar den postbacillaren Gebilden. Auch am dünnsten Schnitt, den man herzustellen im Stande, liegen diese Kerne, im Gegensatz zu jenen des Glaskörpers, nie- mals in einer Reihe, sondern, wenigstens in der mittleren Zone zu 2—4 unregelmässig hintereinander, jedoch in der Regel durch beträchtliche und ziemlich gleich grosse Intervalle getrennt, ein ‘ Umstand, der schon im vorhinein weniger auf ein Epithel, als vielmehr auf eine Schichte von unregelmässig neben und über- einander postirten Ganglien- oder überhaupt Kugelzellen hindeutet. — Man sieht ferner, dass diese Kerne am Mantel der Retina sich auch weiter nach oben hin ausbreiten, aber so, dass sie in ihrer Gesammtheit ein gegen den Rand des Retinabechers sich verdün- nendes schalenförmiges Stratum bilden, indem nach der bezeichne- ten Richtung hin die Zahl der hintereinanderstehenden Kerne stetig abnimmt. Im Wesentlichen die gleiche Anordnung und relative Grösse zeigen die retinalen Hinterkerne auch im Mittel- und Seitenauge (Fig. 4 gz) von Scorpio, nur dass bei letzterem und bei nur mittel- starker Vergrösserung weniger die grob granulirten Kerne selbst, als ihre (0,003 mm) grossen homogenen Kernkörperchen scharf hervortreten. Mustert man nun einen möglichst dünnen und durch geringe Maceration sowie durch feine Glasnadeln hinten gelockerten Re- tinaschnitt und zwar von Buthus mit Zeiss Immers. L, so ergibt sich das mit möglichster Treue copirte Bild Fig. 14. Die ge- 72 V. Graber: gewissen Hinterkerne (gk) zunächst erscheinen als grosse, und wie schon bei schwacher Vergrösserung, stark lichtbrechende bräunlieh- gelbe Kugeln, im Innern mit mehreren blassrosa schimmernden Gebilden, von denen es uns, da wir sie nicht im frischen Zustand sahen, ungewiss ist, ob sie als Nucleoli zu deuten sind. Die Figur zeigt dann ferner, dass jeder dieser grossen Kerne einer sog. bipolaren Zelle (gz) angehört. Der hintere oder centripetale Fortsatz dieser Zellen, der übri- gens, da er selten in die axiale Schnittrichtung fällt, nur aus- nahmsweise vollständig zur Beobachtung gelangt, ist viel schmäler als der obere und verschmächtigt sich bald zu einer ca. 0,005 mm dieken und, wie auch an Querschnitten zu sehen, anscheinend voll- kommen homogenen Opticusfaser. Der vordere oder centrifugale Fortsatz hingegen erhebt sich in axialer Richtung als schlauchförmiges Gebilde nach oben und er- scheint vom Ursprung bis zum Ende fast von gleichem Kali- ber, wobei man stets um den körnigen Inhalt eine deutliche, meist scharf doppelteonturirte Membran unterscheiden kann. Fasst man dies Alles zusammen und berücksichtigt ausser der Lage und Form dieser Gebilde besonders die auffallende Grösse des Kernes, sowie die der Kernkörperchen, so dürfte die Berech- tigung, dieselben unter den Begriff der Ganglienzellen zu bringen, wohl kaum bestritten werden können. Wir legen aber das Hauptgewicht durchaus nicht auf die Benennung des genannten Abschnittes, sondern auf die an unsern Buthus-Präparaten wiederholt konstatirte Thatsache, dass jeder Retinalschlauch nicht bloss einen basalen, sondern wenigstens noch einen zweiten und zwar einen apikalen Kern hat. Hinsichtlich dieser Vorderkerne sei zunächst vorausgeschickt, dass sie sowohl wegen ihrer Lage (sie sind gleichsam eingeklemmt zwischen Septum und Stäbchen) als wegen ihrer relativen Klein- heit und ihres geringen Lichtbrechungsvermögens factisch oft ausser- ordentlich schwer zu bemerken sind, und dass also das gänzliche Uebersehen derselben von Seite der bisherigen Untersucher sehr leicht zu erklären ist. Trotz dieser Unscheinbarkeit und z. Th. wohl auch „Ver- gänglichkeit“ der Präbacillär-Kerne, die ja auch Grenacher be- tont, glauben wir uns aber doch von ihrer Existenz hinlänglich überzeugt zu haben. Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 73 Stellt man, aber an einem stark (mit Kalilauge) entfärbten und dann wieder etwas angesäuerten Präparat auf die Gegend des präretinalen Septums ein, so sieht man ganz knapp hinter dem- selben, jedoch noch innerhalb der Retinalschläuche selbst, von Stelle zu Stelle einen durch das gelöste Pigment etwas intensiver als die Umgebung roth gefärbten kreisrunden Fleck, z. Th. (Fig. 14ak) mit deutlich doppelt konturirter Wandschicht und bisweilen mit einem winzigen stark lichtbrechenden Binnenkörpercehen. — Der Durchmesser dieser Kerne ist nur wenig grösser als jener der Nucleoli im Basalkern und um ein Kleines geringer als jene der fast unmittelbar angrenzenden Glaskörperkerne. Eine Verwechselung mit den letzteren ist übrigens bei einiger Achtsamkeit auch deshalb ausgeschlossen, weil, wenigstens an den vorliegenden Präparaten von Buthus, bei unserer Behandlungsweise die Glaskörperkerne sich gar nicht oder kaum merklich mit dem Augenfarbstoff imbibiren !). Zwei polare, d. i. an den entgegengesetzten Enden der Re- tinaschläuche liegende Kerne mit ganglienzellenartiger Auftrei- bung des Basaltheiles findet man aber keineswegs bloss bei den Scorpioniden, wir konstatiren dasselbe Verhalten zunächst auch an dem vorderen Mittelauge einer Epeira, dem Grenacher ausschliesslich nur basale Kerne zuschreibt. In Fig. 25 beachte man vor Allem die grossen Ganglienzellen resp. die kolbenförmigen Basaltheile der Retinaschläuche (gz, gzı), die ganz wie beim Scorpiön vom Augengrund sich auch längs des Mantels nach oben ausbreiten, und überall eng in einandergekeilt und deshalb z. Th. polyedrisch umgrenzt erscheinen. Während die Endschläuche selbst im Mittel nur bei 0,007 mm breit sind, errei- chen’ die Anschwellungen eine Dicke von 0,01 mm und darüber. Der zugehörige runde Kern (gk) ist aber relativ beträchtlich kleiner als beim Scorpion, indem er ungefähr dasselbe Kaliber (0,006 mm) wie die Glaskörperkerne besitzt. Derselbe imbibirt sich meist mit dem Augenpigment, besitzt ferner eine deutliche Wandschicht, ist grob granulirt und wegen dieser Eigenschaften schon mit schwacher Vergrösserung sofort zu erkennen. In der Regel be- merkt man auch ein kleines helles Kernkörperehen. Dieselben Verhältnisse zeigt auch E. diadema. 1) Umgekehrt nehmen die hypodermalen sowie die extraoculären Zell- kerne viel leichter künstliche Farbstoffe auf als die retinalen. 74 V.Graber: Vergleicht man Grenacher’s Abbildung (Fig. 18 A) dessel- ben Objeetes mit der Wirklichkeit, so kann man sich nicht des Eindruckes erwehren, dass sie betreffs der in Rede stehenden Verhältnisse doch etwas allzu schematisch gehalten ist. Insbeson- dere sind die Basaltheile seiner Schläuche viel zu schlank und auch die Kerne zu länglich gezeichnet und möchten wir auch be- zweifeln, ob je an einem Schnitt die mittleren oder axialen Schläuche immer direet in der geraden Verlängerung der Optieusfasern lie- gen, da an unseren Präparaten neben den der Länge nach ge- troffenen Schläuchen stets auch Querschnitte von Ganglien- zellen sowie von Opticusfaserbündeln (Fig. 25 fa) sichtbar sind. Ich will gleich hier beifügen, dass im Ganzen dieselben Verhältnisse, wie wir sie für die Ganglienzellenschichte der Scor- pione und gewisser Spinnen eben angegeben haben, auch bei den Myriopoden, speciell bei Scolopendra (Fig. 17, 18 gz), Lithobius (Fig. 24) und Julus (Fig. 22 gz) wiederkehren. Zweifelhaft blieb mir aber bei Scolopendra, ob die so auffallend grossen runden Basalkugeln (Fig. 18) mit ihrer scharf doppelt-konturigen Wand und dem kleinen Binnenkörperchen als Kerne oder als Querdurch- schnitte dureh die Ganglienzelle selbst zu betrachten sind; grosse Basalkerne besitzt auch Julus (Fig. 22 gz). Zum vorderen Epeira-Auge zurückkehrend ist nun das Vor- handensein der von Grenacher hier gänzlich übersehenen Präba- eillär-Kerne (Fig. 25 ak) zu betonen. Man hat sie genau an der- selben Stelle wie bei Buthus zu suchen, ihre Auffindung erfordert aber noch feinere Schnitte, eine subtilere Behandlung und eine grössere Geduld und Achtsamkeit. Ich kann nur sagen, dass ich sie und zwar unter ganz analogen Verhältnissen wie dort, wirklich als distinete körnige Kreisflecke von 0,0045 mm, die der ganzen Erscheinung nach an die gleichliegenden und also auch gleiehwerthigen Nuelei am Hinterauge (Fig. 26 ak) erinnern, wirk- lich gesehen zu haben glaube. Was nun das Vorkommen solcher Kerne bei anderen Stemma’s anlangt, so habe ich bisher allerdings nirgends mehr dergleichen Ge- bilde mit der erforderlichen Sicherheit wahrgenommen, bedenkt man aber 1) dass ich deren Verbreitung bisher nicht, was ent- schieden nöthig ist, zum Gegenstand eines besondern Studiums machte, 2) dass die übrigen von mir untersuchten Stemma’s, zumal die der einheimischen Myriopoden, relativ sehr klein sind, Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 75 so ist es, wie wir schon oben hetonten, gewiss viel wahrschein- licher, dass diese Kerne sieh der Beobachtung entzogen haben, als dass sie wirklich fehlen!). Dass sich aber die Retinaschläuche des Tracheaten-Stemma’s in der That nieht in das Grenacher’sche Schema bannen lassen, zeigt auf das Eclatanteste der Umstand, dass ausser dem basalen Kern der Ganglienzelle, der von uns allgemein nachgewiesen ist, und ausser dem apikalen Nucleus, von dem ich auf Grund des Obigen annehmen muss, dass er gleichfalls eine weitere Verbreitung hat, auch noch und zwar zunächst bei Sceolopendra (Fig. 18) ein dritter Kern zur Beobach- tung gelangte. Hier sahen wir nämlich oberhalb der basalen Anschwellung und ungefähr in der Mitte jedes Retinaschlauches einen deut- lichen etwas länglichen Fleck (mk), von doppelter Kontur um- grenzt und im Innern, offenbar durch das ziegelrothe Augen- pigment, roth gefärbt. Anfangs, obwohl aus später zu erörternden Gründen vom Vorkommen eines solchen Mittelkernes durchaus nicht überrascht, dachten wir, dass hier vielleicht Schnitte durch quer oder auch etwas schief getroffene Retinalschläuche vorlä- gen; die ganze Lagerungsweise aber, ferner die Beschaffenheit so- wie die intensive Pigmentirung und der Umstand, dass diese Gebilde beträchtlich schmäler (0,005) als die Schläuche selbst (0,006—7) sind, lässt wohl kaum eine ungezwungenere Deutung als die zu, dass man es hier wirklich mit besonderen Inhaltskör- pern zu thun hat, die ihrer Lage nach den von uns inzwischen nach- sewiesenen Kernen der mediären Schichte im Aleiopiden- und Eunice-Auge entsprechen würden. Andeutungen solcher Kerne fanden wir auch einmal an einem Zupfpräparat vom Scorpio-Seitenauge (Fig. 5 mk), sowie an den vorderen und hinteren Mittelaugen von Epeira (Fig. 25 u. Fig. 26 mk) und zwar im Anfang der Entfärbung durch Oxalsäure, doch bleibt hier z. Th. die Möglichkeit einer Verwechslung mit den Kernen der Ganglienzellen nicht ausgeschlossen ?). 1) Unzweifelhafte präbacilläre Kerne (Fig. 29 ak) neben grossen ba- salen Nucleis (Fig. 27 und 28 gz) habe ich neuerlichst an frisch untersuchten Augen von Tegenaria domestica beobachtet. (Vgl. die Figuren-Erklärung.) 2) Neuestens gelang es uns an den in Fig. 26 mit mk? bezeichneten Gebilden mit Alaun-Carmin eine sehr distinete Färbung zu erzielen. 76 V. Graber: Hier muss ich noch speeiell in Bezug auf das hintere Mittel- _(Scheitel-) Auge von Epeira einer anderen höchst auffallenden Dif- ferenzirung gedenken. An einem medianen, d. i. der Körper- längsachse parallelen Schnitte erscheint die Retina dieses Stem- ma’s in der That in der von Grenacher (Fig. 18 B) angege- benen Art, wobei gegenüber dem Vorderauge besonders der Umstand bemerkenswerth ist, dass anscheinend sämmtliche Op- ticusfasern ohne die geringste basale Anschwellung in die stäb- chentragenden Endschläuche (vergl. auch unsere Figur 26 rechts) übergehen und damit also gegenüber dem gewöhnlichen Verhalten eine nicht zu verkennende Abweichung begründen. Schneidet man aber das erwähnte Hinterauge transversal und zugleich etwas schief von hinten und oben nach vorne und unten durch, so zeigt sich (Fig. 26) folgender Sachverhalt. Circa zwei Drittel der ganzen Retina, und zwar der gegen die Körper-Mittelaxe ge- richtete Theil, zeigen die vorerwähnte Pallisadenstructur (st). Der übrige Abschnitt aber, also der im äusseren Winkel gegen das seitliche Integument (hp‘) gelegene, bietet eine völlig andere Be- schaffenheit. Auf den ersten Blick erscheint das Ganze als eine Anhäufung (0,01 mm) dicker Ganglienzellen (gz) mit sehr deutlichen (0,004—5 grossen) Kernen, die jenen des Vor- derauges (Fig. 25 gz) sozusagen identisch sind. Zunächst könnte man nun glauben, dass diese Gebilde zu den rechts ge- legenen Stäbchen - Schläuchen gehören, dass aber hier das Ganglienzellenlager ausnahmsweise ganz seitwärts zusammenge- drängt sei. Diese Erklärung widerspricht aber einmal dem leicht zu konstatirenden Verhalten der Bacillärschläuche, welche nach hin- ten unmittelbar in die Optieusfasern übergehen, und dann der Be- schaffenheit gedachter Zellen selbst. Man sieht nämlich, dass sie sich gleich jenen des Vorderauges nach oben zu schlauch- artig verlängern, wobei aber diese peripherischen Fortsätze, so viel wir bisher erkannt haben, gegen einen mittleren in der Höhe der Stäbchen gelegenen hellen und anscheinend sphärisch be- grenzten grossen Körper von 0,026 mm Durchmesser zusammen- neigen. Da letzterer (x) in mancher Hinsicht an die subeutieulare und von einer schmalen Epithelsehicht (Matrix?) umgebene Linse des Raupenauges erinnert, und auch einzelne kleine Kerne sowie ein stellenweise stärker pigmentirter Hof um diesen Körper sicht- Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 77 bar sind, so frägt man sich unwillkürlich, ob denn hier innerhalb des allgemeinen Augenrahmens und unterhalb des gemein- samen Glaskörpers eine Art subordinirtes Binnenauge eingeschal- tet sein soll. Dass es mit dieser höchst eigenthümlichen Differenzirung eines Abschnittes der Gesammt-Retina wirklich seine Richtigkeit habe, beweist auch der Umstand, dass man am andern Auge des be- treffenden (Hinter-)Paares und zwar an der korrespondirenden Stelle, d. i. wieder an der äussern Seite, genau dieselbe Bil- dung antrifft !). Zuletzt noch eine Bemerkung bezüglich der Endausbreitung der Opticusfasern. Während sich nach Grenacher die Retinaschläuche in . der Regel als ziemlich gerade Fortsetzungen der Fasern des Op- ticus darstellen und die retinalen Abschnitte der letzteren ge- wissermassen nur durch die Anschwellung ihrer Enden etwas auseiandergebogen werden, findet sich speciell am Seitenauge von Scorpio entschieden eine besondere retinale Faserlage aus- gebildet. Wie Fig. 4 lehrt, breitet sich der Sehnerv am Grunde der Retina zu einem ziemlich dicken, der Selera-Matrix anliegenden, schalenförmigen Stratum aus, von dem dann unter z. Th. sehr beträchtlichen Winkeln die einzelnen zu den Ganglienzellen hin- tretenden Fasern abzweigen. Es zeigt sich hier demnach ein ähn- liches Verhalten wie etwa am Retinabecher der Wirbelthiere oder auch an den Otocysten, wo aber die Faserschichte des Acus- - tieus eine complete Kugelschale bildet. 1) Ob in dieser seitlichen Zweitheilung der Retina bez. auch des zuge- hörigen Opticusfaserstranges vielleicht irgend eine Analogie mit gewissen von Grenacher erwähnten Befunden an den angeblich stäbchenlosen Vorder- Schläuchen im Vorderauge von Lycosa (p. 49, Fig. 22 A) und den gleich- falls abacillären Randstrahlen von Saltieus (Fig. 28) vorliegt, muss vor- läufig dahingestellt bleiben; genug, dass wir sehen, dass sich das Prin- cip der Arbeitstheilung nicht bloss auf die einzelnen Augen eines und desselben Thieres, sondern auch auf die einzelnen von vornherein doch wahrscheinlich homologen bez. homonomen Strahlstücke einer und derselben Retina erstreckt. 78 V. Graber: Axialgebilde der Retinaschläuche. Nach Grenacher sind die eigentlichen Axenstäbehen solide und zwar im Allgemeinen theils eylindrische, theils prismatische oder auch plattenförmige Einlagerungen vorwiegend im vordersten Ab- schnitt der Endschläuche, die nach hinten derart scharf abge- schnitten sind, dass (p. 158) „für einen directen Zusammen- hang zwischen dem Stäbchen und der Nervenfaser (d.h. mit Ausschliessung der Vermittlung durch die Zelle), bisher noch alle Indieien fehlen“, womit offenbar, wie der Context zeigt, vornehmlich die Abwesenheit eines u. A. auch von R. Greeff am Aleiopidenauge angegebenen Axenfadens betont werden soll. Eine solche scharfe hintere Abgrenzung hat übrigens Gre- nacher im Ganzen nur in relativ wenigen Fällen constatirt, näm- lich bei Phalangium (Fig. 16, 17}, dann am Vorder- sowie am Hinterauge von Epeira (Fig. 19), ferner bei Lycosa (Hinterauge) und endlich bei Musea vomitoria, deren Mittel- d. i. in die Augenaxe fallenden Stäbchen länger als die Randelemente wären. Bei den übrigen Stemma’s dagegen blieb das Stäbchenhin- terende ziemlich unbestimmt. Abgesehen davon, dass, wie bei der Ungunst der Objecte leicht erklärlich, bei Pulex canis (Fig. 29) nur ein „gezähnelter Rand“ angegeben wird, und dass am Vorder- auge von Lycosa (p. 49 Fig. 22 A) nur an der Hinterpartie nach vorne an Grösse abnehmende, hinten spitz zapfenartige kurze Stäbehen bemerkt wurden, gilt dies besonders von den Salticus- und den Wespen-Augen. An den ersteren (äusseres Vorderrandauge und hinterstes) sieht man auf den betreffenden Grenacher’schen Figuren (25 u. 27) auch nicht die Spur einer hinteren Grenze und bemerkt auch Grena- cher (p. 51): „Nach hinten hin wird es schwieriger zu sagen, wie weit sie reichen, weil sie allmälig an Liehtbreehung abnehmen und dafür die den Retinazellen angehörige Granulirung ebenso allmälig einsetzt.“ Höchst interessant wäre nach ihm auch bezüglich der Stäb- chen-Entfaltung das innere Vorderrandauge (Fig. 28). Die Schläuche der Mantelschichte wären, gleich jenen von Phryganea grandis über- haupt, stäbehenlos. Die nächst folgenden innern Schläuche hätten dann vorne kurze scharf umgrenzte Zapfen, während die Stäbchen m — Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 79 der innersten axialen Schläuche (,Mittelzellen“) sehr dünn und zart erschienen und sich sehr stark gegen den Optieus (nach der Zeich- nung gegen die ganglienzellenartige Basalanschwellung) hin ver- längern (p. 54). Nach dieser letzteren Darstellung wird Grena- cher selbst zugeben, dass für einen ev. engeren Zusammenhang der Stäbehen mit den specifischen Nervenelementen doch nicht „alle Indieien fehlen“. Uebergehend auf die eigenen Untersuchungen so order sich dieselben vornehmlich nur auf die Stäbchen im Scorpioniden- auge, bezüglich welcher wir dem Leser mehrere Ansichten vorführen. Fig. 12 zeigt zunächst ein Zupfpräparat aus einer frischen Retina und zwar vom Mittelauge des Scorpio aus. Man sieht hier ein Bündel von Retinalschläuchen, aus deren abgerissenen Vorder- enden die Stäbchen als griffelartige und an der Spitze etwas hackig umgebogene Gebilde herausragen. Ein ähnliches Bild zeigen uns auch die betreffenden Ele- mente an Schnitten durch die Seitenaugen des gleichen Scor- pions (Fig. 4und 5), nur dass man hier, falls das Präparat behut- sam mit Salpetersäure entfärbt wird, die hinteren Enden der Stäb- chen weiter zurück verfolgen kann, wobei sie aber selbst an fein zertheilten Zupfpräparaten schon beträchtlich vor der Ganglienzelle dem Auge entschwinden. Einige bemerkenswerthe Aufschlüsse gibt betreffs desselben Auges noch der ziemlich oberflächliche Retinaquerschnitt in Fig. 8, der die Endschläuche selbstverständlich in sehr verschiedener Höhe und Richtung trifft. Man sieht hier (z.B. ez, ezs), 1. dass die völlig soliden Stäbchen nichtder Länge nach zusammen- gesetzt, sondern einfach sind, und 2. dass sie wenigstens mit ihren vorderen Abschnitten den deutlich doppelkonturigen Schlauch bis auf einen geringen eine pigmentirte körnige Substanz enthaltenden Zwischenraum fast vollständig ausfüllen, während sie nach hinten sich etwas zu verschmälern scheinen. Den besten Einblick gibt nun aber der mehr erwähnte halb zerzupfte Retinalschnitt von Buthus in Fig. 14. Hier erschei- nen die „Stäbchen“ als dieke homogene Axenstränge, die ca. nur ein Drittel der Schlauchbreite messen, und sich bis hart an die Ganglienzelle zurück verfolgen lassen. Meist zeigt dieser Strang einen mehr oder weniger welligen Verlauf und erinnert so an die Bilder, welche Leydig, auf Taf. IX Fig.3 e 80 V. Graber: vom Stemma der Honigbiene zeichnet. Dass aber dieser Mittel- strang hier nicht etwa (wie Leydig annimmt) auf die verdiekten Kanten der Schläuche bezogen werden kann, zeigt einmal der runde Querschnitt der letzteren und dann der Umstand, dass ich denselben an abgerissenen Schläuchen mit aller Sicherheit als ein selbständiges inneres Gebilde erkannte. Da namentlich der hin- tere Absehnitt dieser Stränge bisweilen ein feinstreifiges Aussehen zeigt und an einzelnen Schläuchen wenigstens aus einem be- sonderen zipfelartigen Fortsatz der Ganglienzellensubstanz zu ent- springen scheint, so dürfte die Anschauung, dass man es hier mit dem eigentlichen peripherischen Nervenende zu thun hat, doch wohl eine neuerliche Prüfung verdienen. Vergleichung der stemmalen Retinastrahlen mit den Endschläuehen der tympanalen Sinnesapparate der Orthopteren. Schon in meiner Monographie der letztgenannten Organe habe ich wiederholt auf die Aehnlichkeit zwischen denselben und den stemmalen Sehwerkzeugen sowohl hinsichtlich des gesammten Bauplanes als mit Rücksicht auf die morphologische und hi- stologische Beziehung ihrer Endgebilde hingewiesen und nunmehr, da ich auch das andere Vergleichungsobjeet aus eigener Anschau- ung näher kenne, bin ich in der Lage diese Parallele noch weiter auszuführen. Die Confrontirung des Müller'schen Tympanalorganes der Acridier (etwa nach Fig. 134 des gedachten Werkes) mit einem Stemma z. B. dem von Scolopendra in Fig. 17 a ergibt zunächst die allgemeine Uebereinstimmung, indem speciell die An- ordnung der basalen Ganglienzellen und die der bei- demale zu einem Becher vereinigten stäbcehentragen- den Endschläuche bei beiden Organen so zu sagen die gleiche ist. | Zur Vergleichung im Detail diene dann der beistehende Holz- schnitt. Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 8l ER ET ELSCH TR zo "07 0°.6 EI = "0.0, 2,0 98:0 A. Schema eines retinalen Endschlauches von Buthus. B. Schema eines tympanalen Endschlauches von Acridium. aCu äussere Cuticula, Hp Hypo- dermis, gl Glaskörper, icu innere Cuticula, vk Vorderkern des Endschlauches, st Stäbchen, mk Mittelkern, x Axenstrang (Chorda), gz Ganglienzelle mit Kern. n Opticus- resp. „Austicus“-Faser. A ist eine nur wenig vereinfachte Copie eines Retinalstrahles von Buthus in Fig. 14; B desgl. von einem „Hörschlauche“, nach den Figuren 132, 84, 90 und 92 in genannter Abhandlung. An letz- terem findet man nach wiederholten und genauesten Untersuchungen: Zu äusserst die Cuticula (aCu), darunter eine deutliche Hypoderm- zelle (Hp) mit ‘einem besonderen Kern, in der Regel, wie an den Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 17. 6 82 V. Graber: meisten Matrixzellen, von Pigment umgeben. Diese zieht sich (vgl. Figur 86 und 132) in einen mehr weniger langen Fortsatz aus, der scheinbar oft ohne Grenze (icu) in den eigentlichen spindel- förmig aufgetriebenen Endschlauch übergeht. Nach Innen ver- engert sich dieser Schlauch und erweitert sich dann bald früher bald (Locustiden Fig. 74 vN, gz) erst in sehr beträchtlicher Ent- fernung wieder zur grossen kugelartigen Ganglienzelle, die einen umfangreichen doppeltcontourigen Kern mit 1—3 deutlichen Kern- körperchen einschliesst. Im Wesentlichen dieselbe Gliederung zeigt nun auch nach dem Obigen der Retinastrahl des Stemma’s, nur dass hier die (axiale) Integumentzelle nicht pigmentirt, sondern vollkommen durchsich- tig erscheint, und ferner vom Endschlauch durch die innere inte- gumentale Grenzhaut scharf abgegrenzt ist. Dass aber auch hier der sub-integumentale Strahl-Abschnitt in zwei scharf gesonderte Strecken, nämlich in die Ganglienzelle und in den eigentlichen Endschlauch gegliedert ist, dürfte nach dem früheren kaum zu be- zweifeln sein. Betreffs des wichtigsten Bestandtheiles, nämlich des stäbchen- artigen Axengebildes ist dann dies zu beachten. Die in Fig. 84 und 90 des genannten Werkes abgebildeten mit grösster Sorgfalt im frischen Zustand präparirten Hörscffläuche (resp. Stifte) bewei- sen, dass hier der dünne chordaartige Axenstrang entschie- den mit mehreren nach aussen eonvergirenden Fasern (w) in der Ganglienzelle selbst wurzelt und demnach als direcete Fort- setzung eines wahren Nervenelementes aufzufassen ist. Wenn nun auch a priori die Sicherheit der betreffenden Beob- achtungen nicht den weniger exacten Befund hinsichtlich des Axenstrangs der Buthus-Retina zu ergänzen vermag, so zeigt sie doch, dass es factisch so sein kann, während für die Annahme, dass der Axenstrang hier nicht aus der Ganglienzelle entspringt, sondern als Erzeugniss oder Abscheidungs- produet des Endschlauches selbst frei in demselben schwebe, kein sicherer Anhaltspunct zu finden ist. Da es übrigens bezüglich der stiftartigen Endanschwellung an der Axenfaser des Hörschlauches zweifelhaft bleibt, ob dieser Kolben in seiner Totalität als Endtheil der Axenfaser aufzufassen ist, oder ob bloss sein Mittelfaden als soleher zu gelten hat, während der übrige oder Manteltheil vielleicht eine euticulare Abscheidung des Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 83 Endschlauches vorstellt, so ist die Möglichkeit, dass auch der Seh- stab, wie ihn Grenacher bei manchen Spinnen darstellt, von dem, was wir bei Buthus als Axenstrang bezeichnen, verschieden sei, immerhin in Erwägung zu ziehen. Einen besonderen Nachdruck lege ich aber speciell auf die Uebereinstimmung in den Kerngebilden der zwei Arten von End- Schläuchen. - An sämmtlichen Hörschläuchen findet man mit vollster Sicherheit (ausser dem Ganglienzellen-Nucleus) wenigstens noch einen theils mehr basal, theils median gelegenen Kern (Fig. 85, 84 ete. wk), der der Lage nach mit dem Mittelkerne (mk) von Scolopendra) übereinstimmt, und die Frage, ob der Gesammtend- schlauch (incl. Ganglienkugel) als einzelliges Gebilde betrachtet werden kann, muss sonach hier mit aller Entschiedenheit ver- neint werden. An den schlanken Hörschläuchen mancher Orthopteren und sanz allgemein an den Endblasen des Siebold’schen Tibialorganes der Locustiden findet man aber ausser dem „Wurzelkern“ (wk) auch noch einen „Gipfelkern“ (gk), der offen- bar mit dem präbaeillären Nucleus der Retinaschläuche zu ver- gleichen wäre. Während nun, wie wir schon gehört, &renacher den ge- sammten Retinastrahl als eine einzige einkernige Zelle auffasst, ferner die höchst auffallende ungleiche Lage des Kernes (p. 55) durch eine Verschiebung in Folge der Stäbchenausscheidung er- klärt und (p. 49) noch ausdrücklich hervorhebt, dass zwischen der Optieusfaser und der „Retinazelle“ keine Einschiebung eines neuen "histologischen Elementes (Ganglienzelle) stattfindet, erweist sich uns nach dem vorstehenden das stemmale so gut wie das tympanale Endgebilde als ein in zwei Abschnitte, Ganglienzelle und End- schlauch differeneirtes Organ, und da, z. Th. wenigstens, der Endschlauch selbst wieder zwei Kerne besitzt, muss man wohl Anstand nehmen, selbst diesen Abschnitt allein als ein einfaches Zell-Individuum zu betrachten. Parietale Pigment- und Matrixzoneder Retina. Behandelt man die Retina von Scolopendra mit, Kalilauge, so sieht man, dass dieselbe zweierlei auch der Farbe nach ver- 84 V. Graber: schiedene Pigmentschichten enthält, nämlich (Fig. 18) eine all- gemeine parietale Zone von (nach Kalizusatz) blauvioletter Farbe, die sieh auch auf den Opticus fortsetzt und überhaupt an die Ma- trix der Selera bez. der cuticularen Nervenscheide gebunden ist, und dann ein im frischen Zustand mehr kirschrothes später ins Ziegelrothe übergehendes Pigment, das die einzelnen Sehstäbe einhüllt. Ein eigenthümliches und nicht ganz leicht zu erklärendes Verhalten bietet nun besonders die parietale Pigmentzone der Bu- thus-Retina. An einem unentfärbten Axenschnitt (Fig. 13 links) bemerkt man zunächst, dass das dunkelschwarze Pigment derart vertheilt ist, dass es eine zusammenhängende auch die Vorder-Wand der Retina in sich begreifende Parietalzone bildet, während es in der mittleren von den radiären Schläuchen eingenommenen Schiehte eine streifenweise Anordnung zeigt. Nach längerer aber schonerder Einwirkung von Kalilauge verblasst dann die Mittelzone (Fig. 13 rechts und Fig. 14) voll- ständig, während ringsum, auch vorne, also an der Linsenseite, ein breiter rosagefärbter Saum zurückbleibt. Mustert man nun diesen zunächst an der Hinterseite bei starker Vergrösserung, so erweist er sich als eine feinkörmnige Lage mit einzelnen meist nicht sehr deutlichen Kernen (Fig. 14 k“‘). Da man nun aus- serdem in dieser granulären Schichte quere und auf der Selera senkrecht stehende Züge resp. Scheidewände bemerkt, so ist die Annahme, dass man es hier mit einer hohen eylinderepithelartigen Selera-Matrix zu thun habe, von vorne herein gewiss sehr nahe- liegend. Auffallend ist aber, dass der Vordersaum der Retina, unter dem Septum, die, trotz der an dieser Stelle liegenden Kerne doch kaum als ein selbständiges Matrix-Epithel angesprochen wer- den kann, wenigstens hinsichtlich der Färbung doch anscheinend kontinuirlich in die Hinterschichte übergeht. Untersucht man nun vorerst die Seitentheile (K“) dieser pigmen- tirten Mantelschicht und zwar zunächst weiter oben vom Kelchrand (k‘) aus, so scheint ein solcher Uebergang faetisch auch in ande- rer Beziehung stattzufinden. Hier sieht man nämlich deutliche mit einem sehr distineten Nucleus versehene Zellen, resp. Endtheile von solchen, die aber schon insoferne kaum als einfache Wand- epithelelemente gelten können, als sie auf der zugehörigen Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 85 Cutieula (Selera) nicht senkrecht, sondern sehr schief stehen, so zwar, dass siegegen den Kelchrand zu sichall- mälig in gleiche Linie mit den stäbchenführenden Re- tinalschläuchen stellen. Beachtet man nun ferner: 1. dass diese Seitenwandelemente nach oben stufenweise länger zu werden scheinen, 2. dass man an ihrer Basis in der Regel stark lichtbrechende auf Stäbchen zu beziehende Einschlüsse findet und 3. endlich den Uebergang in die gerade nach vorne verlaufenden Retinalschläuche, so kommt man zur Ueber- zeugung, dass sie selbst nichts anderes als die durch den Schnitt ab- getrennten Endstücke von solchen sein hönnen, die aber, da andere subeutieulare Gebilde völlig zu fehlen scheinen, jedenfalls, wenig- stens auf dieser Strecke, unbeschadet ihrer allfälligen anderen Functionen die Rolle von Matrixzellen übernommen haben. Im Gegensatz zu Grenacher, der einerseits sämmtliche Retinal- schläuche gegen die Linse streben lässt, während er andererseits _ den schon oben berührten und gleichfalls nach innen conver- sirenden „Randzellen“ (z. B. seine Fig. 28 Rt‘) die Stäbchen z. Th. abspricht, sehen wir also bei Buthus und — wenn auch weniger klar — bei Epeira (Fig. 25 ak), dass die äussersten Retinaschläuche schon weit unten an der Seitenwand der Au- senkapsel endigen, während die übrigen, in stufenweiser An- ordnung, ihr Ende nur successive nach oben, bez. nach innen gegen den Boden des Retinalkelches verlegen. Da es von vorne herein zum mindesten etwas ungewöhnlich erscheint, dass die Enden der Retinaschläuche im Dienste der Cuticular-Bildung stehen sollten, möchten wir noch Folgendes hervorheben. Aus Fig. 13 (links) ergibt sich, dass auch die zur Linse hin- strebenden Randschläuche kaum eine perceptive Bedeutung haben können, da durch das weit darüber hinaus, d. i. nach innen sich verbreitende Hypodermis- oder Irispigment (Ir) das Licht vom Retinarande abgeblendet wird, und konnten also die betref- fenden stets im dunkeln stehenden Elemente z. Th. viel- leicht unter totaler oder doch partieller Rückbildung der Stäbchen einer anderen Function ganz wohl angepasst werden. Retinula-artige Gruppirung der Netzhautstrahlen im Scorpionstemma. Einen Hauptunterschied zwischen dem unicornealen Stemma 86 V. Graber: und dem multicornealen oder Facettauge findet Grenacher be- sonders in der Lagerungsweise ihrer Retinaelemente, nämlich darin, dass diese beim ersteren als morpho- und physiologisch vollstän- dig selbständige, pallisadenartig nebeneinander stehende letzte Einheiten der Retina erscheinen, während sich die correspondi- renden und von Grenacher als einfache Zellen betrachteten Ele- mente im Netzauge zu Einheiten höherer Ordnung d. i. zu den sog. Retinulae vereinigen oder gruppiren, indem letztere nach den grundlegenden und ausgedehnten Nachweisen Grenacher's, that- sächlich immer aus einer mehr oder weniger innigen „Coalescenz einer bestimmten Anzahl (meist 7, dann 5 und 4, selten 8) von Ein- zelelementen“ (p. 137) hervorgehen, wobei bekanntlich in der Regel die gegen die Axe der ganzen Zellgruppe gerückten Sehstäbe zu einem einzigen mehrtheiligen oder gemeinschaftlichen Axenstab, dem „Rhabdom“ verschmelzen. Dass aber Grenacher die völlige Isolirtheit der einzel- nen Retinaenden im typischen Stemma auch als eine ganz allge- meine Eigenschaft dieser Augen auffasst, geht dann aus einer Stelle (p. 138) hervor, wo er gegen die von Leydig betonte Vergleich- barkeit des Stemma’s mit dem Facettauge (in toto) auf die dem letztern so „eigenthümliche“ dem Stemma aber „fehlende“ „Grup- penbildung“ hinweist, und dann weiter meint, dass demnach auch ohne Dazwischentreten eines „Deus ex machina“ an eine Umwand- lung des einen Auges in das andere im Sinne der Descendenztheorie nicht gedacht werden könne. Um so interessanter dürfte dem gegenüber der folgende Nach- weis sein, dass in der That auch ein typisches Stemma, und zwar das des Scorpions, eine parcellirte oder, wenn wir so sagen dürfen, eine facettirte Netzhaut besitzt. Bereits im Herbst 1875 erkannte ich auf der napfartig ausgehöhlten Vorderfläche einer frischen Re- tina eines Mittelauges von Seorpio europ. unterhalb des Glas- körper-Epithels (gl) die auf der aus jener Zeit stammenden Fi- gur 6 dargestellte höchst auffallende Mosaik aus konstant fünf- strahligen Rosetten (r, ro und Fig. 10, 11) und überzeugte mich an reichem frischen Material, das mir der bekannte Arach- nologe A. Ausserer verschaffte, dass die Strahlen dieser Rosetten nichts Anderes sind als die an ihrer Spitze hakenartig umgebo- genen Stäbehengebilde (Fig. 9, 12). Diese wichtige Thatsache trug ich dann zuerst in der Januar- Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 87 sitzung der zool.-bot. Ges. in Wien (1876) vor, wobei ich die Ro- setten mit den mehrtheiligen Endkolben (des Sehstabes) von Herb- stia (Leydig, Histologie p. 251 Fig. 133 A) verglich. Ausserdem erwähnte ich noch dieses Factum in meinem Buch „Organismus der Inseeten“ (München 1877), wo es p. 286 heisst: „Eine merkwürdige Erscheinung haben wir schon vor längerer Zeit an den Scorpionaugen entdeckt. Hier sondern sich die aus mehreren Körner- und Faserlagen (Ganglienzellen- und Opticusfa- serschichte!) sich erhebenden Sehstäbe in Gruppen von je fünf Individuen.“ Neuestens habe ich mich nun, unter gleichzeitiger Revidirung der älteren Präparate überzeugt, dass diese Gruppirung keineswegs bloss auf die Mittelaugen beschränkt, sondern in ganz gleicher Weise auch den Seitenaugen eigen ist, worüber man den Flächen- schnitt Fig. Seinsehe. Auch hier findet man stets nur pentamere Ro- setten und bemerkt zugleich, dass die bei der höchsten Einstellung ganz kurzen, beim Senken des Tubus aber sich verlängernden d. i. auf grössere Tiefen hinab sichtbar werdenden Stäbe bis zur Spitze hin von einem besonderen Futteral, d. i. eben vom Retinalschlauch umhüllt sind.- Dass nun aber diese (bei der tiefsten Einstellung ca. 0,035 mm breiten) Gruppen wirklich den Retinulae des Facettauges entspre- chen, zeigt am Besten die Vergleichung z. B. mit der Tipula- Retina (Grenacher’s Fig. 44, 45), wo man in der That ganz ähnliche, aber bekanntlich siebenstrahlige Stäbchenrosetten wahr- nimmt. Ungewiss bleibt mir aber, ob diese Endzellen- resp. Stäbehen- sruppen durch besondere Pigmentzonen von einander isolirt sind. Auf dem Präparat Fig. 6 und 8 finden sich Andeutungen davon und auch der Tiefenschnitt Fig. 13 (links) würde dem nicht widerspre- chen; es fehlt mir aber gegenwärtig das Material, um diese wichtige Frage endgültig zu lösen. Da die stemmalen Stäbehen in der Regel mehrtheilig, die von Scorpio aber entschieden einfach sind, so ergibt sich von selbst die Frage, ob zwischen dem polymeren Stäbchen einer Endzelle und dem rhabdom-artigen Stäbchencomplex einer ganzen Zellgruppe eine gewisse functionelle Uebereinstimmung besteht. Auf alle Fälle hat man es hier mit einem hochinteressanten Fall von Convergenzbildung zu thun; da von einem unmit- 88 V.Graber: telbaren Uebergang eines so hoch differeneirten Stemma’s in ein Facettauge in der That nicht wohl die Rede sein kann. Hauptergebnisse. . Die Cornea-Linse des Stemma’s zeigt nicht bloss die lamellare Structur, sondern auch die feinen Porenkanäle der integumen- talen Chitin-Cutieula. Die Retina des Stemma ist in ihrer ganzen Ausdehnung durch eine besondere cutieulare mit der Selera zusammen- hängende Zwischenlamelle (präretinales Septum) vom integu- mentalen Epithel (Hypodermis, „Pigment-“ und „Glaskörper“- zellen) abgesondert. — Dies spricht (vom rein topographischen Standpunet aus) für die Ausschliessung derselben von der Hypodermis. . Der einzelne Retinastrahl des Stemma ist im Allgemeinen keine einfache Zelle (Grenacher), wie jener des Facettauges, sondern gliedert sich in zwei Abschnitte, in eine basale Ganglienzelle und in einen ein- (vielleicht z. Th. auch zwei-) kernigen Endschlauch. Dies spricht gegen die unmittelbare Vergleichbarkeit des gesammten stemmalen Retinastrahles mit den „Retinazellen“ des Facettauges. . Der Axenstab der Retinaschläuche von Buthus scheint eine directe mediane Fortsetzung der Ganglienzelle, resp. der Opti- cusfaser zu sein. . Die Retinaschläuche von Buthus convergiren keineswegs alle gegen die Linse zu, sondern die äussersten endigen schon tief unten an der Wand der Augenkapsel und rücken stufen- weise gegen den Kelchrand resp. gegen die obere Fläche des Retinapolsters empor. . Die Enden der Retinaschläuche scheinen, z. Th. wenigstens, die Matrix der Selera zu bilden. Die Retinalschläuche des Buthus-Stemma sind nicht isolirte Elemente, sondern pruppiren sich, wie im Facettauge, zu pentameren (retinula-artigen) Perceptionsorganen höherer Ord- nung. Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 89 Grössen-Angaben in Millim. Linse Glaskörper [Ganglienzelle| Endschlauch FE rE in Bo Sal | ie | -E ar Ss lalsıIsläle Scorpio eur. Seitenauge 0.22 | 0.28 | 0.7 10.006 0.015 | 0.01 Buthus afer Mittelauge 0.41 | 0.30 | 1.4 [0.008 0.006 | 0.017 | 0.01] 0.01| 0.005 Epeira Schreib. Vorderauge 0.20 || 0.15 | 1.3 0.006 | 0.01 || 0.006] 0.006 0.004 Hinterauge 0.01 || 0.006] 0.006 Julus sabul. 0.05 | 0.08 | 0.6 10.008 0.005 Dicke. Scolopend. eing.| 0.23 | 0.22 | 1.0 [0.011 0.008?| 0.007 Lithobius forf. | 0.07 || 0.07 | 1.0 [0.008 j0008 | Erklärung der Abbildungen auf Tafel V bis VII. Durchgehende Bezeichnungen. aCu äussere Cuticula. c-] Cornea-Linse, ae | Cuticula-Poren. p feine hp Integumental-Epithel, (Hypodermis). pz Linsen-Rand- oder Pigmentzellen. gl Linsenepithel- oder Glaskörperzellen. gr innere cuticulare Grenzhaut der Hypodermis. sc Fortsetzung der Grenzhaut auf die Retina (Selera). la Fortsetzung der Grenzhaut auf die Vorderfläche der Retina (präretinale Zwischenlamelle oder sog. Hyaloidea). 90 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. V. Graber: v Spaltungs- resp. Verbindungsstelle der genannten drei Grenzhaut- strecken. fa Opticusfasern. gz Ganglienzellen der Retina. gk Kern derselben. ez Endschläuche (der Retina). ak apicaler oder Vorderkern. mk Mittelkern derselben. st Stäbchen. ax Axenstrang bez. Fortsetzung der Stäbchen nach innen gegen die Ganglienzelle. no nervus opticus. Tafel:V. . Scorpio europaeus Schr. Mittelaugen isolir. r Retina. no nerv. opticus. Schwach vergrössert. . Scorpio europaeus Schr. Seitenaugen von innen. Schwach vergr. > 5 r Partie eines transversalen Tiefenschnit- tes durch die Mittelaugen. r Retina in toto. r‘ im Durchschnitt. b Blutgefäss in der integum. Bindegewebslage zwischen den Augen. m dorsoventrale Thoraxmuskeln. Alc. Kalilauge. Schwach ver- grössert. . Scorpio europaeus Schr. Seitenauge. Medianschnitt. Alcohol. Kalilauge. Camera lucida. Zeiss Immers. III. Die Retina zeigt deutlich drei Straten: Faser-, Ganglienzellen und Stäbchenzellen- 220 schicht. Vergr. > . Scorpio europaeus Schr. Retina-Zupfpräparat ebendaher. Man sieht deutlich den Vorderkern (ak) und Andeutungen eines Mittel- kernes (mk). Zeiss Immers. III Vergr. —- . Scorpio europaeus Schr. Mittelauge. Frische mit Kalilauge behutsam entfärbte Retina von oben gesehen. Man erblickt die rosettenartig gruppirten Stäbchen r. ro. gl ein Stück hängengeblie- benes Glaskörper-Epithel. Zeiss F. . Scorpio europaeus Schr. Mittelauge. Stück eines Schnittes (f. 3r‘) nach starker auflösender Einwirkung von Kalilauge. . Scorpio europaeus Schr. Seitenauge. Stück eines Retina- Flächenschnittes. Gegen die Mitte zu sieht man die zu fünfstrahligen Rosetten vereinigten Stäbchenenden, gegen den Rand quer- und schiefgetroffene Endschläuche, sowie zu äusserst auch Ganglienzellen gz. Alcohol. Kalilauge. Zeiss Immers. III. Vergr. — Fig. Fig. Fig. Fig. Fig: Fig. Fig. Fig. Fig. Ueber das unicorneale Tracheaten-Äuge. 9 9--12. Seorpio europaeus Schr. Mittelauge. Verschiedene An- sichten der Stäbehen-Gruppen von frischen Augen. Fig. 9. Eine Gruppe halb von der Seite gesehen. Man sieht die hakenartige Umbiegung der Stäbchenspitze. Fig. 10. Von oben bei hoher, Fig. 11 bei tiefer Einstellung. Fig. 12. Frische isolirte Endschläuche mit den hakenartigen Stäbchenenden. Zeiss. Immers. II. 13. Buthus afer L. Mittelauge. Medianschnitt. Cam. lucida-Zeich- nung links im natürlichen, rechts im entfärbten Zustand. Man beachte das hypodermale Randpigment (Iris Ir.), dann den dunkeln (rosafarbigen) Saum um die Retina (rechts), sowie die Kerne der Ganglienzellen (gz). h Spaltraum in der Cornealinse. Zeiss Imm. II. 120, Vergr. ur 14. Buthus afer L. Die äussere Partie (rechts) desselben Schnit- tes bei sehr starker Vergrösserung. = Tafel VI. 15. Scolopendra cingulata L. Seitentheil des Kopfes mit den Augen. 16. Scolopendra cingulata L. Transversalschnitt (in der Richtung xx Fig. 15) im unentfärbten Zustand. Man beachte den ziem- lich dicken Glaskörper (gl) und das sich auf den Sehnerv (no) fortsetzende Netzhautpigment mit der relativ hellen Mittelzone (d). Vergr. -_ 17. Scolopendra cingulata L. Dasselbe bei stärkerer Vergrösserung. Zeiss Imm. L. cam. luc. nach Entfärbung mit Kalilauge. Retina des äusseren Auges (a) in toto mit durch den Linsenboden durchschei- nendem Glaskörper; die des inneren (i) im Durchschnitt (Glaskörper 160 zu schmal gezeichnet). Vergr. 18. Scolopendra cingulata_L. Randpartie desselben Retinaschnittes. k Kern der nach Kalilaugezusatz tiefblau sich färbenden Sclera-Ma- trix. mk Mittelkerne. Zeiss Imm. III. Vergr. za00. 19. Scolopendra cingulata L. A Glaskörper. B Endschläuche mit 1400, den Stäbchen von der Fläche gesehen. Vergr. 20. Julus sabulosus L. Querschnitt durch den entkalkten Kopf in der Gegend der Augen (au). Man sieht in der Mitte das Schlund- rohr (sch) mit seiner längsfaltigen Chitin- resp. Schleimhaut und den Längs- und Ringmuskeln. Darüber das Gehirn (oberes Schlund- 92 Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 2. V. Graber: ganglion) mit mehrfachen zum Theil sich kreuzenden Faserzügen und den hauptsächlich an der Hirnrinde postirten grossen Ganglien- zellen mit Kern und Kernkörperchen. Beiderseits die lobi optici und nach unten, rings um den Schlund, die Komissuren (co) zum unteren kleinen Schlundganglion (uG). m Muskeln mit der sehnigen Platte (s), dr tubulöse (Speichel-?) Drüsen. bl mit Blut ge- füllte Hohlräume über dem Gehirn und unter den Augen. Vergr. z Cam. lue. Julus sabulosus L. Schnitt durch die unmittelbar aneinander stossenden Einzelaugen nach Entfärbung mit Kalilauge. Der Weich- körper des aggregirten Gesammtauges zeigt sich als eine deutlich doppelblättrige gefaltete aber sehr schmale Lage, welche nach Kalilaugezusatz gelblich erscheint, während die Linsen und die Cuti- cula überhaupt sich violett färben. pg Stärker pigmentirte ober- flächliche Flecke der Cuticula, die man auch zwischen den einzelnen Ocellen findet. no Gemeinsamer an die Augen tretender und sich dort verzweigender nerv. opt. Zeiss F. Vergr. z ® Julus sabulosusL. Ein Einzelauge ebendaher mit Zeiss Imm. III angesehen. gl Kerne des Glaskörpers. r grosse (Ganglienzellen ?) Kerne in der Retina. Vergr. _ Lithobius forficatus L. Kopf-Querschnitt. au aggregirte Ocellen. lo lobi optici. he obere Hirn-Hemisphären. bi spongiöses Bindege- webe. s innen gezähneltes Schlundrohr. osm den meisten Tracheaten zukommende Muskeln, womit die obere Schlundwand in die Höhe gezogen, resp. der Schlund erweitert wird. tr Tracheen, k Mandi- beln. km zugehörige Muskeln. Camera lucida Vergr. = Lithobius forficatus L. Einzelnes mit Oxalsä@re entfärbtes Stemma. Man sieht an der Hinterfläche der Linse den aus sehr breiten Pflasterzellen bestehenden Glaskörper und (bei anderer Ein- stellung) die stäbchenartigen Gebilde der Retina. Ganglienzellen gz (innerhalb der Sclera!) sehr deutlich. Zeiss Imm. III. Vergr. = Tafel VI. Epeira Schreibersii Dol. Vorderes Mittel- oder sogenanntes Stirnauge. Vorderste oder frontale Partie eines medianen Tie- fenschnittes der Retina und Umgebung nach behutsamer Ent- färbung mit Kalilauge mit Zeiss Imm. III. Man beachte die cuticulare Zwischenlamelle (la) vor der Retina, welche sich bei v mit der Sclera vereinigt, dann die unscheinbaren Kerne am Fig. Fig. "Fig. Fig. Fig. Fig. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Ueber das unicorneale Tracheaten-Auge. 93 Ende der Retinaschläuche (ak). m Augenmuskelquerschnitte. 1000, 1 Epeira Schreibersii Dol. Hinteres Mittel- oder sog. Scheitel- auge. Laterale, d. i. gegen die Seitenflanken des Kopfes liegende Partie eines schief von hinten und oben nach vorne und unten ge- richteten Schnittes. Links von den typischen stäbchenführenden Schläuchen befindet sich ein besonderer aus Ganglienzellen beste- hender Abschnitt (gz) mit einem linsenartig aussehenden Gebilde x. Zeiss Imm. III. Vergr. — Vergr. Tegenaria domestica. Zupfpräparat der Scheitelaugen, frisch in Blutserum untersucht. Glaskörperzellen (gl) bis auf eine schwache Körnelung ganz wasserhell, Kerne (a) derselben blass rosa. Ta bläulich grün schimmerndes Tapetum (vrgl. Leydig Histologie pag. 254). ax dünne z. Th. zerbrochene Axenstäbe, gz Ganglienzellen mit blass rosafarbigem Kern. Vergr. — Zeiss Imm. L. Tegenaria domestica. Partie Retina ebendaher, frisch in Os- miumsäure. Die Axenstäbe erscheinen als spröde, etwas gelblich glän- zende Gebilde vom Aussehen eines zarten Chitinhaares. gz Ganglien- zellen in einem weitmaschigen Netz schwarzbrauner Pigmentkörner, no Ast des nervus opticus mit seiner chitinösen Scheide (sch). Vergr. = (Axenstäbe) — Tegenaria domestica. Stück Retina ebendaher frisch im Blut des Thieres. gl Glaskörperzellen. st Stäbchen deutlich rosa- violett gefärbt. ak präbacillärer Kern der Endschläuche (nicht zu Zeiss. Imm. L. verwechseln mit den viel grösseren Glaskörperkernen). Vergr. —_ Zeiss Imm. L. Tegenaria domestica. Krystalloide Plättchen des Tapetums im frischen Zustand mit Zeiss Imm. L. Vergr. — Thomisus sp. Zupfpräparat. Retinale querstreifige (runzelige?) Endschläuche der Scheitelaugen frisch in Osmiumsäure. Glaskör- perzellen (gl) scheinbar in kontinuirlichkem Zusammenhang mit den Retinalschläuchen. Vergr. z “ 94 V. Graber: Nachtrag. Nachtrag, betreffend die Convergenz zwischen dem Tracheaten- und Annelidenstemma. Von V. Graber. Meine neuesten zur Prüfung gewisser Fragen auch auf die Anneliden ausgedehnten Augen-Studien ergaben bisher folgendes. 18 Die Augen der Nereiden i. w. S., die man bisher z. Th. als einfache Pigmentflecke aufführte, besitzen einen aus modi- fieirten Hypodermzellen bestehenden Glaskörper mit basalen Kernen. . In diesem grosszelligen Glaskörper differeneirt sich häufig (Eunice, Nephthys ete.) ein geschichteter und von einer be- sonderen Kapsel umgebener linsenartiger Binnenkörper. . Unter dem Glaskörper findet sich überall eine besondere in Karmin sich rasch röthende eutieulare Glashaut. . Die Retinalschläuche zeigen im Allgemeinen den von Greeff bei den Aleiopiden geschilderten Bau, lassen aber meist ausser dem basalen noch einen präbaecillären und (Eunice z. B.) bisweilen auch einen mittleren (drit- ten) Kern erkennen. . Die hohlen (röhrenf.) Stäbchen sind von einem von der Gang- lienzelle ausgehenden dünnen Axenfaden durchzogen. . Daraus ergibt sich zur Genüge die Convergenz mit dem Tra- cheatenstemma, nur dass hier der Linsenkörper, ähnlich wie im Raupenstemma, nicht äusserlich, sondern im Innern der integumentalen Zellschichte differeneirt wird. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 95 Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seiten- organe der Fische. I. Die Seitenorgane von Chimaera. Von B. Solger. Hierzu Tafel VII. Wenn die Reihe von Untersuchungen der als Seitenorgane bezeichneten Hautsinneswerkzeuge, deren erster Abschnitt hier vor- liegt, mit einer Schilderung des Befundes von Chimaera eröffnet wird, so involvirt dieses Beginnen, wie der Verfasser dieses Auf- satzes sich wobl bewusst ist, einen Verstoss gegen die Ordnung, an welcher eine streng methodische Vergleichung der Organe inner- halb des Wirbelthier-Stammes gegenwärtig festhalten muss. Am- phioxus, und wenn hier, wie es wahrscheinlich ist, keine An- knüpfungspunkte sich finden sollten, die Cyelostomen würden an die Spitze der Betrachtung zu stellen sein, die dann zu den Selachiern und nun erst zu den Holocephalen, zu denen Chimaera gehört, sich wenden müsste. Denn bezüglich der Cyelostomen liegen be- reits werthvolle, thatsächliche Nachweise vor, welche das Vorkom- men ganz ähnlich gebauter Sinnesorgane auch innerhalb dieser Gruppe lehren, und die von Langerhans!) dazu benutzt werden, die Organe der Cyelostomen den Seitenorganen höherer Thiere vollkommen gleichzusetzen. Ich muss zu meinem grossen Bedauern » gestehen, dass ich das an einer anderen Stelle?) gegebene Ver- sprechen, mich über die Auffassung dieser Bildungen äussern zu l) P. Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Ber. der naturf. Gesellsch. zu Freiburg 1873. 2) Leopoldina XIV. 19—20. 96 B. Solger: wollen, zur Stunde noch nicht einzulösen im Stande bin, und zwar hielt ein rein äusserer Grund, der Mangel an hinreichend gut conser- virtem Material, bisher mich davon ab. An Hinfälligkeit und Em- pfindlichkeit geben nämlich unsere Organe, und besonders gewisse nicht unwesentliche Anhänge derselben — darüber sind alle Un- tersucher einig — den denkbar zartesten Objecten histologischer Forschung Nichts nach, und daher sollte zur Aufhellung der hier noch strittigen oder dunkelen Punkte das Untersuchungsmaterial eigentlich ausschliesslich dem lebenden Thiere entnommen werden. Ein nicht unbeträchtlicher Theil der bisjetzt von mir untersuchten Sela- chier genügt nun in der That dieser Forderung, und dieser Punkt an sich böte keine Schwierigkeiten. Dennoch glaube ich es recht- fertigen zu können, dass ich mit der Schilderung der Seitenorgane von Chimära den Anfang mache. Denn wenn man auch bei Beur- theilung einer ganzen Reihe von Organen oder Organsystemen innerhalb der Abtheilung der Wirbelthiere die bei den Selachiern und besonders den Haien gegebenen Verhältnissen zu Grunde legen muss, für die Seitenorgane, d. h. die Sinnesorgane der Seitenlinie und ihrer Verzweigungen am Kopfe!) liegt die Sache anders. Bei den Holocephalen finden wir nämlich durchweg das Sinnespithel im Grunde einer dem Integumente eingebetteten Rinne, deren Ränder zwar nahe sich berühren können, nirgends aber bis zur Verschmelzung sich mit einander vereinigen. Wir haben es also bei Chimaera sowohl, wie bei Calorhynchus, dem zweiten Reprä- sentanten der Gruppe, mit einem Halbkanale zu thun, während bei den Selachiern der geschlossene Kanal die regelmässige Bil- dung vorstellt. Nur eine einzige Stelle am Körper eines Plagio- stomen ist mir bekannt geworden, die gleichfalls noch die Rinnen- form der Seitenlinie aufweist: es ist dieses die Schwanzgegend — das ganze Thier lag mir nieht vor — von Echinorhinus spinosus?). Es erhebt sich nun die Frage: Welches Verhalten stellt das Ursprünglichere dar, der Halbkanal oder der Kanal? Das entschei- 1) Die Lorenzini’sche Ampulle, die man mit den Seitenorganen früher als „Schleimkanäle“ zusammenfasste, lasse ich hier bei Seite. 2) Nach der von Herrn A. A. W. Hubrecht gütigst ausgeführten Be- stimmung. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 97 dende Wort zu sprechen wird vor Allem die Entwickelungsge- schichte befugt sein. Für die Selachier haben Semper und Bal- four Angaben gemacht; nach ihnen entsteht aus einer soliden Epitheleinwachsung, die von der Epidermis aus in das Corium sich einsenkt, durch Dehiscenz der zelligen Elemente ein Epithel- rohr, dessen später auftretende seitliche Oeffnungen in ähnlicher Weise wie das Lumen dieser Röhre, durch Weiterschreiten des- selben Spaltungsvorgangs bis zur Oberfläche der Epidermis zu Stande kommen. Nach einem anderen Modus geht die Bildung des Seitenkanals der Knochenfische vor sich. F. E. Schulze schildert uns als erstes Stadium das Auftreten einer rinnenförmi- gen Einsenkung beider Hauptschichten des Intugements, deren Ränder dann in zweiter Linie bis auf gewisse offen bleibende Lücken mit einander verwachsen. Für die Holocephalen liegt ent- wickelungsgeschichtliches Material überhaupt nicht vor; wir sind daher auf die Abwägung wie Wahrscheinlichkeiten angewiesen. Nun springt aber die Uebereinstimmung des fertigen Zustandes von Chimaera mit dem rasch vorübergehenden rinnenförmigen Sta- dium des Seitenkanals der Knochenfläche sofort in die Augen und stellt sich so, den Teleostiern gegenüber, als der ursprüngliche Zustand heraus. Aber ebenso auch den Selachiern gegenüber; denn . das Vorkommen eines Halbkanals bei Echinorhinus darf dann eben- falls als primitivere Einrichtung gelten, die hier sich noch erhalten, sonst aber allgemein dem abgeleiteten und überdies genetisch ver- schiedenen Zustand Platz gemacht hätte. Während eines vom hohen Ministerium des Cultus zu Berlin mir geneigtest gestatteten Aufenthalts an der zoologischen Station zu Neapel war die zu dem selteneren Material zählende Chimaera nur in zwei Exemplaren vorgekommen; nur eines derselben, ein vollkommenen frisches, wurde zur Untersuchung, die ja nach Ley- dig’s und Hubreeht’s Arbeiten die gröberen Verhältnisse unbe- rücksichtigt lassen konnte, für tauglich befunden. Mit dieser noth- sedrungenen Beschränkung bitte ich die Lücken, welche diese Ar- beit verunzieren, entschuldigen zu wollen; sie hätten nur durch fortwährende gleichzeitige Controle an frischen Objeeten vermieden werden können. Dem Leiter der Anstalt, Herrn Dr. Dohrn, sowie den Be- amten derselben, besonders Herrn Dr. H. Eisig und Herrn Dr. P. Majer sage ich für die mannigfache liebenswürdige Unter- Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bad. 17. 7 98 B. Solger: stützung den herzlichsten Dank; nicht minder verpflichtet fühle ich mich durch die vielfache Förderung dieser Untersuchungen seitens der Direetoren des Halle’schen anatomischen Instituts, den Herren Professoren Weleker und Steudener, sowie Herrn Hofrath Gegenbaur, was ich öffentlich zu bezeugen nicht unterlassen kann. (Litteratur) Seit Leydig’s Arbeit!), die im Jahre 1851 die Resultate einer anatomischen und histologischen Unter- suchung von Chimaera brachte, scheint der feinere Bau der Sei- tenorgane dieses Fisches nicht mehr zum Gegenstand der Forschung genommen worden zu sein. Da dieser Autor an frischem Mate- riale arbeitete, so wurden nicht nur die Formverhältnisse, sowie die Anordnung der Seitenlinie und ihrer Verzweigungen am Kopfe festgestellt, sondern auch der Versuch gemacht, in den histologischen Aufbau derselben einzudringen. Leydig suchte vor Allem nach den von ihm beim Kaulbarsch (Acerina cernua) entdeckten Endorganen, den „Nervenknöpfen‘“, freilich vergebens. „Doch möchte ich, fährt er fort, ihr Vorkommen noch nicht leugnen, da die Untersuchung der Schleimkanäle hier manche Schwierigkeiten bietet.“ Von dem auskleidenden Epithel meldet er, „dass es aus rundlichen, zarten, mit feinkörnigem Inhalt erfüllten Zellen besteht, die sich von den Epidermiszellen der äusseren Haut auf den ersten Blick unter- scheiden lassen“ (1. e. S. 252). Eine zweite, weit jüngere Publikation, die von A. A. W. Hubrecht veröffentlichten: „Beiträge zur Kenntniss des Kopf- skeletes der Holocephalen“ ?), berührt die Organe der Seitenlinie, da sie ganz andere Ziele sich gesteckt hatte, zwar nur vorüber- gehend und nur im Dienste ihrer Aufgabe; sie ist jedoch der Litte- ratur der Seitenorgane einzuverleiben, da in ihr weitere beachtens- werthe Angaben über das macroscopische Verhalten des für die Auf- nahme der Sinnesorgane bestimmten Rinnen-Systems von Chi- maera und Calorhynchus, die hier zu benutzen sein werden, nieder- 1) Leydig, Zur Anatomie und’ Histologie der Chimaera monstrosa, Müll. Arch. Jahrg. 1851, S. 241 ff. 2) Niederländisches Archiv f. Zool. B. 3. S. 155. 1876-77. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 99 gelegt sind. Abbildungen des Verlaufs dieser Furchenlinien gaben beide Autoren, Leydig in seiner Histologie von Chimaera (Fig. 103, I und II) und Hubrecht von Chimaera (Tafel XVII. Fig. 5 und 6) und von Calorhynchus (Fig. 7). Die Ramifikation der Halbkanäle des Kopfes von Chimaera, die, wie sonst allgemein, die unmittelbare Fortsetzung der einfachen Seitenlinie des Rumpfes bilden, wird von beiden Forschern im We- sentlichen übereinstimmend beschrieben und abgebildet; ich kann mich also darauf beschränken, -die wichtigsten Züge ihrer Schilde- rung, die nur geringfügige individuelle und sexuelle Verschieden- heiten zu notiren hat, im Folgenden wiederzugeben. Die Uebereinstimmung mit der Verzweigung des Kanalsystems am Kopfe der Teleostier ist nicht zu verkennen. Der einfache Stamm des Rumpfes spaltet sich hinter dem Auge in zwei Aeste, die nach ihrem weiteren Verlaufe als Supra- und Infraorbital-Ast bezeichnet werden. Ersterer anastomosirt zunächst in der Hinter- hauptgegend, sodann an der Spitze der Schnauze mit dem der an- deren Seite. Anastomosen sind auch sonst mehrfach vorhanden; so stellen die für die Schnauze bestimmten Verzweigungen des zweiten, des Infraorbitalastes, mit den entsprechenden Zügen der anderen Seite zusammen vollkommen geschlossene, direct in- einander übergehende Bogen dar. Ausserdem entsendet dieser Ast einen Ausläufer gegen den Unterkiefer hin und einen zweiten, der die Oberfläche des Kiemendeckels kreuzt. Den Verlauf der Seiten- linie des Rumpfes schildere ich mit Leydig’s Worten: „Verfolgt man die Seitenlinie nach hinten, so gestaltet sich die Sache ein- facher. Auf dem ganzen Wege nämlich findet keine Verzweigung statt, höchstens ändert die Richtung der Seitenlinie etwas ab, sie wendet sich am Ende der zweiten Rückenflosse, nachdem sie bis- her der Rückenfläche näher als der Bauchfläche verlaufen ist, plötzlich nach unten und verläuft so bis in den feinen Schwanz- faden“ (l. e. S. 250). Was Calorhynchus betrifft, so bedingt die abweichende Con- figuration der Schnauzenregion auch einige Modificationen im Verlaufe der für diesen Körpertheil bestimmten Halbkanäle ; doch lässt sich das Bild ihrer Verzweigung ohne Schwierigkeit auf den bei Chimaera ausgeprägten Typus zurückführen. Wich- tiger ist der Unterschied, den die Seitenkanäle beider Genera hinsichtlich ihrer Formverhältnisse in characteristischer Weise 100 B. Solger: zur Geltung bringen. Chimaera besitzt zwei verschiedene For- men derselben; die eine und, wie ich gleich hinzufügen will, weiter verbreitete Form hat an allen Stellen ihres Verlaufes den- selben Querdurchmesser; sie ist demnach überall von parallelen Rändern begrenzt, die übrigens, wegen ihres geringen Abstandes, fast bis zur gegenseitigen Berührung sich einander nähern (Fig. 1). Der Rumpf und der hintere Abschnitt des Kopfes ist ihr Ver- breitungsgebiet, während die Schnauzengegend durch eine ziemlich auffallende Modifieation dieser ersten Form ausgezeichnet ist. Es charaeterisirt sich die zweite Art einmal durch grössere Tiefe der Rinne, ferner dadurch, dass die beiden Lippen des Halbkanals an bestimmten Stellen je einen halbrunden Ausschnitt erhalten; beide schliessen sich zu einer halbkugelähnlichen Vertiefung zusammen. Leydig (l. e. S. 251) gibt folgende genauere Schilderung: „Die Halbkanäle erweitern sich hier (an der Schnauze) in Abständen von zwei bis drei Linien zu rundlichen, zwei Linien im Durch- messer haltenden Oeffnungen, was der Rinne dann ein rosenkranz- förmiges Aussehen verleiht.“ Fig. 2 dieser Arbeit giebt die soeben geschilderten Verhältnisse in natürlicher Grösse wieder. Während somit die Halbkanäle der vordersten Kopfregion von Chimaera eine. bemerkenswerthe Differenzirung aufweisen, hat Calorhynchus nach Hubrecht den indifferenten Zustand überall beibehalten. Ein besonderes Interesse würde jedoch dieses ver- schiedene Verhalten für's erste nicht beanspruchen können, wenn es sich nur um äusserliche Formuntersehiede der Rinnen handelte, ohne dass gleichzeitig auch der Bau der von ihnen umschlossenen Sinnesorgane modifieirt wäre. Allein die Vergleichung zweier Querschnitte, von denen der eine der Schnauze, der andere dem Rumpfe entnommen ist, belehrt uns sofort, dass die Aenderung der äusseren Erscheinung nur der Ausdruck einer Differenzirung der gesammten Bildung ist. Das Endorgan selbst zeigt sich, im Ein- klange mit den Formverhältnissen der Halbkanäle, hier einfacher, dort complieirter gestaltet. Wenden wir diese Erfahrung auf Calo- rhynchus an, so kommen wir zu dem Schlusse, dass dem tropi- schen Repräsentanten der Holocephalen höchst wahrscheinlich aus- schliesslich weniger ausgebildete Endapparate zukommen möchten. Die Untersuchung der Seitenorgane dieser Gruppe müsste demnach zweckmässig von denen des Calorhynchus, oder wenigstens von der vorhin als ersten Form bei Chimaera bezeichneten ausgehen, denn Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 101 sie repräsentirt unzweifelhaft das primitivere Verhalten. Sie soll denn auch in der Folge als „primäre Form“ der „secundären“, welche die weitergebildete Organe der Schnauze umfasst, gegen- übergestellt werden. Es bedarf daher der Umstand, dass die Darstellung der eigenen Untersuchungen, zu der ich mich jetztwende, im wesentlichen auf die Schilderung des Baues der seeundären Form sich reducirt, besonderer Entschuldigung. Zwei Momente wirkten zusammen, die Resultate der Untersuchung der Rumpforgane zu trüben: zunächst war die Epithelbekleidung dieser mit schmäleren Stützen ausge- rüsteten Halbkanäle von vornherein weniger gut erhalten; das Uebel wuchs, als auch die Conservirung mir hier nicht in wün- schenswerther Weise gelang. Bringt man nun noch in Anschlag, dass die weit geringeren Grössenverhältnisse die Beobachtung er- schweren, so wird man die bedauerliche Lücke, die ich unausge- füllt lassen musste, einigermassen verzeihlich finden. An dieser Stelle werden spätere Untersucher zunächst einzusetzen haben, um gleichzeitig mit der Erforschung des feineren Baues der Rumpf- organe einen Punkt, und zwar durch Schnittreihen, zu eruiren, den ich ebenfalls offen lassen musste, nämlich die Frage nach der Metamerie der Seitenorgane. Die höchst merkwürdige Parallele, die H. Eisig!) zwisehen den Seitenorganen der Capitelliden und de- nen der amnionlosen Wirbelthiere vor Kurzem aufgedeckt hat, sichert natürlich allen Thatsachen, die im Sinne einer ursprünglich segmen- talen Anordnung dieser Sinnesorgane sprechen, das grösste In- teresse. (Untersuchungsmethode.) Der Darlegung meiner eige- nen Beobachtungen lasse ich die Angabe der Methoden voraus- gehen, mit deren Hülfe das Material der Untersuchung zugänglich gemacht wurde. Den ausgedehntesten Gebrauch machte ich auf Eisig’s Empfehlung hin (l. ec. S. 341, Anm. 2.) von der durch Merkel in die histologische Technik eingeführten Mischung von Platinchlorid- und Chromsäurelösung (1 :400 zu gleichen Theilen). Die Objeete blieben etwa 6—12 Stunden der Einwirkung dieser Flüssigkeit ausgesetzt. Auch in der weiteren Behandlung schloss ich mich an Eisig an: das Material kam demnächst in 70%, 1) H. Eisig, Die Seitenorgane und becherförmigen Organe der Capi- telliden, in Mittheilung. d. zoologischen Station z. Neapel, Bd. I, 2. Heft. 102 B. Solger: dann in 90°, Alcohol. Um genügende Färbung in toto zu er- zielen, müssen die nicht zu grossen Stückehen (etwa lcm lang) auf 2—3 Tage in die Kleinenberg’sche Hämatoxylin-Lösung ge- bracht werden, deren Ueberschuss durch längeres Auswaschen mit 90 %/, Alcohol entfernt wird. Der Vollständigkeit halber sei auch das übrige Verfahren bis zur Herstellung der Schnitte kurz ange- geben: Einlegen in absoluten Alcohol, dann in Terpentinöl, hier- auf in eine Mischung von Paraffin und Terpentinöl, schliesslich Einschmelzen in ein Gemenge von Paraffın und etwas Cacaobutter. Nächstdem wurden Lösungen verschiedener Concentration von Os- miumsäure und Chromsäure in Anwendung gebracht. Ich bedaure, dass die Knappheit des Materials mir diese Beschränkung hinsicht- lich der Zahl der Conservirungsflüssigkeiten auferlegte. Nament- lich hätte ich gerne noch die Müller’sche Flüssigkeit verwendet. Be- sonders wünschenswerth wäre es gewesen, das Totalbild der Schnitte an Macerationspräparaten controlirt und so in Einzelnheiten aufge- löst zu haben, die jede falsche Deutung ausgeschlossen und neues Detail zur Anschauung gebracht hätten. (Eigene Untersuchungen.) Die Seitenorgane der vorderen Kopfregion (secundäre Form). Was zunächst die Anordnung dieser Organe betrifft, so wüsste ich den Angaben der Autoren Leydig und Hubrecht nichts Neues hinzuzufügen. Fig. 2a giebt in natürlicher Grösse das Aussehen der Halbkanäle wieder mit ihren rundlichen Erweiterungen oder Ausschnitten, die in ziemlich regelmässigen Abständen aufeinander folgen. Von den Organen selbst ist ja vorläufig Nichts zu bemerken; sie werden erst sichtbar, wenn man die Ränder der Rinnen durch Auseinan- derziehen von einander entfernt oder mit der Scheere ganz ab- trägt. Man erkennt dann, dass die Endorgane zwischen je zwei Erweiterungen sich finden und in der Tiefe eines derartigen fast voll- kommen zum Kanal sich schliessenden Rinnenabschnittes geborgen sind, und zwar sind es spindelförmige Erhebungen, deren Längs- axe mit der des Halbkanals zusammenfällt. Sie sind in Fig. 2b halbschematisch dargestellt; durch Aufträufeln von Osmiumsäurelö- sung war die Form der Endorgane fixirt und auf diese Weise auch das zugehörige Nervenstämmchen gut sichtbar gemacht worden. Die Nervenfasern stammen vom N. trigeminus; in kleinere Aestchen aufgelöst treten sie von der Seite in je eine Erweiterung ein, um entweder nur an eine, oder durch Auseinanderweichen in entgegen- Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 103 gesetzter Richtung, an zwei Endknospen zu gelangen. Zur vor- läufigen Orientirung über den Aufbau dieser vom Grunde der Rinne aufstrebenden Hervorragung lege man Querschnitte an: man erkennt alsbald, dass verschiedene Momente zusammenwirken, um die Spitze des Endhügels — wie wir das gesammte Gebilde heissen können — über die Thalsohle zu erheben. Die Basis des Ganzen bildet eine leistenförmige Erhebung der Lederhaut, die in der Mitte ihrer Längsausdehnung am höchsten, nach beiden Enden hin aber niedriger und schmaler wird, und schliesslich vollends ver- schwindet. Die Erweiterungen der Halbkanäle zeigen keine Spur mehr davon, weder von dieser Corium-Erhebung selbst, noch auch von dem charakteristischen Epithel, das über ihre Höhe sich ver- breitet. Diese Lederhautpapille, wenn dieser Ausdruck hierfür ge- stattet ist, lässt drei Flächen deutlich erkennen: eine obere, für uns die weitaus wichtigste und zwei seitliche. Die obere Fläche, welche das Sinnesepithel trägt, ist leicht concav; sie geht beider- seits mit scharfer Kniekung in die Seitenfläche über, die in sanfter Abdachung nach unten sich verlieren (Fig. 4). Von der Struetur dieser Erhöhung ist Nichts besonderes zu melden; sie besteht aus lockerem Bindegewebe, das sich gegen das Epithel hin, wenigstens an den Seitenflächen, mittelst zierlicher Zähnelung abgrenzt (Fig. 7). Zwischen den Bindegewebsfasern treten uns die Querschnitte von Blutgefässen und markhaltigen Nervenfasern (Fig. 4,n) ent- gegen. Weit länger als diese Lederhauterhebung wird uns das Ver- halten des Epithels derselben beschäftigen, das, wie schon ange- deutet, die obere und die beiden seitlichen Flächen mit sehr ver- schiedenen Elementen überkleidet, mit Sinnesepithel nämlich die muldenförmig vertiefte Höhe, mit indifferentem Epithel die Ab- dachung. Zur Erläuterung des Sinnesepithels dienen die Figuren 5 a, 5b und 6, die sämmtlich Querschnitte darstellen, und zwar Fig. 5b einen Abschnitt aus der centralen Partie des Sinnesepithels, während Fig. 5a und 6 dem seitlichen Grenzbezirk desselben ent- nommen sind, und daher (am rechten Rande der Zeichnung) schon Zellformen vorführen, die den Uebergang zu der Epithelbekleidung des Abhanges bilden. Gerade hier bei der Schilderung dieser wichtigen Elemente vermisse ich besonders ungern die Hülfe, die von gut gelungenen Macerationspräparaten zu erwarten wäre. Auch 104 B. Solger: diesen Punkt möchte ich daher der Berücksichtigung späterer Un- tersucher ausdrücklich empfehlen. Wir sehen uns daher auf Schnitt- präparate angewiesen, die von Objecten aus Merkel’scher Flüssig- keit und Hämatoxylinlösung stammen. Als die eigentlichen Sinnes- zellen, d. h. als die Zellen, welche in directem Zusammenhange mit den letzten Ausläufern der Nervenfasern stehen, bin ich die- jenigen Zellformen anzusprechen geneigt, die in Fig. 6 mit b und 6 bezeichnet und in Fig. 5a (am linken Rande der Zeichnung) und mehrfach auch in Fig. 5b ohne besondere Bezeichnung wie- derkehren. Es sind meist Elemente von kolbenförmiger Gestalt, die mit dem unteren aufgetriebenen Ende in der Regel weit her- abragen und durchschnittlich zwei Drittel der Gesammthöhe des Epithels durchmessen (Fig. 6b); doch kommen, wenn gleich selte- ner, auch weit kürzere Elemente vor (Fig. 5b). Der mit Häma- toxylin intensiv sich färbende ovale oder. rundliche Kern gehört ganz constant dem untersten Abschnitt des Zellenleibes an; einen nicht minder regelmässigen Befund stellen die grösseren oder klei- neren Körner des Protoplasmas dar, welches in der Umgebung des Kerns zu einer gleichmässigen, dunkelgrauen Wolke verdichtet er- scheint. Nicht so regelmässig begegnen wir zwei weiteren Eigen- thümlichkeiten des kolbigen Endes, die vielleicht unter sich in ei- nem näheren Zusammenhange stehen, nämlich 1. einer Vacuolen- bildung (Fig. 5b und Fig. 6, in Fig. 5a dagegen fehlend) und 2. einer netzförmigen Auflösung, wenn ich mich so ausdrücken darf, des unteren Zellenabschnittes. Dieses Verhalten, das gleichsam nur eine Weiterbildung des Vaeuolenstadiums darstellt, findet sich in Fig. 5b bei n dargestellt. Nicht selten sieht man ferner, z. B. in der zuletzt genannten Figur, einfache oder verästelte Fortsätze von den unteren Enden der Zellen nach abwärts ziehen, aber diese Bilder dürfen zunächst nicht zur Unterstützung der oben aufge- führten Deutung dieser Kolbenzellen als Sinneszellen beigezogen werden; denn die spärlich vorhandenen cylindrischen Zellen dieser Gegend, die höchst wahrscheinlich blosse indifferente Stützgebilde repräsentiren (Fig. 5b, a) senden ganz ähnliche untere Fortsätze aus. Hier müssen vor allem die Resultate der Behandlung mit Osmium ergänzend eintreten, einer Methode, die ja sonst in ähn- lichem Verhältniss zur Merkel’schen Flüssigkeit steht. Die Schnitt- präparate der mit Osmiumsäure in Berührung gebrachten Gewebs- partien liessen mich jedoch im Stich. Die Zellbekleidung der Ab- Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 105 hänge des Coriumhöckers war vortrefflich erhalten, nieht weniger die weiter unten als Cupula zu schildernde Cutieularbildung, welche die Sinneszellen und ihre Nachbarschaft bedeekt, während das Sinnesepithel selbst nicht genügend mit dem Reagens durehdrungen war. Doch sehe ich wenigstens auf einem Schnitt einen schwarz gefärbten Strang, der nach kurzem Verlauf in 3 blassere Zinken gabelförmig sich spaltet, in das Epithel selbst eintreten und bis zur Grenze des unteren Drittels der Epithel-Höhe vordringen. Es ist somit höchst wahrscheinlich geworden, dass es markhaltige Nervenfasern sind, welche über die Grenze des Coriumgewebes hinaus gelangen und innerhalb des Epithels sich nach Verlust der Mark- scheide mehrfach spalten, um dann mit Zellenausläufern, wahr- scheinlieh der Kolbenzellen, in Verbindung zu treten. Und wenn man nun nach den Gründen fragt, warum gerade diese Form für die der Nervenendzelle gehalten wird, so kann ich zur Stütze dieser Vermuthung wenigstens zwei Punkte geltend machen. Ein- mal stimmt die zweite Form der hier in Betracht kommenden Zellen, nämlich die auf Fig. 5 b mit a bezeichnete, durch ihr blasses Aussehen mit den weiter peripherisch sich anschliessenden, sicher- lich indifferenten Zellen vollkommen überein, sie gleicht hierin ferner auch den von F. E. Schulze als Deckzellen bezeichneten Elementen der Knochenfische (vgl. Bd. VI d. Arch., Taf. V, Fig. 3, 5, 7); zweitens lassen sich die von demselben Autor als Sinnes- zellen erkannten birnförmigen Zellen unseren Kolbenzellen ganz gut an die Seite stellen. Hier ist die betreffende Stelle der Be- schreibung Schulze’s, die auf die Seitenorgane des Kopfes von Acerina cernua sich bezieht: „Als von diesen langen blassen Cy- linderzellen gänzlich verschiedene Elemente werden in der obersten Region des ganzen Epithellagers zwischen denselben kurze, bau- chige, im Allgemeinen birnförmig gestaltete Zellen mit stark kör- ‚ nigem Inhalt bemerkt“ (l. e. S. 72). Die primäre Form der Sei- tenorgane von Chimaera besitzt Formen von Kolbenzellen, die noch weit mehr in ihrer Gestalt den Birnzellen Schulze’s sich nähern. Auch die geringe Verbreitung der kolbenförmigen Elemente und die Loealität ihres Vorkommens steht mit der vorgetragenen Deutung im Einklange: sie gehören ausschliesslich den am Boden der Halb- kanäle sich erhebenden spindelförmigen Endhügeln an, fehlen aber auch hier an den seitlichen Abhängen vollständig und finden sich auch auf der oberen Fläche der Endhügel nur in dem mittleren, d. h. von den zugespitzten Enden entfernten Bezirke vor. 106 B. Solger: Zwischen diesen kolbenförmigen Zellen sind nun eylindrisch geformte blasse Elemente spärlich eingestreut, deren weit weniger intensiv sich färbender Kern in der oberen Hälfte des Zellenleibes sich befindet (Fig. 5 b, a); ich muss sie nach dem oben Gesagten für indifferente Stützzellen halten. In den meisten Fällen un- terscheidet man jedoch in dem die kolbenförmigen Zellen tren- nenden, blassen, streifigen Gewebe keine Kerne und auch nur un- deutliche Zellgrenzen. Nieht selten fallen dem Beobachter zwischen diesem blassen Gewebe längliche, von zackigen oder eckigen Rändern begrenzte Fi- guren in's Auge, die in Hämatoxylin stark, aber ungleichmässig sich färben und in weit mächtigerer Ausbildung die tiefste Partie des Epithellagers einnehmen (Fig. 5a, zw). Sie sollen als Zwi- schenpfeiler bezeichnet werden. Ich stehe nicht an, sie in die Klasse der intercellulären Abscheidungen zu stellen, und in dieser Meinung werde ich durch die Erfahrung bestärkt, dass sie in man- chen Flüssigkeiten sich nicht erhalten. So habe ich in den Sei- tenkanälen eines Rochen (Trygon) an Schnitten durch die mit Merkel’scher Flüssigkeit behandelten Objeete ganz ähnliche Bil- der bekommen, während Präparate aus Müller’scher Flüssigkeit Niehts mehr davon aufwiesen. Diese Zwischenpfeiler sitzen dem Co- rium mit verbreiterter Basis auf; die Lücken zwischen den ein- zelnen Pfeilern, oder die Nischen zwischen deren Schenkeln neh- men niedrige, etwa cylindrisch geformte, zellige Elemente ein, die ich als Basalzellen (bz in Fig. 5a) bezeichnen will. Ich konnte sie an den Organen des Kopfes nur undeutlich sehen, jedoch an Prä- paraten des Rumpfes (der primären Form), die mit Chromsäure behandelt und mit Bismarekbraun gefärbt waren, mit Bestimmtheit sie wahrnehmen. Auch an anderen Stellen der Epithelauskleidung der Halb- kanäle trifft man auf die soeben geschilderten Zwischenpfeiler. Fig. 10 zeigt das Epithel vom Fusse des Endhügels, von der Fläche gesehen, nach Osmiumbehandlung. Im gleichen Niveau mit der Oberfläche des Epithels erscheinen zwischen den Köpfen der Zellen kantige oder buchtige Figuren, die durch die intensiv braune Fär- bung von der helleren Umgebung scharf sich abheben. Ganz ähn- liche Bilder erhält man auch beim Abschaben der Epidermis in der Nähe der Halbkanäle. Unzweifelhafte indifferente Deckzellen, die mit den von Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 107 Schulze (I. e.) abgebildeten Elementen noch weit mehr überein- stimmen, wie die vorhin als Stützzellen benannten Gebilde, treten uns in den von mir mit dz in Fig. 6 und Fig. 5a bezeichneten Zellen entgegen. Es sind das lange, schmale, blasse Elmeente, welche die ganze Höhe des Epithels durchsetzen und der Corium- oberfläche, wie an Isolationspräparaten zu constatiren ist, mit ge- zähnelter Basis aufsitzen. In ihrer oberen Hälfte erblickt man nicht selten Vacuolen (Fig. 6,v). Sie umsäumen als schmale Zone die Ränder des geschilderten centralen Epithellagers und nehmen daher die Nachbarschaft der Kante ein, welche die obere Fläche von den seitlichen Abhängen der Coriumerhebung trennt. Wir kommen damit zur Schilderung des Epithelüberzugs der Abdachung selbst, auf den sich die beiden Zeichnungen Fig. 7 und 8 beziehen. Fig. 7 entspricht einer höheren Stelle, Fig. 8 einer dem Fusse des Abhangs näheren. Erstere lässt zwei Schich- ten erkennen, eine tiefe, dem Corium unmittelbar aufliegende, welche aus einer scheinbar gleichartigen Grundlage ohne deut- liche Zellengrenzen und eingestreuten grossen Kernen besteht, und sodann eine oberflächliche, die wieder aus schmalen, oben eylin- drischen, nach unten sich zuspitzenden Elementen (d’z) sich auf- baut. Die Verbindung beider Schichten vermittelt ein Wald fei- ner Fäden, von denen ich es unentschieden lassen muss, ob sie mit den Cylinderzellen selbst sich in Verbindung setzen, oder — was mir wahrscheinlicher ist — zwischen die unteren Enden derselben hin- einragen. Die Lücke (5. Fig.) zwischen den beiden Schichten ist jedenfalls durch Schrumpfung des Gewebes in Folge der Einwir- kung der Härtungsflüssigkeit entstanden. — Sehr verschieden von diesem Bilde erscheint bei der ersten Betrachtung Fig. 8; doch lässt die Vergleichung alsbald verwandte Züge entdecken. Die oberste Schicht wird auch hier von cylindrischen Zellen herge- stellt, die zwar breiter, aber dafür auch kürzer geworden sind (d“z). Darauf folgen nach abwärts noch zwei Schichten, eine der Lederhaut unmittelbar aufsitzende, meist einfache Reihe kurz ey- lindrischer oder besonders häufig kegelförmiger Zellen (k), und darüber eine in der Figur aus zwei Elementen bestehenden Lage (r), deren Zellen durch die Grösse und das homogene Aussehen ihres Leibes, den grossen Kern und endlich durch Aussendung langer, spitzer Fortsätze sich auszeichnen, welch’ letztere zwischen die Basen der oberen und die Köpfe der unteren Zellenlage ein- 108 B. Solger: greifen. Sie treten besonders deutlich hervor nach Tinetion mit gewissen Anilinfarbstoffen !), mit oder ohne vorausgegangene Fär- bung mit Pierocarmin; übrigens stellen sie kein continuirliches Stratum dar, sondern ihr Zusammenhang wird häufig durch senk- recht oder schief aufsteigende Reihen von Kegelzellen unterbrochen. — Das Epithel der Seitenwandung sowie das der Erweiterungen des Halbkanals weicht von dem soeben geschilderten nicht wesent- lich ab; den Uebergang in die Epidermis habe ich nicht studirt. Die folgende Figur (Fig. 9) zeigt die zuletzt erwähnten Cy- linderzellen (d‘“z in Fig. 3) nach Einwirkung von Osmiumsäure von oben gesehen. Bei einer Einstellung, welche die Zelleontouren deutlich hervortreten lässt, erblickt man zwischen den einzelnen Zellterritorien, von deren Grenzen meist durchschnitten, dunkle verwaschene rundliche Figuren, die bei tieferer Einstellung des Tubus zu scharf umschriebenen, blass röthlichen Kreisen werden. Ihr Liehtbrechungsvermögen gleicht dem einer Vacuole (s. Fig. 6 v); ihre regelmässige Anordnung jedoch zwischen den Zellen selbst spricht gegen diese Deutung, so dass ich über die Erklärung dieses Befundes im Zweifel bin. Man begegnet solchen Bildern nament- lich auch zwischen dem Epithel, welches den Grund der Erwei- terungen der Halbkanäle überzieht. Der Vollständigkeit halber sei auch der hellen, weit kleineren Kreise auf den Köpfen der Zellen selbst gedacht, welche Fig. 9 wiedergiebt. Freie, stiftförmige Fort- sätze können es nicht sein, da sie erst dann deutlich hervortreten, wenn weitere Umdrehungen der Schraube den Tubus über die’ Einstellungsebene der Zellgrenzen hinaus weiter nach abwärts ge- führt haben. Eher könnte man an Durchbrechungen der Zelldecke denken, die vielleicht mit der Absonderung der sogleich zu be- schreibenden Cutieula in Verbindung zu bringen wären. Die gesammte Oberfläche des Epithelüberzugs, des indiffe- renten sowohl, wie des Sinnesepithels, sind nämlich von Cutieu- larbildungen überzogen. In geringer Mächtigkeit und weniger regel- mässig gebildet, tritt sie an der Seitenwand des Halbkanals auf und bleibt so bis zur mittleren Höhe des Sinneshügels, während sie weiter herauf und über dem Sinnesepithel selbst zu bedeuten- 1) Z. B. mit Monophenyl- Rosanilinviolett, welches mir gerade zur Hand war. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 109 der Mächtigkeit anwächst, und auf Quersehnitten als dachähnliches Gebilde (Cupula terminalis) erscheint (Fig. 4, ep). An den Stellen, wo diese Cutieularbildungen von den Köpfen der Cylinderzellen sich etwas abgehoben haben, vermitteln feine Fäden die Verbin- dung, und zwar gilt dies ebensowohl für die Cutieula der Seiten- wand, wie für die Cupula. Der beträchtliche Höhenunterschied (0,017 mm für Cutieula, 0,5 mm für die Cupula) ist übrigens nicht die einzige Differenz zwischen beiden Gebilden. An dünnen Schnitten durch den peripherischen Theil der Cupula nehme ich | feine, parallele Streifen wahr, deren Abstand dem Querdurchmesser der Köpfe der Cylinderzellen ziemlich genau entspricht (Fig. 7 cp). Die Streifen lagern bald im Winkel gegen die Längsaxe der Cy- linderzellen, wie in der Abbildung, bald in deren unmittelbarer Verlängerung. Mit diesem Befunde stimmt das Bild gut zusammen, welches man bei Betrachtung einer gewissen Cupulafläche — vielleieht auch aller — nicht selten erhält. Es zeigen sich da, ganz wie ich es schon (Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877 Nr. 45) für zwei Knochenfische, Corvina und Umbrina angab, polygo- nale Felder, die von den Köpfen der darunter liegenden Cylin- derzellen nur sehr unbedeutend an Grösse übertroffen werden. Vielleicht ist diese Differenz durch Schrumpfung der im frischen Zustande gallertartigen Cupula zu erklären. Nach alledem darf man die Cupula wohl als Absonderungsproduct der Cylinderzellen ansehen. Mit dieser Auffassung harmonirt es auch, dass diese streifige Zeichnung, auf Querschnitten der Cupula im Centrum derselben, das dem Sinnesepithel selbst aufliegt, nicht zu erkennen ist; denn man wird sich erinnern, dass gerade hier indifferente Zellen nur in geringer Anzahl vorhanden waren (Fig. 6 cp). Für die so eben geschilderte Cutieularbildung der Seitenor- sane von Chimaera (und mancher Knochenfische) wurde von mir die Bezeichnung gewählt, mit der Lang die von ihm entdeckte Endkuppe auf der Crista acustica der Fische in die Wissenschaft einführte, natürlich nur, um schon durch die Uebereinstimmung des Namens auf die Gleichartigkeit beider Gebilde hinzuweisen. Wenn nun neuerdings Hensen in seinen „Bemerkungen gegen die Cu- pula terminalis (Lang)“!) die „physiologische Existenz der Cu- 1) Arch. f. Anatom. und Entw. 1878. S. 486. 110 B. Solger: pula“ des Gehörorgans in Zweifel zieht, und speciell dem leben- den Gobius eine solche abspricht, so richten sich seine Bedenken, wie sich von selbst versteht, auch gegen die Endkuppe der Sei- tenorgane, wenn sie auch nicht ausdrücklich genannt ist. Ich glaube mich jedoch überzeugt zu haben, dass das von mir be- schriebene Gebilde dem lebenden Thiere wirklich zukommt, zwar nieht an Chimaera, aber dafür an Corvina und Umbrina. Leben- den Exemplaren wurde der Unterkiefer abgeschnitten und durch rasches Abziehen der Haut der demselben eingebettete Ast des Seitenkanalsystems eröffnet; es gelang wiederholt, die Cupula ziem- lich unverletzt und mit glatten Rändern mittelst der Nadel abzu- heben und unter das Mikroskop zu bringen. In der ursprünglich glashellen Masse treten nach Zusatz verschiedener Flüssigkeiten, etwa eines Tropfens schwacher Osmiumsäurelösung, die geschil- derten Structurverhältnisse (Streifen und Felder) sehr bald zu Tage. In dieser Frage ist mir die Uebereinstimmung von nicht geringer Bedeutung, welche zwischen Fig. 7 dieses Aufsatzes und der von Kuhn publieirten Abbildung (Fig. 26 seiner Arbeit?) besteht, die einen verticalen Durchschnitt der Crista amp. horiz. von Perca fluviatilis darstellt. „Ungemein dünne, lange Haare gehen von der Oberfläche des Cylinderepithels in die abgehobene Cupula über,“ heisst es dort in der Tafelerklärung. Einen ganz ähnlichen An- blick bieten die von mir gegebenen Figuren 7 und 6; nur möchte ich die zarten Stränge nicht als „Haare“ bezeichnen, weil man unter diesem Namen seit F. E. Schulze kürzere, starre, mit co- nischer Basis entspringende Fortsätze versteht, die den Birnzellen der Knochenfische aufsitzen und die bei Chimaera den kolbenför- migen Zellen — und zwar diesen ausschliesslich — zukommen müssten. Die zarten Stränge dagegen, welche in die Cupula über- gehen, kommen zwischen Kolbenzellen (Fig. 6) und zwischen in- differenten Zellen (Fig. 7) hervor. Von eigentlichen Haaren habe ich an den kolbenförmigen Zellen Nichts bemerkt, doch ist die Existenz dieser ungemein leicht vergänglichen Gebilde während des Lebens dadurch keineswegs ausgeschlossen. Bei der Darstellung der primären Form der Seitenorgane, 1) Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XIV, S. 284 ff. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 111 die dem Rumpfe und der hinteren Kopfregion eigenthümlich ist, muss ich mich leider aus den schon oben angeführten Gründen kurz fassen. Figur 3 in demselben Maassstabe wie die folgende Figur gehalten, stellt sie auf dem Querschnitt dar, bei schwacher Vergrösserung. Beide Zeichnungen können zur direeten Verglei- ehung der Grössenverhältnisse beiderlei Formen benutzt werden. Das Sinnesepithel steht auf einer niedrigen Coriumerhebung, kurze gedrungene Kolbenzellen, welche der Birnform sehr nahe kommen, sind nachweisbar, ferner auch Basalzellen und die oben geschil- derten eigenthümlichen Zwischenpfeiler. Statt einer Cupula über- ragt nur ein Gewirr von feinen Fäden das Niveau des Epithel- lagers. Die übrige Epithelauskleidung ist weit einfacher gebaut, als bei der seeundären Form. Statt der Cylinderzellen, welche als oberste Lage dort den Abhang und die Seitenwand bekleiden, fin- den sich niedrige, von oben nach unten abgeplattete Elemente vor. Zum Schluss wäre noch kurz der Hartgebilde zu gedenken, welche der Wandung der Halbkanäle als Stütze dienen. Sie sind schon von Leydig genau beschrieben und abgebildet worden; er nennt sie „nach einer Seite hin geöffnete Bogen“. „Da, wo sie den Boden des Schleimkanals umgeben, sind sie am breitesten, die Schenkel verschmächtigen sich dann, und indem sie sich theilen, und wieder theilen, bilden sie ein Bäumechen, dessen Aeste ebenfalls getrennt sind und zuletzt abgerundet enden“ (8.2511. e.). Längsschnitte durch die grösseren Halbkanäle geben darüber Aufschluss, dass diese Halbringe nicht überall vorhanden sind. Zwischen je zwei Erweiterungen, mit anderen Worten da, wo die Sinneshügel ver- borgen liegen, folgen sich etwa 5 oder mehr derartiger Stützen in kleinen Abständen hinter einander; die Erweiterungen selbst ent- behren ihrer. Hinsichtlich ihrer Structur bestehen sie aus „Kno- chensubstanz, die aber das Besondere hat, dass in der homogenen Kalkmasse nur stellenweise grössere ovale Hohlräume, den Knochen- körperchen vergleichbar, sich finden“ (S. 252). Ich habe auf Quer- schnitten Nichts von Knochenkörperchen wahrgenommen, möchte aber desshalb ihr Vorkommen nicht in Abrede stellen. Es handelt sich eben um ein der Bindesubstanzgruppe zugehöriges Gewebe mit faseriger Grundlage, welehes durch Aufnahme von Kalksalzen knochenähnliche Consistenz erhielt, um osteoides Gewebe also, dem die Knochenkörperchen ja keineswegs vollkommen abzugehen brauchen. Diese „baumförmig auslaufenden Halbringe“ sind in 112 B.Solger: Neue Untersuchungen zur Anatom. der Seitenorg. der Fische. dichtes Bindegewebe eingebettet, das stellenweise dem Faserknor- pel sich nähert. Naechschrift. Kurz vor Absendung des abgeschlossenen Manuscriptes hatte ich Gelegenheit, in Leydig’s jüngste Publikation; „Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische“ (Festschrift z. Feier des 100 jährigen Bestehens d. naturf. Gesellsch. zu Halle, 1379) einen Blick zu werfen; ich werde sie in einem bald folgenden zweiten Artikel (Seitenorgane der Se- lachier und Knochenfische) zu berücksichtigen haben. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIH. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf die Seitenorgane von Chimaera monstrosa, und zwar Fig. 1 und 3 auf die primäre, die übrigen auf die se- cundäre Form dieser Sinnesorgane. Fig. 1. Primäre Form der Halbkanäle, nat. Grösse. Fig. 2. a secundäre Form derselben, natürl. Grösse. b dasselbe Object, halbschematisch, Osmiumpräparat; die Ränder des Halbkanals stark auseinandergezogen, um die Endhügel sichtbar zu machen. Die Nerven schwarz. Fig. 3. Querschnitt durch die primäre Form, Rumpf. n Aestchen des Ramus lateralis. N. vagi. Fig. 4. Querschnitt durch die secundäre Form. n Querdurchschnittene Nervenfasern; cp Cupula terminalis in situ. st osteoide Stützen. Querschnitt durch das Sinnesepithel, sec. Form. Merkel’sche Flüs- sigkeit, Haematoxylin. Die Contouren mit dem Oberhäuser’schen Zei- chen-Apparat, Seibert Obj. V, Abstand des Objecttisches; Details mit Immers. VII. 5a peripher. Partie. dz indifferente Deck- [eb | Fig. zellen. bz Basalzellen. zw Zwischenpfeiler. 5b centrale Partie. a Tig.. 6, mie) 7. Fig. 8. Big. 9. Fig. 10. Hugo Ribbert: Ueber die Entwickelung der Glomeruli. 113 indifferente cylindrische Zelle (Stützzelle).. n netzähnliche Anhänge des unteren Endes einer Kolbenzelle. Behandlung und Grössenverhältniss wie in der vorigen Figur. Peripher. Partie des Sinnesepithels. b und ce Kolbenzellen (Sinnes- zellen), unteres Ende von c wahrscheinlich schief geschnitten. dz Deckzellen, v Vacuole, cp Cupula, centraler Theil. Indifferentes Epithel vom oberen Theile des Abhanges. d’z oberste Lage von cylindrischen Elementen. cp Cupula. Behandlung wie oben und wie in Fig. 8. Indifferentes Epithel vom Fuss des Abhanges. k Kegelzellen. Ueb- rige Erklärung siehe im Text. Cylinderepithel (d‘''z in Fig. 8) wie oben. Hier und in Fig. 10 an- dere Dimensionen als in Fig. 5—8. Osmiumpräparat. Epithel der Seitenwandung (oberste Lage) von oben. Osmiumprä- parat. Ueber die Entwickelung der Glomeruli. Von Dr. Hugo Ribbert, Assistentsam pathologischen Institut zu Bonn. (Mit vier Holzschnitten.) In Band XWI, Heft 3 dieses Archivs hat Löwe über die Entwickelung der Glomeruli Beobachtungen mitgetheilt, die mit den herrschenden Meinungen in Widerspruch stehen und die, wenn sie richtig sind, eine Aenderung der Anschauungen über die normale Struktur und die pathologischen Veränderungen der fraglichen Gebilde bedingen. Insbesondere würde die Glomerulonephritis je nach der einen oder anderen Ansicht verschieden beurtheilt werden müssen. Mit Untersuchung über letztere beschäftigt, sah ich mich Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 17. 8 114 Hugo Ribbert: daher veranlasst, den beregten Punkt nochmals genauer Forschung zu unterwerfen. Bei Anführung der vorhandenen Literatur lässt es sich nicht vermeiden, auch die Entstehung der Harnkanälchen mit in Betracht zu ziehen. Eine einheitliche Auffassung der gesammten epithe- lialen Elemente der Niere begründen Waldeyer und Toldt!) und neuerdings tritt Kölliker?) dieser Ansicht bei. Nach diesen Autoren verlängern sich primäre Ausbuchtungen des Nierenbeckens zu Harnkanälchen, geraden sowohl wie gewundenen, und das ge- schlossene Ende der letzteren liefert auch den Zellüberzug des Gefässknäuels und die Zellauskleidung der Bowmann’schen Kapsel. Eine zweite Reihe von Autoren, Remak°), Bornhaupt*), Colberg’), Thayssen®) und Riedel°) lässt nur die geraden Harnkanälchen, ein Theil von ihnen auch noch die Henle’schen Schleifen durch Ausbuchtungen des Nierenbeckens sich entwickeln, während die gewundenen Harnkanälchen nebst den anhängenden Glomeruli soliden Zellsträngen in der Nierenrinde ihren Ursprung verdanken und nachträglich mit den vom Nierenbecken ausgebil- deten Kanälehen in Verbindung treten. Doch sollen als Antheil der Malpighi’schen Körperehen nur die Zellbekleidung der Kap- sel und der Zellüberzug der Capillarschlingen aus jenen hervor- sehen, während die letzteren von aussen hinzutreten. Der ge- naue Vorgang hierbei wird von Riedel ganz ähnlich beschrie- ben, wie es von Toldt in der noch zu erörternden Weise ge- schehen ist. Die neueste Ansicht, die von Löwe®°), ist nun die, dass zwar alle Harnkanälchen als Ausbuchtungen des Nierenbeckens zu be- trachten sind, dass dagegen das gesammte Malpighi’sche Körper- 1) Wiener Sitzungsberichte 1874. 2) Entwickelungsgeschichte 1878. 3) Archiv f. mikrosk. Anatomie 1865. 4) Untersuchungen über die Entwickelung des Urogenitalsystems bei Hühnchen, Riga 1867. 5) Centralblatt f. d. med. Wiss. 1563. 6) Gentralblatt 1873. 7) Entwickelung der Säugethierniere, Rostock 1874. 8). 0: Ueber die Entwickelung der Glomeruli. 115 chen gesondert aus soliden Zellballen sich entwickelt und erst später mit dem Harnkanälchen sich verbindet. Meine Untersuchungen haben mich im Wesentlichen dasselbe gelehrt, was wir schon durch Toldt u. a. A. kennen lernten. Wenn ich nun meine Beobachtungen dennoch mittheile, so geschieht es einmal, weil ich in einzelnen Punkten von jenen Autoren ab- weiche, und weil ich es ausserdem für geboten erachte, den Aus- führungen Löwe’s entgegenzutreten. Von der Entstehung des Harnkanälchens sehe ich ab, da ich es für ziemlich allgemein angenommen erachte, dass dieselben als Ausbuchtungen des Nierenbeckens sich anlegen. Ich erwähne zunächst, dass die jüngeren Entwickelungsstadien der Nieren wenig zur Untersuchung geeignet sind. Die hier ent- stehenden Glomeruli sowie die Harnkanälchen sind zu wenig gegen das umgebende Gewebe differenzirt, um klare Anschauung zu er- möglichen. Epithel- und Bindegewebszellen gleichen sich noch zu sehr. Weit mehr eignen sich dagegen ältere Nieren und auch noch solche von neugeborenen Thieren. In ihnen geht die Anlage der Glomeruli nur noch in der äussersten Zone der Rindenschicht vor sich und die Harnkanälchen sind scharf gegen das umgebende Gewebe abgesetzt. Ich habe menschliche Embryonen und solche von Ziegen, Schafen, Kaninchen und Schweinen untersucht und überall die glei- chen Verhältnisse gefunden. Im Folgenden gebe ich nun zunächst meine eigenen Beobach- tungen wieder, die wie gesagt im Wesentlichen nur die Bestäti- gung schon gekannter Thatsachen bringen, und knüpfe daran eine Besprechung der Mittheilungen Löwe's. Fertigt man aus den dazu geeigneten älteren Nieren Schnitte an, die parallel den graden Harnkanälchen verlaufen und erfolgt letztere auf ihrem Weg bis dicht unter die Nierenoberfläche, so sieht man eine Anzahl derselben hier mit leicht kolbiger An- schwellung enden. Die Uebrigen dagegen theilen sich, meist kurz bevor sie unter die Oberfläche gelangen, dichotomisch und beide hierdurch entstehenden seitlich divergirenden Aeste enden nun ent- weder in gleicher Weise, oder sie biegen um und laufen parallel dem aufsteigenden Harnkanälchen eine Strecke weit zurück, um dann ebenfalls mit kolbiger Verbreiterung zu enden. Die im auf- steigenden und umbiegenden Kanälchen kubischen Zellen werden 116 Hugo Ribbert: En = (\ N > EIS = | T >), | ı08) ı8 18! TEN =] MIGUEL ung UNE SS ı HEh b b_\/IKW NIS U ın N IK) N € Sl | FRAU ST, 0 /A\\e Fig. 1. zur Bildung des breiteren Endstückes eylindrisch und besonders die abschliessenden, und um das erweiterte Lumen radiär gestell- ten, erscheinen lang gestreckt (Fig. 1a). An diesen Enden des umgebogenen Harnkanälchens geht nun die Bildung der Glomeruli vor sich. Hier trifft man den Kolben wie eine Kappe aufsitzende sichelförmige Gebilde an, die in frü- hen Stadien dem ersteren dicht anliegen, in späteren, wie wir sehen werden, durch zwischenwachsende Capillaren von ihm getrennt werden (Fig. 1 bei a). In sehr vielen Fällen sieht man nichts von einem Zusammenhang mit dem Harnkanälchen. Diese halbmondförmigen Gebilde bestehen aus zwei einfachen Zellen- lagen, die an den Enden der Sichel verschmelzen. Die äussere von ihnen setzt sich zusammen aus aneinander gereihten platten, die innere aus kubischen gegen die Mitte der Sichel etwas .cylin- drischen Zellen. Zwischen beiden bleibt ein spaltförmiges Lumen. Nieht immer sind beide Enden des Halbmondes verschmälert. Oft ist das eine, niemals beide, kolbig verbreitert und enthält dann auch den weitesten Abschnitt des Lumens. Immer liegt das eine Sichelende tiefer im Niveau als das andere. Die Erklärung dieses Bildes bringen Objekte näher, in denen das eine Ende des Halb- mondes, welches in diesem Falle immer verbreitert ist, in undeut- licher Weise mit dem Harnkanälchen in Verbindung steht, Andere allerdings seltenere Bilder sind deutlicher und zeigen den direk- ten Uebergang des Harnkanälchens in den Halbmond so, dass sich auch das Lumen des ersteren in das des letzteren fortsetzt (Fig. 1b). Dass aber ein derartiger Zusammenhang auch dann besteht, wenn Ueber die Entwickelung der Glomeruli. 317 er im Schnitt nieht wahrnehmbar ist, beweisen Injeetionen der ge- raden Harnkanälchen mit Berliner Blau, gewonnen durch Einstich in die Marksubstanz. Ist die Injeetionsmasse bis in das umge- bogene Harnkanälchenende vorgedrungen, so findet sie sich auch regelmässig im Lumen des scheinbar gar nicht mit jenem in Ver- bindung stehenden Halbmondes. Anders gestalten sich die Verhältnisse auf Schnitten, die parallel zur Nierenoberfläche geführt sind. FUN S y «ID» IT Fielen sie dicht unter letztere, so sieht man nur die gruppenweise angeordneten Quer- schnitte der auf- und absteigenden Harnka- nälchen mit ihren ku- bischen Epithelzellen. Ne — m In der Höhe des in Sen Entwiekelungbegriffe- Fig. 2. nen Glomeruli erkennt man dagegen Folgendes: Neben einem an seinem kubischen Epi- thel kenntlichen aufsteigenden Harnkanälchen (Fig. 2a) bemerkt man auch den Querschnitt des kolbenförmig verbreiterten abstei- genden Kanälchens, kenntlich aus seiner Zusammensetzung aus eylindrischen Zellen (Fig. 2b), die, wie wir sahen, die kolbige Verbreiterung herbeiführen. Man beobachtet ferner, dass dieser Querschnitt sich an einer Seite ausgebuchtet hat und so weiter ge- wachsen ist, dass er sich selbst umkreist. Dieser das Harnkanäl- chen umwachsende Abschnitt lässt nur einen ganz geringen durch etwas Bindegewebe angefüllten Raum zwischen sich und dem Querschnitt des Kanälchens frei. Er verschmälert sich allmählich, ähnlich wie wir das an den Enden jener halbmondförmigen Gebilde sahen und enthält ein spaltförmiges Lumen als Fortsetzung des im Querschnitt des Harnkanälchens existirenden Die äussere dieses Lu- men begrenzende Zelllage besteht auch hier aus platten, die innere aus kubischen Zellen. Selbstverständlich trifft man diese Figur nicht immer in gleichen Entwickelungsstadien und von der eben beginnenden Ausbuchtung des Harnkanälchens bis zur fast völligen Umkreisung derselben finden sich alle Uebergänge. Auch ist ferner das Lumen nicht immer continuirlich. Sobald die Windung des spiralig auswachsenden Theiles nicht überall in derselben Ebene S ul N | IN <>) WU i — Gr N LH!A}} ST SAMT NE — WO, 118 Hugo Ribbert: liegt, müssen Unterbrechungen desselben im Schnitt die nothwen- dige Folge sein. Das kann so weit gehen, dass der Zusammen- hang des ganzen ausgebuchteten Abschnittes mit dem Harnkanäl- chen zu fehlen scheint, und wir so ähnliche halbmondförmige Fi- guren wie auf den Längsschnitten erhalten. Dass diese für die Längs- und Querschnitte beschriebenen Figuren die Anlagen der Malpighi’schen Körperchen sind, ist nicht zu bezweifeln und wird aus der weiteren Entwiekelung klar und zwar besonders daraus, dass man in der Höhlung der Halbkugel- schale sich mit zunehmendem Wachsthum immer mehr Capillaren entwickeln sieht, wie man sich an Präparaten, die von der Arterie aus injieirt sind, leicht überzeugen kann, bis schliesslich der fer- tige Gefässknäuel vor uns liegt. Aber nicht ganz leicht ist es, die verschiedenen Bilder in Einklang zu bringen. Ich stelle mir die Sache etwas anders vor, als es Toldt seinen Figuren gemäss thut. Dieser lässt aus dem kolbenförmigen Ende’ der Harnkanäl- chen zunächst eine doppelwandige Halbkugelschale hervorwachsen, die mit dem ersteren anfangs nur in randständiger Verbindung ist. Im weiteren Verlaufe des Processes rückt aber das Harnka- nälchen immer mehr auf die Convexität der Halbkugelschale, so dass sein Ansatzpunkt schliesslich der Oeffnung derselben diame- tral gegenüberliegt. Der unterdessen in der Höhlung der Schale entstandene Capillarknäuel wird nun von der Halbkugel umwachsen und nur die Eintrittsstelle der Gefässe bleibt often. Die Bildung einer Halbkugelschale kann nach allen früheren und nach eigenen Anschauungen nicht bezweifelt werden, aber ich habe keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Fortrücken des Ansatz- punktes des Harnkanälchens auf die Convexität desselben statt- findet. Meine Fig. 3 und Alles was ich sonst gesehen habe, stehen mit einer derartigen Annahme in . Widerspruch. Ich werde einen an- deren Entwiekelungsgang sicher zu stellen versuchen. Wenn wir zunächst die Bilder aus Fig. 1 und 2 in Einklang V bringen wollen, so müssen wir uns is die Bildung der Halbkugelschale folgendermaassen denken: Die End- kolben des Harnkanälchens buchtet Ueber die Entwickelung der Glomeruli. 119 sich zunächst nach einer Seite aus. Die Ausbuchtung wird nun im weiteren Wachsthum zu einer doppelten Halbkugelschale, die über die Kuppe des Endkolbens herübergelegt ist und deren Höh- lung der letztere zunächst noch ausfüllt. Dadurch, dass die eine Hälfte der Schale eher zur Ausbildung gelangt als die andere, ist es möglich, dass wir auf Querschnitten durch den Kolben in der Höhe des ausgebuchteten Theiles nur die mehr entwickelte Hälfte treffen, während die andere unter dem Niveau des Schnittes liegt (Fig. 2). Damit stimmt überein, dass auf Längsschnitten wie sie Fig. 1 bei a darstellt, das eine Ende des Halbmondes stets höher liegt als das andere. Allmählich kommt natürlich auch die andere Seite zur Ausbildung und der Rand der fertigen Schale legt sich ringsum an das Harnkanälchen an (Fig. 3), so dass nur ein kreisförmiger Spalt zwischen beiden frei bleibt, durch den an einer Stelle die Gefässe zur Bildung des Capillarknäuels eintreten, und der zunächst nur da unterbrochen ist, wo durch die primäre Ausbuchtung des Harnkanälchens ein Zusammenhang zwischen diesem und der Schale gegeben ist. Gleichzeitig ist die Entwick- lung des Gefässknäuels zwischen dieser und dem Endkolben des Harnkanälchens so fortgeschritten, dass er mehr Raum beansprucht und dadurch den Endkolben aus der Höhlung der Schale heraus- drängt (Fig. 3). Jener kreisförmige Spalt schliesst sich nun von der Stelle aus, wo die Ausbuchtung statt hatte, mehr und mehr, und es bleibt nur die Eintrittsstelle der Gefässe offen (Fig. 4). Wir können uns das so entstandene Gebilde sehr gut versinnlichen, wenn wir folgenden Ver- gleich machen. Denken wir uns, der Unterarm eines Menschen stelle das Harnkanälchen, die scha- lenförmig gekrümmte Hand die doppelte Halbku- gelschale vor, deren äussere Zellschicht dureh die 2 Haut der Dorsalfläche, deren innere durch die der Fig. 4. Volarfläche repräsentirt wird. Krümmen wir jetzt die Finger immer mehr, bis ihre zusammengelegten Spitzen der Handwurzel gegenüberstehen und zwischen beiden Theilen nur eine rundliche Oeffnung bleibt, und denken wir uns ferner den entstandenen Hohlraum mit einem dem Capillarknäuel entsprechen- den Körper ausgefüllt, von dem aus ein die zutretenden Gefässe repräsentirender Stiel durch die erwähnte Oeffnung austritt, so 120 Hugo Ribbert: haben wir das Modell eines fertigen Glomerulus. Die innere Zell- schicht der doppelten Halbkugelschale (die Haut der Volarfläche) liegt dem Capillarknäuel als Epithel dicht auf und ihre Zellen dringen zwischen die Capillarschlingen hinein. Die äussere Schicht (die Haut der Dorsalfläche) stellt die Glomeruluskapsel vor. Wir sehen so, dass das Lumen des Harnkanälchens völlig gegen den Capillarknäuel durch die denselben überziehende Epithellage ab- geschlossen ist. Nach Ablauf dieser Vorgänge liegen, wie man sieht, die Eintrittsstelle der Gefässe und der Ansatzpunkt des Harnkanäl- chens dicht nebeneinander. Im weiteren Verlauf des Wachsthums rücken sie nun gewöhnlich weiter auseinander, ohne dass sie je- doch an diametral entgegengetetzten Punkten anlangen müssten. Gehen wir nun auf die abweichenden Ansichten Löwe’s ein. Er beschreibt über den kolbenförmigen Enden der nicht umgebo- genen Harnkanälchen unter der Nierenoberfläche halbmondförmig auf dieselben gelagert, dunkle solide Zellstreifen, die von jenen durch eine schmale lichte Zone getrennt erscheinen. Es sollen von Abkömmlingen dieser Streifen, die er dem Peritonealüberzug ent- stammt glaubt, die Glomeruli abzuleiten sein. Von der Existenz derartiger dunkler in der angegebenen Weise die kolbigen Enden des Harnkanälchens umhüllender Zell- streifen kann man sich an jeder embryonalen Niere überzeugen. Aber ich halte sie für nichts weiter als für eine periphere Zone diehten Bindegewebes, da sie gegen das Centrum der Niere hin ohne. scharfe Abgrenzung in das die Harnkanälchen umgebende Gewebe übergehen, wie das auch die Figur 581 des Kölliker- schen Lehrbuches lehrt. Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die diehten Zellansammlungen irgend etwas mit der Bildung der Glomeruli zu thun haben. Ich sehe nirgendwo im Gewebe „tropfen- förmig“ von ihnen abgelöste Haufen liegen. Alles, was Löwe als solche beschreibt, ist auf nichts weiter zurückzuführen, als auf den Wachsthumsprocess, den ich oben am Harnkanälchenende beschrie- ben habe. Und wenn Löwe das, was er beschreibt, mit den Ueber die Entwickelung der Glomeruli. 121 „Pseudoglomeruli“ Colbergs identifieirt, so beruht das auf einem Irrthum, denn was dieser Autor als „Pseudoglomeruli“ bezeichnet, sind vielfach geschlängelte und aufgerollte Enden der Harnkanäl- chen. Das ist nun allerdings an Nieren 2cm langer Kaninchen- embryonen nicht sehr klar zu sehen, eben wegen der-erwähnten geringen Differenzirung aller Gewebe. Aber ich habe von eben so langen Embryonen Präparate erhalten, in denen schon bei ge- ringer Vergrösserung Zellhaufen mit Blutkörperchen zu sehen sind, wie sie Löwe in seiner Figur 5 zeichnet. Allein bei genauerem Zusehen und stärkerer Vergrösserung erkennt man, dass diese so entwickelten Haufen umgeben sind von einem doppelschichtigen Halbmonde an dessen offene Seite ein Harnkanälchen herantritt, ähnlich wie es meine Figur 3 an einem älteren Objekt wieder- giebt. Ohne Färbemethoden kann man allerdings dahin gelangen, die Zellen dieses Halbmondes mit den Zellen des umgebenden Bindegewebes zu identifieiren, zumal in derartig jungen Nieren ein deutliches Lumen der Wandung der Halbkugelschale noch nicht existirt. - Ich halte demnach den von Löwe in seiner Figur 5 ge- zeichneten Zellhaufen für die in dem schalenförmig modifieirten Ende des Harnkanälchens liegende Anlage des Gefässknäuels, die aber nicht an jenen dichten Zellstreifen, sondern von den Gefässen des gewöhnlichen umgebenden Bindegewebes abstammt, wie zur Genüge daraus hervorgeht, dass die Capillarknäuel, in je Jüngeren Stadien man sie untersucht, um so weniger an tropfenförmig ab- gelöste Zellhaufen erinnern, aber auch schon dann sich injieiren lassen, wenn sie nur eine ganz schmale Zone zwischen Halbmond und Harnkanälchen bilden. An solchen injieirten Präparaten, in denen doch auch die Löwe’schen Zellhaufen wenigstens in den vorgeschrittenen Stadien injieirbar sein müssten, sieht man keine Spur von injieirten Glomerulusanlagen, die nicht in der geschil- derten Beziehung zu den Harnkanälchen ständen. Wenn ich mir nun auch für die jüngsten Stadien der Nierenentwickelung die ab- weichende Ansicht Löwe’s erklären kann, so ist das doch nicht der Fall für Nieren 5em langer Kaninchenembryonen, denen die Figur 6 des in Rede stehenden Autors entspricht. An gleich alten Präparaten sehe ich wenigstens nirgendwo derartig unklare dunkle Zellhaufen, wie sie Löwe zeichnet. Ich erkenne überall die Glo- merulusanlagen in dem dargestellten Zusammenhang mit den Harn- 122 Hugo Ribbert: kanälchen und muss daher die in Figur 6 abgebildeten dunklen Haufen in gleicher Weise wie die in Figur 3 dargestellten beur- theilen. Wie sich die von Löwe bis zu dem in Figur 5 wiedergege- benen Stadium entwickelten Anlagen der Glomeruli nun weiter ausbilden sollen, wie der Zellüberzug der Capillaren, wie letztere selbst, wie die Kapsel entstehen soll, darüber erhalten wir von dem Autor keinen genauen Aufschluss. Ebensowenig darüber, wie er sich die spätere Vereinigung etwa fertig gewordener Malpighischer Körperchen mit dem Ende des Harnkanälchens denkt. Ich kann daher die von ihm im Text (Fig. B) gezeichnete nach seinen Anschauungen modifieirte Darstellung eines Glomerulus nicht als richtig anerkennen und muss dem entgegen daran fest- halten, dass die Kapsel des Glomerulus und der Ueberzug der Ca- pillarschlingen sich aus Zellen zusammensetzen, die gleicher Ab- stammung mit den Epithelien der Harnkanälchen sind, also nicht als Endothelien betrachtet werden können. Nach der geschilderten Entwickelung und nach Untersuchungen an fertigen Glomerulis jugendlicher und älterer postembryonaler Nieren ist die normale Struktur derselben folgende: Die Kapseln sind genau genommen nur gebildet von einer platten Epithelschicht als einer directen Fortsetzung des Harnka- nälchenepithels, dessen Kerne in das Lumen vorspringen. Wenn man von der Auskleidung einer Kapsel mit dieser Epithelschicht spricht, so ist das nur dann richtig, wenn man das umgebende etwas verdichtete Bindegewebe als solche ansieht. Eine eigentliche Kapsel stellt dasselbe nicht dar, da es ohne Grenze in die weitere Umgebung übergeht. Der Zellüberzug des Gefässknäuels sitzt den Capillarschlingen direkt auf und nicht wie das in der Figur A. Löwe’s dargestellt ist. Ich finde keine Spur einer zwischen dem Epithel und den Capillarschlingen liegenden Endothelschicht. Aber nicht nur auf den äussersten Kuppen der Schlingen liegen die Epithelzellen, sondern auch tief zwischen dieselben dringen sie ein, wie man 1) Ueber die Veränderung der Glomeruli bei Nephritis. Virchow’s Ar- chiv 67. Bd. 1879. Ueber die Entwickelung der Glomeruli. 123 das an zerzupften oder auch sehr fein geschnittenen Glomerulis aus den Nieren Neugeborener sehr leicht erkennt (Fig. 5) und muss ich daher Langerhans!) Recht geben, wenn er annimmt, dass Axelkey als sternförmige Bindegewebszellen vielfach solche den mannigfach gestalteten Zwischenräumen der Schlingen ange- passte und dadurch in ihrer Form modifieirte Epithelzellen be- schreibt. Je älter der Glomerulus wird, desto mehr flacht sich die Epithelschicht ab und an den Nieren Erwachsener ist sie so dünn geworden, dass sie mehr einer Endothelschicht gleicht. Was nun das Bindegewebe zwischen den Capillarschlingen angeht, so ist nach der Entwickelung ja von vornherein anzuneh- men, dass da, wo Gefässe zwischen die Halbkugelschale und das Harnkanälchenende hineinwachsen, mit ihnen auch etwas Binde- gewebe eintritt. Und ich sehe zunächst, wie Langerhans, dass am fertigen Glomerulus mit den Gefässen auch Bindegewebe ein- tritt, ich bemerke aber, dass es noch etwas weiter hineingeht, als Langerhans will, der esnur bis zur Spaltung des zutretenden Ge- fässes in seinen einzelnen Schlingen gehen lässt. Ich sehe wenigstens an Glomerulis aus Nieren Erwachsener auch etwas weiterhin noch zwi- schen den Capillarschlingen Kerne liegen, die ihrer Grösse, Form und Färbung mit Carmin nach nicht Kerne von Epithelzellen- sein können, die immer rund erscheinen, sich nicht intensiv färben und fein granulirt sind, während jene eckig oder spindelig sich dar- stellen, sich intensiv färben, durchweg kleiner sind, und nicht gra- nulirt erscheinen. Ich benutzte zur Färbung die erste von Gre- nacher!) mitgetheilte Carminlösung. Die Capillarschlingen selbst kann man dadurch gut isoliren, dass man die Glomeruli in grosser Menge sammelt und mit dem Pinsel bearbeitet, so dass die anhängenden Zellen sich ablösen. Ich habe an derartig isolirten Schlingen mit keinem Färbemittel deutliche Kerne wahrnehmen können. Das Lumen der Capillaren wird von einem gleichmässig doppelten Contur umgeben. Auch die von der Fläche gesehenen Wandungen erscheinen homogen, und die etwa noch hervortretenden Kerne sind deutlich als die nicht entfernter Epithelzellen zu erkennen. 1) Notizen zur Tinctionstechnik. Dies. Arch. Bd. XVI. H. 3. 124 Hugo Ribbert: Ueber die Entwickelung der Glomeruli. Die zahlreichen Kerne, die man bei Betrachtung normaler Glomeruli wahrnimmt, sind daher grösstentheils auf die Epithel- zellen, zum kleineren Theil auf das zwischen den tieferen Theilen der Capillarschlingen liegende spärliche Bindegewebe zurückzu- führen. Nach dieser Darstellung müssen die pathologischen Verände- rungen der Glomeruli beurtheilt werden. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Schnitt aus der Niere eines Kaninchenembryo von 5 cm Länge. Bei a und b die Anlage der Glomeruli. Fig. 2. b. Querschnitt einer Glomerulusanlage, gleichaltrig mit den in Fig. 1 gezeichneten. a. Querschnitt eines Harnkanälchens. Fig. 3. Beinahe vollendete Anlage eines Glomerulus. Bei a rothe Blutkör- perchen. Fig. 4. Eben vollendeter Glomerulus. Bei a Eintritt der Gefässe. Schema- tische Zeichnung. Jos. Schöbl: Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 125 Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. Von Dr. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel IX und X. Die Fortpflanzung der isopoden Crustaceen war bis vor etwa 20 Jahren in ein geheimnissvolles Dunkel gehüllt. Die augenfälligen äusseren männlichen Genitalien waren aller- dings bekannt, doch völlig irrthümlich aufgefasst und die Funk- tion der einzelnen Gebilde derselben falsch gedeutet. Von den äusseren weiblichen Genitalien hatte man merkwür- digerweise bei einem so hoch organisirten und relativ genügend grossen Thiere nicht die geringste Kenntniss. Noch Niemanden war es gelungen ihre Existenz nachzuwei- sen, ihre Lagerung und Form anzugeben, obzwar sich gediegene Forscher, wie Treviranus, Brandt und Andere eingehend mit diesem Gegenstande befasst haben. Zu Ende der fünfziger Jahre habe ich mir die Isopoden-Cru- staceen zum Gegenstande der emsigsten Forschung gewählt, und die von mir erzielten Resultate in mehreren monographischen Ar- beiten niedergelegt. Die erste dieser Arbeiten erschien im Januar 1860 im XI. Bande der Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftli- chen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien unter dem Titel: „Typhloniscus, eine neue blinde Gattung der Crustacea Isopoda“. Bald darauf erschien eine zweite Arbeit im X. Bande der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie von Sie- bold und Kölliker unter dem Titel: „Haplophthalmus, eine neue Gattung der Isopoden mit besonderer Berücksichtigung der Mund- theile untersucht“. Endlich erschien im IX. Jahrgang der böhmi- schen naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Ziva“ eine dritte Arbeit Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 17, 9 126 Jos. Schöbl: unter dem Titel: „Korysi stejnonozi chledem na rody a druhy v Cechäch se nalezajiei“. Die wesentlichsten Resultate meiner damaligen Forschungen, die ich in den oben eitirten Monographien niedergelegt habe, waren etwa Folgende: 1) Die Aufstellung einer neuen Theorie der Mundtheile der Isopoden, welche von der bis dahin gültigen völlig abweichend ist. 2) Die richtige Deutung der äusseren männlichen Genitalien, welche man bis zu jener Zeit völlig irrthümlich aufgefasst hatte. 3) Die Entdeckung der bis dahin unbekannt gewesenen äus- seren weiblichen Genitalien und der Receptacula seminis. Nahezu zwanzig Jahre blieben diese für die Gruppe der Isopoden-Crustaceen so hochwichtigen Entdeckungen von anderen Forschern unberücksichtigt, ja, wurden geradezu ignorirt, während ich selbst während dieser ganzen langen Zeit, theils durch Be- rufssorgen abgehalten, theils von anderen Untersuchungsobjekten angezogen, mich mit den Isopoden nicht befasste. Erst vor wenigen Jahren begannen einige Forscher sich aber- mals mit diesem Gegenstande zu beschäftigen, von denen Einzelne in lebhafte Correspondenz mit mir traten, welche das meiste von meinen Forschungen anerkannten, die äussere Genitalöffnung je- doch nicht wiederfinden konnten, obzwar ich auf die Entdeckung derselben das grösste Gewicht legte und die Lage derselben auf das genaueste angegeben habe. Ich war mir vollkommen bewusst, die betreffende Forschung mit exaktester Objektivität durchgeführt zu haben und war somit von der Existenz der von mir beschriebenen äusseren weiblichen Genitalöffnungen völlig überzeugt. Da nun aber andere tüchtige Forscher dieselbe nicht fanden, so stand ich hier vor einer scheinbar unerklärlichen Controverse. Da ich die beiden oberen Prämissen als völlig richtig annahm, so folgerte ich hieraus, dass die weiblichen Genitalöffnungen der Isopoden zu gewissen Zeiten des Jahres vorhanden sind, zu ge- wissen Zeiten nicht, da nur auf diese Weise die obenerwähnte Controverse naturgemäss gelöst werden konnte. So habe ich denn die später durch objektive Beobachtung erzielten in vorliegender Arbeit niedergelegten Resultate zum grössten Theile bereits vor Jahren durch streng logische Deduktionen vorhergesagt und einem Kreise meiner intimen Bekannten mitgetheilt. Endlich nach lan- Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 127 gen Hindernissen gelang es mir hinlänglich Zeit und Material zu gewinnen, um vorliegende Arbeit in Angriff nehmen zu können, und es wurde mir die freudige Genugthuung, alles was ich vorher gesagt habe, durch die Beobachtung im vollsten Maasse bestätigt zu finden. Was das zur vorliegenden Arbeit benutzte Material anbe- langt, so habe ich hiezu vorzugsweise Porcellio scaber benutzt, und zwar einzig und allein aus dem Grunde, weil er mir unter den grösseren Arten zufälliger Weise in beliebiger Menge zu Ge- bote stand. Ausserdem habe ich in dieser Richtung, wenn auch minder zahl- reich, die Arten Porcellio laevis, armadilloides, pietus und maculieornis, dann die Gattungen Oniseus, Armadillidium Tri- choniseus, Haplophthalmus untersucht, und werde bei Gelegen- heit bei Einzelnen derselben interessante Abweichungen von der ge- wöhnlichen Norm zu berichten haben. Von allen Oniseoiden, die ich in grösserer Anzahl erlangen konnte, vorzüglich aber von Por- cellio scaber, von dem ich stets über 10,000 Exemplare besitze, habe ich förmliche Zucht- und Brutanstalten errichtet. In grosse breite Glasgefässe von 10 Zoll Durchmesser, 20 Zoll Höhe, gebe ich am Boden zunächst eine Schicht von feuchtem Flusssand, dann einige faulende Holz- oder Rindenstücke und fülle dann das Ge- fäss etwa bis zur Hälfte mit feuchtem Moos und Flechten. In einem so hergerichteten Gefässe können bequem 4—600 Exemplare un- tergebracht werden. Sorgt man dureh periodisches Besprengen mit weichem Was- ser für die Erhaltung eines gleichmässigen Feuchtigkeitsgrades und füttert die Thiere fleissig mit frischem Grünzeug, wozu sich am besten die Blätter vom kleinen Rettig, Salatkraut oder Vogelmiere eignen und ab und zu mit etwas geriebener Semmel, so gedeihen sie ganz prächtig und halten sich viele Jahre lang. Nur auf diese Weise verfügt man in jedem Monate über ein hinreichendes für jeden Zeitpunkt passendes Untersuchungsmaterial, wo in bestimm- ten für die Beobachtung einzelner Vorgänge besonders wichtigen Zeitmomenten oft hunderte von Individuen täglich geopfert werden müssen; nur auf diese Weise ist es auch möglich die Begattung zu beobachten; die Zeit der einzelnen Entwicklungsphasen festzu- stellen, überhaupt eine zusammenhängende Einsicht in den ganzen hochinteressanten Fortpflanzungsprocess dieser Thiere zu gewinnen. 128 Jos. Schöbl: Untersucht man überwinterte Weibchen in den Monaten Januar bis Ende April, so findet man ausnahmslos die doppelte weibliche Genitalöffnung beiderseits an der Bauchschiene des fünften Kör- persegmentes, bei jedem Individuum, ohne jede Ausnahme (Fig. 1). Von der Insertionsstelle des betreffenden Fusses verläuft an der Bauchschiene eine Chitinleiste anfangs bogenförmig nach abwärts, später mit dem Hinterrande des Segments parallel. In der Mitte ungefähr der Bogenkrümmung der betreffenden Leiste, nicht selten von derselben etwas überwölbt, liegt zu beiden Seiten des betret- fenden Körpersegmentes je eine winzig kleine Genitalöffnung. Ihrer Gestalt nach erscheint dieselbe als eine schmale, ovale etwas sekrümmte Spalte, welche von einem wulstigen Rande des allgemei- nen Chitinintegumentes umsäumt ist. Der Längsdurchmesser derselben beträgt im Durchschnitt 0,16 mm. Die Genitalöffnung führt einzig und allein zu dem gleichfalls von mir entdeckten Receptaculum seminis, als dessen äussere Oeffnung sie ausschliesslich betrachtet werden muss. Das Receptaculum seminis (Fig. 1, 2, 6, 10) ist ein eylindrischer, blind endigender, in den Oviduct hineinragender Chitinschlauch von 1,15 mm Länge und 0,12 mm Durchmesser, dessen unterster Theil unmittelbar über der Genitalöffnung diekwandig ist, während der übrige Schlauch von einer äusserst feinen Chitin- membran gebildet wird. Der ÖOviduct (Fig. 2, 4, 6—10) ist ein kurzer Chitinschlauch, welcher von der Mitte der Aussenseite eines jeden Ovariums schief nach aussen und hinten zur Innenfläche der Bauchschiene des fünften Segmentes führt und dort, wo sich die Genitalöffnung befindet, sieh an die Bauchschiene heftet, das Receptaculum seminis umschliessend. Die innere Wand des äusserst zarten Chitinschlauches des Oviduetes ist mit Epithel ausgekleidet, die äussere mit einer Längsmuskelschicht bekleidet und mit riesen- grossen mitunter zwei- und mehrkernigen Zellen überzogen. Jedes Ovarium (Fig. 2, 4, 6—10) bildet einen zartwandigen platten Chi- tinschlauch, welcher mit zartem Epithel ausgekleidet ist und in welchem die Eichen, 70—90 an der Zahl, freiliegen. Im Frühjahre nehmen die mächtig entwickelten Ovarien nahezu die ganze Lei- beshöhle ein, liegen zu beiden Seiten des Magendarmschlauches, ihn zum grössten Theile, und die vier Leberschläuche gänzlich be- deekend und reichen vom ersten Körpersegment bis in das Post- abdomen. Ihre Länge beträgt bei Thieren von 14mm. bis 10 ja sogar Il mm, die Breite bis 2 mm ; der Durchmesser nun der nahezu Ueber die Fortpflanzung isopoder Crust aceen. 129 reifen Eichen beträgt 0,5 mm. Das Receptaculum seminis ist in den ersten Monaten des Jahres bis Ende April stets vollständig leer, in der zweiten Hälfte des Monats April findet man es bei einigen, besonders bei sehr grossen Weibchen mit Spermatozoiden gefüllt, in den ersten Tagen des Monats Mai, längstens bis Mitte desselben, findet man kein Weibehen mehr, dessen Receptaculum nicht strotzend mit Spermatozoiden gefüllt wäre, mit einziger Ausnahme derjenigen, wo pathologische Verbildungen der betreffenden Organe vorkommen, was jedoch unter Tausend Individuen kaum einmal beobachtet wird und wo dann in der Folge die Eichen degene- riren und zu fettigem Detritus zerfallen. Besonders zeitig im Frühjahre, mitunter schon anfangs April, findet man befruchtete Weibchen bei Porcellio laevis, die sich in Häusern, in warmen Lo- ealitäten aufhalten. So weit ungefähr reichte meine Kenntniss des weiblichen Genitalapparates der Isopoden bereits am Anfange der sechsziger Jahre, wie ich denn auch diese Daten, wenn auch in aller Kürze, in den vorerwähnten Monographien angegeben habe. Unerklärlich war es mir jedoch, wie die Spermatozoiden aus dem blindsackförmig geschlossenen Receptaculum zu den Eichen ge- langen, eben so unerklärlich war es mir, wie die Eichen nach Aussen gelangen, da die Genitalöffnung so viele Male kleiner ist als der Durchmesser des kleinsten Eichen und überdies gegen die Leibeshöhle zu durch das Receptaculum seminis abgeschlossen wird. Kurz, die weiteren Vorgänge der Fortpflanzung blieben da- mals auch für mich noch in ein räthselhaftes Dunkel gehüllt. Zur Zeit habe ich nun die Erforschung der weiteren Vorgänge in An- griff genommen und bin nach viermonatlicher emsiger Arbeit unter Benützung einiger vereinzelter Beobachtungen des Vorjahres zu folgenden Resultaten gekommen. Die Begattung der Oniscoiden, wenigstens bei Porcellio scaber, den ich vor Allem benutzt habe, ist nieht schwer zu beobachten. Hält man beide ‘Geschlechter vom Winter an in verschiedenen Glaskästen streng isolirt und bringt dann ausgewachsene Exem- plare beider Geschlechter in warmen Nächten zu Ende April oder Anfangs Mai in ein kleines Glasgefäss mit feuchtem Sandboden und etwas feuchtem Moos zusammen und beobachtet ihr Thun und Lassen bei völliger Ruhe und milder Beleuchtung, so braucht man gewöhnlich nicht lange zu warten, bis sie zur Begattung schreiten. Gewöhnlich genügen zwei bis drei Stunden zu dieser Beobachtung, 130 Jos. Schöbl: manchmal, besonders später im Mai, eine Zeit von wenigen Mi- nuten. Die Männchen, welche durch ihre schmälere Körperge- stalt und die längeren äusseren Appendices caudales stets kennt- lich sind, sind vor der Begattung ungemein erregt, laufen viel schneller als sonst herum und das Spiel der Antennen ist ein viel lebhafteres. Die Weibchen, namentlich wenn sie in der Minder- zahl vorhanden sind, werden von ihnen lebhaft umschwärmt, und mit den Antennen betastet. Endlich wird das Weibehen auf den Rücken gewälzt und die beiden Geschlechter haben während der Begattung die Bauchseiten einander zugekehrt: Die Begattung dauert verhältnissmässig sehr lange, oft mehrere Minuten, ja ich habe Exemplare beobachtet, die bis 17 Minuten in dieser Stellung verharrten, auch wird dieselbe wiederholt, wahrscheinlich im Laufe einiger Tage mehrere Male. Bei der Begattung werden beide Ge- nitalöffnungen des Weibchens gleichzeitig befruchtet. Da ich bei allen gleich nach der ersten Begattung getödteten Weibchen stets beide Receptacula theilweise mit Spermatozoiden gefüllt gefunden habe (Fig. 2, linke Seite). Diese Beobachtung in Verbindung mit den Lagerungsver- hältnissen und der geringen Grösse der weiblichen Genitalöffnungen liefert gleichzeitig den schlagenden Beweis für die Richtigkeit meiner neuen Theorie über die Bedeutung der männlichen Begat- tungsorgane, wie ich sie zuerst in der Monographie über Typhlo- niscus in der k. Wien. Akademie der Wissenschaften publieirt habe. Diejenigen Gebilde, welche Treviranus, Brandt und alle übrigen Schriftsteller vor mir als Ruthen bezeichnet haben, sind einestheils selbst an ihrer Spitze so diek und plump, dass sie in die vielmal kleinern weiblichen Genitalöffnungen absolut nicht eingeführt werden können, anderentheils lassen sie sich ohne Con- tinuitätstrennung nicht so weit von einander entfernen, um den weiblichen Genitalöffnungen auch nur genähert werden zu können, was doch unausweichlich geschehen müsste, wenn die Befruchtung der beiden weiblichen Genitalöffnungen gleichzeitig erfolgen soll. Dagegen sind diejenigen Organe, die ich als eigentliche Ruthen beschrieben habe, und die von Treviranus für Leiter der Ruthen, von Brandt für secundäre oder Nebenruthen oder Hülfsorgane bei der Begattung gehalten wurden und denen auch von allen übrigen Schriftstellern dieselbe Bedeutung zugeschrieben wurde, vermöge ihrer äusserst feinen Spitze, vermöge der Fähigkeit so- Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 131 weit mit Leichtigkeit auseinandergespreitzt werden zu können, als die Distanz der beiden weiblichen Genitalöffnungen beträgt, und vermöge der Rinne, die sie besitzen, einzig und allein geeig- net, gleichzeitig in die beiden weiblichen Genitalöffnungen einge- führt, die Spermäatozoiden in die betreffenden Receptacula gelangen zu lassen. Wenige Tage nach erfolgter Begattung, nachdem die Recep- tacula sämmtlicher Weibehen strotzend voll mit Spermatozoiden gefüllt sind, beginnt der Schlauch des Receptaculum an der Spitze zu degeneriren, platzt endlich in unregelmässigen Fetzen und die Spermatozoiden gelangen auf diese Weise frei in den Oviduct, woselbst sie sich am obersten Theile unmittelbar vor dem Ovarium zu einem eiförmigen Knäuel von milchweissem Ansehen ansammeln und bis auf weiteres unverändert verweilen (Fig. 6). Während diese Wandlungen im Oviducte und Receptaculum vor sich gehen, bereiten sich die Weibchen zur Häutung vor, welche mit dem Fortpflanzungsgeschäft in engster Beziehung steht, und in zwei Tempos erfolgt. Die Weibchen werden ungemein träge und hinfällig, nehmen keine Nahrung zu sich; der Magendarm- schlauch ist während dieser Zeit stets absolut leer, trotz des köst- lichsten Futters das man ihnen reicht, und viele gehen bei diesem Wandlungsprocesse zu Grunde. Zunächst beginnt die Häutung der hinteren Körperhälfte vom fünften Körpersegmente an nach rückwärts. Die Weibehen erscheinen während dieser Zeit schon zwei bis drei Tage, ehe die Häutung der Hinterhälfte erfolgt, dop- pelt gefärbt. Die vordere Hälfte behält die normale Farbe, wäh- rend die hintere, indem sich der abzuwerfende Chitinpanzer mehr und mehr von dem unter ihm neugebildeten abzulösen beginnt, viel blässer wird und matter erscheint. Endlich erfolgt oft unter verzweifelten Anstrengungen des Thieres die Häutung. Die abge- streifte Hülle bleibt als ein weisses zerbrechliches Modell der Hin- terpartie des Thieres liegen, während dieses nun in seiner hin- teren Hälfte vollkommen weich ist, da der neugebildete Panzer erst nach Tagen die gewöhnliche Härte erreicht. Während der Häutung der hinteren Körperhälfte löst sich das eiförmige Convo- lut der Spermatozoiden, welches bis zu dieser Zeit regungslos und unverändert im obersten Theile des Oviduetes gelegen war, auf, die Spermatozoiden dringen in das Ovarium, um sich in der mitt- leren Partie desselben zwischen den Eichen regellos zu vertheilen. 132 Jos. Schöbl: Drei, höchstens fünf Tage nach erfolgter Häutung der hinteren Körperhälfte, nachdem dieselbe die normale Härte nahezu erreicht hat, erfolgt die Häutung der vorderen Körperhälfte, welche den Thieren noch mehr-Schwierigkeiten macht, und bei welcher Ge- legenheit ein noch grösserer Procentsatz von Weibchen zu Grunde geht. Nach vollendeter vollständiger Häutung ist an der Ventral- seite der Weibehen eine gewaltige Umwandlung vor sich gegangen (Fig. 3). Die Körperhöhle ist an den fünf ersten Körpersegmenten nach abwärts zu durch ein äusserst zartes nach Innen zu mit Epi- thel bekleidetes Chitinhäutehen geschlossen, welches in der Me- dianlinie bei den vier ersten Segmenten eine kugelförmige schlauch- förmige Verlängerung von gleichem Bau bildet, die sogenannten Brutschläuche oder Cotyledonen. Die weiblichen Genitalöff- nungen sind sammt den Receptaculis seminis mit dem alten Pan- zer abgestreift worden; es ist jetzt keine Spur von ihnen vorhan- den. Hiemit ist die wunderbare, soweit mir bekannt, einzig daste- hende Thatsache eonstatirt, dass ein Thier nur zu gewissen Zeiten des Jahres eine äussere weibliche Genitalöffnung besitzt, um sie dann für eine lange Zeitperiode völlig abzulegen und, wie wir sehen werden, nach Verlauf einer gewissen Zeit wieder zu erlangen. Hiemit ist auch die Möglichkeit erklärt, dass wenn verschiedene Forscher dasselbe Thier zu verschiedenen Zeiten des Jahres un- tersuchen, sie bei der exaktesten Beobachtung die Genitalöffnung bald auffinden werden, bald nicht eine Spur von derselben sehen. An Stelle des Receptaculum seminis tritt ein sehr dünner über der Basis etwas eingeengt solider Chitingriffel (Fig. 4, 5, 7, 8, 9), wel- cher von einer nach Innen zu konischen Verdickung des oben er- wähnten Chitinblättehens in jener Gegend des fünften Körpertheiles ausgeht, wo ehemals die Genitalöffnung sich befunden hatte und wie früher das Receptaculum in den Oviduet hineinragt. Das Chi- tinhäutehen, welches, wie bereits erwähnt wurde, die Ventralseite der fünf ersten Körpergriffel bekleidet, erhält, jedem Körper- gürtel entsprechend, beiderseits eine mächtige, rundlich rechteckige, starke Chitinplatte, welche der Membran selbst zur Stütze und di- versen Muskeln zum Ansatzpunkte dient. Der Stiel dieser Platte geht aus vom oberen Aussenwinkel eines jeden Segmentes oberhalb der Insertionsstelle des Fusses, läuft bogenförmig nach innen und unten, dem Verlaufe jener bogenförmigen Leiste, die wir am un- gehäuteten Weibchen bei Gelegenheit der Lage der Genitalöffnung Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 133 besprochen haben, entsprechend, und endet in der Mitte eines jeden Segmentes in geringer Entfernung vom Aussenrande in jenen oben erwähnten Stützplatten. An Stelle der ehemaligen Bauch- schiene erscheint nun an jedem der ersten fünf Körpersegmente jederseits eine Brutplatte. Jede Brutplatte mehr weniger flügelför- mig von Gestalt besteht aus einer Chitinhautduplicatur, in welcher Chitinkörner eingelagert sind, zwischen welehen sieh ein eompli- eirtes netzförmiges Lückensystem befindet. An einzelnen Stellen enthalten diese Lücken zahlreiche zellige Elemente. Von den ersten vier Brutplattenpaaren wird jede von je zwei mächtigen Chitinleisten gesteift, während das letzte Brutplatten- paar nur eine einzige Chitinleiste besitzt. In der nächsten Nach- barschaft dieser Leisten findet man zumeist die oben erwähnten zelligen Elemente angehäuft. Die Leisten der Brutplattenpaare entsprechen dem Verlaufe nach den erhabenen Leisten an der Bauchschiene der ungehäuteten Thiere. In das Lakunensystem zwischen den beiden Chitinmembranen der Brutplatten ist mitun- ter an bestimmter Stelle Luft eingedrungen, die betreffenden Stel- len erscheinen dann dem blossen Auge milchweiss, unter dem Mikroskope schwarz. Das erste Brutplattenpaar ist sehr klein, das zweite bedeutend grösser, das dritte und vierte ist am, mei- sten entwickelt, das fünfte wieder etwas kleiner. Indem die Brut- platten beider Seiten übereinander greifen, entsteht zwischen ihnen und der früher beschriebenen Seitenbauchmembran eine geschlos- sene Bruthöhle, in die die vier Cotyledonen oder Brutschläuche frei hineinragen. Bei dieser Gelegenheit will ich noch bemerken, dass in Bezug auf die Brutschläuche bei verschiedenen Gattungen und Arten der Oniscoiden mitunter interessante Abweichungen vor- kommen, indem nicht immer nur vier Brutschläuche vorkommen, wie bei Porcellio seaber. So fand ich bei Porcellio laevis neben jedem Hauptbrutschlauch der Medianlinie jederseits einen kleinern, so dass das Thier im Ganzen zwölf Brutschläuche besitzt. In dieser Bruthöhle liegen die Eichen frei zwischen den Brutschläuchen herum, und nachdem sich die Jungen aus ihnen entwickelt haben, schlüpfen dieselben zwischen den um diese Zeit etwas klaffenden Brutplatten aus, gelangen nach aussen und verlassen die Mutter. Schon während der Häutung der vorderen Körperhälfte oder un- mittelbar nach derselben, verlassen die nun befruchteten Eichen das Ovarium, um sich in die vorbeschriebene Bruthöhle zu begeben. 134 Jos. Schöbl: Die Eichen gleiten eins nach dem anderen in den Ovidukt, werden hier durch Contraetion der muskulösen Wandungen längs des nun im Ovidukte befindlichen Chitingriffels nach abwärts getrieben, bis sie zum Ende* des Oviduktes oder der Basis des eben genann- ten Chitingriffels gelangen. Hier erscheint nun der Ovidukt durch ein weissliches, zähes, fadenziehendes Gewebe, welches sich jedoch bei starker Vergrösserung aus winzig kleinen. Zellen bestehend erweist, mit der Bauchmembran in der Gegend der Griffelbasis und der Stützplatte des betreffenden Segmentes an- geheftet. Durch dieses Gewebe, welches sich auch an ande- ren Körperstellen vorfindet, so z. B. am Herzen und den Haupt- gefässstämmen, treten die Eichen in die Leibeshöhle und ge- langen dureh eine breite Querspalte, welche sich zwischen dem Hinterrande der Bauchchitinmembran und dem Vorderrande der Bauchschiene des sechsten Segmentes in der Medianlinie befindet, in die Bruthöhle. Der Durchtritt sämmtlicher Eichen aus dem Ovarium in die Bruthöhle erfolgt binnen wenigen Stunden. Durch diese Beobachtung ist das Räthsel gelöst, auf welche Weise die Eichen das Ovarium verlassen, was durch die winzige Genital- öffnung vor der Häutung ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre. Die Genitalöffnung dient nur zur Begattung, die Geburt der Eichen erfolgt durch die oben beschriebene breite Spalte nachdem die Genitalöffnungen längst abgestreift sind. Nach Entfernung der Eichen bildet das Ovarium einen leeren geschrumpften mit Epithel ausgekleideten Chitinschlauch (Fig. 7), in welchem etwa ein Dritttheil der eingedrungenen Spermatozoi- den regellos zerstreut zurückbleibt. Einzelne unbefruchtete Eichen, die mitunter zurückbleiben, degeneriren, schrumpfen und zerfallen zu fettigem Detritus. Ich will an dieser Stelle, bevor ich mit weiterer Schilderung des normalen Verlaufes fortfahre, jener ausserordentlich selte- nen Fälle Erwähnung thun, wo Weibchen zumeist in Folge pa- thologischer Processe nicht befruchtet werden und gelt bleiben. Es findet sich dies auf tausend Fälle kaum einmal. Die Unfrucht- barkeit der Weibehen ist entweder einseitig oder beiderseitig. Die gewöhnlichsten Ursachen derselben sind ein zu weites Her- vorragen der bogenförmigen Leiste über die Genitalöffnung, wo- durch die Einführung der Ruthe unmöglich wird; oder Atresie der untersten Partie des Receptaculum seminis; oder endlich in Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 135 die Genitalöffnung eingedrungene und festgeklemmte Fremdkör- per. Ist die Unfruchtbarkeit einseitig, so erfolgen die Häutungen, aber die Brutplatten der nicht befruchteten Seite erscheinen ge- wöhnlich missbildet, verkrüppelt. Die Eichen’ des befruchteten Ovariums verlassen dasselbe in normaler Weise, die des nicht be- fruchteten schrumpfen, degeneriren und zerfallen innerhalb des Ovariums zu Detritus (Fig. 10). Ist die Unfruchtbarkeit beidersei- tig, so erfolgt gar keine Häutung und die Eichen beider Ovarien verfallen der Schrumpfung und Degeneration. Kehren wir nun zu dem normalen Weibehen zurück, so fin- den wir im leeren Ovarium sich ein wunderbares hochinteressan- tes Ereigniss abspielen. Sämmtliche regellos zerstreut im Ova- rium gelagerte Spermatozoiden sammeln sich an der Einmündungs- stelle des Oviduktes oder selbst in der obersten Partie des Ovi- duktes, wo früher der eiförmige Spermatozoidenknäuel lag und formen sich zu einem regelmässig gewundenen Bündel von ge- wöhnlich brillenförmiger Gestalt und verharren in dieser Lage bis auf Weiteres (Fig. 4, 8, 9). Aus dieser äusserst interessanten Beob- achtung zog ich neben anderen, wovon ich später berichten werde, den Schluss, dass die Spermatozoiden der Isopoden nicht starr und bewegungslos sein können, wie man allgemein angenommen hat, da es sonst nicht erklärlich wäre, wie sie, regellos in einem Chi- tinschlauche zerstreut, nun zu einem bestimmten Punkte zurück- kehren und sich zu regelmässigen Figuren formiren sollten. Die objeetive Beobachtung hat auch diese Deduction bestätigt, indem ich Spermatozoiden aus der Periode unmittelbar nach erfolgter Be- fruchtung im Asselblute mit starken Immersionsystemen beobachtete. Ich konnte dann eine rotirende Bewegung um die eigene Achse und eine wenn auch äusserst langsame Locomotion constatiren. Während sich die gelegten Eier in der Bruthöhle ruhig fort- entwickeln, beginnen sich nun im geschrumpften leeren, wie wir gesehen haben, auch von den übriggebliebenen Spermatozoiden geräumten Ovarium aus dem Epithel neue, anfangs winzig kleine Eichen zu entwickeln, deren Zahl und Grösse sich langsam aber stätig vermehrt (Fig. 4, 8). Etwa 23 Tage nach der Geburt der Eichen , während die entwickelten Jungen bereits die Bruthöhle der Mutter zu verlassen beginnen, hat die Zahl der im Ovarium neu gebildeten Eichen bereits die normale Höhe erreicht und sie sind etwa halb so gross als die reifen (Fig. 9). Von nun an bilden sich 136 Jos. Schöbl: keine neuen Eichen mehr, sondern die vorhandenen wachsen langsam und allmälig bis sie etwa 20—26 Tage, nachdem die Jungen der ersten Brut die Bruthöhle der Mutter verlassen haben, die normale Grösse erreichen. Das früher geschrumpfte Ovarium wird wieder strotzend von ihnen angefüllt und erreicht dieselbe Ausdehnung, die es vor dem Legen der ersten Bruteier beses- sen hatte. Ist dieser Zeitpunkt der Reife eingetreten, so erwachen die in jedem Ovidukt in regelmässigen Bündeln festgebannten Sper- matozoiden abermals aus ihrem lethargischen Zustand, werden wie- der lebendig und beweglich und dringen wieder in das Ovarium, wo sie sich abermals regellos zerstreuen, und die Eichen be- fruchten. Nun verlassen diese Eier der zweiten Brut in gleicher Weise, wie ich es früher beschrieben habe, das Ovarium und schlüpfen in die Bruthöhle, woselbst sich aus ihnen wieder Junge entwickeln, die in der oben angegebenen Frist die Bruthöhle der Mutter gleichfalls verlassen. Es entwickelt sich somit bei diesen Thieren eine zweite Brut ohne Begattung bei mangelnder äusserer Genitalöffnung, ermög- licht durch den von der ersten Brut zurückgebliebenen und so merkwürdig aufbewahrten Rest von Spermatozoiden, welehe noch von der Begattung vor der Häutung des Thieres herstammen. Diese höchst interessante Thatsache, welche bis jetzt in der Thierwelt in ihrer Art einzig dasteht, dürfte vielleicht auf manche Fälle, die für Parthenogenesis gehalten werden, ein anderes Licht werfen. Nachdem die zweite Brut die Bruthöhle der Mutter verlas- sen hat, beginnen zunächst die Cotyledonen allmälig zu schrum- pfen, bis sie endlich zu kleinen warzenartigen Protuberanzen ver- kümmern, welehe von einem Hofe kreisförmiger concentrischer Chitinfalten umgeben sind. Die zelligen Elemente sind aus ihnen völlig geschwunden. Aus den Brutplatten schwinden die eingela- gerten Chitinkörnchen, so wie auch sämmtliche zellige Elemente ‘und die sie stützenden Leisten werden stets schwächer und schwä- cher, bis sie endlich ganz schwinden und jede Brutplatte nunmehr als ein äusserst feines hinfälliges weiches strukturloses Chitinplätt- chen erscheint, das seiner Feinheit wegen bei oberflächlicher Beob- achtung der Thiere sogar leicht übersehen werden kann (Fig. 5). Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 137 Die Bauchwandungen der ersten vier Segmente, von denen wir oben erwähnt haben, dass sie aus einem äusserst zarten mit Epithel bekleideten Chitinhäutehen bestehen, verlieren diese zelli- sen Elemente, dafür lagern sich in ihnen, jedem Segmente ent- sprechend, beiderseits Chitinkörner in zumeist pentagonalen Grup- pen ein, welche endlich zusammenhängende, flügelförmige Platten bilden, um den betreffenden Segmenten der Ventralseite genü- gende Festigkeit zu verleihen. Diese oben beschriebenen Verände- rungen der Ventralseite der Weibehen nach beendetem Brutge- schäft sind sämmtlich auf Fig. 5 abgebildet. Hat die Ventralseite durch die eben beschriebenen Vorgänge die gehörige Festigkeit erlangt, so bereiten sich die Weibchen abermals zur Häutung vor, welche genau in derselben Weise in zwei Tempos und mit denselben Nebenumständen vor sich geht, wie ich sie genau bei der ersten oder Frühjahrshäutung beschrieben habe; man kann diese letztere Häutung im Spätsommer als Herbst- häutung bezeichnen. Aus dieser zweiten Häutung gehen nun die Weibchen wieder gerade so hervor, wie sie vor der ersten Früh- jahrshäutung ausgesehen haben. Die Reste der Cotyledonen und der Brutplatten, sammt dem in den Ovidukt hineinragenden soliden Chitingriffel, werden mit dem alten Panzer abgeworfen, mit dem gleichzeitig selbstverständ- lich die Stützplatten der einzelnen Segmente und die eben be- schriebenen neugebildeten flügelförmigen Chitinplatten schwinden. Dagegen erscheinen wieder die früheren Bauchschienen, von denen die fünfte die Genitalöffnungen und Receptacula in der angegebe- nen Weise trägt, kurz, das Thier sieht nach dieser Häutung gerade so aus wie vor der ersten und wie ich es auf Figur 1 abgebil- det habe. Noch muss ich erwähnen, dass es seltene Ausnahmsfälle gibt, etwa 3—5 per mille, wo ein Weibchen die zweite Brut nicht durchmacht, es geschieht dies stets dann, wenn kein genügender Spermatozoidenvorrath vorhanden ist, was jedoch, wie bereits er- wähnt, äusserst selten beobachtet wird. In diesem Falle erfolgt der Wandlungsprozess, wie wir ihn nach der zweiten Brut beschrie- ben haben, und die zweite Häutung sofort, nachdem die erste Brut die Bruthöhle der Mutter verlassen hat. Wenn ich zum Schlusse die wichtigsten Resultate dieser Ar- beit kurz zusammenfasse, so habe ich durch dieselbe: 138 Jos. Schöbl: 1. meine vor 20 Jahren gemachte vielfach angezweifelte und allgemein ignorirte Entdeckung der äusseren weiblichen Genitalien und der Receptacula seminis dieser Thiere ausser allen Zweifel gesetzt. 2. den Nachweis geliefert, dass diese Genitalöffnungen sammt den entsprechenden Receptaeulis nur zu gewissen Zeiten des Jah- res vorhanden sind, während sie in anderen Jahreszeiten völlig mangeln. 3. den Beweis für die Richtigkeit meiner Theorie der äus- seren männlichen Genitalien dieser Thiere, die ich in meinen frü- heren Monographien niedergelegt habe, geliefert. 4. nachgewiesen, dass die Spermatozoiden dieser Thiere, während sie für gewöhnlich starr und unbeweglich erscheinen, in gewissen sehr beschränkten Zeitperioden Beweglichkeit erlangen. 5. den Weg entdeckt, aus welchem die reifen Eichen das Ovarium verlassen und in die Bruthöhle gelangen. 6. eine zweite Generation von Jungen ohne erneute Begat- tung bei diesen Thieren nachgewiesen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX und X. Fig. 1. Ein Weibchen vom Porcellio scaber in dem Stadium zwischen der Herbst- und Frühjahrshäutung von der Bauchseite gezeichnet, mässig vergrössert. Am fünften Körpersegmente erblickt man beiderseits nach Innen zu von der Insertionsstelle des Fusses in der Mitte die daselbst bogig verlaufende Chitinleiste, die winzig kleine etwas schief ovale mit wulstigen Rändern umgebene äussere weibliche Genitalöffnung. Das Receptaculum seminis ist durch Punkte ange- deutet. Fig. 2. Weibchen von Porcellio scaber zu Ende des Monates April unmittel- bar vor der Frühjahrshäutung untersucht. Die Körpersohle des Fig. 3. Fig. 4. Kig. D, Fig. 6 Fig. 7 Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. 139 Thieres ist von der Rückseite aus geöffnet und sämmtliche Organe ausser den mit reifen Eichen gefüllten Ovarien mit ihren Ovi- dukten sind entfernt. Das linke Receptaculum seminis ist mit Sper- matozoiden gefüllt, das rechte noch leer. Weibchen von Porcellio scaber im Monate Mai untersucht, nach vollendeter Frühjahrshäutung von unten dargestellt. Die Brutplatten der fünf ersten Körpersegmente sind künstlich auseinandergeschlagen, das 2., 3., 4. und 5. Körpersegment zeigt in der Mitte je einen Brut- schlauch oder Cotyledon und zu beiden Seiten desselben gestielte Stützplatten. Vor dem 6. Segmente befindet sich die Geburtsspalte für den Austritt der Eichen aus der Leibeshöhle in die Bruthöhle. Von den im früheren Stadium vor der Häutung dagewesenen weib- lichen Genitalöffnungen ist keine Spur vorhanden. Dasselbe Thier aus demselben Stadium. Die Körpersohle von der Rückenseite aus geöffnet gezeichnet. Alle Organe ausser dem mit aus dem Epithel sich entwickelnden jungen Eichen spärlich gefüll- ten Ovarien sind entfernt. An Stelle des früheren Receptaculum seminis sieht man in jeden Ovidukt einen soliden Chitingriffel hin- einragen. Im obersten Theile des Oviduktes ist ein Bündel von Sper- matozoiden von brillenförmiger Gestalt sichtbar, es ist dies der von der ersten Brut übrig gebliebene für die zweite Brut aufbewahrte Rest der vor der Häutung durch die Begattung eingeführten Sper- matozoiden. Ein Weibchen von Porcellio scaber nach vollendeter zweiter Brut unmittelbar vor der Herbsthäutung dargestellt. Die nur zarten, sehr schwachen Brutplatten sind auseinandergeschlagen. Die Cotyledonen geschrumpft und an den 4 ersten Körperseg- menten haben sich durch Chitinniederschläge flügelförmige Platten gebildet, die mit den Stützplatten zusammenhängen. In der Gegend des 5. weich gebliebenen Segmentes schimmert der als Analogon des Receptaculum fungirende Chitingriffel beider- seits durch. stellt das Ovarium eines Weibchens von Porcellio scaber aus dem Stadium gerade während der Frühjahrshäutung dar. Das Ovariıum selbst ist mit vollkommen reifen Eichen strotzend gefüllt; das Re- ceptaculum seminis ist geborsten und die Spermatozoiden bilden im oberen aufgetriebenen Theil des Oviduktes ein Convolut von eiför- miger Gestalt. ist das Ovarıum eines Weibchens von Porcellio scaber unmittelbar nachdem die Eichen der ersten Brut dasselbe verlassen haben um sich in die Bruthöhle zu begeben. Das Ovarium selbst ist stark geschrumpft und gefaltet, fast leer, enthält nur einige wenige unbefruchtete Eichen, welche allmälig 140 Jos. Schöbl: Ueber die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. schrumpfen und fettig degeneriren, ausserdem einige freie Fetttröpf- chen und dann die unverbrauchten Spermatozoiden, ungefähr das Dritttheil der ursprünglichen Menge, welche zumeist in den mittleren Partien desselben regellos zerstreut gelagert sind. Fig. 8. Ovarium eines Weibchens von Porcellio scaber wenige Tage nach- dem die Eichen der ersten Brut dasselbe verlassen haben und sich zur Weiterentwickelung in der Bruthöhle befinden. Die geschrumpften Wandungen des Ovariums haben sich etwas geglättet, doch hat das- selbe noch eine geringe Ausdehnung. Aus dem Epithelbelag der Wandung desselben beginnen sich winzig kleine, junge Eichen zu bilden, welche allmälig an Grösse und Zahl zunehmen. Die Sper- matozoiden haben sich gegen den Ovidukt hin zurückgezogen und formiren daselbst ein einziges regelmässig geformtes und gelagertes Bündel von mehr weniger brillenförmiger Gestalt. Fig. 9. Ovarium eines Weibchens aus der Zeitperiode wann die Jungen der ersten Brut die Bruthöhle der Mutter verlassen, die definitive An- zahl der Eichen ist bereits erreicht; es entstehen keine neuen mehr aus dem Epithel und sie haben bereits nahezu die Hälfte des Durch- messers der reifen Eichen erlangt. An der Einmündungsstelle des Oviduktes liegt das erwähnte Sper- matozoidenbündel und im Ovidukt der Brut der Chitingriffel. Fig. 10. Ovarium eines Weibchens von Porcellio scaber, welches aus patho- logischen Gründen nicht befruchtet wurde. Die Eichen sind geschrumpft, degeneriren und zerfallen allmälig; zwischen ihnen zeigen sich einzelne Fetttropfen. Von Spermatozoiden ist keine Spur vorhanden, im Ovidukt ist das völlig leere Receptaculum seminis sichtbar. Weitere Untersuchungen über das Riechepithel ete. 141 Weitere Untersuchungen über das Riechepithel und sein Verhalten zum Nervus olfactorius. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XI. Die der folgenden Mittheilung zu Grunde liegenden Unter- suchungen wurden in der Absicht angestellt, der Beantwortung der Frage nach der Endigung des Riechnerven näher zu kommen, als das bisher geschehen ist. Die letzte Endigung dieses Nerven habe ich nicht gefunden, überhaupt muss ich leider gestehen, dass grade in Bezug auf diesen Hauptpunkt wenig Neues zu Tage ge- fördert wurde. Dennoch scheinen mir die Resultate der Mittheilung werth. Sie sind geeignet, die von Exner in drei Mittheilungen (Sitzungberichte d. kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien 1870, 1872, 1877) vertretene Ansicht, dass die Aeste des N. olfac- torius in ein weitmaschiges protoplasmatisches subepithelial gele- genes Netzwerk übergehen, aus dem die beiden Zellenarten des Epithels —M. Schultze’s Epithelial- und Riechzellen — hervorge- hen, zu beseitigen; sie bestätigen und erweitern die von Babu- ehin (Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben, II. Band, Leipzig 1872) vorgetragene Lehre, dass die Nervenäste direkt in das Epithel eintreten. Selbstverständlich musste ich meine Aufmerksamkeit auch wiederholt den Elementen des Epithels zuwenden und aufs Neue die von mir (Archiv für mikr. Anatomie Band XI) beschriebene Membrana limitans olfactoria, welche von Exner in seinem drit- ten Aufsatze und von Löwe (Beiträge zur Anatomie der Nasen- und Mundhöhle, Berlin 1878) geleugnet wird, auf ihre Existenz Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 17. 10 142 A. v. Brunn: untersuchen, sowie auch die das Epithel gegen die Schleimhaut absrenzenden Theile ins Gebiet meiner Untersuchungen ziehen. Zunächst ein paar Worte üher das Epithel. Ich muss bier die M. Scehultze’sche strenge Scheidung von Epithelial- und Riech- zellen auch jetzt noch durchaus festhalten, wiewohl ich Exner das wenn auch recht seltene Vorkommen von Uebergangsformen zugestehe. Ich muss diese Scheidung für durchaus nothwendig halten, weil das Verhalten der Zellenarten zur Oberfläche ein durchaus verschiedenes ist, wie ich später darlegen werde. — Da- gegen bestätige ich die von W. Krause (C. F. Th. Krause’s Handbuch der menschlichen Anatomie, Ill. Aufl., Band I. Hanno- ver 1876) als Basalzellen beschriebenen und von Mahmoud Sidky (Recherches anatomo-mieroseopiques sur la muqueuse olfactive, These de Paris 1877) als Couche basilaire zusammengefassten Zel- len und kann als besonders günstiges Objeet zu ihrer Darstellung die Riechsehleimhaut der Vögel (Huhn, Ente, Taube) empfehlen, wo diese Gebilde eine sehr regelmässig conische Gestalt besitzen und besonders lang und zahlreich sind, was hier namentlich gegen- über der geringen Zahl der Riechzellen auffällt. Was nun das Verhalten der Epithelial- und Riechzellen zur Oberfläche betrifft, so habe ich in dem oben eitirten Aufsatze eine diese Fläche bedeckende, wie ich damals meinte, amorphe Sub- stanzschichte beschrieben und abgebildet, die eine nicht unbe- trächtliche Dieke, etwa 0,005 mm hat und auf ihrer unteren Fläche Leisten besitzt, welche zwischen die aneinander stossenden Epi- thelialzellen eine kurze Strecke eindringen, und durch welche diese Schicht, wenn man sie isolirt von der Fläche sieht, eine netzförmige Zeichnung erkennen lässt. In den Leisten befinden sich Poren, welche die ganze Schicht durchsetzen, und in denen die peripherischen Fortsätze der Riechzellen stecken, so dass sie also direkt von der die Nase durchstreichenden Luft getroffen werden, von der die Epithelialzellen durch eben diese Schicht getrennt sind; ich nannte diese Schicht Membrana limitans olfactoria. Seit- dem hat W. Krause die Entdeckung gemacht, dass das Riech- epithel von äusserst feinen erst bei S00maliger Vergrösserung er- kennbaren, nicht flimmernden Härchen bedeckt ist, er schreibt solche den beiden Zellenarten zu, meint aber, sie scheinen auf den Riechzellen etwas dicker zu sein. Derselbe erkennt zugleich aber die Membr. limitans an; ebenso Sidky, — nur dass Letzterer Weitere Untersuchungen über das Riechepithel ete. 143 meine Angabe dahin modifieirt, dass die genannte Begrenzungs- haut unmessbar dünn sei; die Krause’schen Härchen kennt er nicht. Löwe bestätigt die Letzteren. Er erklärt das Verhältniss der Epithelial- und Riechzellen zur Oberfläche für gleich, lässt beide mit denselben Härchen besetzt sein, erkennt als Besonder- heit des Flimmerbesatzes der Regio olfactoria nur seine leichte Abhebbarkeit in grossen Stücken an, und meint, meine Limitans sei identisch mit dem Härchenbesatz beider Zellenarten. Exner in seiner dritten Mittheilung ist derselben Ansicht bezüglich des Frosches, während er die Härchen bei 'Säugethieren noch nicht allgemein anerkennt. Auch diese Krause’sche Entdeckung kann ich, wenn auch mit einiger Beschränkung, bestätigen. Es findet sich über den Epithelialzellen ein Saum, der bei Hartnack 10 & imm. deutliche Streifung senkrecht zur Oberfläche zeigt, dessen vollständige Auf- lösung in einzelne Härchen aber kaum vollkommen gelingt. Es verhält sich mit ihm ungefähr, wie mit dem Saume der Darmepi- thelzellen, an dem man ja auch gelegentlich eine Isolation der ihn zusammensetzenden Stäbchen beobachtet. Indessen stehen, glaube ich, die Stäbchen, aus denen sich jener Saum zusammensetzt, den Flimmerhaaren noch näher, als die Elemente des Epithelialzellen- besatzes der Riechschleimhaut. — Trotzdem ist die Limitans nicht aufzugeben : sie liegt vielmehr unter den Härchen — rudi- mentäre Flimmerhaare könnte man sie vielleicht nennen, — sie bedeckt die Epithelialzellen, besitzt entsprechend den Grenzen die- ser die Verdiekungen, die ihr in der Flächenansicht das netzför- mige Ansehen geben und auf dem Durchschnitt an der unteren Fläche deutlich hervortreten; sie hat von eben solchen Verdickungen umgebene Poren, durch welche die peripherischen Riechzellenfort- sätze dringen, um ungefähr im Niveau der freien Enden der Här- chen zu endigen. ‘Meine frühere Limitans besteht also aus dieser und den Härchen. Dies Verhalten ergiebt sich aus Bildern, welche man auf ver- schiedene Weise erhalten kann. Einmal findet man in Zerzu- pfungspräparaten von Riechschleimhäuten, welche 24 Stunden lang in Osmiumsäure von 2%/, gelegen hatten und dann in Wasser ma- cerirt waren (Fig. 1) direct, dass die Riechzellenenden durch die Poren dringen; ganz ähnliche Bilder geben Durchschnitte von Schleimhäuten, welche in Müller’scher Flüssigkeit oder 6 proc. Lö- 144 A. v. Brunn: sung von Kali bichrom. und dann in Alcohol gehärtet waren, — sowie auch Zerzupfungspräparate aus den genannten Flüssigkei- ten. Dann mache ich darauf aufmerksam, dass man an Flächen- ansichten des Epithels, bei denen die freie Fläche nach Oben liegt, beim Heben des Tubus die optischen Durchschnitte der Riech- zellen noch deutlich erkennt, wenn die Contouren der Epithelial- zellen bereits verschwunden sind. Ich betone besonders, dass ich 2proceentige Osmiumsäure anwendete, welche eine Quellung der Epithelialzellen fast gar nicht bewirkt und der man wohl auch eine Quellung der Riechzellen kaum zuschreiben kann. Die freien Enden der Riechzellen nun finde ich an Präpara- ten, welche 24 Stunden in’ 1—2 proc. Osmiumsäure gelegen und danach 4—6 Wochen in der Merkel’schen Mischung von gleichen Theilen Glycerin, Alcohol und Wasser zugebracht hatten, — we- niger gut nach Wassermaceration — kolbig angeschwollen und mit Härchen von grosser Feinheit, die aber viel deutlicher sind, als jene der Epithelialzellen, spärlich besetzt. Am besten gelingt aber ihre Darstellung an Riechschleimhäuten von Säugethieren, die in der von Pacini angegebenen Conservirungsflüssigkeit — es ist die erste der bei den Pacini’schen Mischungen, welche Frey auf S. 136 der 6. Auflage des Mikroskop angiebt und in welcher rothe Säu- gethierblutkörper sich so gut halten — einige Stunden gelegen haben. Hier sind die Endflächen der Epithelialzellen sämmtlich durchaus glatt, jede Spur der Härchen ist verschwunden, — ebenso constant aber überragen die Riechzellen die Oberfläche und zeigen auf das Schönste die Riechhärehen“ (Fig.2). Auch isoliren sich die einzelnen Zellen häufig, wenigstens der peripherische Fortsatz mit dem Zellkörper, und beseitigen so jeden Zweifel darüber, dass auch wirklich nur die Riechzellen die Träger dieser eigenthümli- chen Bildung seien. Die kurzen Härchen stehen nach allen Sei- ten hin von dem kolbigen Ende ab und es bilden die äussersten etwa einen Winkel von 180° mit einander. — Die regelmässige Erhaltung der Riechhaare und ebenso vollständige Lösung des Härchenbesatzes der Epithelialzellen ist zugleich ein, wie ich denke, sicherer Beweis für die Ungleichwerthigkeit beider. Bei Vögeln — Huhn, Ente, Taube — und Amphibien, — Frosch, Salamandra maeulosa, Triton taeniatus und alpestris — sind die Verhältnisse in mehreren Punkten andere, als bei Säugethieren. Einmal fehlen, wie ich heute noch behaupten muss, den Epithe- Weitere Untersuchungen über das Riechepithel etc. 145 lialzellen die Haare, — ohne allen Zweifel tragen sie nicht die gleichen, wie die Riechzellen, — zweitens ragen die peripherischen Riechzellenfortsätze nicht so weit über die Oberfläche empor, son- dern wölben sich nur eben halbkugelig über dieselbe, drittens sind die Riechhaare sehr viel länger. Das Erste halte ich für eine wesentliche Differenz, die beiden anderen Punkte für unwesent- liche, da sonst das Verhalten zur Limitans ganz das gleiche ist. Diese habe ieh nämlich jetzt, was mir früher nicht gelungen war, auch bei allen diesen Thieren in grossen Stücken isolirt erhalten. Der Durchschnitt — am besten an geeigneten Stücken von Zupf- präparaten aus Osmiumsäure von 2 pCt. — zeigt die glatte Limi- tang und durch deren Lücken die Riechzellen hindurchtretend, welche auf ihrem Endknöpfehen den Büschel langer Haare zeigen. Diese letzteren strahlen pinselförmig aus, sodass die äussersten einen Winkel von 30—40° mit einander bilden und die von be- nachbarten Zellen einander vielfach durehkreuzen, wodurch das Bild eines vollständigen Wimperkleides diekerer Stücke hervorge- rufen wird. Dem entspricht ausserordentlich schön die Flächen- ansicht. Bei hoher Tubusstellung sieht man die punktförmigen optischen Querschnitte der Härchen ganz gleichmässig vertheilt. Senkt man den Tubus, so treten diese Pünktchen zu Gruppen zu- sammen, um bei weitergehender Tiefstellung mehr und mehr zu- sammenzurücken und endlich auf den optischen Querschnitten der Riechzellenenden zu verschwinden. Erst bei einer abermaligen Drehung. der Schraube treten dann die Leisten der Limitans auf. Soglaube ich also das gleiche Verhalten der Riech- zellen zur Oberfläche des Epithels und die gleiche Be- schaffenheit ihrer freien Enden bei Säugethieren, Vö- seln und Amphibien nachgewiesen zu haben. Das ungleiche Verhalten der Epithelialzellen ist freilich recht unbequem. Die mangelhafte Ausbildung und grosse Vergänglich- keit der Kraus e’schen Härchen bei den Säugethieren lässt hoffen, dass man etwas Aehnliches bei Vögeln und Amphibien noch fin- den werde, es hat mir einigemale geschienen, als befinde sich über den entsprechenden Zellen des Frosches und Salamanders ein ähnlicher, aber vie! niedrigerer Saum; indessen waren mir die Bilder zu unbestimmt, als dass ich sie für mehr als der blossen Erwähnung werth hielte. Die gegebene Schilderung weist die von Exner und Loewe 146 A.v. Brunn: aufgestellte Ansicht zurück, dass das, was ich als eine Membran beschrieben, niehts Wesentliches sei, dass das Besondere des Riechepithels nur in der leichten Ablösung des Härchenbesatzes in grossen Stücken liege, eine Meinung, deren Unhaltbarkeit mei- ner Ansicht nach schon daraus hervorgeht, dass man so häufig — siehe meine frühere Mittheilung S. 475, Fig. 7 — Präparate erhält, in denen sich die Limitans sammt dem Härchenbesatz (beide habe ich damals nicht getrennt, sondern zusammen als Limitans be- schrieben und bezeichnet) in grossen Stücken isolirt findet, welche mit den festsitzenden peripherischen Riechzellenfortsätzen dicht besetzt sind, während die Epithelialzellen alle oder fast alle feh- len. Wäre das Verhältniss zur Oberfläche das gleiche, so sollte man doch bei der grösseren Oberfläche der Epithelialzellen eher an ein Festhaften dieser denken. Als was soll man nun diese Membran ansehen? Ich stimme mit Loewe darin überein, dass sie als Cuticeularbildung aufzufas- sen sei: sie ist gewiss gleichbedeutend mit dem glänzenden, die Cilien tragenden Saum der gewöhnlichen Flimmerzellen, aber mit der Besonderheit, dass diese Bildung nur den Epithelialzellen zu- kommt und dass die den einzelnen Zellen angehörenden Säume viel fester mit einander verklebt sind, als irgendwo sonst. Wie schon in meiner früheren Mittheilung angegeben, habe ich Stücke von 0,6 qmm isolirt gesehen. Dieser Cutieularmembran besondere Beachtung zu widmen und ihr einen Namen zu geben, dazu hat man gewiss ebensoviel Recht, wie dazu, die Membr. limit. externa der Retina oder die Membr. reticularis cochleae als solche zu be- zeichnen, wiewohl beide von Niemandem für selbständige Bildun- sen gehalten werden. Zur Verfolgung der Olfactoriusfasern habe ich mich des Gold- chlorids bedient, und zwar habe ich dasselbe nach der von Loe- wit angegebenen Methode angewandt, mit der Modification, dass ich, um die Ablösung des Epithels zu verhindern, die Ameisen- säure in weit schwächerer Concentration, 1—4°/,, benutzte. Die Launenhaftigkeit des Goldehlorids bewährte sich leider auch hier. Unter etwa 50 Vergoldungsversuchen glückte nur einer recht gut: diesem einen Präparate sind die Schnitte entnommen, von denen Theile in Fig. 3 und 4 dargestellt sind. Es war dies Geruchsor- san eines fasterwachsenen Kaninchens frisch in Ameisensäure von 4%/, abgespült worden, hatte dann eine halbe Stunde in Goldcehlorid Weitere Untersuchungen über das Riechepithel etc. 147 [2 von 10, und nachher 24 Stunden in derselben Ameisensäure zu- gebracht. Sonst habe ich in noch acht Fällen.bei der Katze, dem Fuchs, dem Kaninchen, dem Huhn, Frosch und Salamander, Bil- der erhalten, in denen man das Eintreten der Nerven in das Epi- thel deutlich erkannte, aber wegen zu tiefer Goldtinetion des Epi- thels und der unterliegenden Schichten weniger gut. An Versu- chen, eine sichere Methode ausfindig zu machen, habe ich es nicht fehlen lassen, ich habe die Coneentration der Goldlösung sowohl, wie der Ameisensäure mannichfach variirt,—erstere von 0,25 bis 2%/,,— letztere von 1—20°%/, — ohne zum Ziele zu gelangen. Dennoch sind die einen gelungenen und die anderen leidlich gerathenen Ver- goldungen durchaus beweisend dafür, dass die Aeste des Riech- nerven, nachdem sie sich im Schleimhautgewebe vielfach getheilt haben und dicht unter dem Epithel noch einmal in feine Zweige zerfallen sind, direet in das Epithel eintreten; die Präparate sind durchaus nicht anders zu deuten: Fig. 3 ist ein rein senkrechter Schnitt und die Verfolgung der Nerven in das Epithel leicht. Auf- fallend erscheint, dass die meisten Aeste dort plötzlich, ohne zu- gespitzt zu sein, endigen. Flächenschnitte erklären das leicht: sie zeigen, dass die Nerven zwischen den Füssen der Epithelialzellen plötzlich in die horizontale Richtung umbiegen und sich spitzwink- lig verästeln, bis sie als feinste zugespitzte Fibrillen verschwinden. Von einer Plexusbildung im Epithel von Seiten der Nerven kann man kaum sprechen, ich wenigstens habe nie mit Sicherheit Ana- stomosen der Zweige beobachtet, höchstens Kreuzungen. Dass diese Verästelungen nicht subepithelial, sondern wirklich intraepi- thelial sind, beweisen die Flächenschnitte sowohl wie die senk- rechten Durchschnitte. In ersteren hat man mit den feinen Aest- chen stets zugleich die Füsse der Epithelialzellen im Fokus; in letzteren findet man die punktförmigen Querschnitte der Fibrillen niemals unter dem Epithel, was doch bei subepithelialer Lage nothwendig der Fall sein müsste, was ganz besonders in diesen Goldpräparaten auffallen müsste, bei welchen unter dem Epithel eine völlig ungefärbte Schicht, auf welche ich nachher noch zu- rückkommen werde, liegt. Innerhalb des Epithels, in den tiefsten Schichten desselben, findet man solche Pünktehen, kann einige auch sicher als Faserquersehnitte erkennen; freilich aber ist es, da das Epithel nicht ganz farblos bleibt, in manchen Fällen schwer, wohl auch unmöglich, die Diagnose mit Sicherheit zu stellen. 148 A. v. Brunn: Weiter als die Abbildungen zeigen, habe ich die Verfoleung der Nerven nicht ausführen können. Vielleicht sind die Pünktchen, welche man an den feinsten Fibrillen sieht und welche denselben ein varicöses Ansehen verleihen, die optischen Durchsehnitte von Aestchen, welche senkrecht im Epithel aufsteigen, es liegt dieser Gedanke nahe, da man sonst die Verjüngung der Fasern nicht recht begreift, aber direct dies Verhalten zu beobachten, habe ich nicht vermocht. Babuchin beschreibt ein Präparat von der Schildkröte, in dem ihm die Verfolgung der Nervenfasern bis an den Kern einer Riechzelle geglückt ist, — ich habe so’ weit nicht kommen können. Eines muss ich noch erwähnen, was ebenfalls Babuchin auffiel, dass nämlich die Körper und Fortsätze, na- mentlich die peripherischen, der Riechzellen — nicht aber ihre Kerne — eine viel tiefere Goldfärbung annehmen, als die Epithe- lialzellen. Ich besitze Präparate, welche dies Verhalten ganz pracht- voll erkennen lassen, will aber daraus keineswegs irgend welche weiteren Schlüsse ziehen. Meinen Abbildungen stehen die von Exner (Sitzungsberichte 1872, namentlich Taf. Il, Fig. 4) gegenüber. Er bildet dort, eben- falls vom Kaninchen, besonders deutlich sein subepitheliales nervöses Netzwerk ab, in welches auf der einen Seite die Olfactoriu säste auf der anderen die Epithelial- und Riechzellen direet übergehen. Ich will eine Deutung dieses Netzwerkes nicht versuchen und überlasse es getrost der Zeit und den Nachuntersuchern, welche der beiden Abbildungen sie als die den Thatsachen mehr entspre- chende erhalten, welche sie verwerfen wollen. Endlich forderten Exner’s Abbildungen zu einer genauen Durehforschung der unter dem Epithel liegenden Gewebe und zur Aufsuchung des subepithelialen Netzes auf. An den Goldpräpa- raten findet man unmittelbar unter dem Riechepithel, welches eine mässige Goldfärbung zeigt, eine von demselben durch geringen Glanz und absolute Farblosigkeit sich scharf unterscheidende nur ganz schwach streifige Schieht mit einzelnen, der Oberfläche pa- rallel stehenden platten Kernen, sie hat etwa 0,008 mm Dicke. Das tiefer unten die Zwischenräume zwischen den Drüsen und Nerven einnehmende Bindegewebe ist ebenfalls ziemlich scharf gegen diese Schicht abgesetzt durch bedeutend stärkere Faserung und tiefere Goldtinetion. An Schnitten von in Osmiumsäure von 2 pCt. und Alcohol gehärteten Riechschleimhäuten zeigt sie sich Weitere Untersuchungen über das Riechepithel etc. 149 umgekehrt in einem dunkleren Farbenton, als das tiefere Gewebe. Ihre Constituentien sind an solehen Schnitten nicht zu erkennen, wohl aber kann man sich dieselben durch Zerzupfen von Präpa- raten, welche 14 Tage oder länger in Müller’scher Flüssigkeit oder Lösung von doppeltehromsaurem Kali von 2—6 pCt. gelegen hatten, zur Anschauung bringen. Man findet hier zunächst unter dem Epithel eine einfache Schicht platter Zellen, deren der Oberfläche parallel gerichtete grosse und platte Kerne vor einer Verwechse- lung mit den Krause’schen Basalzellen schützen (Fig. 5). Sehr oft erkennt man dies Verhältniss mit Leichtigkeit, bald an diekeren Stücken, wo die ganze Lage der Zellen deutlich wird, bald an kleineren, wo nur eine solche Zelle mit den auf ihr stehenden Epithelialzellen erhalten ist; — bald auch, freilich weniger scharf, an gefärbten Schnitten durch das in 6 procentiger Lösung von Kali bichr. und dann in Alcohol gehärtete Organ. Die scharfe Abgrenzung dieser Zellen gegen das Epithel ist zweifellos. Bringt man ein Stück, an dem diese Zellen streckenweis ganz isolirt sind, wie das in Fig. 5 gezeichnete, zur Drehung, dann zeist sich, dass diese Zellen sternförmige, durch zahlreiche Aus- läufer mit einander anastomosirende sind (Fig. 7), zwischen denen nur hie und da eine kreisförmige Oeffnung für den Ausführungs- sang einer Bowman’schen Drüse bleibt. Diese dem embryonalen retieulären Bindegewebe ähnliche Schicht bleibt nieht immer an dem Epithel, sondern häufig auch auf der nächsten Gewebsschicht haften, woraus sich wohl erklärt, dass man in manchen Zerzupfungs- präparaten vergeblich nach ihr sucht. Nie vermisst habe ich sie an Flächenschnitten in Osmiumsäure gehärteter Riechschleimhäute von Säugethieren, in welchen die Zellen und Anastomosen nur et- was schlanker erscheinen, als in den Zupfpräparaten aus Chrom- salzlösungen. Diese Schicht sitzt nun einer Lage eines nur sehr undeutlich faserigen Gewebes auf, welche ungefähr dieselbe Dicke, wie die Zellen, ungefähr 0,004 mm hat, und in welcher hie und da Kerne, von etwas körniger Substanz umgeben, gefunden werden; ich bin indessen darüber nicht ins Klare gekommen, ob diese Kerne nicht etwa zusammen mit ihrer körnigen Umgebung, die auf dieser Schicht haften gebliebenen sternförmigen Zellen sind. Diese Lage homogenen Bindegewebes scheint mit den tieferen Schichten auch nur lose verbunden zu sein, wenigstens erhält man an Zupfpräpa- 150 A. v. Brunn: Weitere Untersuchungen über das Riechepithel etc. raten von Schleimhäuten, deren Epithel vorher vorsichtig entfernt worden war, oft grosse Stücke von ihr, deren optischer Durch- schnitt — an Falten — auf beiden Seiten glatt begrenzt erscheint. Die Deutung dieser beiden unter dem Epithel liegenden Schichten ist wohl nicht ganz leicht. Am nächsten liegt es mir, die sternförmigen Zellen den kürzlich von Afanasieff (dieses Archiv Band XV) näher studirten ähnlich gestalteten Gebilden auf der Innenfläche der Membranae propriae der Drüsen, namentlich des Hodens, gleichzusetzen, wogegen die folgende Schicht etwa der, mitunter ja auch eine beträchtliche Dieke erreichenden Mem- brana propria selbst, zu vergleichen wäre. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Fig. 1. Aus einem Zupfpräparat der Riechschleimhaut vom Kaninchen; Osmium 1pCt. 48 Stunden, Wasser 8 Tage. Die Epithelialzellen bedeckt von der M. limitans, ml, welche den härchenähnlichen Besatz trägt; aber rechts auch isolirt liegt. Die Riechzellen durch- bohren die M. lim. Hartn. 10/ITV a imm. Fig. 2. Junges Kaninchen. Pacini’sche Flüssigkeit 2 Stunden. Die Riech- zellen endigen mit Kolben, welche die Riechhärchen tragen. Hartn. 10/IV & imm. Fig. 3. Kaninchen; Ameisensäure, Gold-Ameisensäure. Schnitt senkrecht zur Oberfläche. Die Nerven durchbohren die absolut farblose subepi- theliale Schicht se und dringen in das Epithel ein. Dr Bowman- sche Drüse. Winkel 8/IV. Fig. 4. Flächenschnitt desselben Geruchsorganes. Rechts unten liegt der Schnitt in einer tieferen Schicht, als links. Rechts unten zwischen den verästelten Nervenfasern nur Füsschen von Epithelialzellen ez, links auch die Riechzellenkörper rz erkennbar. Dr Durchschnitte Bowman’scher Drüsen. Winkel 8/IV. Fig. 5. Junge Ratte, etwa 8 Tage alt; Müller’sche Flüssigkeit 2 Monat; Zupfpräparat. Unter dem Epithel die Schicht der sternförmigen Bindegewebszellen stz. rz, die über die Oberfläche herausragenden Riechzellen. Winkel 8/IV. BölaDezsö: Fortsetzung d. Untersuch. üb. Tethya Iyncurium Autorum. 151 Fig. 6. Dasselbe Präparat. Eine der sternförmigen Zellen mit 2 Epithelial- zellen; deutliche Grenzen zwischen beiden. In dem senkrecht ge- strichelten Saum über dem Epithel die peripherischen Riechzellen- fortsätze sichtbar. Winkel 8/IV. Fig. 7. Hausmaus, Kali bichr. 4 pCt. 14 Tage. Die subepithelialen sternför- migen Zellen von der Fläche. Winkel 8/IV. Fig. 8. Die unter den letzteren gelegene homogene Bindegewebsschicht mit den Löchern für die Bowman’schen Drüsen. Winkel 8/IV. Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya lyn- curium Autorum. Von Dr. Bela Dezsö aus Kolozsvar. Hierzu Tafel XI. Bevor ich die Fortsetzung meiner unter Prof. ©. Schmidt’s Leitung ausgeführten Untersuchungen !) im zoologischen Institute in Graz über die Tethya lyneurium aus Triest unternahm, habe ich Herrn Prof. F. Eilhard Schulze’s Original-Präparate über die schon von ihm beschriebenen Spongien studirt und habe sodann, um mich mit seiner Methode bekannt zu machen, unter seiner Leitung die von ihm bisher beobachteten Spongien ?) theils an lebenden, theils an conservirten Stücken nachuntersucht. 1) Dieses Archiv Bd. XVI. 1879. Die Histiologie und Sprossenent- wickelung der Tethyen, besonders der Tethya lyneurium, Lieberkühn (Autorum). 2) Sycandra raphanus, H. Aplysina aörophoba, Nardo. Aplysilla sul- phurea, F. E. Schulze. Halisarca lobularis, OÖ. Sch. Halisarca Dujardini, Johnston. Euspongia officinalis adriatica, F. E. Schulze. Cacospongia sca- laris, O. Sch. Spongelia pallescens, ©. Sch. Spongelia avara, ©. Sch. Chon- drilla uncula, O. Sch. Chondrosia reniformis, Nardo. 152 B&la Dezsö: Sodann ging ich an die Untersuchung der Tethya Iyncurium aus Triest, welche ich durch die Vermittlung der Triester k. k. zoologischen Station auf die Bestellungen des Herrn Prof. F. E. Schulze reichlich, sowohl im lebendigen, wie frisch eingelegten Zustande, haben konnte. Wie ich schon früher !) bemerkt habe, zeigt die „Tethya lyn- eurium aus Triest (Taf. I. Fig. 1) eine sehr eigenthümliche Zu- sammensetzung. Die hochentwickelten radiär ausstrahlenden Na- delbündel (Fig. 2, 3) erzeugen an der Oberfläche Vorsprünge, so dass diese Tethya aus Triest Uebergangsform zwischen der Tethya Iyneurium varietas villosa ©. Schmidt und Tethya Iyneurium au- torum sein dürfte. Das Epithel (Fig. 4, 6) ist wegen der der Oberfläche gewöhnlich anhaftenden Verunreinigungen schwer auf- findbar. Darunter liegt die mächtige kleinsternige Schicht; die grossen Sterne sind sehr spärlich vorhanden und muss man sie mit Mühe aufsuchen. Die Faserzellenschicht ist schön entwickelt. Das Markgewebe besteht aus isolirbaren Zellen. Das Wasserge- fässsystem ist typisch und sehr mächtig entwickelt.“ An diese schon in Strassburg i. E. über die Tethya aus Triest erhaltenen Resultate knüpfe ich die in Graz gewonnenen an. Makroskopische Anatomi’e der Tethya lyncurium aus Triest. Die Tethyen kommen bei Triest (Taf. I. Fig. 1) in der Grösse von einer Haselnuss bis zu einer Faust vor. Die Farbe ist gelb- lich, bräunlich, wenn ihr nicht Verunreinigungen eine Schlamm- farbe gaben, was öfters vorkommt. An der Oberfläche sieht man die vorspringenden Nadelbündel fast in regelmässigen Abständen von einander (Taf. I. Fig. 1,2, 3). Die Nadeln der einzelnen Bün- del ragen gleich weit vor. Bei in Wasser befindlichen lebenden Tethyen bemerkt man Folgendes. "Aeusserlich zwischen den Na- delbündeln breitet sich die „Porenhaut“ (Taf. I. Fig. 3Ph 4) aus. Diese Porenhaut kann sich an der ganzen Oberfläche verbreiten (Fig.4), bald hie und da sich an die untere, gleich zu bespre- chende „Siebplatte“ anlegen (Fig 3), bald sich hie und da gänzlich zurückziehen (Fig. 3). Bei lebendigen Exemplaren sieht 1) L. e. S. 648, Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya lyncurium Autorum. 153 man meistens in der innersten Partie der Rindenschicht, dicht neben der Marksubstanz ein siebartiges Netz ausgebreitet zwischen je 4—5 Nadelbündeln (Taf. I. Fig. 5 von oben gesehen). In dieser „Siebplatte“ sind die Lücken makroskopisch zu sehen, welche in die trichterförmigen Eingänge des Wassergefässsystems der Marksubstanz hineinführen (Taf. I. Fig.3). Zwischen der Poren- haut und der Siebplatte liegen unbeständige Räume, welche wahr- scheinlich als Reservoir für hineingelangte mikroskopische Thiere dienen (Fig.3R). Ausserdem sieht man noch die beständige Öeffnung, das Öseulum, welche nach später mitzutheilenden Ver- suchen sowohl zur Ab- wie auch Zufuhr des Wassers dienen kann. Der Wasserstrom im Osculum ist in der Ruhe des Thieres gleich- mässig und beständig. Bei Störung der Ruhe des Thieres tritt ein plötzliches gewaltsames Ausströmen ein. Nach der Betrachtung dieser äusserlich sichtbaren Theile muss man das Messer gebrauchen und die Tethya halbiren (Taf. I. Fig. 2). Jetzt sieht man, wenn man glücklicherweise eine sich nicht allzustark zusammenziehende Tethya trifft, folgende Theile. Fig. 2 zeigt die Rindenschicht, an welcher die Nadelbündel, die Porenhaut, die Siebplatte und die dazwischen liegenden Räume zu erkennen sind. Die Farbe der Rinde ist ein helles Orange, die der darunter liegenden Marksubstanz olivengrün. Die Mark- substanz führt diese bräunliche Farbe in zwei Nuancen, die äus- sere Partie derselben ist heller (Fig. 3Gs) und enthält Gefäss- stämme und Geisselkammern, die untere dunklere Partie führt ausserdem auch die Genitalproducte (Fig. 3Gp). Diese Differenz in der Färbung der verschiedenen Regionen der Marksubstanz steht also in Beziehung zu deren differenter physiologischer Be- deutung. Wenn man den Schnitt so ausführt, dass auch der Central- theil getroffen wird, so zeigt sich, dass hier keine Marksubstanz existirt, und dass die Nadelbündel in einem Punkte zusammen- treffen. Dieser „Centralkörper“ (Fig. 3Ck) liegt ziemlich ex- centrisch; darum ist er beim Schneiden aus der Fig. 2 ausgefallen. Er enthält in radiärer Stellung die Nadelbündel, die von hier ausstrahlen, und welche ihre Beweglichkeit dem hier äusserst stark entwickelten Fasergewebe verdanken. Und eben, weil der Cen- tralkörper nur Fasergewebe enthält, ist seine Farbe weisslich. Dieses Fasergewebe zieht sich an den Nadelbündeln hin und ge- 154 Bela Dezsö: langt so vom Centralkörper durch die Marklage bis in die Sieb- platte. Aus dieser aber zieht es sich in der nächsten Umgebung der Wassergefässe auch wieder durch die Markmasse fast ‚bis zum Centralkörper zurück. Aus dem Fasergewebe der Siebplatte ge- hen ausserdem auch Faserzüge zu der Porenhaut, und diese Fa- serzüge spannen die Porenhaut zwischen den Nadelbündeln aus. Dieses später näher zu besprechende Fasergewebe halte ich für contractil. Es ist bestimmt, die Stellung der Nadelbündel zu ein- ander zu verändern. Es kann dieselben einander nähern und von einander entfernen. Nach diesen makroskopischen Befunden besteht die Tethya also aus der Rindenschicht und der Marksubstanz sammt dem Centralkörper. Speciell sind zu unterscheiden in der Rindenschicht: . die Porenhaut (Fig. 3 Ph); . die Siebplatte (Fig. 3 Sp); . die Räume zwischen Porenhaut und Siebplatte (Fig. 3 R); . das Osculum (Fig. 3 0), In der Marksubstanz: 1. die äussere hellerbräunliche Partie (Fig. 3 Gs); 2. die innere dunklerbräunliche Partie, in welcher die Ge- nitalproducte, Eier und Spermatozoen, entstehen (Fig. 3 Gp); 3. der Centralkörper. Die Farbe der Theile wird einerseits durch in besonderen Zellen enthaltene Pigmentkörnchen (Fig. 7) hervorgebracht, ande- rerseits durch das eigenartige Aussehen der verschiedenen Ge- webselemente und der sich darin findenden Kieseltheile. m» OD Histiologische Untersuchung. A. Kieselgebilde. In der Tethya Iyneurium aus Triest zeigen die Kieselgebilde einige Verschiedenheiten von den Kieselgebilden der Tethya lyn- curium aus Neapel. Die Vertheilung der grossen und kleinen Sterne geschieht nieht so prägnant, wie bei Tethya Iyncurium aus Neapel. In der Porenhaut kommen nur die kleinen Sterne vor. Die grossen Sterne sind in der Siebplatte sehr selten und gemischt mit kleinen Ster- Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya lyneurium, Autorum. 155 nen. In den die Gänge begleitenden Geweben der Marksubstanz kommen beiderlei Sterne gemischt vor. Was die Gestalt der Kieselgebilde betrifft, so sind die Na- deln nieht wesentlich verschieden von den Nadeln der Tethya lyneurium aus Neapel. Die kleinen Sterne stimmen sogar voll- ständig überein. Aber die Strahlen der grossen Sterne (Fig. 13) sind fast immer etwas wellig gekrümmt. Auch sind die grossen Sterne im Allgemeinen viel schlanker, als die der Tethya aus Neapel. Die hervorragenden Nadeln bei der Tethya aus Neapel sowohl wie bei der Tethya aus Triest haben an den Endspitzen je eine triehterförmige Oeffnung (S. d. Archiv Bd. XVI, Taf. XXX], ae, 10, Tat. XXX, Fig. 12). B. Gewebsformen. l. Aeussere Zellenschiceht. Die Porenhaut der Tethya lIyneurium aus Triest trägt eine einschichtige Platten-Epithelzellenlage (Fig. 4 Ep). Wenn man unter Wasser ein Stückchen der ausgebreiteten Porenhaut abgeschnitten hat, kann man diese Epithellage schon mittelst Hämatoxylin-Färbung zur Anschauung bringen, mittelst salpetersaurem Silberoxyd (!/2°/,) aber sehr deutlich. Einmal habe ich eine Tethya im Institutsaquarium in Graz von der Un- terlage gewaltsam abgerissen, wobei jedoch ein Stückchen an der Unterlage übriggeblieben ist. Aus diesem Bruchstücke sind später kleine Sprossen entsprungen, auf welche Prof. Schulze meine Aufmerksamkeit gelenkt hat. Ich habe diese mit salpetersaurem . Silberoxyd (!/s /o) untersucht und die charakteristischen Epithel- zellenceontouren sind äusserst schön hervorgetreten, wie dies in Fig.6 abgebildet wurde. 2. Kragenzellen. Mehrere Wochen habe ich gearbeitet, bis ich die Geisselkam- mern der Tethya lyneurium finden konnte. Dies erklärt sich daraus, dass der Körper der Tethya lyneurium mit Kieselgebilden überfüllt ist und desshalb beim Schneiden die Geisselkammern sehr leicht zu Grunde gehen. Ich habe sie nur vereinzelt gefun- den, und sie tragen den von F.E. Schulze bei Chondrosia wohl- ‚ beschriebenen Charakter. Fig. 8 zeigt uns eine Geisselkammer mit den Kragenzellen und dem Ausführungsgange. Diese Abbil- 156 B!öla Dezsö: dung wurde nach einem Präparate von Prof. Schulze gemacht, welches er mir gütigst zur Verfügung gestellt hat. 3 Bindesubstanzschicht. Absichtlich lasse ich die Besprechung der Mesodermalgebilde nach der Besprechung der Eetodermal- und Endodermalgebilde folgen, weil ich, wie ich dies in meiner ersten Abhandlung!) be- reits gesagt habe, „hinsichtlich der Schichten des Spongienkör- pers im Wesentlichen zu denselben Resultaten gelangt bin, wie auch F. E. Schulze bei den von ihm untersuchten Spongien — mit zwei Abweichungen: 1. Er hat das Mesoderm nicht in zwei, in eine äussere und eine innere Schicht getheilt gefunden, wie ich. 2. F.E. Schulze nimmt eine sogenannte körnige, respective hyaline Grundsubstanz an, welche ich nie finden konnte.“ Bei der Besprechung dieser zwei Differenzen muss ich erst den zweiten Punkt auseinandersetzen. Im Sinne Fr. E. Schulze’s sind die körnige und die hyaline Grundsubstanz zwei charakteristische Varietäten der bindegewebi- gen Zwischensubstanz bei den Spongien. Also ist die erste Frage, ob im Allgemeinen diese bindegewebige Zwischensubstanz existirt und zweitens, ob, wenn sie existirt, das körnige oder hyaline Aus- sehen derselben von Bedeutung ist? Was die Existenz dieser Zwischensubstanz anbelangt, so bin ich ganz überzeugt, dass sie bei vielen Spongien vorhan- den ist. Diese Zwischensubstanz habe ich sowohl an den Origi- nalpräparaten von Prof. Fr. E. Schulze gesehen, als auch an eigenen Präparaten von Sycandra raphanus H., Aplysina aörophoba Nardo, Aplysilla sulphurea F. E. Schulze, Halisarca lobularis O. Sch., Halisarca Dujardini Johnston, Euspongia officinalis adritica F. E. Schulze, Oacospongia scalaris O. Sch., Spongelia pallescens O. Sch., Ohondrilla uncula ©. Sch., Chondrosia remiformis Nardo gefunden. Dass dieses Bindegewebe hald mit hyaliner, bald mit körniger Grundsubstanz bei einzelnen Spongien vorkommt, trifft zwar bei sehr vielen, aber nicht bei allen Spongien zu, wie dies auch von Prof. Fr. E. Schulze ?) bei der Spongelia pallescens O. Sch. angegeben 1) Dieses Archiv Bd. XVI. S. 644. 2) F. E. Schulze. Die Gattung Spongelia. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXIL S. 135—156. Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya Iyncurium Autorum. 157 wurde. Derselbe sagt von der Bindesubstanzschicht der Sponge- lia: „Am Massigsten tritt diese aus einer hyalinen gallertartigen Grundsubstanz mit eingelagerten unregelmässig stern- oder spin- delförmigen, oft deutlich anastomirenden Zellen gebildete Gewebs- schicht in der Umgebung der grösseren abführenden Canäle, zumal der Oseularkanäle auf. Weniger reichlich findet sie sich zwischen den zuführenden Canälen und den Geisselkammern. Doch ist beson- ders hervorzuheben, dass sie auch in der Nähe der Geisselkammern dieselbe hyaline Grundsubstanz besitzt, wie an den andern Orten; im Gegensatze zu den meisten andern Hornspongien, bei welchen die Bindesubstanz zwischen den Geisselkammern durch Einlagerung zahlloser, stärker liehtbrechender rundlicher Körnchen einen wesentlich andern Charakter hat, als in den übrigen Weieh- körperregionen. Ich kann in dieser Beziehung auf die in diesen Mittheilungen bereits geschilderten Gattungen Chondrosia, Chon- drilla und Aplysina als Beispiele verweisen, während merkwürdi- ger Weise die der Aplysina doch sonst nahe verwandte Aplysilla ebenso wie Halisarca kein Körnchen in der Grundsubstanz des die Geisselkammern umgebenden Bindegewebes besitzt.“ „Gerade dieser Mangel der Körnchen in der Umgebung der Geisselkammern ist es, welches neben der abweichenden Form, Grösse und Lagerung dieser letzteren mich bestimmt, die Gattung Spongelia von den Gattungen Euspongia, Cacospongia ete. zu trennen.“ Hiernach kommt also bei vielen Spongien ausser dem Bindege- webe mit hyaliner Grundsubstanz auch solches mit körniger Grund- substanz vor, und zwar letzteres nur in der Umgebung der Geissel- kammern; während einzelne Spongien, wie z. B. Spongelia, Aply- silla überhaupt nur Bindegewebe mit hyaliner Grundsubstanz ent- halten. Ich selbst habe früher meine „Faserschicht“ in eine klein- sternige und eine grosssternige Schicht eingetheilt. Diese meine Ein- theilung trifft nun zwar für Tethya zu, findet aber auf andere Spongien keine Anwendung. Nach diesen Betrachtungen gibt es bei den von mir unter- suchten Spongien ein Mesodermalgebilde, was bei den entwickel- ten Spongien bestehen kann aus: 1. Bindegewebe mit stern- oder spindelförmigen Bindege- webskörperchen und hyaliner Grundsubstanz. In demselben findet Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. 17. 11 158 Bela Dezsö: man auch unregelmässige, klumpige Zellen, welche als amöboide oder Wanderzellen bekannt sind. 2. Aus Bindegewebe mit körniger Grundsubstanz. 3. Fasergewebe oder Faserbündel, entweder aus lauter Fa- serzellen bestehend !) oder auch mit Bindegewebe zwischen den Faserzellen ?). Was speciell die Mesodermalgebilde der Tethya Iyneurium aus Triest betrifft, so habe ich Folgendes zu bemerken. (Vergl. Fig. 3.) Im Centralkörper an den Nadelbündeln und in der Siebplatte giebt es ein Fasergewebe, welches aus wohlentwickelten Faserzellen besteht. In der Siebplatte kann man zwischen den Faserzellen auch Bindegewebskörper finden mit äusserst spärlicher hyaliner Grund- substanz. Dieses Fasergewebe folgt den Canälen des Wassergefäss- systems bis in die Marksubstanz hinein. Es ist zu bemerken, dass dieses Fasergewebe sich sehr schwach oder gar nicht mit Carmin oder Hämatoxylin färben lässt. Der mesodermale Theil der Porenhaut enthält nur rundli- che Bindegewebszellen mit spärlicher Grundsubstanz und führt nur kleine Zellen. Er lässt sich mit Carmin oder Hämatoxylin sehr leicht färben. Die Marksubstanz hat eben dieselbe Struktur, wie der meso- dermale Theil der Porenhaut mit der Abweichung, dass auch grössere, rundliche Zellen in der Marksubstanz vorkommen. In dem Theile der Marksubstanz, welcher die Genitalprodukte ent- hält (Fig. 3 Gp), kommt ein faseriges Stroma mit kleinen und hie und da auch grossen Sternen vor (Fig. 13). Als zu den Mesodermalgebilden gehörige Bestandtheile habe ich noch die im Fasergewebe der Siebplatte reichlich vorkom- menden Pigmentzellen zu erwähnen. Im Allgemeinen verhal- ten sich diese Pigmentzellen so, wie bei Chondrosia 3) renifor- mis Nardo. Auch die von F. E. Schulze als knollige Gebilde bezeich- 1) Dr. Dezsö: L.’e. Fig. 17, 18,19. 2) F. E. Schulze. Die Familie der Chondrosidae. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIX. p. 18. 3) F. E. Schulze. L.;c. p. 20. Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya Iyncurium Autorum. 159 nete fettähnliche Substanz kommt im Fasergewebe der Siebplatte vor. Schulze’s Beschreibung dieser Elemente bei der Chondro- sia reniformis trifft auch für die knolligen Gebilde der Tethya lyneurium aus Triest zu. Das Wassergefässsystem beginnt mit den Poren der Po- renhaut (Fig. 3 Ph, 4P) und führt zunächst in die subdermalen Räume (Fig.3R). Aus diesen Räumen gelangt das Wasser von der Siebplatte (Fig. 3Sp, Fig. 5) aus durch trichterförmige Canäle in die Marksubstanz, verzweigt sich baumartig in dem äusseren Theile derselben (Fig.3) und tritt in Verbindung mit den Geis- selkammern, die nur hier vorkommen. Die abführenden Gefässe nehmen den entgegengesetzten Verlauf, und münden schliesslich im Osculum aus. Folgende interessante Erscheinung konnte ich an einer Tethya lyneurium aus Triest im Aquarium des zootomischen Instituts zu Graz beobachten. Die zu besprechende Tethya hatte ihren Cen- tralkörper nach aussen gestülpt, so dass die Marksubstanz äusser- lich zum Vorschein kam und sich die ganze Rindenschicht an einer Seite des Thieres gesammelt hatte. Es ist zu bemerken, dass diese Tethya sich ganz wohl hefand und weder die äusseren Lebenserscheinungen noch der mikroskopische Bau Abweichungen zeigte. Ausserdem habe ich noch Versuche mitzutheilen, welche ich hinsichtlich der Wasserströmungsrichtung bei der Tethya lyncurium aus Triest angestellt habe. Aus dem Aquarium des Grazer zootomischen Instituts standen mir lebendige Exemplare derselben zur Verfügung und so konnte ich folgende Versuche ausführen. Als ich fein pulverisirtes Carmin auf die Aussenfläche einer in einem besonderen passenden Gefässe isolirten lebenden Tethya brachte, konnte ich mit der Loupe langsame Strömungen durch die grössere Poren wahrnehmen und auch eine durch das Osculum in den Körper hineinführende Strömung bemerken. Nach Ablauf von zwei Stunden störte ich die Ruhe des Thieres. Dabei entstand dann eine gewaltsame andauernde Ausströmung durch das Os- eulum, wobei das Thier sich stark zusammenzog. Die mikrosko- pische Untersuchung ergab das Resultat, dass die Carminkörnchen durch die Poren bis zum Centralkörper gelangt waren. Nur die Marksubstanz enthielt Carminkörnchen. Nach diesen Versuchen 160 Bela Dezsö: muss ich die Angaben von Elias Metschnikoff!), dass bei einigen Schwämmen die Nahrungsaufnahme ausschliesslich von Mesodermelementen ausgeführt wird, bestätigen. Ich babe hier noch eine Beobachtung mitzutheilen, die ich für das Verständniss des Processes der Nahrungsaufnahme bei Spongien wichtig halte. Wie Fr. E. Schulze bei den von ihm untersuchten Spon- giengattungen nachgewiesen hat, dringt die Bindesubstanz mit hya- liner Grundlage zugleich mit den Wassergefässen und deren Wan- dung bildend, in die Marksubstanz ein. Ich habe nun bei der Tethya erkannt, dass die in der Rindenschicht sich befindenden Räume (die subdermalen Räume) mit der kleinsternigen Schicht ausgekleidet sind, und dass diese kleinsternige Schicht auch überall die Wassergänge begleitet. Auch habe ich die Wahrnehmung gemacht, dass die subder- malen Räume fast immer organische Körper, vorzugsweise Fora- miniferen enthalten. Diese Thierchen, speeiell Foraminiferen, wer- den in die subdermalen Räume durch die Wasserströmungen ein- geführt und von der die Wandungen dieser Räume ausmachenden kleinsternigen Schicht vollständig umgeben. Diese kleinsternige Schicht hat bei diesem Process die Fähigkeit, diese Nahrungsob- jecte zu umfassen. Entwieckelungsgeschichtliches über die Tethya Iyneurium aus» Triest. 1. Sprossenentwickelung. Wie ich sehon erwähnte, sah ich aus einem an einer Unter- lage zurückgebliebenen Stücke von Tethya Iyneurium aus Triest Sprossen entspringen. Wie der Process der Sprossung in diesem Falle vor sich ge- gangen ist, konnte ich selbstverständlich von Anfang an nicht un- tersuchen. 1) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXII. H. 3. 1879. Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya lyncurium Autorum. 161 Die Endspitze einer solchen Sprosse, auf welcher man die Platten-Epithellage sehen kann, habe ich in Fig. 6 wiedergegeben. Es ist bemerkenswerth, dass meistens nur eine Nadel aus dem Nadelbündel herausragt. Seltener ragen mehrere Nadeln hervor. Im Allgemeinen entspricht die Structur dieser Sprossen der Struetur der Sprossen, welche ich in meiner vorigen Abhandlung !) in Taf. XXX, Fig. 2, Taf. XXXI, Fig. 10 abgebildet habe. Hier findet man auch das Nadelbündel, die kleiusternige Schicht und äusserlich die Platten-Epithelschicht. 2. Genitalproducte. Mit Eifer habe ich nach den Keimproducten bei Tethya ge- sucht, und war auch so glücklieh, diese Keimproducte zu finden. Tethya Ilyneurium zeigte sich hier getrennten Geschlechts. Ob dies immer der Fall ist, wage ich nicht zu entscheiden. Sperma. In Fig. 3 Gp habe ich den Ort angegeben, wo man im un- teren Theile der Marksubstanz die jungen Genitalproducte, dem Geschlechte nach die Eier oder Spermaballen, finden kann. Die Spermaballen kommen bei der Tethya Iyncurium aus Triest schon im Mai vor. Die in Fig. 9 beigelegte Abbildung zeigt uns einen Ballen, auf dessen Beschreibung ich nicht näher ein- gehen will, weil die Beschreibung von F. E. Schulze?) für die „Spermaballen“ von Halisarca lobularis, ©. Sch. auch für die Te- thya Iyneurium aus Triest vollständig zutrifft. Was die Fig. 9 anbelangt, so will ich bemerken, dass sie nach einem Präparate von Prof. F.E. Schulze gemacht wurde, welchem ich auch hiefür meinen besten Dank ausspreche. Dre Bier. Ich habe die Eier bei der Tethya lyneurium aus Triest im Mai, Juni und Juli gefunden. Sie kommen in der unteren Partie der Marksubstanz vor. Die vollständig entwickelten Eier waren 1) Dieses Archiv Bd. XVI. 2) Die Gattung Halisarca. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVII. p. 24—27. 162 Bela Dezsö: längs der Nadelbündel zu finden, wie denn auch die reifen Eier in der Riehtung der Nadelbündel ausgeführt werden. Während dieser Wanderung durch die äussere Partie des Markes läuft die Furchung ab. Von hier aus gelangen die Embryonen in die Rindenschicht, wo sie in der Siebplatte einen längeren Aufenthalt nehmen. Die Eier liegen in den fensterähnlichen Lücken eines Fasergewebes (Fig. 13), welches dem Fasergewebe der Siebplatte in jeder Be- ziehung ähnlich ist, und sich als Stroma für die Keimproduete vorfindet, ausgekleidet an der dem Ei zugewandten Seite von der schon von F.E. Schulze bekannt gemachten platten polygonalen Zellenlage. Die lebendigen Eier haben die Fähigheit ihre Form zu ver- ändern und besonders die jüngsten Stadien der Eier zeigen diese Fähigkeit der Formveränderung in hohem Grade. Die Eier liegen also in einem aus Fasergewebe bestehenden Stroma, welches massenhaft kleine Sterne und auch hie und da grosse Sterne enthält (Fig. 13). Die reifen Eier von rundlicher Gestalt messen eirca 0,06 mm (Fig. 10). Sie haben einen grossen bläschenförmigen excentrisch ge- legenen Kern mit einem grossen stark lichtbrechenden Kernkörper- chen. Der Dotter besteht aus stark liehtbrechenden Dotterkörper- chen, welche auch in die Furchungszellen übergehen. Der Kern führt ausser dem Kernkörperchen keine stark lichtbrechende Kör- perchen. Das Kernkörperchen ist noch am stärksten lichtbreehend im ganzen Ei und lässt sich mit Carmin sehr stark färben. Am wenigsten lassen sich die Dotterelemente färben. Wenn die Eier ihre vollständige Entwickelung erreicht ha- ben, findet man häufig solche mit zwei Kernkörperchen in dem einen Kerne (Fig. 11, 13), gelegentlich auch solche mit zwei schön entwickelte Kernkörperchen haltigen Kernen (Fig. 12, 13). Embryonen. Was die Grösse der zwischen den Lücken der Nadelbündel befindlichen Embryonen anbelangt, so ist zu be- merken, dass sie von um so beträchtlicherem Umfange sind, je näher sie der Siebplatte liegen, woselbst die reiferen Embryonen längere Zeit ihren Aufenhalt zu nehmen scheinen. Leider konnte ich kein für eine Abbildung der Embryonen passendes Präparat erhalten, und muss mich daher mit der Constatirung ihrer Exi- stenz begnügen. Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya Iyncurium Autorum. 163 Es pflanzen sich also die Tethyen sowohl auf geschlechtlichem wie auf ungeschlechtlichem Wege fort. Nach diesen Untersuchungen ergiebt sich, dass der Bau der Tethya lyneurium aus Triest im Allgemeinen mit dem Bau der Chondrosia reniformis Nardo übereinstimmt und nur gleichsam eine höhere Entwiekelung der letzteren darstellt. Diese höhere Ent- wiekelung ist durch den Centralkörper und den dadurch be- dinsten radiären Bau der Nadelbündel bedingt. Dieser hö- heren Entwiekelung entspricht auch die zusammengesetzte Orga- nisation der Rindenschicht, bestehend aus der Siebplatte und Porenhaut, zwischen welchen die subdermalen Räume liegen. Diese Reservoire des Wassergefässsystems führen in die trichter- förmigen Eingänge des hauptsächlich in der äusseren Region des Markes liegenden Wassergefässsystems. Es ist vorhanden die äussere Platten-Epithelzellen- lage und auch die Kragenzellen in der bekannten Form. Die Bindesubstanzschicht enthält als Harttheile die Nadelbün- del, die kleinen Sterne und die für diese Triester Tethya Iyneu- rium charakteristischen mit welliggekrümmten Strahlen versehenen grossen Sterne; als Weichtheile: ein hochentwickeltes Faserge- webe, die typischen Zellen und eine spärliche Grundsubstanz. Die Fortpflanzung gesehieht durch Sprossung und auch auf geschlechtlichem Wege. Die Embryonen scheinen ihre Furchungsstadien zu durch- laufen während sie aus der unteren Region des Markes in die Rindenschicht gelangen, wo sie einen längeren Aufenthalt nehmen. Interessant ist es, dass die Entstehung der Genitalprodukte auf die untere Region des Markes localisirt ist. 164 Bela Dezsö: Forts. der Untersuchungen über Tethya Iyncurium etc. (Alle D&D Erklärung der Abbildungen auf Tafel XH. Abbildungen beziehen sich auf die Tethya lIyncurium aus Triest.) . Tethya lyneurium Autorum aus Triest. Man sieht die Nadelbündel " zwischen denen die Siebplatte ausgebreitet ist. Natürliche Grösse. . Dieselbe halbirt nach der Natur. Man sieht die Siebplatte in der Rindenschicht und darunter die Marksubstanz. Der Centralkörper ist wegen seiner excentrischen Lage ausgefallen. . Ck Centralkörper, Gp Entstehungsstelle für Genitalproducte, hier für Eier, Gs Ab- und zuführende Wassergänge mit Geisselkammern, Sp Siebplatte, Ph Porenhaut, R Subdermale Räume. (Carminprä- parat zweimal vergrössert. Combinationsbild.) . Porenhaut. Ep Epithel, P Poren; diese Porenhaut enthält nur kleine Sterne. (Haematoxylinpräparat. Vergröss. Winkel 11/8.) . Siebplatte von oben. Natürliche Grösse. . Epithelüberzug einer von einem zurückgebliebenen Stücke hervor- wachsenden Sprosse. (Salpeters. Silberoxyd '!/; pCt. Winkel 11/8.). . Pigmentzellen. (Haematoxylin. Winkel 11/8.) . Eine Geisselkammer. (Haematoxylin Zeiss 2/F. Gezeichnet nach einem Präparate von Prof. F. E. Schulze.) . Spermaballen. (Haematoxylin. Winkel Il/S. Gezeichnet nach einem Präparate von Prof. F. E. Schulze.) . Ein reifes Ei. (Carminpräparat. , Winkel 11/8.) . Ein reifes Ei mit zwei Kernkörperchen. (Carmin. Winkel II/8.) . Ein’reifes Ei mit zwei Kernen. (Carmin. Winkel 11/8.) . Ein Stück der Stelle für Genitalproducte. Reife Eier mit 1—2 Kernkörperchen und 1—2 Kernen. Faseriges Stroma. Kleine und grosse Sterne. (Carmin. Winkel 11/8.) Jos. Schöbl: Ein neues Präparations-Mikroskop. 165 Ein neues Präparations-Mikroskop. Von Dr. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel XIH. Das vorliegende Instrument, welches ich mir zu meinen letz- ten Arbeiten eigens construirte, leistete mir so vorzügliche Dienste, erleichterte mir so wesentlich die schwierigsten Präparationen mit Ersparniss mehr als der halben Zeit, die ich bei Anwendung an- derer Instrumente benöthigt hatte, dass ich glaube nicht Unrecht zu thun, wenn ich Beschreibung und Abbildung desselben den geehrten Collegen vorlege. Das Instrument ruht auf einer massiven möglichst schweren Metallplatte von rechteckiger Gestalt von beiläufig 17 em Länge und 12 cm Breite. In der Mitte des Hinterrandes dieser Platte erhebt sich eine massive Messingsäule von 12 cm Höhe, welche in ihrer untern Partie in der bei Mikroskopen üblichen Weise einen beweglichen Hohlspiegel trägt. Auf dieser Säule in der Mitte des Hinterrandes eingefügt ruht ein massives Messingtischehen von 22cm Länge und 12cm Breite, welches in der Mitte eine Oeffnung von 2 cm für die Beobachtung bei durchfallendem Licht besitzt, unterhalb welcher sich eine Drehscheibe mit verschiede- nen Blendungen- befinde. An den beiden Seiten des Tischehens sind Messingklammern angebracht zum Festklemmen von Glasta- feln oder Korkplatten, welche je nach Bedarf bei der Präparation angewendet werden. Von der vorderen linken Ecke des Tischehens aus erhebt sich eine starke Messingsäule von 16cm Höhe, an welcher sich fünf Messingkugeln von 21/; cm Durchmesser beweglich und um ihre Axe drehbar befinden, von denen jede durch eine Stellschraube 166 Jos. Schöbl: rasch in jeder beliebigen Stellung fixirt werden kann. Jede Kugel trägt einen hohlen Messingarım, in welchen ein an seinem unteren Ende federnder Messingstiel, welcher die betreffenden optischen Instrumente trägt, eingeschoben werden kann. Die unterste Kugel trägt auf diese Weise eine starke apla- natische Loupe von 30maliger Vergrösserung. Die zweite Kugel trägt eine etwas grössere, gleichfalls aplanatische Loupe mit 15ma- liger Vergrösserung. Die dritte Kugel trägt jedoch im Arme fest eingefügt ein kleines Disseetionsmikroskop, welches mittelst Trieb genau einge- stellt und durch Ausziehen des Tubus eine Vergrösserung bis 150 bei grosser Focaldistanz gestattet. Die vierte Kugel trägt eine gefasste Glaslinse von 1'/5“ Brenn- weite, welche überdiess zwei Kugelgelenke besitzt und gleichfalls als Beobachtungslinse verwendet werden kann. Die fünfte Kugel endlich trägt eine grosse gefasste Glaslinse mit 3maliger Vergrösserung. Bei der Arbeit dreht man den Arm, der das Disseetionsmi- kroskop trägt, nach links und fixirt so mittelst der Stellschraube, damit er bei der ersten Präparation nicht hinderlich im Wege stehe. Die übrigen Loupen, ausser derjenigen, mit der man gerade arbeitet, dreht und fixirt man nach vorne zu, wo sie gleichfalls nicht im Mindesten hinderlich sind, uud stellt die Loupe, mit der man gerade arbeiten will, und welche vermöge der Kugel und des im Messingarm verschiebbaren Stieles alle nur möglichen Bewegun- gen ausführen kann, über die Mitte des Tischehens und kann nun, da die Grösse des Tischehens ein bequemes Auflegen der Hände gestattet, mit aller Ruhe und Sicherheit arbeiten. Will man eine schwächere oder stärkere Loupe anwenden, so ist der Wechsel in einem Momente vollbracht. Die Stellschraube der eben benutzten Loupe wird gelüftet, dieselbe nach vorne verschoben und die gewünschte sofort an ihre Stelle gebracht. Wollte man ausser den vier vorhandenen Loupen noch andere benutzen, so kann man erstere im Moment aus dem Messingarm ent- fernen und in denselben andere mit ähnlichen Stielen versehene Loupen einschieben. Will man während der Arbeit den Zustand des Präparates bei stärkerer Vergrösserung controlliren, so wird die Loupe, mit der man gearbeitet hat, nach vorne gedreht und Ein neues Präparations-Mikroskop. 167 an ihre Stelle kommt das Dissectionsmikroskop, was gleichfalls nur einen Moment erfordert. Hat man sich so über die feineren Details des Präparates unterrichtet, so kann im nächsten Mo- ment das Mikroskop wieder in seine frühere Lage gebracht und die Arbeit mit Benutzung einer beliebigen Loupe fortgesetzt wer- den, oder man kann die feinere Präparation unter dem Dis- sectionsmikroskop selbst vollenden. v Die Grösse des Tischcehens gestattet ausser Glasplatten die Anwendung von grösseren Korkplatten, welche von den Klammern festgehalten werden und an denen die zu präparirenden grösseren Objekte mit Kaktus- oder Igelstacheln fixirt und nach Bedarf ausgespannt werden können; ebeuso den Gebrauch flacher Glas- kästen, deren Boden mit weissem Wachs bedeckt ist, um die Prä- paration unter Wasser vornehmen zu können. Die wesentlichsten Vortheile dieses Präparationsmikroskopes sind folgende: 1. Es gestattet die vollkommen bequeme und freie durch nichts behinderte Benutzung des ganzen mit dem freien Hinter- rande dem Präparateur zugekehrten Tischehens, da sowohl den Händen als dem Kopfe nichts im Wege steht. 2. Es gestattet einen ungemein schnellen und bequemen Wechsel beliebig vieler und verschiedener Loupenvergrösserungen. 3. Es gestattet eine rasche und bequeme Controlle des Präparates während der Arbeit durch das Mikroskop, ohne das Präparat von der Stelle rühren zu müssen, was eine ungemeine Bequemlichkeit und Zeitersparniss ist. Ich hege die volle Ueberzeugung, dass Jeder, der viel prä- parirt und sich ein derartiges Instrument verschafft, sich nicht mehr von demselben trennen wird, wie es auch mein Lieblings- instrument geworden ist. Der Verfertiger des Gestelles, Mechaniker Wenzel Grund, Prag, Valentinergasse 10, liefert ein solches (ohne die Objeetive) zum Preise von etwa 40—50 Mark. 168 Peremeschko: Ueber die Theilung der thierischen Zellen. Von Professor Peremeschko in Kiew. (Plortsetzung.)?) Hierzu Tafel XIV. Ausser am den Epithelzellen beobachtete ich bei Triton- larven die Theilung noch einiger anderer Zellenarten. A. Bindegewebszellen. Die Schwanzflossen der genannten Larven bestehen ausser Epithel aus sternförmigen Bindegewebszellen, zwischen welchen durchsichtige structurlose Intereellularsubstanz sich befindet. Je jünger das Thier, in desto geringerer Anzahl sind die erwähnten Zellen vorhanden und umgekehrt. Jede Zelle schiekt einige sich verästelnde Fortsätze aus, welche bei mehr erwachsenen Larven ein dichtes Geflecht in der Intercellularsubstanz bilden. Der Körper dieser Zellen besteht meistens aus gleichförmiger (nur selten feinkörniger) etwas glänzender Masse. Der Kern ist bei lebendigen Zellen gewöhnlich unsichtbar; ihre Form ist unregel- mässig polygonal; einige von ihnen sind mehr oder weniger pig- mentirt; die Zellen äussern, wenn auch schwache, Locomotionen. Am besten überzeugt man sich davon, indem man lange Zeit jeglichen benachbarten Gegenstand im Auge hält: die nächstliegende Zelle be- deekt nach und nach einen oder andern dieser Gegenstände. Die Pigmentzellen können sich auch bewegen; bekannt ist, dass sie in die Blutgefässe eintreten können (Saviotti ?). Ich beobachtete auch zweimal Pigmentzellen im Inneren von Bluteapillaren (s. u.). 1) S. d. Archiv Bd. XVI. 2) Centralbl. f. d. medic. Wissensch. 1370. Nr. 10. Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 169 Die in Rede stehenden Bindegewebszellen stellen ein sehr treff- liches Objeet zur Beobachtung des Theilungsprocesses dar). Der Theilungsprocess ist im Wesen tlichen derselbe, wie bei den Epithelzellen: er besteht nämlich in fadenförmiger Differen- zirung des Kernes, in den Formveränderungen desselben u. s. w. (Fig. 1—12). Die sich theilende Zelle vergrössert sich beträchtlich, ihr Körper wird matt, feinkörnig. Was den Anfang der Kerndiffe- renzirung betrifft, so sah ich auch in diesen Zellen das Auftreten von Körnern, welche sich zu Fädchen verlängern u.s. w. Dieje- nige Form des Kernes, welche Flemming „die Phase der Axen- platte“ nennt, sieht man auch hier sehr deutlich (Fig. 2); der Kern nimmt dann die Tonnenform an (Fig. 3) und theilt sich in zwei, alles wie bei Epithelzellen. Während der Kerntheilung bleibt gewöhnlich der Körper der Zelle unverändert, zuweilen aber führt er, wenn auch sehr langsame, Formveränderungen aus, wobei die Zelle sich bald vergrössert, bald verkleinert. Sehr merkwürdige Erscheinun- gen gehen an den Zellfortsätzen während der Formveränderungen und der Theilung des Kernes vor sich: zuvor werden sie sehr blass und verschwinden in einigen (übrigens seltenen) Fällen ganz, die Zelle wird rund (Fig. 12) und kann, wenn sie nicht gross ist, mit einem sich theilenden weissen Blutkörperchen verwechselt wer- den. In anderen Fällen verschwinden nur einige Fortsätze, andere dagegen werden sehr fein und blass (Fig.5), so dass sie nur bei aufmerksamer Betrachtung bemerkt werden können; die Zelle wird dabei nicht rund, sondern behält ihre polygonale Form. Diese Fälle sind die häufigsten. In noch anderen (auch sel- tenen) Fällen bleiben die Fortsätze bezüglich der Dieke und Deut- lichkeit unverändert; es treten aber an ihnen zahlreiche kurze Ausläufer auf, so dass der Fortsatz einem Roggenstengel ähnlich wird (Fig. 10). Nach der Theilung des Kernes und der Entfer- nung beider Theile desselben zu den Polen der Zelle, folgt die Theilung des Zellkörpers. Der Process geht ganz gleich dem der Epithelzellen vor sich; die Zelle theilt sich immer in der Richtung 1) Die Theilung der Bindegewebs- und anderer in der Dicke der Flossen liegender Zellen kann man am besten bei lebendigen Larven be- obachten; an Reagentienpräparaten sind sie dagegen weniger gut sicht- bar, da die Epithelzellen undurchsichtig werden. Deshalb bezieht sich die Beschreibung des Theilungsprocesses dieser Zellen nur auf die lebendigen Thiere. 170 Peremeschko: des kürzesten Durchmessers. In dem Momente, wo die beiden Hälf- ten der sich theilenden Zelle nur noch durch eine schmale Brücke unter einander verbunden sind, kommen die verschwundenen Fort- sätze sehr rasch von Neuem zum Vorschein (Fig. 4, 8), diejenigen, welche sehr fein und blass geworden waren, werden dieker und deutlicher, die kurzen, seitlichen Ausläufer verschwinden. Das Erscheinen der Fortsätze am Ende der Zelltheilung kann als ein sicheres Merkmal dienen, um die sich theilenden Bindegewebszellen von den sich theilenden weissen Blutkörperchen zu unterscheiden, da bei diesen letz- teren keine Fortsätze sich zeigen. Was die neugebildeten Kerne betrifft, so gelang es mir nicht zu sehen, ob sie auch hier, wie in Epithelzellen ihre Form ver- ändern können. Am Ende der Zelltheilung fliessen die den Kern bildenden Fäden mit ihren Polarenden zu einer gleichartigen glän- zenden Masse zusammen (Fig. 4, 7) und werden nach vollendeter Theilung der Zelle unsichtbar (Fig. 8). Nicht selten sieht man am Ende der Zelltheilung die von ihrer Oberfläche ausgehenden zahlreichen amöboiden Fortsätze (Fig. 5). Meistens trennen sich die neugebildeten Zellen bald ganz von einander; in anderen Fällen dage- sen bleibt sehr lange zwischen ihnen eine schmale Brücke (Fig. 3). Was die Zeit anlangt, so dauert der ganze Process ungefähr eine Stunde, wobei 40 Minuten für die Theilung des Kernes verbraucht werden. Sehr rasche oder sehr langsame Theilung bei Bindegewebs- zellen habe ich nicht beobachtet; der Process scheint ‘bei diesen Zellen überhaupt regelmässiger als bei Epithelzellen zu verlaufen. Die pigmentirten Bindegewebszellen können sich eben- falls theilen, der Kern ist in diesen Zellen mit Pigment ganz ver- deckt; die Theilung des Zellkörpers kann man dagegen sehr deutlich beobachten. Der Process ist derselbe, wie bei gewöhnlichen Bindegewebszellen, nur dauert er ungleich länger: die Zelle zieht entweder alle oder einige ihrer Fortsätze ein (Fig. 13, 14), dann bleibt sie während zwei, drei Stunden ganz ruhig, bis die ringför- mige Furche, als Zeichen der Theilung, auftritt. Der Theilungprocess des Zellkörpers geht auch ungemein langsam vor sich; es vergehen ungefähr zwei Stunden bis zur Vollendung desselben. Am Ende der Zelltheilung treten die Fortsätze von Neuem auf (Fig. 15). B. Weisse Blutkörperchen. In der strueturlosen Intercellularsubstanz der Flossen zwischen Ueber die Theilung der thierischen Zellen. : 171 den Bindegewebszellen befinden sich immer in grösserer oder geringerer Anzahl wandernde Zellen. Dass sie weisse Blut- körperchen sind, davon kann man sich leicht durch direete Beobachtung überzeugen. Das Protoplasma dieser Zellen ist zu- weilen gleichartig, glänzend, zuweilen feinkörnig, matt, der Kern unsichtbar. Die sieh theilende Zelle ist merklich vergrössert, ihr Körper matt, scharf contourirt, von regelmässiger runder Form. Den Anfang der Differenzirung des Kernes und die Knäuelform desselben gelang mir nicht zu beobachten; andere Formen dagegen sind so gut wie in Epithelzellen sichtbar (Fig. 16—25). Die Formveränderungen des differenzirten Kernes kann man sehr deut- lieh beobachten. Der Theilungsprocess geht ganz gleich dem der Epithel- und Bindegewsbezellen vor sich, aber, wie es scheint, viel rascher, da die Theilung des Zellkörpers von 5—8 Minuten, die des Kernes (von der Sternform bis zum Ende des Processes) 20 Minuten dauert. Die weissen Blutkörperchen können auch im Innern der Blut- gefässe sich theilen. Ich beobachtete mehrmals die Theilung der- selben wie in neugebildeten noch nicht ganz durchgängigen Ca- pillaren, so auch in denjenigen blinden Gefässfortsätzen, aus wel- chen sich die Capillaren bilden. Ob sie auch im eireulirenden _Blute sich theilen können, kann ich nieht sagen. Bei langsamer Blutbewegung sieht man, dass einige derselben aus feinkörniger Masse bestehen, andere dagegen enthalten neben den Körnern kür- zere oder längere Fädchen; ganz. differenzirte Kerne im eireuli- renden Blute habe ich aber nicht gesehen. C. Die Theilung der Endothelzellen in den Wänden der Bluteapillaren. Der Process ist derselbe wie bei anderen Zellen. Die sich theilende Zelle wird während der Formveränderungen des diffe- renzirten Kernes und nach der Theilung desselben nach innen zu stark convex, wodurch das Lumen des Gefässes so beträchtlich sich verengert, dass die Bewegung der Blutzellen bis zum Ende des Processes unmöglich wird (Fig. 26). Ausser in den ausgewach- senen Capillaren beobachtete ich die Theilung der Kerne in den- jenigen Gebilden, welche die Bluteapillaren untereinander bei Tri- ton- und anderen Amphibienlarven verbinden (Fig. 27). 172 Peremeschko: Der Theilungsprocess ist derselbe wie bei anderen Zellen, die völlige Trennung des Gebildes tritt nie ein, immer bleibt zwischen beiden Hälften desselben eine schmale Brücke, so dass die Folge der Theilung nur die Verlängerung des Gebildes ist. Bei der Beobachtung der Zelltheilung in den Wänden der Blutea- pillaren traf ich zweimal im Innern dieser letzteren die pigmentirten Binde- gewebszellen. Einmal befand sich die Zelle in einer neugebildeten noch nicht ganz durchgängigen Blutcapillare; vom Blutstrom war sie durch stillstehende Blutkörperchen geschieden, so dass zwischen diesen letzteren und der Zelle ein ziemlich grosser leerer Raum übrig geblieben war. Ein andermal befand sich die Zelle im Inneren der sich bildenden Blutcapillare (Fig. 28). Im ersteren Falle beobachtete ich die Zelle während 10 Stunden, bis das Gefäss durchgängig geworden war. Im zweiten Falle wurde die Zelle 3 Stunden beobachtet, ehe sie vom Blutstrom mit fortgerissen war. Keine besondere Veränderungen habe ich an diesen Zellen bemerkt; merkwürdig waren nur die sehr lebhaften amöboiden Bewegungen, welche diese Zellen während der ganzen Beobachtungszeit ausführten: die Zelle streckte sehr rasch ein oder zwei Fortsätze aus; indem sie mit ihnen auf die Blutkörperchen stiess, zog sie die Fortsätze ein und streckte sie an der anderen Seite aus u. s. w. Nach diesem ziemlich anhaltenden Spiele der Fortsätze nahm die Zelle runde oder ovale Form an und blieb einige Zeit ruhig; dann wieder- holte sich von Neuem das Spiel der Fortsätze. Während dieser amöboiden Bewegungen ging sehr rasche Pigmentversetzung vor sich: bald war dieses diffus im Zellkörper vertheilt, bald bildete es einen kleinen Haufen, bald ging es in die Fortsätze über u. s. w. Ausser der Theilung bei den beschriebenen Zellenarten beob- achtete ich einmal die Theilung derjenigen Kerne, welche an feinen blassen Nervenfasern sich befinden und welche der Sehwann’schen Scheide zugezählt werden (Fig. 29) und die Theilung der Zellen der quergestreiften Muskelfasern (Fig. 30). Die vollständige Theilung im ersten Falle kommt nicht zu Stande, es bleibt immer eine feine verbindende Brücke, so dass die Nervenfaser dadurch nur sich verlängert. Die gestreiften Muskeln liegen im Ende des Schwanzes der Tritonlarven ganz oberflächlich unter dem Bilde einzelner kurzer eylindrischer Fasern, in welchen man die Theilung der Muskel- zellen beobachten kann. Die ruhenden Kerne sind gewöhnlich sehr Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 173 lang, stäbehenartig, der sich theilende dagegen ist etwas kürzer, aber viel dieker, im Ganzen also ziemlich vergrössert. Den An- fang des Processes beobachtete ich nicht; die verschiedenen Formen des differenzirten Kernes habe ich aber mehrmals gesehen, Nach der Entfernung der neugebildeten Kerne zu den Polen der Zelle folgt die Theilung des Zellkörpers, dessen Contour jetzt sehr scharf hervortritt (Fig. 30a). Die neugebildeten Zellen sind sehr blass und bleiben lange Zeit rund, die Kerne kaum sichtbar, dann wer- den sie den ruhenden Zellen ähnlieh. Die eontractile Substanz betheiligt sich bei der Theilung gar nicht; sie bleibt ganz unver- ändert. Indem ich nun zu den Arbeiten anderer Forscher übergehe, will ich zuerst bei denjenigen Zellen stehen bleiben, welche von mir Netzzellen genannt werden !); sie sind ohne Zweifel die „Schleimzellen“ Leydig’s und anderer Autoren. Ich habe sie Netzzellen genannt, weil ihr Körper zuweilen auch kernnetzartig differenzirt ist. Dieser Name schliesst den Namen Schleimzellen nicht aus, wenn sie wirklich absondern können, was die neuesten Untersuchungen nicht zu bestätigen scheinen. Diese Zellen sind zuerst von Leydig?) bei einigen Fischen und Amphibien beschrieben. Sie liegen, nach ihm, zwischen den gewöhnlichen rundlichen oder abgeplatteten Oberhautzellen. Die kleinsten übertreffen (bei Knochenfischen) die übrigen Oberhaut- zellen nur um weniges, die grössten aber sind bedeutende, mit einem zähen körnigen oder auch ganz hellen Fluidum gefüllte Blasen. Das Secret scheint sich durch ein allmäliges Platzen der Zellen zu entleeren. F. E. Schulze?) beschreibt sie bei Tritonlarven als grosse bauchige, ja blasenförmige helle Zellen mit Kern und Membran. Der Kern ist von einer geringen Menge der körnigen Masse umgeben, von welcher aus Züge derselben Masse den Zellraum nach ver- 4) Dies. Arch. Bd. XVI, H. 3. 2) Lehrbuch der Histologie. 3) Dies. Arch. Bd. III, H. 2. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 12 174 Peremeschko: schiedenen Richtungen durchziehen. Was ihre Bedeutung betrifft, so stellen sie nach Schulze die jugendlichen Formen derjenigen flaschenförmigen Bildungen dar, welche bei erwachsenen Thieren sich finden und im Zusammenhange mit dem Häutungsprocess stehen. Ausführlicher als beide obengenannte Autoren beschreibt diese Zellen Langerhans!). Sie erstrecken sich nach ihm am Sehwanze nur auf die mittleren Partien der Seitenflächen; fehlen somit dem flossenartigen Saum desselben und kommen ferner am Rande des Unterkiefers, an den Kiemen und an den Unterschenkeln und Füssen nicht vor. Von den Epithelzellen unterscheiden sie sich durch ihre Grösse: sie sind nämlich um das drei- bis vierfache grösser als die letzteren; ferner durch den grobkörnigen Inhalt, durch eigenthümliche Gestaltung des Kernes, welcher mehrfach gelappt erscheint, endlich durch die Anwesenheit der Membran, welche eine äusserst zierliche netzartige Zeichnung besitzt. Diese Zeich- nung rührt von kleinen regelmässigen Verdiekungen der Membran her, die auf dem optischen Querschnitt als dunklere Pünktchen erscheinen. Was die Function dieser Zeichnung betrifft: so sagt Langerhans: „dass die Schleimzellen zu keiner Zeit der Larvenpe- riode die Oberfläche erreichen und somit niemals ihren Inhalt ent- leeren, nie in secernirende Function treten können.“ Leydig?) behauptet gegen Langerhans, dass die Schleim- zellen auch auf Flossen sich befinden können; sie fehlen nur am äussersten Rand der letzteren. „Die Zeichnung, welche an leben- digen Thieren nicht vorhanden, ist durch eine Art regelmässiger Knitterung der Oberfläche nach Einwirkung von Reagentien zu Stande gekommen.“ Flemming?) bestätigt die Angaben von Langerhans über das Geschlossensein dieser Zellen. Gegen Langerhans behauptet er, dass die peripherische Schichte in diesen Zellen keine Mem- bran sei, sondern eine Protoplasmaschicht. Der Zellkörper besteht nach Flemming ausser der peripherischen Protoplasmaschichte aus Protoplasmalamellen und Strängen, die aussen an der Wand- schicht, innen an dem Kern hängen. Der Körper der Zelle schliesst mehrere Vacuolen von verschiedener Grösse ein. 1) Dies. Archiv Bd. IX, H. 4. 2) Dies. Archiv Bd. XI. 3) Dies. Archiv Bd. XVI, H. 2. Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 175 Man sieht aus diesen Angaben, dass alle Autoren die in Rede stehenden Zellen für besondere von Epithelzellen verschiedene Ge- bilde halten. Nach meinen Untersuchungen entwickeln sie sich, wie oben!) angeführt, aus den gewöhnlichen Epithelzellen und können sich wahrscheinlich von neuem in diese letztern umwan- deln. Sie erscheinen zuerst im oberen Körpertheile (an der oberen und unteren Oberfläche des Kopfes), dann an der Grenze zwischen dem Schwanze und den Flossen und zuletzt an den Flossen. Einige Male habe ich sie selbst an den dünnsten Randtheilen der unteren Flosse gesehen. Bei sehr jungen Thieren, bei denen die Zellen noch mit Dotterplättchen gefüllt sind, trifft man sie nie; bei solchen von 1!/s cm Körperlänge sind sie schon immer am Kopfe, wenn auch in geringer Anzahl, vorhanden. An der Grenze zwischen dem Schwanze und den Flossen findet man bei diesen Thieren ebenfalls einige Zellen. Mit der Grössenzunahme des Thieres nimmt auch ihre Zahl zu, obwohl es keine Seltenheit ist, dass sie bei älteren Thieren in geringerer Anzahl als bei jüngeren vorhan- den sind. Meine Angabe ?), dass die Netzzellen bei eben gefangenen Thieren ganz fehlen können, ist ohne Berücksichtigung des Alters der Thiere ge- macht. Es scheint, dass bei Thieren von 1!/,cm Körperlänge anfangend, sie immer in grösserer oder geringerer Anzahl vorhanden sind, ungeachtet dessen ob die Thiere eben gefangen sind, oder einige Zeit schon in Ge- fangenschaft lebten. Nach Flemming?) endigen Protoplasmalamellen und Stränge dieser Zellen einerseits in der peripherischen Schichte von Proto- plasma, andererseits befestigen sie sich am Kern. Die Kerne äussern, wie gesagt, deutliche Locomotionen, demnach ist es kaum möglich anzunehmen, dass die Fäden am Kerne sich befestigen könnten. Die Kerne zeigen fast immer Fortsätze, welche im Zellkörpernetze sich verlieren; diese Fortsätze färben sich mit Haematoxylin, während die Fäden des Körpernetzes sich gar nicht färben. Die peripherische Schicht der Netzzellen besteht bei Tri- ton- wie bei Salamandralarven aus Protoplasma, welches bei der Zelltheilung sich betheilig. Nach Langerhans unterscheiden IISLIC: 2) 1 ce. S)yulrc» 176 Peremeschko: sich diese Zellen von den Epithelien dadurch, dass die Epithel- zellen immer grösser sind. Bei Tritonlarven sind die Netzzellen von verschiedener Grösse — grössere und kleinere als gewöhn- liche Epithelzellen. Beobachtet man sie in vivo lange Zeit, so überzeugt man sich, dass sie sich vergrössern und verkleinern können, wobei das Körpernetz im ersten Falle weniger, im zweiten dagegen mehr deutlich wird. Was zuletzt die Kerne der Netz- zellen betrifft, so sind sie nach Langerhans gelappt. Bei Triton trifft man die verschiedenartigsten Formen der Kerne: gelappte, polygonale, runde ete.; sie wechseln fortwährend ihre Form und führen Locomotionen aus. Flemming hat bei Salamandralarven gelappte Kerne beschrieben. Auch ich sah solche Kerne bei Tritonlarven, hielt sie aber für Artefacte, da mir früher solche Kerne in vivo zur Ansicht nicht gekommen waren. Man trifft sie öfter bei solchen Larven, bei welchen die Zellen noch Dotter- plättchen enthalten. Bei einigen Individuen liegen neben den Zellen mit gewöhnlichen auch solche mit gelappten Kernen; bei anderen dagegen sind alle Kerne gelappt. Die gelappten Kerne haben bei Tritonlarven nur selten einen Einschnitt, gewöhnlich zwei, drei tiefere und einige oberfläch- liche. Die gelappten Kerne sind meistens compact (ohne Gerüst); Flem- ming!) zeichnet sie auch ohne Gerüst. Lebendige gelappte Kerne habe ich in grossen Segmentationskugeln von Hechteiern gesehen. Vor Kurzem ist mir die Inauguraldissertation von Dr. Pfitz- ner?), in welcher er ziemlich ausführlich die Leydig’schen Schleim- zellen beschreibt, bekannt geworden. Was ihre Herkunft von gewöhn- lichen Epithelzellen und ihre Umwandlung in diese letztern, ihren Bau ünd ihre Verbreitung betrifft, so stimmen die Resultate seiner Untersuchungen bei Salamandern mit den meinigen bei Tritonlarven überein; nur konnte ich mich nicht von der Existenz der Zellmem- bran überzeugen. Pfitzner unterscheidet drei Perioden im Leben dieser Zellen: 1) des Entstehens, 2) des ausgebildeten Zustandes, 3) der regressiven Metamorphose. Auf Grund meiner bisherigen Beobachtungen über diese Zel- len kann ich dies weder behaupten, noch verneinen, obwohl einige 1). cc. Tat. XV, Fig: 10. 2) Die Leydig’sche Schleimzellen etc. 1879. Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 177 Ergebnisse !) gegen Pfitzner zu sprechen scheinen. Uebrigens sind meine Untersuchungen über die fraglichen Zellen noch nicht zu Ende gebracht. Vor Kurzem beobachtete ich bei einer Tritonlarve von 1!/s em Körperlänge die sternförmigen, in der gallertigen Substanz der Flossen liegenden Bindegewebszellen, deren Körper in ein zierliches Netz aufgelöst war. Mehr oder weniger starke Vacuolisirung des Körpers dieser Zellen beobachtet man sehr häufig, aber ein sol- ches Netz, wie Fig. 31 darstellt, habe ich nur einmal gesehen. Einige Bindegewebszellen bei dieser Larve enthielten wenige, andere mehrere Vacuolen und noch andere waren netzartig metamorpho- sirt. ‘Die Kerne dieser letzteren stellten sich unter dem Bilde entweder gleichförmiger schwach glänzender Klümpehen dar, oder waren etwas granulirt. Die Kerne veränderten fortwährend ihre Form und äusserten, wenn gleich schwache, Locomotionen. Ob der Kern dieser bindegewebigen Netzzellen sich auch in ein Netz auflösen kann, ob die Zellen sich theilen, sich in gewöhn- liche umwandeln können ete., habe ich noch nicht ermittelt. Was nun die Theilung der Zellen betrifft, so ist, nach Eberth?), der differenzirte Kern immer von einem hellen Hof umgeben. An lebendigen Tritonlarven habe ich diesen Hof niemals, an todten nur sehr selten gesehen. Bei anderen Amphibienlarven (Rana, Bufo) begegnet man dergleichen Zellen viel öfter, aber auch nur an todten Objeeten; diese hellen Höfe fehlen ferner nie, wenn die Zellen in Jodserum oder in schwacher Chromsäurelösung abge- storben sind °); desshalb halte ich sie für Kunstproduete. Ich kann ferner Eberth nicht beipfliehteu, wenn er behauptet, dass auch ein sternförmiger Kern sich theilen kann. So viel ich ge- sehen habe, beginnt die Theilung in demjenigen Stadium, welches in Fig. 2, 23 abgebildet ist und mit tonnen- oder spindelförmigem Kerne endigt (Fig. 3,21). Der sternförmige Kern verändert sich nicht selten auf die Weise, dass einige Strahlen desselben einge- zogen werden (systolische Form des Kerns, Flemming). Solche Bilder können zur Voraussetzung führen, dass der sternförmige Kern im Theilungsprocess begriffen ist. Die Bildung der Kern- Drl..c: 2) Virchow’s Arch. Bd. 67, H. 4. 3) Siehe bei mir l. c. Fig. 58, 59, 60. 178 Peremeschko: und Zellplatte habe ich bei Tritonlarven nie beobachtet. Die neu- gebildeten Kerne bleiben zuweilen lange mit einem oder zwei dieser Fäden untereinander verbunden, solche Fälle sind aber sehr selten und ich rechne sie zu Anomalien der Theilung. Die Theilung des Zellkörpers geschieht, nach Eberth, entwe- der durch den Abschnürungsprocess, oder durch die Bildung der Scheidewand. Ich beobachtete nur den ersten Process; die Bil- dung der Scheidewand, wenn sie überhaupt existirt, soll sehr sel- ten auftreten. Mayzel!) untersuchte die Theilung der verschiedenartigsten Zellen bei verschiedenen Repräsentanten aller Wirbelthierklassen, theilweise auch bei Wirbellosen, nicht nur in normalen, sondern auch in pathologischen Fällen. Die von ihm an todten Objecten beschriebenen Bilder der Zellentheilung bestätigen sich durch die Beobachtungen an lebendigen. Mayzel selbst beobachtete bei le- bendigen Tritonlarven nur zweimal den Theilungsprocess des Kör- pers der Epithelzellen, da der Kern in beiden Fällen schon ge- theilt war. Beide Hälften desselben stellten sich unter dem Bilde von Körben dar; die die Körbe bildenden aus schwach glänzender Substanz bestehenden Stäbchen verkürzten sich merklich während der Beobachtung und waren zuletzt zu einem unregelmässigen hök- kerigen Klümpchen zusammengeflossen. Dieses letztere veränderte merklich ‚seine Form und dann wandelte es sich in gleichförmige rundliche Körper um (resp. Kern), welche nach vollendeter Zelltheilung aus den Augen verschwanden. Dieser Beschreibung kann ich ganz beistimmen : ich beobachtete diesen Process mehrere Male in ver- schiedenen Zellenarten, er ist überall derselbe. Den hellen Hof hält Mayzel auch für ein Kunstproduct. Auch bezüglich der Kernplatte stimmen seine Untersuchungen mit den meinigen über- ein: bei Triton hat er sie vermisst. Schleicher?) beschreibt folgender Weise den Anfang der 1) Gazeta lekarska Nr. 27, 1876. — Item Nr. 26, 1877. — Protokoll der Sect.-Sitz. der V. Versammlung russ. Naturforscher in Warschau, 1876. — Pamentnik Towaz. lekarsk. 1878, 3. Lief. — Ueber die Theilung der Kerne. Arbeiten aus den Laboratorien der med. Facultät in Warschau. — Ueber eigenthümliche Vorgänge etc. Centralbl. f. d. mediz. Wiss. 1875, Nr. 50. 2) Dies. Arch. Bd..XVI, H. 2. Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 179 Kerndifferenzirung in Knorpelzellen: „es erscheinen in ihm in un- regelmässiger Vertheilung Stäbchen und Körner; dann zerstückelt sich die Membran des Kernes und die Stücke desselben werden zum Bau der karyokinetischen Figur benutzt. Der so zur Karyo- kinesis sich anschiekende Kern besteht demnach aus den schon vorhandenen dichten Kernbestandtheilen (Körner, Stäbchen, wo vorhanden, und Nucleus), aus neuen Sonderungsproduceten und endlieh aus der zerstückelten aber sonst unveränderten Membran.“ Auf diese Weise beginnt der Theilungsprocess auch bei Tritonlar- ven mit dem Unterschiede, dass die Zelle und der Kern sich dabei merklich vergrössern; ausserdem habe ich die Zerstückelung der Membran nie beobachten können. Der differenzirte Kern äussert nach Schleicher die Formveränderungen und amöboide Bewe- sungen; die letzteren sind meistens unregelmässig: „die Masse liegt einmal central, dann wieder excentrisch, bald hie, bald dort im Protoplasma dieser oder jener Zellenwand angelehnt. In an- deren Fällen bewegte sich unser Körper mit ziemlicher Regel- mässigkeit von einem Pol der Zelle zum anderen. Bei diesen Be- wegungen ändert der Kern fortwährend seine Form; diese Aende- rungen bieten aber keine Regelmässigkeit und keine Folge dar.“ Schleieher verwirft deshalb die Phasen der Kerntheilung von Flemming. Bei Tritonlarven füllt der differenzirte Kern in gewöhnlichen Epithelzellen meistens fast den ganzen Raum des Zellkörpers, so dass die Locomotionen unmöglich werden, in Netzzellen dagegen kann man sie ganz deutlich wie in ruhenden, so auch in sich theilenden Zellen beobachten: die Locomotionen sind sehr schwach und ganz unregelmässig. Schleicher beschreibt ferner im Kör- per der Zellen Fäden und Körner, welche active Bewegungen ausführen können; die Fäden können, nach ihm, in kleine Partikel- chen zerfallen: „es liegen uns, sagt er, einige Beobachtungsfälle vor, in welchen wir das Aufnehmen von Fäden.und Kernen in die karyokinetische Masse hinein auf das Deutlichste verfolgt ha- ben, wo wir selbst zuweilen ihre direete Verschmelzung mit den Bestandtheilen des letzteren belauschten.“ Bei Tritonlarven habe ich nichtsTähnliches gesehen. Der Kern theilt sich, nach Schlei- eher, in Tonnen- oder Spindelform. Der Process verläuft zuweis= len so rasch, dass es unmöglich ist ihn zu verfolgen. Die Thei- lung der den Kern bildenden Fäden ist zuweilen nicht vollständig: = 180 Peremeschko: zwischen den beiden Hälften des getheilten Kernes bleiben nämlich die grösstentheils vermittelst der Reagentien sichtbaren Fädchen übrig. Bei Tritonlarven geht der Theilungsprocess nie so rasch, dass er nicht beobachtet werden könnte. Die Theilung der Fäden ist, einige (anomale) Fälle ausgenommen, eine volle. Nach der Theilung der Kerne fliessen, nach Schleicher, die die beiden Hälften desselben bildenden Fäden zu zwei unregelmässig-körni- gen Klümpchen (neuen Kernen) zusammen; dieser Zustand des neugebildeten Kernes dauert aber nur einige Minuten; bald bilden sich neue Vorgänge aus: „die Masse zerfällt abermals in ähnliche Bestandtheile, wie uns die Karyokinesis kennen lernte und bietet nun auch wieder verschiedenartige unregelmässige Gestaltungen mit sichtbaren amöboiden Bewegungen; es entstehen und verschwin- den wieder karyokinetische Figuren, dann bildet sich die Kern- membran. Bei Tritonlarven stellen die neugebildeten Kerne auch unregelmässig glänzende, durch das Zusammenfliessen der Fäden gebildete Klümpcehen dar. In gewöhnlichen Epithelzellen werden meistens diese Klümpchen bald unsichtbar ; in Netzzellen dagegen bleiben sie zuweilen lange Zeit eompact, dann erscheinen in ihnen Körner und Fädchen: sie unterscheiden sich in nichts von den ru- henden Kernen. Die Differenzirung des neugebildeten Kernes, wie Schleicher angibt, habe ich niemals beobachtet !). Nach Flemming ?) besteht die erste Metamorphose des Ker- nes in verschiedenartigen Zellen von Salamandralarven darin, dass seine sämmtliche tingirbare Substanz allmählich in das Kerngerüst einbezogen wird, welches dadurch wächst, sich zunächst verfei- nert und unter Schlängelung seiner Bälkchen sich gleichmässig durch den Kernraum ausdehnt; also eine so völlige morphologi- sche Umwandlung erleidet, dass man es mit dem Gerüst des Ruhe- zustandes nicht mehr vergleichen kann. Nach dem, was ich beob- achtet habe, kann ich Flemming nicht beistimmen, wenigstens bei Tritonlarven geschieht es anders, wie oben °) angeführt ist. 1) Noch in einem Punkte kann ich Schleicher nicht beistimmen. Pag. 269 1. c. heisst es bei ihm: „Nach uns gelang es Flemming und Pe- remeschko die Zelltheilung in vivo zu beobachten ....“ Richtig sollte es so lauten: „gleichzeitig mit uns beobachteten etc... . . “ Siehe meine Mittheil. im Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878, Nr. 30. 2) Dies. Arch. Bd. XVI, H. 2. ö)Le. Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 181 In gewöhnlichen Epithelzellen scheint wirklich die erste, d. h. die aus verlängerten Stäbchen und Körnern herausgebildete Form des Ker- nes, immer die des mehr oder weniger regelmässigen Knäuels zu sein; in Netzzellen dagegen nähert sich die früheste Form mehr der Form eines Sternes. Flemming unterscheidet bei der Theilung des Kernes acht Phasen. In den zwei ersten Phasen stellt sich der Kern in Knäuel- form dar; in der ersten Phase sind die Fäden fein, eng gewunden; in der zweiten ist der Knäuel loekerer, die ihn zusammensetzenden Fäden dicker und ihre Verlaufsrichtung geändert. Ich konnte an meinem Object diese zwei Phasen nicht unterscheiden, da die den Knäuel zusammensetzenden Fäden sich stets verändern: sie wer- den bald dicker, bald feiner, bald mehr, bald weniger gewunden, bald enger, bald locker verflochten. Zuweilen sieht man statt Fä- den bloss Körner und kleine Stäbehen, was wahrscheinlich von mehrfachen Biegungen eines und desselben Fadens abhängt; das Zerfallen der Fäden in Stäbchen und Körner, wie die Fixirung solcher Bilder mit Alkohol zeigt, geschieht nicht, welehe Behauptung mir Flemming unrichtig zuschiebt (le. p.371). Zuweilen werden die Fäden bei diesem Spiele so blass, dass das Bild ganz aus den Augen verschwindet, bald aber erscheint es von Neuem. Der Knäuel selbst bleibt bei diesen Veränderungen der Fäden nicht unverändert; er kann sich verkleinern und vergrössen, wird bald rund, bald verlängert, bald nimmt er eine unregelmässige Form an. An Reagentienpräparaten verschiedenartiger Amphibienlarven (Triton, Bufo, Rana, Bombinator) besteht der Knäuel bald aus feineren, bald aus dickeren Fäden; man trifft aber zahlreiche Uebergänge von feinen zu dieken Fäden. Die feinen Fäden sind nicht selten sehr kurz und bogenförmig gekrümmt: sie sind augen- scheinlich eben verlängerte Körner. Wie die feineren, so sind auch die diekeren Fäden an diesen Präparaten bald enger, bald locker verfloch- ten; bei engerer Verflechtung ist es unmöglich zu entscheiden, ob nur die Fäden oder auch die interstitielle Substanz gefärbt ist. Auch die Verlaufsrichtung der dieken und feinen Fäden kann eine verschiedene sein. In der zweiten Phase bildet sich, nach Flemming, um den Kern herum „eine helle Zone“. Ich füge zu dem oben über diese Zone Gesagten noch folgendes hinzu: schneidet man den Schwanz bei Bufo-, Rana-, Bombinator-, Hylalarven ab, behan- delt man ihn während 15 Minuten mit Alkohol und färbt stark mit Hämatoxylin, so findet man in beiden Epithelschiehten grosse 182 Peremeschko: Mengen der sich theilenden Zellen, so dass man alle Stadien der Theilung übersehen kann; in einigen Zellen sind die sich theilen- den Kerne in jedem Stadium der Theilung mit schönen hellen Höfen umgeben, welche nicht selten fast den ganzen Körper der Zelle einnehmen, in anderen Zellen dagegen findet man keine hellen Höfe. Dies spricht auch zu Gunsten der Meinung, dass diese Höfe ein Kunstproduct seien. Die dritte Phase von Flemming ist die Sternform des Mutter- kernes, welche dadurch entsteht, dass die Fäden des Gewindes unter zunehmender Verdickung in Abschnitte zerfallen; der Stern verändert mannigfaltig und anhaltend seine Form. Beobachtet man bei Tritonlarven diese Veränderungen, so ist es schwer Flemming beizupflichten, dass die verschiedenen Formen des Kernes mit solcher Regelmässigkeit einander folgten, wie er es beschreibt: Kranzform, Stern, feinstrahliger Stern, systolische und diastolische Formen des Kernes. Wie im knäuelförmigen, so auch im stern- förmigen Kerne verändern beständig die Fäden ihre Länge, ihre Verlaufsrichtung, ihre Dicke u. s. w.; der Stern kann dabei grös- ser und kleiner werden; in Folge der Verlängerung und Verkür- zung der Strahlen durch Zusammenfliessen der centralen Enden der Fäden kann sich die Kranzform des Kernes ausbilden; sehr oft, wenn auch nicht immer, bildet sich eine systolische Form des Ker- nes; durch starke Krümmungen aller Fäden, wobei ihre Gruppi- rung im Centrum sich verliert, wird der Stern einem Knäuel sehr ähnlich; der Stern kann sich ferner sehr verlängern u. s.w. Man sieht nicht selten auch im sternförmigen Kerne, dass an der Stelle der Fäden Körner und kurze Stäbehen auftreten (besonders vor dem Uebergang in die vierte Phase von Flemming), dann er- scheinen von neuem die Fäden; das Bild wird nicht selten auch hier ungemein blass, kaum sichtbar. Was die Spaltung der Strah- len betrifft (Flemming), so habe ich an lebendigen Objeeten nichts ähnliches beobachtet, an todten sehe ich hie und da die verästigten, zuweilen auch sehr feine knapp nebeneinander liegen- den Strahlen. Ob das aber von der Theilung der Strahlen abhängt, lässt sich nicht entscheiden. Die Beobachtungen an lebendigen Thieren bestätigen sich an mit verschiedenen Reagentien und ver- schiedenen Färbemitteln behandelten Präparaten: man sieht näm- lich feinstrahlige, dickstrahlige Sterne, kranzförmige Figuren u. s. w. Die vierte Phase von Flemming ist die Aequatorial- oder Mittel- Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 183 platte. Diese Phase kann man auch bei Triton beobachten. (Siehe bei mir im vorigen Aufsatze Fig. 63, 35, 36, in diesem Fig. 2, 23, In Fig. 35, 36 stellt der mittlere Theil der Figur die Kernspindel der Autoren, d.h. diejenige Fäden, welche die Pole der Figur untereinander noch verbinden, dar.) In dieser Form bleibt der Kern nur sehr kurze Zeit, dann nimmt er die Tonnenform an (Fig.3) und theilt sich, wie es oben !) angeführt ist. Diese Phase fehlt nie; kein Kern kann sich in einer anderen Form theilen. Es lässt sich aber nicht entscheiden, welcher Process dabei vor- kommt. Auch Flemming entscheidet es bei Salamandralar- ven nicht. Die fünfte Phase — Auseinanderrücken der beiden Hälften des mütterlichen Kernes — kann man auch bei Triton sehr deut- lich beobachten. Die drei letzten Phasen von Flemming beziehen sich auf den neugebildeten Kern: „die Tochterkerne, sagt er, haben zuerst eine flachgedrückte Sternform. die in die eines Sternes oder Kranzes mit gewundenen Fäden übergeht, welche in peripheren und cen- tralen Schlingen in einander übergehen, hieraus entsteht ein Windungsknäuel und hieraus ein Gerüst mit Zwischensubstanz. Dies ist im Ganzen, abgesehen von den doppelstrahligen Sternen, die umgekehrte Formreihe, die der Mutterkern durchmachte.“ Bei Triton verwandeln sich die neugebildeten Kerne, wie oben ange- geben, dadurch, dass zuerst ihre Polarenden zusammenfliessen in einige’ compacte etwas glänzende Klümpchen, welche bald dadurch, dass an ihrer Polarfläche eine Vertiefung sich bildet, Nierenform annehmen. An der Aequatorialfläche dieses compacten Kernes bleiben gewöhnlich zwei bis drei mehr feinerer oder dickerer kurzer, nicht zusammengeflossener Fäden übrig. Nach der Theilung des Zellkörpers werden die neugebildeten Kerne (in gewöhnlichen Epi- thelzellen) meistens unsichtbar; wenn sie aber einige Zeit sichtbar bleiben, so erscheinen bald in ihnen die Fäden, so dass der com- pacte Zustand des Kernes nur sehr kurze Zeit dauert. An Rea- gentienpräparaten ‚stellen sich die neugebildeten Kerne unter dem Bilde der Knäuel dar, welche aus dickeren oder feineren enger oder locker verflochtenen Fäden bestehen. Bei den anderen oben ge- nannten Amphibienlarven sieht man an den gut mit Hämotoxylin gefärbten Präparaten compacte neugebildete Kerne ziemlich oft. An meinem Objeet ist es mir folglich nicht gelungen, alle IE 184 Peremeschko: Phasen derKerntheilung zu beobachten, welche Flemming bei Sala- mandralarven beschrieben hat; diese Larven stellen wahrscheinlich ein viel günstigeres Object für diese Beobachtungen dar. So viel ich bei Tritonlarven gesehen habe, zerfällt der ganze Process der Zelltheilung in zwei Stadien: das erste Stadium beginnt mit dem Anfang der Differenzirung des Kernes und dauert bis zum Anfang der Theilung des letzteren (die Phase der Axenplatte, Flemming); es kann das Stadium der Kernveränderungen genannt werden. Ob diese Verände- rungen mit sehr complieirten und anhaltenden amöboiden Bewe- gungen verglichen werden können, oder ob sich hier ein ganz besonderer Process abspielt, muss den künftigen Beobachtungen überlassen werden. Das zweite Stadium beginnt mit dem Anfang der Kerntheilung und endigt mit dem Ende des ganzen Processes; es kann das Stadium der Kern- resp. Zelltheilung genannt werden. An Reagentienpräparaten un- terscheidet man auch diese zwei Stadien: man findet nämlich entwe- der die verschiedenartigsten Formen des mütterlichen Kernes (stern-, kranz-, und knäuelförmige Kern ete.), oder in Theilung begriffene mütterliche Kerne (die Phase der Axenplatte, der spindelförmige Kern); ferner die Tochter- noch in einer Zelle liegenden Kerne und endlich zwei neue Zellen. Was nun die anderen Zellenarten betrifft, so kann ich bezüg- lich des Theilungsprocesses der weissen Blutkörperchen Flem- ming nicht beipflichten. Ich habe hier dieselben Bilder gesehen, wie bei der Theilung der anderen Zellenarten; ungemein deutlich sieht man hier die eben neugebildeten Kerne (Körbe), wenn sie sich schon etwas von einander entfernt haben und die Theilung des Zellkörpers beginnt. Die Verwechselung mit anderen, z. B. Bindegewebszellen, konnte nicht stattfinden; als gute diagnostische Mittel dienen, wie oben erwähnt, das Erscheinen oder Nichter- scheinen der Fortsätze am Ende der Zelltheilung und die Zeit, in welcher der ganze Process verläuft; ausserdem beobachtete ich die Theilung der weissen Blutkörperchen im Innern: der Blutgefässe. Die Untersuchungen von Bütschli!) sind vermittelst der 1%/, Essigsäure angestellt, und die Bilder, welche er zeichnet, hän- sen vielleicht theilweise von diesem Reagens ab. 1) Studien über die ersten Entwickelungsvorgänge etc. 1876. Ueber die Theilung der thierischen Zellen. 185 Zum Schluss will ich noch über kriechende Zellen (?) in der Epithelbedeekung von Tritonlarven ein paar Worte hinzufügen. Diese Gebilde erwähnt Flemming!); er hält sie für weisse Blutkörperchen. Die @ebilde befinden sich zwischen den Epithel- zellen der oberen Schicht, zuweilen zwischen beiden Schichten. Sie bestehen aus sehr feinkörniger Masse, in welcher einige Stäb- chen oder Fädehen von mehr glänzender gleichförmiger Substanz sich befinden (Fig. 3la); die Gebilde sind ziemlich scharf con- tourirt. Entweder liegen sie ruhig (in diesem Falle sind sie ganz rund oder etwas verlängert) oder kriechen (in diesem Zustand sind sie immer verlängert (Fig. 32a) zuweilen sehr lang und dünn. Zuweilen kriechen sie sehr langsam, zuweilen aber so rasch, dass man sie für kleine Würmehen halten kann. Die Intercellular- räume, in welchen sie kriechen, erweitern sich vor ihnen und bleiben hinter ihnen ziemlich lange, wie breite helle Streifen sichtbar. Die Bewegung geschieht durch Vorwärtsschiebung der ganzen Körper- masse ohne Herausziehen der feinen Fortsätze; dabei verändern die Gebilde mannigfaltig ihre Gestalt: sie werden kürzer, länger, beugen sich, zuweilen theilt sich ein Ende des Gebildes in zwei u. s. w. Alle diese Formveränderungen sind dahin gerichtet, um die Körperchen zwischen den Epithelzellen durchschlüpfen zu lassen. Sie können sich theilen (Fig. 32b); sie beruhigen sich und nehmen eine ganz regelmässige runde Form an. Der Process verläuft ganz ähnlich dem der anderen Zellen und dauert, wie es scheint, so lange wie in Bindegewebszellen. Nach der Theilung bleiben entweder die Neugebilde wie kleine runde Kügelehen nebeneinander liegen (Fig. 32 ce) oder sie verlängern sich sogleich (Fig. 32 d) und kriechen nach verschiedenen Rich- tungen weiter. Ihr Körper bleibt dabei einige Zeit gleichartig, schwach glänzend; dann treten in ihm Stäbchen und Fädchen auf. Was ihre Menge betrifft, so sind sie bei einigen Individuen in sehr grosser Anzahl vorhanden (in jedem Gesichtsfelde trifft man 2, 3) bei anderen dagegen ist ihre Menge nicht gross. Das Wesen und die Bedeutung dieser Gebilde sind mir bis jetzt unbekannt geblieben. )Le. 186 Peremeschko: Ueber die Theilung der thierischen Zellen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. (Alle Zellen sind nur nach lebendigen Präparaten — von curarisirten Thieren — gezeichnet; Hartn. Ocul. 3, Obj. 7 oder 8.) Fig. 1, 2, 3 stellen eine und dieselbe sternförmige Bindegewebszelle in ver- schiedenen Momenten der Theilung vor. Fig. 4. Zwei neugebildete noch durch eine enge kurze Brücke miteinander verbundene Bindegewebszellen. Fig. 5. Eine Bindegewebszelle im Anfange der Theilung des Zellkörpers; die Fortsätze sind sehr fein und blass geworden. Fig. 6. Eine Bindegewebszelle nach der Kerntheilung; die Fortsätze sind schon ziemlich fein uud blass. Fig. 7. Eine Bindegewebszelle am Ende der Theilung des Körpers; die Fortsätze sind ungemein fein und blass. f Fig. 8. Zwei neugebildete noch durch eine ziemlich lange Brücke mit ein- ander verbundene Bindegewebszellen. Fig. 9. Eine sich theilende Bindegewebszelle, an deren Oberfläche zahlreiche amöboide Fortsätze sichtbar sind. y Fig. 10. Eine sich theilende Bindegewebszelle, an deren Fortsätzen neuge- bildete amöboide Ausläufer sichtbar sind. Fig. 11. Eine sich theilende Bindegewebszelle mit feinen und blassen Fort- sätzen. Fig. 12. Eine sich theilende Bindegewebszelle, deren Fortsätze ganz einge- zogen sind. Fig. 13, 14, 15. Eine sich theilende pigmentirte Bindegewebszelle. Fig. 16—22. Die sich theilenden weissen Blutkörperchen. Fig. 23, 24, 25. Ein und dasselbe sich theilendes weisses Blutkörperchen. Fig. 26. Die Theilung einer Endothelzelle in der Wand einer Blutcapillare. Fig. 27. Die Theilung eines Gebildes, welches zwei Capillargefässe unterein- ander verbindet. Fig. 28. Eine pigmentirte, im Innern einer sich bildenden Blutcapillare befind- liche Bindegewebszelle. Fig. 29. Die Theilung eines Kernes der Schwann’schen Scheide. Fig. 30. Die Theilung einer Zelle einer quergestreiften Muskelfaser. Fig. 31. Eine sternförmige Bindegewebszelle, deren Körper und Fortsätze netzartig differenzirt sind. Fig. 32. a Ein kriechendes Gebilde; b die Theilung desselben; ce, d nach der Theilung. v. la Valette St. George: Ueber den Bau der Fettflosse. 187 Ueber den Bau der ‚„Fettflosse‘‘. Von v. 1a Valette St. George. Hierzu Tafel XV. Viele Siluroiden, die meisten Characinen, die Scope- linen, sowie alle Salmoniden tragen zwischen Rücken- und Schwanzflosse einen eigenthümlichen lappenartigen Anhang, wel- cher den althergebrachten Namen der Fettflosse — pinna adi- 205 — führt und einen nicht unwesentlichen Factor zur Bestim- mung der Gattungen und Arten bildet. Wenn die Fettflosse in den zoologischen Handbüchern als „strahlenlos“ bezeichnet wird, so ist dies dahin zu verstehen, dass ihr die Knochenstrahlen, welche die echten Flossen charakterisiren, fehlen, die geringere oder grössere Resistenz dieses Organes da- gegen durch ein Stützgewebe bedingt wird, welches Strahlen eigener Art enthält, die jedoch eine solche Entwickelung erreichen können, dass ihre Unterscheidung von anderen Flossenstrahlen eine sehr genaue Untersuchung erfordert. Als Beispiel dafür mag die Controverse berühmter Ichthyo- logen in Betreff der systematischen Stellung von Paraiepis dienen. Während Risso !) die zweite Rückenflosse dieser Gattung als Fett- flosse ansah und demgemäss ihre Besitzer den Salmoniden zuzählte, fanden Cuvier und Valeneiennes, dass sie Strahlen besässe, welche mit Hülfe der Loupe uischwWer zu zählen seien. Reinhardt?) brachte Flosse und Fisch wieder an ihre Kich: 1) Histoire naturelles des poissons 1829, T. III p. 356 Pl. 67. 2) Oversigt over det Kongelige Danske Videnskabernes Selskabs For- handlinger fra 31. Mai 1830 til 31. Mai 1831 S. 21. Isis 1848 S. 125. 188 v. la Valette St. George: tige Stelle und bemerkte, dass die Haut der hinteren Rückenflosse geneigt wäre, sich in feine Fasern aufzulösen, welches auch der Fall bei der Fettflosse einiger Lachse sei. Johannes Müller!) trat der Auffassung Reinhardt’s bei, indem er hinzufügte: „Solche Art von Strahlen, wie diese sind, besitzen nach meiner Beobachtung alle Fettflossen; es sind äusserst zahlreiche feine Fäden, welche nicht artieulirt sind und das Cha- rakteristische haben, dass sie aus vielen verklebten Fasern bestehen, wie man nrittelst des Mikroskops wahr nimmt.“ Dieselbe eigenthümliche Gewebsform findet weitere ausgiebige Vertretung als Grundlage der Flossenhaut bei den Rochen und Haien. R. Owen?) gedenkt ihrer als „fine horny rays or fila- ments“ und hält sie für homolog den Klauen und Nägeln der höheren Wirbelthiere. Für die Selachier beschreibt sie Leydig?°) als „helle, steife Fäden, die, zwischen die Haut eingeschoben, in dichter Reihe neben einander liegen, oft ein wie gegliedertes (Raya batis) Aussehen haben und spitz oder auch zerfasert auslaufen. Kali- lösung verändere sie nicht, sondern mache sie höchtens etwas blasser. Stannius sagt *): „Die Grundlagen der Fettflossen bilden zu Fäden eng verbundene Fasern“. An anderem Orte bemerkt Leydig°’): „Zu den eigentlichen Skelettheilen der Fische zählen auch jene „Hornfäden“ oder gelben Faserstreifen, welche in der Haut der Flossen in so grosser Menge eingeschoben sind (besonders entwickelt bei den Selachiern), um die Flosse steif zu machen. Die Fettflosse der Salmonen z. B. wird lediglich durch solche Hornfäden gestützt.“ Ihrer vermeint- lichen Unveränderlichkeit auf Kalizusatz wegen hält sie Leydig für chitinigirte homogene Bindesubstanz. Dagegen fand Bruch®), dass Kali caust. sie bei längerer Einwirkung spurlos löse, in Acid. mur. und sulph. sollen sie 1) Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden etc. 1846 S. 69. 2) Lectures on the comparative anatomy and physiologie 1846 S. 128. 3) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Rochen und Haie. 1852. 4) Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. II. Aufl. 1854 5. 9. 5) Lehrbuch der Histologie. 1857, S. 162. 6) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XI, 1862 S. 168. Ueber den Bau der Fettflosse. 189 weich werden und nach Behandlung mit Essigsäure aufquellen, durchsichtig‘ werden und Einschnürungen erhalten. Sie würden sich darnach erweisen „als eine höchst merkwürdige Art ge- formten Bindegewebes und entsprechen den Flossenstrahlen der Knochenfische, welche zwar knöchern, aber nie knorpelig auftreten“. Recht ausführlich und mit eingehender Kritik behandelt Gegenbaur!) den in Rede stehenden Gegenstand. Nach einer präcisen Darstellung des Baues der „Hornfäden“, welche jedoch bei den Rochen gänzlich fehlen oder nur spurweise vorkommen sollen, widerspricht er der Auffassung Owens und ihrer Begrün- dung, findet sie mit Bruch empfindlicher gegen Säuren und Al- kalien, als Leydig von ihnen angibt, bestreitet ihre direete Ver- wandtschaft mit den knöchernen Radien, als deren Vorläufer sie jedoch betrachtet werden können, und rechnet sie zu den Cutieu- larbildungen, die nur der Intercellularsubstanz des Bindegewebes vergleichbar seien. Auch untersuchte er sie bei Salmo und Pi- melodus und schliesst mit der Bemerkung: „Das Vorkommen sol- cher Fäden bei Teleostieren weist auf Zustände hin, die mit Se- lachiern verwandt sind und ist um so wichtiger, als die Fettflosse gerade in der Abtheilung der Physostomi sich findet, die auch durch die übrige Organisation am wenigsten weit von einem den Knochenfischen gemeinsamen Ausgangspunkte sich entfernt haben. Auch Kner?) widmet der Fettflosse besondere Beachtung. Sie besteht nach ihm aus der eigenen Flossenhaut und der sie beiderseits überziehenden Körperhaut. Erstere lässt in den zarten Fasern und Streifen die Elemente von Strahlen wahrnehmen, zu deren völliger Ausbildung es jedoch allermeist nicht kommt. In seltenen Fällen schreite aber die Entwickelung wirklich weiter als bis zur Bildung blosser Streifen oder Faserstrahlen und die Fett- flosse wandele sich in eine strahlige um, wie dies z. B. bei Phrac- tocephalus und Clarotes der Fall sei. Dann betont er, dass sie ohne Zweifel eine tiefstehende, an das embryonale Stadium mah- ‚. nende Flossenform darstelle. Dass die Fettflosse ebenso wie die unpaaren Flossen aus dem 1) Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, H. II 1865 S. 138. 2) Ueber den Flossenbau der Fische. Sitzungsberichte der K. Aka- demie der Wissenschaften. 1860 8. 242. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 15 190 v. la Valette St. George: embryonalen Flossensaume hervorgehe, hat bereits C. Vogt!) nachgewiesen. Der primitiven Strahlen, welche die radiäre Streifung des Randes der Schwanzflosse bedingen, gedenkt Lotz ?). Diesen historischen Bemerkungen will ich nun die Mitthei- lung der Resultate einiger Beobachtungen anreihen, welche ich bei Selachiern, jungen Fischen und älteren Salmoniden zu machen Gelegenheit hatte Sowohl bei Rochen (Raja clavata) als auch bei Haien (Squalus glaucus) fand ich die Stützelemente sehr schön entwickelt als homogene, stark lichtbrechende, an beiden Enden zugespitzte Stäbe. Nach Behandlung mit coneentrirter Kalilauge erschienen sie sofort verändert. Sie erhielten Einschnürungen, quollen auf und zeigten im Innern kleine Hohlräume, ganz ähnlich wie auf Fig. 6 vom Lachs: Alles nach 15 Minuten; eine längere Einwir- kung des Reagens hatte vollständigen Zerfall des Gewebes zur Folge. Junge eben dem Ei entschlüpfte Karpfen trugen im gan- zen Flossensaume sehr feine Stützstäbe. Im Schwanztheile des- selben waren sie am stärksten. Hier wurden sie noch nach vierzehn Tagen wahrgenommen. Sie zeigten sich gegen concentrirte Kalilauge ziemlich resistent, da sie erst nach längerer Einwirkung zerfielen. Eine kleine Einker- bung des Flossensaumes vor der Schwanzflosse bestimmt die Lage der Fettflosse zur Zeit des Ausschlüpfens aus der Eikapsel. So beim Californischen Lachs und der Bachforelle. Der ganze Flossensaum sowie auch die Brustflossen enthielten lange, an beiden Enden zugespitzte, durckaus homogene Fäden. Bei solch’ jungen Salmoniden ist die Fettflosse so durch- sichtig, dass sie in toto untersucht werden kann. In Fig.5 habe ich das Oberflächenbild der Fettflosse einer Bachforelle von 15 mm Länge wiedergegeben. Man sieht die polygonalen Epithelzellen, welche sich nach dem Aussenrande zu abplatten, dazwischen Becherzellen mit kreisrunder Oeffnung, darunter verästelte, mehr oder weniger pigmentirte, oft untereinan- der anastomosirende Zellen und in der Tiefe die Stützstäbe. Bei 1) Ambryologie des Salmones 1842. P. 134, 254. Fig. A 170. 2) Zeitschr. f. wiss. Zoologie 1864. S. 94, Taf. XI, Fig. 20. Ueber den Bau der Fettflosse. 191 einer Bach forelle von 7 cm finde ich die Stäbe an der Basis dicht gedrängt, etwas convergirend nach dem Rande hin (Fig. 1), 0,017 mm dick, glashell, an beiden Enden zugespitzt und oft an dem einen getheilt (Fig. 3). Sie alterniren mit einander, so dass das spitze Ende neben die Mitte eines anderen Stabes zu liegen kommt. Un- ter sich werden sie verbunden durch eine feinkörnige Zwischen- substanz, welche nach dem freien Ende zu homogener wird. Eine junge Bachforelle von Ilem besass eine Fettflosse von 6mm Höhe und 2,5 mm Länge an der Basis. Die Stützstäbe (Fig. 9) erreichten die grösste Dicke von 0,026 mm. Sie quollen auf und lösten sich in concentrirter Kalilauge. In 50°/, Essig- säure wurden sie, nachdem sie ohne Gasentwickelung um das Fünffache ihrer Dicke aufgequollen waren, immer heller und heller bis zur Unkenmntlichkeit. Beim Kochen erweichten sie, quollen auf und verloren ihre Form. Die Untersuchung des Baues der Fettflosse einer Bachfo- relle von 25 em ergab nachfolgende Resultate. Die Oberhaut' zeigt zunächst ein schönes regelmässiges Epi- thel mit häufig stark verlängerten und nach der Tiefe hin stark ausgezackten Zellen (Fig. 7). Diese greifen in die fein gezähnelte Oberfläche der Lederhaut ein. In und neben den Papillen, im Niveau ihrer Basis liegen stark pigmentirte und verästelte Zellen. Darauf folgt eine Bindegewebsschicht von Längs- und Querfasern, dann die etwa dreimal so breite Lage der Stützstäbe (Fig. 4 und Fig. 8). Diese werden durch feinere kürzere Elemente von der- selben Art bündelweise zusammengehalten. Nach der Mitte hin sind die dicken Stäbe stärker vertreten. Diese erscheinen im Durchschnitt (Fig. 4) meist stark canel- lirt, wogegen die feineren eine glatte Oberfläche besitzen. Die kürzeren Querstäbe waren bis 0,14mm lang und 0,007 mm dick. Im Innern der Fettflosse wird das Gewebe lockerer, durch- siehtiger und lässt feine Bindegewebsfasern mit langgestreckten Zellen erkennen. In und neben der Mittellinie durchsetzen zu- und abführende Gefässe und Nervenstämmchen die Fettflosse. Fett selbst enthält sie nicht so viel, als dass sie darnach ihren Namen verdiente, wenigstens nicht bei jüngeren Fischen. Bei der ausgewachsenen Bachforelle, der Aesche und in einem zwanzigpfündigen Lachs fand ich die oben geschilderten Structur- verhältnisse im Wesentlichen wieder. 192 v. la Valette St. George: Horizontale und verticale Schnitte durch die Fettflosse des Letzteren zeigen schon dem blosen Auge einen inneren hellen Streifen, welcher seitlich durch zwei dunklere begrenzt wird. Die mittlere durchsichtigere Parthie enthält lockeres Bindegewebe mit eingebetteten Fettzellen, welehe an der Basis reichlich, gegen den freien Rand hin spärlich vertreten’sind. Die dunkleren Streifen enthalten die in der Lederhaut eingewebten Stützstäbe und nach innen und aussen von denselben eine Lage verästelter Pigment- zellen. Am Grunde der Fettflosse sind die Stützstäbe breiter, bis 0,03 mm, weniger stark, oft wellenförmig gebogen, während sie nach dem oberen Rande hin eine bestimmtere Form annehmen und sehr schön in dichter Reihe hervortreten (Fig. 2). Die durch Abschaben gewonnenen Oberhautzellen zeigen sehr verschiedene Gestalt. Man unterscheidet spindelförmige Zellen mit glänzendem soliden Kern, sodann rundliche mit granulirten oder mehrere grös- sere Kernkörperchen führenden Kernen. Was nun die histologische Deutung der Stützstäbe betrifft, so müssen sie wohl, wie dies bereits Gegenbaur aussprach, als In- tercellularsubstanz des Bindegewebes aufzufassen sein, welche je- doch in einer bestimmt charakterisirten Form auftritt. | Ihr Vorkommen ist ein sehr beschränktes und, wie Gegen- baur bemerkt, in phylogenetischer Beziehung besonders beach- tenswerth. Das für den Hausbedarf seines Besitzers ziemlich unnütze Anhängsel der Fettflosse ist offenbar ein Erbstück aus alten ver- gangenen Zeiten, dessen Elemente sich bei den Selachiern in aus- gedehnterem Maasse noch erhalten haben. Der Nachweis, dass die- selben Stützstäbe die Grundlage der embryonalen Flossen bilden, dürfte auch in diesem Falle hindeuten auf die innigen Beziehun- gen zwischen der Keimes- und Stammesentwickelung. Ueber den Bau der Fettflosse. 193 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Fig. 1. Fettflosse einer jungen 7cm langen Forelle. Alec. Glye. . Oberer Saum der Fettflosse eines zwanzigpfündigen Lachses.. M. Flüss. Glye. Fig. 3. Stützstäbe aus der Fettflosse einer Forelle von 7 cm Länge. Ale. Fig. 4. Querschnitt aus der Fettflosse einer Forelle von 25cm Länge, 3 mm über der Basis. Alc. Glye. Fig. 5. Von der Oberfläche der Fettflosse einer Forelle von 15mm. M.Fl. Ale. Carmin. Fig. 6. Erste Veränderung der Stützstäbe des Lachses durch Kali caust. = er ©) concentr. Fig. 7. Theil eines Querschnitts vom- Seitenrande der Fettflosse einer Fo- relle von 25 cm Länge nahe der Basis. M. Fl. Glye. Fig. 8. Flächenschnitt durch die Zone der Stützstäbe aus der Fettflosse einer 25cm langen Forelle. M. Fl. Glye. | Fig. 9. Flächenschnitt durch die Stützstäbe aus der mittleren Gegend der Fettflosse von einer 11cm langen Forelle. Ale. Glye. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. Von Dr. Ludwig Edinger, Assistent der medic. Klinik zu Strassburg i. E. Hierzu Tafel XV1. 1. Einleitung. Die Gelegenheit lebend frischen menschliehen Magen zu un- tersuchen, sowie die häufige Durechmusterung von mit der Sonde heraufbeförderten Magenschleimmassen haben mir einige Re- 194 Ludwig Edinger: sultate ergeben, die mit dem, was seit langem über den Magen nie- derer Wirbelthiere bekannt ist, zusammengehalten, mich zu einer anderen, als der jetzt meist angenommenen Ansicht von der Natur der Haupt- und Belegzellen geführt haben. In den letzten Jahren ist der anatomische Bau der Magen- schleimhaut und die physiologische Deutung des davon Erforsch- ten, Gegenstand einer sehr lebhaften. Controverse geworden. Man findet die Geschichte dieser Frage bei Nussbaum (dieses Archiv Bd. XIII) so übersichtlich und ausführlich berichtet, dass ich die- selbe hier nur kurz insoweit zu berühren habe, als sie den Leser rasch auf den heutigen Stand der Ansichten zu setzen vermag. Die Untersuchungen Heidenhains!), hatten es wahrscheinlich gemacht, dass von den beiden in den Fundusdrüsen des Magens vorkommenden Zellarten die kleineren, die Hauptzellen (adelo- morphe Zellen Rollets) die Pepsinabsonderung besorgten. Als Ebstein ?) in den Pylorusdrüsen die nach ihm und Grützner nur Pepsin und keine Salzsäure absondern sollten, die kleinen Zellen allein vertreten fand und an ihnen auch die von Heidenhain beschriebenen mit der Verdauung einherge- henden Veränderungen wahrnehmen konnte, da schien der Heiden- hain’schen Hypothese eine gute Stütze gegeben zu sein. Die Hauptzellen waren die Pepsinbildner. Dass aber der Pylorus überhaupt eigenes Pepsin enthalte, wurde von verschie- denen Seiten bestritten. Friedinger 3) sowohl als Wolfhügel ®) bekamen aus ihm nur Spuren von Pepsin, die sie für infiltrirt hielten. Sie und auch Fick) wollen die grossen Belegzellen (delomorphe Zellen Rollet) als Pepsinbildner angesehen haben. Trotzdem Ver- suche von Ebstein nnd Grützner‘) es sehr unwahrscheinlich machten, dass je Pepsin in lebende Darmschleimhaut infiltrire, blieb v. Wittich ”), der übrigens im Glycerinextract des Pylorus nur sehr wenig Pepsin gefunden hatte, dabei, dass dieser Magen- 1) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. VI. S. 368. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. VI. S. 515. 3) Wiener Sitzungsberichte 1871. S. 325. 4) Pflüger’s Archiv Bd. VI. 5) Würzburger Verhandlungen 1871. Bd. I. 6) Pflüger’s Archiv Bd. VI. S. 1. 7) Pflüger’s Archiv Bd. VI. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 195 theil kein Pepsin selbst produeire und nur infiltrirtes enthalte, dass es wahrscheinlich doch die Belegzellen des Fundus seien, denen diese Funktion zukomme. Das hielt er auch aufrecht, als Eb- stein und Grützner !) nachwiesen, dass durch Salzsäurezusatz zu dem Glycerin sehr viel wirksamere Extraete zu erhalten seien. Die Zellen haben, antwortete er darnach, das Pepsin absorbirt, haben sich im Waschwasser mit einer Gerinnungshaut umgeben und, indem diese sich jetzt in der Säure löst, geben sie das Fer- ment wieder leicht an das Glycerin ab ?), Nun gelang es Ebstein und Grützner?) zu zeigen, dass nur die tieferen Pylorusschichten, vom todten Präparat sowohl als vom lebenden Hunde abgetragen, Pepsin enthielten, nieht auch die höheren, wie das doch wohl sein müsste, läge Imbibition vor. Die pepsinbildende Eigenschaft des Pylorus, durch diese schönen Arbeiten fast sicher gestellt, erfuhr durch Klemensiewies ?) eine weitere Stütze, als es diesem gelang, aus dem operativ von Magen und Duodenum getrennten und in die Bauchwand als Sack einge- nähten Pylorus pepsinhaltiges Seeret zu erhalten. Heidenhain’) konnte neuerdings über weitere derartige Versuche berichten, bei denen es ihm gelungen, die Hunde sehr lange am Leben zu erhalten. Ihr Pylorus sonderte immer alka- lisches mit Salzsäure gut verdauendes Secret ab. Ueber Arbeiten, welehe den Beweis für die pepsinogene Natur der Haupt- respective Belegzellen aus den Verhältnissen bei niederen Thieren führen wollen, soll weiter unten berichtet werden. Mit einer ganz neuen Methode untersuchend, focht Nuss- baum) Anfangs 1877 die von Heidenhain und seinen Schülern so fest vertheidigte Ansicht an und es gelang ihm eine Reihe guter Gründe für seine Behauptung, dass doch die Belegzellen das Pepsin absonderten, beizubringen. Nussbaum hatte gefunden, dass die Fermente der Speichel- und Labdrüsen, sowie die des Panereas durch Osmiumsäure tief schwarz gefärbt wurden, und dass diese Reaction nicht mehr ein- 1) Pflüger’s Archiv Bd. VI. 2) Ibidem Bd. VII. 3) Pflüger’s Archiv Bd. VII. 4) Wiener Sitzungsberichte Bd. LXXI. Abth. 3. 5) Pflüger’s Archiv Bd. XVIH und XIX. 6) Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XII. 196 Ludwig Edinger: trat, als er die fermentative Wirkung durch Erhitzen zerstört hatte. Als er nun die-Osmiumsäure auf die lebensfrischen Drüsen selbst brachte, fanden sich in allen gewisse Zellen, die sich tief schwarz von den anderen abhoben. Erhitzte, stark vom Nerv aus gereizte, oder mit Glycerin extrahirte Drüsen gaben die Reaction nicht mehr. Beim Embryo war sie erst zu der Zeit zu erhalten, wo sich auch Ferment aus den Drüsen extrahiren liess, nicht früher. Er glaubte sich daher wohl mit Recht zu dem Schlusse berechtigt, dass diejenigen Drüsenzellen, die sich in Osmiumsäure so stark schwärzten, die fermentgebenden seien. Um die Frage nach den Pepsin bereitenden Zellen zu lösen hat ° er die Magendrüsen verschiedener Thiere mit seiner Methode unter- sucht. Es schwärzten sich bei den Säugern die Belegzellen, besonders auf der Höhe der Verdauung, die Hauptzellen und die Zellen der Pylorusdrüsen blieben ungefärbt. Nach Glycerinextraetion der Schleimhautstücke konnte der Farbenunterschied nieht mehr erhalten werden; ebenso färbten sich die Belegzellen nieht mehr, wenn er durch Einlegen von Schwämmen in den Magen eine übermässige Secretion hervorgerufen hatte ‘ Nach diesen Ergebnissen glaubte er trotz der vielen entgegenste- henden Versuche den Belegzellen die Pepsinabsonderung zu- schreiben zu müssen. Grützner') hat Nussbaum’s Verfahren zum Theil geprüft. Seine fermentreichen Drüsenextracte mit Osmium zusammen- gebracht färbten sich aber nieht anders als fermentarme. Die Zeit "nach der Nahrungsaufnahme, wo sich nach Nussbaum die Beleg- zellen am meisten schwärzten, ist nach seinen Untersuchungen ?) gerade die, wo am-wenigsten Pepsin abgesondert wird. Nach ihm gibt ein hungernder Hund viel mehr Pepsin an Glycerin ab, als ein anderer in voller Verdauung. Uebrigens sei von Nussbaum keineswegs nachgewiesen, dass gerade Pepsin die Schwarzfärbung bedingt habe. Sondere ja doch der Magen auch das Labferment ab, dessen Menge mit dem Pepsingehalt parallel gehe. Dass der Pylorus Pepsin absondere, liess sich nach allen den Mittheilungen nicht mehr wohl bestreiten. Liess sich aber nach- weisen, dass er nicht nur Haupt- sondern auch Belegzellen ent- 1) Pflüger’s Archiv Bd. XVI. 2) Habilitationsschrift, Breslau 1875. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 197 hält, so war der aus dieser Absonderung gezogene Schluss auf die pepsinogene Natur der Hauptzellen hinfällig, Gerlach und Mayer wollten schon früher grosse protoplasmatische Zellen daselbst gefunden haben und in einer neuen Mittheilung behauptet Nuss- baum!) bestimmt, dass im Pylorus Belegzellen vorkämen ?). We- nige nur, aber der aus dem Pylorus gebildete künstliche Magen Heidenhain’s hatte auch pro Stunde nur 2—3cem alkalischen Secretes abgegeben, während das Fundussäckchen bis zu 26 cem ge- winnen liess. Und doch war in beiden die Menge der Haupt- zellen ungefähr gleich. Die genannte Differenz kann nicht auf Rechnung einer Verdünnung des Seeretes kommen, da das Fun- dussecret nicht pepsinärmer ist, als das des Pylorus. Die Beobachtung Grützner’s, dass der Fermentgehalt der Magendrüsen im Hungerzustande am höchsten sei, stand mit den Nussbaum’schen Schlüssen aus der Osmiummethode im Wider- spruch. Da aber auch die neuesten Ergebnisse Heidenhain’s zu der Grützner’schen Beobachtung theilweise im Widerspruch stehen, so muss dieser Einwurf gegen die Osmiummethode einst- weilen unerledigt bleiben. Uebrigens hat auch Swieeiecki sefunden, dass der Magen während der Verdauung viel mehr Pepsin enthalte, als während des Hungers. Man sieht, es werden von beiden Seiten gewichtige Gründe geltend gemacht und die Frage ist keineswegs entschieden, welche Zellen das Pepsin absondern. Soviel aber kann man wohl als nachgewiesen ansehen, dass die Hauptzellen des Pylorus Pepsin absondern können. Die wenigen Belegzellen, so klein an Zahl, dass sie den meisten Beobachtern bis jetzt entgingen, reichen nicht hin um den Fer- mentgehalt der Pylorusdrüsen zu erklären. Dass er zum Theil von Infiltration herrührt, wie Nussbaum will, ist nach Eb stein’s und Grützner’s Untersuchungen doch sehr unwahrscheinlich. Anders aber steht es mit der Behauptung, dass die Beleg- zellen wohl die Säure absonderten. Nirgendwo ist eine Spur von Beweis hierfür erbracht, während nicht wenige Beobachter sie mit Ernst für Pepsinbildner ansprechen und gerade das ist 1) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XVI. 2) Es ist nicht unmöglich, dass die wiederholt im Pylorus gefundenen „Belegzellen“ Plasmazellen waren aus der Umgebung der Blutgefässe; solche lassen sich wohl nur schwer von den Belegzellen unterscheiden, 198 Ludwig Edinger: nicht nachgewiesen, dass nicht auch die Belegzellen Pepsin absonderten. Man wird hier die Versuche von Swieciecki!) mir als er- brachten Gegenbeweis vorlegen, der ja aus dem Froschoesophagus mit seinen Hauptzellen nur Pepsin erhielt und daher dem Frosch- magen mit den Belegzellen die Säurebildung zuschreibt. Aber Versuche, die ich neuerdings an demselben Objecte anstellte, lassen mir Swieciecki’s Angaben zweifelhaft erscheinen. Durch Maly°®) und von den Velden?) ist vor Kurzem gezeigt worden, dass die Farbenänderung die einige Anilinfarben bei Zusatz von Mineral- säuren erfahren, sehr wohl zum Nachweis der kleinsten Spuren freier Salz- säure im Magensaft benutzt werden kann. So färbt sich z. B. eine gelbe Tro- paeolinlösung noch roth, wenn 0,01 Procent Salzsäure zugesetzt wird. Es lag nahe mit diesem feinen Reagens den Froschmagen, das heisst den nach dem übereinstimmenden Urtheil vieler Autoren (Leydig, Heidenhain, Friedinger, Nussbaum, Swiecielcki, Partsch u. A.) nur Belegzellen ent- enthaltenden Magentheil zu untersuchen. Ich weiss nicht ob man die Juli- frösche des Jahres 1879 als Winterfrösche bezeichnen darf. Bei den meisten war der Magen ganz leer und reagirte in drei Fällen nicht einmal sauer. Bei diesen letzteren blieb auch das Extract der Schleimhaut neutral und ver- änderte Tropaeolin nicht. Enthielten in solchen Fällen aber die Zellen doch die Salzsäure fertig und gäben sie erst auf Reiz ab, so liesse sich vielleicht durch Behandlung der Magenschleimhaut mit schwachen elektrischen Strömen eine saure Reaction der Oberfläche hervorrufen. Dem ist nicht so. Legt man auf einen geöffneten derartigen Froschmagen, dessen Circu- lation erhalten ist, ein Stückchen feuchtes Lacmuspapier und lässt einige Zeit. einen schwachen elektrischeu Strom wirken, so tritt keineswegs Rö- thung an dem Reagenzpapier ein. Starke Ströme würden wohl auf elektrolytischem Weg saure Reaction erzeugen können. Immer sauer rea- girte der Magen der mit Fibrin gefütterten Frösche, aber die Flüssigkeit gab nie die Tropaeolinreaction, selbst nicht, als das vereinte Secret mehrerer Magen mit der Farbe in Berührung kam. Ich habe den Versuch oft wie- derholt, bin aber zu keinem anderen Resultate gekommen. Die „Belegzellen“ des Froschmagens sondern also keine Mineralsäure ab. Andrerseits ist es nach dem Verhalten zu Osmiumsäure, in der sie sich tief schwärzen, und nach den Extractionsversuchen der gut abgewa- schenen Schleimhaut höchst wahrscheinlich, dass sie sich an der Pep- sinbildung betheiligen. 1) Pflüger’s Archiv Bd. XIII 2) Zeitschrift f. physiol. Chemie Bd. 1. 3) Deutsches Archiv f. klin. Mediein Bd. XXI. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 199 Kurz, der Beweis, dass überhaupt den zweierlei Zellen im Magen verschiedene Funetion zukommt, ist noch nicht erbracht. 2. Die Drüsen des menschlichen Magens. In einer unter W. Krause’s Leitung gearbeiteten Dissertation !) gab zuerst Juckes an, dass auch der menschliche Magen die zweierlei Zellen, die Heidenhain und Rollet bei Thieren kennen gelehrt hatten, besitze. Direkt an die Cylinderzellen des Drüsen- ausganges grenzten die dieken polygonalen Belegzellen. Zwischen und oft nach innen von ihnen, sieht man die kleinen kegelför- migen Hauptzellen dichtgedrängt nebeneinander liegen. Dem Drü- senhals kommt keine andere Zellanordnung als der ganzen Drüse zu. Im Pylorustheil hat Verfasser einzelne Belegzellen in den Drüsen gefunden. Henle?), dem ein normaler sehr gut erhaltener Magen zur Verfügung stand, zeichnet und beschreibt den Drüsen- hals als nur von Belegzellen erfüllt, während die untere Drüsen- abtheilung nur einzelne solcher aufweise, die in Abständen an der Aussenseite der Hauptzellen, zwischen diesen und der Basal- membran lägen und letztere nicht selten bauchig nach aussen wölbten. Doch kämen einzelne Drüsen vor, die bis auf den Grund von Belegzellen besetzt seien. Wir sind an hiesiger Klinik täglich in der Lage, den dem Magen mit der Sonde entnommenen Schleim untersuchen zu können, das was wir darin von zelligen Bestandtheilen finden, deuten zu sollen. Das Bedürfniss nach einer genaueren Kenntniss der menschlichen Magenschleimhaut und ihres Seeretes hat sich dabei wiederholt geltend gemacht. Es mag mir daher angesichts des praktisch Wünschenswer- then gestattet sein, über einige Ergebnisse zu berichten, die ich im klinischen Institut hier aus einer grossen Anzahl von Unter- suchungen menschlichen Magenschleimes und menschlicher Magen- stücke in gesundem und krankem Zustande erhalten habe. Versuche, die feinste Structur am Leichenmagen zu unter- suchen, hatten immer mit dem Misstrauen zu kämpfen, das ich den allemal in beginnender Zersetzung begriffenen Schleimhaut- stücken entgegenbrachte. Nur ein Magen, der einer 12 Stunden 1) Dissertation Göttingen 1871. 2) Handbuch der Eingeweidelehre 1873. 200 Ludwig Edinger: alten Typhusleiche entstammte, hat mir annäherend gute Bilder ge- geben (Kriterium guter Conservirung war mir das Vorhandensein unverletzten Cylinderepithels) auf den Leisten zwischen den Sto- machcells. : Ich musste es daher als ein für mich glückliches Ereigniss betrachten, als im Anfange dieses Jahres an unserer Klinik zwei hier sonst äusserst seltene Fälle von Abreissung kleiner Stückchen der Magenschleimhaut durch die mit Trichter und Schlauch armirte Schlundsonde zur Beobachtung kamen. Solche Verletzungen werden bekanntlich bei nur geringer therapeutischer Aufmerksamkeit leicht und ohne nachtheilige Fol- gen ertragen. Auch bei unseren Patienten heilte die kleine Ver- letzung ohne irgend welchen Zufall. Im ersten Falle handelte es sich um einen Mann von 38 Jahren, der bereits seit 11 Jahren an Magenbeschwerden, die auf ein Uleus zurückgeführt werden müssen, leide. Im Februar 1879 kam er hierorts zum erstenmale zur Beobachtung und es wurde ein ziemlich stark erweiterter Magen, dessen Contouren unterhalb des Nabels verliefen, gefunden. Derselbe hielt über Nacht grosse Quantitäten halb verdauter Nahrung zurück. Das Secret enthielt Salzsäure und Pepsin. Therapie: Mechanische Behandlung mit Sonde und Trichter. Binnen drei Wochen waren die Schmerzen gewichen und Patient in Genesung begriffen. Am 22. Februar sollte nochmals die Sonde in den nüch- ternen Magen eingeführt werden, um zu untersuchen ob derselbe wirklich am Morgen nun ganz leer sei. Er war leer, stark contrahirt. Bei dieser Untersuchung erzeugte die Sonde Würgbewegungen und, obwohl man sich beeilte das Schlundrohr herauszuziehen, fand sich doch ein Stückchen Schleim- haut im Oer derselben vor. Im zweiten Falle handelte es sich um einen von Magenbeschwerden geplagten Mann, bei dem auch die genaueste Untersuchung Nichts finden liess, das auf ein organisches Magenleiden gedeutet werden konnte. Der Magen schien völlig normal zu sein. Höchst wahrscheinlich lag eine Neu- rose vor. Dieser Patient machte eines Morgens beim Ausspülen des Magens plötzlich eine Pressbewegung und ‘drückte so den Magen an die Sonde. Gleich darauf fanden sich im Waschwasser zwei äusserst kleine Fetzchen Drüsenschicht der Schleimhaut. Sofort, nachdem die Magenstückchen erschienen waren, wurden sie mit der Pineette in Osmiumsäure gebracht, das erste in 1°/, Lösung, das zweite behufs Maceration in Y/ıo %o. Diese wohl als lebend frisch anzusehenden Stückchen, der mit der Pumpe heraufbeförderte Schleim von gesunden (Neurosen des Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 201 des Magens) und kranken Mägen und einzelne Leichenmägen bilden das Material, dessen Untersuchung ich das Folgende über den menschlichen Magen entnehme: Der Schleim des gesunden Magens ist klar, glasig, nicht zähe, häufig wie zu kleinen Körnchen geballt. Das Mikroskop lässt in ihm ausser der glasigen leicht streifigen Grundsubstanz nur wenig zellige Elemente erkennen. 1. Zunächst fallen Kerne darin auf, sehr scharfrandig, glasig hell mit 1—2 Kernkörperehen. Sie entstammen zu allermeist den Cylinderepithelien. Grösse und Gestalt lassen darüber keinen Zweifel. 2. Diese Epithelien selbst habe ich im Schleim gesunder Mägen immer nur so vereinzelt getroffen, dass es mir sehr zwei- felhaft ist, ob wirklich im gesunden Magen je Epithel losgestossen wird; aber in einem Falle von lang andauerndem chronischen Magencatarrhe (Velten loco coneit. Obs. IX) ohne Dilatation wur- den täglich grosse Mengen von unzerstörtem, schönst macerirtem Cylinderepithel im Waschwasser des Magens gefunden. Es waren dicht verfilzte Haufen von Zellen, von denen keine zwei mehr in ihrer ursprünglichen Lage beisammen lagen. Der Beschreibung, die F.E. Schulze!) von diesen Epithelien giebt, habe ich nichts zuzufügen. Die Zellen sind jedenfalls nach der Magenoberfläche zu offen, ob sie überall nackt, membranlos nur in einer Kittsub- stanz stehen, also das, was als Membran an der isolirten Zelle imponirt, nur eine macerirte Kittsubstanz ist, oder ob sie an den Seiten eigene Membran haben, wage ich nicht zu entscheiden. Es wird wohl wie meist in dergleichen feinsten Dingen auch hier der subjeetiven Auffassung ein gewisser Spielraum verbleiben müssen. 3. Ausser den Kernen und den Cylinderzellen findet man gar nicht selten auch bei Gesunden im Magenschleim freie Lymph- zellen. Dieselben sind höchst wahrscheinlich aus den Gefässen zwischen den Epithelien hindurch in das Lumen gewandert. Auf Schnitten des Säugethiermagens konnte ich den direkten Vorgang zwar noch nicht finden, aber für niedere Wirbelthiere, für Fische und Reptilien ist es mir nach meinen Präparaten zweifellos, dass runde weisse Zellen fortwährend den beschriebenen Weg einschla- 1) Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. IH. 202 Ludwig Edinger: gen. Man kann sie auf allen Stellen ihrer Wanderung ertappen!). Im Seeret des stark chronisch geschwellten Magens ist übrigens die Menge dieser Zellen auch nicht gerade gross, keineswegs so gross, wie man sie im Secret anderer chronisch erkrankter Schleim- häute zu finden gewohnt ist. 4. Drüsenzellen sind sehr selten im Schleim des Magens, auch des erkrankten. Ich erinnere mich in etwa 80—100 Unter- suchungen nur viermal unzweifelhafte Labzellen gesehen zu haben, trotz alles Suchens darnach. Man ist leicht geneigt grosse proto- plasmareiche Zellen, die dem Rachensecret entstammen und sich gar nicht selten im Magen noch durch den umgebenden Schleim vor Verdauung geschützt vorfinden, für Belegzellen zu halten. Die echten Labzellen sind kleiner, trüber, häufig von gelbbraunen, nie von schwarzen Körnchen durchsetzt. Sie liegen in glasigen Ma- genschleim gebettet, die Rachenzellen in mehr weniger eiterzellen- reicher Umgebung. Zweierlei Zellarten lassen sich nicht unter- scheiden. Aus dem Fehlen oderVorhandensein von Magendrüsenzellen im Schleime kann auf keinen bestimmten pathologischen Process ge- schlossen werden. Bei den Catarrhen des Magens sind sie jeden- falls nicht häufiger als im gesunden Zustande dieses Organes. Mit Ausnahme der acuten Gastritis sind von mir im Laufe des letzten Jahres wohl alle Formen von Magenerkrankung auf das Vorkom- men von Drüsenzellen untersucht worden, nie ist mir ein beson- ders reichliches Vorkommen von solchen aufgefallen. / 5. Der Magenschleim enthält ferner noch zahlreiche kleine Detritushäufehen, Stückchen von Zellendfäden, Reste von feinver- theilter Nahrung u. s. w. Auf die pathologischen Beimischungen, die nicht direet aus der. Magenwand stammen, auf die Pilzformen, die in Mannigfaltig- keit zur Beobachtung kommen u.s. w., soll an diesem Orte nicht eingegangen werden. Die Magendrüsen habe ich nur in dem nicht pylorischen Theile untersucht. Meine zwei abgerissenen Stückchen müssen der gewöhnlichen Lage der Sonde nach aus dem Fundus stammen und vom Leichenmagen ist immer nur die vordere Magenwand, 1) Siehe Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XIII. Taf. XL Fig. 5. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens besonders beim Menschen. 203 die ja durch die Rückenlage der Leiche von dem Mageninhalt getrennt ist, gut erhalten. Was meine Methode angeht, so habe ich mich anfangs der gebräuchlichen vorsichtigen Carminfärbung und der mit Anilinblau bedient, aber dieselben später verlassen, als ich in ganz verdünnten Eosinlösungen ein Mittel gefunden, das nie versagend die bekannten Farbdifferenzen an den Magenzellen immer sofort erkennen liess !). Die Eosinmethode eignet sich besonders auch zur Unter- suchung des Leichenmagens, wenn es darauf ankommt das numerische Verhältniss der Zellarten zu einander rasch zu über- sehen. Die frischen Magenstückehen wurden in Ösmiumsäure gewor- fen. Die Versuche Grützner’s und dessen Einwände gegen die Nussbaum’sche Methode erscheinen mir, nachdem ich mich viel- fach der letzteren bediente, nicht so unzweifelhaft widerlegend, dass man desshalb von ihr abstehen müsste. Jetzt, wo ich gerade den menschlichen Magen und den vieler Thiere mit ihr untersucht habe, kann ich wohl sagen: Die Osmiumsäure färbt das reine Drüsensecret des Magens schwarz. Gleich schwarz wie das Secret werden nur die Belegzellen gefärbt, während die Hauptzellen verschiedene Töne von Dunkelung annehmen. Dass aber das, was sich in den Zellen schwärzt, wirklich das Magenseeret ist, das lehrt ein Blick auf Fig. 3. Die Versuche von Nussbaum haben es sehr wahrscheinlich gemacht, dass das sich im Magen- secret schwärzende Ferment ist. Dass ein pepsinreiches Glycerin- secret, das Grützner anfertigte, sich weniger in Osmiumsäure schwärzte, als ein pepsinarmes, ist ein nicht aufgeklärter Wi- derspruch. Ich habe bei analogen Versuchen nichts derartiges gesehen. Eine ganz reine Pepsinlösung in Glycerin färbt sich in Os- 1) Man bringt die dünnen Schnitte in eben rosa gefärbte wässrige Lö- sung von Eosin und lässt sie etwa zwei Minuten darin. Dann spült man einen zur Probe rasch ab und falls er sich schon rosa gefärbt, wird er in Gly- cerin untersucht. Sollten die Farbenunterschiede an den einzelnen Zellen noch nicht deutlich genug sein, so sind sie es gewiss an den in Eosin ruhen- den Schnitten inzwischen geworden. Dann eventuell Haematoxylinfärbung. Die Präparate sind nicht haltbar, blassen nach Wochen ab. Haltbar sind aber Lackpräparate, die man mit alkohol. Eosinlösung herstellt. Sie gelingen aber nicht so sicher wie die in wässriger Lösung. 204 Ludwig Edinger: mium nach !/, Stunde tief schwarz und in Verdünnungen von !/s, 1/,, '/s entsprechend weniger. (Glycerin allein bleibt unverändert oder wird nach längerem Stehen erst dunkler in Osmium.) Die Versuchslösung war völlig frei von Peptonen. Die Anwesenheit der Salzsäure macht in dieser Reaction keinen Unterschied. Körn- chen von Pepsinpulver (Liebreich’s Pepsin) mit Osmium zu- sammengebracht, werden rasch schwarz. Sofort tief schwarz färbten sich in Osmium auch die Fermente des Pancreas und das in der Blase bei chronischem Catarrh vorkommende von Musculus dar- gestellte Ferment. Salzsäure und verschiedene Salzlösungen blei- ben ohne Einwirkung auf Osmiumsäure Milchsäure und Butter- säure schwärzten sich mit den kleinen für die Pepsinprobe aus- reichenden Osmiummengen nur in ganz unverdünnter reinster Form, wie sie wohl im Magen kaum vorkommen. Verdünnt man diese letzteren schwarz gewordenen Proben mit Wasser, so wird die Buttersäureprobe röthlich violett, die Milchsäureprobe grünlich, die Pepsin-Osmiumsäureprobe ist in hoher Verdünnung noch braun bis schwarz !). Pepton, das ich von Dr. Kossel hier von Pepsin frei (dia- lysirt) erhielt, färbte sich mit Osmiumsäure nur schwachgelb. Magensäfte vom Menschen, die die Pumpe heraufbefördert hatte, wurden rasch schwarz, ob sie Salzsäure enthielten oder nicht. Mit Nussbaum wird man daher wohl annehmen dürfen, dass das, was sich in den Zellen schwärzt, im Wesentlichen Fer- ment ist, und zwar das Ferment, das wohl am reichlichsten vor- kommt, das Pepsin. Sicher ist aber, dass die Zellen, die sich in Osmium- säure gar nieht schwärzen, weder fertiges Pepsin noch Milchsäure enthalten können. Mit der Osmiumsäure werden noch Pepsinmengen intensiv geschwärzt, deren Nachweis durch die Verdauungsprobe nicht mehr gelingt, obgleich zu dieser doch nur minimale Quantitäten genügen. — Bestreitet man aber, dass nur Pepsin sich in der Osmiumsäure schwärze, so wird man doch, nachdem ich die Fein- 1) In allen Proben wurde die gleiche Menge Osmiumsäure (/, cem einer 1/, 0), Lösung) genommen. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens besondere beim Menschen. 205 a heit der Methode erprobt habe, zugeben müssen, dass Zellen, die sich gar nicht in Osmium färben, kein fertiges Pepsin enthalten können, während es andrerseits sehr wahrscheinlich ist, dass tiefe Schwärzung der Magenzellen von Pepsingehalt herrührt. Die. nachfolgende Schilderung bezieht sich im Wesentlichen auf Osmiumpräparate. An einem Flächenschnitt durch die Magenschleimhaut fallen zunächst innerhalb und ausserhalb der zelligen Drüsenquerschnitte die tief geschwärzten Kugeln und Halbmonde der Belegzellen auf. Aber diese Zellen haben an unserem nie mit Wasser länger in Berührung gekommenen Präparate nicht die von den Autoren be- schriebene Form des runden Polsters, sondern es gehen von ihnen hier und da kleine Fortsätze aus, die als dünne schwarze Fädchen zwischen den heller gebliebenen Zellen dahin zum Drüsenlumen ziehen. Dies letztere ist häufig gleichfalls mit intensiv geschwärz- ter Masse gefüllt. Wo zwei oder mehrere solcher Zellen um einen Querschnitt herum liegen, bilden diese, ihre Fortsätze, einen schwar- zen zierlichen Stern, dessen Centrum der Lumengquerschnitt, des- sen Strahlen die Fortsätze sind !). Solche Bilder scheinen mir doch beweisend, dass die Zellen ein Secret liefern, das sich in Osmium schwärzt. Die schwarzen Linien sind wohl nur zum ge- ringen Theil Zellfortsätze, zum grösseren gewiss Secretströme zwischen den Zellen, wie wir sie aus dem Pancreas, den Bruner- schen Drüsen u. s. w. kennen. Sonst bieten die geschwärzten Zellen auf Längs- und Quer- schnitten der Drüsen ganz die Bilder, die uns Heidenhain und Rollet an ihren Carmin- und Anilinpräparaten demonstrirt haben. Nur waren sie alle etwas kleiner, als man sie an Farbpräparaten, wo sie wohl durch Wassereinwirkung gequollen sind, zu sehen sewohnt ist. Vielleicht waren sie auch kleiner, weil unsere Pa- tienten nüchtern waren, als der Magen ausgewaschen wurde. (S. Heidenhain l. e., der daselbst angiebt, dass zur Hungerzeit die Belegzellen kleiner, weniger über den Drüsenschlauch hervorquel- lend sind.) 1) Ich habe sogar einmal einen Querschnitt gefunden, dessen sämmt- liche Zellen bis auf eine hell waren. Nur im Lumen der Drüse befand sich eine schwarze Secretmasse und eben von dieser ging ein Faden zu der tief dunklen Belegzelle. ‘Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 17. 14 206 Ludwig Edinger: Untersucht man die einzelnen geschwärzten Zellen genauer, so finden sich gar nicht wenige darunter, die die eylindrische, respective kegelförmige Gestalt der Hauptzellen haben und zwi- schen hell gebliebenen Zellen ganz ihresgleichen eingebettet sind. Diese durch Osmium gleichfalls dunkel gefärbten Zellen stehen durch mancherlei kleinere und grössere Zwischenformen so mit den polsterförmigen Belegzellen im Connex, dass sich nicht jede Zelle sicher zur einen oder anderen Zellgattung zählen lässt. Das war ein Resultat, das mir, der ich die scharfen so oft be- schriebenen Unterschiede zwischen den zwei Zellarten zu finden hoffte, sehr unerwartet kam. Ich untersuchte daher meine schwar- zen Hauptzellen an Schnitten und Macerationspräparaten immer wieder; aber nun fanden sich bald auch heller braune Zellen und noch hellere gelbe, kurz Uebergangsformen zu den heligebliebenen Zellen, zu den immer als eigene Zellart beschriebenen Hauptzel- len. Bei Zusammenstellung aller Präparate liess sich eine conti- nuirliche Reihe aufstellen von den grossen tief schwarzen polsterför- migen Belegzellen bis zu den kleinen hellen kegelförmigen oder cylindrischen Zellen, die man als adelomorphe, als Hauptzellen bezeichnet. Dass an mit der bisherigen Methode behandelten Schnitten die Uebergangsformen nur schwer zur Beobachtung kommen, liegt vielleicht daran, dass die Präparate bis zu 24 Stunden und länger in wässriger Farblösung verweilen müssen, wo dann alle mögli- chen Anschwellungsveränderungen auftreten können, wo nament- lich die protoplasmareichen Zellen aufquellend einen viel eelatanteren Unterschied von den kleinen dünnen Hauptzellen darbieten, als bei der Osmiummethode. Färbt man aber rasch mit Eosin, in dem die Schnitte oft nur eine Minute liegen bleiben, so kann man auch mit einer Farbme- thode zu anderen Resultaten kommen. Es lässt sich allerdings eine Conceentration der Farbe und eine Dauer des Verweilens in der Flüssigkeit für die Schnitte ausfindig machen, bei der sich, wie alle früheren Autoren fanden, nur die grossen protoplasma- reichen Zellen färben; aber lässt man dann die Präparate etwas länger darin, dann „misslingen“ sie, das heisst, man bekommt Bilder bei denen auch einige der anderen Zellen sich schwach, andere etwas stärker gefärbt haben; also Nüancen der Farbe von ganz blass bis zu den gesättigten Tönen der Belegzellen. Sind Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 207 solche Präparate misslungen?— Uebrigens haben schon Heiden- hain und Ebstein angegeben, dass die Hauptzellen sich während der Verdauung mit Farben leicht imprägniren. Solche Hauptzellen, wie sie von ihnen beschrieben werden, gleichen in Vielem meinen Uebergangsformen von Haupt- zu Be- legzellen. 3. Sehluss. Gibt es im Magen des Menschen zweierlei Zellen wie man bisher angenommen, oder liegen hier nur verschiedene physiolo- gische Zustände einer Zellart vor? Betrachten wir die Bilder, die uns Heidenhain, Lav- dowsky u. A. aus den Speicheldrüsen und dem Pancreas hungernder und verdauernder Thiere gegeben und vergleichen wir sie mit den Präparaten unserer Mägen, so kann die Möglichkeit, dass wir es nur mit einer Zellart, die an- und abschwillt zu thun haben, nicht von der Hand gewiesen werden. Im Hungerzustande heben sich beispielsweise die Zellen der Submaxillaris klar und hell von den trüben dunklen Zellen der „Halbmonde“ ab. Aber die Figuren 9 und 10 Tafel XXIV Band XIII dieses Archivs zeigen, dass wäh- rend der stärksten Thätigkeit der Drüse eine solche Trübung und Gestaltänderung in den hellen Zellen auftritt, dass sie sich kaum oder gar nicht von den Halbmonden mehr unterscheiden und sich auch zu Farbstoffen dann ebenso wie diese verhalten, das heisst sich leieht und intensiv färben. Ganz analog sind die Bilder, die Heidenhain vom ruhenden und secernirenden Pancreas giebt. Auch hier sind die gerade thätigen Zellen trüber und imbibitions- fähiger, als die ruhenden. Nun wissen wir aber durch Heidenhain’s und Ebstein’s Arbeiten, dass im secernirenden Zustande auch die Hauptzellen etwas schwellen, sich trüben und leicht färben, also denselben Process durchmachen. Ist es, nachdem ich alle Arten von Zwischen- stufen zwischen Haupt- und Belegzellen nachgewiesen, nicht wahr- scheinlich, dass die Belegzellen den stark absondernden Zustand derjenigen Magendrüsenzellen darstellen, die wir in ruhendem und minder stark gereiztem Zustande Hauptzellen nennen ? Es ist durch Heidenhain’s und seiner Schüler Versuche nachgewiesen, dass die Hauptzellen Pepsin absondern können; 208 Ludwig Edinger: und von vielen anderen eompetenten Beobachtern wird für die Belegzellen dieselbe Function in Anspruch genommen. Während gar niehts dafür spricht, dass sie die Säure absondern und sogar eine Beobachtung von Brücke existirt, wonach die Substanz der Magendrüse in der Tiefe nie sauer reagirt, gibt es eine Reihe von Thatsachen, die ihre pepsinogene Natur wahrscheinlich machen (s. oben das Referat über Nussbaum’s Arbeit). Dass Zellen von der Natur der Belegzellen bei Thieren Pepsin absondern, lehrt die vergleichende Anatomie und Physiologie. Es kommen bei Fischen Amphibien, Reptilien und Vögeln Zellen in dem Pepsin absondernden Magen vor, an denen wir mit unseren Hülfsmitteln keinen wesentlichen Unterschied von den Belegzellen erkennen können. Durch Homburger!), Luchau 2), besonders aber durch Krukenberg’s°) schöne Arbeiten wissen wir, dass solche Zellen bei den Fischen Pepsin absondern. Als ich den Hechtmagen neuerdings wieder untersuchte und die Osmiummethode anwandte, gelang es mir Bilder zu erhalten, die mit den beim Menschen gesehenen eine sehr grosse Aehnlichkeit haben. | Aus dem lebend frischen Hechtmagen wurden rasch 2—3 mm lange Schleimhautstückchen ausgeschnitten und sofort in 1°/, Osmiumsäurelösung gebracht, wo sie 1—2 Stunden verweilten. Zugleich wurden gleich grosse Stückchen auf 2—3 Tage einer Glycerinextraction unterworfen, um dann in ganz gleicher Weise mit Osmium behandelt zu werden. 1) Vier Mägen von hungernden Hechten enthielten wesentlich hell ge- bliebene oder schwach bräunliche Zellen, an der Drüsenperipherie einige we- nige tiefgeschwärzte. Mehrere der hellen Zellen zeigen nach der Peripherie zu in der Umgebung des Kernes eine stärkere Schwärzung. Dass es nur die secernirenden Zellen sind, welche sich schwärzen, zeigen auch hier wieder solche Querschnitte, auf denen man von einer einzigen schwarzen Zelle zu dem secretgefüllten tiefschwarzen Lumen einen dünnen Faden zwischen den hellen Zellen durchziehen sieht. Fig. 4 zeigt mehrere solcher Querschnitte zusammengestellt. Wesentlich anders verhielten sich die Mägen von verdauenden (mit kleinen Fischen gefütterten) Hechten. Fast. alle Zellen sind mehr weniger geschwärzt; doch finden sich in jeder Drüse einzelne ganz hell gebliebene 1) Med. Centralblatt 1877 Nr. 31. 2) Ibidem 1877 Nr. 28. 3) Untersuchungen aus dem physiologischen Institute d. Universität Heidelberg Bd. 1 und 2. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 209 noch vor. Die Cylinderepithelien der Magenwand leicht braungelb. Das Lumen der Drüsen mit tiefschwarzen Secretmassen erfüllt, die sich nicht immer scharf von den dunkeln umgebenden Zellen trennen lassen. Die Tunica propria der Drüsen ist an allen Präparaten vom hungernden und verdauenden Thiere geschwärzt. Sie sendet Fortsätze hie und da zwischen die Zellen. | Die Glycerinextracte verdauten mit Salzsäure Fibrin sehr kräftig, ent- hielten also Pepsin. Wurden die extrahirten Schleimhautstücke mit Osmium behandelt, so wurden sie nur leicht hellgelb, nirgendwo mehr waren dunkle Punkte oder Zellen zu finden. Es war also aus den Zellen, der sich tief schwärzende Körper geschwunden. f Die eine Zellart in der Magendrüse des Hechtes verhält sich also im Hungerzustande wie die Haupt- zellen, im verdauenden Zustande wie die Belegzellen des Säugethiermagens gegen Osmiumsäure. Ist das Entstehen der Belegzellen aus den Hauptzellen nach dem Verhalten gegen Osmiumsäure wahrscheinlich, so sprechen dafür noch einige weitere Erwägungen. Im nicht verdauenden Fundus könnten sich wohl immer noch einzelne Belegzellen fin- den, aber nach langem Hungern ist es wahrscheinlich, dass sie sanz schwinden, dass keine Magendrüsenzelle mehr mit Secret ge- laden ist. Die Untersuchung erkrankter Mägen hat mir ein hier- für sprechendes Resultat ergeben. Bei sechs Menschen, die an chronischen Magenerkrankungen gelitten hatten !), habe ich sofort nach der Autopsie die Mägen untersucht. Bei allen waren Speise- reste im Magen gefunden worden. Die Untersuchung liess Haupt- und reichliche Belegzellen finden. Ganz dieselben beiden Zell- arten fanden sich auch in vier Mägen von an dCareinom Verstorbenen, in deren Magensaft während des Lebens nie freie Salzsäure gefunden worden war. Im Mai dieses Jahres aber starb auf unserer Klinik ein Tu- berkulöser, der 10 Tage in nephritischem Koma gelegen hatte und ausser etwas Wasser oder Milch während dieser Zeit keine Nah- rung genommen hatte. Der Magen war zusammengezogen, absolut leer. In der Sehleimhaut fehlten die Belegzellen fast sanz oder waren doch nur in einigen zweifelhaften Ex- emplaren vertreten. Das war ein Befund, der ebenfalls dafür sprach, dass das 1) Zweimal Ulcus ventriculi, zweimal Gastrektasie, zweimal starker Etat mamillone, 210 Ludwig Edinger: Entstehen der Belegzellen mit der Verdauung respective Nahrungs- aufnahme in Connex steht. Es sprechen demnach viele Gründe dafür, dass aus den Hauptzellen durch Zunahme des Volumens und Fül- lung mit Ferment Belegzellen werden, dass also der Magen nur eine Zellart besitzt. Den Vorgang ganz sicher zu stellen, ist mir nicht gelungen, aber er wird doch äusserst wahrscheinlich durch: 1. Das Vorkommen von Uebergangsformen zwischen Haupt- und Belegzellen. 2. Durch die Analogie, die eine solche Veränderung mit den uns schon bekannten Vorgängen in anderen Drüsen während der Secretion bietet. Durch die Thatsache, dass viele Pepsin absondernde Thiere nur Belegzellen besitzen. 4. Durch den Befund am Magen von hungernden Individuen, bei denen sich nur Hauptzellen finden. 5. Durch die Thatsache, dass viele gewissenhafte Forscher mit gewichtigen Gründen für die 'Hauptzellen und viele andere für die Belegzellen als Pepsinbildner eingetreten sind. Ob die Salzsäureabsonderung überhaupt mit den Zellen etwas zu thun hat, bleibt dahingestellt. Die Hauptmasse der Verdauung findet doch wohl im Fundus statt und wenn wir an die bekannten reizenden Einwirkungen er- innern, die eingeführte Nahrung auf die Zellen hat, so wird es erklärlich, dass es im Pylorus nur so selten zur Bildung von Be- legzellen kommt. Vielleicht erklärt es sich so auch, dass im Oesophagus des Frosches nur „Hauptzellen‘“ vorkommen und in seinem Magen nur Belegzellen. Eine so wichtige morphologische Anordnung fehlt auffallender Weise bei allen bislang untersuchten Verwandten dieses Thieres (Partsch!!), bei dem Laubfrosch, den Kröten, dem Tri- ton. Den weiten Oesophagus passiren eben die Speisen nur, im Magen bleiben sie liegen und dort können eben aus den Hauptzellen Belegzellen werden, im Oesophagus nicht. Der ganze W) 1) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XIV. Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen. 211 Unterschied, den der Froschmagen dann von anderen Amphibien- mägen bietet, und auf den so grosses Gewicht gelegt wurde, re- dueirt sich dann darauf, dass Magendrüsen in zerstreuter Anord- nung noch ein Stück hinauf in die Speiseröhre reichen und dass deren Zellen, nie dauernd in Berührung mit der Nahrung, es nicht zu so hochgradiger Schwellung bringen, wie die Drüsenzellen im Fundus. Dass die Belegzellen im Fundus bei der Verdauung an Zahl zunehmen, ist nicht sicher nachgewiesen, aber jedenfalls schwinden sie allmählig im Hungerzustande; das heisst, während des Hun- gerns entleeren sich die alten und es entstehen keine neuen aus den Hauptzellen, weil der Reiz, den die Nahrung ausübt, fehlt. Die Magendrüsenzellen scheinen sich in den Zwischenräumen, welche die gewöhnliche Nahrungsaufnahme bietet, nie ganz, re- spective alle, ihres Seeretes zu entledigen, einige bleiben immer im Zustande der Schwellung. Dieser von dem aus anderen Drü- sen Bekannten so verschiedene Vorgang ist vielleicht Schuld daran, dass man bislang die beiden physiologischen Zustände der Zelle als zwei verschiedene Zellarten beschrieben hat. Sah man doch nie innerhalb oder nach der Verdauungszeit eine Art schwinden, fand man doch beide Arten in allen Verdauungsperioden neben einander. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI. Die Abbildungen sind ohne Schematisirung genau nach den Präparaten gefertigt. Die Nuancen der Schwärzung sind möglichst genau wiedergegeben. Fig. 1. Fundusdrüse vom Menschen: a) „Belegzellen“, b) Uebergangsformen, ec) „Hauptzellen“, \ Fig. 2. Querschnitte und Schrägschnitte menschlicher Fundusdrüsen. Zu- sammengestellt aus mehreren Präparaten: a) Bindesubstanz der Drüse. Fig. 3. Menschliche Magendrüsen in !/ı, %/ Osmiumsäure macerirt. Fig. 4. Drüsenquerschnitte aus dem hungernden Hechtmagen. 212 Ludwig Edinger; Notiz, betr. den Magen von Tropidonotus natrix. Notiz, betreffend den Magen von Tropidonotus natrix. Von Dr. Ludwig Edinger in Strassburg i. E. Im Pylorustheil von Coluber natrix vermisste Partsch (die- ses Archiv Bd. XIV. S. 201) die „Schleimdrüsen“. Es finden sich die- selben aber daselbst doch vor auf einer Strecke von etwa °/ı em Breite. Die glasigen Zellen, die zwischen Magenepithel und Drüsenschlauch im Fundustheil liegen, nehmen nach dem Pylorus hin an Menge zu, die Labzellentheile der Drüsen werden immer kürzer und in der Nähe des Pylorus sind oft nur noch zwei bis drei Labzellen dem rundlichen von glasig, bauchigen Zellen gebildeten Drüsen- schlauche angehängt, die dann ganz schwinden und so die ge- nannte schmale Zone von nur helle Zellen führenden Drüsen zurück- lassen. Bis auf die Pylorusklappe hinauf, wenigstens auf ihre vordere dem Magen zugewandte Fläche, erstrecken sich solche Drü- sen; über die Klappe hinaus zieht bis zum Anfang der Darmfalten Magenepithel. Die Zellen erscheinen frisch und nach Alkoholbehandlung rund wie Becherzellen, hell und klar mit kleinem sich gut tingirendem Kerne am Boden, von dem oft ein kleines Fädchen ausgeht. Eine Oefinung nach dem Lumen zu habe ich nicht gesehen. In Osmium trüben sie sich etwas durch wenige kleine sich schwärzende Körnchen in ihrem Innern. Der Magenextract der Ringelnatter verdaut gut mit Salzsäure, ist sauer, gibt aber nicht, wenigstens an den mir vorliegenden Exemplaren, die Tropäolinreaction, enthält also keine freie Mine- ralsäure. Th. Eimer: Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 213 Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. Angestellt zum Zweck der Controle seiner morphologischen Befunde über das Nervensystem dieses Thieres von Th. Eimer in Tübingen In meiner Arbeit über Bero& ovatus!) habe ich das Nerven- system dieser Rippenqualle in einer von den bisherigen Schilde- rungen durchaus abweichenden Weise beschrieben. Nach meinen Untersuchungen wird das Gehirn derselben durch den von Anderen als solches aufgefassten, am Afterpole gelegenen Körper, von welchem acht Nervenstränge abgehen sollen, nicht dargestellt. Ein körperlich umschriebenes und streng lokalisirtes Centralnervensystem ist bei den Rippenquallen überhaupt noch gar nicht vorhanden, vielmehr wird das Centralnervensystem repräsentirt durch zahlreiche Nervenzellen, welche über die ganze Aussenfläche des Körpers in der Gallerte verbreitet sind, jedoch so, dass ihre Anzahl gegen den Afterpol hin bedeutend zunimmt: diese Ansammlung von Nervenzellen am Afterpole deutet den Beginn einer engeren Lokalisirung und "Con- centration des Centralnervensystems an. Durch die Zusammen- setzung aber aus Nervenzellen, d. i. Ektodermabkömmlingen, welche zeitlebens die ganze Aussenfläche des Körpers einnehmen, schliesst sich dasselbe, entsprechend der niederen Stellung der Rippenquallen, in seiner Ausbildung unmittelbar an jene embryonalen Zustände an, welche bei sämmtlichen Metazoön so lange bestehen, als ein umschriebenes centrales Nervensystem sich aus dem äusseren Keim- 1) Zoologische Studien auf Capri. I. Ueber Bero& ovatus, ein Beitrag zur Anatomie der Rippenquallen, Leipzig, Engelmann 1873. 214 Th. Eimer: blatte noch nicht abgeschnürt hat, so lange nämlich als das letztere selbst dieses Organsystem vertritt. Dabei ist also als selbstverständ- lich vorausgesetzt, dass die in der Gallerte von Boro& gelegenen Nervenzellen in diese eingewanderte Ektodermzellen seien !). Eine Verbindung zwischen ihnen und dem Epithel habe ich an den höheren Sinnesorganen, wo sie als unzweifelhaft bestehend von vornherein angenommen werden darf, nicht festgestellt. Die Zugehörigkeit des unter den letzteren am aboralen Körperpole selegenen, früher als Gehirn bezeichneten Knotens zum Nerven- system schloss ich nicht aus, belegte ihn daher einstweilen mit dem Namen „Sinneskörper“, durfte sie aber auf Grund meiner histo- logischen Untersuchung nicht positiv behaupten. Nach meinen inzwischen an Medusen erlangten Ergebnissen glaube ich jenes Gebilde als ein Sinnesganglion auffassen zu dürfen, welches zwischen die höheren Sinnesorgane und die grösste Anhäufung der Gehirnzellen eingeschaltet sein würde?).- Eine Verbindung 1) Vergl. Kowalewsky, Entwicklungsgeschichte der Rippenquallen Mem. de l’Acad. de St. Petersbourg, 7. Ser. X. Bd. 1866. 5. 7 u. a. 2) Am Schlusse der Beschreibung der den Sinneskörper zusammen- setzenden Elemente bemerkte ich in der Abhandlung über Bero& bezüglich des- selben: „‚So sehr nahe es liegt, diesen Körper, wenn auch nicht als Gehirn, so doch wenigstens als specifisches Sinnesganglion aufzufassen — ich dürfte ihm auf Grund meines anatomischen Befundes nicht einmal diese Bedeutung zuge- “ stehen“ — weder konnte ich am Protoplasma seiner Zellen Ausläufer, noch an den Kernen Eigenschaften von Nervenkernen erkennen. In Beziehung auf diese Aeusserung habe ich mich in meinem Buche über das Nervensystem der Medusen („Die Medusen, physiologisch und anatomisch auf ihr Nervensystem untersucht“, Tübingen. H. Laupp 1878) in folgender Weise ausgesprochen (S. 4): „Durch diese bedingte Ausdrucksweise wollte ich meinem Urtheil in Betreff der endgültigen Entscheidung eine gewisse Reserve auferlegt wissen. Das Lagerungsverhältniss des Körpers zu den Sinnesorganen und die Un- möglichkeit, ihm irgend andere Bedeutung, wenn nicht die eines Sinnesganglion zuzuschreiben — wesshalb ich ihn auch als ‚Sinneskörper“ bezeichnete — veranlassten zu solcher Reserve. In einem oder dem anderen Referate meiner Angaben ist kurzweg gesagt, dass ich „das Ganglion nicht anerkenne‘ oder selbst, dass ich dasselbe leugne. Daraus möchten Dritte schliessen, ich leugne die Existenz des Sinneskörpers selbst, während ich in Wirklichkeit nur nicht im Stande war, seine Zellen als Nervenzellen zu erkennen. Jetzt, seitdem ich die bezüglichen Verhältnisse bei den Medusen untersucht habe, möchte ich vermuthen, dass in dem Sinneskörper doch Nervenzellen gesucht werden müssen, welche morphologisch kaum als solche gekennzeichnet zu sein brauchten, Versuche üher künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 315 zwischen Epithel- und Nervenzellen, auf die genetische Verwand- schaft beider hinweisend, ist übrigens auf der ganzen Aussenfläche des Körpers zu erkennen, indem die letzeren feine Nervenfädchen zum Epithel senden, während sie andererseits, Neuromuskelfasern bildend, wieder mit den Muskelfasern in Continuität stehen. Abge- sehen davon, dass zahlreiche, mit Muskeln und mit Nervenzellen zu- sammenhängende Nervenfasern die Gallerte durchziehen, verlaufen unter den acht Schwingplättehen ebenso viele Züge von Nervenfäden, nicht aber acht Nervenstränge im Sinne jener der höheren Thiere, wie sie früher angenommen worden waren. Solche Nervenstränge kommen überhaupt bei Bero& nicht vor. Diese und andere Befunde über das Nervensystem von Bero& veranlassten mich, auch die Medusen in den Bereich meiner Unter- suchung zu ziehen. Während mehrerer Jahre fortgesetzte Studien ergaben mir hier die Feststellung von Verhältnissen, welche im Wesentlichen den dort erkannten durchaus entsprechen !): überall fand ich ein blattartig über den Körper verbreitetes Centralnervensys- tem, welches bei der einen Gruppe der Medusen, bei den Craspedoten, die ich deshalb als Cyeloneure bezeichnete, am Schirmrande, bei der anderen, den Acraspedoten, die ich desshalb Toponeure nannte, in der Nähe der Randkörper seine grösste Ausbildung be- sitzt, ebenso wie diese bei Bero& in der Nähe des Afterpols erfolgt ist. Die Nervenelemente stehen vielfach ausgezeichnet deutlich mit dem Epithel in einer Verbindung, welche genetische Beziehungen un- mittelbar erkennen lässt. Zur Vergleichung mit den Rippenquallen sind besonders deren Ausläufer sehr schwer nachzuweisen sein könnten, denn ähnliche Nervenzellen finden sich in den die Sinnesorgane tragenden Anschwellungen des Nervenringes von Craspedoten und sehr niedrig gebildete reichlich auch auf den Randkörpern der Acraspedoten. Es würde dann der Sinneskörper ein Sinnesganglion bilden“. 1) Vergl. Th. Eimer: „Die Medusen“ ete. ferner: Ueber künstliche Theilbarkeit von Aurelia aurita und Cyanea capillata in physiologische Individuen, Verh. d. physikal. med. Gesellsch. zu Würzburg, N. F. VI. Bd. und ‚„Zoologische Untersuchungen“, I. Heft, Würzburg. Stahel, 1874. Ueber künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen, Vortrag, gehalten am 21. Sept. 1877 in der zoolog. Section der 50. Vers. deutscher Naturforscher und Aerzte zu München. Tageblatt dieser Versamm- lung und Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. XIV. 216 | Th. Eimer: die Toponeuren lehrreich, weil bei beiden die Nervenzellen in der Gallerte gelegen sind und mit der Entfernung von den Sinnes- organen allmälig an Anzahl abnehmen: der Unterschied ist nur der, dass die Anhäufung von Nervenzellen bei Bero& nur eine einzige ist und am Afterpole liegt, während bei den Toponeuren, entsprechend der Achtzahl der am Schirmrande gelegenen Sinnes- organe, deren acht inder Nähe jener Körpergegend gefunden werden. In beiden Fällen sind die Nervenzellen morphologisch schwer als solche zu erkennen: bei den toponeuren Medusen haben dieselben sogar, soweit sie in der Gallerte in der Umge- bung der Sinnesorgane angehäuft sind, so grosse Aehnlichkeit mit den gewöhnlichen amöboiden Zellen des Gallertgewebes, dass sie vorzüglich — abgesehen von zuweilen an ihnen auftretenden varikösen Ausläufern — nur durch die Eigenschaft morphologisch von denselben zu trennen sind, dass sie sich auf Zusatz von Reagentien nicht wie jene kugelig zusammenziehen, vielmehr ihre verästelte Gestalt, die Fortsätze weithin ausstreekend, beibehalten !). Es stimmt nun zwar solcher Befund mit gebotenen V-oraussetzungen durchaus überein, denn so wenig als irgendwelche Funktion in der Thier- reihe plötzlich in vollendeter Ausbildung auftritt, so wenig können Gewebe, die Vermittler der Funktion, überall in der charakteristischen, vollkommenen Entwicklung sich finden, wie wir sie bei den höheren Thieren kennen. Da die Funktion die Ausbildung der Gewebe bedingt, so muss vielmehr erwartet werden, dass da, wo jene nur eine wenig bedeutende ist, auch die Ausbildung der Gewebe eine sehr wenig charakteristische sei und so müssen wir nothwendig bei tiefstehenden Thieren eine äusserst geringe Differenzirung der Gewebe finden, in der Art, dass die aus gemeinsamer Anlage hervorgegangenen, funktionell ver- schieden thätigen Gewebe morphologisch wenig unterschieden sind. Dadurch muss die Histologie der niedersten Thiere ein sehr schwie- riges Studium werden, welches nur auf Grund mühevoller, vor- siehtiger Untersuchung zu richtigen positiven Schlüssen führen kann. Bei der geringen Entwicklung des Nervenlebens, welche die Quallen zeigen, war speeiell eine geringe Differenzirung der Gewebselemente des Nervensystems gerade bei diesen Thieren zu erwarten und ist es denn die interessante Frage nach den An- fängen der Ausbildung eines Nervensystems im Thierreiche über- 1) Vergl. „Die Medusen“ ete. Taf. IV, V und VI. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 217 haupt gewesen, welche mich zu den bezüglichen Untersuchungen eben an diesen Formen geführt hat. Stand nun auch der von mir erzielte Befund durchaus in Uebereinstimmung mit den genannten Voraussetzungen, so musste doch das physiologische Experiment eine willkommene, selbst eine nothwendige Probe für denselben abgeben. Bei den toponeuren Medusen, wo die Nervenzellen gegenüber den sogenannten Binde- gewebszellen der Gallerte kaum eine positive morphologische Eigen- schaft zur Unterscheidung darbieten, wo ich also durch die mor- phologische Untersuchung zu entscheidenden Resultaten gar nicht kommen konnte, verband ich das Experiment von vornherein schon mit derselben und liess mir durch seine Antworten die Punkte be- zeichnen, an welchen centrale Thätigkeit vorzüglich ihren Sitz haben muss. Fand ich bei den toponeuren Medusen noch Eigen- schaften der Nervenzellen, welche diese von anderen Zellen des Gallertgewebes unterscheiden lassen, so hat es mir der Erfolg der Experimente doch als sicher dargestellt, dass auch Zellen des Körpers, welche morphologisch in keiner Weise sich mehr als Nervenzellen ausweisen, mit als Nervenzellen funktioniren müssen. Ist es natürlich und selbstverständlich, dasssich in denjenigen Theilen des Körpers niederer Thiere, welche die Funktionen des Nervensystems vorzüglich üben, auch die mit dieser Funktion betrauten Zellen all- mälig derart specifisch gestalten, dass sie sich morphologisch als Nervenelemente zu kennzeichnen beginnen, so dürfen wir erwar- ten, dass es Thiere gibt, bei welchen selbst dieser Beginn mor- phologischer Differenzirung noch nicht eingetreten ist, bei welchen also Zellen, die äusserlich absolut Bindegewebszellen gleichen oder dass einfach Epithelzellen die Nervenzellen darstellen. Vielleicht dürfte es so bei Hydra sein, wo kein ektodermaler Theil des Körpers nach Zerschneiden desselben in Stücke anderen gegen- über eine qualitative Präponderanz in Beziehung auf die Funk- tionen des Nervensystems zu zeigen scheint und wo morpho- lopisch als solche erkennbare Nervenzellen bis jetzt wenigstens nicht nachgewiesen worden sind. Und ebenso nimmt der Orga- nismus der Spongien wohl eine entsprechende physiologische Stellung ein. Ist bei niedersten Metazoen jedenfalls eine morphologische, da und dort vielleicht selbst eine physiologische Gleichwerthigkeit der ektodermalen Theile des Körpers in Rücksicht auf das Nerven- 218 Th. Eimer: system zu erwarten, so ist dieselbe bei den Medusen, wie die von mir angestellten Zerschneidungsversuche beweisen, nicht mehr vor- handen. Es haben diese Versuche eine vollständige Bestätigung meiner morphologischen Befunde ergeben und ist die Berechtigung der Schlüsse, welche ich auf diese Befunde gegründet habe, durch das Experiment unzweifelhaft festgestellt. In Beziehung auf die einzelnen Ergebnisse muss ich auf den Inhalt meines jüngst er- schienenen Buches verweisen. Für Bero& fehlte bisher noch eingehende Prüfung des ana- tomischen Befundes durch das Experiment. Die wenigen Versuche, welche ich an diesem Thiere gelegentlich gemacht hatte, sprechen allerdings für die Richtigkeit meiner Auffassung der anatomischen Verhältnisse. Auf Grund derselben habe ich mich schon früher folgendermassen äussern können). „Einige wenige Experimente, die ich gelegentlich an Bero@ gemacht habe, ergaben Resultate, welche ebenso sehr für die Berechtigung des zwischen dem Nerven- system beider Gruppen von Quallen (Medusen und Rippenquallen) gezogenen Vergleichs sprechen, als sie speciell die Berechtigung meiner Auflassung vom Nervensystem der Ctenophoren stützen. Seitdem ich die Randkörper der Toponeuren in ihrem feineren Baue kennen gelernt hatte, wurde mir, wie früher bemerkt, mehr und mehr wahrscheinlich, dass der von mir sogenannte „Sinnes- körper“, das von Anderen sogenannte Gehirn der Rippenquallen, ein Sinnesganglion sei, trotzdem ich früher nicht im Stande ge- wesen war, seine Zellen als Nervenzellen zu erkennen. Wenn ich auch seitdem zu einer Untersuchung des Körpers nicht wieder gekommen bin, so wurde ich doch in meiner Auffassung dadurch bestärkt, dass ich bei meiner letzten Anwesenheit in Neapel (Herbst 1877) an jungen Bero&@’s, die ich als Ganzes unter das Mikroskop legen konnte, Züge von Nervenfäden beobachtete, welche sich in die acht schon früher von mir beschriebenen, unter den Schwing- plättehen verlaufenden Nervenfäden?) fortsetzten. Ob und in welcher Weise diese Nervenfäden mit derselben von Anderen beschriebenen Einrichtung zusammenzustellen seien und in welcher Beziehung sie zu den Nervenzellen des Gallertgewebes insbesondere am Afterpole stehen, werde ich bei nächster Gelegenheit zu prüfen 1) „Die Medusen“ ete. S. 276 und 277. 2) Soll statt Nervenfäden heissen: Züge solcher Fäden. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 219 haben. Dass aber die Bewegungen der Sehwingplättehen von dem Sinnesganglion nicht abhängig sind, sondern von den Nervenzellen des Gallertgewebes, haben mir einige gelegentliche Experimente auf das Deutlichste gezeigt: schnitt ich eine Beroö in ihrer halben Höhe quer durch, so hörten die Bewegungen der Schwingplättehen beider Hälften eine Zeit lang auf. Bald aber begannen sie wieder, zuerst und weit lebhafter und von vornherein regelmässiger an der oberen, dann aber auch an der unteren: hier anfangs unregel- mässig, wenig coordinirt, aber bald regelmässig und rasch wie dort. Durchschnitt ich die obere Hälfte abermals quer durch, so ergaben sich dieselben Erscheinungen, wieder mit demselben be- züglichen Unterschied in den beiden Theilstücken: das untere er- holte sich später als das obere. Ein Schüler von mir, Herr Retzer, hat kürzlich diese Experimente mit demselben Erfolge gemacht. Ich selbst hoffe bald in der Lage zu sein, ausgedehntere Versuche an Rippenquallen anstellen zu können, füge indessen hier noch an, dass auch die Art des Absterbens von Bero& vollkommen mit dem für Aurelia aurita beschriebenen Vorgange übereinstimmt, indem dasselbe am oralen Körper beginnt und gegen das Centralnerven- system hin fortschreitet‘. Inzwischen ist mir Gelegenheit geworden, einige weitere Ex- perimente anzustellen, welche die Frage endgültig zu lösen geeignet sind und welche zugleich die Berechtigung meiner Auffassung der morphologischen Verhältnisse weiter befestigen und endgültig sicher stellen dürften. Die Versuche sind im April dieses Jahres in der zoologischen Station zu Neapel ausgeführt, in welcher ich mich in jenem Monate auf der Durchreise während einiger Tage aufge- halten habe. Bevor ich zur Schilderung derselben übergehe, sei mir gestattet, Einiges über die Mittel zu sagen, durch welche die Rippenquallen ihre Ortsveränderung bewirken. Ortsveränderungen von Bero&. Bekanntlich sind über diese Frage sehr verschiedene An- sichten laut geworden. Die Einen betrachteten die Bewegung der Schwingplättehen als die auschliessliche Ursache der Ortsveränderung (Eschsecholz), Andere wollten ihnen gar keine oder nur eine be- 220 Th. Eimer: schränkte Theilnahme an derselben zuschreiben (Lamarck, Les- son, Quoy & Gaimard, Mertens, Will, L. Agassiz, Fol) und lassen sie wesentlich durch die Contraetionen der Muskulatur besorgt werden. Will kam zu solcher Auffassung nicht allein durch die einfache Beobachtung, sondern auch auf experimentellem Wege. Er behauptet, dass sich nur junge Thiere mit Hülfe der Schwingplättehen, die erwachsenen dagegen vermittelst der Mus- kulatur bewegen — vielleicht durch äusserst kurze und kaum sichtbare Contraetionen derselben, nach der Art, wie z. B. Wasser- schnecken an der Oberfläche des Wassers hinzukriechen vermögen. Beim erwachsenen Thiere haben die Schwingplättehen keinen Ein- fluss auf die Ortsbewegung, denn sie schlagen immer nach dersel- ben Richtung, nach der Aftergegend, mögen die Thiere mit dem Munde oder mit dem After vorausschwimmen. Oft sieht man, dass sie sich nicht von der Stelle bewegen, während doch die Schwingplätt- chen unaufhaltsam schwingen. Die zwei Hälften einer durchschnit- tenen Bero@ endlich bewegten sich auch dann noch, wenn die Ruderchen über das Wasser hervorragten und selbst dann noch, nachdem dieselben abgeschnitten waren. Gegen die Annahme, dass die Schwingplättchen die Ortsveränderung vermitteln, spreche end- lick die Thatsache, dass bei manchen Gattungen nur die um den Mund stehenden Tentakeln (Calymna), bei anderen nur die Seiten- lappen (Axiotima) mit Schwingplättechen versehen seien. Auch Fol bemerkt, dass er nie durch die Ruder allein eine Ortsverän- derung habe erfolgen sehen. Gegen eine ortsverändernde Wir- kung der Bewegung der Schwingplättchen spreche die Thatsache, dass das Ruder nach jedem Schlage in seine ursprüngliche Lage zurückkehren müsse, ehe es einen zweiten Schlag ausführe. Da es aber starr und nach der einen Richtung nicht biegsamer ist als nach der anderen, so müsse die Wirkung des Schlages jedesmal fast vollkommen wieder vernichtet werden. Dazu komme noch, dass die halbkreisförmige Schwingung, welche jedes einzelne Schwingplättehen macht, für die Vorwärtsbewegung des Thieres auch desshalb nur theilweise in Betracht kommen könne, weil ein srosser Theil ihrer Wirkung senkrecht ‘zur Körperoberfläche ge- richtet ist. Auch L. Agassiz schrieb den Schwingplättchen we- sentlich nur die Bedeutung für die Ortsveränderung zu, dass ihre Bewegung den Ctenophorenkörper um die Queraxe zu drehen vermöge und ebenso meint Bronn, dass dieselben besser zur Drehung Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 221 des Körpers um irgend eine ideelle Axe, als zur Propulsion ange- ordnet seien. Das übereinstimmende, meist auf Grund direkter Beobach- tung abgegebene Urtheil so hervorragender Forscher und das Ein- leuchtende der Mehrzahl der theoretischen Beweisgründe veran- lasste mich, ohne dass ich selbst die Frage am lebenden Thiere geprüft hätte, gleichfalls der Ansicht zu huldigen, dass die Schwing- plättehen eine bedeutende Rolle bei der Ortsbewegung der erwach- senen Rippenquallen nicht spielen, sondern, dass ihnen hauptsäch- lich nur die Aufgabe zufalle: 1) den Quallenkörper schwebend im Wasser erhalten zu helfen; 2) denselben um seine Queraxe zu drehen!). Ich war um so mehr zu solcher Ansicht geneigt, als es mir gelungen war, ein ausserordentlich reich gegliedertes Muskel- system bei unsern Thieren aufzufinden, welchem billig a priori eine Theilnahme an der Lokomotion zugeschrieben werden mochte. Ich war daher, als ich zuerst im Herbst 1877 Gelegenheit fand, die Erscheinungen der Ortsveränderung an lebenden Bero@s genau zu verfolgen, nicht wenig erstaunt zu sehen, dass es bei einigermaassen aufmerksamer Beobachtung ein Leichtes ist, zu er- kennen, wie dieselbe, im Gegensatz zu jenen Angaben, un- zweifelhaft durch das Schlagen der Schwingplättchen bewirkt wird. Die theoretische Erwägung von Fol, welche mir an sich sehr einleuchtend zu sein schien, nämlich dass die ortsverändernde Wir- kung der Ruderplättchen durch die Rückkehr derselben in die Ruhelage aufgehoben werden müsse, ist nicht stichhaltig, indem die active, eben die Ortsveränderung vermittelnde Bewegung der- selben rascher und kräftiger geschieht als die Rückkehr in die Ruhe, übereinstimmend mit der Darstellung, welche kürzlich von anderer Seite von dem Vorgange gegehen worden ist?). Bero& schwimmt gewöhnlich so, dass die Mundöffnung vorangeht. Die Schwimmplättehen, wie wir sie mit Recht nennen können, schlagen rasch und kräftig in der Richtung nach dem Afterpole hin und kehren langsamer in die Lage zurück, welche sie vor dem Be- sinne des Ruderschlages inne hatten. Stets wird eine Anzahl von Schwimmplättehen einer Reihe ungefähr gleichzeitig von dem Im- 1) Bero& S. 45 ft. 2) Dr. Carl Chun, das Nervensystem und die Muskulatur der Rippen- quallen. Abhandlungen der Senckenbergischen Gesellschaft XI. Bd. 1878. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 15 222 Th. Eimer: puls der Action ergriffen, zuerst gewöhnlich die dem Afterpole zunächst liegenden; während ihre mehr mundwärts gelegenen Nachbarn sie ablösen, hört ihre Thätigkeit auf und so pflanzt sich die Erregung wellenartig gegen den Mund hin fort. Noch ehe die dem Mundrande zunächst stehenden Plättehen ergriffen sind, hat sich eine zweite, eine dritte Welle vom Afterpole an oralwärts bewegt, eine der anderen folgend, ähnlich dem Fluss des Wassers eines schnell über Steine dahinfliessenden Baches. Gewöhnlich geschieht die Bewegung in allen Reihen von Ruderplättchen syn- chronisch, allein es ist das Thier im Stande, sie auf eine belie- bige Anzahl derselben zu beschränken und überhaupt sie zu väriiren. Durch solche Variation in Ausdehnung, Richtung und Stärke der Bewegung der Schwimmplättechen der einzelnen Reihen oder von Theilen derselben wird allerdings eine Drehung des Körpers nach verschiedenen Richtungen hin möglich sein. Auffallend ist ferner, dass in der That die Bewegung häufig sehr lebhaft im Gange ist, ohne dass das Thier sich von der Stelle bewegt, — was deutlich dafür spricht, dass dem Flimmern ausser der Aufgabe der Ortveränderung auch jene der Vermittelung der Ath- mung in hervorragendem Maasse zukommt — und jetzt wird aller- dings wohl die Rückbewegung der Plättehen so stark sein müssen wie die Hinbewegung, so dass beide einander in der Wirkung aufheben. In der Einleitung zu meiner Schrift über Bero& habe ich be- dauert, dass ich nicht nur versäumte, eigene Beobachtungen zu machen über die Art der Bewegung des Thieres in Beziehung auf das von mir beschriebene complieirte Muskelsystem, gegenüber der Annahme, welche die Schwingplättchen als Bewegungsorgan be- trachtet, sondern auch in gleichem Sinne in Rücksicht auf das Vermögen desselben, sich willkürlich sinken zu lassen. In diesem Frühjahre am lebenden Thiere gemachte Wahr- nehmungen haben mir nun gezeigt, dass jenes Sinken stattfinden kann, ohne dass die Bewegung der Schwimmplättehen aufhört oder eine deutlich wahrnehmbare Aenderung erleidet. Andererseits ergab sich, dass die Thiere ebensowohl unmittelbar unter der Oberfläche des Wassers ruhend sich erhalten können, während ihre Schwimm- plättehen absolut stille stehen, wie sie in irgendwelcher Höhe des Wassers oder auf dem Boden des Gefässes zu schweben vermögen, ohne sich von der Stelle zu bewegen, während die Thätigkeit der Schwimmplättchen die lebhafteste ist. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 223 Es beweisen diese Thatsachen auf das Bestimmteste die Berechtigung meiner Ansicht, dass die Rippenquallen im Stande sind, sich im Wasser sinken zu lassen oder darin emporzusteigen — allein durch willkürliche Aenderung ihres speeifischen Gewichts !) und ohne Zuhülfenahme irgendwelcher Bewegungsorgane. Auch für die Medusen habe ich auf dasselbe Vermögen, unter Zugrundelegung derselben Erklärung aufmerksam gemacht?). Fort- gesetzte bezügliche Beobachtungen, welche ich bei diesen Thieren anstellen konnte, in Verbindung mit Bestimmungen des speeifischen Gewichts, erweisen auch für sie jene Erklärung als begründet nach — die Ergebnisse werde ich im Einzelnen in einer folgenden Abhandlung mittheilen. Hier sei nur auf die interessante, von mir schon früher bekannt gegebene Thatsache besonders hingewiesen, dass das Vermögen, sich willkürlich steigen oder sinken zu lassen, nicht nur ganzen Thieren, sondern auch Theilstücken derselben, und zwar gleichviel welchen Körpertheil diese darstellen, — wenn auch nur bis zu gewisser Grösse — zukommt und dies gilt sowohl für die Medusen wie für Bero&. So sah ich u. A. wie ein Theilstück einer Bero&, welches etwa den dritten Theil des Ganzen darstellte und zwar den abo- ralen Abschnitt, sich einige Zeit, nachdem es vom Ganzen losge- trennt war, mit nach abwärts gerichtetem Afterpole sinken liess, während die Bewegung der Ruderplättchen sehr lebhaft fortdauerte. Darauf hob es sich wieder in derselben Stellyng verharrend, ohne dass ich gegen vorher einen Unterschied in der Art jener Bewe- sung zu bemerken im Stande gewesen wäre?). Will das Verhalten der Bewegung der Ruderplättehen nach experimentellen Eingriffen in den Organismus mit als Zeugniss für den Sitz des Centralnervensystems benutzt werden, wie dies im Folgenden geschehen soll, so muss vorher die Frage entschieden sein, ob diese Bewegung nicht etwa ausschliesslich eine unwill- kürliche, von der Anregung eines Centralapparates unabhängige sei. Für die Medusen habe ich hervorgehoben, dass ihre Schirm- eontraetionen gewöhnlich unwillkürlich, und zwar zum Zweck der 1) Bero&, 8. 48 ff. 2) Zoologische Untersuchungen S. 53 und 54, bezw. Verh. d. Würzb. physikal. med. Gesellschaft a. a. O. und „Die Medusen‘“ S. 25 und 26. 3) Man vergleiche hiezu auch im Folgenden S. 233. 224 Th. Eimer: Athmung und der Nahrungsaufnahme geschehen, dass sie aber nach Bedürfniss vom Willen in die Hand genommen und zur Ortsver- änderung benutzt werden können. Ganz dasselbe gilt offenbar für die Bewegung der Sehwimmplättehen der Rippenquallen : die- selbe kann unwillkürlich stattfinden zum Zweck vielleicht auch der Nahrungsaufnahme, jedenfalls aber der Athmung und willkürlich zum Zweck der Lokomotion. In meiner Abhandlung über Bero& bemerkte ich in dieser Beziehung!): „Die gewöhnlichen, regelmässigen der Be- wegungen sind offenbar unwillkürliche. Sie dauern an abgerissenen Stückehen der Körpersubstanz noch lange Zeit ganz in derselben Weise wie am lebenden Thiere fort. Sie können aber willkürlich von dem Thiere modifieirt, nach Bedürfniss „verlangsamt oder be- schleunigt oder völlig unterbrochen, auf die Plättchen aller Rippen ausgedehnt oder auf die einer einzigen beschränkt werden“, wie sich Will ausdrückt. Diesen entsprechende Angaben finden sich schon bei Esch seholz und sind dieselben leicht an lebenden Thieren zu constatiren.“ Nachdem der Bewegung der Schwimmplättchen unzweifelhaft die Aufgabe zugeschrieben werden muss, die Orts- veränderung zu vermitteln, ist diese Darstellung in der Weise zu modifieiren, dass gesagt wird: „Die regelmässigen Bewegungen, welche ausgeführt werden, während der Körper sich nicht von der Stelle entfernt, sind unwillkürliche‘. Dass das Thier thatsächlich im Stande ist, die Bewegung der Schwimmplättchen in der manch- faltigsten Weise zu modifieiren, wurde schon oben bemerkt und dies will ja nichts Anderes heissen, als dass dieselben dem Willen, d. i. dem Centralnervensystem unterworfen werden können. Spe- cielle Beweise hiefür werden noch aus den Ergebnissen meiner Experimente hervorgehen. Somit werden wir unzweifelhaft die Folgen der Eingriffe in dem Organismus, welche sich auf einen Theil der Bewegungen der Schwimmplättchen, auf die willkürlichen beziehen, als Beweise für die Wirksamkeit des ÜCentralnerven- systems verzeichnen dürfen. Da die Bewegung nun aber thatsäch- lich dem Einfluss des Nervensystems unterworfen ist, so wird man sie, sofern sie unwillkürlich ausgeübt wird, mehr als eine automa- tische, denn als eine Bewegung nach Art der gewöhnlichen Flim- merbewegung auffassen müssen. Somit werden wir auch die Wir- 1) S. 45. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 225 kungen, welche experimentelle Eingriffe in den Organismus auf die unwillkürliche Bewegung ausüben, für die Beurtheilung des Centralnervensystems verwerthen dürfen. Obschon ich die von Fol gegen die lage der Bewe- gung als Schwimmbewegung vorgebrachten Gründe nicht als stich- haltig anerkennen konnte, habe ich mich doch schon in meiner Abhandlung über Bero& in obigem Sinne ausgesprochen: die vor- zuführenden Experimente werden weitere Anhaltspunkte in dem- selben geben. Experimente. Die von mir an Bero& angestellten Zerschneidungsversuche gebe ich in Folgendem in der Weise wieder, dass ich dieselben so wie ich sie successive an einem und demselben Thiere ausge- führt habe, unter Schilderung der auf sie folgenden Erscheinungen mittheile. Vorausgeschickt muss dabei werden, dass die operirten Thiere nicht in den Aquarien der zoologischen Station, sondern in Gläsern gehalten wurden, deren Wasser Morgens und Abends er- neuert worden ist. Ich hebe dies hervor, weil die Lebenserschei- nungen der Theilstücke, deren Energie schon unter den gegebenen Verhältnissen eine sehr bedeutende war, unter günstigeren Be- dingungen noch lebhafter in dem Sinne sprechen dürften, in wel- chem ich sie verwerthen will, obgleich sie auch so schon an Be- weiskraft kaum zu wünschen übrig lassen werden. Versuch A. Erster Tag. Morgens 10 Uhr schnitt ich 5 Bero@’s in der Weise zweimal quer durch, dass drei gleich hohe Stücke aus jeder derselben gebildet wurden, deren eines (a) den Afterpol, deren anderes (c) den Mundpol enthielt, während das dritte (b) den mittleren Abschnitt des Körpers repräsentirte (vgl. Fig. 1). Dabei ist a selbstverständlich weit unterhalb der Flim- merrinnen abgetrennt, so dass selbst diese, vom Sinneskörper und dessen Nachbarschaft ganz abgesehen, durchaus in seinen Bereich fallen. Dasselbe gilt für Versuch B. 2236 Th. Eimer: Mit der Durchschneidung hörte it in allen Theilen aller fünf Thiere m „ die Bewegung der Ruderplätt- A: chen durchaus auf, nach kurzer x” Zeit aber begann dieselbe wieder lebhaft und zwar überall nur in Stücken, welche den Afterpol führten, also in Stücken, welche a Fig. 1 entsprechen. Bald dar- auf trat sie auch ein in ‘Stücken, ce welche b und c entsprechen, a hörte aber hier nach einiger Zeit wieder auf, während sie in a fortdauerte. Als ich nach 4 Stunden von Neuem nachsah, fand ich fast alle Theile wieder in lebhafter Bewegung: a bewegte die Ruderchen allerdings am lebhaftesten und einige b und e entsprechende Stücke zeigten keine Bewegung. Wa gast // WEN WO, b / M VD 7 ll ll) NV), )) So Dt | )) N) VD} __ __ NS = S N = N N —- = N = ISIN __ N == = ZäNT — et N = = N DL N 9" 1ırkaumE uunegsnnwuu® /) WIN Jh ) / / Fig 1. Darauf schnitt ich von den verschiedenen Theilen kleine Stückchen ab. Die Schwimmplättchen dieser Stückchen waren un- mittelbar nach der Operation durchaus bewegungslos, nach zwei Stunden aber fand ich auch an ihnen wieder lebhafte Bewegung. Zweiter Tag: Früh Morgens waren die Ruderchen fast überall, besonders auch an den kleinen Stückchen, wieder in Be- wegung — nur an einigen der letzteren fehlte dieselbe. Dritter Tag, Morgens 10 Uhr: An allen Theilen und Stückehen zeigen die Schwimmplättchen, selbst bevor das Wasser, in welchem sie die Nacht über sich befunden haben, erneuert worden ist, lebhafte Bewegung. An dem den mittleren Theil einer Bero& darstellenden Rohr- stücke zeigt sich die eigenthümliche Erscheinung, dass die Ruder- plättehen einer Reihe in umgekehrter Richtung schwingen, als diejenigen der übrigen und zwar geschieht die Bewegung hier nicht minder lebhaft wie dort und wie dort in rasch aufeinander folgenden Wellen. Ueberall sonst ist an den Theilstücken Bewe- gung in derselben Richtung zu beobachten, in welcher die Plätt- chen am ganzen Thiere schwingen: die Wellen gehen von der Ge- send, welche im ganzen Thiere aboral gelegen hatte, aus oralwärts. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 227 Die Ergebnisse dieses Versuchs stimmen somit durchaus mit jenen überein, welche ich, Bero& betreffend, nach früheren Erfah- rungen schon in meiner Abhandlung über das Nervensystem der Medusen bekannt gegeben habe. So oft ich ihn auch ausserdem wiederholte, stets zeigte sich im Wesentlichen derselbe Erfolg. Immer hörte die Bewegung der Ruderplättehen nach der Durch- schneidung einen Augenblick oder minutenlang, zuweilen selbst _ während einiger Stunden in den Theilstücken des Thieres auf, ohne Ausnahme aber trat sie wieder ein und zwar immer zuerst in dem.den aboralen Pol tragenden Stücke und erst später in den übrigen. Gewöhnlich war sie in jenem nach ihrem Auftreten früher wieder zu der Lebhaftigkeit gediehen, welehe sie am ganzen Thiere gehabt hatte, als an anderen Körperabschnitten — ja an manchen dieser anderen Abschnitte oder an Stückchen derselben blieb die Bewegung beständig langsamer, auch wohl unregelmässiger als sie am ganzen Thiere gewesen war: die meisten Theilstücke da- gegen erholten sich vollkommen und des Afterpols entbeh- rende Hälften von Bero& schwammen gewöhnlich bald durchaus wie ein ganzes Thier umher, reagirten auf Reize vollkommen wie ganze Thiere und schienen ihnen, was psychisches Vermögen anbetrifft, durchaus nicht nachzustehen. Versuch B. Erster Tag: An einer Bero&@ durchtrennte ich eine der Schwimmplättchenreihen, sammt ihrer Unterlage, indem u ich etwa 2cm unterhalb des Afterpols, an der Stelle x, Fig. 2, in den Körper des Thieres mit der Scheere einschnitt. Die Bewegung der Ruderplättchen hörte einen Augenblick am gan- zen Thiere auf. Dann trat die- selbe zuerst wieder an den unverletzten Schwingplättchen- reihen ein, darauf im oberen Abschnitte der durchschnittenen Reihe (a) und zuletzt in deren unterem Abschnitte (b). Nachdem sie überall wieder hergestellt war, liess sich er- kennen, dass sie in beiden 228 Th. Eimer: Bezirken, oberhalb und unterhalb des Schnittes der ope- rirten Reihe unabhängig stattfand. In a wie in b war sie lebhaft, ja in b konnte sie lebhafter auftreten als in a. Die Rich- tung geschah in beiden Abschnitten oralwärts, die Bewegung zeigte die normale, rasche Aufeinanderfolge von Wellen, wie sie am unverletzten Thiere zu beobachten sind. Die Thatsache, dass- letztere in beiden Abschnitten unabhängig war, liess sich nicht nur durch den Augenschein feststellen, sondern auch ganz beson- ders noch durch den folgenden Versuch: Berührte ich leicht mit einer Nadel den oberen ‘Abschnitt der Ruderplätt- chenreihe a, so sistirte derselbe sofort die Bewegung auf einen Augenblick, während dieselbe in b ganz wie vorher fortdauerte — und ganz eben so konnte sie durch Berührung des unteren Abschnittes in b sistirt werden, während sie in a fortdauerte. — Hatte nach der Operation die Wellenbewegung in der Weise stattgefunden, dass die Wellen in a vom oberen Pole bis zur Schnittfläche liefen und: sich nicht über x fortsetzten, während unterhalb von x ganz selbständige Wellen, unabhängig von den in a herablaufenden, begannen und oralwärts zogen, so hatte es 8 Stunden später für das Auge den Anschein, als ob die Continuität zwischen a und b wiederherge- stellt sei, als ob continuirliche Wellen, von der Gegend des After- pols ausgehend, durch a über x nach b und bis gegen den Mund- rand hin sich fortpflanzten. Es zeigte sich aber, dass wenn b mit der Nadel berührt wurde, dass dann die Bewegung in diesem Ab- schnitte sistirt wurde, nicht aber in a. Also war ein gewisser Grad von Unabhängigkeit in der Thätigkeit beider Theile doch noch vorhanden. Berührte ich dagegen a ebenso wie vorhin b, so wurde die Bewegung in a nicht mehr allein sistirt, sondern in a und in b. Demnach war die Continuität doch nahe völliger Wie- derherstellung. Drei Stunden vorher war es noch möglich gewesen, durch Berührung auch die Bewegung in a zu sistiren. Gegen Abend durchschnitt ich auch die sieben übrigen Schwimmplättehenreihen, indem ich von dem ersten Einschnitt aus einen leichten Zirkelschnitt um den ganzen Körper herumführte. Die Bewegung der Schwimmplättchen hörte jetzt am ganzen Thiere auf, zeigte sich aber alsbald wieder an dem schon heute früh operirten Radius und nach einiger Zeit auch an allen Radien- Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 229 stücken der Kuppe, zuletzt an den oralen Abschnitten der Radien — allein hier unregelmässig und wenig lebhaft. Zweiter Tag. Morgens 10 Uhr traf ich alle Schwimm- plättchen des gestern operirten Thieres in lebhafter Bewegung. Eine vollständige Continuität zwischen den oralen und den abora- len Abschnitten der Radien war indessen nicht überall hergestellt. An vieren derselben schienen die Wellen zwar continuirlich in beiden zu sein: sie pflanzten sich über die Durchschnittsstelle augenscheinlich unmittelbar fort; in den anderen vier dagegen traten sie deutlich in jedem der beiden Abschnitte selbstständig auf, nur zuweilen machten sie in zweien unter ihnen gleichfalls den Eindruck des Continuirlichen — indessen ist es auch in diesen letzteren noch möglich, die Bewegung in den unteren Abschnitten durch Berührung zu sistiren, während sie in den oberen fordauert, nicht aber umgekehrt. Den Versuch B habe ich an zahlreichen anderen Bero@’s mit verschiedenen Modificationen gemacht und im Wesentlichen stets mit demselben Erfolg. Stets trat allmälige Erholung, Wiederher- stellung der Continuität der Bewegung in den einzelnen Radien ein, bis die Bewegung am operirten Thiere ganz ebenso vor sich ging, wie sie vor der Operation vor sich gegangen war. Wiederholt zeigte sich aber auch die folgende Thatsache: wurde an einer Bero& einige Centimeter unterhalb des After- pols ein Zirkelschnitt in der beschriebenen Weise um den Kör- perumfang gemacht, dann so lange abgewartet, bis die Flimmerung in den aboralen wie in den oralen Radienabschnitten wieder normal lebhaft war, ohne jedoch zwischen beiden vollkommen continuirlich zu sein und wurde jetzt das Thier in dem vorhin um dasselbe herumgeführten Zirkelschnitte durch Vertiefung dieses Schnittes vollkommen in zwei Theile getrennt, so dauerte, selbst un- mittelbar nach der vollständigen Trennung die Bewe- gung in beiden Theilen durchaus ebenso fort, wie sie vor derselben stattgefunden hatte, ja es schwamm in solchem Falle der grössere, eine Röhre darstellende orale Abschnitt des Thieres munter davon, durchaus so, als ob er ein ganzes und unverletztes Thier wäre — gerade wie der Ast, z. B. eines Oleanderbaumes, nachdem man 230 Th. Eimer: ihn, so lange er noch an der Mutterpflanze wächst, durch Umlegen eines mit Erde gefüllten Topfscherbens an einer Stelle zum Wur- zeltreiben gebracht hat, nach der unterhalb der Wurzel erfolgten Entfernung von der Mutterpflanze selbstständig weiter wächst. Während die Bewegung der Schwimmplättehen an einem bis- her unverletzten Thiere, welches man in zwei Hälften oder in mehrere Stücke schneidet, ja meistens selbst an einem Thiere, in welches man nur eingeschnitten hat, eine Zeit lang aufhört, lässt sich die Trennung, nachdem dieselbe in der beschriebenen Weise vorbereitet ist, vollenden, ohne dass die Abschnitte, in welehe die Trennung erfolgt ist, aueh nur Notiz von derselben zu nehmen scheinen: der beste Beweis dafür, dass die beiden Körperabschnitte vor der vollkommenen Trennung durchaus selbst- ständig sich verhalten hatten und dass das Wiedereintreten der Continuität der Schwimmplättchen auf einem secundären Verwach- sungsprocess oder auf nachträglich erfolgter Kräftigung seeundärer, für die primären vicariirender Nervenbahnen erfolgen muss. Dass ein solches Vicariiren bei Medusen nach operativen Eingriffen stattfindet, habe ich (und hat später auch Romanes!)) auf das Sicherste nachgewiesen und so ist wahrscheinlich, dass es sich auch bei Bero& in der Erholung um ein Ergreifen der Funktion durch ursprünglich nur wenig oder in anderem Sinne thätige, das Gallertgewebe durchziehende Nervenfäden handelt. Auf der an- deren Seite aber scheint der Erfolg des Versuches zu beweisen dass in dem inneren, der Magenwand naheliegenden Bezirke des Gallertgewebes der Nervenreichthum zum Mindesten ein sehr ge- ringer sei — wenn nicht die Sache so zu erklären ist, dass die Nervenverbindung beider Theilstücke, sobald der beide trennende Einschnitt in gewisser Tiefe erfolgt ist, allmälig absterben, em- pfindungslos werden und sich lösen kann, statt dass durch Erho- lung eine Wiederherstellung der Verbindung stattfindet. Zum Zwecke der Entscheidung dieser Frage müssen weitere Versuche mit Rücksicht auf die Tiefe des geführten Einschnittes, welche genügend zu beachten ich versäumt habe, und mit genauer Berück- sichtigung der Stelle, an welcher eingeschnitten wird, ausgeführt werden. Mag dem sein wie ihm wolle — ich werde auf die Erörte- 1) Philos. Transact. Roy. Soc. Vol. 166 und 167. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 231 rung der Frage noch zurückkommen — im höchsten Grade bemerkenswerth ist die Thatsache, in welch vollende- ter Weise sich die Theile nach erfolgter Trennung gleich ganzen, unverletzten Thieren verhalten — vor Allem derorale Abschnitt, der doch des von Anderen für das "Gehirn erklärten Theils, bezw. des Sinnesorgans, von welchem nach neuester Behauptung!) der Impuls zur Bewegung der Ruderchen ausgehen soll, entbehrt. Der nach dieser Ansicht enthirnte Rumpf ist in seinen Lebensäusserungen in keiner Weise von einem ganzen Thiere zu unterscheiden: die Bewegung der Schwimmplättchen findet ganz in derselben Weise, mit derselben Lebhaftigkeit und in derselben Stärke, wie am ganzen Thiere statt: es schwimmt der Torso mit der Mundöffnung voran und er reagirt auf Reize ebenso wie die unverletzte Bero&. Ja, es möchte sich ergeben, dass solehe Krüppel nicht nur wochenlang, sondern vielleicht nahezu eben so lange, wie unverletzte Thiere zu leben vermögen, sofern diesel- ben unter günstigen äusseren Bedingungen gehalten werden. So lange ich sie — und dies war während mehrerer Tage möglich — beobachtet habe, fand ich keine Abnahme ihrer Lebensenergie, diese war vielmehrsmehr und mehr gestiegen und zuletzt auf dem erwähnten vollkommenen’ Zustand bestehend geblieben. Wenn ich "Dritten solehe munter umherschwimmende Krüppel zeigte, so musste ich sie regelmässig besonders darauf aufmerksam machen, dass diese nicht ganze Thiere seien: da das operirte Ende sich allmä- lig etwas zusammenzieht und dadurch am aboralen Körperpole sich etwas zurundet, so sind Uneingeweihte wegen der ungestört vor sich gehenden Lebensthätigkeit des Organismus nur durch genaue Demonstration davon zu überzeugen, dass sie nur einen Theil eines Thieres vor sich haben und nicht ein ganzes. Durchaus zu derselben Vollendung in den Lebensäusserungen, wie sie der in beschriebener Weise langsam operirte Rumpf von vornherein zeigt, kann sich auch der Torso erholen, welcher da- durch entstanden ist, dass dem ganzen Thiere rasch, mit einem Schnitte, der aborale Körperpol entfernt worden ist, allein es scheint, als ob die allmälige Operation den Organismus viel weni- ger angreife, als ob der letzte Akt derselben nicht minder natür- 1) Vergleiche weiter unten Seite 235 und 236. 232 Th. Eimer: lich sei als die endliche spontane Loslösung eines durch Verwun- dung vom Körper nahezu getrennten Körpertheils. Was das physiologische Verhalten solcher vollständig erholter oraler Körperabschnitte angeht, so seien mir darüber noch folgende Bemerkungen gestattet. Ich beobachtete, wie bemerkt, dass die Richtung der Be- wegung dieselbe war, wie an unverletzten Thieren: sie ging von der Gegend des Wundrandes nach jener des Mundrandes hin. In selteneren Fällen sah ich aber, dass sie in allen Reihen zwar gleich stark war, jedoch nicht überall in der ganzen Länge der Reihe stattfand, dass sie nicht in unmittelbarer Nähe des Wundrandes, sondern da oder dort, in der Mitte oder an irgend einem anderen Punkte des Radius begann. Die Bewegung konnte durch Betupfen mit einer Nadel — wie dies auch beim ganzen Thiere der Fall ist — in beliebig welchem Strahl sistirt werden. Ebenso vermag der Torso, ganz so wie dies das ganze Thier thut, die Bewegung nach Belieben in einem einzelnen Strahle aufzuheben. Die leiseste Erschütterung, etwa des Tisches, auf welchem das Glas mit den Versuchsobjeeten stand, hob an einem ganzen Thiere sämmtliche Bewegung auf einen Augenblick auf. Wie dies beim Torso sich verhält, bleibt noch zu untersuchen; aber auf Berührung zog er sich und zogen sich selbst kleinere Theilstücke des Thieres, nachdem die Bewegung sistirt worden war, sehr leb- haft zusammen. Auch bemerkt man an Torso’s, bevor sich die- selben vollständig erholt haben, sehr häufig kräftige, ruckweise Contractionen des Körpers. Ich sah solehe noch nach 29 Stunden nach der Operation, allein nur an Thieren, bei welchen die Be- wegung der Schwimmplättehen noch nicht wieder hergestellt war: es macht den Eindruck, als ob die Quallen das mangelnde Be- wegungsvermögen ihrer Ruderchen durch Muskelcontraetionen er- setzen wollten !). Zuweilen kehrt sich das Ganze in Folge solcher Contractionen vollständig um, so dass die ursprünglich innere Röhrenwand nun nach aussen sieht; später können die Schwimm- plättehen regelmässig nach einer bestimmten Richtung schlagen 1) Die Contractionen mögen aus Athemnoth geschehen, um so mehr als langes Aussetzen der Schwingplättchenbewegung wie es oben erwähnt ist, nach meinen Erfahrungen bei Medusen Aufenthalt in nicht frischem Wasser als Ursache hat. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 233 und der röhrenförmige Krüppel wie ein ganzes und normal gela- gertes Thier auch nach bestimmter Richtung hin schwimmen. Wiederholt sah ich, dass an einem röhrenförmigen Torso die Bewegung an einem und demselben Radius bald nach der einen, bald nach der umgekehrten Richtung gehen Konnte. Ein solcher Torso senkte sich, nachdem derselbe sich ruck- weise zusammengezogen und etwas verkleinert hatte. Die Krüppel vermögen, wie schon bemerkt, wie ganze Thiere in verschiedenen Höhen zu schwimmen — selbst nach Aufhören der Bewegung der Ruderplättchen können sich solche noch unter der Oberfläche des Wassers ruhig schwebend erhalten. Dieselben Erscheinungen in letzterer Beziehung beobachtete ich, nachdem ich die Ruderplätt- chen, so gut dies ohne eingreifendere Verletzung des Organismus möglich ist, von ganzen Thieren oder von des Afterpols entbeh- renden Stücken derselben entfernt hatte, an diesen wie an jenen. So weit meine auf Experimenten beruhenden Beobachtungen. In welchem Maasse dieselben die bestätigende Probe für meine Auffassung vom Nervensystem der Rippenquallen abge- ben, brauche ich nicht besonders hervorzuheben. Sie beweisen vor Allem, dass der Sinneskörper oder ein an- derer am aboralen Körperpol von Bero@ gelegener Theil das „Gehirn“ des ganzen Thieres, der Anreger der Thätigkeit der Ruderplättehen, der Ausgangspunkt der Willensimpulse desselben überhaupt unmöglich ausschliesslich sein kann. Sie beweisen, dass Nervenzellen, welche der Sitz jener Anregung und des psy- chischen Vermögens sind, zum mindesten über einen grossen Theil des Körpers zerstreut vorkommen, aber in grösserer Anhäufung als sonstwo in der Gegend des Afterpols vorhanden sein müssen. Sie zeigen, dass solche centrale Zellen eines beliebigen Stückes des Körpers die Leitung der Funktionen dieses Stückes überneh- men können; die „Erholung“ der Theilstücke naeh erfolgter Los- trennung vom Körper lässt sich nicht wohl anders erklären, als durch die Annahme, dass die in denselben befindlichen Nerven- zellen, abgesehen von der nothwendigen Ueberwindung des läh- menden Einflusses, welchen der operative Eingriff auf das Nerven- system an sich hat („Bestürzungsperiode“), sich allmälig zur allei- nigen centralen Leitung ihrer Thätigkeit kräftigen und con- centriren. In allen diesen Verhältnissen ergibt sich die voll- kommenste Parallele mit den Thatsachen, welche ich bei den Me- 234 Th. Eimer: dusen geschildert habe, speciell bei den Toponeuren: dort bilden sich nach meiner Beobachtung in Theilstücken des Körpers, welche nieht mehr mit den Hauptcentren der Nervehthätigkeit, d. i. den in der unmittelbaren Umgebung der Randkörper gelegenen Anhäufungen von Nervenzellen in Verbindung stehen, Ersatzeen- tren, indem Nervenzellen, welche, so lange als das Thier unver- letzt war, wohl weniger bedeutende Wirksamkeit hatten, in dem Theilstücke die Leitung der Funktionen, (deutlich zunächst der Contraetionsfähigkeit, die nicht nur der Lokomotion, sondern auch der Ernährung im weitesten Sinne des Wortes dient) übernehmen, und sichtbar kräftigen sich die neuen Centren ganz allmälig zu diesem Amte. Wie in dieser Beziehung, so ergibt sich auch nach anderen Richtungen hin eine hochgradige Uebereinstimmung zwi- schen den bei Bero& einerseits und bei den toponeuren Medusen andererseits auf Grund des Experiments von mir beobachteten Thatsachen — nur sind die Erscheinungen modifieirt durch die Lage und Zahl der Hauptnerveneentren, d. i. der gröseren Anhäu- fung von Nervenzellen, welche sich bei den toponouren Medusen in der Achtzahl am Schirmrande, bei Bero& in der Einzahl am aboralen Körperpole findet. Dem entsprechend ist auch der Vorgang des Absterbens bei beiderlei Thieren verschieden: während eine toponeure Meduse in der Weise abstirbt, dass zuletzt nur noch acht Randstückehen von ihr übrig sind, deren jedes einen Randkörper enthält, so stirbt eine Bero@ vom Mundrande nach dem aboralen Pole hin ab — der orale Theil des Thieres ist längst todt, während der aborale noch munter weiter lebt. Ich darf somit auf Grund aller physiologischen Thatsachen den in meiner Abhandlung über Bero& als Ergebniss der morpho- logischen Untersuchung aufgestellten Satz wiederholen: ein streng lokalisirtes, körperlich umschriebenes centrales Nervensystem kommt bei Bero& nicht vor; die centralen Nervenzellen sind bei ihr über den ganzen Körper verbreitet, finden sich indessen in grösserer Anzahl in der Gegend des Afterpols als sonstwo — hier, in der Gegend des Afterpols beginnen die centralen Nervenzellen sich in grösserer Anzahl zu sammeln und es bereitet sich so die Aus- bildung eines strenger lokalisirten centralen Nervensystems vor. „Gibt es nach meinen Erfahrungen wohl kaum irgend ein histologisches Objekt, welches höhere Anforderungen an den Un- Versuche über künstliche Theilbarkeit von Beroö ovatus. 235 tersucher stellt, als die wenig differenzirten Gewebe der toponeu- ren Medusen und der Rippenquallen, so ist es Genugthuung für die morphologische Arbeit auf diesem Gebiete, wenn einfaches und Je- dem zugängliches Experiment ihre Ergebnisse zu erproben vermag“. Diese, die Schlussworte meiner Untersuchungen über das Nerven- system der Medusen darf ich hier wiederholen, mit Rücksicht auf Untersuchungen, welchen es nicht gelingen will, mit den Resultaten der geschilderten Versuche übereinstimmende morphologische That- sachen bezüglich des Nervensystems zu erkennen. Dabei sehe ich mich veranlasst auf die Thatsache nochmals ausdrücklich hinzuweisen, dass die Schwierigkeit der Untersuchung eben vorzüglich in der geringen Differenzirung der Gewebe liegt, darin, dass Nervengewebe, Muskelgewebe und Bindegewebe, wenngleich sie in den höchsten Stadien der Ausbildung in un- serem Thiere deutlich von einander zu unterscheiden sind, doch in den niedrigen Stadien der Differenzirung in demselben Thiere ganz allmälig in einander übergehen und schliesslich mor- phologisch nicht mehr getrennt werden können !). 1) In völligem Missverstehen dieses Satzes, welcher die Grundlage des morphologischen Theils meiner Untersuchungen und zugleich die Erklärung ihrer Befunde abgibt, wird die zweite Hälfte desselben vor einem Kritiker meiner Bero&-Arbeit wiederholt als ein „Zugeständniss“ (!) von meiner Seite bezeichnet und als Beweis gegen die von mir behauptete Existenz von Ner- venelementen verwerthet (Dr. Carl Chun, a. a. O.). Derselbe ist nämlich nicht im Stande, irgend eine der von mir geschilderten auf das Nervensystem bezüglichen Thatsachen zu bestätigen, was nach dem weiteren Inhalte seiner Arbeit kaum verwundern kann. Unter Anderem sucht er am frischen Objecte, am lebenden Thiere, Merkmale wie Varikositäten zum Beweis der Existenz von Nervenfasern!(S. 20) und vermag unter den von mir verwertheten, auf Anwendung von Reagen- tien beruhenden, allgemein anerkannten Kennzeichen für Nervenelemente kein einziges maassgebend zu finden. Als Argument gegen meine Deutung zelli- ger Elemente als Nervenzellen führt er an, dass die Ausläufer dieser Zellen in meinen Abbildungen meist frei endigen — als ob dies auf irgend- welchem feinen oder auf dem optischen Durchschnitt eines Objectes, in wel- chem die Gewebselemente nach verschiedenen Richtungen gelagert sind, irgend anders möglich wäre — anderer Einwände ähnlicher Begründung nicht zu geden- ken. Geradezu wunderbar aber sind die positiven Resultate, zu welchen der Schriftsteller gelangt: nach ihm findet man im ganzen Körper der Rippen- quallen weder Nervenzellen noch eigentliche Nervenfasern, dagegen erklärt er das Sinnesorgan mitsammt den Polplatten für das Centralnervensystem und 236 Th. Eimer: Die wohlcharakterisirten gröberen Nervenfasern von Bero& be- schrieb ich als Ketten von Zellen, Ganglien-Kernen mit wenig Proto- plasma, verbunden durch einen Faden, — vergleichbar mit der Verbindung der Station des Telegraphendrahtes durch diesen — welcher wahrscheinlich das Kernkörperchen, jedenfalls die Kerne, durchzieht, das Ganze umgeben von einer Hülle, die zuweilen und, besonders da, wo die Fasern feiner werden, sich von Stelle zu Stelle aufbauscht und so Varikositäten bildet. Meine inzwi- schen veröffentlichten Untersuchungen über die Nerven der eyelo- „die von ihm ausstrahlenden acht Radiär- oder Flimmerrinnen nebst den Ru- derreihen für ebensoviele von demselben ausstrahlende Nerven“ (!) (S. 8.) Weiterhin werden die Basalpolster der Ruderplättchen als Nerven bezeichnet und wie „eigenartig“ diese „Nerven“ sein müssen, zeigt die folgende Bemer- kung: „Die Eigenartigkeit des Nervensystems der Ctenophoren und die Unmöglichkeit, zwischen Nervenfasern und: Ganglien zu unterscheiden (!!) er- klärt sich eben durch die Art der Ortsbewegung vermittelst Schwingplätt- chen. Wenn es erlaubt ist, den Vergleich anzuwenden, so verhält sich bei ihnen der Nerv (?) zu dem Lokomotionsorgan, dem Schwimmplättchen, wie bei höheren Thieren zu dem Muskel“. (S. 14.) Der Sinneskörper wird ge- schildert als eine „Modification der äusseren Epithellage des Thieres‘“, wo- raus, nebenbei bemerkt, hervorgeht, dass der Autor das von mir mit diesem Namen belegte und schon früher auch von Anderen geschilderte und ab- gebildete Organ gar nicht zu Gesicht bekommen hat. Vielleicht gelingt es einem Dritten in seiner Schilderung des eigenartigen Nervensystems der Cteno- phoren einen Sinn zu finden — ich muss verzichten. — Eine der hauptsäch- lichsten positiven Errungenschaften des Schriftstellers gipfelt ferner in dem Satze: „Die Bewegung der Ctenophoren vermittelst Schwingplättehen wird in dem Sinnesorgan regulirt“. „Schlagen die Federn desselben an die Otolithen an, so laufen ebensoviele Wellen über die jeder Feder entsprechenden zwei Rip- pen weg, als Anschläge erfolgen“. Den Bewegungsanstoss vermitteln somit die Federn durch Anschlagen an die. Otolithen ; nicht etwa Nerven pflanzen die Erregung fort, sondern Flimmerzellen (Cilienplatten und Flimmerrinnen) übertragen ihn auf die beiden ersten Schwingplättchen, diese übertragen ihn auf die folgenden u. s. w. Dass dies Alles durchaus falsch ist, ergibt sich aus dem Erfolg meiner Versuche zur Genüge. — Eine letzte Entdeckung des Autors besteht darin, dass er die sämmtlichen im Gallertgewebe vorhan- denen Zellen für Muskelzellen erklärt: „Das gesammte Gallertgewebe der Ctenophoren ist contractil“ (S. 32). Diese Behauptung, denn um mehr han- delt es sich nicht, tritt mit derselben Bestimmtheit auf, welche das Urtheil des Schriftstellers überhaupt kennzeichnet und nicht der kleinste Theil seiner Abhandlung ist allgemeinen aufsie gebauten Erörterungen gewidmet, hinaus- laufend auf die Vertretung der Irritabilitätslehre, auf die Ansicht, dass die Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 237 neuren Medusen zeigen hier im Wesentlichen durchaus dieselben Verhältnisse, so dass die ersten im Thierreiche auftretenden als solche morphologisch wohlcharakterisirten, aus Axenfaden und Hülle zusammengesetzten, nach dem Tode Varikositäten zeigenden animale Thätigkeit im Gallertgewebe durch Muskelirritabilität vermittelt werde. Da, wie ich nachgewiesen habe, schon eine ungeheure Menge von Muskelfasern das Gallertgewebe der Ctenophoren durchzieht, so würde, wenn die erwähnte Ansicht richtig wäre, so ziemlich der ganze Körper derselben aus Muskulatur bestehen, ohne dass gerade bei diesen Thieren der Zweck solcher Einrichtung entfernt ersichtlich sein würde. Kurze Zeit nach Ver- öffentlichung der Angabe ist dieselbe indessen von ihrem Urheber schon widerrufen worden, indem im „Zoologischen Anzeiger‘ Nr. 31, 1879 von ihm erklärt wird, dass er damit zu weit gegangen, dass ein Theil des Gallertgewebes der Ctenophoren bindegewebiger Natur sei. Darin liege, fährt er fort, „zugleich die Auffassung, dass überhaupt bei niederen Thieren morphologisch eine scharfe Grenze zwischen Bindegewebe und glatter Muskulatur nicht zu ziehen ist“. Dieser Beginn einer Uebereinstimmung mit meinen Befunden berechtigt zu weiteren entsprechenden Hoffnungen. (Ueber einen anderen Forscher auf unserem Gebiete, Herrn Buekers, vergleiche man S. 264, Anmerkung meiner „Medusen‘“.) Mag es zeitgemäss sein, wenn ein Schriftsteller, mit Kritik seine Kunst beginnend, wenn er Ergebnisse wie die Geschilderten bietend, sich berufen fühlt, dieselben mit einer Ueberfülle von Belehrungen über die Grundprinzi- pien der Wissenschaft und die methodische Einleitung von Entdeckungen zu begleiten, ferner positive Angaben Anderer einfach auf Grund des Un- vermögens der Bestätigung, sogar in beleidigender Weise, als gröbste Irr- thümer zu behandeln, so ist es doch zu viel, wenn dazu noch die unentschuld- barste Ungenauigkeit selbst im Referiren kommt. Der Kritiker stellt fälsch- lich als meine Angabe hin, dass die von mir beschriebenen Neuromuskel- fasern nach beiden Enden in Nervenfasern ausgehen sollen und kämpft dem- zufolge gegen das von ihm selbst aufgestellte Object von Muskeln ohne An- satz. Ferner wirft er mir vor, dass ich es versäumt habe, das Gallertgewebe frisch zu untersuchen, obwohl mir ein reiches Material frischer Thiere zu Gebote gestanden sei, und fügt, aus dem reichen Schatze seiner Erfah- rungen belehrend an mich hinzu: „Obwohl es fast überflüssig scheint zu bemerken, wie dringend nöthig es ist, die Gewebe im frischen Zustand, womöglich am unversehrten lebenden Thiere zu beobachten und von hier aus sich ein Urtheil über die alterirenden und schätzenswerthen Einwirkungen der angewendeten Reagentien zu bilden, so wird doch immer wieder gegen jene Grundbedingungen gefehlt.“ Diese Klage ist in Beziehung auf mich ebenso vollkommen gegenstandslos wie jener Vorwurf. Denn es ist ein grosser Theil der Zeichnungen auf meiner IV. Tafel ausdrücklich nach frischen 15* Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 238 Th. Eimer: Nervenfasern als Ketten von Zellen, bezw. „Ganglienkernen“ be- zeichnet werden müssen!). Freilich darf Niemand verlangen — und keinem in histolo- gischen Dingen auch nur in bescheidener Weise erfahrenen Be- urtheiler wird dies zu thun auch je einfallen — die feineren und für die Nervenfaser vorzüglich characteristischen der erwähnten Eigen- schaften ohne Zusatz von Reagentien zu Gesicht bekommen zu wollen. Ist sogar bei höheren Thieren die Feststellung der Natur feiner Nervenfäden vielfach nur nach Anwendung von Reagentien, welche besonders die charaeteristischen Varikositäten hervorrufen, aber auch die Axenfäden selbst deutlich machen, möglich, so ist dies bei den Quallen noch viel weniger anders zu erwarten. Nirgends ist weniger mit frischer Untersuchung anzustellen und nirgends ist mehr — allerdings sorgfältige — Anwendung von Reagentien nothwendig, um zu einer Beurtheilung der feineren Verhältnisse der Gewebe zu kommen, als gerade hier. Wer speciell bei den Rippenquallen das Nervensystem am frischen Thiere entdecken oder beurtheilen will, der macht sieh vergebliche Arbeit. Dass ich selbst zu dieser Auffassung erst durch vergebliche Bemühungen an letzterem gekommen bin, brauche ich wohl nicht ausdrücklich zu versichern. Mag es mir auch gelungen sein, durch Studien auf beiden Wegen, auf dem morphologischen wie auf dem experimentellen, die Grundlagen für eine vollkommene Kenntniss der Verhältnisse des Nervensystems der Rippenquallen gegeben zu haben, so erhob ich doch nicht entfernt den Anspruch durch meine morphologische Untersuchung die bezüglichen Fragen erschöpft zu haben. Präparaten entworfen. Belehrung über die Wirkungen der gebräuchlichen Reagentien auf Gewebe aber pflegt man in den histologischen Cursen zu er- halten und ich selbst glaube sie nur dort geben zu sollen. — Wenn endlich der Kritiker, der in der glücklichen Lage war, ein Jahr lang mit den Hülfs- mitteln der zoologischen Station sein Thema zu verfolgen, verschiedene Lücken meiner Arbeit tadelnd hervorhebt, ohne zu erwähnen, dass ich sie selbst be- dauernd hervorgehoben, aber durch die ungünstigen Verhältnisse erklärt habe, unter denen ich arbeiten musste und durch die Kürze der Zeit, welche mir an der See zur Verfügung stand — wesshalb ich allerdings Vieles erst zu Hause an conservirten Präparaten, Anderes gar nicht mehr untersuchen konnte — so schiebe ich diese Unterlassung gerne gleichfalls auf Unge- nauigkeit. 1) Vergl. Beroö Taf. VIII Fig. 72 und Medusen Taf. XI Fig. 3 und 9. Versuche über künstliche Theilbarkeit von Bero& ovatus. 239 Bei nächster Gelegenheit gedenke ich indessen den Gegen- stand von Neuem aufzunehmen und hoffe die noch schwebenden Fragen dann, unter günstigeren äusseren Bedingungen, als sie meinen Untersuchungen auf Capri zu Gebote standen, zu derjeni- gen vollendeteren Entscheidung zu bringen, welche nicht nur An- deren wünschenswerth sein muss, sondern welche vor Allem - mir selbst Bedürfniss ist. Einstweilen aber darf durch die auf Grund meiner Expe- rimente festgestellten Thatsachen jedenfalls so viel als ge- wonnen bezeichnet werden, dass fortan jeder Versuch, centrale Nervenzellen bei den Rippenquallen ausschliesslich auf eine be- stimmte Stelle des Körpers beschränkt finden zu wollen, von vorn- herein als widersinnig erscheinen muss. Und nachdem durch das Ex- periment wie durch meinen morphologischen Befund eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen Ctenophoren und Medusen dargethan ist!), darf man zuversichtlich erwarten, dass auch in den übrigen Gruppen der Zoophyten ähnliche Ergebnisse erzielt werden. Noch möge es mir schliesslich gestattet sein, auch an dieser Stelle ausdrücklich auf die interessanten Analogien aufmerksam zu machen, welche die „Zoophyten* in Beziehung auf die künst- liche Theilbarkeit und in Beziehung auf das allmälige Absterben mit dem Verhalten von Pflanzen darbieten, nachdem ein entspre- chendes Beispiel, Bero@ betreffend, schon oben (Seite 229 und 230) angeführt worden ist. 1) Dazu gehört, abgesehen von den Eingangs erwähnten Thatsachen vor Allem auch die weitere, dass die Nervenleitung im Körper von Bero& wie in jenem der Medusen nicht durch Nervenstränge, sondern durch vereinzelt ziehende Fasern — mit einziger Ausnahme der Ringnerven der Cycloneuren — hergestellt wird. Alle Beobachtungen, welche durch mich und durch An- dere an Medusen gemacht worden sind, seitdem ich dieses Verhältniss bei Bero& beschrieben habe, stehen damit in Uebereinstimmang. Dass wenigstens bei den Toponeuren auch das Gallertgewebe ganz wie bei letzterer nach den verschiedensten Richtungen von isolirten Nervenfasern durchzogen wird, er- schloss ich zuerst experimentell und zu ganz demselben Resultat kam später, unabhängig von mir, Romanes. Morphologisch sind indessen hier die Ner- ven noch viel weniger differenzirt, als in der muskelreichen Ctenophoren- gallerte und meine bezüglichen Ergebnisse sind, eben wegen der Schwierig- keit der Untersuchung, bis jetzt sehr wenig erschöpfend geblieben. (Vergl. „Die Medusen“ etc.) 340 Th. Eimer: Versuche über künstl. Theilbark. von Bero& ovatus. In gleicher Weise vermögen bei Pflanzen wie bei Zoophyten abgelöste Theile, unter günstige Bedingungen gebracht, zum Min- desten eine Zeit lang selbstständig fortzuleben. So wenig es fer- ner möglich ist, eine ganze Pflanze etwa wie ein höheres Thier durch eine Verwundung oder durch einen Hieb plötzlich zu tödten, so wenig ist dies mit einer ganzen Hydra oder mit einer ganzen Meduse oder Rippenqualle möglich. Nur durch Zermalmen oder . durch Vergiften des Ganzen oder durch Anwendung hoher Tem- peratur auf dasselbe kommt man in beiden Fällen zum Ziele. Und wie der Baum vom Wipfel nach der Wurzel zu ganz allmälig abstirbt, so die Qualle von der, bezw. von den Stellen, welche von den Hauptansammlungen von Nervenzellen am entferntesten liegen, nach diesen letzteren hin. Spricht die pflanzenähnliche Form und das Gebundensein an den Boden bei vielen „Zoophyten* oder „Pflanzenthieren“ für den Vorzug dieses ihres alten und populären Namens, so möchte ich nicht minder die geschilderten, so sehr in die Augen fallenden Analogien zu Gunsten derselben, gegenüber der Bezeichnung „Coelenteraten* ins Feld führen. Tübingen, Ende August 1879. v. Brunn: Unvollk. Sehmelzentwickl. auf den Mahlzähnen der Ratte. 341 Notiz über unvollkommene Schmelzentwicklung auf den Mahlzähnen der Ratte — Mus decumanus. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XXVL. Im April d. J. erhielt ich einen Satz junger aus dem Nest senommener Ratten, dieselben waren noch blind, die Schnei- dezähne waren eben durehgebrochen, ihr freivorstehendes Ende etwa 0,5 mm lang. Die Unterkiefer wurden behufs Untersuchung der Zahnentwicklung im mikroskopischen Curs in 1 procentiger Chromsäure entkalkt und in Alcohol gehärtet. Bei der Ansicht der angefertigten Frontalschnitte der Backzähne ‚ bemerkte ich, dass auf den Spitzen der Tuberkeln kein Schmelz gebildet war, sondern hier das Zahnbein nur durch eine mehrfache Lage plat- ter Epithelzellen von dem umgebenden Bindegewebe getrennt wurde. Sagittalschnitte zeigten dann die Verhältnisse so, wie sie die beiden beigegebenen Abbildungen erkennen lassen. Während an der Vorder-, Hinter- und den Seitenflächen, sowie in den Ver- tiefungen zwischen den Höckern dieser Zähne die Schmelzlage bereits eine Mächtigkeit von 0,06—0,1 mm erreicht hat, fehlt auf den vier vom Schnitt getroffenen Höckern jede Schmelzbildung vollkommen. Die Schmelzzellen, prächtig ausgebildet auf dem fer- tigen Schmelz und dort 0,024—0,03 mm hoch, behalten ihre Eigen- schaft bis an die oberen Schmelzränder und gehen hier über in ein Plattenepithel, welches die nackten Dentinspitzen überzieht und dessen einzelne Zellen eine Dieke von 0,003 mm haben. Das Epithel der Spitzen unterscheidet sich aber von dem Schmelzepi- thel noch dadurch, dass es ein vielfach geschichtetes ist, und das rührt, wie die beiden Figuren zeigen, daher, dass das durch Blut- sefässe und Bindegewebe vielfach zerklüftete Schmelzorgan hier Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 16 242 v. Brunn: Unvollk. Schmelzentwickl. auf den Mahlzähnen der Ratte. die gallertige Degeneration gar nicht eingegangen, sondern dem Oberflächenepithel ähnlich geblieben ist. Dies Epithel ist jeden- falls, wie es bisher noch keinen Schmelz bildete, so zu dessen Erzeugung überhaupt unfähig und es müssen diese Zähne mit schmelzfreien Spitzen durchbrechen und so mehr als andere zur schnellen Abschleifung geeignet sein. Wir haben hier also den entgegengesetzten Fall vor uns, wie der ist, den Ch. Tomes (Quart. journal of mier. science 1876) vom Salamander und Aal beschreibt und abbildet. Dort umgiebt das Schmelzorgan völlig den Dentinkeim, bildet aber nur auf der Spitze eine kleine Schmelzkappe, während der weiter nach unten gelegene Theil des Organs keinen Schmelz entwickelt und sich seine Zellen auch nicht zu den charakeristischen Schmelzzellen umformen. Es liegt nahe, die Entwicklung dieser Zähne weiter zu stu- diren, frühere Stadien, um zu sehen, ob die Plattenepithelien der Spitzen durch Abplattung von Cylinderepithelzellen entstehen, spä- tere, um ihr weiteres Schicksal, speciell ihr Verhältniss zum Schmelzoberhäutchen zu ergründen; — ich habe aber Material an Ratten nicht wieder erhalten. Auch geeignetes an Mäusen, bei denen die Verhältnisse vermuthlich ähnliche sein werden, zu be- kommen, ist mir nicht geglückt. Zwar habe ich einige Sätze von Embryonen, welche 1,5 bis 3 cm Scheitelsteisslänge hatten, unter- sucht, und dort gefunden, dass auf den den späteren Tubereula entsprechenden Erhöhungen des Dentinkeims die Schmelzzellen nur die Hälfte bis zwei Drittel der Höhe haben, welche die in den Vertiefungen befindlichen besitzen, — das ist aber nicht genügend, um daraus irgend welche Schlüsse zu ziehen, namentlich da ich kein Material untersucht habe, welches gezeigt hätte, dass die Mäusezähne überhaupt auf den Spitzen keinen Schmelz erhalten. — Daher muss ich mich mit der Mittheilung der nackten Thatsache begnügen. Erwähnen möchte ich dagegen noch, dass ich auf Sagittal- schnitten durch die Schneidezahnanlage von Mausembryonen ein vollständiges Schmelzorgan gefunden habe, welches den Dentin- keim auch der hinteren, später schmelzfreien Fläche überzieht, und zweifle nicht, dass ein Schmelzepithel, rudimentär, wie auf den Spitzen der Rattenbackzähne vor ihrem Durchbruch, während des Lebens existirt. ' V. Graber: Morph. Unters. ü. die Augen d. freil. marinen Borstenwürmer. 243 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI. Fig. 1. Sagittalschnitt durch den ersten Mahlzahn einer jungen Ratte. s Schmelz, d Dentin, sz Schmelzzellen, b Blutgefässdurchschnitt. Ueber den Spitzen, namentlich den beiden mittleren, ist der Zusam- menhang des das Dentin überziehenden Epithels mit dem Hals des Schmelzorgans sichtbar. Winkel Oc. 4 Obj. 1. Fig. 2. Die von links gerechnet dritte Spitze desselben Präparates. Winkel Oc. 4 Obj. 7 Morphologische Untersuchungen über die Augen der freilebenden marinen Borstenwürmer. Von . V. Graber, k. k. o. ö. Professor d. Zoologie a. d. Universität Czernowitz. Hierzu Tafel XXVII, XXIX, XXX. Literatur. 1) Ranzoni, Opuscoli seientif. t. I. Bologne 1817. An- gaben über die Augen von Phyllodoce maxillosa. 2) Otto, Conspeetus animalium ete. Vratislaviae 1817 p. 16. Ueber Aphroditea heptacera. 3) Gruithuisen, Nova acta Acad. nat. curiosa t. 11 p. 242. Ueber die Augen von Nais probosceidea. Pigment und ein „Paren- ehyme sensible“. 4) Joh. Müller, Memoire sur la structure des jeux chez les Mollusques Gasteropodes et quelches Annelides. Ann. de seiene. nat. T. 22 1831. Bei Nereis u. A.: Nervus optieus, Pigmentschale 244 V. Graber: und liehtbrechender Kern, den er aber als kontinuirliche Fortsetzung der retinalen Nervenschichte hält. Annahme einer completen Ana- logie mit dem Wirbelthierauge. 5) Quatrefages De, Comptes rendus de l’Acad. d. science. 1844 t. 19 p. 195. Etudes sur les types inf. de l’embr. des Annel. Ann. d. seiene. nat. T. 13 und 14. Hauptsächlich über die Augen der Kopfkiemen, Polyophthalmus ete. Unterscheidet einen beson- deren liehtbreehenden Abschnitt (Crystallin) und die Retina und erläutert die vielfachen Differenzirungen, denen das Sehorgan bei den niederen Abtheilungen so gut wie bei den Wirbelthieren un- terworfen ist. 6) Krohn, Archiv f. Naturgeschichte 1845 Bd. 19, S. 179. Erste und sehr genaue Angaben über das Aleiopiden-Auge. Hüllen, Linse, Stiften-Mosaik der Retina, mediäre Pigmentschichte derselben. 7) Quatrefages Ann. de sciene. nat. 3. Ser. T, 13 1850 p. 34 pl. 2 und Histoire nat. des anneles T. I, p. 91 pl. 4 Fig. 6 und 7. Ueber Torrea vitrea (Asterope candida Clap.). 8) Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. S. 259 F. 136. Gibt eine auf eigene Anschauungen ge- gründete im Ganzen sehr zutreffende und instruetive Darstellung des Auges von Aleiope (angeblich Reynaudii). Er erkannte eine selbständige subintegumentale Selerotica-Kapsel, eine pigmentirte Stäbehen-Mosaik (die er aber auf eine gefaltete „homogene Membran“ beziehen will), ferner eine innere radiärstreifige (Säulen-) und eine äussere „mehr granuläre“ Schicht, welche Greeff's und unserer Zone der Ganglienzellen entspricht. 9) R. Greeff, Ueber die Augen, insbesondere die Retina der Aleiopiden (Marburg, Sitzungsber. der Ges. zur Beförderung d. g. Naturwissenschaften 1875 Nr. 10) mit 2 Tafeln. Vgl. auch dessen grösseres Werk über Alciopiden in Nova acta Leop. 1876 Vol. 39 Nr..2; 10) A. Costa, Annuario d. mus. zool. real. Universitä di Napoli. 1862 p. 155, 1864 F. 1—8. 1867 p. 55. Ueber Augen der Aleiopiden des Golfs von Neapel. 11) Clapar&öde, Les Annelides chetopodes du Golfe de Naples Suppl. p. 103 pl. X. Claparede & Panceri, nota sopra un Aleiopide parassito ete., abgedruckt in Nr. 11. 12) Ehlers, Die Borstenwürmer I. Bd. Leipzig 1864—1868. 13) Macdonald, On the extern Anatomy ete. of the Genus Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 245 of Annal. named Palolo ete. Transaet. of the Lin. Soc. London Vol. 23. 14) Marion et N. Bobretzky, Annelides du Golfe de Mar- seille ann. d. science. nat. 1875. 15) Chatin Ivan, Recherches pour servir a l’histoire du ba- tonnet optique chez les Crustaces et les Vers. Ann. d. science. nat. T. 7 Nr. 1, p. 22—36 und Pl. 3. Vage Angaben über die lichtbre- chenden Körper einiger Kopfkiemer. Nichts Wesentliches über die Retina. Viel Raisonnement. 16) Grenacher, Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden ete. Göttingen 1879. 17) Graber, Ueber das unicorneale Tracheaten- und speciell das Arachnoideen- und Myriopoden-Auge. Dieses Archiv 1879 mit 3 Tafeln. Vorliegende Arbeit unternahm ich in doppelter Absicht. In erster Linie, um im Zusammenhang mit einer früheren Schrift über das Tracheatenstemma (17) diezuerst von mir angefochtene allgemeine Zulässigkeit der Grenacher’chen Theorie, betreffend die Einschich- tigkeit der Retina zu prüfen, beziehungsweise zu widerlegen und dann um über den Typus der in Rede stehenden Organe der Würmer überhaupt etwas mehr Licht zu verbreiten. Indem ich hinsichtlich des erstgenannten Zweckes auf das folgende verweise, muss ich, in Bezug auf den zweiten Punkt, vor Allem zeigen, dass es mit der gegenwärtigen Kenntniss des Chaetopodenauges in der That so bestellt ist, dass: mir eine neue gründliche Untersuchung desselben wirklich als ein Bedürfniss erschien. Dank der bedeutenden Grösse und leichten Zugänglichkeit, welche die Augen einer Nereiden-Abtheilung, nämlich die der Aleiopiden auszeichnen, haben dieselben wiederholt die Aufmerk- samkeit der Zoologen aufsich gelenkt und nachdem sich so gründliche Forscher wie Krohn (6), Leydig (8), Quatrefages (7), Clapa- rede (11) und neuerlich besonders R. Greeff(9) damit beschäftigt, wissen wir, dass die Sehorgane dieser Würmer sowohl in ihrem 246 V. Graber: dioptrischen als in ihrem perceptiven Abschnitt einen sehr hohen Grad von Differenzirung besitzen. Ganz anders verhält es sich mit den Augen der so zahlrei- chen übrigen Polychaeten und der meisten Würmer überhaupt. Zwar erkannten bereits Joh. Müller (4) und Quatrefages (5) an diesen Organen die Haupt- oder Fundamentaltheile eines Seh- organs, nämlich einen distineten in der Regel vom Gehirn ent- springenden Nerv, dann eine mehr oder weniger pigmentirte Netz- haut, sowie endlich einen lichtbreehenden Abschnitt oder Glaskörper (Crystallin); dies ist aber auch heute noch so ziemlich Alles, was man über den Bau dieser Organe weiss, ja nach der Darstellung mancher neuerer Anneliden-Forscher gewinnt es sogar den An- schein, als ob die Augen vieler freilebenden Polychaeten (Nerei- den i. w. $.) sogar eines dioptrischen Apparates entbehrten und unter den allerdings sehr vagen Begriff der sog. Pigmentflecke zu sub- sumiren wären. Zur Erläuterung dieses Sachverhaltes braucht man nur irgend eine der vielen systematischen Arbeiden über Anneliden durch- zugehen und ich gebe zunächst eine kurze Zusammenstellung der Angaben über die Augenformen dieser Thiere aus dem bekannten Werke von Ehlers (12), da dieser Forscher, wie wir hören wer- den, unseren Organen eine über die Zwecke der blossen Syste- matik hinausgehende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Dass Ehlers die Polychaeten-Augen im Allgemeinen als sehr einfach organisirt betrachtet, geht schon aus seiner Definition pag. 33 hervor, wo er sagt: „Als solche betrachtet man her- kömmlicherweise (?) die auf einen Fleck eoncentrirte Anhäufung einer Pigmentmasse.“ Hinsichtlich der darin eingebetteten, lichtbrechenden Körper, „die man (allgemein?) als Linsen bezeichnet“, so erklärt er das Vorkommen derselben als „wenig konstant“. „Man findet sie bisweilen auf demselben Thiere nur an einer Seite oder ganz fehlend, während sie bei anderen Individuen derselben Art vorhanden sind.“ ’ Im Einzelnen notirte ich mir nun folgende Fälle, in welchen Ehlers den lichtbrechenden Körper gänzlich fehlen lässt. Fam. Chrysopetalea: Chrysopetalum fragile Ehl. p. 81, Taf. 2, Fig. 3. „ Aphroditea: Polynoe spinifera Ehl. p. 97, Taf. 3, Fig. 3. P. pellueida Ehl. p. 106). 1) „In den meisten Fällen scheinen diese Augen nur kugelige Anhäu- Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 247 Fam. Phyllodocea: Phyllodoce lamelligera Ehl. p. 140, T.6, Fig. 1. j vittata Ehl. p. 150, Taf. 6, Fig. 8. Eulalia virens Ehl. Taf. 7, Fig. 2. 4 «»Wvolueris EhlaBa£ 7, Fig.’7. „ obtecta Ehl. Hesionea: Örseis pulla Ehl. Hinterauge p. 1891). Podarcke albocineta Ehl. Hinterauge p. 191. R viridescens Ehl. Hinterauge?). Periboea longocirrata Ehl.°). ” „ Syllidea: Syllis pellueida Ehl. p. 239. „ fiumensis Ehl. p. 225 Hinteraugen. „ Krohnii Ehl. p. 235 R » 6-oculata Ehl.®). Sphaerosyllis Claparedii Ehl. Hinteraugen. Proceraea pieta Ehl. >). „ Eunicea: Diopatra teres p. 293. Angeblich ohne Augen. Onuphis tubicola Ehl.®). Eunice aphroditois Pall.?). „ Harassii Aud. M. Edw.®). » limosa Ehl. p. 349. fungen von Pigment, nur bei einem Thier sah ich deutlich aus jedem der vorderen Augen einen nach seitwärts gewandten, stark konvex gewölbten hellen lichtbrechenden Körper hervorragen“. 1) „Im Vorderauge ein stark konvex vorspringender lichtbr. Körper“. 2) Bei Podarcke agilis Ehl. wäre dagegen Vorder- und Hinterauge mit einer „Linse“ versehen. 3) „Lichtbrechenden Körper nirgends gesehen“. 4) P. 242: „Bei dem einen Exemplare hatten die beiden mittleren Augen kleine halbkugelig vorspringende Linsen, die nach vorne und seitwärts gerichtet waren, und eins der hinteren Augen eine kleine halbkugelige nach hinten sehende Linse.“ 5) P. 256: „Die Form der Augen ist keine beständige; ich habe vor- dere und hintere Augen kugelförmig gesehen und nur in den vorderen eine nach vorne und aussen gerichtete Linse; im anderen Falle trugen alle Augen grosse Linsen.“ Vgl. Taf. 12, Fig. 1. 6) „Die beiden Augen sind halbkugelige, kaum vorspringende Pigment- haufen‘. 7) „Auge ein dunkler, wenig prominirender Pigmenthaufen“. 8) P. 315 „Augen kreisförmige schwarze Pigmenthaufen“, 248 V. Graber: Eunice sieiliensis Ehl. p. 355. Marphysa sanguinea Ehl. p. 361. Nematonereis oculata Ehl. p. 3741). Arabella striata Gr. p. 400°). Staurocephalus rubrovittatus Gr. p. 426. Vier Augenflecke. Staurocephalus ciliatus Ehl. p. 441. Vier Augen- flecke. Fam. Lycorida: Nereis pelagica L.°),. » Dumerilii Aud. M. Edw. Taf. 20 Fig. 21 p. 537. „ rava Ehl. Taf. 21 Fig. 11 epitokes 2 Fig. 12 epitokes 4‘. „ Fucata Sav. Taf. 21 Fig. 41. „ Costae Gr. Taf. 22 Fig. 1 Hinterauge. „ diversicolor Taf. 22. Fig. 5. „ lamellosa Ehl. Taf. 22 Fig. 10. „ suceinea Ehl. Taf. 22 Fig. 18. Dendronereis arborifera Pet.T. 22 F. 33 ete. ete. Dass aber die Anschauung, nach welcher die Augen vieler Poly- chaeten nichts weiter als Pigmentflecke seien, wirklich auch heute noch vielfach vertreten wird, zeigt u. A. die schöne Arbeit von Marion et N. Bobretzky (14) über Anneliden des Marseiller Golfes, in welcher beispielsweise folgende Augen als glaskörperlos bezeichnet werden. Odontosyllis etenostoma Pl. 4 Fig. 12 Hinteraugen. Autolytus ornatus*), Gyptis propinqua, Magalia perarmata, 3 Paar einfache Pigmentflecke: Anoplosyllis fulva Pl. 3 Fig. 10, Syllis torquata und Heteroeirrus frontifilis, deren Vorderaugen als „taches punc- tiformes“ bezeichnet werden. . 1) Vier Augen, rothbraune Pigmenthaufen. 2) Vier schwarze Augenflecke in einer Linie, 3) p. 513 „In der atoken Form sind die Augen kleine blauschwarze we- nig prominirende Pigmenthaufen; im geschlechtsreifen Thiere sind sie grösser, zumal die des hinteren Paares im männlichen Thiere stärker gewölbt und besitzen eine grosse an den Weingeist-Exemplaren weisse Pupille (Glas- körper! d. Aut.), welche von dem blauschwarzen Pigment umgeben ist.“ 4) p. 45: „Les deux jeux anter. sont seuls pourvus de cristallins.“ Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 249 2 Paare: Odontosyllis gibba Pl. 3 Fig. 10. Pterosyllis lineo- lata und Prionospis Malmgreni. 1 Paar: Saccocirrus papillocereus. p. 70. „On voit a sa face dorsale et dans la region anter. deux taches oculaires, qui ne sont que des amas de pigment noir sans erystallin.“ Hinsichtlich der mitgetheilten Daten über angebliche Glas- körperlosigkeit der Annelidenaugen möchte ich nun zunächst fol- gendes bemerken. Ich weiss aus eigener Anschauung sowohl an lebenden als an todten Würmern, dass deren Augen bei äusserlicher Besichti- gung vielfach in der That nicht anders erscheinen, denn als far- bige Flecke oder Pigmenthaufen und dass man oft trotz aller Mühe und selbst z. Th. nach Auflösung des Pigmentes in Kali- lauge oder ähnlichen Reagentien darin keinen deutlichen lichtbre- chenden Körper nachzuweisen vermag. Wenn aber viele Polychaeten- und überhaupt Würmer-Augen als einfache Pigmentflecke erscheinen, so folgt daraus selbstver- ständlich noch lange nicht, dass sie wirklich auch solche sind; denn die Augen vieler anderer Thiere, z. B. gewisser Mollusken und Arthropoden, wurden auch lange für blosse Pigmentflecke er- klärt, bis eine genauere methodische Untersuchung eine viel höhere Organisation ergab. In dem Sinne wird man also schon von vorneherein gut thun in der Bezeichnung „Pigmentfleck“ nicht einen bestimm- ten morphologischen Begriff, sondern vielmehr den Ausdruck für ein Organ zu sehen, das uns als ein Unbe- kanntes und Unerforschtes, kurzum als ein dunkler Punet im symbolischen Sinne dieses Wortes erscheint. Es ist aber auch schon a priori sehr unwahrscheinlich, dass die Augen der in Rede stehenden Thiere eine so unvollkommene Natur besässen, wie sie ihnen nach den mitgetheilten Angaben zu- geschrieben wird. Bedenken wir nämlich 1) dass die zur selben Abtheilung ge- hörigen Aleiopiden sehr hoch organisirte Sehwerkzeuge haben und 2) dass manche Anneliden, die, wie z. B. die Tubicolen oder ge- wisse Discophoren oft eine sehr stationäre Lebensweise führen, dessen ungeachtet mit wohl entwickelten und linsenführenden Augen ausgerüstet sind, so ist gewiss nicht einzusehen, wesshalb gerade die freilebenden Polychaeten blosse Pigmentflecke, 250 V. Graber: also Organe besitzen sollten, die überhaupt kein einigermaassen deutliches Sehen gestatten. Dies waren die Erwägungen, welche mir Hoffnung gaben an diesen Organen, trotz ihrer durchschnittlichen Kleinheit und der grossen Schwierigkeit der Untersuchung, etwas mehr als meine Vorgänger herauszubringen. Ich bemerke dazu gleich, dass ich meine Forschungen an Eunice, also an einer Augenform begann, welche Ehlers, trotzdem er sie an Schnitten studirt hatte, als blossen Pigmentfleck bezeichnete, und dass ich daran sofort nicht bloss einen zelligen integumentalen Glaskörper mit eingeschlossener eutieularer Linse entdeckte, sondern auch an der Netzhaut Zu- stände wahrnahm, die eine geradezu überraschende Uebereinstim- mung mit den von mir am Tracheatenstemma entzifferten darboten. Was die Ausdehnung meiner Studien betrifft, so schien es mir hinreichend von jeder Hauptabtheilung dieser Thiere nur einen oder ein Paar Repräsentanten vorzunehmen, wobei ich allerdings nur auf Spiritusmaterial angewiesen war, das ich mir seinerzeit an der Adria gesammelt hatte; unter Zugrundelegung der mitzu- theilenden Resultate dürfte es aber leicht sein, nach und nach den Augentypus sämmtlicher Nereiden festzustellen, sowie mit Hülfe - von lebendem Material über gewisse feinere Verhältnisse zumal betrefis der Stäbchen und vielleicht auch über die Entwicklung ins Klare zu kommen. Betreffs der Untersuchungsmethode sei im Allgemeinen nur Foigendes erwähnt. Vor Allem, besonders an sehr winzigen Augen, kommt es auf möglichst feine Schnitte beziehungsweise auf gute Härtung und auf ein haarscharfes Messer an. Das Zweite ist dann eine mög- lichst schonende Entfärbung. In der Regel leistete mir mit etwas 35 %/, Kalilauge versetztes cone. Glycerin gute Dienste. Durch rechtzeitige Neutralisirung resp. Ansäuerung mit entsprechend ver- dünnter Salzsäure erhält man dann oft schöne Kerntinetionen, oder kann nöthigenfalls nach gehöriger Auswaschung des Präparates eine künstliche Tinetion mit Haematoxylin oder einer Carmin-So- lution versuchen; in letzterer Hinsicht empfiehlt sich besonders das Grenacher’sche Alaun- und Borax-Carmin. Die Präparate werden am Besten in ziemlich eone. Glycerin aufbewahrt; manchmal leistet aber auch Aufhellung mit Kreosot ganz vortreffliche Dienste. Haupterforderniss ist auch eine gut definirende Linse. Wo nichts Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 251 Anderes bemerkt wird, habe ich mich des ausgezeichneten Immers. . Systems III von Zeiss bedient. Zuletzt noch ein paar Worte über die Anordnung der Unter- suchungsergebnisse. Da, namentlich an einem so complieirten Organ, eine verglei- chende Darstellung der Einzelbestandtheile und ihrer Modificationen bei den einzelnen Untersuchungsobjeeten immer die klarste und vor Allem die bündigste ist, war eine solehe auch in meinem Plan gelegen; bei der äusserst dürftigen Anzahl der bisher näher stu- dirten Nereiden-Augen schien mir aber schliesslich doch eine solche Behandlungsweise sehr verfrüht und ich gebe daher für jedes der untersuchten Sehorgane eine besondere Beschreibung, jedoch so, dass ich mit den bestbekannten und am höchsten diffe- reneirten d. i. mit jenen der Aleiopiden beginne, und hier zugleich auch die wichtigsten allgemeinen Fragen zur Erörterung bringe. Am Schlusse folgt dann noch eine kurze Uebersicht der Haupt- resultate sowie ein Ausblick auf gewisse verwandte Einrichtungen bei anderen Thierklassen, zumal bei den Cephalopoden. Dagegen bleibt eine Erörterung der physiologischen Verhält- nisse dieser Augen vorläufig ganz ausgeschlossen ; eine solche kann ja überhaupt erst Erfolg haben, wenn man das Anatomische voll- ständig kennt — und davon sind wir einstweilen, wie mich dünkt, leider noch sehr weit entfernt. Fam. Aleiopiden. (Aleiope Contrainii Delle Chiaje)!). Um sofort auf unser Hauptziel, d.i. auf die Vergleichung der Augen dieser Würmer mit dem Tracheaten-Stemma loszugehen, so ist hier vor Allem ihr Verhalten zum allgemeinen Integumente :in Betracht zu ziehen. 1) Ein äusserst gut (in Osmiums.) conservirtes Exemplar dieses Wurms verdanke ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. C. Heller in Inns- bruck, der mir auch mit gewohnter Bereitwilligkeit einige der für diese Un- tersuchungen benutzten Anneliden bestimmte. 2 V. Graber: Erklärung des Holzschnittes. A. Schema eines Tracheaten-Stemmas. B. Schema eines Alciopidenauges (nach der Auffassung von Greeff). J Integument, Cu Cuticnla, Hp Hypo- dermis derselben, gl Glaskörper, rh Retinahülle, la vorderer Abschnitt der- selben (Hyaloidea), Au-h Fortsetzung der Retinahülle über den äusseren (vorderen) Augentheil (Allgemeine „Augenhaut“) co Cornea, co-l Cornea- linse, li freie Linse, cc corpus-ciliare, n-o nervus opticus. Bei den Tracheaten ist dieses durch Grenacher und mir selbst vollkommen ins Klare gestellt. Das typische Stemma (bei- stehender Holzschnitt A) besteht aus zwei übereinanderliegenden (durch die dunkle Linie geschiedenen) Haupttheilen, dem dioptri- schen Abschnitt, der nichts Anderes als eine mehr oder weniger modifieirte Strecke des Integumentes (Cuticula (Cu) und Hypodermis (Hp)) ist und der Retina (R), die allseitig durch eine besondere Hüllmembran, die zuerst von mir hier nachgewiesene präretinale Zwischenlamelle (la) von jenem äusseren Augentheile abgeson- dert ist. Ganz anders verhielte es .sich dagegen, wenigstens nach der bisherigen Darstellung, bei den Aleiopiden. Speciell Greeff unterscheidet nämlich bei Nauphanta celox Greeff (9 p. 119 u. 120 Fig. 1 u. 2) von Aussen nach Innen und bis zur Retina folgende Schichten. 1) Die „structurlose“ Integument-C u- ticula (Schema B eu), welche gleich der folgenden Lage „direct und anscheinend unverändert auf den Augapfel übergeht“. 2) Die Hypodermis (Hp) oder die „epitheliale Zellschicht“, die auf seiner Uebersichtsfigur im Vereine mit der vorhergehenden einfach als doppeleonturirter Grenzsaum dargestellt wird. 3) Die sog. „Augenhaut(Au-h)“. „Siekommt von der Oberfläche des Gehirns, das sie umhüllt und setzt sich direet auf den Bulbus fort, denselben allseitig (mit Ausnahme der Eintrittsstelle des Sehnerven) umhül- lend.“ Diese von Greeff wie eine Cuticula abgebildete Membran wäre Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 253 viel feiner als das Integument, verdieke sich aber an der (eornealen) Aussenfläche (Schema Au-h) und lasse hier auch „Züge von lang- gestreckten aneinanderstossenden Kernen in ihrem Inneren erkennen.“ 4) Die kugelige Linse (li), deren anscheinend eutieu- läre Hülle oder Kapsel nach Greeff’s Zeichnung direct an die frühere Membran angränze, während die eigentliche Substanz aus einer concentrisch geschichteten „äusseren und inneren“ Lage bestände. 5) „Ein kernhaltiger oft netzförmig durchbrochener, die Linse in einer breiten äquatorialen Zone umgebender und sie befestigen- der Ring (corpus eniliare?) (ce). 6) Der umfangreiche und, nach der Zeichnung zu urtheilen, vollkommen strueturlose Glaskör- per (gl) und 7) endlich die zarte, die Retina vom Glaskörper trennende Hyaloidea (la). Nach dieser Darlegung wäre offenbar der Unterschied zwischen dem Aleiopiden- und Tracheatenauge ein ganz fundamentaler. Während nämlich beim letzteren ein Haupttheil, d. i. das gesammte diop- trische System kein besonderes, d. i. nur dem Auge allein eigen- thümliches Gebilde, sondern vielmehr, wie schon erwähnt, nur ein Abschnitt des allgemeinen Integumentes ist, wäre nach Greeff (u A.) das Aleiopidenauge in toto ein vom Integument völlig unabhängi- ger, für sich allein isolirbarer Körper, und es leuchtet wohl von selbst ein, dass unter solchen Umständen von einer direeten Ver- gleichung der lichtbrechenden Abschnitte beider Augen unmöglich die Rede sein könnte. Ohne auf die naheliegenden Gründe einzugehen, welche mir schon von vorne herein gegen den von Greeff behaupteten sub- integumentalen Charakter des Alciopiden-Krystallkörpers zu spre- chen scheinen, gehe ich ohne Weiteres auf die Darlegung meiner eigenen Untersuchungen über, die mich in der That zu einer ganz anderen Auffassung geführt haben. Es handelt sich hierbei in erster Linie offenbar um die Frage, ob sich bei den Aleiopiden wirklich zwischen Integument und Kry- stallkörper (resp. Linse) eine besondere „Augenhaut‘“ einschiebt, oder mit anderen Worten, ob sich hier die Retinahülle, wie sie auch dem Tracheatenstemma zukommt, auf den lichtbreehenden Abschnitt fortsetzt und sich darüber hinwegzieht. Am Meridionalabschnitt auf Fig. 1 beachte man zunächst, dass das Auge wirklich, wenigstens soweit die Retina reicht, von einer besonderen (meist, aber nicht treffend als Scelera bezeichne- 254 V. Graber: ten) Membran (se) umkleidet wird, die sich als eine direkte Fort- setzung der Hirncapsel erweist. An sehr feinen Schnitten erscheint diese Haut als ein sehr dünner und vollkommen homogener Grenzsaum, der seiner ganzen Beschaffenheit wegen oft schwer von gewissen mit ihm parallel laufenden Fasern des angrenzenden Stützgewebes zu unterschei- den ist. Bei Zusatz von Carmin färbt sich diese Augenhaut meist in- tensiv roth und da hier in der Regel die Tinction viel rascher eintritt als in den angrenzenden Geweben, so ist ihr Verlauf aus- serordentlich deutlich zu erkennen. Sie erscheint dann als eine schmale glänzend rothe Leiste, in der wir niemals irgend ein Kerngebilde sehen konnten. Wegen dieser Umstände und weil sich, meiner Erfahrung gemäss, bei den Anneliden gerade gewisse Cuticularmembranen, wie z. B. die des Integumentes, auffallend leicht mit Carmin im- bibiren, muss ich die Augenhaut genau so wie am Tracheaten- stemma und in Uebereinstimmung mit Leydig (8) für eine echte Cutieula halten. | Dies scheint mir nun für unsere Frage von grosser Wichtig- keit. Wenn nämlich die sog. Augenhaut wirklich eine Cuticula ist, so kann jener corneale Abschnitt (SchemaB Au-le),vondemGreeff (s. 0.) angibt, dass letzterer beträchtlich verdiekt und im Innern mit Kernzügen versehen ist, nicht wohl der Augenhaut selbst angehören, sondern muss eine andere Bildung sein; denn die eventuelle Annahme, dass die gesammte Augenhaut von vorne herein eine zellige, resp. bindegewebige Schicht sei, die sich erst nachträglich im hinteren Abschnitt homogenisirt hätte, entbehrt vorläufig jeglicher Be- gründung. Im Uebrigen will ich vorläufig nur kurz konstatiren, dass ich die fragliche Hüllmembran nie über den Rand des Retinabechers hinaus habe verfolgen können, während ich mich bei mehreren andern Würmern, z. B. bei Nereis, Nephthys, Hesione u. s. w. auf das Sicherste überzeugt habe, dass sie sich am Rande des Re- tinabechers (Fig. 16 und 32 u) in das Innere des letzteren einschlägt und so unmittelbar mit der ganz ähnlich beschaffenen und nur etwas zarteren Glashaut (Fig. 1 u.21la) zusammenhängt. Demnach glaube ich mit Grund annehmen zu können, dass der Vorder- abschnitt der sog. „Augenhaut“ auch bei den Aleiopiden Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürm er. 255 keineswegs die Grenze zwischen dem Auge als Gan- zes genommen und dem äusseren Integument, sondern vielmehr, ganz wie beim Tracheatenstemma, eine inter- oculäre, d.i. quer mitten durch das Auge gehende Schei- dewand zwischen dem retinalen inneren und dem diop- trischen äusseren Abschnitte darstellt. Das Weitere, ich meine speeciell die Beziehung des Auges zum Integument, wird sich aus der folgenden Detail - Schilderung ergeben. Dioptrischer Abschnitt. Der Schnitt Fig. 1 zeigt zwischen der corneaartig vorgewölb- ten Integument-Cutieula (Co, ab) und dem von der Hyaloidea (la) ausgekleideten Boden des Retinabechers eine sphärische Höhlung, deren äquatorialer Durchmesser beinah doppelt so gross wie der axiale ist. Bis auf eine schmale Zone vorne und hinten, wird der ganze Mittelraum dieser Augenhöhlung oder Augenkammer von der hier auffallend grossen und im Ganzen kugelig erscheinenden Linse eingenommen, die ringsum von einer besondern Cuticula (lea) um- schlossen wird. Der übrig bleibende Raum der Höhle entspricht dann: dem sog. Glaskörper der Autoren. Nach Greeff fände man in diesem Raum nur im äquatorialen Umfang der Linse eine Art (zelliges) Gewebe, während der übrige und namentlich der hin- tere Theil von einer ganz homogenen (flüssigen?) Masse erfüllt wäre, indem Greeff diesen ganzen Raum auf seiner Uebersichts- figur einfach unausgefüllt lässt. Auf unserm Schnitt steht aber die Sache wesentlich anders. Ein deutlich zelliges Gewebe sehe ich nämlich nicht bloss im äquatorialen Umfang der Linse, sondern es istim intacten Zustand der gesammte Kammerraum von einem solchen erfüllt, das sich jedoch zuweilen in Folge der Härtung und partiellen Schrum- pfung stellenweise (an unserer Figur 1 rechts z. B.) vom Retina- becher oder seltener auch von der Linse ablöst. Das, was man Glaskörper nennt, ist also hier so gut wie beim Tra- cheatenstemma unzweifelhaft eine zellig differenzirte 256 V. Graber: oder organisirte Substanzlage. Da man im äquatorialen Um- kreis der Augenkammer, wo der Glaskörper allein eine grössere | Mächtigkeit erreicht, auch bei der sorgfältigsten Behandlung oft nichts Anderes als eine feinkörnige Masse mit eingestreuten Ker- nen erblickt, könnte man zunächst glauben, dass derselbe ein analo- ses Gewebe wie das Corpus vitreum der Wirbelthiere wäre. Dies ist aber keineswegs der Fall, sondern der Glaskörper ist nach meinen Erfahrungen nichts Anderes als ein Epithel, das im cen- tralen Theil (hinter der Linse) ziemlich niedrig ist, während es, eorrespondirend mit der Stäbchenschichte seitlich eine grössere Mächtigkeit erlangt. Am Besten erkennt man dies Verhalten in jenem schmalen Abschnitt, der sich hinten zwischen die Linse und der entspre- chenden tellerartigen Einsenkung der Retina einschiebt und in der Figur 1 mit gl bezeichnet ist. Bei geeigneter Behandlung sieht man in dieser von zwei Cu- tieularhäuten eingefassten Zone (Fig. 2 gl) eine Reihe von Kernen und zwischen denselben radiär, d. i. also senkrecht zur Fläche verlaufende Linien, die ihres gleiehmässigen Abstandes und ihrer ganzen Beschaffenheit wegen nichts Anderes als die Seitencon- turen von Zellen sein können. Die Deutung dieser Zone als einer epithelialen Schichte ist um so sicherer, als sie ihrem ganzen Habitus nach vollständig mit dem Integument-Epithel oder der Hypodermis (Hp) übereinstimmt. An den Rändern der tellerförmigen Grube, wo sich die in Rede stehende Glaskörperzone allmälich verdickt, erscheinen die radiär verlaufenden Zellgrenzen allerdings undeutlicher, stellenweise sieht man dieselben aber doch und überzeugt sich, dass die Zunahme in der Dicke der ganzen Schichte lediglich auf einer Verlängerung ihrer Elemente beruht. Nach dem lässt sich nun, wie mich dünkt, wohl kaum ver- kennen, dass zwischen dem Glaskörper des Aleiopiden-.und Tra- cheatenauges eine bedeutsame Aehnlichkeit herrscht, ja, die Ue- bereinstimmung wäre geradezu eine vollständige, wenn man sich die Aleiopiden-Linse mit der cornealen Integument-Öuticula ver- schmolzen denken dürfte. Letzteres ist aber bekanntlich sehon deswegen nicht zulässig, weil sich zwischen den genannten Theilen eine besondere Gewebs- lage einschiebt, deren nähere Beziehung einerseits zum Integument Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 257 und andererseits zum Glaskörper bei der uns hier beschäftigenden Frage den Ausschlag gibt. Leydig zeichnet auf der mehreitirten Abbildung zwischen dem vorderen Linsenrand und dem cormealen Abschnitt der In- tegument-Outieula nichts Anderes als eine Sehichte niederer Epithel- zellen, die sich als directe Fortsetzung der allgemeinen Hypoder- mis erweist, gibt aber gleich Greeff an, dass darunter noch eine nach der Zeichnung zu urtheilen, allerdings sehr dünne „homo- gene‘‘ Haut, nämlich die Fortsetzung der Selerotica liege, welche letztere aber, nach Greeff, bekanntlich gerade an dieser Stelle beträchtlich anschwellen und mit Kernen versehen sein soll. Ich selbst finde, wie Zeichnung 1 (Hp) darthut, die bewusste Schichte genau so, wie sie Leydig abbildet, d.i. als ein Epithel, war aber auch nach wiederholter und sorgfältigster Behandlung dieser Partie bisher niemals im Stande, ausser der Linsenkapsel noch eine zweite Cuticula zu sehen. Nur an einem, in Kalilauge stark aufgequollenen und sehr dünnen Schnitt (Fig. 1*), zeigte sich am Rande des cormealen Epi- thels, wo die Zellen (z) auffallend lang (0,04 mm) und gegen das genannte Reagens sehr resistent erscheinen, ein mitten durch sie hindurch gehender Riss, der sich noch weiter gegen die Mitte der Cornea zu ausdehnte. Das Wichtigste ist nun aber die Thatsache, dass dieser inte- gumentale Augentheil im Umkreis der Cornea durch keinerlei Zwi- schenlage vom eigentlichen Glaskörper getrennt ist, sondern (vgl. Fig. 1* Hp, gl) mit letzterem zusammen eine einzige, die Linse mantelartig umgebende Gewebszone darstellt. Bei Nereis werden wir uns ferner überzeugen, dass der gesammte lichtbrechende oder präretinale Augenkörper nichts Anderes als eine zapfenartige, in den Retinabecher vorspringende Verdiekung der Hypodermis ist, und so denke ich, haben wir kei- nen Grund, dem Gesammtglaskörper der Aleciopiden, trotz seiner höheren Differenzirung, eine andere Bedeutung beizulegen. An das Mitgetheilte schliesse ich noch einige Bemerkungen über den linsenartigen Binnenkörper. Mit Greeff unterscheide ich daran die Umhüllungshaut oder Linseneapsel und den eigentlichen Linsenkörper. Erstere ist, gleich der „Augenhaut‘“, eine vollkom- men strueturlose glattrandige und, so viel ich sehe, überall gleich dieke Membran, welche dem Linsenkörper überall unmittelbar an- Archiy f. mikrosk. Anatomie. Bd, 17, 17 2358 V. Graber: liegt und denselben scharf nach Aussen abgrenzt. Gleich der Augenhülle und der präretinalen Grenzlamelle (Fig. 2 la) färbt sie sich auch sehr rasch und intensiv in Carmin (Fig. 2 lca). Nach diesem ganzen Verhalten und da sie bei mehreren an- deren Würmern (Fig. 17 !k) deutlich geschichtet ist, darf sie wohl als eine Cutieularbildung bezeichnet werden. Ueber den Linsenkörper selbst sind mir nur wenige An- gaben bekannt. Leydig bezeichnet ihn als „granulär und ge- schiehtet“. Auf der einschlägigen Abbildung (Fig. 136 d) erscheint die Sehiehtung concentrisch und zwar sowie auch bei Greeff (9 Fig. 1 ce) gleichmässig durch die ganze Dicke der Linse. In beiden Figuren sieht man nebstdem eine Abthei- lung durch eine dunkle Kreislinie, und Greeff spricht ausdrück- lich von einer äusseren und inneren Schichte. An meinen Schnittpräparaten finde ich dagegen überall drei Schichten, die ich als Rinden-, Mittel- und Kernschichte bezeichne. Diese unterscheiden sich z. Th. schon durch ihre Färbung, indem sich die äusseren zwei Lagen ziemlich leicht mit Carmin imbibi- ren, während der Linsenkern auch nach langer Einwirkung der Tinetionsflüssigkeit die ursprüngliche gelblichbraune Osmiumfär- bung beibehält. Was zunächst den letzteren (Fig. 1 1k) anbelangt, so macht er den Eindruck eines völlig homogenen stark licht- brechenden Körpers, der von zahlreichen grösseren und kleineren Sprüngen durchsetzt ist. Stellenweise, namentlich nahe dem Rande, erscheinen letztere als z. Th. fast parallel mit der Peripherie verlaufende, also eoncentrische Linien, anderwärts aber nehmen sie einen ganz unregelmässigen theils welligen, theils zickzackförmigen Verlauf und die Kernsubstanz sieht häufig auch wie zerbröckelt aus. Dies Alles scheint mir nur mit der üblichen Annahme, dass der Kern der Aleiopidenlinse im natürlichen Zustand einen geschichteten Bau besitze, nieht wohl vereinbar zu sein; ich muss jedoch aus Mangel an frischem Untersuchungsmaterial die Entscheidung dieser Frage in der Schwebe lassen. Eigenthümlich erscheint die Structur der gegen den Kern hin scharf abgegrenzten Mittelschichte (Im). Im Gegensatz zum Kern, der, z. Th. wenigstens, wie ein grobfaseriges Gebilde aussieht, er- innert sie an ein feinbrilläres Gewebe, jedoch ohne Spur irgend einer Zell- oder Kernbildung. Die fast unmessbaren zarten Fäserchen oder Lamellen, aus denen sie zu bestehen scheint, laufen aber nicht Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 259 parallel dem Linsenumfang, sondern gleich den Windungen eines Kranzes, in schiefer Richtung von Innen nach Aussen und verlieren sich hier ohne scharfe Grenze in die Linsen- schale. Am Wenigsten klar bin ich über die Natur der letzteren. Bei schwacher Vergrösserung glaubt man allerdings nichts weiter als eine Lage feinkörniger Masse vor sich zu haben. Tingirt man aber mit Carmin, hellt dann gut in Kreosot oder Glycerin auf und mustert die betr. Zone anhaltend mit einem starken System, so erkennt man am Rande von Stelle zu Stelle grössere intensiver gefärbte Klümpchen, die z. Th. den Eindruck von Kernen machen. Dies und gewisse Andeutungen einer radiären Streifung der ganzen Schichte legen einem die weiterer Prüfung dringend empfohlene Frage nahe, ob man es vielleicht, analog wie an der Wirbelthier- nnd z. Th. auch an der Cephalopodenlinse, mit einem Epithel zu thun hat, dessen zellige Elemente sich nach Innen in die bewussten Faserzüge der Mittelschichte fortsetzen. Bei den übrigen Würmern habe ich indess nicht bloss keine solchen kern- ähnlichen Einlagerungen, sondern, im Gegentheil, Verhältnisse be- merkt, die mit der Annahme einer zelligen Constitution der Lin- senrinde absolut unvereinbar sind. Hinsichtlieh der chemisch - physikalischen Beschaffenheit der Linsensubstanz muss noch betont werden, dass sich dieselbe u. A. in Kalilauge relativ leichter auflöst als die zelligen Gewebe der Umgebung; das beweist hinlänglich, dass die Linse, falls sie überhaupt eine Cutieularbildung ist, auf keinen Fall mit gewissen, optisch z. Th. sich ganz analog verhaltenden chitinogenen Straten verglichen werden darf, wie denn überhaupt die Ausscheidungs- producte der Hypodermis chemisch von höchst ungleicher Qua- lität sind. Retina. Während der dioptrische Abschnitt des Aleiopidenauges, wie sich aus dem früheren ergibt, bisher nur sehr ungenau erforscht war, liegen über die Retina weit eingehendere und zuverlässigere Angaben vor, und ist insbesondere die Darstellung G@reeff's eine so genaue und zutreffende, dass ich mich im Folgenden hauptsäch- lich nur auf die Erörterung einiger, aber allerdings sehr wesentli- cher Differenz-Punkte beschränken kann. 260 V. Graber: An einem meridionalen Schnitte des Auges zeigt die Retina die Form eines Bechers, dessen breiter Boden ziemlich flach er- scheint, während seine Ränder gegen die Cornea zu sehr stark zusammenneigen. Der mittlere (centrale) Theil des Retinabodens, d. i. der hinter der Linse gelegene, zeigt sich ferner auf meinen Präparaten napfartig eingedrückt; möglicherweise ist aber diese Vertiefung, z. Th. wenigstens, auf die bei der Härtung sich ein- stellenden Niveauveränderungen zurückzuführen. Mit Greeff unterscheide ich dann an der Retina vier ver- schiedene etagenartig übereinanderliegende Schichten, nämlich von aussen!) (d. i. vom Glaskörper) nach Innen (gegen d. n. opt.) ge- hend 1. die Stäbchenschicht (Fig. 1 st), 2. die Pigmentschicht (pg), 3. Greeff’s kernhaltige Säulenschicht (gz) und 4. die Opticus- faserschicht (fa). Von diesen Straten ist die Stäbehen- und Säulenschieht im Ganzen die mächtigste, während die Pigment- schicht (am Schnitte) nur ein schmales Band zwischen beiden bildet. Die früher bezeichneten zwei Lagen bestehen aus längli- chen und unter einander gleichartigen Elementen, die pallisaden- artig nebeneinanderstehen und so das Aussehen eines Cylinderepi- thels bedingen. Die betreffenden Elemente sind ferner so ange- ordnet, dass die der äusseren Schichte, d. h. die Stäbchen, nach vorne und zwar gegen die Linse convergiren, während die der inneren Schichte, d. h. die Säulen, nach hinten gegen den Nervus opticus zusammenneigen. Daraus ergibt sicht von selbst, dass die Stäbchen der cen- tralen Partie (d. i. der Retinagrube) in der geraden Fortsetzung der Säulen liegen, während beiderlei Elemente an den peripheri- schen Regionen unter einem mehr oder weniger grossen Winkel aneinanderstossen, ein Verhältniss, das in der Greeff’schen Ue- bersichtsfigur (1) nicht präeise genug dargestellt ist. Dagegen sieht man auch hier, ähnlich wie an unserer Zeichnung, dass jenes centrale Segment der Retina, welches der Cornea gerade gegen- 1) Es scheint mir ganz unzweifelhaft, dass meine Bezeichnung der räumlichen Verhältnisse, nach welcher die dem Intugement zugekehrte und zugleich terminale Retinaseite als die äussere genommen wird, wenigstens am Auge der meisten Wirbellosen weit logischer ist als die umgekehrte, welche die Höhlung des Netzhautbechers als Ausgangspunct der Örientirung, d. i. als Inneres auffasst. Eine Einheitlichkeit in dieser Beziehung wäre dringend zu wünschen. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 261 überliegt, auffallend dünner ist wie die übrige Partie, und dass diese Verdünnung in gleicher Weise sowohl die Stäbchen- als die Säulenschicht betrifft. Während nämlich erstere z. B. an den Rän- dern des Retinabodens, wo sie am mächtigsten ist, bei 0,06 mm Dicke hat, misst sie an der schmalsten Stelle nur 0,03—0,04 mm, und analog verhält es sich mit der Säulenschichte. Bearbeitet man eine Partie (Seetor) eines dünnen Retina-Tie- fenschnittes, nach vorheriger Maceration mit Nadeln, so findet in der Regel eine Lockerung des Zusammenhanges in der Weise statt, dass sich die Stäbehen- oder auch die Säulenschichte von der Pigmentzone abhebt, während eine Trennung in radialer Richtung viel seltener vorkommt. Darnach scheint es, als ob die betreffenden drei Schichten vollkommen selbständige, d. i. unter einander nicht continuirlich verbundene Lagen wären. Bei ent- sprechender Behandlung gelingt es indess doch bisweilen auch eine radiäre Zerspaltung und zwar durch die gesammte Dicke der Retina herbeizuführen. Im günstigsten Falle erhält man dann Elemente, wie ein solches in Fig. 2 bei e (von Greeff in seiner Figur 7) dargestellt ist. Man sieht hier ein langes pallisadenför- miges Gebilde, das, der allgemeinen Retina-Schichtung entspre- chend, in drei Hauptabschnitte zerfällt, nämlich in einen äus- seren, das Stäbehen, in einen mittleren, das pigmentirte Einsatz- stück und in einen inneren, die Säule, welche letztere sich in eine Optieusfaser (fa) fortsetzt. Diese Abschnitte haben wir nun näher zu betrachten, wobei wir gleichfalls wieder die Angaben Greeff's zu Grunde legen. Die Stäbehen zeigen nach Greeff bei den von ihm unter- suchten Aleiopiden „zwei von einander verschiedene Formen“, die aber, so viel man aus Greeff’s Arbeit entnimmt, niemals ne- beneinander vorkommen, wenn auch, wie wir noch hören werden, eine und dieselbe Stäbehenform in den verschiedenen Re- gionen einer und derselben Retina gewisse, aber von mir nicht nä- her studirte Modificationen darbietet. Die eine häufigste Stäbehenform bezeichnet er als lange, dünne eylindrische Pallisaden (Stäbchen i. e. S.), die an- dere, die er, wie es scheint, nur bei Nauphanta celox Greeff beob- achtete, als Kolben. Was nun zunächst die „eylindrischen Stäbchen“ anlangt, so betrachtet es Greeff als die erste auffallende Erscheinung, dass 2362 V. Graber: dieselben keine gleichmässig zusammengesetzten soliden Gebilde sind, sondern aus einer äusseren, festeren, homoge- nen Wandung oder Rindenschicht und einer hiervon ver- schiedenen weicheren, mehr oder minder körnigen Innen- schicht bestehen, mit anderen Worten, dass sie mit einem wei- chen Inhalt erfüllte diekwandige Röhren sind. Diese Thatsache ergibt sich nach Greeff u. A. aus Folgen- dem. Erstens einmal aus dem Umstande, dass die Stäbchen, was ich selbst allerdings nie beobachtete, aber durchaus nicht bezweifle, in ihrem innern Längskanal mit demselben Farbstoff erfüllt sind, den man in der eigentlichen Pigmentschicht vorfindet. Am Besten überzeugt man sich aber vom tubulösen Charakter dieser Gebilde an günstigen Querschnitten, wie solche, mit Immers. III. besehen, auch unsere Figur 5 A darstellt. Man unterscheidet hier deutlich die dicke, homogene und sehr stark liehtbrechende Rindenschicht und dann das von ihr umschlossene Lumen mit dem körnigen Inhalt, in dem bisweilen einige grössere stark lichtbreehende, wohl durch Gerin- nung entstandene Bröckelchen auffallen. Mit diesem Verhalten harmoniren auch die Längsansichten bei verschiedener Einstellung, indem man z. B. im optischen Durehsehnitt, allerdings nur mit sehr guten Systemen, das Stäbehen von zwei ziemlich breiten und glänzenden Leisten begrenzt findet. Mit Bezug auf eine weitere Eigenthümlichkeit der Stäbehen möcht’ ich hier zunächst betreffs der Form derselben darauf hin- weisen, dass dieselben nach meinen Beobachtungen nicht, wie dies Greeff angibt, der ganzen Länge nach eylindrisch, sondern we- nigstens nach Innen zu deutlich prismatisch und zwar meist sechs- kantig sind. Dies ergibt sich einmal aus dem betreffenden Querschnitt (Fig. 5 B), und dann auch aus gewissen Flächenansichten. Bei einer bestimmten Einstellung sieht man nämlich schein- bar im Längskanal des Stäbehens eine feine dunkle Linie, die Greeff (vgl. s. Figur 4 u. 7) auf einen zarten, mit dem n. optieus verbundenen Axenfaden bezieht, auf den ich noch später zurück- komme. Ich muss nun bemerken, dass ich mehrmals bei Verschie- bung des Tubus, neben dieser einen Linie noch eine zweite mit ersterer kaum in Zusammenhang zu bringende, wahrnahm und glaube ich, dass diese Linien nur auf die Kanten des prismatischen Stäbchens bezogen werden können. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 263 Die bereits angezeigte Eigenthümliehkeit der Stäbehen ist nun die, dass ihre Wandung, die nach Greeff im frischen Zustand vollkommen glatt und homogen sein soll, nach Behandlung mit den üblichen Conservirungs- und Härtungsreagentien (Chromsäure, Alcohol, Osmiumsäure ete.) eine von Greeff als Quersteifung be- zeichnete Differenzirung darbietet. Da Greeff diesen Zustand auf seinen Fig. 5 u. 6 nur ganz beiläufig wiedergibt, dürfte eine etwas genauere Abbildung, wie sie unsere Figur 4* bietet, nieht unwillkommen sein. Sie gibt (nach Zeiss Immers. III. Oe. IV) das Stäbchen im op- tischen Längsschnitt. Im Vergleieh zum körnigen und ziemlich matten Inhalt erscheint hier nun die Wandschicht resp. Wand- leiste (w*) stark liehtbrechend und zwar (an mit Osmium behan- delten Objeeten) gelblich. Diese Wand- oder Stäbehensubstanz bildet aber, wenn man recht scharf einstellt, kein Continuum, son- dern löst sich in schmale Balken auf, die wechselweise durch minder stark lichtbrechende und völlig farblose, gleichsam als Lücken erscheinende Zwischenstücke getrennt sind. Darnach scheint also die Stäbehenwand eine analoge Plätt- chenstruetur zu besitzen, wie bei vielen anderen Augen. Mit Bezug auf Greeffs Darstellung in Fig. 5, wo er die ab- wechselnd helleren und dunkleren Querstreifen sich ringförmig um das Stäbchen ziehen lässt, muss ich aber bemerken, dass ich der- gleichen nie gesehen, sondern mich überzeugt zu haben glaube, dass jede der sechs Seitenwände ihre besondere Streifung hat. Am Prägnantesten sah ich die in Rede stehende Struetur nach Behandlung mit 35°/ Kalilauge; im Uebrigen ist die Streifung oft sehr unscheinbar. Besonders sei dann noch angemerkt, dass diese Gebilde im Gegensatz zu den oft starren und leicht zerbreehlichen Stäbchen gewisser anderer Thiere sich als ausserordentlich zäh und biegsam erweisen). Was schliesslich die sog. kolbenförmigen Stäbehen, die wir 1) Auf Grund eigener Beobachtungen möcht’ ich bezweifeln, dass die Stäbchen des Schneckenauges wie Simroth (Sinnesorgane der einh. Mollus- ken) angibt, je sich abblättern; die einschlägigen Bilder lassen eine ganz an- dere Deutung zu, und die betr. Augen selbst bedürfen noch gar sehr einer methodischeren Untersuchung. 264 V. Graber: selbst nicht zu beobachten Gelegenheit hatten, anbetrifft, so glei- chen sie nach Greeff ihrer Structur nach im Wesentlichen den pallisadenförmigen, nur mit dem Unterschied, dass ihre Wan- dung in einiger Entfernung vom innern zugespitzten Ende durch locale Verdiekung sich derart differenzirt, dass sie am Querschnitt das Bild zweier dieker, durch eine schmale dünne Haut verbundener Halbringe, beziehungsweise in toto das einer geöffneten Pincette gibt. Von den übrigen zwei Retinalagen wollen wir zunächst die basale oder Säulenschicht in Augenschein nehmen. Dieselbe ist unstreitig relativ am leichtesten zu erforschen und fallen hier auch im Wesentlichen meine Beobachtungen mit jenen Greeff’s zusammen, aus dessen Darstellung ich folgende Hauptpuncte hervorhebe. Die Basalschichte (Fig. 1 gz, Fig. 3 bas) besteht aus hart aneinanderliegenden, in ihrem äusseren Abschnitt sechskantigen Schläuchen, die sich gegen die Pigmentschichte zu etwas ver- schmächtigen, während sie nach Innen z. Th. wohl in Anpassung an den weiteren Raum schwach kolbenförmig anschwellen. Weiter nach Innen verengern sie sich dann wieder und gehen schliesslich in der aus der Fig. 2 fa‘ ersichtlichen Weise je in eine Faser des Optieus über. Das Wichtigste an diesen Schläuchen ist aber der Umstand, dass jeder derselben mit einem besonderen deutlichen Kern ver- sehen ist, welcher in dem kolbenartig erweiterten Basaltheil oder Fuss des Schlauches liegt. Greeff beschreibt diese Kerne (Fig. 4* gk) als „länglich oval scharf (doppelt!) konturirt und versehen mit einem kleinen glän- zenden Kernkörperchen“. Bei einigen Aleiopiden z. B. bei Nau- phanta celox ist ferner nach Greeff der äussere (unser innerer) den Kern enthaltende Theil der „Säule‘‘ mit einer viel dunkleren und grobkörnigeren Substanz erfüllt als der mittlere und innere Theil (s. Fig. 13), und tritt daher bei Durchschnitten durch die sanze Retina dieser Theil zuweilen als eine besondere dunkel sranulirte Schicht hervor. Mit Bezug auf das angegebene Verhalten betrachtet nun Greeff die „kernhaltige Säule“ als eine „wirkliche (Seh-)Zelle‘“ und ist vom rein anatomischen Standpunet aus, da er sonst inner- halb der gesammten Pallisadenschichte keine weitere Kernlage Morpholog. Untersueh. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 265 nachzuweisen vermochte, „geneigt, die ganze Retina des Aleio- pidenauges, die Stäbehen-, Pigment- und kernhaltige Säulenschiecht als eine einzige Zellsehicht, d. h. als aus einer einzigen Zellschicht hervorgewachsen anzusehen“. Wie man sieht, kommt hier Greeff im Wesentlichen genau zur selben Anschauung, wie sie Grenacher später, und wie es scheint ganz unabhängig von ihm, auf Grund der umfassendsten Untersuchungen für das Arthropodenauge entwickelt hat und die Hauptaufgabe dieser Schrift ist es bekanntlich, die Zulässigkeit dieser Auffassung näher zu prüfen und zu erörtern. Nach Grenacher ist bekanntlich die Arthropoden-Retina im Allgemeinen eine mehr oder weniger epithelartige Schichte einfacher, d. h. stets nur einen einzigen Kern führender Zellen. Diese nach ihm aus dem Integument abzuleitenden Retina- zellen hätten aber, und wohl durch Anpassung an die Sehfunetion, verschiedene Differenzirungen erlitten, von welchen wir auf bei- stehendem Holzschnitt (II) nur dreierlei Formen vorführen. Die Erklärung von Holzschnitt II. Schemata von Retinalschläuchen der Tracheaten-Würmer. A. B. C. D. E. F. G ak äusserer. mk mittlerer, bk Basal-Kern, pg Pigment, wst parietales, xst axiales Stäbchen, xf Axenfadeu innerhalb des Röhrenstäbchens. Phryganea grandis nach Grenacher (16) Fig. 35. Dytiscus-Larve 2 + » 23hundall. Epeira Vorderauge ,„ > u! „ Hinterauge , ss „ 20. Scorpio nach mir. Alciope nach Greeff (9) Fig. 7. e mr: 9366 V. Graber: einfachste ist die aus dem Phryganen-Stemma (A). Wir haben hier eine sozusagen noch ganz indifferente oder unentwickelte Sehzelle. Die zwei anderen Formen (B u. C) sind dagegen diffe- renzirte. Als solche erweisen sie sieh nämlich 1. durch die Ab- lagerung von lichtabsorbirendem Pigment und 2. durch die Bildung stark lichtbrechender Theile, vornehmlich im Vorderabschnitt der Sehzelle. Die Beschaffenheit dieser stark lichtbreehenden Ablagerungen ist aber bei unsern zwei Typen verschieden. Beim ersten Ty- pus (Dytiseus B) ist der betreffende Theil nichts Anderes als die verdiekte Wand des vorderen Sehzelienabschnittes. Wir bezeich- nen diese Bildung als parietales und wenn die Verdickung um das Zellende einen geschlossenen Mantel darstellt, als Röh- renstäbchen. Dabei dringt das Pigment zuweilen (vgl. Gre- nacher Fig. 9 u. 11) auch in das Innere des Stäbchens ein. Beim zweiten Typus dagegen (©, D) erscheint der analoge Theil als ein im Ganzen solider und selbständiger d. i. dem Zell- inhalt eingelagerter, mehr weniger stabförmiger Körper. Wir be- zeichnen diesen als Stäbchen im engeren Sinne, oder als axiales, und bemerke man, dass hier das Pigment peripherisch um das Stäbchen abgelagert ist. Aus der Vergleichung der verschiedenen von Grenacher nachgewiesenen Stäbchen zumal am Facettauge (z. B. s. Fig. 45 u. 47) scheint übrigens zur Evidenz hervorzugehen, dass die bezeich- neten zwei extremen Typen von Stäbchen nur der Form und Lage nicht aber dem Wesen nach von einander verschieden sind. Betrachtet man nun im Zusammenhalt mit den skizzirten zwei Formen von Sehzellen das Retinaelement der Alciopiden, so wird Niemand läugnen, dass dasselbe in der That eine grosse Aehnlich- keit namentlich mit der ersteren Form d. i. mit der Sehzelle von Dytiseus verräth. Wie diese besitzt es ja einen schlauchartigen mit einem srossen deutlichen Kern versehenen Hinter- und einen zu einem- Röhrenstäbchen differenzirten Vorderabschnitt. Ein Unterschied ergäbe sich zunächst nur, wenigstens unter Zugrundelegung des Greeff’schen Schemas (Holzschnitt F), im Ver- halten der pigmentirten Zone. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 267 Während nämlich bei Dytiscus das gesammte Pigment als ein Differenzirungsproduct des Zellinhaltes erscheint, befände sich dasselbe bei Aleiope, z. Th. wenigstens ausserhalb des Retinalschlauches. In dem Sinne muss ich wenigstens Greeff’s Fig. 7 deuten, wo der kugelige zwischen Stäbchen und Säule ein- geschaltete Pigmentkörper (Fig. F pg) äusserlich von keiner Membran umgeben ist und dann dessen Bemerkungen p. 126 und 129, wo davon gesprochen wird, dass sowohl die Stäbchen, als die Säulen mit ihrem verjüngten Ende in die „ballenförmigen“ Pig- mentkörper eintauchen und dureh dieselben mit einander verbunden werden. Diese Anschauung Greeff's, nach welcher sich die „Pigment- körper“ offenbar weniger als verbindende denn vielmehr als tren- nende Zwischenglieder oder Diaphysen zwischen den Stäbchen und Säulen herausstellten, ist nun allerdings, wie ich gleich zeigen ‚werde, nicht richtig; allein ich machte gerade an dieser Mittel- zone noch andere Beobachtungen, die der bisherigen Auf- fassung der Retinalschläuche der Aleiopiden nichts weniger als günstig sind. An feinen Tiefenschnitten durch die unentfärbte Retina erhält man bezüglich der Pigmentschichte in der Regel ähnliche Bilder wie sie Greeff auf Fig. 2, 3 und 9—11 darstellt. Insbesondere ist dabei beachtenswerth, dass die einzelnen Elemente dieser Lage mindestens ebenso breit als die Stäbehenenden erscheinen, und, wenigstens an den axialen Theilen der Retina, seitlich ganz hart aneinanderstossen. Im Gegensatz zu Greeff muss ich aber zunächst hervor- heben, dass nach meiner Erfahrung diese Elemente der Pigment- zone, wenigstens in ihrer natürlichen Lage, keine kugeligen „Ballen“, sondern kurze prismatische Gebilde sind. Dies ergibt sich einmal und zwar zur Evidenz aus der leicht zu beschaffenden Flächenan- sicht derselben. Hier erscheinen sie nämlich (Fig. 6 pg) nicht kreisrund, sondern als polygonale und zwar meist sechseckige Plättehen. Für die bezeichnete Form spricht aber auch die Längs- ansicht, insofern man auch hier keine kreisförmige, sondern eine viereckige und zwar je nach der Retina-Region, bald mehr qua- dratische, bald mehr in die Länge gezogene also rechtwinkelige Umgrenzung sieht. 268 V. Graber: An einigen besonders gelungenen Zupfpräparaten bemerkte ich dann ferner auf beiden Längsseiten des „Pigmentkörpers“ eine allerdings sehr zarte Membran, die ich nach hinten direct in die Wand der Säule verfolgen konnte. Dies spricht nun offenbar gegen die Greeff’sche Auffassung (p. 129), nach welcher die kernhaltige Säule mit ihrem verjüngten Ende in den Pigmentkörper ein- dringen soll, und deutet darauf hin, dass letzterer selbst nur ein Inhaltsbestandtheil des Retinalschlauches ist. Dass der Pigmentkörper aber in der That auch in seinem ganzen (seitlichen) Umfang von einer Fortsetzung der Säulen-Wan- dung umgeben ist, zeigt dann am evidentesten wieder die schon erwähnte Flächenansicht, wo man um jeden Pigmentfleck einen schmalen ungefärbten Rahmen findet und bei tieferer Einstellung (an etwas schief liegenden Präparaten) sich unschwer überzeugt, dass diese Pigmentkörperhülle continuirlich in die der Säulen übergeht. Entscheidend für die ganze uns hier beschäftigende Frage ist aber das Bild der pigmentirten Zwischenlage nach Behandlung mit Kalilauge. Während in diesem Reagens, wenigstens an unseren Osmium- Präparaten, die Stäbchen- und Säulenschicht ihr ursprüngliches gelblichbraunes Aussehen beibehalten, hellt sich unter Lösung des Pigmentes die Mittellage so stark auf, dass es, namentlich bei schwacher Vergrösserung, den Anschein gewinnt, als ob die beiden übrigen genannten Schichten durch eine Spalte von einander ge- trennt wären. Besichtigt man nun diese helle Zone bei sehr starker Ver- srösserung, so erscheint sie (Fig. 4) als ein fast farbloses schwach kör- niges Band, das in regelmässigen der Stäbchenbreite entsprechenden Distanzen von dunkeln Querlinien durchzogen wird. Da nun letztere genau mit den Seitenrändern der Stäbchen und Säulen zusammenfallen, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die betreffenden Abtheilungen den die Pigmentkörper beherber- senden prismatischen Fächern oder Schlauchtheilen entsprechen. An solchen für die Beobachtung dieser Zone besonders gün- stigen Strecken, wo sich die Stäbchen abgelöst haben, sieht man ferner in der Regel am Vorder- (Aussen-) Rande der Mittellage eine gelblichglänzende schmale Leiste, die leicht für eine beson- Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 269 dere diese Schichte abgrenzende Cutieula gehalten werden könnte ; ich glaube indess, dass dieser Saum entweder der optische Aus- druck des z. Th. in Folge der Präparation etwas umgeschlagenen Randes dieser dünnhäutigen Fächer ist, oder dass sie durch Ab- trennung der Basaltheile der Stäbchen entstehen. Die Möglichkeit des Vorkommens einer besonderen dünnen Grenzlamelle, die dann aber jedenfalls siebartig durchbrochen sein müsste, möchte ich indess, da mir die genannten Erklärungen nicht vollständig genügen, doch nicht unbedingt ausschliessen ?). Ich komme endlich zur Hauptsache, nämlich zum Nachweis, dass jedes der Fächer der Pigmentzone, oder, wenn man will, jeder Pigmentkörper ein besonderes Inhaltsgebilde besitzt, das ich seinem ganzen Verhalten nach als einen Kern betrachten muss. Am Besten erkennt man zunächst diese Gebilde an der schon erwähnten Flächenansicht der nicht entfärbten Pigmentzone, na- mentlich nach vorheriger Aufhellung in Carbolsäure. Man sieht da bei schwacher Vergrösserung eine dunkelbraune körnige Lage, die sich bei starker Vergrösserung in die bereits früher erwähnte Mosaik polygonaler Täfelchen auflöst. In jedem dieser braunen Täfelehen bemerkt man nun, wie Figur 6 lehrt, einen besonderen kreisrunden Binnenkörper, dessen Durchmesser (0,0028), ungefähr die Hälfte vom Diame- ter des ganzen Täfelchens beträgt. Durch verschiedene Einstellun- gen belehrt man sich ferner, dass diese Körper kugelig sind. Bei hoher Einstellung zeigt sich zunächst eine braune etwas glänzende Kuppe; bei mittlerer hingegen das bekannte Bild eines doppeltkon- turirten, also von einer eigenen Randschicht umgebenen Bläschens. Der Inhalt dieses Bläschens ist viel heller als die Umgebung und zeigt eine körnige Masse, zuweilen mit der Andeutung eines grös- seren stark glänzenden Korns. Die braune Färbung dieser Bläs- chen bei hoher (und auch bei tiefer) Einstellung erkläre ich mir aus der Umlagerung von Pigmentkörnern. 1) Dies um so weniger, als z. B. auch bei den Cephalopoden eine solche limitans sicher vorkommt; hier aber, wenigstens bei Nautilus und Sepia nicht an der äusseren, sondern an der inneren Seite der Mittelzone. Mög- licherweise gibt es aber gelegentlich sogar zwei Grenzhäute. 270 V. Graber: Das ganze Bild erinnert offenbar an die Flächenansicht eines Pilasterepithels, und ich wüsste vorab keinen stichhaltigen Grund gegen die Annahme, dass die gewissen hellen Bläschen eben die Kerne dieser zellähnlichen Elemente seien. Nach einer Stelle bei Greeff (p. 126) zu urtheilen, müssen übri- gens auch diesem Forscher ähnliche Ansichten vorgekommen sein, er legt dieselben aber ganz anders aus. Die „meist sehr kleinen hellen Flecke“, die er zuweilen aus dem Innern der Pigmentkörper her- vorleuchten sah, und von denen ich glaube, dass sie mit meinen Bläschen identisch seien, wären nämlich nach ihm „entschieden keine Kerne“, sondern entsprächen der Eintrittsstelle des (von ihm stark verjüngt gedachten) Stäbchenendes (in die Pigment- zone) und der Verbindung desselben mit der folgenden kernhalti- gen „Säulenschicht“. Dass diese Auffassung aber nicht richtig, ergibt sich schon aus dem Früheren, am Allerbestimmtesten aber aus dem obener- wähnten mit Kalilauge entfärbten Tiefenschnitte Fig 4. Man beachte hier vor Allem 1. dass die innern Stäbchenen- den nicht verjüngt, sondern ebenso breit sind wie auf der übrigen Strecke und 2. dass das Stäbehen überhaupt nicht in die Pigmentkörper eintaucht, sondern mit seiner ganzen Endfläche (st) an das prismatische Pigmentfach und durch dieses an die Säule angestückelt ist. Dass der gewisse. „helle Fleck“ des Pigmentkörpers aber nicht etwa der Endfläche des Stäbchens entspricht, ergibt sich einmal daraus, dass diese Endfläche (st;) nicht kreisrund, sondern mehr oder weniger polygonal, und 2. das sie circa um die Hälfte breiter ist als der Durchmesser unserer Bläschen. Entscheidend ist aber der Umstand, dass sich diese Gebilde, wie eben unser Schnitt zeigt, als wirkliche selbständige Inhalts- körper der Pigmentzonenfächer darstellen. Im Anfang der Kalieinwirkung und mit starken Systemen sieht man nämlich in jedem dieser Fächer ein blasskörniges aber später oft ganz hell werdendes Kügelchen, das seiner Grösse und seines übrigen Verhaltens wegen mit dem kernartigen Binnenbläschen der beschriebenen Flächenansicht identifieirt werden muss. Schliesslich darf nicht vergessen werden, dass sich diese Formelemente, wie Fig. 3mk und Fig. 4mk, zeigen, auffallend schnell und intensiv mit verschiedenen Pigmenten, namentlich mit Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 271 Carmin, färben, und dies lässt denn wohl im Zusammenhalt mit dem früher Bemerkten keinen anderen Schluss zu, als dass es wirkliche Kerne sind ). Die Aleiopiden - Retina besitzt aber nicht bloss zwei Kern- schichten, es ist mir gelungen an derselben noch eine dritte nach- zuweisen. Dieselbe entspricht jener bekannten präbacillären Zone der Tracheaten-Retina, über die ich (17) seinerzeit das Nähere mit- theilte, und schicke ich zum besseren Verständniss der ganzen Sachlage hierüber Folgendes voraus. Wie wir schon gehört, besässe nach Grenacher jedes Re- tinaelement stets nur einen einzigen distineten Kern. Dieser Kern sollte aber — und das ist gewiss sehr auffallend — bald vor (Holz- schnitt D), bald hinter dem Stäbchen (C) sich befinden. Dieser Umstand bewog mich nun zur Nachforschung, ob nicht vielleicht doch der Retinaschlauch an jedem der bezeichneten Stellen einen Kern hat. Bei mehreren Formen, insbesondere aber bei den Scorpioni- den, glaubte ich mich dann auf das Sicherste überzeugt zu haben, dass’dies in der That der Fall, der Retinaschlauch also keine einfache Zelle, sondern ein zusammengesetztes, zweikerniges Ge- bilde (Holzsehnitt E) ist. In Uebereinstimmung mit Leydig, Greeff und mit Bezug auf gewisse analoge Verhältnisse an den tympanalen Sinnesappa- raten der Orthopteren bezeichnete ich dann den hinteren (inneren) Abschnitt des Retinaschlauches als Ganglienzelle, den vorderen (äusseren) stäbehenführenden vorläufig als Endschlauch i. e. S. Ich sage „vorläufig“, weil ich hier noch Andeutungen eines dritten (mittleren) Kerns fand (am deutlichsten bei Scolopendra Holzschnitt Emk) und die definitive Bezeichnung der durch diese drei verschiedenen Kerne markirten Schlauch-Theile bis zur Voll- endung neuer Untersuchungen suspendiren wollte. Indem ich nun auf den Nachweis der gewissen Vorderkern- zone der Aleiopiden-Retina übergehe, muss ich noch erwähnen, 1) Wenn Grenacher (p. 161) sagt, dass ihm, in Uebereinstimmung mit Greeff die Pigmentzone nicht als ein „besonderes Stratum‘ erscheine, so ist der gesperrt gedruckte Beisatz nach dem Obigen insofern nicht ganz richtig als ja Greeff den „Pigmentkörper“ nicht als Inhalt des Retinaschlauches, sondern als einen gesonderten Substanzballen, in welchen Stäbchen und Säule eintauchen, auffasst. 272 V. Graber: dass bereits frühere Forscher und insbesondere Greeff an der betreffenden Region der Stäbchenschichte eine eigenthümliche Differenzirung bemerkt hatten. Letzterer erwähnt nämlich u. A., dass dem äusseren Ende der Retina-Pallisaden ‚zuweilen ein be- sonderes epiphysenartiges Glied angefügt“ sei, das „wohl auch durch leichte Anschwellung oder gelbe Farbe gewissermassen als Köpfchen hervortritt“. Aus seiner einschlägigen Figur 2 u. 8 so- wie aus dem Texte ist aber zu entnehmen, dass sich Greeff die- ses Köpfehen, das nach ihm ohnehin nur „zuweilen“ zur Beob- achtung gelangen soll, durchaus nicht als einen völlig selbständigen d. i. vom eigentlichen Stäbchen verschiedenen Bestandtheil, son- dern eben nur als ein mehr oder weniger „abgeschnürtes“ End- stück des letzteren vorstellt. Die eigenen Beobachtungen betreffend, mache ich zunächst darauf aufmerksam, dass die in Rede stehende äussere Grenzzone der Stäbehenschichte namentlich aber beiminder starkerVergrösserung und an diekeren und wenig aufgehellten Schnitten in der Regel vom übrigen Theile sich so wenig unterscheidet, dass deren völli- ses Uebersehen leicht zu erklären ist. Bei Anwendung sehr starker Systeme und guter Beleuchtung überzeugt man sich indess doch bald, auch an minder günstigen Präparaten, dass der äussere Retinasaum etwa in einer Breite, die jener eines Stäbchens gleich ist, eine etwas andere Beschaffenheit hat. Dieser, wie wir eben gehört, relativ sehr schmale Saum er- scheint nämlich bei hoher Einstellung heller und glänzender, wei mittlerer dagegen dunkler und matter als die übrige Schichte, und sieht man in derselben noch ausserdem, aber erst, wenn man eigens darauf achtet, und auch nur stellenweise, kleine kernartige Inhalts- körper. Eine genauere Vorstellung vom Verhalten dieser Randschichte erhält man aber erst an völlig isolirten Pallisaden, die man am Sichersten durch Zerzupfung möglichst dünner und gut mace- rirter Schnitte erhält. Hier sieht man vor Allem (Fig. 4*), dass die dicke stark licht- brechende Wand des Stäbehens und also letzteres selbst nicht ganz bis zur Grenzlamelle reicht, sondern dass der Retinaschlauch auf der gewissen kurzen Endstrecke ein ähnliches Verhalten zeigt, wie hinter dem Stäbchen. Daraus erklärt sich nun, wesshalb sich die betreffende Zone an diekeren Schnitten, wo mehrere solcher Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 273 relativ dünnwandiger Ansatzstücke übereinanderliegen und sich die Unterschiede im optischen Verhalten summiren, als ein von der übrigen Schichte gesondertes Band darstellt. Nebstdem bemerkt man dann in diesem blindsackartigen Stäbehen-Anhang, wenn auch oft nur undeutlich, ein besonde- res Binnenkörperchen. Dasselbe ist kugelrund, nimmt ungefähr ?/; der Schlauch- breite ein und erscheint (an Osmiumpräparaten) stärker glänzend und mehr gelblich als der übrige feinkörnige Inhalt dieser Partie, welcher unmittelbar in die übrige granuläre Stäbchen-Substanz übergeht. Da mehrere Forscher (wie z. B. Greeff vom gleichen Ob- jeete und Simroth von manchen Mollusken) angeben, dass an frischen Stäbchen der Inhalt bisweilen in Form von Tropfen her- vorquillt, könnte man leicht versucht sein, auch die in Rede ste- henden Binnenkörperchen als solche, oder mit Greeff überhaupt als integrirende Theile resp. als sog. Aussenglieder der Stäbchen selbst anzusprechen. Dem gegenüber muss ich nun einen besonderen Nachdruck auf die wiederholt von mir geprüfte Thatsache legen, dass auch diese Inhaltskörper, ähnlich wie die der Pigmentzone bei der Tinetion ' sich einerseits ganz anders verhalten, als die eigentlichen Stäbchen während sie atdererseits in dieser Beziehung vollständig das Ver- halten echter Kerne darbieten. Legt man, um sich hiervon zu überzeugen, einen Retinaschnitt in eine Carminsolution, so erscheint der gewisse Saum alsbald in- tensiv roth gefärbt (Fig. 3 vk), indess die eigentliche Stäbchen- schichte das Pigment nur sehr langsam aufnimmt. Sehr lehrreieh ist dann auch die Vergleichung einer solchen tingirten Grenzzone mit der dünnen Glaskörperschichte hinter dem Linsenkörper. Bis auf die ungleiche Dieke zeigen näm- lich beide einen ganz übereinstimmenden Typus und sind insbe- sondere, wie die nach einem äusserst gelungenen Präparat gezeich- nete Fig. 2 lehrt, die bereits als unzweifelhafte Kerne erkannten Gebilde des Glaskörperepithels (gl) den gewissen Elementen der terminalen Retinaschicht so ausserordentlieh ähnlich, dass schon ein hoher Grad Scepsis dazu gehören würde, wollte man letzte- Archv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 15 274 V. Graber: ren, nur desshalb weil sie unter ungünstigen Umständen in der That sehr schwer zu sehen sind, die Kernnatur streitig machen?). Fassen wir nun die hinsichtlich der Retinapallisaden gemach- ten Mittheilungen zusammen, so können wir uns etwa so äus- drücken: dieselben sind keine einfachen Zellen ?), wohl aber, allem Anschein nach wenigstens, einer röhrigen Zelle vergleichbare, d. i. eontinuirlicehe Schläuche. Diese Schläuche gliedern sich in drei je mit einem besonderen Kern versehene Theile, die ich in Kürze als ganglionären oder basalen, als pigmentirten oder medialen und als baeilliferen oder terminalen Abschnitt bezeichne. Zum Schlusse haben wir noch einmal auf die Stäbchen zu- rückzukommen und zwar mit Rücksicht auf die hochwichtige Frage, ob dieselben und zwar vermöge der Beschaffenheit, die ihnen Gren- acher beilegt, wirklich, wie eben dieser Forscher behauptet, die eigentlichen Perceptionsgebilde sind, in denen (p. 143) „die Um- wandlung der Aetherwellenbewegung in Nervenerregung“ stattfin- det, oder ob zu diesem Behufe, wenigstens unter bestimmten Um- ständen, noch ein neues von Grenacher unbeachtet gebliebenes Element hinzutritt. 1) Nach Greeff sollen sich die Endstücke der Stäbchen gegen die Iris hin „zu breiten scheibenförmigen, häufig etwas vertieften Köpfchen ausbreiten“, die sich, während die Stäbchen selbst immer weitere Zwischenräume zwischen sich lassen sollen, mit ihren Rändern noch berühren und schliesslich, wie es Greeff scheint, unter völligem Eingehen des eigentlichen Stäbchens allein noch als „Platten oder Scheiben‘ übrig bleiben. Er bemerkt aber noch ausdrücklich, dass er „auch diese Scheiben und Platten nicht als von dem übrigen Theil des Stäbchens ge- trennte, besondere Endglieder erkennen konnte.“ Bei A. Contrainii habe ich dergleichen Stäbchenformen vielleicht, weilich die Randpartieen des Netzhaut-Kelches überhaupt nicht näher zu untersuchen Gelegenheit fand, nie bemerkt, möchte aber doch bezweifeln, ob sie sich wirk- lich so verhalten wie Greeff angibt. Die Möglichkeit dagegen, dass die re- tinale Aussenkernlage unter allmäliger Verkürzung der Stäbchen schliesslich unmittelbar auf die pigmentirte Mittelkernlage zu liegen komme, will ich keineswegs in Abrede stellen. 2) Grenacher behauptet dies ganz ausdrücklieh, gerade auch in Be- zug auf die Aleiopiden, indem er pag. 161 u. A. sagt: „Das Auge dieser Thiere hat eine ausgezeichnet entwickelte Retina von frappirender Ein- fachheit des Baues. Sie besteht nur aus einer einzigen Zellen- lage, einer einfachen Schicht langgezogener Retinazellen“. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 275 Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dass die Stäbehen der uns hier beschäftigenden Thiere nach ihrer Lage zum Retina- schlauch zweierlei Zustände darbieten, indem die eigenthümliche, das Stäbchen bildende Substanz bei den einen (Dytiseus, Aleiope) an der Wand, bei den anderen dagegen (Epeira ete.) frei im Innern des Retinaschlauches abgelagert ist. Sehen wir nun, in wieweit jede dieser beiden Stäbchenfor- men der ihnen von Grenacher zugeschriebenen Function ent- sprechen kann. Ich prüfe zunächst das Verhalten der axialen Stäbchen und wähle hiezu die aus dem Hinterauge von Epeira, weil dieselben von Grenacher sowohl an Längs- als Querschnitten relativ sehr genau erforscht sind. Betreffs dieser Stäbehen (Holzschnitt D) be- achte man vor. Allem, dass nach Grenacher, was ich vollkom- men bestätigen kann, der hintere Theil derselben von Pigment bedeckt ist (p. 45), und dass dieses „völlig undurehsiehtige“ Pig- ment auch den ganzen Raum des Retinaschlauches zwischen dem Stäbchen und der zugehörigen Nervenfaser ausfüllt. Unter besagten Umständen scheint es mir nun aber, dass das fragliche Stäbchen nicht wohl das eigentliche perceptive Endorgan sein kann. Ich schliesse so: es ist wohl nicht anders anzunehmen, als dass die Perception an einem Gebilde (resp. Orte) geschieht, von dem dann der empfangene Reiz ohne Unterbrechung und mit möglichst geringem Widerstande auf die Fasern des Optieus fort- gepflanzt werden kann. Eine solehe Fortpflanzung dürfte aber eben unter den genannten Bedingungen nicht wohl möglich sein. Erwägt man nämlich, dass sich hier zwischen Stäbehen und Ner- venbahn eine dicke Pigmentschicht einschiebt, und dass dieses Pig- ment anderwärts, z. B. zwischen den Stäbchen und an der Iris, wie allgemein angenommen wird, zur Abwehr von Lichtreizen bez. zur lsolirung derselben dient, so kann die genannte Zwischen- lage doch wohl kaum als Leitungs-Vorrichtung functioniren. Wenn aber eben diese Pigmentschichte dem vom eigentlichen Stäbehen pereipirten Reiz nicht leiten kann, dann glaube ich, dass das Stäbchen als solehes auch nicht das passende Organe für die Perception ist. Zum gleichen Schluss komme ich aber auch beim parietalen Stäbehen, also dort, wo die angeblich lichtpereipirende Substanz- lage in die Wand des Retinaschlauches fällt (Holzschnitt B). Da 2376 V. Graber: das Innere dieses Schlauches gleichfalls (so z. B. wenigstens bei Dytiseus und Aleiope) stellenweise ganz mit undurchsichtiger Pig- mentmasse erfüllt ist, so wäre meines Erachtens, falls wirklich die Pereeption dem eigentlichen Stäbehen zufiele, die Fortleitung des Reizes nur längs der Wand des Schlauches möglich und würde also der Reiz gleichfalls kaum oder doch nur sehr geschwächt in die Nervensubstanz selbst gelangen. Wenn dem aber so ist, dann scheint es mir selbstverständ- lich, dass, wenigstens in den angegebenen Fällen, ausser dem Stäbehen in der That noch ein anderes Element und zwar sowohl be- hufs der Leitung als der Pereeption des Lichtreizes existiren muss. Die vorausgehende Erörterung wurde, wie ich erst nachträg- lich bemerke, deshalb angestellt, weil Grenacher die Existenz eines solchen Gebildes für die Arthropoden (p. 158) gänzlich läug- net und sie auch dort in Frage zieht (p. 161), wo dieselbe sozu- sagen als physiologisches Postulat erscheint und auch bereits that- sächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen. Wie der Zusammenhang ergibt, habe ich hier speciell den zuerst von Greeff erwähnten Axenfaden der Aleiopiden im Auge und gehe ich nun unverweilt auf die Darlegung der betreffenden Beob- achtungen über. Nach Greeff besässe der Inhalt der frisch in Seewasser un- tersuchten Stäbehen eine feinkörnige Beschaffenhelt mit Andeu- tungen einer zarten fibrillären Längsstreifung und soll zuweilen unter diesen Fibrillen „ein in der Längsrichtung Aurch die Innensubstanz verlaufender Hauptfaden mit Deutlichkeit hervortreten. “ Noch sicherer wäre dann dieser bacilläre Axenfaden an Stäbehen zu sehen, deren Inhalt durch Behandlung mit Essigsäure, Chromsäure, Osmium ete. geronnen und dunkler geworden ist, dies besonders nach Wiederaufhellung in Glycerin. Greeff gibt ferner an, dass man an Querschnitten der Stäb- chen „fast constant in der Innensubstanz neben einigen kleineren ein mehr oder minder glänzendes grösseres Körnchen sehe“, das er als „Querschnitt des durchschnittenen Fadens“ betrachten zu dürfen glaubt. Er theilt dann endlich noch mit (p. 129), dass man an Zer- zupfungs-Präparaten nicht selten dem von dem Stäbchen losgeris- senen Ende der „Säule“ einen Faden anhängen sieht, während ein Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 277 solcher auch oft aus dem entsprechenden Ende des Stäbchens selbst hervortreten soll. Aus Alle dem schliesst nun Greeff, „dass von dem äus- seren zugespitzten Ende der kernhaltigen Säule ein Faden ausgeht, der in das Stäbchen eindringt und in dessen Axenkanal verläuft“, und bezeichnet diesen Axenfaden zugleich als das Organ, welches den Licht- reiz empfängt und ihn (unter Vermittlung der basalen Gan- slienzelle) der Optieusnervenfaser zuführt. Das Stäbehen selbst dagegen wäre nach ihm „gewissermas- sen nur die Scheide, der Stützapparat, der den Nerven- faden und die ihn umhüllende körnigfibrilläre Substanz aufrecht und in radiärer Richtung dem Innern des Auges und dem Lichte zugewandt erhält“. Was nun meine eigenen Erfahrungen betrifft, so bin ich in der Lage, die mitgetheilten Angaben Greeff’s grösstentheils zu bestätigen und ausserdem noch durch Beibringung weitergehender Beobachtungen auch dessen Anschauung über Stäbchen und Axen- faden besser begründen zu helfen. Gleich Greeff sehe ich im Innern des Stäbehen- Kanales (Fig.4*) bei geeigneter Einstellung und Beleuchtung ausser eini- gen Körnerstreifen noch einen, wenigstens stellenweise, sehr distinc- ten Mittelfaden (xf) und dem entsprechend an (wirklichen) Quer- schnitten (Fig. 5A) in der Regel ein centrales, etwas glänzendes Körperchen (xf). Ferner habe ich wiederholt an von der Mittelschicht losgeris- senen Stäbehencomplexen einen eigenthümlichen fransenartigen Be- satz aus zarten Fädchen bemerkt (Fig. 4xf), und mich durch Iso- lirung der Stäbehen überzeugt, dass jeder solcher Faden aus dem Innern eines Stäbchens kommt. Dieser Faden (Fig. 4* xf‘) ist deutlich doppelt konturirt, wegen der anhängenden feinen Körn- chen aber nur stellenweise und stets nur mit den stärksten Syste- men zu erkennen. Fraglich bleibt es mir dagegen, wie sich dieser Axenfaden zum Mittelkern verhält und wie weit er in die Ganglienzelle ein- dringt. Ungleich deutlicher noch als bei Aleiope sah ich den Axenfaden bei mehreren anderen Würmern und will ich die be- treffenden Beobachtungen gleich hier beischliessen. 278 V. Graber: Ich erwähne zuerst das Verhalten bei einer Nereis und zwar an dem ausgezeichnet gelungenen Flächensehnitt der Stäbehen- schicht in Fig. 35. Hier sieht man und zwar ohne Ausnahme in jedem der gelbpigmentirten Felder, die dem Inhalt der dick- und hellwandigen Röhrenstäbchen entsprechen, ein centrales stark lichtbrechendes Körperchen, (xf) das sich sofort als Querschnitt eines eylindrischen Fadens zu erkennen gibt, der aber beträchtlich dicker als bei Alciope ist. Nicht minder lehrreich ist de Tiefenschnitt inFig. 33. Hier beobachtet man nämlich längs der Mitte des (gelb pigmentirten kolbenartigen) Stäbehenlumens eine doppelkonturirte und je nach der Einstellung bald dunkel, bald hell erscheinende Linie (xf), die man, und zwar mit aller Sicherheit, auch noch weiter über das Stäbchen hinaus, d. i. in den basalen Abschnitt hinein verfolgen kann. Am allerprägnantesten aber fand ich bisher den Axenfaden bei einer Nephthys, deren Stäbchen ganz auffallend mit jenen von Aleiope übereinstimmen. Letztere (Fig. 18) sind schlank, deutlich sechskantig und wie man rechts sieht, auf jeder Wandfläche quer- gestreift. Am optischen Längsschnitt (links) bemerkt man dann die Sonderung derselben in die dieke, stark lichtbreehende Wand- schicht und in den körnigen im frischen Zustand (Fig. 17) röthlich- braun pigmentirten Inhalt. Längs des betreffenden Kanales sah ich mun wiederholt und dies mit aller nur wünschenswerthen Bestimmtheit, einen ununter- brochenen und, wie bei Nereis, ziemlich derben Faden (xf), der sich auch noch eine Strecke weit in die Ganglienzelle zurück verfol- gen liess. Unter so bewandten Umständen muss die Existenz einer das Stäbchen durchziehenden distineten Axenfaser wohl als eine erwiesene Thatache gelten und die Frage ist nur noch, was derselben und dem Stäbchen selbst sowohl in morphologischer als in physiologischer Beziehung für eine Bedeutung zuzuerken- nen ist. Ueber die letztere zunächst glaube ich mich, nach dem Frü- heren, sehr kurz fassen zu können. Da die pigmentirte Mittelläge zwischen dem Stäbehen und der Ganglienzelle, meiner Auffassung nach, für Lichtreize impermeabel ist, so ist die diese Schicht durch- bohrende Axenfaser vor Allem eine Leitungseinrichtung. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 279 Mit Rücksicht darauf ferner, dass diese Faser bis zum äus- sersten Ende des Stäbchens vordringt, und von der baeillären Wandschicht, z. Th. wenigstens, durch Pigment isolirt ist, kommt es mir dann höchst wahrscheinlich vor, dass das bacilläre Gebilde, als solches, bei der; Perception nicht direet betheiligt, sondern dass letztere gleichfalls an die Axenfaser gebunden ist. Was dann die morphologische Bedeutung des Axenfadens angeht, so möchte ich darüber in Kürze nur Folgendes bemerken. Wegen der allerseits durch eine besondere Hautlage herge- stellten scharfen Abgrenzung zwischen dem integumentalen und retinalen Abschnitt des Auges, so wie aus andern schon angedeu- teten Gründen, scheint es mir — wenigstens vom rein topographi- schen Standpunkt aus — sehr unwahrscheinlich, dass die Retina ein vom eigentlichen Integument (nicht Eetoderm!) abgeschnürtes Stratnm darstellt, halte vielmehr dafür, dass sie auch ontogene- tisch in einem näheren Zusammenhang mit der Anlage des Nerven- systems steht. Im Anschluss an das Gesagte möchte ich noch in Kürze die Frage nach der ontogenetischen Beziehung der von mir nachge- wiesenen drei Retinastraten berühren. Die Hauptfrage ist die, ob die Retina aus drei selbständigen Zelllagen sich aufbaut, oder ob sie aus einer einzigen epithelartigen Schichte hervorgeht, deren Elemente sich erst secundär in die bekannten drei Abschnitte differenziren. Obwohl für die erstere Annahme, nach welcher mehrere (meist drei) linear übereinanderliegende Zellen unter Obliterirung der Zwischenwände in einen einheitlichen Schlauch verschmolzen seien, mancherlei Analogieen vorgebracht werden könnten und ins- besondere auch die Erhaltung der betreffenden für die Sehfunetion gewiss eher hinderlichen als förderlichen Kerne dafür spricht, so hat, wie mich dünkt, doch die zweite. Anschauung, d. i. die von der Einschichtigkeit der Retina- Anlage viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Abgesehen nämlich davon, dass an manchen der einschlägi- &en Retinaschläuche, was freilich auch zu Gunsten der ersteren Annahme ausgelegt werden könnte, factisch nicht drei, sondern zwei und, möglicherweise, wie ich a priori durchaus nicht bestrei- ten will, noch weniger Kerne vorkommen, so scheint mir für den 280 N V. Graber; einheitlichen Ursprung dieser Gebilde insbesondere der Axenfaden zusprechen, insoferne sich dieser durch alle drei Schlauchabschnitte erstreckt, und seiner ganzen Beschaffenheit nach sich als das eigentliche Ende der optischen Nervenfaser erweist, und ich kann mir insbesondere nieht wohl vorstellen, dass derselbe in einem aus meh- reren Zellen zusammengelöteten Rohre sich entwickelt hätte. Dieser Faden spricht aber auch am Meisten dafür, dass die primären Retinazellen, resp. deren mehrkernige Differenzirungsge- bilde, oder die secundären Retinapallisaden, nicht direct von der äusseren (integumentalen) Zelllage, sondern aus der inneren (se- cundären) Anlage des Nervensystems sich bildeten )). Fam. Eunicea. (Eunice Harassı Aud. et M. Edw. und Eu. vittata delle Chiaje). Ueber das Auge dieser Würmer kenne ich nur eine einzige nähere Mittheilung, nämlich von Ehlers, der sich hierüber (12 p. 339—40) folgenderweise ausspricht. 1) Anmerkungsweise muss ich noch kurz auf die Stäbchen der Arthro- poden zurückkommen. Wie Grenacher (p. 161) hervorhebt, bestehe zwischen dem (kolbenförmigen!) Alciopidenstäbchen und dem gewisser Spinnen (z. B. Vorderauge von Epeira) eine grosse Aehnlichkeit, indem sich beide (das von Alciope allerdings nur z. Th.!) der Länge nach in zwei Platten zerlegen. Ein wesentlicher von Grenacher nicht berührter Unterschied liegt aber darin 1. dass das betr. Spinnenstäbchen keine Wand-, sondern eine Axen- bildung des Schlauches ist, und 2. dass die beiden Längshälften desselben nach seiner Fig. 2lganzhart aneinanderstossen und so einen soliden Körper zu bilden scheinen, während das Alciopestäbchen hohl ist und ausser dem Axenfaden noch einen körnigen Inhalt besitzt. Das zeigt zur Genüge, dass speciell die genannten zwei Stäbchenfor- men, falls Grenacher’s Angaben über das der Spinnen, wie ich glaube, rich- tig sind, auf keinen Fall direct miteinander verglichen werden dürfen. Das schliesst aber durchaus nicht aus, dass auch das Spinnenstäbchen einen bisher übersehenen resp. schwer nachweisbaren Axenfaden in sich auf- nimmt. Ein solches rein axiales Sehstäbchen aber sammt Axenfaden würde die grösste Analogie mit dem in unserer letzten Schrift wieder zur Sprache ge- brachten Tympanal-Stäbchen der Orthopteren besitzen. In wieweit die theils axialen, theils mehr oder weniger parietalen Stäbchen des Facettauges nur Stäbchen im Grenacher’schen Sinn oder mit besonderen Axenfäden in Verbindung stehende also gemischte Elemente sind, wird die weitere Untersuchung zu zeigen haben, die auch unseren „Axenstrang‘‘ vom Scorpionauge neuerdings vornehmen muss. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 281 „Die Augen, sagt er, sind fast kegelförmige mit der Spitze in die Hirnmasse eindringende Pigmenthaufen, deren oft etwas ausgehöhlte Basis unmittelbar unter der Haut liegt. Das Pigment ist äusserst feinkörnig, tiefschwarz. Am Umfang des Auges ist es nicht scharf abgegrenzt gegen die Hirnmasse, sondern löst sich fein staubartig von dem dichten Kerne ab und dringt nach allen Seiten in die Hirnsubstanz ein. Ob innerhalb des Kernes der Pig- mentmasse die Elemente der peripheren (angeblich faserigen) Hirn- schicht noch eine besondere Gestaltung erhalten, kann ich nicht an- geben; man sieht allerdings bei Längsschnitten durch das Auge, dass im Innern des Pigmentkernes stäbehenförmige oder grob- faserige Gebilde von allen (?) Seiten gegen die bisweilen napf- artig vertiefte Oberfläche (des Pigmentkernes) gerichtet sind, doch schienen mir diese Körper nichts Speeifisches zu besitzen, sondern Elemente der äusseren Fasermasse zu sein, wie sie in den Fühlern und Palpen sich findet. Im Vergleich zum Auge von Nereis wäre hier eine sehr niedrige Bildung vorhanden, wenn nicht eine Untersuchung besserer Objecte auch noch hier specifische Nervenendigungen nachweist“. Beachtet man diese Beschreibung und die einschlägige Abbil- dung (Taf. XIV Fig. 19) näher, so wird man gerne zugeben, dass ein also beschaffenes Auge, das weder einen lichtbreehenden Körper noch specifische Nervenelemente besässe, „sehr niedriger Bildung‘ wäre, ja man könnte füglich fragen, ob ein derartiger in die Nervensubstanz eingestreuter „Pigmenthaufen“ denn überhaupt den Namen eines Sehorgans verdient. Indessen verhält sich das Eunice-Auge in Wirklichkeit ganz anders als es Ehlers — offenbar nach einer nur ganz flüchtigen Musterung — darstellt, ja, um es gleich zu sagen, zeigt es, von der weit geringeren Grösse abgesehen, eine nicht minder hohe Entfaltung wie das Sehorgan der Alciopiden und manche fei- nere Verhältnisse habe ich hier sogar noch viel deutlicher wahr- genommen. Ich gebe nun eine gedrängte Darstellung des Beobachteten. Mit unbewaffnetem Auge und äusserlich angesehen ist das Euniceauge ein ziemlich unscheinbarer tiefschwarzer und rundlicher Hautfleck, dessen Durchmesser beim erwachsenen Thier kaum 0,3 mm beträgt. Von einer corneaartigen Vorwölbung der Haut oder von einer helleren auf einen liehtbreehenden Körper deutenden Stelle ist ferner selbst 282 V. Graber: bei starker Vergrösserung kaum eine Spur zu entdecken. Dagegen bemerkt man hier bei starkem auffallenden Licht eine andere Dif- fereneirung. Man sieht nämlich (Fig. 7) im Centrum des jetzt dunkel- rothbraun erscheinenden und gegen die Ränder ganz unregelmässig verwaschenen Pigmentflecks eine tiefschwarze scharf kreisförmig umgränzte Stelle, und um letztere wieder eine schmale relativ hellere Zone, deren in radiären Zügen angeordnetes Pigment schein- bar unmittelbar in jenes der Chorioidea übergeht. Ueber den innern Bau des Auges gibt nun zunächst der cen- trale Tiefenschnitt in Fig. 3 Aufschluss. Bei flüchtiger Musterung zeigt dieser Schnitt ein ganz ähnliches Bild wie der von Ehlers gezeichnete, d. h. man sieht unterhalb der dieken und fast völlig flachen Cutieula eine schwarze becherartig ausgehöhlte Pigment- masse die, wie sich aus dem Vergleich mit andern Augen ergibt, offenbar der Retina angehört. Ich brauche wohl nicht zu bemer- ken, dass man diese Aushöhlung der retinalen Pigmentmasse (um mit Ehlers zu sprechen) nicht bloss „bisweilen‘‘ sondern allge- mein findet und ferner, dass dieselbe nicht leer ist. 'In letzterer Beziehung erkennt man vielmehr schon bei ganz flüchtiger Muste- rung, dass diese Höhlung von einem auffallend durchsichtigen und relativ homogenen Gewebe ausgefüllt wird, das denn nichts An- deres als den von Ehlers gäuzlich übersehenen lichtbrechenden Abschnitt darstellt. Hiervon überzeugt man sich auch leicht durch Zerzupfung des macerirten Auges, wobei man aus der Pig- mentmasse leicht dieses Gebilde als einen zusammenhängenden selbstständigen Körper losschälen kann. Dieser Körper hat die Form eines stumpfen Kegels oder Zapfens, dessen Basis sich an das Integument anlegt, indess die Spitze nach innen ge- kehrt ist. Man kann ihn also der optischen Wirkung nach mit einem plan-convexen Glas vergleichen; seine Begränzung erscheint jedoch sowohl an transversalen als medianen Schnitten ziemlich unregelmässig und oft (Fig. 10) zu einem ungleichseitigen Dreieck verzogen. Die äussere Seite dieses lichtbrechenden Körpers liegt aber nicht unmittelbar der Cutieula an, sondern es schiebt sich von den ' Rändern her eine dünne dunkle Platte ein, so dass nur in der Mitte eine lichtdurchlassende Stelle bleibt. Denkt man sich nun das kurz skizzirte Durchschnittsbild auf eine Fläche projieirt, so ergibt sich die Deutung der früher erwähnten Oberflächenansicht * Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 283 von selbst. Der dunkle Fleck in der Mitte zunächst entspricht einer Pupille, d. h. jener von der Pigmentablagerung verschonten Stelle des Integumentes, durch welehe man den dunklen Augen- grund sehen kann. Der relativ helle Ringsaum ist dann die dia- phragmaartige Pigmentlage unter dem Integument, also eine Iris, und die äussere breite Zone endlich ist die Projeetion der peri- pherischen Theile des pigmentirten Retinastratums. Eine schöne Uebersicht der einzelnen Augentheile, wie sie sich im unentfärbten Zustand darstellen, gibt das Präparat in Fig. 9. Selbes ist ein in schiefer Richtung geführter keilförmiger Schnitt, der den äusseren Theil des Auges von der Fläche, den inneren da- gegen im reinen Durchschnitte gibt. Am ersteren sieht man ein- mal die (hier selbstverständlich helle) Pupille (pu) sammt dem dunkelrothbraunen Strahlenkranz der Iris und dann ferner die gegen letztere zusammenneigenden Ränder des Retinabechers. Der Durchschnitt selbst zeigt dann vier scharf gesonderte Schichten, wovon die beiden äusseren dem lichtbrechenden, die beiden inneren dem liehtpereipirenden Abschnitt angehören. Vorläufig beachte man nur hinsichtlich dieser Straten, dass die schwarze retinale Zone sehr scharf von der gelben Lage des dioptrischen Abschnittes abgegränzt ist, während sie nach Innen (namentlich an dünnen Schnitten) ganz successive in die pigmentfreie innere Retinaschicht übergeht. Tingirt man einen solchen Schnitt etwa mit Karmin und be- sieht ihn dann bei starker Vergrösserung, so macht man, zumal hinsichtlich der Retina, noch eine andere wichtige Erfahrung. Man sieht erstens, dass der Netzhautbecher von einer besonderen dün- nen Hüllmembran umgeben ist, und zweitens, dass in der innern pigmentfreien Retinazone deutliche und etwa nicht der Hirnsub- stanz als soleher zukommende Kerne vorkommen, die der ganzen Lage nach offenbar den Kernen der basalen oder Ganglienzellen- schichte im Auge von Aleiope entsprechen. Was nun aber das weitere Detail anlangt, so studirt man dasselbe am Besten an einem Schnitt, den man in Kalilauge ent- färbt, dann einer Karmintinetion unterwirft und schliesslich in stark concentrirtem Glycerin oder noch besser in Karbolsäure aufhellt. An einem solehen Präparat (Fig. 10) überzeugte ich mich vor Allem 1) dass sich die sog. Sclera (sc) am Rande des Retinabechers 984 V. Graber: nach innen einschlägt und hier zwischen der Netzhaut und dem dioptrischen Abschnitt eine selbstständige Grenzlamelle (la) bildet und 2) dass der liehtbreehende Körper ein durchaus integumentales resp. hypodermatisches Gebilde ist. Wir betrachten vorerst den dioptrischen Abschnitt. Wie man schon, wenn auch minder deutlich, an unentfärbten Sehnitten erkennt, stellt derselbe keineswegs einen einheitlichen Körper dar, sondern man unterscheidet, ganz wie bei Aleiope, 1. eine peripherische Glaskörperschicht (gl) (am Aleoholpräparat Fig. 9 gelb) und 2. einen relativ viel helleren homogenen Binnenkörper, der eine wahre Linse (li) vorstellt. Betreffs der letzteren zunächst machen wir kurz auf Folgen- des aufmerksam. Die Linse von Eunice ist vor Allem nicht kugel- förmig, wie bei Aleiope, sondern zeigt eine dem gesammten licht- brechenden Körper ähnliche, also stumpf zapfenartige resp. drei- eckige Gestalt, was offenbar damit zusammenhängt, dass der als cornea fungirende Theil der Integumenteuticula nur sehr wenig gewölbt ist. Hinsichtlich der übrigen Beschaffenheit der Linse wurde schon erwähnt, dass sie ganz homogen erscheint. Dem ganzen optischen Verhalten nach erinnert sie auffallend an diekere Cutieularstraten und zeigt wie diese namentlich nach Aufquellung in Kalilauge eine deutliche Schichtung. Die betreffen- den Lamellen sind ziemlich diek, und ist ihr Verlauf aus der Figur zu ersehen. Bei sehr starker Vergrösserung glaubte ich ‘sinigemale auch eine Querstreifung der diekeren Lagen bemerkt zu haben. In wie weit die Linse in chemischer Beziehung mit der In- tesument-Cutieula übereinstimmt, konnte ich leider nicht näher erfahren, es scheint mir jedoch, dass sie viel weicher und weniger resistent wie diese ist. Bemerkenswerth ist, dass die Linse auch hier von einer be- sonderen euticularen Kapsel umgeben wird, die sich stellenweise nieht selten vom Linsenkörper ablöst und wellenförmige Krüm- mungen macht. Diese Membran (Fig. 10 lea) ist beträchtlich derber als die Grenzlamelle, mit der sie sonst insbesondere auch hinsichtlich der leichten Tingirbarkeit in Karmin überein- stimmt. Uebergehend auf den Glaskörper so bemerke ich vor Allem Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 285 dass dessen Struetur hier sowohl wie bei den meisten folgenden Würmern unter allen Augenschichten am leichtesten zu erkennen ist. Er erscheint als ein in der centralen und peripherischen Region ziemlich gleich dickes, relativ helles Band, dasin radiärer Richtung und in gleichmässigen Abständen von dunkleren Streifen durch- zogen wird. Letztere sind nichts Anderes als die seitlichen Gren- zen der schlanken prismatischen Epithelzellen, aus welchen dies Gewebe besteht, und lösen sich bei starker Vergrösserung (Fig. 12 gl) in je zwei schmale Leisten auf. Die Kerne dieses Epithels (Fig. 11 u. 12 a) liegen, wie dies bei den Würmern sowohl wie bei dem Tracheaten allgemeine Re- gel zu sein scheint, ganz an der Basis, also unmittelbar vor der Grenzlamelle. Dass nun aber der Glaskörper, wie oben behauptet ward, in der That zum Integumentgewebe gehört, schliesse ich aus dem un- mittelbaren Zusammenhang desselben mit jener dünnen Hypoderm- lage (Fig. 10 Hp), die die Linse von der Outieula trennt, und zugleich in ihrem pigmentirten Theil die Iris darstellt. Völlig unklar ist es mir aber auch hier wieder, wie man sich denn eigentlich die erste Anlage dieses die Linse allseitig umge- benden Epithelmantels und die Abscheidung der letzteren zu den- ken hat. Wir kommen nun zur Retina. Man erkennt schon an unentfärbten Schnitten, dass dieselbe der Form und dem allgemeinen Aussehen nach der gleichnamigen Bildung des Tracheatenstemmas gleicht, und ist besonders hervor- zuheben, dass sie auch hier fast in ihrer gesammten Dicke von einem dunkeln Pigment durchsetzt wird, das, wie wir schon ge- hört, nur die innerste Zone mehr oder weniger frei lässt. In letzterer Beziehung zeigt sich dagegen schon auf den ersten Blick ein auffallender Unterschied gegenüber der Aleiopiden- Retina, indem hier das Pigment keineswegs auf die Mittelzone beschränkt, ja nicht einmal vorzugsweise auf dieselbe concentrirt ist, sondern, wenigstens an mitteldünnen Schnitten, in ziemlich gleichem Masse auf die gesammte äussere Zone sich ausdehnt, eine besondere Mittelschichte also zunächst gar nicht zu erkennen ist. Ganz anders wird nun freilich das Bild, wenn man der Re- tina vorsichtig etwas Kalilauge zusetzt, aber, sobald die Aufhellung 2386 V. Graber: im Zuge, dieselbe sofort wieder durch Neutralisirung mit einer Säure sistirt. Da wird nämlieh (Fig. 11) in der Mitte der Retina und nahe dem innern Ende der pigmentirten Zone, jedoch noch innerhalb derselben, eine Kernlage (mk) sichtbar, die man auf Grund einer Vergleichung mit den correspondierenden Ansichten aus der Aleiopi- den-Netzhaut (Fig. 3, 4) wohl ohne weiteres mit der mediären Zone der letzteren homologisiren darf. Beachtenswerth ist noch dieses. Die retinalen Mittelkerne von Eunice sind weder so klein noch so unscheinbar, wie jene von Aleiope, sondern so gross und so bestimmt, ich möchte sagen greifbar, dass hier ein ähnlicher Zweifel, wie dort, ob es denn auch wirkliche Kerngebilde sind, für den, der sie unter ähnlichen Umständen wie ich gesehen hat, und an einem einzig-klaren Kanadabalsam-Präparate noch immer sehen kann, absolut ausgeschlossen bleibt. Ueber diese für die morphologische Deutung der Retina so überaus wichtigen Mittelkerne füge ich dann noch folgendes bei. Zunächst, dass sie in analoger Weise, wie dies Grenacher von gewissen Retinalkernen der Spinnen darstellt, in Folge der angedeuteten Behandlungsweise sehr intensiv und prägnant tingirt erscheinen. Diese Färbung ist aber nicht pomeranzengelb, wie die durch Kalilauge erzielte Lösung, sondern geht (und dies wohl in Folge der Säureeinwirkung) mehr ins Fleischrothe über. Die Form der Kerne ist eine verschiedene, insofern sie jener der Schläuche angepasst ist. In dieser Beziehung muss ich früher einschalten, dass die Retina, ganz ähnlich wie bei Aleiope, in ihrem eentralen Theil beträchtlich (Fig. 10c) und zwarun- gefähr wieder um die Hälfte dünner ist als der nächst angren- zende peripherische Theil. An den Schläuchen der letzteren Region, die im Maximum bei 0,08 mm lang sind, erscheinen nun eben die bewussten Kerne als sehr gestreekte Gebilde von beilaufig 0,008 mm Länge, an den relativ viel kürzeren Centralelementen hingegen (0,004 mm Länge) ziehen sie sich (aber nur ganz allmälig) zu kugelförmigen Kör- pern zusammen (Fig. 12 mk). Im Uebrigen unterscheidet man an diesen Kernen eine deutliche doppelkonturige Wandschicht, sowie ausser dem ziemlich grobkörnigen Inhalt noch Spuren distine- ter Kernkörperchen. Wenn aber auch dem Mitgetheilten zufolge hier unmöglich an der Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 287 Existenz einer mediären Kernlage gezweifelt werden kann, so könnte diese doch auf Grund des in Rede stehenden Präparates allein im Grenacher’schen Sinn d. i. dahin gedeutet werden, dass sie hier auch die einzige ist. Dass dies aber nicht der Fall, ergibt sich aus Folgendem. Für’s Erste hahen wir schon gehört, dass man bereits am unentfärbten Präparat, und zwar unterhalb der Pigmentzone eine retinale Kernlage findet, die nach dem Obigen unmöglich mit der mittleren eben beschriebenen Schichte identisch sein kann. Wenn man gleichwohl diese basalen Kerne am Kalilauge- Salzsäure-Präparat nicht sofort bemerkt, so rührt dies eben davon her, dass dieselben, weil ausserhalb der pigmentführenden Region liegend, auch relativ weniger gefärbt werden, wobei auch noch eine gewisse subtanzielle Differenz zwischen beiden Kernarten eine solche Verschiedenheit hinsichtlich ihrer Tingirbarkeit bedingen kann. Einzelne dieser basalen Kerne (Fig. 11, 12 gk) sind aber bei entsprechender Aufmerksamkeit und Geduld im Suchen auch hier zu beobachten, und erkennt man auch bald, dass der Schlauch in dieser Gegend etwas aufgetrieben ist. Dem letzteren Verhalten entsprechend, schien es mir auch, als ob diese Basalkerne im Ganzen minder lang gestreckt als die correspondirenden Mittelkerne seien. Um jedoch jeden Zweifel zu beseitigen, dass die basalen und mediären Kerne wirklich zwei ganz selbständige Lagen bilden, habe ich an mehreren nach der obigen Art behandelten d. i. ent- färbten Schnitten noch eine weitere rein künstliche Tinetion und zwar mit Karmin vorgenommen und das Resultat derselben in Fig. 10 dargestellt. Bei ganz schwacher Vergrösserung und ungenauer Einstellung zeigt das betreffende (in Kanadabalsam sehr stark aufgehellte) Präparat ungefähr in der Mitte der Gesammt-Retina ein breites rothes Band. Nimmt man aber ein stärkeres System und stellt ganz scharf ein, so löst sich dieses eine Mittelband sofort in zwei d. i. in ein vorderes (mk) und hinteres (gk) auf, und sind beide Kernzonen, na- mentlich an den peripherischen Theilen der Netzhaut, durch ein breites Intervall von einander getrennt. Dass diese zwei Kernzonen aber nicht etwa in dem Sinne 288 V. Graber: eins und dasselbe sind, dass sie zwei ungleich hochstehenden aber hintereinanderliegenden Lagen von Sehschläuchen entsprechen, er- gibt sich schon daraus, dass bei keiner Einstellung zwischen den- selben eine neue Kernzone auftaucht, also absolut kein Ueber- sang von der einen Zone in die andere stattfindet, sondernder gegenseitige Abstand stets derselbe bleibt. Eine Ausnahme macht hier scheinbar wenigstens nur die cen- trale Region (ce), wo aus den schon oben angeführten Gründen Basal- und Mittelkerne viel näher aneinanderrücken und namentlich an etwas diekeren Stellen, wo Kerne derselben Zone, aber von hinter- einanderliegenden Schläuchen (dies besonders an stark gequetschten Präparaten) gleichzeitig ins Gesichtsfeld treten, die anderwärts scharf separirten und einzeiligen zwei Kernlagen in eine einzige zwei- resp. mehrzeilige Kette zusammenfliessen. Für die Selbständigkeit der Mittelkernzone noch weitere Be- weise beizubringen, halte ich für überflüssig; das nur möchte ich noch aussprechen, dass sich möglicherweise manche der scheinbar einfachen aber mehrzeiligen hinteren Kern- zonen, die Grenacher abbildet, bei sorgfältiger Muste- rung vielleicht auch noch in zwei gesonderte Straten auflösen werden. Die von Ehlers bekanntlich ganz iu Frage gestellte Euniceen- Retina erwies sich mir aber nicht allein als ein geradezu klassi- sches Objeet für den Nachweis der Mittelkernzone, ich fand an ihr auch die dritte d. i. die äussere Kernlage in einer Klarheit, wie ich sie seiner Zeit kaum beim Scorpion, geschweige bei Al- eiope gesehen. Ich schicke zunächst voraus, dass die zugehörige Hauptschicht, d. i. die der Stäbehen, im Ganzen und ich meine hier an entfärb- ten Schnitten, ein ganz analoges Aussehen wie bei Aleiope besitzt. Sie erscheint also im Vergleich zum übrigen (inneren) Retinastra- tum sehr hell, homogen und stark lichtbrechend. Die äusserste (Rand-) Partie der Stäbehenzone ist dagegen (selbstverständlich immer bei sehr starker Vergr.) relativ trüb und körnig. Aus jedem dieser körnigen Endtheile der Schläuche leuchtet nun (am tingirten Präparat) ein intensiv rother Kern (Fig. 10, 11, 12 ak) hervor, der jedoch, da sich die Schläuche nach aussen verschmä- lern, viel kleiner (0,0026) als jener im Mittel- und Basaltheil ist, und sind diese Kerne auch nie länglich, sondern stets kugelförmig. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 289 Im Ganzen zeigt diese retinale Randzone auch hier ein ähn- liches Aussehen, wie der Basalsaum des anstossenden Glaskörper- epithels. Indem ich hinsichtlich des Verhaltens der Retinaschläuche sowie der Faserzone auf die Abbildungen (Fig. 11, 12 u. 13) verweise, wäre nur noch Näheres über die Stäbchen zu ver- melden, ich muss aber gestehen, dass ich darüber theils wegen der Kleinheit des Objects, theils weil mir das Material ausging, nicht völlig ins Reine kam. Sicher ist zunächst nur, dass auch sie einen besonderen Axenfaden (Fig. 14 xf, xf‘) besitzen, den ich einigemale auch hinter den Mittelkern zurück verfolgen konnte. Einmal sah ich die Axenfäden auch sehr schön an der äusse- ren Flächenansicht der Retina (Fig. 14 xf‘), welche letztere sich hier als eine Mosaik von polygonalen Feldern erweist, in denen man je ein winziges gelbliches Körnchen, d. i. eben die Spitze des Axenfadens bemerkt. Fam. Nephthydea. (Nephthys margaritacea.) Auch über die Augen dieser Familie sind mir nur ein Paar sehr dürftige Aufzeichnungen bekannt geworden. Die wichtigste ist unstreitig die von Quatrefages, nach wel- cher diese Augen ausser einer pigmentirten, aber von ihm nicht näher studirten Retina einen deutlichen liehtbreehenden Körper (dies wenigstens bei jungen Thieren) enthalten. — Die übrigen Angaben stammen dann von Ehlers her, bringen jedoch nicht bloss kein neues Detail, sondern stellen z. Th. auch wieder das frühere in Frage. S.583 sagt E. zunächst von diesen Organen im Allgemeinen, dass „am hinteren Theile der Seitenränder des Kopflappens je ein stark lichtbrechendes linsenförmiges Körperchen stehe, welches einem Auge entspricht.“ Dieses „linsenförmige Körperchen“ wird dann noch näher (p. 590) speciell bei N. caeca ©. Fahr. als ein „halbkugeliger klei- ner Vorsprung“ beschrieben, „ausgezeichnet durch die starke Licht- brechung seiner Chitinwand“, und von ähnlicher Beschaffenheit wäre dasselbe u. A. auch bei N. Hombergii Aud. (p. 620) und N. eirrosa Ehl. (p. 625), wo es als „Knötchen“ bez. als „Höcker‘“ be- zeichnet wird. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 17. 19 290 V. Graber: Dem zufolge besässen also die Augen der genannten, aber von mir nicht untersuchten Nephthysarten eine gewölbte resp. ver- diekte Cornea, gebildet von der allgemeinen Integument-ÖOutieula, und brauche ich wohl kaum zu bemerken, dass es gerade nicht zur Klärung der Begriffe beiträgt, wenn man, wie Ehlers, bald das ganze Auge, bald die genannte integumentale Hornhaut allein als linsenförmiges Körperchen aufführt. Sehr eigenthümlich ist dann die nähere Beschreibung des inneren Baues dieser Gebilde (p. 596), wo es heisst: „Die an den Seitenrändern . ... stehenden linsenartigen Kör- per werden von einer Gewebsmasse erfüllt, welche durch eine auffallende Durehsichtigkeit sich auszeichnet und die ich nur von dieser Stelle her (Ehlers meint offenbar das Auge) kenne. Auf Durchschnitten erscheint diese helle Gewebemasse von feinen dunk- leren Linien durchsetzt, welche senkrecht gegen die Oberfläche stehen. Ich weiss nicht, ob diese Linien Fasern sind oder die Grenzen von stäbehen- oder säulenartigen Theilen, aus denen die ganze Masse zusammengesetzt ist; für das letztere spricht die Beob- achtung, dass die Fläche der Cutieula, an welche sich diese Masse anlagert, wie von kleinen polygonalen oder rundlichen Eindrücken gezeichnet ist; ich weiss ebenso wenig, ob dieses Gewebe eine Modifieation der eigentlichen Subeutieularschicht (unsere Hypoder- mis) oder des Fasergewebes bildet, oder ob sie dem Gewebe des Hirns, welchem sie unmittelbar aufsitzt, zuzurechnen ist.“ Beachtet man hinsichtlich dieser Beschreibung, dass Ehlers das ganze Augen-Innere nuraus einer Gewebsmasse bestehen lässt, und dass von den bekannten zwei Hauptabschnitten, d. i. von der Retina und dem liehtbrechenden Medium keine Silbe erwähnt wird, so kann man, denke ich, von den Augen der Nephthydeen wohl dasselbe sagen, wie von jenen der Euniceen, dass sie nämlich bisher so gut wie unerforscht sind. Uebergehend nun auf die eigenen Untersuchungen so schicke ich zunächst voraus, dass auch die Augen dieser Polychätenfamilie im Wesentlichen dieselbe Zusammensetzung wie bei den Aleiopi- den zeigen, und dass sie insbesondere und in der eclatantesten Weise mit jenen der Euniceen übereinstimmen. Aus diesem Grunde kann ich mich denn auch sehr kurz fassen, und will hauptsächlich nur die charakteristischesten Züge, sowie gewisse Abweichungen näher erläutern. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 291 Um mit der oberflächlichen Musterung zu beginnen, so sehe ich an unserem Repräsentanten keinerlei „linsenförmige“ Vorra- gung, sondern nichts weiter als einen unscheinbaren (0,3 mm grossen) dunkeln Fleck. Unter dem Mikroskop erscheint dieser Fleck (Fig. 14) in der Richtung der Körperlängsaxe etwas ge- streckt, also länglich, ferner von unregelmässiger Form und un- gleichmässiger Färbung. Ich unterscheide einen schmäleren bei- ‚lJäufig trapezförmigen Vorderabschnitt (v), der sich intensiv schwarz ausnimmt und einen hinteren breiteren Theil (h), in welchem die schwarze Färbung successive in ein röthliches Violett übergeht. Da, wenigstens bei Eunice, der dunkelste Absehnitt des Au- genflächenbildes der Pupille entspricht, so deutet die excentrische Lage desselben bei Nephthys darauf hin, dass die Augenaxe hier nicht senkrecht, sondern schief auf der Hautfläche steht nnd zwar in der Weise, dass sie von hinten nach vorne gewendet ist. Diese. Auslegung der Aussenansicht bestätigt sich nun auch vollständig an einem Tiefenschnitt, den man längs der Mitte des erwähnten Fleckes führt (Fig. 15). Durch Form und Lage erinnert ein solcher Sehnitt ganz auf- fallend an die analoge Ansicht des „inneren Vorderrandauges“ bei Saltieus. Die an der schwarzen Pigmentirung sofort kenntliche Retina (st) besitzt nämlich eine auffallend langgezogene sackförmige Gestalt, und liegt fast parallel mit dem Integument, das sich nur vorne (v), wo es als Cornea dient, derart umbiegt, dass sie von der (durch den Pfeil angedeuteten) Augenaxe doch unter einem beträchlichen Winkel (von ca. 45°) geschnitten wird. Bis auf diese auffallend schiefe Lage und die verzogene Form sind aber die Verhältnisse, wie sie sich zunächst am unentfärbten Schnitt zeigen, fast ganz dieselben, wie bei Eunice, und man er- kennt insbesondere auch bald, dass der im Ganzen schmalzungen- förmige lichtbrechende Körper aus zwei differenten Theilen, näm- lich aus einem peripherischen Glaskörperephithel und aus einer inneren Linse besteht, deren Form wieder im Ganzen jener des gesammten Hell-Körpers entspricht. Hinsichtlich des Verhaltens der Integument-Cutieula über dem Auge (also am cornealen Abschnitt) sei noch beigefügt, dass sich die betreffende Strecke nicht merklich, weder in der Dicke noch in der Beschaffenheit von der Umgebung unterscheidet, im Ganzen 392 V. Graber: sich also eben so indifferent wie bei Eunice erweist. Desswegen wollen wir aber von vorneherein durchaus nicht das Vorkommen gewisser Differenzirungen (stärkere Wölbung ev. Verdiekung) bei anderen Species dieser Familie in Abrede stellen. Was dann das feinere Detail des innern Augenkörpers be- trifft, so gab uns auch hier ein in der mehrerwähnten Art ent- färbter Schnitt die besten Auskünfte und hebe ich an der Hand der Fig. 16 in Kürze Folgendes hervor. Sehr schön sieht man zunächst, aber immer wirklich gelun- gene Präparate vorausgesetzt, die Selera (sc) und deren Umbie- gung (u) in die äussert scharf gezogene, mässig derbe Grenzla- melle (la). Die einzelnen Theile resp. Schichten angehend, sei dann vererst der Linse (li) gedacht. Man unterscheidet wieder die Kapsel und den Körper. Er- stere ist hier relativ sehr dick und deutlich geschichtet (Fig. 17 lea). Der Linsenkörper erscheint bei schwacher Vergrösserung ganz homogen und glashell. Bei stärkerer sieht man eine feine Streifung oder Schichtung, die im Ganzen dem Umfang der Linse parallel geht (Fig. 17 i). Einigemale bemerkte ich dann noch längs der Mittellinie der Linse einige z. Th. zusammenhängende Körnerzüge, wie sie u. A. auch Simroth von der Schneckenlinse angiebt. Es fragt sich nun, ob man es hier mit einem unaufge- arbeiteten Rest eines protoplasmatischen resp. zelligen Linsenbildungsmateriales oder mit seeundären Deri- vaten eines echten Cuticulargewebes zu thun hat. Der umgebende Glaskörper (Fig. 16, 17 gl) präsentirt sich im Ganzen wie im Einzelnen ganz so wie bei Eunice. Die wohl in Folge der ganzen Behandlungsweise z. Th. etwas verbogenen Schlauchzellen desselben zeigen eine etwas streifige resp. längsfal- tige Wand und ihre sehr deutlichen Kerne (Fig. 17 a) liegen wie- der hart an der Grenzlamelle. Ausgezeichnet klar sah ich ferner gerade bei Nephthys den unmittelbaren Uebergang des Glaskörper-Epithels in die corneale Hypodermis (Hp), deren Zellen hier, denen des Glaskörpers ähn- lich, faserartig ausgezogen, also viel länger wie bei Eunice sind. Die mittleren Elemente dieser prälentieulären Hypodermis sind fast ganz pigmentfrei und sehr durchsichtig; an den Seiten der Cornea dagegen nehmen sie ein dunkelkirschrothes Pigment auf, und sind Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürrmer. 295 hier ausserdem, wie auch an anderen Körperregionen, grössere (zellige?) Farbstoffballen (pg) eingestreut. Zur Bildung einer typi- schen, distineten Iris scheint es indess nicht zu kommen; doch ist gerade dieser Punkt sehr schwierig aufzudecken. Betreffs der Retina beachte man dann dieses. Bei der Entfärbung, wo die äusseren Umrisse dieser ganzen Sehichte immer deutlicher werden, überzeugt man sich bald, dass deren Gesammtdicke viel beträchtlicher ist, als die pigmentirte Zone des unentfärbten Schnittes. Letztere entspricht im Ganzen der Stäbehen- (st), der übrige helle Gürtel dagegen der Ganglienzellen- und Faserschicht (gz fa). Beide sind wieder am dieksten in der Mitte der peripherischen Region, am dünnsten dagegen, den Kelch- rand ausgenommen, im Grunde des Bechers. Den schönsten Einblick in den feineren Bau der Retinaele- mente gab mir ein sehr dünner Schnitt, den ich in schwach an- gesäuertem Glycerin mehrere Tage macerirt und dann mit feinen Nadeln theilweise zerzupft hatte. Jeder Retinalschlauch zeigt hier (Fig. 17) einen längeren pigmentirten Aussen- und einen kürzeren fast pigmentfreien Basalabschnitt. Im letzteren zunächst sieht man überall einen sehr deutlichen meist ovalen Kern, dessen Durch- messer (0,008), fast das Doppelte der Stäbchenbreite beträgt. An Schnitten, die nieht ganz ausnehmend dünn sind, bilden diese Ba- salkerne aber niemals eine einzige Reihe, sondern (Fig. 16) einen ziemlich breiten Streifen, in dem 2—5 Kerne übereinanderliegen, jedoch so, dass sie niemals in zwei gesonderte Straten, wie bei Eunice, zerfallen. Auch sind die betreffenden Schlauchabsehnitte, nach Art der meisten bipolaren Ganglienzellen, derart in einandergekeilt, dass es mir bisher nicht gelingen wollte, den Verlauf derselben und ihren Uebergang in die Faserschichte genauer zu verfolgen. Nachdem wir uns hinlänglich überzeugt, dass auch an der Nephthys-Retina die Hauptkerne, wenn ich sie so nennen darf, eine basale Lage einnehmen, muss ich nun vor Allem betonen, dass man ausserdem auch hier noch eine zweite Kernzone, näm- lich an der Grenzlamelle, bemerkt, und dass gerade diese Aussen- oder Stäbchenkerne mit aller nur wünschenswerthen Sicherheit nachzuweisen sind. Aehnlich den Mittelkernen von Eunice er- scheinen sie zunächst, wohl in Folge der Säureeinwirkung, intensiv 294 V. Graber: roth pigmentirt, und treten deshalb auch aus den Endtheilen der isolirten Schläuche äusserst prägnant hervor. Man unterscheidet daran ferner sehr bestimmt eine besondere doppelkonturige Randschicht und bisweilen noch ein Paar grössere Inhaltskörperchen. Zum Ueberfluss habe ich dann noch eine künstliche Tinetion mit Hämatoxylin angewandt, und das Ergebniss derselben (Fig. 18) war ein so prägnantes, d. h. die Vorderkerne (ak) wurden im Vergleich zur übrigen Schlauchsubstanz so intensiv und so rasch blau gefärbt, dass an der Kernnatur dieser Gebilde, be- ziehungsweise an der Zweikernigkeit der Retina- schläuche absolut nicht länger mehr gezweifelt werden kann. Dagegen habe ich bei Nephthys bisher keine distinete Mit- telkernzone gesehen, möchte eine solche aber gleichwohl, da sie erwiesenermassen oft schwer zu konstatiren ist, nicht unbedingt in Abrede stellen. Fam. Lycoridea. (Nereis Costae Grube.) Unter den kleinen pigmentfleckartigen Augen der Raub-Poly: chäten sind die der Lycoriden verhältnissmässig noch am meisten untersucht worden. Grundlegend ist auch hier wieder J. Müller’s Beobachtung (4 p. 19 Pl. IV Fig. 6—10), nach welcher das Auge aus einem hel- len kugligen Kern und einer pigmentirten schalenartigen Retina besteht; nur lässt er irrthümlieherweise den erstern mit dem n. optieus in Zusammenhang stehen. Rathke bezeichnet dann den „Kern“ als ein Analogon des Glaskörpers und der Linse höherer Thiere, nimmt aber, was Ehlers mit Recht bestreitet, zwischen diesem und der Pigment- schale eine ratinaartige Nervenausbreitung an, wozu ihn offenbar die fälschliche Ansicht verleitete, dass die Pigmentzone, ähnlich wie im Wirbelthierauge, die äusserste Peripherie des Bulbus ein- nehme, die eigentliche Retina also zwischen dieser und dem licht- brechenden Abschnitt in der Mitte liegen müsse. Das Verdienst der ersten eingehenderen Untersuchung der Nereis-Augen gebührt unstreitig Ehlers, wenn gleich auch er nicht Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 295 einmal zur Erkenntniss der fundamentalsten Bau-Verhältnisse vor- drang. Wir wollen aus der einschlägigen und z. Th. sehr detail- lirten Darstellung die Hauptpunkte herauszuheben suchen, was freilich bei der Unbestimmtheit gewisser Stellen nieht so ganz leicht ist. Die Form des ganzen Auges vergleicht er (p. 494) mit einem stumpfen Kegel, dessen Spitze nach innen gekehrt ist. Das Augen-Innere zeigt zwei Theile: den Glaskörper nnd die schalenförmige, von starker Pigmentmasse durchsetzte Retina. Der Glaskörper ist im Ganzen kugelig, aber auf der cornealen Seite abgeplattet. Letztere ist bis auf eine kleine pupillenartige Stelle „ron dem Pigment der Retina (?) bedeckt“. Die Substanz des Glaskörpers erscheine an Weingeistpräparaten als eine äusserst feinkörnige (im frischen Zustand wahrscheinlich völlig „homogene“ und durchsichtige) Masse, in welcher Ehlers „zellige Elemente vergebens suchte“. „Die Retina bildet um diesen „Augenkern“ eine Schale mit enger Eingangsöffnung, welche dem Pupillar-Durchmesser entspricht (?). Die Netzhaut bestehe aus Körnern und feinsten Pigment- molekeln. Das Pigment beschränkt sich aber nur auf die äussere, d.i. auf die gegen den Glaskörper gewendete Retinaschicht. Die pigmentirte Zone wäre im Augengrunde am stärksten (?). Die Hauptmasse des Pigments ist blaugrau in kleineren Stücken blau-violett, nach aussen gegen die pigmentfreie Schichte liege dann noch etwas orangefarbenes Pigment. Die Pigmentzone erscheint oberflächlich (am Glaskörper) von kleinen hellen Flecken durchsetzt und wie „siebartig durchlöchert“. Diese hellen Flecke entsprächen den frei zu Tage tretenden Ele- menten der Retina. Die (innere) pigmentfreie Retinazone erscheine am Querschnitt glashell und bestehe aus einer „Grundsubstanz“, in der man Körner und „feinste Fasern“ bemerkt. Die Körner, theils kugelig, theils gestreckt, sind 0,005— 0,006 mm lang und 0,003 mm breit. Die der’ pigmentirten Zone zunächst liegen- den Körnchen erschienen durch Anlagerung des betreffenden Pig- mentes oft gelblich oder orangefarben. Zwischen den isolirten Körnern und ohne Zusammenhang mit denselben finde man oft unmessbar feine Fädehen, welche die Körnermasse in radiärer Richtung zu durchsetzen scheinen. 296 | V. Graber: Höchst eigenthümlich wäre nach Ehlers die Anordnung dieser Körner. Er denkt sich dieselben nämlich (vgl. auch s. Taf. 19 Fig. 19 und Taf. 20 Fig. 8 R) derart ‚reihenweise übereinander geschichtet“, „als ob sie (und zwar an der letztgenannten Zeichnung zu je 4—5!) im Innern von stäbehenartigen (an der Fi- sur aber nach aussen zapfenartig sich verjüngenden) Gebilden lägen“, die er indess nie im isolirten Zustande näher untersuchen konnte. Zu erwähnen sind schliesslich noch Ehlers Angaben be- treffs des Zusammenhanges der Augen mit dem Gehirn. Diesen Zusammenhang lässt er auffallenderweise nicht durch eigentliche Nerven, sondern durch Hirn-,Fortsätze“ hergestellt sein, die er als „Augenträger“ bezeichnet. „Diese Augenträger sind kurze dicke Stämme, welche vom seitlichen Umfang der Hirnoberfläche schräg aufwärts zum Kopflappen gehen und dabei sich kegelför- mig verbreiten; die vorderen (d. i. die zu den Vorderaugen) entsprin- gen nahe dem Vorderende des Hirnes über dem Eintritt der Schen- kel des Schlundringes. Die hinteren ungefähr auf der halben Länge (Mitte?) des Hirns. In das breite Endstück, mit wel- chem der Augenträger sich an die Haut des Kopflap- pens (?) anlegt, ist das Auge tief eingesenkt. Die Substanz, aus welcher die Augenträger bestehen, geht aus dem Hirne hervor, indem sie die Lage der Ganglienzellen durchbricht; sie besteht aus feinkörniger Hirnsubstanz, in welcher ähnliche Fasern und Körner liegen wie diejenigen, welche den Hirnkern ausma- chen; bestimmte zum Auge gehende Faserzüge, wie sie die eigentlichen Nerven besitzen, habe ich in ihnen nicht gesehen; die Oberfläche der Augenträger wird von einer Fortsetzung der das Hirn umhüllenden Membran bekleidet.“ Indem ich mir die Beleuchtung beziehungsweise Rectifici- rung einiger der vorstehenden Angaben für die geeignete Stelle aufspare, sei hier nur kurz erwähnt, dass Ehlers „Körner“ der hellen (inneren) Retinazone unzweifelhaft mit unseren basalen Ker- nen identisch sind und dass, wie nach dem früheren wohl selbst- verständlich, von einer stäbchenartigen Gruppirung derselben, wie man sie auf Ehlers Figuren Taf. XIX Fig. 19 und Taf. XX. Fig. 3 dargestellt findet, nimmermehr die Rede sein kann. Die gewissen feinsten Fasern dagegen, welche derselbe Forscher beob- achtete, dürften, falls sie sich auch bei sehr starker Vergrösserung Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 297 als solche, wir meinen eben als ausserordentlich fein erwiesen haben, wohl den bereits erwähnten Axenfäden entsprechen. Ich gebe nun in Kürze die eigenen Beobachtungen. Unsere Nereis hat bekanntlich, gleich vielen andern Würmern, zwei Paare von Augen, die (ähnlich etwa bei Nereis rava auf Ehlers Fig. 11 Taf. XXI) trapezförmig gestellt sind. Mit unbewaffnetem Auge und selbst noch bei starker Lupenvergrösserung erscheinen beide als einfache und zwar sehr scharf umschriebene Pigmentflecke von tiefschwarzer z. Th. etwas bläulich schillernder Farbe. Ihre Form ist kreisrund, die der vorderen, bisweilen wenigstens, etwas läng- lich. Die Grösse ist kaum verschieden zu nennen, da ich den Längsdurchmesser des vorderen Auges auf 0,3, den des hinteren auf 0,27 mm bestimmte. Zum Unterschied von vielen anderen z. Th. nahe verwandten Würmern, an deren Augen man, wie z. B. bei Nereis flavipes (Ehlers Fig. 26 Taf. XXI), N. cultrifera (E. Fig. 31), N. acuminata (Taf. XXI Fig. 23) u. s. w., einen dunkeln pupillenartigen Cen- tralfleck wahrnimmt, konnte ich bei N. Costae einen solchen nie- mals unterscheiden, und ist man sonach hinsichtlich der weiteren Erforschung dieser Organe ganz und gar auf die innere Unter- suchung angewiesen. Da, wie besonders deutlich aus Ehlers Abbildungen Fig. 4 Taf. XI (Eurysyllis tubereulata) und Fig. 1 Taf. XII (Proceraea pieta) erhellt, in jenem Falle, wo Vorder- und Hinteraugen vor- handen sind, die Axen derselben eine entsprechende schiefe Lage einnehmen, d.h. bei den ersteren nach vorne, bei den letzteren nach hinten gerichtet sind, nahm ich auch hier ein analoges Verhältniss an, und trachtete dem entsprechend, behufs der nähern Orien- tirung, zunächst geeignete Median- oder Längsschnitte herzustellen, die indess bei der Kleinheit der Objecte nur selten vollkommen gelingen. Einen solehen Schnitt zeigt nun Fig. 31. Die Hauptkonturen sind nach vorheriger Entfernung des Pigmentes durch Kali- lauge mittelst der cam. 'luc. entworfen, und gilt dies ganz besonders auch hinsichtlich der Augen selbst. An letzteren be- achte man nun zunächst die Lage. Ihre Axen sind ganz ähn- lich orientirt wie in den oben angegebenen Fällen, d. h. die der Vorderaugen (v) gehen nach vor-, die der Hinteraugen nach rück- wärts und schneiden sich unter einem Winkel von ungefähr 150°. 298 V. Graber: Das Zweite, was in Bezug auf's Allgemeine hervorzuheben, ist die ungleiche Form beider Augen. Der Meridionalschnitt des Vorderauges entspricht im Ganzen einer Kugel, indem Längs- und Queraxe ungefähr gleich gross sind, während das Hinterauge einen mehr gestreckten elliptischen Umriss zeigt, indem hier die Längsaxe mindestens um ein Drittel den Querdurchmesser über- trifft. Dies zeigt sich speciell auch an der Schnittfigur der Re- tina, die beim Vorderauge einer Sichel, beim hinteren einem Huf- eisen ähnlich ist. Aus der schiefen Lage der Augen zur Hautfläche ergibt sich ferner von selbst, dass auch deren Gestalt eine unsymmetrische ist, und es erscheint auch in der That der Bulbus beider Augen aussen derart schief abgestutzt, dass die einander zugewendeten Schenkel der beiden Netzhautsehnitte beträchtlich kürzer als die anderen sich darstellen. Uebergehend auf die einzelnen Augentheile, so erkennt man schon am unentfärbten Schnitte, dass sie sich ganz ähnlich wie in den früheren Fällen verhalten. Bemerkenswerth ist nur der Mangel einer Linse und die dadurch bedingte Beschaffenheit des Glaskörpers. Ich gehe in Kürze die einzelnen Straten gesondert durch. Um mit den cormealen Streeken der Integument-Cutieula zu be- ginnen, so zeigen diese, namentlich bei schwächerer Vergrösserung, wenig Besonderes, ausgenommen eine schwache uhrglasartige Hervorwölbung in der Mitte des Hornhautsegmentes. Bei Anwendung stärkerer Systeme überzeugte ich mich dann aber, dass die betreffende Stelle doch auch eine etwas andere Be- schaffenheit besitzt. Es erscheinen nämlich hier (Fig. 32 Co) die in der nächsten Umgebung der Cornea sehr scharf abgegrenzten Cutieularlamellen nur undeutlich und da auch die sonst vorkom- menden auffallend weiten Porenkanäle (Po), auf einer kurzen Strecke wenigstens, ganz fehlen, so gewinnt der betreffende Abschnitt ein fast ganz homogenes Aussehen. Hinsichtlich des nächstfolgenden Augentheiles, d. i. des Glas- körpers ist zunächst dessen Form beachtenswerth, die im Ganzen, wie der Schnitt zeigt, mit jenem des Gesammtauges harmonirt. Dass die Gestalt des Glaskörpers in beiden Augen aber wirklich eine beträchtlich verschiedene ist, sieht man noch besser, wenn man denselben in toto sorgfältig aus dem Auge herausschält. Der Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 299 des Vorderauges (Fig. 28) erscheint als ein relativ flaches, un- gefähr laibartiges Gebilde, jener des Hinterauges hingegen (Fig. 30) als ein langer und ziemlich spitzer Zapfen oder Kegel, dessen nach Aussen gerichtete Basis sehr schief abgeschnitten ist. — Nicht ohne Schwierigkeit entzifferte ich die Struetur dieser Glaskörper, wenn ich im Hinblick auf das Frühere gleich keinen Augenblick daran zweifelte, dass sie eine ähnliche wie bei den vorher behan- delten Würmern sein werde. Am isolirten Präparat ist zunächst wenig herauszubringen. Es zeigt eine sehr durchsichtige (im auf- fallenden Licht milchweisse) und anscheinend körnig geronnene Substanz. — Durch Zerzupfung überzeugt man sich dann aller- dings bald, dass ihre Substanz nicht homogen ist, wie Ehlers an- gibt, indem sie sich der Länge nach in feine Fasern zerspaltet und auch bei stärkerer Vergrösserung und Aufhellung mit Kalilauge vereinzelte Kerngebilde zum Vorschein kommen. Nicht viel mehr erkennt man, wenigstens im Anfang, an den meisten Schnitten, findet sich aber nach und nach, wie ich nun an Fig. 32 kurz erläutern will, doch zurecht, und zwar am besten bei näherer Betrachtung der hintersten Zone, welche an das prae- retinale Septum (la) angrenzt. In Folge der durch die Härtung bedingten Zusammenziehung des Glaskörpers und des Widerstan- des, den eine solche Contraction theils an der äusseren Cuticula, theils an der relativ festen Retina findet, kommt es häufig zu einer queren Zerreissung desselben in der aus der Figur ersichtlichen Weise wobei der hintere Theil durch eine weite Spalte (sp) vom vorderen getrennt erscheint. Vergleicht man nun den ersteren Theil, d. i. den retinalen Glaskörpersaum (a*) mit dem gleichnamigen Stratum anderer Würmer z. B. von Nephthys (Fig. 16 gl), so zeigt sich bald, dass die Structur derselben eine ganz analoge ist. Man sieht nämlich auch hier erstens die so charakteristische radiäre Strei- fung, die, was wichtig, mit jener der Retina correspondirt, und überzeugt sich dann zweitens, namentlich unter Zuhilfenahme einer Karmintinetion, dass in dieser Schichte und zwar hart vor der Glashaut kernartige Gebilde (Fig. 32 u.33 a) eingelagert sind. Ist man einmal so weit, so findet man sich auch in der Struetur des übrigen Theiles zurecht. Es stellt sich nämlich heraus, dass sich die Streifen der Randzone kontinuirlich über den gesammten Glaskörper erstrecken, dass man es also, kurz gesagt, mit faserartig in die Länge gezogenen Zellen zu thun hat, die 300 V. Graber: sich von der äusseren Cuticula bis auf den Netzhautboden aus- dehnen. Dass der Glaskörper aber auch hier in der That nichts An- deres ist als ein Complex oder Bündel von langen Schlauchzellen, zeigen am schönsten Querschnitte durch denselben (Fig. 32 b u. Fig. 34). Hier zeigt sich nämlich, aber oft erst bei Anwendung stärkerer Systeme, ein ganz analoges Bild, wie es Diagramme durch pflanzliche Prosenchymgewebe darbieten, wobei zwischen den deut- lich doppelkonturigen Wänden der benachbarten Zellen stellenweise ganz ähnliche dreieckige Intercellularräume sichtbar werden, wie wir sie seiner Zeit bei Scolopendra erwähnt haben. In Bezug auf die basalen Kerne dieser Schlauchzellen ergibt die letzt eitirte Figur, dass sie eine besondere Wandschicht sowie einen distineten Nucleolus besitzen. Der Inhalt der ausgebildeten Glaskörperzellen muss aber sehr arm an gerinnbarem Protoplasma sein, da man viele derselben fast ganz leer findet. In der Region des Kerns ist die Körnehensubstanz meist um den letzteren abgelagert. Was nun weiter die morphologische Bedeutung dieses Gewebes anbetrifft, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass es auch hier eine reine Hypodermbildung ist. Dafür spricht einmal das ganz analoge Verhalten bei anderen Thieren, z. B. bei gewissen Spinnen, wo, wie z. B. am Saltieusauge, die betreffenden Elemente gleichfalls ausserordenlich verlängert sind, und dann zweitens der Umstand, dass man ausser der einen (basalen) Kern- schichte keine zweite etwa unmittelbar unter der Cuticula vor-: findet, für die Annahme einer vom Glaskörper abgesonderten cornealen Hypodermlage also absolut kein Grund vorliegt. Ich lege auf diese Thatsache desshalb ein besonderes Ge- wicht, weil sie uns zugleich den Weg bahnt zum Verständniss jenes Gewebes (Fig. 31 st), in welches die Augen eingebettet sind, und das von Ehlers meines Erachtens vollständig verkannt wor- den ist. Nach diesem Forscher zerfiele die subeutieuläre oder weiche Integumentlage häufig wenigstens, und speciell in der Augen- gegend in zwei Straten, in die eigentliche Matrix und in ein fasriges Bindegewebe. Von der ersteren, d. i. also von der Hypodermis im heutigen Sinne sagt er u. A. (p. 17): „Naeh mei- nen Erfahrungen ist dieses Gewebe bei den Würmern nicht eine Sehicht von selbständigen Zellen, sondern nur eine dünne Lage Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 301 feinkörniger Masse, welche man als Erzeugerin der Chitin- decke ansehen kann“. Daraus folgt schon von selbst, dass, wenn Ehlers’ Auffassung der Matrix richtig wäre, die in der Augen- gegend sehr dicke faserige Lage, wie sie Ehlers speciell auch in s. Fig. 19, Taf. 19 zeichnet und die auch auf unseren Schnitten (Fig. 31 u. 32 stü) zu sehen ist, in der That nicht zur Hypoder- mis gehören, sondern ein besonderes Stratum repräsentiren würde. Gegen diese Anschauung von Ehlers sprieht nun eben vor Allem das Verhalten jener Hypodermisstrecke, die den Glaskörper bildet. Auch diese Schichte erscheint, auf den ersten Blick we- nigstens, eher einem faserigen Bindegewebe denn einem einfachen Epithel ähnlich, und doch wissen wir jetzt ganz positiv, dass es trotzdem nur eine Lage einfacher Zellen ist. Der rein epitheliale Character der in Rede stehenden Gewebs- schichte ergibt sich aber auch unmittelbar aus dem Verhalten desselben. Verfolgt man dasselbe nämlich (Fig. 31 stü) von der Augen- segend aus, wo es seine grösste Dicke erreicht, in die weitere Umgebung, so sieht man es allmälig zu einer ziemlich dünnen Lage zusammenschwinden (Hp), und zwar zu einer Lage, die sich in gar Nichts von einem typischen Oylinderepithel unterscheidet, wie ich ein solches zu besserer Orientirung in Fig. 24 und zwar aus derselben Gegend von einer Polynoe abgebildet habe. Demgemäss stellt also die polsterartige Gewebsmasse, in welcher die beiden Augen sitzen, durchaus kein neues und beson- deres Stratum vor, sondern es handelt sich hier so gut wie beim Glaskörper um Nichts Anderes als um eine locale Verdiekung der Hypodermis. — Ich muss noch beifügen, dass diese Hypo- dermis inwendig von einer z. Th. geschichteten dünnen Cutieula (Fig. 32 iCu) ausgekleidet wird und diese ist es auch, welche mit der Hülle des Sehnervs kontinuirlich sich auf das Gehirn fort- setzt. Was dann, um dies gleich hier mit abzuthun, Ehlers Auf- fassung hinsichtlich der „Augenträger“ betrifft, so liegt da offenbar eine durch ungünstige Schnitte erzeugte Confundirung zwischen dem dem Auge zunächst anliegenden Hypo- dermgewebe und dem innersten Retinastratum d. i. der sehalenartigen Ausbreitung des n. optieus vor. Dass letzterer aber wirklich aus typischem Nerven- und nicht, 302 V. Graber: wie Ehlers angibt, aus einem ganz aparten Gewebe bestehe, scheint mir kaum eines Beweises zu bedürfen. Schliesslich haben wir noch der irisartigen Pigmentablagerung an der Aussenfläche des Glaskörpers zu gedenken. Betrachtet man letzteren im isolirten Zustand mit schwacher Vergrösserung, so erscheint die corneale Fläche desselben in ihrer ganzen Ausdeh- nung gleichmässig schwarz gefärbt. Mit stärkeren Linsen (Fig. 29) sieht man aber 1. dass das körnige Pigment sehr ungleichmässig ver- theilt ist, und die betreffende Fläche oft wie marmorirt aussieht und dann 2. dass auf derselben stets ein grösserer aber sehr unregelmässig umschriebener heller Fleck, die Pupille vorkommt. Diese Pupille (Pu) liegt aber keineswegs, wie man vermuthen könnte, in der Mitte, sondern sehr excentrisch und zwar, wie der mehrgenannte Durchschnitt zeigt, in der Verlängerung der oculären Hauptaxe. Derselbe Schnitt lehrt dann ferner, dass dieses Pigment etwa keineswegs, wie man aus Ehlers Darstellung schliessen muss, der Retina, sondern wie überall der Hypodermis angehört. Fraglich blieb es mir aber, ob die Gewebselemente, in denen das Irispig- ment abgelagert ist, selbständige (Pigment-)Zellen!) sind, oder ob dieselben nicht vielmehr nur dem äusseren Abschnitt der peri- pherischen Glaskörperzellen entsprechen. Ich komme endlich zur Retina. Da es seit Grenacher’s Un- tersuchungen als eine feststehende Thatsache betrachtet wer- den muss, dass bei gewissen Gliederthieren z. B. den Spinnen, die an einem und demselben Individuum vorkommenden ungleich pla- eirten Augen derselben auch einen mehr oder weniger verschie- denen inneren Bau besitzen, was sich bei Epeira z. B. speeiell in der Beschaffenheit der Retina ausspricht, so hatte ich auch bei Nereis in dieser Beziehung gewisse Unterschiede erwartet. Das nähere Studium und die Vergleichung der betreffenden Organe gab mir indess auch nicht den geringsten Anhaltspunkt zur Annahme eines solchen histologischen Dimorphismus und das Folgende gilt daher in gleicher Weise von den Vorder- wie von den Hinteraugen. Wenn aber auch — dies muss ich ausdrücklich bemerken — bei unserer Nereis derlei durch die Arbeitstheilung bedingte Differenzi- 1) An der Aussenfläche des Glaskörpers habe ich einmal in der That kernähnliche Elemente bemerkt, mich jedoch an Tiefenschnitten von deren Existenz nicht mit der wünschenswerthen Sicherheit überzeugen können. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 303 rungszustände der Retina nicht bestehen, so ist damit selbstver- ständlich noch lange nicht bewiesen, dass solche den Würmern überhaupt fehlen, und möchten wir zum Studium dieser wichtigen Frage namentlich jene Anneliden empfehlen, bei denen, wie z. B. bei der jungen von Ehlers auf Taf. XXI Fig. 1 abgebildeten Ne- reis mehrere Paare von schon äusserlich sehr verschieden aus- sehenden Augen vorkommen. Mit Bezug auf eine Angabe von Ehlers, der keine beson- dere Augen- resp. Retinahülle beobachtete, hebe ich nun zunächst hervor, dass ich eine solche gerade hier am Allerbestimmtesten unterscheiden konnte. An gut entfärbten und dann mit Karmin tingirten Schnitten erscheint sie (Fig. 32 sc) als eine allerdings sehr schmale, aber durch ihre intensiv rothe Farbe leicht erkennbare Grenzleiste. Ich sah ferner und zwar aufs Bestimmteste, dass sie am äussersten Rande des Netzhautbechers (u) sich nach innen einschlägt, um die bekannte Zwischenlamelle (Fig. 31 und 33 la) zu bilden, welche letztere allenthalben mit grösster Schärfe hervortritt. Die Retina selbst zeigt dann im Ganzen eine ähnliche Be- schaffenheit wie bei Nephthys und Eunice. Der unentfärbte Schnitt bietet, wie auch Ehlers erkannt, zwei Schichten, eine dunkel- schwarze Aussen- und eine pigmentfreie Innenlage. Letztere ent- spricht im Wesentlichen (Fig. 31 Hgz) der Ganglienzellen- und Faser- schichte; erstere der Stäbehenzone (st). Bezüglich der hellen Zone muss ich noch erwähnen, dass sie Ehlers viel zu schmal angibt, und dass, wie schon erwähnt wurde, unsere Faserlage z. Th. seinem Augen- träger-Gewebe entsprechen dürfte. DasPigment der Aussenzone erschien mir bald einfach schwarz, bald dunkel-violett. . Der innere wie verwaschen aussehende Rand der Pigment- zone ist nicht schwarz, sondern erscheint — wie dies auch Ehlers er- wähnt, mehr röthlich-pommeranzengelb; da aber alles Augenpigment von Nereis (und vieler anderer Würmer) in Kalilauge dieselbe Farbe annimmt, möchte ich glauben, dass das in Rede stehende Randpigment nicht wesentlich vom übrigen verschieden seit). 1) Da erwiesenermaassen auch verschiedene sog. Conservirungsflüssig- keiten, wie z. B. Alcohol, gewisse Augenpigmente verändern resp. auflösen, 304 V. Graber: In Bezug auf das Uebrige verweise ich zunächst auf Figur 33. Selbe ist von einem Tiefenschnitt, der so lange mit Ka- lilauge behandelt wurde, bis ich die Elemente der Aussen- schicht deutlich unterscheiden konnte. Da erkennt man nun, dass die Retina nach Abzug der dünnen Faserlage sich aus schlauchartigen Pallisaden zusammensetzt, die aber im Ver- gleich zu anderen Würmern auffallend kurz, resp. dick sind. Je- der dieser Schläuche zeigt dann wieder drei differente Abschnitte, einen vorderen, das Stäbchen, einen mittleren, und dann einen basalen Theil. Am auffallendsten erscheint an unserem Prä- parat das Stäbchen, oder richtiger der mit gelblichbraunem Pigment erfüllte zapfenartige Inhaltskörper desselben, der, wie wir schon oben erwähnten, von einem hellen Axenfaden durchzogen wird. Da diese pomeranzengelben Körper nicht bloss seitwärts, sondern auch nach hinten scharf abgegrenzt erscheinen, glaubte ich anfangs, dass sie den axialen Stäbchen der Spinnen entsprächen. Der gleichfalls schon früher besprochene Flächenschnitt durch die Stäbehenschieht in Fig. 35 zeigt indess, dass man es hier wirk- lich nur mit den becherartigen Höhlungen der Stäbehen zu thun hat. Das Bild erinnert auffallend an dasjenige, welches Grenacher auf Taf. I Fig. 11 von Dytiseus zeichnet. Man hat ein stark licht- breehendes, bei hoher Einstellung dunkles, bei tiefer sich allmäh- lig aufhellendes bienenwabenartiges Balkenwerk vor sich. Die sechseckigen Lücken beziehungsweise Kammern die- ses Stäbehenstratums erscheinen nun von einem feinkörnigen gelb- lichen Inhalt erfüllt, in dessen Mitte der Axenfaden hängt. — Die Stäbehen müssen mit ihren Seitenwänden jedenfalls ganz knapp aneinanderliegen, da die Balken, welche ihre Hohlräume von ein- ander trennen, meist ohne Spur einer mittleren Trennungslinie er- scheinen. Eine Streifung der Stäbehenwand konnte ich bisher niemals sicher constatiren, vielleicht wohl auch desshalb, weit ich es ver- säumt habe, diese Elemente im völlig isolirten Zustand darauf zu prüfen. Ebenso bin ich über einen andern Punkt im Unklaren geblieben, nämlich darüber, ob denn die Stäbehenhöhlung nach so kann hier nur die Untersuchung von ganz frischem Material die erwünschte Aufklärung geben. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 305 hinten hin bis auf die zum Eintritt des Axenfadens nothwendige Oeffnung vollkommen geschlossen ist. Am Empfindlichsten ist mir aber meine Ungewissheit in Be- treff der Vorderkernzone. Ich habe nämlich von einer solchen wiederholt Andeutungen gesehen, jedoch unter Umständen, wo eine Verwechslung mit der basalen Kernschichte des Glaskörpers nicht ganz ausgeschlossen war. Fam. Syllidea. Hesione pantherina Risso. Die Augen dieses Wurms, über die ich in der mir zur Ver- fügung stehenden Literatur keine nennenswerthe Angabe finde, stimmen in den meisten Punkten mit jenen der eben behandelten Nereis überein und beschränke ich mich im Folgenden auf die Mittheilung der Hauptpunkte. Auch hier unterscheidet man bekanntlich zwei Paare, ein vorderes und hinteres, die zusammen ein Trapez bilden. Beiderlei Augen sind im Ganzen sehr klein zu nennen, da ihr Durchmesser an einem ca. 20 mm langen Exemplar nicht mehr als 0,15 mm betrug. Trotz dieser Kleinheit oder vielleicht gerade deshalb lässt die äussere Besichtigung mehr als bei Nereis erken- nen. Man sieht nämlich, wie dies übrigens von den meisten Syl- liden angegeben wird, im Innern des Pigmentfleckes (Fig. 19) eine ziemlich scharf umschriebene, relativ durchsichtige Stelle, die dem lichtbrechenden Körper entspricht. Nebstdem bemerkt man sofort, dass die Form beider Augen noch viel beträchtlicher verschieden ist, als bei Nereis. Während nämlich das hintere (h) einen fast kreisrunden Umfang zeigt und die Pupille eine centrale Lage be- sitzt, hat das Vorderauge (v) eine mehr längliche Gestalt und er- scheint die Pupille stark nach vorne verschoben. Dem entspricht nun auch der mit der Cam. luc. gezeichnete Medianschnitt in Fig. 16. Derselbe gleicht im Allgemeinen voll- ständig dem correspondirenden Präparat von Nereis (Fig. 31), ein- zig nur mit dem Unterschiede, dass hier das Hinterauge nicht schief nach rückwärts, sondern gerade nach oben gerichtet ist, auf der äusseren Haut also senkrecht steht. Die Verschiedenheit der Form beider Augen spricht sich am deutlichsten in jener des Retina-Schnittes (Fig. 21) aus. Am Vorder- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17, 20 306 V. Graber: auge ist derselbe sichel-, am hinteren halbmond- oder besser halb- ringförmig. In Bezug auf die einzelnen Augentheile wäre dann etwa fol- sendes zu berichten. Die corneale Integument-Cutieula erweist sich hier fast ebenso indifferent wie bei den meisten Würmern. Am Präparat Fig. 20 erscheint sie allerdings über jedem Auge uhrglasförmig ge- wölbt, da diese Krümmung sieh aber über das gesammte Auge erstreckt und nicht auf die unmittelbar dem Glaskörper vorgela- gerte Stelle beschränkt ist, dürfte sie in physiologischer Beziehung nur einen geringen Werth haben und eher als Ausdruck für eine durch die Augenbildung bedingte räumliche Entfaltung des Inte- gumentes zu nehmen sein. Höchst lehrreich ist hier der lichtbrecehende Körper, der im ‚Ganzen dem von Nereis gleicht, also linsenlos ist, aber seine Zusammensetzung aus typischen Hypodermzellen viel leichter wie dort erkennen lässt. Am Tiefenschnitt zeigt er wieder ein streifig - faseriges Ge- füge (Fig. 22 gl links), am Querschnitt dagegen das bekannte Bild eines Parenchymgewebes (dieselbe Figur rechts). Durch Auflösung des Augenpigments mit Kalilauge und nachherige Fixirung mit einer Säure erhält man oft eine schöne (gelblichbraune) Tinetion der basalen Kerne. Der Form des Glaskörpers entsprechend, lau- fen dessen Schlauchzellen am Vorderauge fast parallel (Fig. 21 g)), während sie am hinteren von der Cuticula aus radiär nach Innen ausstrahlen. Bei der sphärischen Form dieses Gebildes ist es ferner auch leicht begreiflich, warum auch an Tiefenschnitten manche Zellen quer getroffen werden. Uebergehend zur Retina, so ist hinsichlich des Gesammtha- bitus zu erwähnen, dass sie eine grössere Dicke wie bei Nereis besitzt, und gilt dies insbesondere von der äusseren oder pigmen- tirten Zone (Fig. 20 re). Letztere erscheint an dickeren Schnitten schwärzlich-, an dünneren gelblichbraun, und letzteres ist auch die Farbe der isolirten Pigmentkörner. Die helle Innenzone lässt am unentfärbten Schnitt nicht viel mehr unterscheiden, als eine körnige Grundmasse mit einzelnen Kernen, sowie, an der äussersten Peripherie, wellige Züge feinster Opticusfasern. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 307 Von auffallender Präcision ist das Bild der Retina, wenn sie nach der mehrfach erwähnten Methode aufgehellt wird. Zunächst sieht man hier die pallisadenartig nebeneinander ste- henden Schläuche mit einer Deutlichkeit, wie sie sonst selten zu Tage tritt. Diese Schläuche sind im Vergleich zu denen von Ne- reis in ihrem bacillären Vorderabschnitt sehr schlank und hell, während sie hinten überall stark kolbig aufgetrieben und pigmen- tirt erscheinen. Vor Allem überraschte mich aber hier die grosse Deutlichkeit der Vorderkernzone. Die betreffenden Ge- bilde (ak) sind nämlich ebenso scharf konturirt und durch den retinalen Farbstoff ebenso intensiv gelb tingirt, wie die in den oberwähnten Kolben liegenden Hinterkerne (gz), von denen sie sich überhaupt nur durch eine etwas geringere Grösse unterscheiden. Dagegen konnte ich hier über den feineren Bau der im Gan- zen röhrenartigen und, wie es scheint, ziemlich diekwandigen Stäbehen, sowie über das Verhalten des Axenfadens nichts Näheres herausbringen. Fam. Aphroditea. Mit Rücksicht auf das Ziel der vorliegenden Arbeit, welche durchaus keine irgendwie vollständige Schilderung der Augen aller einzelnen Nereidengruppen geben, sondern nur den Typus dersel- ben ins Klare bringen soll, muss ich hier gleich vorausschicken, dass es mir speciell bei dieser grossen Abtheilung lediglich nur um eine flüchtige Orientirung darüber zu thun war, in wieferne deren Augenbau mit dem bei den früher behandelten überein- stimmt, und theile ich diesfalls nur einige Abbildungen mit kurzer Erläuterung mit. Auf Fig. 23 sieht man zunächst einen Flächenschnitt durch das Augen-Innere einer Polynoe elegans. Derselbe gleicht fast vollständig dem einer Nereis, insoferne der aus sehr durchsichti- gen Schlauchzellen bestehende Glaskörper keine Linse einschliesst. Ein Bild der genannten Zellen (gl) selbst (und zwar im Quer- schnitt) gibt dann Fig. 26. Ihre Wände sind sehr diek und zeigen häufig, wohl als Schrumpfungs-Erscheinung eine Art Kanelli- rung, die auch das streifige Aussehen derselben bedingt. Die 508 V. Graber: Kerne sind relativ sehr klein, aber ausserordentlich stark licht- brechend. Fig. 25 zeigt dann die Augen-Weichtheile an einem axialen Durchschnitt, wobei, hinsichtlich der Retina, das Vorkommen einer deutlichen Vorderkernzone (ak) zu erkennen ist. Ein genaues Bild der oculären Ganglienzellenlage findet sich dann auf Fig. 26*, nach einem mit Carmin tingirten Flächenschnitt, und beachte man hier, dass die Wandung der betreffenden Schlauchabschnitte eine sehr derbe ist. Bei einer Polynoe areolata Grube fand ich die Verhält- nisse im Ganzen ähnlich; nur schienen mir die Glaskörperzellen noch grösser d. h. dicker wie bei P. elegans zu sein. Da Ehlers bekanntlich dem Nereis-Auge einen eigent- lichen Sehnerv abspricht, muss ich noch eigens bemerken, dass ein soleher hier ausserordentlich deutlich zu erkennen ist. Das Auge mit seiner schalenförmigen Retina und dem darin steekenden zapfenartigen Glaskörper gleicht ungefähr einer Eichel- frucht, und ist durch einen langen aus echten Nervenfasern be- stehenden Stiel mit dem Gehirn verbunden. Zum Unterschied im Vergleich zu den früheren Würmern, deren Augenpigment in Kalilauge. eine pomeranzengelbe Lösung gibt, erscheint dieselbe hier sowie bei Aphrodite aculeata von rauchbrauner Farbe. Schliesslich beachte man noch das gestielte Auge von Her- mione hystrix in Fig.27. Links sieht man dasselbe am entfärben Längsschnitt, wobei man folgende Haupttheile unterscheidet. Nämlich 1) die Cornea co, 2) den zapfenartigen Glaskörper gl (ohne Linse), 3) eine Stäb- chenlage, 4) eine Schicht grosser Basalkerne und 5) endlich den längs des Augenträgers verlaufenden Sehnerv. Die Figur rechts gibt dann einen Querschnitt in der mittle- ren Höhe des Glaskörpers (xx), an dem man in concentrischer An- ordnung von Aussen nach Innen den Glaskörper, die Stäbehen- schicht, die basalen Kerne und zu äusserst die Integument-Cuti- cula mit ihrer in der Zeichnung weggelassenen Hypodermis (hp) erblickt. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 309 Einige Maassangaben über die Polychaeten-Augen in Millimetern 5 $ = Glaskörperzellen Retina le Dane ar “ 48| A es Stäbchen Retinalkerne Se ame des Thieres.| 8] & | Grösste Bi Pr 273 ER > Te = 5) % 2 Dick m Dan 4 a Mitt- | Basa- | &= a5 icke. &05 || Länge. || Dicke. || „er. |lerer. | ler =) 8 . lerer.|| ler. |4 5 > |e Sr I: Aleiope Contrainii.| 0,8 |0,2 || 0,006 | 0,004 |0,12 || 0,057 |10,0057 |0,004 0,003 | 0,005 | 0,007 Nephthys marga- ritacea. 0,4 | 0,05| 0,006 0,06 || 0,04 0,005 0,004 0,007 | 0,009 Polynoe elegans 0,3 0,015*) || 0,009*) || 0,03 0,008*) 0,008 | 0,011 Eunice Harassii | 0,3 10,07, 0,05 || 0,025 0,003 | 0,0025 \ 0,005 0,005 | Nereis Costae 0,3 0,07| 0,009 | 0,0045 | 0,024 || 0,008*) | 0,0055 0,0044? 0,005 0,0076 Hesione panthe- | rina. 0,15 0,007 0,004 110,05 || 0,025 0,0035 |) 0,003 (0.004 0,006 *) Obwohl die Grössenverhältnisse der Augentheile uud besonders der Retinalelemente hauptsächlich nur in Verbindung mit gewissen physiologischen Fragen, z. B. über die Sehweite und Sehschärfe Interesse haben, möchte ich doch wenigstens auf den aus der Tabelle ersichtlichen Umstand aufmerksam machen, dass speciell die Dimensionen der Stäbchen beim grossen Auge von Alciope fast genau dieselben sind wie am vielmal kleineren „Pigmenttleck“ einer Nephthys oder Nereis. Ein grosser Unterschied zwischen beiderlei Augen besteht nur darin, dass bei den letzteren die Zahl der Perceptivelemente und damit also wohl auch die Bildgrösse und -Deutlichkeit, relativ sehr reducirt ist. Schwierig dürfte essein herauszubringen, ob man nament- lich an den äusserlich sehr flachen Klein-Augen eine Rückbil- dung in Folge von Weniger-Gebrauch oder eine Anpassung an besondere Lebensbedingungen zu suchen hat. Zusammenfassung und Vergleiche. Das Auge hat bei allen (von mir untersuchten) Chaetopoden trotz der grossen Verschiedenheit seiner äusseren Erscheinung und Grösse, genau einen und denselben Typus. Es zeigt eine im Ganzen kugelförmige Gestalt und besteht aus zwei Haupttheilen: einem äusseren (oberflächlichen), der nichts Anderes als eine mehr oder weniger modificirte Strecke des all- 310 V. Graber: gemeinen Integumentes !) (Cutieula und Hypodermis) ist und das dioptrische Organ darstellt, und aus einem inneren unmittelbar mit dem Nervensystem verbundenen 'Abschnitt, der das oculäre Per- ceptivsystem oder die Retina repräsentirt. Der Augapfel als Ganzes besitzt keine eigene Umhüllung (Selerotica im Sinne der Wirbelthiere und Cephalopoden), wohl aber kommt eine solche dem Retinabecher zu, der als ein selbst- ständiger Abschnitt vom allgemeinen oder integumentalen Theile abgelöst werden kann. Diese Retina-Hülle ist eine dünne Cutieula und erweist sich topographisch als ein gestielter blasenartiger An- hang der Hirnkapsel. 1: Integumentaler Abschnitt. A, Cuticulare Schichte. Dieselbe zeigt durchgehends eine wenn auch meist nur unbe- deutende Vorwölbung nach Aussen, verbunden mit einer relativ gros- sen Homogenität, resp. Pellucität. Dagegen scheint eine linsenartige Verdickung der Cornea-Cuticula ganz allgemein zu fehlen; ja bis- weilen (Nereis) ist die Cornea sogar dünner, als das umgebende Integument. Am augenfälligsten ist die Differenzirung dieses Theiles bei den Alciopiden und an den gestielten Augen gewisser Aphroditi- den, beschränkt sich aber auch hier lediglich auf die Flächen- krümmung. B.’HypodermalerSselhichte. Dieser Augentheil, für den ich die möglichst indifferente Be- zeiehung „dioptrischer Binnenkörper“ vorschlage, zeichnet 1) Wenn u. A. Gegenbaur (Grundriss der vgl. Anatomie p. 165) auf Grund der bisherigen Angaben sagt: „Der Augenbulbus erscheint nur in jener höch- sten Ausbildung bei den Alciopiden mit dem Integument in Verbin- dung“ und dann (Grundzüge d. vgl. Anatomie 1870 p. 106), „dass bei den Chaetopoden die Augen meist unter dem Integument geborgen seien,“ so hat diese Darlegung, wie wohl kaum zu erwähnen nöthig, durch meine Untersuchuugen ihre Gültigkeit insofern verloren, als bei den Alciopiden so gut wie bei den anderen Nereiden i. w. S. das Integument selbst einen inte- grirenden Theil des Augenkörpers darstellt. ee Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 311 sich ganz allgemein durch eine grosse Durchsichtigkeit und sein bedeutendes (aber bisher nicht näher analysirtes) Lichtbreehungs- vermögen sowie durch die starke oft zapfenartige Krümmung seiner Innen- oder Retinalfläche aus. Im Uebrigen zeigt dieser Abschnitt zwei scharf von einander zu haltende Differenzirungsformen. Im einen Falle (bei Nereis, Aphrodite, Polynoe, Hesione ete.) ist der dioptrische Binnenkörper nichts Anderes als ein Stück Hypodermis (Epithel), bestehend aus radienartig ausstrahlenden schlauchartigen Zellen, die von der Peri- pherie des Auges gegen die Axe zu an Länge zunehmen, und deren Kerne das basale (retinale) Ende einnehmen; im andern Falle dagegen zeigt sich im centralen Theile dieses zelligen Hellkörpers ein ho- mogenes und zwar cuticulares Gebilde, das ich als Linse im enge- ren Sinne dieses Wortes bezeichne. Der dioptrische Zellkör- per bildet in diesem Falle keine solide Masse, sondern eine die Linse mantelartig umgebende Ausfüllungs- oder Zwischenlage, die aber in Bezug auf ihr übriges Verhalten und namentlich betreffs ihrer Kernlage vollkommen mit dem soliden Zellkörper des indif- ferentern Auges übereinstimmt und demselben also homolog zu setzen ist. An dieser mantelförmigen Zelllage bezeichne ich den äusseren unter der integumentalen Cuticula liegenden Abschnitt als Gor- neal-Epithel, den übrigen dagegen als Glaskörper im enge- ren Sinne und zwar in Bezug auf den linsenlosen Zustand des- selben Gewebes, das, wie bei den Tracheaten, Glaskörper schlecht- hin genannt werden mag, wobei aber wohl zu beachten, dass die- ses eetodermatische C. vitreum der Artrozoen im Vergleich zum gleichnamigen mesodermatischen Gewebe der Wirbelthiere immer nur ein blosses Analogon darstellt. Die Linse selbst hat im Allgemeinen eine ähnliche Form wie der dioptrische Abschnitt im Ganzen: sie ist daher aussen sehr flach bei den mehr plancornealen Augen (Eunice, Neph- thys), deutlich gewölbt dagegen am convex-cornealen Aleiopi- den-Auge. Ihr Bau ist insoferne bei allen ein ähnlicher, als sie überall von einer besonderen dünnen Kapsel umgeben wird und, wenig- stens z. Th., aus einer ganz homogenen Masse besteht, die ihrer leichten Auflösslichkeit in Kalilauge wegen im Ganzen mehr von gallertiger als chitinöser Beschaffenheit zu sein scheint. 312 V. Graber: Die Substanz des Linsenkörpers bietet aber manche z. Th. gewiss auf ihre optische Function bezügliche Anpassungen. Bei Alciope zerfällt sie in drei concentrische Schichten, wovon die äus- sere körnig gerinnende die weichste zu sein scheint. Bei Nephthys dagegen z. B. findet sich ein granuläres Ge- rinsel im centralen Theil. Ob in diesen körnigen Straten viel- leicht Ueberreste von linsenbildenden Zellelementen vorliegen, und wie dieser Körper sich überhaupt bildet, bleibt weiteren Untersu- chungen vorbehalten. In der pericornealen Hypodermis findet sich wohl durchge- hends eine Ablagerung von Pigment, das den durchsichtigen Theil der Cornea (Cornea-Pupille) oft (Nereis z. B.) bis auf eine sehr kleine Strecke einengt. Bei Eunice erscheint diese, einer Iris analoge, hypodermatische Augenblendung sternförmig (Fig. 9). Die Frage nach dem gelegentlichen Vorkommen einer dem accomodatorischen Ciliarkörper analogen Einrichtung, bleibt noch offen — eine Andeutung eines den vordern Linsentheil ring- förmig umspannenden Contractil-(?)Gewebes fanden wir nur bei Aleiope. II. Retina. Die Retina hat im Allgemeinen die Form eines in der Mitte ausgebauchten Bechers, mit einer, in Vergleich zum Tracheaten- Stemma, im Ganzen sehr tiefen Aushöhlung und einer verhältniss- mässig dünnen Wandung. Die Retina ist in ihrer gesammten Ausdehnung nichts Ande- res als die Endausbreitung des Sehnervs und gliedert sich in zwei aber continuirlich mit einander verbundene Lagen: in eine innere, die Opticusfaserschicht, welche im Allgemeinen sehr dünn ist, und in eine äussere (d. i. dem Integument zugewandte), die Pallisadenschicht, und stellt letztere die Hauptmasse der Netz- haut dar. Die Dicke der Pallisadenschieht (und der gesammten Retina- wand) nimmt gegen den Rand des Bechers hin ab, ist aber auch im centralen (resp. axialen) Abschnitt (ob immer?) dünner als in der nächst angrenzenden peripherischen Region. . Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 313 Die Elemente der Pallisadenschicht erscheinen einander voll- kommen homotyp und stehen im Ganzen immer senkrecht auf der vitrealen Fläche (Grenzlamelle) des Netzhautbechers. Diese Palli- saden sind (meist prismatische) Schläuche, welche mit ihrem inne- ren (basalen) Theil je in eine Opticusfaser übergehen, während ihr äusseres Ende an die Grenzlamelle angeheftet ist. Ihrer radiären Aufstellung entsprechend nimmt ihr Kaliber von Innen (N. optieus) nach Aussen (Glaskörper) ab; an der Basis sind sie oft kolbenartig aufgetrieben. Diese Retinal-Schläuche sind nicht histologische Elementarorgane vom Werth einer einfachen (einkerni- gen) Zelle (Grenacher), sondern besitzen (wahrschein- lich auch Nereis mit inbegriffen) wenigstens zwei Kerne, einen apicalen oder terminalen am äussersten Endstück des Schlau- ches, und einen basalen (inneren) in dem einer Ganglienzelle vergleichbaren Abschnitt. Bei einigen Würmern, so bei Eu- nice und Aleiope, findet sich ausserdem noch ein mittlerer Retinal-Kern vor, und ist dessen Vorhandensein auch für an- dere Würmer wahrscheinlich. Die Schlauchwandung zwischen dem äusseren und mittleren Kern ist stark verdickt, stark licht- brechend und zeigt, z. Th. wenigstens, eine lamelläre Zusammen- setzung aus zweierlei wechselweise sich folgenden Substanzschich- ten von ungleichem Breehungsindex; den betreffenden Abschnitt des Retinalschlauches bezeichne ich mit Greeff als Röhren- stäbchen. Der, wie im übrigen Schlauchtheil protoplasmatische Inhalt des Stäbehens wird der Länge nach von einem dünnen Axenfaden durchzogen, der sich z. Th. bis in die retinale Gang- lienzelle zurückverfolgen lässt. Die Retinaschläuche enthalten stets ein körniges Pigment, das in diekeren Lagen das Licht absorbirt und meist schwarz erscheint. Bei Aleiope Contrainii scheint das Pigment ausschliesslich nur auf die hier scharf begrenzte und sehr schmale Mittelstreeke be- schränkt, bei allen übrigen füllt dasselbe auch die Stäbehen aus, und erscheint demnach die gesammte Pallisadenschicht, mit Aus- nahme eines schmalen basalen Saumes, im natürlichen Zustand undurchsichtig. Eine morphologische Vergleichung dieser retinalen Pigment- zone, namentlich wenn sie (wie bei Aleiope) eine mediäre Lage einnimmt, mit der Chorioidea der Wirbelthiere ist aus mehrfachen 314 V. Graber: naheliegenden Gründen völlig unzulässig, und ist wohl auch die (physiologische) Analogie nur eine sehr entfernte. Bei Aleiope liegt vielleicht zwischen der Stäbehen- und Mittel- schicht eine feine gefensterte Grenzmemhran. Die Cardinalfrage, ob diese mehrkernigen Retinalschläuche nur höher differenzirte einfache Zellen vorstellen, oder ob sie durch Verschmelzung von einer dem Numerus ihrer Kerne ent- sprechenden Anzahl von Zellen entstehen, wird einzig und allein nur die ontogenetische Untersuchung entscheiden; von einer di- receten Umwandlung einer Hypodermstrecke in die re- tinale Pallisadenschichte kann aber wohl nach ihrem ganzen Verhalten zu urtheilen, kaum die Rede sein. 11I. Vergleichung. Wie schon früher!) kurz mitgetheilt und in der vorliegenden Arbeit wiederholt näher begründet wurde, zeigt das Chaetopoden- auge vor Allem die grösste Verwandtschaft mit dem typischen Tracheatenstemma, ja es sind diese beiden Augenformen ge- radezu homotype Bildungen zu nennen. Es zeigt sich dies einmal im hypodermalen Character ihres dioptrischen Binnenkör- pers und dann ganz besonders in der Gestaltung, Umhüllung und Gliederung der Retina. Betrefis der letzteren sei nur noch einmal hervorgehoben, dass ihre Elemente, die Retinapallisaden, auch bei den Tracheaten (wenigstens bei den von uns untersuchten) nicht ein- sondern mindestens zweikernig sind, und dass der basale Ab- schnitt einen ganglienzellenartigen Habitus besitzt. Ein Unterschied besteht — aber nicht allgemein — nur in der Form des Stäbchens, das bei den Tracheaten meist ein axia- les, bei den Chaetopoden hingegen ein parietales Gebilde des Re- tinalschlauches ist, sowie in dem Umstande, dass für das stemmale Tracheaten-Stäbehen noch kein besonderer Axenfaden nachgewie- sen ist. In letzterer Beziehung wäre aber zu bedenken, ob nieht 1) Ueber die Convergenz zwischen dem Tracheaten-Stemma und dem Annelidenauge. Dieses Archiv Band 17 pag. 94. Ferner in der Ab- handlung von Professor Marty „Die Frage nach der geschichtlichen Ent- wickelung des Farbensinnes“, Wien, Gerold 1879, pag. 154 und 155. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 315 vielleicht manche der sog. soliden Axenstäbehen — und wir erinnern speeiell an die von uns beim Scorpion nachgewiese- nen Verhältnisse —, welche sich weit zurück gegen die Ganglienzelle verfolgen lassen, dem Axenfaden der hohlen Chaetopoden- Stäbchen entsprechen. Trotz dieser ganz ausgesproche- nen Homotypie zwischen Tracheatenstemma und Chae- topodenauge können dieselben aber aus naheliegen- den Ursachen doch nicht als Homologa, sondern nur als hoehgradig convergente Analoga bezeichnet werden, ja auf Grund der so ausserordentlich ungleichen Lage- rung und der so schwankenden Zahl dieser.Organe bei den einzelnen hierher gehörigen Thierformen, ist es noch sehr fraglich, in wieweit die Augen der Trachea- ten einer- und der Chaetopoden andererseits innerhalb jeder der genannten Abtheilungen mit einander homo- logisirt werden dürfen. Beispielshalber will ich nur darauf hinweisen, dass vorläufig für eine strenge Homologisirung der Spinnenaugen und der (ima- ginalen) Insecten-Stemmata keinerlei sichere Basis vorliegt!). Ausser der Vergleichung des Chaetopodenauges mit dem Tracheaten-Stemma scheint mir dann noch, und zwar speciell in Bezug auf die von mir entwickelten Anschauungen über die Retina- 1) Von grösstem Interesse wäre selbstverständltch eine genauere Kenntniss der bei einigen Chaetopoden, Polyophthalmus, Amphicore etc., vorkommenden Rumpf- bez. Schwanzaugen und deren Vergleichung mit den am Kopf befindlichen. Hier will ich auch bemerken, dass die „Aunkeln Rückenflecke“ von Lysidice viridis Gray, so viel ich aus der einschlägigen Darstellung von Ehlers (p. 367 sowie Taf. XVI Fig. 17 und 18) entnehme, wahrschein- lich doch, wie schon Metschnikoff behauptete, als Sehorgane und nicht (Ehlers) als Drüsen zu betrachten sind. Dafür spricht die linsenartige An- schwellung der Integument-Cuticula, dann das darunter liegende auffallend helle und grosszellige Gewebe, das (von den angeblichen Poren der betr. Ele- mente abgesehen) auffallend an den von uns nachgewiesenen Glaskörper er- innert, und endlich der am Tiefenschnitte (Ehlers Fig. 18) halbmondförmige Pigmentgürtel. Eine Behandlung des letzteren mit Kalilauge, die Ehlers leider auch hier unterlassen hat, würde voraussichtlich eine völlig sichere Entscheidung geben, da Drüsen- und Retinalelemente für den Kundigen in der Regel doch leicht von einander zu unterscheiden sind. 316 V. Graber: Gliederung eine andere Parallele von Wichtigkeit, ich meine die mit dem Cephalopodenauge. Um das, wie es scheint, einfachere Verhalten bei Nautilus zum Ausgangspuncet zu nehmen, so geht zunächst aus der ein- schlägigen Darstellung von Hensen (Bronn’s Classen und Ordnun- gen des Thierreiches, Weichthiere, Taf. 115, Fig B) zur Evidenz hervor, dass die Retina ausser der genau wie bei den Artrozoen gelagerten Stäbchenschichte noch zwei scharf gesonderte d. i. je mit einer eigenen Kernzone versehene Zellstraten besitzt, nämlich eine äussere epithelartige und pigmentirte Schichte, welche hier kontinuirlich in die flimmernde Integument-Epidermis überzugehen scheint, und dann ein inneres (d. h. dem optieus näher liegendes) Stratum, das anscheinend aus mehr rundlichen und unregelmässig durcheinanderliegenden Zellen besteht. Bei näherer Vergleichung dieses Hensen’schen Schemas mit der Aleiopiden-Retina auf unseren Figuren 1, 2 u.s. f. drängt sich nun wohl Jedem schon a priori die Vorstellung auf, dass in der erwähnten äusseren retinalen Zellschicht (in der genann- ten Figur mit m bezeichnet) ein Analogon zur „pigmentirten Mittelschicht“ von Aleiope vorliege, woraus sich dann die wei- tere Vergleichung der inneren Nautilusschicht (mit o bezeich- net) mit unserer basalen oder Ganglienzellenschicht von selbst ergibt. Dass hier aber in der That ganz analoge Differenzirungen vorliegen, ersehe ich nun, und nicht ohne “Ueberraschung, aus der neuerlichen Durchmusterung einiger seinerzeit von mir in Triest angefertigter Schnitte durch eine in Osmium gehärtete Sepia- Retina. Die Uebereinstimmung zumal mit den gleichbehandelten Schnitten von Aleiope ist geradezu eine sprechende. Zunächst in Bezug auf die Stäbchen. Dieselben sind auch hier, was übrigens z. Th. schon durch Hensen, M. Schultze ete. bekannt, hohl, von einem dünnen Faden durchzogen und zeigen an der verdickten Wandung eine ganz ausserordentlich prägnante Quer- streifung. Die Mittelschichte dann ist im Ganzen die schmälste und vorne und hinten, ganz wie bei Aleiope scharf z. Th. durch eine eigene m. fenestrata abgegrenzt. Besonders betone ich noch, dass sich das schwarze Pigment derselben wenigstens streckenweise und als isolirender Ueberzug des Axenfadens, auch in das Stäbchenlumen hineinzieht. Bezüglich des basalen Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 317 Elementes hebe ich nur hervor, dass dasselbe continuirlich in das Mittelstück und durch dieses in das Stäbchen übergeht, dass die Retina also auch hier auf eine einfache Schichte von Pallisaden oder Schläuchen zurückzuführen ist, die in der angegebenen Weise in drei mehr oder weniger selb- ständige Unterzonen von z. Th. epithelialem Character zerfällt. Ganz im Unklaren bin ich hier vorläufig nur über das ev. Vorkommen eines äusseren Stäbehenkerns, dessen Aufsuchung nach dem bei den Würmern von mir nachgewiesenen Verhalten, gewiss keine ‘überflüssige genannt werden kann, da ja eventuell auch der sichere Nachweis seiner Nichtexistenz für eine allgemei- nere Retina-Vergleichung von Wichtigkeit ist). Czernowitz, 15. August 1879. 1) Ich kann hier nicht umhin zu bemerken, dass mir die Art und Weise, wie Grenacher (p. 164 und 165) seine Theorie von der Einzelligkeit der Retinapallisaden gegenüber den bei den Cephalopoden erkannten Ver- hältnissen aufrecht zu erhalten sucht, nicht vollkommen verständlich ist. Wenn er u. A. die inneren dem optieus zunächst liegenden, aber mit dessen Fasern direct verbundenen Zellstraten vom Begriff der Retina ausschliessen will, so müsste man doch consequenterweise auch die kernfüh- renden Basaltheile im Tracheatenstemma eliminiren, und es bliebe dann am Grenacher’schen Schema z. Th. (z. B. im Vorderauge von Epeira) als Retina nur eine kernlose Stäbchenschichte zurück, die dann nicht einmal den morphologischen Werth eines Epithels besässe. Einer weitergreifenden comparativen Theorie der Retina müssen jeden- falls noch viele, viele genaueste Detailuntersuchungen und zwar bei allen grösseren Thiergruppen vorausgehen, und bevor man das fertige Auge nicht kennt, haben auch die onto- und gar die phylogenetischen Untersuchungen und Speculationen lediglich einen heuristi- schen Werth. 318 V. Graber: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIIH, XXIX, XXX. Allgemeine Bezeichnungen. Cu Allgemeine Integument-Cuticula. Co Ocularer Abschnitt derselben (Cornea). Hp und hp Integumental-Epithel (Hypodermis). gl Oculares Integument-Epithel (Glaskörper). ir Pigmentirter Theil der ocularen Hypodermis (Iris). pu Pupille. li Augen-Linse. lca Linsencapsel. iCu Innere Integument-Cuticula (Grenzhaut). se Parietaler oder Manteltheil der allgemeinen Retina-Hülle (in einem nicht zutreffenden Sinn häufig als Sclera bezeichnet). la Vorder- oder Aussenabschnitt derselben, als Grenzlamelle zwischen dem Retinakeleh und dem äusseren (integumentalen resp. dioptri- schen) Augenkörper (auch Hyaloidea genannt). re Retina (besteht aus einer äusseren (Pallisaden-) und einer innern (Faser)-Schicht. st Parietale oder Röhren-Stäbchen. xf Axenfaden. ak Kerne der äussersten Pallisaden- resp. Stäbchenschicht. mk. ,, „ mittleren Pallisadenschicht. gem, „ basalen Pallisaden- oder Ganglienzellenschicht. gz und bas Basalabschnitt der Pallisaden auch retinale Ganglienzelle ge- nannt. fa Retinale Nerven-Faserschicht. n-o nervus opticus. Wo nichts anderes bemerkt ist, wurden die abgebildeten Präpa- rate mit der stärksten uns zur Verfügung stehenden Linse (Zeiss Immers. II) durchmustert, aber aus ökonomischen Gründen meist in einem kleineren Maass- stabe ausgeführt. Tafel XXVII. Fig. 1. Aleiope Contrainii Delle Chiaje. Meridionalschnitt durch das Gesammtauge und zwar in transversaler Richtung (von rechts nach links). Osmiums. abs. Alcohol. Glycerin. Cam. luc. Vergr. 140/1. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 319 A äussere, I innere (der Mittel-Längsaxe des Körpers zugewendete) Seite. lk Kern-, Im Mittel-, Ir Rindenschicht des von drei radiären und vielen anderen Sprüngen durchzogenen Linsenkörpers. pg braun- gelb pigmentirte Mittelzone der Pallisadenschichte. An der Aussenseite (A) beachte man, dass die integumentale Hy- podermis (Hp,) der Retinahülle (sc) sehr nahe kommt; es liegt aber doch eine dünne Bindegewebslage dazwischen. “. Aleiope Contrainii Delle Chiaje. Stärker vergrössertes Stück desselben Schnittes nach Aufhellung in Kalilauge, um das Epithel (Hp) zwischen dem Aussenrand der Linse (li) und der cornealen Cutieula (Cu) zu zeigen. z Auffallend grosse und resistente Zellen im Umkreis der Linse, möglicherweise Muskelelemente, die eine Art auch von Greeff erwähnten Ciliar-Körper bilden. (Entspricht der Region z in Fig. 1.) Zellen des Glaskörpers (gl) fast nur durch kleine Kerne angedeutet. Fig. 2. Alciope Contrainii Delle Chiaje. Partie eines Tiefenschnittes der Retina und zwar vom Rande der tellerartigen Grube (Fig. 1 ak), nach Tinction mit Borax-Carmin und theilweiser Auflockerung der Pallisaden. Vergr. 500/1. Im pigmentirten Mitteltheil der Schläuche sieht man bei b und d den Kern durchschimmern. fa‘ Uebergang einer Opticus-Faser in den ganglienzellenartigen Basaltheil des Re- tinalschlauches. In der granulären Rindenschicht des Linsenkörpers (li) sieht man stellenweise nucleoide kernähnliche Ballen. Fig. 3. Alciope Contrainii Delle Chiaje. Ein ähnliches Retina-Stück nach Entfernung des Pigments durch Kalilauge, Tinction mit Borax-Car- min und Aufhellung in Kreosot. Vergr. 540/1. Fig. 4. Alciope Contrainii Delle Chiaje. Ein ähnliches Retinastück, wo- Kin. 4* bei aber mehrere Ansichten in ein Bild vereinigt sind. Man beachte die durch Kalilauge entfärbte und stark aufgehellte Mittelzone (mk,) und darin die blassen rechts mit Alaun-Carmin tingirten Kerne. st eine isolirte Pallisade, an der das Röhren-Stäbchen aussen im optischen Durchschnitt. innen (hinten) von der Oberfläche gezeichnet ist. st, ein schief liegendes Stäbchen, an dem man die hintere po- lygonal begrenzte Endfläche sieht. st, Von der Mittelzone abgerissene Stäbchen hinten mit fadenförmigen Anhängen (xf). Aleiope Contrainii Delle Chiaje. KRöhren-Stäbehen aus dem centralen Theil der Retina nach Behandlung mit Osmiumsäure und Al- cohol eca. um ein Drittel der Länge verkürzt. w stark lichtbre- chende durch das Osmium gelblich gefärbte Wand- oder Stäbchen- substanz. i protoplasmatischer Inhalt mit Axenfaden (xf). Vergr. 1200/1. Fig. 5. Aleiope Contrainii Delle Chiaje. Querschnitte durch die Stäb- 320 Fig. 10. Kill. Fie. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. V. Graber: chen. A durch den cylindrischen Vorder-, B durch den prisma- tischen Himtertheil. Vergr. 1800/1. Alciope Contrainii Delle Chiaje. Flächenansicht der mediären pigmentirten Retinaschichte. Osmium, Alcohol, Creosot. Vergr. 1500/1. Eunice vittata Delle Chiaje. Oberflächliche Ansicht des Auges bei auffallendem Licht. Zeiss C. Vergr. 100/1. Eunice vittata Delle Chiaje. Transversaler Meridionalschnitt !) durch das Auge. Vergr. 150/1. Cam. Iue. Eunice Harassii. Keilförmiger Median-Schnitt durch das Auge, in seiner natürlichen Färbung, nach Aufhellung in Kreosot und Kern- tinction mit Karmin. Vergr. 170/1. Eunice Harassii. Transversaler Meridionalschnitt durch das Auge nach völliger Entfärbuug mit Kalilauge, Kerntinetion mit Borax- Carmin und Aufhellung in Kreosot. Cam. luc. Vergr. 230/1. Man beachte die drei Kernschichten der Retina. cecen- traler und verdünnter Abschnitt derselben. Eunice Harassii. Peripherische Partie der Retina (Tiefenschnitt) links im natürlichen Zustand, rechts nach Entfärbung mit Kalilauge und darauf folgender Behandlung mit schwacher Salzsäure, die den gelösten Farbstoff an die Kerne bindet. Vergr. 800/1. Eunice Harassii. Centrale Partie der Retina und des angrenzen- den dioptrischen Körpers aus dem gleichen Präparate. Man bemerkt gegen die Mitte zu die Längenabnahme der Pallisaden und der Mittelkerne. Linsenschichten schematisch ergänzt. Vergr. 800/1. Eunice Harassii. Zwei Retinalschläuche aus dem Schnitt Fig. 9 in ihrer natürlichen Färbung. Der links zeigt im optischen Durch- schnitt das mit Pigment erfüllte diekwandige Röhrenstäbchen (st) sammt Axenfaden (xf), sowie, wegen der dichten Pigmentirung aller- dings nur undeutlich, den oblongen Mittelkern mk. Gegen den etwas verkürzt gezeichneten Basaltheil zu werden die Pigmentkörn- chen spärlicher. Vorne bei xf sieht man eine Partie der Stäbchen- schichte von der Fläche, und erkennt in jedem der kleinen Felder der Mosaik einen winzigen gelben Kreisfleck (xf), den ich als opti- schen Querschnitt des Axenfadens deute. Vergr. 1200/1. Tafel XXRX. Nephthys margaritacea. Oberflächliche Ansicht des Auges bei auffallendem Licht. Vergr. 27/1. Nephthys märgaritacea. Medianer Meridionalschnitt durch das 1) Diese wie alle folgenden Schnitte stammen von Alcoholpräparaten. Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 821 Fig. 16. Fig. 17. Fig 18. Fig. Fig. Fie. 19. 20. "21. Auge (in der Richtung xx der Fig. 14). Der Pfeil bezeichnet die Rich- tung der Hauptaxe. v Vorder-, h Hinter-Region. Cam. luc. Vergr. 1200/1. Nephthys margaritacea. Derselbe Augenmedianschnitt nach Entfärbung mit Kalilauge, Neutralisirung mit Salzsäure und Auf- hellung in conc. Glycerin. pg gelbbraune Pigmentkörper der Hypo- dermis. Cam. luc. Vergr. 200/1. Nephthys margaritacea. Partie Retina-Tiefenschnitt sammt an- grenzendem dioptrischen Gewebe nach mehrtägiger Macerirung in schwach angesäuertem und stark mit Wasser verdünntem Glycerin. Man beachte vor Allem die wohl in Folge der Säureeinwirkung mit dem retinalen Farbstoff tingirten und sehr deutlichen Aussen- kerne (ak). DieWand der Retinaschläuche, in Folge der Schrumpfung, stellenweise wohl querstreifig. Vergr. 600/1. Nephthys margaritacea. Zwei durch Maceration und Zerzupfung isolirte, dann mit Kalilauge entfärbte und schliesslich mit Haema- toxylin tingirte Retinaschläuche der peripherischen Region. Während die übrigen Theile nur schwach gefärbt sind, erscheint sowohl der basale als der apicale Kern tiefblau. Am Stäbchen links (optischer Durchschnitt) sieht man den kör- nigen Inhalt sammt Axenfaden (xf), an dem rechts (oberflächliche Einstellung) die Querstreifung der einzelnen Seitenwände. Vergr. 1100/1. Hesione pantherina Risso. ÖOberflächliche Ansicht des vorderen (v) und hinteren (h) Auges der linken Kopfseite mit Zeiss C. bei auf- fallendem Licht. Vergr. 33/1. Hesione pantherina Risso. Medianer Meridionalschnitt durch die genannten Augen in der Richtung xx der Fig. 19. V Vorder-, H Hinterauge. Mit Zeiss C. Vergr. 140/1. Cam. luc. Hesione pantherina. Derselbe Ausen-Medianschnitt nachschwacher Entfärbung der Retina, aufgehellt in Canadabalsam. b grosszellige Rinde, a feinfaseriger Centraltheil des Gehirns. Die Hauptcontouren der Augenschichten sind mit der cam. luc. gezeich- net. An beiden Augen hat sich der Glaskörper sammt der Grenz- lamelle stellenweise etwas von der Retina abgehoben. Vergr. 250/1. . Hesione pantherina. Partie eines Retina-Schnittes sammt an- grenzendem Glaskörper nach Behandlung mit Kalilauge-Salzsäure. Retinale Aussenkerne (ak) ungemein deutlich. Vergr. 600/1. Tafel XXX. Fig. 23. Polynoe elegans Grube. Etwas schiefer Aequatorialschnitt eines Auges. Zeiss C. Vergr. 120/1. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 17, 21 ig. 24. . 25. 2B. . 26*. ig. 27. 28: ie. 30. al. V. Graber: Polynoe elegans Grube. Tiefenschnitt durch das Integument hin- ter den Augen nach Aufhellung mit Kalilauge. Die Hypodermis- zellen sind auffallend gross und deutlich. Ihre Wandung ist sehr derb und mit unregelmässigen z. Th. netzartigen Verdickungsleisten (zl) versehen. Der Inhalt ist ausserordentlich hell und der kleine von etwas Körnerplasma umgebene Kern (k) ganz excentrisch. Das Gewebe erinnert sehr an eine pflanzliche Epidermis. Vergr. 240/1. Polynoe elegans Grube. Partie eines Tiefenschnittes durch die Re- tina und den anliegenden Glaskörper nach Aufhellung mit Kalilauge. Vergr. 700/1. Polinoe elegans Grube. Dicker Querschnitt durch einige der schlauchartigen Glaskörperzellen. Vergr. 1000/1. Polinoe elegans Grube. Flächenschnitt durch die basale Zone der Retina nach Tinction mit Borax-Karmin. Vergr. 1000/1. Hermione hystrix Blainv. A Längsschnitt durch das Auge und seinen Träger nach starker Aufhellung mit Kalilauge, etwas sche- matisirt. B. Querschnitt in der Richtung xx der früheren Figur. Schwach vergr. Nereis Costae Grube. Isolirter Weichkörper des relativ stumpfen Vorderauges. Der lichtbrechende Körper ist etwas aus dem Netz- hautbecher herausgehoben. Vergr. 50/1. . Nereis Costae Grube. Dasselbe Vorderauge mehr von oben ge- sehen um die irisartige Pigmentlage (ir) und die Pupille (pu) zu de- monstriren. Verer. 90/1. Nereis Costae Grube. Isolirter lichtbrechender Körper des relativ spitzen Hinterauges im auffallenden Licht. Vergr. 40/1. Nereis Costae Grube. Medianer Tiefenschnitt durch das Vorder- (V) und Hinterauge (H). Die Hauptconturen sind mit der Cam. luc. gezeichnet; die Detailausführung ist aber behufs grösserer Deutlich- keit etwas schematisch gehalten. Am Hinterauge sieht man die Stäbchenschichte in ihrem natürlichen pigmentirten, am Vorderauge im entfärbten Zustand. Die Hypodermis (Hp) schwillt in der Augen- gegend zu einem dicken Polster (stü) an, in welchem diese Organe eingesenkt sind. Vergr. 100/1. . Nereis Costae Grube. Medianschnitt durch das Vorderauge nach starker Aufhellung mit Kalilauge und mit möglichster Naturtreue wiedergegeben. sp Stelle, an welcher der Glaskörper in Folge seiner durch die Härtung bedingten Zusammenziehung zerris. Der an der Retina haftende Saum desselben ist rechts im Längendurchschnitt, links (a) mehr von der Fläche zu sehen. In der wie ein fibrilläres Bindege- webe sich ausnehmenden Hypodermis der Augengegend liegen, wie auch anderwärts lange korkzieherartig gewundene Drüsen (dr), die Morpholog. Untersuch. über die Augen der freil. marinen Borstenwürmer. 323 sich durch weite Poren der Cuticula (Po) entleeren. Die Kerne der Hypodermis befinden sich fast unmittelbar unter der letzteren. b Aequatoriale Region des Glaskörpers, in der die peripherischen in der Mitte stark nach aussen gekrümmten Schlauchzellen auch durch einen Medianschnitt z. Th. fast quer getroffen werden. Vergr. 300/1. ‚Nereis Costae Grube. Partie eines schiefen Schnittes durch die Retina und den nächstliegenden Glaskörper nach kurzer Einwirkung von Kalilauge und Tinction mit Karmin. Der Schnitt geht rechts in der Längsrichtung der Retinaschläuche, während letztere links (st*) z.Th. schief und quer getroffen sind. Zwischen der Grenzlamelle und den Stäbchen glaube ich einmal eine beson- dere Kernlage gesehen zu haben, die ich aber auf dieser Figur wegliess. Vergr. 1000/1. Fig. 34. Nereis Costae Grube. Querschnitt durch ein Bündel von Glas- körperzellen. Man beachte die am Schnitt dreieckigen Intercellular- räume. Vergr. 1200/1. . Nereis Costae Grube. Ziemlich dieker Flächenschnitt durch eine Partie der Stäbchenschichte nach schwacher Entfärbung mit Kalı- lauge. a Bei der Einstellung auf die Oberfläche der Stäbehen. b Bei tieferer. ak Einstellung noch höher als bei a, wo man einen das Lumen des Röhrenstäbchens nicht ganz ausfüllenden Kern wahr- nimmt. Vergr. 1000/1. 324 Andreas Meyer: Die Nervenendigungen in der Iris'). Von Andreas Meyer. (Mitgetheilt von Professor Arnstein in Kasan.) Hierzu Tafel XXXI und XXXN. Im Nachfolgenden soll über eine Arbeit referirt werden, die durch eine Preisaufgabe der hiesigen medieinischen Faecultät ver- anlasst wurde. Unsere Kenntnisse über Irisnerven beschränken sich eigent- lich nur auf die topographischen Verhältnisse. Arnold?) hat schon vor längerer Zeit eine ziemlich genaue Beschreibung der mannigfaltigen Plexusbildungen in der Iris geliefert, ausserdem hat er die Gegenwart nicht nur myelinhaltiger, sondern auch blasser Nervenfasern constatirt. In neuerer Zeit hat Pause?) einen Schritt rückwärts gethan, indem er das Vorhanden- 1) Conf. Vorläufige Mittheilung im Centralblatt f. med. Wiss. 1878. P-N113. Die im vorigen Jahr erschienene Arbeit von Formad (American Journal of medical science. Januare 1878) ist leider in Kasan nicht zu be- schaffen. Aus dem Referat im Hofmann-Schwalbe’schen Jahresbericht ersehe ich aber nachträglich, dass auch Formad bis an die Nervenendigun- gen nicht vorgedrungen ist, doch ist ein Fortschritt insofern zu constatiren, las der Autor den Uebergang markhaltiger Nervenfasern in ein Endnetz von Nervenfibrillen gesehen hat. Der Eintheilung der Plexusbildungen in fünf concentrische Geflechte können wir jedoch nicht beipflichten, weil sie dem natürlichen Sachverhalt nicht entspricht, conf. Text und Fig. 1. Im Text konnte auf diese Arbeit kein Bezug genommen werden, da unser Manuscript im Juli der Redaction zugeschickt wurde, während der Jahresbericht uns erst im September zu Händen gekommen ist. 2) Virchow’s Archiv Band 27. 3) Pause, C. H. Ueber die Nerven der Iris. Arch. f. Ophthalmol. XXL 3. Die Nervenendigungen in der Iris. 325 sein der blassen Nervenfasern entschieden in Abrede stellt. Die Handbücher der Anatomie und Histologie liefern eigentlich nur Referate der Arnold’schen Arbeit. Iwanoff!), der den Gegen- stand zwei Mal in Handbüchern bearbeitet hat, weist auf die technischen Schwierigkeiten hin, die sich der Erforschung der Nervenendigungen in der Iris entgegenstellen. Theoretische Gründe scheinen ihn jedoch veranlasst zu haben sensible Nervenendigungen an der vorderen Irisfläche und motorische am Sphineter und in den hinteren den Dilatator enthaltenden Lamellen zu statuiren. Da Iwanoff ein Anhänger des Dilatator ist, so hat er ihn natürlich auch mit Nerven versehen müssen. Welche Methoden und welche Bilder den Autor zu dieser Ansicht geführt haben, ist aus dem Text nicht zu ersehen. Wir kommen darauf noch zurück. Vorläufig sei nur noch erwähnt, dass der grösste Theil der blassen Nervenfasern in der Iris für die Gefässe bestimmt ist und gerade diese Vasomotoren fehlen in dem aprioristisch construirten Schema von Iwanoff. Um die Topographie der Irisnerven aufzudecken, braucht man nicht zum Chlorgold zu greifen. Man kommt sehr leicht zum Ziel, wenn man die Ueberosmiumsäure mit Essigsäure oder Sal- petersäure combinirt, sei es, dass man eine Mischung beider anwen- det oder die Ueberosmiumsäure nachträglich in Dampfform ein- wirken lässt. Man bekommt auf diese Weise sehr rasch gute Demonstrationspraeparate, an denen man allerdings nur die myelin- haltigen Nerven leicht und vollständig verfolgen kann. Die blassen Nervenfasern treten nur unvollkommen hervor und die Endnetze sind gar nicht zu sehen. Da aber weitaus der grösste Theil der Nerven bei dem Eintritt in die Iris myelinhaltig ist, so genügt die erwähnte Methode, um die Plexusbildungen zu studiren und die Zielpunete der myelinhaltigen Fasern im Grossen und Ganzen festzustellen. Immerhin sind Chlorgoldpräparate auch in dieser Beziehung zuverlässiger, weil die Färbung der Myelinscheide eine intensivere und nachhaltigere ist, während die Osmiumfärbung an isolirt verlaufenden Nervenfasern mit dünner Myelinscheide häufig ungenügend ist und bald erblasst. Durch das Chlorgold werden 1) Strickers Handbuch u. Handb. der Augenheilkunde p. 287. 326 “ Andreas Meyer: die myelinhaltigen Fasern viel leichter gefärbt, als die nackten Axeneylinder und die dünnen Nervenfasern an der Peripherie, daher erklärt sich auch der oben erwähnte Irrthum von Pause. Dieser Autor hat eben unvollständige Färbung erzielt und wurde durch die überaus grosse Zahl von myelinhaltigen Fasern veran- lasst, dieselben für die einzig vorhandenen zu halten. Wir wollen uns zuerst an einem Chlorgoldpräparat in toto orientiren. Figur 1 stellt den vierten Theil einer albinotischen Kanincheniris bei 20-facher Vergrösserung dar. In dem Präparat erschienen Grundgewebe und Gefässe rosenroth, während die myelin- haltigen Nervenstämmehen als schwarzrothe Stränge sehr scharf hervortreten. In der Zeichnung sind die Bündel nackter Primi- tivfibrillen fortgelassen, da sie bei einer 20fachen Vergrösserung nur undeutlich hervortreten und mit Blutgefässen verwechselt wer- den konnten; die Choroidea ist dunkel gehalten, ebenso der Sphincter pupillae. Ungefähr in der Mitte zwischen Sphincter und Choroidea verläuft eine roth gefärbte Arterie (Cire. arter. major). Alles Uebrige stellt myelinhaltige Nerven vor. Die Ci- liarfortsätze sind mittels flacher Scheerenschnitte abgetragen, daher reichen einige Nervenstämmchen nicht bis an den Ciliarrand. An dem Ciliarrand sieht man eine Anzahl gröberer, sehr dunkel ge- färbter Nervenstämmchen in die Iris eintreten. Zwischen den stär- keren Stämmehen verlaufen zahlreiche dünne und einzelne Ner- venfasern. Die Nerven ändern zum Theil schon in der Nähe des Ciliarrandes die radiäre Richtung und verlaufen dann dem Ciliar- rande mehr oder weniger parallel, indem sie mit den benachbarten Stämmechen einen Theil ihrer Fasern austauschen. Andere be- halten anfangs die radiäre Richtung, um erst später, d. h. in den mittleren Regionen der Iris oder in der Nähe des Sphineter an den Plexusbildungen zu partieipiren. Sieht man genauer hin, so findet man zahlreiche zurücklaufende Stämmcehen und bogenförmig verlaufende Nervenfasern, die schliesslich bis an eine Kreuzungs- stelle zu verfolgen sind, wo sie in die Bahnen eines anderen Stämmcehens einbiegen, oder sie verlieren ihre Myelinscheide und entziehen sich der Beobachtung. Manchmal kommt es zur Bil- dung von Schleifen, deren auf- und absteigende Schenkel parallel laufen. Solche scheinbare Endschlingen kommen am häufigsten in der Nähe des Pupillarrandes vor. Auf unserer Zeichnung tre- ten sie nicht hervor, weil die Vergrösserung zu schwach ist und Die Nervenendigungen in der Iris. 327 die beiden Schenkel der Schlingen häufig nicht in einem Niveau liegen. Was die Plexusbildungen speciell anlangt, so sind sie massiver in dem äusseren Dritttheil der Isis, weil hier die dick- sten Nervenstämme verlaufen. Weiter nach innen gegen den Pu- pillarrand, theilen sich die myelinhaltigen Stämmehen, werden dünner und die Plexusbildungen schmächtiger, letztere fehlen aber nirgends und liegen z. Th. dem Sphineter auf, treten aber hier nur bei starker Vergrösserung mit genügender Schärfe hervor und sind daher in der Zeichnung 1 fortgelassen. An den Kreuzungs- punkten ist die Verflechtung der Nervenfasern eine sehr innige, ein grosser Theil der Nervenfasern ändert hier die Verlaufsrich- tung, es kommt zu partiellen Kreuzungen und schon Arnold hat auf die Aehnlichkeit mit dem Chiasma nerv. optie. hingewiesen. Diese verschiedenen Nervengeflechte gehen unmittelbar in einan- der über und liegen so ziemlich in einer Ebene oder sind wenig- stens räumlich so wenig geschieden, dass eine Eintheilung in pri- märe, secundäre und tertiäre Plexus falsche Vorstellungen erwecken müsste und daher zu verwerfen ist. Wo die Verhältnisse für die Beobachtung günstig liegen, sieht man vielfache Theilungen der Nervenfasern, die Zweige schlagen dann häufig eine verschiedene Richtung ein. Verlaufen aber die Zweige, wie es manchmal geschieht, in einer Richtung mit den Stammfasern, so werden die Theilungen leicht übersehen, namentlich wenn die Fasern nahe an einander liegen. Die Thei- lungen sind viel zahlreicher, als es auf den ersten Blick scheint und kommen nicht nur an den Knotenpunkten, sondern auch an anderen Stellen vor. Abgesehen von den beschriebenen Nervenfasern sieht man noch radiär verlaufende myelinhaltige Fasern, die in der Region des Cireulus arteriosus major auftauchen und bis an den Spincter reichen. Sie unterscheiden sich von den übrigen Fasern durch den korkzieherförmigen Verlauf (Fig. Inn). Auf den ersten Blick kann man sie für Gefässe halten, controllirt man aber mit star- ken Vergrösserungen, so überzeugt man sich, dass es myelinhal- }ige Nervenfasern sind, die z. Th. gemeinschaftlich mit dünnen Gefässen in den radiären Irisfalten verlaufen. Ihre Windungen sind möglicher Weise von der wechselnden Breite des Irisringes abhängig, bei verengter Pupille gleichen sie sich wahrscheinlich aus und sind somit als Vorkehrung gegen Zerrungen der Nerven- 328 Andreas Meyer: fasern bei stark verengter Pupille anzusehen. Zu Gunsten dieser Erklärung spricht auch der Umstand, dass die in Rede stehenden Fasern nur an der inneren Hälfte des Irisringes zu betrachten sind, d. h. in dem Theil, der vorzugsweise in das Spiel der Pu- pille hineingezogen wird. Die übrigen Nervenfasern sind durch ihren bogenförmigen Verlauf vor Zerrung bei wechselnder Pupille geschützt. Verschafft man sich eine vollkommene Uebersicht der Iris- nerven bei schwacher Vergrösserung, so bemerkt man sofort, dass die Zahl der myelinhaltigen Nerven von dem Ciliarrand gegen den Pupillarrand stetig abnimmt. Berücksichtigt man nun die vielfa- chen Theilungen der Nervenfasern und die Einengung des Ver- breitungsbezirkes in der Richtung der Pupille, wodurch eine re- lative und absolute Zunahme der Nervenfasern im Pupillartbeil stattfinden müsste, so wird man zur Vermuthung geführt, dass ein grosser Theil der myelinhaltigen Fasern auf dieser Strecke die Myelinscheide verliert und sich demnach der Wahrnehmung ent- zieht. Eine Vermuthung, die dadurch an Wahrscheinlichkeit ge- winnt, dass es unmöglich ist einen Endapparat an den myelinhal- tigen Fasern zu constatiren. Durchforscht man nun ein Chlorgoldpräparat in toto mit stärkeren Systemen, so kommt man in Bezug auf den Verbleib der myelinhaltigen Fasern vollkommen ins Reine. Man überzeugt sich nämlich, dass alle myelinhaltigen Fasern ohne Aus- nahme nach kürzerem oder längerem Verlauf die Mye- linscheide verlieren, um als Fibrillenbündel ihren Weg zu verfolgen !). Dieser Weg ist aber häufig noch ein weiter und verschlungener. In der inneren Hälfte des Irisringes partieipiren an den Plexusbildungen hauptsächlich diese Nervenfibrillen, wäh- rend myelinhaltige Fasern an den Kreuzungspunkten nur verein- 1) Dieser Umstand macht es auch unmöglich, in dem weiteren Verlauf die sympathischen Fasern von den cerebralen zu unterscheiden und ihre Ziel- puncte auseinanderzuhalten. Zu dem kommt noch, dass beide Faserarten in dem Ciliartheil der Iris in gemeinschaftlichen Scheiden verlaufen, so dass die blassen Fasern von den myelinhaltigen verdeckt werden, und es bedarf be- sonderer Methoden, um die blassen Nervenfasern im Ciliartheil aufzudecken. Man kommt noch am raschesten zum Ziel, wenn man ein mit Essigsäure und Osmium behandeltes Nervenstämmchen vorsichtig zerzupft. Die Nervenendigungen in der Iris. 329 zelt oder paarweise angetroffen werden, und da bei 20facher Ver- grösserung nur diese letzteren hervortreten, so ist es klar, warum auf Fig. 1 die Plexusbildungen gegen den Pupillarrand immer schmächtiger werden. Dass dem wirklich so ist, beweist Fig. 2, die demselben Präparat entnommen, aber bei starker Vergrösse- rung gezeichnet ist. Verfolgt man ein bestimmtes Fibrillenbündel, so überzeugt man sich, dass es schliesslich in dünnere Bündel zerfällt, nachdem es an den Plexusbildungen partieipirt und einen Theil der Fibrillen an den Kreuzungspunkten ausgetauscht hat. Was aus diesen dünnen, häufig nur aus 2—4 Fibrillen bestehenden Bündeln wird, darüber geben nur gelungene Dissectionspräparate Aufschluss. Will man nun den ihrer Myelinscheide entkleideten Nerven bis an ihre Endigungen nachgehen, so muss vor Allem die Chlor- soldfärbung der Nerven eine vollständige sein, während das Grund- sewebe nur wenig gefärbt sein darf. Es wurden zu diesem Zwecke so ziemlich alle Modificationen der Chlorgoldmethode er- probt. Die besten Präparate hat uns die Henoeque’sche Methode geliefert (Reduction in Weinsteinsäure bei 55°C). Für die Nerven des Sphineter pupillae hat uns die von Löwit vorgeschlagene Mo- difieation der Pritehard’schen Methode (Reduetion in Ameisen- säure) die besten Dienste geleiste). Hat man nun so oder anders eine genügende Färbung erzielt, so kommt es darauf an, feine und ausgiebige Flächenschnitte zu erhalten, oder mittels der Pin- cette grössere Gewebsfetzen abzuspalten, denn für die Erforschung der Nervenendigungen ist nicht nur die Kanincheniris, an der wir unsere Erfahrung gemacht haben, sondern auch die albinoti- sche Mäuseiris in toto viel zu undurchsichtig.. Man bekommt aber nur die myelinhaltigen Fasern und die diekeren Fibrillenbündel zu Gesicht, das Uebrige entzieht sich gewöhnlich in dem roth ge- färbten Gesichtsfelde der Beobachtung. Andrerseits bieten die gleich zu beschreibenden Endnetze, wenn sie genügend gefärbt sind und scharf hervortreten, ein viel zu verworrenes Bild, um in toto betrachtet auf die entsprechenden Objecte (glatte Muskeln, Gefässe etc.) bezogen werden zu können; d.h. man kann die sen- siblen von den motorischen und von den Gefässnerven nicht un- terscheiden. Sucht man die motorischen Nerven auf, so überzeugt man sich zunächst, dass die meisten Nerven in der Region des Sphinc- 330 Andreas Meyer: ter aus nackten Fibrillenbündeln bestehen, dass aber ein Theil der myelinhaltigen Fasern bis an den Sphineter und fast bis an den Pupillarrand reicht, hier biegen einige dieser Fasern schlin- genförmig um, andere theilen sich und verlieren ihre Myelin- scheide. Diese marklosen Fasern partieipiren mit den übrigen Fibrillenbündeln an einem Plexus blasser Nervenfasern, der dem Sphineter zum Theil autliegt, zum Theil denselben durchsetzt. Für den grössten Theil der den Plexus constituirenden Fibrillen ist jedoch der Ursprung aus myelinhaltigen Fasern nicht nachzuwei- sen. Will man sich über die Beziehungen des erwähnten Plexus zu den Muskelzellen instruiren, so müssen mit der Pincette dünne Lamellen des Sphincter abgespalten werden. Falls die Reduetion eine vollständige ist, so bekommt man Bruchstücke des Nerven- plexus und rosenroth gefärbte Muskelzellen zu Gesicht. Zwischen den letzteren sieht man schwarze Fäden, die man aber zunächst ebenso gut für gefärbte Kittsubstanz, wie für Nervenfäden halten kann. Am Rande des Präparats (Fig. 5) oder an Rissstellen sieht man häufig isolirte Fäden, die mit den intermusculären continuirlich zusammenhängen, ausserdem sieht man, wenn auch in seltenen Fällen, feine Fäden quer über die Muskelspindeln hinweglaufen. Schliesslich überzeugt man sich, dass aus dem fibrillären Nerven- plexus feine Fäden austreten, diein die intermusculären schwarzen Linien eontinuirlich übergehen. Man bekommt also den Eindruck eines Endnetzes mit sehr lang gezogenen Maschen. Dieser Com- plex von Erscheinungen genügt, um den Contact der Nervenfäden mit den Muskelfasern nachzuweisen, er genügt aber nicht, um die Existenz eines motorischen Nervenendnetzes striete darzuthun. Da man nicht bestimmen kann, wo die gefärbte Kittsubstanz anfängt und der gefärbte Nervenfaden aufhört, so ist die Möglichkeit einer freien Nervenendigung nicht ausgeschlossen. Löwit!) und Gscheideln ?), die an günstigeren Objeceten arbeiteten, sind über diese Frage auch nicht hinausgekommen. Von einem Zusam- menhang der Nervenfäden mit dem Kern der Muskelfasern war nie etwas zu sehen. Die erwähnten über die Muskelelemente hin- wegziehenden Fäden können jedoch, wenn die Färbung eine unge- nügende ist, einen solchen Zusammenhang simuliren. 1) Wiener Acad. Sitzber. LXXI Abth. 3. 1875. 2) Dieses Archiv Bd. XV. p. 321. Die Nervenendigungen in der Iris. 331 In dem hinteren Abschnitt der Iris, in dem Bereich der Membrana Bruchii, verlaufen verhältnissmässig wenig Nerven, doch findet man nicht nur myelinhaltige Fasern, sondern auch breit- maschige, kernhaltige Netze, auf die wir gleich zurückkommen wer- den. Wir haben aber hier niemals die für die glatte Muskulatur charakteristische Anordnung der Nervenfäden gesehen, obgleich wir darnach gesucht haben, und müssen daher einen motorischen Endapparat in der Membrana Bruchii entschieden in Abrede stel- len !). Wäre ein solcher vorhanden, so müsste er bei der flächen- haften Ausbreitung der genannten Membran viel leichter zu de- monstriren sein, als im verhältnissmässig dicken Sphineter pu- pillae. Den sensiblen Nervenendapparat suchten wir hauptsäch- lich an der vorderen Irisfläche und entdeckten hier ein Endnetz, das sich sehr wesentlich von anderen gleich zu erwähnenden Netz- bildungen der Irisnerven unterscheidet. Ganz oberflächlich, gleich unter dem Endothel, sieht man unter günstigen Bedingungen, d.h. wenn das Präparat dünn und das Bindegewebe nicht zu intensiv gefärbt ist, äusserst dünne stark gefärbte Fäden, die sich zu einem engmaschigen Netze vereinigen (Fig. 4). Diese Fäden sind un- messbar fein und nicht kernhaltig. Die Maschen sind gewöhnlich etwas eckig, die Fäden mehr oder weniger körnig, wie die Ner- venfäden des Corneaepithels. Gleich unterhalb dieses oberflächlichen Netzes sieht man Ca- pillargefässe mit den zugehörigen Nerven und ein weitmaschiges, kernhaltiges Nervennetz. Dieses letztere steht mit dem erstge- nannten (sensiblen) Netze in Verbindung und ist an dieser Stelle wohl als intermediäres anzusehen. Es hat mit den Capillaren nichts zu schaffen und hält sich nicht an den Verlauf der letzteren, während die Gefässnerven sich gerade dadurch als solche docu- mentiren, dass ihre Maschenbildung mit dem Capillarnetz zusam- menfällt, worüber wir gleich des Näheren berichten werden. Vor dem sei nur noch erwähnt, dass das kernhaltige weitmaschige Netz in allen Schichten der Iris vorkommt, somit auch an der 1) Die Membrana Bruchii enthält überhaupt keine musculösen Ele- mente. Die von Henle, Merkel und Iwanoff beschriebene Lage von Spin- delzellen ist nicht musculös — ein Ausspruch, den wir demnächst genauer begründen werden. 332 Andreas Meyer: Membrana Bruchii. Man sieht es auch an Schnittpräparaten, wie Fig. 5 zeigt. An den Kreuzpunkten liegen dreieckige Kerne, wäh- rend in der Continuität der Fasern oblonge Kerne eingeschaltet sind. Aehnliche Netze kommen an allen bindegewebigen Häuten vor, an der äusseren Haut, an den serösen Häuten, in der Wand der Cysterna chyli des Froches u. s. w. Was die Vasomotoren anlangt, so sind zu unterscheiden 1) die Nerven der Capillaren, 2) die Nerven der Arterien. Sowohl die einen wie die anderen treten nur an tadellosen Chlorgoldprä- paraten mit genügender Schärfe hervor. In solchen Fällen über- zeugt man sich, dass die Gefässnerven überaus zahlreich in allen Schichten der Iris sind. Fasst man zunächst die rosenrothen Capillaren ins Auge, und wählt man dazu dünne und genügend durchscheinende Präparate, so sieht man sehr dünne schwarzviolette Fäden neben oder auf den Capillaren verlaufen. Man unterscheidet dickere und dün- nere Fäden, die ersteren sind häufig kernhaltig.. Diese Fäden halten sich in ihrem Verlauf genau an die Capillaren; da wo letztere längliche schmale Maschen bilden, theilen sich die sie begleitenden Nervenfäden unter spitzem Winkel und anastomosiren mit den benachbarten Fäden, wodurch ein Nervennetz zu Stande kommt, das mit dem Capillarnetz conform ist. An den Stellen, wo das Capillarnetz weitmaschiger ist, wie z.B. in den oberflächlichen Schiehten der Iris, rücken auch die Nervenfasern auseinander. Fig. 6 ist einem Präparat aus den tieferen Irisschichten entnom- men; um das Bild nicht zu verwirren, sind die tiefer liegenden durehscheinenden Capillaren nicht gezeichnet, während die Nerven vollständig wiedergegeben sind. Was endlich die Nerven der Arterien anlangt, so ist es unschwer ein Nervengeflecht zu constatiren, in welchem das Ge- fäss wie in einer Hülse liegt, schwieriger ist es schon sich von der Gegenwart eines adventitiellen und musculären Ge- flechtes zu überzeugen, weil die Arterien von dieken bindege- webigen Scheiden umgeben sind und das Irisgewebe über und unter dem Gefässe, das Erkennen des zweischichtigen Nervenge- flechtes erschwert. Säuert man aber das Wasser, in dem die Re- duction des Chlorgolds vor sich geht, stärker an und wartet die vollständige, allmälig eintretende Färbung ab, so überzeugt man sich auch hier von der Existenz eines weitmaschigen, in der Ad- Die Nervenendigungen in der Iris. 333 ventitia gelegenen Geflechtes blasser Nervenfasern und eines zwei- ten mit dem ersten zusammenhängenden der Museularis auflie- genden Geflechtes, dessen Maschen enger und dessen Nervenbündel dünner sind; ein Verhalten, das vor längerer Zeit Goniaew !) für die Gefässnerven des Nahrungsschlauches festgestellt hat. Es frägt sich nun, ob das der Museularis aufliegende Geflecht in sich abgeschlossen ist oder nur ein intermediäres Gebilde vorstellt, von dem aus der eigentliche Endapparat in die Muscularis eindringt. Speeiell für die Arterien der Iris können wir diese Frage nicht beantworten, wohl aber für die Arterien der Choroidea, wo die Verhältnisse günstiger liegen. Hier kann man an guten Chlorgoldprä- paraten sehen, wie vom inneren musculären Geflechte feinste va- ricöose Fäden abgehen, die das Gefäss cireulär umfassen, indem sie zwischen den eireulär angeordneten Muskelspindeln verlaufen, Fig.7. Wir finden hier somit dasselbe Verhältniss zwischen Nervenfä- den und Muskelzellen, wie wir es überhaupt an der glatten Muskula- . tur sehen und so eben für den Sphincter pupillae beschrieben haben. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass wir an der albinotischen Kanincheniris vergebens nach Ganglienzellen gesucht haben, und da wir sehr vollständige Bilder der Nerven innerhalb dieses Or- gans vor uns hatten, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass die ge- suchten Objeete unserer Beobachtung entgangen sind. Dieser ne- gative Befund erklärt sich vielleicht aus der Gegenwart von Gang- lien, die in die Stämme der Nervi ciliares vor ihrem Eintritt in die Iris eingeschaltet sind. Ein zusammenhängender gangliöser Plexus konnte auch an der Iris des Menschen nicht nachgewiesen werden. Andererseits dürfen wir nieht unerwähnt lassen, dass in der menschlichen Iris an Zupfpräparaten Zellen demonstrirt werden konnten, die in Bezug auf Grösse, körniges Protoplasma, bläschenförmigen Kern und zahlreiche Fortsätze, den Nervenzellen vollkommen entsprechen 2). Nur der mangelnde Nachweis des Zusammenhanges mit zweitello- sen Nerven und der negative Befund an der Kanincheniris lassen einigen Zweifel an der nervösen Natur der in Fig.S abgebildeten Elemente aufkommen. 1) Dieses Archiv Bd. 11. p. 488 u. ff. 2) Auch Faber (Der Bau der Iris des Menschen und der Wirbelthiere. 1876 p. 34) will Ganglienzellen im Verlauf der Nerven in der menschlichen ° Iris gesehen haben. 334 Andreas Meyer: Die Nervenendigeungen der Iris, Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI und XXX. Die Zeichnungen 1—7 beziehen sich auf das albinotische Kaninchen. — . 8 ist der menschlichen Iris entnommen. e. 1 stellt den vierten Theil einer Kanincheniris bei 10facher Vergrösse- rung dar. Die Vorderfläche der Iris ist dem Beobachter zugewen- det. Chlorgoldfärbung nach Cohnheim. Trockener Einschluss. ch Chorioidea. s, sphincter pupillae. art. eirculus arteriosus major. nn korkzieherförmig verlaufende Nerven. Alle in der Zeichnung wie- dergegebenen Nerven sind myelinhaltig, alles Uebrige ist fortge- lassen. Conf. Text. Plexusbildungen aus demselben Präparate wie Fig. 1. Starke Ver- grösserung. (Hartn. S. 7. Oc. 3.) m myelinhaltige Fasern. f Fi- brillenbündel. g gemischte Nervenstämmchen. a Ausfaserung eines Fibrillenbündels. Nerven des Sphincter pupillae. a Plexus blasser Nervenfasern, der bei b mit den intermusculösen Fäden in Verbindung steht. Starke Vergrösserung. Chlorgoldfärbung nach Löwit. Sensibles Nervenendnetz an der Vorderfläche der Iris. Die äusserst feinen körnigen Fäden bilden kleine eckige Maschen, etwas tiefer liegen die diekeren, kernhaltigen Fäden des intermediären Netzes, noch tiefer die durchscheinenden Capillaren, «4 Camera lucida. Hartn. S. 8. Oc. 3. Chlorgoldfärbung nach Henocque. Verticalschnitt aus einem Ciliarfortsatz. Man sieht kernhaltige breit- maschige Netze und feinere Fäden, die grösstentheils den (in der Zeichnung fortgelassenen) Capillaren folgen. Hartn. S. 7. Oe. 3. Nerven der Capillaren aus eimer Partie unweit des Sphincter. Ein Theil der Capillaren ist in der Zeichnung fortgelassen, um das Bild nicht zu verwirren. Camera lucida. Hartn. S. 5. Oc. 3. Bear- beitung nach Henocque. Arterie aus der Choroidea des Kaninchens. Aus dem umspinnenden Plexus sieht man feinste Fäden abgehen, die zwischen den Muskel- spindeln circulär verlaufen. Zwei Zellen (a und b) aus der Iris des Menschen. a ist mit der Ca- mera lucida aufgenommen. Hartn. S. 8. Oc. 3. Zupfpräparat aus Müller’scher Flüssigkeit. Alex. Dogiel: Ueb. ein die Lymphgef. umspinn. Netz von Blutcapillaren. 335 (Aus dem histologischen Laboratorium des Prof. C. Arnstein in Kasan.) Ueber ein die Lymphgefässe umspinnendes Netz von Blutcapillaren. Von Alexander Dogiel. Hierzu Tafel XXXIH. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Beziehungen zwischen Blut- und Lymphgefässen stiess ich auf folgendes interes- sante Factum. Im äusseren Ohre der Ratte, dessen Blutgefässe mit gefärbtem Leim injieirt und dessen Lymphgefässe dureh Silber kenntlich gemacht waren, konnte man schon bei schwacher Ver- grösserung um die grösseren abführenden Lymphgefässe ein Netz von injieirten Bluteapillaren unterscheiden. , Dieses Netz war so engmaschig und folgte so genau dem Verlauf der Lymphgefässe, dass letztere auch an den Stellen verfolgt werden konnten, wo das Silber zufällig versagt hatte (Fig. 4). Da ich in den Handbüchern und in der mir zugänglichen Lite- ratur keine Andeutungen der in Rede stehenden Verhältnisse fand, so entschloss ich mich auf den Rath von Prof. Arnstein, die Sache näher zu untersuchen. Als Objeete dienten mir das äussere Ohr und die hinteren Extremitäten der Ratte, so wie das Mesenterium des Hundes, der Katze und der Ratte. a) Das äussere Ohr der Ratte besteht, wie bekannt, aus zwei Hautlamellen, zwischen welchen eine dünne Knorpelscheibe eingeschaltet ist. In dem lockeren Bindegewebe, welches die Knorpelscheibe mit der Haut verbindet, liegen die gröberen Ner- venstämme, die Blut- und Lymphgefässe. — Schneidet man das Ohr an der Basis ab, so können die beiden Hautlamellen mittelst einer Pincette von dem Knorpel getrennt und in toto mikroskopisch un- tersucht werden. Um die Blut- nnd Lymphgefässe auf grösseren 336 Alexander Dosgiel: Strecken sichtbar zu machen, verfuhr ich folgendermassen. Einer dureh Chloroform getödteten Ratte wurde der Brustkorb geöffnet, in die vorsichtig abpräparirte Aorta thoraeica eine Canüle einge- bunden und die Vena cava ascendens nebst Oesophagus en bloc unterbunden. Darauf wurden die Gefässe mit blauem Leim inji- eirt. Die Injection wurde unterbrochen, sobald die Ohren eine gesättigte blaue Farbe angenommen hatten. Nachdem das Thier 30—40 Minuten in einem Geäfsse mit Schnee gelegen hatte, wurde mittelst einer Lüer’schen Spritze von dem freien Rande des Ohres. aus eine 1/4 % Silberlösung zwischen die Hautlamellen eingespritzt. Die ziemlich gleichmässig gequollenen Ohren wurden darauf an ihrer Basis abgeschnitten und in verdünnten etwas angesäuerten Alkohol gelegt. Nach 24 Stunden wurden die Hautlamellen vor- sichtig !) von dem Zwischenknorpel getrennt, in absoluten Alkohol gelegt und dem direeten Sonnenlichte ausgesetzt. Nach weiteren 24 St. war gewöhnlich die Reduction des Silbers eine genügende und konnte das entwässerte Präparat in Nelkenöl aufgehellt und in Damarlack eingeschlossen werden. An solchen Präparaten sieht man zunächst in dem basa- len Theile des Ohres zwei grössere Lymphgefässe, welche nach aussen von den Blutgefässen und Nerven liegen. Diese Lymphge- fässstäimmehen nehmen also die Nerven, so wie die Arterien und Venen zwischen sich. Im weiteren Verlauf geben sie Aeste ab, die sich wiederum theilen und unter einander anastomo- siren, so dass ein sehr weitmaschiges Lymphgefässnetz zu Stande kommt (Fig. 1). Diese Lymphgefässe besitzen sowohl Klappen als Muskeln; an den Stellen, wo Klappen sitzen, sind die Gefässe bauchig aufgetrieben. An den äusseren Stämmchen ist die Musku- latur eine vollständige, näher an die Peripherie, d.h. an den klei- neren Gefässen, wird sie lückenhaft und die Muskelfasern lagern sich nicht ausschliesslich eireulär, sondern z. Th. schief zur Ge- fässaxe. An guten Silberpräparaten treten diese Details sehr scharf hervor. Gewöhnlich sind jedoch nur die Endothelien scharf 1) Bei der Trennung der Hautlamellen muss man sehr vorsichtig zu Werke gehen. Die den Knorpel durchsetzenden Gefässe und Nerven müssen mit der Scheere getrennt werden, um die im lockeren Bindegewebe verlau- fenden Lymphgefässe in situ zu erhalten, sonst bekommt man nur verworrene und nichtssagende Bilder zu Gesicht. Ueber ein die Lymphgefässe umspinnendes Netz von Blutcapillaren. 337 gezeichnet und manchmal sind die Lymphgefässe nur durch eine diffuse braune Färbung kenntlich. Aber auch im letzteren Fall schützt die charakteristische Anordnung der Lymphgefässe, so wie die vollständige Injection der Blutgefässe vor Verwechselung. Sind die Blutgefässe vollständig injieirt, was für den Erfolg der Untersuchung unumgänglich ist, so sieht man ein Capillarnetz, das sich der Lymphgefässwand eng anschliesst, dem Verlauf der Lymphgefässe genau folgt und durch eigenthümliche Maschenbil- dung von dem übrigen Capillarsystem sich sehr wesentlich unter- scheidet. Es ist sowohl an den basalen, als an den kleineren dem freien Rande des Ohres näher liegenden Lymphgefässen vorhanden, scheint aber an den grösseren Stämmen engmaschiger zu sein. Das in Rede stehende Capillarnetz entsteht dadurch, dass von den benachbarten Arterien und Venen dünne Zweige von dem Charakter der Uebergangsgefässe abgehen und sich an die Wand des nächsten Lymphgefässes legen. Sie laufen dem letzteren ent- lang und geben auf diesem Wege eine Masse kleinster Capillaren ab, die das Lymphgefäss eirculär umfassen und untereinander anastomosiren (Fig. 2 und 3). Häufig findet man die erwähnten Uebergangsgefässe zu beiden Seiten des Lymphgefässes. Die Ana- stomosen zwischen den ersteren vermitteln die quer- resp. eireulär verlaufenden Capillaren (Fig. 8). Bei vollständiger Injeetion und starker Vergrösserung kann man mit wechselnder Einstellung die eireulär verlaufenden Capillaren von der oberen bis zur unteren Wand verfolgen (Fig. 2). Fixirt man nun einzelne Lymphgefässe, die durch die Präparation von ihrer Unterlage verschoben sind oder trennt ein solches vorsichtig mit der Scheere und legt es unter das Mikroskop, so überzeugt man sich, dass das umspinnende Ca- pillarnetz dem Lymphgefässe folgt. Beide Gebilde sind somit als ein anatomisches Ganzes zu betrachten. Es muss jedoch bemerkt werden, dass die nahen Beziehun- gen des umspinnenden Capillarnetzes zu den Lymphgefässen nur dann deutlich hervortreten, wenn letztere nicht zusammengefallen oder gar gefaltet sind. Im letzteren Fall ist das Capillarnetz mehr oder weniger verschoben oder zerrissen, steht aber jeden- falls von der Wand des Lymphgefässes mehr oder weniger ab und die Zugehörigkeit beider ist nicht mehr zu demonstriren. Wir haben daher versucht mit Oedempräparaten zu arbeiten, ohne dass jedoch daraus ein nennenswerther Vortheil entsprungen wäre. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 22 338 Alexander Dogiel: b) Mesenterium. Nachdem wir uns von der Gegenwart eines umspinnenden Capillarnetzes an den Lymphgefässen des äusseren Ohres überzeugt hatten, kam es darauf,an zu untersuchen, ob dieses Strukturverhältniss auch den Lymphgefässen anderer Loealitäten zukommt. Das war um so nothwendiger, als am äus- seren Ohre besondere Einrichtungen des Blutgefässsystems existi- ren: Wir meinen den von Hoyer constatirten direeten Uebergang kleiner Arterien in Venen. Im Folgenden werden wir jedoch se- hen, dass das umspinnende Capillarnetz auch anderen Organen zukommt, wenngleich der Nachweis schwieriger ist. Wir wählten zunächst das Mesenterium in der Voraussetzung, dass in dem dünnen, flächenhaft ausgebreiteten Organ die Lymph- sefässe, die z. Th. schon mit blossem Auge sichtbar sind, auch unter dem Mikroskop auf weiten Strecken ohne Präparation zu verfolgen sein würden. Ausserdem konnte voraussichtlich eine vollständige Injeetion der Blutgefässe leicht erzielt werden durch Isolation gewisser Abschnitte des Darms mit zugehörigem Mesen- terium. Letztgenannter Zweck konnte durch Anlegen von Ligatu- ren oberhalb und unterhalb der zu injieirenden Partie leicht er- reicht werden. Die Thiere (Hund, Katze) wurden durch Verblu- tung getödtet, die Bauchhöhle eröffnet und die Injeetionscanüle in der Art. mesent. super. befestigt '). Nun wurde eine Darmschlinge mit zugehörigem Mesenterium ausgebreitet, doppelt unterbunden, das Endothelium von dem Mesenterium mit dem Pinsel entfernt und die Blutgefässe mit blauem Leim injieirt. Nach dem Erkal- ten der Injeetionsmasse wurde das Mesenterium mit zugehörigem Darmstück auf 4—5 Minuten in eine 1/4 °/, Silberlösung gelegt, dann in destillirtem Wasser abgespült, in einem flachen Gefässe ausge- spannt und in verdünntem Alkohol der Sonne ausgesetzt. Die Präparate wurden schliesslich trocken eingeschlossen. Die grösseren Lymphgefässe des Mesenteriums verlaufen paarweise gemeinschaftlich mit den Blutgefässen und Nerven und zwar wie im äusseren Ohre, das eine Lymphgefäss zu äusserst von der Arterie, das andere zu äusserst von der Vene. Kleine Lymph- gefässstämmchen vermitteln die Anastomosen zwischen den grösse- ren und liegen gewöhnlich zwischen einer kleinen Arterie und einer 1) Wurden Ratten zu dem Versuche benutzt, so injieirte ich von der Aorta abdominalis aus. Ueber ein die Lympfgefässe umspinnendes Netz von Blutcapillaren. 339 Vene. Diese kleineren anastomotischen Lymphgefässe eignen sich besonders zum Nachweis des umspinnenden Capillarnetzes, weil das umgebende Gewebe weniger und manchmal gar kein Fett ent- hält (Fig.5). An gelungenen Silberpräparaten kann man auch hier an den Lymphgefässen sowohl Klappen, als Muskulatur nach- weisen und zwar liegen in den grösseren Gefässen die eirculären Muskelfasern sehr nahe an einander, während die kleineren Stämm- chen eine discontinuirliche Muskelschicht besitzen. Hat man eine vollständige Injection der Blutgefässe erzielt, so überzeugt man sich, dass sowohl die grösseren, als die kleine- ren Lymphgefässe von einem enganliegenden Capillarnetz umge- ben sind. Schwieriger ist es schon die Uebergangsgefässe, aus denen letzteres entspringt, nachzuweisen. Zu beiden Seiten des Lymphgefässes liegt gewöhnlich Fettgewebe, dessen Capillaren kleine rundliche Maschen bilden und sich von dem die Lymphge- fässe umspinnenden Capillarnetz sehr wohl unterscheiden, während die herantretenden Uebergangsgefässe häufig verdeckt werden. In den Fällen endlich, wo das Lymphgefäss von dem Fettgewebe vollständig umgeben ist, kann man durch die dicke Fettlage auch das umspinnende Capillarnetz als distinetes Gebilde nicht wahr- nehmen. An fettarmen Stellen schwindet ein grosser Theil dieser Sehwierigkeiten und man sieht dann die dünnen Uebergangsge- fässe von den nächsten Arterien und Venen sich abzweigen und zu den Lymphgefässen hinziehen. Auf diesem Wege geben sie Capillaren ab, die quer über das Lymphgefäss laufen, um hier zu anastomosiren (Fig. 5). An den Stellen, wo an den Lymphgefässen Klappen liegen, schien das Capillarnetz dichter zu sein, eine Er- scheinung, die mir am äusseren Ohre nicht aufgefallen ist. An den Uebergangsstellen der Lymphgefässe in Lymphcecapillaren schwand wie am äusseren Ohre das Netz der Blutcapillaren !). c) Die hinteren Extremitäten der Ratte. Die grösse- ren Lymphgefässe des Unterhautzellgewebes der Ratte verlaufen 1) Es muss hervorgehoben werden, dass an guten Silberpräparaten die Musculatur der Lymph- und Blutgefässe häufig nicht zu demonstriren ist, während die Endothelien scharf hervortreten. Das kommt sowohl an grösseren Lymphgefässen, wie an kleineren mit unvollständiger Musculatur vor. (Conf. Flemming, Dieses Archiv Bd. XII und Ranvier Trait€ technique p. 648.) Bei der von uns geübten Methode bekommt man also häufig Lymphgefässe zu Gesicht mit umspinnendem Capillarnetz und scheinbar ohne Muskulatur. 340 Alexander Dogiel: gewöhnlich zwischen zwei kleinen Blutgefässen, von denen aus sich Capillaren in der Richtung zum Lymphgefäss abzweigen und durch Anastomosen ein mehr oder weniger dichtes Capillarnetz herstellen (Fig.6). Doch scheint es, als ob hier das umspinnende Capillarnetz der Lymphgefässwand nicht so unmittelbar anliege, wie es im äus- seren Ohre der Fall ist. Andererseits ist der Füllungsgrad der Lymphgefässe für die gegenseitige Lagerung beider Gebilde von Bedeutung und ist es wohl möglich, dass intra vitam bei praller Füllung der Lymphgefässe und des Capillarnetzes eine unmittel- bare Berührung beider zu Stande kommt. Die Blutgefässe der hinteren Extremitäten wurden von der Aorta abdominalis aus injieirt und die Lymphgefässe durch subeu- tane Silberinjeetion kenntlich gemacht. Wir haben auch an anderen Lokalitäten nach dem umspin- nenden Capillarnetz gesucht, die Präparate waren aber nicht de- monstrativ genug, um positive Angaben zu gestatten. An den grös- seren abführenden Lymphgefässen der Leber und des Hodens stell- ten sich der Versilberung Hindernisse in den Weg, während an den serösen Häuten die vollständige Injection der Blutgefässe eini- ges zu wünschen übrig liess. Hingegen muss erwähnt werden, dass an den netzförmig ver- bundenen, der Muskulatur entbehrenden Lymphgefässen (Lymph- capillaren) im Centrum tendineum des Zwerchfells ein umspinnen- des Netz von Blutcapillaren fehlt. Es frägt sich nun, welche Bedeutung !) dem umspinnenden Capillarnetz zukommt? — Es ist vorläufig unmöglich eine striete Antwort zu geben, aber denkbar wäre es, dass bei praller Fül- lung das Capillarnetz einen Druck auf das Lymphgefäss ausübt und dadurch eine Fortbewegung der Lvmpbe in der Richtung des geringeren Widerstandes begünstigt. 1) Da den Blutgefässen von entsprechendem Caliber die umspinnenden Capillaren fehlen, so ist es unstatthaft letztere einfach als vasa vasorum auf- zufassen. Andererseits muss auf das eigenthümliche Factum hingewiesen werden, dass dem Blutherz des Frosches die Blutcapillaren fehlen, während Ueber ein die Lymphgefässe umspinnendes Netz von Blutcapillaren. 341 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX. Fig. 1. Aeusseres Ohr der Ratte. Netzförmig verbundene Lymphgefässe (a) mit unvollständig injieirtem, umspinnendem Capillarnetz. Die Ueber- gangsgefässe (b) richten sich in ihrem Verlaufe genau nach den Lymphgefässen. Hartn. S. 4. Oc. 3. Fig. 2. Lymphgefäss aus dem äusseren Ohr der Ratte mit engmaschigen dem Lymphgefäss unmittelbar anliegenden Capillaren. Hartn. S. 7. Oe. 3. Fig. 3. Zwei anastomosirende Lymphgefässe (a) aus dem äusseren Ohr der Ratte. Verlauf und Verästelung der Uebergangsgefässe (b) sehr charakteristisch. Die Musculatur der Lymphgefässe ist durch braune Schraffirung (c) streckweise angedeutet. Hartn. S. 4. Oc. 3. Fig. 4. Lymphgefässe (a), dessen Wandung nur auf einer kleinen Strecke durch das Silber kenntlich gemacht ist, dessen weiterer Verlauf aber durch das vollständig injieirte Capillarnetz (b) zu verfolgen ist. Hartn. S. 4. Oc. 3. Fig. 5. Klappenhaltiges Lymphgefäss (b) aus dem Mesenterium des Hundes. Beiderseits Arterien und Venen, von denen aus Uebergangsgefässe zum Lymphgefässe ziehen und in ein umspinnendes Capillarnetz übergehen. An den Endothelien sieht man Stomata. Hartn. S. 4. Oc. 3. Klappenhaltiges Lymphgefäss (a) aus dem Unterhautzellgewehe der hinteren Extremität einer Ratte. Die zu beiden Seiten des Lymph- gefässes verlaufenden Blutgefässe senden anastomosirende Capillaren ab, die das Lymphgefäss umgeben. Hartn. S. 4. Oc. 3. & Fig. die Lymphherzen von einem Capillarsystem versorgt werden. Berücksichtigt man weiter, dass die Lymphherzen, bei Gegenwart vonLymphsäcken dieder Musculatur entbehren, als Snbstitute der musculösen Lymphgefässe anzusehen sind, so scheint es auf den ersten Blick, als ob die in Rede stehenden Capillaren an die Gegenwart der Musculatur in dem Lymphgefässsystem gebunden sind. Diese Vermuthung erhält noch eine Stütze in dem Umstande, dass die dünne und der musculösen Elemente entbehrende Wand der Cysterna chyli, beim Frosch in den centralen Partieen gefässlos ist. Nur an der Peripherie in der Nähe des Anheftungsrandes verlaufen Blutge- fässe. Jedenfalls ist es eine beachtenswerthe Thatsache, dass ein von Blut durch- flossener Muskelschlauch (Blutherz des Frosches) der Capillaren entbehren kann, während ein von Lymphe durchströmter Muskelschlauch (Lymphherz) desselben Thieres ein Capillarsystem besitzt. Dasselbe Verhalten wiederholt sich, wie wir eben gesehen, an den peripheren Blut- und Lymphgefässen der Säuger. (Arnstein.) 342 Th. Eimer: Ueber Tastapparate bei Eucharis multicornis. Von Th. Eimer in Tübingen. Hierzu 3 Holzschnitte. Das distale Ende der bekannten, der Gestalt nach mit den Ambulakralfüsschen der Echinodermen vergleichbaren Fortsätze am Körper von Eucharis multicornis — ich nenne sie im Folgenden Tastwarzen — ist mit eigenthümlichen Zellen besetzt. Diese Zel- len sind von kugeliger Ge- stalt, mit körnigem Inhalt er- füllt, durch welchen zuweilen deutlich ein Kern hindurch- sieht. Sie liegen, wie die Bee- ren einer Weintraube, dicht aneinandergedrängt und ra- sen, wie diese, bei der Sei- tenansicht mit einem Theil ihrer Wölbung frei hervor. Sie bedecken kappenartig das ab- serundete Ende der Tastwar- zen, jedoch so, dass sie auf der Höhe der Kuppe derselben am grössten sind, proximalwärts dagegen kleiner werden, bis sie an der Grenze ihres Vorkommens bei einer Vergrösserung von 60:1 nur noch punktförmig erscheinen; der Durchmesser dieser kleinsten beträgt etwa 0,0037, derjenigen der grössten 0,034mm. Schon bei mässig starker Vergrösserung sieht man den granulirten Inhalt der grösseren Zellen von einer ziemlich breiten, wasserklaren Zone umgeben, von welcher ich heute nach meinen Zeichnungen nicht mehr bestimmt urtheilen kann, ob sie aus- Ueber Tastapparate bei Eucharis multicornis. 343 schliesslich aufe ein Hülle oder ausserdem auf homogene, zwischen dieser und der körnigen Masse gelegene Substanz zu beziehen sei. Jedenfalls muss die Hülle ausserordentlich wenig fest sein, denn die Zellen sind in sehr geringem Grade wider- standsfähig, quellen sehr leicht auf und entleeren bei wenig starker Berührung ihren Inhalt. Je zwischen einigen der so beschaffenen Zellen ragt ein Büschel von etwa 3 bis 4 distalwärts divergirenden, Fio 9. homogen aussehenden Borsten hervor, welche nach aussen spitzig sind, nach innen allmälig stärker werden und am Grunde eine ziemliche Dicke besitzen (Fig. 2). Vereinzelt finde ich solche Borsten auf einer meiner Zeich- nungen auch auf dem von körnigen Zellen freien Theile der Tast- warzen angegeben (Fig. 1). Das Gallertgewebe, aus welchem die Tastwarzen, vom Epithel abgesehen, bestehen, ist der Länge und der Quere nach von zahlrei- chen Fasern durchzogen (Fig. 1).- So wenig Zeit ich auf die Er- forschung der bezüglichen Verhältnisse verwenden konnte, so suchte ich doch selbstverständlich darnach, ob sich unter diesen Fasern nicht solche fänden, welche als Nervenfasern zu erkennen wären, die zu den Borsten, bezw. zu den Zellen hinzutreten. In der That sieht man nun Fasern gegen dieselben hinstreben, welche, so weit ich dies ohne Anwendung von Reagentien erkennen konnte, die grösste Aehnlichkeit mit den von mir bei Bero&!) beschriebenen, die Epidermis versorgenden Nerven haben. Wie dort in die Nerven überhaupt, sind in diese Fasern zuweilen spindelför- mige Körper eingeschaltet, deren Beschaffenheit erst durch Rea- gentien festzustellen sein könnte, die aber bei Bero@ nach An- wendung solcher je durch Einreihung einer Zelle, eines von wenig Plasma umgebenen Kernes, in die Faser hervorgebracht 1) Zoologische Studien auf Capri I. Ueber Bero& ovatus, ein Beitrag zur Anatomie der Rippenquallen. Leipzig, Engelmann. 1873. 344 Th. Eimer: erscheinen. In der Nähe der Tastborsten, bezw. der körmi- gen Zellen, angekommen, verästeln sich diese Fasern, ganz wie dies bei Bero& der Fall ist, gewöhnlich wiederholt dichotomisch, zuerst meist von Anschwellungen aus, welche von verschiedener Grösse sind und je nach der Zahl der von ihnen abgehenden Fäden eine dreieckige oder eine multipolare Gestalt haben und werden in Folge dieser wiederholten Theilung zuletzt zu un- endlich feinen Fäden, die nun direkt gegen die Epidermis hin- ziehen. Diese feinsten Fäden zeichnen sich, wie die ganze Faser überhaupt, durch den absolut geradlinigen Verlauf aus, welchen ich als für die Nervenfasern von Bero&gegen- über Bindegewebsfasern cha- rakteristisch bezeichnet habe. Ich konnte wiederholt feststel- ‘len, dass ihrer mehrere, wie sie von einem letzten Verzwei- gungspunkte aus ihren Ur- sprung nehmen, gegen die be- schriebenen Tastborsten zu- strebten. Einen Anschluss an diese konnte ich jedoch so Ye wenig wie an die körnigen Fig. 3. Zellen feststellen: es verloren sich die feinen Fäden dem Auge jeweils in einiger Entfernung von denselben. Kann über die Existenz einer solchen Verbindung, wie überhaupt über die Natur der beschriebenen Fasern als Ner- ven erst auf Grund genauer Untersuchung mit Hülfe von Reagen- tien endgültig entschieden werden, so spricht doch die Verglei- chung mit den Verhältnissen bei Bero& und die Bedeutung, welche man den Borsten von vornherein gerne zuschreiben wird, sehr für beides. Die Borsten halte ich für Tastborsten, was die Zellen angeht, so liegt es nahe, sie für Seeretbläschen zu halten, welche bei Berührung mit einem Feinde oder mit einem Opfer ihren In- halt, der vielleicht ätzende Eigenschaften hat, möglicherweise aber auch nur klebrig ist, zu dem Zweck, Nahrungsstoffe festzuhalten, entleeren dürften, ähnlich den Nesselzellen. Ueber Tastapparate bei Eucharis multicornis. 345 Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob sie nicht, gleich den Borsten, Tasteindrücke vermitteln können, also Sinnes- zellen sind. Zur Entscheidung wäre vor Allem die Feststellung des Verhaltens der Nerven zu ihnen nothwendig; ohne diese ist sie in letzterem Sinne jedenfalls nicht berechtigt. Die geschilderten Beobachtungen habe ich gelegentlich im März 1876 in der zoologischen Station zu Neapel gemacht und musste mich bei vorstehender Darstellung auf das Gedächtniss und auf meine Zeichnungen verlassen, nachdem meine Absicht, die Histologie der Rippenquallen und speciell die beschriebenen Verhältnisse weiter zu verfolgen, sich bis jetzt nicht hat verwirk- lichen lassen. Ich hatte übrigens damals Gelegenheit, das hübsche Objekt dem zugleich mit mir in Neapel anwesenden Professor Hensen zu zeigen. Dem ebenfalls anwesenden, mit dem Studium der Rippenquallen sich beschäftigenden Herrn Dr. Chun machte ich von meiner Beobachtung Mittheilung und erfuhr auf Befragen von ihm, dass er Bezügliches bis dahin noch nicht gesehen habe. In No. 31 des „Zoologischen Anzeigers“, 1379, beschreibt nun Herr Chun dieselben Einrichtungen bei Cestum mit dem Hinzufügen, dass sie bei Eucharis ganz analoge seien. Er bezeichnet die Bor- sten als Tasthaare, die körnigen Zellen als Sinneszellen und be- merkt, dass schon Herr Buekers die letzteren bei Cestum ge- sehen und mit Recht in genanntem Sinne gedeutet, jedoch unge- nügend geschildert habe !). Ich füge hinzu, dass die Zellen mit körnigem Inhalt bei Eucharis an die von mir vom Mundrande von Bero& beschriebenen, aus körnigem Inhalt und zarter Hülle bestehenden „tannzapfenähn- lichen, ellipsoidischen Körper“ erinnern ?), die ich wiederum als offenbar verwandt mit den Zellen bezeichnete, welche Fol °) auf 1) Bijdragen tot de Kennis der Anatomie von Üestum Veneris Les. Hoorn 1878. Ich möchte mir gestatten hiezu zu bemerken, dass, von der Schilderung abgesehen, die Abbildung, welche Herr Buekers von seinen Sinneszellen gibt, eine derartige ist, dass man vielleicht Queräurchschnitte von Lieberkühn’schen Drüsen oder Anderes, keinenfalls aber Sinneszellen in ihr suchen möchte. Ich selbst bin demnach nicht im Stande zu sagen, ob der Autor wirklich den von mir beschriebenen Zellen Aehnliches vor sich gehabt hat oder was sonst. 2) Vergl. Bero@ S. 68 und Taf. IX. Fig. 88. 3) H. Fol, Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Rippenquallen, Inaug.-Dissertation, Berlin 1869. 346 Andrea Batellı: S. 5 seiner Abhandlung bei Eurhamphaea erwähnt und auf Taf. III Fig. 8 abgsbildet hat. Herr Chun erklärt im Anschluss an Obiges, dass Tasthaare auch sonst an denjenigen Körperstellen auftreten, die auf einen Reiz leicht reagiren, so bei allen gelappten Ctenophoren an der Innenseite der Lappen, bei den Beroiden am Mundrande — eine Ansicht, welche in erfreulicher Uebereinstimmung steht mit mei- ner von demselben Autor bestrittenen Angabe, dass die Epidermis der Rippenquallen mit Nerven versorgt wird, ja welche nur auf Grund dieser Voraussetzung überhaupt Boden haben kann. Tübingen im September 1879. (Anatomisches Institut zu Strassburg.) Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut Von Dr. Andrea Batelli in Florenz. Hierzu Tafel XXXIV und XXXV. In der nachfolgenden Darstellung des Baues der Reptilien- haut habe ich den Weg eingeschlagen, zunächst eine übersicht- liche Beschreibung des Gesammtbaues, als einen allgemeinen Theil, voraufzuschicken, dem ich die speeielle Schilderung der wichtigeren Verhältnisse bei den einzelnen von mir untersuchten Arten folgen lasse. Von der üblichen historischen Einleitung kann ich dabei Abstand nehmen, da sowohl die älteren Arbeiten von Leydig (dieses Archiv Bd. IX und Nova acta Acad. Caes. Leop. Nat. Curios. T. XXXIV. 1868) und Cartier (Verhandlungen der Würzburger phys. med. Gesellschaft, Neue Folge III. u. V. Bd.), als auch ganz besonders die ausführlichen neuesten Abhandlun- gen von Kerbert (dieses Archiv Bd. XIII) und Todaro (Sulla Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 347 struttura intima della pelle de’ rettili, Ricerche fatte nel Labora- torio di anatomia normale della Reale universita di Roma, Vol. U. Fasc. I, Roma 1878. 4) in erwünschter Vollständigkeit diese Seite des Gegenstandes behandeln. I. Allgemeiner Theil. Wir unterscheiden bekanntlich, wie bei allen Vertebraten, an der Reptilienhaut zwei Hauptschichten, die Epidermis und die Cutis. Die erstere zerfällt nach meinen Erfahrungen, die im We- sentlichen mit Kerbert und Todaro übereinstimmen, in drei Lager, die ich als Stratum corneum, Stratum intermedium und Stratum mucosum s. Malpighianum bezeichnen möchte. In der Schichtung des Stratum corneum tritt nun bei den Repti- lien eine grössere Complication zu Tage, als bei den übrigen Wirbelthieren, indem wir nicht weniger als vier Abtheilungen da- ran unterscheiden müssen, und zwar, von der freien Oberfläche zur Cutis fortschreitend: 1) das Stratum epitrichiale (Ker- bert) (pellicola epidermica Todaro), 2) das Stratum granulo- sum superius (Kerbert), von Todaro nicht besonders benannt, 3) das Stratum corneum compactum (Todaro), 4) Stratum corneum relaxatum (rilassato, Todaro). 3 und 4 fasst Kerbert einfach unter dem Namen „Stratum corneum“ zusam- men. In meinen Figuren, vgl. z. B. Fig. 1, gebrauche ich für diese einzelnen Schichten dieselben Buchstaben, welche Todaro dafür gewählt hat (a = Str. epitrichiale, a = Str. corn. compact., a’ = Str. corn. relaxatum). Für das Stratum granulosum superius, wel- ches Todaro nicht besonders bezeichnet hat, füge ich den Buch- staben a’ hinzu. Als intermediäre Schiehten sind wol passend die von Kerbert und Todaro aufgeführten Lagen des sogen. Stratum luecidum und granulosum inferius kurz zusammenzufassen, worüber gleich das Nähere zur Erläuterung folgen soll. Das Stratum Malpighianum, s. mucosum, lässt sich, wie bei allen Vertebraten, in eine obere „Stachelschicht“, Stra- tum dentatum m., und in eine untere „Cylinderzellenschicht“, Stratum eylindricum, zerlegen. Die genauere Betrachtung dieser einzelnen Lagen der Epi- dermis ergibt Folgendes : 348 Andrea Batelli: Bezüglich der zuerst von Kerbert richtig geschilderten Epitrichialschicht muss ich dem genannten Autor durchaus zustimmen, wenn er dieselbe nicht als eine Cuticularbildung ansieht, sondern aus Zellen zusammengefügt sein lässt. Ich fand die Zellen, welche mitielst Kalilauge (starker Moleschott’- scher Lösung) isolirt wurden, von stark abgeplatteter Form. An der unteren Fläche dieser epitrichialen Schicht finde ich, beson- ders deutlich bei den dorsalen Schuppen von Python, eine einzige Lage unregelmässig begrenzter Zellen (s. Fig. 4), welche vielleicht Uebergangsformen zwischen der Epitrichialschicht und dem Stra- tum granulosum superius darstellen. Letzteres Stratum, welches ich Kerbert vollkommen bestätigen muss, lässt sich mittelst der gewöhnlichen Tinetionsmittel leicht zur Anschauung bringen. Auf der planen Oberfläche der Schup- pen liegen die Zellen dieser Schicht in einer und derselben Ebene, während an den abgedachten Seitenflächen der Schuppen falten- artige Fortsätze der Epitrichialschicht sich zwischen die Zellen des Stratum granulosum superius hineinschieben. Die granulirten Zellen sind sämmtlich kernhaltig; sie werden bei jeder Häutung abgeworfen. Wenn Todaro, p.95 seiner Abhandlung, sagt: L’aceumulo di molte cellule granulose dello strato interno della pellicola, lungo il grande asse di aleune squame, solleva lo strato delle seul- ture in certe specie, e determina la forma a carena di queste squame; avvegnache io non credo che questa forma sia dipendente da un rilievo mediano fatto dal derma sottostante come hanno soste- nuto F. Leydig (Arch. f. mikr. Anat. IX, p. 759) ed. O. Cartier (Würzb. Verhandl. N. F. p. 260), so bestimmen mich Querschnitte der dorsalen Schuppen von Tropidonotus natrix (vgl. Fig. 13), wie- derum der älteren Auffassung Leydig’s und Cartier's zuzustim- men, dass die Schuppencrista in letzter Instanz von einer entspre- chenden Erhebung der Cutis bedingt sei, welcher Cutisvorsprung an dem Schnitte (bei a in der Figur) deutlich hervortritt. Das nun folgende dritte Stratum, Stratum corneum com- pactum, bleibt frei zu Tage liegen, wenn die beiden bis jetzt beschriebenen Lagen bei der Häutung abgeworfen werden. Letz- tere geht erst dann vor sich, wenn vom Stratum compaetum aus schon wieder die erste Anlage der neuen beiden oberen Schichten gebildet ist. So habe ich bei Lacerta an den Rückenschuppen Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 549 diese Verhältnisse beobachten können und waren hier auch be- reits die Cristae in den neuen Anlagen erkennbar, bevor noch die alte Oberhaut abgestossen war. Die Zellen des Stratum compactum selbst bilden eine variable Menge einzelner Lagen, sie sind stark abgeplattet und in verschiedenem Grade verhornt, jedoch kernhaltig, während in der Epitrichialschicht die Kerne fehlen. Die folgende Lage, Stratum relaxatum, führt mit Unrecht bei einigen Autoren auch die Benennung „Stratum fibrillosum,“ denn es finden sich niemals Fasern, sondern ausschliesslich sehr regelmässig geformte platte kernhaltige Zellen darin. Der An- schein der Faserung entsteht dadurch, dass diese Zellen eine sehr dünne verhornte Randzone besitzen, so dass auf senkrechten Durch- schnitten die Zellen an den Rändern in Fasern auszulaufen schei- nen. Der Name „Stratum relaxatum“ passt insofern, als auf Durch- schnitten diese Schicht leicht in einzelne Lamellen aufblättert und daher ein lockeres Gefüge annimmt. Als intermediäre Schrehten wurden vorhin bezeichnet das Stratum lueidum und granulosum inferius. Ersteres wird von Kerbert ausdrücklich als ein Bestandtheil der Repti- lienepidermis aufgeführt. Ich finde auf Durchschnitten nur die in Fig. 6 wiedergegebenen Schichten und kann mich von der con- stanten Existenz eines als Stratum lucidum zu bezeichnenden Ge- bildes nicht überzeugen. Dagegen existirt allerdings, namentlich in einer der Häutung unmittelbar vorhergehenden Periode, wie ich besonders bei Python nachweisen konnte, s. Fig. 6 g, eine ziem- lich starke Schicht granulirter Zellen, zwischen dem Stratum re- laxatum und dem Rete Malpighii gelegen. Mitunter trifft man denn auch in dieser Lage eine mehr oder minder zusammenhän- gende Reihe stark lichtbrechender Zellen, welche vielleicht als Stratum lucidum angesehen werden dürften. Am eingehendsten, namentlich mit Bezug auf das Verhalten bei der Häutung, hat jüngst Todaro diesen Bezirk der Epidermis geschildert. Da ich den Vorgang der Häutung nicht mit in das Bereich meiner Untersuchungen gezogen habe, so vermag ich nicht im Einzelnen die Angaben Todaro’s zu beurtheilen; doch sei mir gestattet bezüglich einiger Punkte meine Zweifel zu äussern: Todaro meint, dass während der Häutung in einem gewis- sen Stadium dieses Processes die oberflächlichsten Schichten des Rete Malpighii zu einer continuirlichen protoplasmatischen Masse 350 Andrea Batell:: verschmölzen; später soll dann diese Masse in zwei Lagen sich sondern, und zwar in eine helle, oberflächlicher gelegene Schicht und in eine mehr granulirte tiefere Schicht von ihm sogenannter „drüsiger Zellen“ — „cellule glandulare“ Todaro. — Oberhalb der ursprünglichen protoplasmatischen Masse — wie später ober- halb der hellen Schicht — befinde sich ein Lager prismatischer Zellen. In einem nächstfolgenden Stadium, in welchem die Häu- tung selbst vor sich geht, höre die Lebensthätigkeit der „drüsigen Zellen“ auf und diese Zellen degenerirten zu einer schleimähnli- chen Masse; dadurch werde aber die helle Schicht — das Stratum lucidum der Autoren — sammt allen oberhalb desselben liegenden Schichten von dem Rete Malpighii abgetrennt, worin eben der Häutungsprocess bestehe. Todaro geht aber noch weiter: Es sollen bei dem Häutungs- processe auch die obersten Zellen der Malphighi’schen Schicht ver- hornen und zwar in der Weise, dass an jeder Zelle sich zwei Hornplatten bilden, eine obere und eine untere, beide Platten tren- nen sich später von einander. Ohne über die Richtigkeit dieser Angaben ein bestimmtes Urtheil abgeben zu wollen, da ich, wie bemerkt, den Häutungs- process nicht zum Gegenstande specieller Studien gemacht habe, möchte ich doch Folgendes hervorheben: Todaro sagt, dass die Kerne der Zellen, welche die beiden Hornplatten erzeugen, vorher schwinden, gibt aber nichts über eine etwaige Neubildung von Kernen an; mir erscheint es nun schwer verständlich, wie unter dieser Annahme die Zellen der Hornschicht bis fast zur Oberfläche der Haut hin kernhaltig blei- ben können. Fernerhin habe ich bei Python, vgl. Fig. 6g, in einem der Häutung unmittelbar voraufgehenden Stadium zwischen dem Stra- tum relaxatum und dem Rete Malpighii eine starke Lage von gra- nulirten Zellen gefunden, welche deutliche Zähnelung zeigten, (letztere ist in der Figur nicht wiedergegeben) traf aber niemals jene drei von Todaro beschriebenen Lagen, noch sah ich eine Verschmelzung von Zellen zu einer protoplasmatischen Masse; stets waren die einzelnen Zellindividuen deutlich zu erkennen. Ich betrachte diese Lage granulirter Zellen als die Matrix der mehr oberflächlich gelegenen Schichten; die Zellen färben sich leicht in Osmium, Methyl-Violett und Pikrocarmin. Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 351 Das Stratum Malpighianum besteht fast durchweg aus zwei Zellenschichten, einer oberen plattzelligen und einer unteren eylindrischen Lage. Jedoch findet man bei manchen Exemplaren von Lacerta muralis nur die Cylinderzellenschicht an einzelnen Körperstellen, während wieder andere Thiere beide Schichten ha- ben. In dieser Beziehung stimme ich Todaro vollkommen bei. Zeichen von Zellenvermehrung fand ich auch an den Rete-Zellen der Mundschuppen von T'ropidonotus bald nach der Häutung; es zeig- ten sich hier zweierlei Zellformen, schmale Zellen mit länglichen Kernen, und grössere rundliche von klarem durchscheinenden Aus- sehen. In letzteren Gebilden sieht man häufig zwei Kerne und Andeutungen einer Abschnürung der oberen Enden (Fig. 15). Ich empfehle vor Allem Osmiumpräparate. Mit Todaro muss ich mich gegen Kerbert auch dahin aus- sprechen, dass sämmtliche Zellen des Rete Malpighii der Reptilien in die Categorie der Riff- und Stachelzellen gehören; an den Cy- linderzellen beschränkt sich die Zähnelung auf die der Cutis zu- gewendete Basis. Sowohl Macerations- als auch äusserst feine Schnittpräparate liefern die Beweise, doch vermochte ich nicht zu entscheiden, ob bezüglich des genaueren Verhaltens der Zähnelung Bizzozero oder Max Schultze im Rechte sei. Stets erscheint die Bildung der Zähnelung als etwas späteres; an den jung ent- standenen Zellen vermisst man dieselbe. — Für Macerationen empfehle ich die Wasserbehandlung nach vorheriger Einwirkung von Citronensaft mit Goldehlorid nach Ranvier’s Verfahren. Die Cutis der Reptilien setzt sich aus drei Schichten zusam- men, die wir als Stratum limitans superius, inferius und tela subeutanea bezeichnen können. Alle Abweichungen im Baue der Lederhaut bei den verschiedenen Species, so wie an den verschiedenen Localitäten lassen sich auf die grössere oder gerin- gere Entwickelung einer oder der anderen dieser Schichten zurück- führen. Den wenig passenden Namen: Stratum limitans in- ferius habe ich beibehalten, obgleich wir es hier nicht mit einer Grenzschicht zu thun haben, da er bereits von Todaro gebraucht ist und ich durch neue Nomenclatur keine Weiterungen einfüh- ren möchte. Was das Verhältniss der drei Schichten zu einander betrifft, so sehen wir die Fasern des Stratum subeutaneum durch das Limi- tans inferius hindurchtreten, um sich zum Limitans superius zu be- 352 Andrea Batelli: geben. Zwei Arten dieser Durchkreuzung lassen sich nachweisen, die eine an den Bauchschuppen von Python und Tropidonotus, die andere bei Anguis fragilis. Bei letzterer Species treten grös- sere eylindrische Faserbündel zwischen den Hautknochen, die in dem Limitans inf. liegen, hindurch, bei Python und Tropidonotus laufen zahlreichere kleine Bündel zwischen den Elementen des Li- mitans inf. hindurch, indem sie sich mit dessen Faserzügen in regelmässiger Anordnung kreuzen. Das Stratum limitans inferius erscheint als die Hauptschicht der Cutis und stellt eine mehr com- pacte Masse dar; die Bündel des Strat. lim. sup. verlaufen mehr vertikal, die des Stratum subeut. sind feiner und ziehen mehr ho- rizontal. Die grössere Lockerung des Str. lim. sup. und der Tela subeutanea lässt auch den Pigmentzellen einen freieren Spiel- raum, und deshalb finden wir sie wohl auch vorzugsweise in die- sen Schichten angehäuft. In dem Strat. limitans superius bilden die Pigmentzellen gewöhnlich zwei Schichten, eine dicht unter dem Epithel, die an- dere näher dem Limitans inferius. Zwei Formen von Pigment- zellen kommen vor, grosse, reich verzweigte und kleine mehr rundlich gestaltete; letztere liegen stets unmittelbar unter dem Epi- thel und führen ein mehr gelbliches Pigment. Von den tiefer ge- legenen grösseren Zellen gehen Fortsätze aus, welche durch das Lager der kleinen Zellen hindurch bis in das Rete Malpighii vor- dringen. Schliesslich sei hier noch kurz bemerkt, dass ich von einer normalen Pneumaticität der Reptilienhaut, wie sie von W. J. Edwards, de l’influence des agents physiques sur la vie, Paris 1824, dann von Blanchard (Annal. des Se. nat. zool. 1861) und jüngst noch von Leydig 1. e. angenommen worden ist, nichts habe wahrnehmen können. Sollten in den oberen Schichten der Epidermis lufthaltige Räume gefunden werden, so ist daran zu denken, dass während der Periode der Häutung wohl Luft zwi- schen die einzelnen Lagen der in der Abhebung begriffenen Epi- dermispartien eindringen kann, indessen kann das doch nicht zur Annahme eines normalen Luftgehaltes dieser Theile berechtigen. Ueber die Nerven der Reptilienhaut gibt uns Leydigl. e. die ersten wichtigen Aufschlüsse namentlich durch die Entdeckung der von ihm sogenannten Organe des sechsten Sinnes, welche er als Nervenendstationen ansieht. Todaro l. e. lieferte den be- Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 353 stimmten Nachweis (Osmiumpräparate), dass die Nervenenden sich direet mit den Zellen der genannten Sinnesorgane verbinden, gibt jedoch ebenso wenig wieLeydig irgend welche andere Ner- venendigungen an. Mir ist stets die erhebliche Menge und die Stärke der Ner- venfasern aufgefallen, welche sich bis zur oberflächlichen Lage des Stratum limitans superius im Bereich der ganzen Haut der Reptilien begeben. Von der Voraussetzung ausgehend, dass bei den Reptilien, ausser in den specifischen Hautsinnesorganen, noch Endigungen im Gesammtbereiche der Haut zur Vermittelung der Gemeingefühle vorhanden sein müssten, wie wir sie von den übrigen höheren Vertebraten kennen, habe ich mein Hauptaugenmerk auf diese Frage gerichtet. Es gelang mir an Goldpräparaten, nament- lich der Unterkieferhaut von Lacerta viridis und Anguis fragilis, welche nach Ranvier's Verfahren vorbereitet waren, nachzuweisen, dass an vielen Stellen eine Menge Nervenfasern zur Epidermis aufstreben, ihr Mark verlieren und in die Epidermis selbst eintreten. Diese Nervenfasern gehen von den in der Tela subeutanea gelegenen Stämmen aus, verlaufen mit den Bindegewebsbündeln der Tela bis zum Strat. lim. supe- rius, wo sie dicht unter der Epidermis reichlich sich verzweigen. Von dieser Verzweigung aus treten dann die marklosen Fäden in die Epidermis ein und lassen sich bis zu den gezähnelten Zellen der oberen Schicht des Rete Malpighii verfolgen; ihre Endigung findet hier, wie es bei der Cornea der Fall ist, frei zwischen den Zellen, oder mit kleinen Endknöpfehen statt (vgl. Fig. 9). Wegen der Pigmentzellen und deren feinen Ausläufern bietet diese Unter- suchung beträchtliche Schwierigkeiten dar. Doch glaube ich mich durch sorgfältige Prüfung vor einer Verwechselung feiner Pigment- ausläufer mit Nervenfasern gesichert zu haben. Somit wäre also auch für die Reptilien die bei den höheren Amnioten vielfach vorhandene Endigungsweise der Nerven zwischen den Epidermis- zellen nachgewiesen. il. Specieller Theil. a) Haut von Python javanieus. Für die Untersuchung der Haut von Python javanicus be- nutzte ich Alkoholpräparate. Da die im vorigen Capitel erwähn- Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 93 354 Andrea Batellı: ten Verhältnisse grösstentheils nach den bei Python eruirten Be- funden dargestellt sind, so habe ich hier nur noch wenig nachzu- tragen. Die Epitrichialschicht besteht an den abhängigen Theilen der Dorsalschuppen aus kleinen länglichen Zellen, wie Kerbert sie bei Tropidonotus und Pseudopus beschrieben hat, dagegen ver- schmelzen auf dem oberen Schuppentheile die Zellen zu einer structurlosen Membran. In Fig. 4 habe ich die von mir zuerst hier beschriebene Lage der unterhalb des Epitrichium gelegenen Uebergangszellen abgebildet und gebe in Fig. 7 die Elemente des Stratum granulosum superius (Todaro’s pentagonale Zellenschicht) und in Fig. 14 eine Zelle aus der folgenden Schicht; in diesen letzteren Zellen zeigt sich um den Kern eine helle Ringzone. Fig. 6 endlich, deren ich schon öfters Erwähnung that, führt uns ein Durehschnittsbild der gesammten Epidermis vor. Zur Erläuterung der Schiehtung der sehr starken Lederhaut von Python möge Fig. 1 dienen. Sie zeigt einen senkrechten Durchschnitt der Haut einer Schuppe, die mit Sq bezeichneten Räume sind die Spalten zwischen der vorliegenden und den benachbarten Schuppen. Wir sehen die drei vorhin geschilderten Cutislagen in mächtiger Aus- bildung; das Stratum limitans superius tritt als Hauptmasse der Schuppe kegelförmig vor. Bemerkenswerth ist der Unterschied zwischen Stratum lim. sup. und inferius, indem bei letzterem viel stärkere Bindegewebsbündel vorhanden sind, welche viel umspin- nende elastische Fasern führen. An der Basis des in Rede ste- henden Stratums sind diese elastischen Fasern in einer solchen Menge angehäuft, dass man recht wohl ein besonderes Stratum elasti- cum hier unterscheiden könnte; von hier aus, als von einer Cen- tralstätte, ziehen die elastischen Fasern, unter fortwährender Ver- ästelung, nach allen Seiten hin, nach oben zum Stratum limitans superius, nach unten zur Tela subeutanea. Besonders bemerkenswerth ist die bedeutende Entwickelung des Stratum subeutaneum bei Python, welches sich in gleicher Weise bei keiner andern der von mir untersuchten Species wie- derfindet; die Bündel verlaufen hier im Allgemeinen horizontal, treten aber von Strecke zu Streeke in das darüber liegende Stra- tum ein. In allen Coriumschiehten finden wir platte reichver- ästelte und unter einander anastomosirende Bindegewebszellen, wel- che in dem Stratum lim. inf. die dieken Faserbündel in derselben Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 355 Weise umgreifen, wie das von den Sehnen bekannt ist. Für die Darstellung dieser Zellen kann ich Pikrocarmin mit ameisensau- rem Glycerin empfehlen. Die Blutgefässe erleiden erst eine reichere Verzweigung im Stratum limitans superius, während sie das inferius ohne beson- dere Verästelung durchsetzen. In Folge dieser Vertheilung bleibt auch bei der starken Ausdehnung der Haut nach der Nahrungs- aufnahme der Zutritt von Blut zu den oberflächlichen Gefässplexus gesichert. b) Tropidonotus natrix. Die Haut der dorsalen Schuppen von Tropidonotus schliesst sich in allem Wesentlichen an die bei Python geschil- derten Verhältnisse an, nur ist der bindegewebige Kamm, welcher die Schuppencrista bedingt, weniger entwickelt und ist das ela- stische Fasernetz schwächer ausgehildet. Unterhalb der dorsalen Medianlinie des Körpers findet sich ein longitudinales Band, aus elastischem und fibrösen Gewebe bestehend. Für die ventralen Schuppen bin ich veranlasst eine ein- sehendere Schilderung zu liefern, da auch die Beschreibung der Bauchschuppen von Coluber virido-favus, welche Todaro gege- ben hat, noch nicht alles genügend erläutert. Bezüglich der Epi- dermis sei hier nur erwähnt, dass ich alle Schichten wiederfand, welche im allgemeinen Theile zur Sprache gekommen sind. Was die Cutis betrifft, so besteht das Strat. limit. super. (Fig. 3 1) aus schmalen Bündeln, welche, locker gefügt, einander durchkreuzen und dicht unterhalb des Stratum Malpighianum nach unten um- biegen. Die fixen Bindegewebszellen sind. hier von bedeutender (Grösse, führen grosse Kerne, und, wie es scheint, mehrere Kern- körperchen (vgl. Fig. 17). Das Stratum limitans inf. ist in der Medianlinie am stärksten; gegen den Winkel der Schuppen schärft es sich zu. Eine grosse Zahl der Bindegewebsbündel des Stratum subeut. erstreckt sich zwischen die Muskeln hinein, welche an der Oberfläche der Schuppe, in schiefer Richtung von beiden Sei- ten herkommend, inseriren, und zwar in dreifacher Lage: Musculi cutanei Obliqui, Transversi externi und Transversi interni. Fig. 3 zeigt uns bei I das Stratum limitans sup., bei I’ das Stratum inf. und bei s die Tela subeutanea. Zwischen den beiden letzteren Schichten verlaufen die Sehnen der Musculi Obliqui (obl), welche 356 Andrea Batell:: sich von beiden Seiten her mit einander vereinigen. Die Fasern der Museculi transversi sind viel feiner als die der obliqui, und ihre Sehnen durchkreuzen sich (bei r in der Fig.). p bezeichnet die innere Muskelfascie und v ein Gefäss, welches unter dem Mit- telpunkte der Schuppe gelegen ist. Die Sehnen haben denselben Bau, wie die der höheren Ver- tebraten, nur an den Sehnen der Obliqui zeigt sich eine bemer- kenswerthe Eigenthümlichkeit, indem nämlich mit grosser Regel- mässigkeit von Strecke zu Strecke Gruppen von protoplasmati- schen kleineren oder grösseren Zellen in die Sehnensubstanz ein- gelagert sind; diesen Gruppen entsprechen äusserliche Einschnü- rungen der Sehnen. Manchmal findet man nur eine einzige grosse Zelle, dayn wieder kleinere und grössere Zellen zusammen (Fig. 11B), endlich nur kleinere Zellen (Fig. 11 A). Vielleicht sind diese Zell- formen in eine Kategorie zu setzen mit denen, welche L. Löwe (Centralbl. 1874. p. 48) bei Säugethiersehnen gefunden hat, und auf welche er das weitere Wachsthum der Sehnen zurückführt. Uebrigens will ich nicht unterlassen, hier hervorzuheben, dass diese Zellen keineswegs Uebergangsformen zu Knorpelzellen reprä- sentiren, wie sie Ponfick (Centralbl. 1872. p. 116) im Knorpel der Achillessehne des Frosches angenommen hat. An der Innenfläche der Bauchsehuppen erstreckt sich jeder- seits ein starkes fibröses Band der ganzen Länge des Körpers entlang, welches in Fig. 3 auf dem Querschnitte zu sehen ist (f f Fig. 3); diese Bänder werden durch Fortsätze der Fascia submuseularis eingescheidet, und es gehen die von den Rippen entspringenden Bauchmuskeln mit ihren Aponeurosen in dieselben über; man könnte dieselben also als eine gemeinschaftliche Sehne der Bauehwandmuskeln betrachten. Diese Bänder haben einen sehr merkwürdigen Bau, der an die Structurverhältnisse eines osteoiden Gewebes erinnert. Querschnitte zeigen nämlich eine feste homogen erscheinende Grundsubstanz, in der fast wie Knochenkörperchen erscheinende sternförmige Lücken vorhanden sind; diese Lücken beherbergen Zellen. Das in Fig. 3 bei v abgebildete Blutgefäss liefert hauptsäch- lich die Aeste für die Schuppe; sie treten in der Mittellinie ein und bilden ein schönverzweigtes Netz in dem Limitans superius. Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 357 e. Lacerta viridis. Mit Rücksicht auf die fast erschöpfende Darstellung, welche die Haut der verschiedenen Speeies von Lacerta durch Leydig, Kerbert und Todaro gefunden hat, begnüge ich mich hier mit wenigen Notizen: Die Epitrichialschieht ist relativ stark, das stratum corneum compaetum ähnelt einer zweiten Epitrichial- schicht (unmittelbar vor der Häutung), das stratum relaxatum er- scheint sehr stark entwickelt. Die tieferen Lagen der Epitrichial- schicht haben zu dieser Zeit (vor der Häutung) fast das Aussehen eines stratum relaxatum; die kernführenden Zellen der zunächst tieferen Lage, d. h. des stratum granulosum superius, zeigen im profil zweierlei Seulpturen, an ihrer Oberfläche Hervorragungen, welche in entsprechende Vertiefungen der oberen Epitrichialschicht hineinpassen, an ihrer unteren Fläche Vertiefungen, denen Er- höhungen des darunter liegenden stratum corneum compactum be- gegnen. Das stratum granulosum inferius hat mir niemals das Bild einer Zellenverschmelzung ergeben, wie es Todaro beschrie- ben hat; zwischen den Zellen dieser Lage und den darauf folgen- den des Rete Malpighii finden sich allerlei Uebergangsformen. Hier lässt sich vielleicht am passendsten eine Schilderung der membrana tympani von Lacerta einfügen, die als modifieirte Hautpartie zu betrachten ist. Die Grundlage des sog. Trommel- felles bildet eine Bindegewebslage, welche, wie Durchschnitte des Grenzgebietes lehren, der tela subeutanea entspricht; auf diesem liegt eine Schicht sehr regelmässig geformter polygonaler Zellen (Fortsetzung des Rete Malpighii, jedoch ohne Cylinderzellen); diese wieder wird bedeckt von 2 dünnen Zellenlagen, welche dem stratum eorneum relaxatum und compaetum entsprechen. Zwischen die regelmässigen polygonalen Zellen der Reteschicht sind in eben- falls sehr bestimmter Anordnung Pigmentzellen mit ihren Fort- sätzen eingeschoben. Von der Innenfläche her ist die Columella mit der bindege- webigen Grundschicht, welche ihrerseits ein sehr elegant ent- wickeltes Gefässnetz aufweist, verbunden. 558 Andrea Batelli: d) Anhangsgebilde der Haut von Lacerta. Ausser dem eben berührten Trommelfell können wir noch zwei besondere Gebilde der Lacerta-Haut hier erwähnen, von denen die einen am Unterkiefer, die anderen am Oberschenkel gelegen sind. Am Unterkiefer von Lacerta viridis finde ich eigenthümliche Ein- stülpungen der Epidermis, welche in der Nähe eines der Sckuppen- ränder gefunden werden (Fig. 16), 4—6 an der Zahl, und dort als helle rundliche Flecke erscheinen. Durchschnitte lehren (Fig. 16), dass es sich hier um schiefgerichtete Einstülpungen des Rete Mal- pighii handelt. Hornschicht und stratum granulosum inferius (g) ziehen, ohne an der Einstülpung theilzunehmen, über deren Mün- dung hinweg, so jedoch, dass zwischen diesen Theilen ein trichter- förmiger Raum bleibt; dieser Raum bedingt offenbar das Aussehen des Flächenbildes, welches wie ein kleiner runder Fleck er- scheint. (In Fig. 16 ist auch zwischen Hornschicht und str. gra- nulosum (g) noch ein Raum frei, dieser ist aber nur Folge des Schnittes, wie andere Präparate lehrten.) Die Bedeutung dieser Invaginationen ist mir verborgen ge- blieben; keinenfalls können sie mit den von Leydig und Todaro auch am Unterkiefer von Lacerta angenommenen Sinnesorganen zusammengeworfen werden. Ich habe bei Eidechsen weder am Unterkiefer noch sonst am Körper diese Sinnesorgane nachweisen können, obgleich ich dieselben z. B. bei Schlangen am Kopfe sehr leicht auffand. Sollten nicht diese Invaginationen zu Täuschungen Veranlassung gegeben haben ? Besser bekannt sind die drüsenartigen Organe am Ober- schenkel von Lacerta. Aeusserlich erscheinen sie als dunkle Flecke oder Punete im unteren Drittel der grossen Schuppen, deren Crista an der Stelle der Flecke unterbrochen ist (Fig. 8). An der Oeff- nung dieser Organe fehlt die Epitrichialschicht, alle übrigen Schich- ten der Epidermis stülpen sich indessen hier in die Tiefe ein (Fig. 2), wobei das stratum corneum compactum die Hauptrolle spielt. Dasselbe bildet einen Pfropf dichtgedrängter Zellen, die sich nur äusserst schwer isoliren oder tingiren lassen, wenngleich der ganze Pfropf leicht herausgehoben werden kann. Nach vor- hergegangener Osmiumbehandlung gelingt übrigens die Tinetion in Pikrocarmin leicht. Das stratum granulosum inf., die Matrix der verhornten Epidermisschichte erfüllt in Form eines kleineren Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 359 Kegels das blinde schlanke Ende der Invagination (g, Fig. 2); dessen Zellen färben sich auch in Osmium schwarz. Die obere Lage des Rete Malpighii setzt sich öfters nicht bis ins blinde Ende fort, stets aber die Cylinderzellen. Vom stratum limitans superius aus wird eine bindegewebige Kapsel hergestellt, während das limitans inferius nicht um das Gebilde herumgeht; somit kann die tela subeutanea an der Invaginationsstelle höher hinaufreichen. Man findet hier im stratum subeutaneum eigenthümliche Fasern, die sich sehr lebhaft tingiren und an glatte Muskelfasern erinnern, deren Contraetion wohl den Inhalt des Sackes auspressen Könnte. Aehnliehe Fasern liegen auch unter den benachbarten Schuppen, zu deren Mittelpuncte sie hinstreben. Die Lederhaut von Lacerta bietet im Allgemeinen einige Abweichungen dar, besonders dadurch, dass das stratum limitans superius ausserordentlich reducirt erscheint; das stratum limitans inf. besteht aus umsponnenen parallel gelagerten Faserbündeln, in- dessen sind die umspinnenden Fasern nicht elastischer Natur; sie fehlen regelmässig an jeder Vereinigungsstelle zweier Schuppen. Im lockeren subeutanen Gewebe treffen wir reichlich Fettzellen; bei einzelnen Thieren entwickelt sich in der Bauchgegend sogar eine Art Panniculus. e) Anguis fragilis. Der Hauptunterschied in der Hautstruetur von Lacerta und Anguis liegt in der Anwesenheit der bekannten Knochenplatten bei letzterer. (Zur Entkalkung genügt Müller’sche Flüssigkeit.) Das str. limit. sup. ist sehr zart, seine Fasern stammen z. Th. ab vom limit. inf, z. Th. als das letztere durchbohrende Fasern von der tela subeutanea. Das stratum limitans inf. kann man in zwei Theile zerlegen, in einen oberen verknöcherten und einen unteren, der genau so gebaut ist, wie bei Lacerta. Die Hautknochen haben denselben Bau wie normale Knochen anderer Thiere, speciell die Skeletknochen von Anguis; sie sind bekanntlich von kleinen Canälen durchbohrt, durch welche die von der tela subeut. aufsteigenden Faserbündel nebst Blutgefässen ihren Weg nehmen. An der oberen Fläche der Knochen treffen wir immer noch einen schmalen Saum des Stratum limit. inferius. 360 Andrea Batelli: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIV und XXXV. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Durchschnitt der Haut von Python. l, str. limit. superius. en „ Inferius. S, tela subcutanea. Sq, Falz für die benachbarten Schuppen. Schnitt durch eine Oberschenkeldrüse von Lacerta. a, Str. corneum compactum. g, Str. granulosum. l,, limit. inferius. s, stratum subcutaneum. Durchschnitt einer Ventralschuppe von Tropidonotus natrix (mitt- lerer Theil). l, limitans superius. l,, limit. inferius. s, tela subcutanea. r, Sehnen der musc. cutan. transversi. p, submusculäre Fascie. obl, Sehne der musc,. obliqui. f, f, sehnige Bündel. v, Blutgefäss. Zellen aus der unmittelbar unter der Epitrichialschicht von Python gelegenen Lage. Schnitt durch die Bauchhaut von Lacerta viridis. l, s, wie früher. Epidermis von Python. a,, Epitrichialschicht. a,,, stratum granulosum superius. a, Str. corneum compactum. 2, str. relaxatum. g, str. granul. inferius. m, str. dentatum. m,, str. cylindricum mit Pigmentzellen. l, limitans superius. Zellen des stratum granulosum superius (a,,, in Fig. 6). Flächenansicht einer Oberschenkel-Schuppe von Lacerta viridis mit der Drüsenmündung. . Gesichtshaut von Lacerta viridis, Nervenendigungen im Rete Mal- pighi. Epitrichialschicht von dem abhängigen Theile einer Python-Schuppe. Fig. Fig. ll. 12, Bela: . 14. yaln: ualon 17. 18. Beiträge zur Kenntniss des Baues der Reptilienhaut. 361 A. Sehne von Tropidonotus mit Einschnürung und kleinen Zellen. B, mit einer grossen und mehreren kleinen Zellen. Netz eigenthümlicher Fasern an der Oberfläche einer Oberschenkel- drüse von Lacerta. Durchschnitt einer dorsalen Schuppe von Tropidonotus; a. Cutisvor- sprung, welcher die Crista bedingt. Zelle des stratum epidermidis relaxatum von Python. Rete Malpighii des Unterkiefers von Tropidonotus; blasige Zellen, Zellen mit 2 Kernen. Invagination an den Mundschuppen von Lacerta. g, str. granulosum. p, Pigmentzellen. m, Rete Malpighii. l,, limit. infer. s, tela subeut. Fixe Bindegewebszelle aus dem stratum lim. sup. von Tropidonotus. Durchschnitt der Haut von Anguis fragilis (Dorsalregion). o, Zwischenraum zweier Hautknochen. “],, limitans inferius. k, Knochen. w, Knochenkanäle für den Durchtritt von Bindegewebe nnd Blutge- fässen. 362 Waldeyer: Beiträge zur Kenntniss der Lymphbahnen des Central-Nervensystems. Nach Untersuchungen von Dr. Fr. Fischer mitgetheilt von Professor Waldeyer. Obgleich bereits vier Jahre seit dem Erscheinen des umfang- reichen Werkes von Axel Key und Gustav Retzius: Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes, I. Stockholm 1875, fol., verflossen sind, scheint sich bis jetzt doch Niemand mit einer ernstlichen Prüfung der darin niedergelegten Resultate befasst zu haben, ungeachtet dieselben zum Theil sehr wichtig und einzelne derselben geradezu auffallend sind. Mir ist wenigstens nur eine kurze Notiz aus der „Revue mensuelle de Me- deeine et chirurgie, fondee par Charcot, ete. vom 10. Juni 1878 be- kannt geworden, worin Mare See die Communication der suba- rachnoidalen Räume mit den Hirnventrikeln nach eigenen Versuchen bestätigt. Freilich erfordert eine eingehende Prüfung der Angaben der schwedischen Forscher eine nicht geringe Anzahl frischer Leichen verschiedenen Lebensalters; da jedoch an solchen die Strassburger anatomische Anstalt keinen Mangel hat, so schien mir die Vor- nahme der betreffenden Arbeit Aussicht auf befriedigende Ergeb- nisse zu haben und veranlasste ich deshalb Herrn Dr. Fr. Fischer (Köln), z. Z. zweiten Assistenten des Institutes, sich mit der Sache zu befassen. Dr. Fischer hat die Resultate seiner zahlreichen Injeetionen (etwa 60 Leichen von Menschen und Thieren wurden dazu ver- wendet) in seiner im vergangenen Sommer bei P. Neusser in Bonn gedruckten Inaugural-Dissertation niedergelegt und mit einigen Beiträge zur Kenntniss der Lymphbahnen des Centralnervensystems. 363 Abbildungen begleitet. Bei der Wichtigkeit der Sache glaube ich den Fachgenossen einen Dienst zu erweisen, wenn ich die in der Dissertationsform schwer zugängliche Abhandlung ihrem wesent- lichen Inhalte nach auch hier zur Kenntniss bringe. Fassen wir zunächst kurz die wichtigsten Ergebnisse der schwedischen Autoren zusammen, so dürften sich dieselben etwa in nachstehenden Sätzen formuliren lassen: 1) Zwischen dem sub- duralen und subarachnoidalen Lymphraume des Hirn-Rücken- markes besteht keine unmittelbare, direete Communication. 2) Ein sogenannter Canalis Bichati, welcher den Subduralraum mit dem dritten Hirnventrikel verbinden soll, existirt nicht. Dagegen sind 3) Die foramina Magendii und lateralia ventriculi quarti, wodurch die Ventrikelflüssigkeit mit dem Subarachnoidalraume communieirt, normale und regelmässig vorkommende Bildungen. Demnach eommunieiren die Hirnventrikel nur mit dem Subarach- noidal-, nicht mit dem Subduralraume. 4) Die sogenannten Pac- chionischen Granulationen oder Arachnoidealzotten sind eben- falls normale Bildungen und dienen dem Abflusse der Lymphe in die Sinus durae matris. Sie vermitteln sowohl den Abfluss aus dem Subduralraume, wie auch aus dem Subarachnoidealraume in ver- schiedene Hirnsinus, besonders aber in den Sinus longitudinalis superior und dessen Recessus laterales, wie Axel Key und Retzius seitliche Ausbuchtungen dieses Sinus, in welchen sich gewöhnlich die meisten Zotten vorfinden, genannt haben. Da nun aus beiden Lymphräumen durch die Zotten ein Abfluss in die Sinus stattfindet, so bilden diese Zotten, oder vielmehr die Sinus, eine indireete Communication zwischen den genannten Lymph- räumen, während, wie bemerkt, eine direete Verbindung fehlt. 5) Eine weitere indireete Verbindung wird durch die Lymphgefässe der Nasenschleimhaut hergestellt, welehe sich sowohl vom Subdu- ralraume, wie auch vom Subarachnoidealraume aus füllen lassen. Wir wollen hier auf die Verbindungen der Lymphräume des Cen- tralnervensystems mit dem inneren Ohre, dem Bulbus, und den peripheren Nervenstämmen, von denen die schwedischen Forscher ebenfalls ausführlich handeln, nicht eingehen, da einerseits Fischer hierüber nicht zu so allseitig befriedigenden Ergebnissen kam, andererseits Axel Key und Retzius selbst ihre Forschungen be- züglich dieser Dinge bereits in diesem Archiv früher mitgetheilt haben. Bd. IX, pg. 308 sqg. 364 Waldeyer: An diese Hauptergebnisse schliessen sich Untersuchungen über den Bau der Dura mater und der Arachnoidealzotten an, welche Fischer ebenfalls geprüft hat, und welche in ihrem bemerkenswerthesten Resultate hier ebenfalls ihren Platz finden sollen. Ich bemerke zunächst über das Untersuchungsverfahren, dass es sich in allen wesentlichen Dingen dem von Axel Key und Retzius geübten anschloss. Als Injectionsflüssigkeit wurden blaue und gelbe Leimmassen benutzt; für die blaue Färbung wurde lösliches Berliner Blau, für die gelbe das Hoyer’sche Transpa- rentgelb verwendet. Der Subarachnoidealraum wurde vom Rücken- markskanale aus, der Subduralraum vom Schädel aus gefüllt. Es ist nicht schwierig, isolirt den Subarachnoidealraum zu injieiren, da bei vorsichtiger Eröffnung des spinalen Duralsackes sich die Arachnoidea hernienartig in die Oeffnung hineindrängt und man nun leicht und sicher eine passend geschärfte Glascanüle in den Arachnoidealsack einschieben kann. Mühevoller ist die Injection des Subduralraumes mit der sicheren Ueberzeugung, dass man dabei den Subarachnoidealraum nicht verletzt habe. Vom Schädel- raume aus gelingt es viel leichter als vom Rückenmarkskanale her. Ausserdem empfehle ich eine Metalleanüle zu benutzen, an welcher distalwärts eine ellipsoidische kleine durchbohrte Metallplatte an- gebracht ist. Man trepanirt die Schädelkapsel, macht in die bloss- liegende, Dura vorsichtig einen linearen kleinen Einschnitt und schiebt dann leicht die Canüle, mit ihrer Platte voran, wie einen Hemdenknopf in sein Knopfloch, in den Schlitz hinein. Man hat dabei ferner den Vortheil mittelst der Platte die Dura von der Arachnoidea leicht abheben, und die Canüle in der betreffenden Stellung fixiren zu können, so dass sie die Dura während der Injeetion trägt und jede Verletzung der Arachnoidea vermieden wird. Als Injeetionsmasse wurde ausserdem, namentlich wenn es auf die Füllung der peripheren Communicationen ankam, die von Fleischl eingeführte Lösung von Asphalt in Chloroform benutzt; wir können diese Mischung ganz besonders empfehlen. Zunächst stellte sich bei sämmtlichen gut gelungenen Injec- tionen, d. h. solchen, die eine vollständige Füllung erzielten, und bei denen keine Nebenverletzungen vorgekommen waren, als sicher heraus, dass der Subduralraum mit dem Subarachnoi- dealraum direet nicht communieirt, ferner gingen beide ion ae Beiträge zur Kenntniss der Lymphbahnen des Centralnervensystems. 365 Injeetionsmassen, sowohl die gelbe vom Subduralraume, als auch die blaue vom Subarachnoidealraume her in die Paechionischen Granulationen über und von diesen aus in die Blutsinus, in welche jene Granulationen hineinragten. Die Wege, auf denen in den Zotten die Injectionsmassen bis zum Sinus vorwärts drangen, wurden genau so gefunden, wie es Axel Key und Retzius dargestellt haben. Vom Subduralraume aus gelang es ferner niemals die Hirn- ventrikel zu füllen, dagegen jedesmal mit grösster Leichtigkeit, sogar vom Subarachnoidealraume des Rückenmarkes aus, sämmt- liche Ventrikel des Gehirns mit Ausnahme des Ventriculus septi lueidi. Dass sich der letztere nicht füllte, begreift sich ohne Wei- teres aus der ganz von den übrigen Ventrikeln abweichenden Ent- wiekelung desselben. Auf diese hiermit aufs Neue nachgewiesene Communication der ächten Hirnventrikel mit dem Subarachnoideal- raume möchte ich um so mehr Gewicht legen, als noch in neuester Zeit unter Anderen Kölliker, Entwickelungsgeschichte, II. Theil 2. Aufl., Zweifel darüber geäussert hat. Stets vollzog sich der Ueber- sang der Injektionsmasse von den Subarachnoidealräumen zu den Hirnventrikeln durch das Foramen Magendii und durch beide Aperturae laterales, conform der Angabe von Axel Key und Retzius, so dass ich entschieden für den normalen Bestand dieser viel bestrittenen Oeffnungen eintreten muss. Wir fanden diese Communication schon bei 6—7 monatlichen Früchten. Der Subduralraum eommunieirt aber noch auf einem anderen Wege mit den Blutgefässen der Dura mater, als durch die Zotten und die Sinus, und muss ich in dieser Beziehung die Angaben der schwedischen Autoren berichtigen und ergänzen. Wir fanden näm- lich stets nach Injeetion des Subduralraumes, dass die Masse, namentlich in der Nähe des Sinus longitudinalis superior, fest an der Innenfläche der Dura adhärirte. Diese Partien der Dura zeigen bekanntlich stets das von Axel Key und Retzius als „eribirt“ beschriebene Aussehen. Macht man senkrechte Durchschnitte durch solche Stellen, so sieht man, wie von Strecke zu Strecke die In- jeetionsmasse durch kleine schmale Wege in die Substanz der Dura mater eingedrungen ist. In der Dura findet man sie dann einmal in kleinen sternförmigen Lücken, dann in grösseren spalt- förmigen Räumen, dann überall in den Venen. Man kann diesen regelmässigen Befund kaum anders deuten, als dass die Injections- 366 Waldeyer: masse durch die innere Endothelbekleidung der Dura hindurch in deren Saftlückensystem eindringt, welches seinerseits mit dem ve- nösen Apparate der Membran communieirt. Es stimmen somit diese Erfahrungen mit den älteren von R. Böhm (Virchow’s Arch. 47 Bd.) überein und würden wir zwei Communicationsbahnen zwischen Subduralraum und den Sinus der Dura anzunehmen haben, die eine durch die Arachnoidealzotten, die zweite durch das Saftkanalsystem und die kleineren Venen der Dura. Schliesslich sei noch bemerkt, dass es uns auch gelungen ist, die Lymphgefässe der menschlichen Nasenschleimhaut von den grossen Iymphatischen Räumen der Hirnhäute aus vollständig zu füllen, was Axel Key und Retzius nicht beobachtet haben; ihnen war bislang diese Injection nur bei Thieren geglückt. Während diese Erfahrungen die schönen Resultate der Stock- holmer Autoren vollauf bestätigen und in einigen Punkten ergänzen, habe ich noch von anderen Injeetionsversuchen zu berichten, welche zu erweisen scheinen, dass auch der Epiduralraum des Rücken- markes, d. h. der Raum, welcher zwischen Dura mater spinalis und Wirbeleanalwand liegt, als ein Iymphatischer angesprochen werden kann. Wir vollzogen die Injectionen (!/, pCt. Silberlösung) mittelst einer Schraubencanüle, d. h. einer Stahleanüle in Gestalt einer hohlen Schraube, welche einfach durch einen Wirbelknochen neben dem Proe. spinosus hindurchgebohrt wurde; das Lumen war während der Bohrung durch einen Stift geschlossen. Nach voll- führter Bohrung wurde letzterer entfernt und der Gummischlauch des Injectionsgefässes aufgezogen. Es zeigte sich bei der Injeetion stets ein ungemein leichtes Vordringen der Flüssigkeit in die serösen Körperhöhlen, d. h. Pleura- und Peritonealhöhle, ferner längs der austretenden spinalen Nervenstämme; dagegen dringt die Masse niemals bis in die Schädel- höhle vor, was sich ja auch aus dem anatomischen Verhalten der Dura mater eerebralis und spinalis ohne weiteres erklärt. Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 367 Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. Nach Untersuchungen von Dr. V. Izquierdo mitgetheilt von Professor Waldeyer. Seit der Monographie W. Krause’s über die terminalen Kör- perchen der einfach sensiblen Nerven und der Darstellung dessel- ben Autors in seinem Lehrbuche der „allgemeinen Anatomie“ ist eine zusammenhängende und umfassende Bearbeitung aller Endi- gungsweisen sensibler Nerven nicht mehr versucht worden; dagegen hat sich die Zahl der Detailbeobachtungen fast ins Unabsehbare aufgehäuft; die Referate über das in der Anatomie des Nerven- systems Geleistete nehmen Jahr für Jahr den breitesten Platz in den Jahresberichten ein und unter den hier einschlägigen Unter- suchungen finden sich stets die über Nervenendigungen in ansehn- licher Zahl. | Im verflossenen Jahre veranlasste ich einen meiner fähigsten Laboranten, Herrn Dr. V. Izquierdo aus Santiajo (Chile), sich in dieses Capitel hineinzuarbeiten, um, womöglich, über einen oder den anderen Punet der noch zahlreich hier bestehenden Differenzen Entscheid und Aufklärung zu erzielen. Dr. Izquierdo hat seine Untersuchungen ausgedehnt auf die Endigung der Nerven in der Hornhaut, in den Grandry’schen Körperchen, in den sog. End- kolben der Genitalien und in den Paeinischen Körperchen. Diese Auswahl geschah unter Berücksichtigung der Thatsache, dass wir bei den sensiblen Nervenendigungen es vornehmlich mit zwei ver- schiedenen Endigungsformen zu thun haben. So weit wir bis jetzt wissen, endigen nämlich die Nerven entweder einfach in oder zwischen den sonstigen Gewebselementen, oder sie enden mittelst 368 Waldeyer: besonderer Vorrichtungen, die wir nach W. Krause’s Vor- gang als „Terminalkörperchen“ bezeichnen. Wir werden später sehen, dass diese Eintheilung zweckmässiger durch eine den phy- siologischen und auch morphologischen Prineipien mehr entspre- chende zu ersetzen ist. Die Hornhaut wurde als der günstigste Boden für die erstere einfache Form der Endigung gewählt; für die zweite Form schien es erforderlich, um zu Vergleichungen gelangen zu können, mehrere Arten der bis jetzt beschriebenen Terminalkörperchen der Unter- suchung zu unterwerfen. Um bei der grossen Zahl der vorhandenen Detailangaben die leitenden Gesichtspuncte nicht zu verlieren und das allgemein anatomisch Wichtige festzuhalten, möchte ich zuvörderst, ehe ich die Resultate Izquierdo’s mittheile, die vorhandenen Angaben über sensible Nervenendigungen kurz zusammenstellen und die sich ergebenden generellen Resultate hervorheben. Nachdem früher fast nur die in der Haut sich verbreitenden Nerven als sensible angesehen wurden und bekannt waren, hat die neuere Zeit, insbesondere seit uns durch Max Schultze in der Ueberosmiumsäure und durch Cohnheim im Goldehlorid zwei souveräne Nervenreagentien dargeboten wurden, begonnen, Nerven die man vor der Hand wohl nur als sensible deuten kann, fast in allen Organen und Geweben des Körpers aufzudecken. Leider ist es uns bis jetzt unmöglich in allen Fällen anatomisch die Dia- gnose zu stellen, ob eine aufgefundene Nervenverzweigung bezw. Endigung eine sensible sei oder nicht. Steht doch selbst der Be- griff eines „sensiblen“ Nerven überhaupt nicht fest. Wir werden uns hier nach dem Herkommen richten und unter „sensiblen“ Ner- ven alle diejenigen verstehen, deren Leistung in der Uebermitte- lung und Fortleitung von peripheren Zuständen oder Eindrücken besteht, welche nicht zu einer der sogenannten höheren Sinnes- empfindungsweisen: der Gesichts-, Gehörs-, Geruchs- und Ge- schmacksempfindung, führen. Positiv gefasst, fallen nach dieser Ausschliessung das ganze Heer der sog. Allgemeingefühle nebst den Tast- und Temperatur-Empfindungen den sensiblen Nerven anheim. Wir müssen alle diejenigen Nerven hierher rechnen, welche unserm Centralorgan Nachricht von den Zuständen der Spannung, Dehnung etc. der mechanischen Apparate sowie des Gefässsystems unseres Körpers geben, welche ferner die centripe- Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 369 tale Verbindung zwischen den drüsigen Apparaten und dem cen- tralen Nervensystem herstellen und in den grossen Reflexapparat des Organismus als ein Hauptfactor eingreifen. Wie man sieht, ein grosser Bereich, für den es erst noch gilt die genaueren ana- tomischen und physiologischen Grenzen und Abtheilungen zu schaffen. Nennen wir die Summe aller in Diensten dieser verschiedenen Funetionen stehenden Nerven und Nervenenden „sensibele“, so sind ihnen physiologisch offenbar die „sensorischen“ Nerven und Endigungen am nächsten verwandt: wir verstehen unter den letzteren bekanntlich die Nerven der vier höheren eben genannten Sinnesorgane, von denen drei sich scharf abgrenzen lassen, wäh- rend das sensorische und sensible Gebiet des Glossopharyn- geus nicht bestimmt auseinander zu halten ist. Mit Sicherheit sind auch anatomisch die motorischen Nerven- endigungen in den quergestreiften Muskeln von den sensiblen ab- zutrennen, seit man in neuerer Zeit besondere Nerven in den Mus- keln und Sehnen kennen gelernt hat, welche kaum einer andern als einer centripetalen Leitung dienen können. Nicht so günstig steht es um die glatte Muskulatur, denn wir sind hier noch ausser Stande anatomisch die sensiblen von den motorischen Nervenenden zu scheiden. Ganz unsicher ist ferner noch die anatomische Bestimmung der Grenze der vierten Nervenabtheilung, der secretorischen und der vielumstrittenen fünften, der trophischen, gegen die sensibelen. Wenn wir einen Nerven in gewissen Gewebszellen oder in Drüsenzellen oder zwischen solchen sein Ende finden sehen, so ist es uns nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse unmög- lich zu sagen, ob wir es mit einem secretorischen, trophischen oder sensibelen Nerven zu thun haben. Um also nicht in Will- kürlichkeiten zu verfallen, müssen wir hier die anatomischen Grenzen noch weiter ziehen, als die physiologischen und zu dem hier zu besprechenden Gebiete noch alle diejenigen Nervenendi- gungen hinzuzählen, welche möglicherweise auch als trophische oder secretorische aufzufassen wären. In diesem grossen Gebiete sind nun bislang von den ver- schiedenen Autoren nachstehende Nervenendigungsweisen thatsäch- lich beschrieben worden: 1) Freies Auslaufen der Nervenfäden in eine Spitze, oder Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 24 370 Waldeyer: einfaches Auslaufen in ein Ende, wie das Ende eines abgeschnit- tenen Fadens. Dabei kann dieses Ende entweder frei über das Niveau einer Körperfläche hinausragen, oder innerhalb der Gewebegrundsubstanz oder Kittsubstanz liegen, zwischen den zelligen oder fasrigen Bestandtheilen ohne mit einem dieser in Verbindung zu treten: Einfache freie Endigung. Als Beispiele freier Enden markloser Nerven ohne Endknöpfchen seien hier nur erwähnt die von Morano (Arch. f. Ophth. von v. Graefe 17. Bd. Abth. I, 1872) beschriebenen Endigungen der Conjunctival-Nerven, und die Endigungen der Nerven in den Sehnen, wie sie neuerdings von te Gempt (Ein Beitrag zur Lehre von den Nervenendigungen im Bindegewebe, Dissert. inaug., Kiel, 1877) geschildert worden sind. Freie Enden markhaltiger Nervenfasern will Engel in der Con- junctiva bulbi gesehen haben (Zeitschrift d. Gesellsch. d. Aerzte in Wien 1847 Heft 5.) Offenbar sind aber auch hier noch mehrere Modifieationen zu unterscheiden und mehrere Punkte bei der Constatirung solcher Nervenendigungen zu beachten. Zunächst kommt es darauf an, ob bei dieser Endigung der Nerv noch irgend eine Hülle besitzt, oder ob er als blanker, nackter Axeneylinder endigt, höchstens von der sog. Axencylinderscheide umgeben. Fernerhin ist als ein zu prüfender Umstand vielleicht nieht ohne Werth, ob das freie Ende einen ganzen Axencylinder repräsentirt, wie er als Axen- eylinder in einer hinteren Nervenwurzelfaser oder einer äquiva- lenten Hirnnervenfaser enthalten war, oder nur das Theilstück eines solchen, eine sogenannte „Axenfibrille“. Die Frage ist zu be- antworten, ob überhaupt freie Endigungen ganzer sensibeler Axen- cylinder vorkommen ? 2) Freies Auslaufen in ein Endknöpfehen (bouton ter- minal): Knopfförmige freie Endigung. Hierbei kommen dieselben Modificationen in Betracht wie für Nro.1. ; Beispiele für diese Form der Nervenendigung sind in der Literatur reichlich verzeichnet. Hier sei nur an die bahnbrechenden Arbeiten von Hoyer und Cohnheim, s. Centralbl. f. d. medic. Wissensch. 1866, und Virchow’s Arch. 38. Bd. 1867, erinnert, wo zum ersten Male diese Art der Nervenendigung im Epithel, und zwar im Epithel der Hornhaut, nachgewiesen wurde; die Enden sollten nach Cohnheim über das Niveau der Hornhaut hervorragen. Kölliker, Sitzgsber. der med. Ges. zu Würzburg, 30. Juni 1866, Hoyer, dieses Arch 9. Bd. p. 220, W. Krause, allgemeine Anatomie 1876, u. A. bestätigten im Wesentlichen diese Angaben für die Hornhaut, v. Mojsisovics für die Haut- Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 371 der Säugethiere, s. Wiener akad. Sitzungsber. 71. Bd. 1875. — Erwähnt sei hier noch, dass nach Bonnet, Morphol. Jahrb. IV. p. 329, in den Haarbäl- gen, welche mit Schwellkörpern versehen sind, die Nerven mit blasigen End- knöpfen endigen, während sie bei den übrigen, schwellkörperlosen Haaren an der Glashaut einfach frei auslaufen. 3) Endschlingen (Ansae terminales).. Was darunter zu verstehen sei, ist allbekannt, so dass von einer genaueren Defini- tion Umgang genommen werden kann. Die Existenz von Endschlingen ist eine reine Hypothese, die durch kein anatomisches oder physiologisches Faktum gut gestützt ist, wenngleich wir uns nicht verhehlen wollen, dass durch die Annahme der folgenden Categorie, der „terminalen Netze“, die Endschlingen in einer modifieirten Form wieder hergestellt werden. 4) Terminale Netze (Retia terminalia). Ich halte es nicht für überflüssig zu bemerken, dass man streng zwischen Netz und Plexus unterscheiden muss, und schliesse ich mich der De- finition Hoyers an, wie sie derselbe bei Gelegenheit seiner Un- tersuchungen über die Endigung der Cornealnerven |. e. gegeben hat. Wir würden unter einem Plexus nur eine Durchflechtung verschiedener Nervenfasern verstehen, ohne dass dieselben mit einander in eine anastomotische Verbindung treten, während bei der Netzbildung das Letztere der Fall ist. Demnach ist ein im strengen Wortsinne terminaler Plexus undenkbar, wohl aber ein derartiges Netz. Auch hierbei wäre wieder zu unterscheiden, ob die Elemente des Endnetzes nackten Axenfibrillen oder Axencylin- dern entsprechen, oder ob sie noch irgend eine Hülle besitzen. Für die Existenz wirklich terminaler Netze treten ebenfalls zahlreiche Autoren ein. So J. Arnold (Die Bindehaut der Hornhaut und der Greisen- bogen, Heidelberg 1860) in der Conjunctiva, Waldeyer (Graefe-Saemisch Handbuch der gesammten Augenheilk.) und E. Klein, (Quarterl. Journ. of mikr. Sc. Octob. 1871. p. 405) im Epithel der Cornea, neuerdings Jant- schitz (Verhandl. der Russischen Naturforscher-Vers. für 1876 in Warschau) an verschiedenen Stellen der äusseren Haut, de Gempt, ]. c. im Peritoneum, Arnstein, (Sitzungsber. d. Wiener Akademie 1876. III. Abth. Octoberheft) für die äussere Haut der Mäuse u. A. 5) Endigung in oder mit einer Zelle Bei dieser Form der Endigung, welche in einen gewissen Gegensatz mit den vorher aufgezählten Endigungsweisen tritt, lassen sich offenbar wieder mehrere Unterabtheilungen auseinanderhalten. Die Endi- gung kann zunächst stattfinden in einer Zelle, d. h., das Nerven- 372 Waldeyer: ende liegt im Innern einer Zelle, ohne aber mit der Zellsubstanz selbst zu verschmelzen. Die Zelle erscheint in einem solchen Falle mehr als eine Art Gehäuse für das im Inneren derselben deutlich als solches erkennbare Nervenende. So beschreibt es z. B. Letze- rich (Virehow’s Arch. 42. Bd. 1868) von den Nervenenden in den Samenkanälchen. Dann aber kann der Nerv mit einer Zelle en- digen, d. h. mit der Zelle verschmelzen, derart, dass seine Sub- stanz in die Zellsubstanz eontinuirlich und ohne Grenze übergeht. In diesem Falle würde man die Zellen als terminale Ganglien- zellen bezeichnen können. Diese Form der Nervenendigung ist in neuerer Zeit ganz besonders häufig beschrieben worden. Wenn wir von den Angaben Ditlevsens, s. u., Merkels, s. u. Langerhans’, s. u. und Virchows Arch. 44 Bd. ab- sehen, so ist besonders Kühne, (Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität, Leipzig 1864) zu nennen, welcher die Nerven der Horn- haut in den Hornhautzellen in dieser Weise enden lässt. Auch Jantschitz, l. ce. behauptet dasselbe für die Nerven der Oberhaut. Weiterhin können nun beide Endigungsweisen, wie sie eben für das Zellprotoplasma angenommen wurden, auch für den Kern und für das Kernkörperchen gelten, wenn man auch für letzteres wohl nur von einer Endigung mit dem Nucleolus wird sprechen können. Zahlreiche Angaben liegen grade über die En- digungsweise sensibler Nerven im Kernkörperchen vor. So unter Anderen von Hensen in den Kernkörperchen der Epithel- zellen des Froschlarvenschwanzes (dies. Arch. IV. 1868 p. 111), von Lip- mann für die Hornhautzellen und die Endothelzellen der membrana Desce- metii (Virchow’s Archiv 48 Bd. p. 218). Endigung im Kern (und auch im Kernkörperchen) von Hornhautzellen beschreibt Lavdowsky (dies. Archiv VII. p. 538). Endlieh müssen wir noch nach dem Character der Zellen hier Unterabtheilungen machen: es können nämlich die Nerven sowohl in epithelialen und Drüsenzellen, als in bindegewebigen und in Muskelzellen endigen, und wir dürfen gewiss auch eine ganze Klasse der hierhergehörigen Endzellen, wie vorhin schon bemerkt, als terminale Ganglienzellen bezeichnen. Als Beispiele der Endigung in Drüsenzellen möge an die bekannten Angaben Pflüger’s, s. Artikel „Speicheldrüsen“ in Stricker’s Handbuch der Gewebelehre, erinnert werden. Möge es nicht befremden, hier bei der Besprechung sensibe- ler Nervenenden, Endigungen in Muskelzellen aufgezählt zu finden, denn es ist sehr wohl möglich, dass ein Nerv, der sich mit einer “ Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 373 Muskelzelle verbindet, kein motorischer, sondern ein sensibeler, centripetal leitender sei. Namentlich dürfte, wie bemerkt, bei den glatten Muskelfasern der Entscheid bier schwierig sein. Ich will nicht verfehlen noch auf eine andere Schwierigkeit aufmerksam zu machen, die uns bei der sub Nr.5 rubrieirten Endigungsform entgegentritt. Wir besitzen nämlich, wie vorhin bereits angedeutet, kein anatomisches Kriterium, um aussagen zu können, wenn wir einen Nerven cellulär endigen sehen, dieser Nerv sei ein sensibler, oder, um den Begriff weiter zu fassen, er leite centripetal. Er kann, da wir ja den Zellen Motilität als allgemeine Eigenschaft zusprechen, auch centrifugal leiten, und, wenn wir von trophischen oder secretorischen Nerven sprechen, die jedenfalls hier in Frage kommen, so liegt für diese eine cen- trifugale Leitung ebenfalls vor. 6) Endigung in besonderen Apparaten. Seit Vater in Wittenberg und später Paeini, die gewöhnlich nach dem Letz- teren benannten Körperchen entdeckt haben, ist die Aufmerksam- keit der Anatomen besonders auf bestimmte nervöse Endorgane gerichtet worden. Als solche müssen ausser den Paeini’schen Körperehen, die Meissner'schen Tastkörperchen, die Krause’schen Endkolben, die Genitalnervenkörperchen, Gelenknervenkörperchen und Endkapseln desselben Autors, sowie die Grandry’schen und Inzani’'schen Körperchen, end- lich die Sachs’schen, Rollett’schen und Golgi’schen Sehnenkör- perehen genannt werden. Dass diese Schar von Nervenendkörper- chen dem Gebiete der sensiblen Nervenendigungen zugerechnet wer- den müsse, darüber kann wohl kein Zweifel bestehen Die anato- mische Untersuchung der in Rede stehenden Endorgane lässt übrigens eine vereinfachte Eintheilung derselben zu und zwar in zwei Typen, wenn wir von den noch unsicheren Inzani’schen Körperchen ab- sehen. — Der eine Typus ist repräsentirt durch die Paeini’schen Körperchen. Es gehören hierher noch die sogenannten eylindri- schen Endkolben der Conjunetiva des Rindes, Schafes, Schweines, Pferdes u. s. w. und die „Endkapseln‘, „Herbst’schen Kösperchen“ und „Tastkolben* W. Krause’s, deren Bau in allem Wesent- lichen dem der Paeini’schen Körperchen gleichkommt. Dem zwei- ten Typus folgen die Grandry’schen Körperchen als einfachste Form und die Meissner’schen Tastkörperchen, vielleicht gehören auch die Endkolben der Conjunetiva des Menschen und der 374 Waldeyer: Affen, der Lippen, Zunge u. s.w., und die von W. Krause mit _ einem besonderen Namen ausgezeichneten Gelenk- und Geni- talnervenkörperchen hierher. Indessen ist, wie wir weiter unten sehen werden, ein sicherer Entscheid darüber heute noch nicht möglich. Was die Inzani'schen Körperchen anlangt, so ist deren Existenz bislang noch eine zweifelhafte, so dass es ge- stattet sein mag, dieselben hier vorläufig unberücksichtigt zu lassen. Anders steht es mit den Sehnenendkörperchen, wie sie in neuester Zeit von Sachs, Rollett und Golgi beschrieben worden sind. Dieselben gehören unzweifelhaft zu den durch die Paeini'- schen Körperchen repräsentirten Terminal-Apparaten, in denen die Nerven frei auslaufen. Der erste Typus, der der Paeini’schen Körperchen, den wir wohl am einfachsten in den von W. Krause sogenannten eylindrischen Endkolben mancher Säugethiere repräsentirt finden, hat als charkteristische anatomische Eigenthümlichkeit die Endi- gung einer Nervenfaser innerhalb einer länglich-cylindrisch ge- formten granulirten Masse (Innenkolben) frei auslaufend oder mit einer im Allgemeinen knopfförmig gestalteten An- schwellung. Der Innenkolben ist dann noch von diversen Hüllen in mehr oder weniger complicirter Weise umgeben und letztere Varietäten bedingen die verschiedenen Formen dieser Terminal- körperchen, die man geglaubt hat unterscheiden zu müssen. Der zweite Typus, den wir am klarsten und einfachsten durch die Grandry’schen Körperchen vertreten finden, kennzeich- net sich dadurch, dass der Nerv, gewöhnlich in mehrere Endäste getheilt, in dem Endkörperchen sich verbreitet; letzteres selbst besteht aus einer grösseren oder geringeren Anzahl von Zellen, die meist noch mit einer Hülle umgeben sind. Das Wesentliche ist nun, dass die Endäste der Nerven zwischen oder, wie Einige (Merkel für die Grandry’schen Körperchen, Waldeyer für die Endkolben der Conjunctiva) behaupten, in den genannten Zellen ihr Ende finden. Wo wir eine genauere Kenntniss dieses Endes haben, stellt es sich dar als eine platte Scheibe — Tast- scheibe —, in welcher ein Nerven-Endast übergeht und welche zwischen je zwei Zellen des Körperchens gelegen ist. Wenn wir annehmen, wozu ich mich wenigstens hinneige, dass die Tast- scheibe einer modifieirten Zelle entspricht, so würden wir in letz- Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 375 ter Instanz in diesen Gebilden des zweiten Typus eine Endigung in Zellen wiederfinden. Merkel glaubt, die celluläre Endigung der Nerven hier in der Weise annehmen zu sollen, dass die Tast- scheibe mit einer der benachbarten Zellen verschmelze. Wir kommen später noch auf diese Frage zurück. Kurz sei hier erwähnt, dass die von Inzani (Recherches sur la termi- naison des nerfs dans les muqueuses des sinus frontaux et maxillaires, traduit par L. Jullien. Lyon medical, 1872, Nr. 10) beschriebene Weise der Nerven- endigungen in Folgendem besteht: Blasse Aus wiederholter Theilung markhal- tiger Nervenfasern hervorgegangene Fasern treten in birn- oder glockenför- mige Kapseln ein, wo sie mit einer knopfförmigen Anschwellung versehen sind. Von dieser Anschwellung gehen aber wieder feinste Nervenfibrillen aus, welche die Kapsel verlassen und sich in dem umgebenden Gewebe verbreiten, um erst dort zwischen den diversen Gewebselementen mit ganz kleinen Knöpf- chen zu endigen. Inzani, dem Jullien beistimmt, hält diese Endigungs- weise in den Schleimhäuten, in den Nieren und im Peritoneum so wie an andern Lokalitäten für eine häufig vorkommende. Eine Bestätigung von an- derer Seite haben diese Angaben bis jetzt nicht gefunden. Eigenthümlich erscheinen, nach den bis jetzt darüber vorliegenden An- gaben, auch die Sehnennervenkörperchen, oder die „Nervenschollen“ Rollett’s zu sein. Nach der Darstellung des Letzteren zerfallen in den Seh- nen markhaltige Nervenfasern büschelförmig in mehrere kurze Endzweige, welche, einfach zugespitzt, innerhalb einer kernhaltigen Substanz, der „End- scholle*, die einer motorischen Endplatte ähnlich ist, endigen. (Rollett in Wiener akad. Sitzungsber. III. Abth. Bd. 73 1876.) — Sachs, (s. Rei- cherts und Du Bois-Reymonds Arch. 1875), hatte ähnliche Bildungen ebenfalls beschrieben und fügt hinzu, dass die Sehnennerven mitunter auch in Endkolbenähnlichen Körperchen mit einer bläschenförmigen Anschwellung enden. Solche Endkolben in den Sehnen bestätigt auch neuerdings Golgi (Rendiconti del reale istit. lombardo, fasc. IX, p. 445, 1878), fügt aber noch die Schilderuig einer besonderen Endigungsweise hinzu, die in Folgendem besteht. Ungemein lange (300—800 u) aus kernhaltigem, fikrillären Binde- gewebe bestehende Körper erstrecken sich der Länge nach zwischen den Sehnenbündeln hin vom Muskelende beginnend. In diese Körper treten einige markhaltige Nervenfasern ein und verzweigen sich gegen besondere kleine Haufen körniger Substanz hin, welche an der Peripherie der grossen Körper gelegen sind; Verfasser meint, dass in diesen Haufen körniger Substanz die Nerven mit marklosen Terminalnetzen endigen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die zahlreichen bekannt gewordenen Nervenendigungsarten unter einzelne wenige Grund- formen zu vertheilen, sie womöglich von einer einzigen Urform abzuleiten. W. Krause, in seinem inhaltreichen Handbuche der allgemeinen Anatomie, sieht in den ceylindrischen Endkolben die 376 Waldeyer: Grundform für alle terminalen Körperchen, von der aus sich nach der einen Seite hin die Pacinisschen Körperchen mit ihren Ver- wandten, nach der anderen die Tastkörperchen, runden Endkol- ben u. s. w. entwickelt hätten. Mit dieser Anschauung sind die über die Tastkörperchen und Grandry’schen Körperchen seit Langerhans, Merkel, Ranvier, Hesse und Izqui erdo s. w.u. gewonnenen Erfahrungen unvereinbar, insofern die Endigungsweise der Nerven in beiderlei Endapparaten doch wesentlich differirt. In noch mehr radicaler Weise versucht Ditlevsen neuer- dings sämmtliche sensible Nerven unter einen Hut zu bringen. (Foelenervernes Endelse hos Mennesket og Hvirveldyret. Nord. med. Arkiv VIIL, p. 11. Eingehendes Referat vom Verf. selbst in Virchow-Hirsch’s Jahresbericht £. 1876. p.61.) Er hält nämlich die Existenx freier Nervenenden für unerwiesen, sieht die termi- nalen Netze als irrthümlich an, und lässt als einzige Endigungs- weise die celluläre gelten. Was die Pacini’schen Körperchen anlangt, so meint er bei denen der Vögel z. Thl. einen zelligen Bau des Innenkolbens nachgewiesen zu haben, und wirft für die der Säugethiere die Frage auf, ob dieselben überhaupt als End- körper von Gefühlsnerven zu betrachten seien. Auch findet er die Oberhautnerven vom Frosch sämmtlich in Zellen übergehen, welche dicht unter der oberen Hornschicht lagern. Langerhans (Zur Anatomie d. Amphioxus lanceolatus, dies. Arch. Bd. 12) hat sich bereits früher, wenn auch weniger bestimmt, in ähnlicher Weise ausgesprochen. Ausgehend von der durch ihn festgestellten Thatsache, dass alle Hautnerven des Amphioxus in einfachen geisselführenden Epithelzellen der Oberhaut enden (Fühl- zellen Langerhans), dass man nirgends daselbst terminale Plexus oder Netze finde, scheint er diese Endigungsweise als die Grundform bei den Wirbelthieren anzusehen, von der sich auch die sogenann- ten freien Enden ableiten liessen, die er vermuthungsweise. wie z. B. in der Cornea, als redueirte celluläre Enden auffasst p. 306. Fr. Merkel, d. Arch. Bd. 11, nimmt wieder zwei Categorien von sensiblen Nervenenden (in der Haut) an, die celluläre, wel- che er für die den Tastnerven eigenthümliche erklärt und die freie mit knopfförmigen Anschwellungen, letztere möchte er als Enden der Temperatur-Nerven ansehen. Ich glaube nicht, dass man nach unseren heutigen Kenntnis- sen im Stande ist alle sensiblen, geschweige denn alle centripe- Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 377 talleitenden Nervenenden auf eine einzige, und zwar eine celluläre Grundform zurückzubringen. Man müsste etwa sonst ins Feld führen wollen, dass sich ja die peripheren Nervenfasern aus aus- wachsenden und mit einander verschmelzenden Zellen entwickel- ten. So weit ich sehe, kommen wir mit Merkel auf einen Dua- lismus hinaus, wenn wir den zur Zeit noch gut gestützten Angaben der Forscher Reehnung tragen und dürfen sogar dabei den Begriff der sensibeln Nerven so weit fassen, wie es hier geschehen ist. Doeh möchte ich aber keineswegs dahin verstanden werden, als ob ich mit Merkel die freien Enden den Temperaturnerven, die cellulären den Tastnerven zuschriebe. Ich möchte vielmehr in dieser Beziehung der Auffassung Grün- hagens (s. dessen treffliche Darstellung in der von ihm besorgten neuesten Auflage des Funke’schen Lehrbuches der Physiologie) zustimmen, dass die cellulären Endigungen den Empfindungen des durch E.H. Weber besonders hervorgehobenen Druck- und Tem- peratursinnes dienen, welche Empfindungen sich bekanntlich stets mit der Vorstellung einer bestimmten objeetiven Erregungs- Ursache verknüpfen, während die frei endenden Nerven den so- genannten „Gemeingefühlen“ zufallen. Welche Rolle dabei die be- sondern Terminalkörper spielen, lässt sich allerdings zur Zeit nicht präeisiren. Hatten wir unter den Nervenendigungen ohne besondere Vor- richtungen solche, die wir als freie bezeichnen mussten und En- digung mit oder in Zellen, so kehren, wie wir gesehen haben, beide Endigungsformen auch bei den Terminalkörperchen wieder. Die Pacini’schen Körperchen repräsentiren den Typus der freien Endigung, die Tastkörperchen die Endigung in Zellen, wenn wir uns der von mir hier ausgesprochnen Vermuthung anschliessen, dass die Tastscheibe eine modifieirte Zelle sei. Somit könnten wir also die grosse Schaar der bisher beschriebenen sensibelen Ner- venendigungen eintheilen in freie und celluläre. Jede dieser beiden Hauptendigungsweisen wäre nun entweder eine einfache oder mit einer besonderen Vorrichtung, einem terminalen Körper- chen versehen, eine corpusculäre. Der Durchführung einer solchen einfachen Eintheilung stehen allerdings noch mehrere Umstände hindernd im Wege: das ist zunächst die Angabe vieler Forscher von der Existenz terminaler Netze, und dann die Unsicherheit, welche noch darüber besteht, 378 Waldeyer: ob wir in den disques tactiles Ranviers wirklich celluläre Enden erblicken dürfen. Ferner bleibt noch des Genaueren zu erforschen, wie sich die Nervenendigung in den Endkolben, Genitalnervenkörper- chen und Gelenknervenkörperchen verhält. Die weitere Forschung hat besonders auf diese Punkte Gewicht zu legen, wobei nicht ver- schwiegen werden soll, dass auch noch eine grosse Anzahl ande- rer nicht minder wichtiger Fragen auf diesem Gebiete ihrer Lö- sung harren. Einige dieser Fragen hat nun Dr. Izquierdo an der Hand der neueren Untersuchungsverfahren einer Entscheidung näher zu bringen gesucht und sind es haupsächlich folgende: Gibt es in der That terminale Nervennetze? Welches ist die Endigungsweise der Nerven in der einen Categorie der Terminalkörperchen, in den Tastkörperchen? welches die En- digungsweise in der zweiten Abtheilung, in den Paecini’schen Körperchen? Wie verhalten sich die Genitalnervenkörperchen zu den Pacini'schen Körperchen ? Da die terminalen Netze von den meisten Autoren, welche für ihre Existenz eingetreten sind, in der Hornhaut aufgefunden worden sind, so war es natürlich, auf die Untersuchung dieser Mem- bran zu recurriren. Izquierdo bediente sich des neuerdings von Ranvier empfohlenen Verfahrens: Einlegen der frisch abgetra- genen Hornhaut in frisch ausgepressten filtrirten Citronensaft für 5 Minuten, dann 20 Minuten in eine 1°. Goldehloridlösung (3 cem. für jede Hornhaut), dann in 30 g mit zwei Tropfen Essigsäure angesäuertes Wasser, woselbst die Cornea 3—4 Tage — bis zur vollständigen Reduction — verweilt. Man wartet zweck- mässig so lange, bis die Hormhaut tief dunkel geworden ist, um das Nachdunkeln der Schnitte zu vermeiden. Die Hornhaut kann dann in Alkohol gebracht und geschnitten werden. Die Hornhaut von Vögeln, besonders von Tauben und Kanarienvögeln, erwies sich als ein sehr geeignetes Objeet; schon v. Thanhoffer (Vir- chow’s Arch. 63 Bd.) hat die Hornhaut der Vögel für diese Un- tersuchungen besonders empfohlen. Die Nervenendigungsweise ist nın eine doppelte: entweder enden die feinsten nackten Axenfibrillen, in welche die Ner- ven schliesslich zerfallen, frei, oder im Protoplasma der Hornhautzellen. Niemals liess sich eine terminale Netzverbin- dung constatiren, weder innerhalb des Epithels noch im Hornhaut- Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 379 stroma. In letzterem kommen, wenn auch sparsam, frei auslau- fende Endigungen vor, die Mehrzahl der Stromanerven geht in- dessen in derselben Weise, wie es W. Kühne beschrieben hat, in das Protoplasma von Hornhautzellen über; dagegen war eine Endigung im Kern oder im Kernkörperchen nicht zu consta- tiren. Innerhalb des Epithels gibt es nur freie Nervenenden, ent- weder einfach auslanfend, oder mit einer kleinen Anschwellung versehen; es liess sich weder ein Netz noch ein Uebergang in Zellen constatiren. Da ich noch vor wenigen Jahren die Existenz eines intraepithe- lialen Netzes vertreten, dagegen eine celluläre Endigung im Horn- hautstroma geleugnet habe {l. c. Handb. der ges. Augenheilkunde v. Graefe und Saemisch), so musste es für mich besonders daran liegen, mich von der Richtigkeit der Ansichten Izquier- do’s zu überzeugen. Ich kann nicht umhin, dieselben anzuerken- nen. Nicht nur habe ich mich von der Verbindung der Nerven- fäden mit dem Protoplasma der Hornhautzellen überzeugt, son- dern ich glaube auch die Meinung von der Existenz terminaler Netze aufgeben zu müssen, da ich an den tadellosen Präparaten Izquierdo’s Nichts dergleichen zu erkennen vermochte. Der Grund, weshalb ich mich früher für solche Netze aussprach, ist vielleicht darin zu suchen, dass ich vor Allem menschliche Horn- häute untersuchte, in denen, wie es scheint, sich leicht die Kitt- substanz zwischen den Epithelzellen bei der Goldbehandlung färbt, und dadurch der Anschein von Anastomosen erzeugt wird. Bezüglich der Nervenenden in den Tastkörperchen wand- ten wir uns zu den einfachen Formen derselben, als welche nach Merkels schönen Untersuchungen die Grandry’schen Körper- chen gelten müssen; was für diese gilt, dürfen wir auf Grund der neueren Angaben Langerhans’ (dies. Arch. IX) und Ranviers (Compt. rend. 1877. F. 85) auch unbedenklich auf die menschlichen Tastkörperchen übertragen. Untersucht wurden besonders die Tastkugeln (Hesse, Arch. v. His-Braune 1878) der Entenzunge mit Y/s pr. Osmiumlösungen nach 24stündiger Einwirkung, später kamen die Präparate in 96°/, Alkohol, aus welchem sie geschnit- ten wurden. Auch !/, pr. Goldehloridlösung, in welcher die Stücke !/; Stunde verweilten, wurde verwendet. Izquierdo bestätigt nun den von Merkel (d. Arch. 1878) und Hesse |. c. gefundenen 380 Waldeyer: „Plattenring“ als Theil der Kapsel und die zuerst von Ranvier als wirkliche Endigung hervorgehobene Nervenendigung in der Tast- scheibe. Es sei mir gestattet hier zu bemerken, dass Izquierdo diese Endigung in der Tastscheibe völlig unabhängig von Ran- vier aufgefunden hat, da uns des Letzteren Mittheilung in den Compt. rend. 26. Nov. 1877 erst später zu Händen kam. VUebri- gens haben fast alle Autoren, welche vorher über die Grandry’- schen Körperchen berichteten, diese Tastscheibe abgebildet, wenn sie dieselbe auch nicht für die Nervenendigung erklärten. Izquierdo schildert nun die Tastscheiben als bestehend aus einer homogenen dunkleren Aussenschicht und einer inneren heller erscheinenden protoplasmatischen Masse; mitunter treten sie deutlich in bläschenförmiger Gestalt auf. Die Schwann’sche Scheide soll nun in die Aussenschicht, der Axencylinder in die protoplas- matische Binnenmasse der Tastscheibe übergehen, eine continuir- liche Verbindung der Tastscheibe mit den übrigen Zellen (Deck- zellen) des kleinen Apparates, wie Merkel |. ce. ihn constatirt haben will, konnte nicht nachgewiesen werden, Izquierdo hat weiterhin auch die Entwiekelung der Gran- dry’sehen Körperehen untersucht und gefunden, dass dieselben als kleine Epithelzellenhäufehen entstehen, welche sich von der un- tersten Schicht des Rete malpighii in die betreffenden Papillen- spitzen einsenken und später sich abschnüren; doch gelang es ihm nicht genauer den Zeitpunkt festzustellen, wann der Nerv mit den Körperchen in Verbindung tritt, wie das geschieht, und ob die Tastscheibe sich auch aus einer Zelle entwickelt. Nach meiner Einsicht der Präparate Izquierdo’s möchte ich einen cellulären Ursprung der Tastscheiben annehmen und sie für mo- difieirte Nervenendzellen erklären, womit auch ihr vorhin geschil- derter feinen Bau übereinstimmt. Die Pacini’schen Körperchen wurden besonders mit Rück- sicht auf die Frage untersucht, ob innerhalb derselben der Nerv als solcher frei endet, sei es in eine Spitze auslaufend, oder in ein Endknöpfehen, oder ob das Ende des Nerven etwa noch inner- halb des Körperchens mit terminalen Zellen in Verbin- dung tritt. Die Pacinischen Körperchen der Katze, welche vorzugsweise un- tersuchte, wurden, liessen nun ausnahmlos erkennen, dass der Nerv an seinem Ende nicht mit der Substanz des Innenkolbens oder der Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. 381 Kapsel in Verbindung tritt, sondern meist in eine verschieden ge- staltete Verdiekung ausgeht, die wie eine Anschwellung des fibrillär gebauten Axencylinders selbst erscheint. Die mannichfachen Formen dieser „Endknöpfchen‘‘ oder „Endknospen“ sind von Axel Key und Retzius treffend beschrieben worden. (Studien iv der Ana- tomie des Nervensystems und des Bindegewebes II. Stockholm. 1876.) In selteneren Fällen läuft der Axenfaden auch einfach in eine Spitze aus, was Axel Key und Retzius nicht gesehen haben wollen. Ich kann nach zahlreichen eigenen Untersuchungen die Angaben Izquierdo’'s bestätigen. Endlich wurden auch die Terminalkörperchen der Clitoris des Kaninchens untersucht, in denen stets ein einfaches Auslaufen des Nerven in eine Endspitze beobachtet wurde. Izquierdo bezeichnet sie als Endkolben; ihre Gestalt ist, wie bekannt, eine sehr wech- selnde, zwischen einer rundlichen und eylindrischen Form. Alle bestehen aus einer Kapsel, einem Innenkolben und dem in diesen eintretenden Nerven. Bemerkenswerth erscheint das Verhalten des Innenkolben, der zwar in der Mehrzahl der Fälle aus einer fein- granulirten Masse besteht, in andern aber Kerne enthält und in wieder andern sich aus deutlich getrennten Zellen zusammenge- setzt erweist. Man kann demnach Izquierdo wohl zustimmen, wenn er meint, dass die Innenkolben aus Zellen sich entwickeln, deren Protoplasma unter Schwund der Kerne verschmilzt. Was aber das Wesentliche ist, mochte die Structur des Innenkolbens eine noch deutlich zellige sein, oder nicht, stets war die Endigung des Nerven eine freie, niemals konnte man ihn mit Gebilden, wie etwa die Tastscheiben sie darstellen, oder gar mit Zellen ver- schmolzen sehen. Es müssen demnach diese Körperchen den Pa- einischen an die Seite gestellt werden. Für mich lag es nahe, auch bei den Endkolben der Conjunc- tiva, für welche ich (dieses Arch. Bd. 11) eine zellige Structur des Innenkolbens und eine Verbindung des Nerven mit den Zellen be- hauptet habe, nach diesen neuen Erfahrungen wiederum nachzu- sehen. Leider war das Material, welches mir neuerdings zu Gebote stand, nicht hinreichend frisch, um zu einem Entscheid zu ge- langen. Wird auch die zellige Struetur der Biunenmasse der con- Junetivalen Endkolben durch den gleichen Bau der Tastkörperchen und die Befunde Izquierdo’s am Innenkolben der Genitalkörper- chen gut gestützt, so fragt es sich dennoch, nachdem bei den 382 Waldeyer: Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. ersteren die Tastscheiben, bei den letzteren durchweg freie Endi- gungen gefunden wurden, ob die von mir angenommene celluläre Nervenendigung die richtige ist. Wie bemerkt, konnte ich bei wenig günstigem Material für diesmal die Sache nicht zum Aus- trag bringen. Berichtigung. Von Dr. J. Disse. Ein Passus auf Seite 17 der jüngst erschienenen Arbeit Lie- berkühn’s „Ueber die Keimblätter der Säugethiere‘ (Marburg 1879) nöthigt mich zu folgender Entgegnung: In meiner letzten Arbeit: „Ueber die Entstehung des Blutes und der ersten Gefässe im Hühnerei“ (d. Archiv Bd. XVI p. 545) sind zur Stütze meiner Behauptung, dass der Primitivstreif eine Verdiekung der unteren Keimschicht sei, und dass diese sich in Mesoblastem und Hypoblastem spalte, in den Figg. 1, 2, 4, auf Ta- fel XXVI Querschnitte von Embryonen aus der 9. und 24. Stunde wiedergegeben, mit genauer Bezeichnung der Region, welcher sie entnommen sind. Sowohl im Text als in der Figurenerklärung ist namentlich für Fig. 1 und 2 hervorgehoben, dass erstere einen Querschnitt dieht hinter dem Primitivstreifen, letztere einen um neun Schnitte weiter vorn geführten wiedergebe. Es zeigt Fig. 1 noch deutlicher als die derselben Gegend entnommene Fig. 4, dass das hintere Ende des Primitivstreifs nicht mit dem Epiblastem zusammenhängt, und aus Fig. 2 kann man entnehmen, dass weiter vorn, im Bereich der Primitivrinne, eine lineare Verwachsung des Epiblastem mit dem Mesoblastem zu Stande kommt. Demgegenüber äussert sich Lieberkühn, ich hätte „offenbar am Embryo vorn und hinten verwechselt.“ Meine Figur (welche, ist nicht genau bezeichnet) gehöre nicht dem Hinterende, sondern dem Vorderende des Primitivstreifs, d. h. dem Kopffortsatze des- selben an, wie eine Vergleichung meiner Abbildungen mit denen Gasser’s ohne weiteres erkennen liesse. Zunächst muss ich erklären, dass ich die untersuchten Em- bryonen stets genau orientirt einbette, und demnach, da ich von jedem eine möglichst vollständige Schnittserie anfertige, ganz ge- 384 Berichtigung von Dr. J. Disse. nau die Region bestimmen kann, welcher ein beliebiger Schnitt angehört. Das hätte Lieberkühn schon daraus entnehmen kön- nen, dass ich in Ziffern die Entfernung zweier gezeichneter Schnitte von einander angegeben habe. , Der Umstand, dass eine meiner Figuren mit den angezoge- nen Abbildungen Gasser's (Taf. X. Fig. 2 u. 3) stimmt, beweist nicht, dass beide identischen Regionen angehören, sondern nur, dass ver- schiedene Regionen am Embryo, vorderes und hinteres Ende des Primitivstreifs, sich ähnlich verhalten. Wenn man Angaben mehrerer Beobachter vergleichen will, so muss man dieselben so reprodueiren, wie sie aufgestellt sind; gegen eine Art der Vergleichung aber, die einen wesentlichen Theil, nämlich die Ortsbestimmung, nicht nur ignorirt, sondern einfach unter der Voraussetzung eines unverzeihlichen Irrthums des Beobachters umkehrt, um die Uebereinstimmung differirender An- gaben herbeizuführen, muss ich nachdrücklich Verwahrung ein- legen. Max Weber: Ueb. d. Bau u. die Thätigk. d. sog. Leber d. Crustaceen. 385 Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. Von Dr. Max Weber, Prosector in Amsterdam. Hierzu Tafel XXXVI, XXXVII und XXXII. Unsere Kenntnisse über die fermentbereitenden Anhangsdrü- sen des Darmes der Wirbelthiere, sowohl hinsichtlich des Baues als auch der Function derselben ist innerhalb der letzten Jahre um ein Erhebliches gefördert worden und nicht gering ist die zurückgelegte Strecke auf dem Wege, der uns einem tieferen Einblick in die Vorgänge der Enzymbildung im Wirbelthielkörper zuführt. Die Arbeiten Haidenhain’s und seiner Schüler sowie Nussbaum’s, gegründet auf Untersuchungen, die durch gleich- zeitige Zuhülfenahme des physiologischen Experimentes und des morphologischen Studiums in sich selbst eine Controlle darbieten und gewährleisten, sind es, denen solches zu danken ist. Ganz besonders aber dem letztgenannten Forscher gelang es, den Ort und die Art der Bildung des verdauenden Agens in den Drüsen nachzuweisen und dazu beizutragen, die Thätigkeit nicht minder wie den anatomischen Bau eines Theiles der Darmdrüsen ‘der Wir- belthiere in erfreulicher Weise aufzuschliessen. Ganz anders steht es zur Zeit noch mit unserer Kenntniss von den Darmdrüsen der wirbellosen Thiere; hier seien zu- nächst nur die Crustaceen ins Auge gefasst. Derjenige, der vorurtheilsfreien Sinnes an die Resultate her- antritt, die im Laufe der Jahre der Fleiss der Forscher bezüglich der genannten Thiergruppe schriftlich niedergelegt hat und sich ‘nun abfragt, wie es sich mit der thatsächlichen Deutung mancher Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 25 386 Max Weber: Organe verhält, wie es mit unserer Kenntniss steht bezüglich der . biologischen Vorgänge, die sich im Arthropodenkörper abspielen, der wirdsich sagen müssen, dass das bisheran gepflogene Studium über die Gliederthiere einen im Ganzen und Grossen mehr umfas- senden als eindringenden Charakter hatte. Und hierin wird ge- wiss kein Tadel liegen, wenn man an das unendlich reiche mor- phologische Material denkt, welches unserer Einsicht näher zu bringen war. Die Kenntniss von der Form war das zunächst zu erstrebende, die sich hieran unvermeidlich anknüpfende Frage nach der Function der aufgedeckten Organe konnte aber von dem eingenommenen Standpunkte aus nur z. Th. beantwortet werden. Ein eclatantes Beispiel hierfür bietet die Mitteldarmdrüse der Cru- staceen, die kurzweg als Leber gedeutet wurde, während anderer- seits die Frage, wo die verdauungskräftigen Seerete des Darmes gebildet werden, unerörtert blieb. Dass es nun demgegenüber kein verfrühtes Streben ist, wenn man es jetzt an der Zeit erachtet auch von anderer Seite her sich solchen Fragen, wie überhaupt dem Studium des Organismus niederer Thiere zuzuwenden, dafür dürfte sprechen, dass die Aufmerksamkeit der Physiologen sich mehr und mehr auch auf die wirbellosen Thiere richtet und dass sich gewiss bald noch andere Stimmen ähnlich wie Claus vernehmen lassen wer- den, welcher sagt !): „Man sieht leicht ein, wie wenig die mor- phologischen Befunde zur richtigen Deutung der Organe ausrei- chend sind, und wie nothwendig in Zukunft chemisch-physiologi- sche Untersuchungen mit anatomisch-histologischen Arbeiten ver- bunden werden müssen, um befriedigende Vorstellungen über die Function der Organe auch auf dem Gebiete der Wirbellosen zu gewinnen“. Von welcher Bedeutung aber selbst das zur Zeit noch lückenreiche physiologische Studium der Darmdrüse eines Theiles der Crusta- ceen geworden und wie hierdurch die gäng und gäbe Ansicht über dieses Organ geändert worden ist, sei mir gestattet an der Hand der geschichtlichen Entwicklung unseres Wissens von diesem Organe in Folgendem darzuthun. Wenn wir nicht weiter zurückgehen als auf Ramdohr, so finden wir bei ihm die Mitteldarmdrüse der Isopoden als „Spei- 1) Claus: Der Organismus der Phronomiden. Arbeit aus dem zool. Institute. Wien 1879. T. I. Heft 1. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 387 chelgefäss* gedeutet. Treviranus verkannte deren drüsige Struetur so sehr, dass er in ihnen den „Fettkörper“ erkennen will. Von da ab sprechen alle Hand- und Lehrbücher der vergleichen- den Anatomie stets von einer „Leber“ und nennen dem ent- sprechend deren Secret: „Galle“, so z. B. bei Carus, Wagner, Cuvier u.s.w. In gleicher Weise deutet dann Brandt, der ge- naue Zergliederer des Flusskrebses und der ÖOniseiden, dieses Organ bei den genannten Krustern. Die Leber des Flusskrebses wurde darauf in den vierziger Jahren von verschiedener Seite her eingehender gewürdigt. Kurz hinter einander erschienen die Arbeiten Karstens, Schlemms, Meckels, Lereboullets, Frey’s und Leuckarts, in denen die Drüse nicht nur auf ihren feineren Bau hin, sondern von Kar- sten und Schlemm auch bezüglich der Eigenschaften der Galle geprüft wird. Das Resultat war, dass man es mit einer Leber zu thun habe, wenn auch mancher Befund der chemischen Unter- suchung gegen Galle sprechen mochte; man war zu sehr daran gewöhnt der Drüse nur diese Eigenschaft zutheilen zu können. In welchem Masse dies aber der Fall war, geht aufs deutlichste aus folgendem Satze in Schlemms genauer Dissertation, der also lautet, hervor: „Ratio bilis Astaci physica et chemica ab illa animalium vertebratorum adeo differt, ut nisi ex universa organi secernentis natura illud hepar esse satis constaret, facile quis animum indu- ceret, ut secretum aliud quiddam quam bilem esse erederet.“ So ging diese Deutung der Mitteldarmdrüsen auch in die Lehrbücher der heutigen Zeit über, was an und für sich nicht in Verwunderung setzen würde — da ja das Organ durch die Farbe seines Secretes dem natürlichen Bedürfniss, in einem vollkomme- nen Organismus, wie ihn die höheren Crustaceen zeigen, nach einer Leber zu suchen, nur günstig sein konnte — wofern man nur gleichzeitig irgend einen Ort im Darmkanal selbst oder dessen Appendices hätte nachweisen können, wo die Production von Ver- dauungs-Secreten vor sich gehe. So weit mir bekannt ist Claus !) unter den Morphologen wohl der erste gewesen, der einem begründeten Zweifel an der 1) Claus: Zur Kenntniss des Baues und der Entwickelung von Bran- chipus stagnalis und Apus cancriform. Ges. d. Wissenschaften zu Göttingen. Bd. XVII. 1873. 388 Max Weber: Deutung der in Frage stehenden Drüse klaren Ausdruck gab in _ seiner Schrift über Branchipus und Apus. Aus diesem Grunde möge der ganze Passus hier folgen: „Sicher werden wir auch bei den Wirbellosen in erster Linie nach Secreten zu suchen haben, welehe die Eiweissstoffe in lösliche Modifieationen überführen und auch Amylaceen in Zucker umzusetzen vermögen. Bei dem Man- gel anderweitiger Drüsen wird daher die Deutung dieser sog. Le- berschläuche als Drüsen, welche ähnlich wie die Labdrüsen, be- ziehungsweise die Bauchspeicheldrüsen der Vertebraten wirken, viel grössere Wahrscheinlichkeit haben, als die alte der Bezeich- nungsweise entsprechende Auffassung derselben als gallenberei- tender Organe. Was wir auf dem Gebiete der Wirbellosen „Le- ber“ nennen, darf, wie mir scheint, durchaus nicht physiologisch mit der Leber der Wirbelthiere verglichen werden, selbst wenn die Farbe des Secretes an Gallenseerete erinnert .... Wir soll- ten daher in dem Gebrauche der Bezeichnung „Leber“ auf dem Gebiete der Wirbellosen möglichst vorsichtig sein, so lange uns genaue chemische Untersuchungen und physiologische Versuche über die Bedeutung derselben fehlen.“ | Wie sehr aber diese Vorsicht am Platze ist haben die Unter- suchungen Hoppe-Seylers !), Frederiegq’s ?) und namentlich Krukenberg’s °) dargethan. Aus diesen Untersuchungen geht nämlich hervor, dass die sog. Leber eines Theiles der Crustaceen — Krukenberg untersuchte ver- schiedene Decapoden und Squilla — eine Verdauungsdrüse ist, deren Secret, mochte es sich bei verschiedenen Species auch verschieden verhalten, bald tryptische, bald peptische Eigenschaften haben, ja zuweilen hierbei noch saccharifieirende oder gar fettzersetzende, jedenfalls stets fermentirend auf Eiweisskörper einwirkte. Forderten diese auf physiologischem Wege gewonnenen Befunde an und für sich schon zn einer Untersuchung derselben vom mor- phologischen Gesichtspunkte aus auf, so musste man in diesem 1) Hoppe-Seyler: Pflüger’s Archiv Bd. XIV. 2) Fredericq: Sur la digestion des albuminoides chez quelques in- vertebres. Acad. roy. de Belgique T. XLVI. 1878. 3) Krukenberg: a: Vergl. physiolog. Beiträge zur Kenntniss der Ver- dauungsvorgänge. Unters. aus dem phys. Institut Heidelberg Bd. I. H. 1. b: Zur Verdauung bei den Krebsen. Ebendort. Heft 3. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Cructaceen. 389 Wunsche bestärkt werden, wenn man sich vorhielt, dass durch diese Befunde die Ansicht, die man bisher über die Natur der Leber der Crustaceen gehegt hatte und die dann auch dem ent- sprechend in alle Lehrbücher übergegangen war, nun gänzlich über den Haufen geworfen war. Es galt daher zunächst zu prüfen, ob auch andere tiefer ste- hende Crustaceenfamilien, die wegen ihrer Kleinheit aus naheliegenden Gründen zunächst den Physiologen nicht als Studien objeet gedient hatten, ebenfalls in ihrer sog. Leber eine Verdauungs- drüse besitzen; dann hauptsächlich auch in wie weit die Resultate eines erneuerten morphologischen Studiums der Drüse in Einklang gebracht werden konnten mit den modifieirten Ansichten über ihre Funetion. Ob diese aber nur die einer Verdauungsdrüse sei, das war eine Frage, die sich dem Morphologen, der diese constant pigmentirte Drüse auch nur oberflächlich beschaut, stets von Neuem entgegendrängen musste. Dies waren, neben manchen anderen, die hauptsächlichsten Punkte, die eine nach Möglichkeit eindringende Untersuchung wün- schenswerth machten. Zur Anstellung derselben war ich in der Lage Crustaceen zu verwenden, die den denkbar verschiedensten Ein- flüssen der Aussenwelt nach Lebensweise, Aufenthalt und Nah- rung ausgesetzt sind. Sowohl den streng ans Wasserleben gebun- denen Astacus fluviatilis und verschiedene Gammarus-Arten des süs- sen und des Seewassers als auch den ampbhibiotisch lebenden Tali- trus und ÖOrchestia. Unter den Isopoden die echten Landasseln und die typische Wasserassel (Asellus). Ferner drei echte Ver- treter der Fauna subterranea, nämlich zwei in unterirdischen Wäs- sern lebende: Gammarus puteanus und Asellus cavaticus, sowie den merkwürdigen blinden T'yphloniscus Steini, der wahrschein- lich unter normalen Bedingungen, von den Ameisen, bei denen er einwohnt, gefüttert wird. Es liegt in der Natur einer Drüse, wie die in Frage stehende, dass sie uns je nach ihrer Function, je nach dem Zustande der Ernährung des Thieres, je nach dem Verhalten des ganzen Organismus gegenüber den Jahreszeiten, in wechseln- dem Bilde erscheint. Da gilt es nun das Charakteristische festzu- halten und seinem Wesen nach darzustellen. Es liegt ferner in der Natur der untersuchten Thiere, dass hier das Experiment, „dieses grosse Werkzeug zur Hebung der Wahrheit“, leider nicht 390 Max Weber: in Anwendung gezogen werden kann, um einen gewünschten Zu- . stand des Organes hervorzurufen, wie dies in so segensreicher Weise das Studium der Drüsen der Wirbelthiere unterstützt. Aus gleichem Grunde erwächst der physiologischen Untersuchung der Drüse bei den niederen Crustaceen eine erhebliche Schwierigkeit practischer Natur; die Kleinheit derselben macht es schwierig die Menge der Drüsensubstanz zu erhalten, die wünschenswerth ist zur Prüfung der Eigenschaften des Organes.. Doch wenn auch dies nicht wäre, der primitive Zustand der mikrochemischen Ana- lyse bietet solchen Untersuchungen ungeahnte Hemmnisse. Hält man diese beschwerenden Umstände im Auge, so wird man die nachfolgenden Zeilen milder beurtheilen, namentlich aber dem Morphologen das Lückenhafte in der Beantwortung der phy- siologischen Fragen zu Gute halten. I. Isopoden. Die nachfolgenden Mittheilungen über das Verhalten der Mit- teldarm-Drüsen bei der Ordnung der Isopoden beschäftigen sich sowohl mit den landbewohnenden Asseln, den Onisciden, als auch mit den wasserbewohnenden, und zwar wurde als Vertreter der letzteren Asellus agquaticus und cavaticus einem einge- henderen Studium unterworfen. Die Ergebnisse, die an den Onisciden gewonnen wurden, mögen die weiteren Angaben über andere Crustaceen ein- leiten. a. Oniseiden. Hier kamen vorwiegend verschiedene Arten von Porcellio, da- neben auch Omiscas zur Untersuchung. Ausserdem hatte ich die Gelegenheit den unterirdisch lebenden Zyphloniscus Steini Schöbl. untersuchen zu können, der Anlass zu mancher interessanten Beob- achtung gab. Unterschiede bezüglich der fraglichen Drüsen mach- ten sich bei beiden erstgenannten Gattungen nicht bemerklich, was Veranlassung sein wird weiterhin nur von Porcellio zu reden. Allerdings scheint die „Leber“ von Ligidium !) manches Abwei- 1) Man vergl. Lereboullet: Me&m. sur la Ligidia Persoonii Brd. Ann. d. sc. nat. T. XX. 1843. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 391 chende von der der übrigen Landasseln zu haben, doch war ich nicht in der Lage eingehendere Untersuchungen auf diesen Punkt hin anstellen zu können. Die zwei Paare von Drüsenschläuchen, die sich bei unserer Kellerassel gleich hinter dem Kaumagen anheften und in statt- licher Länge, dem Darme eng anliegend bis nahe zum After sich erstrecken, sind zwar schon längst gekannt, aber in recht verschie- dener Weise gedeutet worden. Der früheste Beobachter derselben Ramdohr!) nennt sie Glandulae salivales (Speichelgefässe) und war damit einer richtigen Deutung weit näher als Treviranus?), der sich in seiner Ana- tomie der Oniscus über dieselben also vernehmen lässt: „Sie sind das, was ich bei anderen Insecten den Fettkörper genannt habe und was Ramdohr das Netz nennt.“ Für ihn besteht also die drüsige Natur derselben nicht mehr. Erst Brandt°) gebraucht für sie die Bezeichnung „Leber“, eine Bezeichnung, die trotzdem sie von Brandt weder morphologisch noch physiologisch in irgend einer Weise begründet wurde, von da an allgemein angenommen wurde und in die Lehrbücher überging. In Uebereinstimmung mit dem Namen ist dann auch bis auf den heutigen Tag die phy- siologische Deutung dieses Organs gewesen, ohne dass eigentlich schwerwiegende Beweise zu Gunsten dieser Auslegung ins Feld geführt werden konnten. Theils mag es das gelbe bis braune Aussehen der Drüsenschläuche gewesen sein, das dazu führte de- ren Inhalt als Galle anzusprechen, theils, und gewiss nicht zum geringsten Theil, mag es ein natürliches Bedürfniss gewesen sein ein leberartiges Organ zu suchen und demgemäss die einzige Drüse, deren man ausser den keimbereitenden ansichtig wurde, entsprechend diesem Bedürfniss aufzuiassen. Hatten nun die genannten Forscher höchstens mit Lupen- vergrösserung sich bemühen können in das Wesen der „Leber“ der Onisciden einzudringen, so machte sich Karsten‘) zuerst mit dem Mikroskope an unsere Drüse heran und verlieh der be- reits allgemein gültig gewordenen aber unbewiesenen Ansicht über 1) Ramdohr: Verdauungs-Werkzeuge der Insekten. 2) Treviranus: Vermischte Schriften anat. u. physiol. Inhalts. 1816. 3) Brandt u. Ratzeburg: Medizinische Zoologie Bd. II. pag. 75. 4) Karsten: Nova Acta Acad. Caes. Leop. 1845. T. XXI. pars I. 392 Max Weber: die Leber-Natur der Drüse eine scheinbare wissenschaftliche Stütze durch das im chemischen Theil seiner Arbeit erlangte Resultat, dass das Secret der Darmdrüse des Porcellio Gallensäuren und Gallenfarbstoffe enthalte. Der chemische Theil seiner Untersu- chungen dürfte jedoch auf gleich schwachen Füssen stehen wie der morphologische, mit welchem wir später Bekanntschaft ma- chen werden. Weiterhin finden sich einige Bemerkungen anlangend die Isopoden-,„Leber“ bei Frey und Leuckart?), die in mehr als einer Hinsicht weitgreifender sind als die von Lereboullet?) in seiner umfassenden Abhandlung über den Bau und die systemati- sche Stellung der Cloportiden niedergelegten Mittheilungen über den Bau der Leberschläuche. Wenn er diese mit den Worten ein- leitet: „La structure des utricules biliaires est tres-remarquables et facile a &tudier“, so stehen seine gewonnenen Resultate hier- mit nicht im Einklang. Die Mitteldarmdrüse der Land-Asseln, deren Lage in der Leibeshöhle bereits oben angedeutet wurde, setzt sich aus vier Blindschläuchen zusammen, rechts und links je ein Paar, das ge- meinsam in den Darm ausmündet. Jeder Schlauch läuft an seinem blinden Ende spitz aus und zeigt einen Farbenton, der zwischen hell- gelb bis dunkelbraun oder olivengrün sich bewegt, eine Verschie- denheit, die mit der Menge des angesammelten Seeretes in Ver- band steht und ihrerseits wieder abhängt theils vom jeweiligen Futterzustand (Füllung des Darmes) des Thieres im Zeitpunkte der Untersuchung, theils aue von der Jahreszeit. Der durch die Jahreszeiten bedingte Unterschied hat mir weniger auffallend als bei Asellus aquaticus geschienen, wobei ich allerdings bemerken muss, dass ich meine Thiere grösstentheils von derartig beschaf- fenen Localitäten bezog, dass denselben zur Sommer- und Winter- zeit eine nahezu constante Temperatur eigen war. Jedenfalls sank die Temperatur während des Winters an diesen Orten (Keller) niemals so tief, dass die Lebensfunetionen in einen winterschlaf- 1) Frey u. Leuckart: Lehrbuch der Anatomie d. wirbellosen Thiere. 1847. p. 222 £. 2) Lereboullet: Mem. s. les Crustaces de la famille des Cloportides in Mem. de la soc. du Museum d’histoire naturelle de Strassbourg. 1853. T. IV, 2. et 3. livraison p. 96. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 393 artigen Zustand versetzt und die Drüsenseeretion zum Stillstand gebracht worden wäre. Wenn sich demnach ein Unterschied zwi- schen den Drüsenschläuchen der Asseln, die aus ihrem Winter- quartier hervorgeholt waren und derer, die in geeigneter Weise bei Zimmertemperatur gehalten wurden, bemerkbar machte, so wird diese Thatsache Veranlassung geben, ihrer nach Kenntnissnahme der seeretorischen Zellen noch näher zu gedenken. Die Drüsenfollik’el treten nun nicht als glattwandige, am blinden Ende spitz auslaufende Schläuche in die Erscheinung, sondern erhalten durch eine Vertiefung, welche dieselben in enger Spiral-Windung umzieht, das ungefähre Ansehen eines Korkenzie- hers. Diese Eigenthümlichkeit ist bereits den früheren Forschern aufgefallen und auch von ihnen getreu dargestellt, jedoch in ihrem Wesen nicht erkannt worden. Nach dem Monographen unserer Thiergruppe: Brandt?) ist jeder einzelne Leberschlauch spiralförmig „gedreht“. Karsten?) geräth trotz seiner mikroskopischen Untersuchung noch weiter vom richtigen Thatbestande ab, indem er das korken- zieherartige Aeussere von einem „follieulären“ Bau der einzelnen Blindschläuche (Follikel) abhängig sein lässt. Wenn ferner Frey und Leuckart°®) von der Leber der Onisciden berichten, dass sie durch Ausbuchtungen ihrer Mem- brana propria ein rosenkranzartiges Anssehen haben, so geben sie damit nur den Folgezustand als Grund an. Lereboullet‘') endlich gibt keine Erklärung der in Rede stehenden auffallenden Erscheinung. — Da dieselbe nur in dem Wesen der Häute, die das Drüsenparenchym umgeben, ihre Er- klärung findet, so werden wir diesen zunächst unsere Aufmerksam- keit zuwenden müssen. Jeder einzelne Drüsenschlauch ist von zwei bindegewebigen Häuten umhüllt, von der Tunieca propria und der Tunica se- rosa, zwischen denen eine Muskellage, die Tunica muscula- ris sich ausbreitet. Wir begegnen mithin hier den drei Häuten, 1) Brandt-Ratzeburg: Mediz. Zoologie II. p. 75. 2) Karsten: Nov. Act. XXI.1. 3) Frey u. Leuckart: Lehrb. d. Anatomie wirbelloser Thiere. p. 223. 4) Lereboullet: M&moires sur les Cloportides. Strassbourg. 1853. p- 96 ff. 394 Max Weber: die wohl, wenn auch in verschiedener Ausbildung, allgemein bei den Arthropoden dem Darme und wohl auch der Mehrzahl der drüsigen Appendices desselben zukommen mögen. Ihr Verhalten bei den Oniseiden ist folgendes: Die äusserste Hülle leitet sich vom Fettkörper her, der gleichwie an die übrigen, der Leibeshöhle eingelagerten Organe, so auch an die Drüsenschläuche netzartig unter einander verbundene Zellgruppen absendet, um dieselben mit einem verschieden dichten Maschenwerk zu umhüllen. In unserem Falle ist diese Umhüllung eine recht dürftige; denn nur am blinden Ende eines jeden Drüsenschlauches gruppiren sich die Fettkör- perzellen zu einer mehr zusammenhängenden Lage; näher dem Darmende des Follikels liegen sie dann, entsprechend dem zu- nehmenden Umfange des Drüsenschlauches, mehr und mehr von einander entfernt, bleiben jedoch bald durch zarte Ausläufer, bald durch gröbere, zellige Stränge unter sich sowohl als auch mit dem eigentlichen Fettkörper und demgemäss auch mit dem serö- sen Ueberzug der übrigen Organe der Leibeshöhle in Verbin- dung. Der Name einer umhüllenden Membran kann daher in unserem Falle, wo allein ein unregelmässig netzartiger Ueberzug vorliegt, der von dem blinden Ende des Schlauches nach dessen Mündung zu allmählich weitmaschiger wird, nur mit einer gewis- sen Licenz gebraucht werden. Wenn ich trotzdem für diesen ma- schigen Ueberzug den von Leydig!) angewandten Namen Tu- nica serosa aufrecht erhalte — weniger um ihm hierdurch die wichtige Rolle, wie sie sonst der Tuniea serosa der Eingeweide höherer Thiere als Umhüllungs-Haut zukommt, zuzutheilen, als vielmehr um ihm seine histologische und auch functionelle Stellung zuzuweisen — so weiss Jeder was mit diesem Namen gemeint ist. — Da sich diese Tunica an den weiter unten näher zu bespre- chenden Crustaceen ihrem Wesen nach gleichartig, quantitativ aber um Vieles entwickelter wiederfindet, dürfte dort wohl der Ort sein näher auf histologische Einzelheiten derselben einzu- sehen. Unter dieser zu äusserst gelegenen lückenreichen Hülle — der „Peritoneal-Hülle“ der Drüsenschläuche, wenn wir die functio- nelle Analogie nicht aus dem Auge lassen wollen — liegt ein System von Muskelfäden, die ebenfalls der membranartigen, ge- 1) Leydig: An versch. Orten z. B. Lehrbuch der Histologie p. 363. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 395 schlossenen Ausbreitung ermangeln, dennoch aber mit der in ge- schlossener Lage auftretenden Tunica muscularis am Darme der Arthropoden identifieirt und füglich auch mit diesem Namen belegt werden können. In welch’ zierlichem engmaschigem Netze diese Muskulatur die Blindschläuche in ihrem ganzen Umfange umspinnt, wird man nach Taf.XXXVI Fig. 1 ahnen können. Cireuläre Muskelfasern nämlich umziehen, in geringen Abständen von einander, reifenartig die Drü- senfollikel. Mehr weniger regelmässig verlaufende longitudinale Fasern von zarterer Natur verbinden die gröberen Kreisfasern und bilden solchergestalt das enggestrickte Muskelnetz. Dadurch aber, dass die circulären Fasern nicht senkrecht, sondern schräg zur Längsachse des Drüsenschlauches, dessen Peripherie umkreisen und an gewissen Stellen, die nach dem blinden Ende des Schlauches zu allmählich näher aneinander rücken, zu dreien oder vieren ne- ben einander liegen, erhält der Blindschlauch die oben erwähn- ten in einer Spiraltour laufenden Einschnürungen, die allerdings den Eindruck machen, als sei der ganze Schlauch vielmale um seine Längsachse „gedreht“, wie Brandt wollte Wir haben es jedoch hier mit einer Erscheinung zu thun, die in der eigenthüm- lichen Anordnung der Kreismuskelfasern ihre natürliche Erklärung findet und deren Wesen, besser als durch eine ausführliche Beschrei- bung, durch einen Blick auf Taf. XXXVI Fig. 1 verdeutlicht werden dürfte. Die grosse Bedeutung, nicht nur dieser Muskulatur über- haupt, sondern auch deren Anordnung ins Besondere, für die . Fortschaffung des Secretes aus einem so langen und dabei mit einem so engen Lumen versehenen Drüsenschlauche in das Lumen des Darmes bedarf wohl kaum weiterer Andeutung. — Bringt man die dem lebenden Thiere entnommenen Schläuche sofort unter das Mikroskop, so hat man zuweilen das Glück, die Contractionen dieses Muskelnetzes zu beobachten, wie sie, am blinden Ende be- ginnend, auf ihrem Wege zur Mündung des Follikels das Secret vor sich hertreiben. Dass eben diese Contractionen auch auf die Entleerung der mit Secret angefüllten Drüsenzellen einwirken, die daraufhin ihren Inhalt durch Dehiscenz frei lassen, wird später aus dem Bau dieser Zellen erhellen. — Weiter unten werde ich auch Gelegenheit haben, darauf hinzuweisen, dass grade die eben beschriebene Anordnung der Ringmuskeln charakteristisch ist für die echten Land-Isopoden, indem sie bei den wasserlebigen parallel 396 Max Weber: zu einander den Schlauch umkreisen. Dass dies von Einfluss ist auf die Beförderung des Secretes und mit dem Landleben in Zu- sammenhang gebracht werden muss, soll dort gezeigt werden. Dieses Muskelnetz ist zuerst von Karsten !) gesehen und auch — sogar mit Andeutung der Querstreifung — abgebildet, je- doch als Capillarnetz gedeutet worden. Die der Zeit nach sich hieran anschliessenden schönen Unter- suchungen Frey’s und Leuckart’s’) bringen auch Mittheilungen über diese Muskulatur bei den Crustaceen überhaupt und stehen bereits auf einem ganz anderen Standpunkte. Sie fanden diese eireulären Muskelleisten bisweilen bei den J/sopoden entwickelt, irren jedoch wenn sie von den Muskelfasern schreiben: „Beinahe alle halten einen transversalen Verlauf ein, während nur selten longitudinale, die ersteren mit einander verbindenden Fasern an- getroffen werden.“ Leydig°) dagegen hat bereits den ganzen Aufbau der Mus- kelfasern erkannt; so sagt er von denselben bei Oniscus (und Gammarus) : „sie sind hier im Einklang mit der Darmmuskulatur eireulär angeordnet, verlaufen auch wohl nach der Länge und ver- binden sich zu Netzen.“ Was den feineren Bau dieses quergestreiften Muskelnetzes angeht, so möchte ieh mich dahin aussprechen, dass die eireulä- ren Muskelfasern einer grossen ringförmig ausgewachsenen Zelle entsprechen und dass die longitudinalen Verbindungsfasern nicht einem zweiten, der Länge nach verlaufenden System von Fasern angehören, sondern Ausläufer der Muskelzellen sind, die sich mehr weniger regelmässig bald unter einander, bald mit den benach- barten Ringfasern verbanden. Zur Stütze dieser Ansicht lässt sich zu jeder Ringfaser je ein zugehöriger Kern nachweisen. Diese Kerne haben das Eigen- thümliche, dass sie sämmtlich nahezu in einer Richtung auf einer Seite des Drüsenschlauches liegen, was sich wieder durch das Stu- dium der Embryonen — mir standen nur Embryonen von Asellus aquaticus zu Gebote, doch dürften sich wohl die dort gefundenen 1) Karsten: Nova Act. Acad. XXI. pars I. 1845. 2) Frey u. Leuckart: Lehrb. d. Anat. wirbelloser Thiere. pag. 222, 3) Leydig: Histologie pag. 368. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 397 Verhältnisse auch auf die Landasseln ausdehnen lassen — dahin erklärt, dass ursprünglich einer Seite des Schlauches grosse Zellen auflagen, welche sich spindelförmig auszogen, daraufhin den Schlauch umgreifend einen geschlossenen Ring, den eireulären Muskelfaden, bildeten und endlich durch seitliche Ausläufer die longitudinalen Fasern entstehen liessen. Wir betrachten mithin diese Muskelringe als einzellige quergestreifte Muskelbündel. Dass Spangenberg und Claus bezüglich der Ringmuskeln des Darmes verschiedener Crustaceen zu gleichen Resultaten gekommen sind, werde ich bei Besprechung dieser Organe vom Asellus aquaticus des Näheren ausführen. Dieses enggesponnene Muskelnetz, die Museularis, liegt nun der dritten Umhüllungshaut des Drüsenschlauches auf: der Tunica propria. Allen Forschern, die sich mit dem Aufbau der Mittel- darmdrüse der Asseln abgegeben haben, war sie bekannt, und wird von Allen übereinstimmend in besagter Weise aufgeführt. Sie ist eine glashelle structurlose Membran, die sich durch die verschie- densten Präparations -Methoden, namentlich solche, bei deren Anwendung die Drüsenzellen schrumpfen, die Membran selbst sich demgemäss relativ oder absolut abhebt, kenntlich machen lässt. Besonders schöne Bilder gibt Picrocarmin-Tinetion, indem hiernach das gefärbte Muskelnetz in schönster Weise sich abhebt von der zarten wasserklaren Tunica propria. Auch die wenig angewandte Jodtinetur führt die Verhältnisse auf's deutlichste vor Augen, doch ist der Färbung durch dieses Reagens eine sehr vergängliche Na- tur eigen. Wenn wir jetzt an die Untersuchung des Drüsen-Paren- chyms selbst herantreten, so müssen wir davon ausgehen, dass wir es bei der Mitteldarmdrüse des Porcellio zu thun haben, mit der Grundform der Drüsen, mit einfachen, röhrenförmigen, blind endenden Ausstülpungen des Darmrohres, ausgekleidet mit einer einschichtigen Drüsen-Zellenlage, die der diffusibelen Membrana propria aufsitzend, von Aussen von der eireulirenden Blutflüssig- keit indireet umspült wird, dieser gewisse Stoffe entnimmt, um sie als Secrete modifieirt in das Drüsenlumen zu ergiessen. Hier an- gelangt werden diese Secrete unter Hülfe der zweckmässig arbei- tenden Museularis in das Darmrohr befördert um ihrer eigentlichen Bestimmung gerecht zu werden. Meine Erfahrungen gehen nun dahin, dass das Wesen der 398 Max Weber: Drüsenzellen in seiner ganzen Besonderheit am besten an Präpa- raten erkannt wird, die einer kurz dauernden Behandlung mit schwächeren Lösungen von Osmiumsäure (von 0,2—0,5 °/, je nach der Art der Einwirkung, die man hierbei beabsichtigt) ausgesetzt waren. Nachherige Anwendung des Pikrocarmin unterstützt in mehr als einer Hinsicht die Untersuchung '). Bringt man einen dem lebenden Thiere entnommenen Drüsenschlauch, der, seines im Lumen enthaltenen Secretes verlustig, nun eine hellgelbe Farbe angenommen hat, in die ge- nannte Säure, so nimmt er schon nach wenigen Minuten einen braunen Farbenton an, der mit der Dauer der Einwirkung der Säure an Intensität zunimmt, um schliesslich in tief schwarz überzugehen. Indem man nun diesen Grad der Einwirkung nicht zu Stande kommen lässt, sondern bereits den braun ge- färbten Schlauch der Säure entnimmt und der Betrachtung mit der Loupe unterwirft, weist sich die schnelle Verfärbung des Or- ganes als dadurch bedingt aus, dass intensiv dunkel gefärbte Punkte schachbrettartig mit helleren abwechseln, welche letztere die ursprüngliche Eigenschaft des Drüsenschlauches nahezu unver- ändert beibehalten haben. Das Mikroskop löst dieses Bild dahin auf, dass das Drüsenparenchym durch zweierlei Arten von Zellen aufgebaut wird, deren eine durch Osmiumsäure-Einwir- kung sofort tief schwarz wird, während die andere erst nach längerer Einwirkung der Säure dieser Schwär- zung unterliegt. Alsdann erst, wenn auch die letztere Zellen- art den schwarzen Farbenton angenommen hat, erhält der ganze Schlauch die schwarze Farbe, von der oben gesagt wurde, dass sie die Folge längerer Einwirkung der Osmiumsäure sei. Da- durch aber, dass bereits nach kurzer Einwirkung die eine Zellen- art sich schwärzt und demgemäss vom übrigen ungefärbten Drü- sengewebe sich abhebt, wird der für das Auge so auffallende Contrast erzeugt, der das zierliche Bild, welches ich in Fig. 1 Taf. XXXVI wiederzugeben versucht habe, mit stets neuer Freude betrachten lässt. Beide Zellenarten sitzen der Tuniea propria auf. Sofort bei deren erstem Anblick fällt ihre bedeutende Grösse auf, wie man sie 1) Dass daneben die stete Untersuchung des lebenden Gewebes eine unerlässliche Controlle bietet, bedarf wohl keiner besonderen Ausführung. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 399 sonst nur von den Eizellen der wirbellosen Thiere zu sehen ge- wohnt ist. Welcher Art das wechselseitige Verhalten der beiden Zellenarten zu einander ist, wird sich aus einer Betrachtung der Figg. 1 und 2 auf Taf. XXXVI besser als aus vielen Worten ent- nehmen lassen. Auffallend wird es hierbei erscheinen, dass, da doch die geschwärzten Zellen die hellen auf das engste umgeben, die einander berührenden Zellen nicht mit scharfen wohlcharak- terisirten Rändern einander angelagert sind, sondern dass viel- mehr die geschwärzten Zellen, mit ihrer grössten Ausdehnung der Tunica propria anliegend, ihre schmal auslaufenden, oftmals gezackten, ja mit strahligen Ausläufern versehenen Randpartieen zwischen diese und die hellen Zellen schieben , dergestalt, dass letztere oftmals nur mit dünnem Fusse der Stützmembran auf- sitzen. Müssen wir daher die sich schwärzenden Zellen als mehr weniger abgeflachte Zellen bezeichnen, die ihre grösste Ausdeh- nung’ in der Fläche der Membrana propria erreichen, deren Rand- partieen im Allgemeinen nach der Peripherie zu allmählich dünner und schmäler auslaufen, oftmals ausläuferartige Fortsätze abschik- ken und die bald gewölbt, bald anders geformt, wie es gerade der Zwischenraum zwischen den hellen Zellen gestattet, in das Drüsen- lumen, . jedoch niemals weit in dasselbe, vorspringen, so sind die hellen Zellen von durchaus anderer Gestalt und charakterisiren sich durch ganz entgegengesetzte Eigenschaften. Die hellen Zellen erreichen ihre grösste Dimension — ganz abgesehen davon, dass deren sämmtliche Dimensionen weit grösser sind als die der anderen Zellenart — in der Höhe d. h. sie springen weit in das Lumen des Drüsenschlauches vor, während sie dessen Umhüllungshaut nur mit verhältnissmässig schmalem Fusse aufsitzen. Hat sich somit ihre Gestalt nur wenig von der Grundform der Zelle, der Kugelgestalt, entfernt, nur insofern, als sie sich in die Länge gezogen hat, so entbehrt damit im Einklang die Randzone ihres Leibes jeglicher Fortsatzbildung und weist im Gegensatz zu der anderen Zellenart vorwiegend sphärisch gekrümmte Flächen auf. Es sei mir nun fernerhin zum Zwecke der weiteren Beschreibung gestattet, die abgeflachte in Osmiumsäure so rasch sich „schwär- zende“ Zellenart kurz „Fermentzellen“, die andere jedoch, die bisher als helle Zellen aufgeführt wurden, „Leberzellen“ zu nen- 400 Max Weber: nen, indem ich mich später wegen der Wahl dieser Namen ver- antworten werde. Dass die für die beiden Zellenarten aufgeführten Unterschiede in der Form und der Reaction bei der Einwirkung von Osmium- säure nur der einseitige Ausdruck sind von Verschiedenheiten, die sich auch bezüglich deren Inhalt darthun, wird die weitere Un- tersuchung lehren. Die Fermentzellen beherbergen zahlreiche, das Licht stark brechende Körnchen „Granula“, denen eben die Eigenthümlichkeit zukommt schon nach kürzester Einwirkung von Osmiumsäure sich intensiv zu schwärzen und die damit die Ursache abgeben für den Farbencontrast, der diese Zellenart von den Leberzellen so lebhaft unterscheidet. Vermeldete Granula füllen mehr oder’ weniger zahl- reich den Zellenleib an und umlagern den Kern meist dicht, um dann von hier aus, allmählich spärlicher werdend, oft reihenweise angeordnet, nach der Peripherie der Zelle zu auszustrahlen. In anderen Fällen sind sie mehr gruppenweise vertheilt, zuweilen ist nahezu die ganze Zelle dicht mit ihnen angefüllt. Haben sie auch in der peripherischen Zone der Zellen Platz gegriffen, so trägt ihre Anwesenheit wesentlich dazu bei die Fortsätze derselben deutlicher zu machen, ja bei reihenweiser Anordnung solehe ge- radezu vorzutäuschen, indem sie sich vom hellen Grunde der Le- berzellen abheben. Die Fermentzellen enthalten einen grossen mit einem so- liden Kernkörperchen versehenen Zellkern von fein gekörntem Inhalt, der sich scharf contourirt vom übrigen Zelleninhalt ab- hebt. In einem lebhaft funetionirenden Drüsenschlauch, vor- nehmlich daher während der für das thierische. Leben günstigen Jahreszeiten, findet man die Kerne in lebhafter Theilung begriffen der Art, dass die Mehrzahl der Zellen mit zwei Kernen versehen sind (efr. Taf. XXXVI. Fig. 2). Noch verdient angeführt zu werden, dass der Theil der Zelle, der frei in das Drüsenlumen hineinragt, von einem zarten Cuticularsaum überzogen ist, der im lebenden Zu- stande von weicher Consistenz zu sein scheint, nach Behandlung mit das Eiweiss eoagulirenden Substanzen aber als deutlicher so- lider Saum sich vom übrigen Zellenleibe abhebt. Von diesem Cu- tieularsaum soll später noch die Rede sein. Ganz anderer Natur sind die Leberzellen, deren topo- graphisches Verhalten zu den Ferment-Zellen auf dem Querschnitts Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 401, Bild in Fig. 2 Taf. XXXVI ersichtlich ist; Fig. 3 stellt dann den Anblick dar, den ein Drüsenschlauch, vom Lumen her betrachtet, darbietet; in der Tiefe zwischen den Leberzellen erblickt man die wenig prominnirenden Fermentzellen. An Stelle der Granula sind die Leberzellen dicht ange- füllt mit kleinen bläschenförmigen Gebilden, die bei nicht tie- fer eindringender Untersuchung Fetttröpfehen kleinster Art zum Verwechseln ähnlich sehen. Ihre Menge nimmt durchgehends nach dem dem Drüsenlumen zugekehrten Theile der Zelle zu und sie haben zuweilen eine reihenweise Anordnung. Die nächste Umgebung des Zellkernes, welcher der Tunica propria nahe an- liegt, ist meist ganz frei von diesen Tröpfchen, sodass man bei Betrachtung der Zellen von der Oberfläche des Schlauches her deutlich den Kern und erst bei tieferer Einstellung die Bläschen wahrnimmt. Von runder Form bekommen sie, wenn sie allzu dicht gedrängt neben einander liegen, zuweilen eine unregelmässig poly- sonale Gestalt. Sie haben eine gelbliche Farbe, die bei grösseren Tropfen einen bräunlichen Ton annimmt, wodurch sie in ihrer Ge- sammtheit die gelbliche bis bräunliche Farbe der Drüsenschläuche hervorrufen; sind sie endlich in noch grösserer Menge beisammen, wie es der Fall ist, wenn sie die Leberzellen verlassen und nun im Drüsenlumen als „Secret“ sich angesammelt haben, so erscheinen sie in einer entschieden dunkelbraunen bis olivengrünen Färbung. So kommt es, dass das Aussehen der Drüsenschläuche je nach der Menge der in den Leberzellen enthaltenen Secrettröpfehen, noch mehr aber je nach der Menge des im Drüsenlumen enthaltenen Seceretes heller oder dunkler gefärbt erscheint. Hiernach findet auch die häufige Erscheinung, dass einzelne, oft mehrere, von ein- ander getrennte Partien eines Schlauches intensiv dunkel gefärbt sind im Gegensatz zu dem im übrigen hellen Schlauche, leicht darin ihre Erklärung, dass an diesen Stellen das Drüsensecret im Lumen sich massenhafter angesammelt hat. Schliesslich sei noch bezüglich in Frage stehender Secret- tröpfehen angemerkt, dass auch sie, jedoch zum Unterschiede von den Granula der Leberzellen erst nach weit längerer Einwirkung durch Osmiumsäue geschwärzt werden. Die bedeutende Grösse der Kerne der Leberzellen erkennt man aus Fig. 2 Taf. XXXVIL Sie enthalten ein Kernkörperchen, das zu- weilen recht eigenthümlich gestaltet ist, namentlich in solchen Kernen, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 17. 26 . 402 Max Weber: die kurz vorher sich getheilt haben; hier hat es oft den Anschein, als sässe dem Kernkörperchen ein kleines Mützchen auf. Wie in den Fer- mentzellen sind auch in den Leberzellen eines gut functionirenden Drüsenschlauches die Kerne in lebhafter Theilung begriffen, der Art, dass man in einem solchen Schlauche nicht nur die meisten Leberzellen mit zwei sondern auch verschiedene sogar mit drei Theilungsproducten eines Kernes versehen erblickt. Da dies bei Winterthieren bei Weitem nieht in der Weise der Fall ist — und man wird sich erinnern, dass mir nur aus solchen Kellern Thiere zu Gebote standen, in denen die Lebensfunetionen derselben nur wenig herabgesetzt waren — so muss man wohl hieraus entnehmen, dass die Kerne bei der Fabrikation des Secretes seitens der Zellen eine wichtige Rolle spielen. — Eine Zelltheilung selbst wurde niemals be- merkt, wenigstens nicht an den grossen mit Secret gefüllten Zellen, von denen hier allein die Rede ist, also mit Ausschluss der indif- ferenten Zellen des blinden Endes der Schläuche. Ehe ich nun dazu übergehe, das Verhalten der beiden Zellen- arten gegenüber verschiedenen Reagentien, zu besprechen, um auf diese Weise einer Erkenntniss des Inhaltes derselben näher zu kommen, sei noch kurz dargelegt, welcher Art das Aussehen der Drüsenschläuche ist, die dem Thiere frisch entnommen in Blut- flüssigkeit unter das Mikroskop gebracht werden. Ist das Bild, welches sich alsdann darbietet, auch minder anschaulich und über- sichtlich, als Osmiumsäure-Präparate es geben, so erkennt man doch deutlich zunächst die Leberzellen, deren Aussehen ja, wie be- reits gemeldet wurde, auch durch eine kurze Behandlung mit der genannten Säure wenig geändert wird. Die Secrettröpfchen treten in unveränderter Weise in die Erscheinung und lassen, falls sie zahlreicher angehäuft sind, den Kern schwer erkennen. Obgleich aus demselben Grunde auch die Kerne der Fermentzellen verdeckt werden, heben sieh die Letzteren doch wieder durch einen contra- stirenden Farbenton von den Leberzellen ab. Die in ihnen auf- gespeicherten Granula bringen nämlich einen opaken, milchigen Farbenton zu Wege, der sich noch am ehesten vergleichen lässt mit dem Eindruck, den Gewebe hervorruft, welches mit Kalk- salzen angefüllt ist. Es möge jetzt der Einfluss verschiedener Reagentien auf die Drüsenzellen besprochen werden. Wird ein Drüsenschlauch sofort nachdem er dem Thiere ent- Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 403 nommen ist, in destillirtes Wasser gebracht, so gehen, nachdem er bis zu 12 Stunden darin verblieben ist, wesentliche Veränderungen mit ihm vor, die sich am besten darthun, wenn man auf einen der- artig ausgewässerten Schlauch in gewohnter Weise Osmium-Säure einwirken lässt. Nach dieser Behandlung bemerkt man zuerst, dass die Fermentzellen sich nicht mehr schwärzen und findet in Uebereinstimmung hiermit die Granula, in denen wir ja die Ursache der durch Osmiumsäure hervorgerufenen Schwärzung er- kannten, geschwunden. Wenn nun trotzdem nach längerer Ein- wirkung der Osmiumsäure auf einen derart mit Wasser behandelten Schlauch, dieser sich dennoch bräunt und endlich schwärzt, so liegt dies eben an der oben bereits angeführten Thatsache, dass längere Einwirkung auch die Secrettröpfehen der Leberzellen schwärzte; ein Vorgang, der trotz der Auswässerung vor wie nach sich ab- spielt. — Das einfache Resultat dieser Behandlung ist mithin folgendes: Der körnige Inhalt, die Granula, der Fer- mentzellen werden durch Wasser extrahirt, die Secretbläs- chen der Leberzellen dagegen bleiben im Wasser un- verändert, d. h. sie werden durch dasselbe weder extra- hirt noch nachweisbar alterirt. Da das Punctum saliens der ganzen Untersuchung die Frage nach der Natur des Secretes ist, soweit das Mikroskop und die noch in den Kinderschuhen steckende mikrochemische Analyse die Beantwortung einer solchen Frage gestatten, so wurde aus guten, weiter unten näher zu erörternden Gründen das Verhalten der Drüsenschläuche Aether gegenüber geprüft. Die Veränderungen, die ein verschieden lange Zeit hindurch extrahirter Schlauch er- litten hatte, wurden auf Querschnittsbildern blossgelegt und lassen sich dahin zusammenfassen, dass Aether die Secretbläschen aus den Leberzellen extrahirt und zwar der Art, dass der Zellenleib intact bleibt, und nun als aus einem feinen Protoplasma-Netze ge- webt erscheint, innerhalb dessen Maschen die Secretbläschen ein- geschlossen waren. Derartig behandelte Zellen liefern das Bild eines äusserst zierlichen Filigrangewebes; das protoplasmatische Gerüst, welches die Secretbläschen umschloss und das in der Gegend des Zellkernes beginnend nach dem Drüsenlumen zu in dem Maasse wie die Bläschen an Zahl zunehmen, feiner gewebt erscheint, ver- liert sich in der euticularen Verdickung der dem Drüsenlumen zu- gekehrten Peripherie der Zelle. Ueber das Verhalten der Fer- 404 Max Weber: mentzellen solcher Behandlung gegenüber, kam ich bei der eigen- thümlichen Veränderung des ganzen Bildes zu keiner rechten Ein- sieht, doch geht meine Ansicht dahin, dass dieselben keine wesent- liche Veränderung erlitten haben: eine Ansicht welcher Präparate, die nach der Extraction durch Aether mit Osmiumsäure behandelt wurden, das Wort zu reden scheinen. b. Typhloniseus Steini Schöbl. Nachdem ich!) vor Kurzem Gelegenheit hatte darauf hinzu- weisen, dass bei dem in unterirdischen Wässern lebenden Assellus cavaticus Schiödte hinsichtlich der Mitteldarmdrüse ein Zustand fixirt sei, der bei Asellus aquaticus nur in der ersten Embryonal- zeit sich vorfindet, indem nämlich das obere Paar der Drüsen- schläuche nur den vierten Theil der Länge des unteren erreicht — eine Thatsache, auf die ich weiterhin bei Besprechung der Asel- lidae noch zurückkommen werde — so musste es für mich von ganz besonderem Interesse sein, das Verhalten dieser Drüse einer anderen unter analogen Bedingungen lebenden Assel untersuchen zu können. Die Gelegenheit bot sich hierzu durch Auffinden?) des Z’yphlo- niscus Steini Schöbl. der blinden, pigmentlosen Assel, die von Schöbl?) zuerst in Ameisennestern gefunden wurde. Wenn sie als Landassel auch unter anderen äusseren Verhältnissen lebt als der in unterirdischen Wässern sich aufhaltende Asellus cavaticus, so "ist sie darum nicht minder ein echtes Mitglied der subterranen Fauna. Dem entsprechend fand sich nun das gleiche Verhalten der Drüsenschläuche, wie es für Asellus cavaticus angezeigt jwurde. Also auch hier ist der embryonale Zustand der Drüse fixirt. Allerdings war es, wie sich nachträglich herausstellte, 1) Max Weber: Asellus cavaticus Schiödte, Zoolog. Anzeiger Nr. 27. 1879. 2) Ich fand diesen interessanten Isopoden im August d. J. in Ameisen- haufen am Laacher See (Rheinprovinz) in sehr grossen Exemplaren, die viel- leicht einer anderen Species angehören. Auch in der Nähe von Bonn kommt derselbe vor. 3) J. Schöbl: Typhloniscus Steini. Sitzungsber. d. Wiener Academie Bd. 40. 1860. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 405 schon dem Entdecker unseres Thieres, Schöbl, bekannt, dass das obere Paar der Schläuche kürzer sei als das untere, nicht aber die entwicklungsgeschichtliche Thatsache, die nun noch durch ihre Uebereinstimmung mit dem Verhalten bei Asellus cavaticus be- deutungsvoller wird. Dass dieses Stehenbleiben auf einem primitiven Zustande sich auch noch auf andere Weise kund thut, dürfte aus folgender all- semeinen Betrachtung hervorgehen. Bei Beschreibung der Muscularis der Drüse bei den oben abgehandelten Onisciden, nahm ich Gelegenheit kurz darauf hin- zuweisen, dass die Art des Auftretens derselben eharakteristisch sei für die auf dem Lande lebenden Isopoden; bei diesen umkreisen nämlich die Muskelringe den Schlauch nicht senkrecht zu seiner Längsachse, wie bei den übrigen Crustaceen insbesondere den Was- serasseln, sondern schräg, kräftige Spiraltouren vortäuschend. Ich brachte diese Ausbildung, die jedenfalls einen höheren, weil zweck- mässigeren — für die Entfernung des Secretes aus dem Drüsen- schlauche — Zustand repräsentirt mit dem Landleben in Verband, welches andere Anforderungen. an die Drüse stellen wird als das Wasserleben. Die Isopoden sind unter den Crustaceen ja gerade die Ordnung, bei der sich die terripetale Tendenz in deren für den Organismus charakteristischen Folgen auf das deutlichste ab- lesen lässt. Dies sei, um nicht allzu sehr abzuschweifen, nur an der uns interessirenden Leber nachgewiesen. Wenn man uns hierbei vielleicht entgegenhalten wird, dass es denn doch allzu viel Gewicht auf eine Anzahl Muskelringe und deren Anordnung legen heisst, so möchte ich demgegenüber be- merken, dass solchen Veränderungen der allgemeinen Einflüsse der Aussenwelt, wie der Veränderung der Lebensbedingungen ge- genüber, der Organismus ebensogut durch Veränderung der Mus- kulatur der Drüsensehläuche reagiren wird, als durch Transformi- rung der Tastborsten !), der Beine, der Kiemen. Ja vielleicht noch 1) Wie deutlich aber an diesen der Einfluss der Lebensweise zum Aus- druck gelangt, der Art, dass sich hieraus die Verwandtschaftsbeziehungen unserer einheimischen Land- und Süsswasser-Isopoden ableiten lassen, konnte ich früher darlegen (Zool. Anzeiger Nr. 27. 1879.). Die dortigen Bemer- kungen finden eine neue Stütze in den obigen Auseinandersetzungen über die Mitteldarmdrüse. 406 Max Weber: mehr. Mit der veränderten Lebensbedingung, mit der Vertauschung des Wassenlebens und dem Landleben, wird sich Hand in Hand mit der an Feuchtigkeitsgehalt geänderten Nahrung auch der nöthige Zufluss von Drüsenseeret ändern. Dass diese einem Land- thier bei troekener Nahrung reichlicher zufliessen muss, als einem sonst gleichgearteten, im Wasser lebenden nächsten Verwandten, liegt auf der Hand. Doch auch thatsächliche Beweise kann ich hierfür beibringen. Der im Wasser lebende Asellus aquaticus (und cavaticus) hat zwei Paar Leber-Schläuche, die von parallel zu einander verlaufenden Muskelringen umkreist werden. Die echt amphibiotische. Zigia oceanica, die ebenso wie Ligidium des Wassers nicht entbehren kann, um auf dem Lande leben zu können, zeigt bezüglich der Muscularis einen merkwürdigen Uebergang zu den echten Land- asseln. Sie hat drei Paar Schläuche; das äusserste ist nur halb so lang als die beiden inneren und denen des Asellus gleichge- artet. Dasselbe gilt für die untere Hälfte der beiden anderen Paare, wogegen die obere Hälfte derselben die Anordnung der Muscularis zeigt, die wir bei den Landasseln kennen lernten. Auch hier zweifelsohne zur besseren Beförderung des an- gesammelten Drüsensecretes zu der weniger wasserreichen Nahrung. Wenn man mir hierbei entgegenhalten möchte, dass es dann im- merhin eigenthümlich sei, dass die echten Landasseln (.Porcellio, Oniseus) im Gegensatz zu Ligia nur zwei Paar Drüsenschläuche besitzen, so muss ich darauf antworten, dass eine Vermehrung derselben einfach unmöglich wurde durch die enorme Ausdehnung des Magendarmes, die wieder abhing von der Nahrung, wie sie das Landleben darbot, aber reichlich eompensirt ist durch die starke Entwickelung einmal der Schläuche ihrer Dimension nach, dann auch der Musculatur derselben. Ziehen wir das Faeit aus dieser Betrachtung, so sehe ich den primären Zustand der Drüse einmal in der geringen Entwicke- lung von deren Schläuchen, wie wir sie im Embryonalleben des Asellus aquaticus und der Porcellioniden sowie dauernd bei Asellus cavaticus und Typhloniscus antreffen, zum andern Mal in der Anordnung der Museularis wie sie Asellus zeigt. Merkwür- digerweise nun besitzt — und hierauf zielt die ganze Auseinan- dersetzung ab — auch Typhloniscus, doch eine echte Landassel, diesen Typus, was mir Veranlassung gab mich dahin auszusprechen, Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 407 dass diese Assel auch in einem zweiten'Punkte hinsichtlich ihrer Drü- senschläuche auf einem ursprünglichen Standpunkte stehen geblie- ben sei. Ob aber letztere Deutung — Stehenbleiben auf einem ursprünglichen Standpunkte — die richtige ist, oder ob es sich um Rückschlag handelt ist eine andere Frage. c. Asellidae. Von den Wasserasseln kamen zur Untersuchung Asellus aquaticus und cavaticus. Beide wollen wir aus weiter unten zu erörternden Gründen getrennt behandeln und zunächst mit der Beschreibung der Mitteldarmdrüse des Asellus aquaticus anheben. 1. Asellus aquatieus L. Die Mittheilungen über den Bau der „Leber“ dieses weit ver- breiteten Bewohners unserer Süsswässer sind noch sparsamer als die über die eben abgehandelten Land-Isopoden. Treviranus!) war auch hier der Erste, dem wir weiterge- hende Mittheilungen über die Anatomie der Wasserassel verdanken; bezüglich der Deutung der „Leber“ derselben verfiel er jedoch in denselben Fehler, den er auch bezüglich des Oniscus machte. Von da ab ruhte die Untersuchung des Asellus soweit sie sich nicht mit der Entwickelungsgeschichte befasste, bis Leydig?) an ver- schiedenen Orten anatomische Beobachtungen in der bekannten ausgezeichnten Art niederlegte, die jedoch auf unsere gegenwär- tige Untersuchung keinen Bezug haben. Auch die Bemerkungen über den Bau in Frage stehender Drüse, die G. O. Sars’) in seiner schönen Monographie über Asellus niedergelegt hat, haben gerade unsere Kenntnisse über den feineren Bau unserer Drüse nicht viel gefördert, was nicht verwundern wird, wenn man aus seinen Abbildungen ersieht, dass er nicht mit stärkeren Vergrösse- rungen an dieselbe herangegangen ist. 1) Treviranus: Vermischte Schriften anatomisch - physiologischen Inhalts. 1816. 2) Leydig: Archiv f. Anat. u. Phys. 1855; ebendort 1860; Naturge- schiehte der Daphniden p. 26 ff. 3) G. O. Sars: Histoire nat. des Crustaces d’eau douce de Norvege. 408 Max Weber: In jüngster Zeit hat dann J. Ritzema-Bos!), in einer Dis- sertation, in welcher die Crustacea ‚hedriophthalmata der nieder- ‘ ländischen Fauna in recht übersichtlicher und eingehender Weise zusammengestellt sind, auch auf die Anatomie des Asellus aqua- ticus sein Augenmerk geichtet, leider ohne eine Arbeit seiner Vor- gänger zu kennen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so hätte er gewiss Manches in seinen Mittheilungen vermieden. Da die Drüsenschlänche des Asellus einen im Wesentlichen gleichen gröberen und feineren Bau besitzen, wie er soeben für Porcellio dargelegt wurde, so wird es jetzt vornehmlich meine Auf- gabe sein, das Abweichende beider von einander näher anzuweisen. Auch beim Asellus wird die Mitteldarmdrüse durch vier gleich lange Blindschläuche dargestellt, die am Kaumagen anfangend und dem Darm eng anliegend bis nahe an dessen Ende die Kör- perhöhle durchziehen. Doch schon im äusseren Ansehen zeigen die einzelnen Blindschläuche eine Abweichung von denen des Por- cellio und Omiscus. Sie erscheinen nicht „spiralig gedreht“, son- dern gleichen vielmehr einer Perlschnur oder besser noch einer Fischreuse; sie werden mithin durch parallel zu einander laufende eirculäre Vertiefungen, die senkrecht zur Längsaxe des Schlau- ches denselben umkreisen, in einzelne kugelförmige Abtheilungen geschieden. Es bedarf wohl keiner weiteren Andeutung, dass auch hier die Tunica muscularis das ursächliche Moment für diese äussere Gestalt ist. Ihr und der übrigen Häute Verhalten ist nun fol- gendes. Was die Tunica serosa anlangt, so besitzt sie in Ueber- einstimmung mit dem Fettkörper, von dem sie herstammt, eine ver- hältnissmässig geringe Entwickelung. Der ganze Körperbau dieses wasserbewohnenden Isopoden ist zart gegenüber dem der landbe- wohnenden Onisciden, was sich an allen Theilen, namentlich aber an den inneren Organen kenntlich macht. Der Fettkörper, der sich netzartig durch die Körperhöhle ausbreitet, überzieht nur mit zartem, leicht abstreifbarem Gewebe die Drüsenschläuche und reprä- sentirt durch hier und dort denselben anliegende Zellen, die unter sich und mit dem Fettkörper durch zarte Bänder in Verbindung stehen, die Tunica serosa. 4) J. Ritzema Bos: Bijdrage tot de kennis van de Crustacea hedri- ophthalmata van Nederland en zijne kusten. Groningen 1874. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 409 Die von ihr überdeckte Tunica museularis hingegen erfreut sich einer guten Ausbildung, und unterscheidet sich nicht unwe- sentlieh von dem Muskelnetz, das wir bei Porcellio kennen lernten. Auch hier haben wir zwar Muskelringe und dieselben zu einem engmaschigen Netz verbindenden Connectivfasern, aber gegenüber den unregelmässig und schräg zur Längsaxe des Drüsenschlauches verlaufenden Muskelringen, zwischen denen nicht minder unregel- mässig verlaufende longitudinale Fasern angespannt waren, um- kreisen bei Asellus alle Muskelringe, parallel untereinander lau- fend und senkrecht zur Längsaxe den Blindschlauch; in gleich regelmässiger Weise verlaufende longitudinale Fasern vollenden dann das minder dichte aber weit regelmässigere Muskelnetz (efr. Tat. XXXVIFig. 4). Hierdurch erklärt sich leicht das Fischreusen-artige Aussehen der Drüsenschläuche. Dasselbe entsteht zunächst nicht „durch die sphärische Form der Epitheliumzellen und die Dünn- heit der Tuniea propria“ wie Ritzema Bos!) will; denn die Muskelfasern, longitudinale sowohl wie ceirculäre ziehen, wie es gerade kommt, mitten über die einzelnen Drüsenzellen weg, sodass namentlich bei Contraction der Faser die Zelle an dieser Stelle mit einem Eindruck, einer Furche, versehen wird. Auf Taf. XXXVIFig. 4 habe ich versucht, dieses Verhalten durch Schat- ten, der über die Zellen betreffenden Ortes gelegt ist, anzudeuten. Diese Form der Museularis fand ich bei allen daraufhin un- tersuchten Crustaceen (Gammariden, Astacus, Carcinus, Crangon) allerdings in verschiedenem Grade entwickelt, wieder. Wenn sich, soweit meine Untersuchungen reichen, einzig die landbewohnen- den Isopoden von dieser Grundform entfernen, so hat mir — na- türlich mit allem Vorbehalt — gedäucht, dass dies vielleicht mit eben diesem Landaufenthalt in Zusammenhang steht. Derselbe bringt eine wasserärmere Nahrung (die Onisciden sind ebenso wie Asellus herbivor und leben vorzugsweise von vermodernden pflanz- lichen Theilen) mit sich und verlangt demgemäss einen reichliche- ren Zufluss von Secret; im Zusammenhang hiermit steht dann die unzweifelhaft stärkere Entwicekelung der Mitteldarmdrüse der Land- 1) Ritzema Bos: Bijdrage tot de kennis van de Crustacea hedrioph- thalmata van Nederland en zijne kusten. Groningen 1874, pag. 77: Uitwendig vertoonen de leverzakken en enigszins gegolfd voorkomen, dat het gevolg is van den sphaerischen vorm der epitheliumcellen en van de dunheid der tunica propria. 410 Max Weber: Isopoden gegenüber der des Asellus und vielleicht auch die an- ‚dere Form des Muskelnetzes. Dass nämlich dieses kräftiger und ausgiebiger wirken wird als das Muskelnetz des Asellus, darf wohl nicht bezweifelt werden; denn einmal ist es um Vieles eng- maschiger, wodurch es allseitiger auf die zu entleerenden Zellen einwirken kann, zum anderen Mal dürfte die — wenn ich so sa- gen darf — spiralige Form desselben von wesentlicherem Einfluss sein auf die Beförderung des Secretes, als das mehr in einer Richtung wirkende Muskelnetz der Drüsenschläuche des Asellus. Schon bei Besprechung der Museularis der Onisciden hatte ich Gelegenheit mich dahin auszusprechen, dass die Muskelringe als einzelne Muskelzellen aufzufassen seien, entstanden aus relativ grossen Zellen, die dem embryonalen Drüsenschlauche anlagen, spindelförmig auswuchsen und sich endlich zu einem Ringe schlos- sen. Ich befinde mich demnach in Uebereinstimmung mit den Be- schreibungen, die Spangenberg!) von den Muskelringen des Dar- mes des Dranchipus, Claus?) von Muskeln der Arguliden und ganz besonders neuerdings von der Darmmuskulatur der Phroni- miden gegeben hat. Namentlich Spangenbergs Angaben von den Muskelreifen des Darmes des Dranchipus stagnalis passen so genau auf unsere Verhältnisse, dass ich sie hier wörtlich an- führen will: „Diese Reifen zeigen Querstreifung und entsprechen jedesmal einer einzigen grossen Zelle, welehe anfänglich der Rük- kenfläche des Darmes aufgelegen haben muss, da sich an dieser Stelle der ursprüngliche Zellkern noch erhalten hat. Die beiden Enden der spindelförmigen Zelle dagegen haben den Darm um- griffen, um sich auf der Unterfläche desselben zu verästeln und entweder mit den Ausläufern benachbarter Zellen zu verschmelzen oder sich im Gewebe der Stützhaut zu verlieren.“ Auch bei Asel- lus-Embryonen gewahrt man meist an der Aussenseite der Drüsen- schläuche in einer Reihe gelegene Zellen, die dann in erwähnter Weise den Schlauch umgreifen, sich zu einem Ringe schliessen und durch seitliche Ausläufer unter einander in Verbindung tre- ten. Die ausgewachsenen Muskelringe behalten nun ihre Kerne 1) Spangenberg: Zur Kenntniss d. Branchipus stag. Zeitsch. f. wiss. Zool. XXV. 1875. 2) Claus: Ueber d. Entwickl. der Arguliden. Zeitschr. f. w. Zoologie. XXV. 1875. Claus: Der Organismus der Phronimiden. Arbeiten aus d. zoolog. Institut Wien. I. 1. pag. 31. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 411 in derselben Weise gerichtet wie ursprünglich, woraus sich deren regelmässige Lage erklärt. — Wir haben demgemäss hier wahre quergestreifte Muskelzellen vor uns. Ueber die den Drüsenzellen zunächst anliegende Umhüllungs- haut, die Tunica propria, weiss ich nichts Abweichendes zu bemerken. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Drüsenzellen so werden sie uns zwar einige Abweichungen von den gleichen Elementen der Onisciden zeigen, doch sind diese Unterschiede in keiner Hinsicht so eingreifend, dass nicht auf den ersten Blick die prineipielle Gleichheit beider sich erkennen liesse. Wenn wir auch hier mit dem beginnen, was uns Präparate zeigen, die mit Osmiumsäure behandelt wurden, so haben wir im Wesentlichen eine Wiederholung der bekannten Erscheinungen bei den Onisci- den: Zwei Zellarten, die sich zunächst durch den Farbenton in scharfem Contrast von einander abheben, indem die eine, in be- kannter Weise geschwärzt, einen auffallenden Gegensatz zu der an- deren, die hell bleibt, bildet. Ganz besonders frappant ist dieser Gegensatz bei Winterthieren oder solchen, die einer mehrwöchent- lichen Hungerkur unterworfen waren, da hier die Leberzellen oft nahezu frei von Seeretbläschen sind. Doch auch sonst heben sich die Fermentzellen und Leberzellen recht deutlich von einander ab, was besonders in einer Eigenart ihrer gegenseitigen Lagerung, die von der bei Onisciden beschriebenen abweicht, zu suchen ist. Nach Art polyedrischer Epithelzellen stossen sie nämlich mit deut- lich ausgesprochenen, wohlbegrenzten, graden Contouren an ein- ander und niemals bemerkt man an ihnen unregelmässige, Fort- sätze ausschickende Randzonen, mit denen, wie wir bei den Onisei- den früher sahen, die Fermentzellen unter die Leberzellen grei- fen (Fig. 4 auf Taf. XXXVW). Das fernere Verhalten der beiden Zellenarten ist im Wesent- lichen das uns bereits für die Landasseln bekannte. Die Fer- mentzellen enthalten eine wechselnde Anzahl feiner Granula, die sich in Osmiumsäure schwärzen, den Kern meist am reichlieh- sten umlagern, übrigens aber mehr weniger dicht durch die ganze Zelle verbreitet sind. Ich fand diese Granula auch bei echten Winterthieren, die im Frübjahr aus eben aufgethauten Tümpeln gefangen wurden, desgleichen auch bei Thieren, die ich systema- tisch in kleinen Gefässen hungern liess. Gerade unter solchen 412 ‘ Max Weber: Umständen liessen sich die Fermentzellen leichter erkennen, als bei Thieren, die in gutem Futterzustande waren und demgemäss mit Secret angefüllte Leberzellen hatten. 2. Asellus eavatieus Schiödte i. l. Obwohl der nächste Verwandte des Asellus aquaticus, jaihm so nahe stehend, dass von verschiedener Seite dessen Artberechtigung erst hat bewiesen werden müssen, verdient diese unterirdisch le- bende Assel dennoch bezüglich ihrer Mitteldarmdrüse besondere Erwähnung, da diese Drüse einige Eigenthümlichkeiten im gröbe- ren und feineren Bau besitzt, abweichend von dem bei Asellus aquaticus, worauf hinzuweisen ich bereits kürzlich in einer kleinen ‚ Mittheilung über Asellus cavaticus Gelegenheit hatte. Ich betonte dort, dass in der Gesammtbildung der vier Drü- senschläuche insofern eine Abweichung von dem Verhalten dersel- ben bei Asellus aquaticus zu verzeichnen sei, als dieselbe nicht gleich lang seien, sondern je der obere Schlauch der beidersei- tigen Drüsenpaare kaum den vierten Theil von der Länge des unteren erreiche, während letzterer in gewohnter Weise dem Darme eng anliegend die Leibeshöhle durchziehe. Ich konnte hierbei auf die immerhin eigenthümliche Thatsache hinweisen, dass demgemäss bei Asellus cavaticus „ein Zustand fixirt ist, der bei As. aquaticus nur in der Embryonalzeit sich vorfindet.“ Jetzt sei noch beigefügt, dass in einem recht frühen Stadium der Entwicke- lung, und zwar zur Zeit, wenn der Embryo des As. aquaticus noch im Besitz der blattförmigen Organe ist, diese Grössendiffe- renz der Schläuche besteht, um alsbald durch Auswachsen der kürzeren Schläuche ausgeglichen zu sein. „Bei As. cavaticus bleibt nun dieser nur für eine kurze Entwicklungsphase des As. aquati- cus eharakteristische Zustand dauernd bestehen“ !). Was den histologischen Bau der Drüsenschläuche angeht, so ist zunächst die grosse Zartheit des ganzen Organes zu betonen, die in Einklang steht mit dem zarten Wesen des ganzen Thieres. Letzteres ist aber eine Eigenthümlichkeit, die wohl alle Thiere 1) Max Weber: Ueber Asellus cavaticus Schiödte. Zoolog. Anzeiger 1879. Nr. 27. . Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 413 der Dunkelfauna gegenüber ihren Gattungsverwandten der Tages- fauna darbieten. Die Serosa der Drüsenschläuche erfreut sich, wie überhaupt der ganze Fettkörper, einer wenig starken Entwickelung. Auch die Tunieca muscularis ist von recht zarter Beschaffenheit, im Uebrigen aber nicht abweichend in ihrer Structur. Die Muskel- ringe sind hier wie dort verbunden durch der Länge nach ver- laufende Fasern und verursachen auch das rosenkranzartige Aus- sehen der Schläuche. Ueber die Tunieca propria ist nichts besonderes zu melden. Anlangend das Drüsenparenchym selbst so glaubte ich mich im Hinblick auf die mitgetheilte geringe Entwickelung der oberen Drüsenschläuche, am vorerwähnten Orte also aussprechen zu dürfen: „Im Gegensatz zu dieser räumlich geringeren Ausbil- dung der Leberschläuche erscheinen die dieselben aufbauenden Zellen unverhältnissmässig viel grösser als im As. aquaticus. Dürfte dies als compensatorisch anzusehen sein?“ Und in der That der Unterschied in der Grösse der Drüsen- zellen beider Aselli ist ein ganz bedeutender, er betrifft beide Zellen- arten gleichmässig und ist weit auffälliger als Taf. XXX VI Fig. 6 im Gegensatz zu Taf. XXXV1 Fig. 4 darstellt. — Ob auch andere Ele- mentartheile des Organismus bei Asellus cavaticus eine so aus- nahmsweise Grösse erreichen, weiss ich zur Stunde noch nicht; wäre dem der Fall, so würde dies an ähnliche Verhältnisse des Proteus erinnern. Im Uebrigen zeigen die Drüsenzellen gleiche Beschaffenheit, gleichen Inhalt wie diejenigen der in den Tage- wässern lebenden Assel. Doch zeichnen sich ebenfalls die Zell- kerne durch ihre riesige Grösse aus. Besondere Erwähnung ver- dient, dass auch die Granula der Fermentzellen, die bei Asellus aquaticus schon durchgehends grösser sind als bei den Onisciden, bei Asellus cavaticus wiederum eine bedeutendere Grösse haben als beim As. aquaticus. Die Leberzellen werden stets nur sparsam mit hellen Seerettröpfehen besetzt angetroffen; wie denn auch aus manchen anderen Gründen erschlossen wurde, dass der Stoffwech- sel dieser unterirdisch lebenden Assel kein allzu reger sei. 414 Max Weber: Nachdem ich in den vorstehenden Zeilen darauf ausgegan- gen bin, den gröberen nnd feineren Bau der Mitteldarmdrüse der Isopoden an vier Vertretern derselben, die doch den möglichst verschiedenen Lebensbedingungen ausgesetzt sind, darzulegen, nach- dem ich somit glaube eine genügende morphologische Grundlage gewonnen zu haben, dürfte es jetzt an der Zeit sein den Versuch einer Lösung der Frage zu wagen: „welcher Art ist der In- halt der beiden Zellenarten, welches seine Function, welches seine Bedeutung iür den Organismus“, um da- durch soweit möglich die Funetion der Drüse feststellen zu können. Bei Beurtheilung der folgenden Zeilen möge man gütigst im Auge behalten, dass ich mich, die streng morphologische Be- schauung verlassend, auf ein gewagtes Gebiet hinausbegeben habe, auf welchem keine Vorarbeiten die Schritte leiten, oder nur solche Arbeiten, denen sich allein noch historisches Interesse, keine Be- lehrung mehr abgewinnen lässt. Erschwerende Umstände der Un- tersuchung bieten ferner die Veränderungen nach Jahreszeit, Nah- rungsaufnahme, und manchen anderen Zuständen, die sich in der Drüse abspielen und sich unseren Blicken theils ganz entziehen, theils nur schwer enthüllen lassen. Für unsere Betrachtung dürfte es zweckdienlich sein, zu- nächst auf die Eigenschaften des Secretes der Drüse, wie es sich in deren Lumen angesammelt findet, einzugehen. Es wurde be- reits hervorgehoben, dass dasselbe eine braune Farbe habe mit einem schwachen Stich ins Grünlichgelbe. Dasselbe ist specifisch schwerer als Wasser, wie daraus hervorgeht, dass bei Eröffnung eines Drüsenschlauches unter Wasser, dessen Secret wolkig aus- einander fahrend, zu Boden sinkt, sich dann aber allmählich dem Wasser beimischt. Es ist mithin auch in Wasser löslich. Dass dasselbe vorwiegend von den Leberzellen geliefert wird, braucht wohl kaum angedeutet zu werden, denn 1. nehmen diese Zellen den grössten Raum der Zellauskleidung der Drüsenschläuche ein, so- wohl was die Flächenausdehnung als auch namentlich die Ausdeh- nung der Zellen in die Höhe anbelangt, 2. ist entsprechend dieser Thatsache das Secret, welches diese Zellen befassen und secerniren können, natürlich massenhafter, als dies für die Fermentzellen gilt; 3. befindet sich das Secret nach Consistenz und optischem Verhal- ten in Uebereinstimmung mit den Secretbläschen der Leberzellen. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 415 Die Granula der Fermentzellen scheinen sich in dem Drüsen- secret zu lösen; denn in demselben bemerkt man nichts von ihnen, auch nieht nach Zusatz von Acid.- osmicum. Da die Gra- nula im Wasser löslich sind, so hat dies nichts widersinniges. Wenn nun auch diese Annahme richtig ist, so werden doch ande- rerseits die Eigenschaften des Seeretes hierdurch nicht so sehr verändert werden, dass sie nicht auch als die vorwiegenden Ei- genschaften der Secretbläschen der Leberzellen betrachtet werden dürften, um so mehr, da diese ja doch das vorwiegende Consti- tuens des Secretes bilden. Die Eigenschaften, die wir dem Se- erete zuerkennen dürfen, werden daher auch vornehmlich Geltung haben für die Secretbläschen der Leberzellen. Bringt man das Secret in wässerige Lösung, indem man zer- kleinerte Drüsenstücke mit destillirtem Wasser extrahirt, wel- ches alsdann eine gelbe Farbe annimmt; so lassen sich hiermit spectral-analytische Prüfungen vornehmen, die mir folgende Re- sultate lieferten. Bei gleichzeitig angestellten Controllversuchen mit höchst verdünnter Galle vom Frosch und vom Ochsen, stellte sich eine unverkennbare Uebereinstimmung der Absorptions-Spee- tren der Frosch-Galle und des wässerigen Drüsenseeretes des Asellus heraus. Dieses durch Wasser verdünnte Secret gab ferner auf Zusatz von Acid. nitr. fumans Farbenringe, die lebhaft an die Gmelin’sche Reaction erinnerten. Sie liessen sich kaum von den Farbenrin- gen unterscheiden, die bei gleicher Behandlung sehr verdünnte !) Frosch- und Ochsengalle lieferte. Die unzureichende Menge, der zu solchen Versuchen nöthigen kleinen Crustaceen gestattete lei- der nicht mit einem concentrirteren Extraet der Drüsenschläuche diese Versuche zu wiederholen und erlaubt daher nicht mit Si- cherheitsagen zu können: das Drüsenseceretgibtdie Gmelin’- sche Reaction ?2). Endlich sei noch angeführt, dass man zuweilen das Glück hat in den Darmecontentis wohlausgebildete Chole- 1) Die Galle wurde bis zu dem Grade verdünnt, dass sie eine nahezu gleiche Farben-Intensität hatte, wie das verdünnte Drüsen-Secret des Asellus. 2) Dass die neuerdings durch Cadiat (Gazette medicale de Paris 1878) gewonnenen Resultate, von denen ich leider erst nachträglich Kenntniss neh- men konnte, die hier geäusserte Ansicht über eine Gmelin’sche Reaction in erfreulicher Weise stützen und ihnen das Unsichere nehmen dürften, soll am 416 Max Weber: stearin-Krystalle !) anzutreffen. Auch dürfte hier die Bemerkung ihren Platz finden, dass nicht nur in den Exerementen der Onisciden, die mit rohen Kartoffeln gefüttert wurden, sondern auch in denen des Asellus aquaticus, der sich vorwiegend von vermodernden Wasserpflanzen (Callitriche,, Ceratophyllum, Lemna u. s. w.) er- nährt, prachtvolle Stärkemehlkörner vorkommen. Diese verschiedenen mitgetheilten Befunde dürften nun wohl die Ansicht nieht unwahrscheinlich machen, dass in dem Drüsen- seeret Farbstoffe enthalten sind, die den Gallenfarbstoffen der Vertebraten nahe stehen dürften, wahrscheinlich aber, selbst wenn sie diesen durchaus chemisch nicht identisch sind, für den Thier- körper eine gleiche functionelle Rolle spielen. Die Production dieserFarbstoffesucheichnunin den Leberzellen, ihren Sitz ineben den Secretbläschen derselben. Wenn wir densel- ben nun auch eine fettartige Natur zuschreiben müssen — ich sage fett- artig, da sie in vielen Hinblicken sich entschieden nicht unter den Begriff Fett bringen lassen —, so dürfte hierin durchaus kein Ge- senbeweis gegen unsere Ansicht liegen, da es ja genügend bekannt ist, dass namentlich bei Wirbellosen das Fett Pigmente gelöst enthält. Wenn man auch demgegenüber einwenden könnte, dass dann auch das Vorkommen gefärbten Fettes in der Drüse nichts Absonderliches sei und die alte Ansicht bestehen lassen möchte, dass dieselbe weiter nichts sei als ein Fettreservoir, so muss ich demgegenüber erwiedern, dass es doch ein besonderer Zufall wäre, wenn bei wohl allen Crustaceen, die sich einer gesonderten Mittel- darmdrüse erfreuen, gerade diese den Vorzug haben sollte, ge- färbtes Fett zu deponiren, während die übrigen fetthaltenden Ge- webstheile sich damit begnügen müssen, ungefärbtes Fett zu be- fassen ?). Ich glaube vielmehr, dass es gerade eine funetionelle Schlusse dieses Abschnittes dargethan werden. Cadiat gelang es nämlich ebenfalls bei den verschiedensten wirbellosen Thieren in den Darmdrüsen Farbstoffe nachzuweisen, welche die Gallenfarbstoff-Reaction mit Salpeter- säure geben. 1) Diese wurden auch von Schlemm bei Astacus gesehen und abge- bildet: De hepate ac bile crustaceorum et molluscorum quorundam. Disser- tatio. Berol. 1844. 2) Denn dass auch in anderen Gewebstheilen gefärbte Fetttropfen — die Schmuckfarben — vorkommen, z. B. bei Gammarus Roeselii und locusta, oe Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 417 Eigenthümlichkeit unserer Drüse ist, Farbstoffe zu pro- dueiren und nach Aussen zu schaffen. Es ist auch nicht abzu- sehen, welche Bedeutung es haben sollte, in den Drüsenzellen Fett, in solcher Masse abzulagern, da doch der Fettkörper das Fett- depositorium par excellence ist; noch weniger begreiflich wäre es aber, dass dieses Fett nun in den Darm ergossen würde — und thatsächlich verlassen ja die Secrettröpfehen ihre Zellen um das Drüsenseeret zu bilden. — Wohl aber kann man sich vorstellen, dass hier „Gallenfette“ vorliegen. Wenn ich hierbei den Nachdruck auf „Galle“ legen möchte, so ist es selbstverständlich, dass ich nicht der Meinung bin auf Grundlage der morphologischen Befunde und der Versuche, deren primitives Wesen und deren zahlreiche Lücken ich völlig aner- kenne, in den Leberzellen ein Secret nachgewiesen zu haben, das mit den Gallenfarbstoffen, wie sie uns zur Zeit von den Wir- belthieren her bekannt sind, chemisch übereinstimmt. Wohl aber glaube ich, dass wir es hier mit einem Gemenge zu thun haben, welches functionell diesen thierischen Farbstoffen gleichwerthig ist und im Stoffwechsel des Crustaceenkörpers dieselbe Rolle spielt, wie die Gallenfarbstoffe in dem des Wirbelthierkörpers. Von diesem Gesichtspunkte aus halte ich mich denn auch berechtigt, die Zellen, die das in Frage stehende Secret produci- ren und enthalten: „Leberzellen“ zu nennen, wobei ich stets bereit sein werde, eine plausibeler klingende Auffassung mit Dank anzunehmen. Die zweite Zellenart habe ich bisher unter dem Namen: „Fermentzellen“ aufgeführt und ihrem morphologischenVerhalten nach näher beleuchtet. Dass dieser Name mit Rücksicht darauf gewählt wurde, dass ich der Meinung bin, in ihnen Zellen sehen zu müssen, deren Secret fermentirend auf die Ingesta wirkt, bedarf keiner Erklärung, wohl aber diese Meinung eines Be- w eises. Ich will damit anheben, dass es nach den schönen Unter- suchungen Hoppe-Seylers und Krukenbergs jetzt wohl zu den gesicherten Thatsachen gehört, dass die Mitteldarmdrüse der wird man nicht gegen mich anführen, da sie ja eben durch ihr vereinzeltes Auftreten aus dem übrigen Fettgewebe sich herausheben und damit einen „Schmuck“ bilden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17, 27 418 Max Weber: Orustaceen Enzyme secernire, dass mithin in ihr fermentbildende Zeilen vorkommen müssen. Da aus naheliegenden Gründen die beiden genannten Forscher — auch Krukenberg nicht, der im Uebrigen eine grosse Zahl von verschiedenen Crustaceen auf das senaueste untersuchte — solche kleine Kruster, wie die Onisciden und den Asellus, nicht zu ihren Studien über den Drüsensaft ver- wandt hatten, musste ich mir zunächst die Frage vorlegen, ob auch die Drüse dieser Crustaceen ein verdauungskräftiges Fer- ment secernire. Es liegt auf der Hand, dass zur Beantwortung dieser Frage eine reichliche Anzahl von Asseln erfordert wurde. Wenn daher meine Versuche, bei deren Anstellung ich mich sei- nerzeit in Bonn der gütigen Hülfe meines, in solchen Dingen so wohl bewanderten Freundes Dr. Nussbaum zu erfreuen hatte, durch Mangel an genügendem Material und durch Ortswechsel auch nicht die gewünschte Ausdehnung erreichen konnten, so dürfen doch immerhin die gewonnenen Resultate für unsere gegenwärtigen Ab- sichten als vollkommen ausreichend gelten. Aus diesen Versuchen sei Folgendes mitgetheilt. ' Einer Anzahl verschieden grosser Thiere von Porcellio wur- den die Drüsenschläuche entnommen. Dieselben waren verschie- den gefärbt, bei einzelnen waren sie blass-gelb, bei anderen dun- kel-orangeroth, wieder bei anderen grau-gelb. Für diese Farben- unterschiede liessen sieh keine Beziehungen finden, weder zum Füllungsgrade des Darmes, noch zum Geschlecht des Thieres, noch zu dessen Grösse, noch endlich zum jeweiligen Zustande des Haut- panzers hinsichtlich dessen Häutung !). Diese Drüsenschläuche wurden in drei gleiche Portionen vertheilt. Die eine derselben wurde in einer 0,1%, die zweite in einer 0,2°/, Lösung von Acid. muriat., die dritte endlich in einer 0,5 % Kochsalzlösung mit einer gut gereinigten Fibrinflocke zusammengebracht und bei kühler Zim- mertemperatur (12°—14° R.) 24 Stunden lang darin belassen. Die 1) Dieser Thatsache geschieht hier Erwähnung mit dem Auge auf Cl. Bernard’s jüngste Mittheilungen. Der berühmte französische Physiolog will nämlich gefunden haben, dass die „Leber“ des Astacus und anderer Decapo- den nur in der Zwischenzeit zwischen zwei Häutungen eine „secretion bi- liaire“ hat und dass zur Zeit der Häutung eine Glycogenbildung Statt hat. Weiter unten werde ich Gelegenheit haben, diesbezüglich meine entgegenge- setzte Ansicht zu entwickeln. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 419 Fibrinfloeke in der 0,2 °/, Salzsäure-Lösung zeigte sich vollständig verdaut und ergab sich hier eine deutliche Pepton-Reaction. Für die 0,10%, Lösung liess sich diese nicht nachweisen. — Anlan- gend die 0,5 %/ Kochsalzlösung, so kam ich nach dem einmaligen Versuche zu keiner bestimmten Ansicht. — Aus dem Mitgetheil- ten geht also mit Sicherheit hervor, dass die Drüsenschläuche jedenfalls ein peptisches Enzyem secerniren und dass mithin be- züglich der Thatsache, dass die Mitteldarmdrüse ein ver- dauungskräftiges Secret liefert, die Isopoden sich nicht unterscheiden von den übrigen von Krukenberg untersuchten zahlreichen Crustaceen. Lagen einmal berechtigte Gründe vor nach Fermentzellen suchen zu dürfen, so konnte nicht lange Zweifel darüber obwal- ten, in welchen der beiden Zellenarten diese gesehen werden mussten. Der Auffassung, zu der ich gedrängt werde, habe ich denn auch bereits durch Wahl des Namens „Fermentzellen“ Ausdruck verliehen. Als Zeugniss dafür, dass bei dieser ganzen Untersuchung nicht Voreingenommenheit im Spiele war und das Ob- jeet sich dem beobachtenden Auge und dem suchenden Geiste gefällig erwies, ist es vielleicht erlaubt anzudeuten, dass auf um- gekehrtem Wege als dem soeben befolgten, diese Resultate gewon- nen wurden. Einzig bekannt mit der landläufigen Ansicht in der Mitteldarmdrüse der Crustaceen ein mit den vagen Functionen einer „Leber“ betrautes Organ erblicken zu müssen, gab der Fund der Fermentzellen des Asellus durch deren grosse Aehnlichkeit mit den ebenfalls mit Osmiumsäure behandelten Fermentzellen, wie sie uns Nussbaum bei den Wirbelthieren hat kennen gelehrt, zuerst Veranlassung nach stichhaltigeren Gründen für eine eventuelle Vergleichung derselben zu suchen, als eine gewisse ähnliche äus- sere Erscheinung sie an die Hand gibt. Solche stichhaltigere Gründen glaube ich nun in folgenden Punkten zu finden. 1. Aus den Befunden Hoppe-Seyler’s und ganz besonders Krukenberg’s liess sich schon erschliessen, dass auch die Mittel- darmdrüse der Isopoden einen Verdauungssaft secernire, durch angestellte Versuche konnte ich dies zur Thatsache erheben. Die Frage, die nun zur Entscheidung vorlag, war folgende: Produeiren die Zellen, die ich Leberzellen, oder diejenigen, die ich Ferment- zellen nannte, dieses verdauungskräftige Ferment. 430 Max Weber: 2. Dass dies in den Leberzellen nicht geschieht, dafür sprechen die Eigenschaften des Secretes derselben; und diese Ei- genschaften sind in keinem Punkte solche, wie sie uns derzeit von Fermenten bekannt sind. Im Gegentheil, Alles weist darauf hin, dass dieses Secret eher Alles mögliche andere sein kann, als ge- rade ein Verdauungsferment. Seine fettartige Natur — wobei wir von dem in ihm enthaltenen Farbstoffe gar nicht einmal reden wollen — die Thatsache, dass es weder durch Wasser noch durch Glycerin, wohl aber durch Aether extrahirt wird; Alles dies spricht gegen die Leberzellen als Producenten des Verdauungsfermentes und begünstigt andererseits die bereits motivirte Auffassung, dass hier Zellen vorliegen, die gewisse Funetionen der Leber ver- richten. 3. Schon per exelusionem müssen wir daher in der zweiten Zellenart die Fermentbildner suchen. Doch nebenbei gibt es auch positive Thatsachen, die ihr Gewicht zu Gunsten dieser Ansicht in die Waagschale werfen. Zum Ausgangspunkt meiner ganzen Untersuchung nahm ich die Erscheinung, dass die eine Zellenart (Fermentzellen) der Drüsen- schläuche sich in Osmiumsäure rasch und intensiv schwärzt, wäh- rend das Secret der anderen (Leberzellen) erst nach längerer Ein- wirkung der Säure seinen Indifferentismus dieser gegenüber auf- gibt — ganz analog dem Fett und der Galle. Wenn ich nun hieraus Schlüsse ziehe über das Wesen dieser Secrete, so stütze ich mich hier- bei auf die eigenthümliche Reaction der Osmiumsäure auf Fermente, wodurch es Nussbaum !) gelang, den Sitz dieser in den Ver- dauungsdrüsen der Wirbelthiere auf das deutlichste nachzuweisen. Die Bedingung, um dies thun zu dürfen, lag dann wieder für mich in der Thatsache, dass auch unsere Drüse auf Ingesta fermentirend einwirkt. Entsprechend dieser Thatsache deute ich nun auch die Zellenart, die die Nussbaum’sche Reaction gibt, als Ferment- bildner. Neben diesem Analogie-Schluss will ich dem auffallend über- einstimmenden Aussehen der Granula der Fermentzellen der Isopo- den mit denen der Wirbelthiere (Fermentzellen der Labdrüsen 1) M. Nussbaum: Die Fermentbildung in den Drüsen. 1. Mittheil. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. XII. 2. Mitth. ebenda. Bd. XV. 3. Mitth. ebenda. Bd. XVI. a Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 421 Speicheldrüsen) nicht zu viel Gewicht beilegen, jedoch schliesslich noch hervorheben, dass es ebenso wie bei den Fermentzellen der Wirbelthiere, so auch bei denen der Isopoden gelingt, nach Ex- traction der Drüse mit Wasser oder Glycerin die charakteristische Sehwärzung durch Osmiumsäure aufzuheben, da ja eben die Gra- nula hiedurch extrahirt werden. Endlich will ich noch eine Betrachtungsweise zu Gunsten meiner Ansicht entwickeln. Man könnte gegen dieselbe mit vollem Rechte vorbringen, dass der körnige, in frischem lebendem Zu- stande ungefärbte, das Licht brechende, mit Osmiumsäure sich schwärzende Inhalt der Fermentzellen noch manches andere als gerade ein Ferment sein könne. Auch ich habe mir diesen Ein- wand gemacht und danach meine Untersuchung eingerichtet. Ich glaube man könnte hierbei füglich nur folgende Körper im Sinne haben: ein Kalksalz, harnsaure Salze), Trauben- zucker und Glycogen. Was die beiden ersten angeht, so konnten sie nach Anwen- dung der bekannten Reagentien ?2) alsbald ausgeschlossen werden. Ebenso Traubenzucker, da derselbe sich in Osmiumsäure nicht schwärzt. Dasselbe gilt vom Glycogen; wiederholte Versuche be- lehrten mich, dass dieser Körper sich in Osmiumsäure durchaus nicht schwärzt, sondern zu einer kleisterartigen Masse auflöst. Gegen die Annahme, dass Glycogen in den Fermentzellen enthal- ten sei, sprach von vornherein schon die Thatsache, dass auch bei hungernden Thieren, desgleichen beim winterschlafenden Asellus die Granula sich vorfinden, was doch für Glycogen nieht gegol- ten hätte. So komme ich denn wiederum per excelusionem zu dem Schlusse, dass die Zellen, die ich Fermentzellen nannte, in der That Fermentbildner sind, dass sie der Ort sind, wo der fermen- tirend auf die Ingesta wirkende Theil des Seceretes der Mitteldarm- drüsen produeirt wird. 1) Ich habe hier die Malpighi’schen Gefässe im Auge. 2) An dieser Stelle möchte ich das kohlensaure Lithion in concentrirter Lösung zum mikrochemischen Nachweis harnsaurer Salze besonders empfehlen. Auf Anrathen Dr. Nussbaum’s gebrauchte ich dasselbe vielfach beim Stu- dium der Crustaceen mit vielem Erfolg, so zum Nachweis harnsaurer Con- cremente im Fettkörper ete. Dasselbe verändert die Gewebe unbedeutend. 422 Max Weber: Ueber die Werkstätte des Secretes in toto habe ich mir aber ‚folgende Vorstellung gebildet. Die Mitteldarmdrüse steht zweierlei Functionen vor. Ein- mal einer solehen, die wir einen Theil der Thätigkeit der Leber höherer Thiere ausmachen sehen, nämlich die. Bildung von thieri- schen Farbstoffen, zum anderen Mal einer solchen, die, abermals bei höheren Thieren, den Verdauungsdrüsen des Darmes zufällt, näm- lich die Bildung von verdauungskräftigem Ferment. Um dieser doppelten Anforderung zu genügen, herrscht in der einschichtigen Zellenlage der Drüse Arbeitstheilung, indem entsprechend den zwei besonderen Arten der Thätigkeit zwei besondere Zellenarten da sind, um diese zu verrichten. Nach Art der Felder eines Schach- brettes lagern diese neben einander. Die eine flächenhaft, nur wenig in der Höhenausdehnung entwickelt, bildet ein körniges ' Secret: „Fermentzellen“, die andere in allen Dimensionen grösser, namentlich aber in der Höhenausdehnung, bildet Secretbläschen, die einen Farbstoff enthalten: „Leberzellen“. Da somit die bisher übliche Bezeichnung „Leber“ für die Drüse nur die eine Eigenschaft derselben zum Ausdruck bringt, so möchte ich für dieselbe den Namen Hepatopancreas in Vor- schlag bringen. Derselbe ist zuerst von Krukenberg!) für die Leber (Pankreas) der Fische angewendet worden; er schreibt: „Was als Leber bezeichnet wurde, ist Leber und Pankreas zu- gleich, es ist ein Hepatopancreas.“ Wenn er alsdann weiter schreibt: „Solche Schlüsse waren bei den Evertebraten noch nicht erlaubt; von deren Lebern wissen wir noch nicht, ob wir sie in mehrere Organe auflösen werden; ob ihr Secret aus funetionell verschiedenen Zellen stammt“, so glaube ich für die oben be- schriebenen Crustaceen dargethan zu haben, dass das zwiefach geartete Secret der Mitteldarmdrüse derselben zwei functionell ver- schiedenen Zellenarten entstammt, es dürfte somit wohl mit einigem Rechte auch hier das einheitlich erscheinende Drüsenorgan durch die Bezeichnung Hepatopancreas in seiner doppelten Funetion charakterisirt werden. Dass damit dieses Secret nicht der Galle und 1) Krukenberg: Vergl. physiol. Beiträge zur Kenntniss der Ver- dauungsvorgänge. Untersuch. aus dem physiolog. Institut Heidelberg. Bd. II. Heft 1. 1878. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 423 dem Pancreassaft der Wirbelthiere chemisch identifieirt werden soll, liegt auf der Hand, es soll nur die functionelle Gleich- werthigkeit durch die Wahl dieses Namens zum Ausdruck kommen !). I. Amphipoda. Aus diesem Formenkreis untersuchte ich zur Zeit nur ver- schiedene Vertreter der Familie der Gammariden, nämlich die beiden in unseren Süsswässern lebenden: Gammarus pulex De Geer und /luviatilis Roesel, ferner den unterirdisch lebenden Gammarus (Niphargus) puteanus Koch und als Vertreter der marinen Fauna: Gammarus marinus Leach, @. locusta L., sowie Talitrus und Or- chestia. Da die Mitteldarmdrüse derselben insgesammt nach einem Schema gebaut ist, gelten die nachfolgenden Mittheilungen für alle. Dieselben mögen eingeleitet sein mit einem kurzen Refe- rate über das, was bereits über dieses Organ in der Literatur niedergelegt ist. 1) Nachträglich finde ich, nach Abschluss des Obigen, höchst wichtige Mittheilungen von Cadiat (Gazette medicale de Paris 1878, pag. 270), die eine bedeutsame Stütze bilden dürften für das, was ich hinsichtlich einer Gmelin’schen Reaction des Farbstoffes der Leberzellen anführen konnte. Cadiat untersuchte nämlich die Hundeplacenta, die Leber der Gasteropoden, die Malpighi’schen Gefässe der Insecten und die Darmdrüse der Holothurie und fand stets Farbstoffe in diesen, die mit Salpetersäure dieselben Farben- veränderungen wie die Galle der Wirbelthiere erleiden. Ja sogar bezüg- lich der zusammengesetzten Ascidien kann Cadiat sagen: „on trouve de meme dans les parois mömes du tube digestif des cellules remplies de ma- tiere brune qui subit les reactions de la biliverdine.* Obwohl er nun die Crus- taceen nicht untersucht hat, kommt er doch zu folgendem Schlusse: „Ainsi dans toute la serie animale partout oü existe une cavit& digestive se trouve un organ biliaire avee des dispositions & peu pres identiques“. Die Lücke in seiner Untersuchungsreihe dürfte durch das oben Mitgetheilte ausgefüllt sein und unser beider Resultate einander in erfreulicher Weise stützen. 494 Max Weber: Wie überhaupt die Familie der Gammariden schon vielfach die Aufmerksamkeit der Naturforscher gefesselt hat, so besitzen wir ‚denn auch über die „Leber“ derselben einzelne detaillirte Angaben, ja man kann wohl sagen in mancher Hinsicht die genauesten über den feineren Bau dieser Organe bei den Crustaceen überhaupt. Die ersten beachtenswerthen Aufzeichnungen dürften sich in dem bereits mehrfach eitirten Werke Frey’s und Leu- ckart's !) finden. Speciellere Angaben, namentlich die Umhül- lungs-Häute der „Leber“ des Gammarus betreffend, machte dann Leydig 2), die späterhin gleichzeitig durch ihn selbst?) und durch von la Valette St. George *) erweitert wurden. Von ersterem Forscher durch eine schematische Abbildung des blinden Endes eines Drüsenschlauches, von Letzterem endlich durch eine, durch Abbildungen erläuterte kurze Darstellung der Umhüllungs- Häute und der Drüsenzellen der Drüsenschläuche des Gammarus ‚puteanus. Dies ist die genaueste Mittheilung über das Verhalten dieser Häute, die wir bislang nicht nur bezüglich der Gammari- den, sondern der Urustaceen überhaupt besitzen. Ueber die seere- torischen Zellen dagegen lassen sich beide Forscher nicht weiter aus, jedenfalls erweiternsie die vorausgehenden Mittheilungen Frey’s und Leuckart’s nieht. Eine Bereicherung haben unsere Kennt- nisse von diesen Organen seither kaum erfahren; denn weder Bru- zelius’ Untersuchungen haben Berichtigendes oder Neues beige- bracht nach auch Sars durch sein genaues Studium des Gam- marus neglectus unseren Gesichtskreis in dieser Hinsicht wesent- lich erweitert. Was das mikroskopische Verhalten der vier Drüsenfollikel angeht, die paarweise dem Darme eng anliegend vom Magen bis in die Nähe des Afters sich erstrecken, so will.ich auf die Ab- bildung bei von la Valette vom Gammarus puteanus und die- jenigen die G.O. Sars von verschiedenen Gammariden des süssen Wassers geliefert hat, verweisen. Man wird aus diesen ersehen, dass die Drüsenschläuche dieser Gammariden in ihrer äusseren Gestaltung viel Uebereinstimmendes mit denen des Asellus aquat. 1) Frey u. Leuckart: Lehrb. d. Anat. d. Wirbell. Thiere. 1847. \ 2) Leydig: In Müller’s Archiv 1855 p. 452. 3) Leydig: Lehrb. d. Histologie. p. 362. 4) von La Valette: De gammaro puteano. Dissertatio. Berolini. 1857. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 425 haben. Gleich diesen erhalten sie durch eireuläre, in geringen Ab- ständen von einander parallel verlaufenden Einschnürungen ein nahezu fischreusenartiges Ansehen, das sich jedoch niemals in so ausgesprochener Weise wie bei Asellus darthut. Die bereits mehrfach erwähnten drei Umhüllungshäute finden sich auch hier wieder. Hinsichlich der äussersten derselben: der Tunica serosa, hatte ich schon Gelegenheit deren besonders starke Entwickelung hervorzuheben. Ihr feineres Verhalten zum Drüsenschlauche ist folgendes. Das blinde Ende desselben ist meist dieht von Zellen des Fettkörpers überdeckt, der Art, dass dieselben eine geschlos- sene Zellenlage bilden. In dem Maasse wie der Umfang des Schlau- ches zunimmt, verliert dieses Zellenstratum seinen innigen Zu- sammenhang und löst sich zu einem mehr oder weniger engmaschi- gen Netze auf, wie esFig.1 Taf. XXX VII darstellt. Stets steht dasselbe durch Zellenstränge in innigem Verbande sowohl mit den gleichen Netzen der benachbarten Drüsenfollikel und des Darmes, als auch mit dem eigentlichen Fettkörper, der sich, der Leibeswand anlie- send, durch den ganzen Körper ausbreitet. Die Zellen der Tuniea serosa treten nun, ebenso wie die Zellen des Fettkörpers selbst, recht verschieden geartet in die Er- scheinung. Wenn man dieser Thatsache nachgeht und von dem nächstliegenden aber einseitigen Gesichtspunkte absieht, dass zwei- felsohne dem Fettkörper und dessen Derivaten auch die Aufgabe zufällt, ein Stütz- und Bindemittel für die Organe der Leibeshöhle abzugeben, so wird man allmählich weniger der Ansicht Raum ge- ben, dass wir es beim Fettkörper n’ur mit einer liegengebliebenen Summe von Mesoderma-Zellen zu thun haben, gewissermassen einem todten Material, gut genug, um Fett und Excretionsstoffe darin zu deponiren. Im Gegentheil, ein eingehenderes Studium des Fettkörpers dürfte vielleicht vielmehr darthun, dass derselbe neben seinen mechanischen Funetionen, wodurch er sich die Be- zeichnung ‚Mesenterium“ erworben hat, eine lebhaft agirende che- mische Werkstatt ist, welche aus dem kreisenden Blute Fett und Auswurfstoffe aufnimmt und vielleicht noch manches andere activ ausführt, statt der passiven Rolle, die man ihr zuzutheilen geneigt ist. So dürfte vielleicht das verschiedenartige Aussehen der den Fettkörper und die Tunica serosa aufbauenden Zellen, auf welche 426 Max Weber: hier näher einzugehen zu weit führen würde, seine Erklärung finden. Dass die nun folgende Umhüllungshaut, die Tunica museu- laris, in ihren Grundzügen sich gleich verhalten muss derjeni- gen des Asellus aquaticus, lässt schon die Gleichheit der äusseren Form der Drüsenfollikel beider erwarten. Wir finden auch hier die ringförmigen Einschnürungen des Schlauches bedingt durch eirculäre Muskelfasern, die ebenfalls durch longitudinale Fasern zu einem Netze verbunden sind. Da letztere in weit grösserer Zahl vorhanden sind, als beim Asellus, so ist das Muskelnetz beim Gammarus um Vieles engmaschiger. Die eireulären Fasern jedoch sind ungefähr gleichweit wie beim Asellus von einander entfernt und auch von nahezu gleicher Stärke. Letzteres hinwie- derum gilt nicht für die longitudinalen Fasern, deren grössere Fein- heit compensirt wird durch grössere Zahl. In wie weit dieses damit im Zusammenhang steht, dass die Seceretionszellen bedeutend kleiner sind als die der Wasserassel und somit ein engmaschigeres, wenn auch an und für sich nicht kräftigeres Muskelnetz von Vortheil sein musste, um die mit Seeret gefüllten Zellen zu entleeren, soll später näher angedeutet werden. Ueberflüssig wäre es, wohl noch besonders auszuführen, dass auch hier die eireulären Fasern einer einzelnen Muskelzelle ent- sprechen, was auch diesmal wieder der je einem Muskelringe zu- kommende Kern, die insgesammt in einer Richtung liegen, dar- thut. Dort wo der Kern liegt ist der Muskelring breiter als an- derwärts und gibt zahlreiche auch schräg verlaufende Conneectivfa- fern ab. Die Tunica propria endlich ist, wie bisheran stets, eine glashelle strueturlose Membran. Was die uns hier interessirende Literatur angeht, so sei folgendes angemerkt. Die drei geschilderten Umhüllungshäute waren Leydig und von la Valette bekannt. Es wurde bereits früher hervorgehoben, dass Ley dig !) eine Abbildung vom Gam- marıs gibt, in welcher er auch die Ringmuskeln schematisch dar- stellt, jedoch ohne die longitudinalen Fasern, obwohl er diesel- ben im Texte erwähnt. Diese‘ finden sich bei von la Va- l) Leydig: Histologie d. Menschen u. d. Thiere. p. 363. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 427 lette d) abgebildet und folgendermassen beschrieben: „museulis instructi sunt (traetus appendices) fortioribus, annulos in retis formam coniunctos effieientibus. Quorum musculorum contrac- tione organa illa constrietam aceipiunt speciem.“ Auch die Tunica propria und serosa bildet er genau ab, doch dürfte hier ein Irrthum obwalten, wenn er die erstere mit Kernen reichlich ausstattet, er wird hier die Zellen der Tuniea serosa gesehen ha- ben, die ja, weil die Tunica muscularis nur ein Netz ist, aller- dings der propria aufliegen. G. O. Sars?) endlich beschreibt in seinem schönen Werke über die Malacostraca des süssen Wassers von Norwegen die Tunica muscularis genau, spricht jedoch nicht von den übrigen Häuten der Drüsenfollikel. Nach näherer Würdigung der Umhüllungshäute möge nun die Betrachtung der Drüsenzellen folgen. Diese wird nun zu ganz anderen Resultaten führen, als man erwarten dürfte; denn die Aehnlichkeit der Umhüllungshäute mit den früher beschriebenen der Isopoden ist so gross und steht so sehr in Einklang mit der Gleichartigkeit im übrigen Baue der Isopoden und Amphipoden, die uns hier beschäftigen, dass es immerhin in Verwunderung setzen muss, die Drüsenzellen in mehr als einer Hinsicht völlig verschieden geartet anzutreffen. Ihrem Wesen und ihrer Anord- nung nach weisen sie entschieden den Typus auf, den wir bei Astacus wiederfinden werden, Allerdings sind auch bei den Gam- mariden die Drüsenschläuche von einer einschichtigen Zellenlage, die der Tuniea propria aufsitzt, ausgekleidet, allerdings ist auch hier diese Zellauskleidung aus zwei Zellenarten zusammengesetzt, aber schon der erste Blick genügt, um die gänzliche Abweichung vom Typus der Isopoden klar zu’ machen. Daneben aber genügt die- ser flüchtige Blick nicht, um den feineren Aufbau der Drüse zu erkennen, im Gegentheil, dieser Erkenntniss stellen sich reichliche Hindernisse entgegen, theils durch die Eigenthümlichkeit der ge- genseitigen Lagerung der Zellen, theils durch reichlich in den Zellen aufgehäufte und deren Grenzen verwischende Secretmassen. Daneben tritt dem Untersucher die Drüse in Folge wechselnder Zu- 1) von La Valette St. George: De gammaro puteano. Dissertat. Berol. 1857. p. 9. 2) G. OÖ. Sars: Hist. nat. des Crustaces d’eau douce de Norvöge. 1867. p. 58. 428 Max Weber: stände, die im Verband stehen mit der jeweiligen Function, auch in ihrem Aussehen so verschiedenartig entgegen, dass sich erst allmählich aus den verschiedenen Bildern die allen gemeinsamen Grundlinien zusammenstellen lassen. Diese will ich nun im Fol- senden nachzuzeichnen versuchen. Die Drüsenzellen präsentiren sich am deutlichsten in den mittleren Partieen eines Drüsenschlauches, der in bekannter Weise mit Osmiumsäure behandelt wurde. Schon bei schwacher Vergrös- serung gewahrt man hier, dass sechs bis acht alternirende Streifen von Zellen verschiedenartigen Aussehens, parallel zu einander die Länge des Schlauches bandartig durchziehen. Diese sechs bis acht Zellenstreifen sind nun von zweierlei Art, so dass je drei bis vier Zellenbänder gleichartig sind, welches Verhalten aus Taf. XXXVI Fig. 1 deutlicher werden dürfte. Hier sehen wir die Zellenbänder a und b unter einander abwechseln; das erstere: a enthält die in seeretorischer Function begriffenen Zellen, wogegen in letzterem: b die zukünftigen Secretionszellen, wenn man so sagen darf, die Reservezellen der ersteren gelagert sind. Nur aus Gründen der Bequemlichkeit und der Kürze hal- ber sei es gestattet, a das Secretionszellenband, b das Reservezellenband zu nennen, wobei wohl kaum bemerkt zu werden braucht, dass von einer prineipiellen Trennung, die etwa aus diesen steifen Namen herausgelesen werden könnte, nicht die Rede sein kann. Beginnen wir mit der näheren Betrachtung eines Secretions- zellenbandes. Dasselbe hat die Breite von ungefähr 4 bis 6 Zellen, die mehr oder weniger stark, meist jedoch recht erheb- lich mit Seerettröpfehen angefüllt sind, derart, dass man erst bei einiger Vertrautheit mit dem Objeete die verdeckten zarten polye- drischen Zellengrenzen bemerkt und nun sowohl bei frischen in Blutflüssigkeit untersuchten als auch mit Osmiumsäure behandelten Drüsenfollikeln gewahrt, dass zwischen den mit Secret- tröpfehen angefüllten Zellen hier und dort helle Stellen sich vorfinden, die sich schliesslich auch als polygo- nale Zellen ausweisen und eben dadurch, dass sie frei sind von den zahlreichen Secrettröpfehen, durch ihre gewissermaassen hellere Farbe zwischen den an- deren Zellen hervortreten. Meist stehen diese Zellen (Taf. XXXVII Fig. lc) in zwei aufgelösten Reihen zwischen den an- Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 429 deren zerstreut; wir wollen sie „Fermentzellen“ nennen im Ge- sensatze zu den anderen, mit Secrettröpfehen angefüllten Zellen, die „Leberzellen‘“ heissen mögen. Die Form der Fermentzellen ist, soweit sie sich bei der Betrachtung der Oberfläche eines Schlauches erkennen lässt, bald regelmässig polyedrisch, bald langgezogen, wie zusammengedrückt durch die Nachbarzellen, durehschnittlich jedoch von gleicher Grösse wie die Leberzellen. Ein ganz anderes Bild führt uns eine tiefere Einstellung des Focus vor Augen. Dasselbe zeigt uns nämlich eigenthümliche blasige Gebilde von wasserheller Farbe, die sich am ehesten Schleimkugeln vergleichen lassen; sie sitzen zwischen den, bei dieser Ansicht eigenthümlich gestalteten Leberzellen und bei einiger Vertrautheit mit dem Object erkennt man, dass diese Blasen den Fermentzellen entsprechen. Zu derselben Ansicht gelangt man ebenfalls, wenn es gelingt durch vorsichtiges Zer- zupfen eines Drüsenschlauches einen Einblick in dessen Inne- res zu gewinnen. Auf der Innenfläche eines Secretzellenbandes gewahrt man nämlich ebenso wie auf der Aussenfläche, eine felderige Zeichnung und sieht unter derselben die erwähnten Blasen durchschimmern (efr. Taf. XXXVIH Fig. 6u. 7c). Verschiebung des Focus thut nun dar, was sich leider bildlich nicht wiedergeben lässt, dass der Zellencontour ce der Blase zugehört, d.h. dass die Blase in einer Zelle sitzt, die an der Aussen- und Innenfläche des Drüsenschlauches polyedrisch abge- grenzt, zwischen diesen beiden Endflächen aber blasig aufgetrieben ist. Ringsum aber ist diese Zelle, die Fermentzelle, umstellt von den Leberzellen (Fig. 6 u.7a), die hinwiederum durch die eigenartige Formation der Fermentzellen in ihrer Gestalt beeinflusst werden. Ander Aussen- und Innenfläche des Drüsenschlauches, mithin an ihren beiden Endflächen, sind ja die Leberzellen gleich den Ferment- zellen polyedrisch; da sie nun schalenförmig die in ihrer Mitte aufgetriebenen Fermentzellen umgeben, so müssen sie mithin zwi- schen ihren Endflächen wenigstens nach einer Seite hin, und zwar derjenigen, welche der benachbarten Fermentzelle anliegt, econcav ausgehöhlt sein. Ihre beiden Endflächen sind demgemäss breiter als ihre mittleren Partieen und überdecken an der Aussenfläche und am Lumen des Drüsenschlauches einen Theil der Fermentzellen. Während mithin letztere ihre grösste Ausdehnung in ihren mittle- ren Partieen erreichen, geschieht dies bei den Leberzellen an de- 430 Max Weber: ren beiden Endflächen. Da nun die Leberzellen durchgehends nur mit einer Seitenfläche einer Fermentzelle, mit den anderen aber benachbarten Leberzellen anliegen, so ist auch nur eine Seiten- fläche ausgehöhlt, die anderen laufen von Aussen nach Innen ge- rade durch. Dieses Verhalten dürfte sich leicht aus Fig. 3 auf Taf. XXXVII erkennen lassen, wo die seitliche Ansicht eines Secretions- zellenbandes dargestellt ist. Auf diesem Bilde, dessen man leider nicht allzuhäufig ansichtig wird, sieht man in e den zwischen den Leberzellen a eingeklemmten Fuss und — an der Innenfläche: J des Drüsenfollikels — die entgegengesetzte Endfläche der Ferment- zellen ; ferner die der Art aufgetriebenen Blasen, dass nur noch ein schmaler Streifen des Zellenleibes neben ihnen übrig geblieben ist. Gleichzeitig haben dieselben auch die angelagerten Leber- zellen durch Druck soleher Gestalt verdünnt, dass auch bei Flä- chenansicht auf dieselben, wie in a‘, die Blasen durchschimmern. Reeapitulirend haben wir uns demgemäss den Aufbau des Secretionszellenbandes in folgender Weise vorzustellen. — Zwei Zellenarten setzen dasselbe zusammen. Die eine wird repräsentirt durch Zellen — „Leberzellen“ — die von zahlreichen Seerettröpf- chen angefüllt sind, mit breiter Basis der Tunica propria aufsitzen und deren eine Seitenfläche dort, wo sie an die andere Zellenart an- stösst, ausgehöhlt ist. Diese zweite Zellenart — „Fermentzellen“ — besteht aus Zellen, die durchgehends durch eine grosse Secret- kugel aufgetrieben sind; sie sitzen mit schmalem Fusse der Tunica propia auf, und sind zwischen den Leberzellen eingeklemmt. Wie man sich die Art der gegenseitigen Lagerung dieser bei- den Zellenarten und das Zustandekommen derselben vorstellen kann, dürfte wohl aus der folgenden Betrachtung hervorgehen. Stellen wir uns vor, dass in einer Lage gleichartiger polye- drischer Cylinderzellen vereinzelte derselben beginnen eine Secret- kugel zu bilden und zwar in der Mitte des Zellleibes. Folge- richtig wird diese Secretkugel bei zunehmender Grösse die um- liegenden Zellen zur Seite drängen und namentlich dieselben der Art in deren Mitte comprimiren, dass letztere sie schalenartig umgeben. Diese eomprimirten Zellen — die Leberzellen — haben sich aber gleichzeitig mit kleinen Secrettröpfchen gefüllt, die sich in Folge des von der Seeretkugel der Fermentzellen ausgehenden Druckes vorwiegend am Fusse ihrer Zellen ablagern und nun ihrerseits wieder eine Druckwirkung auf den Fuss der vereinzel- Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der COrustaceen. 431 ten Fermentzellen ausüben, wodurch gleichzeitig die Secretkugel derselben indireet lumenwärts gehoben wird. 1 Durch diese in einander greifenden und einander gegenseitig bedingenden Wirkungen dürfte auf mechanischem Wege das Bild erklärt sein, das uns die Drüsenschläuche im Längenschnitt sowie in der inneren und äusseren Flächenansicht darbieten. Vergegenwärtigt man sich nun, dass durch die enorme Aus- dehnung der Secretblasen eine Emporwölbung des ganzen Bezir- kes, in welchem dieselben liegen, mithin des Seeretionszellenban- des, zu Wege gebracht wird, so hat man gleichzeitig die Erklä- rung des eigenthümlichen Bildes zur Hand, welches Querschnitte darbieten. Bei diesen, die von Schläuchen gewonnen wurden, welche mit Osmiumsäure und Alkohol behandelt waren, müssen wir noch etwas verweilen. Zunächst fällt an einem solchen Querschnitt (Taf. XXXVIL. Fig. 2) auf, dass in das Drüsenlumen meist drei bis vier kuglige Erhaben- heiten hineinragen, die durch eine entsprechende Anzahl flacher Partieen, aus welchen sich eben diese Hügel allmählich empor- wölben, von einander getrennt sind. Es sind dies die mehrer- wähnten sechs bis acht Zellenbänder, und zwar entspricht den flachen Partieen das Zellenstratum, welches ich der Kürze halber mit dem Namen des Reservezellenbandes zu belegen mir erlaubte; die Emporwölbungen sind dann die Secretionszellenbänder. Ge- rade die Secretblasen der Fermentzellen bedingen aber die Em- porwölbung dieses ganzen Zellenlagers wie eingehends bereits be- merkt wurde; sie geht daher Hand in Hand mit dem Grade der Entwickelung der Secretblasen. Ist diese noch nicht bedeutend, so erhebt sich, wie z. B. bei Winterthieren, das Secretionszellen- band nur wenig über das Niveau des ganzen Zellenbelages der Drüsenschläuche. In diesem Falle sind natürlich gleichzeitig auch die Leberzellen weniger in ihrer Form verändert; ihre eine Sei- tenfläche ist weniger tief ausgehöhlt, die eylindrische Gestalt ist mehr beibehalten und die Secrettröpfehen — wenn in diesem Falle überhaupt vorhanden — sind durch die ganze Zelle zerstreut, jeden- falls nicht einzig auf deren Fuss beschränkt. Es dürfte jetzt an der Zeit sein näher auf die zweite Art der Zellenbänder, auf das Reservezellenband, einzugehen. An der Oberfläche des Schlauches stellt sich dasselbe dar als zu- sammengesetzt aus polyedrischen Zellen von hellem Aussehen, in de- 432 Max Weber: ren fein granulärem Protoplasma ein Kern mit Kernkörperchen sich kenntlich macht. Weiterhin kann ihr Aussehen in verschiedenen Schläuchen ein recht verschiedenes sein, indem sie bald ganz frei, bald — und dies ist meist der Fall — von kleinen Granula, die bis zu feinsten Tröpfehen anwachsen können, mehr oder weniger angefüllt sind. Nur einmal sah ich bei Gammarus marinus ein Bild, wie es auf Taf. XXXVIlI Fig. 5 dargestellt ist, wo diese Zellen je einen grossen gefärbten Secrettropfen enthielten. Wie verschiedenar- tig im Uebrigen das Verhalten dieser Zellen mit Rücksicht auf den in Frage stehenden Punkt ist, dürfte wohl aus den Figg.1, 2, 4, 5, 8, 9 auf Taf. XXX VI hervorgehen. Besondere Beachtung verdient noch, dass die Reservezellen der Winterthiere, bei denen mithin die Lebensfunetionen auf ein Minimum herabgesetzt sind, am freiesten von diesem secretorischen Inhalt sind, ein Verhalten, welches auch für die Asseln bezüglich der Leberzellen angedeutet werden konnte. Es scheint mir dieses desshalb von Bedeutung, weil ich hierin eine Stütze dafür suchen möchte, dass unsere Zellen in der That Reservezellen sind, von denen z. Th. der fortwährende Verbrauch von eigentlichen functionirenden Zellen der Secretionszellenbänder gedeckt wird. Als weitere Belege für diese Ansicht möchte ich folgendes beibringen. Auf dem Querschnitt eines Drüsenfollikels thut sich ein un- verkennbarer Uebergang !) der Reservezellen in die Leberzellen dar, in soweit es sich um die äussere Form handelt. Die niedrig eylinderförmigen Elemente eines Reservezellenbandes werden nach beiden Seiten hin schrittweise höher und bilden auf diese Weise den allmählichen Uebergang in die kugeligen Emporwölbungen der Secretionszellenbänder (Taf. XXXVIH Figg. 2, 8, 9). Doch ausser in der Form lässt sich zuweilen auch ein Uebergang bezüglich des Zel- leninhaltes darthun. Es wurde bereits hervorgehoben, dass wohl meist die Reservezellen mit Granula — jedoch keine „Körnchen“ von fester Substanz! — die bis zu feinsten Tröpfehen anwach- sen können, wenn auch spärlich, angefüllt sind. Ein Füllungsgrad, wie in Taf. XXXVII Fig. 5 wurde nur einmal angetroffen, jedoch sind in den Fällen, wo überhaupt in den Reservezellen reichlichere 1) Aus dem Bau der Drüsenschläuche des Astacus geht, wie wir weiter unten sehen werden, dieser Uebergang n och deutlicher hervor. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 433 Anhäufung von in Frage stehendem Inhalt die Rede ist, gerade diejenigen Zellen, die an die Leberzellen anstossen, besonders be- troffen. Ein ehemischer oder physikalischer Unterschied des In- haltes der Leber- und der Reservezellen lässt sich endlich nicht nachweisen. Wie dem nun auch immer sein möge, im Allgemeinen lässt sich, geht man vom Inhalt der Reservezellen aus, kein di- reeter Uebergang dieser in die Leberzellen eonstatiren; die merk- würdige Thatsache bleibt immerhin bestehen, dass die Seerettröpf- chen in den Leberzellen plötzlich auftreten und zwar in solcher Menge, dass diese Zellen sich hierdurch scharf abheben von den Reservezellen. Diese Thatsache wird durch folgendes noch merkwür- diger. Am blinden Ende eines Drüsenschlauches liegt ein — wie es scheint — gleichartiges Lager blasser, mit einem grossen Kerne versehener Zellen. Allmählich nun treten, näher der Mündung des Schlauches zu, in dem Protoplasma einzelner dieser Zellen feinste Stäubehen auf, die sich in der Richtung nach der Mündung des Sehlauches allmählich zu feinsten Tröpfehen verwandelt haben. Das Bemerkenswerthe ist nun, dass in der Höhe des Drüsenschlau- ches, wo dies anfängt zu geschehen, eben diese Zellen nicht durch einander liegen, sondern bereits reihenweise angeordnet sind und den Anfang des Seeretionszellenbandes bilden. Wie dies geschieht weiss ich bis jetzt nicht zu erklären, ebensowenig wie das Auftreten der Fermentzellen; denn wenn es auch leicht ist sich die Bildung und Regeneration der Leberzellen deutlich zu machen durch Annahme eines Nachschubes von Zellen einestheils vom blinden Ende des Schlauches, anderntheils vom Reservezellenbande aus, so ist damit noch nichts ausgesagt über den unentwickelten Zustand und über das Herkommen der Fer- mentzellen. Den Jugendzustand derselben, etwa im Reservezellen- bande, habe ich aber bis jetzt noch nicht mit Sicherheit nachweisen können. Einige allgemeinere Bemerkungen über die verschiedenen auf- geführten Zellenarten dürften noch am Platze sein, Specielleres über deren Inhalt sowie über das Secret soll, um Wiederholung zu ver- meiden, bei Betrachtung des Flusskrebses, dessen Mitteldarmdrüse gleichgeartet ist, besprochen werden. Zunächst fällt gegenüber den Isopoden auf, dass die aufbauen- den Zellen der Gammariden-„Leber“ um vieles kleiner sind als Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 17. 28 434 Max Weber: bei diesen. Hiermit wurde bereits oben das engere, wenn auch . nicht kräftigere Muskelnetz der Drüse der Gammariden in Zu- sammenhang gebracht, ausgehend von dem Gesichtspunkte, dass demselben nicht nur die direete Beförderung des Secretes aus dem Darmlumen, sondern auch die Auspressung der Zellen zufalle. Eine Kerntheilung, wie sie in so lebhafter Weise in der funetio- nirenden Drüse der Isopoden statt hat und zwar in der gesammten Zellenlage des Organes, wurde bei den Gammariden höchstens im blinden Ende des Schlauches bemerkt und nur ganz vereinzelt, und dann noch unsicher, innerhalb der Reservezellenbänder. — Eine sog. Intima lässt sich auch bei den Gammariden an den gehärteten Drüsenschläuchen nachweisen. Im Leben scheint dieselbe ebenso wie bei den Isopoden, eine weiche Beschaffenheit zu ha- ben. Nennen wir mit Leydig!) Cutieularbildung die „Abschei- “ dung einer Substanz über die Grenze des Protoplasma der Zelle hinaus“, so werden wir es hier mit keiner Cuticula, sondern nur mit einem homogeneren Saume des Protoplasma zu thun haben, der durch erhärtende Reagentien der Art alterirt wird, dass er sich optisch deutlich abhebt von dem übrigen Protoplasma, jedoch keine abhebbare oder gar zusammenhängende Haut: „Outieula“ darstellt. — Wie denn überhaupt die Begriffe: erhärtete Rinden- schicht, Cutieularsaum, Verhornung, eben wegen ihrer Blastieität zu vielen Meinungsdifferenzen geführt haben, so auch hier: die Einen constatirten das Vorhandensein einer inneren Membran, die Anderen leugneten sie. Diese Verschiedenheit dürfte sich aus dem oben Angeführten erklären. Zum Schluss sei mir noch gestattet kurz das anzureihen, was andere Forscher über die Drüsenelemente der Gammariden ausgesagt haben. Leydig) beschrieb die Drüsenschläuche des Gammarus. Er kennt die Intima und unter ihr „fetthaltige Secretionszellen“. „Nach aussen dient als Stütze des ganzen Follikels eine nicht min- der homogene, aber zartere Haut aus Bindesubstanz. In ziemlich weiten Abständen gehen um die Leberfollikel quergestreifte Mus- 1) Leydig: Die Allgem. Bedeckungen der Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. XI. 2) Leydig: Müller’s Archiv 1855. p. 452 und: Lehrbuch der Histo- logie d. Menschen u. d. Thiere p. 363. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 435 keln herum, Reife bildend, die auch an der Leber der Onisciden und vielleicht auch denen des Flusskrebses nicht fehlen.“ Die Angaben de la Valettes!), des Monographen des Gam- marus puteanus, haben wir bereits bei Besprechung der Umhül- lungshäute gewürdigt. Von den Drüsenzellen sagt er nur, dass sie Fetttropfen enthalten. Nach Bruzelius?) sind „die Lebersäcke (von Gammarus locusta und Amphithoö podoceroides Rathke) in- wendig mit einer Menge grosser Zellen angefüllt. In einem Theil derselben kann man leicht Kerne entdecken, aber der grösste Theil scheint keine zu besitzen und einen gelben oder gelbbraunen fett- artigen Stoff zu enthalten.“ G. O. Sars) erkannte bei seiner Untersuchung des Gam- marus neglectus die eigenthümliche Anordnung der Zellenbänder, er schreibt: „Leur eontenu (des vaisseaux du foie) est forme de srandes et de petites cellules qui pr&sentent cependant le plus sou- vent une disposition tr&s-reguliere qui en general permet d’y distin- gsuer 3 rangees longitudinales de grandes cellules entre lesquelles sont plac6es- les petites.“ Nicht hinreichend starke Vergrösserung, auch wohl nieht zweckmässige Behandlung des zu untersuchenden Objeetes haben ihn jedoch, obwohl er am weitesten von allen Forschern vorgeschritten war, von einer tieferen Einsicht ab- gehalten. Wenn wir schliesslich die hinsichtlich des Drüsenepithels ge- wonnenen Resultate der verschiedenen Forscher zusammenfassen, so werden sich dieselben dahin aussprechen lassen, dass die Zellen einen fettartigen Inhalt haben, und dass die Natur des Secretes der „Leber“ dementsprechend ist. Die Frage, wo verdauungs- kräftige Seerete, die sich doch zweifelsohne der fast nur aus thierischen Stoffen bestehenden Nahrung der Gammariden irgendwo im Darmkanal beimischen müssen, gebildet werden, hat sich keiner der Forscher vorgelegt. 1) von La Valette: De gammaro puteano. Dissertat. Berolin. 1857. 2) Bruzelius: Arch. f. Naturgesch. XXV. p. 277. 3) G. 0. Sars: Hist. nat. des Crustacös d’eau donce de Norvege. 1867, p- 58. n 436 Max Weber: II. Deeapoden. Aus dieser Ordnung, von welcher Krukenberg zahlreiche Vertreter einem genauen Studium unterworfen hat, konnte ich bis- lang nur den Astacus fluviatilis und auch diesen nur in nicht ge- nügender Zahl untersuchen, so dass ich leider zur Zeit meine Ansichten über die Thätigkeit der „Leber“ des Flusskrebses noch nicht mit dem Beweismaterial unterstützen kann, welches Andere zu fordern berechtigt sind. Doch auch so hoffe ich von anderern Gesichtspunkten aus die Auffassung der Physiologen (Hoppe-Seyler undKrukenberg) unterstützen und namentlich darthun zu können, dass die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses weit ‘ davon entfernt ist ein so einfaches Organ zu sein, dass man das- selbe einfach mit dem Namen „Leber“ belegen und damit als ab- gethan betrachten kann. Es ist immerhin eigenthümlich, dass unsere Kenntniss über die feinere Struetur dieses Organs des Flusskrebses, eines Thieres, das doch leicht in Jedermanns Händen ist, in mancher Hinsicht noch weniger eindringend ist, als die über die bisher abgehan- delten /sopoden und Amphipoden. Im Gegensatz zu dem Eifer, mit welchem eine Zeit lang von verschiedener Seite her und auch von weiterblickenden Gesichts- punkten aus dieses Organ eingehend auf Bau und Thätigkeit un- tersucht wurde, ist seit dem Jahre 1853 ein Stillstand in diesen Untersuchungen eingetreten, der sich damit auch auf die Frage nach ‚der Bedeutung des entsprechenden Organs anderer Crusta- ceen ausdehnte. Wenn wir daher bis zur Stunde bezüglich des morphologi- schen Verhaltens der Drüse noch nicht über die Darstellungen Schlemms, Karstens, Meckels und Lereboullets hinausge- kommen, wenn ferner die Andeutungen bei Frey und Leuckart, die auf den richtigen Weg geführt hätten, nicht weiter ausgebaut sind, so ist andererseits von physiologischer Seite her dieses Or- san, dessen Function in der Bereitung von Galle allerseits ge- sucht wurde, neuerdings vorurtheilsfrei untersucht worden und der Erfolg war, dass dasselbe bisher ungeahnte Eigenschaften ans Tageslicht treten liess. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 437 Der Standpunkt Schlemms'!) wird wohl durch folgenden Satz charakterisirt: „Ratio bilis Astaei physica et chemica ab illa animalium vertebratorum adeo differt, ut nisi ex universa organi secernentis natura illud hepar esse satis constaret, facile quis ani- mum induceret, ut secretum aliud quiddam quam bilem esse cre- deret.“ Wird hierbei aber, da die chemischen Resultate eigent- lich gegen eine „Leber“ sprechen, auf die „universa organi secer- nentis structura“ hingewiesen, so ist es schwer aus den diesbe- züglichen Miftheilungen etwas herauszufinden, was für die Leber- natur das Wort führen könnte. Dasselbe gilt für die Arbeit Karstens®), der weniger kritisch zu Werke geht und verschiedene, auch in damaliger Zeit leicht zu vermeidende Fehler hinsichtlich der Deutung des feineren Baues macht. Meckel®) spricht allerdings in seiner bekannten Mikrogra- phie das Organ ebenfalls als Leber an, gelangt jedoch zu einer eingehenderen Kenntniss des Baues desselben, auf die wir weiter unten näher eingehen werden müssen. Lereboullet *) endlich constatirt in seiner wenig bekannt gewordenen Abhandlung ebenso wie Meckel, das Vorhandensein von zwei Zellenarten. Die einen nennt er cellules biliaires, die anderen cellules graisseuses pures, während Meckel von Fettzel- len und von bilinhaltigen Zellen spricht. Am ausgedehntesten waren die Untersuchungen Frey’s und Leuckart’s5); sie erkannten ebenfalls zweierlei Arten von Zellen in der Drüse des Astacus und zwar Fettzellen, mit welchen der Farbstoff der Galle innig verbunden sei und häufig noch eine zweite Art, welehe „einen wasserklaren Inhalt besitzt, der wahr- scheinlich eiweissartiger Natur ist.“ Mochten nun schliesslich die Befunde, zu denen die verschie- denen Forscher gelangten, auch sein wie sie wollten, der Begriff „Leber“ blieb für die Mitteldarmdrüse als Name und Deutung zu 1) Schlemm: De Hepate ac bile Crustaceorum etc. Dissert. Berolini. 1844. 2) Karsten: Nov. acta acad. nat. eurios. XXI. pars I. 1845. 3) Meckel: Mikrogr. einiger Drüsenapparate ete. Müller’s Arch. 1846. 4) Lereboullet: M&m. sur la struct. intime du foie ete. Extr. du Tom. XVII. des Memoires de l’acad. imp. de mödicine. Paris 1853. 5) Frey u. Leuckart: Lehrb. d. Anat. d. Wirbellos. Th. 1847. 438 Max Weber: Recht bestehen bis auf den heutigen Tag. Letztere hat nun in unseren Tagen durch Hoppe- Seyler!) und durch Krukenberg?) _ eine Aenderung erfahren, indem sie nachzuweisen vermochten, dass kein gallebereitendes Organ, sondern eine Verdauungsdrüse vor- liege. Wie sich demgegenüber die Anschauung älterer Forscher verhält, was namentlich demgegenüber eine erneuerte Untersuchung des Aufbaues der Drüse ans Tageslicht fördern wird, sei nun aus- geführt. Genugsam bekannt ist es, dass die Mitteldarmdrüse des Fluss- krebses jederseits aus zwei gleichartigen Lappen besteht, die sich langgezogen neben dem Oesophagus, Kaumagen und Anfangstheil des Darmes ausstrecken und ihrerseits wiederum durch eine aus- serordentlich grosse Zahl von Blindschläuchen, die secundäre Läpp- chen bilden, aufgebaut werden. Diese secundäre Läppchen kom- men dadurch zu Stande, dass die Schläuche sich fingerartig ver- einen und um den Ausführungsgang gruppiren. Dass dieser com- plieirtere Aufbau im Wesen nicht abweicht von der einfachen Schlauchform, wie sie bei Isopoden und Amphipoden sich findet, sondern nur eine Differenziation derselben ist, wurde nach Kennt- nissnahme der zahlreichen allmählichen Uebergänge dieser einfachen Form in die zusammengesetzte der Drüse des Astacus schon von früheren Autoren erkannt 3). Entsprechend der höheren Differenziation der Organtheile des Astacus gegenüber den Crustaceen, die uns bisher beschäftigten, hat auch die Darmdrüse nicht nur in ihrem allgemeinen Aufbau, 1) Hoppe-Seyler: Pflüger’s Archiv. Bd. XV. 2) Krukenberg:’ Untersuchungen aus dem physiolog. Institut Heidel- berg. Bd. I. H. 1 u. 3. 1878. 3) In diesem Sinne erklärt sich denn auch die einzige Abweichung von der gewöhnlichen Form des Hepatopancreas eines Porcellio, die'mir zu Ge- sicht kam und deren Erwähnung hier wohl eine Stelle finden dürfte. Vom oberen Drittel eines Follikels zweigte sich nämlich ein kleiner Blind- schlauch ab, der sich in seinem Bau durchaus nicht verschieden ver- hielt. Wäre dieser Befund constant, so wäre dies eine Ueberleitung zu dem Verhalten wie es (nach Lereboullet) Ligidium zeigt, wo zahlreiche secun- däre Blindschläuche von den primären sich abzweigen und bereits einen com- plicirteren Bau des Hepatopancreas darstellen, der morphologisch zu dem aus- gebildeten Aufbau der Drüse bei Mysis z. B. und endlich bei Astacus hin- überleitet. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 439 sondern auch in ihrer Umhüllung eine höhere Stufe der Ausbildung erlangt. Jeder der Drüsenlappen ist zunächst von einer wohldiffe- renzirten bindegewebigen Membran umgeben und von den umlie- genden Organen abgeschieden. Doch auch die secundären Lappen unterliegen innerhalb dieser, sie insgesammt umkleidenden Hülle ihrerseits wiederum durch eine secundäre Hülle einer Abgrenzung von einander. Von dieser Hülle aus gehen dann zarte Umhüllungs- häute dritter Ordnung, entsprechend der Tunica serosa der übri- sen Crustaceen, auf die einzelnen Blindschläuche über. Diese Tuniea weist auch in ihrer Structur das bekannte Verhalten auf. Ein Blick auf Taf. XXXVIU Fig. 1 wird darthun, dass auch hier ein Maschenwerk bildende Zellengruppen diese letzte Umhüllung formen. Unter der Tunica serosa folgt in gewohnter Weise die Mus- eularis, die in ihrem Bau mit der des Gammarus übereinstimmt und daher keiner besonderen Beschreibung bedarf. Die Muskelfäden derselben wurden zuerst von Karsten !) gesehen und auch mit Querstreifung abgebildet, jedoch als Capillar- sefässe gedeutet. Die perlschnurartige Beschaffenheit der einzel- nen Follikel führt er auf einen folliculären Bau dieser zurück. Schlemm ?), der einsah, dass es sich hierbei um eine Contrac- tilitäts- Erscheinung handele, lässt dieselbe, da er ebenfalls die Muskeln nicht erkannte, durch eine „clara ac pelluecida membrana sine textura“ zu Stande kommen, welcher er Contractilität zu- schreibt. Da auch Meckel?) und Lereboullet‘‘) diese Museu- laris nicht kannten, so sind Frey und Leuckart’) die ersten, die ihrer Erwähnung thun. Die Tunica propria bietet nichts Abweichendes von den uns von anderen Crustaceen her bekannten Verhältnissen. Was die Drüsenzellen angeht, so wurde bereits hervorgeho- ben, dass deren Wesen der Hauptsache nach übereinstimmt mit denen der Gammariden, eine Thatsache, deren Erkenntniss ge- 1) Karsten: Nov. acta acad. nat. curios. XXI, 1845. 2) Schlemm: De Hepate ac bile Crustaceorum ete. Dissertat. Bero- lini 1844. p. 14. 3) Meckel: Mikrographie. Müller’s Archiv 1846. 4) Lereboullet: Mömoires de l’acad. imp. de medicine XVII. Paris 1853. p. 20. 5) Frey u. Leuckart: Lehrb. d. Anat. der wirbell. Th, 1847, 440 M. Weber: rade an den Drüsenschläuchen des Astacus am schwersten zu er- langen ist, da die funetionirenden Zellen selbst, durch massen- haft in ihnen angehäuftes Seeret eine Erschliessung ihres Baues nach Möglichkeit erschweren. . Vorausgehende Kenntnissnahme der Drüsenschläuche des Gammarus, erleichtern daher das Studium am Flusskrebse; denn auch hier finden sich die von dorther bekannten beiden Zellenarten, deren eine — „Leberzellen“ — gefüllt ist mit jenen zahlreichen Secrettröpfchen, wie wir sie bisher allerwärts antrafen, deren andere, — „Fermentzellen“— zwischen den Le- berzellen gesessen, ein verschieden grosses Secretbläschen beher- bergt. Trotz dieser Uebereinstimmung machte sich nun an den Drüsen, die mir vorlagen, die bandförmige Anordnung der Zellen äusserlich nicht bemerkbar, auf dem Querschnitte jedoch liess sich erkennen, dass auch hier von Secretionszellen- und Reservezellen- bändern gesprochen werden kann, jedoch mit dem Unterschiede, dass erstere einen solchen Raum einnahmen, dass für eine räum- liche Entwickelung der letzteren nahezu kein Platz blieb. Die eigentlich functionirenden Zellen waren also zahlreicher; der Ue- bergang der Reservezellen in die secernirenden war ausgebilde- ter und daher unmerklicher, wie ein Blick auf Taf. XXXVILL Fig. 2, 3, 4 klar machen wird. Damit ist gleichzeitig dargethan, dass ein Uebergang dieser beiden Zellenarten in einander, welchem oben bei den Gammariden das Wort geredet wurde, thatsächlich be- steht und dass „Reservezellen“ und „Seeretionszellen‘ nur verschie- dene Stadien einer Zellenart sind. Wenn man sich nun auch hier wieder leicht vorstellen kann, wie die Reservezellen durch Bildung von Secrettröpfehen sowie durch die Hand in Hand hiermit ge- hende Umformung, welche sie durch Compression seitens der Fer- mentzellen erfahren, zu echten Leberzellen werden, so muss ich andererseits abermals eingestehen, dass ich mir keine Vorstellung von der Bildung der Fermentzellen machen kann. Astacus fluviat. ist der einzige Krebs, dessen Drüsenzellen eingehender, und zwar von verschiedenen Autoren, näher unter- sucht worden sind, denn in rascher Reihenfolge haben Karsten, Schlemm, Meckel, Lereboullet und endlich Frey und Leu- ckart histologische sowohl wie physiologisch-chemische Beobach- tungen mitgetheilt. Die Arbeiten Karsten’s und Schlemm’s kön- nen wir folglich wohl übergehen, um uns gleich zu den weitgrei- Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 441 fenden Untersuchungen Meckels!) zu wenden. Dieselben lehrten ihn zwei Zellenarten unterscheiden: Fettzellen und bilinhal- tige Zellen. Erstere enthalten einen grossen Kern und Fettkü- gelchen, letztere sind durchsichtig, kleiner und enthalten einen abgeplatteten Kern sowie ein, seltener zwei Secretbläschen, welche allmählich wachsen, um schliesslich die ganze Zelle einzunehmen. Un- schwer erkennt man hieraus unsere Leber- und Fermentzellen wieder. Abgesehen von der Deutung der beiden Zellenarten wer- den wir auch seinen folgenden Annahmen nicht beistimmen können. Obgleich er nämlich richtig bemerkt, dass am blinden Ende die einzelnen Zellen leicht ohne Präparation zu erkennen seien, will er merkwürdiger Weise keinen allm ählichen Uebergang zwischen diesen und den weiter abwärts gelegenen Zellen beste- hen lassen, dieser soll vielmehr plötzlich geschehen, womit im Ein- klang er neben dieser anatomischen Verschiedenheit auch viel- leicht einer funetionellen Verschiedenheit des blinden Endes vom übrigen Theil des Follikels das Wort reden will. Hiervon kann aber ebensowenig die Rede sein, wie von seiner Deutung der Tuniea intima, die nach ihm nur locker in den Saum des Fol- likels aufgehängt ist. Zwischen ihr und den Epithelzellen, die nur an der Tunica propria angeheftet seien, soll sich nämlich nach Meckel ein Raum befinden, der an vielen Stellen Galle befasse, welche dureh Diffusion die Intima durchdringe um nach Aussen entleert zu werden. Thatsächlich aber gilt für die Intima des Astacus das, was bei den Amphipoden auseinandergesetzt wurde: jede Zelle hat einen homogenen Saum, deren Gesammtheit im gehärteten Zustand eine, jedoch nicht in toto abhebbare Intima vortäuschen. Lereboullet !) bringt nun wieder Verwirrung in die Deu- tung der Zellen, er findet: „deux sortes de cellules, des cellules biliaires et des cellules graisseuses pures; mais de plus j’ai trouve de cellules que je regarde aussi comme intermediaires entre les unes et les autres.“ Seine cellules graisseuses sind zweifelsohne unsere Leberzellen. Was seine intermediären Zellen angeht, so geht aus seiner Beschreibung: ‚Les grandes cellules, celles que je 1) Meckel: Mikrogr. einiger Drüsenapparate ete. Müller’s Arch. 1846. 2) Lereboullet: M&m. sur la structure du foie etc. in M&moires de l’academie imp. de medicine. T. XVII. 1853. p. 20, 442 M. Weber: regarde comme transitoires, sont de grandes spheres transparen- tes etc.“ und Abbildung hervor, dass dies zum Platzen reife Fer- mentzellen sind und dass die Zellenart, die er mit Meckel Gal- lenzellen nennt, erst in der Entwickelung begriffene Fermentzellen sind, deren Secretblase noch nicht die grosse Ausdehnung er- langt hat. Frey und Leuckart?) endlich erkannten ebenfalls zwei Arten von Zellen, die einen enthalten nach ihnen Fetttröpfehen, mit welchen der Farbstoff der Galle innig verbunden sei. Sie sagen weiter von ihnen aus: ‚So kommen diese Zellen mit den Leberzellen der Wirbelthiere überein, wie denn auch die Galle der Crustaceen eine ähnliche Constitution wie bei jenen zu haben scheint.“ Hin- sichtlich der zweiten Art bemerken sie: „Auffallend ist es, dass man mit diesen Zellen (Leberzellen) häufig noch eine zweite Art unter- mischt antrifft, welche keinen fettigen, sondern einen wasserklaren Inhalt besitzt, 'z. B. bei Astacus, Platyeareinus, bei Mysis, der wahrscheinlich eiweissartiger Natur ist. H. Meckel nennt den Inhalt der ersteren Gallenfett, den der letzteren Bilin.“ Diese beiden letztgenannten Forscher sind mithin unserer Auf- fassung am nächsten gekommen, indem sie die Fettzellen Meckel’s und Lereboullet’s als Leber-, d. h. gallebereitende Zellen auf- fassen und sich der Deutung, welche die Fermentzellen seitens dieser beiden erfahren haben, als seien es bilinhaltige oder Gal- lenzellen, nicht ausschliessen. Es fragt sich nun, welches unsere Auffassung von der Natur der Drüsenzellen des Astacus und der Gammarusarten, welche letz- tere wir wegen ihrer Gleichartigkeit mit denen des Astacus bis- her noch nicht auf diesen Punkt hin untersuchten, ist; wenn wir sie vorweg schon als Ferment- und Leberzellen aufführten und ihnen damit eine Deutung gaben, so müssen wir jetzt hierfür Be- weise beibringen. Fassen wir zunächst das Seeret ins Auge. In seinen che- mischen und physicalischen Eigenschaften kommt dasselbe über- ein mit dem der Isopoden, was nicht Wunder nehmen kann, wenn man im Auge behält, dass die Leberzellen, denen ja, was 1) Frey u. Leuckart: Lehrb. d. Anat. der wirbell. Th. 1847. POFRET. „ Ir. in RN. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 443 die Quantität anlangt, vorwiegend das Secret seine Bildung ver- dankt, in allen dreien Crustaceenordnungen genau überein stim- men. Bezüglich weiterer Eigenschaften wollen wir Krukenberg!) sprechen lassen; er sagt: „Das Astacusleberseeret enthält minde- stens drei Enzyme, ein diastatisches, ein peptisches und ein tryp- tisches, denen nach Hoppe-Seyler’s Angaben ein fettzersetzen- des als viertes anzureihen wäre.“ Zweifelsohne produeiren mit- hin die Drüsenzellen nach Hoppe-Seyler's und Krukenberg's Untersuchungen, denen ich meine noch beizählen darf, verdauungs- kräftige Fermente. In welchen der beiden Zellenarten ist nun der Sitz der Bil- dung dieser Secrete? Stimmt man mir bei, dass die Leberzellen einen fettartigen Körper bilden, an welchen ein thierischer Farb- stoff gebunden ist, so wird man die Production der Fermente in die mit einem wasserhellen Secretbläschen behafteten Zellen, die ich eben desshalb Fermentzellen nannte, verlegen müssen. Diese Zellen, von denen einige isolirte in Taf. XXX VII Fig. 7 dargestellt sind, lassen im ausgebildeten Zustande, bei höchster Aus- bildung der Secretblase, vom Zellenleibe nahezu nichts mehr er- kennen, indem derselbe nur mehr in dünner Lage diese Blase um- hüllt. Der Kern liegt abgeplattet der Blase an. Zusammenfassung. Es sei nun gestattet, die in den vorausgehenden Blättern ge- wonnenen Resultate zusammenzufassen und von einem allgemeineren Gesichtspunkte aus zu prüfen. Bekanntlich kann bei den Crustaceen ein jeder der drei Ab- schnitte des Darmes drüsige Anhänge von unter sich verschiedener Natur besitzen. 1) Krukenberg: Vergl. physiolog. Beiträge zur Kenntniss der Ver- dauungsvorgänge; in Untersuch. a. d. physiolog. Institut in Heidelberg. Bad. II. Heft 1. p. 23. 444 M. Weber: Der Vorderdarm weist nur bei einigenOrdnungen Anhangs- gebilde auf, denen man, allerdings ohne jede durch das Experi- ment gegebene Begründung, den Namen Speicheldrüsen zu geben gewohnt ist; bald sind es einzellige (Copepoden, Daphniden), bald einfache traubenförmige (Decapoden !), Stomatopoden) Drüsen. Wohl noch beschränkter ist das Vorkommen von drüsigen Gebilden am Enddarm. Solche finden sich bei Amphipoden und einzelnen Decapoden. Ganz anders verhält sich der zwischen beiden liegende Mit- teldarm. Fast sämmtliche Crustaceen, deren innere Organe eine etwas höhere Ausbildung erlangt haben, besitzen an demselben blindsackartige Anhänge in verschiedenster Entwickelung; von ein- fachen Darmausstülpungen an, die sich vom Darme nicht zu un- terscheiden scheinen, bis zu grossen mehrlappigen tubulösen Drü- senhaufen. Diese Anhangsdrüse des Mitteldarmes beschrieben wir nun in dem Vorliegenden bezüglich ihres gröberen und feineren Ver- haltens bei verschiedenen Ordnungen und Gattungen der Crusta- ceen, die unter den möglichst verschiedenen Bedingungen leben, und versuchten dem morphologischen Befunde eine physiologische Deutung zu geben, uns mithin klar zu werden über die Function dieser Drüse unter Rücksichtnahme der, von anderen Forschern und uns auf experimentellem Wege gewonnenen Erfahrungen. Wenn diese gegenseitig sich erklärende und controllirende Art der Forschung auch zweifellos sicherer zum Ziele führen wird als die einseitig morphologische oder physiologische, so möge man doch bei Beurtheilung vorliegender Mittheilung im Auge behalten, dass ich mich auf ein Grenzgebiet hinausgewagt habe, und dass Schwierigkeiten zweierlei Art sich dem Studium in den Weg stellten. Einmal solche, die in dem Untersuchungsobjecte selbst 1) Hierbei sehe ieh ab von den durch M. Braun’s (Arbeiten aus dem zoolog. Institut Würzburg Bd. II. p. 141 u. Bd. III. p. 472) interessante Beobachtung bekannt gewordenen „Speicheldrüsen* der Decapoden, da deren Deutung wohl dadurch noch nicht ganz klar gestellt ist, dass sie nicht nur am Öesophagus, sondern auch an den, dem umgebenden flüssigen Elemente ausgesetzten Mundtheilen vorkommen, wobei allerdings vorausgesetzt wird, dass die Drüsen an beiden Orten unter einander identisch sind. Am nächsten liegt immerhin Braun’s Auffassung derselben als Speicheldrüsen. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 445 gelegen sind. — Esliegt jain der Natur einer solchen Drüse, dass das morphologische Bild Aenderungen erleidet im Zusammenhang mit den in der funetionirenden Drüse sich abspielenden Zuständen, ferner Aenderungen nach Jahreszeit, Nahrungsaufnahme und manchen an- deren Bedingungen, die sich unseren Blicken entziehen. Jeden- falls ist es uns nicht vengönnt eigenmächtig experimentatorisch in die Function der Drüse einzugreifen, wie wir dies bei Wirbel- thieren in so erfolgreicher Weise thun können. Eine zweite Schwie- rigkeit und gewiss nicht die kleinste, liegt aber darin, dass zur Zeit die mikrochemische Analyse in jeder Hinsicht noch in den Kinderschuhen steckt, ehe diese aber nicht vertreten sind ist die Hoffnung auf eine rationelle Erkenntniss verschiedener Organe der Wirbellosen ziemlich herabzudrücken. Meine hier vorgetragenen Ansichten über die Mitteldarm- drüse der Crustaceen möchte ich daher nur mit allem Vorbehalte ans Licht stellen. Worauf fussend ich nun zu theilweise anderen Anschauungen gelangt bin als die bisherigen Forscher, nämlich dazu, die alt hergebrachte, man kann wohl sagen conventionelle Deutung der Drüse als „Leber“ mit der neuen Deutung Hoppe -Seyler’s und Krukenberg'’s, die in ihr eine enzymbildende Drüse sehen, zu verschweissen, sei hier im Zusammenhange dargelegt. Theoretisch betrachtet liegt es auf der Hand, dass bei den Thieren, die uns beschäftigen, an irgend einem Orte des Darm- tractus oder seiner Anhänge drüsige Gebilde sein müssen, die ein verdauungskräftiges Secret liefern. Bei Thieren mit einem z. Th. gewiss energischen Stoffwechsel, wie ihn die Crustaceen, haben, die nicht nur den täglichen Bedarf, sondern periodisch auch den Verbrauch an nöthigem Material zum Aufbau des äusseren Skelets und der inwendigen Chitingebilde decken müssen, und zwar im Allgemeinen mit thierischer Kost, müssen diese drüsigen Gebilde im Stande sein ein kräftiges und reichliches Secret zu lie- fern. Bei der Kürze des Darmes konnten diese der Hauptsache nach nicht in der Schleimhaut des Magens und Darmes einge- bettet sein, da deren Flächen theils zur Trituration, theils zur Re- sorption des Genossenen verwandt werden mussten. Diese Be- trachtung musste schon dazu führen, in Frage stehende drüsige Gebilde in der sog. Leber bei allen den Crustaceen zu suchen, die sich keiner weiteren Drüsen am Vorder- oder Mitteldarm er- 446 Max Weber: freuen, wie es ja bei unseren untersuchten Crustaceen der Fall ist. Durch Hoppe-Seyler’s und Krukenberg’s Untersuchun- gen ist nun diese theoretische Betrachtung zur Thatsache erhoben und der Nachweis geliefert worden, dass in der sog. Leber der Crustaceen (es wurde dies für Decapoden und Stomatopoden durch die beiden Forscher, von uns für die Isopoden und Amphipoden nachgewiesen) eine fermentirende Drüse zu suchen ist. Bei den /sopoden fanden wir zwei verschiedene Zellenar- ten. Mit gutem Grunde konnten wir der einen die Fähigkeit ab- sprechen verdaungskräftige Secrete zu bilden; die Production sol- cher mussten wir mithin in der anderen Zellenart suchen. Doch auch positive Gründe konnten wir beibringen, einmal zu Gunsten der ausgesprochenen Ansicht über die letztere Zellenart, zum an- deren Mal für die Ansicht, dass die andere Zellenart eine leber- artige Funetion habe. — Wir konnten uns oben, nach Ausschlies- sung von Fett, Glycogen, Traubenzucker, Kalksalzen und harn- sauren Salzen dahin ausscheiden, dass die lichtbrechenden, in Os- miumsäure sich schwärzenden Granula der Fermentzellen uns doch wohl in mehr als einer Hinsicht das Recht geben dürften, in ihnen die Veranlassung 'zn suchen den Zellen diesen Namen zu geben, sie mithin für Fermentbildner zu halten. Ganz anders liegen leider die Verhältnisse für die bisheran untersuchten Amphipoden und Decapoden. Von den drei dort ge- fundenen, verchieden erscheinenden Zellenarten konnte die eine als Leberzellen angesprochen und denen der Isopoden identifieirt werden. Die zweite Art, die unter dem Namen Reservezellen vor- geführt wurden, deuteten wir als Ersatzzellen der bereits in voll- ster seeretorischer Thätigkeit befindlichen Zellen; sie entfielen somit einer weiteren Fragestellung. Da wir es nun auch hier wieder mit einer thatsächlieh enzymbildenden Drüse zu thun hat- ten, so konnte demgemäss nach Ausschluss der ersten und zweiten Zellenart nur noch die dritte als solche angesprochen werden, der die Bildung eines verdauungskräftigen Secretes zufalle. Diese Beweisführung — ich kann es nicht verhehlen — ist allerdings wenig genügend, um so weniger, wenn man im Auge behält, dass nach Hoppe-Seyler und Krukenberg dem Astacus nicht weniger als vier Fermente zukommen sollen. Wo haben diese ihren Sitz; wo hat, selbst wenn wir es nur mit einem Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 447 Ferment zu thun hätten, dieses eine seinen Sitz? In eben den Zellen, die nach Art einer Becherzelle von einer wasserklaren Secretblase ausgedehnt sind ? Auf diese Fragen gab das Studium eben dieser Secretblasen keine Antwort. Da jedoch Schleim als Bestandtheil derselben von der Hand zu weisen war, um von Bilin (Meckel, Lereboul- let) nicht zu reden, da ich ferner mir vorhielt, wie noch gar so wenig über das in die Erscheinungtreten der fermentativen Secrete gekannt sei, so entschied ich für mich die Frage dahin, dass allerdings in eben diesen Secretblasen unbekannter Natur der fermentirend wirkende Körper der Drüse zu suchen sei. Die eingreifenden Unterschiede, die sich bei den Isopoden einerseits, bei den Amphipoden und Decapoden andererseits an den Zellen vorthun, die ich bei ersteren wohl mit einigem Rechte, bei lezteren mehr nach persönlicher Anschauung als Fermentzellen deu- tete, dürfen uns nun an und für sich nicht so sehr in Verwunderung setzen, wenn wir uns folgender Betrachtung hingeben. Die Am- phipoden und Decapoden (wenigstens Astacus) sind ganz vorwie- gend Fleischfresser, richtiger wäre wohl der Name Aasfresser, wenn wir andeuten wollen, einmal wie wenig wählerisch sie bezüglich ihrer Nahrung sind, dann auch, welcher Art vornehmlich die Be- zugsquelle für dieselbe ist. Welch raubgierige Fleischfresser die Süsswasser-Gammariden daneben aber auch sein können, theilt uns Sars!) in interessanter Weise mit. Wie verschieden hiervon sind die Onisciden und die Süss- wasserassel, die von Pflanzenstoffen und von vermoderten organi- schen Resten in friedlichster Weise sich nähren. Dass dement- sprechend das Secret, welches auf die Ingesta verdauend einwirkt, verschieden ist — bei den Isopoden war dasselbe gewiss pep- tischer Natur — und auch verschieden in den dasselbe bildenden Zellen sich darthun kann, ist nicht verwunderlich, ebensowenig wie die Thatsache, dass die Leberzellen hiervon nicht beeinflusst sind, sondern im Wesentlichen bei Isopoden, Amphipoden und Decapoden auf die gleiche Weise in die Erscheinung treten. Was aber die Leberzellen angeht, so verdienen diese noch eine gesonderte Besprechung; denn es ist besonders wichtig für 1) G. ©. Sars: Histoire nat. des Crustaces d’eau donce de Norväge. Christiania 1867. 448 Max Weber: uns über diese zu einer festen Ansicht zu gelangen, da diese hin- wiederum die Berechtigung unserer Anschauung über die Ferment- zellen stützt. Bei Betrachtung der Leberzellen und deren Secret ist denn auch für uns wieder die allgemeine Frage von Interesse, ob die Absonderung der Leber ein Ex- oder ein Seeret sei. Man wird sich daraufhin doch wohl so aussprechen müssen, dass sie beides sei. Ersteres insofern sie Cholesterin u. s. w. sowie Farbstoffe aus dem Blute — wenn auch indireet — aufnimmt und aus dem Körper befördert. Letzteres insofern sie auf die Emulsion der Fette und damit auf deren Resorption einwirkt. Ihre exeretorische Bedeutung dürfte doch wohl die Existenz des Meconium über allen Zweifel erheben. Gerade diesbezüglich möchte ich aber auf ein eigenthüm- liches Factum bei unseren Crustaceen hinweisen. Bei Besprechung der Ringmuskeln der Drüsenschläuche bei den Isopoden wies ich auf deren Genese hin und deutete auf das frühzeitige Vorkommen derselben schon bei Embroynen, die noch im Besitze der blattför- migen Anhänge sind. In Uebereinstimmung mit Dohrn!) sah ich nun, dass gerade an den Drüsenschläuchen sich die erste Muskel- bewegung bemerkbar macht, wodurch deren Inhalt in den Darm ergossen wird. Es spielt mithin auch hier das Organ, welchem wir z. Th. auch eine leberartige Funetion zuschreiben, eine bedeu- tende Rolle im embryonalen Leben; diese aber muss, da doch wohl zu dieser Zeit von Verdauung noch nicht die Rede sein kann, excretorischer Natur sein. Wenn wir nun oben der Leber der Wirbelthiere auf Grund- lage der Abscheidung von Gallenpigmenten und Cholesterin eine exeretorische Function zuschrieben, so finden wir in der Ab- scheidung des Hepatopancreas der Crustaceen ebenfalls Cholesterin und Pigmente, die wir den typischen Gallenpigmenten der Wirbel- thiere funetionell gleiehwerthig erachten dürfen. Zunächst ist es doch immerhin auffallend, dass eonstant die Mitteldarmdrüse aller bisher untersuchten Crustaceen Pigmente enthält, wodurch sie eben den Namen und die Deutung einer Leber erlangte. Gegen diese Deutung ist nun Hoppe - Seyler aufgetreten. Er sagt zwar: „Stimmt aber die Drüse (des Fluss- 1) A. Dohrn: Die Embryonal-Entwickelung das Asellus aquat. Zeitsch. f. wissensch. Zool. Bd. XVII. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 449 krebses) mit dem Pancreas in der geschilderten Seeretion an Ver- dauungsferment überein, so ist damit noch nicht ausgeschlossen, dass sie zugleich Functionen einer Leber habe.“ Nun heisst es aber weiter, nachdem eonstatirt worden ist, dass die Funetionen einer Le- ber bei den Wirbelthieren in der Bildung von Galle und Glycogen be- stehen: „... auf den geringen Gehalt von Glycogen, den ich in der Verdauungsdrüse des Krebses constatirt habe, ist nicht viel zu geben, derselbe kann sehr wohl von der grossen Zahl amöboider Zellen !), die sich in diesem Organ finden, herrühren,“ und weiter: „Von Gallenbestandtheilen ist weder in dieser Verdauungsdrüse des Krebses etwas zu finden, noch ist überhaupt das Vorkommen von Gallenfarbstoffen und von Gallensäuren bei irgend einem wirbellosen Thiere meines Wissens nachgewiesen.“ Wie nun damit noch nicht ausgeschlossen ist, dass die Verdauungsdrüse des Flusskrebses zugleich die Functionen einer Leber habe, dürfte doch wohl einer näheren Erklärung bedürftig sein ?). Wenn Hoppe -Seyler nun auch in seiner grundlegenden Arbeit sich nieht weiter über die thatsächliche Bildung von Farb- stoffen in der Drüse auslässt, so möchte ich gerade in dieser Bildung den Grund suchen, derselben eine leberartige Function zuzuweisen. Ganz abgesehen davon, dass intensivere Forschungen vielleicht dar- thun werden, dass diese und die typischen Gallenfarbstoffe sich näher stehen, als man zur Zeit anzunehmen geneigt, wozu meine spectrokopischen Untersuchungen und Reactionsprüfungen bereits eine Andeutung geben dürften, so wird die Bildung von Farbstoffen, 1) Welcher Art diese Zellen sind habe ich nicht erfahren können. Vielleicht sind es Blutzellen oder Zellen der Tunica serosa, die sich bekannt- lich vom Fettkörper ableiten und wahrscheinlich Glycogen zum Aufbau des Panzers enthalten. 2) Uebrigens tritt Hoppe-Seyler eigentlich bereits aprioristisch auf gegen die Annahme des Vorhandenseins von Gallenfarbstoffen bei den Crus- taceen, wie bei Wirbellosen überhaupt, wegen des bei diesen vorliegenden Mangels an Haemoglobin „welches sich“ — nach Hoppe-Seyler — „mit geringen Ausnahmen bei wirbellosen Thieren nicht findet, und diejenigen, welche es in ihrem Blute besitzen, haben keine rothe Blutkörperchen sondern Haemoglobin gelöst in der Blutflüssigkeit enthalten.“ Ja er geht so weit, auf Grundlage hiervon eine scharfe Grenzlinie zu ziehen zwischen Wirbel- losen und Wirbelthieren, die abgesteckt ist durch Haemoglobin und Gallen- farbstoffe auf der einen und dem Fehlen dieser auf der anderen Seite. Ganz abgesehen davon, dass der Morphologe, sei er auch noch so sehr von Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 29 450 Max Weber: die doch wohl für den Haushalt des Crustaceenkörpers eine ana- loge Rolle spielen werden, wie die Gallenfarbstoffe für den Wir- belthierkörper das Recht geben, der Drüse neben ihrer Function als Verdauungsdrüse auch die einer Leber zuzuschreiben. Ich glaube Claus !) geht in dieser Hinsicht zu weit, wenn er, in seinem begründeten Streben, gegen die voreilige Deutung der Darm- drüse der wirbellosen Thiere als Leber, entschieden aufzukommen, nun auf der anderen Seite das Kind mit dem Bade ausschüttet in folgenden Sätzen: „Nun mag allerdings die Färbung des Secretes und der Drüse selbst, wie z.B. bei den Weichthieren, jene Deutung (als Leber) begünstigt haben, indessen dürfte diese doch nur von un- tergeordnetem Werthe sein. Selbst wenn sich Gallenfarbstoffe und Producte der Galle in jenen Säften nachweisen lassen würden, wäre damit der Beweis der gleichen Bedeutung nicht geführt, denn es ist wohl denkbar, dass das Secret zwar Stoffe beigemengt enthält, welche wie jene aus dem Blute ausgeschieden werden, dabei aber doch im Wesentlichen eine andere Wirkung ausübt und in dieser Hinsicht dem Magensaft und dem Pancreasseeret näher kommt.“ Man kann aber im Gegentheil der Ansicht sein, dass „wenn sich Gallenfarbstoffe und Produete der Galle in jenen Säf- ten nachweisen lassen würden“, damit gewiss der Beweis der re- lativgleichen Be deutung geführt ist. Denn das kann man apriori sagen, dass solche Drüsenzellen, die „Gallenfarbstoffe und Pro- der Bedeutsamkeit chemischer Körper durchdrungen, gewiss nicht auf Basis solch ungenügend differenzirter Körper hin sich bewogen fühlen wird, eine derart scharfe Grenzlinie zu ziehen, so möchte zur Zeit der eine Grenzpfahl schon damit umgehauen sein, dass von verschiedener Seite her dargelegt worden ist, dass Haemoglobin vielleicht allgemeiner verbreitet ist bei Wirbel- losen, als man zur Zeit anzunehmen berechtigt war. Es konnte für die ver- schiedensten Wirbellosen durch Ray Lankester, Nawroki, Mosely und Hubrecht nachgewiesen werden. Angenommen ferner, dass Haemoglobin der Ausgangspunkt sei für die Bildung der Gallenfarbstoffe, eine Annahme, die wohl zur Zeit noch nicht’die allgemeine ist, so dürfte wohl nichts Un- wahrscheinliches in der Ansicht liegen, dass analoge Farbstoffe aus einem dem Haemoglobin analogen Stoffe im Körper der Wirbellosen hervorgehen können. Ein solcher ist aber kürzlich durch L. Fredericq (Bulletin d. l’Acad. de Belgique XLVI. 1878 und XLVII 1879) für Cephalopoden und Crustaceen nachgewiesen worden, den er Haemocyanin nennt. 1) Claus: Zur Kenntniss des Baues u. d. Entwicklung d. Branchipus und Apus. Kgl. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen. Bd. XVII. 1873. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 451 duete der Galle“ bereiten, nicht gleichzeitig ein Secret produeiren können, welches in seiner Wirkung „dem Magensaft und Pankreas- saft näher kommt.“ Ist es einer Drüse eigenthümlich ein Secret zwiefältiger Natur zu bilden, so muss auch der Zellenbelag zwiefältiger Natur sein und je eine Zellenart der Bildung je eines dieser beiden grundverschiedenen Secrete vorstehen. Es ist alsdann nicht minder einseitig, die Drüse in diesem Falle nur als Verdauungsdrüse zu betrachten und ihre Leberfunc- tion ganz zu übersehen, als es früher einseitig war, die Drüse nur als Leber zu betrachten. Steht die Drüse beiden Funtionen vor, so werden beide auch gleicherweise wichtig und nöthig sein für den Haushalt des Thierkörpers; jedenfalls steht uns nicht das Recht zu, die eine Function über der anderen nach unserem Be- lieben aus dem Auge zu lassen. Das Dilemma aber, in das sich Claus begeben hat, dürfte wohl durch meine Anschauung über den Bau und die Thätigkeit der Mitteldarmdrüse der Crustaceen in einigermassen befriedigen- der Weise sich lösen lassen. Diese meine Anschauung will ich aber in nachfolgenden Punkten kurz zusammenfassen. l. In Frage stehende Drüse ist eine tubulöse Drüse, die ihr Secret in den Anfangstheil des Mitteldarmes ergiesst und deren einzelne Follikel von Innen nach Aussen von folgenden drei Um- hüllungshäuten umgeben sind: einer Tunica propria, einer netzför- migen Tunica muscularis mit vorwiegender Entwickelung der eir- eulären Muskelfasern, die je einer einzigen Muskelzelle entsprechen, und einer ebenfalls netzförmigen Tunica serosa, die sich vom Fett- körper herleitet. 2. Das Darmseeret der Isopoden wirkt verdauend auf Ei- weisskörper ein, ebenso wie dies von Hoppe-Seyler, Kruken- berg und mir für die Decapoden nachgewiesen werden konnte. Aus der Gleichheit des Baues der Drüse bei Astacus fluv. und den Gammariden schlossen wir ferner, dass auch die Drüse der letzteren ein Enzym producire, wie es für Asiacus nachgewiesen worden ist. 3. Das Secret entspricht daneben bei Isopoden, Amphipoden und Decapoden der Abscheidung eines leberartigen Organes. Es enthält Pigmente an einen fettartigen Körper gebunden; auch lässt sich in demselben Cholesterin nachweisen. Dasselbe dürfte 452 Max Weber: somit in excretorischer Bedeutung der Galle der Wirbelthiere functionell gleichwerthig erachtet werden !). 4. Entsprechend dieser doppelten Function setzt sich der einschichtige Zellenbelag der Drüse bei den Isopoden aus zwei verschiedenen Zellen zusammen. In der einen Art suchen wir die Fermentbildner: „Fermentzellen‘“; die anderen Zellen betrachten wir als den Sitz der Bildung von Pigmenten und anderen Ab- scheidungsproducten: „Leberzellen.“ 5. Bei den Amphipoden und Decapoden finden sich die Leberzellen in gleicher Weise wieder. Daneben andere Zellen, welche ein wasserklares Secret in Form einer grossen Blase pro- duciren. Diese möchten wir als das fermentative Agens der Drüse ansehen. Eine je nach den Umständen sich mehr oder weniger deutlich abhebende dritte Zellenart dürfte wohl nicht speeifischer Natur, sondern nur als Ersatzquelle der beiden übrigen Zellenar- ten zu betrachten sein. 6. Glycogen auf mikrochemischem Wege in den Drüsenzel- len nachzuweisen, gelang nicht ?). 1) Bereits oben hatte ich Gelegenheit in einer Anmerkung nachträglich, nach Abschluss dieser Mittheilung, anzeigen zu können, dass Cadiat (Gazette medicale de Paris 1878, pag. 276) bei einer grossen Anzahl von wirbellosen Thieren — allerdings mit Uebergehung der. Crustaceen — den Gallenfarbstoffen der Wirbelthiere analoge Farbstoffe nachweisen konnte und sich somit in Uebereinstimmung mit meinen Befunden be- findet. Ob aber die von ihm als Leber gedeuteten Drüsen daneben noch die zweite Function als Verdauungsdrüse übernehmen — es ist hier natür- lich nur von solchen Drüsen die Rede, die eventuell einer solchen Thätig- keit vorstehen könnten, etwa der „Leber‘‘ der Gasteropoden, natürlich nicht von Malpighischen Gefässen — wird von ihm gar nicht in den Kreis der Be- trachtung gezogen. Insofern betrachte ich also die Mitteldarmdrüsen der Crustaceen als ein complicirteres Organ, eine Betrachtung, die wahrscheinlich auch für die Gasteropoden ihre Gültigkeit haben wird. 2) Ich möchte dies besonders betonen mit Rücksicht auf Claude Bernard’s (Lecons sur les phönomenes de la vie communs aux animaux et aux vegetaux. T. II. p. 110 ff.) Angabe, dass die Mitteldarmdrüse der Crus- taceen ein „appareil glycogenique“* sei, „un organ temporair, embryonnair n’existant que dans l’intervalle de deux mues‘“; während sie ausserhalb der Zeit der Häutung eine Leber sei. Ich weiss nicht, in wie weit hierbei der berühmte Physiologe die mikroskopische Untersuchung zu Rathe gezogen hat; meine Ansicht jedoch geht dahin, dass das zum Aufbau des Panzers nöthige Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaccen. 453 7. Da die Drüse durch ihr Seeret functionell gleich- werthig ist einmal der Drüsenart, die wir von den Wirbelthieren her, trotz auch dort bestehender Verschiedenheiten derselben unter einander, gewohnt sind unter dem Namen Leber zusammenzufassen, zum anderen Mal einer Verdauungsdrüse, so dürfen wir in ihr eine Leber und eine Verdauungsdrüse, angepasst dem Haus- halte des Crustaceenkörpers, sehen. Das Ferment dieser Verdau- ungsdrüse ist aber bei einigen Örustaceen peptischer, bei anderen tryptischer Natur, ja es gibt sogar solche, welche beide Fermente secerniren. Hierbei ist dann noch zu bemerken, dass das hier vorliegende Pepsin und Trypsin nicht dem der Wirbelthiere iden- tisch zu sein scheint. Von einer direeten Vergleichung unserer in Frage stehenden Drüse etwa mit den Pepsindrüsen des Magens oder dem Pancreas bei den Wirbelthieren kann daher in dieser Hinsicht nicht die Rede sein. 8. Wenn wir auf Grundlage der oben angezogenen zwiefälti- sen Natur der Drüse für dieselbe an Stelle des einseitigen Na- mens: „Leber“, die Bezeichnung „Hepatopanereas“ vorschlagen, so soll— um dies nochmals zu wiederholen — damit nicht ausge- drückt sein, dasssienun der Leberund dem Pancreas höherer Thierehomolog erachtetwird,sondern nur, dass sie theil- weise Functionen einer Leber undeiner Verdauungsdrüse übernimmt. Wenn nun in letzterer Hinsicht der Name Pancreas ge- wählt wurde, so geschah dies ohne Rücksicht auf Trypsin oder Pepsin — der Name Pancreas ist älter als beide, und sagt über die Function nichts aus; es geschah nur der Kürze halber, dann auch wegen des topographischen Verhaltens unserer Drüse zum Darme, das mutatis mutandis eine Vergleichung mit der vornehmlichsten Ver- dauungsdrüse des Mitteldarmes der Wirbelthiere zulassen dürfte. Sollte ein besserer Name, gleich kurz, die zwiefache Eigenschaft unseres Hepatopancreas ans Licht stellen, so würde ich ihn mit Freude begrüssen. Glycogen innerhalb der Zellen des Fettkörpers bereitet wird, auch der Zellen welche die Tunica serosa der Drüsenschläuche bilden, und dass eben hierdurch Cl. Bernard zu seiner Ansicht verleitet worden ist. 454 Max Weber: Erklärungder Abbildungen auf Tafel XXXVI, XXXVI u. XXXVI. Tafel XXXVl. Alle Figuren beziehen sich auf Isopoden und sind, wo nicht anders bemerkt, bei einer Vergrösserung von Zeiss F. Oc. 1—2, allerdings verklei- nert, dargestellt. Bio. 1. Fig. 2. Fig. 5. Mittlere Partie eines Drüsenschlauches von Porcellio scaber zur Dar- stellung der Form und der Abhängigkeit derselben von der Anordnung der Muskulatur, sowie endlich, um die Drüsenzellen in ihrem gegen- seitigen Verhalten sowohl im frischen Zustande (am Ende des Schlauches), als auch nach Behandlung mit Osmiumsäure (dunkle Zellenpartie) vorzuführen. tp Tunica propria. m Ringmuskeln, durch longitudinal verlaufende Fasern zu einem Netze verbunden. f Fermentzellen, nach Behandlung mit Osmiumsäure mit schwarzem granulärem Inhalt; die lebenden Zellen erscheinen hell. 1 Leberzellen. Querschnitt durch einen Drüsenschlauch von Porcellio, der in Os- miumsäure und Alcohol gehärtet worden. f Fermentzellen. 1 Leberzellen; springen weit in das Lumen vor. Ansicht der Drüsenzellen vom Lumen aus. Zwischen den stark in das Lumen hineinragenden Leberzellen (l) liegen in der Tiefe die Fermentzellen (f). Oberflächenansicht eines Drüsenschlauches von Asellus aquaticus. Stellt die Rosenkranzform desselben dar in ihrer Abhäutigkeit von der Muscularis; und weiter unten die Drüsenzellen. Durch Schatten ist auf denselben die fächerige Eintiefung durch die Längsmuskel- fasern dargestellt. tp Tunica propria. me Muskelringe unter einander verbunden durch die ml Längsmuskelfasern. 1 Leberzellen. f Fermentzellen nach Einwirkung von Osmiumsäure. Drüsenzellen des Asellus aquaticus in Wasser extrahirt (bis zu 24 Stunden) und darauf mit Osmiumsäure behandelt. Die Secret- Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog.‘ Leber der Crustaceen. 455 Fig. 6. tröpfchen der Leberzellen 1 sind zu grösseren Tropfen zusammenge- flossen und durch längere Einwirkung der Osmiumsäure, wie stets der Fall ist, geschwärzt. Die Fermentzellen (f) dagegen enthalten keine Granula mehr, bleiben daher auch nach Einwirkung der Säure hell. Einige Drüsenzellen aus dem Hepatopancreas des Asellus cavaticus. 1 Leberzellen. f Fermentzellen. Tafel XXxXVI. Alle Figuren beziehen sich auf Amphipoden. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Stück eines Drüsenschlauches von Gammarus marinus, zur Demon- stration der Umhüllungshäute und der Drüsenzellen. f Zellenstränge des Fettkörpers, die den Schlauch als Tunica serosa umkleiden. tp Tunica propria eingeschnürt durch die me Muskelringe, die durch ml longitudinale Muskelfasern verbunden sind. a Leberzellen, zwischen diesen die a Fermentzellen. b Reservezellen. a’, b‘, c’ sind dieselben Zellen jedoch vom Lumen her gesehen. Hier erscheinen die Fermentzellen als grosse blasig aufgetriebene Zellen, umstellt von den Leberzellen. Diese in Form von Bändern verei- nigten beiden Zellenarten springen so sehr in das Lumen der Drüse vor, dass das Zellenband b‘, welches beide trennt, nicht zur Ansicht gelangt. Ansicht eines Querschnitts des Hepatopancreas von Gammarus flu- viatilis. a. Leberzellen. b Reservezellen. c Fermentzellen. Ansicht eines Längsschnittes eines Secretionszellenbandes. a Leberzellen, an der einen Seite concav durch den Druck seitens der Secretblase der c Fermentzellen. Zwei derselben sind durch Leberzellen a‘ a’ nach der Seite des Beschauers hin überdeckt. J sogenannte Intima, die niemals eine in sich zusammenhängende Lage darstellt, und als Haut sich abheben lässt, sondern aus dem homogenen Saume der Zellenleiber, von denen er sich nach er- härtend wirkenden Reagentien abhebt, sich zusammensetzt. Figg. 4, 5und5a. Oberflächenansichten des Drüsenzellenlagers verschiedener 456 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. M. Weber: Schläuche zur Demonstration der Verschiedenartigkeit der Erschei- nung der Leberzellen und Reservezellen, abhängig von der Art und dem Grade der Anfüllung mit Secret, während die wasserhellen Fer- mentzellen stets unverändert zwischen denselben gelegen sind. s Secretionszellenband. r Reservezellenband Ansicht einer Partie eines Secretionszellenbandes von Gammarus fluv. vom Lumen her betrachtet. Ueber die blasig aufgetriebenen Fer- mentzellen, deren innere Zellengrenze dem Centour um c entspricht, lassen sich die zarten Contouren der Leberzellen a erkennen, welcbe mithin mit wenig mächtigem Rande die Fermentzellen zum Theil überdecken. Dasselbe von Talitrus saltator nach Behandlung mit Jod-Essigsäure. Aus einem Querschnitt vom Drüsenschlauch des Gammarus fluv. (Winterthier). Die Leberzellen enthalten nahezu keine Secret- tröpfchen. a Leberzellen. b Reservezellen. c Fermentzellen. Eine gleiche Ansicht ebenfalls von einem Winterthiere. Tafel XXxXvmM. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Astacus fluviatilis. Vergrösserung Zeiss: F Ocular 1 oder 2. Ansicht auf die Wand des Drüsenschlauches. Zu äusserst sieht man das zarte Netz der Serosa-Zellen, unter diesen die Tunica muscu- laris, welche der Tunica propria aufgelagert ist. Durchschnittsbild eines Secretionszellenbandes. 1 Leberzellen. f Fermentzellen. i die sogenannte Intima. Querschnitt durch den ganzen Drüsenschlauch. Die Partie b stellt das Aussehen eines solchen nach schwacher, die Partie a nach star- ker Einwirkung von Osmiumsäure dar. Im letzteren Falle ist das Secret der Leberzellen (l) intensiv geschwärzt; f Fermentzellen. Querschnitt eines Secretionszellenbandes. Die Secretblase der Fer- mentzelle (f) ist dem Platzen, nach dem Lumen zu, nahe. Ansicht auf das Zellenstratum eines Secretionszellenbandes vom Lumen her. f Fermentzellen. l Leberzellen. Öberflächenansicht eines frisch unter das Mikroskop gebrachten He- patopancreas nach Behandlung mit Essigsäure. 1 Leberzellen, f Fermentzellen mit deutlichem Kern. Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. 457 Fig. 7. Isolirte Zellen eines Hepatopancreas, welches 12 Stunden lang in der feuchten Kammer gehalten und alsdann mit 1 pCt. Osmiumsäure behandelt wurde. Leider war ich nicht mehr in der Lage die inzwischen von WrzeS- niowski im Zool. Anzeiger 1879 vorläufig mitgetheilten Untersuchungen über den Bau der „Leber‘‘ einiger Amphipoden berücksichtigen zu können. Der genannte Forscher hat ebenfals zwischen den Leberzellen eine zweite Art Zellen, — er spricht von ‚relativ umfangreichen, durchsichtigen, kern- losen Blasen“ — beobachtet, hält sie jedoch für metamorphosirte Leberzellen. Gegen diese Ansicht, der ich anfänglich auch huldigte, dürfte sprechen, dass auch die Zellen, deren Blase bis zum Aeussersten sich ausgedehnt hat, deut- lich noch ihren Kern behalten haben und auch dadurch, dass die Blase noch stets von einem schmalen Protoplasmasaum des Zellleibes umgeben ist, er- kennen lassen, dass wir es bei den Blasen mit einer genuinen Abschei- dung eben der Zellen zu thun haben. Ferner glaube ich in dem Voraus- gehendeu dargethan zu haben, dass das Wesen des Secretes der Leberzellen und dasjenige der Blasen ein verschiedenartiges ist. Hierin dürfte aber der Schwerpunkt zu suchen sein für die Annahme der von Haus aus eigenartigen Natur jeder dieser beiden Zellenarten. Die weiteren kurzen Angaben Wrzes- niowski’s dürften für uns noch von besonderem Interesse dadurch sein, dass sie sich auf andere, uns nicht zugängliche Amphipoden beziehen. 458 B. Solger: Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seiten- organe der Fische. I. Die Seitenorgane der Selachier. Von B. Solger in Halle a. d. S. Hierzu Tafel XXXIX. An die frühere Mittheilung über die Seitenorgane von Chi- maera !) schliesst sich als Fortsetzung ein zweiter Abschnitt an, der von den gleichnamigen Gebilden der Selachier handelt. Ein kurzer Rückblick auf den Inhalt des ersten Artikels mag daran erinnern, dass dort das Hauptgewicht auf den histologischen Bau gelegt wurde, welcher, wenn auch nicht vollständig erschöpfend, doch der Hauptsache nach festgestellt werden konnte. An dersel- ben Stelle war ferner auf die Uebereinstimmung hingewiesen wor- den, welche die Seitenorgane von Chimaera mit denen der Kno- chenfische verknüpft. Um so mehr wird man ein ähnliches Ver- halten von den Organen einer Abtheilung erwarten dürfen, welche, wie die der Selachier, den Chimaeren in so naher Verwandtschaft sich anreiht. Die Untersuchung bestätigt nun, wie schon jetzt hervorgehoben sein mag, diese Vermuthung vollauf, und kann im Einzelnen den Nachweis bekannter Gebilde (Kolbenzellen, indiffe- renter Cylinderzellen, Basalzellen, Cupula) mit genügender Sicher- heit liefern. Doch braucht der Leser desshalb eine ermüdende Wiederholung des bei Chimaera Vorgebrachten nicht zu befürch- ten; denn eine Darstellung unseres jetzigen Thema’s kann ge- rade wichtige Punkte ausführlicher besprechen, die bei Chimaera kaum berührt worden waren, nämlich 1) die metamere Anord- 1) S. dies. Archiv Bd. XV, S. 95 ff. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 459 nung der Seitenorgane am Rumpfe und die Beziehungen der- selben, resp. die des Seitenkanals zur Aussenwelt (seitliche Oeff- nungen oder Querkanälchen !), wie ich sie nennen will), sodann 2) die Entwicklungsgeschichte des Seitenkanalsystems, die in gewissem Sinne der Erforschung des ausgebildeten Sinnes- apparates vorauseilte. Freilich werde ich mich, was die Ontogenie anlangt, fast ausschliesslich an die Angaben der Autoren halten müssen, da ich nur ein einziges früheres Stadium eines Sela- chierembryo (Acanthias) zu untersuchen Gelegenheit hatte. (Literatur.) Ueberhaupt ist die Literatur der Seitenorgane der Selachier aus naheliegenden Gründen weit reichhaltiger, als die für Chimaera. Eine Reihe von Forschern hat sich dieser Auf- gabe gewidmet, und dabei namentlich das Verhalten des Hauptka- nals und jener Querkanälchen berücksichtigt. Doch fehlt es auch nicht an Angaben über den histologischen Aufbau der Sinnesorgane. Es wird daher zweckmässig sein, nach einer übersichtlichen Zusammenstellung der Literatur das Wesentliche der über die Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Seitenorgane der Se- lachier bisher bekannt gewordenen Thatsachen hier vorzuführen. Angaben, die unseren Gegenstand betreffen, finden sich bei folgenden Autoren: Stannius, Periph. Nervensystem der Fische (1849) und Zootomie der Fische. Leydig, Beitr. zur mikrosk. Anat. u. Entwiekl. der Rochen und Haie (1852) und in desselb. Autors Histologie. M’Donnell, On the syst. of the „lateral line“ in fishes (Trans- act. of the royal irish academy, Vol. XXIV. 1862). Semper, Urogenitalsyst. d. Plagiostomen u. s. w. (Arbeiten aus d. zool.-zootom. Institut zu Würzburg II. 1875). Balfour, A Monograph on the development of. elasmobranch fishes, 1878. Ich will nun versuchen, die von den einzelnen Autoren ge- lieferten Beiträge in ein einheitliches Bild zusammenzufassen. Was zunächst die Bahnen betrifft, in denen die Nervenfasern zu den Sinnesorganen sich begeben, so treffen wir auch hier wieder dasselbe Verhalten wie bei Chimaera. Die Organe des Kopfes inner- 1) Sie zweigen sich freilich oft genug in spitzem Winkel vom Hauptka- nale ab, doch wollte ich gerne das Eigenschaftswort „seitlich“ vermeiden. 460 B. Solger: virt der Trigeminus und zwar besonders der erste und zweite Ast desselben, die Organe des Rumpfes aber fallen dem Ramus latera- lis n. vagi zu. Der Seitennerv verläuft bei Spinax und Carcharias (Stannius) als einfacher Stamm !) zwischen dem ventralen und dorsalen Abschnitt der Rumpfmuskulatur nach rückwärts, und zwar in der Tiefe, der Wirbelsäule genähert, von seinem Verbreitungs- gebiete, dem Seitenkanale, aber weit entfernt. Am Schwanze pflegt er der Oberfläche sich mehr zu nähern, so dass er „bei Car- charias glaucus, schon in der Gegend der zweiten Rückenflosse fast unmittelbar unter der äusseren Haut liegt“ (Stannius, Ner- vensyst. S. 100). Auf seinem Wege entsendet er Zweige in gros- ser Anzahl, die nun ihrerseits jeweils einem Ligamentum intermus- culare folgend, gegen die Oberfläche aufsteigen und in den Seiten- kanal eindringen (Leydig). Was nun das Kanalsystem selbst betrifft, so kann bezüglich seiner Anordnung und Verbreitung auf die bei Chimaera von mir wiedergegebene kurze Schilderung ver- wiesen werden, da auch bei den Selachiern der Kopf- und Rumpfan- theil desselben sich im Wesentlichen ebenso verhält. Nur vor- übergehend seien gewisse Besonderheiten berührt, die von Rochen bekannt sind. Die ventrale Fläche des Kopfes und des vorderen Rumpfabschnitts von Raja (clavata) ist durch einen eigenthüm- lichen Complex barocker Linien ausgezeichnet, welcher durch den hier mannigfach gebogenen Verlauf der Sinneskanäle zu Stande kommt (s. M’Donnell’s Abbildung (Taf.V. Fig. 1). Bei Torpedo wird merkwürdigerweise diese ganze ventrale Partie des Röhren- systems vermisst (M’Donnell). — Gewisse Abschnitte der Kopf- kanäle entbehren auf weite Strecken der seitlichen Oeffnungen 1) Für die richtige Würdigang der metameren Anordnung der End- organe am Rumpfe, die weiter unten ausführlich erörtert werden soll, wäre es von nicht geringer Bedeutung, wenn die von einigen Untersuchern behaup- teten Anastomosen des Ram. lat. vag. mit oberflächlichen Zweigen mehrerer oder gar aller Spinalnerven sich bestätigen würden. In diesem Sinne äusserten sich wirklich Cuvier und Büchner, freilich nicht ohne von verschiedenen Seiten sehr bestimmten Widerspruch zu erfahren. Sorgfältige und über ein reiches Material ausgedehnte Untersuchungen, die noch dazu — wie es scheint — eigens auf diesen Punkt gerichtet waren, führten Anatomen wie E. H. Weber, Savi, Robin und Stannius zu durchaus negativen Resultaten. — Auch Langerhans, der bei Petromyzon den Seitennerv auf die schonendste Weise isolirte, weiss Nichts von Verbindungen mit Spinalnerven zu berichten. u Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 461 (Querkanälchen), so dass sie mittelst erstarrender Massen manch- mal mit Leichtigkeit gefüllt werden können ; andere dagegen, z.B. der Supraorbitaltheil, communiciren vielfach mit der Aussenwelt. Namentlich ist dieses letztere Verhalten für den Rumpftheil cha- rakteristisch. In der Regel handelt es sich bei diesen seitlichen Oeffnungen nicht um einfache Löcher, wie bei Seymnus lichia, sondern „die Oeffnung ist röhrenförmig ausgezogen. In diesem Falle, z.B. bei Mustelus lacvis, gewinnt der Seitenkanal ein halb- gefiedertes Aussehen: da die kleineren Ausläufer alle nach unten ge- richtet sind“ (Leydig). Diese Querkanälchen zweigen sich (bei Haien) in ziemlich regelmässigen Abständen in schiefer Richtung vom Hauptkanale ab (M’Donnel)). Mit dem histologischen Studium der Seitenkanäle der Selachier hat in erfolgreicher Weise bisher eigentlich nur Leydig sich be- schäftigt. Er schildert den Bau derselben folgendermassen: Eine derbe bindegewebige oder faserknorpelige Röhre, welche die Haupt- masse der Wandung des Kanals bildet, umschliesst ein zweites zartes Rohr, das aus einer bindegewebigen, mit elastischen Fasern durchwebten Grundlage besteht und mit Epithel überzogen ist. Bei Raja clavata trifft man ein schönes Pflasterepithel, bei Hexan- chus griseus sind es Zellen, die öfters mit einem dichten, stachel- förmigen Fortsatze endigen (siehe Fig. 106 in Leydig’s Histolog.). Grössere oder kleinere Papillen von warzen- oder kolbenförmiger Gestalt ragen in das Lumen hinein. Von diesem Epithel, das auch auf die Papillen übergeht, unterscheiden sich sofort lange, zarte Cylinderzellen, welche die Stelle des Nerveneintritts be- decken. Zwischen diesen Elementen scheinen die Nervenfasern zu endigen (Histol. S. 203). Es treten nämlich zahlreiche Nerven- stämmehen nach Durchbohrung des festen Umhüllungsrohres in den zarthäutigen Kanal ein. Jedes hier angelangte Stämmehen bildet einen Nervenknopf und da nun alle „in einer Längsreihe zu lie- gen kommen und wegen ihrer Menge dicht aufeinander folgen“, so entsteht „ein nach der Länge des Kanales fortlaufender, gleich- sam linearer Nervenknopf.“ Die bisher mitgetheilten Angaben bezogen sich auf die Kopfkanäle, was ich namentlich mit Rück- sicht auf den von Leydig beschriebenen „fortlaufenden Nerven- knopf“ hervorheben möchte. Vom Seitenkanal (des Rumpfes) selbst wird im Allgemeinen ein ähnlicher Aufbau berichtet; speeiell wur- den Nervenknöpfe bei Seymnus lichia gefunden. Ein helles Flui- 462 B. Solger: dum etwa von der Consistenz der Labyrinthflüssigkeit erfüllt den Binnenraum des Röhrensystems. An diese Uebersicht des über die Anatomie der ausgebildeten Organe bisher Bekanntgewordenen schliesse sich ein Abriss der Entwicklungsgeschichte! Was zunächst die Entwicklung der Seitennerven anlangt, so liegen zur Zeit zwei verschiedene Darstellungen vor, die gerade in einem der wichtigsten Punkte von einander abweichen, nämlich in der Bezeichnung des Keim- blattes, dem dieser Theil des peripheren Nervensystems seinen Ursprung verdankt. Nach Semper!) stammt der Nervus lateralis „wie bei Hai- embryonen ungemein leicht zu constatiren“ ist, aus dem Eetoderm und folgt also demselben Entwicklungsmodus, der für das centrale Nervensystem als besonders charakteristisch bezeichnet zu werden - pflegt. „Wenn er am Vorderende sich schon vollständig vom Eetoderm abgeschnürt hat“, lässt sich Semper wörtlich verneh- men, „und zwischen die Muskeln gerathen ist, liegt er noch in der Mitte des Körpers dem Eetoderm hart an, am hintern Körper- ende hat er sich sogar noch nicht einmal vollständig aus dem Eetoderm abgegliedert. Genau ebenso schreitet die Ausbildung der Seitenlinie und ihrer Organe von vorn nach hinten ganz allmälig fort.“ Ausführlichere Mittheilungen über die Entwicklung der Sei- tenlinie bei den Haien werden vom Autor in Aussicht gestellt. Die soeben reproduceirte Schilderung der Entwicklung der Seiten- nerven steht nun, wie Semper ausdrücklich betont, „in vollstän- digster Uebereinstimmung“ mit dem Ergebnisse, zu welchem Goette nach Untersuchungen an Unkenlarven gelangt war. Auch dieser Forscher hatte sich für die Entstehung des N. lateralis aus dem Eetoderm erklärt und in eonsequenter Schlussfolge denselben Entwieklungmodus auch für die in den Seitenorganen des Kopfes endigenden Aeste des N. trigeminus in Anspruch genommen ?). Es bedarf kaum eines besonderen Hinweises, dass wir, falls diese Darstellung dem wirklichen Sachverhalte entspräche, vor einer höchst überraschenden Thatsache stehen würden. In der That haben sich denn auch alsbald Stimmen erhoben, welche die Rich- tigkeit des von Goette und Semper vertretenen Satzes in Zweifel 1) 1. s. S. 398. 2) A. Goette: Entw. d. Unke, $. 672 und 719. Vrgl. auch Balfour, l. c. S. 146, Anmerk. 1. Neue Untersuchungen zur Auatomie der Seitenorgane der Fische. 463 ziehen. Zunächst ist es A. Kölliker!), der Goette’s „Aufstel- lung vorläufig kaum als eine gesicherte angesehen“ wissen will. Freilich leiten ihn bei seinem Urtheile allgemeine Erwägungen, nicht speeiell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen. Dafür ist von anderer Seite dieses Postulat erfüllt und eine Nachprüfung der Angaben Semper's vorgenommen worden, die zu einem an- deren Ergebnisse führte. Balfour?) kam nach Untersuchungen von Selachierembryonen (besonders Embryonen von Seyllium ca- uicula) zu dem Resultate, dass der Seitennerv sich nicht periphe- rich von der Oberhautanlage abspaltet, wenn er auch an manchen Stellen theilweise von gewissen Zellen derselben umfasst wird (l. ec. Taf. XII Fig. 3b und 3c); er entwickelt sich nach der An- gabe des englischen Anatomen vielmehr als ein Ast des Vagus, er entstammt mit andern Worten dem mittleren Keimblatte. Das- selbe gilt mit grösster Wahrscheinlichkeit auch für die Nerven, welche zu den ‚Schleimkanälen‘“ (mucous canals3) des Kopfes sich begeben (gegen Goette). Auch die Entwicklung des Seitenkanalsystems selbst, deren Kenntniss gleichfalls hauptsächlich den Bemühungen Bal- four’s zu danken ist, verdient nun genauer betrachtet zu werden. Noch wichtiger wäre freilich, wie schon Eisig richtig hervorhebt, ein Einblick in die Entstehung der Seitenorgane, d. h. der ner- vösen Endapparate gewesen, doch haben die sorgfältigen Angaben Balfour’s auch für die Lösung dieses Problem’s die Wege ge- ebnet. Das früheste Entwicklungsstadium des den Seitenkanal später auskleidenden Epithelrohrs erscheint als eine kurze, aber breite Verdiekung der unteren Lage der Epidermis, in der Höhe der Chorda, an einer dem hintern Kopf- und dem vordern Rumpfab- schnitt entsprechenden Stelle. Diese Partie des Integuments unter- scheidet sich jetzt schon von ihrer Umgebung: ausnehmend hohe Zellen des Straetum mucosum, zwischen deren Basis eigenthümliche Rundzellen eingestreut sind, setzen sie zusammen. Diese Epithel- 1) Kölliker, Entwicklungsgesch. II. Aufl. S. 398. 2) Balfour, |. c. S. 141 ft. 3) Leider finden’ sich in Balfour’s Darstellung zweierlei Bildungen, die getrennt zu behandeln gewesen wären, unter obiger Bezeichnung zusam- mengefasst: nämlich die Seitenorgane des Kopfes und die Lorenzinischen Ampullen. 464 B. Solger: verdickung dehnt sich in der Folge weiter nach rückwärts aus, indem gleichzeitig die Differenzirung der Zellen in derselben Weise sich vollzieht. Weiterhin zeigt sich zuerst in der Gegend des hintern Rumpftheils im Innern des bisher soliden Zellstranges ein auf dem Querschnitt schlitzförmiger Hohlraum, der von zwei nahezu parallelen Wandungen, einer medialen und einer lateralen um- schlossen wird. Beide sind durch verschiedenes Epithel charakte- risirt; medial finden sich hohe Cylinderzellen, lateral dagegen ab- geplattete Elemente (l.c. Taf. XII. Fig. 3d). Dieser Spaltungsvor- gang schreitet in der Folge nach vorne hin weiter, gleichzeitig rückt der auf diese Weise gebildete Kanal mehr in die Tiefe. Bald darauf (im Stadium P!) tritt die erste Andeutung von Querkanäl- chen (segmental apertures) auf (l. e. Taf. XII. Fig.4). Das Lumen des Kanals sendet aufwärts (upwards ?) und auswärts eine “ Anzahl von Verlängerungen aus; es schreitet demnach der Vorgang der Dehiscenz weiter gegen die Oberfläche fort, ohne dass es je- doch zunächst zur Bildung wirklicher äusserer Oeffnungen kommt. In regelmässigen, den Segmenten entsprechenden Ab- ständen wiederholt sich der Process. Unterdessen hat eine wei- tere höchst bemerkenswerthe Differenzirung der zelligen Ausklei- dung Platz gegriffen und zwar an der dem Ursprung des Quer- kanälchens gegenüberliegenden Wand?) (l. ec. Taf. XI, Fig. 4). Es ist der erste Schritt zur Sonderung des Sinnesepithels von dem indifferenten Epithelüberzug. Eine kurze vergleichend-entwicklungsgeschichtliche Betrach- tung möge diesen Abschnitt beschliessen! Wie schon erwähnt ®), unterscheidet die Genese des Seitenkanals sich bei Selachiern und Teleostiern insoferne, als im ersten Fall durch den eben geschil- derten Spaltungsprocess, im letzteren durch das Schliessen einer bei Chimaera persistirenden Rinne der Kanal durchgängig. Dass dieser Differenz keine wesentliche Bedeutung zugeschrie- ben werden darf, wird durch folgende Belege zur Genüge er- 1) S. Balfour’s Erklärung dieser Bezeichnung |. c. S. 80. 2) Also dorsalwärts ? 3) Balfour, 1. c. S. 144: „a special area of the inner border of the canal of the lateral line becomes distinguished by its structure from the remainder.“ 4) S. den I. Artikel, Seitenorgane von Chimaera. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 465 wiesen!). Das erste Beispiel ist der Entwiekelungsgeschichte des Rückenmarks entnommen. Der Centralkanal der Medulla spinalis ge- wisser Knochenfische (Salmo fario) entsteht nicht, wie es sonst als Norm gilt, durch‘ Schliessung einer Rinne, der Primitivrinne, wobei die Ränder der Rückenwülste bis zur Verschmelzung sich miteinander vereinigen, sondern durch Dehiscenz im Innern eines soliden, gegen das Corium einwachsenden Zellstranges. Ein weiteres Beispiel liefert die Entwicklung des Thränennasenganges der Wirbelthiere, der in neuester Zeit durch G. Born?) eine mustergültige Bear- beitung zu Theil wurde. Hier bildet sogar der Vorgang der De- hiscenz die Regel; denn unter den vier Wirbelthierklassen, die überhaupt dabei in Betracht kommen, ist nach Born bei Amphi- bienlarven, sodann bei Eidechsen- und Hühnerembryonen dieser Modus der Lumenbildung der herrschende, und nur für die Säuge- thiere muss Kölliker*) zufolge auch jetzt noch die alte Lehre von dem Sichschliessen einer zwischen dem äusseren Nasenfort- satze und dem Oberkieferfortsatze auftretenden Rinne aufrecht er- halten werden. (Eigene Untersuchungen.) Die Rücksicht auf etwaige Prüfungen anderer Untersucher, die hoffentlich nicht lange auf sich werden warten lassen, bestimmt mich, die Ergebnisse meiner eigenen Beobachtungen nicht in sachlich geordneten Rubriken aufzuführen, sondern die für jede einzelne Thierform gefundenen Verhältnisse zusammen vorzutragen. Am Schlusse eines später zu publicirenden Ill. Artikels, der die Seitenorgane der Teleostier behandeln wird, soll dann das Gesammtergebniss mitgetheilt werden. 1) Die nahe Verwandtschaft beider Vorgänge ergiebt sich schon aus dem Tmstande, dass auch ein Selachier, Echinorhinus spinosus (Scymnus) am Rumpfe die Rinnenform der Seitenlinie aufweist. Hier ist die offene Seiten- linie, wie ich jetzt Dank der liebenswürdigen Gefälligkeit des Herrn Dr. Hubrecht (Leiden) ergänzend nachtragen kann, nach vorne bis in die Ge- gend des Kiemenapparats nachweisbar. 2) Morphol. Jahrb. Bd. H und V. 3) Kölliker, Entwicklungsgesch. 1879, S. 700. — Vergl. auch $. 872 (Entw. d. Schilddrüse bei Vögeln und Säugern). Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 17, 30 466 B. Solger: I. Hate, Mit Seyllium eatulus beginne ich. Ein von einem kleinen Exemplar genommener Hautstreifen, welcher den vordersten Rumpf- abschnitt des Seitenkanals sammt den unmittelbar darunterliegen- den Weichtheilen (Seitennerv, Musculatur, Seitenlymphgefäss) ent- hielt, wurde zunächst in sehr verdünnte, allmählich in eoncentrir- tere Chromsäurelösung gebracht, sodann in Alcohol gehärtet und nun auf einem Leyser’schen Microtom in eine zusammenhängende Reihe von Schnitten (über 250) zerlegt. Diese Strecke umfasste zwei vollständige Nervenendigungen, ein zwischen sie eingescho- bener Streifen indifferenten Epithels trennte die beiden Endorgane. Da überdies die zuerst erhaltenen und die den Schluss der ge- sammten Serie bildenden Schnitte dieselbe indifferente Epithelaus- kleidung darboten, so konnte darüber, dass wirklich zwei voll- ständige Endknospen vorlagen, kein Zweifel bestehen. Dazu kommt noch, dass in der Mitte der ersten, sowie der zweiten Hälfte der Schnittreihe Präparate sich ergaben, welche ein Nervenstämm- chen im Längsschnitt zeigen, wie es senkrecht aus der Tiefe auf- steigend die mediale Wand des Seitenkanals durchbricht und nach. oben gegen das Sinnesepithel sich wendet. Da die Zerlegung beider Endorgane ganz entsprechende Bilder lieferte, und überdies in der gleichen Reihenfolge, da ferner auch die Zahl der Schnitte im Ganzen dieselbe war, so wird die Schilderung eines ein- zigen Gebildes genügen; ohnehin werden sich bei der Beschrei- bung beständig Anknüpfungspunkte an die von Chimaera be- kannten Verhältnisse ergeben. Es handelt sich auch bei Seyllium wieder um eine in das Lumen des Seitenkanals vorspringende Erhebung, die beträchtlich länger ist, als breit. Die Bestimmung der Lage des Endorgans kann nicht wohl vorgenommen werden ohne eine vorherige Orien- tirung der Wandungen des Kanals, und am zweckmässigsten ge- schieht dies mit Hülfe eines Querschnittbildes (s. Fig. 1). Man bemerkt einen vollständig geschlossenen Kanal von viereckigem Lumen, dessen Wände als dorsale (d), ventrale, laterale (äussere) und mediale (innere) bezeichnet werden sollen. Die beiden erst- genannten übertreffen die anderen sehr beträchtlich an Ausdeh- nung (im Mittel 0,47 mm gegen 0,25 mm). Die abgerundeten Win- Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 467 kel, in denen die vier Flächen auf einander stossen, mögen zur Erleichterung der Beschreibung als äusserer und innerer dorsaler und als äusserer und innerer ventraler unterschieden werden. Es fällt sofort in die Augen, dass die Lage des Endorgans bei Seyllium eine andere ist, als bei Chimaera; es liegt nämlich nicht im Grunde des Kanals im Bereiche der medialen Wand, son- dern wir treffen es an einer Seitenwand, der dorsalen, an, in ge- ringer Entfernung von dem äusseren dorsalen Winkel. Dagegen stimmt die Form des gesammten Organs gut mit dem von Chi- maera geschilderten Verhalten überein. Wie dort, so sehen wir auch bei Seyllium eine langgestreekte Erhebung mit etwa spindel- förmiger Basis, deren Längsaxe dem Verlaufe des Seitenkanals folgt; sie ist in der Mitte ihrer Längsausdehnung am höchsten und daselbst auch (in dorso-ventraler Richtung) am breitesten. Nach beiden Enden hin wird nieht nur die Coriumerhebung niedriger und gleichzeitig auch schmaler, um schliesslich vollends zu verschwinden, auch das Epithel ändert sich. Es verliert an Höhe; damit geht der Verlust der Sinneszellen Hand in Hand. Denkt man sich die ganze Erhebung in drei Abschnitte von gleicher Länge getheilt, so dürften die charakteristischen Kolbenzellen, die auch hier wieder die eigentlichen Sinneszellen repräsentiren, den Bereich des mittleren Drittels nieht überschreiten, und das erste und letzte Drittel würde der Nervenendigungen somit ganz ent- behren. Ein Querschnitt durch die Mitte des Organs zeigt folgende Verhältnisse: Von den drei Flächen der Coriumerhebung, die hier natürlich als Ränder erscheinen, nämlich der oberen (der ventralen Wand gegenüber) und den beiden seitlichen (der lateralen und der medialen Wand gegenüber) trägt nur die erste das Sinnesepithel, welches mit den dazwischen und darunter liegenden indifferenten Elementen das von Chimaera her bekannte Bild darbietet. In un- terster Lage stehen wieder Basalzellen mit grossem rundlichen oder ovalen Kern, dann foigen hohe eylindrische Elemente; zwischen diesen letzteren sind die Kolbenzellen vertheilt, deren man 4 bis 6 auf feinen Schnitten in geringen Abständen von einander wahr- zunehmen pflegt. Die Kolbenzellen messen 0,028 mm, sind aber nur wenig grösser als die Birnzellen der Knochenfische, deren Länge F. E. Schulze zu 0,022 mm bestimmte, und fast um die Hältte kleiner als die Kolbenzellen von Chimaera, die nach meinen Mes- 468 B. Solger: sungen 0,050 mm erreichen können. Zwischen den Basalzellen und den Elementen der oberen Schicht erscheinen wieder die „Zwischen- pfeiler“, die an den Grenzen des geschilderten Epithellagers gegen die seitlichen Abhänge hin häufig büschelförmige Anordnung zeigen. Was nun das Epithel der Abhänge der Coriumerhebung betrifft, so ist es auch hier wieder ein indifferentes, das scharf von dem Sinnesepithel sich abhebt. Der Lederhaut ursprünglich anliegend, aber ganz constant durch Schrumpfung von derselben abgehoben, lassen sich ferner auch hier grosse, mit zackigen, nach oben ge- richteten Fortsätzen versehene Zellen von blassem homogenem Pro- toplasma mit grossem ovalem Kern nachweisen, welche, den bei Chimaera beschriebenen und abgebildeten Elementen (l. e. S. 107 und Fig. 8, r) vollständig entsprechen. Ich sah auf Schnitten durch beide Coriumabhänge und deren Epithel immer beiderseits ' nur je ein derartiges Gebilde Darüber legen sich in einfacher oder doppelter Schicht niedrige, eubische Elemente mit rundlichen Kernen. Lateral und oft noch deutlicher, medial von der Coriumpa- pille und ihren Zellen zeigt sich auf Querschnitten dieser Gegend eine hauptsächlich vom Epithel aufgeworfene, obere und untere Falte!). Beide fassen das gesammte Endorgan auf diese Weise zwischen sich und können es auch wohl überragen; sie nehmen mit dem Endorgan an Höhe ab und zwar häufig noch rascher als dieses, so dass man alsdann an Schnitten durch die Endabschnitte desselben nichts mehr von ihnen wahrnimmt. Bisher war nur von der dorsalen Wand die Rede; einförmiger und schon deshalb weniger interessant stellt sich die Epithelbe- kleidung der drei übrigen Flächen dem Untersucher dar. Zwei oder auch mehr Lagen niedriger oder selbst platter Zellen, decken die spärliche Schicht lockeren Bindegewebes, welches zwischen das Epithel und den derben Bindegewebsknorpel der Wandung eingeschaltet ist. Die Innervation des Endorgans wurde schon oben kurz berührt. Weitaus die meisten Schnitte liefern nur das Bild quer- durchschnittener, markhaltiger Nervenfasern, deren Zahl gegen die Enden der Erhebung mehr und mehr bis zum völligen Verschwin- den abnimmt. 1): Rigill, Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 469 Eine vollständige Schnittreihe enthält jedoch auch einige Prä- parate, welche das für die Endknospe bestimmte Nervenstämmehen im Längsschnitt zeigen. Es steigt an der Grenze der dorsalen und ventralen Seitenmusculatur senkrecht aus der Tiefe empor, um dann seine Fasern nach vorn und nach rückwärts auszusenden. Das Stämmehen durchbrieht die faserknorpelige Wandung in der Gegend des inneren dorsalen Winkels, und zwar entspricht die Stelle, auf die Längsausdehnung des Endorgans bezogen, dem mittleren Abschnitt desselben. Bisher wurde nur das Bild eines vollständig geschlossenen Kanals vorgeführt. Eine weitere Musterung der Schnitte belehrt jedoch, dass dieser Kanal von Strecke zu Strecke seitliche Oeff- nungen, oder Querkanälchen besitzt, die frei auf der Oberfläche der Epidermis ausmünden. Auf jedes Endorgan kommt je ein Querkanälchen. Ihre Abgangsstelle vom Hauptkanal findet sich in geringer Entfernung von dem Orte des Nerveneintritts und liegt dem Endorgan gegenüber (s. Fig. 1). Mit anderen Worten, von der ventralen Wand geht eine trichterförmige (auf den Schnitten etwa 0,05 mm breite) Ausbuchtung ab, die sehr bald zu einem engen, schief gegen die freie Fläche des Integuments aufsteigen- den Kanälchen, dem Querkanälchen, sich verjüngt. Schliesslich wäre noch die Frage zu erörtern: Wie verhält sich das Epithel zwischen zwei Endorganen? Man wird sich erinnern, dass die specifischen Sinneszellen nur im Bereiche des mittleren Drittels eines Organes vorkommen, und dass die En- den von indifferenten Zellen eingenommen werden, die je- doch scharf von dem übrigen Epithel des Seitenkanals sich sondern. Allein allmählich wird ihr Bezirk von den Elementen der Nachbarschaft mehr und mehr eingeengt, bis sie vollstän- dig geschwunden sind. Damit ist die Grenze eines Endor- ganes erreicht; mehrere Schnitte hindurch zeigt sich nur die ge- wöhnliche zellige Auskleidung des Seitenkanals, aber bald meh- ren sich die Zeichen, dass der Beginn einer neuen Sinnesknospe erreicht ist. Das Ergebniss der ersten Schnittreihe ist also folgendes: Die beiden zerlegten Endorgane des Rumpfes verhal- ten sieh vollständig gleich in ihrem gröberen und fei- nerenBau, zu jedem von ihnen gehört ein Nervenstämm- chen und ein Querkanälchen. Eine nachträgliche Verglei- 470 B. Solger: ehung der Zahl der Schnitte und eine darauf basirende Schätzung!) der Dimension, die jedem Endorgane zukommt, macht es ferner im hohen Grade wahrscheinlich, dass sie auch in ihrer Grösse nicht von einander abweichen. An einem zweiten Objeete derselben Species wurde speciell auf das Grössenverhältniss geachtet, das zwischen einem Seitenor- gane des Rumpfes und dem darunter liegenden Muskelsegment besteht. Durch direete Messung mit dem Zirkel bestimmte ich den Abstand zweier ein Myocomma begrenzenden Ligamenta in- termuseularia im Bereiche der vorderen Rumpfgegend auf ca. 2mm. Entsprach nun, wie ich vermuthete, jedem Metamer ein Endorgan, dann mussten die einander entsprechenden Bilder immer 2mm auseinander liegen. Als das am unzweideutigsten sprechende Probeobjeet wählte ieh denjenigen Schnitt, welcher die ‘ Eintrittsstelle des Nervenstämmchens in den Seitenkanal enthielt. In der That war der Schlitten, mit dem zu untersuchenden Object von der ersten bis zur zweiten Nerveneintrittsstelle um 20 Theil- striche, oder um 2mm verschoben worden. Acanthias vulgaris. Erwachsene Dornhaie wurden von mir nicht untersucht. Doch waren die Embryonen, die ich erlangen konnte, meist der Reife nahe, und somit kann der weiter unten von einem ca. 20cm lan- gen Exemplar mitgetheilte Befund wenigstens theilweise als Er- satz dieser Lücke gelten. Von jüngeren Entwicklungsstadien stand mir nur ein Embryo von 7 cm Länge zu Gebote; mit seiner Schil- derung soll der Anfang gemacht werden. Der ganz frische Embryo wurde zunächst in '/s%/ Chrom- säurelösung gelegt. Nach 24stündiger Einwirkung dieser Flüssig- keit konnte die Epidermis in grösseren zusammenhängenden Stük- ken sauber von dem Corium abgehoben werden, und nicht lange darauf gelang es auch, die Lederhaut von der Musculatur ziem- lich glatt abzulösen. Da das Corium noch ungemein dünn und durchsichtig war, so stellten sich der mikroskopischen Durchfor- schung seiner beiden Flächen keine Schwierigkeiten entgegen. Zu- 1) Es war versäumt worden, während des Schneidens direct zu messen. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 471 nächst sei vom Rumpfe die Rede; es zeigte sich alsbald, dass so- wohl an der Aussen- wie an der Innenfläche der Lederhaut doch noch Reste des bedeckenden oder angrenzenden Gewebes zurück- geblieben waren, nämlich einmal gewisse spindelförmige Epithel- haufen (Fig. 2e), sodann zweitens deutliche Spuren der Anheftungs- stellen der Ligamenta intermuseularia, sewie der sie begleitenden Gefässe. Die der Innenseite der Lederhaut anhaftenden Gewebe- reste sind uns für unsere Zwecke besonders willkommen, denn sie setzen uns in den Stand, eine etwa vorhandene Gliederung des Seitenkanals in Beziehung zur Segmentirung der Leibeswand zu bringen. Der Seitenkanal erscheint in diesem Stadium nnr als ein Zellenstrang, der in eine rinnenförmige Vertiefung des Corium eingebettet ist. Zur Differenzirung einer besonderen bindegewe- bigen Wandung ist es noch nicht gekommen. Dieser Zellenstrang (Fig. 2s) zeigt an seiner ventralen Seite in regelmässigen Ab- ständen eine Anzahl niedriger Vorragungen, so dass eine wellen- förmige Zeichnung entsteht. Diese Figuren sind an einem mir vorliegenden Präparate über sechs benachbarte Segmente hin zu verfolgen. Es scheint dabei als Regel zu gelten, dass je drei derartige Wellenberge auf ein Metamer treffen, und nur an einer Stelle bemerke ich deren nur zwei. Im Innern jeder solchen Ver- breiterung bemerkt man eine auch in der Zeichnung angedeutete strahlige Figur. Ich vermuthe, dass der geschilderte Befund so zu deuten sein dürfte: Der Zellenstrang wächst an bestimmten Stellen stärker in die Breite und im Innern eben derselben Ab- schnitte mag der Vorgang der Dehiscenz, welche schliesslich die ursprüngliche solide Epitheleinwachsung in einen durchgängigen Kanal umwandelt, soeben anfangen Platz zu greifen. Figur 3 zeigt in einfachen Umrissen ein Stück von dem Kopftheil des Seitenkanalsystems. Hier ist das Rohr schon voll- kommen wegsam und sendet kürzere oder längere Ausläufer, die späteren Querkanälchen, aus. Eine Vergleichung der beiden Fi- guren 2 und 3 könnte leicht zu der Vermuthung führen, dass auch am Rumpfe jede der wellenförmigen Vorragungen die Anlage eines Querkanälehens repräsentire. Aus der Untersuchung reifer Embryonen (s. u.) scheint jedoch hervorzugehen, dass von je drei Ausbuchtungen immer nur eine bestimmt ist, zu einem Kanälchen sich auszubilden. 472 B. Solger: Bezüglich der mit e (Fig. 2) bezeichneten Zellenspindeln mag schliesslich noch bemerkt werden, dass sie zum Seitenkanalsystem in keiner direeten Beziehung stehen, da ich dieselben Gebilde an einem älteren Embryo auch in grösserer Entfernung von der Ge- gend der Seitenlinie und zwar dorsal von derselben antraf. Viel- leicht handelt es sich um die Anlage becherförmiger Organe. Die übrigen von mir untersuchten Embryonen waren, wie schon bemerkt, nahezu reif (18—20 cm lang). An solchen Formen lassen sich schon makroskopisch einige Emblicke gewinnen. Ich untersuchte daher an einem Spiritusexemplar auf diese Weise die Oeffnungen der Querkanälchen am Rumpfe. Sie erschienen als eine Längsreihe kleiner, weisser Pünktchen, die in regelmässiger Entfernung auf einander folgen. Etwa 30 Oeffnungen kamen auf das erste Fünftel des Rumpfes; sie liegen ventral vom Seiten- ‚kanal. Da auf diese Art schon festgestellt war, dass die Querkanäl- chen in gleichmässigen Abständen auf der Oberfläche des Integu- ments ausmünden, erhob sich weiter die Frage, in welcher Bezie- hung diese Abstände zur Längsausdehnung der Myocommata ste- hen. An einem gut conservirten zweiten Exemplar von 18cm Länge wurde durch makroskopische Messung eines durch die Haut und die anstossende Rumpfmuskulatur geführten Längsschnittes die Distanz zweier bindegewebigen Scheidewände zu 1mm bestimmt. Das entsprechende Hautstück der andern Körperhälfte wurde, in Paraffin eingeschmolzen, in Querschnitte zerlegt. Als Resultat die- ser Schnittreihe, die eine Strecke von 3,1mm, also drei Segmente umfasste, ergab sich, dass die Abgangsstellen der Querkanälchen, denen ich begegnete, jedesmal um 1 mm auseinandergerückt sind. Die Querkanälchen sind also segmental angeordnet. Mustelus laevis. Die so eben mitgetheilten Untersuchungen der Seitenorgane von Seyllium und Acanthias haben zu dem Ergebnisse geführt, dass am Rumpfe dieser Selachier stellenweise (ob durchaus, muss erst noch constatirt werden) eine ausgesprochene Metamerie dieser Sin- nesorgane herrscht, und zwar in der Weise, dass auf jedes Kör- persegment eine Endknospe, ein zugehöriges Nervenstämmchen und Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 473 ein Querkanälchen trifft. Bei Mustelus tritt uns nun eine inte- ressante Modification dieser Vertheilung entgegen. Zwar steht hier die Zahl. der Nerven und Querkanälchen ') des Rumpfes in einem bestimmten Verhältnisse zu derjenigen der Leibessegmente, aber die Summen der verschiedenen Gebilde gleichen sich nicht mehr; sondern jedem einzelnen Rumpfsegment kommt eine Mehr- heit von Nervenstämmcehen und Querkanälchen zu, nämlich regel- mässig drei. Aber bevor ich das thatsächliche Material für diese Behauptung vorlege, muss ein anderer Punkt noch erledigt wer- den. Ich traf die Disposition des Stoffes in der Weise, dass die Besprechung von Mustelus der Schilderung des Befundes von Seyllium und Acanthias nachfolgt. Diese Gruppirung könnte leicht so gedeutet werden, als sollte damit das Verhalten von Mustelus als spätere, abgeleitete Form bezeichnet werden. Die Frage nach dem primitiven und secundären Zustand ist ohne Zweifel ven gros- ser Bedeutung und muss früher oder später diseutirt werden ?). Zur Zeit scheinen mir aber für eine wohlbegründete Erledigung der- selben noch viel zu wenig Thatsachen vorzuliegen. Für die von mir angenommene Reihenfolge war daher nur die alte Regel das Bestimmende, den seltneren Fall nach dem häufiger vorkommenden zu erörtern. Ich berichte zunächst über ein Exemplar von Mustelus laevis, dessen Grösse es erlaubte, schon mit unbewaffnetem Auge einige nicht unwesentliche Punkte zu eruiren. Die Länge desselben be- trug 1,50m. Ein Hautstück des Rumpfes aus der Gegend der Seitenlinie von 12cm Länge umfasste 8 Segmente. Der Abstand zweier Ligamenta intermuscularia wurde übrigens auch noch di- rect gemessen, und dafür im Einklang mit der vorigen Angabe die Grösse von 1,25 cm gefunden. Das Lumen des Seitenkanals war weit genug, um die Ein- führung einer dünnen Canüle zu gestatten. Es wurde daher, um 1) Ueber die auf ein Metamer treffende Anzahl umschriebener End- knospen bin ich nicht ins Klare gekommen. 2) Vergl. auch H. Eisig, Seitenorg. und becherf. Org. d. Capitell. S. 831 u. 332. Uebrigens wird auch die Entscheidung der noch schwebenden Frage, ob den Urnierenkanälchen der Wirbelthiere ursprünglich eine metamere oder dysmetamere Anlage zukam, für die Auffassung der Metamerie der Seiten- organe von Bedeutung sein. 474 B. Solger: über die Durchgängigkeit und über etwaige seitliche Oeffnungen des Kanals Aufschluss zu erhalten, bei mässigem Drucke eine grössere Quantität einer 0,5 proc. Osmiumsäurelösung eingespritzt. Die injieirte Flüssigkeit trat gleichzeitig aus einer grösseren Anzahl feiner, den Querkanälchen angehöriger Mündungen hervor, die bald darauf als braune oder schwarze Flecken dauernd von der Um- gebung sich abhoben. An dem ausgeschnittenen Hautstücke, das über acht Segmente sich erstreckte, zeigten sich nun ventral von dem Seitenkanal 24 stichförmige Oeffnungen, die Mündungen eben- sovieler Querkanälchen. Gute Uebersichtspräparate, wie Fig.5 eins vorstellt, erhält man auf folgende Weise: Das mit Osmium- säurelösung injieirte Hautstück wird auf einige Tage in die Klei- nenberg’sche Pierinschwefelsäuremischung gebracht. Mit einem Scalpell lassen sich dann die erweichten Placoidschuppen durch Schaben oder Schneiden leicht entfernen. Legt man das auf diese Weise oberflächlich geglättete Hautstück nunmehr in Glycerin, so tritt die schwarze, halbgefiederte Figur, welche der Hauptkanal sammt den Querkanälchen (a) bildet, auf dem gelben Grunde auf das Deutlichste hervor. Die Mündungen der Querkanälchen waren hier etwa 0,5 cm von einander entfernt. Um die bisher ermittelten Thatsachen zu controliren und zu erweitern, wurde ein ähnliches Object von einem zweiten, weit kleineren Exemplar für die mikroskopische Untersuchung zu- bereitet, nachdem vorher die Längsausdehnung eines Segments einer bestimmten Rumpfregion durch directe Messung hergestellt war; dieselbe belief sich auf etwa 5 mm. Es wurde nun ein Haut- stück dieser Gegend, welches den Seitenkanal und seine Umge- bung in sich schloss, auf eine Strecke von 5l mm in Querschnitte zerlegt. Der Seitenkanal erscheint alsdann mit viereckigem, na- hezu quadratischem Lumen. Von der einen Wand, nämlich der dorsalen, ragt auf vielen Schnitten ein stumpfer Coriumhöcker herein, dessen Basis markhaltige, meist querdurchschnittene Ner- venfasern durchsetzen und dessen Epithelüberzug von dem der Um- gebung sich schon durch seine beträchtliche Höhe unterscheidet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass in dieser Gegend die Nervenendigung gesucht werden muss; ich bin aber leider nicht in der Lage, nach den mir vorliegenden Präparaten eine Frage er- ledigen zu können, die von nicht geringer Bedeutung ist. Ich konnte nämlich nicht darüber in’s Reine kommen, ob mir auf dem Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 475 durchmessenen Wege nur eine einzige Nervenendigung be- gegnete oder mehrere, etwa drei, wie ich vermuthen möchte. Mit der grössten Sicherheit kann ich mich dagegen über zwei andere Punkte äussern, nämlich über das gröbere Verhalten der Nerven und der Querkanälchen. Dem in Schnitte zerlegten Abschnitt des Seitenkanals, dessen Längsausdehnung einem Meta- mer entsprach, gehörten drei Nervenstämmehen und, wie nach dem mikroskopischen Befund zu erwarten war, drei Querkanäl- chen an. Die Abgangsstelle der letzteren fällt mit dem Orte des Nerveneintritis zusammen oder befindet sich nicht weit davon. Die zusammengehörigen Gebilde folgen in ziemlich regelmässigen Ab- schnitten (1,6—1,9 mm) aufeinander. Auf Grund der vorgeführten Thatsachen gelange ich daher zu dem Schlusse, dass am Rumpfe von Mustelus, entweder durchaus, oder doch auf grössere Strek- ken jedem Leibessegment je drei indem Epithel des Sei- tenkanals endigende Stämmchen des Ramus lateralis n. vagi und ebensoviele Querkanälchen entsprechen. Die Zahl der zugehörigen Epithelknospen muss erst durch weitere Untersuchungen festgestellt werden. An demselben grossen Exemplar, von dem die mikroskopische Darstellung des Seitenkanals stammt, wurde ich auf modifieirte Schuppen aufmerksam, deren Sitz genau dem Verlaufe desselben entspricht. Ich bemerkte nämlich unter den Placoidschuppen, wel- che genau senkrecht oberhalb des Kanals dem Corium eingepflanzt sind, in ziemlich gleichmässigen Intervallen etwas hervorragende Gebilde, die man für hervorquellende Schleimtröpfehen hätte hal- ten können. Sie sind in doppelt so grosser Distanz (1 cm) als die Oeffnungen der Querkanälehen von einander angeordnet, stehen also nicht segmental. Die mikroskopische Untersuchung klärte die Sache wenigstens theilweise auf. Es zeigte sich näm- lich, dass diese durchscheinenden Gebilde einfach nur grössere Placoidsehuppen sind, die durch etwas abweichende Form von den übrigen Hautzähnchen sich unterscheiden. Besser als eine Be- schreibung wird der Anblick der Figur 6 hiervon eine Vorstellung geben. Die halbschematisch gegebene Zeichnung stellt einen Flach- schnitt des den Seitenkanal bedeckenden Integuments dar, und zwar von unten gesehen. Die Umrisse einer gewöhnlichen Pla- coidschuppe, die erst bei tiefer Einstellung scharf hervortreten, sind zur Vergleichung im rechten oberen Winkel der Figur (a) ein- 476 B. Solger: getragen. Die stark in die Quere gezogene, mit b bezeichnete Ba- salplatte gehört zu der schon dem blossen Auge aufgefallenen Schuppe; sie umschliesst mit der nächstfolgenden zusammen eine seichte, spindelförmige, nach aussen sich öffnende Grube (g), deren Epithelauskleidung von der übrigen Epidermis verschieden sich dar- stellt. Nähere Angaben muss ich auf eine spätere Gelegenheit ver- sparen, doch kann ich schon jetzt soviel aussagen, dass die Gebilde mit dem Seitenkanalsystem in keinem Zusammenhange stehen. 2. Rochen. Der erste Abschnitt dieses Aufsatzes war den Haien, und zwar ausschliesslich den Seitenorganen des Rumpfes derselben gewidmet. Die wenigen Angaben, die ich von Vertretern der zweiten Gruppe der Selachier, von Trygon und Torpedo nämlich, vorzulegen im Stande bin, sind bestimmt, eine Lücke der bisheri- gen Darstellung wenigstens theilweise auszufüllen: sie werden sich mit den Sinnesorganen des Kopfes befassen. Zunächst einige Worte über das Lumen des faserknorpligen Rohrs, in welchem das Sinnesepithel geborgen ist. Ich finde es auf dem Querschnitt bei Torpedo rundlich, bei Trygon oval, wobei der horizontale Durchmesser der längere ist. Die Nervenendigung liegt bei Trygon am untern, bei Torpedo am seitlichen Umfange der Epithelauskleidung. Auf die Seitenorgane des Kopfes (der Plagiostomen) bezieht sich auch die bekannte Angabe Leydig’s !), nach welcher „ein nach der Länge des Kanals fortlaufender, gleich- sam linearer Nervenknopf gebildet wird, indem alle die einzelnen (Nervenknöpfe) in einer Längsreihe zu liegen kommen und wegen ihrer Menge dicht auf einander folgen.“ Auf der erläuternden Abbildung (Fig. 107), welcher ein Präparat von Hexanchus gri- seus zu Grunde liegt, sieht man in der That das die Nervenein- trittsstelle bedeekende Epithel in ununterbrochener Folge über den Bereich dreier Stämmehen hinwegziehen. Ich bezweifle keines- wegs das Vorkommen des von Leydig abgebildeten Verhaltens, nur möge man sich nicht der Vorstellung hingeben, als ob am Kopfe überhaupt keine Unterbrechungen dieses linearen Nervenknopfes 1) Leydig, Lehrb. d. Histol. S. 202. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 477 vorkämen. Ich habe an dem öfters erwähnten grossen Exem- plar von Mustelus Gelegenheit gehabt, die Epithelauskleidung einer grösseren Strecke in toto von der Fläche zu betrachten und mich dabei überzeugt, dass mehrfach allerdings schmale Lücken zwischen benachbarten „Nervenknöpfen“ vorhanden waren. An solchen Stellen schiebt sich dann das die übrigen Wände des Kanals auskleidende, niedere Epithel (s. u.) von beiden Seiten dazwischen. Bei Tor- pedo scheinen die Nervenendstellen mitunter sehr weit auseinan- dergerückt zu sein. Bezüglich des feineren Baues der Sinnesorgane konnte ich das Vorkommen der bei Chimaera von mir ausführlich geschil- derten Kolbenzellen, sowie Reste der Cupula !) auch für den Zit- terrochen auf Schnitten constatiren. Die Ergebnisse eines Ver- suchs, die zelligen Elemente des Seitenkanals durch Maceration mittelst Ranvier’schen Alkoholmischung sind auf Fig. 7 darge- stellt. Kolbenzellen sind leider nicht darunter; von den vorliegen- den Formen weiss ich einige, z. B. No.3 und 4, nicht unterzubrin- gen, andere wieder sind leicht an die ihnen gehörige Stelle zu weisen. So stammen die mit 6 bezeichneten Zellen offenbar aus der untersten Epithellage, während die mit 5 markirten die obere Zellenlage der indifferenten Epithelbekleidung (s. Fig. 8) zu- sammensetzen; sie kommen auch den Querkanälchen von Tor- pedo zu. Es bleibt nur noch übrig, einige Worte zur Erklärung der beiden letzten Abbildungen (Fig.8 Aund B) beizufügen. Beide Fi- guren stellen Schnitte dar dureh das indifferente, niedrige Epi- thel, wie es an den seitlichen Wandungen und an der Decke des Kanalsystems ausschliesslich vorkommt. Das bei A darge- stellte Objeet war aus Müller’scher Flüssigkeit, das mit B be- zeichnete aus der von Merkel angegebenen Platin-Chromsäure- Mischung in Alcohol gebracht worden. Man erkennt ein zwei- schichtiges Epithel; über die aus niedrigen Elementen (a) beste- hende untere Lage, deren Verbindung mit dem faserknorpeligen 1) Dieselbe Cutieularbildung kommt bekanntlich nicht nur der Crista acustica der Fische zu, sondern wurde auch — ich eitire nach Kölliker (Entwicklgsg. 1879, S. 735 u. 736) — von Hasse bei menschlichen und Säuge- thierembryonen an derselben Stelle gesehen. Kölliker’s Abbildung (Fig. 458) bestätigt Hasse’s Entdeckung. 478 B. Solger: Rohre durch spärliches lockeres Bindegewebe vermittelt wird, breitet sich als Decke ein Stratum von eylindrischen Zellen (b) mit unteren Fortsätzen. Das unterscheidende Merkmal zwischen beiden Präparaten, auf das es mir hier vor ailem ankommt, bildet das Fehlen oder Vorkommen der Zwischenpfeiler (z). Was diesen Punkt betrifft, erlaube ich mir, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die schon im 1. Artikel!) gegebene Auseinandersetzung zu verweisen. Dieselben Gebilde sind übrigens, wie aus Fig. 4 dieses Aufsatzes hervorgeht, schon in der Epidermis von Embryonen nachweisbar. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIX. Fig. 1. Querschnitt durch den Seitenkanal (s) von Scyllium catulus (Rumpftheil) an der Abgangsstelle eines Querkanälchens (q); d dor- sale Wand des Kanals, 1, 1, l,, Lymphräume resp. Lymphgefässe, p Placoidschuppe. I) Fig. Acanthiasembryo von 7cm Körperlänge. Die Anlage des Sei- tenkanals (s) in der Ausdehnung zweier Rumpfsegmente. Epider- mis abgehoben bis auf zwei dorsal vom Seitenkanal gelegene spin- delförmige Zellcomplexe c. Fig. 3. Von demselben Embryo wie die vorhergehende Figur, und in demselben Massstabe gehalten. Umriss eines am Kopfe verlaufen- den Abschnittes des Seitenkanalsystems. Fig. 4 Acanthiasembryo von 7cm Körperlänge. Epidermis von der unteren Fläche gesehen. 0,1°/, Chromsäurelösung Pierocarmin. Die buchtigen oder zackigen Felder z (Zwischenpfeiler) gelb. Fig. 5. Mustelus laevis, 1,5 Meter lang. Seitenkanal des Rumpfes mit Querkanälchen (a), natürl. Grösse. Osmium. Fig. 6. Von demselben Exemplar von Mustelus. Halbschematische Zeichnung. Flächenschnitt der Haut der Seitenkanalregion, von - u. 1) S. dies. Arch. Bd. XV. 8. 106. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. 479 unten gesehen. Die Erklärung der Buchstaben a, b, g siehe im Text. Fig. 7. Torpedo ocellata. Epithelzellen aus den Verzweigungen des Seitenkanals am Kopfe dnreh Maceration in !/; Alcohol isolirt. Fig. 8. Trygon pastinaca. Schnitte durch das indifferente Epithel aus den Verzweigungen des Seitenkanals am Kopfe. A aus Müller’scher, B aus Merkel’scher Flüssigkeit. Die Erklärung der Buchstaben a, b, z findet sich im Texte. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. Von Dr. Kuhn, Docent der Ohrenheilkunde an der Universität Strassburg. Hierzu Tafel XL—XLV. Im Vergleiche zu den zahlreichen Arbeiten über den Bau des Gehörorganes der Fische, Vögel und Säugethiere sind die Un- tersuchungen über dieses Sinnesorgan bei den Amphibien ziemlich selten ausgeführt worden. Es muss dies um so mehr auffallen, als wir bei diesen Vertebraten einerseits die ersten Anlagen der für die höheren Wirbelthiere so wichtigen Basilartheile der Cochlea vorfinden und anderseits das innere Ohr bei den verschiedenen Classen der Amphibien selbst so recht deutlich eine stufenweise Entwiekelung der einzelnen Schneckentheile zeigt. Dass sich so wenige Forscher an diese Aufgabe gemacht haben, mag an den Schwierigkeiten liegen, denen wie hei der morphologischen sowohl wie auch der histologischen Unter- suchung des Gehörorgans dieser Thiere begegnen. Es muss wohl Hasse, dem als Forscher auf diesem Gebiete die weitaus grösste Erfahrung zur Seite steht, Recht haben, wenn er die Anatomie des Gehörorgans der Frösche, und wir können hinzu- fügen, der Amphibien überhaupt „das schwierigste Kapitel in dem 480 Kuhn: Kapitel der Gehörorgane“ nennt. Nicht sowohl die Kleinheit des Objeetes, sondern insbesondere die geringen Differenzirungen der einzelnen Theile von einander sind es, welche das Studium dieses Sinnesorgans so beträchtlich erschweren. Nur nach langem und wiederholtem Suchen, bei dem es an Geduld und Zeit nicht fehlen darf, nach aber und abermaliger Controle wird man in den Stand gesetzt, einen klaren Einblick in die auf einen so kleinen Raum zusammengedrängten Theile zu erhalten. Um so lohnender er- scheint die vollbrachte Arbeit, denn bei keinen Repräsentanten in der ganzen Vertebratenreihe, bietet sich ein so regelmässiges Bild der allmählig aufsteigenden Entwicklung der Schneckentheile dar, als bei den Amphibien, wenn wir bei der Untersuchung mit den Urodelen, den niedrigsten und den Fischen am nächsten stehenden Abtheilungen beginnen und diese Studien durch die Reihen der _ Anuren fortführen. Bei Geoffroy (Dissertations sur l’organe de l’ouie de l’homme, des reptiles et des poissons. Paris 1778, p.73) finde ich zum er- sten Male die halbzirkelförmigen Kanäle im Labyrinthe einiger Amphibien (Rana, Bufo) erwähnt. Die Angaben von Scarpa (Anatomica disquisitio de auditu et olfactu. Tieini 1789) sind schon viel vollkommener. Er fand bei mehreren Amphibien, be- sonders bei Salamandra aquatica, jenes Schema des Wirbelthier- labyrinthes, wie wir es bei den Fischen angenommen haben; das Vestibulum enthält bei ihm den „saceulus albidam materiam ereta- ceam continens“, mit dem der alveus communis, der Ausgangs- schlauch der halbzirkelförmigen Kanäle, verbunden ist. Wie alle früheren Autoren, sieht auch er in dem Steinsacke das Homolo- son der Schnecke. Die viel später von Ruseoni und Config- liachi (Del Proteo anguino di Laurenti monografia. Pavia 1819) gemachten Untersuchungen erkennen nur den Sacculus mit seinen kreidigen Massen und bezweifeln für Proteus die Existenz der halbzirkelförmigen Kanäle. Blainville (Prineipes d’Anatomie comparee Tom. I. p. 549) und Pohl (Expositio generalis anatomiea organi auditus. Vindobonae 1818) bestätigen für Proteus, Axolotl, Salamandra und Rana die Angaben Scarpa’s. Selbst Cuvier (Lecons d’anatomie comparee. Paris 1805 und Rapport a l’academie des Sciences 1830), der die Reptilienschnecke zuerst erkannte, theilt die Ansicht der Aelteren, dass der Saceulus der Amphibien das Homologon der Schnecke sei, und in ganz gleicher Weise urtheilt Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 481 Huschke (Beiträge zur Physiologie und Naturgeschichte 1828. Bd. D), der besonders Salamandra, Bufo und Pipa untersucht hat. Im Gegensatze zu allen diesen für die früheren Perioden an- erkennenswerthen, im Grunde aber höchst mangelhaften Beschrei- bungen eröffnet Windischmann die Periode der genaueren Untersuchungen über diesen Gegenstand. In seiner Dissertations- arbeit: „De penitiori auris in amphibiis structura. Lipsiae 1831“, theilt er die Resultate seiner Untersuchungen über das Gehörorgan der nackten und beschuppten Amphibien mit. Die Klarheit der anatomischen Schilderung, die grosse Gewissenhaftigkeit, mit wel- cher er die einzelnen Thatsachen feststellt, können als Muster für derartige Studien dienen und es sind seine Resultate um so mehr anzuerkennen, als die Hülfsmittel, die ihm zu Gebote standen, noch höchst primitiver Art gewesen sein mussten. (Usus sum praeter plures lentes simplices mieroscopio simpliei, ex tribus len- tibus eonstanti ete.) Windischmann verwirft vor allen Dingen die Homologie des Saceulus mit der Wirbelthierschnecke und stellt die Existenz einer Cochlea sowie einer Fenestra rotunda für Proteus, Axolotl, Salamandra und selbst für die Batrachier voll- ständig in Abrede. Erst das häutige Labyrinth der Reptilien be- sitzt eine Schnecke, wie er dies bei Testudo, Crocodilus, Lacerta und Ophidia eines Näheren beschreibt. Primum igitur in Amphi- biis squamatis cochleam invenimus, 'eiusque prima initia in te- studine p. 50.“ Dagegen repräsentiren seine Angaben über die Vestibulartheile bei den nackten Amphibien noch bis auf den heu- tigen Tag im Grossen und Ganzen unsere Kenntnisse. In neuerer Zeit macht Stannius (Handbuch der Zootomie, II. Theil 2. Buch. Berlin 1856. p. 159) einige wichtigere Mitthei- lungen über das weiche Labyrinth der Amphibien. Er spricht von drei halbzirkelförmigen Kanälen, welche vier (!) Ampullen besitzen und die mit dem Alveus communis in Verbindung stehen; ebenso nimmt er einen geschlossenen häutigen Sack an mit breii- gen erystallinischen Coneretionen. Allen Amphibia monopnoa er- kennt er eine Schnecke zu, unter den Dipnoa dagegen, die uns hier interessiren, ‚will er einzig und allein bei Rana mugiens ein Schneckenrudiment gesehen haben. Es ist „nach seiner Beschrei- bung“ ein kleiner rundlicher Auswuchs oder Höcker, der dem Sacke eng angewachsen ist; sein Umfang gleicht demjenigen einer Am- pulle, seine Wand ist härter als die des Sackes. Als ein eige- Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 3l 482 Kuhn: nes vom Sacke abgegrenztes Gebilde darf dieser Auswuchs, na- mentlich in Hinblick auf Schildkröten, wohl als Schneckenrudiment aufgefasst werden. Leydig (Lehrbuch der Histologie. Frkfrt. 1857, p. 276) hat bei Rana und Bombinator eine dem Knorpelrahmen ähnliche Bil- dung gesehen, giebt jedoch keine weiteren Aufschlüsse über dieses Organ. Die von den bisher genannten Forschern überlieferten Ar- beiten beziehen sich blos auf den morphologischen Bau dieses Sinnesorganes; erst Deiters macht in seiner trefflichen Studie „über das innere Gehörorgan der Amphibien“ (Reichert und Du Bois-Reymond’s Archiv f. Anat. u. Physiol. 1862) nähere Angaben über die histologischen Strukturverhältnisse des häutigen Ohres der Batrachier, sowie auch über die feinere Anatomie des nervö- sen Endapparates. Mit Recht sagt Hasse, dass in keiner an- deren Arbeit das Beobachtungstalent Deiters’ in so hohem Grade sich manifestirt, wie in der oben erwähnteu über das Gehörorgan der Amphibien. Für uns speeiell ist nur zu bedauern, dass diese Studie sich nur auf die Batrachier erstreckt, allein die hier vor- geführten Thatsachen — ich spreche hier in erster Linie ven den makroskopischen — sind zum grossen Theile so gut von ihm erkannt worden, dass spätere Untersuchungen im Wesentlichen nur deren Bestätigung und weitere Ausführungen seiner Beobach- tungen sein werden. Das weitaus grösste Verdienst um die Erforschung des Am- phibien-Ohres hat sich unstreitig Hasse erworben. In dem gros- sen Rahmen seiner zahlreichen Studien über das Gehörorgan der Vertebraten, müssen diejenigen über mehrere Amphibienspeeies !), was rastlose Arbeit und klares Erkennen der so complieirten Ver- hältnisse betrifft, mit in die erste Linie gestellt werden. Es könnte vielleicht müssig erscheinen nach den Arbeiten eines Deiters und Hasse diesen Gegenstand wieder aufzuneh- men, denn im Wesentlichen werden wir nur deren Beobachtungen 1) Hasse (Siebold u. Kölliker’s Zeitschrift für Zoologie Bd. XVII. 1868. (Gehörorgan der Frösche.) — Anatomische Studien. Bd. I. Leipzig 1873. 1. Das knöcherne Labyrinth der Frösche. — 2. Ueber den Bau des Gehörorgans von Siredon pisciformis p. 611. — Die vergleichende Morphologie und Histologie des häutigen Gehöror- ganes der Wirbelthiere. — Supplement. Leipzig 1873. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 483 weiter bestätigen können; allein im Bereiche derartiger Studien, die von so hohem vergleichend anatomischem Werthe sind, sehen wir trotz der besten Untersuchungen und Darstellungen noch lange nicht alle Einzelheiten erschöpft und auf das Unzweifelhafteste hingestellt. Ich erinnere hier nur an die Frage von den feineren Details des nervösen Endapparates im Ohre; und auch für die morphologischen Verhältnisse lassen sich bei den verschiedenen Gattungen der Amphibien noch so manche Facta feststellen, über die bis jetzt noch keine näheren Angaben bekannt sind. Es er- schien mir daher von Interesse, das häutige Gehörorgan einer grösseren Zahl von verschiedenen Amphibiengattungen , soweit dieselben mir zugänglich waren, einer näheren morphologischen und histologischen Untersuchung zu unterwerfen. Es sollen diese Studien die Fortsetzung jener Arbeit!) sein, die ich bei den Te- leostiern begonnen und welche ich durch die Reihen der Rep- tilien, Vögel u.s.w. bis zu den Mammiferen und dem Menschen hinauf fortzusetzen gedenke, um mir in dieser Weise ein Bild jener allmählig aufsteigenden Entwickelung zu verschaffen, die bei den Fischen mit dem einfachen Ohrschema der Wirbelthiere beginnt und bei den Mammiferen mit jenem complieirtesten aller Sinnesorgane, mit dem menschlichen Gehörorgane endet. Aus den verschiedenen Classen der Amphibien waren es in erster Reihe die Ichthyodeen, welche ich zur Erkenntniss der Uebergangs- formen des inneren Ohres von den Fischen zu den Dipnoen untersuchte; zu ihnen gehört Proteus anguinus und Siredon pisciformis; von den Sa- lamandrinen standen mir Triton taeniatus, Triton eristatus und Sala- mandra maculosa zu Gebote; aus der Ordnung Anura benutzte ich vorwiegend Rana esculenta, Bufo vulgaris und Hyla arborea, de- ren ausgedehnter Gebrauch zu solehen immerhin ein grösseres Material erheischenden Untersuchungen, schon ihres häufigen Vor- kommens halber geboten war. Besonders war eg die grosse un- garische Rana esculenta, die sich zu den morphologischen Studien am besten eignete, und beziehen sich alle makroskopischen Schilde- rungen und Zeichnungen der Raniden auf diese Species (Rana eseu- lenta Var. hungarica (Waldeyer) ). Es unterscheidet sich dieselbe, wie ich gleich bemerken will, in Nichts als in Betreff ihrer Grös- senverhältnisse, von unserer einheimischen Ranagattung ?). 1) S. dieses Archiv Bd. XIV. 2) In den mir zugängigen zoologischen Werken, auch in Knauer’s 484 Kuhn: Es würde zu weitläufig sein, das Gehörorgan eines Jeden dieser Repräsentanten der nackten Amphibien in gesonderter Weise zu schildern; der bei allen diesen Species in seinen Hauptzügen gleichartige Bau des betreffenden Sinnesorganes würde immerwäh- rende Recapitulationen erheischen und es erschien mir desshalb praktischer, auch hier in gleicher Weise vorzugehen, wie ich dies bei der Schilderung des häutigen Labyrinthes der Knochenfische gethan habe. Gleich wie der Gehörapparat der Teleostier als Typus für dieses Sinnesorgan bei den Fischen überhaupt angesehen werden kann, und weiterhin unter den Knochenfischen der Esox Lucius das vollkommenste Bild des Fischlabyrinthes darbietet, so scheint mir auch das innere Ohr der Anuren und speciell das der Raniden die ausgeprägtesten und charakteristischsten Merkmale zu besitzen, die sich bei den Amphibien an diesem Organe vorfinden. Es be- sitzt dasselbe in deutlichster und best entwickelter Form alle jene neuentstandenen Theile, die wir im Gegensatze zu den Fischen bei den Amphibien nachzuweisen im Stande sind. Einerseits kenn- zeichnet das erstmalige Auftreten dieser neuen Öhrtheile in der Reihe der Vertebraten die höhere Organisation der nackten Am- phibien gegenüber den Fischen, anderseits deuten sie auf den Ver- wandtschaftsgrad dieser Thiere mit den höher stehenden beschupp- ten Amphibien, den sogenannten Reptilien hin. Auf die detaillirte makro- und mikroskopische Schilderung des inneren Ohres von Rana esculenta werde ich Morphologie und Histologie des Labyrinthes bei den übrigen oben genannten Am- phibien folgen lassen, soweit dieselben mit Rana Differenzen auf- zuweisen haben, und, um dem Plane einer vergleichenden anato- mischen Studie gerecht zu werden, sollen zum Schlusse die Haupt- merkmale des Amphibienlabyrinthes gegenüber dem inneren Ohre der Fische hervorgehoben werden. — Bei der Kleinheit und der ungemeinen Zartheit des häutigen Amphibien-Ohres thut schon bei der einfachen Herausnahme des Organes aus seinem knöchernen Gehäuse die grösste Sorgfalt Noth, und dies um so mehr, wenn es sich darum handelt, die hi- stologischen Verhältnisse der einzelnen Labyrinththeile zu er- gründen. „Naturgeschichte der Lurche‘‘ Wien 1878, finde ich diese durch ihre Grösse sehr auffallende Varietät, die in der Theiss-Niederung vorkommt und mir durch Vermittlung des Herrn Prof. Goltz zu Gebote stand, nicht erwähnt. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 485 In Kürze desshalb die einzelnen Untersuchungsmethoden, nach denen ich gearbeitet. Vom gespaltenen Schädel des frisch getöd- teten Thieres wird das knöcherne Labyrinth in toto abgetrennt, die Weichtheile entfernt und dann die Columella vorsichtig aus dem ovalen Fenster gehoben. Nun legt man das isolirte knöcherne Öhrgehäuse während 24 Stunden in eine !/; °/, Lösung von Osmium- säure und hierauf, nach kurzem Auswaschen in distillirtem Was- ser, in eine ganz schwache CrO3(!/s; 0/0) Lösung, die, nach je zwei Tagen, stets durch allmählig stärkere Chromsäurelösungen zu er- setzen ist. Nach Verlauf von 14 Tagen bis drei Wochen ist die Ent- kalkung soweit gediehen, dass die Präparate, nach abermaligem Auswaschen in Wasser, gefärbt werden können. Hiezu benutzte ich entweder Hämatoxylin, meist aber das Ranvier’sche Carmin. Alsdann geschah die Einbettung theils in schwach erwärmten Leim- glycerin und Leber, theils in frisches Rückenmark, und nach 3— 4tä- giger Härtung in absolutem Alcohol waren die Präparate schnittfähig. Ich will bier nicht unerwähnt lassen, dass mir diese älteren Ein_ bettungsmethoden viel bessere Dienste geleistet haben, als die meisten der so sinnig erfundenen neueren, und zwar aus dem Grunde, weil diese letzteren zu ihrer Herstellung fast immer die Einwirkung eines mehr weniger intensiven Wärmegrades erhei- schen und dies gerade sich zur Conservirung der nervösen End- zellen und der verschiedenen Cutieularbildungen als schädlich er- wies. — Zur histologischen Untersuchung der einzelnen Labyrinth- theile kann man schon am 5.—6. Tage der Entkalkung das knö- cherne Gehäuse mit Leichtigkeit eröffnen; die leicht zerreiss- lichen häutigen Gebilde werden dabei nicht lädirt und nach deren Herausnahme können die zu untersuchenden Einzelorgane isolirt, gefärbt und in frisches Rückenmark eingebettet werden. — Handelt es sich blos um die morphologische Detailforschung, so genügt es ebenfalls das knöcherne Gehäuse, nachdem es wie oben in 085 0, gehärtet worden, nur wenige Tage in Cr O? liegen zu lassen und alsdann aus dem hiedurch schon ziemlich weich gewordenen Knochen- gewebe das häutige Labyrinth in toto herauszupräpariren. Die so gewonnenen Präparate bringt man schliesslich in niedere, mit irgend einer Lackmasse auf einer Glasplatte befestigte und mit Glycerin gefüllte Caoutschoueringe. In dieser Weise gelang es mir noch am besten, das ganze Labyrinth oder grössere Abschnitte desselben mit der Loupe oder bei schwacher mikroskopischer Ver- x 486 Kuhn: grösserung zu untersuchen. Es bietet gerade die sogenannte grö- bere Anatomie des Amphibienlabyrinthes die grössten Schwierig- keiten dar; nur durch grosse Ausdauer, durch Uebung des Auges für solche kleine mikroskopische Verhältnisse, nach zahllosem Hin- und Herwenden der ganzen Labyrinthobjeete und der einzel- nen isolirten grösseren Ahtheilungen derselben während der Loupen- untersuchung, gelingt es Einsicht in das gegenseitige Verhältniss der das Ganze zusammensetzenden Einzelorgane zu erhalten. Um aber „in das Gewirr von Erhebungen, Ausbuchtungen und über- einandergelegenen Hohlräumen Klarheit zu bringen, und aus ein- zelnen Bildern sich ein deutliches Gesammtbild zu construiren“ (Hasse), ist es ausserdem nothwendig, Schnitte in den verschie- denen Richtungen zu führen, sowohl durch die isolirten einzelnen Theile, als auch durch das im Gehäuse noch eingeschlossene ganze ‚Organ. A. Inneres Ohr der Batrachier. I. Knöchernes Labyrinth. Unmittelbar vor den beiden Condylen des Hinterhauptbeines liegen zwei symmetrische Knochenhöcker, an deren Aussenflächen der Unterkiefer fixirt ist. Nach vorn werden diese Hervorragungen von den Augenhöhlen begrenzt, nach oben sind sie von Weich- theilen bedeckt; ihre innere Fläche ist nach der Schädelhöhle ge- wendet. An der oberen Fläche dieser knöchernen Vorsprünge zeigen drei leistenartige. Erhabenheiten den Verlauf der drei Bo- gengänge an, von denen die hintere und lateral gelegene am stärk- sten hervortritt; sie entspricht dem Canalis frontalis; die Erhaben- heit für den sagittalen Gang liegt hinten und median, sie ist we- niger stark angedeutet, als die frontale; am wenigsten tritt der am vorderen Ende des Höckers gelegene Canalis horizontalis her- vor; er verläuft von vorn oben nach hinten und unten. Unmittel- bar unter dem hinteren Ende dieser letztgenannten Knochenleiste findet sich das foramen ovale, jene von der Fussplatte der Colu- mella verschlossene direete Oeffnung vom mittleren zum inneren Ohre. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 487 So viel zur Topographie der Aussenfläche des das innere Ohr der Batrachier bergenden Knochengehäuses. Die knöcherne Labyrinthkapsel der Teleostier, die bekanntlich nach der Gehirnhöhle zu breit offen steht, ist aus drei Knochen zusammengesetzt, dem prooticum, dem epioticum und dem opis- thoticum; bei den Amphibien fehlt das epiotieum und nur die beiden anderen, pro- und opisthotieum tragen zur Bildung des knöchernen Labyrinthes bei. Als Rudiment des bei den Fischen und Eidechsen vorhandenen: epioticum bezeichnet Hasse einen Knochen- kern in der an der Oberfläche des Labyrinthes gelegenen und die hin- tere Leiste des frontalen Bogenganges darstellenden Knorpelmasse. Das knöcherne Labyrinth der Amphibien wird demnach aus dem prootieum und dem mit dem oceipitale laterale vereinigten opisthotieum gebildet, ist an der hinteren Seitenfläche des Schädels gelagert und wird nach vorne von der Durchtrittsstelle des N. tri- geminus, nach hinten von dem foramen jugulare begrenzt. Oben, hinten und vorn ist es von Weichtheilen bedeckt, unten ruht es auf einem Theile des Primordialkranium und einem dasselbe deckenden Belesknochen, dem parasphenoidale auf. (Hasse.) An seiner Oberfläche legt sich das knöcherne Gehäuse nach vorn und medianwärts mit einem vom prooticum ausgehenden Vorsprunge an das os parieto-frontale an. Nach hinten und in medianer Richtung wird das knöcherne Labyrinth durch eine Furche von der pars condyloidea des occipitale laterale abgetrennt. Lateral und zwar vorn oben schliesst sich dasselbe vermittelst des processus squamosus an den Schuppentheil des Kiefersuspensorium an, während es vorn unten mit dem Schädelfortsatze des os ptery- goides artieulirt. Unten ruht es, wie schon erwähnt, auf dem seitlichen Vorsprunge des kreuzförmig gestalteten Belegknochens des Primordialkranium, des parasphenoidale. (Hasse.) Die äussere Gestalt des knöchernen Labyrinthes ist die einer unregelmässigen, abgestutzten, vierseitigen Pyramide, die mit ihrer Basis nach oben und lateral, mit ihrer Spitze nach unten gerichtet ist. Es besitzt demnach eine äussere, obere, vordere, hintere und innere Fläche. Der Binnenraum des knöchernen Gehäuses, zur Aufnahme des häutigen Labyrinthes bestimmt, entspricht in Bezug auf seine Form, der äusseren Beschaffenheit der knöchernen Umhüllung. In toto betrachtet, stellt diese innere Höhle einen einzigen Hohlraum 488 Kuhn: dar; es besteht hier keine so deutliche äussere Differenzirung des Gehörorganes, wie wir dies bei den Fischen gesehen, bei welchen theils durch mehr oder weniger tiefe knöcherne Gruben, theils durch Hervorragungen die Lage der einzelnen Theile des häu- tigen Labyrinthes gekennzeichnet, nnd so eine Theilung in eine Labyrinth- und eine Schneckenparthie gegeben ist. Hasse unterscheidet in der Höhlung des knöchernen Laby- rinthes der Batrachier vier verschiedene Abtheilungen, ein cavum inferius s. vestibuli, in welchem cochlea, sacculus und utrieulus gelegen sind, ein cavum anterius zur Aufnahme der sagittalen und horizontalen Ampulle; in letzterem befinden sich auch die beiden Eingänge in die diesen Ampullen entsprechenden knöcher- nen Bogengänge, den horizontalen und sagittalen. Die dritte Ab- theilung des Labyrinth-Innenraums ist das cavum posterius, in welchem die Ampulla frontalis und der Einmündungstheil des ho- rizontalen Bogenganges gebettet sind; schliesslich haben wir ein cavum internum, das, an der inneren Schädelwand gelegen, zur Aufnahme der Bogengang-Commissur bestimmt ist. Bevor ich zur Schilderung des häutigen Labyrinthes übergehe, erübrigt mir noch zur Vollständigkeit dieses blos zum besseren Verständniss der Lagenverhältnisse gegebenen skizzenhaften Bildes von dem knöchernen Amphibien-Ohre, die verschiedenen Oeffnungen anzuführen, durch die hindurch einerseits Nerven und Gefässe sich zum inneren Ohr begeben, anderseits die Aquaeductus die Höhlung verlassen. Wir haben hier in erster Linie das foramen ovale s. vestibuli, das an der lateralen unteren Fläche der Knochenkapsel gelegen ist und zwar unterhalb der leistenartigen Erhabenheit des knöcher- nen Canalis horizontalis; sein längster Durchmesser liegt genau in der horizontalen Schädelebene des Thieres. Das ovale Fenster stellt den Eingang zum Vestibulum von der Paukenhöhle her dar und ist durch den Knorpel der Columella vollständig abgeschlossen. Entgegen den Angaben der früheren Autoren (Scarpa, Cuvier, Windischmann), welche die Existenz eines foramen rotundum bei den Batrachiern in Abrede gestellt haben, beschreibt Ed. We- ber (Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braun: schweig 1842.) eine durch eine Membran verschlossene zweite Oeffnung in der Ohrkapsel dieser Thiere, die im Ausgange des Kanals gelegen ist, durch welchen der N. vagus die Schädel- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 489 höhle verlässt. Deiters spricht ebenfalls von einer zweiten, sehr kleinen Oeffnung der Labyrinthhöhle, legt aber kein grosses Gewicht hierauf, da dieselbe mit der Paukenhöhle nicht in Verbindung steht. Hasse, der in einer früheren Arbeit (1868) den Mangel eines foramen rotundum für die Batrachier ausdrücklich hervor- gehoben hat, widerruft dies später in seiner so eingehenden Studie über das knöcherne Labyrinth der Frösche (1873). Er beschreibt zwei kleine nebeneinanderliegende Löchelchen, die in der Nähe des foramen jugulare an dem hinteren Theile der medianen Wand der knöchernen Labyrinthhöhle sich befinden. Diese beiden Oeff- nungen sind durch eine feine Knochenbrücke getrennt, und es deutet Hasse die eine, am meisten median i. e. gegen die Schädel- höhle gelegene, dieser beiden foramina als die fenestra rotunda s. cochlearis; die andere mehr lateral gelegene hält er für die aper- tura aquaeduetus cochleae. Beide führen in das Labyrintheavum und ihre inneren Mündungen liegen in dem sogenannten ceavum inferius und zwar an dessen unterer und medianer Wand. Das runde Fenster besitzt keine membrana tympani secundaria, wird aber von einer Membran überzogen, die nichts anderes als ein Theil der Bindegewebsscheide ist, welche die am foramen cochleare vor- beiziehenden Nerven vagus und glossopharyngeus umhüillt. Eine vierte Oeffnung im Knochengehäuse des Batrachierohres ist die apertura aquaeductus vestibuli; sie liegt an der medianen, der sogenannten Schädelhöhlenwand der Knochenpyramide in der Grenzlinie zwischen pro- und opisthoticum. Die Grösse dieser rundlichen Oeffnung ist ziemlich variabel; ihre innere Mündung liegt im unteren Abschnitte des cavum internum. Schliesslich hätten wir noch jene Knochenvertiefung anzu- führen, welche den meatus auditorius internus repräsentirt; derselbe liegt an der Schädelhöhlenwand des knöchernen Gehäuses und zwar unterhalb des niederen Wulstes, mit welchem diese Labyrinth- wandung in den hinteren Theil der Schädeleavität vorspringt. Der porus acustieus internus theilt sich in einen kleineren vorderen zur Aufnahme des ramus vestibularis bestimmten und einen grösseren hinteren Kanal, der den ramus cochlearis enthält. Das Gehäuse, in welchem das innere Ohr der Batrachier liegt, ist ein knorpelich-knöchernes; die nach der Hautoberfläche zu ge- legenen Schiehten sind aus Knochen gebildet, diejenigen dagegen, welche das häutige Labyrinth am nächsten begrenzen, sind aus 490 Kuhn: Knorpel zusammengesetzt, und zwar aus hyalinem Knorpelgewebe mit spindelförmigen Zeilgebilden. In dieser Knorpelmasse lagert das häutige Labyrinth. der Batrachier und so sind auch die Wan- dungen der die halbzirkelförmigen Bogengänge umschliessenden Kanäle aus hyalinem Knorpel zusammengesetzt. I. Häutiges Labyrinth. a. Pars superior s. Vestibulum membranaceum. Das häutige Labyrinth der Amphibien besteht wie bei den Fischen, aus zwei grossen Abtheilungen, der pars superior 8. vestibulum proprium s. utrieulus und der pars inferior s. saceulus s. cochlea.. Um sich über Lage und Zusammenhang der häutigen - Theile in dem oben beschriebenen Hohlraume ein annäherndes Bild zu machen, eröffnet man, nach Deiters, den knöchernen Binnenraum des inneren Ohres am Boden des Gehäuses und zwar in der Höhe des foramen ovale durch einen der Schädeloberfläche parallelen Schnitt. Bei dieser Ansicht, i. e. von unten, ist der Theil, welcher am ersten zu Gesicht kommt, der an Grösse alle anderen Parthien überragende Saceulus; er ist mit seiner stärksten Concavität dem ovalen Fenster zugekehrt, ist nach unten und lateral gerichtet und mit einer weissen Steinmasse angefüll. Nach unten und median, also gerade an der medianen Fläche des Steinsackes sieht man eine unregelmässige, schwärzliche Erhabenheit, die Schnecke, unter welcher der hintere (frontale) halbzirkelförmige Gang in seinen Knochen- resp. Knorpelkanal umbiegt. Die beiden anderen Bogen- gänge mit ihren Ampullen liegen bei dieser Ansicht nach vorn. ‘Auch der Eintritt des Nerven erfolgt bei dieser Ansicht von unten her. In den Utrieulus münden die fünf resp. sechs Enden der Bogengänge und zwar liegen die beiden zusammenstehenden vor- deren Ampullen (sagittale und horizontale) am höchsten; die beiden anderen Enden dieser Ampullen münden an entgegengesetzten Stel- len, indem das Ende des vorderen (sagittalen) mit dem des hin’ teren (frontalen) in den oberen Theil des Utrieulus einmündet, das Ende des horizontalen Canales aber neben der frontalen Ampulle gelegen ist. Zu diesem von Deiters angegebenen Lagerungsbild erschien Ueber das ‚häutige Labyrinth der Amphibien. 491 es mir nützlich, auch in der Ansicht von hinten und oben ein Si- tuationsbild der häutigen Theile in ihrer knöchernen Höhle zu kennen und habe ich zu dem Behufe die an der hinteren Ober- fläche der Ohrkapsel gelegenen Knochenmassen des opisthoticum und oceipitale laterale zum grossen Theile entfernt. Auch hier (Taf. XL. Fig. 11) ist es wieder der mächtige Saceulus, der am meisten in die Augen springt; er füllt nahezu den ganzen hinteren centralen Theil der Höhlung aus; medianwärts und nach vorn von ihm gelegen, sieht man die lagena und pars basilaris und von da aus nach unten und vorn, noch mehr der Medianebene zustrebend, liegt die Ampulla frontalis [die drei letzteren Organe sind zu tief gelegen und konnten in der betr. Zeichnung nieht dargestellt wer- den] und das über sie wegziehende Röhrenende des horizontalen Bogenganges. Vom sacculus aus in der entgegengesetzten Rich- tung, also lateralwärts, finden wir die beiden zusammenliegenden vorderen (sagittale und horizontale) Ampullen; ganz am oberen Ende der Cavität, der Medianlinie am meisten genähert, sieht man das obere Ende des sinus utrieuli mit den Einmündungsstellen der segenüberstehenden sagittalen und frontalen Bogengänge. Es wäre dies somit eine laterale Ansicht des häutigen Laby- rinthes in seinem Gehäuse, dessen Ergänzung d. h. dessen media- nes Bild dadurch gewonnen wird, dass man von der Schädelhöhle aus das dünne Dach der Gehörkapsel abträgt. Alsdann erhält man unter allen bis jetzt beschriebenen Situationen das beste Contrefey jenes Schema’s, wie wir es für das innere Ohr der Knochenfische kennen gelernt haben. (Taf. XL. Fig. 10.) Die mediane Fläche des Utrieulus ist in ihrer ganzen Ausdeh- nung frei gelegt, lateral und nach vorn liegen die beiden sagittalen und horizontalen Ampullen, nach hinten und median die allein- stehende frontale; am oberen lateralen Ende der Knochenhöhle finden wir den sinus mit den Einmündestellen des sagittalen und frontalen Bogenganges. Auch der an das häutige Labyrinth vom Gehirn herantretende Nervus acustieus mit seinen beiden Hauptzweigen lässt sich bei dieser Medianansicht leicht verfolgen. Die der pars inferior des Labyrinthes zugehörigen Theile liegen zu sehr nach unten und erscheinen desshalb in diesem Bilde nur in ganz’unbe- stimmten Umrissen. Das häutige Labyrinth nimmt hauptsächlich den medianen und unteren Theil der knöchernen Höhlung ein; es liegt der me- 492 Kuhn: dianen Schädelwandung fast innig an; an der lateralen Kapselwand jedoch besteht ein kleiner Zwischenraum zwischen Gehörblase und Knochenwandung. — Ob alle häutigen Labyrinttheile bei dem Frosche wie bei den anderen Vertebraten excentrisch in dem Ge- häuse befestigt sind, will Hasse nicht mit voller Bestimmtheit bejahen, glaubt es aber im Allgemeinen annehmen zu dürfen. Jedenfalls kann dies für die Bogengänge aller Amphibien behauptet werden (Taf. XLlI. Fig. 25), und ebenso für den Alveus com- munis. Der ganze Hohlraum, in welchem ’das Gehörbläschen einge- bettet ist, sowie auch das Innere der halbzirkelförmigen Kanäle ist von einem Periost überzogen, das eine faserige Membran dar- stellt, in welcher zahlreiche Bindegewebszellen enthalten sind von wechselnder Grösse und mit nach allen Seiten hin anastomosiren- den Ausläufern (Taf. XLII. Fig. 27). Auffallend sind ferner an dieser Membran die sehr zahlreichen Pigmentzellen, deren Gestal- tung eine äusserst variable ist (Taf. XLII. Fig. 27, 29 und 32). Das Periost steht mit den Wandungen des Gehörbläschens und den halbkreisförmigen Bogengängen durch ein Bindegewebsnetz in Ver- bindung, dessen Maschen zuweilen recht dicht, andere Male sehr weit gespannt sind (Taf. XLI. Fig. 26). In diesem Netze sind zahlreiche Zellengebilde vorhanden, die sich auch zuweilen an der Peripherie der häutigen Kanäle in grosser Anzahl vorfinden (Taf. XLII. Fig. 29); reissen nun zufällig die Verbindungsfasern dieser Zellen weg, so kann ein Bild entstehen, als wäre die äus- sere Wandfläche der Bogengänge von einem Stratum Epithelial- zellen belegt, wie dies nach Rüdinger’s Ansicht beim Menschen Statt hat. In diesem Befunde bei den Fröschen will Hasse nur Bindegewebszellen gesehen wissen, die von einer Epithelialbeklei- dung verschieden sind, und weist somit auch für die Batrachier die Annahme eines Canalis semieireularis maior (Rüdinger) von der Hand. Die Befestigung des Periostes am Knochen resp. Knorpel ist eine ungemein lockere. Die Bindegewebszellen, welche mit ihren langen Faserausläufern die Verbindung der Knorpel- resp. Kno- chenhaut mit der Aussenwandung des Gehörbläschens darstellen, sind ungemein zahlreich und haften so fest an, dass bei der Her- ausnahme der häutigen Labyrinththeile fast immer die PAurE Periost- umhüllung mit herausgehoben wird. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 493 Bricht man vom oberen Rande des ovalen Fensters aus das knöcherne Ohrgehäuse eine Strecke weit auf und hebt nun vor- sichtig das ganze häutige Labyrinth aus seiner Knochenhöhle her- aus, so stellt die so erhaltene Gehörblase ein elliptisches Säekehen dar, dessen Breitendurchmesser den seiner Höhe um etwas weni- ges übertrift. Von der medianen Seite betrachtet (Taf. XL. Fig. 6 und 7), also auf der Fläche, welche das häutige Labyrinth dem Inneren der Schädelhöhle zuwendet, lässt sich auch an ihm, wie wir dies beim Fischlabyrinthe gesehen, eine pars superior und eine pars inferior unterscheiden; doch ist beim Frosche, und den Amphibien überhaupt, die Grenze zwischen beiden lange nicht so scharf markirt als bei den Teleostiern; jene Einziehung, die bei letzteren den Utrieulartheil vom Sacculus und seinen Adnexen in der ganzen Breite scheidet, ist beim Innenohre der Amphibien nicht vorhanden. Immerhin bemerkt man am unteren Abschnitte des Utrieulus eine sich über das Niveau der pars superior erhe- bende und der ganzen unteren Ausdehnung des Utricularkörpers aufsitzende blasenförmige Sackbildung, welche die pars inferior i. e. den Saceulus mit den einzelnen Schneckenabtheilungen reprä- sentirt. An der pars superior, die aus dem Utriculus, dessen sinus und den drei Ampullen mit ihren halbzirkelförmigen Kanälen be- steht (Taf. XL. Fig. 6 und 7), unterscheiden wir vorerst den Utrieulus s. Alveus communis, der einen breiten Mitteltheil, das corpus utrieuli, aufweist und von welchem nach oben hin ein viel schmälerer, senkrecht gestellter Schlauch abgeht, der sinus utrieuli. An der höchsten Stelle des letzteren, am apex, liegen die Einmün- dungen der von zwei entgegengesetzten Seiten herkommenden sa- gittalen und frontalen Bogengänge. Vom eorpus utrieuli zieht sich gegen die beiden zusammenliegen- den Ampullen eine etwas engere als das Mittelstück des Utriculus, aber immerhin noch sehr geräumige Partie, welche den recessus utrieuli darstellt (Taf. XL. Fig. 6 u.7. Taf. XLII. Fig. 30). An die untere Fläche derselben tritt der nervus utrieuli um im Inneren dieses Hohlraumes die macula acusiica utrieuli zu bilden. Die Recessus- höhlung stellt eine schalenförmige Erweiterung dar und liegt un- mittelbar an der Einmündungsstelle der beiden vorderen Am- pullen. Vom recessus aus gehen dann die beiden Ampullen ab, 494 Kuhn: die sagittale vorn, zugleich etwas nach unten vom utrieulus ge- legen, die horizontale mehr lateral und nach oben von letzte- rer. Der zur Ampulla sagittalis gehörige Bogengang (vorderer verticaler) verläuft zuerst nach aussen und hinten, um dann nach oben und innen, gegenüber der Einmündungsstelle des frontalen Kanales, in den sinus utrieuli einzumünden. Der ho- rizontale Gang nimmt seinen bogigen Verlauf nach hinten un- ten und senkt sich oberhalb der frontalen Ampulle in den dem recessus gegenüberliegenden Theil des Utrieulus. Unterhalb dieser Einmündungsstelle des horizontalen Bogenganges befindet sich die Ampulla frontalis (hintere) und zwar etwas nach unten und lateral vom Alveus communis. Ihre direete Verbindung mit dem Corpus utrieuli, wird durch eine kurze, ziemlich geräumige eylindrische Röhre hergestellt. Der von ihr abgehende frontale (hin- tere verticale) Bogengang verläuft nach innen und oben, um in den sinus utrieuli einzumünden, der Endstelle des sagittalen Kanales gerade gegenüber. Die Stellung der Ampullen, der Verlauf der Bogengänge, die Lage des Utriculus zu seinem Recessus und seinem die halbzirkelför- migen Kanäle aufnehmenden Sinus differiren in Nichts von den Verhältnissen dieser Theile zu einander an der pars superior der Knochenfische. Anders verhält es sich mit dem eigentlichen Hohl- raume der pars superior i. e. des Utrieulusim engeren Sinne. Die Schilderung, die Hasse hievon gegeben, scheint mir nicht genau den vorliegenden Verhältnissen zu entsprechen; trotz seines beige- fügten Schema’s gelang es mir nicht ein klares Bild zu erhalten, und fernerhin musste ich nach dem Resultate meiner Untersuchun- sen der Vermuthung Raum geben, dass von dem sonst so erfah- renen Forscher Einzelnes, wie z. B. das grosse foramen utriculo-saceu- lare (Verbindungsöffnung zwischen pars superior und pars infe- rior), gar nicht !) berücksichtigt worden, anderes wiederum, wie jenes der apertura utrieuli (siehe weiter unten) gegenüberliegende 1) In seiner spätern Arbeit über die vergleichende Morphologie und Histologie des häutigen Gehörorganes der Wirbelthiere (1873) spricht Hasse von dieser Communicationsöffnung zwischen Utriculus und Sacculus bei den Amphibien ; speciell aber bei der uns hier interessirenden Schilderung der Utriculushöhle (1868. Gehörorgan der Frösche) erwähnt er derselben in keiner Weise. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 495 laterale Wandstück des corpus utrieuli, in einer Weise beurtheilt worden war, der meine Erfahrungen widersprechen. Deiters giebt an, dass der ganze Innenraum — er meint hier den Raum des ganzen Gehörbläschens, pars inferior und pars superior — durch Vorsprünge und Leisten in mannichfaltige Ab- theilungen getheilt sei. Hasse findet nun, und mit grossem Recht, dass es damit nicht gethan sei, und dass aus der in dieser Be- ziehung höchst lückenhaften Beschreibung von Deiters gar keine Kenntniss zu gewinnen sei über den Zusammenhang des Gehör- bläschenraumes. Wir müssen, wollen wir uns das mühsame Ver- ständniss von den wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Ab- theilungen nicht allzu sehr erschweren, in der Beschreibung der einzelnen Hohlräume die scharfe Trennung einer Vestibular- und einer Cochlearcavität auch hier durchzuführen suchen. Beide Hohlräume bestehen als selbständige Cava, ein jedes für sich, unabhängig von einander und nur an einer Stelle, am foramen utrieulo-saceulare mit einander communicirend. Und so wird es für diese Schilderung am praktischsten sein, wie dies auch Hasse gethan, wenn wir die Theile der pars inferior von der pars su- perior völlig getrennt uns denken und blos den Raum schildern, der sich im Innern der einzelnen Abtheilungen des Utriculus befindet. Das Cavum utriculi lässt sich zerfällen in zwei grössere Ca- vitäten, von denen die eine die beiden zusammenstehenden Ampul- len aufnimmt, die andere die alleinstehende frontale. Beide Ca- vitäten werden durch ein Septum von einander getrennt, welches die laterale Wand des sinus utrieuli darstellt. Der Hohlraum des sinus utrieuli selbst gehört der in der Richtung der frontalen Am- pulle gelegenen Cavität an. Beide Höhlen communieiren durch einen Ausschnitt im Septum, der sogen. apertura utrieuli. Näher betrachtet finden wir, dass die mediane Fläche des Utri- culus von einer Membran gebildet wird, die ohne Unterbrechung in die mediane Wand des recessus, des sinus utrieuli und der Ampul- len übergeht; anders ist es mit der ihr gegenüberliegenden lateralen Wand des Utrieularschlauches; hier müssen wir zwei verschiedene Theile unterscheiden: eine erste Hälfte, die von den beiden zusam- menstehenden Ampullen ausgeht, und welche die laterale Wand des recessus und des corpus utrieuli repräsentirt und schliesslich in die laterale Wand des horizontalen Kanales übergeht; dieselbe 496 Kuhn: steht somit der medianen Wandung des recessus und der des cor- pus utrieuli direet gegenüber und beide zusammen begrenzen den darin gelegenen länglichen, schlauchförmigen Hohlraum. Die zweite Hälfte, welche die Begrenzung des Utrieulus an seiner la- teralen Fläche ausmacht, geht von der alleinstehenden frontalen Ampulle aus, wird von der lateralen Wandung der diese Ampulle mit dem Utrieulus verbindenden eylindrischen Röhre gebildet, er- streekt sich bis zur Ursprungsstelle des sinus, setzt sich hier an der Innenfläche der medianen Wand des corpus utrieuli an und wendet sich nun nach oben, um in die Wand der vertical ge- stellten Sinusverlängerung des Utrieulus überzugehen. An die hin- tere Fläche dieser lateralen Wand der zweiten Hälfte legt sich die mediane Wandung des horizontalen Kanales an und verwächst mit derselben. Die mediane Wand der frontalen Verbindungs- röhre und die der sinusartigen Verlängerung des Utriculus um- schliessen im Verein mit der eben beschriebenen lateralen Wan- dung der zweiten Hälfte einen Hohlraum, durch welchen man aus dem Inneren der frontalen Ampulle direct in den sinus und von da aus in die Mündungen der beiden gegenüberliegenden sagittalen und horizontalen Bogengänge gelangt. Die beiden grösseren Hohlräume, der von der Recessusseite kommende und der von der frontalen Ampulle ausgehende, wären demnach durch die senkrecht gestellte laterale Wandung des Sinus getrennt; nun befindet sich aber im unteren Abschnitte der latera- len Sinuswand, der Stelle entsprechend, wo der Sinus vom Utri- culus abgeht, eine kreisförmige, 0,005 mm grosse Oefinung, die aper- tura utrieuli (Taf. XL1I. Fig. 13, 14, 15 und 16), durch welche die oben geschilderten Hohlräume mit einander eommunieiren. Hier wäre auch der Ort, die schon oben erwähnte Verbin- dung des Utrieularhohlraumes mit der Cavität des Sacculus zu besprechen. Die laterale Wandung des corpus utrieuli besitzt da, wo sie in die laterale Wandung des horizontalen Kanales über- geht, also der apertura utrieuli gegenüber, aber tiefer als diese letztere gelegen und gleichsam die Bodenwandung des Utrieulus ausmachend, einen elliptischen Ausschnitt, dessen grösster Brei- tendurchmesser 0,006 mm und dessen Tiefe 0,003 mm beträgt (Taf. XLIV. Fig. 46). Durch diese Oeffnung, die wir foramen utrieulo-saceulare nennen wollen, stehen Utrieulus und Sacculus bei den Batrachiern wie überhaupt bei allen Amphibien, in weiter Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 497 Verbindung. — Hasse sagt unter Anderem, „dass in der Umge- bung desEinschnittes in der äusseren Wand, der die Apertura be- grenzen hilft, sich eine zarte Membran befestigt, die sich alsbald verdickt und in den Schneckentheil übergeht, den er als Tegmen- tum vasculosum bezeichnet.“ Es würde somit ein Theil der pars cochlearis zur lateralen Begrenzung des Utriculusraumes beitra- gen. Ich konnte mich hiervon durchaus nicht überzeugen. Der Utrieulusschlauch ist ganz unabhängig von der pars inferior, und wie oben geschildert, ist dieses von Hasse als dem Bereiche der Cochlea angehörige Segment der lateralen Utrieuluswandung nichts anderes als die laterale Wand des horizontalen Kanales, der im Bogen über die apertura hinwegzieht, oberhalb deren oberem Rande an die laterale Sinuswand sich ansetzt und dann in die gleich- namige Wand des corpus und recessus utrieuli übergeht. — Gehen wir zur Beschreibung des feineren Baues der pars su- perior über, so finden wir vorerst am Utrieulus die mediane Wand viel dieker als dessen laterale Wandung; das Gewebe jedoch ist an allen diesen Theilen das gleiche homogene, knorpelartige mit sparsam in dasselbe eingestreuten meist spindelförmigen, selten rundlichen Zellelementen (Taf. XLIV Fig. 42). Es ist ein ähnli- ches Gewebe, wie wir es am Labyrinthe der Teleostier kennen gelernt haben und das von Retzius mit dem Namen „Spindel- knorpel“ belegt wird. Die Membransubstanz selbst, im Utri- eulus sowohl wie in den übrigen Theilen des Labyrinthes ist rein homogener Natur (Taf. XLIV Fig. 38, 39 und 42); es kommen in ihr keinerlei Faserungen vor und alle die von anderen Untersu- chern beschriebenen Fasern, Risse u.s. w. dürften auf die Ein- wirkungen der verschiedenen Reagentien zurückzuführen sein, oder auf leichte Quetschungen der homogenen Grundsubstanz durch das Deckglas (Taf. XLIV Fig. 40). Hasse ebenfalls lässt nur ein rein homogenes Gewebe bei den Batrachiern zu. Gegen das Innere der Utrieularhöhle setzt sich das Gewebe mit einem schmalen Basalsaume ab und ist von einem niederen Cylinderepithel bedeekt (Taf. XLIV Fig. 43), das sich gleich- mässig durch den ganzen Hohlraum der pars superior fortzieht (Taf. XLIII Fig. 29). Die Aussenfläche des Utrieulus, wie überhaupt der ganzen pars superior, trägt keine Epithelbekleidung, sondern steht dureh meist sehr dicht neben einander gelegene Bindegewebszellen mit Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17, 32 498 Kuhn: dem Perioste in Verbindung. Hasse spricht von dem Vorkommen solcher Pflasterepithelien, wie wir sie im Hohlraume kennen ge- lernt haben, auch an der Aussenfläche der in der Nähe der aper- tura utrieuli gelegenen Partien. Der recessus utrieuli besitzt eine viel stärkere Wandung als der Utrieuluskörper ; das Periost, mit welehem jener mit der Kno- chenhöhle in Verbindung steht, trägt eine grosse Menge der ver- schiedenartigst geformten Pigmentzellen, wie dies überhaupt an allen Theilen des häutigen Labyrinthes der Fall ist, die zur Auf- nahme der maculae und cristae bestimmt sind (Taf. XLIII Fig. 32). An der Innenfläche des recessus liegt das obengenannte Epithel, dessen einzelne Pflasterzellen um so höher werden je mehr sie sich der macula acust. nähern (Taf. XLIII Fig. 37. Taf. XLIV Fig. 42). Aus dem Hohlraume des recessus utrieuli gelangt man durch eine weite Oeffnung in das Innere der sagittalen und horizontalen Ampulle (Taf. XLIII Fig.30). Letztere erweitern sich unmittel- bar nach ihrem Abgange aus dem recessus, ihrem Namen entspre- chend, ampullenartig, um gegen ihren Uebergang in die Bogen- gänge wiederum an Grösse und Weite abzunehmen. Wir unterscheiden an diesen ampullenförmigen Gebilden den Boden, die beiden Seitenwände und das Dach. Die Wandungen der Ampullen bestehen aus den gleichen Elementen wie der Utri- ceulus, nur finden sich hier die spindelförmigen Zellen in viel grös- serer Zahl (Taf. XLIV Fig. 33). Zum Boden einer jeden dieser beiden Ampullen tritt ein Zweig des ram. vestibularis, der im Innern der betreffenden Hohl- räume die Hörleisten bildet und auf deren nähere Schilderung wir späterhin bei den Nerven des Gehörbläschens zurückkommen wer- den. Der Innenraum des Ampullenbodens wird von den bekann- ten polygonalen Pflasterepithelien überzogen. An zwei Stellen je- doch, zwischen den Gehörleisten und dem Recessus einerseits und zwischen den Leisten und den Bogengängen anderseits, sehen wir zwei grosse runde Zellenhaufen (Taf. XLII Fig. 30 und 31), die im frischen Zustande gelblich gefärbt sind und sich scharf von dem übrigen inneren Belege des Ampullenbodens abheben. Sie bestehen, im frischen Zustande, aus hellen, durchsichtigen poly- gonalen Zellen mit grossem rundem Kerne. Durch Chromsäure und besonders durch Osmiumsäure werden sie sehr dunkel ge- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 499 färbt und ihr granulirter Inhalt tritt deutlich hervor. Hasse nennt sie Pigmentzellen und bringt sie mit den sogenannten fla- schenförmigen Zellen der Vögel und Säugethiere zusammen. Ich habe an ihnen die analoge Gestaltung (Taf. XLIH Fig. 37) gese- hen, wie ich dies für die sogen. protoplasmatischen Zellen im La- byrinthe der Teleostier (Arch. f. mikroskop. Anat. XIV, p. 272) angegeben habe; nur liegen diese Zellen bei den Fischen in mehreren kleineren disseminirten Gruppen, während sie bei den Fröschen in zwei isolirte, grössere rundliche Haufen vereint sind. Jene grossen eylindrischen Zellen, wie wir sie am Boden und an den Seitenwandungen der Fischampullen gesehen haben und welche die plana semilunata von Steifensand bilden, existiren, so viel ich sehen konnte, beim Frosche nicht. Die Seitenwandungen der Ampullen sind von den gleichen niedrigen Pflasterzellen ausgekleidet, wie der ganze Utrieularraum. Am Dache sehen wir einen dunkleren Streifen, der sich genau in der Mittellinie befindet und sich über das ganze Dach bis auf die concave Fläche der Bogengänge verfolgen lässt. Die Knorpel- wandung ist an dieser Stelle voluminöser als an den übrigen Par- tien der Ampulle, und an der Innenfläche dieses verdickten Strei- fens finden wir die „Dachzellen“ Hasse’s, d. h. Pflasterzellen, welehe nur durch ihre viel stärkere Höhe sich von den polygona- len Epithelien des übrigen Raumes auszeichnen. Die am anderen Ende des. corpus utrieuli gelegene Ampulla frontalis differirt, was Gewebe, innere Auskleidung, Vorkommen der gelben Flecke u. s. w. betrifft, in Nichts von den oben be- schriebenen beiden anderen Ampullen. Es wäre hier am Platze, Form und Bau der Cristae acusti- cae, die am Boden einer jeden der drei Ampullen gelegen sind, zu beschreiben; allein ich halte es zur besseren Uebersicht für besser, diese Details bei Besprechung der Acustieusausbreitung und im Zusammenhange mit den anderen Nervenendstellen anzugeben. Ein Wort noch, bevor wir zur Schilderung der Pars inferior übergehen, über den histologischen Bau der drei Bogengänge. Auch sie bestehen aus homogenem „Spindelknorpelgewebe‘‘ mit zahlreichen Zellgebilden (Taf. XLIH Fig. 29); bei vorsichtiger Untersuchung ist auch hier keine Faserung des Gewebes nachzu- weisen. Nach dem Binnenraume des Kanales zu ist die Gewebs- masse von einem schönen polygonalen Pflasterepithel mit grossem 500 Kuhn: länglichem Kerne überkleidet. Die Epithelialzellen selbst sind hell, ganz durchsichtig und von einer deutlichen Zellmembran umgeben. Der Querschnitt der Bogengänge ergiebt eine elliptische Höhlung (Taf. XLIIL. Fig. 28). b. Pars inferior. Die verschiedenen Theile, welche die pars inferior s. coch- learis zusammensetzen, bieten so complicirte Verhältnisse dar, dass es uns nicht auffallen darf, wenn frühere Autoren, mit ihren einfachen Untersuchungsmitteln, die wichtigsten dieser Theile un- senügend erkannt, ja sogar theilweise übersehen haben. Erst Dei- ters giebt hierüber bessere Auskunft, kann aber trotzdem nicht umhin, die Bemerkung einzuflechten, „dass der Schwierigkeit der Präparation gemäss die genaue Erforschung sämmtlicher Eigen- schaften und Lagerungsverhältnisse der Elementartheile mehr Zeit und Mühe erfordert, als der Frage ein Einzelner füglich zuwenden kann.“ Die Pars inferior besteht aus dem Steinsacke (Sacculus im engeren Sinne, sacculus hemisphaericus) und mehreren einzelnen kleinen Abtheilungen, die von Deiters als Schneckenabtheilungen gedeutet und bezeichnet sind; als letztere schildert derselbe die lagena, den Knorpelrahmen und einen dritten accessorischen Theil, für dessen Benennung ihm ein Vergleichsobject bei anderen Wirbelthieren fehlt. Wir werden später diese letztere Abtheilung als pars initialis cochleae kennen lernen. Nach diesem Autor lie- gen diese drei Schneckentheile zwischen Saceulus und frontaler Ampulle und zeichnen sich vor den übrigen Theilen „durch eine mässig längliche Erhebung, durch etwas knorpelige Härte und durch eine schwärzliche Farbe aus.“ Hasse bezeichnet den accessorischen Theil von Deiters als sogenannten Anfangstheil der Schnecke, als pars initialis cochleae und giebt hiervon sowie von allen übrigen Schneckenabtheilungen eine viel detaillirtere Schilderung, besonders was die Nervenaus- breitung und die gegenseitigen Lagerungsverhältnisse betrifft; nach ihm giebt es ausserdem noch einen vierten Schneckentheil, das tegmentum vasculosum. In toto betrachtet, stellt die pars inferior ein blasenförmiges Gebilde vor, dessen mediane, untere und laterale Flächen selbst- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 501 ständig und frei gelegen sind, dessen obere Fläche dagegen von dem Boden des Utrieulus, resp. dessen Unterfläche gebildet wird. Die drei frei gelegenen Wandungen werden von einer feinen Bin- degewebsmembran constituirt und es setzen sich am oberen Ab- schnitte der pars inferior mediane und laterale Flächen an das knor- pelartige Gewebe des Utrieulus an, und zwar in der Art, dass die mediane Wand des Utrieulus allmählich ohne scharfe Grenzen in die mediane Saceuluswandung übergeht; die laterale Wandung der pars inferior dagegen überstülpt die gleichnamige Wand des Utrieulus in seiner ganzen Breite und setzt sich schliesslich in halber Höhe an die laterale Fläche des sinus utrieuli an. Es ist somit die ganze untere und die laterale Fläche des Utrieulus- rohres im hinteren und oberen Abschnitte der pars inferior gele- gen und der innere Schlauch an diesen Stellen von einer zweiten Blasenwand umgeben. Hiedurch entsteht ein bläschenförmiges Ge- bilde, das von aussen betrachtet, an seinen drei freiliegenden Sei- ten (median, lateral, unten) von einer feinen Bindegewebshaut geschlossen ist, an der vierten Seite dagegen, der oberen, oder wie wir sie auch nennen können, dem Dache aus einer dichteren und festeren Substanz besteht; letztere Wandung gehört dem Utri- eulus an und nimmt derselbe mit seiner unteren Fläche an der Bildung der pars inferior Theil. Beide Hohlräume, der des Utrieulus und der des grossen Saceulus, wie wir auch die ganze pars inferior bezeichnen können, stehen durch das foramen utri- eulo-saceulare in weiter direkter Verbindung. In Berücksichtigung der Lageverhältnisse der pars superior und der an ihr unterschiedenen medianen und lateralen Flächen, wollen wir bei der Schilderung der einzelnen Abtheilungen in der Pars inferior blos eine mediane und eine laterale Fläche annehmen, und sind auch alle Zeichnungen auf Taf. XLI und XLH in dieser Weise aufgenommen. Es schien mir zur besseren und fasslicheren Veranschaulichung der die pars inferior zusammensetzenden Theile ein solches Vorgehen nothwendig, wenn es auch gegen die Rich- tigkeit des wahren Sachverhaltes verstösst. Wir unterscheiden demnach an den bildliehen Darstellungen der pars inferior blos zwei Flächen (unter Vernachlässigung der oberen und unteren), eine mediane der Schädelhöhle zugekehrte Wandung und eine la- terale, die nach dem ovalen Fenster gerichtetet ist. Zur Richtigstellung der thatsächlichen Lageverhältnisse will 502 Kuhn: ich nochmals kurz erwähnen, dass nur der obere grössere Abschnitt der als mediane Fläche der pars inferior gezeichneten Wandung in gleicher Ebene mit der analogen Wandung der pars superior ge- legen ist; dagegen ist die untere, in der Nähe der frontalen Am- pulle gelegene, Abtheilung viel mehr nach unten, ja sogar etwas lateralwärts gelagert. Schon der untere Abschnitt der Lagena ent- fernt sich aus dem Bereiche der medianen Sacculuswand und ge- hört der unteren Fläche an; noch mehr aber ist dies mit der pars basilaris und dem tegmentum vasculosum der Fall, die ganz an der unteren Sacculusfläche, letzteres sogar zum grossen Theile an der lateralen Fläche, gelegen sind. Um die verschiedenen Schneckentheile in solchen Medianbildern zur Ansicht zu bringen, müssen erst die Theile der pars superior nud der Steinsack gezeichnet werden und dann, nach leichtem Aufwärtsrollen des Objeetes von unten nach oben, können die einzelnen Cochlearabtheilungen in ihrer Ausdehnung zu Gesicht gebracht und der Aufnahme hinzugefügt werden. Gehen wir (Taf. XLI Fig. 6 und 7) von der Seite des Utriculus aus, wo die beiden zusammenstehenden Ampullen liegen, so hätten wir an dem ent- sprechenden Abschnitte der pars inferior den grossen Steinsack liegen, neben welchem, in der Richtung der frontalen Ampulle, die Lagena sich befindet; noch näher an der frontalen Ampulle befindet sich die mit der Lagena zusammenhängende pars basilaris und das daran stossende tegmentum vasculosum. Oberhalb des Zwischenraumes zwischen lagena und pars basilaris befindet sich die pars initialis cochleae. In dieser Reihenfolge wollen wir jetzt die Schilderung der einzelnen Schneckentheile folgen lassen. Der Saceulus hemielliptieus i. e. Steinsack ist die unter- halb des recessus utrieuli gelegene Abtheilung der pars inferior (Taf. XLI Fig. 6 und 7). Er stellt einen nach der medianen Seite leieht convexen Vorsprung dar, dem eine nach dem Haupt- binnenraume gerichtete leichte Concavität entspricht. Wir unter- scheiden an diesem Organe eine mediane und eine laterale Wan- dung. Die mediane Wand besteht aus einer zungenförmigen, ver- tical gestellten Knorpelplatte (Taf. XLV Fig. 47), deren Höhe beträchtlicher als ihre Breite ist, und welche von ihrer schmalen Anheftungsstelle an den unteren Rand der medianen Recessuswand allmählig an Breite zunimmt. An diese knorpeliche Wandung des Saceulus tritt der nervus sacceuli vom ramus vestibularis, um Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 503 an seiner Innenfläche die macula saceuli zu bilden (Taf. XLV Fig. 52). Der medianen knorpeligen und soliden Sackwandung gegen- über liegt die ungemein dünne laterale Wand des Sacceulus; sie ist ein Theil jener Umhüllungsmembran, die den ganzen Hohlraum der pars inferior an seiner lateralen Fläche begrenzt und besteht, wie diese Umhüllungsmembran überhaupt, von der sie ja nur einen Abschnitt ausmacht, aus einer zarten Bindegewebshaut mit leicht streifiger Grundsubstanz una ziemlich sparsamen kernführenden Zellen (Taf. XLIII Fig. 27). Da, wo sie allmählig auf die knor- pelige mediane Sackwandung übergeht, wird das Gefüge ihres Gewebes straffer, enthält mehr Zellgebilde und zahlreiche Pigment- zellen (Taf. XLV Fig. 47). An der Innenfläche ist diese feine Sackmembran von einem schönen, polygonalen Pflasterepithel mit grossem theils rundem theils ovalem Kerne überzogen (Taf. XLV Fig. 49 und 50). Die knorpelige mediane Sackwandung besteht aus jenem homogenen Gewebe mit spindelförmigen Zellen (Taf. XLV Fig. 51), dessen nähere Einzelheiten wir bei der Histologie der Ampullen u. s. w. kennen gelernt haben. Die homogene Knor- pelmasse wird um so dicker, je mehr wir uns der grössten Erhe- bung der maecula acustica nähern. Das Gewebe des Steinsackes ist von zahlreichen Gefässen durchzogen (Taf. XLIV Fig. 51). An der Innenfläche dieser Knorpelplatte finden wir wiederum jenes polygonale Plattenepithel mit grossem Kern, wie wir dies schon im Utrieulus kennen gelernt haben. Je mehr man sich den nervösen Maculagebilden nähert, um so höher werden diese Epithelien und es entstehen so zuletzt hohe Cylinderzellen (Taf. XLIV Fig. 52). In diesem Steinsacke, dessen mediane Begrenzung durch die Knorpelplatte eine scharfe ist, dessen laterale Grenze dagegen mit der allgemeinen lateralen Grenzwandung der pars inferior zu- sammenfällt, liegt eine aus kleinen Kalkeonerementen bestehende, weisse Otolitbenmasse, deren nähere Lagenverhältnisse und Zu- sammensetzung wir bei der Schilderung des nervösen Endappa- rates im Sacke kennen lernen werden. Neben dem Steinsacke, gegen die frontale Ampulle zu, liegt die Lagena; sie steht tiefer als der saceulus und gehört mit ihrem unteren Ende schon etwas der unteren Wandung der pars inferior an. Sie stellt eine nicht ganz regelmässige ovale Schale dar mit dieken soliden Wandungen und einer nach dem Inneren des grossen 504 Kuhn: gemeinsamen Hohlraumes der pars inferior blickenden grossen ovalen Oeffnung (Taf. XLII Fig. 16). An ihrem oberen Theile ziemlich schmal, wird sie in ihrer Ausdehnung nach abwärts immer breiter und erreicht das grösste Volumen an ihrer unteren Fläche. Sie besitzt eine mediane und eine laterale Wand; erstere ist leicht convex und krämpt sich an ihren Seitenwänden sowohl wie an ihrem unteren leicht eingekerbten Abschnitte in die laterale Wandung des Organs um, wo letztere alsdann eine central gelegene ovale Oeff- nung begrenzt (Taf. XLI Fig. 16). An die Peripherie der convexen, aus Knorpel bestehenden Wand tritt die feine lockere und sehr stark pigmentirte Umhüllungsmembran heran, (Taf. XLII Fig. 16) und verliert sich allmählich in der Eigensubstanz der Lagena. Mit dem nebenanliegenden Steinsacke besteht keine andere Verbindung als die durch den allgemeinen grossen Saekraum; an der anderen Seite dagegen findet ein direeter Uebergang des Lagenaknorpels in denjenigen der Pars basilaris statt (Taf. XLII Fig. 14 und 15), und zwar geht diese Knorpelbrücke von dem unteren Abschnitte des betr. Seitenrandes der lagena der Art aus, dass schon mit blossem Auge die Grenze zwischen lagena und pars basilaris als eine deutliche Einziehung des Knorpelgewebes erkenntlich ist. Es ist diese Schneckenabtheilung, weil nur mit der pars basilaris durch besagte Knorpelbrücke verbunden, von allen übrigen Coch- leartheilen der selbständigste, so dass wir, wie Hasse sagt, die Lagena des Frosches förmlich als eine kugeliche Ausbuchtung der Wand des allgemeinen Gehörbläschens mit einigermassen engem Hals, welcher die Communication des inneren Lumens mit dem des Gehörbläschens vermittelt, ansehen können. An die convexe, median gelegene, Wand tritt ein ziemlich starker Nervenstamm (Taf. XLII Fig. 12 und 15), dessen Fasern die Knorpelwand durchbohren und an ihrer Innenfläche die erista lagenae bilden, deren Details später angegeben werden. Die Wandungen der Lagena sind aus einem knorpelartigen homogenen Gewebe constituirt, das in seiner feineren Struetur, wie auch in der Form und Zahl seiner spindelförmigen Zellgebilde, genau den nämlichen Charakter besitzt, wie wir dies beim Saceu- lus und der pars superior gesehen haben. Zu bemerken wäre nur, dass die convexe mediane Wandung des Organes, an welcher die Nervenausbreitung Statt findet, eine viel mächtigere Gewebsmasse besitzt, als die sich nach dem Innenraume zu umkrämpende innere Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 505 Wandung; letztere ist aus der gleichen Substanz gebildet, allein sie ist vieldünner und zarter; ein Umstand, der schon bei makros- kopischer Untersuchung auffällt und den wir an allen den Theilen des häutigen Labyrinthes beobachten, an welchen keine Nervenaus- breitung Statt hat. Die Lagenawandungen sind, nach ihrem inneren Lumen, an allen nervenfreien Stellen von einem einfachen Pflasterepithel mit runden Kernen ausgekleidet. In der Nähe der erista acustica wird dasselbe immer höher, es nimmt die eylindrische Form an und bereitet so den Uebergang in das charakteristische Nerven- epithel vor; ein ganz analoges Verhalten, wie im Sacenlus. In der Richtung der Ampulla frontalis liegt neben der La- gena ein weiterer Schneckenabschnitt, die Pars basilaris coch- leae. Sie ist die wichtigste aller Cochleartheile und für uns um so bemerkenswerther, weil die Batrachier, und die Amphibien überhaupt, diejenigen der niedrigsten Vertebraten sind, bei denen zum ersten Male die Existenz eines solchen Schneckentheiles zu beobachten ist. Die pars basilaris bei Rana esculenta liegt an der Stelle, wo die mediane Wandung der pars inferior in die laterale übergeht, zwischen lagena und tegmentum vasculosum, unterhalb der Ampulla frontalis. Deiters nennt sie den „Knorpelrahmen“ und beschreibt diesen „als einen kreisrunden Ring mit einem rundlichen oder etwas länglichen Lumen. Der Rahmen hat ein äusseres und ein inneres Lumen. Es ist ein gleichmässiger Ring, bei dem man nicht wie bei den höheren Thieren von zwei constituirenden Schenkeln sprechen kann. Die Oeffnung wird von einem Periostbeleg verschlossen. Die Schneeke ist hier ein integrirender Bestandtheil des Vorhofs ge- worden, in dessen Raum sie so unmittelbar übergeht, dass nicht einmal ein Verschluss durch feine”teinem Tegmentum vasculosum entsprechende Bildung Statt findet. Eine membranöse Verbindung des Lumens des Knorpelrahmens, also eine ‚Membrana' basilaris, oder gar eine Lamina spiralis gibt es nicht. Die specifischen Theile sind auf einen Epithelbeleg des inneren Raumes des Rah- mens redueirt, der dem folgenden” Theile deri/Lagena}‘zunächst charakteristische Formen zeigt. An der Stelle, wo ein einfaches, feines Nervenfädchen zu dem Knorpelrahmen tritt, sieht man läng- liche, eylindrische Zellen der inneren Oberfläche aufsitzen,?an denen auch Haare wahrgenommen werden können. Im Uebrigen besitzt 506 Kuhn: die innere Fläche des Rahmens ein einfaches Epithel kleiner rund- licher Zellen, welehe zuweilen etwas granulirt sind.“ So die Schilde- rung Deiters von der pars basilaris, die, wie schon Hasse nach- gewiesen, viel Richtiges aber auch manches Unbestimmte enthält. Trennt man die Verbindung der pars basilaris mit der lagena und entfernt die Ampulla frontalis, so bleiben zurück: pars initialis nach oben, pars basilaris nach unten und tegmentum vasculosum, seitlich von letzterer gelegen. In dieser Weise lässt sich das Organ in allen seinen Theilen gut erkennen, und es stellt alsdann eine flach eonvexe, nach aussen leicht vorspringende Ausbuchtung dar. Vom Hauptraume der pars inferior aus gelangt man durch eine enge Oeffnung in den der Ausbuchtung entsprechenden Hohl- raum hinein. Als Stütze der pars basilaris dient ein ovaler knor- peliger Ring (der Knorpelrahmen von Deiters), dessen starre feste Masse nach Aussen von einer zarten Membran überzogen ist und dessen Innenfläche zum Theile frei in den grossen Hohlraum hineinragt. Wir können somit auch hier wiederum zwei Flächen unterscheiden, eine äussere nach der Oberfläche des Gehörbläschens und eine innere nach dem Innenraume gerichtete. Die äussere Fläche wird von der allgemeinen Umhüllungsmembran der pars inferior überzogen und zwar der Art, dass dieselbe fest und straff an der breiten Aussenfläche des Knorpelringes angeheftet ist. Hasse fasst die Sache so auf, dass „während sich die äussere Wandung des Gehörbläschens an einer bestimmten Stelle ringartig knorpelig verdiekt, die äusserst zarte Membran in der Mitte des Ringes un- verändert bleibt.“ Es wäre demnach die pars basilaris ein flach ausgehöhltes Organ, dessen Ränder stark verdickt, knorpelartig sind, dessen Basis oder Boden aber durch eine dünne Haut ge- bildet ist (Taf. XLVI Fig. 55 und 56). Hasse sieht in diesem Abschlusse der pars basilaris nach der Oberfläche zu, die sogenannte Membrana basilaris, was jedoch mit meinen Erfahrungen nicht übereinstimmt; ich halte diese Membran blos für die einfache Fort- setzung der allgemeinen Hülle der pars inferior; dagegen fand ich, wie dies weiter unten beschrieben werden soll, an der inneren Fläche des Organes ein Gebilde, das man als Basilarmembran auffassen muss. An das centrale Segment der !knorpeligen Innenfläche tritt der nervus partis basilaris und bildet die später zu beschreibende erista basilaris. Die pars basilaris ist, in ihrem Rahmentheile, Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 507 aus dem schon mehrfach erwähnten homogenen „Spindelknorpel“ zusammengesetzt. — An der gegen das Tegmentum vasculosum ge- wandten steilen Wand des Knorpelrahmens will Hasse „eine zarte “radiaere Streifung‘“ gesehen haben, die er auf eine eigenthüm- liche Anordnung der Spindelzellen zurückführt. Ich war nicht in der Lage ähnliche Bilder zu beobachten (Taf. XLVI Fig. 57 und 58). An allen Theilen des Knorpelgewebes erschienen mir die Zellgebilde ebenso zerstreut liegend und ohne alle Regelmässigkeit im homogenen Grundgewebe vertheilt, wie an den anderen knor- peligen Abtheilungen des häutigen Labyrinthes. — Gegen das Lumen des ovalen Hohlraumes der pars basilaris ist, wie allwärts im häutigen inneren Ohre der Batrachier, der Knorpel von einem zarten Basalsaume abgesetzt, und als Fortsetzung dieses Saumes legt sich an die Ränder der inneren Fläche des Knorpelrahmens eine feine Membran, durch welche das Organ, nach dem grossen Sackbinnenraume zu, bis aufeine kleine, dem centralen Ende der bars basilaris angehörigen Partie abgeschlossen wird; es bleibt hiedurch an dieser Stelle eine Oeffnung zurück, durch welche das Innere des Basilartheiles mit dem grossen Binnenraume der pars inferior communieirt (Taf. XLVI Fig. 55). Bei der ausserge- wöhnlichen Zartheit dieser sogenannten Basilarmembran ist es nur äusserst selten möglich, das Entstehen der Basilarmembran aus dem Basalsaume näher zu studiren. Wie der Basalsaum selbst, ist auch diese als „Membrana basilaris“ aufzufassende Haut voll- kommen strukturlos (Taf. XLVI Fig. 55), und nur an ihrer nach der Höhlung der pars basilaris sehenden Fläche ist dieselbe von jenen unregelmässigen polygonalen Pflasterzellen überzogen, wie wir dies als innere Bekleidung der lagena u. s. w. kennen gelernt haben. Die Innenfläche der Knorpelwandungen ist mit dem ana- logen Epithel überzogen, das um so höher und eylindrischer wird, je mehr man sich dem Bereiche der crista acustica nähert, ganz wie wir dies im Sacculus, den Ampullen u. s. w. gesehen haben. Die Aussen-Fläche der Basilarmembran, welche nach dem ge- meinschaftlichen Sackraume gewendet ist, besitzt keinen Epithe- lialüberzug. AusFig.55 der Taf. XLVI ist der knorpelige Zusammenhang der pars basilaris einerseits mit der lagena, anderseits mit dem tegmentum vasculosum ersichtlich; die Knorpelbrücke in diesem Schneckentheile ist schon äusserlich durch eine leichte Einziehung 508 Kuhn: des ziemlich dichten Gewebes zu erkennen; von Innen tritt dies um so deutlicher hervor, als der angrenzende Rand des schalen- förmigen tegmentum stark in die Höhe steigt und dadurch die Knorpelbrücke zwischen letzterem und pars basilaris durch das verschiedene Niveau bemerkbar wird. Weiterhin steht die pars basilaris mit der pars initialis in Verbindung, auf welches Ver- hältniss wir weiter unten zurückkommen werden. Neben der pars basilaris und mit derselben zusammen- hängend, liegt eine dritte Schneckenabtheilung, das tegmentum vasculosum. Schon Deiters beschreibt dasselbe, und hält es für einen recessus des Knorpelrahmens. Hasse zuerst macht hierüber nähere Angaben und bezeichnet es als tegmentum vascu- losum. Nach ihm wird dieser Schneckentheil von jener feinen Membran gebildet, die in der Umgebung der apertura utrieuli entspringt, über den Anfangstheil der Schnecke hinüberzieht, eine schalenförmig gekrümmte Gestalt besitzt und schräg von oben und vorn nach hinten und unten sich erstreckend, der frontalen Ampulle sich nähert. Ich glaube, dass die Grenzen dieses Organs viel enger gezogen werden müssen, und betrachte als tegmentum vasculosum nur jenes schalenförmige, knorpelige Gebilde, das un- mittelbar neben der pars basilaris und unterhalb der frontalen Ampulle gelegen, eine kurze Strecke weit sich in die laterale Wandung der grossen Sackumhüllung verfolgen lässt (Taf. XLVI Fig. 55). Die nach der allgemeinen Umhüllungmembran, also nach der Oberfläche der pars inferior gewandte äussere Fläche des Or- ganes ist stark convex, seine freie Innenfläche dem entsprechend tief ausgehöhlt. Das Organ liegt an der lateralen Wandung des Gehörbläschens, also im Bereiche des nach dem foramen ovale ge- richteten Abschnittes des häutigen Labyrinthes. Bei der Unter- suchung eines membranösen inneren Ohres in toto kommt dieser Sehneekentheil gar nicht zu Gesicht und erst nach Wegnahme oder auch nach starkem Aufwärtsdrängen der frontalen Ampulle, die dasselbe gleichsam dachförmig verdeckt, tritt das tegmentum in seiner ganzen Ausdehnung hervor (Taf. XLII Fig. 14 u.15). Mit der pars basilaris ist dieser Schneckentheil durch eine knorpelige Brücke verbunden. Die ziemlich stark gekrümmten Ränder der knorpeligen Schale ragen frei in die grosse Höhlung der pars inferior und an keiner Stelle setzt sich das Knorpelgewebe dieser Ränder in eine feine Membran fort; dagegen habe ich gefunden Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 509 und es geht dies deutlich aus den Zeichnungen Fig. 14 u. 15 der Tafel XLI hervor, dass die convexe Aussenfläche des Organs auf einer dünnen, membranartigen knorpeligen Unterlage gelegen ist, die dann einerseits die Verbindungsbrücke zur pars basilaris (Taf. XLV Fig. 55) herstellt, und die anderseits nach oben in die feine allgemeine Umhüllungsmembran sich fortsetzt. Letztere an die knorpelige Unterlage des tegmentum sich anschliessende feine Bindegewebsmembran geht weiter nach oben über die aper- tura utrieuli hinaus, darf aber nicht als ein zum tegmentum gehö- riger Gewebsabschnitt angesehen werden, sondern stellt blos, wie dies früher schon angegeben wurde, die weit nach oben sich er- streckende, an die laterale Sinuswand sich ansetzende gleich- namige Wandung des grossen Sacculus. Das Gewebe des tegmentum ist das gleiche der anderen knorpeligen Abschnitte des Gehörbläschens; auffallend sind die zahlreichen Blutgefässe an diesem Schneckentheile (Taf. XLI Fig. 14 und 15), die zugleich auch in der Umhüllungsmembran gerade dieses Labyrinthabschnittes sehr reichlich vertreten sind (Taf. XLV Fig. 55). Die tief ausgehöhlte Innenfläche der Knor- pelschale wird von einem Epithel ausgekleidet, dessen Aehnlich- keit mit dem Epithel des tegmentum vasculosum der Vögel schon von Deiters hervorgehoben wurde. Es ist dies nach Hasse „ein gelblich gefärbtes Epithel aus unregelmässig polygonalen, ziemlich hohen Pflasterzellen mit grossem, rundem und dunklem Kerne“. Das Protoplasma dieser Zellen ist körnig und es ähneln diese Gebilde in hohem Grade jenen Zellen, die wir bei der Be- schreibung der gelben Flecke in den Ampullen kennen gelernt haben. An diese, an dem untern Abschnitte der medianen Saceulus- wand und nahezu in einer und derselben Ebene neben einander liegenden, drei Schneckentheile (Taf. XLI Fig. 14 u. 15 und Taf. XLV Fig. 55) schliesst sich die vierte und letzte Cochlearportion an, die Pars initialis eochleae. Dieselbe gehört zum Theil dem obe- ren Abschnitte der medianen Wand, zum Theil dem Dache des grossen Hohlraumes der pars inferior an. Da nun letzteres von der unteren Fläche des Utrieularbodens gebildet wird, so kann die Ausdehnung der pars initialis dahin präcisirt werden, dass die- selbe sich von der Ampulla frontalis bis zu der Stelle erstreckt wo das foramen utriculo-saceulare beginnt. 510 Kuhn: Nach Wegnahme der pars basilaris und des unteren media- nen Wandabschnittes der pars inferior können wir Lage und Form dieses Organes näher erkennen; Deiters hat dasselbe Organ zuerst gesehen, ohne dessen nähere Beziehungen zur Batrachier- schnecke erkannt zu haben. Seine Angaben über Form und La- gerung, wenn auch ungenügend, scheinen mir noch viel eher den wirklichen Verhältnissen zu entsprechen, als die Schilderung, die uns Hasse von diesem Schneckenabschnitte giebt. Wir haben es hier mit einem ovalen, schalenförmigen Organe zu thun, dessen längster Durchmesser in der Breitenachse des Utrieularschlauches gelegen ist. Es besteht dasselbe aus zwei pa- rallel verlaufenden Knorpelschenkeln, die an ihren beiden Seitenrän- dern in einander übergehen und zwischen welchen der Hohlraum des Organes gelegen ist. Der eine dieser Schenkel, der obere, liegt unmittelbar an der unteren Fläche des Utrieulusbodens, ist mit derselben verwachsen und zur Aufnahme des Acusticuszweiges -» bestimmt; er liegt genau an der Stelle der unteren Utricularwand, über welcher die laterale Wandung der frontalen Verbindungsröhre mit der medianen Wand des horizontalen Kanales sich vereint (Taf. XLV Fig. 59), und dehnt sich, wie das ganze Organ über- haupt, von der Amp. frontal. bis zum foramen utriculo-saceulare aus. Der untere Schenkel besitzt zwei freie Flächen, von denen die obere der Nervencrista zugewendet ist (Taf. XLV Fig.59), die andere dagegen in den Hohlraum der pars inferior sieht; letz- tere geht an ihrem Vorderrande in das centrale Segment der pars basilaris über. Die beidenKnorpelschenkel sind flach gekrümmt, an den in einander übergehenden Seitenflächen leicht abgerundet, und besitzen eine ziemliche Tiefenausdehnung (Taf. XLV Fig. 61). An ihren inneren oder lateralen Kanten liegt eine schmale Knorpel- brücke, welehe die beiden Schenkel vereint und über welche der betreffende Nerv seinen Weg nimmt, um an die obere Fläche des oberen .Schenkels zu gelangen (Taf. XLV Fig. 59). Die Knorpel- brücke selbst liegt dem bis zur Ampulla frontalis sich ausdehnen- den Ende des Organes viel näher als dem bis zur centralen Ecke des foramen utrieulo -saceulare reichenden anderen Ende und es wird demnach der Hohlraum der ovalen Schale durch diese Brücke in zwei ungleich grosse Abtheilungen getrennt, von denen die grössere central gelegene bis zur mehrfach genannten Communi- cation zwischen Utriculus und Sacculus reicht und die kleinere, Ueber das häutige Labyriuth der Amphibien. 511 peripher gelegene, sich bis zur Einmündungsstelle der frontalen Ampulle in den Utriculus erstreckt (Taf. XLV Fig. 59). Die vorderen Kanten beider Schenkel sind unmittelbar unter dem medianen Sacküberzuge gelegen, werden von demselben straff überzogen; die hinteren dagegen sind nur an dem Theile, wo die Brücke liegt, mit einander verbunden und es steht desshalb an dieser, gleichsam lateralen, Fläche der Hohlraum des Organes in offener Verbindung mit der grossen Sackhöhle; ich habe wenigstens weder bei der makroskopischen Untersuchung noch an micros- copischen Querschnitten eine das innere Lumen des Organes ab- schliessende Membran sehen können. Ich fasse deshalb die pars initialis als ein platt ovales schalenförmiges Hohlorgan auf, dessen Boden durch die äussere gemeinschaftliche Umhüllungsmembran der pars inferior und dessen Seitenwandungen von den beiden parallelen Knorpelschenkeln gebildet werden. Die Wandungen der beiden Schenkel sind nicht gleichmäs- sig tief, besonders ist es die in der kleineren Abtheilung gelegene Portion des unteren Knorpelschenkels, welcher ungemein niedrig ist und mit dem Boden der Schale fast in gleicher Ebene zu lie- gen kommt. Auch die Dicke der beiden Schenkelwandungen ist verschieden, was mit der Nervenausbreitung zusammenhängt; so sehen wir den oberen Schenkel, an welchem der ramus partis ini- tialis sich verzweigt, viel voluminöser als den unteren (Taf. XLV Fig. 61). Die obere Fläche des oberen Knorpelschenkels ist innig mit der betreffenden Unterwand des Utrieulus verwachsen und auf Querschnitten erkennt man mit Leichtigkeit die den beiden Hohl- räumen zugewendeten Epithelauskleidungen, von denen die dem Utrieulus angehörige, obere Fläche das beschriebene polygonale Pflasterepithel, dagegen die dem Hohlraume der pars initialis zu- gewendete untere das später noch näher zu beschreibende Nerven- epithel repräsentirt. Die Knorpelbrücke geht von der hinteren Kante des unteren Schenkels aus, zieht bis zur gleichen Fläche des oberen, um mit ihm zu verschmelzen und in die gemeinschaftliche untere Utrieu- luswand überzugehen. Am entgegengesetzten Ende der hinteren Kante dieses unteren Schenkels sehen wir eine zweite, aber nach abwärts gerichtete schmale Knorpelbrücke, die, wie Eingangs schon kurz angegeben, nach unten und vorn auf den centralen Abschnitt 512 Kuhn: der pars basilaris übergeht. Durch dieselbe ist der Anfangstheil der Schnecke mit dem, gleichsam den Mittelpunkt der vier Schnecken- abtheilungen darstellenden, Knorpelrahmen verbunden. Da wir nun oben gesehen haben, dass der Haupttheil der Cochlea, die pars basilaris, nach der einen Seite mit der lagena, nach der anderen Seite mit dem tegmentum vasculosum durch knorpelige Brücken in Verbindung steht, so können wir mit Berücksichtigung des obigen Zusammenhanges der pars initialis mit der pars basi- laris, die vier Abtheilungen der Schnecke, ob zwar auseinander gelegen, doch als Ein zusammengehörendes Organ betrachten, das an seiner der Oberfläche zugewandten Seite von der gemeinschaft- lichen Sackmembran überzogen, und dessen innere, grossentheils weit offene Hohlräume in directer Communication mit dem grossen Cavum der pars inferior stehen (Taf. XLI Fig. 14 und 15). Die Knorpelsubstanz der pars initialis bietet die gleiche Structur dar, wie alle übrigen knorpeligen Abschnitte des Gehör- bläschens; dieselbe homogene Masse mit spindelförmigen Zellen (Taf. XLV Fig. 60). Die Innenflächen sind von jenem unregel- mässig polygonalen Pflasterepithel überzogen, wie wir dies schon so häufig in den anderen Hohlräumen des Labyrinthes kennen ge- lernt haben. In seiner Arbeit über das Gehörorgan der Frösche (1868) hatte Hasse jedenfalls das foramen utriculo-sacculare übersehen, und sagt er „dass der Anfangstheil der Schnecke bis zur aper- tura utrieuli rage, und da die untere Wand dieser Lücke beiden Theilen (Vestibulum und Cochlea) gemeinsam sei, müsse man auch aus der Höhle der pars initialis in den Utrieulus gelangen können. Dieser Theil der Wandung muss also gleichsam als un- vollständige Scheidewand zwischen den beiden sonst von einander abgeschlossenen: Hohlräumen emporragen!“ Auf dieses Verhalten führt er auch die Uebergänge des Epithels im Utrieulus und des- jenigen im tegmentum vasculosum in das Pflasterepithel der Wan- dung des Anfangstheiles zurück. Wir haben oben schon nachge- wiesen, dass die apertura utrieuli in gar keiner näheren Beziehung zu den einzelnen Theilen der pars inferior steht und es kann desshalb von einem Uebergange des betr. Epithels keine Rede sein. Wohl steht die Höhlung der pars initialis mit derjenigen des Utrieulus in Communication und zwar vermittelst des gros- sen foramen utriculo-saceulare; allein diese Verbindung kommt Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 513 nur durch Vermittelung der Sackhöhle dadurch zu Stande, dass beide Hohlräume, ein jeder für sich, mit der grossen Sackhöhle communieiren. An allen Stellen, wo das Pflasterepithel des Innenraumes der pars initialis der crista acustica sich nähert, beobachten wir eben- falls wie im Sacceulus, Utrieulus u. s. w. die allmähliche Zunahme der Zellenhöhe und den Uebergang in die grossen Cylinderzellen. Nach Hasse unterscheiden sich diese hellen, schönen Cylinder in Nichts von den, aus der Schnecke der Vögel, von diesem Autor be- schriebenen und zur Anheftung der Membrana tectoria dienenden Zahnzellen jenseits der Papilla spiralis. Die Form und Aus- breitung der am oberen Knorpelschenkel gelegenen Crista wird später im Zusammenhange mit der Schilderung der anderen Ner- venendstellen beschrieben werden. — Zur vollständigen Schilderung des morphologischen Baues der Gehörblase bei den Batrachiern, müssen wir zum Schluss noch zweier Organe erwähnen, die die Cireulation der Iymphatischen Flüssigkeiten im häutigen Labyrinthe ermöglichen. Es sind dies der duetus endolymphaticus und der ductus perilymphaticus. Es würde uns zu weit geführt haben, diese beiden Organe einer genauen Untersuchung zu unterwerfen und behalten wir uns diesen Gegenstand für eine spätere allgemeine Studie dieser Ver- hältnisse bei allen Wirbelthierklassen vor. Ich beschränke mich desshalb auf die Wiedergabe dieser Organe, wie sie sich an meinen Präparaten vorgefunden haben und in die Zeichnungen aufgenom- men wurden. Der duetus endolymphaticus liegt mit einem freien und offenen Ende als ein schmaler dünnwandiger Schlauch am oberen medianen Rande des in den recessus übergehenden Utri- culustheiles, und zwar in der Gegend, wo die mediane Sinus-Wan- dung aus dem corpus utrieuli emporsteigt (Taf. XL Fig. 7 und 3); er zieht alsdann an der Oberfläche der medianen Utrieularwand nach abwärts bis zur Stelle, wo der knorpelige Steinsacktheil von der pars superior entspringt, biegt hier auf die Unterfläche des Utrieulusbodens um und endet mit mässig weiter ovaler Oeffnung am Dache des Steinsackraumes. Die Oeffnung selbst sieht schräg nach abwärts, liegt nach vorn vor dem foramen utrieulo-saceulare und in der Nähe des centralen Endes der pars initialis (Taf. XLIIL Fig. 46). Das schmale Rohr des duetus ist dünnwandig, in seinem Archiv f. mikrosk. Anatomie. Pd. 17, 33 514 Kuhn: mittleren Abschnitte leicht varikös und im Inneren von einem ein- fachen Pflasterepithel ausgekleidet, das sich als die Fortsetzung der inneren Saceulusauskleidung ergiebt. Ich war nie im Stande, und es lag auch, wie schon erwähnt, ausserhalb der Grenzen dieser Studie, den duetus in seinem wei- teren Verlaufe nach oben zu verfolgen. Hasse in seiner Arbeit über die Lymphbahnen des inneren Ohres der Wirbelthiere (1873) giebt an, dass die betreffende Röhre „bis zur apertura aquaeduc- tus vestibuli des Gehäuses emporsteige und frei in die Schädel- höhle zwischen Dura und Gehirnhülle, seitwärts vom Hinterhirne, rage, um daselbst einen mächtig entwickelten sacculus endolym- phatieus zu bilden, der sich, bogenförmig über die Schädelbasis, unter die Gehirnbasis und hinter die hypophysis wegzieht und sich mit dem der anderen Seite verbindet.“ Von jenem Organe, das die Circeulation des liquor perilym- phatieus ermöglicht, von dem sogenannten duetus perilym- phaticus habe ich bei den Batrachiern nur das Einmündungs- stück in das cavum perilymphaticum auffinden können. Es stellte dies eine ganz kurze Röhre mit kreisrunder Oeffnung dar (Taf. XL, Fig. 6 und 8), welche an der lateralen Wandung der pars inferior gelegen ist und nach oben durch die pars initialis, nach unten durch die pars basilaris, nach der einen Seite durch das frontale Verbindungsstück des Utrieulus und nach der anderen von dem oberen Abschnitte der lagena begrenzt wird; an einzelnen Präparaten haftete zuweilen noch ein etwas längeres Stück dieser eylindrischen Röhre, was ich in den Zeichnungen durch die schär- fere Schattirung des betr. Loches deutlich zu machen versucht habe, aber stets, auch bei der vorsichtigsten Herausnahme des häutigen Labyrinthes, war der übrige Theil des ductus abgerissen. Die Wandungen dieser kurzen Röhre sind ungemein dünn und stets von einer Fortsetzung der Periostauskleidung des knöchernen Gehäuses umhüllt. Auch für den ductus perilymphaticus hat Hasse den weiteren Verlauf des Kanalrohres dahin bestimmt, dass dasselbe bis zum Umfange des foramen jugulare sich erstreckt, und „dass die Perilymphe einmal durch die Doppelröhre des cavum perilymphatieum und des saccus perilymphaticus in ein periphe- risches Lymphgefäss und dann, wie bei den übrigen Amphibien, indireet in das cavum epicerebrale abfliessen kann.“ Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 515 e. Nervus acustieus. Ich habe es in dieser Arbeit vorgezogen, die Ausbreitung des Gehörnerven am häutigen Labyrinthe in einem besonderen Kapitel und im Zusammenhange zu schildern; und dies aus zwei Gründen: einerseits ist die Art und Weise der Nervenendigung, die feineren Details des nervösen Endapparates im Hörorgane, noch immer der Gegenstand zahlreicher Controversen und vorzugsweise um seinet- willen habe ich diese Untersuchungen angestellt; anderseits glaube ich durch eine gemeinsame Schilderung aller Nervenend- stellen am besten jene zahllosen Wiederholungen umgehen zu können, die, bei der gleichartigen Textur der maculae und cristae acusticae in den gesonderten Beschreibungen einer jeden einzelnen Endstelle des Hörnerven, bei den früheren Autoren in so störender, um nicht zu sagen, oft überflüssiger Weise bemerkbar sind. Der nervus acusticus des Frosches tritt, von der Schädel- höhle her, durch den meatus auditorius internns als ein verhält- nissmässig dieker Nervenstamm und theilt sich, noch ehe er direet an die mediane Wandung des Gehörbläschens tritt (Taf. XL Fig. 10), in zwei Hauptäste, den stärkeren Ramus vestibularis und den weniger dieken Ramus cochlearis. Von ersterem zweigt sich der nervus saceuli, der nervus utrieuli und die beiden Zweige für die sagittale und horizontale Ampulle ab; der ramus cochlearis theilt sich ebenfalls in 4 Zweige: den nervus lagenae, n. partis initialis, n. partis basilaris und n. ampullae frontalis. Die durch den Gebrauch sanctionnirten Bezeichnungen „ra- mus vestibularis und cochlearis“ für die beiden Hauptäste des acusticus der Batrachier, und der Amphibien überhaupt, charak- terisiren keine so scharfe Scheidung, wie dies bei den höheren Wirbelthieren der Fall ist, bei denen der Vorhofsnerv nur Theile des Vorhofes, der Sehneekennerv nur Theile der Cochlea versorgt. Es muss im Gegentheil bei den Amphibien juns auffallen, dass der r. vestibularis einen Zweig zum sacceulus und der r. eochlearis einen solehen zur Ampulla frontalis entsendet. Die Masse des acusticus, in seinem Stamme sowohl wie in seinen einzelnen Zweigen, besteht aus starken, doppelt contourirten Fasern von verschiedener Stärke und aus grossen Ganglienzellen, die mir meist bipolar zu sein schienen und die ohne regelmässige Anordnung zwischen den Nervenfasern eingelagert sind. Fasern 516 ‚Kuhn: und Ganglien liegen so wirr durcheinander, dass es unmöglich ist, die Ganglienmasse von derjenigen der Fasern zu scheiden. Die einzelnen Hauptstämme des Hörnerven sind von einer Membran umgeben, welche dem homogenen „Spindelknorpel“ des häutigen Labyrinthes analog ist, denn auch in ihr finden wir Spindelzellen mit zwei in entgegengesetzter Richtung verlaufenden Ausläufern. Ausserdem umgiebt eine röhrenförmige Fortsetzung des Periostes den Nervenstamm und lässt sich diese letztere zweite Umhüllung bis zu den Stellen verfolgen, wo die einzelnen Nervenstämmcehen in die Knorpelwandung der betreffenden Labyrinthabschnitte ein- treten. Gleich nach seinem Eintritt in die Substanz der einzelnen Organe spaltet sich der Nerv in eine grössere Anzahl von kleineren Zweigen, deren einzelne Fasern wiederum selbständig, die eine ganz isolirt von den andern, weiter verlaufen. Während die ver- schiedenen Nervenfasern vorher aus Schwann’scher Scheide, Myelin und Axencylinder bestanden haben, verlieren sie bald nach ihrem Eintritt in die Knorpelmasse Markscheide und Umhüllungsmem- bran, und es dringt blos der nackte Axencylinder in das Hör- epithel der maculae und cristae ein. Nur in dieser eben geschil- derten Art und Weise habe ich den peripheren Verlauf der dop- pelteontourirten Nervenfaser beobachten können; an keiner Stelle sah ich am blassen Axencylinder Spuren einer zarten Umhüllung (Taf. XLIII Fig. 38, 39 und 41). Hasse erwähnt, an einem Zer- zupfungspräparate des Nervendurchtrittes in der Vogelschnecke, den allmähligen Uebergang einer durch Osmiumsäure dunkel ge- färbten Nervenfaser in den Axeneylinder gesehen zu haben und giebt an, dass hiebei die Marksubstanz immer spärlicher wurde und dass die äussere Linie der Umhüllungsmembran sich ohne Unterbrechung längs des blassen Axencylinders weiter verfol- gen liess. Nach seinem Eintritt in das Zellenpolster der Hörflecke und Hörleisten verläuft der Axeneylinder ohne Theilung weiter und steigt entweder direct zu den einzelnen Zellen empor, oder verläuft eine Strecke weit quer zwischen den beiden Zellschichten, kreuzt und verbindet sich mit anderen analog verlaufenden feinsten Fa- sern. Hiedurch entsteht ein weitmaschiger intraepitheliarer Nerven- plexus (Taf. XLIII Fig. 41), von dem aus dann die einzelnen Axencylinder ihren Endverlauf gegen die Oberfläche der Macula acustica in der später zu beschreibenden Weise nehmen. Ich muss Ueber das häutige Labyrinth der Amph ibien. 517 jedoch erwähnen, dass es mir nicht gelungen ist, scharf und deut- lich zu erkennen, ob die einzelnen Axeneylinder sich direct mit einander verbinden oder ob dieselben blos untereinander sich Kreu- zen, mit anderen Worten, ob wir es hier, im Sinne Hoyer’s, mit einem Nervennetze oder mit einem Nervenplexus zu thun haben. — Diese Verhältnisse in der Nervenverzweigung kehren in allen Theilen des Froschlabyrinthes wieder und ich muss hier ausdrück- lich hervorheben, dass nicht blos die eben angegebenen Verhält- nisse, sondern auch die übrigen Details des Nervenapparates, für alle Theile des Gehörbläschens, ob Vestibulum oder Cochlea, stets und genau die nämlichen sind. Halten wir auch hier die oben angenommene Theilung des häutigen Labyrinthes in eine pars superior und inferior fest, so werden wir in erster Linie die Zweige des Acustieus schildern müssen, welche zum Vestibulum gehen. Es sind dies der nervus utrieuli und die zu den drei Ampullen tretenden Zweige. Der ramus vestibularis nimmt in der Richtung der beiden zusammenliegenden Ampullen seinen Verlauf und liegt in einer leichten Furche am unteren Theile der medianen Utrieuluswand; er entsendet zuerst einen starken Ast nach abwärts an den Sac- eulus, weiterhin einen zweiten an den recessus utrieuli und spal- tet sich schliesslich in seine beiden Endzweige, von denen der eine an die Unterfläche der sagittalen, der andere an die der horizon- talen Ampulle tritt. Der Nervus utrieuli tritt als kurzer, dicker Nervenzweig an die untere Wand des recessus utrieuli, durchbohrt dieselbe und breitet sich am Boden des betreffenden Hohlraumes in der macula acustica utrieuli aus. Das an der unteren Utriculuswand um den Nerveneintritt herum gelegene Periost enthält zahlreiche Pigment- massen, wie wir dies an allen Theilen des Labyrinthes beobachten können, an welchen Nervenausbreitungen Statt haben. Der Nerv durehbohrt in schräger Richtung die Knorpelwand, strahlt in eine Menge grosser und kleiner Bündel aus, aus welchen die einzelnen Fasern hervorgehen. Letztere steigen gegen den inneren Knorpel- rand in die Höhe, und zwar eine jede für sich, ganz gesondert von den anderen, verlieren ihr doppelt eontourirtes Aussehen und nur der allein übrig bleibende feine, blasse Axeneylinder durch- bohrt den Basalsaum, um in die Epithelmasse der Maeula einzu- dringen. Ich habe nie, weder im Utrieulus, noch in den anderen 518 Kuhn: Labyrintbabschnitten, ein schlingenförmiges Umbiegen der Nerven- fasern in der Knorpelwandung gesehen, wie dies einige Autoren angeben; stets geht der Axencylinder direkt aus der Faser hervor und wendet sich dann, meist in gerader Linie, nach oben zum Basalsaume. Die macula acustica utriculi nimmt nahezu den ganzen Boden des recessus ein (Taf. XLIl Fig. 36), und stellt eine halbmond- förmige Erhabenheit son leicht gelblicher Farbe dar, die von dem umliegenden Epithel aus allmählig aufsteigt, um in ihrem Mittel- punkte die grösste Höhe zu erreichen. Von der Fläche betrachtet kann man an derselben, und schon bei schwacher Vergrösserung, rundliche Epithelien unterscheiden; bei stärkerer Vergrösserung sieht man grössere Kreise neben einander liegen, in deren Centren ein kleiner, glänzender Punkt liegt (Taf. XLII Fig. 37). Die zwischen diesen rundlichen Zellen befindlichen Zwischenräume sind ungemein klein und scheinen vollständig leer zu sein. Auf Querschnitten erst ge- winnen wir eine richtige Einsicht in die Anordnung und Form der Maculaelemente und sind es zwei verschiedenartige Zellenformen, die in zwei Schichten über einander gelagert sind. Es sind dies die auf der Knorpelwandung aufsitzende Basalzellenschichte und die auf letzterer ruhende Schichte der Cylinderzellen. Die Zellen der ersteren nennt Hasse „Zahnzellen“, während er die Oylinderzellen als „Stäbchenzellen“ bezeichnet. Ich finde es praktischer, die ältere Bezeichnung von M. Schultze für diese Gebilde beizube- halten, wie ich dies auch für die Untersuchungen der Knochen- fische gethan habe. Die Basalzellen sind runde, kernhaltige Elemente, die un- mittelbar auf dem Basalsaume der Knorpelwand ruhen und in regelmässiger Anordnung fast ganz dicht neben einander liegen (Taf. XLV Fig. 64 f.;, Taf. XLILL Fig. 38, 39 und 42). Sie bil- den nur eine einzige Lage von Zellen, und sind durch eine fein granulirte Masse einerseits von dem Basalsaume, anderseits von den über ihnen liegenden Cylinderzellen getrennt. Zuweilen dehnt sich diese granulirte Masse bis in die Insterstitien der Cylinderzellen aus. Durch Osmiumsäure wird sie viel weniger dunkel gefärbt, als die nervösen Cylinderzellen. Paul Meyer!), der diese Gebilde 1) Etudes histologiques sur le labyrinthe membraneux chez les reptiles et les oiseaux. Strasbourg 1876. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 519 im Labyrinthe der Reptilien und Vögel unter gleichen Verhältnissen und Formen beobachtet hat, hält sie für blose Kerne und konnte keine Zellenmembran an ihnen nachweisen; ich war gleichfalls nieht im Stande bei den verschiedensten Färbungsmethoden einen Protoplasmamantel zu finden; dagegen sah ich zu wiederholten Malen deutliche Kernkörperchen in diesen Kerngebilden. Sie dürf- ten desshalb als die sogenannten „Kornzellen“ Waldeyer's!) auf- zufassen sein, die nach diesem Autor grosse Kerne darstellen mit Spuren von Protoplasma. Niemals fand ich an diesen Basalzellen jene nach oben zwischen die Cylinderzellen hineinragenden Fort- sätze, wie dies Hasse von seinen „Zahnzellen“ beschreibt. Auf der Basalzellenschichte ruht die Schichte der Cylinder- zellen. Diese Gebilde, auch „Hörzellen“ genannt, stellen grosse, regelmässig nebeneinander gereihte Cylinderzellen dar, deren eine jede, in ihrem unteren Abschnitte, einen grossen Kern mit deut- lichem Kernkörperchen besitzt. Frisch untersucht bieten diese Zellen ein klares homogenes Aussehen dar, sind von hellgelber Farbe und besitzen scheinbar gar keinen Kern. Durch Osmium- säure dagegen werden sie intensiv braun gefärbt, bekommen ein leicht granulirtes Aussehen und ihr Kern tritt ungemein scharf hervor (Taf. XLIII Fig. 38 und 39). Ihr unteres Ende ist leicht abgerundet (Taf. XLV Fig. 65 a, c, und 64 e, f), andere Male, besonders an Zerzupfungspräparaten, spitzt sich dasselbe etwas zu (Taf. XLIII Fig. 41; Taf. XLIV Fig. 63 b und 64 h) und häufig sieht man noch an diesem spitzen Ende einen feinen fadenförmigen Fortsatz hängen (Taf. XLIV Fig. 63 a, b und 64 e, h), der die gleiche dunkle Färbung besitzt, als ‘die Zelle selbst. Die obere Fläche der Cylinderzellen ist quer abgestumpft und von einer dün- nen Cutieularmembran überzogen, aus welcher ein ziemlich dickes, zuweilen auch mehrere feine Haare hervorgehen (Taf. XLIV Fig. 63 e, d und 64 e, f). Auch hier bei den Batrachiern konnte ich mich überzeugen, wie ich dies schon für die Fische angegeben, dass mehrere feine, haarförmige Gebilde von der Oberfläche der Cylinderzellen abgehen, und wenn die meisten Autoren nur von einem einzigen dieken Haargebilde in diesen Zellen sprechen, so muss dies einzig und allein auf die Wirkung der heagentien und besonders auf die Wirkung der Osmiumsäure zurückgeführt werden; 1) Hornhaut und Schnecke. — Stricker’s Handbuch 1370. 520 Kuhn: durch diese chemischen Substanzen verkleben mehrere, meist alle feinen Haare und es hat alsdann den Anschein, als ob die Zelle nur mit einem einzigen an der Basis verdiekten Haare versehen sei (Taf. XLIlI Fig. 41). Bei der grossen Vergänglichkeit dieser Gebilde ist es schwer, ihre wirkliche Länge anzugeben; meist sind sie ganz kurz abgebrochen und nie habe ich bei den Amphibien so lange Bildungen beobachtet, wie ich dies für die Fische (l. e. Taf. XIX Fig. 26) angegeben. Das Verhalten der feinsten Nervenfasern zu dem Epithel der Macula lässt sich bei den Fröschen, wie auch bei allen anderen Amphibien, viel leichter erkennen als dies bei den Fischen der Fall ist. Es wäre überhaupt hervorzuheben, dass, im Verhältniss zu den enormen Schwierigkeiten, welche sich bei dem morphologischen Studium des Amphibienlabyrinthes uns entgegenstellen, die Er- kenntniss der histologischen Struktur dieser Theile und speeciell des nervösen Endapparates relativ geringere Mühen verursacht. Der durch den Basalsaum durchgetretene nackte Axencylinder zieht an den Basalzeilen vorüber, sei es in deren Zwischenräumen, sei es über oder unter denselben, und steigt an vielen Stellen direct in die Höhe, um sich entweder an das untere Ende einer Cylinderzelle anzusetzen (Taf. XLIII Fig. 38, 39 u. 42), oder in deren Interstitien einzudringen und an der Oberfläche derselben frei zu enden. Ebenso häufig als dieses Verhalten des directen Verlaufes zur Hörzelle oder in deren Interstitien, sehen wir den feinen Axeneylinder zwischen Basal- und Cylinderschichte quer umbiegen und mit anderen, ebenfalls quer verlaufenden, feinsten Nervenfasern sich kreuzen, eventuell sich verbinden; hiedurch ent- steht ein sogenannter intraepithelialer Nervenplexus eventuell Netz, (Taf. XL Fig. 41) worüber, wie erwähnt, ich zu keiner defini- tiven Entscheidung gelangen konnte, und aus welchem dann wie- derum die feinen Fasern emporsteigen und sich in gleicher Weise, wie eben geschildert, entweder an das untere Zellenende sich an- setzen, oder in deren Interstitien sich legen. Wir können dem- nach bei diesen Thieren einen zweifachen Modus der letzten Ner- venendigung feststellen; einmal direct am unteren Ende der Hör- zelle oder in den Zwischenräumen der einzelnen Cylinderzellen i. e. auf der freien Maculaoberfläche. Bei den Amphibien war es mir unmöglich, jene von M. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 521 Sehultze!), Retzius?) und mir bei den Fischen, von Ebner?) bei den Vögeln gefundenen Fadenzellen zu sehen, die gleichsam das Zwischenglied zwischen Nervenfaser und deren Endigung an den Cylinderzellen vorstellen. So häufig ich bei den Fischen jene ovalen Zellgebilde, auf Durchschnitten sowohl wie bei Zerzupfungen, beobachtet habe und in der jüngsten Zeit, der Controle halber, sie von Neuem bestätigen konnte, mit eben so grosser Gewissheit kann ich dieselben für die Amphibien in Abrede stellen. Es muss deshalb daran gedacht werden, dass diese Elemente bei den nie- drig stehenden Fischen vorhanden sind, bei den höheren Verte- braten dagegen spurlos verschwinden. Rechnen wir bei den Te- leostiern die Fadenzellen weg, so ist der Endverlauf der feinsten Fasern ganz derselbe wie bei den Amphibien. Die von einzelnen Autoren aufgestellte Ansicht, als seien die Haarbildungen an der Oberfläche der Hörzellen die letzten Aus- läufer der feinsten Nervenfasern, muss auch für die Amphibien zurückgewiesen werden und dies aus demselben Grunde, wie bei den Fischen, weil eben mehrere feine Härchen und nicht, wie jene Autoren angenommen, nur ein einziges vorhanden ist. Ferner muss berücksichtigt werden, dass bis jetzt noch Niemand ein Durch- laufen des Axencylinders durch Kern und Öylinderzelle gesehen hat. Wenn ich auch ein einziges Mal bei den Fischen die an das untere Hörzellenende sich ansetzende feinste Nervenfaser mit aller Bestimmtheit bis in den grossen runden Zellenkern verfolgen konnte (l. e.), und ein ähnlicher Befund mir auch beim Frosche aufge- stossen ist (Taf. XLIV 63a), so muss ich doch die Frage von dem weiteren Verlaufe des Axeneylinders im Inneren der Hörzelle noch offen lassen. Ich kann es mir jedoch nicht versagen, an diesem Orte auf die Fig. 38, 39 und 42 der Taf. XLIII hinzuweisen, wo durch einzelne Cylinderzellen hindurch bis zur freien Oberfläche die feinste Nervenfaser ihren Endverlauf nimmt; trotzdem wird ein Jeder, der die schwierige Beurtheilung derartiger Verhältnisse bei so starken Vergrösserungen kennt, meine Serupel würdigen, wenn ich noch weitere Beweise verlange, ehe ich den directen Verlauf des Axeneylinders durch die ganze Zelle als erwiesen be- trachten soll. 1) Müller’s Archiv 1862. 2) Retzius: Anatomische Untersuchungen. Stockholm 1872. 3) v. Ebner: med.-naturwissenschaftl. Verein. Innsbruck 1876. 522 Kuhn: Einen weiteren seltenen Befund an den letzten Endstel- len der Nervenfaser muss ich hier noch anführen. An einem Durehschnitte der crista ampullae sagittalis vom Frosche (Taf. XLIII Fig. 39) und auch im Utrieulus u. s. w. (Taf. XLIII Fig. 38 und 42) sah ich die in die Interstitien der Cylinderzellen ein- tretende Nervenfaser sich in einer ziemlich breiten, zapfenförmigen Bildung verlieren und vollständig als Faser verschwinden. Die Färbung dieser kegelförmigen Zapfen war an den Osmiumprä- paraten eine ganz gleiche als die der Cylinderzellen selbst. Ge- hört diese Bildung der Nervenendigung an, oder stellt sie blos eine dünne Protoplasmaschichte vor, die durch das Reagens dunkler und compacter geworden und in welcher der Axencylinder nicht mehr zu Tage tritt? Die gesammte Oberfläche des Nervenepithels wird von einer Deckmasse überzogen, die sehr deutliche mit der Oberfläche der macula parallel verlaufende Streifen zeigt und durch welche die einzelnen Haare hindurchtreten (Taf. XLIII 38, 40 u. 41). Auf der in so complieirter Weise zusammengesetzten macula utrieuli liegt eine Otolithenmasse, die jedoch in ihrem Volumen mit der mächtigen Kalkmasse der macula sacculi sich nicht ver- gleichen lässt. An den mit CrO; oder OsO, behandelten Labyrinthen, die noch im knöchernen Gehäuse eingeschlossen sind, sieht man im Utrieulus entweder gar keine oder in ganz seltenen Fällen nur geringe Spuren einiger Kalkkrystalle auf der Maculaoberfläche haften (Fig. 43 Taf. XLII). Bei der noch so vorsichtigen Präparation des frischen häutigen Labyrinthes ist eine Zerrung der Theile nicht zu vermeiden, und sie genügt, um kleinere Partien der leicht zerfliessbaren Steinmasse des Saceulus in die verschiedenen Theile des Labyrinthes hineinzuschwemmen und dann ist es eben schwer zu sagen, ob wir es im Utrieulus mit eigenen Krystallmassen zu thun haben oder mit Bildungen aus dem Steinsacke. Jedenfalls ist eine solche Otolithenmasse, wenn überhaupt zugegen, nur im aller- bescheidensten Maasse vorhanden. Dagegen lässt sich mit Bestimmt- heit im recessus utrieuli ein Cutieulargebilde nachweisen, das auf dem Nervenepithel resp. den Haaren der macula gelegen ist und welches wir als membrana tecetoria bezeichnen können. Im frischen Zustande stellt dasselbe eine dünne, glashelle und structurlose Membran dar, an welcher man, besonders an Osmiumpräparaten, bei starker Vergrösserung zahlreiche grössere und kleinere runde Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 523 Hohlräume beobachtet. In der Fig. 44 Taf. XLIII waren am Rande des betreffenden Präparates noch einzelne Cylinderzellen in den Hohlräumen haften geblieben. Nachdem der ramus vestibularis den nervus utrieuli abgegeben hat, theilt er sich in seine beiden Endzweige, von denen der eine zur Ampulla sagittalis, der andere zur Ampulla horizontalis tritt. Der zur sagittalen Ampulle ziehende nervus ampullae sagittalis spaltet sich in zwei Nervenbündel, die sich an der Unterfläche des Organes in den dort befindlichen Suleus trans- versus legen (Taf. XLII Fig. 30), die Knorpelsubstanz durehbohren und in die am Boden des Innenraumes gelegene Crista acu- stica eindringen. Letztere stellt einen queren faltenartigen Knor- pelwulst dar, welcher in der Mittellinie des Ampullenbodens gele- gen ist und von der einen Seite zur anderen zieht. Im Centrum erreicht /die Crista ihre grösste Höhe und fällt von da aus all- mählig nach den Seiten ab, um schliesslich an den Seitenwandun- gen wieder etwas in die Höhe zu steigen (Taf. XLII Fig. 32). Sie besitzt an ihren beiden Enden eine vollkommen symmetrische Gestalt, was besonders auf Längsschnitten deutlich hervortritt, an denen auch ihre stark in die Höhe ragende Mitte und ihr all- mähliges Abfallen gegen die Seitenwandungen gut zu beobachten ist (Taf. XLII Fig. 30). Die Knorpelsubstanz der Crista setzt sich gegen das Nervenepithel durch einen feinen Basalsaum ab (Taf. XLII Fig. 33). Die beiden in den Boden der Ampulle eingedrungenen Ner- venzweige zerfallen in mehrere Nervenbündel, die sich dann un- terhalb des Basalsaumes in einzelne doppelteontourirte Fasern spalten, von denen der feine Axencylinder ausgeht. Die Art und Weise, wie letzterer sich weiterhin verhält, nachdem er den Basal- saum durchbohrt hat, stimmt in allen ihren Details mit jenen Ver- hältnissen, die wir bei der Schilderung des nerv. utrieuli be- schrieben haben. Der zweite Endast des ramus vestibularis begiebt sich zur Ampulla horizontalis; er verläuft ungetheilt an der der sagittalen Ampulle zugewandten Seitenfläche des Organes (Taf. XLII Fig. 30), geht an derselben hoch hinauf und reicht nur bis an den Boden der Ampulle. Die crista ampullae horizontalis nimmt dem- nach nur die betreffende eine Seitenwand ein und ist völlig un- symmetrisch. Ihre geringste Dicke besitzt sie am Boden und 524 Kuhn: wird dann stets dieker und höher, je mehr dieselbe an der Seiten- wandung emporsteigt. Ich reihe hier die Beschreibung des nervus ampullae frontalis an, erstens wegen der Gleichartigkeit seiner Verzwei- gung und zweitens um die Nervenversorgung der pars superior zu Ende zu führen. Der frontale Ampullennerv entstammt dem ramus cochlearis und stellt dessen Endzweig dar. Gleich wie Form und Bau der Amp. frontalis mit dem der Amp. sagittalis identisch ist, so ist auch Form, Grösse, Nerveneintritt und Verzwei- gung ganz analog dem für den nerv. amp. sagittalis angegebenen. Das einzige Auffallende bei der Nervenversorgung dieser den Vor- hofsgebilden zugehörigen Ampulle liegt in dem Umstande, dass der Nerv dem Bereiche des Schneckennerven angehört. Die drei Ampullen i. e. deren eristae bieten, in der Zusam- mensetzung und Anordnung des Nervenepithels, wie auch in der letzten Endigung des Axeneylinders genau jenes Bild dar, wie wir es für die Elemente der macula utrieuli in extenso beschrie- ben haben. Die vom Nervenepithel bedeckten cristae acusticae der sagittalen und frontalen Ampulle zeigen auf einem Durch- schnitte ihre höchste Erhebung in der Mitte und flachen sich nach den Seiten hin mehr und mehr ab; die erista der horizontalen Am- pulle dagegen ist am Boden niedrig (Taf. XLU Fig. 32), erhebt sich, nach der Seitenwandung zu, immer mehr und besitzt oben eine ganz steile in das Lumen der Ampulle weit hineinragende Form (Taf. XLII Fig. 34). Basalzellen wie auch die Erlinderöpithelien der Gehörleisten besitzen die gleichen Charaktere in Bezug auf ihre Grösse, Farbe und Form (Taf. XLV Fig.63a, b und Fig. 64 e), wie im Utrieu- lus; auch die auf der Oberfläche der erista sitzenden Haargebilde erscheinen mir nicht feiner, noch länger als im recessus utrieuli. Die Oberfläche der erista ist von zwei verschiedenartigen Cu- tieularbildungen überzogen; erstens von einer einfachen, dünnen und strukturlosen Cutieularmembran (Taf. XLIII Fig. 38 und 39), und zweitens von der sogenannten Cupula terminalis (Taf. XL Fig. 33, 34 und 35). Die letztere schliesst die Gehörleiste nach dem Binnenraume der Ampulle ab. Sie wurde bekanntlich zuerst von Lang !) bei den Cyprinoiden gesehen, seitdem mehrfach auch 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1863. ‘ Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 525 bei anderen Vertebraten bestätigt, in letzter Zeit aber von Hen- sen !) wiederum geleugnet. Wir haben sie bei den Teleostiern (l. e.) sehr häufig beob- achtet und die Beschreibung, welche wir hievon gegeben haben, stimmt in allen ihren Einzelheiten mit den Erfahrungen, die wir bei den Amphibien und speciell bei den Batrachiern in Bezug auf dieses Gebilde gemacht haben. An frischen Präparaten ist die- selbe in situ schwer zu erhalten; sie fällt meist ab, ist ausserdem völlig durchsichtig und desshalb leicht zu übersehen. An Chrom- säure- und Osmiumpräparaten lässt sie sich mit aller Bestimmheit nachweisen, wenn auch ihre Form durch diese Reagentien häufig beeinträchtigt wird (Taf. XLH Fig. 32 und 34). Im gut erhalte- nen Zustande (Taf. XLII Fig. 33 und 35) stellt sie eine die Crista bis zu den äussersten Grenzen bedeckende Kuppel dar, die nahezu bis zur halben Ampullenhöhe emporsteigt; ihre auf der Crista aufruhende Basis entspricht ihrem grössten Breitendurchmesser, ihre Dieke resp. Tiefe ist bei weitem nicht so beträchtlich. Nach oben zu wird sie immer schmäler und von ihrem abgerundeten convexen Scheitel fällt sie nach den Seiten hin allmählig ab. Ihre concave Basis entspricht genau der. oberen Cristawölbung und sie liegt derselben fest auf. Die eupula besteht aus einer schleimigen Substanz von halb- fester Consistenz, ist glashell und fast durchsichtig. Schon bei schwacher Vergrösserung erkennt man an der durch OsO, erhär- teten Substanz feine Streifen, die den dicht an einander liegen- den, vertical verlaufenden feinen Fasern entsprechen, aus denen die cupula zusammengesetzt ist. Abgesehen davon, dass es doch hie und da an frischen Prä- paraten gelingen müsste, in integro eines oder mehrere jener lan- sen Haare zu sehen, auf deren Zusammenkleben Hensen neuer- dings die künstliche Bildung der eupula zurückführt, scheint mir vor allen Dingen der Umstand für die selbständige Existenz die- ses Organes zu sprechen, dass man an gefärbten (Hämatoxylin) Präparaten neben einer regelrecht geformten und mit der cerista zusammenhängenden, gut tingirten eupula zuweilen auch gut ent- wickelte Haare auf der Oberfläche der Cylinderzellen sieht und die sich, gegenüber der gefärbten Cupulasubstanz, als borstenför- 1) Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1878. 526 Kuhn: mige Gebilde durch ihr helleres, nicht gefärbtes Aussehen sehr deutlich abheben (Taf. XLII Fig. 35). — An den der pars inferior zugehörigen Abschnitten des Ge- hörbläschens haben wir ebenfalls vier Nervenendstellen zu unter- scheiden: den nervus saceuli, n. lagenae, n. partis initialis und schliesslich den nervus partis basilaris. Der nervus sacculi ist jener starke Zweig des ramus ve- stibularis, der, bald nach dessen Abzweigung vom Hauptstamme des n. acusticus, nach abwärts zur medianen Knorpelwand des Steinsackes zieht, hier sich fächerförmig ausbreitet (Taf. XLIV Fig. 47), und schräg in die Knorpelwandung eintretend, in eine Menge grösserer oder kleinerer Bündel zerfällt (Taf. XLIV Fig. 5l), aus welchen dann, in ganz analoger Weise wie im reces- sus utrieuli, die blassen Axencylinder hervorgehen und durch den Basalsaum in das Innere der Maculaelemente eintreten. Die an der Innenwand des knorpeligen Sackabschnittes gelegene macula acustica saceuli hat eine länglich runde, schaalenförmige Ge- stalt und nimmt nahezu die ganze centrale Breite der knorpeligen Steinsackwandung ein (Taf. XLIV Fig. 52). Form und Grösse der einzelnen Nervenepithelien, aus denen die macula zusammen- gesetzt ist, differirt in Nichts von ‘denen der macula utrieuli und der cerista ampullae. Auf der Oberfläche der macula liegt jene grosse Otolithen- masse, die uns durch ihre helle Färbung bei der Eröffnung des Labyrinthgehäuses entgegenleuchtet. Im frischen Zustande stellt dieselbe eine milchig weisse, leicht zerfliessbare und ziemlich voluminöse Masse dar, die sich manch- mal, an stark in Alcohol gehärteten Präparaten, als eine rundliche steinige Masse in toto aus dem Sackraume herausnehmen lässt. Die mieroscopische Untersuchung des Kalkbreies ergibt kleinere und grössere nadelförmige Krystalle von kohlensaurem Kalk (Taf. XLIIH Fig. 45). Neben demselben findet man bei der chemischen Analyse auch noch kleinere Mengen von phosphorsaurer Magnesia. Die verschiedenen Reagentien, Osmiumsäure, Chromsäure u. s. w. welche zur Härtung resp. zur Entkalkung der Labyrinthkapsel nothwendig sind, lösen die Otolithen fast immer so vollständig auf, dass ich nie im Stande war, jene Beobachtung einer die Otolithen- masse zusammenhaltenden Membran, wie sie Deiters gemacht hat, zu bestätigen; an den in Alcohol erhärteten und dadurch im Zu- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 527 sammenhang gebliebenen Otolithenmassen will Hasse zuweilen Reste einer klaren, strukturlosen, gallertigen Bindemasse isolirt haben, ähnlich wie aus der Lagena der Vögel. Aus den volumi- nösen Steingebilden der Teleostier war ich seiner Zeit im Stande, durch Ausziehen mit Holzessig, eine deutlich gefaserte, elastische Grundsubstanz darzustellen (Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XIV. Fig. 37 Taf. XX). Nichts derartiges gelang mir, bei den verschiedensten Versuchen, mit den Otholithen der Batrachier. Ein einziges Mal nur beobachtete ich im Sacculus von Siredon pisciformis ein Gebilde, dessen Verhalten einige Analogien mit den Beobachtungen Hasse’s aufzuweisen hatte. Die Kalkmasse des Otolithen war durch Ausziehen mit schwacher Cr O3; vollständig verschwunden und eine dünne, membranartige structurlose Masse war im Sackraume zurückgeblieben, deren unversehrte Form und Grösse in Taf. V Fig. 54 wiedergegeben ist. An einer durch leichten Druck etwas dünner, gewordenen Kante des betreffenden Präparates sah man bei stärkerer Vergrösserung kleinere und grös- sere blasenförmige, runde Hohlräume, die in zahlloser Menge die strukturlose Substanz durchsetzten. Ein ähnliches Gebilde haben wir auch im Utrieulus kennen gelernt; auch bei den Fischen exi- stirt eine solehe Membran und wurde dieselbe als eine zwischen Macula und Otolith gelegene Bindemasse angesehen. Der ramus cochlearis giebt, kurz nach seinem Abgange vom Hauptstamme, nach unten den nervus lagenae, weiterhin nach oben den nervus part. initialis und hierauf den n. partis basilaris ab, um schliesslich als n. ampullae frontalis zu endigen. Da letzterer schon bei den Nerven der pars superior berücksichtigt wurde, so bleibt uns nur noch übrig, die zur eigentlichen Cochlea gehörigen anderen Zweige des ramus cochlearis und ihre Endausbreitungen zu schildern. Der in erster Linie vom ramus cochlearis sich abzweigende nervus lagenae tritt als ungetheilter Nervenzweig in der Rich- tung nach unten an die mediane Fläche der lagena, breitet sich fächerförmig an derselben aus (Taf. XL Fig. 7 und 8; Taf. XLV Fig. 55) und geht eine kleine Strecke weit auf die laterale Wand des Organes über (Taf. XLI Fig. 16). Vor seinem Eintritt in die Wandung des Organs theilt sich der Nerv in zahlreiche kleine Bündel (Taf. XLIV Fig. 48), die dann in die Knorpelsubstanz eindringen und hier als doppelteon- 528 “ Kuhn: tourirte Fasern bis unter den Basalsaum verlaufen. Aus diesen feinen Fasern geht der blasse Axencylinder hervor, der, meist in senkrechter Linie, den Basalsaum durehbohrt und in das Nerven- epithel eindringt. Die an der Innenfläche der medianen Wand gelegene erista lagenae nimmt, der ausgedehnten Ausbreitung des Nerven entsprechend, nahezu die ganze Breite des Organes (Taf. XLIV Fig. 48) ein; an ihren Rändern geht das Nervenepithel all- mählig in ein eylindrisches und später in das gewöhnliche Platten- epithel über. Auf der in analoger Weise, wie die beschriebenen Maculae utrieuli, saceuli u. s. w., zusammengesetzten crista lagenae (Taf. XLII Fig. 40) liegt nach Hasse eine durchsichtige, structurlose homogene Membran, die auf Querschnitten leicht gestreift ist. „Diese Streifung hält genannter Autor für den Ausdruck blind geschlossener Kanäle, in welche die Härchen der Cylinderzellen hineinragen, und da diese kürzer sind und mehr einen geraden parallelen Verlauf haben, so ist die Membran auch mehr parallel gestreift.“ In dem Gefüge dieser Membran will Hasse zuweilen einzelne Otolithen gefunden haben, lässt es aber dahingestellt sein, ob dieselben nicht aus dem Saceulus herausgeschwemmt worden waren. Deiters glaubt, dass die Lagenahöhle mit Flüssigkeit ge- füllt sei, weil man in ihr keine Otolithen finde. Ich muss gestehen, dass es mir nie gelingen wollte, weder Otolithen noch eine Mem- brana tectoria in diesem Organe aufzufinden und muss ich mich desshalb bis auf Weiteres den Angaben Hasse’s anschliessen. Der auf den n. lagenae zunächst folgende Zweig des ramus cochlearis ist der nervus partis initialis cochleae; er geht von der oberen Fläche des Schneckennerven als ein kräftiger Stamm ab, wendet sich erst in die Tiefe und dann nach oben zur lateralen Fläche der Knorpelbrücke (Taf. XLV Fig 56 und 59), verläuft auf derselben bis zum oberen Knorpelschenkel, spaltet sich hier in 2 Aeste, von denen der stärkere zur grösseren, der schwä- chere zur kleineren Abtheilung des Organs verläuft (Taf. XLV Fig. 59 und 61). Ein jeder dieser Zweige breitet sich in seinem Bezirke fächerförmig aus und übergreift mit seinen sich immer mehr verschmälernden Nervenbündeln, auf eine kleine Strecke weit, die beiden Seitenflächen des Organs. Der für die grössere Abtheilung bestimmte Ast hat einen mehr geraden Verlauf (Taf. XLV Fig. 61), während der zur klei- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien 529 neren Abtheilung ziehende stark gekrümmt ist. Die zahlreichen Nervenbündel zerfallen in einzelne Fasern, welche die Knorpelwand durchbohren und in der Nähe des an der unteren Fläche des obe- ren Knorpelschenkels gelegenen Basalsaumes ihr doppelteontourirtes Aussehen verlieren und als blasse Axencylinder diesen Saum durch- bohren, ganz in analoger Weise, wie wir dies für den Utriculus, die Ampullen u. s. w. angegeben haben. Der Ausbreitung dieser beiden Nervenzweige entspricht die Form der an der unteren Fläche des oberen Knorpelschenkels ge- legenen cerista acustica. Bei der Krümmung der betreffenden Or- ganwand ist es unmöglich auf Durchschnitten ein Gesammtbild der Hörleiste zu erhalten, und um so weniger, weil dieselbe an ihrer Peripherie auf die beiden Seitenwände übergreift. Am meisten lässt sie sich, was Form und Ausdehnung betrifft, mit der erista lagenae vergleichen (Taf. XLIV Fig. 48). In der Mitte der oberen Knorpelschenkelwandung besitzt sie ihre grösste Höhe und Breite — den Grössenverhältnissen ihrer membrana tectoria entsprechend (Taf. XLVI Fig. 62) — und nimmt dann allmählig in der Richtung der grösseren Abtheilung ab; nach der anderen Seite hin ist sie viel schmäler, besonders an der Stelle, wo die Knorpelbrücke liegt. Sie greift nach beiden Seiten auf die Seitenflächen über und zwar in stärkerem Grade in der kleineren als in der grösseren Abthei- lung des Organs (Taf. XLV Fig. 60). Das Nervenepithel der erista des Anfangstheiles der Schnecke besitzt genau die gleiche histologische Zusammensetzung wie an den schon beschriebenen anderen Abschnitten des Gehörbläschens. Zur Charakteristik dieser Verhältnisse dient ein Durehschnittsfrag- ment der pars initialis von Triton aquatieus (Taf. XLIH Fig. 41). Auch hier bilden die Axeneylinder einen wirren intraepithe- lialen Plexus, und ziehen dann entweder zum unteren Ende einer Cylinderzelle oder legen sich in deren Interstitien. Die Cristaelemente mit ihrer Cutieularmembran und ihren Haaren (Taf. XLII Fig. 41) werden von einer Membrana tectoria bedeckt (Taf. XLV Fig. 60 und 62), die schon von Deiters ge- sehen wurde; er glaubt jedoch, „dass sie dem Anfangstheile der Schnecke und dem Knorpelrahmen angehöre, und dass sie den Zellen der beiden Standorte vollkommen anliege, jedoch so locker, dass man niemals Spuren ihres Befestigungsortes sieht.“ ' Wie schon Hasse angegeben, ist dem nicht so, sondern es gehört dieses Cu- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17, 34 530 Kuhn: tieulargebilde einzig und allein der pars initialis an uud steht mit der pars basilaris in keiner Verbindung. Nach meinen Unter- suchungen stelit sie im frischen Zustande, wie man dies zuweilen an kleinen Fragmenten derselben sehen kann, eine hellglänzende, homogene Glasmembran dar, an welcher, selbst bei starker Ver- grösserung, keinerlei Streifen noch Vertiefungen oder Löcher zu er- kennen sind. Dagegen sieht man an den mit Osmiumsäure be- handelten, hart gewordenen Präparaten feine Streifen, die in grosser Zahl und in der mannichfaehsten Anordnung die Substanz durch- setzen; am deutlichsten und zahlreichsten sind dieselben an dem der grösseren Abtheilung entsprechenden Abschnitte der Membran. An dem ceentralen Theile der Membran haben diese Streifen einen mehr bogenartigen Verlauf, während an der pars minor, also dem . Abschnitte, der in der kleineren Abtheilung gelegen ist, nur ganz schwache Andeutungen einer Streifung in der Substanz vorhanden sind (Taf. XLV Fig. 62). Neben den Streifen sieht man zahl- reiche Löcher, die ohne jegliche Ordnung in der ganzen Ausdeh- nung der Membran zerstreut liegen; sie besitzen verschiedene Grössendurehmesser, haben aber alle ein rundliches Aussehen (Taf. XLV Fig. 60). „Bei stärkerer Vergrösserung stellen sich die Löcher als die Mündungen von schief in die homogene Masse ein- gebetteten Gruben dar, die mit ihrem 'blindsackartigen Grunde eine Art Kuppel darstellen “ (Hasse.) Sie wären demnach zur Aufnahme der Haare bestimmt, welche der Oberfläche der Cylinder- zellen aufsitzen. Die membrana tectoria liegt der erista in ihrer ganzen Aus- dehnung auf und greift an keiner Stelle auf jene hohen eylin- drischen Zellgebilde über, die in der Umgebung der Hörleiste liegen, und an denen wir keine anderen Merkmale finden konnten, als an jenen in den anderen Labyrinthabtheilungen, in der Nähe der Hörflecke, gelegenen Cylindern, die aus dem Plattenepithel sich entwickeln und um so höher werden, je mehr sie sich der erista acustica nähern. Bei den Batrachiern, wie auch den anderen Amphibienarten, habe ich niemals Spuren einer Otolithenmasse in diesem Schneckentheile auffinden können. Zum Schlusse erübrigt uns noch die Schilderung des nervus partis basilaris. Etwas weniges von der Stelle entfernt, wo der nerv. part. initial. vom ramus cochlearis nach oben sich abzweigt, entspringt von der unteren Fläche des Schneckennerven der ner- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 531 vus part. basilaris (Taf. XLI Fig. 13 und 14); er tritt als ein ziemlich breiter Nervenstamm in ganz schräger Richtung an den centralen Abschnitt des Knorpelrahmens. Kurz vor seinem Ansatze an das Organ spaltet sich der Nerv in zwei, zuweilen auch drei Bündel (Taf. XLV Fig. 55, 57 und 58), die in die Knorpelmasse eintreten, in doppelteontourirte Fasern sich auflösen, um schliess- lich als blasse Axencylinder den Basalsaum zu durchbohren und in ganz gleicher Weise im Nervenepithel der cerista partis basilaris zu enden, wie an allen den bis jetzt geschilderten Nervenendstellen, Die halbmondförmige cerista (Taf. XLV Fig. 57 und 58) liegt an der Innenfläche des centralen Kreissegmentes der pars basi- laris und ist mit ihrer Concavität dem Hohlraume des Knorpel- rahmens, mit ihrer Convexität dem Anfangstheile der Schnecke zugewendet. Ihre Breite entspricht genau der äusseren Breite des Nervenansatzes und die einzelnen Elemente der Hörleiste gehen nach der Seite hin in jene hohen Gylinderepithelien über, die zu dem Nerven in keiner Beziehung stehen und den Gebilden ent- sprechen, die wir in der Nähe der macula utriculi aus dem poly- sonalen Pflasterepithel der Höhlenauskleidung hervorgehen sahen. Form und Grösse des Nervenepithels ist von derjenigen dieser Gebilde in den anderen Vorhofs- und Schneckenabtheilungen nicht verschieden. Das dünne Polster der Cristaelemente löst sich auf guten Querschnitten leicht von der Knorpelwandung los, und es ist schwer den direeten Verlauf der feinsten Nervenfasern in den Epithelien zu beobachten; an etwas diekeren Schnitten jedoch bleibt dasselbe haften und man sieht alsdann, dass die Form und - Grössenverhältnisse der Cylinder und Basalzellen die gleichen sind wie anderwärts in den Ampullen u. s. w. Die crista acustica des Basilartheiles ist von einem Cutieular- gebilde überdeckt, das ganz selbständig ist und zu demjenigen der pars initialis in gar keiner Beziehung steht. Selten findet man dasselbe im direeten Zusammenhange mit dem Nervenepithel; es ver- schiebt sich sehr leicht und bleibt im Hohlraume des Organes liegen (Taf. XLV Fig. 55, 57 und 58); seine Form ähnelt der eines sehr niederen, abgestumpften Zuckerhutes, dessen breite Basis nach der Höhlung des Organes und dessen stumpfe abgerundete Spitze dem Nervenepithel aufruht. Im frischen Zustande stellt das Gebilde eine helle, durchsichtige, homogene Membran dar; nach Einwirkung von Cros oder Os 0, erkennt man an ihm deutliche Streifen, die vor- 532 Kuhn: zugsweise im breiteren Theile desselben gelegen sind, während an der abgestumpften Spitze eine grosse Zahl rundlicher Oeffnungen sich befindet, (Taf. XLV Fig. 57 und 58), in welchen nach Hasse die Haare der Cylinderzellen gelegen sind. Von Otholithen ist auch im Knorpelrahmen Nichts zu sehen. B. Häutiges Labyrinth der Urodelen. Zwischen dem einfachen Gehörorgane der Teleostier und Plagiostomen und dem oben geschilderten schon recht complieirten der Batrachier, von denen Rana, Bufo und Hyla mir als Typus gedient haben, giebt es Uebergangsformen, die wir in den Reihen der Urodelen zu suchen haben. Ich will in Kürze die Er- gebnisse meiner Untersuchungen des inneren Ohres bei einigen mir zugänglichen Arten der geschwänzten Amphibien zusammenstel- len. Auch hier habe ich auf den aufsteigenden Entwickelungsgrad der einzelnen Gruppen Rücksicht genommen und beginne desshalb mit den zu den Perennibranchiaten gehörenden Proteus anguinus und Siredon pisciformis, um mit den unter die Myetoderen zu rechnenden Triton und Salamandra abzuschliessen. Das knorpelig-knöcherne Gehäuse des inneren Ohres der Uro- delen ist, wie bei allen höheren Wirbelthieren, an allen Seiten ge- schlossen. Nur zum Durchtritt des nervus acusticus und der lym- phatischen Röhren finden sich einige kleine Oeffnungen in demselben. Wie bei den Batrachiern besteht das Knochengehäuse des Urodelen- ohres aus dem os prooticum und dem mit dem oceipitale late- rale verbundenen opisthoticum. An der lateralen Fläche der Ohr- kapsel liegt das grosse foramen ovale s. vestibulare, welches, wie bei Rana u. s. w., durch die Columella verschlossen ist. An der inneren und unteren Wandung des knöchernen Cavum liegen 3 Oeffnungen, von denen die hintere rundliche das foramen rotundum, die mittlere die apertura aquaeduetus vestibuli und die vordere den porus acusticus internus repräsentiren. Der Binnenraum bildet ein Mittelglied zwischen dem Labyrinthraume der Fische und dem der Batrachier. Es können an ihm einzelne Abtheilungen zur Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien 533 Aufnahme der verschiedenen Labyrinthabschnitte unterschieden werden, die, wenn auch nicht so ausgeprägt, wie bei den Raniden, doch viel besser hervortreten als bei den Fischen (Hasse). Win- dischmann giebt schon an, dass bei Axolotl und Salamandra „für alle drei häutigen Kanäle auf kurze Strecken geschlossene knöcherne Röhren vorhanden sind“; in ihrem weiteren Verlaufe jedoch liegen dieselben, wie bei den Teleostiern, frei unter der Decke des Binnenraumes. Von dem häutigen Labyrinthe des Siredon wie auch der Sa’ lamandrinen sagt Hasse!), „dass dasselbe auf die schönste Weise das recht einfache Gehörorgan der Fische mit dem der Frösche verknüpft und ein helles Licht auf die Homologien der complieirten Bestandtheile der Schnecke dieser Thiere wirft. Alle Grundbe- standtheile, die wir bei den Teleostiern und Plagiostomen kennen, sind hier in derselben Anordnung vorhanden.“ Wir finden auch hier den Utrieulus mit sinus und recessus, die drei Ampullen nebst zugehörigen Bogengängen, als Bestandtheile der Pars superior und fernerhin den Saceulus und die einzelnen Schneckentheile als Con- stituens der Pars inferior. Zwischen diesen, excentrisch an der Innenwand der knöcher- nen Labyrinthkapsel gelegenen, Theilen und dem foramen ovale befindet sich ein cavum perilymphaticum, das von einer stark pig- mentirten, periostealen Umhüllungsmembran umgeben, einen ein- zigen ungetheilten Raum darstellt und von einer klaren Iympha- tischen Flüssigkeit ausgefüllt ist. In diesem grossen perilympha- tischen Raume liegt nun bei Siredon, Triton und Salamandra — bei Proteus konnte ich es niemals nachweisen — ein röhrenförmiges Gebilde, das zwischen der frontalen Ampulle und der stärksten Krümmung des horizontalen Bogenganges als offener Schlauch sicht- bar ist, zum Utrieulus zieht und zwischen dem frontalen Verbin- dungsstücke und der Einmündung des horizontalen Kanales an die laterale Wand des Saceulus tritt, um von da zwischen den zusammenliegenden Schneckentheilen hindurchzutreten und hier als grosse runde Oeffnung zu erscheinen. Hasse hat ihn weiter verfolgt und ihn durch das oben genannte foramen rotundum in (lie Schädelhöhle eindringen gesehen. Es ist dies der duetus peri- 1) Ueber den Bau des Gehörorganes von Siredon piseiformis. Anatom. Studien. 1873. 534 Kuhn: Iymphaticus s. aquaeductus cochleae (Hasse), durch welchen der liquor perilymphaticus in die Schädelhöhle abfliessen kann. Bei Siredon hat derselbe das Aussehen eines weiten Bogenganges, bei den einzelnen Tritonarten und bei Salamandra ist er viel enger und in seiner Mitte schlingenförmig umgebogen. Nach diesen für alle Urodelen geltenden Allgemeinbemerkun- gen über die Form des häutigen Labyrinthes, will ich nun in aller Kürze derMomente erwähnen, die mir bei den einzelnen Gattungen der Amphibia caudata bemerkenswerth erscheinen und in so weit sich dieselben von dem allgemeinen Typus der Batrachier unterschei- den. Ich kann hier um so kürzer mich fassen, als es sich im Grossen und Ganzen meist blos um kleinere Form- und Grössen- unterschiede der einzelnen Schneckenabtheilungen handelt. In Betreff der feineren Struktur des Gehörbläschens dieser Thiere und in specie der feineren Verhältnisse des nervösen Endapparates kann ich bemerken, dass hier ein in allen Einzelnheiten gleich- artiges Verhalten vorliegt, und demgemäss für das ganze Ge- hörbläschen aller Amphibien jene histologischen Details gelten, die wir am häutigen Labyrinthe der Batrachier kennen gelernt haben. Proteus anguinus (Taf. XL Fig.1; Taf. XLI Fig. 17; Taf. XLIV Fig. 50). Am häutigen Labyrinthe dieses Thieres fällt uns vorerst der schlankere Verlauf der halbkreisförmigen Kanäle und die schärfere Abtrennung der pars inferior von der pars su- perior auf, als dies bei den Batrachiern der Fall ist; das breite corpus utrieuli geht in der Richtung der beiden zusammenliegen- den Ampullen in eine dicke, eylindrische Röhre über, die sich nach unten von dem Steinsacke viel stärker abhebt als bei Rana; ferner ist das frontale Verbindungsrohr lang und schmal, wodurch gleichfalls der Utrieulusbezirk von dem grossen Sackraume deut- lich abgegrenzt wird. Der sinus utrieuli ist breit aber ungemein kurz; an seiner lateralen Wand konnte ich keine apertura utri- euli constatiren, dagegen stehen die beiden Abtheilungen der pars superior und inferior durch ein grosses, schlitzförmiges foramen utrieulo-sacculare in weiter Verbindung. An der pars inferior fällt es uns auf, dass die zur Aufnahme der macula sacculi bestimmte knorpelige Steinsackwand nicht in derselben Ebene liegt, wie die mediane Wandung des utrieulus, sondern dass dieselbe um ihre verticale Achse gedreht und mehr nach den Cochleartheilen zuge- ot Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 53: wendet ist. Die grosse Höhle der pars inferior erscheint hierdurch mehr zusammengedrängt und ist bei weitem nicht so breit ausge- dehnt wie bei den Batrachiern. Am einen Ende des Sacculus ist die lagena gelegen und steht dieselbe zu ersterem in viel innigerer Verbindung als dies zwischen diesen Organen bei den Anuren der Fall ist; sie besitzt eine beutelartige Form und ganz am oberen Abschnitte ihrer inneren Wand liegt die ovale Oeffnung (Taf. XLI Fig. i7), vermittelst welcher sie mit dem grossen Bin- nenraume in Verbindung steht; ihre Form und Lage erinnert noch ungemein an die lagena einiger Gadusarten. Was das häutige Labyrinth von Proteus am meisten auszeich- net, ist das erstmalige Auftreten einer pars initialis cochleae; es liegt dieselbe bei diesem Perennibranchiaten an der unteren Fläche des Utrieulusbodens, unmittelbar unter der Einmündung der fron- talen Verbindungsröhre in den Utriculus und stellt ein rundliches, knorpeliges Bläschen dar, an dessen oberer Wand ein ziemlich starker Zweig des ramus cochlearis sich ausbreitet. Der Hohl- raum dieses ovalen schalenförmigen Schneckenabschnittes ist ein einfacher und nicht, wie bei den Batrachiern, durch eine Knorpel- brücke in zwei Abtheilungen getrennt, wie ja auch der Nerv die- ses Anfangstheiles der Schnecke sich nicht in zwei Zweige spaltet, sondern bei seinem Herantreten an das Organ als einfacher Stamm fortbesteht. Bei dem mir zu Gebote stehenden mässigen Material war ich nicht im Stande, mir über die genaue Form der in diesem Hohlorgane liegenden Membrana teetoria ein gutes Bild zu ma- chen; ich sah dagegen mit Bestimmtheit, dass eine derartige vor- handen ist, aber niemals waren Spuren einer Otolithensubstanz zugegen. | Das aus den papillae basilarescochleae der Teleostier und Plagio- stomen hervorgegangene Organ der pars initialis cochleae ist bei Pro- teus weit geringer entwickelt, wie bei den Batrachiern; allein es muss hervorgehoben werden, dass es den Fischen gegenüber, als wirk- lich selbständiger Schneckenabschnitt in der Reihe der Amphibien zum ersten Male bei Proteus auftritt. Fernerhin ist es bemerkens- werth, dass, gegenüber den anderen Gattungen der Urodelen selbst, die pars initialis zusammen mit der lagena die ganze ÜOochlea bei Proteus repräsentirt. Unter allen von mir untersuchten Schwanz- lurchen ist Proteus das einzige Thier, bei dem die pars basilaris eochleae noch nicht vorhanden ist; weder bei der makroskopischen 536 Kuhn: Untersuehung, noch auf Querschnitten in toto bemerkte ich An- deutungen einer solehen dritten Schneckenabtheilung, und bin ich, trotz dieses im Reiche der Urodelen vereinzelt stehenden Faktums, von dem Fehlen dieses Organes bei Proteus anguinus überzeugt. Es muss dies um so mehr auffallen, als wir später sehen werden, dass bei Siredon, einem anderen Repräsentanten der Perennibran- chiaten, die pars basilaris vorhanden ist. — Es steht demnach, was die Zusammensetzung des inneren Ohres betrifft, unter allen Amphibien der Proteus am niedrigsten und lehnt sich dessen Ge- hörbläschen somit am meisten dem häutigen Labyrinthe der Fi- sche an. Zu erwähnen wäre fernerhin, dass der dem Steinsackraume angehörende ductus endolymphatieus ganz analoge Verhältnisse ‚darbietet, wie bei den übrigen Amphibien, dagegen befindet sich an der medianen Fläche der pars inferior, zwischen unterem Ab- schnitte der pars initialis und oberem Theile der lagena, ein kur- zes röhrenförmiges Gebilde, das an den ductus perilymphatieus der Anuren erinnert, sich aber nieht, wie bei den anderen Urodelen, in jenen langen Schlauch fortsetzt, den wir bei Siredon und den Salamandrinen nach hinten und oben bis in das hintere cavum perilymphatieum verfolgen können. Der feinere histologische Bau des Labyrinthgewebes, wie auch die Struktur der maculae und cristae acusticae, bieten bei Proteus keine Differenzen dar im Vergleiche zu allen übrigen Amphibien. Siredon piseiformis (Taf. XL Fig. 2; Taf. XLI Fig. 18 und 195 Taf xXLII-Fig. 35,36 u: 37; DaBXLIV Fig.53 09 Gleich wie bei Proteus finden wir am häutigen Labyrinthe von Siredon eine viel deutlichere äussere Trennung der pars inferior von der pars superior, und es ist dies wiederum durch die mehr abgerundete Form des Steinsackes und durch dessen Drehung nach hinten bewirkt; es entfernt sich hierdurch der unterhalb des re- cessus utrieuli gelegene Abschnitt der knorpeligen Steinsackwand von den darüber liegenden beiden Ampullen. Neben einem relativ grösseren Kaliber sind die häutigen Bogengänge des Axolotl stärker gekrümmt als diejenigen von Proteus. Zum ersten Male in der Reihe Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 537 der Amphibien sehen wir bei diesem Thiere den ductus perilympha- tieus als eine dieke, weite und‘offene Röhre zwischen dem hinteren Theile der Ampulla frontalis und der stärksten Krümmung des horizontalen Bogenganges liegen, hinter das corpus utrieuli an die laterale Wand des Saceulns ziehen und unterhalb des fronta- len Verbindungsstückes des Utrieulus in dem zwischen pars basi- laris, lagena und sacculus gelegenen Abschnitte der medianen Wandung des Gehörbläschens, als eine grosse runde Oeffnung en- den; das von hier aus weiter nach oben zum foramen rotundum in die Schädelhöhle eintretende Kanalende (Hasse) reisst bei der Herausnahme des Labyrinthes meist ab !). —Der ductus endo- Iymphatieus verhält sich genau so, wie bei den anderen Am- phibien. Bei dem Axolotl fällt uns zum ersten Male die nahezu kreis- runde apertura utrieuli’an der lateralen Wand des sinus auf, und es liegt dieselbe, bei der verhältnissmässig geringen?Höhe des sanzen Labyrinthes, mit ihrem unteren Rande so nahe an der hin- teren Kante des grossen ovalen foramen utrieulo-saceulare, dass man beide Oeffnungen als eine einzige bei oberflächlicher Unter- suchung halten könnte. Die drei Ampullen und der recessus utri- culi bieten nichts Abweichendes; der Steinsack und dessen macula haben eine viel rundere Form als bei Rana. Die lagena ist der- jenigen von Proteus und den ‘Salamandrinen ganz ähnlich, nur viel voluminöser; auchTan ihr liegt die innere Oeffnung‘ganz’oben an der lateralen Wand und ist kleiner als bei den Batrachiern. Die pars initialis ist grösser als_die von Proteus, stellt gleichfalls einen ungetheilten Hohlraum dar, der ‚nicht wie bei, den "Anuren durch eine Knorpelbrücke in?zweifAbtheilungen zerfällt. An der oberen Wand dieses Hohlraumes liegt die eristaYacustiea, auf welcher ich eine grosse membrana* teetoria”gesehen, die der Aus- dehnung des Nervenepithels entspricht und in ihrer histologischen Zusammensetzung dem homologen Gebilde von Rana gleiehkommt. 1) Ich kann mir nicht erklären, warum Hasse diese Oeffnung als die periphere und die frei liegende im Bereiche der frontalen Ampulle befindliche als die centrale bezeichnet.” An meinen Präparaten erschien es 'mir im Ge- gentheile wahrscheinlicher, ‚dass”die letztere die periphere ist und‘,dass an dieser Stelle der duetus bei der Herausnahme des häutigen Labyrinthes’ aus dem Gehäuse entzwei reisst. 538 Kuhn: Auch in diesem Schneckentheile habe ich niemals Spuren von Ötolithenmassen beobachtet. — Am meisten fällt bei Siredon pisei- tormis die Bildung einer pars basilaris auf und stellt dieselbe einen ganz kleinen, schmalen ovalen Knorpelring vor, der an der inneren und oberen Kante der lagena gelegen ist; deutlich sieht man den aus zwei dünnen Nervenbündeln bestehenden nervus partis basilaris aussen undoben vom nervus lagenae abgehen und an das centrale Ende des ovalen Knorpelrahmens treten. Seine Grösse und die Dicke seiner Knorpelwandungen sind viel geringer als bei Rana und nur bei langdauernder Einwirkung der OsO, auf das Gehörbläschen färben sieh diese beiden Nervenbündelchen und lenken die Auf- merksamkeit des Untersuchers auf dieses winzige Organ. Ueber den Bau des inneren Ohres der Salamandrinen habe ich nur wenige Worte hinzuzufügen. Aus dieser Familie der Am- phibia caudata wurden untersucht: Triton aquatieus (Taf. XL Fig. 3; Taf. XLI Fig. 20 und Taf. XLIH Fig.41), Triton erista- tus (Taf. XL Fig. 4; Taf. XLI Fig. 21 u. 22) und Salamandra maculata (Taf. XL Fig. 5; Taf. XLI Fig. 23 und Taf. XLV Fig. 58). In Bezug auf den makroskopischen Bau des häutigen Labyrinthes dieser Thiere finde ich einerseits unter ihnen selbst und ander- seits unter ihnen und Siredon fast gar keine Unterschiede. Der sehr niedrigen Bildung des Schädelgehäuses dieser Thiere entspre- chen die etwas redueirten Grössenverhältnisse der einzelnen Theile des inneren Ohres, und besonders sind es die häutigen Bogen- gänge, welche bei Triton aquat. niedriger sind, als bei Triton eristatus; und anderseits ist bei Salamandra der verticale Durch- messer des ganzen Gehörbläschens etwas bedeutender als bei den beiden anderen. Der sinus utrieuli dieser Urodelenklasse ist breiter als bei den Batrachiern, aber beträchtlich kürzer; deutlich lässt sich an ihm die apertura utriculi nachweisen und das unterhalb dersel- ben gelegene foramen utrieulo-saceulare. Form und Ausdehnungs- verhältnisse sind dieselben wie bei Rana. Der Uebergang der medianen Utrieuluswand auf die gleiche Wandung der pars supe- rior ist bei den Salamandrinen kein so allseitiger und unmerklicher als bei Rana und es ist hiedurch die Trennung der pars superior von derjenigen der pars inferior etwas mehr ausgesprochen als bei den Batrachiern; sie ist jedoch viel weniger als bei Siredon und hängt dies mit der etwas breiteren Form des sacculus der w Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 539 Salamandrinen zusammen. — Der duetus endolymphaticus liegt hier, wie bei allen anderen Amphibien, auf der medianen Wand des Utrieulus und mündet in den Steinsackraum neben dem cen- tralen Ende des bei diesen Thieren, wie bei Siredon und Proteus, ungetheilten Hohlraumes der pars initialis. Der duetus perilym- phatieus stellt bei Triton und Salamandra eine viel engere, schlauch- förmige Röhre dar, als bei Siredon; derselbe ist, im Gegensatze zu dem geraden duct. perilymph. von Siredon, in seinem mittleren Abschnitte schlingenförmig gebogen. — So wie wir bei Siredon die Existenz einer pars basilaris nachweisen konnten, so haben wir auch bei allen diesen Myctoderen diesen Schneckentheil gefunden. Zur Aufsuchung desselben muss man das häutige Labyrinth nahezu 48 Stunden in Osmiumsäure (/; %o) liegen lassen; die Säure dringt alsdann in die Tiefe und färbt die beiden dünnen und feinen Ner- venbündel der Art, dass sie nieht mehr übersehen werden können. Bei diesen Thieren geht, wie bei Rana, der Nerv direct von der unteren Fläche des ramus cochlearis ab und tritt zum centralen Ende der hier schon voluminöser gewordenen pars basilaris (Taf. XLV Fig. 57 u. 58). — Die Lagena besitzt noch jene beu- telföormige Gestaltung, wie bei Proteus und Siredon und auch bei diesen Urodelen liegt die innere Oeffnung des Organes mehr am oberen Abschnitte der lateralen Wandung. Wenn ich auch nicht alle einzelnen Labyrinththeile dieser Am- phibien, in isolirter Weise, auf ihren histologischen Bau und auf die feineren Details der Nervenendigungen untersuchen Konnte, so habe ich mich doch an einzelnen Querschnitten durch das Gesamnt- organ der meisten dieser Thiere zu wiederholten Malen überzeu- gen können, dass hier die feineren Strukturverhältnisse des Gewe- bes sowohl, wie auch Form und Grösse der Nervenepithelien ge- nau die gleichen sind, wie wir dies für die Batrachier angegeben haben. C. Das innere Ohr der Fische und Amphibien. 2 Am Schlusse dieser anatomischen Studie erscheint es mir nothwendig, einen Rückblick auf jene Verhältnisse zu werfen, 540 Kuhn: die wir bei der Untersuchung des häutigen Labyrinthes der Kno- chenfische gefunden haben, um sie mit denen zu vergleichen, die wir in Obigem für dieses Organ bei den Amphibien feststellen konnten. Es geziemt sich vor Allem, um dem Plane einer verglei- chend-anatomischen Studie in aufsteigender Linie gerecht zu wer- den, die Differenzen hervorzuheben, welche sich an dem inneren Ohre dieser zwei Vertebraten-Abtheilungen ergeben und zu.untersu- chen, in welcher Weise und wodurch das Amphibienohr eine höhere Entwicklungsstufe einnimmt, als dasjenige der Teleostier und der Fische im Allgemeinen. Als beiden gemeinsames Moment finden wir vorerst, dass das innere Ohr an der hinteren Seitenwand des Schädels gelagert ist und zwar zwischen den Oeffnungen, die zum Durchtritt des n. trigeminus und des n. vagus bestimmt sind. Ein wesentlicher Unter- schied dagegen findet sich darin, dass das häutige Labyrinth der Teleostier und der Plagiostomen von einer Knochen- resp. Knor- pelkapsel umschlossen wird, die an ihrer inneren i. e. medianen Fläche offen und nur durch eine dünne, feine Membran von dem Schädeleavum und dem Gehirne getrennt ist. Bei den Amphibien finden wir im Gegentheil das häutige innere Ohr in einer nach allen Seiten abgeschlosssenen knöchernen Kapsel eingebettet. In Bezug auf die häutigen Labyrinththeile selbst sehen wir, dass die Amphibien sich innig an die Fische anschliessen, nur zeigt bei jenen die pars inferior eine bedeutende Fortbildung der einzelnen Schneckenabtheilungen. Bei beiden haben wir eine pars superior und pars inferior, die durch ein foramen utrieulo-saceulare mit einander in Verbindung ste- hen; beiden Fischen ist diese Oeffnung sehr klein, während sie bei den Amphibien eine grosse Querspalte darstellt. In den einzelnen Klassen der Teleostier (Muraena, Gadus, Perca, Esox) haben wir gesehen, wie mit der zunehmenden Grösse des ;‚Sagittaldurchmessers am Schädel die Bogengänge sich immer 'mehr erheben und stärker gekrümmt sind; ein gleiches Verhalten liegt auch bei den Am- phibien vor, bei welchen, von Proteus und Siredon angefangen und durch die Reihe der Salamandrinen hindurch bis hinauf zu den Batrachiern, die Bogengänge sich immer mehr aufrichten und stärker gekrümmt sind; besonders deutlich tritt dies hervor, wenn wir das Labyrinth von Proteus mit demjenigen von Bufo verglei- chen. In der Form des recessus utrieuli und der Ampullen finden Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 641 wir zwischen den Teleostiern und Amphibien keine wesentlichen Differenzen, auch die Formen der eristae ampullarum verhalten sich in ganz ähnlicher Weise; bei den Amphibien wie bei den Fischen finden wir die zungenförmige erista der horizontalen Ampulle nur an einer Wandung gelegen, im Gegensatze zu den gerade verlau- fenden und den ganzen Boden einnehmenden cristae der sagitta- len und frontalen Ampullen. Als eine Abweichung von der Utri- eulusform bei den Teleostiern wäre zu erwähnen, dass bei den Amphibien die frontale Ampulle durch ein viel längeres eylin- drisches Rohr mit dem Utriculuskörper verbunden ist. Die Hauptunterschiede finden wir in der Gestaltung und Zu- sammensetzung der pars inferior der beiden Wirbelthierklassen. Während bei den Teleostiern die pars inferior durch einen gros- sen Sackraum gebildet wird, der nur aus dem eigentlichen saceu- lus s. Steinsacke und einer kleinen mit letzterem in offener, meist weiter Verbindung stehenden Ausbuchtung, der lagena, besteht, liegt bei den Amphibien ein Hohlraum vor, in welchem neben sacculus und lagena noch zwei resp. drei neue Organe auftreten, die der Cochlea angehören; es sind dies die pars initialis und die pars basilaris, denen bei den Raniden das tegmentum vasculosum sich zugesellt. Unter pars initialis cochleae verstehen wir jene knorpelige Ausbuchtung der medianen Wand der pars inferior, die an der Grenze des Utrieulus und Sacceulus gelegen ist und zu der sich ein ziemlich starker Zweig des r. cochlearis begiebt und die Bildung einer breiten crista acustica bewerkstellig. Bei den Urodelen stellt dieses Organ ein schalenförmiges, einfächeriges Hohl- gebilde dar, das, je höher wir in der Reihe der Perennibran- chiaten und Salamandrinen aufsteigen, immer grössere Dimensio- nen annimmt, um schliesslich bei den Batrachiern jene ansehn- liche, durch eine Knorpelbrücke zweifächerig gewordene, stark- wandige Schneckenabtheilung zu bilden. Retzius und ich selbst haben für die Teeleostier nachgewiesen, dass an dem unteren Ab- schnitte der medianen Utriculuswand gerade da, wo letztere mit der medianen Sacculuswandung verwachsen ist, zwei kleine isolirte Nervenpapillen gelegen sind, die von zwei Aestchen des r. coch- learis versorgt werden. Auch bei den Plagiostomen (Spinax acan- thias und Raja clavata) hat neuerdings Retzius !) dieses nervöse l) Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte von His und Braune. 1878. p. 83. 543 Kuhn: Gebilde mit aller Bestimmtheit gefunden; jedoch findet sich bei diesen Knorpelfischen nur eine einzige Nervenpapille vor, die nicht mehr an der medianen Fläche des Utriculus, sondern an derjeni- sen des Sacceulus gelegen ist. Das constante Auftreten einer solchen vom r. cochlearis aus- gehenden Nervenendstelle am häutigen Labyrinthe der Teleostier und Plagiostomen in einer Region, wo die medianen Wandungen des Utrieulus nnd Sacculus zusammenstossen, lässt daran denken, dass die an dem gleichen Abschnitte des Gehörbläschens gelegene pars initialis eochleae der Amphibien die weiter fortgeschrittene Ent- wickelung dieser beiden Nervenpapillen repräsentirt. Zu diesem Anfangstheile tritt ein weiterer Schneckenabschnitt, die pars basilaris cochleae; bei Siredon erscheint er zum er- sten Male, wenn auch in geringen Dimensionen, wird bei Triton und Salamandra immer grösser, um schliesslich bei Rana einen relativ mächtigen Knorpelring zu bilden, an dessen centra- les Ende ein starker Zweig des Schneckennerven tritt und im Inneren des Organs eine erista acustica bildet. In diesem neuen Cochleaabschnitte finden wir den ersten Beginn der bei den höhe- ren Vertebraten so wichtigen Membrana basilaris. Schliesslich tritt bei den Batrachiern ein vierter Schneckentheil hinzu, das tegmentum vasculosum, ein Gebilde, dem wir bei den Vögeln wie- der begegnen. Diese vier Schneckenabtheilungen des Amphibienohres ste- hen durch kleine Knorpelbrücken unter sich im Zusammenhange, gehen dagegen mit dem Steinsacke keine nähere Verbindung ein, als dass sie, gleich ihm, in den grossen Sackraum der pars in- ferior münden und von einer gemeinschaftlichen Umhüllungsmem- bran überzogen sind. Es lassen sich diese vier Schneckentheile gleichsam als ein Organ auffassen, das mit dem Steinsacke zu- sammen den Hohlraum der unteren Labyrinthhälfte ausfüllt und die ersten Anfänge der höheren Vertebratenschnecke darstellt. Ge- genüber den Fischen wäre demnach zu constatiren, dass die Coch- lea zum ersten Male bei Proteus aus zwei isolirten selbständigen Theilen (lagena und pars initialis) besteht, dass weiterhin zu die- ser bei Siredon und den Salamandrinen sich ein dritter (pars ba- silaris) gesellt und schliesslich bei den Batrachiern das tegmentum vasculosum als vierte Abtheilung noch hinzutritt. Was die Nervenversorgung des häutigen Labyrinthes bei Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 543 diesen beiden Thierklassen betrifft, so sehen wir bei den Teleostiern den nervus acustieus sich in drei Zweige theilen, von welchen der ram. vestibularis zum recessus utrieuli und den beiden bei- sammenliegenden Ampullen geht, der mittlere zum sacculus und zur lagena und endlich der dritte Ast zu den papillae basilares und zur ampulla frontalis sich begiebt; die beiden letzteren stehen in enger Verbindung. Bei den Amphibien dagegen spaltet sich der Hörnerv blos in zwei Zweige: einen Vorhofsast und einen Schnecken- ast; ersterer geht zum recessus, den beiden Ampullen und zu dem saceulus; letzterer versorgt alle Schneckenabtheilungen und die frontale Ampulle. Das periphere Verhalten des acustieus ist bei Fischen und Amphibien mit Ausnahme einiger kleiner Details das gleiche, mö- gen wir dasselbe im recessus utriculi oder im sacculus, in den Ampullen oder an den einzelnen Schneckenabtheilungen untersuchen. Stets zerfällt der einzelne Nervenzweig in eine grössere Anzahl von Nervenbündeln, welche die Knorpelwandung des Gehörbläschens durchbohren, hier in doppelteontourirte Fasern zerfallen und dann gegen den inneren Basalsaum der maculae und eristae aufsteigen und durch denselben hindurch in’s Innere des Nervenepithels ein- dringen. Bei seinem weiteren Verlaufe treten einige Unterschiede auf; bei den Teleostiern dringt die doppeltcontourirte Nervenfaser in ihrer ganzen Dieke, mit Schwann’scher Scheide, Myelin und Axencylinder, durch den Basalsaum hindurch in das Innere der Gehörfleecke und -Leisten, und hier erst zerfallen die einzelnen Nervenfasern in zahlreiche blasse Axeneylinder, die sich dann end- gültig ausbreiten. Bei den Amphibien dagegen geht schon in der Knorpelwandung der blasse Axencylinder, und zwar ohne jegliche Scheidenumhüllung, aus der Nervenfaser hervor, durchbohrt den Basalsaum und tritt in das Zellenpolster der maculae und cristae. Bei beiden Wirbelthierklassen finden wir in übereinstimmender Weise, dass diese feinsten Axeneylinder sich unter einander ver- flechten und zwischen den einzelnen Schichten des Nervenepithels einen sogen. intraepithelialen Nervenplexus resp. Netz darstellen. Eine weitere Differenz bei Fischen und Amphibien ergiebt sich daraus, dass bei jenen der aus dem Nervennetz hervorgegangene Axencylinder an das untere Ende einer Fadenzelle tritt und als- dann von hier aus, vermittelst des oberen Endes dieses ovalen Zellgebildes, entweder am unteren Abschnitte der grossen Cylinder- 544 Kuhn: oder Hörzelle sich ansetzt, oder sich in die Interstitien besagter Cylinderzellen legt, um bis zur Oberfläche der cristae und maculae emporzusteigen und daselbst zu enden. Bei den Amphibien hin- gegen besteht das Polster der Hörflecke und -Leisten blos aus zwei verschiedenen Zellenarten, den Basalzellen und den Oylinder- zellen, jene dritte Zellschichte, die Fadenzellen der Fische, fehlen hier vollständig und können desshalb die Verbindung des Axency- linders mit der Hörzelle nicht vermitteln; es tritt vielmehr der aus dem Basalsaume aufsteigende blasse Axencylinder direct an das untere Ende der Cylinderzelle, oder er bildet mit anderen Axen- eylindern den plexus intraepithelialis, steigt aus diesem in die Höhe und tritt jetzt entweder an den unteren Abschnitt einer Hör- zelle, oder er verläuft im Interstitium dieser Zellen bis an deren Oberfläche, allwo er frei endet. Die auf den cristae der einzelnen Ampullen gelegene Cupula terminalis bietet bei den Amphibien, in Bezug auf ihre Form, ihre Consistenz und ihren Bau die ganz gleichen Verhältnisse dar, wie bei den Knochenfischen. Im Labyrinthe Letzterer haben wir die auf den maculae des recessus utriculi, des saceulus und der lagena aufruhenden Otolithen als voluminöse, harte zusammenhängende Kalkmassen kennen gelernt; bei den Plagiostomen sind diese Massen schon kleiner und stellen einzelne kleine Goneremente dar; bei den Amphibien dagegen finden wir im recessus utrieuli und in der lagena nur höchst spärliche, sehr weiche breiartige Oto- lithenmassen; dagegen enthält der Steinsack dieser Thiere eine grosse, aber gleichfalls zerfliessbar weiche Kalkmasse, die dem Ner- venepithel der macula saceuli aufliegt. Auf den cristae acustieae der anderen Schneekenabtheilungen im Amphibienrohre finden wir keine Otolithenmassen, sondern eine membrana tectoria, die ähnliche Texturverhältnisse zeigt, wie die Cupula terminalis der Ampullen Das Gewebe, aus welchem das häutige Labyrinth sich zu- sammensetzt, ist bei den Fischen wie bei den Amphibien, der gleiche „Spindelknorpel“, an welchen Stellen des Gehörbläschens und bei welchem dieser Wirbelthiere wir immerhin untersuchen. Die Innenauskleidung der Labyrinthhöhlen geschieht ebenfalls bei Beiden durch das stets gleichartig gebaute, polygonale Platten- epithel. Jene um die beiden Enden der cristae ampullarum ge- legenen, aus grossen, glashellen Cylinderzellen bestehenden plana semilunata der Fische fehlen vollständig bei den Amphibien; da- Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 545 gegen finden wir bei ihnen wie auch bei den Teleostiern in der Nähe der einzelnen maculae und cristae acusticae jene vielgestal- tigen protoplasmatischen Zellen, die bei den Fischen in mehr un- regelmässigen kleineren und grösseren Haufen sich vorfinden, bei den Amphibien und speziell bei den Raniden die kreisrunden gel- ben Flecken der Ampullen bilden. Die Wandungen der in dem Amphibienohre vorhandenen Schneckenabtheilungen bestehen ebenfalls aus dem gleichen homo- genen Spindelknorpelgewebe, das sich an den Stellen, wo die Nervenzweige herantreten, beträchtlich verdickt. Als das wichtigste Organ im häutigen Labyrinthe der Am- phibien ist jener Theil der pars inferior zu betrachten, den wir als pars basilaris cochleae beschrieben haben und der im Fisch- labyrinth in gar keiner Weise angedeutet ist. Mit Ausnahme von Proteus anguinus lässt er sich bei allen Amphibiengattungen nach- weisen. Dieser Knorpelring sowohl, wie auch die in seinem In- neren ausgespannte Membrana basilaris bilden von jetzt an durch die Reihen der höheren Wirbelthiere den wesentlichsten Theil der Schnecke und es wird unsere weitere Aufgabe sein, bei den Un- tersuchungen des Gehörapparates der Reptilien, Vögel u. s. w. bis zum Menschen hinauf die Entwiekelung dieses Organs, sowie auch diejenige der anderen Schneckenabtheilungen zu verfolgen. Einleitung. A. Inneres Ohr der Batrachier. I. Knöchernes Labyrinth. II. Häutiges Labyrinth. a. Pars superior. b. Pars inferior. c. Nervus acusticus. B. Inneres Ohr der Urodelen. C. Inneres Ohr der Fische und Amphibien. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17. 3 546 ig. 10. e. 1. 5 e. 18. . 14. Bald: Kuhn: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XL bis XLV. Yan as]oR: Rechtes membranöses Labyrinth von Proteus anguinus. Mediane Ansicht. 4fache Grösse. Linkes membranöses Labyrinth von Siredon pisciformis. Me- diane Ansicht. 41. Rechtes membranöses Labyrinth von Triton aquaticus. Mediane Ansicht. 4/1. Rechtes membranöses Labyrinth von Triton cristatus. Mediane Ansicht. 4/1. Rechtes membranöses Labyrinth von Salamandra maculosa. Mediane Ansicht. 4/1. Rechtes membranöses Labyrinth von Rana esculenta hung. Mediane Ansicht 4/1. Linkes membranöses Labyrinth von Rana esculenta hungar. Mediane Ansicht. 4/l. Rechtes membranöses Labyrinth von Bufo communis. Mediane Ansicht. 4/1. Rechtes membranöses Labyrinth von Hyla arborea. Mediane An- sicht. 4/1. Rechte Hälfte eines sagittal durchschnittenen Schädels von Rana esculenta hungar. Die Schädelhöhlenwand des knöchernen Ohrgehäuses ist weggenommen. Mediane Ansicht des häutigen La- byrinthes. 2fache Grösse. (Osmium.) Linke Hälfte eines sagittal durchschnittenen Schädels von Rana escul. hung. Knöchernes Dach und hinterer Theil der Gehör- kapsel sind entfernt. Laterale Ansicht des häutigen Labyrinthes. 2 fache Grösse. (OÖsmium). Tafel XLI. Mediane Ansicht des rechten häutigen Labyrinthes von Rana escul.; die ganze linke Hälfte i. e. recessus, beide Ampullen und sacculus sind weggenommen. 4/1. (Osmium). Aehnliches Präparat in lateraler Ansicht. (4/1.) Isolirte Schneckentheile und Ampulla frontal. eines rechten häu- tigen Labyrinthes von Ran. escul. — Laterale Ansicht. 4/1. Aehnliches Präparat in medianer Ansicht. 4/1. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 16. 17. 18. 19, 20. 21. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 547 Rana escul. Tiefenansicht der Schneckentheile. 5/l. Sacculus, lagena und pars initialis cochleae von Proteus anguinus. Laterale Ansicht. 5/1. Rechtes membran. Labyrinth von Sired. pisciform. Rechte Hälfte. Mediane Ansicht. Um die Insertion des horiz. Kanales an der lateralen Wand des Sinus utriculi deutlicher erscheinen zu lassen, ist die apertura utriculi auch in die mediane Wand des Utri- cul. hineingezeichnet. 4/1. Laterale Ansicht vom sacculus und den Schneckentheilen eines linken häutigen Labyrinthes von Siredon pisciformis; Osmiumpräparat (Hartnack. Ocular 3 :Linse I.) Saceulus und Schneckentheile von Triton aquaticus. La- terale Ans. 4/l. Linke Hälfte eines linken membr. Labyrinthes. Von Triton cristatus. Wie in Fig. 18 ist auch hier die apertura utrieuli zum besseren Erkennen ihrer Ausdehnung, in die mediane Sinuswand gezeichnet. Mediane Ansicht. 4/1. . Gleiches Präparat wie Fig. 20, von Triton cristatus. Laterale Ansicht. 4/1. . Laterale Ansicht der Frontalhälfte eines linken Labyrinthes von Salam. maculat. 4/1. Mediane Ansicht der Frontalhälfte des Labyrinthes von Hyla arborea. (Mit Berücksichtigung der apertura wie in Fig. 18 und 21.) 4/1. Saeculus und Schneckentheile von Hyla arborea. La- terale Ansicht. 4/l. Tafel XLI. Verbindungsmembran des häutigen Labyrinthes mit den Knochen- resp. Knorpelwandungen des Ohrgehäuses. Rana escul. Osmium- präparat. Hartn. Ocular 3: Linse VII. Periost der knöchernen Ohrkapsel von Ran. escul. Hartnack SS Yıl, Querschnitt durch einen knöchernen und häutigen Kanal von Ran. escul. Excentrische Lagerung des letzteren. Chromsäure- präparat. Hartn. 4:1. Querschnitt durch einen häutigen Bogengangstheil. Periost- bekleidung noch erhalten. Rana. Osmiumsäure. Hartn. 3: V. Recessus utrieuli mit Ampulla sagittal. und horizont. von Rana. Bodenfläche. Formverhältnisse der macula utriculi und der beiden cristae ampull. Die sogenannten runden „Pigmentflecke“ der Ampullen treten deutlich hervor. Osmiumpräparat. Hartn. 3:1. Fig. ig. 42, Nal. ie. 32. . 383. ig. 34. . 35. . 36. ig. 37. 2. 38. 39. . 40. . 41. Kuhn: Gleiche Ansicht von Ampulla front. desselben Thieres. Hartn. 3:1: Querschnitt durch die beiden nebeneinander liegenden vorderen Ampullen (sagitt. u. horiz.). Umhüllendes Periost mit Pigmentzellen. Gut erhaltene Cupul. termin. in der Amp. horizont. Protoplasmat. Zellenhaufen der Amp. sagittal. Rana. Osmium. Hartn. 3:1. Verticaler Durchschnitt durch die Crista acustica der sagittalen Ampulle von Rana escul. Vollständige Uupulagrösse. Abgelöstes Mittelstück der Membrana tectoria. Osmium. Hartn. 3: V. Verticaler Durchschnitt durch die Crista acustica der Amp. horiz. in ihrer grössten Erhebung; Cupula etwas geschrumpft. Rana. Osmium. Hartn. 3: V. Verticaler Durchschnitt durch die Crista der front. Amp. von Siredon pisciformis. Cupula vorn etwas abgehoben. Osmium. Hartn.»3:.V. Flächenansicht der ganzen macula utriculi von Siredon. Os- mium. Hartn. 4:1. Ein kleiner Theil des Präparates in Fig. 36 bei stärkerer Vergrös- serung, um den Uebergang der protoplasmatischen Zellen in hohe Cylinderzellen und dann in die mit einem Haarpunkte versehenen Maculazellen zu zeigen. Hartn. 3: VI. Tafel XL. Kleiner Theil eines verticalen Durchschnittes durch die Crista acustica der horizont. Ampulle von Rana. Deutliches Heran- treten des feinen Axencylinders an das untere Ende der grossen Cylinderzelle. Bei der 2. und 3. Cylinderzelle, vom rechten Bild- rande aus, sieht man die feine Nervenfaser durch die Zelle hindurch bis zur Oberfläche emporsteigen. In den Zwischenräumen der ein- zelnen Cylinderzellen liegen zapfenförmige Verdickungen einiger Nervenendfasern, die bis an die Oberfläche der Crista steigen. Os- miumpräparat. Hartn. 3: VII. Gleicher Durchschnitt durch die Crista der Amp. sagittalis von Rana. Analoge Details wie in Fig. 38; besonders deutlich sind die zapfenförmigen Verdickungen zwischen den Cylinderzellen. Osmium. Hartn. 3: IX. Durchschnitt der Crist. Lagenae von Bufo. Intraepitheliales Ner- vennetz. Osmium. Hartn. 3: VII. Theil eines verticalen Durchschnittes der crista acustica partis initialis cochleae von Triton aquat. Intraepitheliales Ner- vennetz sehr ausgeprägt. Osmiumsäure. Hartn. 3: IX. Verticaler Durchschnitt der macula utriculi von Rana. Aehn- liche Verhältnisse wie im Fig. 38, 39 und 40. Osmium. Hartn. 8: VIH: EI en Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 43. 44. 45. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 56. 57 Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. 549 Durchschnitt der macula utrieuli von Rana. Osmium. Hartn. SEHEN Ein kleiner Theil der Membr. tectoria aus dem Recessus utri- culi von Rana esculenta. An der linken Kante des Präparates sind einige Cylinderzellen der Macula zurückgeblieben. Osmiumsäure. Hartn. 3: VII. (Tub. ausgezogen.) Krystalle aus der Otolithenmasse des Sacculus. Frisch unter- sucht. Rana. Hartn. 3: VII. . Ansicht der unteren nach dem Sacculushohlraume gerichteten Fläche des Utriculus von Ran. esceul. hungar. 4/l. Tafel XLIV. Innere Ansicht der macula sacculi. Angrenzende Umhüllungs- membran. Rana. Osmium. Hartn. 3:1. Verticaler Durchschnitt der crista lagenae von Bufo viridis. Osmium. Hartn, 3: IV. Polygonales Plattenepithel von der Umhüllungsmembran der Saceulusgebilde. Rana. Chromsäurepr. Haematoxylin. Hartn. 3: VII. Gleiches Präparat von Proteus anguin. Hartn. 3:V. Ein Theil der Macula acustica sacculi. Schlingenförmiges Um- legen der Nervenfasern. Rana. Osmium. Hartn. 3: V. Verticaler Durchschnitt durch die Macul. sacculi von Rana escul. hung. Uebergang in das Pflasterepithel der Umhüllungs- membran. Reste des Otolithen. Osmium. Hartn. 3: V. Membrana tectoria aus dem Sacceulus von Siredon pisciform. Ösmium. Hartn. 3: VI. Totalansicht der membrana tectoria saceuli von Sired. pis- eiform. Osmium. Hartn. 3:1. Tafel XLV. . Isolirte Theile der Schneckenabtheilung von Rana escul. Lagena, pars basilaris und das schalenförmige tegmentum vasculo- sum, umgeben von der Umhüllungsmembran des grossen Sack- raumes. Cupula term. der Pars basilaris in den Hohlraum gefallen. Mediane Ansicht. Osmiumpräparat. Hartn. 3: Il. Rana escul.e. Ampulla frontal. mit ihrem Verbindungs- eylinder zum Utriculus. Die an der lateralen Seite der pars ini- tialis gelegene Knorpelbrücke mit dem darauf gelagerten Nerven tritt scharf hervor. Osmiumpr. Laterale Ansicht. Hartn. 4:1. u. 58. Verticale Durchschnitte durch die Pars basilaris von Tri- ton aquat. und Sal. macul. Osmium. Hartn. 3: Ill, ’ 550 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 59. . 60. 61. 62. 63. 64. Kuhn: Ueber das häutige Labyrinth der Amphibien. Ran. escul. hung. Isolirte Pars initialis cochleae. Laterale Ansicht. Die apertura utric. wird von der lateralen Wand des Ca- nal. horizont. und der entgegengesetzten Partie des Utric. gebildet. Osmium. Hartn. 3:1. Verticaler Durchschnitt am Rande der pars initialis. Die membr. tector. und die peripheren an den beiden Seitenwandungen herab- reichenden Cristatheile sind erhalten. Rana. Osmium. Hartn. 5: Ill. Nervenausbreitung an der Pars init. cochleae. Rana. Osmium. Hartn. 4:1. Isolirte Membr. tectoria aus der Pars initial. von Rana. In der leicht streifigen Grundsubstanz bemerkt man zahlreiche klei- nere Löcher, die zur Aufnahme der Haare bestimmt sind. Osmium. Hartn. 3: V. [Taf. XLIV.] IsolirteElemente: a. aus Amp. horiz. von Rana. Grosse Cylinderzelle mit Nervenfaser, die bis zum Kerne sich er- streckt. Hartn. 3: VIII. (Tub.); db. aus Amp. front. von Rana. Cylinderzellen mit unterem Nervenfortsatze. Hartn. 3: VIII (Tub.); c. Gleiche Elemente aus dem Utriculus von Rana. Hartn. 3: VIII.; d. aus dem Sacculus. Hartn. 3: VIII. Osmiumsäure. [Taf. XLV.] Isolirte Elemente. Osmiumpräparate. e. aus einer Ampulle von Hyla arborea. 3:VIU. f. aus Sacculus von $Si- red. pisciform. Basal- und Cylinderzellen 3: VII. Tub. g. aus Lagena von Triton. Cylinderzellen mit den danebenliegenden zapfenförmigen Anschwellungen des Axencylinders. 3: VI. A. Oy- linderzellen mit nebenliegendem Axeneylinder aus Lagena von Hyla arborea. Alexander Brandt: Commentare zur Keimbläschentheorie des Kies. 551 Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies'). II. Das Keimbläschen als primäre Zelle. Die amöboide Beweglichkeit des Keimbläschens und Zellkerns, beson- ders in ihren Beziehungen zur Eifurchung, Befruchtung und Kerntheilung. Von Pr. A. Brandt. Vor bereits mehr als einem Decennium erfuhr bekanntlich die in ihren Hauptzügen noch gegenwärtig herrschende moderne Zellenlehre recht wesentliche Modificationen. So entwarf nament- lich Häckel?) mit glücklicher Hand ein neues Schema der Ele- mentarorganismen, wobei er den Begriff von der Zelle, oder ge- nauer von der Plastide, bedeutend erweiterte, und zwar durch Aufstellen gewisser Categorien von vereinfachten histologischen Elementen. Auf diese Weise brachte Häckel das Plastidenschema, so zu sagen, in der Richtung nach abwärts zu einer erschöp- fenden Abrundung. Im Gegensatz hierzu scheint mir sein treff- liches Gebäude in der Riehtung nach aufwärts unvollendet ge- blieben zu sein: gewisse Elementarorganismen, darunter wohl auch manche freilebende, welche trotz ihrer entschieden monoplastiden Natur eine höhere Differenzirung als die gemeine Zelle zur Schau tragen, blieben unberücksichtigt. Nun erkannten aber bereits manche ältere Forscher eine höhere Ordnung von Elementaror- 1) Commentar I findet sich in Bd. XVII p. 43—57 Taf. IV dieses Ar- chivs. Die Leser wollen in demselben folgende Druckfehler verbessern: S. 47 Z. 13 v. o. steht Zusammenhängen statt Zusammendrängen; 8.51 2.4 v. o. bedeckt statt leicht; Z. 12 v. u. doch statt hoch; 8. 54 Z. 17 v. o. physio- logisch statt morphologisch; S. 57 Z. 6 v. o. IV statt IX. 2) Haeckel, E. Generelle Morphologie der Organismen. Berlin 1866. Bd. I. p. 269. 552 Alexander Brandt: ganismen an, nämlich die der Umlagerungsgebilde oder se- cundären Zellen. Ein Studium des Eies verschiedener Thiere, namentlich der Inseeten, veranlasste mich (Ueb. d. Ei p. 170) diese Categorie von Elementarorganismen zu restituiren und, im An- schluss an die Haeckel’sche Nomenelatur, nunmehr zwischen Cel- lulae primariae s. Cyta und Cellulae secundariae 8. Metaeyta zu unterscheiden. Während die Cytoden durch cen- tripetale Differeneirung, durch Ausbildung eines Kerns, in Cyten übergehen, gestalten sich letztere durch centrifugaleDiffereneirung, Ä durch Bildung einer von ihnen selbst oder von benachbarten Ele- menten ausgeschiedenen Umhüllungssphäre zu Metacyten. Welche Gewebselemente als primäre und welche als secundäre zu betrach- ten sind, wurde von den betreffenden älteren Forschern zum Theil widersprechend beantwortet und fordert erneuerte Studien. Für die Beurtheilung des morphologischen Werthes eines Elementes ist dessen blosses Aussehen nicht massgebend, und zwar um so weniger, als wir nicht einmal im Stande sind die Maximal- oder Normalzahl der ineinander geschachtelten Zelltheile — sagen wir, activen Plastidsphären ') — festzustellen. In der That, besteht z. B. ein histologisches Element aus vier Plastidsphären, so können entweder die äussere als Zellkörper, die nächste als Kern, die dritte als Kernkörperehen und die vierte, innerste, als secundäres Kernkörperehen gedeutet werden; oder auch die äussere Sphäre wird als sekundäre Umhüllung, die zweite als eigentlicher primärer Zellkörper, die dritte als Kern und die vierte endlich als Kern- körperehen aufgefasst; wobei ein secundäres Kernkörperchen als fehlend angesehen wird. Im ersteren Falle würden wir das. be- treffende histologische Element als primäre, im letzteren als secun- däre Zelle deuten. Da alle genannten Plastidsphären amöboid beweglich sind (Ueb. d. Ei p. 185), so giebt auch ihre Gestalt kein Kriterium für eine Bestimmung der morphologischen Rang- stufe des ganzen Elementes ab. Auch die chemischen Eigenschaften der einzelnen Plastidsphären dürften für diese Bestimmung kaum massgebend sein. So bleibt nur der histogenetische Weg für jeden einzelnen, concreten Fall übrig. 1) Activ im Gegensatz zu den starren Membranen, denen wir neuer- dings mehr einen physiologischen, als morphologischen Werth beimessen dürfen. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 553 Einander scheinbar gleichwerthige Elemente können sich, auf Grund ihrer Genese, als zu verschiedenen morphologischen Rang- stufen gehörig erweisen. So sind die ersten Embryonalzellen der Säugethiere Theilungsproducte des gesammten Eiinhaltes, während die der Insecten aus dem Eiinhalte hervorquellende einfachere Elemente darstellen, denen ein Homologon der Dottersphäre fehlt. Dass dem wirklich so ist, scheint mir dadurch erwiesen, dass sich auch im Insectenei, — und zwar gewöhnlich erst nachträglich, — | Furchungskugeln (hier Dotterballen genannt) bilden, welche aus überschüssigen Blastodermzellen plus einer umhüllenden Dotter- sphäre bestehen. (S. Com. I u. Ueb. d. Ei p. 146.) Die ersten Embryonalzellen (Blastodermelemente) der Insecten wären dem- nach primäre, die der Säugethiere secundäre Zellen. Sah ich mich ferner veranlasst die Blastodermzellen der Insecten als directe Abkömmlinge des Keimbläschens aufzufassen, so konnte ich nicht umhin das Keimbläschen, im Gegensatz zum gesammten Ei, als primäre Zelle aufzufassen, und zwar nicht blos für die Insecten, sondern auch für das ganze Thierreich; lag doch kein Grund vor verschiedenwerthige Keimbläschen anzunehmen. In Uebereinstim- mung mit dieser Auffassung deutete ich die direct zu Keimbläschen werdenden Elemente im keimbereitenden Theil des Inseetenova- riums gleichfalls als primäre Zellen und die sie trennende häufig überaus geringfügige Grundsubstanz nicht als zusammengeflossene Zellleiber, sondern als Zwischensubstanz, ähnlich der notorisch ja auch zwischen den Zellen verschiedener Epithelien vorkommenden. Diese Grundsubstanz ist es, — hier stehen wir wiederum auf dem festen Boden der Thatsachen, — welche durch ihre Differenzirung im Umkreis der jungen Keimbläschen und durch späteres Heran- wachsen den Dotter liefert. So bilden sich also durch Umlagerung aus Cyten Metacyten. Wie bereits wiederholentlich von mir betont worden, ist die soeben formulirte Auffassung des morphologischen Eiwerthes nichts weniger als neu. Sie findet sich vielmehr in einer ganzen Reihe älterer, zum Theil auch in neueren Schriften sehr bewährter Forscher vertreten. Zu den bisher gegebenen einschlägigen Citaten (Ueb. d. Ei p. 164 u. a.) füge ich gegenwärtig noch das folgende hinzu. Noch ganz neuerdings bezeichnet es Bischoff!) als Unmöglich- 1) Bischoff, Th. L. W. Historisch-kritische Bemerkungen zu den neuesten Mittheilungen über die erste Entwicklung der Säugethiereier. München 1877. 8. p. 11, 13, 554 Alexander Brandt: keit das Ei eine primäre Zelle zu nennen. Hingegen sei das Keimbläschen „eine der evidentesten primären Zellen, das Prototyp aller primären Zellen... Betrachtet man den Dotter nicht als Inhalt einer primären und einfachen Zelle, sondern als eine Umlagerungs- masse für eine solche (für das Keimbläschen), so sieht man leicht ein, dass er sehr verschieden, quantitativ und qualitativ und mor- phologisch zusammengesetzt sein kann... . Er kann ein blosser Bildungs-, aber auch ein Bildungs- und Nahrungsdotter, ein holo- blastischer und meroblastischer, ein protoplasmatischer und deuto- plasmatischer sein, er kann allein aus einem aufgelösten oder kör- nigen Plasma, er kann selbst aus Protoblasten bestehen und durch Zusammenfliessen von solchen gebildet werden; der Grundeharakter des Eies wird durch alles Dieses nicht verändert. Dasselbe gilt auch für die secundären Furchungsstoffe oder Hüllen.“ — Bei dieser Gelegenheit besprieht Bischoff (p.50) das von ihm seiner Zeit aufgestellte angebliche spätere Zusammenfliessen sämmtlicher Zellen der Keimblase bei Säugethieren und die Neubildung von Embryonalzellen. Er giebt hierbei diese Ansicht wenn auch nicht gerade auf, räumt jedoch freimüthig ein, dass er sich geirrt haben könne. Es veranlasst mich dies Geständniss zu einer grösseren Reserve in Bezug auf eine Hypothese, welche ich (l. e. p. 164) zur Erklärung der Bischoff’schen Ansicht ausgesprochen. Die Dia- lyse der vom Dotter abstammenden Plastidsphären dürfte erst viel später, und zwar nur in den betreffenden, aus primären Zellen gebildeten Geweben des Säugethierembryos stattfinden. (Man vergl. das von mir für Ascaris und Anodonta Vorgebrachte. !) Es dürfte hier der passende Ort sein, eine vor nicht gar langer Zeit erschienene Arbeit von Török?) zu citiren. Daselbst wird folgendermassen die Entwickelung der Cutis des Axolotls geschildert. In einen spaltförmigen Raum zwischen Epidermis und Urwirbel wandern Zellen vom ursprünglichen Charakter der Fur- chungskugeln ein. Das Protoplasma dieser Zellen bildet Fortsätze, 1) Brandt, A. Ueber d. Eifurchung d. Ascaris nigrovenosa. Zeitschr. f. wissensch. Zool. XXVII. 1877. p. 377; Bemerkungen üb. d. Eifurchung etc. ibid. p. 601; und Ueb. das Ei p. 152 und 158. 2) Török, A. Ueb. formative Differenzirungen in den Embryonalzellen von Siredon pisciformis. Dieses Archiv XIII. 1877. p. 756—783 Taf. XIV. Cfr. p. 778. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 555 gestaltet sich zu Bindegewebsfibrillen und trennt sich von den Kernen, welche letztere sich zu Bindegewebszellen ge- stalten, während das ursprüngliche Protoplasma zur Grundsub- stanz wird. So sehr auch der vom Verfasser aufgestellte Modus der Gewebsdifferenzirung zu Gunsten der Existenz primärer und secundärer Zellen sprechen mag, so wage ich denselben hier doch nur unter Vorbehalt aufzuführen, da er weder klar genug ausge- drückt, noch durch Belege gestützt wird. Wie bei den Insecten, so dürfte auch bei den zehnfüssigen Krebsen die Keimblase, im Gegensatz zu der der Vertebraten, aus primären, vom Keimbläschen abstammenden Zellen gebildet sein. Daten zur Stütze dieser Ansicht glaube ich in einer bekannten Arbeit von P. Mayer!) zu finden. Der noch nicht gefurchte Dotter sowohl, als auch später die Furchungskugeln, enthalten bei Pa- gurus gut tingirbare Protoplasmamassen (oder Höfe) mit radiären sich weit verzweigenden dendritischen oder netzförmigen Ausläufern und Kern nebst Kernkörperchen. Diese vom Verfasser als Proto- plasma, im Gegensatz zur übrigen oder deutoplasmatischen Sub- stanz des Eies, resp. der Furchungskugeln, bezeichneten Proto- plasmamassen werden direct zu Blastodermelementen, indem sie einfach an die Peripherie der Furchungskugeln wandern. Dem- nach lägen hier dieselben Verhältnisse vor, wie bei gewissen In- secten (Poduren). Ich hoffe nicht fehl zu gehen, wenn ich die „Protoplasmamassen“ in den jungen Eiern für Keimbläschen, in den sich furchenden für Keimbläschen-Descendenten, deren strah- lige und netzförmige Ausläufer für Pseudopodien halte. (Man vergl. mit einander die Fig. 35, 37, 38, 1—10). Hat diese Deutung das Richtige getroffen, so folgerte hieraus, dass das Decapodenei und seine Furchungskugeln Metaecyten seien, während die „Protaplasma- massen“, resp. die Blastodermelemente die Rangstufe der Cyten einnehmen würden. Einer separaten kritischen Besprechung wurde meine Keim- bläschenthorie von Stossich gewürdigt. Es wird mir daher zur Pflicht hier zwei Aufsätze dieses Forschers zu berücksichtigen ?). 1) Mayer, P. Zur Entwicklungsgesch. d. Decapoden. Jenaische Zeit- schr. f. Naturw. XI. (Neue F.IV.) 1877. p. 188—267. Taf. XII—XV. Man vrgl. besonders p. 195 u. 213. 2) Stossich, M.: Trasformationie della vescica germinativa e sua im- 556 Alexander Brandt: Nachdem der Verfasser früher !) das Ei als einfache Zelle gedeutet, deren Kern der Keim fleck sei und deren Protoplasma sich in zwei Schichten, den Dotter und das Keimbläschen differeneirt habe, hält derselbe gegenwärtig das Ei für eine zusammengesetzte Zelle. In Uebereinstimmung mit einzelnen früheren Autoren und in Einklang mit meiner Auffassung bezeichnet er nämlich das Keimbläschen als primäre Eizelle, um welehe der Dotter, die Mem- branen und andere Hüllformen deponirt oder ausgeschieden wer- den. Die Details seiner hierauf bezüglichen Untersuchungen ent- hält er uns leider vor. Ferner bestätigt Stossich nach neuen eigenen Beobachtungen am Serpulaei (Trasform. p. 208) auch die von mir für Ascaris und Limnaeus — und auch für Inseeten, — nachgewiesene amöboide Beweglichkeit des Keimbläschens. Die grössere Densität des Dotters soll nunmehr nicht die einzige Ur- sache des Aufsteigens des Keimbläschens gegen die Peripherie des Eies sein, sondern es sollen auch amöboide Bewegungen des Keimbläschens dabei mitwirken. Um so auffallender muss es er- scheinen, dass er den Keimfleck stets nur mit rundem, regel- mässigem Contour gesehen hat und die bekanntermaassen nicht blos von mir, sondern auch von Andern bei den verschiedensten Thie- ren constatirten, ganz exquisiten amöboiden Eigenschaften dieses Gebildes leugnet. Dem Gedanken, dass etwa Serpula hierin eine Ausnahme mache, würde man gewiss nur mit Widerstreben Raum geben können. Stossich (La teoria p. 87) meint die von mir be- schriebenen Bewegungen und Theilungen des Keimfleckes könnten nichts anderes als abnorme, durch zu starke Erwärmung der Prä- parate bedingte Erscheinungen sein. Diese Voraussetzung trifft insofern nicht zu, als ich die Bewegungen des Keimfleckes nicht blos auf dem heizbaren Objeettisch (in den Eierstockseiern von Periplaneta, und neuerdings nachträglich auch von viviparen Aphi- den), sondern auch, und zwar für gewöhnlich, bei der normalen Temperatur beobachtet habe (Ueb. das Ei p. 179). Ich zweifle daher nieht daran, dass es auch unserem Verfasser bei erneuerten, portanza nella segmentazione del tuorle. Bollettino della Societa Adriatica di Scienze naturali in Trieste. Vol. II. 1877. p. 212—228. Tav. I e II, und La teoria della vescica germinativa. Ibid. Vol IV: 1878. p. 33—88. 1) Derselbe. Sopra lo sviluppo delle serpule. Ibid. Vol. II. p. 276—282. 1 Tav. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 557 anhaltenderen Untersuchungen gelingen wird, die amöboiden Eigen- schaften des Keimfleckes zu constatiren, und zwar um so eher, als er bereits selbst Gelegenheit gehabt hat (La teoria p. 87, Tras- form. Tav.I Fig. 2) ein Keimbläschen mit zwei untereinander ver- bundenen Keimflecken zu sehen. Indem Stossich die Fähigkeit des Keimfleckes sich amöboid zu bewegen leugnet, leugnet er consequenter Weise auch dessen amöboide Vertheilung zur Zeit der Bildung der Richtungsbläschen und dessen Rolle bei der Er- zeugung der Kerne dieser letzteren. Es wird ihm übrigens dieser negirende Standpunkt um so leichter, als er die Richtungsbläschen kernlos sein lässt. Als eudliches Schicksal des Keimfleckes nimmt er einen Schwund desselben an. — Stossich bekennt sich zu der bereits so oft verlauteten Ansicht, das ganze Keimbläschen werde in Form von Richtungsbläschen ausgeschieden, während ich für das Zurückbleiben seiner Hauptmasse im Dotter einstehen zu können glaube. Es ist schwer zu sagen in wie weit die An- sicht unseres Autors auf Beobachtungen beruht und wie weit sie ins Bereich der Deutungen gehört. Alle von ihm abgebildeten mit Richtungsbläschen versehenen Eier zeigen gleichzeitig auch einen hellen centralen Fleck im Dotter. Ferner ist an den Abbildungen die Gesammtmasse der Richtungsbläschen entschieden viel kleiner dargestellt als das Keimbläschen!). Schliesslich kann ich Stos- 1) Interessant erscheint mir die von Stossich (Trasf. Taf. I, Fig. 3) gegebene, eine „abnorme Entwickelung der Richtungsbläschen“ darstellende Abbildung. Sie zeigt uns nämlich statt der Richtungsbläschen einen um- fangreichen Körper etwa von der Grösse des Keimbläschens. Leider bespricht Stossich das Präparat im Texte nicht. Es liegt aber der Gedanke nahe, dass im gegebenen Falle das Keimbläschen, statt einzelne Knospen an die Oberfläche des Dotters zu entsenden, gleichsam „aus Versehen“ mit seiner ganzen Substanz dem Dotter entschlüpft ist. Der Herr Verfasser hatte übri- gens die Freundlichkeit mir auf eine Anfrage hin mitzutheilen, er sei mit dieser Hypothese nicht einverstanden, „denn der ausgestossene Körper hat ein viel grösseres Volum, als das Keimbläschen“. Ueber den vorliegenden Fall schreibt er noch Folgendes: „Fig. 3 meiner Trasformazione bildet eine sehr häufig zu beobachtende Anomalie der Richtungskörper und findet ins Beson- dere in wenig entwickelten Eiern statt oder in solchen, die einer zu hohen Temperatur ausgesetzt waren (18—24°C.).. .“ Nach meiner Meinung würde das nur ein Vorzeichen des Todes nach erfolgter Befruchtung sein, indem solche Eier in keine Dottertheilung mehr eingehen, sondern bald absterben. 558 Alexander Brandt: sich den Vorwurf nicht ersparen, dass er meine für die von ihm kritisirte Keimbläschentheorie so wichtigeErklärung des angeblichen Keimbläschenschwundes durch ein amöboides Zerfliessen nicht be- rücksichtigt; obgleich er ja selbst die amöboide Beweglichkeit am Keimbläsehen von Serpula nachwies. Beobachtungen, welche etwa meiner Erklärung widersprechen, thbeilt er nicht mit. — Den statt des Keimbläschens im Dotter, angeblich als Neubildung, auftreten- den Körper hält Stossich für einen dem Keimbläschen nicht analogen Kern. Demnach würde einerseits die primäre Eizelle (das Keimbläschen) durch ein morphologisch tiefer stehendes Ge- bilde ersetzt und avaneirte andererseits eine secundäre Ausschei- dung (der Dotter) zum Protoplasma einer primären, einfachen Zelle. Die Furchungskugeln wären, dieser Auffassung gemäss, trotz ihrer grossen Uebereinstimmung mit dem ursprünglichen Ei, keine zusammengesetzten, sondern einfache Zellen. Es dürfte schwie- rig sein, sich diese Vorstellungen zu eigen zu machen. Fasst man die auf Beobachtungen, hauptsächlich an Serpula, zum Theil an Echi- nus und Aseidia beruhenden kritischen Bemerkungen von Stossich zusammen, so ergiebt sich, dass dieselben nur einzelne Punkte der Keimbläschentheorie berühren. Neue oder wenigstens überzeu- gend dargelegte ältere gegen die Theorie verwendbare Argumente bringt er nicht. Eine werthvolle Concession, welche, wie wir oben sahen Stossich mir gegenüber macht, besteht darin, dass er die amö- boide Beweglichkeit des Keimbläschens gelten lässt‘). Indem ich diesen Umstand hier noch besonders betone, ergreife ich die Ge- legenheit um das nächste Citat hier anzureihen. Es handelt sich 1) Formveränderungen am Keimbläschen, namentlich auch deren Beein- flussung durch Temperaturschwankungen, finden sich, wenn ich nicht irre, zum ersten Male in meiner Abhandlung „Ueber die Eiröhren der Blatta“ (St. Petersburg 1874) verzeichnet, woselbst ich mich allerdings noch mit ei- niger Reserve ausdrückte. In der 1876 erschienenen russischen Arbeit „Vrgl. Unters. über d. Eiröhren und das Ei d. Insecten“ wurden bereits zahlreiche, mit Bestimmtheit beobachtete, prägnante Fälle von Bewegung des Keim- bläschens angeführt und durch Abbildungen illustrirt. Später beschrieb ich eingehende ganz exquisite Bewegungserscheinungen am Keimbläschen von Limnaeus und namentlich auch Ascaris nigrovenosa, und fasste schliesslich alle bisherigen bezüglichen Beobachtungen in Kap. VIII der Schrift „Ueber das Ei‘ zusammen. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 559 dabei um die Bestätigung oder richtiger, um den selbständigen Nachweis der amöboiden Beweglichkeit des Keimbläschens durch einen so anerkannt hervorragenden Forscher wie C. Vogt). Seine Beobachtungen beziehen sich auf das Ei von Udonella lupi. Das ganz helle Keimbläschen (Taf. XVI Fig. 8. p. 355) war begrenzt von verschwommenen Rändern und enthielt einen Keimfleck mit. scharfen, liehtbrechenden Contouren. Das Keimbläschen än- derte langsam, aber beständig, während einer mehr- stündigen Beobachtung, seine Gestalt. Diese Gestalt- veränderungen waren allerdings so allmählich, dass man sie nicht unmittelbar auffassen, sondern nur, wie die Bewegung des Zeigers einer Uhr, innerhalb einer gegebenen Zeit nachweisen konnte; das Keimbläschen erschien bald rund, bald mehr eiförmig oder auch nach einer Seite hin aufgetrieben. In Folge dieser lang- samen Gestaltveränderungen erschien auch die Contour des hellen Keimbläschens bald schärfer ausgesprochen, bald mehr verwaschen. Verfasser sagt ausdrücklich, er habe sich sorgfältig davon über- zeugt, dass diese Bewegungen nur in dem Keimbläschen selbst statt hatten und nicht von anderen Eitheilen oder von aussen mit- getheilt waren. ‚Die Contouren des Eisackes, der Dotterhaut und des Keimfleckes blieben absolut unbeweglich, sie deckten wäh- rend der ganzen Beobachtungszeit die mittelst der Camera lueida auf das Papier projieirten und dort nachgezeichneten Contouren vollständig, während die Contouren des Keimbläschens beständig ihre Form verschoben“. Diese Gestaltveränderungen des Keim- bläschens wurden bei drei Individuen gesehen; weiter reichte das Material nicht aus. Wie die amöboide Beweglichkeit zu einem Verschwimmen des Keimbläschens und einem einen Schwund vortäuschenden Unsichtbarwerden desselben führen kann, wurde in meinen frühe- ren Publicationen an unreifen Eierstockseiern von Holostomis phalaenoides und den reifen Eiern von Ascaris und Limnaeus de- monstrirt. Durch die betreffenden Beobachtungen hoffte ich die so langlebige Controverse, ob das Keimbläschen schliesslich zu Grunde gehe oder ob es vielmehr persistire, um sich bei der Embryonal- entwicklung zu betheiligen, einer naturgemässen Lösung entgegen 1) Vogt, C.: Ueber die Fortpflanzungsorgane einiger ectoparasitischer mariner Trematoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXX. Suppl. (1878) p.306— 342. Taf. XIV—XVI. 560 Alexander Brandt: zu führen. Und in der That, trotz einiger gegen die Theorie des amöboiden Keimbläschenschwundes gerichteten Angriffe, lässt die Aufeinanderfolge der einschlägigen neuesten Arbeiten einen, wenn auch allmählichen, so doch entschiedenen Umschwung zu Gunsten dieser Theorie nicht verkennen. Es spricht sich dies auch in ein- «zelnen, nicht gerade auf das Keimbläschen, sondern auf gewisse Zellkerne bezüglichen Arbeiten aus: die für das Keimbläschen cha- rakteristischen Bewegungs - und Theilungsphänomene wiederholen sich ja genau auch an Zellkernen (s. unten). Hat aber die Lehre von der amöboiden Keimbläschen- und Kerntheilung gegenwärtig noch nicht das von mir angestrebte allgemeine Bürgerrecht erlangt, so will ich mich gern mit dem Ausspruche trösten: „Die einfach- sten Wahrheiten sind es gerade, auf die der Mensch immer erst am spätesten kommt* (L. Feuerbach). Diese Wahrheiten sind es auch — so könnte man hinzufügen — welche, nachdem sie be- reits gefunden, nicht selten auch am schwersten zur Anerkennung gelangen, besonders wenn sie ganze mit Mühe und Fleiss aufge- führte Lehrgebäude redueiren. — Ein Theil der Schuld, dass sich die Theorie der amöboiden Theilung, wie erwähnt, noch keines durchgreifenden Erfolges zu erfreuen hat, liegt übrigens ohne Zweifel darin, dass ich selbst nicht gleich von Haus aus zu genügen- der Klarheit über alle wesentlicheren, direet oder indireet mit der Keimbläschen- und Kerntheilung verknüpften Phänomene gelangt war. Gegenwärtig liegt die Sache bedeutend günstiger. Es wird mir daher zur Pflicht im vorliegenden Commentar, gelegentlich der kritischen Besprechung mehrerer fremder Publikationen, auch eigene irrthümliche Deutungen zu widerlegen. Knüpfen wir zunächst an einen Forscher an, welcher die Ei- und Zellbildung zum Gegenstand eines wiederholentlichen ganz’ speciellen Studiums gemacht hat, nämlich an Mayzel!). — Zu- nächst sei einerseits dankbar hervorgehoben, dass der Verfasser — ähnlich wie dies Waldeyer im Virchow’schen Jahresber. 1877 (p.84) gethan, — meine Theorie der amöboiden Kerntheilung der Auerbach’schen karyolytischen schroff gegenüberstellt. Gern übernehme ich mit der Priorität auch die ganze Verantwortlich- 1) Mayzel, W.: OÖ zjawlskach przy segmentacyi jajek robaköw (Ne- matoda) i Slimaköw. Gazeta lekarska. Rok XIH. Nr. 4. T. XXVI. Wars zawa, dnia 13 (25) Stycznia 1879 roke. p. 31, 33. (S. auch das Original- referat in dem Hofmann und Schwalbe’schen Jahresber. für 1878. (Bd. VI.) Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 561 keit in Bezug auf die amöboide Kern- und Keimbläschentheilung. — Im Uebrigen wendet sich Mayzel gegen die Auerbach’sche sowohl, als auch gegen meine Theorie. Untersucht wurden von ihm Nematoden und Schnecken, also Objeete, welche auch meinen Beobachtungen zu Grunde lagen. Trotzdem ist von einer Control. untersuchung im strengen Sinne des Wortes nicht die Rede, konnte sich doch Mayzel offenbar nicht dazu entschliessen lebende Eier in indifferenten Flüssigkeiten zu untersuchen, was für eine Wider- legung meiner Angaben unerlässlich zu sein scheint. Er bespricht nämlich ausschliesslich mit Reagentien (Essigsäure mit oder ohne Saffraninfärbung und Glycerin) behandelte Präparate. „Nach län- geren Bemühungen“ gelang es ihm „auch in den Eiern von Asca- ris nigrovenosa und Strongylus auricularis die fasrige Kernspindel mit körniger äquatorialer Kernplatte und fasrigen Radien um die Spindelpole aufzufinden.*“ Aehnlich bei Limax. Hierzu muss ich bemerken, dass ich gegenwärtig nicht im Geringsten an der Exi- stenz der vom Verfasser beobachteten Bilder zweifle, vielmehr .be- haupten möchte, dass sie meinen Beobachtungen am lebenden Ei keineswegs widersprechen. Die sogen. Kernspindel besteht näm- lich meiner Meinung nach aus glatten oder mehr oder weniger varicösen Substanzbrücken, welche zwischen beiden Portionen eines sich amöboid theilenden Kerngebildes ausgespannt sein Können. Das Zustandekommen solcher Substanzbrücken dürfte ein sehr ein- faches sein: die protoplasmatische, und als solche anerkanntermas- sen viscöse Kernsubstanz zieht sich bei der Theilung in Fäden aus, genau so wie Syrup oder dickflüssiges Harz. Auch sich be- gegnende und kreuzende, zum Theil zusammenstossende und mit einander verschmelzende Pseudopodien scheinen an der Bildung der Kernspindel zu partieipiren (Kernplatte). Indem ich diese Er- klärung ausspreche, verwerfe ich gleichzeitig eine frühere Deutung, laut welcher die Kernspindel im Ei von der collabirten, in Paral- lelfalten gelegten Keimbläschenmembran herrühren sollte (Ueb. d. Ei p. 178, 179). „Beim Eintritt der Embryonalentwicklung, — so war ich nämlich geneigt anzunehmen, — sprengt das Keimbläs- chen, indem es sich energisch bewegt, namentlich in die Länge zieht, seine Hülle und wird frei, die Hülle aber collabirt und bleibt als sogen. Kernspindel (Bütschli) im Dotter liegen“. War dieser hier gesperrt gedruckte Nachsatz auch nicht ganz unmotivirt in die Welt geschickt, so beeile ich mich Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 17, 36 562 Alexander Brandt: nichts desto weniger ihn als irrig zurückzunehmen: die Leeture neuerer Arbeiten sowohl als auch Autopsie belehrten mich bald eines Besseren. Durch die so eben abgegebene Erklärung wider- rufe ich eo ipso auch eine a.a.O. p. 184 gethane Aeusserung, nach welcher spindel- und tonnenförmige Gebilde nicht entstehen Könn- ten, wenn die sich theilenden Kerne hüllenlose sind. Am klar- sten wurde das Zustandekommen der Spindeln und Tönnchen für lebende Zellen von Peremeschko in einer weiter unten noch zu berücksichtigenden Arbeit geschildert; während über die wahren Beziehungen der geplatzten Keimbläschenmembran zu diesen Ge- bilden gewisse von Fol abgebildete Präparate vorzüglichen Auf- schluss geben. Wenden wir uns nunmehr dem Memoire des letztgenannten For- schers!) zu, so ist esabermals die Frage nach der amöboiden Ver- änderlichkeit des Keimbläschens, welche hier in erster Linie unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Obgleich die amöboide Beweg- lichkeit des Keimbläschens sowohl durch meine eigenen, als auch fremde Beobachtungen vollkommen erwiesen wurde, zweifelt Fol an derselben. Er nimmt nämlich an, es könnten die im Ascaridenei als amöboid befundenen Phänomene durch das bei der Untersuchung verwandte Hühnereiweiss bedingt sein. Wollte man nun auch, den vielfachen Erfahrungen zum Trotz, jene Substanz, in welcher das Hühnchen sich ungestört entwickelt und auch Ascariden und In- secteneier so lange am Leben bleiben, zu den dem Keimbläs- chen schädlichen Stoffen zählen, so wird man wenigstens dasselbe nicht auch für das Inseetenblut bei Untersuchung von Insecten- eiern und das eigene Eiweiss bei Untersuchung von Limnaeus- eiern behaupten können. Uebrigens eitirt Fol (Nachtrag p. 284) nur meine beiden kleinen in der Zeitschr. f. wiss. Zool. gedruck- ten Aufsätze über Ascaris und Limnaeus und lässt meine übrigen Publikationen unberücksichtigt. Wie für so manche amöboide Elementarorganismen, so steht auch für das Keimbläschen die Fähigkeit fest selbständig in Stücke zu zerfallen und sich aus diesen Stücken durch Zusammenfliessen wieder aufzubauen. Am Ascaridenei wurden die Phänomene na- 1) Fol, H., Recherches sur la fecondation et le commencement de l’Henogönie chez divers animaux. Geneve-Bäle-Lyon. 1879. 4. 309 S. 9 Taf. (Aus den M&moires de la Soc. de Physique et P’hist. nat. de Gen£eve.) Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 565 mentlich mit der grössten Deutlichkeit gesehen. Der mehrmals hintereinander in ein und demselbenEi verfolgte amöboide Zerfall des Keimbläschens und dessen jedesmaliger Wiederaufbau unter den Erscheinungen der Bütschli-Auerbach’schen Con- jugation einessogen. männlichen und weiblichen Pronucleus, veran- lassten mich seiner Zeit die Conjugation zweier sexuell verschiedenen Kerne für Ascaris nigrovenosa zu leugnen. Es war diese Nega- tion um so weniger unmotivirt, als damals die Umwandlung von Spermatozoen in kernartige Gebilde als blosse Hypothese erschien und ich ja in der genannten Ascaridenart ein der Parthenogenese stark verdächtiges Thier vor mir hatte). Allbekannte spätere 1) Es dürfte hier der Ort sein, einige ganz neue Beobachtungen von Greeff an einem auch Fol bekannten Objekte, dem Ei der Seesterne einzu- flechten. (Greeff, R. Ueber den Bau und die Entwickl. d. Echinodermen, 6. Mitth., Entwickl. von Asterias (Asteracanthion) rubens. Sitzungsber. der Ges. z. Beförd. d. ges. Naturw. zu Marburg 1879. Nr. 4. p. 47—52). Der Verfasser bemerkt ausdrücklich, dass die hier zu referirenden Entwicklungs- erscheinungen, seiner Meinung nach, an sicher unbefruchteten Eiern ver- folgt wurden. Nach Ausstossung der Richtungsbläschen zieht sich ‚das helle Feld des Keimbläschenrestes“‘ mehr zusammen und von der Peripherie zurück. Bald darauf erscheint an derselben Stelle ein heller runder Fleck, um den die Dottersubstanz nach allen Seiten strahlenförmig sich anordnet. Neben dieser ersten erscheint dann häufig, aber nicht immer, entweder gleichzeitig oder bald nachher, noch eine zweite ähn- liche Strahlenfigur. Diese beiden Strahlenfiguren nähern sich, wie Greeff wiederholentlich Schritt für Schritt verfolgt hat, langsam, treffen aufeinander um sich schliesslich zu vereinigen. So entsteht aus den beiden Strahlenfiguren eine einzige, die nun allmählich mit immer mehr sich ausdehnenden Strahlen in das Centrum des Eies rückt. Dann lässt die Strahlung allmählich nach, indem zu gleicher Zeit das helle Centrum sich etwas erweitert. ‚Diese ganze Verschmelzung nach Ausstossung der Rich- tungskörperchen erinnert auffallend an die Vorgänge bei der Vereinigung des „Eikerns‘“ mit dem „Spermakern“ wie wir sie durch die ausgezeichneten Beobachtungen von OÖ. Hertwig, Fol u. A. kennen gelernt haben.“ — Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, den Leser noch auf folgende Wahr- nehmungen Greeff’s aufmerksam zu machen: 1) einen im reifen Ei beob- achteten Zerfall des Keimfleckes mit nachfolgender Wiedervereinigung dieser Theilstücke, 2) ein Unregelmässigwerden des Keimbläschens, wobei sich Ein- buchtungen und Zacken an demselben bilden, 5) die Bildung der Richtungs- bläschen vom Keimbläschen aus, 4) das Zurückziehen des von Strahlen um- gebenen, unregelmässigen Keimbläschenrestes ins Innere des Dotters, 5) das Erscheinen der vorerwähnten runden Strahlensonne an derselben Stelle und 564 Alexander Brandt: Arbeiten, in denen der directe Beweis einer Umwandlung der ins Ei eingedrungenen Zoospermien in ein kernartiges Gebilde ge- führt wurde, mussten nothgedrungen modificirend auf meine An- schauungen einwirken. Aus Raumersparniss habe ich im Schluss- kapitel der Schrift „Ueber d. Ei“ leider verabsäumt, die unter- dessen nachgewiesenen Befruchtungsvorgänge zu besprechen. Die gegen mich gerichteten Bemerkungen von Fol geben daher eine erwünschte Veranlassung zur strieteren Formulirung meiner neue- ren Ansichten. Indem ich nach wie vor an der amöboiden Beweglichkeit des Keimbläschens, seinem gelegentli- chen Zerfall in gleichfalls amöboide Theilstücke, ferner an der Wiedervereinigung der letzteren festhalte, lasse ich gegenwärtig ausserdem noch eine Umgestaltung der in den Dotter eingedrungenen Zoospermien zu klei- nen „Amöben“ und deren Verschmelzung mit dem Keim- bläschen gelten. Die äusseren Phänomene sind und müssen auch imWesentlichen dieselben sein, gleichviel ob zwei Theilstücke des Keimbläschens oder ein „Spermakern“ mit einem „Eikern‘‘ sich vereinigt. In einem sowohl, als auch in dem anderen Falle geht diese Vereinigung (Verschmelzung) unter der Bildung von häufig strahligen Pseudopodien vor sich. Man ersieht hieraus wie weit ich von einer Negation der neueren Copulationsbefunde entfernt bin. Und in der That, ich glaube vielmehr, dass durch diese Be- funde, wenn auch nicht das Wesen, so doch das Aeusserliche der Befruchtungsvorgänge in trefflicher Weise aufgehellt wird. Letz- teres gilt namentlich auch von den sehr bestimmten Beobachtun- gen von Fol, welchen ich gern die gebührende Gerechtigkeit wie- derfahren lasse. In dem M&moire unseres Verfassers findet sich ferner so man- ches für die Keimbläschentheorie des Eies Verwerthbare, allerdings nicht unter den Deutungen, sondern unter den thatsächlichen Be- funden. Ich will es daher versuchen in diesem Sinne über Fol’s Angaben zu referiren und, wo dies nöthig scheint, dieselben zu periphrasiren. Als Ausgangspunkt der Betrachtungen wählte ich das zeitweilig ruhende, eneystirte!) Keimbläschen. Dasselbe durch- 6) den Nachweis von Resten des Keimfleckes im Keimbläschenreste, resp. der aus demselben entstandenen Strahlensonne. Wie selbstverständlich, deute ich diese von Greeff sehr objectiv dargestellten Erscheinungen als amöboide Be- wegungsphänomene. 1) „Ueber das Ei“ p. 177. Es scheint sehr fraglich, ob das Keim- Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 565 bricht seine Hülle und kriecht oder quillt aus derselbsn hervor. In dem auf Taf.I Fig. 2—6 abgebildeten bei Asterias beobachteten Falle, wurde die Hülle wahrscheinlich an mehreren Stellen ge- sprengt, während an den auf Taf. VII Fig. 17 u.18 dargestellten schönen Präparaten des Pterotrachea-Eies das Keimbläschen durch zwei einander gegenüberliegende Risse seine schützende Hülle ver- lässt. Die entleerte Membran oder Cyste bleibt als geknülltes, ge- schrumpftes oder zerfetztes Häutehen im Dotter liegen (Taf. II,V). Schon während, und sodann nach seiner Eneystirung, führt das Keimbläschen amöboide Bewegungen aus, eine Erscheinung, welche von Fol (Taf.I Fig.2—3) zwar Stunden lang verfolgt, ihrer wah- ren Natur nach jedoch verkannt wurde. Es bietet das Keimbläs- chen bald eine klumpen- oder wolkenförmige, bald eine einfach- oder doppeltsternförmige, durch lange strahlige Pseudopodien aus- gezeichnete Gestalt (Taf.I Fig. 2—5, 16; Taf. VII Fig. 17, 18). Die Richtungsbläschen entstehen — entweder vor oder nach der Befruchtung — auf eine früher schon häufig (so auch von mir für Limnaeus) beschriebene Weise, nämlich durch Abschnürung vom Keimbläschen !). Sie sind dessen erste Descendenten. Ihr Aussehen ist das von Zellen. Was die Befruchtunsphänomene anbetrifft, so verfolgte unser Verfasser zunächst mit grosser Deutlichkeit das Eindringen der Zoospermien in den Dotter. Hier sah er dieselben ihre Gestalt ändern und an der Stelle, wo das Zoosperm eindrang, nunmehr den sogen. Pronucleus masculinus entstehen. Fol räumt nicht blos die direete Betheiligung der Zoospermien am Zustandekommen des Pronucleus ein, sondern sagt geradezu, man könne den letzteren bläschen bei allen Thieren eine Ruheperiode durchmacht. Jedenfalls ist aber die Encystirung des Keimbläschens eine morphologisch nicht wesentliche Er- scheinung. 1) Mit Absicht vermeide ich die Ausdrücke: Eikern, weiblicher und männlicher Vorkern, erster Furchungskern und rede für die Zeit vor und nach der Befruchtung, vor und nach Abgabe der Richtungsbläschen immer nur vom Keimbläschen: beide Vorgänge, von denen der eine die Substanz des Keimbläschens vergrössert, der andere sie verkleinert, sind keine durch( weg allen Thierformen zukommende Erscheinungen, sondern können sogar gleichzeitig fehlen (z. B. im parthenogenetisch sich entwickelnden Aphidenei- und dürften daher ohne fundamentale morphologische Aenderung des Keim- bläschens verlaufen. 566 Alexander Brandt: A beim Seeigel für ein „zoosperme gonfle‘“ halten, da er hier nicht viel grösser, als ein Saamenkörperchen ist. Im Uebrigen erblickt er in der Entstehung des Pronucleus masculinus eine Fusion des veränderten Zoosperms mit Dottersarcode. Modificiren wir diese Deutung um ein Geringes, so können wir wohl mit demselben Rechte annehmen, das Zoosperm verwandle sich direct in den sogen. Nucleus einfach durch Einziehen seiner Flimmergürtel und Rückkehr zur ursprünglichen Zellenform, resp. durch Umgestaltung zu einem amöboiden Gebilde !). Die Vergrösserung des letzteren könnten wir hiebei theils auf eine Quellung, theils auf ein ein- faches rasches Wachsthum zurückführen. Den Thatsachen wird, wie mir scheint, durch diese Deutung kein Zwang angethan. — Ein ähnliches Raisonnement, wie für den Pronueleus maseulinus, lässt sich auch auf den Pronucleus femininus anwenden. Fol leug- net nämlich keineswegs die Betheiligung des nach Ausstossung der Riehtungsbläschen zurückbleibenden Keimbläschenrestes an der Bildung des Pronucleus femininus. Er meint vielmehr blos dieser Rest wäre zu klein, um an und für sich diesen Pronucleus zu bilden, und lässt ihn sich daher, gleich dem P. masculinus, auf Kosten der Dottersarkode vergrössern. Nehmen wir auch hier die Ver- grösserung einfach als Wachsthum, — und zwischen der von mir vertheidigten Auffassung und den Befunden unseres Verfassers ist eine vollständige Harmonie hergestellt. — Wodurch wird nun aber die gegenseitige Annäherung der beiden „Pronuclei“ bewirkt? Die einfachste Antwort dürfte in der Hypothese bestehen, dass die strahlenförmigen Pseudopodien beider amöboiden Elemente mit einander verschmelzen, sich contrahiren und so allmählich zu einer Fusion der „Pronuclei‘ führen, wie sie im Reiche der Protisten ihre Analogien hat (Protomyxa). Der Befruchtungsvorgang be- steht seiner äusseren Erscheinung nach in einem Verschmelzen zweier morphologisch gleichwerthiger und einander homologer Ele- mentarorganismen, des Keimbläschens und des Samenelementes. Es resultirt daraus ein gemeinsames, abermals einfaches, den beiden 1) Das Einziehen des Spermatozoen-Schwänzchens wurde zuerst von Öwsjannikow (Ueber d. Entwickl. u. d. histol. Bau d. Fischspermatozoen. Abhandl. d. I. Vers. russ. Naturf. ‚St. Petersb. 1868. Russisch), und dann von mir (Anat.-histol. Unters. üb. d. Sipunculus nudus. St. Petersb. 1870. M&moire, de l!’Acad. d. Sc. VII s. T. XVI Nr. 8. p. 35) experimentell nachgewiesen. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 567 Componenten morphologisch gleichwerthiges Gebilde. Für diese Gleiehwerthigkeit spricht bereits die direete Beobachtung, auch wird sie, wie oben bereits angedeutet, durch die Existenz parthe- nogenetisch sich entwickelnder Eier postulirt. Wir können daher, wie gleichfalls oben bemerkt, fortfahren auch nach erfolgter Be- fruchtung sehlechtweg vom Keimbläschen zu reden; wenn wir nicht etwa den etwas längeren Ausdruck „befruchtetes Keimbläschen“ bevorzugen wollen. — Durch obige Betrachtungen dürfte die prin- eipielle Uebereinstimmung der Befruchtung mit der Conjugation und deren allmählige Uebergänge in einander, wie sie sich na mentlich aus dem Studium niederer Algen !) ergiebt, weiter aus- gebaut werden. Nach seiner Vereinigung mit dem Samenelement geht das Keimbläschen in den von Fol untersuchten Eiern offenbar aber- mals in ein Ruhestadium über, denn es bildet sich an seiner Peri- pherie eine neue Membran. — Die Eifurchung lässt Fol (Taf. VI. Fig. 1. p. 166) durch das Auftreten einer hellen Substanz im Umkreis des „Kerns“, alias Keimbläschens, eingeleitet werden. Ich möchte diese mit hellen radienförmigen Streifen besetzte Masse für das von neuem aus seiner Kapsel getretene, Pseudopodien ausstrah- lende Keimbläschen selbst halten. In dieser Deutung bestärkt mich der Umstand, dass zur gegebenen Zeit die Substanz des „Kernes“ nieht mehr so deutlich, wie früher erschien, während seine Contou- ren, resp. seine Membran noch regelmässig und gut sichtbar waren. Lässt man diese Deutung gelten, so stimmen auch die nach dem lebenden Ei gezeichneten Abbildungen der Tafel VI ganz gut mit denen nach gehärteten Präparaten auf Taf. VII entworfenen überein, was sonst nieht der Fall ist. Auf den correspondirenden Figg. der Taf. VII ist nämlich von einer besonderen, von der ausgetretenen Keimbläschensubstanz unabhängigen Sarcodemasse nichts zu sehen, und soll es die Keimbläschensubstanz selber sein, welche die Strah- len entsendet. Liegt darin nicht ein Widerspruch? Die Figuren der Tafel VI (Toxopneustes) widersprechen übrigens, wenn man den Deutungen und dem eigenen Geständniss des Verfassers (p. 189) Glauben schenkt, auch denen der Taf. IX. (Pterotrachea). Aller- 1) Man vrgl. Pringsheim: Ueber Paarung von Schwärmsporen, die morpholog. Grundform d. Zeugung im Pflanzenreiche. Monatsber. d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 1869. p. 721—738. 1 Tafel. 568 Alexander Brandt: dings findet sich hier wie dort im Umkreis des Kernes eine helle Sarcodemasse angegeben; doch sollen bei Toxopneustes, wie bereits oben erwähnt, Strahlen von dieser Masse entspringen und sich im Dotter verbreiten, bei Pterotrachea hingegen von der Kern- substanz selbst ausgehen und sich in der Sarcodemasse ver- theilen. Indem ich bei dieser Gelegenheit nochmals meine Deu- tung der erwähnten Sarcodemasse auf Taf. VI als Keimbläschen- substanz wiederhole, möchte ich hingegen die Sarcodemasse der Taf. VII für körnchenfreie Partieen des Dotters erklären. Ist diese Lesart wohl die richtige? — Wie selbstredend, möchte ich die beiden ersten Furchungskerne direet durch Theilung des Keim- bläschens unter dem Bilde eines Amphiaster hervorgehen lassen. Aehnlich entstehen auch die Furchungskerne weiterer Ordnungen. Ihre Volumzunahme kann einfach als Wachsthum gedeutet werden. Wie gewiss mit vollem Rechte anerkannt, bietet der Zellkern eine grosse Uebereinstimmung mit dem Keimbläschen dar. Es wird dieselbe, wie mir scheint, wenig durch die Controverse tangirt ob das Keimbläschen selbst nur ein Kern oder eine primäre Zelle sei und ob es überhaupt neben primären auch secundäre Zellen gibt. In Bezug auf den umgebenden Furchungsdotter spielt das Keimbläschen jedenfalls die Rolle eines Kerns und auch seine Lebensthätigkeit entspricht der eines beliebigen Zellkerns. Im Anschluss an die Bewegungsphänomene der Eitheile gab ich daher auf den drei letzten Seiten der Schrift „Ueb. d. Ei“ eine Zusam- menstellung des mir damals durch fremde und eigene Beobach- tungen über die Beweglichkeit der Kerngebilde Bekannten. Als Supplement hierzu sollen in Nachstehendem einige neuere aus- schliesslich fremde Angaben besprochen werden. Zur Constatirung der amöboiden Kernthätigkeit an Blutkör- perchen prüfte Strieker ') das Blut von Fröschen und Tritonen, und zwar ausserhalb des Organismus, in dünner Schicht auf dem Objectträger ausgebreitet. Zweckmässiger wäre es wohl gewesen, wie auch ich es gethan, die Lebensthätigkeit der Blutkörperchen- kerne am lebenden Frosche innerhalb der Gefässe, bei künstlich l) Stricker, S., Beobachtungen üb. d. Entstehung des Zellkerns. Sitzungsber. d. K. Acad. d. Wiss. mathem.-naturw. Cl. Bd. LXXVI. 1877. Abth. 3. H. 1 u. 2. p. 7—28. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 569 stagnirtem Strom zu beobachten. Statt der von mir gewählten Schwimmhaut, hätte, der grösseren Durchsichtigkeit halber, das mit Serum befeuchtete Mesenterium verwandt werden können. Wäh- rend ich !) die Kerne der rothen Blutkörperchen des Frosches beob- achtete, richtete Stricker sein Augenmerk auf die der farblosen. Auch hier wurden amöboide Gestaltveränderungen des Kernes zu- nächst bei Triton verfolgt. „Vollends sein inneres Gerüste ist an ganz frischen Präparaten in einer ununterbrochenen Bewegung begriffen.“ Dieses Gerüste möchte ich als Verzweigungen des Kernkörperchens deuten. Stricker redet von einer Membran des Kerns. Wider- sprechen aber die ausgiebigen Gestaltveränderungen nicht der Exi- stenz einer solehen? Uebrigens wäre es auch möglich, dass der Kern sich nur temporär mit einer Membran bekleidete (Encystirung). Letzteres ist um so wahrscheinlicher, als Strieker von einem Durehbrechen der Kernmembran, ihrem zeitweiligen Aufsitzen auf einem amöboiden Klumpen, zu vergleichen dem Schneckenhaus auf der frei umherkriechenden Schnecke, redet. Auch in meh- rere Stücke kann die Kernhülle zerreissen. Uebrigens sollen ur- sprünglich nackte Kerne gleichfalls vorkommen. Befremdend klingt folgende Angabe. In den einkernigen farblosen Blutkörperchen von Rana, namentlich in ganz frischen, — und zwar an den spin- delförmigen Blutkörperchen ausnahmslos, — ist es dem Verfasser aufgefallen, „dass die Protoplasmazone der einkernigen Zellen ver- schwunden ist, und zwar unter Umständen, die keine andere An- nahme zuliessen, als dass das Protoplasma sich in das Innere des Kernes zurückgezogen habe.“ Dieser Passus ist mir unklar geblieben. — An den „sehr beweglichen“ farblosen Blutkörperchen, welche Verfasser als besondere Categorie hinstellt, beschreibt er für Rana und Triton ein Verschmelzen, Zerfliessen zu Nebel, Wieder- aufbauen von Kernen, ganz wie auch ich es so vielfach an ver- schiedenen Objecten gesehen habe. Statt nun aber bei der amö- boiden Thätigkeit stehen zu bleiben, schliesst er (p. 17) auf ein Entstehen und Schwinden und Wiederbilden ‚in dem Zellleibe aus Bestandtheilen des Zellleibes“. Die Kerne „sind vorüber- gehend abgekapselte Theile des Zellleibes.“ 1) Brandt, A., Ueber d. Eiröhren d. Blatta (Periplaneta) orientalis. St. Petersb. 1874. M&moires de l’Acad. d. Sc. VII. ser. T. XXI. Nr. 12. Cf. p. 18—29 und Bemerk. über d. Kerne d. rothen Blutkörperchen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XIII. (1876) Cf. p. 393. 570 Alexander Brandt: Im Anschluss an die soeben referirte Publikation beobachtete Unger!) amöboide Kernbewegungen an folgenden Objeeten: den Epithelien der Niekhaut, der Zunge, der Schleimhaut des Mundes, Magens und Darms, an den quergestreiften und glatten Muskel- fasern und den Zellen der Spinalganglien. Entzündungserregende Reize verstärkten, resp. veranlassten von neuem diese Bewegungen. Ferner bespricht auch Török (l. e. p. 761) beiläufig lebhafte Kernbewegungen und zwar in den Embryonalzellen von Siredon, welche auf einem heizbaren Objecttische bei 20—30° C. in Eigal- lerte untersucht wurden. Wie jetzt die Sachen stehen, kann man die amöboide Beweg- lichkeit wohl als erwiesene Grundeigenschaft sämmtlicher Kerne hinstellen, genau so wie dies bisher für den Zellenleib angenommen wird. Mithin kann auch ein jeder im gegebenen Moment nicht die dem hydrostatischen Gleichgewichte entsprechende Kugelform bietende Kern einer amöboiden Thätigkeit verdächtigt werden (Ueb. d. Ei p. 184). Ich erinnere z. B. an die verästelten Kerne, die sich in grosser Verbreitung bei den Insecten finden; nament- ich im Mastdarm, den Hautdrüsen, Spinn- und Malpighi’schen Gefässen ?). Einmal anerkannt, führt die amöboide Lebensthätigkeit der Kerngebilde fast mit zwingender Nothwendigkeit zur Vermuthung, es könne die Vermehrung der Kerne mit deren amöboider Thätig- keit zusammenhängen; denn verhält es sich nicht ähnlich auch bei der Theilung des Zellenleibes? Von besonderer Wichtigkeit zur weiteren Begründung dieser Ansicht sind zwei neue Aufsätze von Schleicher und Peremeschko. Ersterer?) beobachtete an lebenden Knorpelzellen ganz exquisite Bewegungen des Kernes. Unter Auflösung und Zerstückelung der Membran — (man vergleiche das weiter oben nach Stricker Mitgetheilte), — sah er den Kern in ein amöboides Rewegungsstadium (Karyokinesis) treten, wohl auch in Stäbehen, Körnchen u.s. w. zerfallen; deren amöboide Be- i) Unger, L., Ueber amöboide Kernbewegungen in normalen und ent- zündeten Geweben. Oesterreichische med. Jahrbb. 1878. Heft 3. (Citirt nach Waldeyer’s Jahresber.) 2) Schindler, E., Beiträge z. Kenntniss der Malpighi’schen Gefässe der Insecten. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXX p. 652. 3) Schleicher, W., Die Knorpelzelltheilung. Ein Beitrag zur Lehre der Theilung von Gewebszellen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XVl (1878). p- 248—300. Taf. XII—XIV. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 571 weglichkeit der Verfasser gleichfalls verfolgte. Einen Zweck der amöboiden Karyokinesis erblickt er in der Aufnahme von Proto- plasmatheilchen (Wachsthum). Die Tochterkerne entstehen, wie dies Schleicher an zahlreichen Präparaten beobachtete und durch Abbildungen illustrirte, durch amöboide Theilung des Mutterkerns; eine Karyolyse und Karyopalingenese existirt nicht. Unabhängig von seinen Vorgängern hat auch Peremeschko!) dieselben Erfahrungen über die Phänomene der Kern- und Zell- theilung machen können. Als Untersuchungsobjecte dienten ihm: Epithelzellen der Epidermis, sternförmige Bindegewebszellen, fer- ner farblose Blutkörperchen und jene spindelförmigen Zellen, aus welchen sich die Kapillaren entwickeln. Diese Elemente wurden am Schwanze junger Tritonlarven und zwar theils direct an leben- den, theils an mit Reagentien behandelten Thieren beobachtet. Am lebenden fand er überall manigfaltige, sehr ausgesprochene Ge- staltveränderungen des Kernes. Diese Phänomene sind namentlich auch während der Zelltheilung 'so prägnant, dass Peremeschko gewiss mit vollem Recht u. a. schreibt: „wir würden also bei dem Theilungsvorgange des Kernes mit sehr complieirten und anhal- tenden amöboiden (?) Bewegungen desselben zu thun haben.“ Das Fragezeichen hätte er gewiss weggelassen, wenn er mit den früheren Literaturangaben über die amöboide Beweglichkeit des Zellkerns bekannt gewesen wäre. Im Anschluss an die so eben besprochenen Aufsätze soll, wenn auch nur kurz, auf eine reichhaltige Arbeit von Flemming ?) verwiesen werden. Dieselbe zeigt aufs deutlichste, wie sehr die bisherigen Darstellungen der Kernspindeln, Kernplatten u. s. w. sche- matisirt und ihr Auftreten mehr als nöthig generalisirt wurde. Aus Raumersparniss begnüge ich mich mit diesem kurzen Hinweis; doch möchte ieh mir noch eine persönliche Bemerkung erlauben. Flemming eitirt zwar zwei meiner Arbeiten, würdigt sie jedoch keiner Analyse, weil sie angeblich nicht Zellen fertiger höher or- ganisirter Thiere betreffen. Ich bedauere dieses ausweichende Ver- halten‘‘um so mehr, als die thatsächlichen Wahrnehmungen des Verfassers sich@vortrefflich der Amöboidtheorie subsummiren lies- 1) Peremeschko, P., Ueb. d. Theilung der thierischen Zellen. Ibid. p. 437—457, Taf. XIX. 2) Flemming, Beitr. z. Kenntn. d. Zelle und ihrer Lebenserschei- nungen. Ibid. p. 302—436. Taf. XV— XVII. 572 Alexander Brandt: sen, namentlich, so zu sagen, eine Brücke von der karyolytisch- palingenetischen Ansicht zu dieser Theorie darstellen dürften. Als rother Faden zieht durch mehrere Kapitel meiner Schrift „Ueber das Ei“ die Auffassung des Keimbläschens als primäre Zelle, im Gegensatz zum ganzen Ei und anderen complieirteren, häufig, namentlich bei den höheren Thieren, die Mehrzahl der Ge- webe zusammensetzenden secundären Zellen. Nicht ohne langes Widerstreben konnte ich mich dazu entschliessen, die primäre Zellennatur des Keimbläschens zu proclamiren, stand sie doch zu sehr mit den seit längerer Zeit gang und gäbe gewordenen Auf- fassungen in Opposition. Trotz der scheinbaren Sorgfalt der zu Grunde liegenden Beobachtungen, hätte ich mich gescheut, mit meiner Ansicht vom morphologischen Werth des Keimbläschens vor die Oeffentlichkeit zu treten, wenn dieselbe neu gewesen wäre. Letzteres ist nun aber bekanntlich nicht der Fall, vielmehr war die betreffende Ansicht ehemals die herrschende und zählt noch gegenwärtig manchen Vertreter. Es dürfte hier nieht am Platze sein, nochmals die fremden und eigenen Argumente zu Gunsten der primären Zellennatur des Keimbläschens im einzelnen anzu- führen. Eines derselben liegt in der Existenz zweifacher, einen verschiedenen morphologischen Werth darbietender Elemente im sich entwickelnden Inseetenei, nämlich der Blastodermzellen und der Dotterballen (Furchungskugeln). Erstere halte ich für aus- schliesslich vom Keimbläschen ableitbare, primäre, letztere durch Umlagerung von überschüssigen Blastodermzellen entstandene se- eundäre Zellen. In Bezug auf diesen relativen Werth der Blasto- dermzellen und Dotterballen fand ich einen Opponenten in Bo- bretzky. Zur Widerlegung seiner Einwände sollte hauptsächlich der Commentar I dienen. In demselben findet sich übrigens zum Schluss noch ein Citat aus einer vorläufigen Mittheilung von Graber. Es liess sich daraus entnehmen, dass dieser Forscher, gleich mir, die Blastodermelemente als einfache Descendenten des Keimbläs- chens auffasst. Doch nicht lange war es mir vergönnt, mich von ihm bestätigt zu wähnen; denn schon bei der nächsten Gelegen- heit!) schweigt derselbe seine eben erwähnte Ansicht todt und 1) Graber, V. Die Inseeten. Th. II in: „Die Naturkräfte“. Bd. XXNH. 2. Hälfte. München 1879. p. 382. Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. 573 lässt nunmehr die Blastodermelemente durch Theilung nicht des Keimbläschens allein, sondern auch einer dasselbe umgebenden Sphäre von Bildungsdotter entstehen. Mit voller Bereitwilligkeit gebe ich zu, dass die Lehre von der Existenz primärer jund secundärer Zellen und die Zugehörig- keit des Keimbläschens zur ersten dieser beiden Categorien noch mancher näheren Begründung bedarf. Mit um so grösserer Zuver- sicht wage ich es einen weiteren Hauptsatz der Keimbläschentheorie des Eies hervorzuheben, nämlich die Persistenz des Keimbläschens. Das Keimbläschen, ein vom mütterlichen Organismus überkommenes Element, ob Kern, ob Zelle, gleichviel nimmt durch seine Vermehrung Theil am Aufbau des Embryos und hilft somit die Continuität der Individuen von Generation zu Generation sichern. Die das Keim- bläschen betreffende „Discontinuitätslehre“ entsprang — so möchte ich annehmen, — aus der Unkenntniss einer der fundamentalsten Lebenserscheinungen des Keimbläschens, seiner amöboiden Beweg- lichkeit. Wenn ich meinen Bemühungen auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Oologie.ein Verdienst anmassen dürfte, so möchte dasselbe in dem genaueren Nachweise dieser Lebenserscheinungen liegen, namentlich auch der Fähigkeit des Keimbläschens bis zur Unkenntliehkeit amöboid zu zerfliessen. Eine berühmte Controverse, welche fast so alt wie die Entdeckung des Keimbläschens ist, kommt hierdurch zum versöhnlichen Ausgleich. Vor Eintritt der Embryonalentwieklung kann nämlich das Keimbläschen schwinden oder auch nicht; unter seinem Schwinden ist jedoch kein Zu- grundegehen, sondern nur ein Entschwinden, d.h. ein zeitweiliges amöboides Undeutlichwerden zu verstehen. Eine weitere alte, noch gegenwärtig von manchen Forschern vertretene Ansicht über das endgültige Schicksal des Keimbläschens, nämlich seine Expulsion aus dem Dotter, ist dahin zu berichtigen, dass dieses Gebilde allerdings bei vielen Thieren an die Peripherie des Eies tritt und hier durch Selbsttheilung resp. Knospung die sog. Richtungsbläs- chen abgibt, seiner Hauptmasse nach hingegen im Dotter zurück- bleibt, und zwar häufig als amöboid contourirter, daher schwer wahrnehmbarer Körper. In diesem Sinne wurde das Endschicksal des Keimbläschens in meinen bisherigen Publicationen besprochen und auch in beiden vorstehenden Commentaren nach neuen frem- den Angaben demonstrirt. Sollte ich in meinen Deutungen frem- der Mittheilungen, wie dies leicht möglich, hier und da im Ein- 574 Alexander Brandt: Commentare zur Keimbläschentheorie des Eies. zelnen nicht das Richtige getroffen haben, so rechne ich auf die Nachsicht der Fachgenossen, welche ja die Schwierigkeiten des vorliegenden Gegenstandes beurtheilen können. Auch bei der Erklärung der Vermehrungsvorgänge am Keim- bläschen und seinen Descendenten, den Furchungskernen, ist deren amöboide Beweglichkeit durchaus in Anschlag zu bringen; weil ja überhaupt die physiologischen Eigenschaften eines jeden Wesens für seine weiteren Schicksale mit massgebend zu sein pflegen. Stets vollzieht sich die Vermehrung der sog. Furchungskerne unter amöboiden Bewegungen durch Theilung. An zeitweilig ruhenden Keimbläschen und Furchungskernen können sich tempo- räre Membrane (Cysten) ausscheiden, aus denen dann später das eneystirte Gebilde unter amöboiden Bewegungen hervorquillt. Bei den Befruchtungsvorgängen kommen gleichfalls amöboide Bewegungen in Betracht, und zwar nicht blos an den zu einem Klümpehen contrahirten Spermatozoen, sondern auch am Keim- bläschen. Nicht jede Annäherung und Verschmelzung zweier kern- ähnlicher Gebilde im Ei ist mit Nothwendigkeit eine Conjugation oder Befruchtung; denn es können sich auch durch einen amöboiden Zerfall des Keimbläschens entstehende Körper wieder amöboid mit einander vereinigen. Die wahren Conjugations- oder Befruch- tungsvorgänge im Ei scheinen in einer amöboiden Annäherung und darauffolgenden Verschmelzung zweier, meiner Ansicht nach, mor- phologisch gleichwerthigen Gebilde, des Keimbläschens nämlich und eines (oder auch mehrerer) Spermatozoen zu bestehen. Die parthenogenetische Entwicklung vieler Eier dürfte mit zwingender Nothwendigkeit darauf hinführen, dass der morphologische Werth des Keimbläschens durch die Befruchtung nicht verändert wird. Halten wir an diesem Satze fest, so ergiebt sich die Alternative: entweder wird das Spermatozoon vom Keimbläschen assimilirt, gleichsam verspeist, oder aber es verschmelzen und vermischen sich mit einander einerseits der Leib des Keimbläschens mit dem Leib des Samenelements (d. h. dem ehemaligen Schwänzchen) und der Kern des Keimbläschens (der Keimfleck) mit dem Kern des Samenelementes (seinem ehemaligen Köpfchen). Letztere Ansicht dürfte aus theoretischen Gründen die wahrscheinlichere sein. St. Petersburg im November 1879. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn, Li 3 ln I { Ye EV a REN Archiv £ miteroscop Anat.Bal_XU. ! I Be Ir nn nr ee u I RE IF... fig. TWLIBTUTLRET - % Archio r mikroskop. dnatomie. Ba. III. Taf HL. SS JR BED“ %D PET lithAnst. v.J.G.Bach, leipzig pzig [e J.E.Bach Le Li N Änst.v. op. Anatomie.Bd. ZU. leipzig Uth.Anstw.J.G. Bach, V.Graber ad nal.del. . %. | | Pr" > 4 ie 2 a‘ ML % [2 5 =. a * “ geee Fi E: FG [ a Fi: wa Be 2 u j en Sa" i EW Er u Rn, ß Gag ! 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