Ab Ba, Er ur HUNTER 6 ‘ a de u GL N ir EN ALL TG, N } “ $ TEN BERG N Ä NLSOH a RN u 1%, A Er 4 N 6 I LIE, Se a I" en & . j x I RR at Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie, Neunzehnter Band. Mit 34 Tafeln und 9 Holzschnitten. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1831. Inhaleıt. Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. Von N. Kast- schenko. (Aus dem embryologischen Institut zu Charkow.) Hierzu Tafel I und U . I Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel III—V Neues Schnellgefrier-Mierotom. Von Dr. med. Charles 8. Roy, Cam- bridge, England. Hierzu Tafel VI . TEEN Die Blutbildung auf dem Dottersack bei en VonH. Gensch, cand. med. (Vorläufige Mittheilung aus dem anatom. Laboratorium zu Königsberg i. P.) N ER Zur Kenntniss der Verbreitung von Leuchtorganen bei chen Von B. Solger. Mit einem Holzschnitt Er er u: Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uv ee der ne braten. VonDr. Arnoldo Angelucci aus Rom. Hierzu Tafel VI, VII, IX und 5 Holzschnitte MD on RR He Untersuchungen über Nervenfasern. Von Dr. Otto Pertik, Assistenten am anatomischen Institute zu Strassburg. Hierzu Tafel X Die Schleife. Von C. F. W. Roller. (Aus dem anatomischen Institut zu Strassburg.) Hierzu Tafel XI—XVI a ö ; Ueber die Retinazapfen der nächtlichen Thiere. Von W. ai ause, De fessor in Göttingen. Hierzu Tafel XVII 2% ei: Ein Irrigationsmesser zur Anfertigung mikroskopischer Schnittpräparate. Von Prof. Dr. von Thanhoffer (Budapest). Hierzu ein Holzschnitt Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. Von Walther HlemımımemnaKkvel ee ee Reagan %e Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. Von Dr. W. Wolff. Hierzu Tafel XVII. DE SI ne Bene ER: Der centrale Verlauf des nervus glossopharyngeus. — Der reihe late- ralis medius. Von Dr. C. F. W. Roller. (Anatomisches Institut zu Strassburg im Elsass.) Hierzu Tafel XIX u. XX. er: Ein kleinzelliger Hypoglossuskern. Von Dr. F.C. W. Roller. (Aus dem anatomischen Institute zu Strassburg.) Hierzu Tafel XIX, Fig. 5; Tafel XX, Fig. 9 u. 10 Seite 144 147 347 383 Ueber den Bau der äusseren Körnerschicht der Netzhaut bei den Wirbel- thieren. Von Dr. Gabriel Denissenko. Hierzu Tafel XXI Zur Morphologie des Ovariums. Von Dr. Karl Schulin. Hierzu Taf. XXII, XXIII u. XXIV. : ee ee Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. Nach Arbeiten Ernst Fischer’s mitgetheilt von Walther Flemming in Kiel. Hierzu RL RR a ee ne aber. en, Bemerkungen zu Herrn Krause’s Aufsatz über „die Nervenendigungen innerhalb der terminalen Körperchen“. Von Fr. Merkel. Nachtrag zur Mittheilung über das Schnellgefriermikrotom. Von Dr. Roy Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. Von Dr. C.Kerbert, Assistent am Zoologischen Institut in Amsterdam. Hierzu Tafel XXVIu. XXVII Anatomisches über Trichonisciden. Zugleich ein Beitrag zur Frage nach der Bedeutung der Chromatophoren, Pigmente und verzweigten Zellen der Hautdecke. VonDr.Max Weber, Lector der Anatomie in Utrecht. Hierzu Tafel NXXVIII und XXIX 2 Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. Von Fr. Merkel. Hierzu Tafel XXX EEE N - Beiträge zur Kenntniss des Zahnes und seiner Befestigungsweise im Kiefer. Von Dr. Ludwig Löwe in Berlin. Hierzu Tafel XXXI. Beiträge zur Kenntniss der Afterinuskulatur des Menschen. Von Dr. ©. Roux aus St. Croix (Waadt). (Aus dem anatomischen Institut des Prof. Dr. Aeby in Bern.) Hierzu Tafel XXXII und XXXII. Ueber den Bau und die Function des Kammes (Pecten) im Auge der Vögel. Von Dr. Gabriel Denissenko. Hierzu Tafel XXXIV. Notiz zur Geschichte der Anilinfärbungen. Von W. Flemming . Seite 395 442 513 523 527 529 579 649 703 721 733 741 Ueber die Genese und Architectur der Batrachier- knochen. Von N. Kastschenko. (Aus dem embryologischen Institut zu Charkow.) Hierzu Tafel I und 1. Die bis jetzt bekannten genetischen und topographischen Studien über die Knochenentwickelung sind hauptsächlich an Säugethier- und Vogelknochen angestellt worden !); was aber die niederen Vertebraten betrifft, so sind nur einige zerstreute Beob- achtungen über den elementaren Ossificationsprocess bei denselben vorhanden, der Wachsthumsmodus der Knochen ist aber ausser Acht gelassen. Ich habe mich bemüht den von Strelzoff vorge- zeigten Weg zu betreten und unter seiner Leitung das Knochen- wachsthum bei einem anderen Vertebratentypus genetisch und topographisch zu studiren. Meine Beobachtungen beziehen sich hauptsächlich auf rana esculenta, rana temporaria, bufo viridis und zum Theil auch auf hyla viridis. Die elementaren Össificationsvorgänge, sowie der Wachsthumsmodus der Knochen sind bei den genannten Thierarten so identisch, dass ich mich für berechtigt halte, das Beobachtete zu verallgemeinern. 1) Z. Strelzoff, Ueber die Histogenese der Knochen (Untersuchungen aus dem pathologischen Institut zu Zürich. Leipzig 1873). Genetische und topographische Studien des Knochenwachsthums (Unter- suchungen aus d. pathologischen Institut zu Zürich. 2. Heft). Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 1 2 N. Kastschenko: Untersuchungsmethode. Ich lege das frische Material für einige Tage in Müller’sche Flüssigkeit, dann, nach sorgfältigem Auswaschen in Wasser, in guten Alkohol. Als Entkalkungsmittel habe ich für jüngere Knochen Essigsäure, für ältere Salpetersäure benützt und gute Resultate erhalten. Die beiden Säuren müssen natürlich gehörig verdünnt sein. Die entkalkten Knochen werden in absolutem Alkohol aufbewahrt. Für Anfertigung mikroskopischer Schnitte von kleinen Froschlarven war es nothwendig das Präpa- rat nach vorheriger Tinetion in toto in Gummi einzubetten. Bei mikroskopischer Untersuchung der Knochen habe ich verschiedene Tinetionsmethoden durchprobirt und gefunden, dass die von Strel- zoff geübte Methode der doppelten Tinetion mit Hämatoxylin und Karmin die besten Dienste leistet, obwohl das Verhalten der Batra- chierknochen dabei etwas anders ist, als das der Säugethier- und Vogelknochen: je jünger das Thier ist, desto intensiver wird das Knochengewebe desselben mit Hämatoxylin und desto schwächer mit Karmin gefärbt, und umge- kehrt. Bei einer Froschlarve färbt sich das junge Knochenge- webe mit Hämatoxylin fast ebenso intensiv, wie der verkalkte Knorpel. Bei jungen Fröschen sind die doppelttingirten Knochen violett, bei erwachsenen purpurroth und bei alten rosaroth. Das Knorpelgewebe verschieden alter Frösche verhält sich gegen Häma- toxylin gerade so wie bei Säugethieren und Vögeln: der verkalkte Knorpel wird dunkelblau tingirt, der nicht verkalkte bietet ver- schiedene Nüancen von hellblauer Farbe dar. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Knochen sehr alter Frösche sehr schwach tingirt werden. Ich muss noch bemerken, dass ver- schiedene Knochenschichten eines und desselben Kno- chens sich auf verschiedene Weise gegen die doppelte Tinetion verhalten, und diese Erscheinung tritt desto merklicher hervor, je jünger der Knochen ist: wird ein sehr junger doppelt- tingirter Knochen blau oder violett gefärbt, so erscheinen die Jüngsten Schichten desselben rosa- oder purpurroth. | Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 3 I. Röhrenknochen. A. Entwickelungsgeschichte des Knochens aus präformirtem Knorpel. Das Knorpelskelet bei Batrachiern tritt sehr früh auf. Am frühesten erscheinen die Schädelknorpel. Bei einer 3 bis 4mm langen Krötenlarve (bufo viridis) findet man die Schädelbasis schon knorpelig, an den übrigen Körpertheilen ist noch kein Knor- pel vorhanden, die künftige Wirbelsäule ist noch häutig. Bald da- rauf und fast gleichzeitig erscheinen die Wirbel- und Extremitäten- knorpel. Der Verknöcherungsprocess lässt nicht lange auf sich warten: bei einer 5mm langen Larve (Bufo v.) sieht man schon die periostale Knochenbildung vor sich gehen. Der präformirte Knorpel eines Röhrenknochens erscheint in Gestalt eines soliden Cylinders mit verbreiterten und abgerun- deten Enden (Taf. I, Fig. 2). An den Enden des Knorpels bieten die Knorpelzellen alle Erscheinungen einer energischen Prolifera- tion dar, welche gegen das Mittelstück des Knorpels weniger leb- haft wird und in der Mitte desselben fast aufhört. Hier ist es schon schwierig eine zweikernige Knorpelzelle, oder zwei keilfür- mige, mit stumpfen Enden zu einander gekehrte Knorpelzellen zu finden. Die Knorpelzwischensubstanz ist desto reichlicher, je mehr wir uns dem Mittelstück des Knorpels nähern. An mikroskopischen Querschnitten des Knorpels (Fig. 1) fin- det man keine merkliche Grenze zwischen dem Knorpel (a) und dem den Knorpel umgebenden Perichondrium (b). Das Perichon- drium geht in den Knorpel so eontinuirlich über, dass zwischen den beiden Gebilden eine Uebergangsschicht existirt, welche weder dem Perichondrium noch dem Knorpel mit Sicherheit zugezählt werden darf. Die zelligen Elemente dieses neutralen Gebiets sind länglich, spindelförmig und viel kleiner, als dieselben der peri- pherischen Knorpelschicht. Gegen das Centrum des quergeschnit- tenen Knorpels nehmen die Knorpelzellen an Grösse zu. Was die zelligen Elemente des Perichondriums selbst betrifft, so sind die der Uebergangsschieht anliegenden klein und die die äussere Par- tie des Perichondrium bildenden spindelförmig und in der Rich- tung der Längsaxe des Knorpels ausgezogen. Man kann also am 4 N. Kastschenko: Periehondrium der Frösche, sowie an dem der Säugethiere eine innere (osteoplastische) und eine äussere Schicht unterscheiden; die beiden Schichten sind aber nicht so mächtig entwickelt wie bei Säugethieren. Die Zwischensubstanz des Knorpels ist ganz homogen und durchsichtig, in der Uebergangsschicht wird dieselbe feinkörnig, bildet mit der Interzellularsubstanz des Perichondrium ein Continuum und behält die feinkörnige Beschaffenheit in der inneren Schicht desselben. In der äusseren Perichondriumschicht wird die Zwischensubstanz fibrillär; die feinen und nicht isolir- baren Fibrillen verlaufen theils eoncentrisch um den Knorpel her- um, theils in der Längsrichtung des Knorpels. Die Zwischensub- stanz des Perichondrium, sowie die zelligen Elemente desselben sehen also ohne scharfe Grenze in das Knorpelgewebe über. Die vergrösserten Zellelemente des an Grundsubstanz reichen Knorpels fallen einer regressiven Metamorphose anheim (Fig. 1, a). Die Knorpelzellen schrumpfen ein, werden undurchsichtig; etwas später zerfallen dieselben in eine feinkörnige Masse und sehen endlich ganz und gar zu Grunde. Der feinkörnige Detritus ist in Aether nicht löslich. In Folge der Schrumpfung der Knor- pelzellen werden die Perizellularräume viel grösser und nach dem Zerfall und Untergang der Knorpelzellen erscheinen die Knorpel- höhlen ganz leer. Die Knorpelgrundsubstanz stellt sich jetzt in Form eines durchsichtigen Netzes dar, dessen Maschen die leeren Knorpelhöhlen sind. Der beschriebene regressive Process findet in dem Mittelstück des Knorpels, aber nieht ganz in der Mitte, son- dern in dem oberen und unteren Viertel desselben (Fig. 2, b) statt; die Knorpelenden erleiden keine regressiven Veränderungen. Bald darauf verbreitet sich der beschriebene Vorgang auf den Mittel- punkt des Knorpels und wird von dem Zugrundegehen der Knor- pelgrundsubstanz begleitet (Fig. 4). Eine Verkalkung der Knorpel- grundsubstanz findet nicht statt; die letztere wird immer durch- sichtiger, besonders an den den Knorpelhöhlen unmittelbar anlie- genden Stellen und schwindet endlich ganz und gar, so als ob dieselbe durch Auflösung zu Grunde gegangen wäre (m). In die- sem Stadium wird die Knorpelgrundsubstanz mit Karmin und Hämatoxylin sehr schwach oder gar nieht gefärbt und ist manch- mal so durchsichtig, dass dieselbe fast unsichtbar wird; die unzer- stört gebliebenen Knorpelzellen scheinen frei in der durch die Knorpelzerstörung entstandenen Höhle zu liegen. Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 5 Die in Vermehrung begriffenen zelligen Elemente der inneren Schicht des Periosts, welche in Gestalt bald runder, bald spindel- oder sternförmiger Zellen erscheinen und durch eine spärliche, bald feinkörnige, bald fibrilläre Zwischensubstanz zusammengehal- ten werden, treten jetzt in den durch die Knorpelzerstörung ent- standenen Raum (Fig. 3, n) hinein. Das ist der primordiale Markraum (Strelzoff’s), der in Folge der fortwährenden Knor- pelzerstörung zum Tubus medullaris wird. Das den letzteren aus- füllende Gewebe ist Markgewebe; dasselbe bildet mit der osteo- plastischen Schicht des Periosts ein Continuum. Da die Knorpel- srundsubstanz durch eine Art Auflösung zu Grunde geht, so wird der in Auflösung begriffene Knorpel gegen den Tubus medullaris nicht scharf begrenzt. Diese Zerstörungslinie (m) ist bei einer mässigen Vergrösserung, und besonders wenn der Markrauminhalt herausgefallen ist, sehr schwierig oder gar nicht zu sehen. Bei der beschriebenen regressiven Metamorphose des präformirten Knor- pels werden in der Regel die Knorpelzellen zerstört; manchmal bleiben nur sehr wenige durch die Metamorphose verschonte Zel- len übrig, welche nach der Auflösung der Knorpelgrundsubstanz zwischen die Markzellen zu liegen kommen und sich von den letz- teren durch ihre Grösse und Gestalt unterscheiden. An diesen Elementen habe ich nie eine Spur von Theilung beobachtet und das weitere Schicksal derselben ist mir ganz unbekannt. In diesem Entwickelungsstadium ist schon eine periostale Knochenkruste vor- handen (ec), von der aber erst später die Rede sein wird. Auf die beschriebene Weise geht das ganze Mittelstück des Knorpels zu Grunde, so dass ein breiter, mit Markgewebe ausge- füllter und von der periostalen Knochenschicht umgebener Raum (tubus med.) entsteht, der in Folge der gegen die Knorpelenden fortschreitenden Knorpelauflösung länger wird. An mikroskopischen Längsschnitten aus den frühesten Stadien der Markraumbildung (Fig. 3 u. 4) erscheint die Zerstörungsgrenze des Knorpels gerad- linig; etwas später, wenn der Zerstörungsprocess das obere und untere Viertel des Knorpels erreicht hat, geht der Auflösungspro- cess in der axialen Partie des Knorpels viel energischer vor sich und jetzt stellt sich die Zerstörungslinie (Fig. 5, f) in Gestalt eines mit der Convexität zu den Knorpelenden gekehrten Bogens dar. Die Knorpelhöhlen werden in der Richtung der Längsaxe des Knorpels abgeplattet, das Lumen derselben erscheint an mikro- 6 N. Kastschenko: skopischen Längsschnitten spaltenförmig und manchmal so eng, dass dasselbe nur sehr schwierig oder gar nicht zu sehen ist. Die Knorpelgrundsubstanz ist nicht mehr so durchsichtig wie früher und an zerzupfiten Präparaten erscheint dieselbe feinkörnig oder fibrillär. Die feinen Fibrillen sind nicht zu isoliren. Bis jetzt gehen die Knorpelzellen durch einen feinkörni- sen Zerfall zu Grunde; etwas später nimmt der regressive Pro- cess einen anderen Charakter an: die Knorpelhöhlen werden fettig infiltrirt (Taf. Il, Fig. 20). In den in der Nähe der Zerstörungs- linie des Knorpels liegenden Knorpelhöhlen bemerkt man stark Licht brechende, dunkeleontourirte Tröpfehen (e), welche in Aether löslich sind. In einigen Knorpelhöhlen ist nur ein einziges Fetttröpfehen vorhanden, welches grösser und grösser wird und endlich die ganze Knorpelhöhle ausfüllt (f). Die Knorpelzelle, die an Grösse abgenommen hat, wird durch das sich vergrössernde Fetttröpfehen an die Höhlenwand geschoben und liegt jetzt zwi- schen der Höhlenwand und dem Fetttröpfehen, wodurch das letz- tere nierenförmig erscheint. Manchmal findet man mehrere Fett- tröpfehen in einer und derselben Knorpelhöhle, welche später zu- sammenfliessen und einen grossen, die ganze Höhle ausfüllenden Fetttropfen bilden. Jetzt geht, wie früher, die Knorpelgrundsub- stanz ohne Verkalkung durch allmälige Auflösung zu Grunde. Wird dieselbe zerstört, so findet man die zusammengeflossenen Fetttropfen (m) in der Knochenmarkhöhle zwischen den Markzellen frei liegen. So beobachtet man in diesem Entwickelungsstadium eines Köhrenknochens eine mehr oder weniger mächtige aus Fett- tropfen bestehende Schicht, welche in der oberen und unteren Partie der Tubus medullaris an der Grenze des sich auflösenden Knorpels gelagert ist. Die Fettinfiltration der Knorpelhöhlen geht in verschiedenen Untersuchungsobjeeten nicht gleich energisch vor sich; dieselbe scheint individuellen Schwankungen unterworfen zu sein und ist bei einigen Exemplaren sehr schwach ausgesprochen. Es ist auch nothwendig hervorzuheben, dass die beschriebene Fett- infiltration der Knorpelhöhlen in dem betreffenden Entwickelungs- stadium kein exelusiver Zerstörungsprocess der Knorpelzellen ist: Jetzt, wie früher, fallen sehr viele Knorpelzellen dem oben be- schriebenen feinkörnigen Zerfall anheim, so dass die beiden regres- siven Vorgänge nebeneinander verlaufen; da aber die Fettinfiltra- tion prävalirt, so ist dieselbe wegen der Deutlichkeit der Bilder Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 7 am meisten augenfällig. Der Auflösung der Knorpelgrundsubstanz geht jetzt fast immer der feinkörmige oder feinfbrilläre Zerfall derselben voraus. Indem der beschriebene Process am Mittelstück des Knorpels nach beiden Richtungen des letzteren hin fortschrei- tet, verlängert sich der Knorpel auf Kosten der wachsenden Ge- lenkenden, so dass mit der fortwährenden Verlängerung des Knor- pels der durch die Zerstörung des letzteren entstandene Tubus medullaris länger wird. Das ganze Mittelstück des Knorpels geht vollständig zu Grunde, der Tubus medullaris enthält keine Knor- pelreste, derselbe ist mit Markgewebe und Fetttropfen ausgefüllt. Bis jetzt findet in dem mit der periostalen Rinde umgebenen Tubus medullaris keine Knochenbildung statt. Zu dieser Zeit fängt die Zerstörung der axialen Partie des Knorpels an viel energischer vor sich zu gehen, als die der Peri- pherie desselben, so dass die axiale Knorpelpartie auf einer ziemlich bedeutenden Strecke schwindet, die peripherische aber übrig bleibt. Dieses unzerstört gebliebene Knorpelstück (Tai. I, Fig. 6, g) stellt sich in Form eines Knorpeleylinders dar, der im oberen und unteren Viertel des Tubus medullaris gelagert ist und mit dem epiphysären Knorpel ein Ganzes bildet. Seine innere Fläche ist dem Tubus med. zugekehrt und seine äussere liegt dem periostalen Knochen an. An den durch die betreffende Stelle quer- geführten Schnitten findet man den Tubus medullaris von einem Knorpelring (Fig. 7, g) und diesen letzteren von periostalen Kno- chen umgeben. Da das in Rede stehende Knorpelstück eines der wichtigsten Architeeturelemente des Knochens ist und in allen späteren Entwickelungsstadien fortexistirt, so werde ich dasselbe als wandständigen Knorpel bezeichnen. Etwas später wird der regressive Process insofern begrenzt, als nicht der ganze Knorpel en masse zu Grunde geht, sondern eine grosse Partie desselben übrig bleibt: der Knorpel wird 'kanalisirt. Die durch den Knorpeluntergang entstandenen Knor- pelkanäle (Fig. 6 und 7, b) stehen mit dem Tubus medullaris in freier Communication und werden mit Markgewebe von dem letz- teren ausgefüllt. Die von der Zerstörung verschonten Knorpel- partien erscheinen jetzt als Knorpelbalken (Fig. 6, h), welche die Knorpelkanäle von einander trennen. Erst von jetzt an tritt eine Verkalkung des präformirten Knorpels auf. Der Verkalkungsprocess geht sehr unregelmässig 8 N. Kastschenko: vor sich: Die Knorpelgrundsubstanz verkalkt insel- förmig. Man findet solche verkalkte eireumscripte und scharf eontourirte Stellen an den die Knorpelkanäle trennenden Knorpel- balken zerstreut. Am häufigsten beginnt der Verkalkungsprocess an dem oben erwähnten, den Tubus med. umgebenden wandstän- digen Knorpeleylinder und kommt auch hier nicht gleichmässig, sondern inselförmig vor. Der Zerstörungsprocess des Knorpels schreitet immer weiter fort und es ist zu bemerken, dass meistens die nicht verkalkten Knorpelpartieen zu Grunde gehen, obschon auch das Umgekehrte stattfindet. Neben der Verkalkung der Knorpelgrundsubstanz findet man auch die fettige Infiltration der Knorpelhöhlen, so dass die beiden regressiven Processe nebenein- ander vorkommen. Fassen wir jetzt die an dem präformirten Knorpel beobach- teten und oben beschriebenen elementaren Vorgänge in’s Auge, so finden wir, dass, nachdem das Knorpelgewebe eine gewisse Höhe progressiver Entwickelung erreicht hat, dasselbe einer regressiven Metamorphose anheimfällt. Der ganze Entartungsprocess lässt sehr charakteristische, zeitlich und räumlich ziemlich scharf getrennte Stadien unterscheiden, welche regelmässig aufeinander folgen und dann gleichzeitig nebeneinander verlaufen. Diese Stadien sind: l. Feinkörniger Zerfall der Knorpelzellen, Auflösung der homogenen Knorpelgrundsubstanz. 2. Fettinfiltration der Knorpelhöhlen, feinkörniger und feinfibrillärer Zerfall und nachfolgende Auflösung der Knorpelgrundsubstanz. 3. Inselförmige Verkalkung der Knorpelgrundsubstanz; Ka- nalisation des Knorpels. Obwohl in der neuesten Zeit das Zugrundegehen der Knor- pelzellen und die Abstammung der Markzellen von der osteopla- stischen Beinhautsehicht als sicher nachgewiesen betrachtet wer- den können, hat doch vor Kurzem Virchow !) hervorgehoben, dass bei der Knorpelmarkraumbildung die Knorpelzellen zu Mark- zellen werden. Was die Knorpelmarkraumbildung bei Batrachiern betrifft, so sind die miskroskopischen Bilder so überzeugend und 1) Ueber Bildung und Umbildung von Knochengewebe im mensch- lichen Körper (Berliner klinische Wochenschrift, 1875, Nr. 1 und 2). Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 9 der Untergang der entarteten Knorpelzellen fällt so grob in’s Auge, dass kein Zweifel mehr darüber herrschen kann. Um eine zusammenhängende Auseinandersetzung des am Mit- telstick des Knorpels verlaufenden Processes zu geben, habe ich die Knorpelenden ausser Acht gelassen. Dieselben gestalten sich aber sehr eigenthümlich (Fig.5). Der in einem sehr frühen Entwieklungsstadium des Knorpels schon vorhandene periostale Knochen umgibt den präformirten Knorpel wie eine Hülse und lässt die beiden Knorpelenden frei. Je nachdem der Zerstörungs- process in der Mitte des Knorpels nach der Richtung der beiden Knorpelenden fortschreitet, wächst der von dem periostalen Knochen umgebene Knorpel der Quere sowie der Länge nach fort. In den von periostalem Knochen freien Knorpelenden (a) prävalirt dage- gen das Querwachsthum, wodurch die betreffenden Knorpelenden knopfförmig werden. Die Ränder des knorpeligen Knopfes fahren fort nach derselben Richtung zu wachsen, biegen sich nach unten gegen den periostalen Knochen (d), so dass das Knorpelende pilzförmig sich gestaltet. An diesem pilzför migen Knorpel kann man zwei Theile — einen Stiel und einen Hut unterschei- den. Der Stiel (ghf) ist in den periostalen Knochencylinder ein- geschoben, der Hut (ad) bleibt frei und bedeekt das Knochenende wie eine Kappe. Die beiden beschriebenen Theile des pilzförmi- gen Knorpels bilden ein Ganzes und gehen ohne scharfe Grenze in einander über. Der nach unten gebogene Rand des korpeligen Hutes kommt aber nicht mit dem periostalen Knochen in Berüh- rung, sondern ist von deım letzteren durch die Beinhaut (b) ge- trennt. An in der betreffenden Höhe geführten Querschnitten findet man den querdurchsehnittenen Knochencylinder von einem durch die Beinhautschicht von dem letzteren getrennten Knorpelring umgeben. An mikroskopischen Längsschnitten des pilzförmigen Knor- pels beobachtet man, dass die durch eine spärliche Zwischensub- stanz getrennten Knorpelzellen an der Peripherie des Hutes (a) sehr klein, spindelförmig und in der Weise gelagert sind, dass dieselben in der Riehtung nach dem Stiel strahlenartig zu conver- giren scheinen, indem sie sich vergrössern und abrunden. Hier bieten die Knorpelzellen unzweideutige Merkmale einer Vermeh- rung dar, die desto lebhafter wird, je näher die Zellen der Peri- pherie des Knorpels liegen. An der Stelle, wo der Hut in den 10 N. Kastschenko: Stiel übergeht (g), erscheinen die Knorpelhöhlen in der Richtung der Knorpellängsaxe abgeplattet, spaltenförmig, an mikroskopischen Querschnitten aber rund und verhältnissmässig gross. Die vergrös- serten und abgerundeten Knorpelzellen werden auch an der obe- ren, dem Hut zugekehrten Partie des Stieles beobachtet, mit dem Unterschied, dass dieselben nicht abgeplattet sind und an Längs- und Querschnitten rund arscheinen. Eine Theilung dieser hyper- trophirten Knorpelzellen ist nicht nachzuweisen. Mit der Vergrösse- rung der Knorpelzellen nimmt die Knorpelgrundsubstanz zu. Die untere, dem Tubus medullaris zugekehrte und zu gleicher Zeit die grösste Partie des Stieles (h) bietet verschiedene und schon oben besprochene Stadien der Knorpelentartung dar, die desto ausge- sprochener wird, je mehr wir uns dem Tubus medullaris nähern. Ziehen wir jetzt den ganzen pilzförmigen Knorpel in Be- tracht, so können wir an demselben von oben nach unten drei verschiedene Knorpelschichten unterscheiden, welche ohne scharfe Grenze in einander übergehen, nämlich: 1. Proliferationsschicht des Knorpels, welche den gan- zen Hut des Pilzes einnimmt. 2. Hypertrophische Schicht, welche je nach dem Ent- wickelungsstadium eine mehr oder weniger bedeutende Verbreite- rung hat, indem dieselbe die Grenze zwischen dem Hut und Stiel und die obere Partie des letzteren einnimmt. 3. Regressive Schicht, welche die untere Partie des Stieles ausmacht. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die beiden letzteren Knorpelschiehten desto mächtiger werden, je energischer der Wachsthumsprocess des betreffenden Knochens vor sich geht. Eine solche Unterscheidung der Knorpelschichten ist nur in gewissen Entwickelungsstadien möglich. Bei alten Fröschen findet man an den mittleren Partien des knorpeligen Hutes, wo die Knorpelgrund- substanz nicht verkalkt ist, eine Kalkinfiltration der Knor- pelhöhlen (Taf. Il, Fig. 17 B). Die in der Knorpelhöhle liegende Kalkmasse (d) ist homogen, ganz durchsichtig, scharf eontourirt; die atrophirte Knorpelzelle ist durch dieselbe zur Seite geschoben. Die eingelegte Kalkmasse nimmt die Gestalt der Knorpelhöhle an und bietet an der der Knorpelzelle zugekehrten Fläche eine Ver- tiefung dar, wodurch diese Masse nierenförmig erscheint und an die früher besprochenen, eine ähnliche Form annehmenden Fett- Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 11 tropfen erinnert. Einige Knorpelhöhlen sind nicht so vollständig mit Kalk infiltrirt, enthalten aber durchsichtige Kalkkrümel (ec), welche in Perizellularräumen derselben liegen. An einigen Stellen sind die in der verkalkten Grundsubstanz liegenden Zellen auch verkalkt und können erst nach der Entkalkung des Präparates ent- deekt werden. Bei der Untersuchung der verkalkten Stellen leistet verdünnte Salzsäure ausgezeichnete Dienste. In vorgerücktem Alter der Frösche verkalkt auch in der Regel die hypertrophische Knorpelschicht, wo man die abgeplatteten Knorpelhöhlen vor- findet. Mit den oben beschriebenen, am präformirten Knorpel ablau- fenden Vorgängen ist aber die Entwickelungsgeschichte desselben nicht abgeschlossen. Die unzerstört gebliebenen Knorpelbalken ossifieiren und der Verknöcherungsprocess geht unzweifelhaft metaplastisch vor sich. Die Knorpelverknöcherung beginnt ver- hältnissmässig spät und in dem Entwickelungsstadium, wo der Knorpel in Kanalisirung begriffen ist. Viel früher ist schon ein anderer Ossificationsprocess thätig, der im Tubus medullaris statt- findet und der Metaplasie des Knorpels vorhergeht. Wollen wir chronologisch verfahren, so müssen wir mit diesem anfangen. In dem Entwickelungsstadium, wo das ganze Mittelstück des Knorpels durch den oben beschriebenen Zerfall der Knorpelzellen und die Auflösung der Knorpelgrundsubstanz zu Grunde gegangen und der mit Markzellen ausgefüllte Tubus medullaris von dem periostalen Knochen umgeben war, fangen die der inneren Fläche des periostalen Knochens anliegenden Markzellen an sich zu ver- srössern und die betreffende innere Knochenfläche epithelienartig zu überziehen. Diese vergrösserten, wandständigen Zellen sind nichts anderes, als die Osteoblasten Gegenbaur’s, welche zu Knochensubstanz sklerosiren. Dieser Verknöcherungsprocess stimmt mit der von verschiedenen Forschern an Säugethierknochen be- schriebenen neoplastischen Ossifieation vollkommen überein. In Folge dieses Verknöcherungsvorganges, wird eine Schicht Knochen an der inneren Fläche des periostalen Knochens abgelagert (Tat. I. Fig. 6, S und 9, e) und da die neugebildete Knochenschicht in- tramedullär entsteht, so werde ich dieselbe intramedulläre Knochensehicht nennen. Damit ist noch ein Architekturele- ment des Knochens gewonnen, welches später noch zu verfol- gen ist. 12 N. Kastschenko: Mit dem fortwährenden Wachsthum des Knochens schreitet auch der Zerstörungsprocess des Knorpels nach oben und unten fort und verlängert sich der Tubus medullaris. Zu gleicher Zeit verlängert sich auch der den Tubus med. umgebende periostale Knocheneylinder und, je nachdem die innere Fläche des letzteren durch den Schwund des Knorpels befreit wird, wird dieselbe mit der sich fortbildenden intramedullären Knochenlamelle bedeckt. Die drei Procssse: Zerstörung des Knorpels, Verlängerung der perio- stalen Rinde und Bildung des intramedullären Knochens verlaufen gleichzeitig nebeneinander und dauern so lange fort, bis der Zer- störungsprocess des Knorpels aufhört, oder wenigstens seinen Charakter ändert und die Kanalisation des Knorpels auftritt. In Betreff der intramedullären Knochenlamelle muss ich den Umstand hervorheben, dass dieselbe nicht an allen Punkten der periostalen Rinde apponirt wird. Gerade in der Mitte der Diaphyse bleibt die intramedulläre Knochenbildung fast ganz aus, so dass an der entsprechenden Stelle der Tubus med. in allen Entwickelungssta- dien von periostalem Knochen umgeben ist. Die intramedulläre Knochenlamelle ist also nie continuirlich, dieselbe stellt zwei Kno- cheneylinder dar, welche von beiden Enden des Tubus med. nach der Mitte der Diaphyse gehen, aber den Mittelpunkt des letzteren fast nie erreichen. Hier fehlt in der Regel die intramedulläre Kno- chenlamelle und wird von Anfang an nicht gebildet. Zwischen dem periostalen Knochen und der intramedullären Lamelle bleibt eine feine Linie (e) übrig, welche die Grenze zwischen den beiden Knochenarten markirt und die der von Strelzoff an Säugethier- knochen beschriebenen endochondralen Grenzlinie analog ist. Da bei Batrachiern keine endochondrale Ossification im engeren Sinne stattfindet, so kann diese Linie nicht die oben erwähnte Bezeich- nung beibehalten. Da aber dieses Gebilde in allen späteren Ent- wickelungsstadien der Batrachierknochen fortexistirt und immer zu finden ist, so ist es zweckmässig dieselbe mit einem besonderen Namen zu belegen. Ich werde diese Linie perichondrale Grenz- linie nennen. In dem Stadium der Knorpelkanalisation hört die intrame- dulläre Knochenbildung nicht auf. Indem der metaplastische Ver- knöcherungsprocess sich in den Knorpelbalken abzuspielen anfängt, gruppiren sich die hypertrophirten Markzellen (Osteoblasten) an den Knorpelbalken, überkleiden die letzteren epithelienartig und Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 13 selerosiren zu Knochengewebe (Fig. 12). Von diesem Augenblicke an verlaufen die beiden Ossifieationsvorgänge nebeneinander. Der Metaplasie des Knorpels geht immer die Verkalkung der Knorpelgrundsubstanz voraus. Zu dieser Zeit sind die die Knorpelkanäle trennenden Knorpelbalken schon verkalkt. Die me- taplastische Knorpelverknöcherung geht auf zwei. verschiedene Weisen vor sich: eircumscript und diffus. Bei der eircum- scripten Metaplasie des Knorpels treten die Knorpelkapseln (Fig. 12, a) viel deutlicher hervor und werden sehr scharf con- tourirt. An doppelttingirten Präparaten beobachtet man, dass die- selben gemischt oder rosaroth, aber sehr schwach gefärbt werden. Etwas später färben sich die Kapseln durch Karmin sehr intensiv und da die Knorpelgrundsubstanz mit Hämatoxylin dunkelblau tingirt wird, so erhält man an doppelttingirten Präparaten ein zierliches Bild: auf einem dunkelblauen Felde sind scharf contou- rirte, mehr oder weniger intensiv roth gefärbte Ringe (ec, g) zer- streut, welche je eine Zelle enthalten. Nach der Ossification der Knorpelkapseln schreitet der Verknöcherungsprocess weiter fort: die den ossifieirten Knorpelkapseln unmittelbar anliegende Knorpelgrund- substanz fängt auch an zu verknöchern, wobei um die betreffen- den Knorpelkapseln herum ein Hof (d, e) erscheint, der an dop- pelttingirten Präparaten entweder ganz ungefärbt und hell, oder violett rosaroth und später purpurroth tingirt wird und genau die- selben Farbenüancen darbietet, welche man an den in Ossification begriffenen und oben besprochenen Knorpelkapseln beobachtet. Bei diesem Untersuchungsmodus ist jede Knorpelkapsel ein Mittel- punkt, von dem aus der Össifieationsprocess nach allen Richtungen hin auf die Knorpelgrundsubstanz sich verbreitet und Knochenter- ritorien bildet, welche mehr oder weniger eircumscript erscheinen. In der Regel beginnt die Metaplasie der Knorpelkapseln an peri- pheren Partien der Knorpelbalken und schreitet gegen die Mitte derselben fort. Mit der fortwährenden Knochenentwickelung ver- grössern sich die Knochenterritorien (Fig. 16) und fliessen zusam- "men, indem dieselben in der Längsaxe des betreffenden Knochen- balkens sich begegnen und merkwürdigerweise eine Linie (b) an der Stelle des Zusammenstossens hinterlassen, welche dem von Tomes und Morgan als Zerstörungs- und von Strelzoff als interterritoriale Linie beschriebenen Gebilde ähnlich ist. Diese Linie bleibt permanent, geht wellenförmig der Längsaxe des Knor- 14 N. Kastschenko: pelbalkens nach und wird durch nichts weniger als durch eine Knochenzerstörung gebildet. Indem der eben beschriebene Ossi- ficationsvorgang vor sich geht, schwindet die Grenze zwischen den ossifieirten Knorpelkapseln und der in Ossification begriffenen Knorpelgrundsubstanz. Die rundlichen Knorpelbalken werden un- regelmässig, "eckig, später sternförmig (Fig. 12 a,b, e,d,e) und entwiekeln communieirende Ausläufer. So geht der Knorpel direet in Knochen über, wobei die Knorpelgrundsubstanz zu Knochen- gsrundsubstanz und die Knorpelhöhlen zu Knochenhöhlen werden. Verläuft die Knorpelverknöcherung diffus (Fig. 16, e), so be- obachtet man an doppelttingirten Präparaten, dass die Knorpel- balken an ihren Rändern farblos oder gemischt gefärbt erscheinen, so dass sie mit einem hellen, violett oder rosaroth gefärbten Saum umgeben zu sein scheinen. Der Saum selbst ist nichts Anderes als die in Össification begriffene Grundsubstanz der Knorpelbalken. Etwas später wird der Saum mit Karmin intensiv roth gefärbt und geht in die blau gefärbte Knorpelgrundsubstanz so unmerklich über, dass zwischen den beiden eine neutrale Zone entsteht, welche weder der Knochen- noch der Knorpelgrundsubstanz mit Sicher- heit zugezählt werden kann und an doppelttingirten Präparaten alle die schon erwähnten Farbennüancen darbietet. Die metapla- stische Verknöcherung beginnt also an den Rändern der Balken und von hier aus verbreitet sie sich weiter. In diesem Falle tre- ten die Knorpelkapseln nicht deutlich hervor, fliessen mit der Knorpelgrundsubstanz zusammen und ossifieiren, je nachdem der Verknöcherungsvorgang die betreffenden Stellen erreicht. Bei der diffusen Metaplasie, welche viel seltener als die eireumseripte vor- kommt, werden keine interterritorialen Linien gebildet. Jetzt muss ich hervorheben, dass die beiden metaplastischen Össifieationsvorgänge nicht immer so rein vorkommen, wie diesel- ben von mir beschrieben sind. Manchmal gehen die beiden Vor- gänge gemischt vor sich, aber so, dass dieselben sehr gut beob- achtet und von einander unterschieden werden können. Die meta- plastisch ossifieirten Knorpelbalken werden durch die an ihrer Fläche stattfindende und intramedullär verlaufende neoplastische Verknöcherung (Fig. 12 und 16) verstärkt. Die Grenze zwischen der intramedullär gebildeten und der metaplastisch entstandenen Knochensubstanz ist verwischt, man kann nieht mit Bestimmtheit sagen, wo die eine aufhört und die andere beginnt. Ueber die Genese und Architecetur der Batrachierknochen. 15 Um die Entwiekelungsgeschichte des präformirten Knorpels bei Batrachiern abzuschliessen, muss ich noch hinzufügen, dass bei diesen Thieren die neoplastische (intramedulläre) Ossification keineswegs in geöffneten Knorpelhöhlen stattfindet, also keine en- dochondrale Ossifieation (im Sinne Strelzoff’s) existirt; vielmehr verläuft der neoplastische Ossificationsprocess an der Fläche der unzerstört gebliebenen Knorpelbalken. In Folge dessen »fehlen hier diejenigen Gebilde, welehe die endochondrale Knochenbildung bei Säugethieren charakterisiren, nämlich: säulenförmige Anord- nung der Knorpelzellen, Verkalkungsrand, Granulationsräume, Glo- meruli ossei u. s. w. Die an mikroskopischen doppelttingirten Präparaten zur Beobachtung kommenden Bilder der Metaplasie des Froschknorpels sind denjenigen zu vergleichen, welche man an den knorpeligen Fortsätzen des Unterkiefers bei Säugethieren findet. Die Knorpelenden der Batrachierknochen verknöchern nie, die Knochenepiphysen werden also nicht gebildet. B. Periostale Knochenbildung. Sägt man einen jungen, in Entwickelung begriffenen Röhren- knochen (Fig. 6) der Länge nach durch, so sieht man, dass der- selbe aus zwei in einander geschobenen Knochencylindern besteht — einem äusseren (d) und einem inneren (ce), welche durch eine scharfe Linie (e) von einander getrennt sind. Diese Linie ist nichts Anderes, als die schon oben beschriebene perichondrale Grenzlinie. Der äussere Knochencylinder, der viel mächtiger als der innere ist, wird von dem Perichondrium aus gebildet und stellt den periostalen Knochen dar. Der innere Knocheneylinder ist der auch schon besprochene, theils intramedullär, theils metapla- stisch entstandene Knochen. Da diese beiden Knochenarten so innig zusammenfliessen, dass man an einem durch diese beiden Össifieationsprocesse entstandenen Knochenbalken nicht mehr be- stimmen kann, was eigentlich intramedullär und was metaplastisch gebildet worden ist, so werde ich der Bequemlichkeit wegen den inneren Knocheneylinder, also den gesammten Knochen, welcher nach innen von der perichondralen Linie liegt, als endostalen Knochen bezeichnen. Untersucht man die Röhrenknochen von ver- 16 N. Kastschenko: schieden alten Fröschen, so sieht man immer die perichon- drale Grenzlinie die beiden Knocheneylinder, d. h. den periostalen und endostalen Knochen von einander trennen. Da diese Linie ein permanentes Gebilde ist und von ihrer Entstehung an bis in das späteste Lebensalter des Thieres fort- existirt, so wird damit die Möglichkeit geboten eine Topographie des Knochens zu konstruiren. Ehe ich zu der Schilderung des am Perichondrium vor sich gehenden elementaren Ossificationsvor- ganges übergehe, finde ich es zweckmässig die an ausgewach- senen Röhrenknochen zu beobachtenden Knochenschichten zu be- schreiben. Es ist aber nothwendig vorauszuschicken, was ich eigentlich unter einem erwachsenen Frosche verstehe. Ich habe nie einen Frosch gefunden, an welchem der Verknöcherungsprocess abgelaufen wäre. An den grössten Fröschen kann man die von mir in dieser Arbeit beschriebenen Entwickelungsvorgänge vor sich gehen sehen. Es liegt der Gedanke nahe, dass der Frosch sein ganzes Leben hindurch im Wachsthum begriffen ist. Die gröss- ten Frösche (rana eseulenta), welche man in Charkow findet, mes- sen 8-9 cm vom Kopfe bis zum Steisse. Ich werde also solche Thiere als erwachsene, als alte betrachten. Die an querdurchschnittenen Röhrenknochen erwachsener Frösche sich darstellenden Bilder zeigen einige Eigenthümlichkei- ten je nach der Höhe, in welcher der Schnitt geführt ist. An den in der Nähe des Gelenkendes querdurchschnittenen Präpara- ten (Fig. 7) sieht man, dass der Knochen aus zwei in einander geschobenen Ringen besteht, von denen der innere (g) der früher besprochene wandständige (und schon ossifieirte (e)) Knorpel und der äussere (qdf) der periostale Knochen ist. Die innere Fläche des wandständigen Knorpels ist dem Tubus med. und die äussere dem periostalen Knochen zugekehrt und von dem letzteren durch eine Linie (e), die perichondrale Grenzlinie, getrennt. Der wand- ständige Knorpel ist entweder in seiner inneren Partie oder in toto ossifieirt, durch die intramedulläre Ossification verstärkt, und stellt den oben besprochenen endostalen Knochen dar, der in die- ser Höhe noch die Spongiosabalken führt. An dem periostalen Ringe bemerkt man zwei verschiedene, ohne scharfe Grenze in einander übergehende Knochenschichten. Die innere (f), der peri- chondralen Grenzlinie anliegende ist ganz homogen und durchsieh- Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 17 tig, enthält keine Knochenkörperchen und besteht ausschliesslich aus Knochengrundsubstanz. Ich werde diese Knochenlamelle hom o- gene Knochenschicht nennen. Die äussere und viel mächtigere Knochenschicht (d) enthält viele Knochenkörperehen mit commu- nieirenden Ausläufern, und erscheint bei schwacher Vergrösserung mehr oder weniger deutlich radiär gestreift. Ich werde diese Schicht als radiärgestreifte Knochenschicht bezeichnen. An den Querschliffen, welche dem Mittelpunkt zwischen dem Gelenkende und dem Foramen nutritium, also dem oberen und unteren Viertel des Knochens entsprechen (Fig. 8), findet man auch zwei Knochenringe, von denen der innere (c) theils aus dem wandständigen Knorpel, theils intramedullär entsteht und eine Fortsetzung des an dem vorigen Querschliffe besprochenen inneren Ringes, d. h. des endostalen Knochens ist. Der äussere Knoehenring (fgg'g“ sg“) ist periostal entstanden und von dem inneren durch eine Linie (e) getrennt, welche auch eine Fort- setzung der am ersten Querschnitte gesehenen perichondralen Grenzlinie darstellt. An dem äusseren periostal gebildeten Kno- chenringe unterscheidet man gewöhnlich drei verschiedene Kno- chenschiehten: die erste, d. h. die innere, der perichondralen Grenzlinie anliegende (f) ist die fortgesetzte homogene Knochen- schicht. Die zweite (g) bietet dieselben Eigenthümlichkeiten dar, welche ich an der radiärgestreiften Knochenschicht beschrieben habe und ist ihre Fortsetzung. Diese beiden Knochenschichten sind nieht scharf von einander begrenzt. Darauf folgt noch eine Knochenschicht, welche einen eoncentrisch lamellösen Bau besitzt und dureh kreisförmige Linien (h, h‘, h“) in zwei bis fünf eoneen- trische Territorien (g‘, g“, g“) getrennt werden kann. Ich werde diese Schicht mit dem Namen „eoncentrisch lamellöse Kno- ehenschicht“ belegen. Da an den zwischen dem Gelenkende und dem Foramen nu- tritium geführten Querschnitte die feinere Struetur der drei oben erwähnten Knochenschiehten am meisten charakteristisch erscheint, so ist es zweekmässig an diesem Orte die Eigenthümlichkeiten derselben zu besprechen. Die homogene Knochenschicht (Taf. I, Fig. 21, b) scheint ganz strueturlos zu sein und enthält weder Knochenkörperehen noch Knochenkörperausläufer. Die radiärge- streifte und die concentrisch lamellöse Knochenschicht besitzen Knochenkörperchen mit Ausläufern, doch unterscheiden sie sich Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 19._ 2 18 N. Kastschenko: von einander durch Gestalt, Grösse, Lagerungsverhältnisse und durch einen eigenthümlichen Verlauf ihrer Ausläufer. In der ra- diärgestreiften Knochenschicht (ce) sind die Knochenkörperchen stäbehenförmig, mit ihrer Längsaxe nach der Längsaxe des Kno- chens gelagert, wodurch dieselben an Querschnitten abgerundet erscheinen. Sehr reichlich entwickelte anastomosirende Knochen- körperausläufer bilden ein dichtes Netz, indem dieselben gegen die homogene Knochenschicht Schleifen bilden, und sich nach aussen umschlagend mit den benachbarten Ausläufern communi- eiren. In der concentrisch lamellösen Knochenschicht (d) sind die Knochenkörperehen verhältnissmässig spärlich, scheibenförmig, liegen mit ihren Flächen der Knochenoberfläche parallel und er- scheinen an Querschnitten länglich und schmal. Die Knochen- körperausläufer sind auch sehr zahlreich, verlaufen nach dem Ra- dius des quergeschnittenen Knochens, die concentrischen Lamellen durehkreuzend. Zwischen den radiär verlaufenden Ausläufern sind zahlreiche ‘Anastomosen vorhanden. Für diese Knochenschicht ist auch der concentrisch lamellöse Bau der Knochensubstanz charak- teristisch. Was den endostalen Knochen (a) betrifft, so sind seine Knochenkörperchen nach ihrer Gestalt und Lagerung denjenigen . der eoncentrisch lamellösen Knochenschicht sehr ähnlich, doch sind dieselben etwas grösser und in reichlicher Zahl vorhanden. Vergleicht man die beiden eben beschriebenen Querschliffe mit einander, so findet man, dass der letztere, abgesehen von den drei Knochenschichten (der endostale Knochen, die homogene und radiärgestreifte Knochenschicht), welche diesen beiden Schliffen (Höhen des Knochens) gemeinschaftlich sind, noch eine concen- trisch lamellöse Knochenschicht darbietet, welche oberflächlich liegt, die Knochenenden nie erreicht und die Knochenwand in der mittleren Partie der Diaphyse verstärkt. Je weniger zahlreich die concentrisch lamellösen Knochenterritorien sind, desto mächtiger sind dieselben entwickelt. Die die genannten Knochenterritorien trennenden interterritorialen Linien sind mehr oder weniger deut- lich ausgesprochen und in einigen Fällen so schwach entwickelt, dass dieselben kaum oder gar nicht zu verfolgen sind. An dem der Höhe des Foramen nutritium, d. h. der Mitte der Diaphyse entsprechenden Querschliffe (Taf. I, Fig. 3) findet man, dass die intramedullär gebildete Knochenschicht (der endo- stale Knochen (c)) sehr schwach oder gar nicht entwickelt ist. In Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 19 den Fällen, wo der endostale Knochen vorhanden ist, existirt auch die perichondrale Grenzlinie (e), welche den endostalen von dem periostalen Knochen trennt. Aus der Ossification des Knorpels wissen wir schon, dass die intramedulläre Ossification gerade in der Mitte der Diaphyse der meisten Röhrenknochen fehlt, so dass an der betreffenden Stelle in keinem Entwickelungsstadium intra- medullärer Knochen gebildet wird. In diesem Falle umgiebt der periostale Knochen den Tubus med. unmittelbar. Verlängert man die am oberen und unteren Diaphysenstücke vorhandene perichon- drale Grenzlinie gegen die Mitte der Diaphyse, so fällt diese Linie mit der inneren Fläche des periostalen Knochens zusammen. Die Grenze zwischen dem im Tubus med. befindlichen Knochen- mark und dem periostalen Knochen entspricht also der verlänger- ten perichondralen Grenzlinie. An dem periostalen Knochenringe fehlt die homogene Knochenschicht. Die darauf folgende radiär- gestreifte Knochenschicht (g) ist vorhanden, aber die radiäre Strei- fung tritt nieht so deutlich hervor und manchmal ist sie schwer zu unterscheiden. Die Form der Knochenkörperchen und die An- ordnung ihrer Ausläufer sind hier auch nicht so charakteristisch, wie ich es früher beschrieben habe. Die concentrisch lamellöse Knochenschicht (g‘g“ g““) bietet dieselben Eigenschaften dar, wie an dem früheren Querschnitte. Die Röhrenknochen von Batrachiern bieten noch die Eigen- thümlichkeit dar, dass dieselben keine Havers’schen Kanäle be- sitzen, so dass die Knochenwand in Gestalt einer continuirlichen ceompaeten Knochenmasse sich darstellt. Was das Foramen nutri- tium (n) betrifft, so sind an jedem Röhrenknochen in der Regel zwei Foramina nutritia vorhanden, welche immer in entgegenge- setzten Knochenwänden liegen. Abgesehen von diesen zwei Er- nährungslöchern findet man noch accessorische Foramina nutritia (k), welche die Aeste der Ernährungsarterie durchlassen. Die den Ernährungslöchern entsprechenden Ernährungskanäle durchbohren die Knochenwand immer in schräger Richtung, so dass an Quer- schnitten dieselben immer in Gestalt runder oder ovaler Löcher erscheinen. Untersucht man die aus der Mitte der Diaphyse entnomme- nen Querschliffe bei schwacher Vergrösserung, so beobachtet man fast immer dunkle Strahlen (1), welche in der Richtung von dem Tubus med. gegen die Knochenoberfläche gehen und die concen- 20 N. Kastschenko: trisch auf einander folgenden periostalen Knochenschichten durch- kreuzen. Untersucht man die den Strahlen entsprechende Stelle bei starker Vergrösserung (Fig. 10), so überzeugt man sich, dass die Ausläufer der Knochenkörperchen hier sehr reichlich ent- wickelt sind und sehr dicht nebeneinander liegen. Aus sorgfälti- gen Untersuchungen ergibt sich, dass die dunklen Strahlen immer die Ernährungskanäle begleiten und dass in der Nähe der Ernäh- rungskanäle (A) die Ausläufer der Knochenkörperchen am reich- lichsten entwickelt sind. Nach dieser Darstellung der an ausge- wachsenen Röhrenknochen zu beobachtenden Architeeturverhält- nisse, wende ich mich zur Beschreibung des periostalen Ossifica- tionsprocesses. Die ersten Ossificationserscheinungen, welche man bei der Bildung des periostalen Knochens beobachtet, bestehen darin, dass die Zwischensubstanz der in dem früheren Kapitel beschriebenen Uebergangsschicht des Knorpels (Fig. 1) ihre feinkörnige Beschaf- fenheit verliert, homogen und weniger durchsichtig wird, so dass der querdurchschnittene Knorpel von einem feinen dunklen Ring (d) umgeben zu sein scheint. Manchmal ist dieser Ring so schmal, dass derselbe bloss aus Zwischensubstanz besteht und keine Zel- len enthält; grösstentheils aber kann man in demselben bis zwei parallele Reihen von zelligen Elementen finden. Im Beginn seiner Entstehung wird derselbe etwas intensiver, als die anliegenden Gewebe mit Hämatoxylin tingirt und enthält keine Kalksalze; etwas später wird die betreffende Stelle an doppelttingirten Prä- paraten intensiv blau oder violett gefärbt und stellt nichts Anderes als eine junge Knochenlamelle (ec) dar, welche ringförmig den präformirten Knorpel umgibt. Nach dem Zusatz von Salzsäure kann man sich überzeugen, dass das betreffende Gebilde Luftbla- sen entwickelt. Im Anfang erscheinen die Knochenhöhlen eckig, später werden dieselben sternförmig und entwickeln anastomosi- rende Ausläufer. Um die weitere Beschreibung der periostalen Knochenbildung bequemer zu machen, werde ich die eben entstan- dene Knochenschicht periostale Grundschicht nennen. Der bei der Bildung dieser Knochenlamelle vor sich gehende elementare Verknöcherungsprocess bietet für die richtige Beurthei- lung der Natur des ganzen Vorganges sehr grosse Sehwierigkei- ten dar. Einerseits kann man sich recht gut überzeugen, dass die Zwischensubstanz der Uebergangsschicht direet in Knochen- Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 21 srundsubstanz und die zelligen Elemente in Knochenkörperchen sich umwandeln; der Verknöcherungsprocess läuft also metapla- stisch ab. Andererseits sind wir durch Nichts befugt, die be- sprochene Uebergangsschicht als ein differentes Gewebe zu be- trachten und einen Uebergang eines schon fertigen Gewebes in ein anderes anzunehmen. Die Uebergangsschicht besteht vielmehr aus indifferenten Zellen und die Entstehung des betreffenden Kno- chenbalkens kann auch als eine Neubildung betrachtet werden, obschon keine Osteoblastenbildung stattfindet. Der theoretische Begriff von Neoplasie und Metaplasie ist also nicht überall mit gehöriger Schärfe durchzuführen; es giebt Fälle, wo die beiden Entwickelungsmodi sich begegnen und nur in ihren Extremen charakteristisch werden. Die Entstehung der periostalen Grundschicht besteht in dem Entwickelungsstadium, wo noch keine Knorpelzerstörung stattfin- det. Im Bereich dieser Knochenschicht (Fig. 2 ec), deren Lage- rung dem Mittelpunkte der Diaphyse entspricht, finden sich Er- nährungslöcher (e), welche etwas später, nämlich in der Ent- wickelungsperiode, wo das Mittelstück des Knorpels zerstört wird, das junge, von der osteoplastischen Beinhautschicht aus entstan- dene Gewebe sammt Blutkapillaren in den durch Knorpelzerstö- rung gebildeten Raum durchlassen. Es ergibt sich nun die Frage, auf welche Weise entstehen diese Lücken? Aus dem sorgfältig- sten Studium ihrer Entwickelungsgeschichte resultirt, dass bei der Entstehung der periostalen Grundlamelle keine Knochenbil- dung an den den Ernährungsiöchern entsprechenden Stellen statt- findet, dass diese Lücken schon in der Periode vorhanden sind, wo nur die ersten Spuren von periostalem Knochen erscheinen und wo dieser Knochen noch dem ganz intacten präformirten Knor- pel anliegt. Man findet kein Entwickelungstadium der Knochen, in welchem die Ernährungslöcher fehlten. Ich habe also kein Recht aus diesen Beobachtungen den Schluss zu ziehen, dass von Anfang an eine continuirliche Knochenlamelle entstehe, welche später durehlöchert werde, ich muss vielmehr sagen, dass an den den Löchern entsprechenden Stellen keine Knochensubstanz gebildet wird. Weiter geht die periostale Knochenbildung unzweifelhaft neo- plastisch und durch Vermittelung von Osteoblasten vor sich. Die der periostalen Grundschicht anliegenden zelligen Elemente der Bein- 22 N. Kastschenko: haut vergrössern sich und bekleiden die Grundlamelle epithelien- artig. Zu gleicher Zeit verlängert sich der präformirte Knorpel, wobei das demselben anliegende Perichondrium in zwei Schichten getrennt wird. Die Zellen der inneren Perichondriumschicht lie- gen der Oberfläche des Knorpels an, werden bald homogen und selerosiren zu Knochensubstanz, wodurch die periostale Grund- schicht verdickt und verlängert wird. Aber bei der Verlängerung der periostalen Grundlamelle findet man an allen Röhrenknochen (die Eigenthümlichkeit, dass sich die Osteoblasten in Knochengrund- substanz umwandeln ohne Knochenkörperchen zu produei- ren. Die neu entstandene Knochenschicht ist structurlos, durch- sichtig und stellt die früher an ausgewachsenen Röhrenknochen be- schriebene homogene Knochenschicht dar. Die homogene Knochen- schicht ist also nichts anderes als eine Verlängerung der perio- stalen Grundlamelle, welehe letztere in der Mitte der Diaphyse Knochenkörperchen enthält. Bei dem fortschreitenden Wachsthum des Knochens wird die homogene Knochenschicht nach oben und unten verlängert und erreicht die beiden Enden der Diaphyse. Diese Schicht ist immer sehr dünn, und da im Gebiet ihres Ver- laufes ein konstanter Höhepunkt fehlt, so sind die Messungen derselben sehr schwer auszuführen; doch kann man aus der vor- liegenden Tabelle nicht umhin zu erkennen, dass mit der weite- ren Verlängerung des Knochens dieselbe mächtiger wird. Dicke der homogenen Knochenschicht am Femur von Rana esculenta in Millimetern. I. Tabelle. ans | Im oberen Dritttheil des In der Höhe des pilzförm. es | Femur. | Knorpels. kemury|r rg eeren ‚minimale maximale, mittlere ||minimale maximale) mittlere 11 0,0030 | 0,0060 | 0,0045 | 0,0060 , 0,0120 | 0,0090 2] 0,0060 | 0,0120 | 0,0090 | 0,0090 | 0,0150 | 0,0120 39 0,0090 | 0,0180 | 0,0145 | 0,0150 | 0,0210 | 0,0180 | | Je nach der Höhe des Schnittes bietet die periostale Grund- lamelle verschiedene Eigenschaften dar. In der Mitte der Dia- physe ist dieselbe von dem gewöhnlichen Knochengewebe durch Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 23 nichts zu unterscheiden, gegen die Gelenkenden ist dieselbe struc- turlos und homogen, bildet die innere Schicht des periostalen Knochens und liegt der perichondralen Grenzlinie an. Was die feineren Ossificationsvorgänge betrifft, welche die Bildung der nachfolgenden Knochenschichten begleiten, so beobachtet man Folgendes: Die Knochenoberfläche ist mit einer sehr dichten Östeoblastenschicht bekleidet, welche keine Zwischensubstanz zu haben scheint. Studirt man aber die feineren Verhältnisse an sehr dünnen ausgepinselten Präparaten (Taf. I, Fig. 19), so findet man ein feines aus Zwischensubstanz bestehendes Reticulum (e), in dessen Maschen je ein Osteoblast (d) liegt, die Balken (e) des Re- tieulum erscheinen fibrillär und bilden mit der Knochengrundsub- stanz einerseits und mit der äusseren Beinhautschicht anderseits ein Continuum. Bei starker Vergrösserung ist es möglich eine Verbreiterung der Fibrillen auf die oberflächliche Schicht des Knochens nachzuweisen. An doppelttingirten Präparaten wird die grösste Partie des Knochens violett tingirt, aber die allerjüngste in das Reticulum continuirlich übergehende Knochenschicht (k) färbt sich roth, gerade so, wie das Reticulum selbst. Der wach- sende, an doppelttingirten Präparaten violett gefärbte Knochen- balken ist immer von der roth gefärbten in Bildung begriffenen Knochenschicht umsäumt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die in Rede stehenden Retieulumbalken an der Bildung der Knochen- srundsubstanz Theil nehmen, indem dieselben direct in Knochen- srundsubstanz übergehen. In Betreff der Osteoblasten habe ich gefunden, dass diesel- ben immer mit Ausläufern versehen sind. Die weiteren Verände- rungen, welche man an diesen Gebilden beobachtet, bestehen da- rin, dass einige derselben ihren Kern verlieren, homogen und glän- zend werden. In der inneren Beinhautschicht, am Ossifications- gebiet und selbst in der Grundsubstanz des eben gebildeten Kno- chens sind rundliche, homogene Körper (h) zn finden, welche ungefähr ebenso gross, wie Osteoblasten sind. An doppelttingirten Präparaten bieten diese Körper alle die Farbenüancen dar, welche ich früher an in Verknöcherung begriffenen Gebilden beschrieben habe. Desswegen bin ich der Meinung, dass viele Osteoblasten zu Knochengrundsubstanz werden. Dass die Knochenkörperchen nichts anderes als die nicht metamorphosirten Osteoblasten sind, unter- liegt keinem Zweifel. Man kann alle Stadien der Einbettung 24 N. Kastschenko: derselben beobachten. Nur ist es zu bemerken, dass ein neu eingebettetes Knochenkörperchen viel kleiner ist, als der frühere Osteoblast, der dem Knochenkörperchen seinen Ursprung gab. Es ist also wahrscheinlich, dass die periphere Partie des Osteoblast- körpers zu Knochengrundsubstanz wird, obwohl die feineren Ver- hältnisse dabei nicht klar nachzuweisen sind. Ausserdem sind die Entfernungen zwischen den neu entstandenen Knochenkörper- chen viel bedeutender, als die zwisehen den Osteohblasten. Da zur Zeit der Einbettung der Knochenkörperchen ihre Ausläufer schon vorhanden sind, so ist es anzunehmen, dass die Knochen- körperausläufer nichts anderes, als die nicht metamorphosirten Osteoblastenausläufer sind. An neugebildetem Knochen sind die Ausläufer sehr spärlich und entwickeln sich erst später reichlich. Der periostale Ossificationsprocess verläuft in der beschrie- benen Weise bei der Bildung aller übrigen periostalen Knochen- schichten, welehe ich an ausgewachsenen Röhrenknochen beschrie- ben habe. Mit der fortwährenden Ablagerung der neuen Knochen- schichten wird die Knochendiaphyse länger. Bald nach der Ent- stehung der homogenen Knochenschicht bildet sich die radiärge- streifte, welche sich bis zu dem Hut des pilzförmigen Knorpels verlängert, aber etwas kürzer ist, als die homogene Knochen- schicht. Die darauf folgende concentrisch lamelläre Knochen- schicht ist noch kürzer, als die radiärgestreifte. Bei Batrachiern sowie bei Säugethieren sind die Lagerungverhältnisse der Kno- chenschichten die gleichen: die ältesten sind zu gleicher Zeit die längsten. Alles, was ich über die Entwickelung der Röhrenkno- chen gesagt habe, bezieht sich auf femur, tibio-fibula, hu- merus, ulno-radius, talus und caleaneus. Die kleinen Röhrenknochen, wie Phalangen, bieten bei ihrer Entwickelung dieselben Erscheinungen dar, wie die bis jetzt beschriebenen. Bei der Untersuchung derselben findet man aber einige Eigenthümlichkeiten, deren ich nothwendiger Weise erwäh- nen muss. Der pilzförmige Gelenkknorpel wird nicht so charak- teristisch entwickelt. Die ersten Erscheinungen der regressiven Metamorphose des präformirten Knorpels bestehen in der Ver- kalkung desselben, welche in der Regel am oberen und unteren Viertel des Knorpels stattfindet; das Mittelstück desselben bleibt aber unverkalkt. Das Zugrundegehen des Knorpels beginnt in der Mitte desselben durch den schon beschriebenen feinkörnigen Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 235 Zerfall der Knorpelzellen und die Auflösung der Knorpelgrund- substanz. Die Zerstörung des Knorpels geht aber in der Weise vor sich, dass nur die axiale und zwar die bedeutendste Partie des Knorpels schwindet, die periphere, dem zu dieser Zeit in Bildung begriffenen periostalen Knochen anliegende, bleibt intact, existirt das ganze Leben des Thieres hindurch fort und erleidet progressive Veränderungen, indem dieselbe mit der weiteren Ent- wickelung metaplastisch in Knochen übergeht. Diese von der Zerstörung verschont gebliebene Partie des Knorpels ist nichts anderes, als der wandständige Knorpel, der an den früher be- schriebenen Röhrenknochen nur das obere und untere Viertel der Diaphyse einnimmt, an kleinen Röhrenknochen aber einen fast continuirlichen Knochenecylinder bildet, der in der Regel die bei- den Gelenkknorpel mit einander verbindet und den Tubus medul- laris unmittelbar umgibt. Seine äussere Fläche liegt dem perio- stalen Knochen, d. h. der periehondralen Grenzlinie an. Die Wand des wandständigen Knorpelcylinders ist nieht überall gleich dick ; in der Mitte der Diaphyse ist dieselbe am dünnsten. Hier aber fehlt der wandständige Knorpel an den meisten Phalangen ganz und gar. In den Fällen, wo derselbe in der Mitte der Diaphyse fehlt, findet die intramedulläre Knochenbildung an der inneren Fläche des periostalen Knochens statt, wodurch eine intramedul- läre Knochenschicht entsteht, welche der perichondralen Grenzlinie anliegt, den Tubus medullaris unmittelbar umgibt und die beiden wandständigen Knorpel mit einander verbindet. In der Mitte der Diaphyse verknöchert der wandständige Knorpel am häufigsten in seiner ganzen Dicke, indem der metaplastische Ossificationsprocess an der dem Tubus med. zugekehrten Fläche beginnt, und allmählich gegen die äussere, der perichondralen Grenzlinie anliegende Fläche fortschreitet. Die übrigen Partien des wandständigen Knorpels, welche das obere und untere Drittel des Tubus med. umgeben, ver- knöchern nur oberflächlich. Die der perichondralen Grenzlinie an- liegende Partie des Knorpels bleibt unverknöchert und verkalkt in vorgerücktem Lebensalter des Thieres. Die intramedulläre Knochen- schieht mit dem ossifieirten wandständigen Knorpel bietet also einen von allen Seiten geschlossenen Knocheneylinder, den endostalen Kno- chen (Taf. I, Fig.6,c) dar, dessen Höhle (h) die Knochenmarkhöhle ist. Der periostale Knochen (d) bildet eine Scheide oder Hülse, welche den endostalen Knochen umgibt und von dem letzteren 26 N. Kastschenko: durch die periehondrale Grenzlinle (e) getrennt wird. Am perio- stalen Knochen der Phalangen unterscheiden wir dieselben Kno- chenschichten, wie an den andern Röhrenknochen. Die Röhrenknochen, welche, ihrer Länge nach, zwischen den langen Extremitätenknochen und den Phalangen in der Mitte ste- hen (metacarpus, metatarsus), entwickeln sich gerade so, wie ich es eben auseinandergesetzt habe, mit dem Unterschiede, dass der wandständige Knorpeleylinder etwas kürzer ist und die intramedul- läre Ossification in der Mitte der Diaphyse fehlt. li. Wirbelsäule. Betrachtet man einen Brustwirbel von einer erwachsenen Rana esculenta makroskopisch, so unterscheidet man an demselben einen Wirbelkörper, einen Wirbelbogen, zwei Quer- und zwei Gelenk- fortsätze. Der Wirbelkörper hat eine sehr unregelmässige Form: an dem durch die Mitte desselben geführten Querschnitte (Taf. II, Fig.18) erscheint derselbe prismatisch, an dem in der Nähe des Gelenk- knorpels geführten Querschnitte (Fig. 26) bietet der Wirbelkörper eine elliptische Form dar. Seine vordere Gelenkfläche ist concav und seine hintere convex. Untersucht man den Wirbelkörper an einem frontalen durch die Längsaxe desselben geführten Längs- schnitte mikroskopisch, so findet man Folgendes (Fig. 25): die Chorda dorsalis (a) verläuft in der Längsaxe des Wirbelkörpers und stellt einen ununterbrochenen, die ganze Wirbelsäule durch- ziehenden Strang dar, der in der Mitte des Wirbelkörpers eine bedeutende Dicke hat, sich gegen die Gelenkenden beträchtlich verjüngt (0), in die benachbarten Wirbelkörper sich fortsetzt und die aufeinander folgenden Wirbelkörper mit einander verbindet. Die Chorda wird von einer strukturlosen Scheide (b) umgeben. Die Gelenkspalte (g) trennt die benachbarten Wirbelkörper nicht vollständig von einander ab; um die Chorda herum bleibt eine Schieht Knorpel unzerspalten und verbindet sammt Chorda die auf- einander folgenden Wirbelkörper. Der vordere concave Gelenkknor- pel (s) ist verhältnissmässig sehr dünn, der hintere convexe (4) ist aber viel stärker entwickelt. Der wandständige Knorpel (}) ist auch hier vorhanden, liegt dem periostalen Knochen (f) an und ist von dem letzteren durch die perichondrale Grenzlinie (k) Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 27 getrennt. An einem in der entsprechenden Höhe geführten Quer- sehnitte (Fig. 26) erscheint der wandständige Knorpel (ce) in Ge- stalt eines knorpeligen Ringes, der sich gerade so, wie in Röhren- knochen verhält. Was nun die an dem Wirbelkörper zur Beobachtung kom- mende Knochensubstanz selbst betrifft, so kann man hier zwei Knochenröhren — eine äussere und eine innere unterscheiden. Die äussere, periostal entstandene und je nach der Höhe des Knochens bald elliptisch, bald prismatisch erscheinende Knochen- röhre (Fig. 26, 18 und 25, f) verbindet die beiden Gelenkknorpel mit einander und liegt dem wandständigen Knorpel an. Die Wand dieses periostalen Knochens ist von zahlreichen Knochenkanälen durchzogen, welche meistens in der Querrichtung verlaufen und wohl als Havers’sche Kanäle betrachtet werden dürfen. Die innere und verhältnissmässig sehr kleine Knochenröhre (Fig. 18 u. 26, g; Fig. 25, t) umgiebt die Chorda und gleicht ihr in ihrem äussern Contour fast vollständig. An Querschnitten erscheint die innere Knochenröhre in Gestalt eines knöchernen Ringes. Die beiden Knochenröhren stehen aber in festem Zusammenhang mit einander: von dem oberen und unteren Ende der inneren Knochenröhre gehen Knochenbalken zu dem respectiven wandständigen Knorpel, strahlenartig divergirend, und verbinden sich mit den entsprechen- den Enden der äusseren Knochenröhre. Diese Partie (Fig. 25, r) des ganzen Knochens, welche im Gebiet der sich verjüngenden Chorda liegt, stellt die Spongiosa des Wirbelkörpers dar und der zwischen den beiden Knochenröhren befindliche Raum (h) ist der Tubus medullaris. Nach dieser Beschreibung des Wirbelkörpers bei erwachsenen Fröschen gehe ich zur Entwickelungsgeschichte dieses Knochens über. Bei einer 5mm langen Froschlarve findet man an der Stelle der künftigen Wirbelsäule die von einer feinen Haut umgebene Chorda dorsalis. Das ist das früheste Stadium, von welchem an meine Untersuchungen beginnen. Ihr vorderes Ende reicht bis in den jetzt schon vorhandenen Schädelbasisknorpel und ihr hin- teres Ende verliert sich in die Schwanzspitze und wird hier bloss von der äusseren Haut bedeckt. Die feinere Structur der Chorda ist zu dieser Zeit folgende: die in der Peripherie der Chorda lie- genden zelligen Elemente sind rund, kernhaltig, mit einer sehr deutlichen Membran versehen. An den zwischen der Peripherie 28 N. Kastschenko: und der Längsaxe befindlichen Zellen beobachtet man eine mehr oder weniger bedeutende Vacuolenbildung, wodurch das kernhal- tige Zellprotoplasma verdrängt wird. Die Vacuolenbildung wird von einer Vergrösserung der Zellen begleitet. In der axialen Par- tie der Chorda bestehen die Zellen aus einer mit dünnflüssigem Inhalt erfüllten Membran, von den anderen Bestandtheilen der Zelle ist aber Nichts zu sehen. Hier sind die Zellen noch viel srösser als die bisher beschriebenen. Eine Zwischensubstanz fehlt, wenigstens kann ich darüber nichts sagen. Die Zellelemente lie- gen dicht aneinander gedrängt und sind von polygonaler Gestalt. Da die die Zellmembran erfüllende Flüssigkeit wasserhell ist und die durch diese Membran bedingten Contouren sehr scharf hervor- treten, so erscheint das Chordagewebe als ein durch mannigfaltig sich kreuzende Fibrillen gebildetes Reticulum, ein Bild, welches in der axialen Partie der Chorda am meisten ausgesprochen ist. Die Chorda ist von einer ziemlich dieken structurlosen Scheide umgeben. Die Haut, welche die Chorda sammt ihrer Scheide umgiebt und die häutige Wirbelsäule darstellt, besteht aus kleinen rundlichen indifferenten Zellen und aus einer theils feinkörnigen, theils fibrillären Grundsubstanz. Die Fibrillen verlaufen in zweier- lei Richtungen — bald longitudinal, bald eireulär. An gewissen Stellen, welche sich regelmässig in gleichen Entfernungen von ein- ander wiederholen, sind die eireulär verlaufenden Fibrillen mäch- tiger entwickelt und stellen Gürtel dar, durch welche die häutige Wirbelsäule in gleiche aufeinander folgende Abtheilungen zerlegt wird. Diese Abtheilungen entsprechen den Metameren der Rücken- muskeln. Die häutige Wirbelsäule wird bald knorpelig. In dem zu- nächst der Chordascheide anliegenden Bezirke wird ihre Zwischen- substanz structurlos und durehsichtig, die zelligen Elemente wer- den in die Länge gezogen, indem sie sich vergrössern und sich in der Weise gruppiren, dass dieselben parallel unter einander und parallel dem Umkreise der querdurchschnittenen Chorda lie- gen. Die knorpelige Natur der betreffenden Stelle ist an Längs- schnitten unverkennbar, da die jetzt rund erscheinenden, in eine homogene Grundsubstanz eingelagerten Zellen sehr scharf hervor- treten. Indem der beschriebene Process sich gegen die Peripherie der häutigen Wirbelsäule verbreitet, wandelt sich die letztere in Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 29 eine knorpelige Wirbelsäule um, welche in Gestalt eines knorpe- ligen Cylinders die Chorda umgiebt, alle Eigenschaften von hyali- nem Knorpel darbietet und an Querschnitten als ein knorpeliger Ring erscheint. Bald darauf erscheinen an der hinteren Seite die- ses knorpeligen Cylinders zwei Knorpelfortsätze, welche an beiden Seiten des Rückenmarks verlaufen, sich verlängern und das hücken- mark umgeben, einen vollständigen Ring bildend. Das ist der Wirbelbogen. Zu gleicher Zeit entwickeln sich auch die knorpe- ligen Querfortsätze der künftigen Wirbel. Im allerjüngsten Ent- wickelungsstadium stellen dieselben eine unmittelbare Fortsetzung der knorpeligen Wirbelsäule dar. Untersucht man nun die knorpelige Wirbelsäule an fronta- len Längsschnitten (Fig. 22) mikroskopisch, so findet man die innere der Chorda zugekehrte Fläche des knorpeligen Cylin- ders nicht mehr gradlinig, sondern mit kurzen, abgerundeten knor- peligen Fortsätzen oder Hervorragungen (d) besetzt, welche in der ganzen Länge der Wirbelsäule und in gleichen Abständen von einander paarweise einander gegenüber liegen und die Wirbel- säule sammt der Chorda in gleiche, der Zahl der künftigen Wir- belkörper entsprechende Abtheilungen zerlegen. Diese Knorpel- fortsätze sind nichts Anderes als in gleichen Entfernungen von einander vor sich gehende ringförmige Wucherungen des Knor- pels, welehe an der inneren, der Chorda anliegenden Fläche des knorpeligen Cylinders stattfinden, die Chorda an den betreffenden Stellen einschnüren und an Längsschnitten in Gestalt abgerundeter Hervorragungen erscheinen. Die beschriebenen Knorpelfortsätze sind die künftigen Gelenkknorpel und die übrigen Partien (c) des Knorpeleylinders — die knorpeligen Mittelstücke der künf- tigen Wirbelkörper. Die Chorda erscheint jetzt rosenkranzförmig und lässt schmalere (eingeschnürte) (0) und breitere (unverän- dert gebliebene) (a) Stücke unterscheiden. Vergleichen wir die feineren Structurverhältnisse des Gelenk- knorpels mit denjenigen des knorpeligen Mittelstückes des Wirbel- körpers, so nehmen wir wahr, dass die kleinen, durch eine sehr spärliche Zwischensubstanz getrennten Zellen des Gelenkknorpels dicht gedrängt nebeneinander liegen und in lebhafter Proliferation begriffen sind. Durch diese Zellwucherung wird ein sehr rasches Längswachsthum des knorpeligen Mittelstüickes und ein Quer- wachsthum des Gelenkknorpels bedingt. Indem das Mittelstück 30 N. Kastschenko: des Knorpels sich verlängert, wachsen die einander gegenüber liegenden Knorpelfortsätze (Gelenkknorpel) gegeneinander (Fig. 23,d), und drücken das entsprechende Chordastück zusammen, so dass das letztere zu einem feinen Strang (0) redueirt wird. In dem Maasse als der eben beschriebene Process am präformirten Knor- pel vor sich geht, fallen die Chordazellen der früher erwähnten regressiven Metamorphose anheim. Das kernhaltige Protoplasma schwindet ganz und gar, man sieht nichts weiter als ein durch die übrig gebliebenen Zellmembranen gebildetes feinmaschiges Reticulum, welches an dem intact gebliebenen Chordastück sehr scharf hervortritt (Fig. 22 und 23, a) und an der eingeengten Chordaabtheilung nicht mehr zu unterscheiden ist (0). Hier sind die Structurverhältnisse so verwischt, dass das betreffende Chorda- stiick als ein dunkler Strang erscheint. Man kann nicht läugnen, dass die Verlängerung der Chorda dureh mechanische Ausdehnung, keineswegs aber durch Wachsthum bedingt wird. Abgesehen von der regressiven Metamorphose der Chordazellen, liefern uns die Gestaltveränderungen der Maschen dieses Reticulum einen Beweis dafür, dass die Chorda während des Längswachsthums der Wirbel- säule mechanisch ausgezogen wird. Es ist auch zu bemerken, dass die Verlängerung der Chorda auf Kosten der eingeschnürten Partie (o) derselben und der axialen Partie des intact gebliebenen Chordastückes (a) zu Stande kommt. Dass bloss die axialen Zel- len (Maschen) dieser letzteren Chordapartie an der Verlängerung der Chorda Theil nehmen, kann man daraus schliessen, dass die betreffenden Gebilde in der Querrichtung zusammengedrückt sind und in Gestalt einer dunklen Linie erscheinen, welche mit dem eingeengten Chordastücke ein Continuum bildet. Das breitere Chordastück behält in der Regel seine frühere Dieke bei und er- scheint an Längsschnitten sechseckig, an Querschnitten kreisrund. Bald darauf werden die Gelenkknorpel quergespalten, wodurch die ganze knorpelige Wirbelsäule in Folgestücke (per- manente Wirbel) zerlegt wird. Die die Gelenkknorpel trennenden Spalten (Gelenkhöhlen) bilden an Längssehnitten mit der Con- vexität nach hinten gekehrte Bögen (Fig. 23, g). Durch eine solche Gliederung der Wirbelsäule werden die Gelenkknorpel und Ge- lenkflächen eines und desselben Wirbelkörpers nicht einander ähn- lich. Die hintere, der Convexität der bogenförmigen Gelenkspalte zugekehrte Gelenkfläche (q) ist eonvex, der entsprechende Gelenk- Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 31 knorpel ist diek, die vordere Gelenkfläche (s) ist eoncav und der entsprechende Gelenkknorpel ist ziemlich dünn. Der Bildung der besprochenen Gelenkspalte geht eine besondere Anordnung der Knorpelzellen voraus, An der betrefienden Stelle des Gelenkknor- pels vermehren sich die Knorpelzellen sehr lebhaft, indem sie sich reihenweise in der Richtung der künftigen Spalte gruppiren. Die Spaltenbildung beginnt an der äusseren Knorpelfläche und geht zwi- schen zwei Zellenreihen in der erwähnten Richtung gegen die Chorda vor sich. Die Trennung der auf einander folgenden Wir- belkörper ist aber nie eine vollständige; ein Stück Knorpel bleibt unzerspalten, umgiebt je eine schmalere Partie der Chorda und vereint mit dieser verbindet es die benachbarten Wirbelkörper. Es ist noch hervorzuheben, dass die Gliederung der knorpeligen Wirbelsäule weder den früher besprochenen, an der häutigen Wirbelsäule zu beobachtenden fibrillären Gürteln, noch den zwi- schen den letzteren befindlichen Abtheilungen entspricht. Nach dem Ablauf des Gliederungsprocesses der Wirbelsäule können wir also an jedem Wirbelkörper ein knorpeliges Mittelstück und zwei Gelenkknorpel unterscheiden, von denen der vordere concav, der hintere convex ist. Die regressive Metamorphose des knorpelig präformir- ten Wirbelkörpers tritt sehr frühe auf und zwar in dem Entwicke- lungsstadium, wo der Gelenkknorpel sieh in Gestalt eines stum- pfen, abgerundeten Knorpelfortsatzes darstellt. Der regressive Pro- cess beginnt an der dem künftigen Mittelstück entsprechenden Abtheilung des Knorpels (Fig. 22, c) und an der der Chorda an- liegenden Partie desselben, wo die Knorpelzellen verhältnissmässig gross, abgerundet sind und keine Vermehrungserscheinungen mehr äussern. An dieser Stelle beginnt die Verkalkung (e) der Knor- pelgrundsubstanz und von hieraus verbreitet sie sich auf die Ge- lenkknorpel (Fig. 23, p), an welehen zu dieser Zeit schon die frü- her beschriebene Spaltenbildung vor sich geht. Bald darauf ver- kalkt auch die äussere Partie des Knorpelmittelstückes. Die mittlere und zwar die grösste Partie des knorpeligen Wirbelkör- pers bleibt aber unverkalkt und geht bei der Markraumbildung (h) durch feinkörnigen Zerfall der Knorpelzellen und Auflösung der Knorpelgrundsubstanz zu Grunde. Die Markraumbildung beginnt an dem Vereinigungspunkt des Wirbelkörpers mit dem Wirbel- bogen, wobei die Knorpelzerstürung von der äussern, dem Peri- 32 N. Kastschenko: chondrium anliegenden Knorpelfläche ausgeht und in die mitt- lere, unverkalkt gebliebene Partie des Wirbelkörpers fortschreitet. Indem der durch das Schwinden des Knorpels gebildete Raum sich vergrössert, wird derselbe mit Bildungszellen von dem Peri- chondrium aus erfüllt und stellt den primordialen Markraum des Wirbelkörpers dar. Auf solche Weise geht die grösste Partie der Knorpelmittelstücks zu Grunde, die verkalkten und schon früher besprochenen Partien desselben ausgenommen. Die dadurch ent- standene mit jungem Gewebe erfüllte Höhle (Fig. 24, h) ist der Tubus medullaris. Jetzt verbreitet sich der Zerstörungsprocess von dem Tubus med. aus in die Gelenkknorpel, dem zu Folge Knorpelkanäle (Fig. 25, r) und Knorpelbalken entstehen. Was die Knocehenbildung betrifft, so können wir am Wirbelkörper, so wie an anderen knorpelig präformirten Frosch- knochen eine periostale, eine metaplastische und eine in- tramedulläre Össification unterscheiden. Die periostale Kno- chenbildung beginnt in dem Entwickelungsstadium, wo noch keine Knorpelmarkraumbildung, ja keine Gliederung der Wirbelsäule stattgefunden hat. Die neoplastisch gebildete periostale Knochen- lamelle (Fig. 22 und 23, f) wird an die verkalkte Oberfläche des Knorpelmittelstückes abgelagert, verlängert und verdickt sich (Fig. 24, f) mit dem fortdauernden Längswachsthum des Wirbel- körpers. Es ist hervorzuheben, dass bei der Bildung dieser Kno- chenlamelle keine homogene Knochenschicht und keine perichon- drale Grenzlinie entsteht, da die dem periostalen Knochen anlie- gende verkalkte Knorpelpartie ganz zu Grunde geht. In dem Entwickelungsstadium, wo die Knorpelkanäle in den Gelenkknor- peln entstehen (Fig. 24 und 25) bleibt die periphere Partie des Knorpels (l) unzerstört und stellt den wandständigen Knor- pel dar, der an Querschnitten (Fig. 26) als ein knorpeliger Ring (e) erscheint und dem in Bildung begriffenen periostalen Knochen anliegt. An dieser Stelle findet man schon die an Röhrenknochen beschriebene homogene Knochenschicht (d) und die peri- chondrale Grenzlinie (e). In der Höhe des wandständi- gen Knorpels sind die Lagerungsverhältnisse der Ar- chitekturelemente des Knochens gerade dieselben, wie die an Röhrenknochen. Der bei der periostalen Knochenbil- dung vor sich gehende Ossificationsvorgang unterscheidet sich dureh nichts von dem an Röhrenknochen zu beobachtenden, abgesehen Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 53 davon, dass bei der periostalen Wirbelverknöcherung Knochenka- näle entstehen, welche wohl als Havers’sche Kanäle zu betrach- ten sind. Die von der Zerstörung verschont gebliebenen Knorpelbalken verknöchern metaplastisch. Die die Chorda umgebende Schicht verkalkten Knorpels geht nicht zu Grunde, sondern ossifieirt in ihrer ganzen Dicke und stellt die an ausgebildeten Wirbeln früher beschriebene innere Knochenröhre dar, die die Chorda umgibt. Die der Chorda unmittelbar anliegende Knochenschicht (Fig. 18, e) ossifieirt nicht, oder wahrscheinlich sehr spät. An den Knorpel- balken, durch welche die innere Knochenröhre mit dem Gelenk- knorpel zusammenhängt, beobachtet man verschiedene und schon früher an Röhrenknochen beschriebene Stadien eircumscripter und diffuser Metaplasie und an denjenigen Knorpelbalken, an welchen der eircumseripte Verknöcherungsprocess ahgelaufen ist, findet man interterritoriale Linien. Verknöchert der wandständige Knor- pel vollständig in seiner ganzen Dicke, so fliesst er nie mit dem periostalen Knochen zusammen; die die beiden Gebilde trennende perichondrale Grenzlinie tritt immer scharf hervor. Die metaplastisch ossifieirten Knochenbalken werden durch intramedulläre Össification etwas verstärkt, die letztere ist aber nie bedeutend und die dadurch gebildete Knochensubstanz geht in den metaplastisch entstandenen Knochen ohne irgend eine Grenze über. Um die Entwickelungsgeschichte der Wirbel abzuschliessen, ist es nothwendig über die Wirbelbögen und die Wirbelfortsätze noch einige Worte zu sagen. Die Wirbelbögen ossifieiren aus- schliesslich periostal.e. Der ganze präformirte Knorpel geht ohne Verkalkung zu Grunde. Die Knorpelzerstörung und Markraumbil- dung beginnt an der schon früher erwähnten Stelle und von hier aus verbreitet sie sich nach zwei Richtungen in den Wirbelkör- per und in den Wirbelbogen, so dass die durch Knorpelzerstörung gebildete und von dem Perichondrium aus mit Markzellen erfüllte Höhle für den Wirbelkörper und Wirbelbogen gemeinschaftlich ist. Die periostale Ossification geht der Knorpelzerstörung voraus, beginnt an der Vereinigungsstelle des Wirbelbogens mit dem Wir- belkörper und schreitet in der Richtung der künftigen Markraum- bildung fort, so dass die hintere Partie des Bogens am spätesten kanalisirt wird und am spätesten verknöchert. Da an dem Wir- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 3 34 N. Kastschenko: belbogen von dem präformirten Knorpel fast nichts erhalten wird und natürlicherweise fast keine Knorpelverknöcherung stattfindet, so sind die Architekturelemente des Knochens nicht zu unter- scheiden. Wollen wir die freien Enden der Quer- und Gelenkfort- sätze der Wirbel als Gelenkenden von Röhrenknochen betrach- ten, so ist die Entwickelungsgeschichte dieser Fortsätze derjeni- sen der Röhrenknochen sehr ähnlich. Die Knorpelzerstörung und Markraumbildung geht von der schon erwähnten und allen Thei- len des Wirbels gemeinschaftlichen Stelle aus und mit dem Ablauf der Markraumbildung communiciren die Markhöhlen der verschiedenen Wirbeltheile mit einander. Der kanalisirte Knor- pel der Wirbelfortsätze ossifieirt theils metaplastisch, theils ver- kalkt er. Der Schwanzwirbel bietet die Eigenthümlichkeit dar, dass der knorpelige Wirbelbogen nicht gebildet wird. Der knor- pelig präformirte Wirbelkörper geht ganz zu Grunde. Die Kno- chenbildung geht von dem Perichondrium aus und nach dem Ab- lauf des Verknöcherungsprocesses besteht der Schwanzwirbel aus einer die Markhöhle umgebenden periostalen Rinde und zwei periostalen Knochenfortsätzen, welche einen Wirbelbogen repräsen- tiren, aber nie einen vollständigen Ring bilden. Zwischen diesen Fortsätzen liegt das Rückenmark. Ich habe mieh bemüht die Entwickelung der Röhrenknochen und der Wirbelsäule ziemlich detaillirt auseinanderzusetzen; was die Entwiekelung der übrigen knorpelig präformirten Knochen betrifft, so habe ich dieselbe auch sehr genau studirt und gefun- den, dass die elementaren ÖOssifieationsvorgänge, sowie die Archi- tekturverhältnisse hier auch dieselben sind, wie die der Röhren- knochen, mit dem Unterschiede, dass in einigen Knochen der pe- riostale, in anderen der endostale Knochen prävalirt und je nach der Länge und Gestalt des Knochens der Tubus medullaris bald länger, bald kürzer ist, bald gar nicht entwiekelt wird (os ischii u. a. m.). Alle diese Unterschiede stehen natürlich mit der mehr Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 35 oder weniger bedeutenden Ausbreitung des Zerstörungsprocesses des präformirten Knorpels im Zusammenhange. Die .wichtigsten Architekturelemente (wandständiger Knorpel, perichondrale Grenz- linie, homogene Knochenschicht) sind in allen knorpelig präfor- mirten Knochen zu finden. So entwickeln sich os coracoideum, os ilei, os ischii, manubrium sterni, processus xiphoi- deus. Ein Mesosternum konnte ich nie finden; die abgeplatteten Sternalenden der beiden ossa coracoidea und procoracoidea stos- sen nach vorn zusammen. Der präformirte Scham bein knorpel bleibt aber unverknöchert. Wollte ich die Entwiekelung der eben genannten Knochen im Detail auseinandersetzen, so müsste ich das wiederholen, was ich über die Entwickelung der Röhrenknochen schon früher gesagt habe. Ich erlaube mir aber darauf aufmerk- sam zu machen, dass bei einigen der oben erwähnten Knochen die Architekturelemente von ihrer Entstehung an bis in das spä- teste Lebensalter des Thieres noch besser als in Röhrenknochen zu verfolgen sind. Betrachten wir das ausgebildete os coracoideum an einem frontalen Längsschliff (Fig. 27), so finden wir, dass der Tubus medullaris (h) sehr kurz ist, derselbe verhält sich zu der Knochenlänge = 1:7. Wegen der Kürze der Knochenmarkhöhle ist der wandständige Knorpel (e) sehr lang, derselbe bedeckt fast die ganze innere Knochenfläche und fehlt nur stellenweise Das stellenweise Fehlen des wandständigen Knorpels unterliegt indivi- duellen Schwankungen. Die homogene Knochenschicht (b) und die perichondrale Grenzlinie (ce) sind fast in der ganzen Länge des wandständigen Knorpels zu verfolgen. Einige Eigenthümlichkeiten bietet die Entwickelungsge- schichte der Clavieula und Scapula dar. Die erstere ist knorpelig präformirt [procoracoideum (Taf. I, Fig. 13, 14 u. 15 a)], verknöchert aber nie. Alle Veränderungen beschränken sich auf Verkalkung der peripheren Partie des präformirten Knorpels. Von dem Perichondrium (b) des Procoracoideum aus bildet sich ein Belegknochen (ec), der die vordere und obere Seite des knorpeligen Procoracoideum bedeckt und von der letzteren durch Perichondrium getrennt ist. Die Scapula (Fig. 11) ist knorpelig präformirt und besteht aus zwei knorpeligen Fortsätzen, welche sich unter einem spitzen Winkel mit einander vereinigen. Der vordere Fortsatz (A) ver- knöchert so wie das os coracoideum, der hintere aber [eartilago 36 N. Kastschenko: suprascapularis (B)] ossifieirt nicht, verkalkt aber peripherisch. An der oberen Seite dieses Fortsatzes bildet sich auch ein Deck- knoehen (f) intramembranös und aus dem Perichondrium dieses Knorpels. Die beiden eben besprochenen und intramembranös ge- bildeten Belegknochen bieten keine characteristischen Architektur- elemente. | Die in dieser Schrift beschriebenen regressiven Vorgänge am Knorpel, sowie die neoplastischen und metaplastischen Ossifiea- tionsprocesse treten gleichzeitig nicht an allen Theilen des präfor- mirten Knorpelskelets auf. Indem die Entwickelung einiger Knochen schon ziemlich fortgeschritten ist, bleiben die anderen noch ganz und gar unentwickelt. Am frühesten erscheinen die Ossifications- vorgänge an den grossen, etwas später an den kleinen Röhren- knochen, darauf folgt die Entwickelung der Wirbelsäule, der Sea- pula, des Coracoideum, manubrium sterni, processus xiphoideus und am spätesten ossificiren die Beckenknochen. Dem zu Folge erscheinen die regressiven Veränderungen des Knorpels am frühe- sten an den Röhrenknochen und am spätesten an den Becken- knochen, und es ist zu bemerken, dass die Knorpelzerstörung in denjenigen Knochen am bedeutendsten ist, welche am frühesten sich zu entwickeln beginnen. Es folgt daraus, dass die Mächtigkeit des aus dem Knorpel metaplastisch gebildeten Knochens nicht in allen Knochen die gleiche ist. Am mächtigsten ist der metapla- stische Knochen in den Beekenknochen, dem os eoracoideum und am schwächsten in den Röhrenknochen entwickelt, und, was die Mächtigkeit des periostalen Knochens betrifft, so verhält sich der- selbe in der Regel zu derjenigen des metaplastischen Knochens umgekehrt. Aus dem Studium der Metaplasie des Knorpels er- gibt sich, dass der metaplastischen Knorpelverknöcherung immer Kanalisation und Verkalkung des präformirten Knorpels vorausge- hen. Der nicht kanalisirte Knorpel ossifieirt; das os procoracoi- deum und die Cartilago suprascapularis bleiben unverknöchert. Hier finde ich es nothwendig zu betonen, dass, wenn der Zerstö- rungsprocess unverkalkten Knorpel angreift, der letztere ganz und gar zu Grunde geht (Röhrenknochen); wenn aber dem Zerstörungs- process des Knorpels eine Verkalkung desselben vorausgeht, so geht der Zerstörungsprocess nur stellenweise vor sich, wobei Knorpelkanäle und Knorpelbalken gebildet werden; der Knorpel wird kanalisirt und dann verknöchert. Für die Metaplasie des Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 37 Knorpels sind also zwei Bedingungen — Verkalkung und Ka- nalisation des präformirten Knorpels — nothwendig. III. Schlussfolgerungen. Fassen wir die wichtigsten Architekturelemente der Röh- renknochen in’s Auge, so ist es unzweifelhaft, dass der wand- ständige Knorpel, die intramedulläre Knochenschicht, die perichondrale Grenzlinie, die homogene, radiärge- streifte und concentrisch lamellöse Knochenschicht bleibende Gebilde sind, welche von ihrer Entstehung an fortexistiren und durch alle Wachsthumsstadien des Thieres zu verfolgen sind. Diese permanenten Gebilde geben uns den Schlüssel zu einer richtigen Beurtheilung des Wachs- thumsmodus der Knochen. Betrachten wir einen langen Röhren- knochen (femur, humerus) in einem gewissen Stadium seiner Ent- wickelung an Längsschnitten, so finden wir, dass die perichondrale Grenzlinie den wandständigen Knorpel an beiden Diaphysenenden von der periostalen homogenen Knochenschicht trennt, und mit der inneren Fläche der periostalen Grundlamelle in der Mitte der Diaphyse zusammenfällt. Mit dem weiteren Wachsthum des Kno- chens und der gleichzeitigen Erweiterung des Tubus medullaris bleiben die Lagerungsverhältnisse der in Rede stehenden Gebilde die gleichen. Man beobachtet keine Erscheinungen, welche uns Veranlassung geben könnten, auf eine Knochenzerstörung zu schlies- sen. Die Erweiterung des Tubus med. wird aber mit dem fort- währenden Wachsthum des Thieres so bedeutend, dass die Dia- physe eines jungen Röhrenknochens in den Tubus med. desselben ausgebildeten Röhrenknochens hineingeschoben werden kann. Die folgende Tabelle giebt den Querdurchmesser des Tubus med. am Femur von Rana esculenta in verschiedenen Entwickelungssta- dien in Millimetern an, 38 N. Kastschenko: II. Tapelle. ? ; Der Der Länge Länge | Kleinsteu.d. grösste | kleinste u.d. grösste des des Querdurchmesser Querdurchmesser Naen en in der Höhe des des Knochens en un. Foramen nutr. | in derselben Höhe. 25 10 0,208 0,234 0,442 0,468 28 11 0,260 0,286 0,468 0,494 36 13 0,338 0,390 0,520 0,598 51 24 0,598 0,702 0,858 0,988 56 25 0,546 0,598 0,780 0,910 60 28 0,676 0,728 0,936 1,014 66 30 0,592 0,702 1,040 1,144 68 Sl 0,723 0,806 1,066 1,144 75 33 0,520 0,780 1,504 1,612 90 39 0,676 0,780 1,578 1,632 92 39 0,728 0,806 1,872 1,872 In dem frühesten Entwickelungsstadium und zwar dann, wann das ganze Thier 25 mm und der Femur 10 mm lang ist, sind schon die charakteristischen Architekturelemente des Knochens (perichondrale Grenzlinie, homogene und radiärgestreifte Knochen- schicht) vorhanden und in allen späteren Entwickelungsstadien zu verfolgen, indem der Querdurchmesser des Tubus med. immer bedeutender wird und endlich sich mehr als um das Dreifache vergrössert. Es ergiebt sich auch aus dieser Tabelle, dass der Tubus medullaris sich nur bis zu einem gewissen Lebensalter des Thieres erweitert und später stationär bleibt, die Verdiekung des Knochens dauert aber immer fort. Untersucht man verschieden alte im Wachsthum begriffene Röhrenknochen in der Höhe, wo der periostale Knochen den Stiel des pilzförmigen Knorpels und den wandständigen Knorpeleylinder umgibt, so sieht man klar, dass der hineingeschobene Knorpel mit der fortschreitenden Entwickelung dieker und dicker wird, indem die denselben umgebende periostale Hülse sich erweitert und einen grösseren Querdurchmesser darbietet. Es besteht hier keine Mög- lichkeit mehr, die Erweiterung dieser periostalen Hülse durch eine Knochenresorption von dem Tubus med. aus zu erklären, da der periostale Knochen von der Knochenmarkhöhle durch den wandständigen Knorpel getrennt ist. Es ist wahr, dass in der mittleren Partie der Diaphyse die intramedulläre Knochenbildung an langen Röhrenknochen (femur, humerus) ganz und gar fehlt und der periostale Knochen direet mit dem Knochenmark in Be- Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 39 rührung kommt, so dass keine perichondrale Grenzlinie vorhanden ist. An dieser Stelle ist es schwierig über den Wachsthumsmodus der Knochen zu urtheilen, ohne einen vergleichenden Blick auf andere Knochentheile zu werfen und desto mehr, da hier ein sicherer leitender Faden fehlt und da die Eigenthümlichkeit der perio- stalen Knochenschichten gerade an dieser Stelle nicht scharf her- vortritt. Es ist aber unmöglich anzunehmen, dass der Tubus med. an seinen beiden Enden durch Knochenexpansion und in der Mitte durch Knochenzerstörung erweitert werde. Das an Längs- schnitten zu beobachtende Zusammenfallen der perichondralen Grenz- linie mit der inneren Knochenhöhle der mittleren Diaphysenpartie und die Continuität der homogenen Knochenschicht mit der den Tubus med. umgebenden periostalen Grundschicht sprechen ent- schieden dagegen. Also, wenn man die in Entwickelung begrif- fenen Röhrenknochen aus verschiedenen Wachsthumsstadien an Längs- und successiven Querschnitten durchmustert, so findet man den in der mittleren Diaphysenpartie fehlenden Faden wieder, welcher uns eine sichere Orientirung erlaubt und auf Stabilität der Knochenschichten und Expansion der Knochen hinweist. Be- steht noch irgend ein Zweifel über den von mir geschilderten Wachsthumsmodus der Röhrenknochen, so kann ich mich auf die Phalangen beziehen. Hier muss ich jede Möglichkeit verneinen, die Erweiterung des Tubus medullaris anders als durch eine Ex- pansion der ganzen Knochenröhre zu erklären. Studiren wir die Entwickelung der kurzen Knochen, z. B. der Wirbel, genau, so müssen wir schliessen, dass der Wachs- thumsmodus dieser Knochen ganz derselbe ist, wie der der Röh- renknochen, da die wichtigsten Architekturelemente hier auch von dem Beginn ihrer Entstehung an in allen Entwickelungsstadien zu verfolgen sind. In dem Wirbel findet man auch den wandständi- gen Knorpel, die perichondrale Grenzlinie und die homogene Knochenschicht, obwohl diese Gebilde wegen der Kürze des Kno- chens nur sehr kurz und nicht so bequem zu studiren sind, ja bei einer oberflächlichen Untersuchung und ohne vorherige Orientirung an Röhrenknochen, ganz übersehen werden können. Bei einer aufmerksamen Untersuchung successiver Entwickelungsstadien der Wirbel findet man, dass der den wandständigen Knorpel umgebende Knocheneylinder immer breiter wird, wobei der wandständige Knorpel fortexistirt, ein Umstand, der die Annahme einer Knochen- resorption von der Markraumhöhle aus ganz ausschliesst. 40 N. Kastschenko: Ich habe also keine Thatsachen beobachtet, welche auf eine Zerstörung des periostalen Knochens hinweisen könnten, auf einen Process, der am präformirten Knorpel so grob in’s Auge fällt, dass keine Möglichkeit besteht denselben zu übersehen, — und was den aus dem Knorpel metaplastisch gebildeten Knochen be- trifft, so beobachtet man ebenfalls Erscheinungen, welche für die Stabilität desselben sprechen. Der metaplastische Knochen bildet die Spongiosa. Man darf sich die Bildung der Spongiosa nieht etwa so vorstellen, dass die einmal gebildeten Spongiosabalken zu Grunde gehen und an ihrer Stelle neue Knochenbalken entstän- den u. s. w., bis endlich permanente Spongiosabalken gebildet wür- den. Selbst bei erwachsenen Fröschen findet man an Spongiosabalken, die unzweideutigen Merkmale der Metaplasie, die ihre Entstehung aus dem Knorpel verräth. Die an der Stelle des quasi zerstör- ten metaplastischen Knochens neugebildeten Knochenbalken könn- ten nicht mehr aus Knorpel entstehen, da der letztere an der ent- sprechenden Stelle gar nicht mehr existirt, dieselben könnten aber auch nicht die Erscheinungen der Knorpelmetaplasie darbieten, wenn dieselben anders als durch eine Knorpelverknöcherung ge- bildet worden wären. Die die Knorpelkanäle trennenden Knorpel- balken bleiben stationär, verknöchern metaplastisch und sind ty- pisch angeordnet. Dieselben verlaufen meistens radiär, gegen die Gelenkenden divergirend. Am besten kann man diese Lage- rungsverhältnisse an Wirbelkörpern beobachten. Man darf auch nicht vergessen, dass an den freien Flächen der metaplastisch ge- bildeten Knochenbalken die früher beschriebene intramedulläre Össification vor sich geht. Dieselbe ist durchaus nicht bedeutend, doch sind die betreffenden Knochenbalken immer mit Osteoblasten bedeckt, so dass die Knochenflächen immer als Wachsthumsflä- chen erscheinen und keine Knochenzerstörung vermuthen lassen. An dem metaplastischen Knochen konnte ich also auch nichts beob- achten, was für eine Knochenresorption spräche. Bei meinen Untersuchungen habe ich die vielkernigen Zellen (Östeoblasten Kölliker’s) nieht ausser Acht gelassen, kann aber darüber nicht viel sagen. In der ersten Periode der Knorpelmetamorphose, wo der präformirte Knorpel durch einen feinkörnigen Zerfall der Knorpelzellen und eine Auflösung der Knorpelgrundsubstanz zu Grunde geht, werden die vielkernigen Zellen in den neuentstandenen Knorpelmarkräumen gar nicht beob- Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 41 achtet. In der zweiten Periode der Knorpelmetamorphose sind dieselben selten, bei der Kanalisation des Knorpels aber am reich- liehsten zu finden. Diese Gebilde liegen entweder frei zwischen den Markzellen, oder in den Lacunen des Knorpels. Werden die Knochenbalken gebildet, so trifft man die vielkernigen Zellen an Knochenflächen, aber durchaus nicht so reichlich, als in den Knor- pelkanälen. An äusseren Knochenflächen konnte ich weder viel- kernige Zellen, noch Lacunen ausfindig macben. Findet man diese Zellen an einer periostalen Knochenfläche, so liegen dieselben meistens in Lacunen. Ganz anders sind die Verhältnisse an den intramedullär gebildeten Knochenflächen, an welchen in der Regel keine Lacunen vorhanden sind. Hier sieht man die vielkernigen Zellen der Knochenfläche anliegen. So viel kann ich über die vielkernigen Zellen sagen; was für eine Bedeutung dieselben bei der Knochenentwiekelung haben, konnte ich jedoch nicht heraus- bringen; ich kann nur die Thatsache feststellen, dass die Knochenbalken, an welchen man diese Gebilde findet, ihre Integrität bewahren und mit derZeit mächtiger werden. Ich muss jetzt noch darauf aufmerksam machen, dass an Kno- chenkörperchen, so lange der Knochen wächst, Theilungs- erscheinungen zu beobachten sind. Man trifft nämlich solche Knochenkörperchen, welche in verhältnissmässig sehr grossen Kno- chenhöhlen liegen und je mit zwei Kernen versehen sind. Man findet auch durch kurze dicke Brücken untereinander communici- rende Knochenhöhlen, welche so nahe nebeneinander liegen, dass die Entfernung zwischen denselben als verschwindend klein erachtet werden muss. An sehr jungen im Wachsthum begriffenen Kno- chen sind die erwähnten Knochenhöhlen und sich theilenden Kno- chenkörperchen so zahlreich, dass dieselben keineswegs überse- hen werden können und bis 20°/, aller vorhandenen Knochenhöh- len ausmachen. Mit dem fortdauernden Knochenwachsthum nimmt die Menge der nebeneinander liegenden Knochenhöhlen ab und in alten Thieren fehlen sie fast ganz und gar. Die zwei folgenden Tabellen machen die beschriebenen Verhältnisse anschaulich. Die Messungen sind an Querschnitten des Femur von Rana temporaria in der Höhe des Foramen nutri- tium ausgeführt und in Millimetern ausgedrückt. 42 N. Kastschenko: II. Tabelle. Entfernungen zwischen den Länge | Länge Zahl Knochenkörperchen ohne be- des des der stimmte Richtung. Thieres. | Femur. | Messungen. maximale) minimale [mittlere 14 5 514 0,042 |0—17,70%/,|0,00735 24 10 700 0,060 10— 2,43%), 0,01755 35 16 800 0,090 0— 0,63 %/,, 0,02309 46 21 800 0,087 0— 0,25), 0,02453 Die folgende Tabelle repräsentirt die Entfernungen zwischen den Knochenhöhlen in zwei verschiedenen Richtungen, näm- lieh in der Richtung des Radius und in der des Umkreises des Knochens. Die Messungen sind an denselben Präparaten ausgeführt und in Millimetern ausgedrückt. Ich muss noch hin- zufügen, dass eine Rana temporaria, welche 46 mm Kopfsteislänge hat, in unserer Gegend das grösste Thier dieser Speeies ist, also als ganz ausgewachsen, oder als alt betrachtet werden darf. IV. Tabelle. Töne Zahl Entfernungen Zahl Entfernungen a änge| der nach dem der nach dem res. ar minimale | mittlere Ar minimale | mittlere gen. | male gen. | male 14 5 | 314 |0,042 | 015,90 °/, | 0,00836 | 200 | 0,024 | 0—20,50/, | 0,00579 24 | 10 | 350 |0,060 | 0— 1,717, | 0,01611 | 350 | 0,048 | 0— 3,14 °/,| 0,01902 35 16 400 |0,075 | 0— 0,50 °/, | 0,01932 | 400 | 0,090 | 0— 0,75% 0,02685 46 21 | 400 0,084 |0-- 0,50%, | 0,02298 | 400 | 0,087 | 0,003 0,02607 Vergleicht man diese zwei Tabellen miteinander, so sieht man, dass die Abstände zwischen den Knochenhöhlen und zwar nach allen Richtungen desto bedeutender werden, je vorge- rückter das Entwickelungsstadium der Thiere ist. Die Entfernungen zwischen den Knochenhöhlen bei einem 35 mm langen Frosch sind fast 3'/amal grösser, als bei einem sehr jungen 14 mm langen Frosch. In späteren Wachsthumsstadien, obwohl der Frosch grösser wird und eine Länge von 46 mm erreicht, bleiben die Entfernungen vs d. Fe-| Mes. | Umkreis des Knochens. || es. Radius des Knochens. _ mur. Ueber die Genese und Architecetur der Batrachierknochen. 43 zwischen den Knochenhöhlen in der Höhe des Foramen nutritium fast stationär. Eine Expansion des Knochens in der Mitte der Diaphyse bleibt also in den späteren Wachsthumsstadien fast aus, die Knochen werden durch Anbildung der Knochenschichten an den Diaphysenenden verlängert. An den betreffenden Stellen beobachtet man auch sich theilende Knochenkörperchen und nebeneinander liegende Knochenhöhlen; Messungen sind aber hier nieht auszu- führen, da in diesem Gebiet ein constanter Höhepunkt fehlt. Die Zunahme der Abstände zwischen den Knochenhöhlen kann nicht, wie Steudener !) meint, dadurch erklärt werden, dass die peri- pheren Partien des Zellprotoplasmas der Knochenkörperchen zur Bildung der Knochengrundsubstanz verbraucht wird, wodurch die Knochenhöhlen kleiner werden. Die Entfernungen zwischen densel- ben werden mit dem weiteren Wachsthum des Knochens verhält- nissmässig so gross, dass eine solehe Annahme gar nicht halt- bar ist. Durch die Zunahme der Entfernungen zwischen den Knochenhöhlen in der Richtung nach dem Um- kreise des Knochens wird die Erweiterung des Tubus medullaris erklärt. Es ist hier hervorzuheben, dass die Er- weiterung des Tubus medullaris nur bis zu einem gewissen Ent- wickelungsstadium, in welchem das Thier noch keineswegs seine definitive Länge erreicht, fortdauert und dann aufhört, obwohl das Thier noch zu wachsen fortfährt. Das Stationärbleiben des Tubus med. fällt mit dem Aufhören des interstitiellen Wachsthums der mittleren Partie der Diaphyse zusammen. Für Rana esculenta ist diese Angabe als richtig zu betrachten, was aber Rana temporaria betrifft, so kann man eine Erweiterung des Tubus med. sowie ein geringes interstitielles Wachsthum nach dem Umkreise des Kno- chens (IV. Tabelle) während des ganzen Lebens des Thieres be- obachten. Die folgende Tabelle zeigt den Querdurchmesser des Tubus medullaris in Millimetern an den Präparaten, an welchen die Ab- stände zwischen den Knochenkörperchen gemessen worden sind. 1) Beiträge zur Lehre von der Knochenentwickelung und dem Knochen- wachsthume (Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. XIII, 1875). 44 N. Kastschenko: V.ı Taxpelle. | @Querdurchmesser Länge | Länge des Tubus med. in|Dicke der Knochen- der Höhe des wand. des des For. nutr. Thieres. | Femur. | , | 7 er maximale minimale|Maximum Minimum I 14 5 0,175 | 0,160 || 0,057 | 0,024 24 10 0,295 | 0,260 | 0,096 | 0,066 35 16 0,6385 | 0,485 | 0,176 | 0,099 46 21 0,650 | 0,620 | 0,231 | 0,110 Was aber die Dicke der Knochenwand betrifft, so wird dieselbe mit dem fortwährenden Wachsthum des Thieres immer bedeutender, obwohl die Abstände zwischen den Knochenhöhlen in radiärer Richtung bei einem von 35 mm bis 46 mm langen Thier dieselben bleiben. Die Knochenfläche findet man immer sogar im allerspätesten Lebensalter des Thieres mit Osteoblasten bedeckt. Man darf aber annehmen, dass die Verdiekung der Knochenwand in diesem Stadium durch eine Anbildung der Knochensubstanz stattfindet. Wollen wir nun die in der vorliegenden Schrift niederge- legten Thatsachen resumiren, so kommen wir in Betreff der Kno- chenbildung und des Knochenwachsthums bei Batrachiern zu fol- genden Schlüssen: 1. Der präformirte Knorpel erleidet zweierlei Veränderungen — eine regressive und eine progressive. 2. Der regressive Process, der der Knorpelzerstörung zu Grunde liegt, wird anfangs durch einen feinkörnigen Zerfall der Knorpelzellen und eine Auflösung der Knorpelgrundsubstanz cha- rakterisirt; später tritt eine Fett- und Kalkinfiltration der Knor- pelhöhlen, Verkalkung der Knorpelgrundsubstanz hinzu. 3. Die progressive Veränderung des präformirten Knorpels besteht in der metaplastischen Ossification desselben, welche eir- eumseript und diffus ablaufen kann. 4. Der metaplastischen Knorpelverknöcherung geht immer Knorpelverkalkung und Knorpelkanalisation voraus. Der nicht ka- nalisirte Knorpel bleibt unverknöchert. 5. Die Knorpelmarkraumbildung wird dureh eine Zerstörung des präformirten Knorpels und ein Eindringen der Bildungszellen von dem Perichondrium aus in die entstandene Höhle bedingt. Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 45 6. An knorpelig präformirten Batrachierknochen kommt eine neoplastische Knochenbildung vor, welche topographisch zwei Os- sifieationsformen darbietet: eine periostale und eine intramedulläre. Bei beiden neoplastischen Össificationsformen sind die elementaren Ossifieationsvorgänge dieselben: die hypertrophirten Bildungszellen (Osteoblasten) sclerosiren theils zu Knochengrundsubstanz, theils bleiben "sie unverändert als Knochenkörperchen in den Knochen- höhlen liegen. Eine spärliche, die Osteoblasten trennende Zwi- schensubstanz selerosirt zu Knochengrundsubstanz. 7. Während der Knochenentwickelung werden periostale, metaplastische und intramedulläre Knochenbalken gebildet, welche bleibende Architekturelemente des Knochens darstellen und eine Topographie desselben zu entwerfen erlauben. 8. Der wandständige Knorpel, die homogene Knochenschicht und die dieselben trennende perichondrale Grenzlinie sind für die Batrachierknochen typisch und an allen knorpelig präformirten Knochen zu finden; die übrigen Knochenschichten sind aber nicht in allen Knochen charakteristisch entwickelt. 9. Mit der Erweiterung des Tubus medullaris bleiben die den Tubus umgebenden charakteristischen Knochenschichten intact. 10. An wachsenden Knochen beobachtet man Vermehrung der Knochenkörperchen und Zunahme der Knochengrundsubstanz. Diese Erscheinung tritt am deutlichsten an sehr jungen Knochen hervor, mit dem fortschreitenden Wachsthum des Thieres nimmt dieselbe ab. 11. In allen von mir untersuchten Entwickelungsstadien der Batrachierknochen habe ich keine Thatsache beobachtet, welche auf eine Knochenzerstörung hinweisen könnte. 12. Die negativen Resultate, welche meine Untersuchungen über Knochenzerstörung liefern, sowie die positiven Thatsachen, welche die Stabilität der Knochenbalken während des ganzen Le- bens des Thieres, Vermehrung der Knochenkörperchen und Zu- nahme der Knochengrundsubstanz beweisen, erlauben mir den Schluss zu ziehen, dass die einmal gebildeten Knochenbalken durch Expansion wachsen. Charkow, den 5. Mai 1880. 46 N. Kastschenko: Erklärung der Abbildungen auf Tafel I und I. Die Abbildungen sind mit der Camera lucida von Hartnack gezeichnet. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. TareltT: Phalanx einer 16 mm langen Krötenlarve (Bufo viridis). Querschnitt. Syst. 7 von Hartnack. a. Knorpel. b. Perichondrium. ce. Grundschicht des perichondralen Knochens. e. Stelle, wo die Ossification ohne Vermittelung von Osteoblasten vor sich geht. f. Osteoblasten. g. Sehne. h. Blutgefäss. Zweite Phalanx einer Krötenlarve (Bufo viridis).. Länge des Kno- chens 0,54mm. Längsschnitt. Syst. 4 v. H. . Mittelstück des Knorpels. . Stelle, wo die regressive Metamorphose des Knorpels beginnt. . Periostale Grundschicht. . Beinhautschicht. . Stelle des künftigen Foram. nutr. . Blutgefäss. Ro Bıea Su Femur einer Krötenlarve (Bufo viridis). Länge des Knochens 3mm. Längsschnitt. 2 Syst. v. H. a. Knorpel. b. Periost. c. Periostaler Knochen. m. Zerstörungslinie des Knorpel. n. Knochenmark. o. Foramen nutritium. Femur einer Krötenlarve (B. viridis). Länge des Knochens 3 mm. Längsschnitt. Syst. 7 v. H. a. In regressiver Metamorphose begriffener Knorpel. b. Periostaler Knochen. m. In Auflösung begriffene Knorpelgrundsubstanz. n. Degenerirte Knorpelzellen an der Zerstörungslinie. Fig. 5. Fig. 7. Fig. 8. Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 47 Femur einer Krötenlarve (B. viridis). Länge des Knochens 4,5 mm. Längsschnitt. 2 Syst. v. H. ehf. Stiel des pilzförmigen Knorpels. ad. Hut des pilzförmigen Knorpels. b. Periost. c. Periostaler Knochen. a. Proliferationsschicht des Knorpels. g. Hypertrophische Schicht des Knorpels. Die Knorpelhöhlen sind in der Richtung der Längsaxe des Knochens abgeplattet. h. Regressive Schicht des Knorpels. f. Zerstörungslinie. e. Sehne. Zweite Phalanx von Rana esculenta. Länge des Knochens 5 mm. Längsschnitt. Syst. 1 v. H. a,m,n. Knorpelschichte (Fig. 5, a, g, h). g. Wandständiger Knorpel. b. Knochenmarkkanäle. h. Tubus medullaris. c. Endostaler Knochen. d. Periostaler Knochen. e. Perichondrale Grenzlinie. f. Homogene Knochenschicht. Erste Phalanx der zweiten Zehe von Rana esculenta. Länge des Knochens 1 cm. Querschnitt in der Höhe des Randes des pilzförmi- gen Knorpels. 2 Syst. v. H. . Pilzförmiger Knorpel. . Wandständiger Knorpel. . Knorpel der Spongiosabalken. . Endostaler Knochen. Knochen- und Knorpelmarkräume. . Perichondrale Grenzlinie. Homogene Knochenschicht. . Radiärgestreifte Knochenschicht. . Periosteum. Beamromemrm q. Anheftungsstelle einer Sehne. Erste Phalanx der zweiten Zehe von Rana esculenta. Länge des Knochens 1 cm. Querschnitt in der Mitte zwischen dem Gelenkende und dem Foramen nutritium. 2 Syst. v. H. A. Knochenmarkhöhle. c. Endostaler Knochen. e. Perichondrale Grenzlinie. f. Homogene Knochenschicht. g. Radiärgestreifte Knochenschicht. g’g‘g‘. Concentrisch lamellöse Knochenschicht. h, h‘, h“. Interterritoriale Linien. 48 Fig. 9. Fig. 11. Fig. 13, N. Kastschenko: Derselbe Knochen, wie Fig. 8. Querschnitt in der Höhe des Fora- men nutritium. 2 Syst. v. H. A. Knochenmarkhöhle. . Endostaler Knochen. Perichondrale Grenzlinie. oo D . Radiärgestreifte Knochenschicht. 03 g’g’'g'’. Concentrisch lamellöse Knochenschicht. h, h‘, h“. Interterritoriale Linien. n. Foramen nutritium. k. Foramen nutritium accessorium. l. Strahlenartig verlaufende Streifen. . Tibio-fibula von Rana esculenta. Länge des Thieres 63 mm. Quer- schliff in der Höhe des For. nutr. Strahlenartig verlaufender Strei- fen bei stärkerer Vergrösserung. 9 Immersionssyst. v. H. A. Foramen nutritium accessorium. Aa. Stelle, wo die Knochenkörperausläufer am reichlichsten ent- wickelt sind. b. Knochenkörperchen. Scapula von einer 13mm langen Krötenlarve (Bufo viridis). Längs- schnitt. 1 Syst. v. H. A. Scapula. B. Cartilago suprascapularis. C. Vereinigungsstelle derselben. a. Cavitas glenoidalis. b. Verkalkter Knorpel. c. Periostaler Knochen. d. Knochenmarkhöhle. e. Perichondrium. f. Intramembranös gebildeter Knochen. . Erste Phalanx der zweiten Zehe von Rana esculenta. Länge des Knochens 1 cm. Querschnitt in der Höhe des Gelenkendes. Meta- plastische Knorpelverknöcherung. 7 Syst. v. H. a,b,c,d,e. Successive Verknöcherungsstadien bei der eircumscripten Metaplasie. g. Einzeln stehende in Verknöcherung begriffene Knorpelkapsel; — beginnende Verknöcherung der umgebenden Knorpelgrundsubstanz. f. Halbeingebettete Osteoblasten. 14 und 15. Clavicula von Rana esculenta. Länge des Knochens 9 mm. — Querschnitte: Fig. 13 durch das Sternalende, 14 durch die Mitte des Knochens, 15 durch das Acromialende. 1 Syst. v. H. a. Knorpeliges Procoracoideum. b. Perichondrium. c. Clavicula. d. Periost. f. Tubus medullaris. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Ueber die Genese und Architeetur der Batrachierknochen. 49 Zweite Phalanx der vorderen Extremität von Rana esculenta. Länge des Knochens 5mm. Querschnitt in der Höhe des Gelenkendes. Metaplastische Knorpelverknöcherung. 4 Syst. v. H. a. Knorpel. b. Interterritoriale Linie. c. Diffuse Knorpelverknöcherung. ea,tesl II. Femur von Rana esculenta. Länge des Knochens 40 mm. Quer- schliff in der Höhe des pilzförmigen Knorpels. 7 Syst. v. H. A. Verkalkte Partie des pilzförmigen Knorpels. a. Knorpelhöhlen. B. Nicht verkalkte Knorpelgrundsubstanz. b. Knorpelhöhlen. c. Kalkkrümel. d. Kalkig infiltrirte Knorpelhöhlen. Wirbelkörper von Rana esculenta. Länge des Thieres 70 mm. Quer- schnitt durch die Mitte des Knochens. 1 Syst. v. H. A. Dorsalfläche. B. Bauchfläche. a. Chorda dorsalis. b. Chordascheide. c. Verkalkter Knorpel. f. Aeussere Knochenröhre. g. Innere Knochenröhre. h. Knochenmarkhöhle. Os ilei von Rana esculenta. Länge des Thieres 34 mm. Querschnitt. 7° Syst. vH, . Periostaler Knochen. . Periosteum. . Ausgebildeter periostaler Knochen. . Knochenkörperchen. . Junge Knochenschicht. . Stellen, wo die Osteoblasten herausgefallen sind. . Osteoblasten. . Reticulumbalken des Periosteum. . Innere Beinhautschicht. g. Aeussere Beinhautschicht. h. Homogene Körper. Do ano db Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. 19, 4 50 N. Kastschenko: Fig. 20. Femur von Rana esculenta. Länge des Knochens 21 mm. Quer- schnitt in der Höhe der Zerstörungslinie. Syst. 5 v. H. c. Periostaler Knochen. h. Homogene Knochenschicht. aa. Knorpel. nn. Knochenmark. b. Knorpelzellen. e. Fetttröpfchen. f. Fettig infiltrirte Knorpelhöhlen. d. Leere Knorpelhöhlen. m. Freie Fetttropfen. Fig. 21. Femur einer erwachsenen Rana esculenta. Länge des Knochens 40 mm. Querschliff aus der Mitte zwischen dem Gelenkende und dem Foramen nutr. 4 Syst. v. H. a. Endostaler Knochen. b. Homogene Knochenschicht. c. Radiärgestreifte Knochenschicht. d. Concentrisch lamellöse Knochenschicht. e. Perichondrale Grenzlinie. Fig. 22. Wirbelsäule einer Froschlarve (R. esculenta). Frontaler Längsschnitt 1 Syst. v. H. A. Vorderes Ende. B. Hinteres Ende. a. Intact gebliebener Theil der Chorda dorsalis. o. Eingeengter Theil der Chorda. b. Chordascheide. c. Knorpelige Wirbel. d. Knorpelfortsätze (Gelenkknorpel). e. Verkalkter Knorpel. f. Periostaler Knochen. Fig. 23. Wirbelsäule einer sehr jungen Rana esculenta. Frontaler Längs- schnitt. 1 Syst. v. H. A. Vorderes Ende. B. Hinteres Ende. . Intact gebliebener Theil der Chorda dorsalis. o. Eingeengter Theil der Chorda. . Chordascheide. c. Knorpelige Wirbel. d. Knorpelfortsätze (Gelenkknorpel). e,p. Verkalkter Knorpel. f. Periostaler Knochen. >) — w Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Ueber die Genese und Architectur der Batrachierknochen. 51 g. Gelenkspalte im Beginn ihrer Entstehung. q,s. Gelenkenden von zwei aufeinander folgenden Wirbelkörpern. h. Knorpelmarkraum. Wirbelsäule einer jungen Rana esculenta. Frontaler Längsschnitt. 1 Syst. v. H. A. Vorderes Ende. B. Hinteres Ende. a. Intact gebliebener Theil der Chorda dorsalis. o. Eingeengter Theil der Chorda. b. Chordascheide. e, p. Verkalkter Knorpel. g. Gelenkspalte. q,s. Gelenkenden von zwei aufeinander folgenden Wirbelkörpern. f. Aeussere Knochenröhre. t. Innere Knochenröhre. h. Knochenmarkhöhle. k. Perichondrale Grenzlinie. l. Wandständiger Knorpel. m. Fettiges Knochenmark. Wirbelkörper einer erwachsenen Rana esculenta. Frontaler Längs- schnitt. 1 Syst. v. H. A. Vorderes Ende. B. Hinteres Ende. a. Intact gebliebener Theil der Chorda dorsalis. o. Eingeengter Theil der Chorda. b. Chordascheide. g. Gelenkspalte. q, s. Gelenkenden. f. Aeussere Knochenröhre. t. Innere Knochenröhre. h. Knochenmarkhöhle. r. Substantia spongiosa. k. Perichondrale Grenzlinie. l. Wandständiger Knorpel. n. Verdickte Partie der Chorda. Wirbelkörper einer 70 mm langen Rana esculenta. Querschnitt durch das hintere Gelenkende. 1 Syst. v. H. A. Dorsalfläche. B. Bauchfläche. a. Eingeengter Theil der Chorda. b. Chordascheide. ec. Wandständiger Knorpel. 52 N. Kastschenko: Ueber die Genese u. Architecetur d. Batrachierknochen. 7197.27. . Perichondrale Grenzlinie. Periostaler Knochen (äussere Knochenröhre). . Innere Knochenröhre. . Homogene Knochenschicht. 1. Substantia spongiosa. Qn m o in je Os coracoideum einer erwachsenen Rana esculenta. Frontaler Längs- schnitt. 8mal vergrössert; mit Dicatopter von Hagenow gezeichnet. A. Sternalende. B. Acromialende. n. Vereinigungsstelle mit dem Procoracoideum. a. Periostaler Knochen. b. Homogene Knochenschicht. e. Perichondrale Grenzlinie. d. Endostaler Knochen. e. Wandständiger Knorpel. h. Knochenmarkhöble. g . Substantia spongiosa. W. Krause: Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 53 Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel III—V. Der Innenkolben in sämmtlichen terminalen Körperchen be- steht aus Kolbenzellen. Dies sind abgeplattete, ursprünglich kernhaltige Zellen, welche dem verdickten Neurilem (Schwann’sche Scheide) angehören, während die secundären Hüllen an den Ter- minalkörperchen von der Adventitia (Perineurium) gebildet werden. Zwischen jenen Kolbenzellen endigen die einfach sensiblen Nerven- fasern mit Terminalfasern, die in birnförmige oder abgeplattete Endknöpfchen auslaufen. Die Terminalfasern sowohl als die Kol- benzellen sind, der durchgreifenden Regel nach, der nächsten Kör- peroberfläche nahezu parallel gerichtet. Diese Sätze zu beweisen, ist der Zweck der nachfolgenden Mittheilungen, indem das Resultat der Untersuchung gleich an die Spitze gestellt wurde. Dabei mag ferner bemerkt werden, wie schon längst bekannt war, dass beim Embryo die Innenkolben aus kernhaltigen Zellen zusammengesetzt sind. Nachgewiesen ist dies speciell für die Innenkolben der Vater’schen Körperchen !) im Me- senterium der Katze, die Herbst’schen Körperchen?) am Unter- schenkel des Huhnes, die Endkolben?) der menschlichen Conjunc- tiva und die Grandry’schen Körperchen des Entenvögelschnabels (s. unten). Man darf nicht erwarten, dass die Eingangs vorausgeschickten 1) W. Krause, Die terminalen Körperehen der einfach sensiblen Ner- ven. 1860. S.25 (längsgestellte Kerne). — Allgemeine Anatomie. 1876. S. 504. 2) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. S. 40. (Innenkol- ben von der aus Zellen bestehenden Querfaserschicht nicht differenzirt.) 3) W. Krause, Die motorischen Endplatten der quergestreiften Mus- kelfasern. 1869. S. 90. — Allgemeine Anatomie. 1876. S. 521. 54 W. Krause: Sätze sich an jedem einzelnen Fundort der mannigfaltig geformten terminalen Körperchen verifieiren lassen. Theilweise tritt hier und da der Schluss nach der Homologie nahe verwandter Formen in seine Rechte. Um dies zu begründen, ist es nothwendig jetzt eine Art von Stammbaum der terminalen Körperchen aufzustellen. Die vielgestalteten Formen der letzteren, in welchen die ein- fach-sensiblen Nerven der Wirbelthiere endigen, hängen offenbar unter einander zusammen. Jedoch kann es sich zur Zeit nicht um die Construirung eines phylogenetischen Stammbaums handeln, nicht um die Frage, wie sich die complieirteren Formen aus den Bestandtheilen der einfacheren differenzirt haben mögen. Noch fehlen dazu die Unterlagen; es ist zu wenig Sicherheit vorhanden, dass wir — nicht alle, aber doch die wesentlichen Gestaltungen bereits kennen; selbst offenkundige Lücken sind unzweideutig nach- zuweisen (Fische). Nur darauf wird es ankommen, in welcher Weise die Homologisirung im Einzelnen durchzuführen ist, und welche Formen einander näher stehen, welche anderen morpholo- gisch lockerer unter sich verknüpft sind. Erst eine genauere Erforschung des feineren Baues der ter- minalen Körperchen gestattet, den eben in seiner Beschränkung definirten Stammbaum überhaupt aufzustellen. Ein solches tieferes Eindringen erschien so lange verfrüht, als die terminalen Körper- chen mancher Körperstellen gleichsam noch um ihre Existenz kämpfen mussten. Die verbreitetsten Handbücher!) vom Jahre 1872 und 1874 wissen nichts von den Endkolben der Conjunctiva, die Arnold?) zwölf Jahre früher für Kunstproduete erklärt hatte. Lightbody°) hielt sie für vasomotorische Ganglienzellen, Rou- get‘) für Nervenknäuel, Ciaccio?) verwechselte sie wenigstens mit solchen u. s. w. Erst dureh die Arbeiten von Waldeyer‘) und das grosse 1) Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. — Graefe und Saemisch, Handbuch der Augenheilkunde. Bd. I. 2) Archiv für pathologische Anatomie. 1862. Bd. XXIV. S. 250. 3) Journal of anatomy and physiology. 1866. Nr. I. S.15. 4) Archives de physiologie. 1868. 8.591. 5) Memorie dell’ Accademia delle scienze dell’ Istituto di Bologna. 1874. T. IV. (Fiocchetti nervosi.) 6) Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Breslau. 1874. S. 209. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1875. Bd. XI. S, 659. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 55 Prachtwerk von Axel Key und Retzius!) ist jenes Stadium des Zweifels überwunden worden. Doch giebt es noch heute ältere Fachmänner, die niemals einen Endkolben selbst dargestellt haben — von den Anderen ganz zu schweigen. Dabei soll nicht verkannt werden, dass die Einführung der Lehre von den terminalen Körperchen überhaupt und der End- kolben insbesondere in die Wissenschaft den damals so ausser- ordentlich beliebten Lehrbüchern der Gewebelehre von Kölliker und Frey zuzuschreiben ist. Beide Autoren hatten durch eigene Untersuchungen die Endkolben der Conjunctiva bestätigt. Aber dies war vor den von Seiten Arnold’s erhobenen Zweifeln ge- schehen. Im Folgenden wird die in meinem Handbuche?) vorgeschla- gene Terminologie vorläufig weiter benutzt. Die Kenntniss der terminalen Körperchen, so weit sie dort geschildert sind, wird selbstverständlich vorausgesetzt und auch in den hier gegebenen Abbildungen nur auf die Feinheiten der eigentlichen Nervenendi- gung Gewicht gelegt. Dies ist besonders zu beachten, weil die Figuren häufig Durchschnitte terminaler Körperchen darstellen, und allein aus diesem Grunde von den am meisten verbreiteten bildlichen Darstellungen abzuweichen scheinen. Dringt nun die Forschung tiefer in die innere Structur der terminalen Körperchen ein, so kann es sich dabei, weil die äusseren Hüllen derselben schon besser erforscht sind, nur noch um die Innenkolben handeln und namentlich um die eigentliche Nerven- endigung in Terminalfasern. Die feingranulirte eigenthümliche Substanz der Innenkolben hat schon manche Hypothesen veranlasst. Für das verdickte Ner- venende selbst wurde sie in den Herbst’schen Körperchen von Leydig?) erklärt. Erst das Experiment *) der Nervendurchschnei- dung bewies, dass diese Auffassung unrichtig und nur die Termi- nalfaser selbst nervöser Natur sei. Später glaubte noch Engel- mann?) Nervenmark in der Substanz jener Innenkolben nach- 1) Studien in der Anatomie des Nervensystems. 1876. II. 8.211. 2) Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. I. Allgemeine und microscopische Anatomie. Hannover 1876. 3) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1853. Bd. V. 8.75. 4) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. S.28 u. 41 5) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1863. Bd. XIII. S. 475, 56 W. Krause: weisen zu können. Er ist mit seiner Auffassung fast isolirt ge- blieben. Seitdem es feststand, dass die Innenkolben nieht nervöser Natur sind, haben sie begreiflicher Weise an Interesse verloren. Dieses knüpft sich vielmehr an den Verlauf der Terminalfasern der freilich innerhalb des Innenkolbens erforscht werden muss. Die nächstliegende Aufgabe war offenbar der Versuch, ob nicht mit besseren Hülfsmitteln jene feinkörnige Masse gleichsam aufzulösen, in anders geartete Elemente auch beim Erwachsenen zu zerlegen sei. Der Erfolg hat diese Vermuthung bestätigt und die verschiedensten Reagentien wie Ueberosmiumsäure, Chlorwas- serstofisäure, Natronlauge haben mehreren Beobachtern identische Resultate ergeben, nämlich eine Zusammensetzung aus den oben so genannten Kolbenzellen. Durch die verschiedene Anordnung der letzteren, Vermehrung ihrer Anzahl, Vereinfachung oder Multiplication der Terminalfasern wie der äusseren Hüllen werden in der That die mannigfaltigen Modificationen terminaler Körperchen hervorgebracht. Ihr Zusam- menhang untereinander erhellt aus folgendem Stammbaum: ’ Terminale Körperchen | Kolbenkörperchen (Reptilien) Endkolben Grandry’sche Kör- (Säuger) ‚perchen ( Vögel) u m rem SE Ge Üben Cylindrische Endkolben Kuglige Endkolben Tastkol- Leydig’- (Säugethiere) (Primaten) ben sche Kör- GE ee ee ee ee ae. erchen Key-Retzi- Enndkapseln Genital- Genital- Gelenk- ( ” ) Oilken, Bee NT (Säugethiere) BEN Nenn Dan Tastkör- Reptilien) prchen ————— .körperch. körperch. körperch. h (Vögel) Vater’- Genital- (Sünge- (Mensch) (Säuger) (Prima: sche Ir En 9 erchen orperch. Körperchen (Säuger) — (Igel (Vögel) Der Nachweis, dass dies Schema den Thatsachen am besten entspricht, wird sich aus der Betrachtung der einzelnen Formen ergeben, deren Reihenfolge (inel. eines Anhanges) dieselbe ist wie in der Tabelle: thiere) ten) 1. Kolbenkörperchen. 2. Cylindrische Endkolben. 3. Endkapseln. 4. Vater’sche Körperchen. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 57 5. Key-Retzius’sche Körperchen. 6. Herbst’sche Körperchen. 7. Kuglige Endkolben. 8. Gelenknervenkörperchen. 9. Genitalnervenkörperchen. 10. Grandry’sche Körperchen. 11. Tastkolben. 12. Tastkörperchen. 13. Leydig’sche Körperchen. 14. Tastzellen. 15. Physiologisches. Elf — oder mit einer von Axel Key und Retzius bei Vö- geln sowie einer anderen bei Reptilien kürzlich neuentdeckten Modification — dreizehn bestimmt charakterisirte Formen termi- naler Körperehen sind bisher bekannt geworden. Um so mehr lässt sich der Versuch rechtfertigen, die betreffenden Einzelformen auf einander zurückzuführen. Dass zwischen den nächstverwandten Gestaltungen der letzteren mannigfaltige Uehergänge stattfinden, darauf habe ich zu wiederholten Malen hingewiesen. Es ist mithin ein im Allgemeinen ganz müssiger Wortstreit, ob man ein bestimm- tes Körperchen z. B. der Zunge als Endkolben oder als Tastkör- perchen bezeichnen will. Wer sich im Einzelfalle unsicher fühlt, insofern der feinere Bau der betreffenden Körperchen durch die Untersuchung nicht genügend aufgeschlossen zu werden vermochte, kann sich vielleicht. des indifferenten Sammelnamens „Terminal- körperchen“ bedienen. I. Kolbenkörperchen. Leydig!) war der Erste, welcher bei Reptilien und zwar in den Zahnfleischpapillen von Tropidonotus natrix anscheinend runde und kernhaltige Verbreiterungen der dort endigenden Ner- venfasern auffand. „Bei anderer Einstellung des Mikroskops ver- längert sich das scheinbar runde Körperchen zu einer die „Gan- glienkugel‘“ durchsetzenden Achse; was somit den Eindruck eines Kerns gab, war der optische Querschnitt eines mittleren Streifens. Ich meine dies Verhalten darf uns bestimmen, die Endanschwel- 1) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1872. Bd. VIII. 5.325. 58 W. Krause: lungen der Nervenfasern mit den sog. Endkolben zu vergleichen; während wir andererseits auch daran sehen, dass Endkolben und Terminalganglienkugeln nahe verwandte Bildungen sind.“ Die Abbildungen Leydig’s zeigen ähnliche Formen, wie sie optische Querschnitte von gruppenweise oder büschelförmig ange- ordneten Endkolben darbieten, die man bei Säugethieren in grös- seren Papillen am frischen Präparat häufig genug zu sehen be- kommt. Ohne Leydig’s Deutungen seiner Beobachtung anzuer- kennen hat Merkel!) später eine wie es scheint etwas grössere Modification der Endkolben bei Tropidonotus, Lacerta, Anguis fra- gilis aufgefunden und (inel. anderer Terminalkörperchen) als Xol- benkörperchen bezeichnet. Dieser Name wird hier beibehalten. Sie finden sich bei Tropidonotus und Anguis in der Umge- bung der Zähne und an den Lippen, bei Lacerta am zahlreichsten an den Lippenrändern und ausserdem über die ganze Hautober- fläche verbreitet. — Was mich betrifft, so habe ich Tropidonotus natrix, Anguis fragilis und Lacerta agilis untersucht; die Lippen des letztgenannten Thieres scheinen den Vorzug zu verdienen. Die Kolbenkörperchen (Taf. III, Fig. 1) gleichen auf den ersten Blick eylindrischen Endkolben ausserordentlich. Sie haben wie diese eine langgestreckt ellipsoidische, am peripherischen Pole abgerundete Gestalt, werden von einer einzigen doppelt-contourirten Nervenfaser versorgt und bestehen aus einem Innenkolben und einer in der Axe verlaufenden Terminalfaser. Die Körperchen sind etwas abgeplattet und im Allgemeinen schlanker als die ey- lindrischen Endkolben. Nach Behandlung des ganz frischen Prä- parates mit Essigsäure erscheint die Hülle sehr dünn und zart, die Substanz des Innenkolbens mehr protoplasmatisch, körnig, und die Kerne der Bindegewebshülle treten hervor. Eine gesonderte äussere, oder zweite, bei den Endkolben öfters sehr deutliche Hülle fehlt aber in den meisten Fällen oder ist wenigstens sehr undeut- lich, obgleich der Innenkolben, wie gesagt, nach Essigsäure-Zusatz an seiner Peripherie längsovale, abgeplattete Kerne erkennen lässt. Die Länge betrug bei den Kolbenkörperchen aus der Lippe erwachsener weiblicher Exemplare von Lacerta agilis z. B. 0,07, die Dieke 0,013 mm. Manchmal erscheinen die Körperehen noch 1) Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wir- belthiere. 1880, 5. 173—175. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 59 etwas schlanker: der Innenkolben ist noch mehr redueirt und die Aehnliehkeit mit einem Kolben resp. einer Keule auffallender. Die angegebenen Unterschiede würden kaum berechtigen, die Kolbenkörperchen von den cylindrischen Endkolben zu trennen und sie (bei Reptilien) mit einem besonderen Namen zu bezeich- nen, wenn nicht der Umstand hinzukäme, dass die Kolbenzellen, aus welchen der Innenkolben sich ohne Zweifel wie in den übri- gen terminalen Körperehen aufbaut, mehr protoplasmatischer Natur sind, als namentlich in den Innenkolben der Herbst’schen und Vater’schen Körperchen. Früher habe ich!) schon hervorgehoben, was Kölliker zuerst nachgewiesen hat, dass ein axial-centraler, die Terminalfaser zunächst umschliessender Theil des Innenkolbens in der zuletzt genannten Art terminaler Körperchen mehr homogen, feinkörnig und jedenfalls nicht so deutlich längsstreifig sei, als die peripherischen Parthien der betreffenden Innenkolben. Hiernach ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Innenkolben der Kolbenkörperehen jener Reptilien nieht den ganzen Innen- kolben der Vater’schen, Herbst’schen Körperchen, Endkolben u. s. w. homolog ist, sondern nur der bezeiehneten mehr protoplasmatischen Abtheilung der letzteren Innenkolben. Dieser Umstand macht es räthlich, die Bezeichnung als Kolbenkörperchen vorläufig beizu- behalten. Mit dem Gesagten steht nieht in Widerspruch, dass wenig- stens bei manchen Kolbenkörperehen der Innenkolben sich auf dem Längsschnitt (Taf. III, Fig. 1) der Länge nach, auf dem Querschnitt concentrisch gestreift erweist. Beide Streifungen sind nämlich unregelmässiger und undeutlicher, gleichsam weicher. Andererseits deutet Merkel?) die Kolbenkörperchen der Rin- gelnatter als „primitivste Vater’sche Körperchen‘; schreibt den- selben eine deutliche äussere Hülle und quergestellte Kerne zu, wie sie die Innenkolben der Herbst’schen Körperchen besitzen. Die Identität mit den von Leydig bei diesem Thier beschriebenen „Endkolben“ wird bestritten und es ist immerhin möglich, dass verschiedene Modificationen vorliegen. Denn die letzteren sog. Endkolben liegen in den Papillenspitzen, die Kolbenkörperchen 1) Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. 8.12. 2) 1. c. S.174. — Wo der genannte Autor mit 1. ce. citirt wird, ist immer die Seite 58 erwähnte Monographie gemeint, 60 W. Krause: mehr in der Tiefe. Vieles spricht allerdings für die ursprüngliche Ansicht von Leydig. Behandelt man den überlebenden Oberkiefer von Tropidonotus natrix 24 Stunden lang mit 0,2°/,iger Ueber- osmiumsäure u. s. w., so sieht man in den Gaumenfalten, am besten nach Entfernung des Epithels, nahe unter der Oberfläche die Ner- venbündel sich ein wenig auffasern und an ihrem Ende eine An- zahl ovaler Terminalkörperchen, mit deutlicher aber dünner (0,001) Bindegewebshülle und von etwa 0,025 Länge auf 0,01 mm Breite. Die in der Axe verlaufende Terminalfaser hat, wie erwähnt, Ley- dig erkannt. Es scheint sich hiernach um eine kleinere Art von Kolbenkörperchen zu handeln. II. Cylindrische Endkolben. Sie bestehen aus einer Bindegewebshülle, die mit der Adven- titia der zutretenden Nervenfaser zusammenhängt, einem Innenkol- ben und einer blassen knopfförmigendigenden Terminalfaser, welche in der Axe des Innenkolbens verläuft. Die Substanz des letzteren zeigt sich fein längsgestreift und da dieselbe dem Innenkolben der Herbst’schen und Vater’schen Körperchen homolog ist, so ist nicht daran zu zweifeln, dass sie aus längsgerichteten Kolbenzellen be- steht. Nach Natronzusatz zum frischen Präparat wird sie grob- körnig, wenn auch nicht in dem Maasse wie der Innenkolben der Vater’schen Körperchen (Taf. III. Fig. 2). Solehe eylindrische Endkolben finden sich auch in der Zunge und in der Conjunetiva bulbi (Taf. III. Fig. 2) des Elephanten, wie ich!) bereits früher angegeben habe. An letzterem Orte betru- gen die Dimensionen 0,08—0,11 mm Länge auf 0,023—0,036 Breite. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der betreffende afrikanische Elephant ein junges Thier war. Ich verdanke das seltene Material der ausserordentlichen Freundlichkeit von Prof. Ehlers in Göttingen. In der Vola manus des Maulwurfes und der Maus endigen die Nervenfasern ausschliesslich mit eylindrischen Endkolben, die eine axiale Terminalfaser besitzen (Taf. III. Fig. 19. 2). Es wer- den allerdings von Merkel?) ausserdem noch sog. Tastkörperchen 1) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 515. 2) 1. 6.8: 148. Taf... XI. Fig: 13m. 212 Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 61 beschrieben und (von der Ratte) abgebildet; dies sind jedoch weiter nichts als schräge Ansichten oder Durchschnitte von Sförmig ge- bogenen Endkolben (Taf. III. Fig. 20), wie sie häufig genug zur Beobachtung kommen. Bei der Ratte haben die Endkolben in der Vola durchschnitt- lich 0,042 Länge, 0,011 mm Breite. — Am bequemsten sind sie bei diesem Thier im Frenulum linguae zu untersuchen, wo man sie frisch mit Essigsäure sehen kann. Sie zeigen daselbst die schon angegebene Grösse und auf dem Querschnitt (mit Ueberosmium- säure in der Vola) concentrische Streifung, wie sie bereits an an- deren eylindrischen Endkolben nachgewiesen!) ist. Mit Rücksicht auf die Längsstreifung?), welche die Innenkolben in der Längsan- sicht darbieten, muss man den letzteren einem geschichteten Baue zuschreiben: sie bestehen aus Längskolbenzellen (s. VI. Herbst’sche Körperchen S. 72). Von der Eingangs aufgestellten Regel, wonach die Kolben- zellen der Oberfläche parallel liegen, scheinen manche eylindrische Endkolben namentlich in Papillen abzuweichen. Indessen kommen Sförmige Biegungen häufig vor, so dass ein Theil jener Ausnahmen sich redueiren lässt. — Achnliches gilt auch für einige andere Formen terminaler Körperchen. III. Endkapseln. Nach meiner?) Angabe stellen diese terminalen Körperchen eine Uebergangsform zwischen Vater’schen Körperchen und cylin- drischen Endkolben dar. Es sind gleichsam sehr kleine Vater’sche Körperchen: sie bestehen aus einer Nervenfaser, Innenkolben und sehr wenigen concentrisch geschichteten Lamellen. Sie unterschei- den sich mithin von Vater’schen Körperchen durch die sehr geringe Anzahl (durchschnittlich etwa 4) umhüllender Lamellen, von End- kolben (Taf. III. Fig. 19 u. 20) umgekehrt durch das Vorhanden- sein der letzteren. Bisher wurden sie nur beim Igel und Elephanten‘) gefunden. 1) Merkel, 1. c. Taf. XV. Fig. 18. 2) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. 8.121. 3) Allgemeine Anatomie. 1876. 8.521. 4) W. Krause, Allgemeine Anatomie. 1876. S. 522. 62 W. Krause: Bei letzterem Thier sind sie in der Zunge schon von Corti!) gesehen und als Tastkörperchen bezeichnet. Sie kommen auch in Zungenpapillen vor (Taf. III. Fig. 8). Beim Igel finden sich die Endkapseln in den Gl. buccales inferiores, in der Vola digitorum (Taf. III. Fig. 4), nur vereinzelt im Penis (Taf. III. Fig. 3 u. 5) und bieten überall denselben Bau dar. Da der Innenkolben bei stärkeren Vergrösserungen längs- gestreift erscheint und die einfache Terminalfaser in der Axe des ersteren verläuft, so wird derselbe ohne Zweifel aus längsgestellten Kolbenzellen sich zusammensetzen. Merkel?) erklärt die Endkapseln des Igels, welche ich in den Gl. buccales inferiores dieses Thieres beobachtet hatte, für Vater’sche Körperchen. Dieselben Endkapseln im Penis des Igels aber nennt der- selbe Autor®): Tastkörperchen. Die Differenz ist von Bedeutung, weil dieser Schriftsteller zwischen Tastkörperchen und Vater’schen Körperchen einen fundamentalen Unterschied statuiren will. Nur innerhalb der ersteren sollen nämlich die Nervenfasern mit termi- nalen Ganglienzellen endigen. In Betreff des Igelpenis wurde hinzugefügt: „Bei diesem Thier treten ebenso wie auch beim Kaninchen die das Körperchen. umhüllenden Perineuralscheiden hervor, welche hier auch schon Bense aufgefallen waren und welche Krause‘) veranlassten, einen neuen Namen »Endkapseln« für sie zu benutzen.“ Und vorher schon war) bemerkt worden: „In seinem Handbuch — wird (von Krause) für die beim Igel von Bense beobachteten Organe noch der neue Name »Endkapseln« eingeführt.“ Der unbefangene Leser könnte hierdurch zu dem Glauben veranlasst werden, dass die durch Bense entdeckten Endkapseln von mir mit einem neuen Namen ausgestattet worden wären. Nun kann man vielleicht nicht erwarten, dass Jemand die in der von Henle herausgegebenen, leider eingegangenen Zeitschrift für rationelle Mediein enthaltenen Aufsätze über Nervenendigungen 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1854. Bd.V. 8.89. 2) 1. c. 8.169. Anm. 3) 1. c. 8.140. 4) Allgemeine Anatomie. 1876. 5) 1. c. $. 107. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 63 kenne, selbst wenn deren Titel eitirt werden. Auch nichtdie Kenntniss meiner historischen Uebersicht?): „W. Krause— unterschied ferner als besondere Formen die Endkapseln (beim Igel, 1864, und Ele- phanten, 1874)“ — aber wenigstens die Jahresberichte über Ana- tomie sollten billigerweise als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Darin sagte seiner Zeit Henle°): „Krause entdeckte und belegte mit dem Namen Endkapseln u. s. w.“, wobei meine Originalabhandlung *) vorher?) eitirt wor- den ist. Bense‘) schrieb später unter meiner Leitung eine sehr fleissig gearbeitete Dissertation, die in der Zeitschrift für rationelle Mediein abgedruckt wurde. Die Endkapseln des Igels werden darin schlichtweg als Terminalkörperchen bezeichnet. Da die Merkel’schen oben eitirten Deductionen unter einander absolut unvereinbar sind, seine Abbildung”) auch nicht besonders geeignet ist, eine klarere Vorstellung hervorzurufen: sie zeigt ein gebogenes rundliches Gebilde, das vermuthlich eine Sförmig ge- krümmte (vergl. Taf. III. Fig. 3), in ihrem Bau nicht erkannte End- kapsel darstellt, so ist es wohl unnöthig, noch etwas hierüber hinzuzufügen. IV. Vater’sche Körperchen. - Das äussere Lamellensystem haben Einige, namentlich A. Key u. Retzius in anderer Weise gedeutet, als es gewöhnlich geschieht. Jede Lamelle oder Kapsel ist nach diesen Forschern eine Doppel- lamelle. Sie besteht aus zwei unmittelbar aneinander liegenden von platten polygonalen kernhaltigen Endothelien gebildeten Häut- chen. Der Zwischenraum enthält die bekannten ringförmig ver- laufenden Bindegewebsfasern und die Flüssigkeit. Letztere, welche bisher Interlamellarflüssigkeit genannt wurde, wird somit zur Intracapsularflüssigkeit. 1) Merkel, 1. c. S. 205. 2) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 528. 3) Bericht über die Fortschritte der Anatomie etc. im Jahre 1864. S. 57. 4) Zeitschrift für rationelle Mediein. 1864. Bd. XXIII. S.47. Taf. V. VI. 5) Jahresbericht, 1. c. 8. 48. 6) 1. c. Bd. XXXIH. 1868. S.1. Taf. I I. 7) 1. c. Taf. XII Fig. 14. 64 W. Krause: Es ist dieselbe Ansicht, die bereits Strahl!) aufstellte, was A. Key u. Retzius?) freilich bestreiten wollen. Strahl sagt aber ausdrücklich, dass die homogenen, bald breiteren, bald schmäleren Kapseln sich am Stielfortsatz abrunden und verweist auf einen Buchstaben e?), welcher dem Intralamellarraum angehört. Gegen diese Darstellung habe ich?) bereits eingewendet, dass die Anzahl der Kerne in den Lamellen (mag man nun frisch un- tersuchen, Essigsäure oder Carmin anwenden) nicht im Entfernte- sten ausreicht, um zwei dicht aneinander liegende Lamellen zu repräsentiren. Und eben so wenig genügt hierfür die Anzahl der polygonalen Zellengrenzen nach Silberbehandlung. Hiervon abgesehen kann die Einfachheit der Lamellen an Säure-Präparaten unzweifelhaft dargethan werden, welche die Zellen, aus denen erstere bestehen, zu isoliren gestatten (Nr. VI. Herbst’sche Körperchen 8. 71). Die Darstellung jener schwedischen Forscher stützt sich we- sentlich auf den leicht zu bestätigenden Umstand, dass an Ueber- osmiumsäure-Präparaten nicht eonstant zwischen je zwei Lamellen ein durch die Säure bräunlich gefärbter Eiweissniederschlag sich bildet, sondern häufig schmale leere Spalten zwischen benachbarten Lamellen bleiben. Am leichtesten tritt dies bei kleinen Vater’schen Körperchen ein, welehe überhaupt wenig Flüssigkeit enthalten, wie sie z. B. aus der Vola der Ratte abgebildet worden sind. Der hieraus zu ziehende Schluss liegt sehr nahe. Der durch die Ueberosmiumsäure gebildete Niederschlag erreicht selbstverständlich nicht das Volum der ursprünglichen Flüssigkeit, namentlich wenn das Coagulum noch durch Alkohol entwässert wurde. Dasselbe zieht sich daher zusammen und hebt sich nicht nur an seinen aus- gedehnten Seitenflächen von den benachbarten Lamellen ab, wobei eine lineare Spalte sich bildet, sondern die Contraction wird na- mentlich an der Peripherie des Gerinnsels wirksam werden. Da nun die Lamellen keineswegs einfach concentrisch das ganze Kör- perchen umkreisen, vielmehr wie bekannt öfters durch schräge Verbindungslamellen mit den benachbarten Kapseln zusammenhän- gen, so zerfällt der Raum zwischen je zwei benachbarten Lamellen 1) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1848. S. 170. 2) 1. c. 8.170. Anm. 3. 3) Strahl, 1. c. Taf. XI. Fig. 1. 4) Allgemeine Anatomie. 1876. 8.504. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 65 — auf das ganze Vater'sche Körperchen bezogen — in Abtheilun- gen. Die meist zugeschärften Ränder dieser Abtheilungen bleiben gerinnselfrei und die dadurch entstehenden Lücken sind es, welche querdurchschnitten zwischen benachbarten Lamellen auftretend zu dem betreffenden Trugschluss Veranlassung gegeben haben. Den Innenkolben der Vater’schen wie der Herbst’schen Kör- perchen sah Engelmann!), wie schon oben in der Einleitung an- gedeutet wurde, nach dem Vorgange von Leydig?) und was die Vögel betrifftvon Kölliker?) für nervös an, obgleich das von mir®) ausgeführte Experiment der Nervendurchschneidung bereits das Gegentheil dargethan hatte, dass nämlich nur die Terminalfaser fettig entartet. Lavdowsky°) behauptete später, dass der Innen- kolben in den Vater'schen Körperchen aus Nervenmark bestehe. Zur Aufstellung dieser Ansichten mag der Umstand beigetragen haben, dassnachEngelmann®) das Neurilem (Schwann’sche Scheide) in die Hülle des Innenkolbens übergeht, so dass mithin letzterer innerhalb des Neurilems sich befindet. Auch ein prineipieller Gegner des Innenkolbens überhaupt dürfte sich dem Gewicht dieser Thatsache schwerlich entziehen können. Man eonstatirt sie an den Vater’schen Körperchen der Katze, sei es im frischen Zustand ohne Zusatz, sei es nach Einlegen in Müller’sche Flüssigkeit leicht mit Hülfe von Natron und Immersionslinsen. Engelmann stützte sich in Betreff des Innenkolbens Herbst’scher Körperchen noch wesent- lich auf die Bildung zahlreicher Myelintropfen im Innenkolben nach eingreifender Natronbehandlung. Dieselbe Erscheinung tritt auch bei den Innenkolben Vater’scher Körperchen auf (Taf. II. Fig. 6). Dieses Virchow'’sche?) „Myelin“ hat mit Nervenmark nichts zu thun, es ist eine chemische Verbindung, die nach Liebreich®) aus der Mischung von Zersetzungsproducten des Protagons mit diesem selbst hervorgeht — eine Substanz, die in jedem Bindege- webe sich bildet, auch an und zwischen den Lamellen der Vater’- 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1863. Bd. XIII. 8.475. 2) Daselbst, 1853. Bd. V. 8.75. — Lehrbuch der Histologie. 1857. S. 193. 3) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1854. Bd. V. 8.118. 4) Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. 8.29. 5) Schwalbe’s Jahresbericht der Anatomie im Jahre 1872. S. 178. 6) 1. ec. Taf. XXXL Fig. II. 7) Archiv für pathologische Anatomie. 1854. Bd. VI. S. 571. 8) Archiv für pathologische Anatomie. 1865. Bd. XXXIL 5.389. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 19. 5 66 W. Krause: schen Körperehen auftritt, und bekanntlich zur Annahme eines sehr verbreiteten Vorkommens von Cholestearin!), sowie von Pro- tagon in den Geweben Veranlassung gegeben hat. In Betreff der Zusammensetzung des Innenkolbens aus Kol- benzellen s. unten Herbst'sche Körperchen (8. 71). Die Terminalfaser zeigt sich im überlebenden Zustande unter hinlänglich starken Vergrösserungen fein längsstreifig?), fibrillär, zugleich feinkörnig und von einer doppelten Contour umgeben. Sie ist abgeplattet; in der Kantenansicht sind die doppelten Con- touren schärfer markirt und breiter. Ich) habe die letzteren früher als Ausdruck einer sehr dünnen Hülle von Nervenmark gedeutet. Andere scheinen sie für eine besondere Axencylinderscheide zu halten, obgleich sie sich mit Ueberosmiumsäure *) (in den Herbst’- schen Körperchen auch durch Gold®), dunkel färben lässt. Die knopfförmige Endanschwellung ist ebenfalls feinkörnig und enthält die etwas angeschwollenen Enden (s. unten) der marklosen Nerven- fibrillen, aus welehen die Terminalfaser sich zusammensetzt, indem sie ein wie gesagt abgeplattetes Bündel von solchen darstellt. Dass die von Max Schultze aufgestellte und von Hans Sehultze neuerdings unterstützte Lehre von der Zusammensetzung der Axencylinder aus solchen Fibrillen die richtige ist, lässt sich kaum besser als durch die Untersuchung überlebender Terminal- fasern in ohne Zusatz untersuchten Vater’schen Körperchen der Katze demonstriren. Macerirt man überlebende Vater’sche Körperchen aus dem Me- senterium der Katze einige Tage mit concentrirter wässriger Oxal- säure-Lösung, so lässt sich erkennen, dass die marklosen Nerven- fibrillen von 0,0003mm Durchmesser innerhalb des Endknöpfchens, mit welchem die Terminalfaser aufhört, jede mit einer oder mehreren kolbenförmigen, etwa 0,0005mm messenden Verdiekungen: Ter- minal-Noduli®) endigen. 1) Beneke, Studien über das Vorkommen etc. von Gallenbestand- theilen in den thierischen und pflanzlichen Organismen. 1862. 8. 116. 2) Vergl. W. Krause, Die terminalen Körperchen u.s. w. 1860. S. 13. 3) Daselbst, S. 62. 4) Axel Key u. Retzius, l. c. S. 177 und 197. 5) Vergl. W. Krause, Allgemeine Anatomie. 1876. 8.508. 6) Es sind die „Körner“ nicht die Globuli der Endknospen von A. Key und Retzius (l. c. 1876. S. 205). Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 67 In der Kantenansicht der Terminalfaser erscheint nach Oxal- säure-Behandlung eine dunklere Faser, die vollkommen einem Axencylinder gleicht, in der Axe der Terminalfaser. Die Rotation des Vater’schen Körperchens um seine Längsaxe ergiebt, dass dies der optische Ausdruck der Seitenansicht jenes Nervenfibrillen- bündels ist. Kleine Vater’sche Körperchen, z. B. 0,17 lang, 0,11 mm breit, finden sich auch im submueösen Gewebe, dicht unter den Zungen- papillen des Elephanten (Taf. III. Fig. 7). Ueber die Vater’schen Körperehen im Mesenterium der Katze ist gegenüber von irrthümlichen Anschauungen noch zu bemerken, dass sie niemals fehlen. Man muss nur bei fettreichen Thieren die Mesenterialnerven auf schwarzem Grunde präpariren, nöthigen- falls die Loupe oder schwache Vergrösserungen zu Hülfe nehmen und jedenfalls am überlebenden Mesenterium untersuchen. Für den Anatomen verstehen sich solche Vorschriften freilich von selbst. In historischer Beziehung dürfte es interessant sein, dass die morphologische Bedeutung der Vater’schen Körperchen zuerst von Virehow') richtig erkannt worden ist: sie stellen colossale Ent- faltungen der Adventitia der Nervenfaser oder des Perineuriums dar, welche aber nur eine einzige Nervenfaser umschliessen. V. Key-Retzius’sche Körperchen. Schon 1854 war es Leydig?) aufgefallen, dass die kleineren Herbst’schen Körperchen im Schnabel von Anser domesticus nicht bräunlich sind, sondern hell. Jenes bräunliche Ansehen der ge- wöhnlichen Herbst’schen Körperchen hängt bekanntlich von deren Querfaserschicht ab. Erst A. Key und Retzius?) entdeckten an jenen kleinen Körperchen des Entenschnabels, dass die Querfaserschicht nicht aus durcheinander gewirrten, nach Leydig dem Werg eines Spritzen- stempels in dieser Hinsicht vergleichbaren Fasern, sondern aus Lamellen besteht, die durch helle Zwischenräume getrennt werden. Dieser Nachweis ist in morphologischer Beziehung von Wich- 1) Cellularpathologie, 1858. S. 214; 1871. S. 282. 2) Archiv für Anatomie u. Physiologie. 1854. S.339. 3) 1. c. 1876. S. 209. 68 W. Krause: tigkeit. Denn die betreffenden Terminalkörperchen, welche nach ihren Erforschern Aey-Retzius’sche Körperchen genannt werden können, bilden den unmittelbaren Uebergang oder ein Zwischen- glied zwischen den Vater’schen der Säuger und den Herbst’schen Körperehen der Vögel. Diese beiden an sich differenten Formen werden dadurch auf unerwartete Weise einander näher gebracht. Zunächst ist noch zur Beschreibung hinzuzufügen, dass auf dem Querschnitt (Taf. III. Fig. 17) wie auf dem Längsschnitt (Taf. III. Fig. 9) der mittlere helle Theil des Key-Retzius’schen Körperchens von eoncentrischen Lamellen durchzogen erscheint. Dieselben sind namentlich nach der Peripherie hin, wo sie sich weiter von einander entfernen, etwas unregelmässig und gehen keineswegs immer als vollständige Ellipsoidschalen um das Körperchen ganz herum. Die Aussencontour jeder Lamelle zeigt sich auf dem Längsschnitt (Taf. III. Fig. 9), nieht aber auf dem Querschnitt, mit dicht an- liegenden Punkten besetzt. Schon hieraus ergiebt sich, dass diese Punkte Querdurchschnitte von Ringfasern sein müssen und bei Focus-Aenderung sieht man sie auf der Längsansicht des Körperchens, sich unmittelbar aus den Punkten entwickelnd, als quere Fasern dasselbe überziehen. Sie sind als verstärkte Ripper, wie Blattrippen in die Aussenfläche der glashellen zarten Lamellen oder Kapsel- membranen eingelassen. Es sind dieselben Fasern, welche in grösserer Anzahl und gleichsam in Unordnung gebracht, das Querfasersystem des Herbst- schen Körperchens bilden. Die äussere oder Längsfaserschicht besteht bei den Key- Retzius’schen Körperchen aus unregelmässig und eng geschichteten Lamellen (Taf. III. Fig. 17), dagegen bei den Herbst’schen Kör- perchen aus Bindegewebsfasern. Denn bei diesen zeigt der Kör- perchenquerschnitt punktförmige Faserdurchschnitte, was ich!) frü- her schon abgebildet hatte. Hiernach erscheinen nun aber die früheren ?) Homologisirungs- versuche zwischen Vater’schen und Herbst’schen Körperchen als nicht mehr haltbar. Bisher wurde, nachdem ein ähnlicher Versuch von Kölliker?) sich nicht bewährt hatte, die äussere oder Längs- faserschicht der Herbst'schen Körperehen den Kapsellamellen der 1) Anatomische Untersuchungen. 1861. Taf. I. Fig. 6. 2) Vergl. W. Krause, Die terminalen Körperchen. 1860. S. 59 u. 182. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 69 Vater’schen Körperchen homologisirt und die Querfaserschicht der ersteren mit den queren Fasern der letzteren in Parallele gesetzt, welche Fasern bekanntlich jede Lamelle des Vater’schen Körper- chens auswendig überdeecken und den Interlamellarraum durch- ziehen. Diese Fasern sind offenbar homolog den beschriebenen Blatt- rippenähnlichen Fasern der Key-Retzius’schen Körperchen und beide wiederum den Querfasern der Herbst’schen Körperehen. Nur dass letztere Fasern bräunlich, auch stärker lichtbrechend und resistenter sind, als gewöhnliche Bindegewebsfasern und auch als die Quer- fasern der Vater’schen Körperchen. Um die Homologie herzustellen, ist es noch nöthig zu sagen, dass die äussere oder Längsfaserschicht der Herbst’schen und Key- Retzius’schen Körperchen am Vater’schen Körperchen nur durch dessen zarte äusserste Bindegewebshülle oder Adventitia repräsen- tirt wird. Die Lamellensysteme finden ihr Homologon in den La- mellen der Key-Retzius’schen Körperchen, welche letzteren jedoch weniger Interlamellarflüssigkeit enthalten. Dieselbe scheint in den Herbst'schen Körperchen ganz zu fehlen und damit fällt auch die Endothellage weg, welche die Innenfläche jeder Querfaserlage im Vater’schen Körperchen überzieht und abgrenzt. Letztere ist mor- phologisch nichts weiter als mit Lymphe infiltrirtes Bindegewebe. Und diese Querfaserlagen zusammengeschmolzen geben die Quer- faserschicht der Herbst’schen Körperehen, denen Lamellen und In- tralamellarflüssigkeit fehlen. Vielleicht hängt Letzteres damit zu- sammen, dass die Herbst’schen Körperchen in der Vogelhaut auch die Wärme-Empfindungen vermitteln müssen: sie sind nicht einfach „Druckkörperchen“. Die Innenkolben der Key-Retzius’schen Körperchen verhalten sich wie bei den Herbst’schen Körperehen. Als seltene Varietät kommt, wie bei den Vater’schen und Herbst’schen Körperehen, eine dichotomische Theilung des Innenkolbens vor (Taf. III. Fig. 10). Die Key-Retzius’schen Körperchen sind stets kleiner als die letztgenannten. Sie wurden bisher nur bekannt aus dem Schnabel von sog. Entenvögeln (Ente, Gans und Schwan). 70 W. Krause: VI. Herbst’sche Körperchen. Der Innenkolben besteht aus Kolbenzellen, nämlich aus platten halbkreisförmig gebogenen, kernhaltigen Zellen, die als bindege- webige Flügelzellen!) hezeichnet worden sind. Letztere bewirken auf dem Längsschnitt eine schwach angedeutete Längsstreifung und auf dem Querschnitt wie in den Key-Retzius’schen Körperchen (Taf. III. Fig. 17) eine concentrische Streifung des Innenkolbens. An den schmaleren Seitenrändern des etwas abgeplatteten Innenkolbens liegen die beiden Kernreihen. Diese Kerne sind in jenen Kolbenzellen enthalten und die concentrisch halbrinnen- förmige Anordnung der letzteren constituirt den Innenkolben. Bei den Vater’schen Körperchen zeigt sich der Innenkolben in der Längsansicht, bis nahe an die Terminalfaser heran fein längsgestreift, wie schon längst bekannt ist. Auf dem Querschnitt erscheint eine zarte concentrische Streifung, was zuerst von Schäfer?) nachgewiesen wurde. Die Combination beider Ansichten ergibt eine Schichtung des Innenkolbens vermöge concentrisch angeordneter unregelmässiger Lamellen. Im Gegensatz zu den Herbst’schen Körperchen fehlen aber hier die beiden regelmässigen Kernreihen. An Stelle von letzteren tritt der seitliche Zusammen- schluss, worin die beiden Zellenreihen, aus welchen auch hier der Innenkolben besteht, zusammenstossen; die Schlussstelle ist als Raphe bezeichnet worden?). Was die Einzelheiten betrifft, so ist bekanntlich *) in den meisten terminalen Körperehen und namentlich in den Vater’schen Körper- chen das die axiale Terminalfaser zunächst umgebende Gewebe des Innenkolbens im frischen Zustande blass, fein granulirt, „in- dem nur undeutlich an der Peripherie eine feine Längsstreifung und eingelagerte, blasse, längsgestellte Kerne zu erkennen sind. — Wenn es nun auch am nächsten liegt, die Substanz des Innenkolben als eine mehr oder weniger regelmässig geschichtete kernhaltige Bindegewebshülle, die nach der Axe zu mehr homogen wird, zu 1) Merkel, 1. c. S. 176. 2) Quarterly Journal of microscopical science. 1875. S. 135. 3) Merkel, l. c. 4) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. S. 12, — Vergl. über das Historische A. Key und Retzius, 1. c. 8. 181. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 71 bezeichnen, so ist doch die Differenz von den Kapselsystemen so bedeutend, die durch die innerste Kapsel gebildete Grenze so deutlich, dass es nicht einfach ein weiteres, nur zarteres und unregelmässi- geres Kapselsystem sein kann, welches z. B. nach Keferstein's!) Darstellung anscheinend den Innenkolben bildet u. s. w.“ In Wahrheit gehören jene längsgestellten Kerne theils den Kolbenzellen, theils der innersten Kapsel oder nächsten Umhüllung des Innenkolbens an. Die Innenkolben der eylindrischen Endkolben und der End- kapseln verhalten sich wie diejenigen der Vater'schen Körperchen, die Innenkolben der Key-Retzius’schen wie diejenigen der Herbst’- schen Körperchen. ; Um die Endothelzellen zu isoliren, aus welehen die Lamellen der Vater'schen Körperchen bestehen, kann man letztere in ganz frischem Zustande 24 Stunden lang mit 0,1%/iger Ueberosmium- säure behandeln und dann etwa eine Stunde lang in concentrirter wässriger Oxalsäure-Lösung auf dem Wasserbade erhitzen. Dabei färben sich die Kerne der Kapseln recht hübsch; beim Innenkolben stösst jedoch auch diese Methode auf Schwierigkeiten, die vielleicht dureh Modificationen der ersteren zu beseitigen wären. Erhitzt man dagegen Vater’sche Körperchen aus dem Mesen- terium der Katze in der Tomsa’schen Mischung (s. unten XI. Tastkörperchen S. 103) 12 Stunden lang auf dem Wasserbade und - kocht dann noch ca. 10 Minuten, so gelingt es zwar auch nicht ohne Weiteres den Innenkolben in Zellen zu zersprengen. Doch wird die Zusammensetzung des äusseren Cylindermantels aus längs- gestellten, in der Mitte oder häufig an einem Ende kernhaltigen, platten Zellen (sog. Endothelhäutehen von A. Key und Retzius) deutlich, die länger sind als die Kolbenzellen der Tastkörperchen. Auf Kantenansichten pflegen sie spindelförmig zu erscheinen. Der innerste, jederseits nur 0,007mm breite Raum längs der Terminal- faser bleibt auch bei dieser Methode körnig und längsstreifig. Je- doch kann man einzelne undeutliche längs-ovale Kerne bis dicht an die Terminalfaser heran nachweisen. Am bequemsten erwies sich mehrstündiges Erwärmen in 30°/, iger Salpetersäure auf ea 50°. Nach Analogie der Lamellen blättert der Innenkolben in die beschriebenen Zellen (Taf. V. 1) Göttinger Nachrichten. 1858. Nr, 8, 172 W. Krause: Fig.592) aus einander und die Terminalfaser (f) lässt sich isoliren. Sie erscheint homogen, wird von keinem Neurilem (Schwann’scher Scheide) bekleidet, obgleich dieses innerhalb des Stielfortsatzes längs der doppelteontourirten Nervenfaser deutlich hervortritt. — Man kann auch etwa achttägige Maceration bei gewöhnlicher Temperatur mittelst der genannten Säure anwenden. Obgleich die Isolirung der Kolbenzellen aus allen oben ge- nannten Innenkolben nach dem Gesagten noch nicht gelungen ist, so kann man mit Rücksicht auf die Entwickelungsgeschichte (S. 53) nicht daran zweifeln, dass es sich in der That um theils noch kernhaltige, meistentheils aber kernlos gewordene platte Bindege- webszellen oder Inoblasten!) handelt, welche den Innenkolben zu- sammensetzen. Es ist dabei daran zu erinnern, dass bereits Will?), der mit Herbst fast gleichzeitige Beobachter der Herbst'schen Körperchen die Vermuthung ausgesprochen hat, der Innenkolben sei aus Zellen zusammengesetzt. Ferner hat A. Budge?) die Zusammensetzung des Innen- kolbens der Vater’schen Körperchen aus in Pikrinsäure gelb sich färbenden Zellen theilweise richtig erkannt; dieselben aber wie es scheint mit Endknöpfehen combinirt. Auch Jzquierdo*) und Waldeyer?’) haben die Innenkolben zunächst der Genitalnerven- körperchen, aus verschmolzenen Zellen abgeleitet, die noch mehr oder weniger deutlich gesondert sind. Die Terminalfaser verläuft in diesen Fällen in der Längsrich- tung des betreffenden Körperchens. Parallel derselben erstreckt sich die Streifung, welche Ausdruck von gebogenen Platten näm- lich der Kolbenzellen ist. Insofern deren Ebenen sich ebenfalls der Oberfläche oder Längsaxe des Körperchens parallel stellen, können die Zellen kurzweg als Längskolbenzellen bezeichnet werden, zum Unterschiede von solchen terminalen Körperchen, deren Innen- kolben wie z. B. in den Tastkörperchen aus quer zu ihrer Längs- axe gestellten oder Querkolbenzellen bestehen. 1) W. Krause, Allgemeine Anatomie. 1876. 2) Sitzungsberichte der k.) Akademie der Wissensch. zu Wien. Math. naturw. Cl. 1850. Bd. IV. 8.213. 3) Medicinisches Centralblatt. 1873. 8.595. 4) Beiträge zur Kenntniss der Endigung der sensiblen Nerven. 1879. S. 57. 5) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1879. Bd. XVII. 8.381. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 73 VI. Kuglige Endkolben. Die kugligen Endkolben der menschlichen Conjunetiva be- zeichnet Merkel!) als Tastkörperchen. Nun kann man mit letzterem Wort einen physiologischen oder einen morphologischen Begriff verbinden. Im Allgemeinen wird die erstere Terminologie in der anatomischen Literatur vor- gezogen. Die physiologischen Benennungen der meisten Gesichts- muskeln, Vorderarmmuskeln u. s. w. sind so beliebt, weil man sich dabei doch etwas denken kann. Und dies erleichtert dem Ge- dächtniss des Lernenden seine verwickelte Aufgabe. Nimmt man die Tastkörperchen nach ihrer wörtlichen Be- deutung in physiologischer Hinsicht, so werden terminale Körper- chen an den Zehen oder Fingern der Vierfüssler auszuschliessen sein, obgleich sie vor Kurzem so genannt worden sind. Denn diese Thiere gebrauchen ihre Digiti oder Volarflächen zum Laufen, nicht zum Tasten, wie es die Primaten thun. Auf die Idee, die Conjunetiva bulbi mit Tastorganen auszustatten, dürfte wohl sonst noch Niemand vetfallen sein. Will man dagegen eine anatomische Definition von Tastkör- perchen geben, so bleibt als einziges durchgreifendes Merkmal, wie ich früher ausführlich gezeigt habe, die eigenthümliche und mannigfach gedeutete Querstreifung übrig. Schliesst man sich dieser Definition nicht an, so mag man jedes beliebige Terminalkörper- chen, wie Manche thun, Tastkörperchen nennen; dann werden aber gewöhnlich die Tastkörperchen der Primaten als Meissner’sche Körperchen unterschieden. Hiergegen würde natürlich nichts ein- zuwenden sein. Sollte gleiehwohl Jemand die persönliche Nomenelatur ver- meiden und ausserdem der Querstreifung kein entscheidendes Ge- wicht beilegen wollen, so erscheint es dann jedenfalls doch den gewöhnlichen Grundsätzen anatomischer Terminologie entsprechend, nur solche terminale Körperchen als Tastkörperchen zu bezeichnen, _ welehe mit den ihrer Structur nach hinreichend bekannten des Menschen und der Affen übereinstimmen. Weicht man von diesem Grundsatze ab, so entsteht der Nachtheil, dass der Leser nicht mehr weiss, welches anatomische Bild man sich von verschiedenen 1) 1. c. 8.148. 74 W. Krause: Objeeten zu machen hat, die aus irgend welchen Gründen, vielleicht auch wegen unklarer Vorstellungen über ihre Function, unter der- selben eigentlich physiologischen Bezeichnung vereinigt wurden. Im Folgenden wird daher jene Nomenclatur festgehalten, wobei die Bemerkung wiederholt werden mag, dass man ja für Gebilde, die ihrem anatomischen Bau nach zur Zeit zweifelhaft erscheinen, das Nichts präjudieirende Wort „Terminalkörperchen“ zur Verfügung hat, welches Tastkörperchen, Endkolben u. s. w. in sich begreift. Die kugligen Endkolben bestehen aus einer Bindegewebshülle, einem kugligen Innenkolben und einer oder mehreren darin knopf- förmig endigenden Terminalfasern. Sie unterscheiden sich von den Meissner’schen Tastkörperchen zunächst dadurch, dass — so Man- cher sie nicht hat auffinden können, obgleich sie in der Conjunc- tiva bulbi zahlreich genug sind. Dies hat zum Theil seinen Grund in dem Glauben, als gehörten ganz besonders frische Objecte zu ihrer Nachweisung. Und doch hat schon Stromeyer!) einen Endkolben abgebildet, der sich bei Frostwetter längere Zeit so frisch conservirt hatte, dass er wenigstens als solcher noch zu erkennen war. Man muss hierbei zwei ganz verschiedene Dinge auseinander halten. Entweder, es handelt sich um die Ermittlung feinerer Ver- hältnisse, z. B. der Nervenendigung, der Terminalfasern ete. Hierfür gab es vor zwanzig Jahren schlechterdings kein Mittel, als womög- lieh noch warme Augen zu untersuchen, um die Durchsichtigkeit des Bindegewebes, der ungetrübten Epithelien ete. im überlebenden Zustande zu benutzen. Oder es kommt — abgesehen von der Conservirung mikros- kopischer Präparate — zunächst nur auf die Auffindung der End- kolben (Genitalnervenkörperchen ete.) selbst an. Um Ungeübten, resp. Solchen, welche diese terminalen Körperchen noch nicht kennen, die erste Auffindung zu erleichtern, bin ich nach vielen anderweitigen Versuchen bei einer etwa 3 %/,igen Essigsäure oder gewöhnlichem Essig stehen geblieben, die A. Key u. Retzius als Krause’sche Essigsäure-Mischung zu bezeichnen vorschlagen, ob- gleich den letzteren bereits Billroth für andere Zwecke ange- wendet hatte. Hat man an Essigsäure-Präparaten die Terminal- 1) Deutsche Klinik. 1859. Nr. 25. Fig. 2, Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 75 körperchen aufgefunden, so könnte der mit dieser Methode nicht Vertraute noch die doppelteontourirten Nervenfasern mit anderen Dingen verwechseln. Dem wird durch Uebersättigung mit Natron vorgebeugt. Die beiden ganz verschiedenen Zwecke haben Arnold u. A. confundirt und sind deshalb sehr schlecht auf die Essigsäure- Methode zu sprechen. Kommt aber einmal eine etwas schwierigere Aufgabe vor, wie sie z. B. in den terminalen Körperchen der Froschhaut gegeben ist, so kann auch Merkel!) jene Essigsäure- Mischung nicht ganz entbehren. Dass letztere nicht in jeder Hand Resultate zu geben braucht, erhellt aus den weiteren Bemerkungen über die Leydig’schen Körperchen in der Daumenwarze des Frosch- männchens, deren Nerven der genannte Autor?) nicht hat finden können. Auch für Mauchle®) war die Maceration der Conjunetiva in verdünnter Essigsäure die einzige zum Ziele führende Methode. Jene leidenschaftliche Polemik gegen die Essigsäure ist mit- hin wissenschaftlich werthlos. Wer sich freiwillig auf eine oder die andere der empfohlenen Methoden beschränkt und nicht jede Methode anwendet, wozu sie gut ist, wird in der Histologie heut- zutage wenig Erfolge mehr ernten. Wendet man Essigsäure oder Natron an, so erscheint der Innenkolben in den Endkolben der menschlichen Conjunctiva als feinkörnige Substanz. Derselbe zeigt keine Spur von Querstreifen, wie sie für die Tastkörperchen characteristisch sind. Hierin liegt ein so einfaches, so durchschlagendes, weil in dem feineren Auf- bau der Körperehen selbst begründetes Merkmal, dass man zu der Vermuthung kommt, von anderer Seite möchten die Endkolben des Menschen gar nicht auf das Vorhandensein oder Fehlen dieser Querstreifung geprüft worden sein. Dass die Endkolben in Wahrheit nicht quergestreift sind, thun nicht nur die gewöhnlichen Flächenschnitte der menschlichen Conjunetiva, sondern unzweifelhaft auch die Querschnitte dar (Taf. III. Fig. 18). Man muss fernerweit schliessen, da die Innenkolben der End- 1) 1. c. 8. 10. 2) 1. c. 8. 110. 3) Archiv für pathologische Anatomie. 1867. .Bd. XLI. 3.149, 76 W. Krause: kolben jedenfalls beim Fötus aus Zellen zusammengesetzt sind, und da Ueberosmiumsäure nebst Immersionslinsen zahlreiche Kerne in der Substanz des Innenkolbens selbst erkennen lassen (Taf. TI. Fig. 11), dass der letztere ebenfalls aus Kolbenzellen besteht. Möglicherweise könnten dieselben regellos durch einander gelagert sein, wie Longworth!) will. Mit Rücksicht auf den Verlauf der Terminalfasern (s. unten), müssen indessen die kugligen Endkolben der eylindrischen angereiht werden, deren Innenkolben sich aus Längskolbenzellen zusammensetzen (s. unten). Keinenfalls handelt es sich um Querkolbenzellen. Was die Terminalfasern anlangt, so enthalten die Endkolben der menschlichen Conjunetiva deren eine bis vier. Als typisch ist anzunehmen, dass sie mit Endknöpfehen aufhören, obgleich dies nicht immer direet beobachtet werden kann. Zugleich ergiebt sich eine unzweifelhafte Verwandtschaft mit den Innenkolben der Vater’- schen und Herbst’sehen Körperchen oder der eylindrischen End- kolben, weil die Terminalfasern wie in den letzteren dem Prineip nach die Verlaufsrichtung der zutretenden doppelteontourirten Ner- venfasern fortsetzen. (In den Tastkörperchen und Tastkolben da- gegen erstrecken sie sich senkrecht zur genannten Verlaufsrichtung.) Da nun wie erwähnt (S. 53) die Terminalfasern und die Ebenen derKolbenzellen in den übrigen Arten terminaler Körperchen einander parallele Verlaufsriehtungen einhalten, so wird der Schluss gerecht- fertigt, dass dieser Fall auch in den kugligen Endkolben eintritt, deren Innenkolben mithin aus Längskolbenzellen gebildet sein werden. Es ist freilich nicht in jedem Einzelfalle leicht, jenen Verlauf zu erkennen. In den beiden abgebildeten Beispielen (Taf. II. Fig. 12 u. 15) würde einem präoceupirten oder ungeübten Beo- bachter es schwerlich in den Sinn gekommen sein, der Terminal- faser bis an ihr wirkliches Ende nachzugehen. Will man näheren Anschluss zwischen rundlichen und eylin- drischen Endkolben, so muss man auf die Entwieklungsgeschichte zurückgehen. Diese lehrt, dass längsovale, gestreckte Endkolben auch in der Conjunetiva von Kindern?) vorkommen. Nicht minder wurden sie als Varietät?) in einzelnen Fällen beim Erwachsenen 1) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1875. Bd. XI. Taf. XLIV. Fig.6. 2) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. Taf. IV. Fig. 16. 3) W.Krause, Anatomische Untersuchungen. 1861. 8. 46. — Lüdden s. Kölliker, Gewebelehre. 1867. S. 104. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 77 angetroffen. Ferner zeigen sich bei den eylindrischen Endkolben zuweilen Varietäten, die sie besonders nahe an den inneren Bau der kugligen heranbringen. Wenn nämlich in den eylindrischen, wie es häufiger in den kugligen der Fall ist, mehrere blasse Ter- minalfasern in einem und demselben Innenkolben verlaufen !). Für die Merkel’schen?) Deductionen scheint die eitirte Abbildung aller- diugs besonders unbequem gewesen zu sein. Weitere Uebergangsformen würden in den einfachen Grandry’- schen Körperchen (Nr. X) gegeben sein, wenn man von der starken Abplattung ihrer Terminalfaser abstrahirt. Flächenansichten sehen wie kuglige Endkolben aus, Seitenansichten wie kurze eylindrische (vergl. Taf. IV. Fig. 29 u. 31). — Da auch die Fledermäuse eylindrische Endkolben besitzen, so beschränkt sich die Aussicht, in der Thierreihe noch Zwischenformen zu entdecken, auf irgend- welche bisher noch nicht untersuchte Körperstellen verschiedener Thiere, ähnlich wie z. B. im Schnabel von Vögeln Grandry’sche Körperehen vorkommen, in der Zunge aber Tastkolben. Man findet mitunter?) die Behauptung ausgesprochen, dass einzelne Parthien der Conjunctiva in Betreff der Häufigkeit ihrer Endkolben bevorzugt wären. Namentlich soll das vom Gebiet des N. lacrymalis gelten. Dies ist jedoch ein Irrthum, hervorgerufen durch eine zu geringe Anzahl von Untersuchungen, oder dadurch, dass z. B. Poncet?*) den grössten Theil, etwa zwei Drittel, der Endkolben übersehen hat, da nur 5 bis 6 auf 40 qmm gefunden wurden. Bei Gelegenheit meiner Bestimmung?) der Zahl der End- kolben in der Conjunctiva bulbi (76 resp. 87 im Ganzen, oder durchschnittlich je 2 Endkolben auf 5 qmm) habe ich die einzelnen Endkolben sämmtlich graphisch verzeichnet. Es stellte sich heraus, dass jeder beliebig abgegrenzte Quadrant der Conjunetiva durch- schnittlich die gleiche Anzahl von Endkolben enthielt. Wohl aber sind dieselben gruppenweise angeordnet: sie stehen stellenweise verhältnissmässig dicht gedrängt (z. B. 11 Endkolben auf 0,28 qmm), ‚so dass ca. 40 Endkolben auf ein Quadratmillimeter Conjunctiva kommen würden, während sie in der Nachbarschaft sparsam zer- 1) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. Taf. I. Fig. 16. 2) Vergl. 1. c. S. 105. 3) Seit Ciaccio (Mem. dell’ Accad. d. Sc. dell’ Istituto di Bologna. 1874). 4) Schwalbe’s Jahresbericht der Anatomie für 1875. S. 140. 5) Anatomische Untersuchungen. 1861. S. 40. 78 W. Krause: streut sind. Berücksichtigt man diese Zufälligkeiten nicht, so kann man in dergleichen Irrthümer verfallen. Eine Abbildung der oben erwähnten graphischen Darstellung hier zu geben, erscheint vor- läufig wohl überflüssig, da von mehreren Seiten Mittheilungen über die Endkolben der Conjunetiva des Menschen in Aussicht gestellt sind. VIH. Genitalnervenkörperchen. Unter diesem Namen beschrieb ich !) eigenthümliche Terminal- körperchen aus der Clitoris des Menschen und des Kaninchens, dem Penis des Menschen, sowie mit Bense?) aus dem Penis des Katers, Igels, Kaninchens und der Clitoris des Schweines. Sie sind charakterisirt durch ihre relativ sehr starke, feste und dicke (Taf. IV. Fig. 21) Hülle und durch Einschnürungen, welche den grösseren dieser Körperchen niemals fehlen, den kleineren aber eine unregelmässig bohnenförmige, herzähnliche oder dreigetheilte oder maulbeerförmige Gestalt verleihen. Die Genitalnervenkörperchen bestehen abgesehen von jener Hülle aus einem Innenkolben, Terminalfasern nebst einer oder mehreren zu- tretenden Nervenfasern. A. Key und Retzius?), sowie Izquierdo®), der unter Waldeyer’s Leitung die Clitoris des Kaninchens untersuchte, er- klärten die betreffenden Körperchen für Endkolben, Merkel?) da- gegen diejenigen des Kaninchens und des Menschen für Tast- körperchen. Die letzteren habe ich®) aus den Papillen der menschlichen Clitoris schon früher beschrieben. Sie sind auch von A. Key und Retzius”?) bestätigt worden. Ausserdem finden sich beim Menschen (Taf. IV. Fig. 23) wie beim Kaninchen vereinzelte End- kolben, beim Igel auch Endkapseln (Taf. IH. Fig. 5) in der 1) Göttinger Nachrichten. 1866. Nr. 12. Zeitschrift für rationelle Me- diein. 1866. Bd. XXVII. 8.86. — Finger, daselbst S. 222, 2) Daselbst, 1868. Bd. XXXII. 8.1. 8) 1. o. S. 225. 4) Beiträge zur Kenntniss der Endigung der sensiblen Nerven. 1879. 8.59. 5) 1. c. S. 138. 6) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 522. 7) 1. c. 8.226. Die Nervenendigung innerhälb der terminalen Körperchen. 18) Schleimhaut selbst. Dass die Genitalnervenkörperchen aber etwas Besonderes sind, da sie sich schon durch ihre verhältnissmässig colossale Grösse!) von Endkolben wie Tastkörperchen unterschei- den, lehrt ein Blick auf die Abbildungen aus der Clitoris des Menschen (Taf. Ill, Fig. 14), wie aus dem Penis des Igels (Fig. 13). Man könnte nun vermuthen, es handle sich vielleicht nur um Gruppen von rundlichen Endkolben beim Menschen, von eylindri- schen Endkolben z. B. beim Kaninchen, von Endkapseln beim Igel, welche jedesmal in der Anzahl von etwa 3—5 durch eine gemein- same Bindegewebshülle zu einem Genitalnervenkörperchen ver- bunden würden. Indessen wird diese Vermuthung schon dadurch widerlegt, dass so grosse und mannigfaltig geformte Körperchen durch eine einzige doppelteontourirte Nervenfaser versorgt werden (Taf. IH. Fig. 14 u. 16). Den Körperchen dürfte mithin wohl eine besondere Function zukommen und diese kann keine andere sein als die Geschlechts- empfindung, während die gewöhnlichen, bekanntlich ziemlich stumpfen Tastempfindungen an den Genitalien von den sparsamen Endkolben oder Tastkörperchen vermittelt werden. Dafür spricht, dass die Genitalnervenkörperchen auf die Glans penis und elito- ridis beschränkt sind, sowie sich wiederum hieraus ableiten lässt, dass die Geschlechtsempfindung an die Clitoris ausschliesslich ge- bunden ist. Andererseits ist die morphologische Erscheinung der Genital- nervenkörperchen durch ihr Hervorgehen aus zusammengewachsenen d. h. verschmolzenen Endkolben, Endkapseln u. s. w. je nach den Thierspecies zufolge des Vorhergehenden leicht verständlich. Im Stammbaum der terminalen Körperchen (8. 56) treten sie daher an verschiedenen Stellen auf. Was die Nervenendigung der Terminalfasern innerhalb der Innenkolben anlangt, so bemerkt Merkel?) darüber: „(Krause’s und seiner Schüler) — knopfförmige Endigungen dürfen wohl nach A. Key’s und Retzius’ reformatorischen Forschungen mit Still- schweigen übergangen werden.“ Das liest sich gut und macht einen ganz plausiblen Eindruck. 1) Vergl. A. Key u. Retzius, l. c. Taf. XXXVI. Fig. 3. 2) 1. c. S. 140. 80 W. Krause: Besieht man die Sache näher, so bemerkt man nicht ohne Ver- wunderung, dass ich nirgends über die wirkliche Nervenendigung in den Genitalnervenkörperchen auch nur eine Vermuthung ge- äussert, von einer knopfförmigen Endigung aber vollends keine Silbe gesagt habe. Von meinen Schülern haben nur Finger (l. e.) und später Bense (l. c.) über die Genitalnervenkörperchen ge- schrieben und ebensowenig ein Wort von knopfförmigen Endigungen verlauten lassen. Mit der Ausnahme, dass Bense eine solche knopfförmige Endigung aus einem gewöhnlichen eylindrischen End- kolben des Maulwurfpenis abbildet, in welchen Endkolben diese knopfförmige Endigung auch von Merkel für die Norm ange- sehen wird. Die erwähnte Abbildung erörtert letzterer Autor!) ausführlich auf der nächsten Seite und schliesst sich Bense an in Bezug auf die Ausstattung des Maulwurfs mit Endkolben an dieser Körperstelle. Daraus lässt sich auch die etwaige Vermuthung widerlegen, dass Merkel diese Originalabhandlungen nicht zugäng- lich gewesen sein möchten. Er muss die Tafel gesehen haben. Jene Merkel’sche Deduction ist also rein in’s Blaue hinein behauptet. Aber es kommt noch besser. Man sollte denken, bei A. Key u. Retzius müsse sich wenigstens eine Widerlegung der überhaupt von irgend Jemand vermutheten knopfförmigen Endigungen finden. Doch im Gegen- theil beschrieben gerade A. Key u. Retzius aus der Clitoris des Kaninchens eine ganz bestimmte Endigungsform der Nerven- fasern innerhalb der Genitalnervenkörperchen, nämlich mit sog. „Endknospen“. Mit dieser Novität setzt sich Merkel auf andere Art aus- einander. Ungeachtet der belobten reformatorischen Forschungen jener beiden schwedischen Gelehrten erklärt Merkel?) ganz ein- fach in Betreff der Genitalnervenkörperchen des Kaninchens, dass A. Key u. Retzius die blassen Terminalfasern überhaupt gar nicht gesehen haben: „Der eigentliche Axeneylinder — entging ihren Blicken.“ Unglaublich, aber hier wörtlich eitirt! Die Sache selbst ist offenbar ganz gleichgültig. Im schlimmsten Fall wird mir eine Entdeckung zugeschrieben, die ich gemacht zu haben leugne. Erörtert wird die Angelegenheit auch nicht zur 1) 1. 6.,8. 141, 2), 139: Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 81 Berichtigung für einen Forscher wie Merkel, sondern vielmehr zum warnenden Beispiel für Diejenigen, welche über die Treue von dergleichen Literaturexcerpten etwa im Unklaren sein sollten. Was nun die fragliche Nervenendigung in Wirklichkeit an- langt, so wird für die Genitalnervenkörperchen wie bei den Tast- körperchen von Merkel eine Endigung in terminalen Ganglien- zellen behauptet. Da die Genitalnervenkörperchen wenigstens beim Igel Gruppen von Endkapseln gleichen, deren Innenkolben aber bei den Säugethieren jedenfalls aus Längskolbenzellen zusammen- gesetzt ist, wie schon dessen Längsstreifung (Taf. III. Fig. 3) an- zeigt, so würde ein solches Verhältniss in scharfem Widerspruch mit Merkel’s eigenen Aufstellungen stehen, denn Innenkolben mit Längskolbenzellen rechnet Merkel sonst zu den Vater’schen Körperchen, Endkolben ete. Diesmal handelt es sich um Kerne der dicken Hülle, welche irrthümlich für Ganglienzellenkerne angesehen worden sind. Vor einer so groben Verwechslung hätte schon ihr granulirtes Aus- sehen und ihre Resistenz in Essigsäure-Präparaten schützen sollen. IX. 6elenknervenkörperchen. Die Gelenknervenkörperchen!) bestehen aus einer Binde- gewebshülle und einem Innenkolben, der, wie ich früher gezeigt habe, eine Anzahl länglicher und rundlich-ellipsoidischer Kerne enthält. Sie schliessen sich daher an die kugligen Endkolben an, unterscheiden sich aber von diesen durch ihre Grösse, ihre abgeplattete Gestalt, das Eintreten zahlreicherer doppelteontourirter Nervenfasern und das Vorkommen in der Synonialis nicht nur an den Fingergelenken des Menschen, sondern auch am Kniegelenk vom Kaninchen und Hunde. Insofern die Gelenknervenkörperchen vielleicht noch nicht allgemein bekannt sind, so wird eine Ab- bildung (Taf. IV. Fig. 22) der Vollständigkeit halber hier wiederholt. Da die zahlreichen (beim Kaninchen, wo die Körperchen an der hinteren Fläche des Condylus medialis oss. femoris in der Gelenkkapsel leicht zugänglich sind, — bis zu 100) Kerne der Länge nach gestellt sind, so ist nicht zu bezweifeln, dass der 1) W. Krause, Medicinisches Centralblatt. 1874. 8.211 u. 401. — Allgemeine Anatomie. 1876. S. 523. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 19. 6 82 W. Krause: Innenkolben aus Längskolbenzellen besteht. Die Gelenknerven- körperchen schliessen sich in dieser Hinsicht den kugligen End- kolben zunächst an. X. Grandry’sche Körperchen. Die Grandry’schen Körperchen im Schnabel einiger Schwimm- vögel (sog. Entenvögel) wurden von mir!) mit diesem Namen be- zeichnet, der seitdem ausgedehnte Verbreitung gefunden hat, wäh- rend A. Key und Retzius?) sie Zellenendkolben nannten. Nach meiner Beschreibung haben sie eine zarte Hülle, die von einer dünnen kernhaltigen Bindegewebsmembran gebildet wird. Von dieser abgesehen bestehen sie aus einem eylindrischen Innenkolben und in dessen Längsaxe verlaufender Terminalfaser, unterscheiden sich aber von den analog gebauten Endkolben dadurch, dass die Kerne der Hülle in zwei Reihen angeordnet und mehr viereckig sind. Diese Beschreibung scheint den Nachuntersuchern z. B. Hesse unverständlich geblieben zu sein. Wie sie gemeint war, zeigt ein Blick auf Taf. IV (Fig. 27 u. 28). In der ersteren sieht man die Kerne der Hülle, welche häufig in zwei Reihen zusammengedrängt sich über und unter der Flächenansicht des Körperchens hinziehen, und in der letzteren Figur die in der Axe verlaufende Terminal- faser mit einer flach ausgebreiteten dünnen Anschwellung endigen. Eine entsprechende Anordnung der Kerne der Querfaserschicht in zwei Reihen scheint, den Abbildungen?) nach zu urtheilen, in den kleinen Herbst’schen Körperchen des Papageienschnabels vorzu- kommen. Wenigstens habe ich damals (1875) ganz ähnliche Bil- der im Schnabel von Astur gesehen. Dass die schon von Gran- dry (Taf. IV, Fig. 25) abgebildete und von mir®) bereits erwähnte Terminalfaser abgeplattet ist, braucht wohl nicht besonders be- merkt zu werden. Der Satz in meiner allgemeinen Anatomie, wonach mannig- fache Uebergänge von den Herbst’schen zu den Grandry’schen Körperchen gestatten eine continuirliche Reihe zu bilden — be- 1) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 508. 2) 1. e. S. 207. 3)Goujon, Journal de l’anatomie. 1869. Taf. XII. Fig. 8 — Mer- KALI WTALH RN. Fig. 10%. 4) W. Krause, l. c. S. 508. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 83 zog sich auf Formen, wie sie in Fig. 36 (Taf. IV) abgebildet sind. Sie kommen besonders in der gelben Wachshaut des Schnabels, und in den grossen Papillen des Schnabelrandes, die ich zu jener Zeit vorzugsweise untersucht hatte, vor. Was nun speciell das Historische anlangt, so beschrieb Gran- dry (ein Schüler von Max Schultze) im Jahre 1869 eine eigen- thümliche Form sensibler Nervenendigungen vom Schnabel der Ente und Gans. Die Beschreibung!) lautet: A cöte des corpuseules de Pacini on trouve dans le bee du canard et de l’oie une autre forme de terminaison nerveuse, sur la structure desquels je ne suis pas encore tout a fait fix&, surtout au point de la terminaison du nerf. Je erois inutile de les decrire et je renvoie aux plan- ches qui, mieux qu’une description, donnent une idee exacte de leur forme etc. Grandry verweist also auf seine Abbildungen, von denen einige der wichtigsten mit der Originalerklärung hier copirt sind (Taf. IV, Fig. 24—26). Henle?) referirte seiner Zeit über die Grandry’sche Ent- deckung. Wie Grandry selbst — dessen vorsichtige Ausdrucks- weise ihn als fähigen und von keinem Pruritus inclarescendi ge- plagten Forscher kennzeichnet — vermochte auch Henle über die Art der Nervenendigung innerhalb der Körperchen keine sichere - Vorstellung sich zu bilden. Merkel?) beschrieb die von Grandry, den Ihlder‘) kurz da- rauf eitirt hatte, entdeckten Körperchen unter dem Namen von Tastzellen resp. Zwillingstastzellen. Hierzu habe ich?) gesagt: „die Grandry’schen Körperchen scheinen von Merkel (1875) als Zwillingstastzellen des Vogelschnabels beschrieben worden zu sein, nachdem sie bereits Grandry (1869) richtig gedeutet hatte.“ Nämlich als terminale Körperchen. In der Tafelerklärung Grandry’s steht ausdrücklich: Corpuscules nerveux terminaux (Le. S. 398). 1) Journal de Panatomie et de la physiologie par Robin. VI ann. 1869. S. 393. 2) Jahresbericht für Anatomie im Jahre 1869. S. 50. 3) Göttinger Nachrichten. 1875. 8.125. 4) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1870. 8.249. Die Arbeit war ursprünglich eine unter meiner Leitung in Göttingen angefertigte Dissertation. 5) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 509. 84 W. Krause: Merkel!) führt in einer hierhergehörigen historischen Notiz zwar den Text Grandry’s von S. 393 in extenso an. Die ent- scheidenden auf S. 398 befindlichen Worte führt Merkel aber nicht an. Weshalb wohl nicht? Merkel fährt zwar auch jetzt noch fort, die Grandry’schen Körperchen als Tastzellen zu bezeichnen, wenn sie auf der Fläche liegen?) und als Zwillingstastzellen oder Tastkörperchen, wenn sie von der Seite gesehen werden?). Damit wird aber, um einen Ausdruck Waldeyer’s zu gebrauchen, die corpusculäre Natur jener Gebilde nicht beseitigt. Noch weniger wird etwas an der Thatsache geändert, dass die wirkliche Nervenendigung im Gran- dry’schen Körperehen (meine Terminalfaser, der wie gesagt schon von Grandry abgebildete disque tactile Ranvier’s, die Tastscheibe Hesse’s) während einer speciell darauf gerichteten Untersuchung in ihrer Bedeutung nicht erkannt worden ist (vergl. unten XIV, Tast- zellen). Ueber die hier reprodueirten Abbildungen Grandry’s mag gleich noch erwähnt werden, dass in Fig. 24 (Taf. IV) die Seiten- ansicht eines zusammengesetzten Körperchens, in Fig. 25 die- selbe mit einer windschief gebogenen Terminalfaser, in Fig. 26 die Polansicht eines einfachen Körperchens zu erkennen ist. Letzteres zeigt die zwei Kerne der beiden Kolbenzellen und in der Mitte feinkörnige Substanz, die wohl einen schrägen Querschnitt der Terminalfaser darstellt. Alle diese Bestandtheile (auch die unten zu erwähnende Terminalscheibe) hat also Grandry bereits wahr- genommen und abgebildet, wenngleich nicht weiter beschrieben. Die Vergrösserung ist die gewöhnliche: 3—400fach. In Bezug auf ihren Bau kann man die Grandry’schen Kör- perehen eintheilen in einfache Grandry’sche Körperchen, und in zusammengesetzte. Die einfachen Grandry’schen Körperchen®) sind zusam- mengesetzt aus einer Bindegewebshülle, einem Innenkolben und einer breiten abgeplatteten Terminalfaser, die hier Terminalscheibe 1) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1878. Bd. XV. 8.416. 2) Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven. 1880. S. 211. Taf. X. Fig. 7 u. 8. 3) Daselbst, S. 212. Fig. 9—12. 4) Zwillingstastzellen. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 58 genannt werden soll. Sie erhalten niemals mehr als eine einzige zutretende doppelteontourirte Nervenfaser, Der Innenkolben besteht aus nur zwei Kolbenzellen. Die- selben zeichnen sich, wie Merkel hervorgehoben hat, durch ihre schönen, nur wenig von der Kugelgestalt abweichenden Kerne aus, die im überlebenden Zustande ganz klar und mit einem oder häu- figer mit zwei glänzenden Kernkörperchen ausgestattet sind. Kern- figuren resp. Andeutungen von Kerntheilung sind mir niemals zur Beobachtung gekommen. Bei dieser Gelegenheit mag nochmals darauf hingewiesen werden, dass terminale Körperchen nur beim Embryo, nicht aber späterhin gebildet werden. Dies folgt aus dem Umstande, dass das neugeborene Kind bereits ungefähr so viel Tastkörperchen besitzt wie der Erwachsene: zusammengehalten mit den Veränderungen in der Feinheit des Raumsinnes?). Jenes Aussehen der Kerne kann einen ungeübten Beobachter möglicherweise zu der Annahme verleiten, diese Kerne wären solche von Ganglienkugeln. Vergleicht man aber damit die Kerne des Innenkolbens der Herbst’schen Körperchen und namentlich der von Leydig?) so besonders genau beschriebenen im Schnepfen- schnabel, so wird man in diesen Irrthum nicht gerathen können. Denn die betreffenden Kerne aus dem Schnepfenschnabel vermögen ebenfalls einen nervösen Eindruck zu machen, wie früher auch Leydig und Kölliker vor meinen Untersuchungen und nach denselben noch Engelmann — freilich aus anderen Gründen — die Innenkolben der Herbst’schen Körperchen für nervös erklärt haben (s. oben S. 55). Nun lehrt die Beobachtung, dass nicht nur im frischen Zu- stande, sondern gegen jedes Reagens, welches angewendet werden konnte, sich der Innenkolben der Grandry’schen Körperchen genau so verhält, wie derjenige der Herbst'schen und Key-Retzius’schen Körperehen. Von solehen Reagentien sind zu nennen: Kochsalz- lösung, Essigsäure, Natron, Glycerin, Chromsäure, Müller’sche Flüssigkeit, doppeltehromsaures Kali, Goldehlorid, Ueberosmium- säure, Kochen in Wasser u. s. w. Da im Entenvögelschnabel neben den Grandry’schen Körperchen auch Key-Retzius’sche fast in jedem Schnitte anzutreffen sind, so hat man es ausserordent- 1) Vergl. meine terminalen Körperchen u. s. w. 1860. S.91 u. 206. 2) Archiv f. mikroskopische Anatomie. 1868. Bd. IV. S.195. 86 W. Krause: lich bequem, sich durch Vergleichung von der Richtigkeit dieser Thatsachen zu überzeugen. Die einzige Ausnahme kann scheinbar die Ueberosmiumsäure bedingen. Da sie nämlich nicht durch die dieke Epidermis des Schnabelrandes, sondern an abgeschnittenen Hautstückehen hauptsächlich von den dem Knochen zunächst ge- legenen Stellen aus langsam eindringt, so kann namentlich bei verdünnteren Lösungen und etwas grösseren Hautstücken es sich ereignen, dass die Einwirkung ungleichmässig auftritt und zeit- weise die Grandry’schen Körperchen von der Säure weniger beein- flusst, ihre Innenkolben daher heller erscheinen, als diejenigen der Key-Retzius’schen Körperchen. Was die Form der einfachen Grandry’schen Körperchen an- langt, so ist sie niemals eine genau kugelrunde, obgleich Hesse!) sie Tastkugeln zu nennen vorgeschlagen hat. Nur auf schrägen Ansichten, die allerdings häufig genug vorkommen, können sie, wie gleich hier bemerkt werden mag, ganz rund aussehen. Vielmehr überwiegt in Wahrheit die Länge gewöhnlich um ein klein wenig die Breite und letztere um eben so viel die Dieke. Vergl. Fig. 29, 30 u. 31 (Taf. IV), die freilich drei verschiedene Körperchen dar- stellen, an denen man aber je zwei Dimensionen jedesmal messend vergleichen kann. Als Durchschnittszahlen ergaben sich 0,067 Länge, 0,053 Breite, 0,045 mm Dicke bei der Ente. Merkel gab früher 0,056 für Ente und Gans an, später?) für die Dieke etwas weniger, Hesse 0,060 für die Gans. Die Grandry’schen Körperchen sind mithin auch keine Rota- tions-Ellipsoide, da ihre Dieke geringer ist, als die Breite und nicht einmal Ellipsoide überhaupt, denn die Dicke nimmt nach dem peripherischen Pol hin ein wenig ab. Alles dies ergiebt sich aus nachstehender Tabelle. Es ist dafür unerheblich, ob man frische Körperehen ohne Zusatz oder mit Ueberosmiumsäure oder Chromsäure behandelte misst, da sich die Dimensionen nicht merk- lich ändern. Die betreffenden Messungen wurden an dem weissen Schnabelrande einer Ailesbury-Ente angestellt, welche Spielart sich durch Pigmentarmuth ihres Schnabels auszeichnet, nach 24stündiger Behandlung der ganz frischen Hautstücke mit 1°/iger Ueberos- miumsäure, dann mit Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Es wurden 1) Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abth. 1878. S. 288. 2) Vergl. 1. c. 8.117 Anm, Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 87 jedesmal 3 Körperchen gemessen und zwar in Flächenansicht, Seitenansicht und Spitzenansicht des peripherischen Poles (vergl. unten die Erläuterung dieser Ausdrücke). Die Mittelzahlen, welche correspondiren und, wenn keine Fehlerquellen vorhanden wären, eigentlich übereinstimmen sollten, sind im Druck hervorgehoben. Man erhält dadurch zugleich einen Massstab für die Zuverlässig- keit der Resultate. Dass die Breite in der Spitzenansicht erheblich geringer ist, als in der Seitenansicht, beruht wie gesagt auf der keineswegs regelmässig ellipsoidischen Gestalt der Körperchen, die Messungen dürften nicht an dem dicksten Theil, sondern weiter nach dem peripherischen Pol hin — etwa um ein Viertel der Länge des ganzen Körperchens — angestellt sein. Letzteren Be- stimmungen wurde daher vermindertes Gewicht beim Ziehen des Mittels beigelegt. Die 0,004—0,008 mm dicke Bindegewebshülle ist immer mit einbezogen worden. Dimensionen der Grandry’schen Körperchen der Ente in mm. Flächenansicht. | Seitenansicht. Spitzenansicht. Länge | Breite | Länge | Breite | Länge | Breite Maximum . . .|| 0,080 0,063 0,073 0,053 0,057 0,040 Minimum . . .|| 0,052 0,041 0,060 0,040 0,052 0,033 Mittel’ 20... 2 || 0,067 0,053 0,066 0,049 0,054 0,036 Bei der Gans sind die Dimensionen ganz ähnlich, beim Schwan ein wenig grösser und die Bindegewebshülle etwas stärker. Um die verschiedenen Ansichten aus einander zu halten, in denen die Körperchen sich projieiren können, ist es nützlich, zu- nächst einen centralen Pol, an welchem die doppelteontourirte Nervenfaser eintritt (Taf. IV. Fig. 31 {), von dem peripherischen Pol zu unterscheiden. Man hat dann zwei Polansichten (Taf. IV. Fig. 30, Ansicht des peripherischen Poles), ferner die Flächenansicht (in welcher die Flächenausbreitung der Terminalfaser gesehen wird — Taf. IV. Fig. 29) und die Seitenansicht, in welcher der Verlauf der Terminalfaser vom centralen nach dem peripherischen Pol hin sich verfolgen lässt (Taf. IV. Fig. 31). Was nun die Nervenendigung betrifft, so geht die Adventitia der zutretenden Nervenfaser in die Hülle des Grandry’schen Körper- chens über, das Neurilem dagegen begleitet die öfters noch doppelt- 88 W. Krause: contourirte (Taf. IV. Fig. 28) Nervenfaser in das Körperchen hinein. In anderen Fällen, wie gleich hier bemerkt werden soll, verliert sich das Nervenmark dicht vor dem Eintritt der Faser in die Körperchenhülle. Statt des Ausdruckes: Adventitia der Nervenfaser habe ich früher immer nach dem damaligen durch Kölliker u. A. verbrei- teten Usus „Neurilem“ gesagt. Jenes Neurilem oder die jetzige Adventitia ist also etwas ganz anderes als das jetzige, von Engel- mann!) mit diesem Ausdruck bezeichnete Neurilem oder die Schwann’sche Scheide. So wird sie von den Meisten genannt, während Einige die Adventitia als Henle’sche Scheide zu bezeich- nen vorziehen. Nieht nur bei den Grandry’schen, sondern auch bei anderen terminalen Körperchen (s. oben) geht die Adventitia in die äusseren secundären Hüllen des Innenkolbens über, das Neurilem in die innerste bindegewebige Hülle, welche den Innenkolben zunächst umgiebt. Zur Vermeidung von Missverständnissen in Betreff der Endkolben mag bei dieser Gelegenheit noch ausdrücklich bemerkt werden, dass in meinen früheren Abbildungen?) nur die Adventitia gezeichnet und in der Tafelerklärung als Neurilem bezeichnet worden ist. Das geschilderte Verhalten ist speciell für das eigent- liche Neurilem der Endkolben von Engelmann (l. ce.) zuerst an- gegeben worden. In den Grandry’schen Körperchen ist das Verhalten des Ner- venmarkes ein wechselndes. Gewöhnlich verliert sich dasselbe ein wenig vor dem Eintritt der Faser in die Bindegewebshülle des Körperchens. In anderen Fällen (Taf. IV. Fig. 27, Fig. 29) setzt sich dasselbe bis an den Innenkolben oder noch innerhalb des letzteren (Taf. IV. Fig. 28) fort. Dabei theilt sich die Nervenfaser, wenn der Innenkolben aus mehr als zwei Kolbenzellen besteht dichotomisch, selten wiederholt dichotomisch, oder trichotomisch (Taf. IV. Fig. 40), so dass zwischen je zwei benachbarten Kolben- zellen eine Terminalfaser zu liegen kommt. Die Formel Ranvier'’s?), wonach die Zahl der Terminalfasern stets gleich ist der Zahl der Kolbenzellen minus 1— ist insofern selbstverständlich richtig. Es 1) Zeitschr. für wissenschaftliche Zoologie. 1863. Bd. XIII. 8.477. 2) Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. Taf. III. Fig. 6 u. 7. Taf. IV. Fig. 15. 3) Comptes rendus. 1877. T. LXXXV. S. 1022. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 89 gibt aber auch Zwillingskörperchen, in welchen zwei aus je zwei Kolbenzellen bestehende Innenkolben nicht durch eine Terminal- faser, sondern durch eine bindegewebige, der äusseren Hülle des Körperehens homologe Scheidewand getrennt werden. Zum Unter- schiede kann man die Körperchen, welche mehr als eine Termi- nalfaser enthalten, zusammmengesetzte Grandry’sche Kör- perehen, diejenigen aber, welche durch eine Bindegewebswand getheilt und von zwei doppeltcontourirten Nervenfasern versorgt werden, Zwillingskörperchen nennen. Die Nervenfaser kann sich verdicken, indem sie ihre doppel- ten Contouren verliert. Da die Substanz der Terminalfaser sich nicht in allen Reagentien conservirt, so entsteht dadurch ein scheinbar leerer Raum nahe der Peripherie des Körperchens in- nerhalb des Innenkolbens, den Hesse!) als Lymphraum gedeutet hat. Dies ist namentlich in verdünnten Lösungen von Ueberos- miumsäure, auch von Chromsäure der Fall (Taf. IV. Fig. 41). Dieser anscheinende Lymphraum ist nichts anderes als der Anfang der (zerstörten) Terminalfaser selbst und nimmt deren Stelle ein. Sehr bald aber verbreitert sich die abgeplattete, etwa 0,0025 mm breite Terminalfaser noch mehr, nämlich zu einem breiten platten Endknopf, den man wegen dieser Besonderheit hier Ter- minalscheibe (Taf. IV. Fig. 27, 28, 29, 37) nennen kann. Da alle Terminalfasern der Herbst’schen Körperchen und auch ihre Endknöpfchen abgeplattet sind, so fällt hierbei nichts auf, als die beträchtlichere (etwa 0,02 mm betragende) Flächenausdehnung der Terminalscheibe. Dieselbe endigt an ihrer Peripherie ganz fein zugeschärft. Ihre Substanz ist im frischen Zustande (Taf. IV. Fig. 37) und ebenso nach Behandlung mit 0,5—1 °/iger Ueberosmiumsäure (Taf. IV. Fig. 29), 1 °/,iger Chromsäure, Müller’scher Flüssigkeit (Taf. IV. Fig. 27) ete. fein granulirt. Die Körnehen messen 0,0005— 0,0008 mm. Nur in ihrem Anfange oder nach dem centralen Pole des Grandry’schen Körperchens hin, erscheint die Terminalscheibe mitunter fein längsstreifig (Taf. IV. Fig. 29) zum Zeichen, dass die Terminalfaser sich in die marklosen Nervenfibrillen (nach der von mir benutzten Terminologie?) auffasert, aus denen sie besteht. 1) Archiv für Anatomie u. Physiologie. 1878. Anat. Abth. S. 301. 2) Allgemeine Anatomie. 1876. S.363. 90 W. Krause: Ranvier') hält die Punkte, welehe man in der Polansicht oder auf entsprechenden Durchschnitten durch das Grandry’sche Körperchen bemerkt, für Querschnitte von Fibrillen, aus denen die Terminalscheibe sich zusammensetzt. Indessen trägt auch die granulirte Substanz der letztern zu dieser Erscheinung bei. Die Länge der im Innenkolben verlaufenden, selten anfangs noch doppelteontourirten (S. 83) Terminalfaser schwankt (Taf. IV. Fig. 27, 28, 29, 37) und ebenso die Dicke der Terminalscheibe. Ist diese etwas dieker (Taf. IV. Fig. 31), z. B. 0,0036, während sie im Mittel 0,0021 mm hat, so erscheint sie in der Flächenan- sicht oder in schräger Ansicht (Taf. IV. Fig. 28) besonders deut- lich. Letztere Ansichten sind vorzugsweise günstig, und man sieht sie am besten nahe der Spitze des Oberschnabels bei der Ente oder beim Schwan. Auch solche dicke Terminalscheiben sind an ihren Flanken fein zugeschärft, wie man bei Verschiebung des Focus in der Seitenansicht des Körperchens erkennt. Andere Ter- minalscheiben erscheinen unter diesen Umständen nirgends dicker als 0,0016 mm (Taf. IV. Fig. 39). Hieraus erklärt sich, wesshalb Merkel?) seine Beobachtungen über die Terminalscheiben erst veröffentlichte, nachdem Ranvier?) sie als disque tactile beschrie- ben hatte. Ersterer unterlag mit in Folge dieses verhängnissvollen Irrthums noch anderweitigen Täuschungen (S. unten). Niemals reicht die Terminalfaser bis zum peripherischen Pol des Körperchens. Um diesen Umstand zu erläutern, ist es nöthig, das Neurilem (sog. Schwann’sche Scheide) der doppelteon- tourirten Nervenfaser zu verfolgen. Während die Adventitia, wie oben (S. 87) bemerkt wurde, mit der Bindegewebshülle des Gran- dry’schen Körperehens zusammenhängt, setzt sich das Neurilem in deren innerste, den beiden Kolbenzellen unmittelbar anliegende, scheinbar strueturlose, membranöse Umhüllung (Taf. IV. Fig. 29) fort, welche Ranvier?) als eine Endothellage characterisirt. Die Kolbenzellen liegen also innerhalb des Neurilems gerade wie die Innenkolben der Vater’schen oder Herbst’sehen Körperehen. Wie immer erstreekt sich die Terminalfaser parallel nicht nur der nächsten Körperoberfläche (S. 53), sondern auch parallel der Längs- axe der Kolbenzellen und da diese mit der Längsaxe des Körper- 1) Comptes rendus. 1877. T. LXXXV. S. 1022. 2) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1878. Bd. XV. 8.425. 3) Comptes rendus. 1877. T. LXXXV. 5.1021. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 91 chens zusammenfällt, so bestehen die Innenkolben der einfachen Grandry’schen Körperchen nach der oben (S. 72) gegebenen Defi- nition aus Längskolbenzellen. Dagegen fällt in den zusammenge- setzten Grandry’schen Körperchen (Taf. IV. Fig. 32), weil deren grösste Ausdehnung zufolge der Schichtung der Zellen in senk- rechter Richtung auf die Ebene der Terminalscheibe stattfindet, die Breitenaxe des Körperchens mit der Längsaxe der drei oder mehreren Kolbenzellen zusammen: diese Innenkolben bestehen mithin aus Querkolbenzellen (wie diejenigen der Tastkolben und Tastkörperchen), während die einfachen Grandry’schen Körperchen Längskolbenzellen wie die Innenkolben der Herbst’schen, die Vater’schen Körperchen u. s. w. haben. So irrelevant diese Differenz offenbar in physiologischer Hin- sieht ist, so interessant wird sie in morphologischer Beziehung. Denn die Grandry’schen Körperchen werden dadurch zu einem neuen Bindeglied zwischen den von Endkolben abzuleitenden Formen terminaler Körperchen (s. die Tabelle S. 56) einerseits und den Tastkolben und Tastkörperchen andererseits. Bisher wurde letztere Verbindung wesentlich nur durch die kugligen Endkolben hergestellt. Wo die Terminalscheibe aufhört, tritt an den peripherischen Rändern der grössten Halbirungsebene des einfachen Grandry’schen Körperchens und ebenso zwischen je zwei benachbarten Kolben- zellen der zusammengesetzten Körperchen, noch eine eigenthümliche Bildung auf. Die beiden genannten Kolbenzellen werden nämlich unter einander peripherisch durch eine Raphe verdunden. Dies ist ein platter bindegewebiger Ring, den Hesse Scheibenring genannt hat, welcher etwa ein Drittel so breit ist als der Längsdurchmesser des Grandry’schen Körperchens, welchem er angehört. Auf der Flächenansicht erscheint derselbe radiärgestreift, namentlich deut- lich an Chromsäurepräparaten (vergl. Taf. IV. Fig. 27) und an Körperchen, die parallel ihrer grössten Halbirungsebene vom Schnitt getroffen worden sind. Der optische Durchschnitt dieser mit einem Saturnsring ihrer Form nach zu vergleichenden Raphe erscheint als nur 0,001—0,0013 mm dicke, scharfe, glänzende, in Reagentien resistente Linie, die niemals körnig (Taf. IV. Fig. 41) und streng von der Profilansicht der nervösen Terminalscheibe zu unterscheiden ist. 92 W. Krause: Sowohl in der Seiten- wie in der Polansicht lässt sich diese Linie entweder mehr geradlinig oder etwas ausgebogen von einem Ende des Körperchens zum anderen verfolgen, wenn man mit dem Focus dasselbe nicht geradezu optisch halbirt. In letzterem Falle tritt in der Seitenansicht natürlicher Weise der optische Längs- schnitt der Terminalfaser hervor. Vom peripherischen Ende der Terminalscheibe aber bis zum peripherischen Pol des Körperehens kann man auch bei dieser Ansicht der Raphe als einer scharfen Linie nachgehen, welche sich mit einer dreieckigen Verbreiterung an die Innenfläche der Körperchenhülle ansetzt. An der Anhef- tungsstelle ist häufig ein Bindegewebskern gelegen (Taf. IV. Fig. 39r). Das Centrum der Raphe ist also von einer kreisförmigen Lücke durchbrochen, woselbst die Terminalscheibe liegt (Taf. IV. Fig. 27). Ausserdem fehlt die Raphe an der Eintrittsstelle der Nervenfaser, insofern sich die Terminalfaser zwischen die beiden Kolbenzellen eindrängt. Am peripherischen Pol des Körperchens dagegen ist die Raphe vorhanden. Wie der gewählte Name andeutet, ist die ringförmige binde- sewebige Scheidewand der von den Herbst’schen und Key-Retzius’- schen Körperchen (Taf. III. Fig. 17) beschriebenen Raphe voll- ständig homolog. Sie entspricht der Verwachsungsstelle von je zwei Hälften des Innenkolbens, welche in den genannten Körper- chen an den schmalen Seiten der abgeplatteten Terminalfaser sich hinzieht. Mit der radiären Streifung der Raphe ist eine andere Strei- fung nicht zu verwechseln, welche die Kolbenzellen des Innenkol- bens durehzieht. Man sieht sie am besten an Chromsäure-Präpa- raten (Taf. IV. Fig. 42). Die Streifen erscheinen fein körnig und sind jedenfalls der Ausdruck des Stroma’s des Zellenleibes, welches Stroma vom eigentlichen Zellenprotoplasma unterschieden werden musst). In Ueberosmiumsäure treten die im Allgemeinen senkrecht zur Aequatorialebene resp. zur Ringscheibe der Raphe verlaufen- den Streifen weniger deutlich hervor und Merkel?) ist wohl durch solche Bilder verleitet worden, die Streifen für nervös zu halten und mit der Terminalscheibe in Zusammenhang zu bringen. Sie verlaufen nicht überall radiär, sondern manchmal gegen die Pole 1) W. Krause, Allgemeine Anatomie. 1876. 8.7. 2) 1. c. 8.119. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 93 des Körperchens convergirend und zwar ebensowohl gegen den peripherischen wie gegen den centralen Pol oder gegen die Flan- ken des Körperchens hin (Taf. IV. Fig. 42). Schon hieraus geht hervor, dass sie mit der Nervenendigung nichts zu thun haben. Im Gegentheil ist die”wahre Nervenendigung mit der Termi- nalscheibe gegeben. Selbstverständlich ist dieser nervöse breite und platte Knopf jenen knopfförmigen Endigungen der Terminalfasern in den Herbst’schen Körperchen homolog, welche so oft für termi- nale Ganglienzellen gehalten worden sind. Die Grandry’schen Körperchen reihen sich hierdurch den übrigen terminalen Körper- chen ein und bilden, wie schon oben angedeutet wurde, den Ueber- gang zwischen den Herbst’schen Körperchen und den scheinbar so verschiedenen Tastkolben. In Betreff der zusammengesetzten Gran- dry’schen Körperchen vergl. unten: Tastkolben, und in Bezug auf die Entwickelungsgeschichte der Grandry’schen Körperchen über- haupt den Abschnitt Tastzellen (Nr. XIV S. 121). Was schliesslich noch die Untersuchungsmethoden betrifft, so erwies sich als geeignetstes Object der weisse oder doch hellere Schnabelrand der gewöhnlichen Entenvögel. Die gelbe Wachshaut ist zwar sehr nervenreich, enthält aber manche Uebergangsformen, die weniger leicht zu deuten sind. Am besten ist der Schwan zu untersuchen, weil die terminalen Körperchen gleichsam massiver, ihre Terminalfasern, auf die es besonders ankommt, kräftiger ausgebildet sind. Sehr günstig ist ferner der beinahe farblose Schnabelrand echter Aülesbury-Enten, deren Schnäbel denjenigen von kleinen Gänsen an Grösse nahe kommen. Viel weniger geeig- net erscheint die Gans und vollends mit den auf dem Markte käuflichen ist gar nichts anzufangen. Dies liegt nicht an der Länge der seit dem Tode verstrichenen Zeit, die im Spätherbst und Winter nicht von so grosser Bedeutung ist. Hauptsächlich kommt vielmehr die Vertrocknung in Frage. Im Hannoverschen wenigstens ist es Sitte, dass die zu Markt gebrachten Gänse am Nachmittag vorher geschlachtet werden, um sie rupfen zu können. Ohne besondere Vorsichtsmassregeln aufbewahrt, troeknet dann die Schnabelhaut zu einer lederartigen Masse ein, die zwar nach An- wendung verdünnter Ueberosmiumsäure- oder Chromsäure-Lösungen wieder aufquillt, anderen Reagentien gegenüber sich aber als un- traitabel ergiebt. Man muss also die Gänse lebend kaufen. — Die oben von mir empfohlenen Vögel verdanke ich der Freundlichkeit 94 W. Krause: des als Hühnerzüchter bekannten Oberstlieutenant Röttiger in Göttingen; die Wildente ist ganz unbrauchbar. XI. Tastkolben. Ihlder!) beschrieb im Jahre 1870 unter obigem Namen eine eigenthümliche Art terminaler Körperchen aus der Vogel- zunge als zwischen Endkolben und Tastkörperchen in der Mitte stehend. Es sind danach länglich-ellipsoidische Körperchen mit Binde- gewebshülle, quergestellten Kernen, Innenkolben und einer in der Axe des letzteren verlaufenden blassen Terminalfaser, die mit einer starken Anschwellung, resp. einer grossen körnigen Gan- glienzelle endigt. Da Ihlder unter meiner Leitung gearbeitet hatte, so habe ich seine Beschreibung später adoptirt, mit Aus- nahme der terminalen Ganglienzelle, von deren Vorhandensein ich mich nicht selbst überzeugen konnte. Am bequemsten sind sie in der Zunge des Sperlings aufzufinden; sie waren mir auch aus der Zunge des Kanarienvogels von früherer Zeit her bekannt. A. Key und Retzius?) haben die Beschreibung von Ihlder in ihrer literarischen Uebersicht bei den Grandry’schen Körper- chen aufgeführt, die Tastkolben aber nicht selbst untersucht. Das- selbe gilt für Hesse’s und Izquierdo’s?) Darstellungen. Letz- 1) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1870. S. 238. 2) 1. c. S. 227. 3) Beiträge zur Kenntniss der Endigung der sensiblen Nerven. 1879. S. 30. — Wie grosse Schwierigkeiten es dem Ausländer (Izquierdo ist Chi- lene) macht, sich in der zerstreuten Literatur des Gegenstandes zurechtzu- finden, zeigt sich z. B. in einer Bemerkung auf 8.77. Sie lautet: „Klein: Citirt in Krause’s Allg. und mikrosk. Anatomie (die Arbeit selbst war nicht aufzufinden‘*). Nun betrifft die einzige hierhergehörige Beobachtung von Klein die Vater’schen Körperchen im Innern der Corpora cavernosa penis. Sie war von mir (Allg. Anat. $. 502) eitirt mit dem Zusatze: (Klein, 1870). Der nächst- liegende Gedanke ist offenbar an die Arbeit Klein’s: „Die äusseren männ- lichen und weiblichen Genitalien“ in Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. Ba. I. S. 635. Man pflegt für gewöhnlich die allgemein bekannten Hand- bücher nicht in jedem einzelnen Falle besonders aufzuführen. Auch hatte ich in der Einleitung (l. c. S. 4) über das Citiren von Jahreszahlen bemerkt: „Wo sich also eine solche Jahreszahl findet, wird man in den Jahresberich- Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 95 terer lässt Ihlder sagen, dass er seine Tastkolben für identisch mit Grandry’s Körperchen halte und sucht dann Ihlder hierin zu widerlegen. Indessen meldet Ihlder in Wahrheit gar nichts über die fragliche Identität und hat nur die historische Notiz, dass sowohl Grandry als Goujon bereits terminale Körperchen, im Vogelschnabel gesehen hätten. Ihlder hatte die Zunge untersucht, nicht die Schnabelhaut und eine Nachprüfung der Grandry’schen Angaben überhaupt nieht in Angriff genommen. Da die Tastkolben etwas Neues waren, die Grandry’schen Körperchen aber nicht, so wird man dies Verfahren nieht ungerechtigt finden können. Jobert!) lieferte die erste Bestätigung der von Ihlder entdeckten Terminalkörperchen, beschrieb sie von verschiedenen Fringilliden und stellte sie. mit den eylindrischen und rundlichen Endkolben, sowie mit den terminalen Körperchen des Waschbären zusammen. Im Gegensatz zu den genannten Forschern erklärt Merkel?), dass Ihlder die Tastkolben mit den Pacinischen Körperchen zusammen- geworfen habe. Die Wahrheit ist, dass Ihlder?) wie schon er- wähnt, die Tastkolben zwischen Endkolben und Tastkörperchen .in die Mitte setzt: „Was nun die Nervenendigung in den Zungen- papillen anlangt, so besitzen die Vögel darin eine ganz besondere Art von Nerven-Endapparaten, die man Tastkolben nennen kann, weil sie zwischen Endkolben der Säugethiere und Tastkörperchen dem ersten Aussehen nach ungefähr in der Mitte stehen.“ ten desselben Jahres das Werk oder den Aufsatz des betreffenden Autors ge- nannt finden. Keineswegs aber ist vorauszusetzen, dass auch die citirte Be- hauptung dieses Autors in den Jahresberichten enthalten sei: aus letzteren wird öfters nur die Quelle erkannt, wo man die Angabe zu suchen hat u. s. w.“ Folgt man dieser Notiz, so sieht man sich z. B. in „Henle’s Jahres- bericht über die Fortschritte der Anatomie im Jahre 1870“ im Register (S. 321) bei dem Namen Klein auf S. 17 etc. verwiesen. Auf S. 14 findet man aber die oben erwähnte Abhandlung Klein’s in Stricker’s Handbuch eitirt und in letzterem selbst (S. 651) die Worte Klein’s: „Ausserdem habe ich sie auch im Corpus cavernosum der Penisschenkel gesehen“. Da ähnliche Schwierigkeiten sich auch sonst noch wiederholen könnten, so schien es gerathen, den an sich unbedeutenden Gegenstand hier zu er- wähnen. 1) Annales des sciences naturelles. V. Ser. Zool. 1872. T. XVI. Pl. 3. Fig. 1 et 2. 2) 1. c. S. 127. 3) 1. c. S. 245. 96 W. Krause: Ueber eine analoge Collision mit der Wirklichkeit vergl. oben den Abschnitt: Genitalnervenkörperchen (S. 80). Merkel fügte dann hinzu: „ebensowenig wie Ihlder hat Jobert die Art der Nervenendigung hier erkannt“ und bestätigte nun seinerseits die thatsächlichen Angaben Ihlder’s in Betreff der Existenz besonderer, durch quergestellte Kerne ausgezeich- neter Endapparate durch neue Abbildungen !). So weit das Historische. Eine genauere Untersuchung des Innenkolbens der Tastkolben ergibt, dass derselbe aus zwei bis vier Zellensäulen aufgebaut ist. Die Kerne von Ihlder gehören nicht der Hülle an, sondern quergestellten Kolbenzellen, deren platte Zellenkörper nach aussen d. h. nach der Peripherie des Körper- chens hin sich verdieken und hier jede einen ellipsoidischen Kern enthalten. Diese Zellen sind offenbar den Kolbenzellen der Gran- dry’schen Körperchen homolog und wie diese mit ihrer Längsaxe der Hautoberfläche parallel gestellt. Da sie aber in den Tast- kolben quer auf deren Längsaxe stehen, so können sie im Gegen- satz zu den Längskolbenzellen der Vater’schen Körperchen, der einfachen Grandry’schen Körperchen u. s. w. als Querkolbenzellen . bezeichnet werden (Vergl. S. 72 und 91). Die Tastkolben sind also eine höhere Entwickelungsstufe der Grandry’schen Körperchen, insofern sie aus zahlreicheren Kolbenzellen sich aufbauen. Den Ueber- gang bilden die zusammengesetzten Grandry’schen Körperchen. Dies leuchtet sofort ein, wenn man die letzteren bei etwas schwä- cheren Vergrösserungen besieht, wobei die Aehnlichkeit mehr hervortritt (Vergl. Taf. IV. Fig. 32 u. 33). Selbstverständlich haben die Kolbenzellen so wenig wie in den letzteren etwas mit den Nervenfasern zu thun; sie sind keine terminalen Ganglienzellen und die desfallsige Hypothese ist ganz werthlos. Bei Betrachtung dieser Kolbenzellen ergiebt sich zugleich, wie verkehrt es ist, aus den vermeintlich charakteristischen Eigen- schaften der Kolbenzellen in den Grandry’schen Körperchen, näm- lieh der Grösse und Helligkeit ihrer Kerne, der Streifung ihres Stroma u. s. w. auf deren nervöse Natur schliessen zu wollen. Die unzweifelhaft homologen Kolbenzellen der Tastkolben zeigen von solchen Merkmalen nichts. 1), Vergl. Ihlder, 1. cc. Taf. VI. Fig. 3 und Merkel, 1. c. Taf. XI. Fig. 8. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 97 Je zwei Kolbenzellen werden nun wie Merkel!) angiebt, durch eine bindegewebige Scheidewand getrennt. Die Scheidewände sind — an Längsschnitten durch die Tastkolben selbst — in Ueberos- miumsäure-Präparaten deutlich (Taf. IV. Fig. 33); durch Essigsäure werden die Scheidewände hell und scheinen etwas aufzuqaellen, ebenso durch Natron; in Chromsäure-Präparaten erscheinen sie hell und glänzend u. Ss. w. Trotzdem ist die Sache nicht so ganz einfach. Der Homo- logie mit den Grandry’schen Körperchen entsprechend wäre zu- nächst zu vermuthen, dass zwei oder mehr Kolbenzellen zu einer Abtheilung durch Bindegewebe vereinigt, die betreffenden Zellen selbst aber nur durch eine Raphe getrennt würden. Wo letztere vorhanden wäre, sollte man ferner das Fehlen derselben im Cen- trum zwischen je zwei benachbarten Zellen erwarten, woselbst vielmehr eine kleine Terminalscheibe liegen müsste. Mit anderen Worten: die queren Streifen zwischen den Kolbenzellen wären nicht sämmtlich identisch, sondern einige rein bindegewebig, andere theils bindegewebig (Raphe) und theilweise nervös. Von solchen Differenzen benachbarter Streifen zeigen jedoch die gewöhnlichen Methoden und gebräuchlichen Immersionssysteme nichts. Man sieht wohl an Längsschnitten der Tastkolben unzweifelhafte quer- verlaufende Terminalfasern von dem Ende der doppeltcontourirten Nervenfaser ausgehen und zwischen den Kolbenzellen verlaufen (Taf. IV. Fig. 33). Ob aber die Zwischenräume zwischen sämmt- lichen je zwei Kolbenzellen von je einer Terminalfaser eingenom- men werden, oder ob dies nur bei den meisten oder nur bei we- nigen der Fall ist, lässt sich zur Zeit nicht sicher entscheiden. Insofern die directe Beobachtung für die letzterwähnte Annahme spricht, würde sich die Aehnlichkeit der Tastkolben mit einer vielgeschichteten Säule von verkleinerten Grandry’schen Körper- chen vermindern und grössere Aehnlichkeit mit den aus vielen Zellen bestehenden Innenkolben anderer Terminalkörperchen her- vortreten, welche Innenkolben eine einzige oder wenige Terminal- fasern enthalten. Wie dem auch sei, jedenfalls beruht die Ihlder’sche An- nahme von einer einzigen längslaufenden Terminalfaser auf Iır- thum. Derselbe dürfte dadurch entstanden sein, dass eine Nerven- DL & 84127. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 7 98 W. Krause: faser in der That innerhalb der drei oder vier Zellensäulen grös- serer (nach Merkel auch zwischen je zwei Zellensäulen kleine- rer) Tastkolben längslaufend gegen die Papillenspitze aufsteigen kann. Wodurch aber die durch mich adoptirte Angabe von einem rundlichen Endknopfe zu Stande gekommen sein mag, ist mir bis- lang nicht gelungen aufzuklären. Vielleicht war es eine zufällig um- gebogene, eigentlich querliegende Terminalscheibe, die Ihlder abbildete und Letzterer könnte dann doch der Erste gewesen sein, der das wahre Nervenende in den Tastkolben gesehen hätte. Dass Tastkolben, wenn auch selten, in Knochenlücken des Schnabels der Gans vorkommen, haben bereits Ihlder!) und ich?) angegeben. Den übrigen Untersuchern scheinen sie vollständig entgangen zu sein. XI. Tastkörperchen. Die Meissner’schen Tastkörperchen finden sich wie bekannt in der Vola manus und Planta pedis beim Menschen und Affen. Ferner am freien Rande der Augenlider, in der Haut der männ- lichen und weiblichen Brustwarze, in der Schleimhaut des rothen Lippenrandes und der Clitoris, sowie in der Haut der Volarfläche des Vorderarmes. In der unbehaarten Hautstelle des Greifschwanzes von Ateles pentadactylus wurden sie von mir?) beschrieben, von Jobert‘) be- stätigt. Geber’) erwähnt auch Tastkörperchen an der Zungen- spitze des Menschen, Merkel‘) am Unterschenkel und Gaumen „wo sie bis jetzt noch nicht nachgewiesen wurden“ und aus dem Labium minus”). Indessen hat Merkel, wie schon erwähnt, auch die Endkolben der menschlichen Conjunctiva trotz Kölliker’s®) Bemerkungen nicht von Meissner’schen Tastkörperchen zu unter- 1) 1. c. 1870: $. 249. 2) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 509. 3) Zeitschrift für rationelle Medicin. 1866. Bd. XXVIII. 8.89. 4) 1. ce. (s. S. 95, Anm. 1) S.7. Bei Ateles Beelzebuth. 5) Medicinisches Centralblatt. 1879. S. 353. 6)1.C. 8.133. T) 1. c. 8. 142. 8) Gewebelehre. 1867. S. 103. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 99 scheiden und namentlich dasjenige Merkmal der letzteren hierbei zu ignoriren vorgezogen, welches in deren eigenthümlicher Quer- streifung gelegen ist. Mithin hat die Differenz wohl nichts weiter auf sich. Da jene Querstreifung dem aus dem Labium minus abge- bildeten Terminalkörperchen fehlt, so ist mit Sicherheit anzuneh- men, dass es sich um gewöhnliche rundliche Endkolben gehandelt habe, wie sie von mir!) daselbst früher beschrieben worden sind. Dasselbe gilt im Allgemeinen von den Tastkörperchen der Zun- genspitze, wo schon Kölliker?) bekanntlich früher Tastkörper- chen angenommen hatte, die in einzelnen Zungen vorkommen mögen — von Uebergangsformen zwischen Endkolben und Tastkörper- chen, wie ich?) sie in der Haut des Unterschenkels beobachtet habe, abgesehen. Da in Betreff der sog. Tastkörperchen des Gau- mens deren Aehnlichkeit mit unzweifelhaften Endkolben von der Volarhaut der Ratte hervorgehoben wird, so ist nicht daran zu zweifeln, dass es sich ebenfalls um Endkolben handelt, die ich vor Jahren sowohl in der Zunge*) als im weichen Gaumen’) nach- gewiesen hatte. In der Vola manus u. s. w. liegen die Tastkörperchen stets oder doch fast immer im Gipfel der Papille. SeitR. Wagner’s®) und Meissner’s erster Beschreibung ist viel Streit darüber geführt, ob die Trennung von Gefäss- und Nervenpapillen zulässig sei. Diese Frage hatte seiner Zeit dess- halb Interesse, weilR. Wagner die von Kölliker?) im Anschluss an andere Anatomen abgebildeten Nervenschlingen in Hautpapillen für leere Capillargefässe erklärt hatte. Wie früher Gerlach, Bi- siadeeki, Thin®) u. A. erklärt auch Merkel?), sehr häufig Blut- gefässe und Tastkörperchen in einer und derselben Papille beob- 1) Allgemeine Anatomie. 1876. S.523. 2) Gewebelehre. 1852. 8.87. 3) Zeitschrift für rationelle Medicin. 1858. Bd. V. 5.37. Meime da- maligen Handzeichnungen gestatten nicht, Bestimmteres auszusagen. 4) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 186, 188, 189, 190, 518. 5) Daselbst, S. 185 u. 518. 6) Göttinger Nachrichten. 1852. Nr. 2. 7) Mikroskopische Anatomie. Bd. Ha. 1850. 8.24. Fig. 12. 8) Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissensch. zu Wien. Math. naturw. Cl. 1873. Bd. LXVU. 9) 1. ec. 147. 100 W. Krause: achtet zu haben. Wenn dies heissen soll, dass Gefässschlingen in der Basis von Tastkörperchenpapillen vorkommen, so ist das voll- kommen richtig!). Im Gipfel der Papillen aber (wo man sie vor dreissig Jahren mit Nervenschlingen verwechseln konnte) finden sich einfach deshalb keine Blutgefässe, weil dafür kein Platz?) ist (Taf. IV, Fig. 35), und nur sehr selten liegen letztere tiefer nach der Papillenbasis hin. Die Tastkörperchen bestehen nun, was ihren feineren Bau anlangt, aus einer kernhaltigen Bindegewebshülle, einem im frischen Zustande feingranulirt aussehenden Innenkolben und aus blassen querverlaufenden Terminalfasern. Innenkolben hatte ich in den Tastkörperchen jene festweiche, zähe, blasse, undurchsichtige, die Form des ganzen Körperchens wiederholende Masse genannt, welche aus sehr kleinen, regelmässig runden mattglänzenden Körnchen besteht (anstatt „besteht‘‘ wäre richtiger zu sagen: enthält). Während alle übrigen Autoren diese feinkörnige festweiche Masse im frischen Zustande kennen, scheint Merkel?) der Einzige zu sein, der diesen Innenkolben nicht hat finden können. Man sieht letzteren ohne weiteres an feinen Durch- schnitten ganz frischer Haut, die jenem Untersucher vermuthlich nicht besonders gelungen sein werden, mit den besten Immersions- systemen als feinkörnige Masse, sowohl auf dem Längs- als auf dem Querschnitt (Taf. V. Fig.53 und Taf. IV. Fig. 43). Dieselbe wird wahrgenommen, wenn man ein unverletztes Tastkörperchen in sei- ner Längsansicht betrachtet und den Focus auf dessen Seiten- ränder einstellt, deutlicher wie begreiflich auf einem senkrechten Schnitt durch die Fingerhaut, welcher das Tastkörperchen seiner Länge nach ungefähr halbirte (Taf. V. Fig. 53). Beiläufig be- merkt sind solche halbirte*) Körperchen meistens sehr leicht daran zu erkennen, dass sie nicht vollständig bis zum Gipfel der Pa- pille reichen (Taf. V. Fig. 53), falls letzterer nicht ganz genau halbirt worden ist. Auf Unkenntniss dieses Verhältnisses scheinen viele unrichtige Deutungen von häufig in der Literatur vorkom- 1) W. Krause, Allgemeine Anatomie. 1876. S.510. 2) Meissner, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Haut. 1853. S. 21. 3) 1. c. S. 146. 4) Vergl. Canstatt’s Jahresbericht der Anatomie im Jahre 1852. S. 42, Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 101 menden Abbildungen zu beruhen, welehe die Tastkörperchen nicht im Gipfel ihrer Papille zeigen. In Querschnitten des Tastkörper- chens resp. in Flächenschnitten der Haut ist die feingranulirte Be- schaffenheit des Innenkolbens wo möglich noch charakteristischer. Sie tritt auch nach Essigsäurezusatz auf Längs- und Querschnitten (Taf. IV. Fig. 38) hervor. Mit verdünnter Natronlauge (Taf. IV. Fig. 34 u. 44) erhält man grössere wie Nervenmark glänzende Körnchen, die sparsamer eingestreut sind und etwa 0,001—0,002 mm Durchmesser haben, während die Körnchen des Innenkolbens im frischen Zustande nur 0,0003 mm messen. Man könnte ver- muthen, jene grösseren fettig glänzenden Körperchen entständen durch Zerfall von zahlreichen blassen Terminalfasern, die etwas Nervenmark enthalten müssen, da sie bekanntlich, wie das Expe- riment der Nervendurchschneidung zeigt, fettig degeneriren!). In- dessen ist das Auftreten ganz identischer Körnchen nach Natron- behandlung eine Eigenschaft, welche der Innenkolben der Tast- körperchen mit den Innenkolben aller übrigen terminalen Körper- chen theilt. Namentlich gilt dies für die grossen Innenkolben der Vater’schen und Herbst’schen Körperchen u. s. w. Legt man Vater’- sche Körperchen, z. B. aus dem Mesenterium der Katze, mehrere Tage in 8—10°/,ige Natronlauge, so nimmt die Zahl der Körnchen allmählich zu und schliesslich scheint der ganze Innenkolben aus sog. Myelin (S. 65) zu bestehen (Taf. III. Fig. 6), welches die be- kannten Figuren, ähnlich wie ausgeflossenes Nervenmark bildet. Es fragt sich nun, ob mit besseren Hülfsmitteln die scheinbar feinkörnige Substanz der Tastkörperchen -Innenkolben nicht eine feinere Zusammensetzung erkennen lässt. In der That besteht sie aus Kolbenzellen. R. Wagner?) und Meissner hatten gleich bei der Ent- deekung einen geschichteten Bau der Tastkörperchen vermuthet. R. Wagner?) sagte später darüber: „Wenn ich behauptete (jedoch mit Restrietionen in Bezug auf die Schwierigkeit der Sache) die Tastkörperchen beständen aus einem Systeme übereinander ge- schichteter Platten, so will ich gern zugeben, dass dies nur so aussehen kann. — — Den Bau dieser Gebilde zu erforschen, wird 1) Vergl. meine terminalen Körperchen u. s. w. Taf. II. Fig. 15. 2) Göttinger Nachrichten. 1852. Nr. 2. 3) Archiv für Anatomie u. Physiologie. 1852. S. 499. 102 W. Krause: erst gelingen, wenn man sie isolirt, aus der Papille herausgeschält, zerfasern und bei sehr starken und klaren Vergrösserungen unter- suchen gelernt hat“. Diese Forderungen können jetzt erfüllt werden (Taf. V. Fig. 54). Die Zusammensetzung des Innenkolbens aus Zellen hat zuerst Tomsa!) riehtig erkannt, freilich diesen Zellen eine falsche Deu- tung gegeben, indem er sie für terminale Ganglienzellen hielt und letztere Deutung ist neuerdings von anderer Seite adoptirt worden. Ich?) habe diesen Irrthum bereits früher widerlegt und die Frage kann nur die sein, wodurch Tomsa sich hat täuschen lassen. Denn vor längerer Zeit haben Langerhans?) sowie auch Kraus‘) dieselben Kolbenzellen richtig als Bindegewebszellen erkannt. Ich?) selbst hatte gegen die Langerhans’sche Beweisführung einge- wendet, dass Querschnitte der Tastkörperchen keineswegs ent- scheidend sein könnten, weil vermöge des häufigen Vorkommens von Zwillings- und Drillingstastkörperchen (Taf. V. Fig. 45) in einer Papille es sich um Bindegewebskerne der Hülle der letzteren gehandelt haben möge, die sich auf den Innenkolben-Querschnitt projieirten (vergl. unten S. 113). Diese Deutung erschien um so mehr zutreffend, weil Langer- hans zu jener Zeit keine Differenz zwischen Bindegewebshülle und Innenkolben der Tastkörperchen anerkennen wollte. _ Was nun die Kolbenzellen anlangt, aus welchen der Innen- kolben sich zusammensetzt, so sind dieselben (Taf. V. Fig. 47 und 48) abgeplattet, länglich polygonal, mit einem abgerundeten und zugleich verdiekten Ende, welches stets der Aussenseite des Tastkörperchens zugekehrt ist. In diesem Theile der Zelle liegt der Kern. (Taf. IV. Fig. 35.) Derselbe ist länglich-ellipsoidisch, seine Längsaxe senkrecht zur Längsaxe des Tastkörperchens orien- tirt. Indem die dünne abgeplattete Parthie der Kolbenzelle zwischen die benachbarten eingreift, so entsteht, da die Flächen der Zellen 1) Wiener medicinische Wochenschrift. 1865. S. 973. 2) Zeitschrift für rationelle Mediein. 1866. Bd. XXVIIH. 8.87. 3) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1873. Bd. IX. S. 735. 4) Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissensch. zu Wien. Math. naturw. Cl. 1878. Bd. LXXVIH. 5) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 512. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 103 ebenfalls im Allgemeinen senkrecht zur Längsaxe des Tastkörper- chens stehen, das Bild von Querstreifen des letzteren, die charac- teristisch genug sind und schon zu so verschiedenen Deutungen Veranlassung gegeben haben. Es sind also die Kanten der Kolben- zellen (Taf. V. Fig. 54), welche auf senkrechten Durehschnitten der Haut als Querstreifen erscheinen. In der Flächenansicht der Kolbenzellen oder auf dem Querschnitt des Tastkörperchens zeigt sich wie erwähnt die Masse des Kolbens fein granulirt. Dies hängt von der grossen Zahl über einander gelagerter Kolbenzellen ab, obgleich die einzelne Zelle nur sparsame Körnchen darbietet, die wahrscheinlich ihrer Oberfläche angehören. Man kann leicht beweisen, dass die Kolbenzellen keine ter- minalen Ganglienzellen sind. Nur eine falsche Deutung des abge- platteten Zellenendes, indem dasselbe im Profil gesehen wie faden- förmig erscheint, vermochte zu einer Auffassung der Zelle als eines birnförmigen Gebilde Anlass zu geben. In Wahrheit bilden die Kolbenzellen etwas unregelmässig geschichtete Zellensäulen und wie z. B. der mit Ueberosmiumsäure behandelte Querschnitt lehrt (Taf. V, Fig. 46) sind es stets mehrere Zellen, welche wie in den Tastkolben ein Flächensegment des Tastkörperchens constituiren. Da ihre Längsaxe zu derjenigen des Tastkörperchens im Allge- meinen quergerichtet ist, so können sie als Querkolbenzellen be- zeichnet werden. Schon jene platte Beschaffenheit der Zellen spricht entschei- dend gegen ihre gangliöse Natur. Noch mehr das chemische Ver- halten. Tomsa isolirte die Zellen durch tagelanges Kochen mit Alkohol, der ®/, bis 1%/, Volumprocente stark rauchender Chlor- wasserstoffsäure enthielt. Unter diesen Umständen würden Gang- lienzellen schwerlich intact bleiben. Wenn Jemand mit der wirk- liehen Methode von Tomsa — Merkel!) schreibt Letzterem die Anwendung von Salpetersäure statt von Salzsäure irrthümlich zu, was ein Druckfehler sein wird, — nicht zu Stande kommen sollte, so kann das an folgendem Umstande liegen. Verfährt man auch noch so vorsichtig, erhitzt man z. B. zwölf Stunden lang auf dem Wasserbade bis nahe zum Siedepunkt der Alkoholmischung und kocht dann nur einige Minuten lang, so wird, während die Horn- schicht der Epidermis sich gut erhält, scheinbar die ganze Cutis 4) 1. c. 8.102. 104 W. Krause: in unzusammenhängende Trümmer verwandelt. Es sieht dann so aus, als hätte sich die Hornschicht abgelöst. In Wahrheit sind die Tastkörperchen an der Innenseite oder Unterfläche der Epidermis erhalten geblieben, sie stecken in der dünnen durchsichtigen Gallert- schicht, welche jene Innenseite zu überziehen scheint und an dieser Stelle sind sie aufzusuchen. Macerirt man Hautstücke Tage lang in 8—10°/,iger Natron- lauge, so lassen sich die Kolbenzellen ebenfalls isoliren (Taf. V. Fig. 48). Sie erscheinen dann leichtkörnig, etwas rauh und ihr Kern ist undeutlich geworden. Durch 0,5—1 /ige Ueberosmium- säure werden die Zellen gelblich, durch Anilinfarbstoffe wie Eosin werden sie tingirt, nicht aber von Carmin und sonstigen Färbe- mitteln. Es entsteht zunächst die Frage, ob die Kolbenzellen für sich allein den Innenkolben zusammensetzen oder ob sie durch irgend etwas getrennt resp. verbunden sind, da ihr Zusammenhalt sich nur vermit- telst so eingreifender Reagentien lockern lässt. Kraus (l. e.) schliesst auf eine Art von verbindendem Gewebskitt, der durch Anwendung von Verdauungsflüssigkeit gelöst werden soll. In der That dürfte ein solcher vorhanden sein, aber durch die Methode von Kraus wird seine Existenz nicht über allen Zweifel erhoben. Denn während die Zellen wie die ganzen Tastkörperchen etwas aufquellen, können einzelne der ersteren sich ein wenig mehr von der Fläche, statt ganz auf der Kante stehend zeigen: in Folge davon werden helle Zwischenräume zwischen den dunkeln Querstreifen auftreten müssen, welche letzteren den in reiner Profilansicht gesehenen Kolbenzellen angehören. Auf solehen Gewebskitt ist daher hierbei nur indireet, eben aus der Lockerung des Zusammenhanges der Zellen zu schliessen. Betrachtet man die Längsansicht der Tastkörperchen, so er- scheinen die Querstreifen stärker lichtbrechend, als ihre oft nur schmalen Zwischenräume. Ohne Verschiedenheit im Brechungsindex wäre ja wie bei den Muskelfasern das Bild einer Querstreifung unmöglich. Die Untersuehung überlebender Tastkörperchen ohne Zusatz oder mit Wasser, ferner die Anwendung von Natron, nach Kraus von Verdauungsflüssigkeit, schliesslich das Kochen mit Chlor- wasserstoffsäure und Alkohol geben identische Bilder. Während aber bei den andern Reagentien, namentlich durch verdünntes Natron, sowie durch Verdauungsflüssigkeit die Zwischensubstanz ein wenig Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 105 breiter zu werden, mithin zu quellen scheint, lassen sich durch die Tomsa’sche Methode nieht nur die Kolbenzellen isoliren, aus denen der Tastkörperchen-Innenkolben aufgebaut ist, sondern zwischen den Kolbenzellen ist gar nichts mehr vorhanden, wie sich beim Aufblättern des Innenkolbens zeigt: die Zwischensubstanz ist mit- hin aufgelöst. Das geschilderte Aufblättern demonstrirt zugleich, dass der einfachste und wie unten gezeigt wird an sich richtige Erklärungs- versuch des Bildes nicht ausreicht. Vorausgesetzt der Innen- kolben bestände nur aus Kolbenzellen, so könnten, wie bei An- wendung von Verdauungsflüssigkeit, die stärker lichtbrechenden Querstreifen solchen Zellen angehören, die genau auf der Kante stehend im Profil gesehen werden, während die hellere Zwischen- substanz vielleicht etwas schräg liegenden, in halber oder eher Viertelsseitenansicht befindlichen Zellen entsprechen würde. Die bekannte Unregelmässigkeit der Querstreifung, ihr schräger Ver- lauf u. s. w. scheinen hiermit zu harmoniren. Da aber durch Er- hitzen mit Chlorwasserstoffsäure Zellen isolirbar werden, die es vorher nicht waren, so muss mindestens ein Gewebskitt gelöst sein, was Kraus ganz richtig erschlossen hat, obgleich seine Isolir- methode unvollkommener war. Der Homologie mit den Tastkolben zufolge, in denen un- zweifelhaft Scheidewände die einzelnen Zellen trennen, mögen die Wände nun durehgehend und bindegewebig sein, oder jede eine perforirte ringförmige Raphe darstellen, fragt es sich nun aber weiter, ob statt des Gewebskittes nicht eben solehe Scheidewände in den Tastkörperchen zwischen je zwei Kolbenzellen anzunehmen sind. Dieselben könnten sehr wohl durch Chlorwasserstoffsäure wie durch Natron zerstört und somit die Zellen isolirbar werden. Hier dürfte die Ueberosmiumsäure entscheidend sein. Während an frischen oder mit Essigsäure behandelten Tastkolben schmale, helle Zwischenräume (Bindegewebsscheidewände) deren einzelne Zellen in der Längsansicht des Tastkolbens trennen, treten nach Behandlung mit 1°/,iger Ueberosmiumsäure dunklere Querstreifen zwischen je zwei benachbarten Kolbenzellen auf (Taf. IV. Fig. 33). Nichts Aehnliches ist an den Tastkörperehen wahrzunehmen, ob- gleich die Grössenunterschiede weder bei beiden Arten von Terminalkörperchen selbst, noch bei deren Kolbenzellen erheb- liche sind. 106 W. Krause: An Präparaten aus 0,1%/,iger Ueberosmiumsäure sieht man auf dem Längsschnitt des Tastkörperchens Querstreifen, welche das Licht stärker brechen als die Zwischensubstanz und viel schmaler sind als diese schwächer lichtbreehende Substanz, durch welche sie getrennt werden; letztere enthält die Kerne. Das Bild macht daher ganz den Eindruck, als ob die Kolbenzellen, durch quere Scheidewände getrennt in Fächer eingeschlossen wären, wie es in den Tastkolben wirklich der Fall ist. In etwas stärkerer Ueberosmiumsäure gehärtete und mit Alaunearmin!) tingirte Prä- parate lassen dieselben Verhältnisse, wenn auch nicht so bequem, erkennen. Durch Kochen mit Alkohol nnd Chlorwasserstoffsäure erhält man nun aber genau die gleichen Bilder (Taf. V. Fig. 54) und da man aus letzteren Präparaten die einzelnen Zellen isoliren kann, so ergibt sich die schon mehrmals erwähnte andere Deutung auch für die Ueberosmiumsäure-Bilder als die richtige: die glän- zenden Querstreifen sind wiederum die Zellenränder selbst. Stehen die Kolbenzellen auf der Kante, so erscheint letztere als glänzende doppelteontourirte Linie. Die verdickte Stelle hingegen, wo der Kern liegt und die Substanz des Zellenleibes, wenn sie von der Fläche oder, wie es beim Tastkörperchenlängsschnitt meistens der Fall ist, etwas schräg gesehen wird, erscheinen schwächer lichtbrechend. Die mattere Zwischensubstanz sind also die Zellenleiber, die glän- zenderen Querstreifen ihre Kanten oder vielmehr in der Regel der Ausdruck des Aneinanderstossens von zwei benachbarten Zellen, zwischen welehen im Allgemeinen nichts Sichtbares weiter sich befindet. Mit anderen Worten: die scheinbaren Querscheidewände sind die Zellenränder selbst, zwischen welchen benachbarte Zellen- körper wie eingeschlossen erscheinen. Hiermit ist zugleich der auffallende optische Unterschied er- klärt, der zwischen Tastkörperchen und Tastkolben (Taf. IV. Fig. 33) in den Längsansichten bestehen bleibt, welehe Methode man auch anwenden mag. Im Gegensatz zu obiger Darstellung hat Merkel, wie gleich hier erwähnt werden mag, diese Ueberosmiumsäure-Bilder so ge- deutet als ob wirklich jede Kolbenzelle in einem besonderen Fach eingeschlossen wäre. Mit anderen Worten: dieselben platten binde- 1) Grenacher, Archiv für mikroskopische Anatomie. 1879. Bd. XVI. S. 463. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 107 gewebigen Kolbenzellen beschrieb Merkel (l. e.) theils als birn- förmige terminale Ganglienzellen, theils als Perineurallamellen, welche Scheidewände zwischen jenen darstellen — je nachdem sie in schräger oder in reiner Profilansicht sichtbar wurden. Es bleibt nun noch die fernere Möglichkeit, dass die Zwischen- räume zwischen je zwei Kolbenzellen entweder immer oder doch manchmal von Nervensubstanz, speziell von einer hautartigen Axen- eylinder - Ausbreitung oder einer Terminalscheibe eingenommen würden. Vielleicht könnte diese es sein, welche dem Innenkolben schon bei schwächeren Vergrösserungen und namentlich auf der Querschnittsansicht resp. im Flächenschnitt der Cutis das fein granu- lirte Ansehen verleiht. Wie man sieht, würde danach eine sehr reichhaltige Nerven- verästelung im Tastkörperchen-Innenkolben vorauszusetzen sein, im Gegensatz zu den isolirten Terminalfasern der Vater’schen, Herbst'schen Körperchen oder der Endkolben. Diese Betrach- tung führt sofort zur Frage nach der Nervenendigung im Tast- körperchen. Meissner!) hatte die von ihm aufgestellte Ansicht, dass die Querstreifen der Tastkörperchen quere Nervenfasern seien, durch pathologische Beobachtungen und ich selbst durch das Experiment der Nervendurehschneidung beim Affen (Taf. V. Fig. 49) unterstützt. Indessen existirte dabei immer eine theoretische Schwierigkeit, die in der grossen Anzahl von queren Terminalfasern bestand. Die in das Tastkörperchen eintretenden doppelteontourirten Nerven- fasern theilen sich bei ihrem Eintritt (öfters gar nicht — vergl. Taf. V. Fig. 51), häufig dichotomisch (Fig. 50), sehr selten tricho- tomisch oder sogar in fünf Aeste. Um nun die Thatsache zu er- klären, dass der Tastkörperchenquerschnitt keine oder doch nur ausnahmsweise und meist am Rande einzelne Streifen zeigt, und um zugleich die wie gesagt öfters sehr grosse Anzahl Querstreifen auf Nervenfasern zurückzuführen, die das Tastkörperchen in jeder Längsansicht darbietet, mag man dasselbe besehen von welcher Seite man will, blieb nichts übrig als häufig wiederholte Theilungen der blassen Terminalfasern zu supponiren?). Die directe Beob- achtung scheint zwar diese Annahme zuweilen zu bestätigen, factisch 1) Beiträge zur Anatomie u, Physiologie der Haut. 1853. 2) Meine allgemeine Anatomie. 1876. 8.515. 108 W. Krause: lag aber hierin der schwache Punkt der ganzen Theorie und von diesem Punkte aus ist sie definitiv zu beseitigen. Merkel hat ganz Recht darin, dass manche bisherige Abbildungen!) keine queren Terminalfasern darstellen. In Wahrheit sind dies Kanten- ansichten von platten Zellen, Kolbenzellen, gewesen. Der von mir (1. e.) beschriebene ziekzackförmige Verlauf und die wiederholte Theilung der vermeintlichen queren Terminalfasern lässt sich sehr einfach aus windschiefen Biegungen der übereinander liegenden platten Zellenleiber erklären. Was nun die anderweitigen Ansichten über die Nervenendigung innerhalb der Tastkörperchen betrifft, so deutete Gerlach?), gleich nach der Entdeekung derselben, sie bekanntlich als Nervenknäuel. Diese Ansicht ist später in etwas veränderter Form von Oehl?), Rouget‘) und neuerdings auf Grund der Goldmethode von Fischer’) vertreten worden. Letzterer erklärt die Spiraltouren der Nervenfasern, welche das Körperchen durchziehen sollen, für theilweise markhaltig, theilweise marklos und zwar soll dieselbe Faser successive sich verdünnen und dann wieder anschwellen. Dass hierbei Kunstproduete zu Grunde lagen, geht schon aus den vorsichtigen Bemerkungen von Kraus (l. e.), der ebenfalls Gold- chlorid anwendete, hervor. Merkel®) scheint sich für die meisten Tastkörperchen dieser Meinung ebenfalls anzuschliessen, insofern die Nervenfasern „sich vielmals aufknäueln“ und dann schliesslich die endständigen Kolben- zellen erreichen sollen, welehe als birnförmige terminale Ganglien- zellen gedeutet werden. Andererseits: „Von der Perineuralhülle gehen oft kernführende Scheidewände aus, welche das Innere des Körperchens in zwei oder mehrere Abtheilungen scheiden. Diese Lamellen können so zahlreich werden, dass das ganze Körperchen in ein System übereinanderliegender Fächer umgewandelt wird, in welchen nun die letzten Endigungen der Nerven Platz finden.“ Man bemüht sich vergeblich aus dieser confusen Beschreibung und den stellenweise noch mehr verwaschenen Abbildungen eine 1) Vergl. z. B. Henle, Eingeweidelehre. 1873. S. 14. Fig. 8. 2) Illustrirte medieinische Zeitung. 1852. Bd. II. 8.87. 3) Annali universali di Medicina. 1857. 4) Archives de physiologie. 1868. 8.591. 5) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1876. Bd. XH. S. 364. 6) 1. c. S. 145. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 109 Vorstellung zu gewinnen, wie man sich nach Merkel’s Ansicht die eigentliche, bisher als blasse Terminalfasern gedeutete Quer- streifung des Tastkörperchens zu erklären habe. Sind die Quer- streifen spiralige Nervenfasern, oder bindegewebige Scheidewände, oder Zellengrenzen oder abwechselnd alles dies zugleich? Aber jene Querstreifen sehen in einem und demselben Körperchen unter sich immer überein aus, mag man Reagentien anwenden, welcher Art man will. Bestimmter lässt sich die Frage wie gesagt dahin präeisiren, ob zwischen den Kolbenzellen anstatt des geschilderten einfachen Bindemittels oder Gewebskittes nicht in Wahrheit blasse Terminal- fasern, vielleicht Terminalscheiben nach Analogie mit den. Tast- kolben oder eigentlich den Grandry’schen Körperchen vorhanden sind. Besässen die Tastkörperchen einen solchen Bau, wäre zwi- schen je zwei Kolbenzellen eine Terminalscheibe oder nur eine blasse Terminalfaser mit Endknopf eingeschlossen, so würde man immer noch ziemlich dieselbe Anzahl von queren Terminalfasern (minus 1) erhalten, welche die obige Anschauung forderte. Nur wären nicht die glänzenden dunkelrandigen Querstreifen des Tastkörperchens nervös, sondern im Gegentheil deren helle schmale Zwischenräume. Dann sollte man erwarten, dass sich letztere nach Chromsäure-Behandlung mit Carmin färben liessen, dass sie in Ueberosmiumsäure körnig erschienen wie in den Grandry’schen Körpercehen (Taf IV. Fig. 30) und Tastkolben (Taf. IV. Fig. 33) unter ähnlichen Verhältnissen, endlich müsste wohl nach Nerven- durchschneidung das ganze Tastkörperchen körnig erscheinen, während häufig nur sparsame körnige Streifen auftreten (Taf. V. Fig. 49). ‚Mit Ueberosmiumsäure und Goldehlorid ist hierbei nichts an- zufangen. Speciell die Vergoldung hat in den Händen von Fischer und Kraus bei den Tastkörperchen wie schon erwähnt sehr differente Resultate gegeben. Jedoch muss dabei bemerkt werden, dass die Hautschnitte, welche mir am frischesten nach dem Tode zu Gebote standen, bereits drei Stunden alt waren. Aus den Befunden wagte ich keine bestimmten Schlüsse zu entnehmen. Härtet man die Haut in eoncentrirtem doppeltehromsaurem Kali, färbt die senkrechten Durchschnitte mit Carmin und hellt durch Canadabalsam auf, so bleiben die Querstreifen glänzend, stark lichtbrechend, homogen und gelblich. Die Zwischensubstanz 110 W. Krause: aber kann man schwach roth gefärbt und zugleich etwas körnig erhalten. Dies würde der obigen Voraussetzung von zwischen- gelagerten Terminalscheiben entsprechen. Hält man sich jedoch daran, was die direcete Verfolgung der eintretenden Nervenfasern ergiebt und lieber von jeder Hypothese frei, so zeigen sich in den Fällen, wo man eine doppelteontourirte Nervenfaser wirklich in das Körperchen eintreten sieht, eine oder zwei blasse Terminalfasern, letztere aus Theilung hervorgehend. Es ist dies dieselbe Beobachtung, die den ursprünglichen Be- schreibungen von Meissner und später von mir zu Grunde lag, die Dicke der Terminalfasern entspricht der von mir!) angegebenen (0,0023—0,0046 mm). Man kann frische Haut ohne Zusatz untersuchen oder mit Natron. Wer nicht im Stande zu sein glaubt, von solcher Haut hinlänglich feine Schnitte anzufertigen oder gegen Natron eine Abneigung hegt, weil man gut thut, dabei rasch zu beobachten, kann die Haut vorher in Müller’scher Flüssigkeit conserviren und die Stücke nöthigenfalls gefrieren lassen. Da man bei dieser Me- thode bekanntlich die Retina mit concentrirter Natronlösung be- handeln darf, ohne ihr zu schaden, so werden die seit Kölliker (1852) von Manchen wiederholten Einwendungen gegen die Natron- anwendung hierbei unzutreffend. (Vergl. Taf. V. Fig. 50 u. 51.) Aber auch mit Ueberosmiumsäure, Alaunearmin und Canadabalsam erhält man dieselben Bilder (Taf. V. Fig. 46). In letzterer Figur endigt die blasse, noch von Neurilem umhüllte Terminalfaser mit einer unzweifelhaften Terminalscheibe (7). Ob die in anderen Fällen auftretenden (Taf. V. Fig. 46 u. Fig. 50) anscheinend knopf- förmigen Enden wirklich rundlichen Endknöpfchen oder von der Seite gesehenen platten Terminalscheiben entsprechen, bleibt vor- läufig dahingestellt: durch Focus-Aenderung allein ist diese Frage unter den gegebenen Umständen nicht sicher zu entscheiden. Bei dieser Gelegenheit muss hervorgehoben werden, dass ähnliche Terminalscheiben oder knopfförmig endigende Terminal- fasern bereits von Grandry?) und Langerhans°) abgebildet 1) Die terminalen Körperchen u. s. w. S. 84. 2) Journal de l’anatomie. 1869. 8.395. Taf. XV. Fig. 1 u. 2. 3) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1873. Bd. IX. Taf. XXX. Fig. 4 und 6. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 111 sind. Ersterer wendete doppeltehromsaures Kali, Letzterer Ueber- osmiumsäure an. Die eigentliche Querstreifung frisch und ohne Zusatz unter- suchter Tastkörperchen kann man, um Verwechslungen zu vermei- den, Kolbenzellenzeichnung nennen. Sie wird nach dem Gesagten dureh die Kantenansichten platter Querkolbenzellen hervorgebracht, welche letztere durch einen in Reagentien auflösbaren, schwächer lichtbrechenden Gewebskitt getrennt werden. Zwischen je zwei Kolbenzellen ist der Regel nach weder eine nervöse Terminal- scheibe, noch eine Raphe vorhanden. Hierdurch unterscheidet sich der Innenkolben der Tastkörperchen sehr wesentlich von solchen der Tastkolben und Grandry’schen Körperchen und schliesst sich direet an denjenigen der Vater’schen Körperchen, eylindrischen Endkolben u. s. w. an, nur dass letztere aus Längskolbenzellen bestehen. Um die Resultate der Untersuchung obiger durch die ein- zelnen Reagentien erhaltenen verschiedenen Bilder zu resumiren, so zeigt sich die beschriebene Kolbenzellenzeichnung der Tast- körperchen nicht nur im frischen Zustande, sondern auch durch Natron, durch Chromsäure, Kochen mit Chlorwasserstoffsäure u. s. w. Mit dem Unterschiede, dass in letzterer einzelne Kolbenzellen auf schräger Flächenansicht und daher heller erscheinen können. Eine andere Art von Querstreifung bewirkt verdünnte Essig- säure (Taf. V. Fig..55). Die Kolbenzellenzeichnung verschwindet und statt derselben treten quere Kerne auf, welche von Kölliker') zuerst richtig beobachtet worden sind. Mit Ueberosmiumsäure und Alauncarmin sieht man diese Kerne (Taf. V. Fig. 46), ebenso in Chrompräparaten (Taf. V. Fig. 50) mit gewöhnlichem Carmin; man erkennt sie auch an ein- fachen Ueberosmiumsäure - Präparaten, ferner nach Kochen mit Chlorwasserstoffsäure, nach Anwendung etwas concentrirterer Natronlösung ete.; bei diesen Reagentien bleibt aber die Kolben- zellenzeichnung der Körperchen zugleich resp. vorwiegend sichtbar. Welehe Art von Querstreifung andere hier nicht genannte Reagentien hervorbringen, lässt sich im Detail nicht voraussagen. Es würde diese Aufgabe ein passendes Thema für eine Dissertation sein können. 3) Gewebelehre. 1852. S. 87. 112 W. Krause: Durch die vorstehende Auseinandersetzung soll jedoch keines- wegs geleugnet werden, dass zu der Tastkörperchen-Querstreifung unter Umständen noch andere Momente beitragen. Nur handelt es sich bei letzteren um sparsame, so zu sagen ganz vereinzelte Quer- streifen. Erstens kommt es häufig vor, nicht nur dass zwei oder noch mehrere Tastkörperchen in einer Papille sitzen (Taf. IV. Fig. 34), sondern auch dass ein längliches Tastkörperchen aus zwei oder drei durch Bindegewebe getrennten Abtheilungen besteht: Zwillings- resp. Drillingstastkörperchen (Taf. V. Fig. 45). Allerdings ist nieht jede ähnliche Scheidewand, die auf dem Körperchenlängs- schnitt erscheint, für eine solche faserig-bindegewebige Hülle zu nehmen, wie sie die Abtheilungen der Zwillingskörperchen sondern. Vielmehr dürften schmalere querverlaufende glänzende Linien (Taf. V. Fig. 53) nichts weiter sein, als gleichsam zufällig in reinem Profil erscheinende Kolbenzellen. Fernerhin sind einzelne kernführende Querscheidewände, oder, wie schon erwähnt, Zwil- lings- und Drillingskörperchen nicht selten. Zweitens verlaufen die doppelteontourirten Nervenfasern im Tastkörperchen noch von ihrem Neurilem (Schwann’scher Scheide) begleitet (Taf. V. Fig. 50). Letzteres setzt sich keinenfalls auf die marklosen Terminalfasern fort, mag man dabei den bisherigen Ab- bildungen (Taf. V. Fig. 46) Gewicht beilegen wollen oder nicht. Nach dem Gesagten lässt sich die Definition eines Tast- körperchens folgendermassen formuliren. Es sind länglich-ellipsoidische Körperchen; sie bestehen aus einer kernhaltigen Bindegewebshülle, einem quergestreiften Innen- kolben und einer oder mehreren doppelteontourirten Nervenfasern, die mit wenigen blassen Terminalfasern im Innern des Innen- kolbens aufhören. Letzterer wird aus etwa vier Zellensäulen ge- bildet, die geldrollenartig, doch etwas unregelmässig aufgeschichtet sind; die sie zusammensetzenden Kolbenzellen sind ganz platt mit Ausnahme ihres gegen die Bindegewebshülle des Körperchens ge- richteten, verdiekten Endes, welches einen länglich-ellipsoidischen Kern enthält. Zieht man nun in Betracht, dass wie gesagt in manchen Pa- pillen nieht nur zwei (oder mehrere) Tastkörperchen (Taf. IV. Fig. 34), sondern auch wirkliche Zwillings- oder Drillingstastkörperchen (Taf. V. Fig. 45) vorkommen, d.h. solche längliche Gebilde, in denen Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 113 zwei oder drei über einander gelagerte einfache Tastkörperchen von einer einzigen Bindegewebshülle umgeben werden, so lässt sich fragen, ob etwa in den einfachen Tastkörperehen der Regel nach nur eine einzige blasse Terminalfaser vorhanden sei. Die häufig vorkommende diehotomische Theilung würde das Wesen der Sache nieht alteriren und mindestens für den ersteren Fall eine sehr er- hebliche Aehnlichkeit zwischen Innenkolben der Vater’schen Kör- perchen, den eylindrischen und kugligen Endkolben und diesen einfachen Tastkörperchen mit einzelner knopfförmig endigender Terminalfaser sich herausstellen. In der That erscheint dies wohl als die einfachste und plau- sibelste Annahme über die Nervenendigung in den Tastkörperchen. Wie man sieht, verläuft die quere Terminalfaser der Hautober- fläche parallel; der Unterschied vom Innenkolben der Vater’schen Körperchen besteht nur darin, dass in letzterem die Kolbenzellen mit ihrer Längsaxe derjenigen des ganzen Vater’schen Körperchens parallel, im Tastkörperchen aber senkrecht auf dessen Längsaxe orientirt sind (vergl. Taf. V. Fig. 54 u. 59). Dürfte man annehmen, dass alle erheblich in die Länge der Hautpapille ausgedehnten Tastkörperchen zusammengesetzte wären, was Merkel!) bestreitet — freilich ohne dafür Gründe beizubringen —, so würde auch dieser letzte Unterschied zwischen Innenkolben der Vater'schen Körper- chen und der Tastkörperchen hinwegfallen. Wie dem sei, so liess sich jedenfalls die Deduction von Langerhans über die auf Flächenschnitten der Haut siehtbaren Kolbenzellen nicht für beweisend erachten. Denn da die Zwillings- und Drillingstastkörperchen Langerhans unbekannt waren, es auch auf jenen Flächenschnitten an Ueberosmiumsäure-Präparaten kein Mittel gab, sich gegen die Verwechslung zu schützen, so konnte man die in letzteren sichtbaren Kolbenzellen ebenso wohl für Bindegewebszellen der in Flächenansicht erscheinenden Hülle halten. Entscheidend ist hierbei nicht im Mindesten die Ueber- osmiumsäure, sondern die von Kraus (l. c.) angewendete Methode, eventuell mit Hülfe von Goldehlorid, auch die Tomsa’sche Methode oder die oben erwähnte Maceration in Natronlauge. — Ueber die Bindegewebshülle der Tastkörperchen besteht ohnehin kein Zweifel mehr. HL ce. 84147, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 19. 8 114 W. Krause: Endlich bleibt noch zu diseutiren übrig, ob die blassen Ter- minalfasern im Inneren des Tastkörperchens von Neurilem bekleidet werden, da man sog. Perineuralscheiden der Terminalfasern im Tastkörperehen direet beobachtet und abgebildet hat. Indessen lassen wenigstens die Terminalscheiben oder Endknöpfchen keine besondere Umhüllung erkennen. Möglicherweise könnte jedoch jenes anscheinende Neurilem eine Axeneylinderscheide, also ein Ueberzug nicht des Nerven- markes, sondern des Axencylinders sein, den letzterer gleichsam aus dem Inneren der doppeltcontourirten Nervenfaser mitbringen würde'). Jener „hautähnliche“ Ueberzug, den die Terminalfaser der Vater’schen Körperchen nach Herbst?) und vielen anderen Beobachtern älterer Zeit besitzen sollte, ist nun freilich eine dünne Lage von Nervenmark gewesen, was ich oben (S. 66) wie schon früher?) ausführlich diseutirt habe. Immerhin wird es gerathen sein, die Frage nach einer Hülle des Axencylinders an diesem Orte einstweilen in suspenso zu lassen. Früher hatte ich*) angegeben, dass die Adventitia (damals sog. Neurilem) der doppeltcontourirten Nervenfasern in die Binde- gewebshülle der Tastkörperchen übergeht und später?) dieselbe An- gabe für das Neurilem (Schwann’sche Scheide) wiederholt. Dies ist selbstverständlich kein Widerspruch, sondern vielmehr in Ueber- einstimmung mit den Verhältnissen der Grandry’schen Körperchen, bei denen das Neurilem in die innerste Lage der Bindegewebs- hülle sich fortsetzt. XII. Leydig’sche Körperchen. Leydig‘) entdeckte in den Papillen der Daumenwarze des männlichen Frosches kleine ellipsoidische Terminalkörperchen und nannte sie Tastkörperchen. Um Verwechslungen mit den Tast- 1) Vergl. Hans Schultze, Archiv für Anatomie u. Physiologie. Anat. Abth. 1878. S. 276. 2) Ueber die Pacini’schen Körperchen. 1848. S. 61, 64, 116. 3) Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. S. 63. 4) Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. 8.78. 5) Allgemeine Anatomie. 1876. 8.511. 6) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1856. S. 154. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 115 körperchen der Primaten zu vermeiden, habe ich’) den Ausdruck Leydig’sche Körperchen vorgezogen. Wenn Jemand die nervöse Natur der Körperchen desshalb bezweifeln wollte, weil von ihm selbst die Nerven in den Papillen der Daumenwarze vermisst wurden, so ist Letzteres wohl nur der Ungeschicklichkeit des Beobachters zuzuschreiben (S. 75), da über die Thatsache kein Zweifel besteht. Es kommt darauf an von der frischen Froschhaut brauchbare Durchschnitte anzufertigen. Um so glänzender erscheint die Entdeckung Leydig’s, der seine Kör- perchen mit den damaligen (1856) noch ganz unvollkommenen Hülfsmitteln aufgefunden hat. An vielen Hautstellen anderer Anuren, namentlich bei Bufo einereus, Bombinator igneus ete. sind von Leydig?) ähnliche Terminalkörperchen beschrieben worden. Cartier?) fand solche bei Reptilien: Krokodil, Eidechsen, Schlangen, ferner Leydig®) bei Schlangen, Merkel?) auch an sonstigen Hautstellen männlicher und weiblicher Frösche. Wenngleich nicht in allen diesen Fällen der Bau klar erkannt worden ist, woran vorzugsweise die Klein- heit der Organe und die Feinheit der sie versorgenden Nervenfa- sern die Schuld tragen dürfte, so lässt sich doch gegenüber den mannigfachen Deutungen, welche die genannten Forscher ihren Beobachtungen gegeben haben, nicht bezweifeln, dass die fraglichen Terminalkörperchen mit den Leydig’schen Körperchen des Frosch- daumens im Wesentlichen übereinstimmen. Sie scheinen sämmtlich aus Querkolbenzellen zusammengesetzt zu sein, doch ist ihr feine- rer Bau keineswegs genügend aufgeklärt. Die Leydig’schen Körperchen (Taf. V. Fig. 56) bestehen aus einer kleinen Anzahl unregelmässig gestellier ellipsoidischer Kerne, die vermuthlich in Zellen eingeschlossen sind. Zwischen den- selben windet sich eine sehr feine Terminalfaser hindurch, welche, so weit dies zu constatiren ist, frei endigt. Die Körperchen be- 1) Allgemeine Anatomie. 1876. S. 525. 2) Nova acta academ. caes. Leopoldino-Carolin. 1868. Bd. XXXIV. S. 33. — Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XI. 1875, S. 152. 1876, S. 518. 3) Verhandlungen der medicinisch-physikalischen Gesellsch. zu Würz- burg. 1872. Bd. III. S. 281. 4) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1872. Bd. VIII. 349. DJ. e.84 109% 116 W. Krause: sitzen eine dünne Bindegewebshülle und sind von eiförmiger Ge- stalt. Wendet man 0,2%,ige Ueberosmiumsäure 24 Stunden lang an, so lässt sich das Epithel mit Nadeln vorsichtig entfernen, Durchschnitte von nachträglich in absolutem Alkohol gehärteter Daumenwarze, die nur eine Papillenreihe enthalten, kann man mit Alauncarmin gefärbt in Canadabalsam conserviren. Die Kerne erscheinen dann theilweise quergestellt (Taf. V. Fig. 63), woran die Körperchen von Capillarschlingen der Gefässpapillen (Fig. 63g) zu unterscheiden sind. Die Nervenfasern sind aber zu fein, um bei dieser Methode innerhalb der Papillen kenntlich zu werden. Es muss noch bemerkt werden, dass die mehr quere oder die mehr unregelmässige Stellung der Kerne nicht wohl auf die Geschlechtsfunction resp. Jahreszeit zurückgeführt werden kann, wie es Ciaccio!) versucht hat. Denn die beiden abgebildeten (Taf. V. Fig. 56 u. 63) verschiedenen Körperchen wurden beide Anfang Juli bei frisch eingefangenen Fröschen gefunden. AIV. Tastzellen. Leydig?) hatte in einer langen Reihe von Arbeiten (seit 1851) gezeigt, dass bei verschiedenen Wirbellosen (Krebsen, Insee- ten u. s. w.) die Hautnerven mit terminalen Ganglienzellen auf- hören und vermuthete (seit 1859), dass auch bei Wirbelthieren wenigstens ein Theil der Hautnerven mit Terminalganglienzellen endigen möchte. Diese Vermuthung hat eine Bestätigung gefunden, die, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, leider nur eine schein- bare ist. Als Tastzellen von beträchtlicher Grösse (bis zu 0,056 mm) bildete Merkel®) Flächenansichten der Grandry’schen Körperchen ab. Dies folgt unzweifelhaft aus dem Umstande, dass alle doppelt- contourirten Nervenfasern im Schnabel der Entenvögel, wie sehr leicht zu zeigen ist, entweder in Herbst’schen resp. Key-Retzius’- schen Körperchen oder in Grandry’schen Körperehen endigen. 1) Della pelle della rana esculenta. 1867. 2) Vom Bau des thierischen Körpers. 1864. 8.96. — Archiv für mi- kroskopische Anatomie. 1876. Bd. XII. $. 518. 3) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1875. Bd. XI. Taf. XL. Fig.3. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 117 Wenn man in einer solchen Flächenansicht die Terminal- scheibe recht deutlich einstellt, so werden die Kerne der beiden Kolbenzellen undeutlich, da sie in anderen Focal-Ebenen sich be- finden und vice versa. Hierin wird der Grund liegen, weshalb Merkel lange Zeit die wahre Nervenendigung in den Grandry’schen Körperchen nicht richtig gewürdigt hatte. Dass die Terminalfaser breit und abge- plattet aufhört, mag Demjenigen fremdartig erschienen sein, der die Abplattung der Terminalfasern in den Vater’schen und namentlich Herbst’schen Körperchen nicht schon aus eigener An- schauung kannte. Nachdem nun A. Key und Retzius das wirkliche Nerven- ende in den Grandry’schen Körperchen vermuthet hatten, nachdem schon vorher von mir die Terminalfasern gesehen, als solche be- zeichnet und beschrieben wenn auch damals nicht abgebildet waren (Abbildungen hatte bereits Grandry gegeben), nachdem endlich Ranvier die Vermuthung von A. Key und Retzius adoptirt und für sich selbst zur Gewissheit erhoben hatte, indem er die Termi- nalscheibe als disque tactile bezeichnete, mag es klar geworden sein, dass es mit der Nervenendigung in terminalen Ganglienzellen doch bedenklich stehe und dass die Tastzellen wenig Aussicht hätten, jemals aus dem grossen Sack der zweifelhaften Nerven- endigungen herauszukommen, in den Niemand gern hinein will. Keiner unter allen späteren Untersuchern (Key und Retzius, Izquierdo, Hesse, ich selbst) haben jemals eine Spur von ein- fachen Tastzellen im Entenvögelschnabel ete. gesehen. Sehr begreif- lich, denn wer die Grandry’schen Abbildungen kannte, konnte die Flächenansichten von dessen Körperchen ohne Weiteres riehtig deuten. Diese besonders grossen !) und schönen einfachen Tastzellen sind aus dem Text der definitiven Merkel’schen Darstellung voll- ständig verschwunden. Es ist stets nur die Rede von Flächenan- sichten der Zwillingstastzellen d.h. von den durch@randry ent- deckten Körperchen. Die Erklärung, wie man eine Flächenansicht des Grandry’- schen Körperchens für die Ansicht einer Tastzelle nehmen kann — falls man von der Bindegewebshülle abstrahirt — ergiebt sich sehr einfach aus den eigenthümlichen Anordnungen im Entenvögelschna- 1) Merkel, Göttinger Nachrichten. 1875. S. 125. 118 W. Krause: bel. Die Grandry’schen Körperehen sind stets so orientirt, wie Merkel!) bald darauf riehtig angegeben hat, dass ihre Flächen der Epidermis parallel liegen. Da nun der weniger pigmentirte, mehr grau gefärbte Schnabelrand nicht einen Cylinderabschnitt darstellt, sondern seine Oberfläche ähnlich einer Spiralfläche ge- krümmt, jedenfalls windschief gebogen ist, so kommt es sehr leicht in grösseren Schnittpräparaten vor, dass man zwar grösstentheils Seitenansichten, am Ende des Schnittes aber einzelne Flächenan- sichten von Grandry’schen Körperchen zu sehen bekommt. Beson- ders ist dies der Fall, wenn man, wie es am natürlichsten ist, die senkrechte Scehnittebene rechtwinklig auf die Längsaxe des Schna- bels stellt. Kennt man nun die Terminalscheibe nicht, so hat man dann freilich Tastzellen und Zwillingstastzellen in Menge. Späterhin hat Merkel?) eine Profilansicht einer einfachen Tastzelle abgebildet. Dieselbe zeigt sich an den Seiten von con- centrischen Lamellen umgeben und wenn diese Deutung richtig wäre, so müsste man in der Flächenansicht runde Tastzellen, von coneentrischen Kreisen umgeben, zu sehen erwarten, die wie hin- länglich bekannt wiederum nicht vorkommen. Das betreffende mikroskopische Bild ist mir ebenfalls in Ueberosmiumsäure-Präpa- raten begegnet und im Anfange wusste ich nicht recht, was ich daraus machen sollte. Solche Formen zeigten sich jedoch beson- ders am Rande sehr feiner, keilförmig auslaufender Schnitte und die Deutung ist eine sehr einfache. Es ist eine sog. Drillingstast- zelle in der Seitenansicht, welcher die oberste und unterste Zelle schräg weggeschnitten sind, das keilförmige Ende des Körperchens wie des ganzen Hautstückehens lag nach dem Beschauer zu. Nur die mittelste der drei Kolbenzellen mit ihrem Kern blieb erhalten, die übrigen sind zerstört. Die scheinbaren eoneentrischen Lamellen entsprechen der zerrissenen und etwas phantasiereich aufgefassten doppelten (oberen und unteren) Raphe und der Hülle des ganzen zusammengesetzten Grandry’schen Körperchens. Wenigstens für die mir vorgekommenen Formbildungen war diese Deutung zutreffend. Will man sie nicht aceeptiren, so würde das fragliche Körperchen für eine Uebergangsform zwischen Grandry’- schen und Key-Retzius’schen Körperchen zu halten sein (Taf. IV. 1) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1875. Bd. XI. S. 640. 2) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1878. Bd. XV. Taf. XXVI. Fig. 9. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 119 Fig. 36), wobei einige Kerne des Innenkolbens zum Theil über- sehen sein mögen. — Interessante Uebergangsformen finden sich beiläufig bemerkt im Schnabel des Spechtes (Pieus canus). Als zweiter Versuch die einfachen Tastzellen zu retten, muss es gedeutet werden, wenn Merkel!) abgeschnittene Stücke der Seitenflächen von Grandry’schen Körperchen als solche Zellen figuriren lässt. Dass es sich um weiter Nichts handelt, zeigt, falls es noch nöthig sein sollte dies zu beweisen, ein Blick auf die hier gegebene Abbildung (Taf. V. Fig. 60), wonach diese angeblichen einfachen Tastzellen auch ganz ohne Nerven vorkommen, was nach dem Gesagten sehr begreiflich ist. Dass bei grossen zusammengesetzten Grandry’schen Körper- chen Unregelmässigkeiten in der Anordnung der Kolbenzellen an- zutreffen sind (Taf. IV. Fig. 32), dass die am Ende des Körperchens gelegenen Zellen kleiner sind, als die übrigen und häufig wind- schief verbogen erscheinen, versteht sich — ganz abgesehen von zufälliger Verstümmelung grösserer Grandry’scher Körperchen durch die Schnittführung — für derartige Formen terminaler Körperchen eigentlich von selbst. Nicht von selbst versteht es sich aber, wenn auf solche Unregelmässigkeiten hin die Ranvier'sche Formel — so werthlos (S. 89) die Aufstellung derselben an sich sein mag — in Betreff des Verhältnisses von Terminalscheiben und Kolbenzellen bestritten werden soll. Denn die wirkliche Nervenendigung in Terminalscheiben ist bei den unregelmässigen und zusammenge- setzten Grandry’schen Körperchen jedenfalls nicht anders be- schaffen, als in den gewöhnlichen, was sich schon von vornherein vermuthen liess. Nun bleibt drittens der Versuch übrig, auch am Entenvögel- schnabel die Tastzellen aus der Cutis in die Epidermis vorrücken zu lassen und vice versa. Verfolgen wir diese Zellen ein wenig auf ihrer Wanderung, wobei zunächst die sog. Tastzellen der Säuger in Betracht gezogen werden müssen. In der untersten Zellenschicht des Rete mucosum der Epi- dermis der Fingerhaut, besonders leicht demonstrirbar aber in den homologen Schichten des Schweinsrüssels, der Katzennase u. s. w. finden sich nämlich Zellen, die in Ueberosmiumsäure-Präparaten sofort durch ihre helle Beschaffenheit auffallen (Taf. V. Fig. 57). 1))1.e.,1880:: Taf. X.. Fig. 13. 120 W. Krause: Sie besitzen deutliche Kerne, sind von einer scharfen Contour be- grenzt, meist von ellipsoidischer Gestalt und wie gesagt hell, was den Raum zwischen Randeontour und Kern betrifft. Sie kommen auch in der Epidermis am Schnabel der Enten- vögel vor, ohne ausschliesslich auf die tiefste Zellenlage beschränkt zu sein. An Ueberosmiumsäure-Präparaten ist Nichts weiter über diese Zellen zu ermitteln. Wendet man aber 0,25 °/,ige Chromsäure an, so sieht man die Zellen ebenfalls und nun zeigen sich ihre Kerne mit den durch Flemming u. A. so bekannten Kernfiguren ausgestattet (Taf. V. Fig. 58). Natürlicherweise ist das Objeet nicht das geeignetste für das Studium dieser Zellenvermehrung, die man schon anderweitig kennen muss; sie wird hier beiläufig erwähnt, weil Flemming resp. Pfitzner sich nähere Aufklärungen über Kernfiguren in der Keimschicht der Epidermis, wie Ersterer sehr hübsch das Rete mucosum zu nennen vorschlägt, vorbehalten hat. Kaum irgendwo bequemer als im Schnabel der genannten Vögel lässt sich zeigen, dass wie gesagt sämmtliche doppelteon- tourirten Nervenfasern daselbst mit terminalen Körperehen aufhö- ren. Wo die Nervenendigung in dieser Hinsicht nicht so leicht aufzufinden ist, also z. B. im Schweinsrüssel, hat man mehr Chance an etwas schrägen und diekeren, durchsichtig gemachten Schnitten doppelteontourirte Nervenfasern sich zwischen die genannten Zellen projieiren zu sehen. Doch ist dies keineswegs immer der Fall; z. B. in Fig. 57 (Taf. V.) ist überhaupt keine Nervenfaser vorhanden. Da dergleichen Präparate keineswegs selten vorkom- men, so folgt schon daraus ohne Weiteres, dass diese sog. Tast- zellen mit den Nerven überhaupt gar nichts zu thun haben. Noch leichter gelingt einem praeocceupirten Beobachter die erwähnte Projieirung an Stellen, wo die wahre Nervenendigung unbe- kannt ist, wie in den Haarbälgen. Da hierzu noch der in diesem Sinne günstige Umstand hinzutritt, dass der Haarbalg einen durch- sichtigen Hohleylinder darstellt, in dessen Wand die Nervenfasern verlaufen, so begreift es sich,. wie der Eintritt doppelteontourirter Nervenfasern in die äussere Wurzelscheide und deren Zusammen- hang mit besonderen Elementen der letzteren von verschiedenen Beobachtern behauptet worden ist. Was die daselbst befindlichen in Vermehrung begriffenen Zellen betrifft, so dürfte, wenn die Regenerationserscheinungen an allen diesen Stellen erst genauer verfolgt sein werden, es nirgends mehr bezweifelt werden, was Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 121 jetzt schon die Verfolgung der Nervenfasern direct ergibt, dass letztere mit den fraglichen Zellen nicht in Zusammenhang stehen — genau wie es von dem ersten Entdecker!) dieser Gebilde in der äusseren Wurzelscheide (beim Hunde) gleich Anfangs mitgetheilt wurde. Hiermit stimmen die Angaben von Izquierdo?), der unter Wal- deyer's Leitung arbeitete, überein. Wer nun aber glaubt, dass Tastzellen in der Epidermis vor- kommen, oder sich auch nur erinnert, dass die Nervenzellen eben- falls vom Eetoderm abstammen, wird die Vermuthung hegen können, dass einestheils jene Zellen gleichsam in das Epithel vorrücken möchten) oder dass andererseits z. B. die Grandry’schen Körper- chen ihre Entstehung Zellen des Eetoderms verdanken, die in die Tiefe gewandert sind. Letzterer Anschauung entsprechend beschrieb Izquierdo (Il. c.) eine sehr rasche Entwicklung der Grandry’schen Körperchen. Sie sollen vier bis fünf Tage vor dem Auskriechen von Enten- Embryonen aus Epithelzapfen sich abschnüren, die in die Gipfel der Zungenpapillen sich einsenken und secundär eine bindegewe- bige Umhüllung erhalten. Diese Darstellung liesse sich hören, wenn der Vorgang in ganz frühe Zeit beim Embryo zu verlegen wäre, z. B. analog der Bildung resp. Schliessung der Medullarrinne. Bei nur wenige Tage jüngeren Embryonen, als die ersterwähnten waren, sah Izquierdo noch keine Andeutung von Grandry’schen Körperchen. Folgerichtiger Weise begann ich die Prüfung dieser Angaben an genau 21 Tage bebrüteten Enteneiern der Ailesbury-Race. Da schon der erste Schnitt ein definitives Resultat ergab, so hielt ich es nicht für nöthig, auf frühere Stadien zurückzugehen. Denn es kam nicht darauf an, die Entwickelung der Grandry’schen Körper- chen definitiv festzustellen, so vielversprechend ein solches Unter- nehmen nach verschiedenen Richtungen hin auch sein würde, sondern nur darauf, die etwaige Unrichtigkeit der von anderer Seite bereitwillig acceptirten Izquierdo’schen Angaben darzuthun. Hierbei war noch in Betracht zu ziehen, dass schon Hesse) ge- sagt hatte, die Entwicklung der Grandry’schen Körperchen erfolge 1) Leydig, Archiv für Anatomie und Physiologie. 1859. S. 728. 2) Beiträge zur Kenntniss der Endigung der sensiblenNerven. 1879. 5.49. 3) Merkel, Göttinger Nachrichten. 1875. S. 127. 4) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1878. Anat. Abth. 5. 304. 122 W. Krause: bei der Ente sehr rasch binnen wenigen Tagen um die Zeit des Auskriechens. Härtet man nun die Schnäbel von 21tägigen Enten-Embryonen in 1°/iger Ueberosmiumsäure, nachher in Alkohol und hellt die Schnitte mit Nelkenöl und Canadabalsam auf, so zeigt sich zum nicht geringen Staunen des Untersuchers, dass alle Grandry’schen Körperchen bereits vollständig fertig sind. Sie liegen am Schnabel- rande in geringer Tiefe (ca. 0,l mm) unter der Epidermis, und zwar so dicht gedrängt, dass dazwischen kaum etwas Platz hat, als die Capillargefässe. Die Flächenansichten geben die klarsten Bilder (Taf. V. Fig. 52), man kann die Kerne der beiden Kolben- zellen an ihrer Grösse erkennen und die Körperchen selbst ohne Mühe von Querschnitten Key-Retzius’scher Körperchen unterschei- den, die in dem tiefer gelegenen Stratum zwischen Grandry’schen Körperehen auftreten. Die Key-Retzius’schen Körperchen (Taf. V. Fig. 61 u. 62) gleichen ganz den Anlagen von Herbst’schen Kör- perchen auf ähnlicher Entwieklungsstufe beim Hühnchen, die ich!) vor Jahren schilderte. Ihre Umhüllungen haben sich noch nicht differenzirt, anstatt der Bindegewebshülle und der Lamellensysteme oder der Querfaserschicht der Herbst'schen Körperchen sieht man wie gesagt nur eine Menge dicht gedrängter Kerne. Doch ist die Form dieselbe wie beim erwachsenen Vogel (vergl. Taf. III. Fig. 9 u. 17). An dem Fehlen dieser Kernzone, an der mehr kugligen Form und geringeren Grösse sind die Grandry’schen Körperchen des 2ltägigen Embryos sehr leicht von den Key-Retzius’schen Kör- perchen zu unterscheiden. Dass es sich aber wirklich um Gran- dry'sche und nicht etwa um in ihrer Entwicklung zurückstehende Key-Retzius’sche Körperchen handelte, ergibt die Vergleichung mit dem 28tägigen Embryo also unmittelbar vor seinem Auskriechen. — Beim 2ltägigen Embryo beträgt die Länge der Grandry’schen Körperehen durchschnittlich 0,04, die Breite 0,035 mm, also etwa ?/s der Dimensionen beim erwachsenen Thier. Die Kerne der Kolben- zellen scheinen dagegen eher grösser zu sein. Für die Key-Retzius’- schen Körperchen ergab sieh etwa 0,09 Länge, 0,06 mm Breite. Es bedarf wohl kaum noch der Erwähnung, dass in der Zunge 2ltägiger Embryonen Grandry’sche Körperehen von ähnlichem Durchmesser (vergl. Taf. V. Fig. 52) und etwa halber Dicke und 1) Die terminalen Körperchen der einfach sensiblen Nerven. 1860. S. 40. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 123 Beschaffenheit nachzuweisen sind, die an Präparaten aus 1 °/,iger Chromsäure unter anderem auch die Raphe in ihrer Profilansicht erkennen lassen. Nur für die Vater’schen und Herbst’schen Körperchen ist es direet erwiesen, dass ihre Innenkolben als Verdiekungen des Neu- rilems (Schwann’sche Scheide), welches ursprünglich der Terminal- faser angehörte, zu betrachten sind. Denn das letztere geht in die innerste Kapsel und auch bei den Grandry’schen Körperchen in deren Homologon über. Für die übrigen terminalen Körperchen kann das gleiche Verhalten nur aus der vorauszusetzenden Homo- logie erschlossen werden. Man könnte aber fragen, ob es nicht Innenkolben gebe, deren Kolbenzellen vom Eetoderm abstammen, ' anstatt vom Mesoderm. So sehr man — ganz abgesehen von den Beobachtungsresultaten — geneigt sein wird, Letzteres bei den tiefer liegenden Terminalkörperchen, namentlich den Vater’schen Körperchen anzunehmen, so gibt es doch so viel Epithel-Einschlüsse in der Tiefe, dass ein durchschlagender Einwand daraus nicht bergenommen werden kann. Auch das Freisein der Tastkörper- chenpapillen von Blutgefässen weist auf eine verminderte Betheili- gung des sog. mittleren Keimblattes hin. Wie dem sei, so lässt sich jedenfalls so viel sagen, dass alle Umhüllungen der Terminal- faser in den Terminalkörperchen bis an den Innenkolben heran, also inel. der innersten Kapsel Vater’scher Körperchen nichts weiter sind, als vermehrte und verdickte Adventitia der doppelteontourir- ten Nervenfaser (vergl. S. 67), sowie dass wahrscheinlich alle Innenkolben Verdieckungen Schwann’scher Scheiden darstellen. Nach vorstehender Deduction setzt sich die etwas bunte Ge- sellschaft der sog. Tastzellen folgendermassen zusammen; 1. Grandry’sche Körperchen in Flächenansicht (Taf. IV. Fig.29). 2. Abgeschnittene Stücke von solehen (Taf. V. Fig. 60). 3. Theilstüicke zusammengesetzter Grandry’scher Körperchen in Profilansicht (vergl. S. 118), oder von Tastkolben (vergl. meine allgemeine Anatomie S. 538). 4. Kleinere Kolbenzellen an der Peripherie zusammengesetzter Grandry’scher Körperchen (Taf. IV. Fig. 32). 5. In Kerntheilung begriffene Epidermiszellen (Taf. V. Fig. 57 u. 58). 6. In Kerntheilung begriffene Zellen der äusseren Wurzel- scheide von Haarbälgen. 124 W. Krause: 7. Kolbenzellen der Tastkörperchen (Taf. IV. Fig. 35. Taf. V. Fig. 54). 8. Zufällig in Flächenansicht erscheinende Kerne der Hüllen von Terminalkörperchen, namentlich von Endkapseln (vergl. Taf. II. Fig. 3%) oder Genitalnervenkörperchen. 9. Bindegewebszellen der äusseren Hülle an der Spitze von Tastkörperchen (vergl. Taf. IV. Fig. 35). 10. Hier und da mögen an Ueberosmiumsäure-Präparaten auch Querschnitte leerer Capillargefässe mit untergelaufen sein. In allen diesen Fällen ist die Continuität mit Nervenfasern, auf die es allein ankommt, wohl vermuthet, zuweilen auch behaup- tet, niemals aber auch nur an einem einzigen unzweifelhaften Präparat demonstrirt worden. Ein Commentar zu der obigen Zu-' sammenstellung ist wohl nicht nöthig. XV. Physiologisches. In dieser Beziehung hat der letzte Nachuntersucher auf dem fleissig eultivirten Gebiete der Endigungen einfach-sensibler Ner- ven mit kurzen Worten als sein Endresultat!) proelamirt: „Die Nervenendigungen in der Haut der luftlebenden Wirbelthiere sind verschieden gebaut nach der topographischen Lage aber nicht nach der physiologischen Function.“ Dieser Satz ist nun freilich leicht zu widerlegen. Ziehen wir zunächst die Vater’schen Körperchen in Betracht. Sie liegen z. B. im Mesenterium der Katze, in den Zwischenknochenräumen des Vorderarmes und Unterschenkels, an den Gelenken, überall aber so, wie sie angeordnet sein müssten, wenn man die darin befind- lichen Nervenenden, gleichsam auf die raffinirteste Weise, soweit es die im Thierkörper gegebenen Mittel erlauben, gegen Tempe- raturschwankungen geschützt haben wollte. Die tiefe Lage, das umgebende Fettgewebe, die Durchspülung der inneren Schichten dieser Körperchen mit dem gleichmässig temperirten Blut des Körper-Innern u. s. w. sind solche Hülfsmittel. Anderen Terminalkörperchen hat man gleichsam actives Tast- vermögen zugeschrieben. Der Name selbst ist von dem vorzüg- l) Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. 1880. S. 187. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 125 liehsten Tastorgan: der menschlichen Hand — hergenommen. Dieselben quergestreiften Körperchen finden sich in der Hand des Affen, im Greifschwanz von Ateles, wo sie kürzlich durch Jobert bestätigt wurden (S. 98), nicht aber in der Conjunctiva des Auges, die niemals zum Tasten dienen kann. Hier wie an anderen Orten werden sie durch Endkolben ersetzt. Wieder besondere Formen sehen wir an den Geschlechtsor- ganen, im Penis und der Clitoris des Menschen wie des Kanin- chens, Hundes etc. ausgezeichnet durch ihre complieirte und kaum vollständig entzifferte Structur. Freilich helfen sich die Einen (A. Key u. Retzius und Izquierdo) damit, diese Genitalner- venkörperchen kurzweg für Endkolben zu erklären; ein Anderer (Merkel, 1. e.) zieht vor, sie Tastkörperchen zu nennen. Jedenfalls können wir den morphologischen Zusammenhang der terminalen Körperchen unter einander abgesehen von ihrer Function untersuchen. Ausgeschlossen bleiben dabei ausser den Froschsehnen vorläufig die Nervenendigungen am Fischkörper, welche Leydig als Organe eines sechsten Sinnes bezeichnete. Ob sie einfach Tastempfindungen dienen, erscheint unter allen Um- ständen nicht wenig zweifelhaft. Der Fisch hat gar nichts zu tasten ausser etwa mit Lippen, Bartfäden und Flossen. Ebensowenig kann sein Körper Wasser- wellen wahrnehmen, wie vermuthet worden ist. Entweder steht der Fisch ruhig und lässt sich mit dem Strome treiben, dann empfindet er davon so wenig wie wir in einem Luftballon Wind empfinden können, mag auch der Ballon in einer Nacht von Paris nach Norwegen geführt sein. Oder der Fisch bewegt sich durch das Wasser, gleichviel ob mit, ob gegen, oder ohne Strom. Dann wird ihm die Grösse des relativen Widerstandes des Wassers schon durch sein Muskelgefühl bemerklich. Hiernach lässt sich die Hypothese vertheidigen, dass es physikalische oder chemische Qualitäten des Wassers sind, die sowohl von den Seitenorganen, als z. B. von dem Gaumenorgan der Cyprinoiden u. s. w. pereipirt werden, wobei freilich nicht an eine Geschmacksempfindung zu denken ist. Die Fische sind bekanntlich sehr empfindlich gegen schlechtes Wasser, gegen dessen Salzgehalt u. s. w., sie sterben leicht bei Sauerstoffmangel im Wasser; vielleicht pereipiren sie letzteren oder andere nicht zu definirende Qualitäten der Flüssig- keit, worin sie gerade schwimmen. 126 W. Krause: Lässt sich hiernach vermuthen, dass die verschiedenen Func- tionen des Drucksinnes, Wärmesinnes, Muskelsinnes, der Ge- schlechtsempfindung u. s. w. mit dem verschiedenen Bau der betreffenden Endapparate im Causalnexus stehen mögen, so ist es eine andere und von der Physiologie augenblicklich noch vernach- lässigte Frage, inwiefern die Mannigfaltigkeit der Funetion aus dem verschiedenen Bau ganz oder theilweise abzuleiten sein möge. Selbstverständlich ist dabei dass den Terminalkörperchen die Zu- leitung von Gefühlsempfindungen überhaupt zuzuschreiben sein wird, namentlich solehe Dinge sind als allen Körperchen Gemein- sames aufzufassen, welche wie der Raumsinn in ganz anderen Einrichtungen resp. sogar in den Centralorganen des Nervensystems begründet sich herausstellen. Die Function der Vater’schen Körperchen, mechanischen Zug in hydrostatischen Druck umzusetzen, habe ich!) durch eine Experi- mental-Untersuchung zu begründen versucht, bei der keine Gerin- geren als der Mathematiker Riemann und der Physiker Oskar Emil Meyer (in Breslau) mit Hand anlegten. Dem queren Ver- lauf der Terminalfasern in den Tastkörperchen hat Meissner?), ebenfalls auf Experimental-Untersuchungen gestützt, schon früher eine besondere physiologische Bedeutung zugeschrieben. Weitere derartige Untersuchungen scheinen auf diesem Gebiete nicht an- gestellt zu sein, was vielleicht darin seinen Grund findet, dass dem Physiologen, der nicht selbst mikroskopisch nachuntersucht, der- gleichen Nervenendigungen als zu sehr mit Controversen behaftet erschienen sein mögen. Den Formenreichthum terminaler Körperchen, wie ihn die Natur geliefert hat, kann man nicht vermindern. Es wäre aller- dings bequemer, für die Darstellung oder den Vortrag, wenn es nur zwei oder drei Sorten geben würde. Da dies leider nicht der Fall ist, erklärt sich das Bestreben, die Sachen womöglich über- sichtlicher zu machen, indem man tiefer in den feineren Bau der Körperchen eindringt. Jedenfalls den ungeeignetsten Weg zur Vereinfachung der Darstellung hat Merkel selbst eingeschlagen. Wenn man die Formenreihe verkürzen will, darf man keine neue Form entdecken. 1) Zeitschrift für rationelle Mediein. 1863. Bd. XVII S. 278. 2) Zeitschrift für rationelle Mediein. 1859. Bd. VII. S. 92. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 127 Wäre nicht die betreffende Monographie wie gewöhnlich mit einem rationellen Firniss überkleidet, so würde die Bedeutung der schö- nen Bausteine klarer hervorgetreten sein, welche einestheils in den hier (8. 57) sogenannten Kolbenkörperchen bei Reptilien, andererseits in dem Nachweis der Zusammensetzung der Innen- kolben in den Herbst’schen u. s. w. Körperchen aus (Kolben-) Zellen gegeben sind. Seit dreissig Jahren ist die Frage nach den Nervenendigungen diejenige, welche die relativ grösste Zahl von histologischen Ar- beiten hervorgerufen hat. Dass im Laufe dieser langen Zeit eine Menge verschiedenartiger Ansichten und Annahmen auftauchten und wieder verlassen wurden, erscheint natürlich genug. Es lässt sich nicht verkennen, wenn es auch hier und da verdeckt werden mag, dass sich die Controverse in einer Hinsicht hauptsächlich um die Endkolben dreht. Seitdem deren Existenz nicht mehr geleugnet werden kann, suchen ihre Gegner wenigstens das Gebiet derselben einzuengen. Sei es, dass eine zweite und angeblich wichtigere Form der Nervenendigung [z. B. im Epithel!), mit Zellen u. s. w.] behauptet wird, sei es dass die Endkolben für eine Varietät der Tastkörperchen, Vater’schen Körperchen u. s. w. erklärt werden sollen. Jener Hergang erklärt sich ganz natürlich daraus, dass die so häufigen verbogenen, angeschnittenen oder schräg gesehenen eylindrischen Endkolben anfangs als solche schwer zu erkennen sind. Sie scheinen desshalb viel sparsamer vorhanden zu sein, als sie es wirklich sind. Indessen lag die morphologische Bedeutung der Endkolben niemals in ihrer nachgewiesenen oder anerkannten Verbreitung. Sondern vielmehr darin, dass sie den Uebergang bilden zwischen Vater’schen Körperchen und Meissner’schen Tastkörperchen. Wer den Zusammenhang dieser beiden entferntesten Glieder in der ausgedehnten Reihe der terminalen Körperchen leugnen will, mag es immerhin thun. Er verziehtet damit nicht nur auf die Erklärung der inneren Verwandtschaft jener extremen Formen, sondern er- 1) Die blassen Nervenfasern z. B. von Ranvier (Quart. Journ. of mier. sc. 1880. Bd. XX. Taf. 36) im Recte mue osum der Epidermis sind Lymph- bahnen. 128 W. Krause: schwert sich das Verständniss jeder einzelnen Modifieation noch dazu ganz nutzlos. Allerdings war es für Diejenigen, welche die terminalen Kör- perchen, mit denen die einfach-sensiblen Nerven wirklich endigen, vergeblich gesucht hatten, naheliegend, irgend eine andere Endi- gungsart, wie oben angedeutet wurde, zu supponiren. Es kam dazu, dass man nur an wenigen Orten beweisen konnte, dass alle Nervenfasern daselbst mit Terminalkörperchen aufhören. Diesen Stellen hat neuerdings der Entenvögelschnabel sich anreihen lassen. Anderentheils ist der Versuch gemacht, den Innenkolben der kugligen Endkolben wie der Meissner'schen Körperchen für nervös, für einen Ganglienzellenhaufen zu erklären. Derselbe Irrthum ist bei anderen Innenkolben früher schon öfters aufgetaucht und (bald darauf) widerlegt worden. Es dürfte noch viel zu thun sein, bis die Anzahl und Zusam- menfügung der Kolbenzellen, sowie die durchschnittliche Anzahl der Terminalfasern im Innenkolben jeder einzelnen Form termi- naler Körperchen durch die ganze Wirbelthierreihe festgestellt sind. Mit Ausnahme der sicheren Aufdeekung etwaiger Terminalkörper- chen bei Fischen !) scheint sich indessen an jene Fragen kein tieferes Interesse mehr zu knüpfen. In gewisser Hinsicht mögen vielmehr bei der jetzigen Sachlage die Endigungen einfach-sensibler Nerven an Interesse verloren haben, welches vielleicht nächstens die Se- eretionsnerven mehr in Anspruch nehmen dürften. Alle die unend- lich zahlreichen und mühevollen Untersuehungen haben nämlich bei den gewöhnlichen einfach-sensibeln Nerven, wie schon mehr- mals bemerkt, nur eine Endigungsform zu bestätigen vermocht, welche seit Henle und Kölliker’s Beschreibung der Vater’schen Körperchen unzweifelhaft und jeden Augenblick demonstrirbar (a natural disseetion nach Todd) vorgelegen hatte. Man kann nichts Einfacheres sich denken: die Nervenfaser wird blass und endigt mit einem kleinen Knöpfchen. 1) Während der Correctur kam mir eine schöne Abbildung von Pou- chet (Quarterly Journal of mieroscopical science 1880. V. XX. Nr. 80. Taf. XXIX. Fig. 7) zu Gesicht. Danach endigen bei Amphioxus lanceolatus sen- sible Fasern des Trigeminus mit den schon länger bekannten terminalen Kör- perchen. Sie gleichen am meisten den Leydig’schen Körperchen, zeigen aber eine dünne Hülle, die einen Kern besitzt und mehrere kernhaltige Zellen umeiebt. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 129 Innerhalb dieser Knöpfehen aber hören die marklosen Ner- venfibrillen, aus welchen die Terminalfaser zusammengesetzt ist, jede mit einer oder mehreren wiederum knopfförmigen Verdiekungen auf, die ich Terminal-Noduli zu nennen vorgeschlagen habe. Dies ist das wahre Nerven-Ende. Ueber die Tastkörperchen des Gorilla. Nachtrag zu dem vorhergehenden Aufsatz. Herr Oberstabsarzt Rabl. Rückhard hatte laut mündlicher Mittheilung beim Gorilla Tastkörperchen aufgefunden und ich ver- danke seiner ausserordentlichen Zuvorkommenheit die Uebersen- dung von zwei Stückchen wahrscheinlich der Plantarhaut der Finger, von denen eines frisch mit Ueberosmiumsäure, das andere mit Goldehlorid behandelt war. In dem ersten fand ich nicht sehr zahlreiche Tastkörperchen mit deutlichen Querstreifen (Querkolben- zellen). Die Körperchen lagen in den Gipfeln der Papillen, sie waren von regelmässiger länglich-ellipsoidischer Form, 0,06—0,09, im Mittel 0,08 lang und 0,017—0,33, im Mittel 0,025 mm breit. Hiernach verhalten sich die Tastkörperchen beim Gorilla wesentlich wie bei Cercopithecus sabaeus und Inuus cynomolgus!). Sie haben beim Menschen in der Fingerhaut (Vola digitorum) durch- schnittlich 0,135 Länge auf 0,05 mm Breite, dagegen bei den ge- nannten kleinen Affen 0,047—0,052 Länge auf 0,029 mm Breite. Indessen beträgt das Maximum der Länge 0,072 mm und das Mini- mum der Breite 0,025, so dass man nicht behaupten darf, was viel- leicht zu vermuthen gewesen wäre, dass die Tastkörperchen bei dem anthropomorphen Gorilla sich nach Form und Grösse mehr denjenigen des Menschen näherten; sie sind vielmehr eher. noch schlanker als bei den kleinen Affen der alten Welt. W. Krause. 1) W. Krause, Die terminalen Körperchen u. s. w. 1860. Tabelle IH. Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 19, 9 130 W. Krause: Erklärung der Abbildungen auf Tafel IN—V. Sämmtliche Figuren sind von Herrn Peters in Göttingen gezeichnet, resp. wo dies besonders angegeben ist, copirt worden. Die Vergrösserungsziffern sind genau, doch wurde meistens während der Zeichnung selbst eine etwas stärkere Vergrösserung z. B. Seibert, Immersionsystem VIII, Oc. 0, angewendet, die Zeichnung also auf die angegebene Vergrösserung reducirt. Wo nichts an- deres angegeben ist, stammen die Präparate jedesmal vom Menschen. Fig. 1. Kolbenkörperchen aus der Oberlippe einer ausgewachsenen Lacerta agilis nach Einlegen des ganz frischen Präparates in 3°/,ige Essig- säure, nach 12 Stunden in 1°/,ige Ueberosmiumsäure. Alauncarmin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 600. t Terminalfaser. Fig. 2. Endkolben der Conjunctiva bulbi eines jungen afrikanischen Ele- phanten. Frisch mit Natron. Vergr. 300. Fig. 3. Stark Sförmig gebogen verlaufende Endkapsel aus der Haut der Glans penis des Igels nach mehrtägiger Maceration des frischen Penis in 3°/,iger Essigsäure. Vergr. 600. % Kern der Hülle von der Fläche gesehen (sog. Tastzelle von Merkel). t in der Axe verlaufende Ter- minalfaser. » doppelteontourirte Nervenfaser. Fig. 4 Endkapsel aus der Vola digitorum manus des Igels nach 48stündiger Maceration der frischen Haut in 3°/,iger Essigsäure. Vergr. 400. Zum Unterschiede von den Endkolben der Fig. 19 und 20 zeigt diese Endkapsel etwa vier Lamellen ihrer äusseren Hülle. t Terminal- faser. n Nervenfaser. Fig. 5. Endkapsel aus der Haut der Glans penis vom Igel nach mehrtägiger Maceration in 3°/,iger Essigsäure. Vergr. 250. Optischer Querschnitt der Endkapsel. © Innenkolben. » Nervenfaser. Fig. 6. Innenkolben eines Vater’schen Körperchens aus dem Mesenterium einer halbjährigen Katze durch mehrtägige Maceration in etwa 10°/,iger Natronlauge isolirt und mit Virchow’schen Myelintropfen dicht durchsetzt. Vergr. 500. Fig. 7. Vater’sches Körperchen aus der Submucosa vom Seitenrande der Zunge eines afrikanischen Elephanten. Mit verdünnter Essigsäure. Vergr. 300. Fig. 8. Papille des Seitenrandes der Zungenspitze eines jungen afrikanischen Elephanten nach 24 stündigem Einlegen in 2°/, ige Essigsäure. Linker- hand eine Endkapsel, rechterhand eine Blutgefässschlinge. Vergr. 300. Fig. 9. Längsansicht eines Key-Retzius’schen Körperchens aus dem weissen Schnabelrande des Unterschnabels der Ente, nach mehrtägigem Ein- legen des frischen Hautstückchens in Müller’sche Flüssigkeit, mit Glycerin. Vergr. 400. i Innere Kapseln. e Aeussere Kapseln. h Aeussere Hülle. » Nervenfaser. Fig. 10. Key-Retzius’sches Körperchen mit getheiltem Innenkolben vom helleren Rande des Unterschnabels der Gans. Nach mehrtägigem Einlegen in 1°/,ige Chromsäure; Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 250. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. an 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 131 n Eintrittsstelle der doppeltcontourirten Nervenfaser; letztere ist querdurchschnitten. Endkolben der Conjunctiva bulbi vom Menschen. Das Auge war einige Stunden nach dem Tode in 3°/,ige Essigsäure gelegt, nach längerer Zeit dann 2 Tage lang in 1°/,ige Ueberosmiumsäure. Vergr. 500. Der Innenkolben zeigt sich mit sehr vielen Kernen versehen, darin eine undeutliche, der Länge nach verlaufende Terminalfaser. Endkolben der Conjunctiva bulbi vom Menschen nach Maceration des frisch eingelegten Bulbus in 3°/,iger Essigsäure. Flächenschnitt der Conjunctiva. Vergr. 700. Die doppeltcontourirte Nervenfaser erstreckt sich unterhalb des Endkolbens, die Terminalfaser # wird rückläufig und endist knopfförmig. Genitalnervenkörperchen, welches aus vier Endkapseln zusammenge- setzt ist, aber nur eine doppeltcontourirte Nervenfaser erhält, aus dem Penis des Igels nach mehrtägiger Maceration des frischen Penis in 3%/,iger Essigsäure. V. 500. Genitalnervenkörperchen aus der Glans der Clitoris des Menschen nach Maceration des frischen Präparates in 3°/,iger Essigsäure. Vergr. 250. Das Körperchen besteht aus wenigstens fünf, von dicken Bindegewebshüllen umgebenen Abtheilungen, erhält aber gleichwohl nur eine zutretende doppeltcontourirte Nervenfaser. Endkolben der Conjunctiva bulbi vom Menschen. Das Auge war einige Stunden nach dem Tode in 3°/,ige Essigsäure gelegt, nach längerer Zeit dann einen Tag in 1°/,ige Ueberosmiumsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 700. n Nervenfaser. t blasse knopfför- mig endigende Terminalfaser. Genitalnervenkörperchen aus dem Penis des Igels, nach Maceration des frischen Penis in 3°/,iger Essigsäure. Vergr. 500. Das Körperchen be- steht aus drei Abtheilungen mit nur einer zutretenden doppeltcontou- rirten Nervenfaser n. Querschnitt eines Key-Retzius’schen Körperchens aus dem Oberschnabel der Ente nach Behandlung des frischen Schnabels mit 1°/,iger Ueberos- miumsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 500. Die bindege- webige Hülle erscheint dunkel, die äusseren Kapseln hell und mit Kernen durchsetzt, die inneren Kapseln eoncentrisch dicht gedrängt, der Innenkolben mit zwei Ausläufern wie eine Citrone versehen, in welchen die Kerne desselben liegen, die Terminalfaser dunkel und abgeplattet. Endkolben auf dem senkrechten Durchschnitt eines der leistenför- migen Bindegewebszüge, die sich über den Cornealrand hin erstrecken; vom Menschen. Das Auge war einige Stunden nach dem Tode in 3|,ige Essigsäure gelegt, dann 2 Tage lang in 1°/,ige Ueberosmium- säure. Vergr. 700. Der Endkolben im Profil gesehen und scheinbar in der Spitze einer Papille gelegen. — Vergl. W. Krause, Anatomische Untersuchungen. 1861. Taf. I. Fig. 3. Fig. Fig. 19. .29. 30. W. Krause: Zwei Endkolben unterhalb der Papillen auf einem senkrechten Durch- schnitt durch die Vola digitorum manus vom Maulwurf. Frisch mit Essigsäure. Vergr. 500. Von den Papillen sind nur die äusseren Contouren angegeben. t Terminalfaser. Endkolben aus der Vola digitorum manus einer weissen Maus; frisch mit Essigsäure. Vergr. 600. afsIV: . Genitalnervenkörperchen aus der Glans clitoridis des Menschen mit einer doppelteontourirten Nervenfaser. Nach mehrtägiger Maceration in 3°/,iger Essigsäure. Vergr. 250. n Nervenfaser. . Gelenknervenkörperchen von der Dorsalseite eines Gelenkes zwischen Grund- und Mittelphalanx eines menschlichen Fingers nach 24stün- digem Einlegen in 2°/,ige Essigsäure. Flächenschnitt, der nur die Synovialis enthält. Vergr. 300. n zwei zutretende doppeltcontourirte Nervenfasern, dazwischen Kerne. Die aus den Fasern hervorgehen- den blassen Terminalfasern erscheinen bei dieser Vergrösserung höchstens als feingranulirte Masse. Endkolben aus dem Penis des Menschen nach mehrtägiger Macera- tion der Glans penis in 5°/,iger Essigsäure. Vergr. 250. Mit zwei zu- tretenden doppelteontourirten Nervenfasern. r. 24—26. Corpuscules nerveux terminaux se trouvant A cöte des corpus- cules de Pacini dans le bee ducanard et de l’oie. Copie nach Gran- dry (Journal de l’anatomie et de la physiologie par Robin, VIme ann. 1869. S. 398. Pl. XV. Fig. 10). — Fig. 24. und 25 sind Seiten- ansichten; in Fig. 25 erscheint am unteren Rande eine Terminal- faser mit knopfförmiger Verbreiterung. Fig. 26 ist eine Polansicht, man sieht zwei Kerne und die dunkelgranulirte Terminalscheibe die Nervenfaser wird von unten her eingetreten sein. . Flächenschnitt eines Grandry’schen Körperchen aus demhelleren Rande des Unterschnabels der Ente. Ganz frisch in Müller’sche Flüssigkeit eingelegt, nach mehreren Tagen in derselben untersucht. Vergr. 500. n Nervenfaser. r ringförmige Raphe. Grandry’sches Körperchen aus dem Rande des Oberschnabels der Gans. Ganz frisch mit Wasser. Vergr. 500. n Nervenfaser. t Termi- nalfaser. Grandry’sches Körperchen in Flächenansicht nach 24stündigem Ein- legen des ganz frischen Randes des Unterschnabels der Ente in 1°/sige Ueberosmiumsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 500. Die Terminalscheibe körnig und streifig im Centrum der Figur. n Nervenfaser. Grandry’sches Körperchen vom Oberschnabel der Ente. Methode wie in Fig. 29. Ansicht des peripherischen Poles des Körperchens. Vergr. 500. Die Terminalscheibe körnig und schmal, im Profil gesehen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 31. 32. . 33. . 34. 35. 36. 37. 38. 39. Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 133 Grandry’sches Körperchen vom Öberschnabel der Ente. Methode wie in Fig. 29. Seitenansicht des Körperchens. Vergr. 500. Die Terminalscheibe ist hier besonders dick. t blasse Terminalfaser am centralen Pol des Körperchens. Zusammengesetztes Grandry’sches Körperchen aus dem helleren Rande des Unterschnabels der Gans nach Behandlung mit 0,5%, iger Osmiumsäure. Alkohol, Nelkenöl. Canadabalsam. Vergr. 400. Am oberen Ende zwei sog. Tastzellen. » Nervenfaser. Tastkolben aus einer Papille am Seitenrande des vorderen Theiles der Zunge vom Sperling nach 24stündigem Einlegen in 0,2°j,ige Ueberosmiumsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 800. Zwei Meissner’sche Tastkörperchen in einer Hautpapille auf dem Längsschnitt von frischer Haut der Vola des dritten Fingergliedes, mit Natron. Vergr. 500. Die Substanz der Innenkolben ist etwas aufgequollen und enthält viele fettglänzende Tropfen von Virchow’- schem Myelin. In die Basis der Papille treten vier doppeltcontou- rirte Nervenfasern. Meissner’sches Tastkörperchen der frischen Haut der Vola des dritten Fingergliedes, einige Stunden nach dem Tode, mit Wasser. Vergr. 650. Das Tastkörperchen und die Papille der Länge nach halbirt; die Querstreifen sind von der Kante gesehene Kolbenzellen, denen auch die Kerne mit glänzenden Kernkörperchen angehören. Die Epidermis ist nicht gezeichnet. Längsansicht einer Uebergangsform zwischen Grandry’schen und Herbst’schen oder Key-Retzius’schen Körperchen aus dem weissen Rande des Oberschnabels der Ente. Frisch mit Essigsäure und Gly- cerin. Vergr. 500. Die Kapseln sind in Unordnung; der Innen- kolben zeigt 4 bis 5 Kerne. Grandry’sches Körperchen aus dem Rande des Oberschnabels vom Schwan, frisch mit Wasser. Vergr. 500. Flächenansicht; die Ter- minalscheibe erscheint körnig. t Terminalfaser am centralen Pol des Körperchens. Meissner’sches Tastkörperchen auf dem Querschnitt. Aus einem Flächenschnitt der Volarhaut des dritten Fingergliedes einige Stun- den nach dem Tode, mit verdünnter Essigsäure; die Epidermis ist nicht gezeichnet. Vergr. 530. Am Rande vier Kerne der Binde- gewebshülle. Grandry’sches Körperchen in der Seitenansicht. Nach 24stündigem Einlegen des ganz frischen Randes des Unterschnabels der Gans in 1°/,ige Ueberosmiumsäure. Alkohol, Eosin, Nelkenöl, Canada- balsam. Vergr. 500. Die Terminalscheibe in Profilansicht. Am peripherischen Pol eine dreieckige Verbreiterung der in Wahrheit ringförmigen Raphe r. 134 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 40. 41. . 42. 43. 44. 45. 46. 47. W. Krause: Zusammengesetztes Grandry’sches Körperchen aus dem Rande des Oberschnabels vom Schwan; frisch, mit drei Terminalfasern. Vergr. 500. n doppeltcontourirte Nervenfaser am centralen Pol des Kör- perchens. Seitenansicht eines zusammengesetzten Grandry’schen Körperchens aus dem weissen Rande des Oberschnabels der Ente. Nach 24stün- digem Einlegen des ganz frischen Hautstückchens in 1°%/,ige Ueber- osmiumsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 500. Die untere Terminalfaser erscheint als leerer Raum am centralen Pol des Körperchens, oben ist der Focus auf die Raphe eingestellt. Grandry’sches Körperchen vom weissen Schnabelrande der Ente, ganz frisch in 0,25°/,iger Chromsäure gehärtet. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Ansicht des peripherischen Poles. Die Kolbenzellen sind streifig, diese Streifen selbst körnig. Vergr. 500, bei 1000facher Vergrösserung (Seibert, Obj. VIII. Periscopisches Ocular 1) gezeich- net. r dreieckig verbreiterte Anheftung der Raphe an die Hülle des Körperchens. Meissner’sches Tastkörperchen auf dem Querschnitt. Aus einem Flächenschnitt der Volarhaut des dritten Fingergliedes, einige Stun- den nach dem Tode, mit Wasser. Vergr. 550. Die Substanz des Innenkolbens ist feingranulirt. Meissner’sches Tastkörperchen auf dem Querschnitt. Ebendaher, mit verdünnter Natronlauge. Vergr. 600. Im Innenkolben sind einige grössere fettglänzende Tröpfehen von Virchow’schem Myelin aufge- treten. » Nervenfaser. Aleır Vz Drillingstastkörperchen der Länge nach durchschnitten, so dass die drei einfachen Tastkörperchen, aus denen es besteht, durch Bindege- webe getrennt erscheinen. Aus einem senkrechten Durchschnitt der Volarhaut des dritten Fingergliedes, mit concentrirtem Glycerin. Vergr. 400. Die Epidermis ist nicht gezeichnet. Meissner’sches Tastkörperchen, der Quere nach schräg halbirt, aus einem Flächenschnitt der Haut der Vola des dritten Fingergliedes. Ein kleines Hautstückchen wurde 6 Stunden nach dem Tode in 1°/ige Ueberosmiumsäure gelegt, dann in absoluten Alkohol; der Schnitt durch Alauncarmin gefärbt. Alkohol, Nelkenöl, Canadabal- sam. Vergr. 800. Die Epidermis ist nicht gezeichnet. 7 Terminal- scheibe in Flächenansicht. 4 Terminalfaser in Profilansicht. Einige Kolbenzellen aus einem Meissner’schen Tastkörperchen; die oberen auf der Kante stehend, die unteren in Flächenansicht, die unterste umgeknickt, isolirt. Nach zwölfstündiger Behandlung der frischen Haut der Vola des dritten Fingergliedes mit einer Mischung Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. 135 von 95°, Alkohol, 0,4°, Gehalt wirklicher Chlorwasserstoffsäure und 4,6°/, Wasser nach Tomsa in der Wärme. Vergr. 1000. Fig. 48. Vier Kolbenzellen aus einem Meissner’schen Tastkörperchen der Vola des dritten Fingergliedes. Nach 10tägigem Einlegen der frischen Haut in 8—10°/,ige Natronlauge durch Zerfasern in derselben isolirt. Vergr. 800. Die Zellen sehen körnig aus. Fig. 49. Tastkörperchen auf dem senkrechten Durchschnitt der Haut der Vola des dritten Gliedes vom kleinen Finger eines Affen (Macacus cynomolgus), welchem 13 Tage vor dem Tode der N. ulnaris resecirt worden war. Mit Natron. Vergr. 350. Die Nervenfasern resp. quer- verlaufenden Terminalfasern sind in Fettkörnchenreihen verwandelt. Copie nach W. Krause. (Die terminalen Körperchen der einfach sensiblen Nerven. 1860. Taf. II. Fig. 15.) Fig. 50. Meissner’sches Tastkörperchen auf dem senkrechten Durchschnitt der Volarhaut des dritten Fingergliedes vom Menschen. Ein Haut- stückchen wurde 6 Stunden nach dem Tode in Müller’sche Flüssig- keit gelegt und nach ungefähr 8 Tagen untersucht. Die Papille wie das Tastkörperchen sind der Länge nach durch einen senk- rechten Schnitt ungefähr halbirt und unter dem Mikroskop mit ver- dünnter Natronlauge behandelt. Vergr. 400. Die Epidermis ist nicht gezeichnet. n die eintretende, doppeltcontourirte Nervenfaser theilt sich in zwei anscheinend knopfförmig endigende Terminalfasern. Fig. 51. Meissner’sches Tastkörperchen aus einem senkrechten Durchschnitt der Volarhaut des dritten Fingergliedes, einige Stunden nach dem Tode, mit Natron. Vergr. 500. Die doppeltcontourirte Nervenfaser geht in eine blasse quere Terminalfaser über. Fig. 52. Flächenansicht eines Grandry’schen Körperchens aus dem Rande des Oberschnabels eines 2ltägigen Enten-Embryo. Der Schnabel war ganz frisch in 1°/,ige Ueberosmiumsäure gelegt. Alkohol, Nel- kenöl, Canadabalsam. Verer. 500. Fig. 53. Meissner’sches Tastkörperchen 6 Stunden nach dem Tode, aus einem senkrechten Durchschnitt der Volarhaut des dritten Fingergliedes. Die Hautpapille und das Tastkörperchen sind durch den Schnitt der Länge nach halbirt. Ohne Zusatz. Vergr. 650. Die Epidermis ist nicht gezeichnet. Die querdurchschnittenen Kolbenzellen erschei- nen als quere und schräge Linien. Fig. 54. Meissner’sches Tastkörperchen der Volarhaut des dritten Finger- gliedes. Nach zwölfstündigem Erhitzen der frischen Haut in einer Mischung von 95°/, Alkohol, 0,4°/, Gehalt wirklicher Chlorwasserstoff- säure mit 4,6°/, Wasser und schliesslichem kurzen Aufkochen nach Tomsa. Vergr. 1000. Das Tastkörperchen isolirt und in zwei Hälften zerfallen, seine Hülle ist zerstört, die Zusammensetzung des Innenkol- bens aus Kolbenzellen deutlich. % Rest der Hülle. 136 Fig. mr Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 55. 56. . 58. 59. . 60. 61. 69. Krause: Nervenendigung innerhalb d. terminalen Körperchen. Meissner’sches Tastkörperchen auf dem senkrechten Durchschnitt durch die Haut, ebendaher, frisch mit Essigsäure. Vergr. 500. Die von den Kolbenzellen herrührenden Querstreifen sind undeutlich geworden, die quergestellteu Kerne treten hervor. n Nervenfasern. Leydig’sches Körperchen in einer Papille der Daumenwarze des männ- lichen Frosches (Rana temporaria) im Juli. Ganz frisch mit Essig- säure. Vergr. 800. n doppeltcontourirte Nervenfaser, die in eine blasse Terminalfaser übergeht. . Senkrechter Durchschnitt der Oberfläche eines ganz frisch in 1°/,ige Ueberosmiumsäure und nach 24 Stunden in absoluten Alkohol ein- gelegten Hautstückchens vom Schweinsrüssel; gefärbt mit Eosin. Vergr. 270; bei 600facher gezeichnet. Zwei sog. Tastzellen ohne Kerne und zwei mit Kernen. g Capillargefäss. Senkrechter Durchschnitt durch den weissen Schnabelrand der Ente nach Behandlung mit 0,25°/,iger Chromsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 500. E Epidermis. (© Cutis. Zwei junge Epidermiszellen (sog. Tastzellen) mit undeutlichen knäuelförmigen Kernfiguren; in einer dritten (rechterhand) sind letztere nicht zu erkennen. Theil des Innenkolbens eines Vater’schen Körperchens aus dem Me- senterium der Katze nach 10stündiger Behandlung mit 30°/,iger Salpetersäure bei ca. 50°; in Wasser zerfasert. Vergr. 1000. i Ter- minalfaser. z Längskolbenzelle. Abgeschnittenes Stück einer Kolbenzelle eines Grandry’schen Kör- perchens mit Kern ohne Nervenfaser. Aus dem weissen Rande des Öberschnabels der Ente, nach Behandlung mit 1°/,iger Ueberos- miumsäure. Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 500. Seitenansicht eines Key-Retzius’schen Körperchens aus dem Rande des Oberschnabels eines 21ltägigen Enten-Embryos. Ganz frisch. mit verdünnter Essigsäure. Vergr. 400. 2. Optischer Querschnitt eines Key-Retzius’schen Körperchens ebendaher, ebenso behandelt. Die concentrische Anordnung der Kapseln ist am Rande rechterhand bereits angedeutet. Vergr. 400. Leydig’sches Körperchen in einer Papille der Daumenwarze des männlichen Frosches (Rana temporaria) im Juli. Nach 24stündigem Einlegen in 0,2°%/,ige Ueberosmiumsäure. Alkohol, Alauncarmin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 500. Die Epidermis ist nicht gezeichnet. g Papille mit den Kernen einer Gefässschlinge. Charles $. Roy: Neues Schnellgefrier-Microtom. 157 Neues Schnellgefrier-Microtom. !) Von Dr. med. Charles S. Roy, Cambridge, England. Hierzu Tafel VI. Im zweiten Bande des „Journal of Physiology“ S. 19 ist die Beschreibung und Abbildung eines kleinen Mierotoms gegeben, das mir bei histologischen Arbeiten von beträchtlichem Nutzen war. Von diesem Microtom jedoch ist dasjenige in den Hauptstücken verschieden, von dem ich im Nachstehenden handle. Das erst bezeichnete hatte den Zweck bei dem Schneiden von Scheiben aus freier Hand als Hilfsmittel zu dienen. Es ist nicht ein Mierotom im eigentlichen Sinne des Worts, sondern vielmehr nur ein Prä- parathalter oder eine leitende Unterlage für das Messer, während der Zweck, den ich bei dem hier in Rede stehenden Instrumente im Auge hatte, der ist, durch eine rein mechanische Vorriehtung dem erfahrenen Histologen (soweit es das Schneiden von Gewebe- scheiben angeht), das Geschick der eigenen Hand zu ersetzen. Ich habe dieses Mierotom jetzt seit mehr als einem Jahre 1) Dieses Instrument ist von Herrn Majer, Krämer-Gasse, Strassburg (El- sass), der es zuerst für mich anfertigte, und von Herrn Schanze, Pathologisches Institut, Liebig-Strasse, Leipzig, zu beziehen, welcher letztere Herr das ur- sprüngliche Modell in einigen Stücken verbessert hat. Die von beiden Herren gelieferten Instrumente sind practisch und für den Gebrauch bequem. Ich selbst gebe dem von Herrn Schanze angefertigten den Vorzug, und es ist dieses Microtom, welches auf der diesen Blättern beigegebenen Tafel darge- stellt ist. 138 Charles 8. Roy: angewendet und habe allen Grund, mit den Leistungen desselben zufrieden zu sein. Vermittelst desselben erhält man mit Leichtigkeit ein Dutzend und mehr grosse, feine Scheiben von völlig frischen Präparaten in weniger als 11/g Minuten; und um solche Scheiben zu gewinnen, wird keine andere Geschicklichkeit erfordert, als diejenige, welche man zum Umdrehen eines Rades und zum Bewegen eines Griffes braucht. Obgleich die hier vorliegende die erste Beschreibung meines Microtoms ist, sind bereits einige Dutzende desselben in den verschiedenen Instituten Deutschlands und anderer Länder in Gebrauch, indem das Instrument sich die Gunst vieler Besucher des Instituts des Herrn Professor Cohnheim in Leipzig erwarb, die es daselbst in meinen eigenen oder in den Händen meines Freundes, Herrn Professor Weigert, in Thätigkeit sahen. Da der Hauptvortheil dieses Instruments in der Leichtigkeit besteht, mit der vermittelst desselben Scheiben von frischen Ge- weben erlangt werden können, werde ich es zunächst in seinem Gebrauche als Gefrier-Microtom beschreiben, und weiterhin die Art des Gebrauches erklären, wenn es beim Schneiden von Schei- ben gehärteter Gewebe angewendet wird. Figur I der Tafel zeigt die Anordnung, wenn das Microtom zum Schneiden von frischen Gewebescheiben gebraueht wird. Das Rasiermesser h ist durch die Vorrichtung 9 fest an die massive Metallstange c geschraubt. Ein kleines Stückchen Leder, welches um den Rücken des Rasiermessers an der Stelle gelegt ist, wo dasselbe durch die Vor- richtung g gehalten wird, lässt es zu, dass die Querachse der Schneide in jedem beliebigen Winkel zum Horizonte gestellt wird. Der Messerträger ce kann durch den Griff n um den Zapfen e be- wegt und dieses Zapfengelenk selbst vermittelst des kleinen ge- ränderten Knöpfehens f fester angezogen werden. Das hufeisen- förmige Metallstück 5 bildet die Stütze des Zapfens, indem es fest an die Platte a geschraubt ist. Vermöge dieser Einrichtung lässt sich das Rasiermesser über der Platte d bewegen (auf welche das zu schneidende Präparat gelegt ist). Das Rasiermesser beschreibt einen Kreisbogen um den Zapten e, und die Weise der Befestigung des Messers an der Stange c ist eine solche, dass die Schneide in jeden beliebigen Winkel zu dem Radius des Kreises gestellt werden kann, den das Neues Schnelleefrier-Microtom. 139 Messer beschreibt. Die Länge der Schneide, die zum Schneiden einer Scheibe von gegebener Grösse gebraucht wird, kann also in einem hinlänglich weiten Spielraum verändert werden. Für sehärtete Präparate ist es besser das Messer so zu befestigen, dass ein guter Theil der Schneide gebraucht werden kann, um die Scheiben zu schneiden. Bei gefrorenen Geweben dagegen lassen sich gewöhnlich die feinsten Scheiben erlangen, wenn die Klinge des Rasiermessers das Gewebe nicht zu schräge durch- schneidet. Das zu schneidende Gewebe wird auf die Platte d gelegt, die durch das Drehen des gradirten Rades k gehoben oder gesenkt werden kann. Die untere Fläche der Platte d ist tief gefurcht, so dass diese parallelen Furchen bis auf ?/; mm der oberen Fläche eindringen. Die untere gefurchte Fläche dieser Platte d nun trifft der Aetherstaub aus dem Zerstäuber, der durch das Metallstäb- chen ? gehalten wird. Die Furchen der unteren Fläche der Platte d haben den Zweck die Verdunstungsfläche des Aethers zu ver- grössern, und gleichzeitig die Masse des Metalls zu vermindern, die zu erkälten ist, ehe das zu schneidende Gewebe gefrieren kann, ohne die nöthige Stärke und Festigkeit der Platte zu be- einträchtigen. Es ist nicht erforderlich hier noch weiter auf die mechanischen Einzelheiten dieses Instruments einzugehen, und ich wende mich daher jetzt zu der Weise seiner Anwendung. Die Platte auf welcher das Präparat gelegt wird, ist gross genug, um Scheiben von 4 bis 5 cm Länge und gegen 2!/; cm Breite schneiden zu lassen. Solche Scheiben jedoch sind von einer für die gewöhnlich gebrauchten Deekgläser unbequemen Grösse, und Scheiben von etwa 2cm im Quadrat sind im Allgemeinen gross genug für alle practischen Zwecke. Eine Scheibe des zu schneidenden Gewebes (in der Dieke von einigen mm) wird auf die Mitte der Platte gelegt, und sodann der Aetherstaub angewen- det, bis der untere Theil des Gewebes bis zur Dieke von ein, zwei oder drei mm je nach der gewünschten Anzahl von Scheiben ge- froren ist. Dies Gefrieren erfordert, wenn der Aether von einem geringen specifischen Gewicht ist, etwa eine Minute. Ich habe meistens Aether von 0,722 spez. Gew. angewendet, wiewohl ich mitunter, wenn kein besserer zu haben war, Aether von 0,727 spec. Gew. gebrauchen musste. Es dürfte kaum nöthig sein zu erwäh- nen, dass das Gefrieren um so rascher vor sich geht, je geringer 140 Charles S. Roy: das speeifische Gewicht des Aethers ist. Natürlich wird man fin- den, dass der Process um so weniger kostspielig ist, je leichter der Aether ist. Wenn eine genügende Dicke des Gewebes gefroren ist (man schätzt den Fortschritt des Gefrierens entweder nach der Färbung oder vermittelst einer Nadel), wird mit dem Aetherstäuben einge- halten, und die obere ungefrorene Fläche fortgeschnitten, indem man die Platte in die Höhe schraubt, und das Messer gebraucht. Wenn man bis auf eine glatte gefrorene Oberfläche gelangt ist, beginnt das eigentliche Schneiden der Scheiben. Was dies betrifft, so ist darüber nicht viel zu sagen. Da die Richtung, welche das Messer beim Schneiden nimmt, fest bestimmt ist, gewinnt man nichts durch langsames Schneiden, und erspart Zeit wenn man jede Scheibe dureh einen dreisten Schwung des Messers abtrennt. Bei kaltem Wetter krümmen sich die Scheiben zu kleinen Röll- chen und lassen sich mit grösster Leichtigkeit in das bequem zur Hand gestellte Gefäss mit der Salzlösung vermittelst eines Ka- melhaarpinsels hinüberführen. Bei warmem Wetter dagegen thauen die Scheiben sobald sie geschnitten sind, und fallen auf die Klinge des Messers. Im letzteren Falle habe ich es am bequemsten ge- funden sie vermittelst des Fingers in die Salzlösung zu bringen, der sie leicht von dem Messer herunterschiebt ohne sie im gering- sten zu drücken. Die Scheiben haften leicht an dem Finger, und werden frei, sobald man denselben in die Salzlösung taucht. Ich habe es am besten gefunden den linken Zeige- oder den kleinen Finger zu gebrauchen, und 8—12 Scheiben schnell nach einander zu schneiden, während ich jedes Scheibehen unmittelbar nach dem Schnitte auf den Finger sfreifte, und dann die sämmtlichen Schei- ben zusammen durch das Eintauchen des Fingers in die Salz- lösung abschwemmte. Dies geschieht um Zeit zu sparen, und die Nothwendigkeit eines wiederholten Gebrauchs des Aetherstaubes zu vermeiden. Diese Weise den Finger zur Entfernung der Scheiben anzuwenden, scheint viel roher, als sie es in der Wirklichkeit ist. Unter gewöhnlichen Umständen sind 10—12 Scheiben alles, was von einem gegebenen Präparate erforderlich ist, und um diese zu erhalten, bedarf es nur eines einmaligen Gefrierens des Gewebes. Wenn man einer grösseren Auzahl Scheiben bedarf, ist es einfach genug den Aetherstaub noch einmal anzuwenden, sobald das Gewebe aufzuthauen anfängt. In keinem Falle ist es rathsam, Neues Schnellgefrier-Microtom. 141 oder nöthig den Gebrauch des Aethers während des Schneidens der Seheiben selbst fortzusetzen. Es ist eine unnütze Verschwendung des Aethers, und einige Gewebe dürften dadurch zu einer solehen Härte gefrieren, dass nur ein sehr scharfes Rasiermesser gute Schei- ben davon liefern würde. Während der Wintermonate kann man ohne grosse Schwierigkeit sogar 30 bis 40 Scheiben schneiden, ohne das Gewebe wiederum gefrieren lassen zu müssen. Es wäre gewiss sehr einfach gewesen, besondere Messer für mein Microtom anfertigen zu lassen, allein aus verschiedenen Grün- den habe ich es vorgezogen gewöhnliche Rasiermesser zu gebrauchen. Abgesehen davon, dass diese billiger und, wenn erforderlich, leichter zu ersetzen sind, sind sie auch im Handel von besserer Qualität und Härtung des Stahls zu haben, als irgend welche von den be- sonders angefertigten Mierotom-Messern, die mir vorgekommen sind. Das von Weiss (the Strand, London) gelieferte kleine Format von 2 em Breite und 9cm Länge der Klinge ist, wie ich glaube, am besten geeignet gefrorene Gewebe mit meinem Mierotom zu schneiden. Sei die Art der gebrauchten Rasiermesser indess, welche sie wolle, man wird finden, dass dünne Klingen keine so gute Scheiben liefern, als Messer von dieker Klinge. Es muss noch hinzugefügt werden, dass bei gefrorenen, wie bei gehärteten Präparaten ein scharfes Messer die conditio sine qua non zur Erlangung guter Scheiben ist. Bei völlig frischen Präparaten gefrieren die Stücke des Ge- webes ohne Hinzuthun irgend einer Flüssigkeit, fest an die Ober- fläche der Platte d, welche nicht polirt ist. Wenn das Präparat einige Tage vorher in Müller’scher Flüssigkeit oder in einer anderen wässerigen härtenden Flüssigkeit gelegen hat, {ist es gewöhnlich besser einen Tropfen Gummilösung auf die Platte zu thun, ehe man die Stücke darauf legt, die geschnitten werden sollen. Es darf kaum erwähnt werden, dass mit Alcohol durchsetzte Gewebe gar nicht gefrieren. Der Spiritus muss erst dadurch entfernt werden, dass man das Präparat mehrere Stunden vorher in einem grossen Gefässe mit Wasser liegen lässt. Um verticale Scheiben häutiger Gewebe zu erhalten, wie z. B. Gedärm- oder Arterien-Wände, kann man einen Streifen des Ge- webes zwischen zwei Stücken Leber, Niere oder Muskel legen, und sie so gefrieren lassen und schneiden; oder, was man gewöhnlich einfacher finden wird, man rollt einen Streifen des Gewebes in 142 Charles 8. Roy: sich selbst zusammen, und legt es in einen Tropfen Gummi auf die Platte. Es liegt hier nicht in meinem Zwecke auf das bequemste und geschwindeste Verfahren beim Färben und Aufbewahren von Scheiben frischer Präparate näher einzugehen, da ich diesen Ge- genstand ziemlich vollständig in einer Mittheilung behandelt habe, die in Kurzem in einer der nächsten Nummern von Foster’s „Journal of Physiology“ erscheinen wird. Das Schneiden von Scheiben gehärteter Präparate. Wo diese von weicher und lederartiger Consistenz sind, wird man es besser finden sie gefrieren zu lassen, da hierdurch viel dün- nere Scheiben zu erhalten sind, und die Umständlichkeit des Ein- bettens vermieden wird. In der That gewährt das Gefrieren so viele Vortheile bei der Anwendung meines Mierotoms, dass ich neuerdings nur äusserst selten Gewebe gehärtet habe. Da indessen dieses Mierotom auch nöthigenfalls zum Schneiden gehärteter Prä- parate eingerichtet ist, habe ich noch ein paar Worte über seine Anwendung zu letzterem Zwecke zu sagen. Die Platte d wird durch das Losschrauben der Schraube a (Figur 2 und 3) entfernt, und eine kleine Metallplatte, die man in Figur 3 mit ce bezeichnet sieht, wird, wie auf der Abbildung ange- geben, eingestellt, und vermittelst der Schrauben d befestigt. In den seitlich durch die drei Metallplatten begrenzten Raum nun wird die Masse des Einbettungsmaterials, welche das zu schnei- dende Präparat enthält, hineingelegt. Damit die Masse genau in diesen Raum passe, wird beim Einbetten eine Form von der in Fi- gur 4 dargestellten Gestalt (von welchen Formen mehrere mit jedem Instrumente geliefert werden), angewendet. Die Form ist oben und unten offen, und wird beim Gebrauche auf ein Stück Glas ge- stell. Das Einbettungsmaterial, welches ich beständig gebraucht habe, besteht aus gleichen Gewichtstheilen weissem Wachs und Oliven-Oel, von welchem letzteren jedoch während der Winter- monate mehr im Verhältnisse beigemischt wird. Nachdem die Mischung erwärmt worden, wird soviel davon in die Form gegos- sen, als genügt um eine Schicht von 2mm Dicke zu bilden. Auf diese Schicht wird, sobald sie etwas erhärtet ist, das zu schnei- dende Präparat nach der einen Seite der Form zu gelegt, und von Neues Schnellgefrier-Microtom. 143 dem Einbettungsmaterial soviel nachgegossen, dass das Kästchen beinahe voll wird. Wenn die Masse erkaltet ist, kann sie leicht aus der Metallform genommen und in das Microtom gelegt werden. Sie wird daselbst vermittelst einer starken Feder festgehalten, welche in Figur 1 zu sehen ist, und welche die Platte ce (Figur 2 und 3) vorwärts drängt. Auf diese Weise wird jede seitliche Bewegung der Einbettungs-Masse verhindert, während die Verticalbewegung durch das Drehen des Rades % beherrscht und abgemessen wird. Beim Schneiden wird das Messer auf die beim Gebrauch des Leiser’schen Microtoms gewöhnlich beobachtete Weise aus der Waschflasche mit Spiritus befeuchtet. Zum Schlusse erlaube ich mir zu erwähnen, dass sich mehrere Chirurgen mir gegenüber günstig über mein Mierotom ausgesprochen haben, da vermöge desselben gute dünne Scheiben solcher Geschwül- ste, zu deren Entfernung man schreiten will, mit Leichtigkeit während der Vorbereitung zur Operation zu erlangen sind. Die wahre Natur des krankhäften Gebildes lässt sich aus diesen zeitig genug bestim- men, um den Operateur hinsichtlich des Umfanges des zu entfernen- den Gewebes zu leiten. 144 H. Gensch: Vorläufige Mittheilung aus dem anatom. Laboratorium zu Königsberg i. EB Die Blutbildung auf dem Dottersack bei Knochenfischen. Von H. Gensch, cand. med. Im Verlaufe des vorigen und diesen Jahres habe ich Ge- legenheit gehabt, unter der Leitung von Herrn Professor C. Ku pffer Beobachtungen über die Blutbildung auf dem Dottersacke von Fischeiern anzustellen und bin dabei, wie ich glaube, zu wichtigen Resultaten gekommen, die ich hier kurz im Gewande einer vor- läufigen Mittheilung bringe, indem ich mir eine ausführliche Darle- sung für die nächste Zeit vorbehalte. Die Frage nach der Entstehung der embryonalen Blutzellen hängt innig zusammen mit der Lehre von der Genese der Keim- blätter. Allerdings ist diese noch heute ein recht strittiger Punkt, aber Arbeiten der letzten Zeit haben bei den Fischen ein inter- essantes Licht über diese Vorgänge verbreitet und es ist Aussicht vorhanden, dass sich Entsprechendes für die andern meroblastischen Eier werde darthun lassen. Im Wesentlichen ist man bis jetzt der Ansicht gewesen, die embryonalen Blutzellen der Fischembryonen entstünden einmal als Producte von Wandzellen der früher entstandenen Gefässe resp. des Herzens, dann primär auf dem Dottersack aus einer be- sondern Schicht (couche hematogene nach C. Vogt, lamina haemato- genea nach Aubert). Erweitert wurden diese frühern Beobach- tungen durch Lereboullet und in der Folge durch Kupffer, der einen besondern Modus der Entstehung der ersten Blutzellen auf dem Dottersacke bei Gasterosteus aculeatus und Spinachia vul- garis beschreibt. (Archiv f. mierose. Anatomie 1862. Entwickl. der Knochenfische.) Kupffer sprach sich dahin aus, dass nur über Die Blutbildung auf dem Dottersack bei Knochenfischen. 145 die Entstehung der Blutzellen auf dem Dottersacke Sicherheit sich ergebe, alle andern Angaben auf ungenauer Beobachtung und vor- gefasster Meinung beruhten. Indessen täuschte er sich damals doch in einem wesentlichen Punkte. Er nahm mit andern an, die Schicht des Dottersackes, in der das Blut entstände, gehöre zum Mesoderm, es wären also die Blutzellen Abkömmlinge mesodermaler Elemente. — Das ist nicht der Fall. Den Mutterboden für die Blutkörperchen der Fische, die auf dem Dottersack entstehen, bildet vielmehr jene Schicht, die Kupffer neuerdings als sekundäres Entoderm bezeichnet (Zool. Anzeiger 1879. Nr. 39. 42. 43) d. h. die tiefste, unmittelbar dem Dotter aufliegende Zellenschicht, aus welcher Kupffer auch das Darmepithel der Fische hervorgehen lässt. Ich kann hier die Verhältnisse der von Kupffer als „pri- märes Entoderm“ bezeichneten, aus einer Einstülpung des Entoderms auch bei Knochenfischen hervorgehenden Zellengruppe ausser Acht lassen, da dieselbe mit der Blutbildung nichts zu thun hat. Die Objeete, an denen ich arbeitete, waren in Entwicklung begriffene Eier von Esox lucius und Zoarces viviparus. Diese Eier waren von dem Assistenten des Laboratoriums, Herrn A. Boehm folgender Massen behandelt worden. Die Eier wurden in !/s Chromsäurelösung gelegt, nach 12 Stunden in eine stärkere Lö- sung von !/s °/o. Darauf wurden dieselben durch 12 Stunden mit destillirtem Wasser ausgewaschen. Dann wurden die Eier ge- schält, d. h. von der jetzt abgehobenen Eihaut befreit und nun in successive verstärktem Alcohol erhärtet. Die Eier wurden dann mit saurer Carminlösung gefärbt. — Um Flächenansichten des se- kundären Entoderms zu erhalten, wurde die Keimhaut vor der Färbung mit Staarnadeln abgehoben und die Fetzen derselben, die dem Dottersack auflagen, wurden mit Hämatoxylin gefärbt und danach durch salpetersaures Glycerinwasser ausgezogen. Zunächst ergab sich aus den Schnitten durch ganze Eier, die senkrecht zur Axe der Embryonalanlage gelegt waren, dass die Bedeekung des Dottersacks in der Region, in welcher die ersten Blutzellen entstehen, durchaus kein Mesoderm enthält, es finden sich nur zwei Schichten, das Eetoderm, aus einer Doppel- lage schlanker, spindelförmiger Zellen bestehend und jene Schicht des sekundären Entoderm Kupffer’s. Das Mesoderm hört mit scharfem Rande lateralwärts vom Embryo auf. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 10 146 H. Gensch: Die Blutbildung auf dem Dottersack bei Knochenfischen. Das sekundäre Eetoderm bildet hier auf dem Dottersack keine zusammenhängende, epithelartige Schicht von Zellen, sondern eine sranulirte Substanz, in welche grosse plasmodienartige Zellen mit einem oder mehreren Kernen eingebettet sind. Diese Zellen von äusserst variabler Form hängen durch Ausläufer mit einander zu- sammen. "Während die Zwischensubstanz sich mässig färbt, nehmen diese Zellen intensive Tinktion an. Die Kerne und Kernkörper- chen-artige kleinere Körper in denselben treten bei der Färbung am lebhaftesten gefärbt hervor. Von diesen grossen, platten, eigenartigen Gebilden schnüren sich die ersten Blutkörperchen ab als bedeutend kleinere, rund- liche, zeitweilig durch einen feinen Stiel mit der grossen Mutter- zelle zusammenhängende Gebilde. An diesen primären Blut- zellen, die frei im Zwischenraume zwischen dem Eetoderm, d. h. der Epidermis des Dottersackes, und dem sekundären Entoderm liegen, sehe ich zunächst keine bestimmten Kerne; statt dessen eine oder mehrere Kernkörperchen-artige kleinere Bildungen. In- dem diese primären Blutzellen sich weiter theilen, entstehen Blut- inseln definitiver Blutkörperchen, an denen man bereits die blei- benden Kerne wahrnimmt. B. Solger: Zur Kenntniss d. Verbreitung v. Leuchtorganen bei Fischen. 147 Zur Kenntniss der Verbreitung von Leuchtorganen bei Fischen. Von B. Solger. Mit einem Holzschnitt. Die anatomische Forschung hat die eigenthümlichen augen- ähnlichen Flecke gewisser Knochenfische, die nicht bloss den Ichthyologen interessiren, sondern ohne Zweifel allgemeinere Be- achtung beanspruchen dürfen, seit R. Leuckart im Jahre 1864 zuerst die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf diese Gebilde lenkte, lange Zeit unberücksichtigt gelassen. Erst in den letzten Jahren erweiterten sich durch neue Untersuchungen unsere Kenntnisse von der Verbreitung und namentlich von der Structur dieser Inte- gumentalorgane in wesentlichen Stücken, und zwar durch Arbeiten, die M. Ussow und Fr. Leydig zu Verfassern haben. Freilich gehen die Vorstellungen von der Function der Gebilde, welche jeder der genannten Forscher aus der Kenntniss ihres Baues und ihrer Anordnung gewonnen hatte, weit auseinander. R. Leuckart, ihr Entdecker, erklärt sie zunächst für accessorische Sehorgane oder Nebenaugen, allein die Untersuchung von Scopelus macht ihn später bedenklich und so giebt er daher dem Zweifel Raum, ob nicht doch bloss lichtrefleetirende Organe vorliegen möchten. Von den spätern Untersuchern vertritt Ussow!) wieder lebhaft die Ansicht, dass namentlich bei Chauliodus, aber auch bei Stomias und Astronesthes in der That accessorische Sehorgane vor- lägen; er stützt diese Behauptung auf den von ihm gelieferten Nachweis einer besonderen Hülle, „welche augenscheinlich einer Netzhaut entspricht“. Weiter fügt er als neu die Angabe hinzu, 1) M. Ussow, Ueber den Bau der sogen. augenähnlichen Flecken eini- ger Knochenfische, im Bulletin de la societ# imperiale des naturalistes de Moscou, 1879. Archiv f. mikrosk. Anatomie. 19, 11 148 | B. Solger: dass verwandte Formen, nämlich Gonostoma und Mauroliccus an denselben Stellen anders gebaute Pigmentflecke trügen, die »un- zweifelhaft den Character metamerischer Drüsenorgane« (p. 97) hätten. Den Uebergang der einen in die andere Form vermitteln gleichsam die Organe, welche bei Argyropelecus und Sternoptyx vorkommen; denn „die hier vorhandenen Organe erinnern theil- weise an die accessorischen Sehorgane, theilweise an die Drüsen der zweiten Kategorie“ (5. 84). Damit meint Ussow jedoch nicht, es habe der Vorgang eines Functionswechsels im Sinne A. Dohrn’s sich hier vollzogen; er ist vielmehr der Ansicht, dass beiderlei Gebilde, accessorische Sehorgane und pigmentirte Drüsen von einem gemeinsamen indifferenten Ursprunge (Scopelus) aus nach zwei verschiedenen Richtungen hin sich entwickelt hätten. Unabhängig von Ussow und ohne von dessen vorläufigen Mittheilungen Kenntniss zu haben, untersuchte Leydig!) die „Nebenaugen“ desjenigen Fisches, bei dem diese Organe am meisten differenzirt erscheinen, nämlich die von Chauliodus. In vielen Punkten stimmen die Darstellungen beider Forscher überein, in einem sehr wesentlichen Punkte aber weichen sie von einander ab. Die zelligen Elemente, die Ussow als Retina deutet, fasst Leydig als „Glaskörper“ auf. Es kann nun keinem Zweifel un- terliegen, dass Ussow’s Schilderung und Abbildung, da er über frisches Material von Chauliodus gebot, während Leydig nur an einem Spiritusexemplar arbeitete, den wirklichen Verhältnissen mehr entspricht; ob aber auch seiner Deutung der Vorzug zu geben ist, möchte ich doch in Zweifel ziehen. Uebrigens hat Leydig die Grenzen des Thema’s weiter ge- steckt als seine Vorgänger, und — gegen Leuckart — auch die einfacher gebauten kleinen, „pigmentlosen Organe“, nämlich blasige Gebilde, die aus einer homogenen Grenzhaut und einem zelligen Inhalt bestehen und je einer Nervenfaser aufsitzen, mit den „pig- mentirten Organen* oder „Nebenaugen“ als minder differenzirte, verwandte Bildungen zusammengestellt. Er ist geneigt, sie mit den von ihm im Schwanze von Salamanderlarven und bei Meno- poma aufgefundenen Endkapseln zu vergleichen, während Kölliker, der dieselben pigmentlosen Bläschen von Chauliodus zuerst ge- 1) F. Leydig, Ueber die Nebenaugen des Chauliodus Sloani, im Arch. f. Anatomie und Physiologie 1879. Zur Kenntniss der Verbreitung von Leuchtorganen bei Fischen. 149 sehen hatte, sie mit den ebenfalls von ihm entdeekten Nerven- endknospen von Stomias zusammenstellte, freilich nicht ohne gleich- zeitig auch die beiderseitigen Unterschiede hervorzuheben!). Es wäre gewiss der Mühe werth, frische Exemplare von Stomias und Chauliodus daraufhin einer neuen Untersuchung zu unterwerfen. Aus Leydig’s Vergleichung geht schon hervor, dass er der Hypothese der Nebenaugen gegenüber reservirt sich verhält. Er giebt zu, dass man den „Eindruck“ bekommen könne, „dass man Organe vor sich habe, welche wirklichen Sehorganen sehr nahe stehen“. Aber er denkt auch an „Organe eines sechsten Sinnes“ und mit v. Willemoes-Suhm an Leuchtorgane. s Während der Challengerfahrt hatte nämlich v. Willemoes- Suhm, und vor ihm schon bei anderer Veranlassung Günther, mehrfache Gelegenheit, lebende Scopelinen zu beobachten. Beide sahen die Fische in phosphoreseirendem Lichte sehimmern und bezeichneten die bekannten Augenflecke als Sitz des Phänomens. Solche Leuchtorgane, wie wir sie einstweilen nennen wollen, sind wahrscheinlich bei Tiefseefischen viel verbreiteter, als wir bis jetzt ahnten. Die vorliegenden Zeilen, die im Rahmen einer mo- dernen Zeitschrift für mikroskopische Anatomie mit Recht scheel angesehen werden müssten, wenn sie nach Untersuchung eines Spiritusexemplars jetzt noch histologische Entdeckungen verspre- chen wollten, sollen nur einen bescheidenen Beitrag zur Kenntniss der Verbreitung der Organe liefern. Ich habe nämlich bei Porich- thys porosissimus, einem Fisch aus der Familie der Batrachidae, Organe nachweisen können, welche die grösste Aehnlichkeit mit denen von Scopelus und Mauroliccus haben, und wohl ebenfalls als Leuchtorgane angesprochen werden dürfen. Die anatomische Diagnose erhält eine gute Stütze in der Beobachtung von v. Willemoes-Suhm, welcher einen lebenden Lophioiden, also einen der nächsten Verwandten von Porichthys, mit einem von der Kopfbartel getragenen „phosphoreseirenden Organe“ ausge- stattet sah. Betrachten wir uns nun den Fisch und seine Organe etwas ge- nauer. Der Körper des etwa 8 cm langen Thieres ist mit einer Menge grösserer oder kleinerer (0,1—0,5 mm im Durchmesser haltender) Flecke übersäet, von denen die einen, nämlich die kleinen, gleich- 1) Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Band IV, S. 366. 150 B. Solger: mässig silbern schimmern, während die grösseren eine metallisch glänzende und eine dunkel pigmentirte Zone unterscheiden lassen. Sie stehen sammt und sonders in Reihen, die am Kopfe kürzer sind und in vielfachen Winkeln auf einander stossen, am Rumpfe dagegen in mehreren Längslinien angeordnet erscheinen und bis zum Schwanze sich verfolgen lassen. Man kann am Rumpfe nicht weniger als fünf Züge unterscheiden, die öfter aus nahe zusammen- gerückten Zwillingsflecken sich zusammensetzen. Sie folgen sowohl der Bauch-, wie der Rückenkante und nehmen auch die Seiten- theile des Leibes, speeiell die Gegend der Seitenlinie ein. Von eanalisirten Schuppen, wie sie characteristisch für die Teleostier die Seitenorgane zu umschliessen pflegen, ist nichts zu bemerken; auch der übrige Körper entbehrt der Hautossificationen und ist vollkommen glatt. Höchst wahrscheinlich besitzt demnach Porich- thys freie Seitenorgane, die vielleicht in gewisse regelmässige Lagerungsbeziehungen zu den Pigmentflecken treten dürften. Die mikroskopische Betrachtung der Organe in toto lehrt uns wenig mehr als die Musterung mit blossem Auge. Sie erscheinen bei durchfallendem Lichte entweder als bräunliche Kugeln, die mit zerstreuten tief schwarzen Pigmentflecken besetzt sind, oder als eiförmige Körperchen, an deren stumpfem Pol die Hauptmasse des Pigments sich zusammengedrängt hat. Einem solehen Gebilde entstammt auch der Schnitt, der beigefügtem Holzschnitt zu Grunde liegt. Man bemerkt von der Lederhaut allseitig umschlossen einen soliden, linsenförmigen Zelleneomplex (?), der in einer schalen- förmigen Unterlage ruht oder von dieser unten und seitlich umfasst wird. Diese letztere ist längs ihres convexen Randes pigmentirt (9); der concave Abschnitt »° derselben ist frei von Pigment, erscheint Zur Kenntniss der Verbreitung von Leuchtorganen bei Fischen. 151 bei durchfallendem Lichte concentrisch gestreift, bei auffallender Beleuchtung dagegen als silberglänzender Halbring. Ueber die histologische Bedeutung dieser schalenförmigen Hülle kann kein Zweifel bestehen; sie besitzt eine bindegewebige Grundlage, in welche die bei Fischen so häufig vorkommenden irisirenden Plätt- chen oder Nadeln aus Guanin oder ähnlichen Stoffen eingesprengt sind. Der zellige Binnenkörper (2) baut sich dagegen ausschliess- lich aus Zellen auf, die auf dem Querschnitt als rundliche oder polygonale Gebilde auftreten. Ein Zusammenhang mit Oberhaut- zellen war nicht nachweisbar. Auch Nervenfasern konnte ich nicht mit Sicherheit bis an die Gebilde heran verfolgen, was bei der Art der Conservirung des Objeetes — es war ein Spiritusexemplar aus dem Museum Godeffroy — auch nicht auffällig sein wird. Trotz der Mängel, die dieser kleinen Untersuchung anhaften, glaube ich doch überzeugend nachgewiesen zu haben, dass auch bei Porichthys Pigmentflecke vorkommen, die unter die Classe der sogenannten „Nebenaugen“ fallen. Freilich sind sie hier von sehr einfachem Bau; sie stimmen nämlich, wenn man von der horizon- talen Scheidewand in der Figur Ussow’s absieht, wesentlich mit den Pigmentflecken von Scopelus überein (s. Fig. 13 auf Tafel III in Ussow’s Arbeit). Ich habe desshalb auch, um bei Vergleichung beider Zeichnungen die Identität der betreffenden Gebilde recht augenfällig zu machen, die von Ussow verwendete Buchstaben- bezeichnung (9, p', 2) oben angenommen. Dagegen kann ich mich nicht entschliessen, dem russischen Forscher auch in der Deutung der Organe als Drüsen zu folgen. Zwar will ich den Mangel eines Ausführungsganges nicht besonders urgiren; aber es fehlt auch der Nachweis, dass der zellige Binnenkörper 7 den Elementen des äusseren Keimblattes, das hier wohl allein in Betracht kommen könnte, wirklich entstammt. Sodann ist bei allen übrigen Fischen bisher jede Andeutung einer Integumentaldrüse vermisst worden; denn die Schleimzellen, auf die man etwa reeurriren wollte, werden gewiss auch Scopelus und den übrigen Formen mit Augenflecken nicht fehlen. Und endlich scheint mir gerade das für Ussow am meisten beweisende Präparat, nämlich @onostoma (Fig. 11), nicht ausreichend conservirt gewesen zu sein. Aber vielleicht habe ich mich schon tiefer in die Frage nach der Structur und der Funktion der interessanten Gebilde einge- lassen, als ich mir nach dem flüchtigen Streifzuge auf dieses 152 A.Angelucci: Ueb. Entw. u. Bau d. vorderen Uvealtractus d. Vertebraten. Gebiet gestatten durfte. Möge bald andern Untersuchern die gün- stige Gelegenheit sich bieten, die neuerdings von Ussow und Leydig angeregte und geförderte Angelegenheit vollends zur Lö- sung zu führen. (Aus dem anatomischen Institute zu Rostock.) Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. Von Dr. Arnaldo Angelucei aus Rom). (Hierzu Tafel VII, VII, IX und 5 Holzschnitte.) Erster Theil. Entwickelungsgeschichtliches. A. Primäre Augenblase. Die vordere Gehirnblase ist ursprünglich, wie bekannt, eine kolbenförmige Erweiterung des Medullar-Rohrs. Bei den Vögeln besteht, wie Fig. 1 zeigt, die obere und seitliche Wand derselben vca nur aus beiden Lamellen des oberen (fc, fs o) ohne jede Be- theiligung des mittleren Keimblattes m. Bei den Säugern (Fig. 5) dagegen sind beide Lamellen (fe, fso) durch eine dünne Schichte vom mittleren Keimblatte m getrennt. Kurz nachher entstehen beim Vogel, wie beim Säugethier (Fig. 2 Hühner-Embryo 2 Tage alt) (Fig. 6 Kaninchen-Embryo 9 Tage alt) zwei symmetrische, seitliche, hohle Hervortreibungen dieser vorderen Gehirnblase, welche die 1) Deutsche Bearbeitung der in den Memorie delle Reale Accademia dei Lincei, Vol. VII. Anno 1879—80 (seduta del 2 maggio 1880) erschienenen Abhandlung. Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 153 erste Anlage der primären Augenblase darstellen. Die- selben (vop) grenzen sich durch Rinnen gegen die Gehirnblase ab, welche auf Durchschnitten (Fig. 2. 6) als geringe Einbiegungen erscheinen. In dieser Periode zeigt die primäre Augenblase daselbe Bild, welches die vordere Gehirnblase von Anfang an dargeboten hat und zwar bemerkt man, dass bei den Vögeln beide Lamellen in unmittelbarer Berührung stehen, während bei den Säugern zwischen ihnen eine Schichte m vom mittleren Blatte vorhanden ist, welche sowohl Zellen, wie Gefässe enthält. Kurz vor der Bildung der secundären Augenblase erfahren dann die Wände der primären Augenblase bei den Vögeln (Fig. 3 Hühner-Embryo vom 3. Tage) eine bedeutende Einziehung. Hier- bei tritt die Augenblase an ihrer oberen Wand von dem Hornblatt zurück. Zugleich trennt sich auch der Gipfel der Augenblase «a von dem Hornblatt und es tritt zwischen beiden eine dünne Schichte m des mittleren Keimblattes auf. Bei Säugern (Fig. 7 Kanin- chen-Embryo 10 Tage alt) ist die dieke Mesoderma-Schicht, welche (Fig. 6) vorher vor der vorderen Wand der primären Augenblase a sichtbar war, nun durch die rasche Ausdehnung derselben in eine dünne Schichte verwandelt, in welcher nur sehr spärlich Me- soderma-Zellen existiren. Die primäre Augenblase zeigt also in ihrer Entwicklung zwei verschiedene Stadien, welche sich bei den Vögeln und Säugern in entgegengesetzter Weise verhalten. Bei den Vögeln trennt sich die primäre Augenblase von dem Hornblatt im letzten Stadium ihrer Entwiekelung, während sie sich bei Säugern gerade in dieser Periode dem Hornblatt mehr nähert (1). B. Secundäre Augenblase. Entwickelung des Glaskörpers. Die secundäre Augenblase wird durch die Einstülpung der vorderen Wand « der primären gebildet. Ihr frühestes Stadium fällt mit der Entwickelung der Linse zusammen, welche bekannt- lich aus einer Einstülpung des Hornblatts (fc) hervorgeht (Fig. 4 Hühner-Embryo vom 3. Tage) (Fig. 8 Kaninchen-Embryo vom 11. Tage) (Fig. 9 Hunde-Embryo). — Die dünne Mesoderma-Schichte m, welche sich bis dahin (Fig. 3 u. 7) zwischen der vorderen Wand 154 A. Angelucei: der primären Augenblase und dem Hornblatt befand, sieht man jetzt (Fig. 4, $Sund 9) in die secundäre Augenblase (v 0 s) hineinge- wuchert. Diese Schichte hat etwas an Dicke zugenommen und enthält einige Zellen; man muss sie als die erste Anlage des Glas- körpers (e v) betrachten. — Färbt man Schnitte, welehe diesem Ent- wiekelungs-Stadium (von mir in Fig. 4, 8, 9 und 10, Kaninchen vom 10. Tage gezeichnet) entsprechen, mit Eosin, Dahlia oder irgend einem anderen beliebigen Farbstoff, dann sieht man stets, dass der zellenarme Inhalt der seeundären Augenblase dasselbe homogene Aussehen hat, und sich ebenso gefärbt zeigt, wie die Mesoderma- Zwischen-Substanz, deren unmittelbare Fortsetzung er darstellt. Bei der progressiven Entwickelung des Embryo wächst, mit Zunahme der Entfernung der secundären Augenblase von der Linse, auch der Glaskörper (cv) nach und nach an Volumen (Fig.11 und 15, Kaninchen am 15. Tage) (Fig. 12 Hühner-Embryo vom 3. Tage) (Fig. 13 Hühner-Embryo vom 4. Tage). Hierbei verändert er seine Beschaffenheit, was daraus hervorgeht, dass er im Laufe der Zeit die Farbstoffe stärker absorbirt und nicht mehr so homogen aus- sieht, wie in seiner ersten Anlage. Eine nähere Betrachtung der Umstände, welche die Entwicke- lung des Glaskörpers begleiten, ergibt nun noch Folgendes: Bei den Vögeln entbehrt der Glaskörper (cv) sowohl der Ge- fässe, als der fixen Mesoderma-Zellen, welche beide nicht in ihn hineindringen, sondern am Rande der primären, wie der seeundären Augenblase stehen bleiben (Fig. 3, 4, 12, 13). Bei Säugern (Fig. 7) ist es im Anfang sehr schwer, darüber Klarheit zu erhalten, ob hier fixe Mesodermazellen vorkommen, oder nicht. In dem 2. Sta- dium der primären Augenblase sind dem mittleren Keimblatte an- gehörige Zellen zwar vorhanden, jedoch sehr selten. Ob sie als Wanderzellen, oder als fixe Zellen anzusehen sind, ist nicht sicher zu entscheiden. Auch die Betrachtung der örsten Periode der se- eundären Augenblase bringt in diese Frage nicht mehr Licht. In Fig. 10 sind einige Zellen v» zu sehen, welehe in Verbin- dung mit den Gefässen stehen und offenbar mit diesen von vorne her, in die secundäre Augenblase eingedrungen sind; ausserdem bemerkt man hinten in dem Augenblasenstiel » eine Schicht des mittleren Keimblattes, in welche sowohl Gefässe, als sternförmige Zellen eingebettet sind. Nach der Verengerung des Stiels » (Fig. 11 Kaninchen 14 Tage) (Fig. 15 Schweine-Embryo 13 mm lang) sieht Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 155 man rings um die Gefässe, welche er enthält, ebenfalls wieder Zellen, die deutlich mit einander anastomosiren. Sie haben genau dasselbe Aussehen, welches diejenigen Zellen darbieten, die die Wände der Gefässe bilden; und die sich in dieser Periode nicht von den fixen Mesoderma-Zellen unterscheiden lassen. Mit der fortschreitenden Entwiekelung des Embryo (Fig. 15 Kaninchen, oder bei Schweine-Embryonen 20 mm lang, Kalbs-Em- bryonen 25 mm lang) werden die fraglichen Zellen nicht mehr in dem Stiel der Augenblase gefunden, in dessen Nähe grosse Gefäss- Stämme zu sehen sind, dagegen umgiebt eine bedeutende Anhäufung von anastomosirenden Zellen die Linse. — Ihre charakteristische Gestalt und ihr Zusammenhang mit den Gefässen, lässt in ihnen diejenigen Gefässsprossen erkennen, welche sich an der Bildung der gefässhaltigen Kapsel der Linse betheiligen. In dieser Periode sind in dem Glaskörper der Säuger sicher keine, weder isolirte noch gruppirte Mesoderma-Zellen vorhanden. Entweder hat man also hiernach die oben erwähnten Zellen, welche ganz im Anfang im Glaskörper beobachtet werden, als die Anfänge der Gefäss- sprossen zu deuten, oder sie sind fixe Mesoderma-Zellen, welche nun wieder verschwunden sind und eine weitere Bedeutung dem- nach nicht besitzen. Die dem Glaskörper eigenen Zellen sind Wanderzellen (em), welche er von seiner ersten embryonalen Anlage an bis zum Sta- dium des erwachsenen Thieres enthält. Sie nehmen sicher an der Bildung der Gefässsprossen nicht Theil, weil sie immer höchst vereinzelt, niemals in Ketten verbunden liegen, und keinen Zusam- menhang mit den Gefässen zeigen. — Ob die Substanz, welche den Glaskörper bildet, von der Seite her in die secundäre Augenblase eindringt, oder ob dieselbe als ein Produet der zelligen Elemente welche sie enthält anzusehen ist, oder endlich, ob beides der Fall ist, dies lässt sich schwer ergründen. — Ebenso scheint es mir un- möglich zu sein, eine zutreffende Erklärung zu geben, weshalb der Glaskörper in seinen letzten Stadien anders wie in seiner ersten Anlage aussieht und sich anders gegen Reagenti enverhält. Viel- leicht muss dies der Wirkung von den Gefässen her zugeschrieben werden, weil der Glaskörper auch im Embryonalzustande eine grössere Menge von Flüssigkeit enthält, als die übrigen Theile des Mesoderms. An sich ist es freilich nicht wunderbar, dass auch dieser Theil des mittleren Keimblattes ebenso wie alle anderen 156 A. Angelucei: in der letzten Entwickelungs-Periode sich anders darstellt, wie in seiner ersten Anlage. Fest steht, dass der Glaskörper als ein Abkömmling der Me- soderma-Zwischensubstanz aufzufassen ist, dass er sich jedoch durch das Fehlen von fixen Mesoderma-Zellen und den gänzlichen Mangel der Fibrillen auch in dem Embryonal-Zustande von dem Gewebe der Whartonschen Sulze unterscheidet (2). C. Entwickelung der Membrana limitans und der Zonula eiliaris. Membrana limitans.. Während die Bildung der secundären Augenblase vor sich geht, umgrenzt eine sehr scharfe Linie, welche bei starker Vergrösserung stellenweise als ein doppelter Contur erscheint, die äussere Wand derselben. — Nach der Verschliessung der secundären Augenblase hat diese Linie sich durchweg in einen doppelten Contur verwandelt, (Fig. 12 und 13) (mZr), welcher un- unterbrochen die freien Flächen beider Lamellen der secundären Augenblase überzieht. Bei einer Vergrösserung, wie der von Fig. 11 ist an dieser Stelle nur eine einzige scharfe Linie zu bemerken. Dieses Bild ist sowohl bei Säugern als auch bei Vögeln un- schwer zu erklären. Die Linie ist nichts anderes, als der Durch- schnitt einer structurlosen Membran. In älteren Entwickelungs- Stadien behält diese Membran ihre deutliche doppelte Contur, deren Ränder aber nur im Inneren der secundären Augenblase parallel verlaufen. An deren Aussenseite, wo die Membran das Pigment- epithel überzieht, erscheint dieselbe (Fig14 mA) als zusammen- gesetzt aus einem System von untereinander verbundenen euticu- laren Kappen. Diese Membran hört auch später nicht auf zu existiren, son- dern umschliesst ununterbrochen bis zu vollständiger Ausbildung hin die Elemente der seeundären Augenblase. Es ist bekannt, dass durch das Auswachsen beider Lamellen der letzteren nach vorne, die beiden epithelialen Schichten der Ciliar-Fortsätze und der Iris entstehen. — Dem Leser wird dies am besten klar werden, wenn er die Figuren 20, 21, 27 (Vögel), Fig. 22, 22°, 23 (Säuger) be- trachtet. In den Fig. 28 (Vögel) und 30 (Säuger) sieht man die Ober- fläche der Ciliar-Fortsätze von einer Membran überzogen, welche Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 157 die direcete Fortsetzung der Limitans interna ist. Sie setzt sich von hier aus fort und überkleidet die Iris. Am Pupillar-Rand hört sie nicht auf, sondern biegt hier um und überzieht nun die vordere (äussere) Fläche des Pigmentepithels_der Iris und der Ciliar-Fort- sätze. Von hier aus geht sie weiter auf das Pigmentepithel der Retina und bedeckt jede einzelne Zelle desselben mit der vorhin erwähnten Cauticular-Kappe. Sie gehört offenbar als Cuticular-Ausscheidung den Wänden der seeundären Augenblase an und ist das einzige Gebilde, welches die Retina von dem Glaskörper, sowie ihr Pigmentepithel von dem eigentlichen Gewebe der mittleren Augenhaut trennt. Zonula. In den ersten Entwickelungsstadien der Iris und der Ciliar-Fortsätze, welche mit der Bildung der Vorderkammer zu- sammenfallen, sieht man das vordere Ende des Glaskörpers, wel- ches heller als die innere Partie aussieht, von einigen feinen Fasern (2) durchzogen. (Fig. 20 Vögel; 22?, 24 Säuger.) Zu Anfang sind es nur wenige, die ziemlich weit voneinan- der entfernt sind, und zwischen welchen man spärliche Wander- zellen findet, die jedoch keinen Antheil an der Bildung der eben genannten Fasern haben. Mit der fortschreitenden Entwickelung des Ciliarkörpers nehmen sie an Menge zu und verlaufen von der Ora serrata bis zu dem Rande der Linse. Diese Fasern stellen die Zonula eiliaris dar. Auf sagittalen Schnitten (Fig. 28, 30) sieht man die Zonula eine dreieckige Figur bilden, deren Fasern in mehr oder weniger radiärer Richtung nach der Linse hin verlaufen. Aus vorstehender Beschreibung erhellt, dass die Zonula aus dem vorderen Theile des Glaskörpers entstehen muss, da sie weder als die Endigung einer Membran, noch als Abkömmling irgend einer Art von Zellen nachgewiesen werden kann. Im Embryonal-Zustande sind die Fasern der Zonula mit der vorderen Fläche des Glaskör- pers innig verbunden, ein Petitscher Canal ist nicht vorhanden. (3) D. Entwickelung der Hornhaut. Nach der Lostrennung der Linse ! von dem Hornblatt be- merkt man zwischen beiden eine Mesodermaschicht (cp), welche (Fig. 11 Säuger — 12, 13 Vögel) im Zusammenhange mit der- jenigen steht, die in der seeundären Augenblase enthalten ist. Diese Schichte (cornea propria) stellt die erste Anlage der Horn- haut dar. 158 A. Angelucei: Dieselbe entbehrt bei Hühner-Embryonen sowohl der fixen Mesoderma-Zellen als der Gefässe und besteht ausschliesslich aus einer Schichte von Mesoderma-Zwischensubstanz, welche spärliche Wanderzellen enthält. In dem Entwickelungs-Stadium, welches die Figur 17 (Hühner- Embryo) darstellt, sieht man, dass diese Schichte (cp) von der Linse (2) dureh einige längliche Kerne (e), welche alle einer geraden Linie folgen, von der Peripherie zum Centrum sich erstreckend, getrennt ist. Diese Kerne bilden das Endothel der Hornhaut. Wenn die- selben die ganze Rückfläche der Cornea propria überzogen haben, sieht man auch fixe Mesoderma-Zellen in die letztere eindringen. Die Art und Weise wie dies geschieht, und wie die fixen Zellen nach und nach das Centrum gewinnen, kann deutlich aus den Fi- guren 19 und 20 ersehen werden. Hier erkennt man, dass diese Zellen (m) wie ein Keil in die Cornea propria sich hineinsehieben und sich ausbreiten. — In dem weiteren Stadium der Figuren 21, 27 hat diese Zellschichte auch in der Mitte der Hornhaut bereits dieselbe Dicke erreicht, welche sie in der Peripherie besitzt. Bei Säugethieren ist die homogene Schichte (cp), welche die erste Anlage der Hornhaut bildet, viel dünner als bei Vögeln; sie enthält hin und wieder einige Zellen, welche häufiger in den Rän- dern als in der Mitte vorhanden sind (Fig. 11). Nach dieser Periode treten in diese Schichte (Fig. 15), Gefässe und Zellen mit Jläng- lichen Kernen ein, welch letztere mit den Gefässen in Zusammen- hang stehen. Dies ist die erste Anlage der Pupillarmembran (m 2); zugleich wuchern von der Peripherie nach dem Centrum zwischen der Pupillarmembran und dem Hornblatt die fixen Mesoderma- Zellen. Es wird dies deutlich dureh Fig. 18 veranschaulicht. Ausser- dem sieht man hier, dass sowohl die Pupillarmembran (mp) als die Zellen der Cornea in einer homogenen Schicht enthalten sind, welche mit dem Inhalt der secundären Augenblase in Verbin- dung steht. Nach dieser Periode nehmen die centralen Theile der Horn- haut nach und nach an Dicke zu. Die Zellen derselben zeigen eine deutliche Schichtung, — Die Hornhaut bekommt überall dieselbe Dieke, und an der inneren Seite ihrer Ränder treten einige Lücken auf (Fig. 22 ca), welche sie von der Iris und von der Pupillarmembran trennt. Dieselben sind mit Endothel bekleidet, dessen Herkunft nicht mit Sicherheit nachzuweisen ist. Dieses Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 159 letztere lässt sich von nun an, stets auf der Rückfläche der Horn- haut beobachten. Ueber die Entwickelung der beiden Basal-Membranen (Bow- mann’'sche Membran und Membrana Descemetii) der Hornhaut habe ich das Folgende beobachtet. Sowohl bei Säugethieren (Fig. 18) als auch bei Vögeln (Fig. 19 und 20) nehmen die fixen Mesoderma-Zellen, während sie von der Peripherie nach dem Centrum eindringen, nicht die ganze Dicke der Cornea propria ein, sondern lassen nach aussen einen Saum übrig (mb). Derselbe besitzt in dieser Periode eine ziemlich beträchtliche Breite und auf dem Durchschnitt der Hornhaut sieht er wie eine homogene Schichte aus, welche die Zellen der Cornea von dem Epithel trennt. — Mit der fortschreitenden Entwickelung (Fig. 21, 27, 28 Hühner-Embryo) (Fig. 22, 24 Säuger) wird dieser Saum verhältnissmässig schmäler und ist nicht mehr so scharf gegen die zellenhaltige Schicht der Hornhaut abgegrenzt. Kurz vor der Geburt (Fig. 26) hat er noch mehr an Dicke abgenommen, geht jetzt ganz unmerklich in das Gewebe der eigentlichen Horn- haut über und ist nun zur Bowmann’schen Membran geworden. Obwohl die Bedeutung der Membrana Descemetii bei Säugern und Vögeln identisch ist, erfordert ihre verschiedene Entwickelung doch eine getrennte Beschreibung. Die Endothel-Schichte der Hornhaut tritt, wie erwähnt, in verschiedener Weise bei Vögeln und Säugethieren auf und zwar deshalb, weil die Vögel der Pupillarmembran entbehren. Bei beiden aber fällt das Auftreten dieser Schichte mit der Entwicke- lung der Vorderkammer zusammen. Bei Hühner-Embryonen bietet die Kerne enthaltende Schichte (e), welche die Cornea propria an ihrer Innenseite überkleidet, dasselbe Aussehen dar (Fig. 17°), wie jedes andere gewöhnliche Endothel. — In Figur 21 sieht man, dass die genannten Kerne (e) in einer homogenen Schichte enthalten sind, welche wie eine dünne Membran die Rückseite der Hornhaut begrenzt. In den weiteren Entwickelungs-Stadien (Fig. 27) ist zu erkennen, dass nun diese Schichte (md) an Dicke zugenommen hat, und dass jetzt die Kerne an ihrer Rückfläche liegen. Sie liegt nun also zwischen Endothel und Hornhaut und ist die Membrana Desce- metii, welche von dieser Periode an, nach und nach an Dicke zu- nimmt und deutlicher wird. 160 A. Angelucei: Bei Säugern bekommt durch die Bildung der Vorderkammer die Hornhaut einen Endothelial-Belag (Fig. 22). In dieser Periode existirt zwischen der Hornhaut und dem Endothel keine homogene Schichte. Kurz nachher sind die Kerne des Endothels (wie bei den Vögeln) in einer homogenen Schichte (e) enthalten (Fig. 22°, 24), welche nach und nach an Dieke zunimmt (Fig. 23, 25, 26) (md), die Kerne sind jetzt auch hier in deren Rückfläche eingelagert. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Bowmann’sche Membran und die Membrana Descemetii durchaus keine identi- schen Gebilde sind. Die erstere ist mit Klarheit als ein Abkömmling der Cornea propria zu erkennen; die letztere, welche erst nach dem Vorhandensein des Endothels entsteht, muss mit diesem letz- teren in einen genetischen Zusammenhang gebracht werden. Wahr- scheinlich hat man nichts anderes vor sich als eine euticulare Ausscheidung desselben. Ausser dieser entwickelungsgeschicht- lichen Beobachtung ergeben auch die Lielitbrechungsverhältnisse und die chemischen Reactionen an den beiden Membranen der Hornhaut erwachsener Thiere, dass man Membranen verschiedener Dignität vor sich hat. (4) E. Bildung der Vorderkammer und Entwickelung des Fontana’schen Raums und Schlemm’schen Kanals. Vorderkammer und Fontana’scher Raum. Die Bildung der Vorderkammer fällt, wie schon erwähnt, sowohl bei Säugern als bei Vögeln mit dem Auftreten einer Endothel - Schichte der Hornhaut und mit der ersten Entwickelungs-Periode der Iris zusammen. Ursprünglich ist die Vorderkammer bei Vögeln (Fig. 19 ca) nur eine dünne und schmale Spalte, welche die vordere Fläche der Linse von der Hornhaut trennt. Diese Spalte ist in dieser Zeit mit einer Flüssigkeit (Kammerwasser) gefüllt, welche hin und wieder einige Wanderzellen enthält. Nach und nach nimmt sie allmälig von der Peripherie nach dem Centrum an Breite zu (Fig. 20). Bei Säugern (Fig. 22?) beobachtet man, wie erwähnt, während der ersten Entstehung der Iris kleine Lücken, welche diese und die Pupillar-Membran (m p) von der Hornhaut trennen. — Diese Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 161 Lücken sind mit Endothel bekleidet und enthalten zuweilen ge- ronnene Flüssigkeit. Ich glaube behaupten zu können, dass die- selben nicht durch eine inselförmige Erweichung und Verflüssigung entstehen, sondern, dass sie ein Gewebe darstellen, welches durch eingedrungene Flüssigkeit ausgedehnt worden ist. — Diese An- nahme findet eine Bestätigung darin, dass das Bild, welches die ebengenannten Lücken darbieten, gleich ist mit demjenigen, wel- ches ein ödematöses Gewebe zeigt. — Die Flüssigkeit, welche die Ausdehnung vermuthlich verursacht, ist das Kammerwasser, dessen Auftreten, wie bei den Vögeln mit der Bildung der Iris zusammenfällt. In den weiteren Entwickelungs-Stadien verschwinden die trennenden Zellbalken und die Lücken vereinigen sich zu einem einzigen Hohlraum, welcher die Pupillar-Membran und die Iris einerseits, von der Hornhaut andererseits, vollständig trennt. (5) Zuerst bildet die Vorderkammer einen Spalt, welcher nur in der Peripherie deutlich sichtbar ist, wie dies die Fig. 22° von einem Rinderembryo von 90 mm Länge darstellt. Eine merkliche Trennung und eine weitere Entwiekelung derselben kommt dann erst nach dieser Periode zu Stande. Dies geschieht nicht durch die vis a tergo von Seiten des Kammerwassers, sondern durch die Entwickelung des Ciliar-Muskels. Nach der vollständigen Bildung der Hornhaut beobachtet man nämlich an den Rändern derselben eine Anhäufung von Zellen, welche auf dem Querschnitte eine langgezogen dreieckige Figur darstellt (Fig. 21). — Am 13. Tage (Fig. 27) bietet diese dreieckige Anhäufung von Zellen (mc), bereits ein anderes Aus- sehen. Die nach der Hornhaut zugekehrte Spitze hat die zellige Structur behalten, während der andere Theil, welcher die Basis bildet, an Zellen ärmer geworden ist; dagegen sieht man nun in ihm Fasern auftreten. — Zwischen der Iris und dieser dreieckigen Figur, welche als die erste Anlage des Ciliar-Muskels aufzufassen ist, liegen nun einige Zellen (cfp:i). — Am 16. Tage (Fig. 28) ist der Unterschied zwischen Spitze und Basis des Ciliar-Muskels deutlicher zu erkennen. Der nach der Hornhaut gerichtete Theil (m ci) bietet das Aussehen einer von einem Mittelpunct ausstrah- lenden Zellenanhäufung dar, während bei dem anderen Theil (m c) neben Zellenkernen ein meridionalfasriger Bau bedeutend hervor- getreten ist. 162 A. Angelucei: Die Zellen (efp), welche in Fig. 27 zwischen der Iris, den Ciliar-Fortsätzen und dem Ciliar-Muskel zu sehen waren, erscheinen jetzt (Fig. 25) wie in die Länge gezogen und vereinigen sich mit ihren Ausläufern untereinander. Sie gehören zu dem Gewebe der Iris und der Ciliar-Fortsätze. Sie sind dadurch auseinander ge- wichen, dass sich die vordere Kammer zwischen die angrenzenden Theile peripherisch ausgedehnt hat. Sie stellen die erste Anlage des Balkengewebes dar, welches den Fontana’schen Raum ausfüllt. Am letzten Tage der Bebrütung (Fig. 29) findet man, dass die bis jetzt genannten Theile vollständig ausgebildet sind. Das untere Ende des Ciliar-Muskels (m ce) ist von quergestreiften Fasern gebildet, der andere Theil (m ec?) besteht ganz aus nicht musku- lösen Fasern, zwischen welchen einige Zellen eingebettet sind. Er wird zur Sehne des Ciliar-Muskels. An der Stelle der Zellen endlich, welche früher zwischen dem Ciliar- Muskel, der Iris und den Ciliar-Fortsätzen sich befanden, sieht man jetzt einige Balken, von im Ganzen homogenem Aussehen. Dieselben gehen von der Iris und den Ciliar-Fortsätzen aus und vereinigen sich mit der Sehne der Ciliar-Muskel. Sie enthalten einige Zellen, die in grösserer Menge in denjenigen Balken vorhanden sind, die aus der Iris entstehen. Bei Säugethieren bietet die Entwickelung der in Rede ste- henden Theile eine grosse Analogie mit den bei Vögeln beschrie- benen Verhältnissen. Beim Menschen (Fig. 24, Embryo von 3 Mo- naten) sieht man auf Durchsehnitten an den Rändern der Vorder- kammer ebenfalls eine dreieckige Figur (m c), deren vorderer Theil aus eng gelagerten Zellen besteht, deren hinterer, gegen den Aequator des Bulbus zu gerichteter, dagegen aus Zellen und Fasern zusammengesetzt ist. In Fig. 25 bei einem 6 monatlichen Embryo sind diese Verhältnisse um Vieles deutlicher geworden. Die Basis des Dreiekes (cm) besteht fast ganz aus Fasern, die Spitze (cf pP) aus Zellen, welehe zwischen der Membrana Descemetii und Horn- haut keilförmig eindringen. Zugleich sieht man einige Zellen, welche die Iris mit der Sehne am vorderen Ende des Ciliar- Muskels verbinden. Am Ende der Schwangerschaft bieten die besprochenen Theile dasjenige Aussehen, welches ich in Figur 26 gezeichnet habe. Der vordere Theil des Ciliar-Muskels (m ci) hat sich zur Sehne entwiekelt, während die Zellen, welche zwischen Iris und Ciliar- Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 163 Muskel sich befanden, jetzt das Ligamentum peetinatum darstellen. Die Balken, welche dies Band bilden, vereinigen sich mit dem Gewebe des Ciliar-Muskels und setzen sich mit ihr zwischen Mem- brana Descemetii und Hornhaut an. Schlemm’scher Kanal. Im der ersten Periode der Entwicke- lung des vorderen Uvealtractus (Fig. 21 Vögel, 22, 27 Säuger) findet man stets an der Grenze zwischen Cornea und Sklera einige Blutgefässe (cs). Diese verlaufen in äquatorialer Richtung und sind zuweilen in Verbindung mit den Gefässen, welche die Sklera durchziehen. In den weiteren Entwickelungs-Stadien, während die Gefässe der Iris, des Ciliar-Muskels und der Sklera ohne bestimmte Ord- nung verlaufen, behalten die genannten Gefässe dasselbe Aussehen und dieselbe Lage und zwar (Fig. 25, 28) sind sie nach aussen von der Cornea-Skleral-Grenze, nach innen von dem vorderen Theile des Ciliar-Muskels begrenzt. Am Ende der embryologischen Entwickelung lassen die be- sprochenen Gefässe keine weitere Veränderung als die Vergrösse- rung ihrer Lumina bemerken. Dieser kleine Venenplexus (cs) ist Nichts anderes als der Schlemm’sehe Canal des Erwachsenen. — Seine Entstehung fällt zusammen mit der ersten Entwickelung des vorderen Uvealtractus und er ist offenbar ein integrirender Theil der Skleral - Gefässe, welche in die Ränder der Hornhaut in äquatorialer Riehtung hinein verlaufen. Zweiter Theil. N) Vergleichend anatomische Bemerkungen. A. Ueber die Zonula eiliaris. Bei erwachsenen Säugethieren begegnet man ganz den gleichen Verhältnissen wie sie soeben für Embryonen geschildert wurden. Auch dort trennt eine einzige Membran — die Limitans — den Glaskörper und die Retina. Nachdem diese Membran die vordere Fläche der Retina überzogen hat, läuft sie auch dort von der Ora Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. 19. 12 B 164 A. Angelucei: serrata bis auf die Spitze der Ciliar-Fortsätze; hier erstreckt sie sich nach vorne und überkleidet die Rückfläche der Iris. — Am Pupillar-Rande hört sie nieht auf, sondern biegt auf die vordere Fläche des Pigmentepithels der Iris um, wo man sie zwar nicht als zusammenhängende Membran, aber doch streekenweise zu fin- den im Stande ist. Nun überkleidet sie die äussere Fläche des Pigmentepithels der Ciliarfortsätze, und setzt sich endlich auf das Pigmentepithel der Retina fort; sie ist hier nichts anderes als die von mir schon früher !) beschriebene „Membrana retieularis“. Eine eigene Membran des Glaskörpers, die Hyaloidea und eine Basal- membran der Choroidea existiren nicht. Der Name Membrana basalis retinae, welchen ich nun als Bezeichnung der genannten Cutieular-Bildung im Ganzen vorschlage, weist sowohl auf das Wesen und den Ursprung derselben als auch auf die Gleichheit in der Bedeutung der Membrana retieularis mit der Membrana limitans retinae hin. Die Fasern der Zonula eiliaris verlaufen von der Ora serrata bis zur Spitze der Ciliarfortsätze, in Berührung mit dieser Mem- brana basalis retinae. Die Gesammtheit ihrer Fasern stellt einen Ring dar, dessen Querschnitt ein mit der Basis gegen die Ränder der Linse gekehrtes Dreieck bildet. Die Fasern der Zonula lassen keine Struetur erkennen, sie sind stark bei Pferd, Mensch und Raub- thieren; fein bei Wiederkäuern und Nagethieren; sie sind homogen, durchsichtig und laufen in paralleler Richtung neben einander. Sie quellen sehr unbedeutend sowohl in Säuren als in Alkalien und unterscheiden sich dadurch sowohl von den elastischen, wie von den Bindegewebsfasern. Es ist bekannt, dass die vordersten Fasern der Zonula von der Spitze der Ciliarfortsätze zum vorderen Theil des Linsenrandes herübergehen, wo sie sich in einer Wellenlinie ansetzen. Zwischen den hintersten Fasern und dem Glaskörper hat man das Vorhan- densein einer Spalte angenommen (Petitischer Canal). Schneidet man ein Auge, welches in Paraffin eingebettet ist, in meridionaler Richtung durch, so sieht man, dass diese Spalte nicht existirt, da- gegen bemerkt man stets, dass die hintersten Fasern der Zonula mit der vorderen Fläche des Glaskörpers in inniger Berührung stehen. l) Angelucci, Histologische Untersuchungen über das retinale Pigment- epithel der Wirbelthiere. Archiv f. Anatomie u. Physiol. 1878. Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 165 Macht man Injeetionen von Berliner Blau in die vordere Kammer, so zeigt sich an solehen Präparaten, welche man unter einem Drucke, der genügt um eine schöne Füllung der Periskleral- Gefässe zu erzielen, injieirt hat, dass um die Linse ein blauer Ring sich befindet, welcher sich bis zu der Ora serrata erstreckt. Bei mikroskopischer Untersuchung sieht man, dass sowohl die Zonula als die vordere Fläche des Glaskörpers blau gefärbt erscheinen. Von der injieirten Masse ist durchaus nichts in irgend eine präfor- mirte Spalte dieser Theile gedrungen. Macht man die Injection unter sehr starkem Druck, dann findet man das injicirte Material in unregelmässiger Weise zwischen die zerrissenen Fasern der Zo- nula ergossen. Auf der vorderen Fläche des Glaskörpers war die Anwesenheit der Zonula-Fasern auch in solchen Fällen stets zu eonstatiren. Es kann deshalb von einem präformirten Raum nicht die Rede sein. — Bei nicht in frischem Zustande in Müller’scher Flüssigkeit eingelegten Augen findet man immer eine Spalte zwischen Glaskörper und Zonula; in dieser Spalte ist noch zu- weilen die Anwesenheit einer Flüssigkeit wahrzunehmen. Nach dem oben Gesagten kann ich diese Spalte nur als Fäulnissproduct ansehen. (6) Betrachte ich nun der Reihe nach die in Rede stehende Bil- dung bei den übrigen Wirbelthierklassen, so ist von den Vögeln zu sagen, dass bei ihnen die Membrana basalis retinae denselben eigenthümlichen Bau besitzt und dass sie sich ebenso verhält, wie es oben von den Säugethieren beschrieben wurde. Ueber die Zo- nula eiliaris habe ich weder in Bezug auf ihre chemische Be- schaffenheit noch bezüglich des Vorhandenseins eines Petitischen Kanals, dem über die Säugethiere Gesagten etwas beizufügen. — Erwähnenswerth ist es jedoch, dass die Zonula bei den verschie- denen Vogelgruppen ein differentes Aussehen zeigt. Bei einigen Familien (Hühner, Enten, Gänse) zeigt der Durchschnitt die so viel besprochene dreieckige Figur, welche sich ja bei den Säugethieren stets vorfindet; bei Tag- und Nachtraubvögeln stösst dagegen auf dem Querschnitt jeder Ciliarfortsatz mit mehreren Zipfeln direet an den Linsenrand; die Fasern der Zonula sind nur in den kleinen Räumen enthalten, welche zwischen diesen Zipfeln und der Linse bleiben. Ausserdem verlaufen noch einige Fasern hinter den Ciliar - Fortsätzen und setzen sich an den hinteren Rand der Linse an. 166 A. Angelucei: In der Classe der Amphibien konnte ich Bufo, Rana escu- lenta, Hyla arborea und Triton untersuchen. Auch hier konnte ich bei allen Individuen die Anwesenheit der Membrana basalis retinae nachweisen. Im Inneren des Glas- körperraumes verlaufen, in Berührung mit dieser Membran einige Gefässe (Fig. 36 v), welche jedoch nicht zu ihr gehören, da sie wie erwähnt, eine eutieulare Ausscheidung darstellt. Sie ist es, wie bei Säugethieren und Vögeln allein, welche die Elemente der Re- tina umschliesst. Bei den untersuchten Anuren ist die Anwesenheit der Zonula eiliaris unschwer nachzuweisen. Auch hier zeigt sie sich (Fig. 36 Rana esculenta) auf dem Durchschnitt in Form eines Dreieckes welches die Basis nach der Linse, die Spitze nach der Ora serrata hin gerichtet hat. Die Fasern der Zonula entstehen von der Ora serrata an bis zur Spitze der Ciliarfortsätze. Die hintersten ver- laufen in unmittelbarer Berührung mit der vorderen Fläche des Glaskörpers. — Für die chemische Beschaffenheit der Zonula, möge das Gesagte bei den schon besprochenen Wirbelthierelassen genügen. Beim Triton habe ich trotz meiner Bemühungen das Vorhanden- sein einer Zonula nicht nachweisen können und doch hätte dies eine besondere Wichtigkeit gehabt, weil der Bau des vorderen Uvealtractus beim Triton von dem Bau, welchen die anderen Fa- milien der Amphibien zeigen, abweicht. Man vergleiche Fig. 42 (Triton) Fig. 36 (Rana). Beim Triton bemerkt man an den pe- ripheren Rändern der Iris das Vorhandensein eines pigmentirten und gefässreichen Gewebes, welches an den Bau der Ciliarfort- sätze der übrigen Wirbelthiere erinnert. Dies Gewebe ist jedoch nicht halskrausenartig angeordnet, auch erstrecken sich auf diese eigenthümlichen Ciliarfortsätze die Zellen der Pars ciliaris retinae nicht, weil die Ora serrata retinae bis zu den peripheren Rändern der Iris reicht. Aus der Classe der Reptilien haben mir die folgenden Fa- milien zu Gebote gestanden: Tropidonotus! natrix, Testudo graeca, Lacerta agilis, muralis, viridis, Coronella laevis. Um kurz zu sein, will ich nur bemerken, dass sowohl die Membrana basalis retinae als die Zonula eiliaris dieselben Structureigenthümlichkeiten zeigt, wie ich es bei den anderen Wirbelthierelassen angegeben habe. Be- trachtet man Fig. 37, so sieht man, dass hier bei Testudo und den Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 167 anderen Reptilien die Zonula stärker ist wie bei Amphibien, und dass sie wie bei den schon erwähnten Classen der Wirbelthiere mit der vorderen Fläche des Glaskörpers in inniger Berührung verläuft. Die Fig. 39 zeigt den vorderen Theil des Auges eines Knochenfisches, an welehem die Hornhaut und die Iris gänz- lich abgetragen worden sind. Hier sieht man, dass eine viereckige Lamelle (ls) unter dem abgeschnittenen Rande der Iris abgehend sich an den oberen Rand der Linse ansetzt. Gegenüber am unteren Rande der Linse setzt sich das Ligamentum museulo-eiliare an (! m e), dasselbe stellt die Sehne der Campanula (cam) dar, welche durch ihre Muskel-Fasern eine Accommodation bei Fischen möglich macht. — Die Art und Weise wie die Campanula mit dem Ligamentum faleiforme (Sichelfortsatz) zusammenhängt ist zu genau bekannt, um hier beschrieben zu werden. Ausser den genannten Dingen sieht man an dieser Figur eine dünne Faserlage (z), welche vom Linsenrand radiär auf der Vorder- fläche des Glaskörpers ausstrahlt. Dieselbe ist nichts anderes als die Zonula eiliaris, welche bis jetzt bei Fischen noch nieht bekannt war. — Bei den meridionalen Schnitten (Fig. 39%) sieht man, dass diese Fasern (z) eine dünne Membran bilden, welche von der Spitze der Ciliarfortsätze ausgehend, die vordere Fläche des Glaskörpers bekleidet, und sich an den Rand der Linse ansetzt. Die Ver- schiedenheit, welche die Zonula eiliaris bei Fischen von der der übrigen Säugethiere zeigt, ist bedingt durch den anderen Accommo- dations - Mechanismus. Bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien bekleidet die Zonula nieht nur die Vorderfläche des Glaskörpers und hält die Linse fest, sondern spielt hauptsächlich in Verbindung mit dem Ciliarmuskel bei der Accomodations-Be- wegung eine bedeutende Rolle; bei Fischen dagegen hat sie nur die beiden ersteren Functionen. Die Accommodations - Bewegung wird bei ihnen dagegen nur an einer umschriebenen Stelle ausge- führt, nämlich da, wo sich das Ligamentum museulociliare ansetzt. In Folge dessen ist nun an der entgegengesetzten Seite eine festere Anheftung der Linse nothwendig. Diese wird von dem Ligamentum quadratum gebildet, welches also in dieser Wirbelthierklasse in ge- wisser Weise die Aecommodations-Funetionen dieser Zonula eiliaris vertritt. Die Linse, welche bei Fischen eine kugelige Form besitzt, wird 168 A. Angelucei: von diesem eigenthümlichen Accommodations-Apparat, wenn er in Function tritt, abgeplattet. In Folge dessen ist hier das Gesetz der Aecommodations-Bewegung vollkommen demjenigen entgegen- gesetzt, welches bei den übrigen Wirbelthier-Classen besteht und zwar ist bei Fischen die Accommodation für die Ferne mit einer activen Bewegung verbunden, während in der Ruhe das Auge für die Nähe eingestellt ist. — Das Ligamentum quadratum besitzt bei Fischen auf Meridionalschnitten dieselbe dreieckige Form wie die Zonula der übrigen Wirbelthiere, jedoch hat es ein homogenes und structurloses Aussehen, weshalb man es nicht als eine Ver- diekung der Zonula ansehen kann, sondern es für eine Verdich- tung des Glaskörpers halten muss, welche sich nicht so weit wie die Zonula eiliaris differenzirt hat. Die hintere Fläche des Liga- mentum suspensorium ist mit der vorderen Fläche des Glaskörpers innig verschmolzen; zwischen der eigentlichen Zonula und dem Glaskörper existirt ebenfalls keine Spalte, welche zur Annahme eines Petitischen Kanals berechtigen könnte. Die Injeetionen in die Vorderkammer dringen hier (wenigstens war es bei meinen Versuchen der Fall), weder zwischen Zonula und Glaskörper, noch zwischen denselben und das Ligamentum suspensorium ein. Auch bei den Fischen setzt sich die Membrana limitans auf die Rückfläche der Iris fort und ist die einzige Membran, welche sich zwischen Glaskörper und Retina befindet. Die Annahme, dass die Zonula die Fortsetzung einer Membran sein könnte wird hierdurch also auch für diese Klasse ausgeschlossen. B. Ueber den Fontana’schen und Schlemm’schen Kanal. Fontana’scher Raum. Bei Säugethieren umgrenzt der Fontana’sche Raum, wie ein prismatischer Ring die Vorderkammer (Fig. 31, 32, 33, 34 cf). Er zeigt auf meridionalen Schnitten die Form eines Drei- eckes. Seine äussere Wand wird von der Sklera (sc), die innere von den Ciliar-Fortsätzen (ep) gebildet; die der Vorderkammer zugewendete Basis des Dreieckes wird von den Balken (ip), welehe von der Iris ausgehen, dargestellt. Diese Balken machen gemein- schaftlich mit denjenigen, welche vom Ciliar-Muskel (mei) und von den Ciliar-Fortsätzen (p) herstammen das Balkengewebe des Fontana’schen Raumes aus. Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 169 Unter den untersuchten Säugethieren ist es das Pferd (Fig. 32), bei welchem die Elemente des Fontana’schen Raumes am stärksten entwickelt sind und bei dem der Bau desselben am deutlichsten zu übersehen ist. Die von der Iris ausgehenden Fortsätze sind hier die stärksten Balken, welche der Fontana’sche Raum besitzt; sie zeigen alle die Gestalt eines Conus, dessen Basis immer der Iris, dessen Spitze der Cornea zugewendet ist; bei Meridional- Schnitten sieht man, dass diese Iris-Fortsätze in zwei, theilweise in drei Reihen geordnet sind; in ihrem Verlauf kreuzen sie sich gegenseitig und machen das am meisten grobmaschige Gewebe aus, welches im Fontana’schen Raume vorkommt; sie haben eine fibrilläre Structur und enthalten einige pigmentirte Zellen. Die Spitzen dieser Iris-Balken sind wie gesagt, gegen die Hornhaut gerichtet, sie durchbohren die Membrana Descemetii und setzen sich zwischen ihr und der eigentlichen Cornea an. Die Art und Weise, wie dies geschieht, überblickt man leichter auf Schnitten, welche parallel den Rändern der Hornhaut geführt sind (Fig. 32%). Hier” sieht man, dass die Spitzen dieser Fortsätze, nachdem sie die Membrana Descemetii durchbohrt haben, sich mit einander bogenförmig vereinigen. Hierzu gesellen sieh noch Theile der beiden anderen Arten von Balken und es entsteht so ein Faserring, welcher auf dem Rand der vorderen Fläche der Mem- brana Descemetii verläuft. Dieser Ring gehört in keiner Weise zu der Substanz der Membrana Descemetii. Die Balken, welche von den Ciliar-Fortsätzen (Fig. 32 p)!) ausgehen, sind dünner als die Iris-Fortsätze, kreuzen sich öfter mit einander und sind im Zusammenhang mit denjenigen (mc), welche aus dem Ciliar-Muskel entspringen. — Die ersteren be- stehen aus einem faserigen Gewebe, welches von einer Endothelial- Schichte überkleidet ist. Ausserdem findet man auch in diesen Balken einzelne pigmentirte Zellen eingelagert. Das dritte System von Balken ist das schon erwähnte, wel- ches die Sehne des Ciliar-Muskels liefert. Sie verlaufen neben einander und kreuzen sich in spitzen Winkeln; die Maschen, welche 1) Der Ausdruck „Balken der Ciliar-Fortsätze“ ist vielleicht nicht ganz treffend. Es mag zur Erläuterung beigesetzt werden, dass diejenigen Balken gemeint sind, welche an dem Gewebe des Vorderrandes der Chorioidea zwischen der Wurzel der Iris und dem Ciliarmuskel ihren Ursprung nehmen. 170 A. Angelucei: sie bilden, ziehen in äquatorialer Richtung und sind die kleinsten, welche im Fontana’schen Raume zu finden sind. — Sie bieten dasselbe Aussehen dar, wie die aus den Ciliar-Fortsätzen entsprin- genden Balken und erstrecken sich ebenso, wie diese zwischen Membrana Descemetii und Hornhaut hinein. Im Allgemeinen gelten die besprochenen histologischen That- sachen für die gesammte Klasse der Säugethiere, jedoch kommen in einigen Familien Abweichungen vor. Der Fontana’sche Raum hat sich in dieser Thierklasse nämlich nach zwei verschiedenen Typen entwickelt. Der erste ist beim Pferd, Schaf, Schwein, Rind und Kaninchen vertreten, der zweite bei Hund und Katze; zu diesem letzteren Typus gehört mit unbedeutender Abweichung auch noch der Fontana’sche Raum des Affen und des Menschen. — Beim Hund (Fig. 34) sind die Iris-Fortsätze (ip) länger und schmäler wie beim Pferde, treffen die Membrana Descemetii (m d) in einem spitzeren Winkel, durehbohren dieselbe und erstrecken sich zwischen ihr und der Hornhaut weiter; zuletzt breiten sich diese Balken (Fig. 34° :p) meist zu Platten aus,*etwa so geformt wie der Fuss eines Schwimmvogels. Von diesen Platten gehen einige Fortsätze aus, welche sich mit den benachbarten Platten vereinigen. Diese eigenthümlichen Ansätze der Iris-Balken des Hundes, an deren Bildung auch die Balken der Ciliar-Fortsätze theilnehmen, entsprechen dem faserigen Ring, welcher bei Pferden in den Rän- dern der Membrana Descemetii sich befindet. In Figur 33 ist der Fontana’sche Raum des Affen dargestellt. Hier sieht man, dass die Iris-Fortsätze (ip) kurz und schmal sind; die Membrana Descemetii (m d) erstreckt sich weit peripherisch, so dass zwischen dieser und der Hornhaut die Einschiebung der Balken des Fontana’schen Raumes leicht zu überblicken ist. Beim Menschen sind die Iris-Fortsätze (#p) kleiner und schmäler wie bei Pferd und Hund; die Entwickelung der Balken, welche von den Ciliar-Fortsätzen ausgehen, ist fast ganz zurück- getreten; dagegen sind die Balken (m ci), welche die Ansätze der meridionalen Schnitte des Ciliar-Muskels darstellen, in hervor- ragender Weise, mehr als bei irgend einem anderen Wirbelthiere, entwickelt. Wie bei den anderen Säugethierfamilien durehbohren die Balken des Fontana’schen Raumes die Membran, laufen erst in Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 171 der Substanz derselben und setzen sich dann zwischen ihr und der Hornhaut an. — Auf der vorderen Fläche der peripherischen Ränder der Membrana Descemetii finden sich ähnliche Ausstrahlun- gen wie die vom Hund beschriebenen Platten, jedoch (um das vorige Bild beizubehalten) sind hier die Schwimmhäute zwischen den Zehen des Fusses sehr reducirt. Die chemischen Reaectionen, besonders Behandlung mit cau- stischen Alkalien und Säuren, zeigen, dass die Fortsätze, welche von der Iris ausgehen, bindegewebiger Natur sind, dass diejenigen, welche aus den Ciliar-Fortsätzen entspringen, ausserdem einige elastische Fasern enthalten. In grosser Menge sind diese letzteren Fasern in den Balken vorhanden, welche der Sehne des Ciliar- Muskels entstammen. Um die Ursache zu erforschen, weshalb bei Erwachsenen die Balken des Fontana’schen Raumes die Membrana Descemetii durch- bohren, musste ich Thiere untersuchen, bei denen sich diese Mem- bran peripherisch ausdehnt, und habe ich von solchen das Kanin- chen gewählt. Bei neugebornen Kaninchen (Schemal) sieht man, dass der Fon- tana’sche Raum eine rudimentäre Entwickelung zeigt. Dielrisfortsätze sind kaum deutlich zu erkennen; die Membrana Descemetii sieht wie eine dünne Schichte aus, welche sich nur 1ER ee g I bis zu den Ansätzen Ei der Iris-Balken er- streekt. Bei Kanin- chen, welche schon Sen 40 Tage gelebt haben (Schema 2) hat der m Fontana’sche Raum Treuen an Umfang zugenom- men, die Iris-Fortsätze sind gut entwickelt, die Membrana Desce- metii ist stärker ge- worden und hat sich in das Innere des Fon- tana’schen Raumes ausgedehnt. — In Schema 2, 172 A. Angelucci: Schema 3 (Kanin- Tr rn ___... ehen 5 Monate nach der Geburt) sieht > man, dass durch die SI ! fortschreitende Ent- / wickelung die Ver- hältnisse sich voll- kommen geklärt r B7 haben. — So darf rn | Pa, man also nicht etwa Ne, annehmen, dass die Schema 3. Faserbündel die Membran activ durehbohrt haben, sondern gewinnt vielmehr die Ueberzeugung, dass die Balken vor der Descemet’schen Haut existir- ten, und dass letztere erst später die ersteren umwachsen hat. Es ist augenscheinlich, dass die Membran von der Rückfläche der Horn- haut aus immer weiter nach der Peripherie hin wächst, wodurch sie die von der Iris und dem Ciliar-Körper stammenden Balken einschliesst. Sie reicht soweit auf die Balken hinauf als der hier befindlichen Endothellage die Fähigkeit innewohnt, die Cuticula zu bilden. Bei erwachsenen Individuen ebenso wie bei Embryonen, unter- scheidet sich die Membrana Descemetii sehr bedeutend von der Bowmannschen Membran. Die Letztere zeigt sich niemals von der lamellären Substanz der Cornea deutlich abgegränzt, geht dagegen in diese über und reagirt ganz wie die Cornea selbst auf die Ein- wirkung von Säuren und Alkalien. — Die Membrana Descemetii dagegen ist gegen die Hornhaut scharf abgegränzt und widersteht den genannten Reagentien. Die letztere endigt zwischen und auf den Balken des Fontana’schen Raumes immer scharf zugespitzt und ohne in ein anliegendes Gewebe überzugehen ; die Bowmann’sche Membran geht an der Peripherie unmerklich in die äusserste Scle- ralschicht über. Bei Vögeln (Fig. 29) zeigt der Fontana’sche Raum dieselbe Form und dieselbe Anordnung seiner Balken, wie bei Säugern. — Diese Balken bieten ein homogenes Aussehen dar, und sind mit einer Endo- thelial-Schichte überzogen. Bei Nacht- und Tag-Raubvögeln bestehen die Iris-Fortsätze aus einem fibrillären Gewebe und besitzen wie die übrigen Balken eine bedeutende Anzahl von pigmentirten Zellen. “ Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 173 Die chemischen Reactionen zeigen, dass in denjenigen Balken, welche sich am Falz der Cornea ansetzen, die grösste Menge elas- tischer Fasern enthalten ist. Die Membrana Descemetii erstreckt sich nicht in die Tiefe des Raumes, sondern endigt da, wo sich die Irisfortsätze mit dem Gewebe vereinigen, welches die Ansätze des Ciliar-Muskels darstellt. Bei Reptilien konnte ich, wie oben schon erwähnt, Lacerta agilis, muralis, viridis, Testudo graeca, Emys serrata, Tropidonotus natrix, Coronella laevis untersuchen. Die Saurier und Chelonier (Fig. 37) besitzen wie die Vögel einen quer gestreiften Ciliar- Muskel, welcher in Berührung mit der Sklera steht. Bei ihnen zeigt der Fontana’sche Raum die drei schon besprochenen Arten von Balken. Die Membrana Descemetii endigt in ihrem peripheri- schen Theile wie bei den Vögeln. Bei Schlangen (Fig. 35) ist die Anwesenheit eines Ciliar-Muskels an der gewöhnlichen Stelle nicht wahrzunehmen, dagegen ist oberhalb der Ciliarfortsätze zu- nächst die Wurzel der Iris, ein grosses Bündel (mc) von aequa- torial laufenden quergestreiften Muskelfasern vorhanden; diese scheinen eine Fortsetzung der Irismuskulatur zu sein und sind wahrscheinlich die Vertreter eines Ciliar-Muskels. Der Fontana’sche Raum ist auch bei Schlangen vorhanden, die Structur desselben weicht nicht von dem Typus ab, welchen die bisher besprochenen Wirbelthierelassen besitzen. Beim Frosch lässt der Fontana’sche Raum ein identisches Aussehen wahrnehmen. In Fig. 36 kann man Balken erkennen, welche von der Iris und von den Ciliar-Fortsätzen ausgehend, sich mit solchen vereinigen, die meridional und in Berührung mit dem Schlemm’schen Canal verlaufen. Diese letzteren finden ihren Ur- sprung in einem umschriebenen Theile des vorderen Uvealtractus (m ce), in welchem längliche Kerne eingebettet sind. Diese Kerne sehen wie die Kerne glatter Muskelfasern aus, und es ist wahr- scheinlich, dass dieses Gebilde bei anuren Amphibien nichts anderes ist, als ein Ciliar-Muskel. Beim Triton existiren am Rande der Vorderkammer einige Zellen, welche vielleicht die Balken des Fontana’schen Raumes der anderen Wirbelthierelassen darstellen. Zwischen der Sklera und den Ciliarfortsätzen findet man einige längliche Kerne, welche auch bei ihnen muthmasslich Andeutungen eines Ciliar-Muskels sind. Die Fische besitzen am Rande der Vorderkammer ein Ge- 174 A. Angelucei: webe, welches die Iris und die Ciliarfortsätze mit der Sklera bis zum Hornhautrand vereinigt. In Fig. 39° (Esox lucius) erkennt man dasselbe, aus unter sich verbundenen homogenen Lamellen zusammengesetzt, welche einige, sowohl pigmentirte als unpigmentirte Zellen enthalten. Die Maschen, welche dieses Lamellensystem in seinen vordersten Theilen an der Hornhaut-Gränze bildet, sind kleiner als die weiter rück- wärts gelegenen; diese Maschen enthalten eine, durch die zur Er- härtung angewandten Reagentien geronnene Flüssigkeit und spär- liche Wanderzellen. — Sie haben in ihrer Gesammtheit die Form eines Dreieckes, dessen Basis zur Vorderkammer gewendet ist und besitzen dieselbe Bedeutung, wie die Balken des Fontana’schen Raumes der übrigen Wirbelthierelassen. Gadus callarias (Fig. 41 cf) besitzt am Rande der Vorder- kammer ein Gewebe breiter Balken, welches im Allgemeinen mit dem von Esox abgebildeten zwar ganz identisch ist, jedoch sehr grosse Maschen zeigt und dadurch dem Fontanaschen Raume der Säugethiere sehr ähnlich wird. Ein Bild, welches sehr abweichend von dem der eben be- schriebenen Species ist, ist dasjenige, welches sich bei Cyprinus erythrophthalmus (Fig. 40) am Rande der Vorderkammer zeigt. Hier existirt kein maschiges Gewebe, sondern zwischen Iris, Ci- liarfortsätzen und Hornhaut schiebt sich wie ein Keil eine Anhäufung von grossen, öfters mehrkernigen Zellen ein, welche in ihrer Ge- sammtheit sehr an ein knorpelartiges Gewebe erinnert. — Bei Pe- tromyzon fluviatilis (Fig. 38) endlich findet man am Rande der Hornhaut einen Ring von homogenem Ansehen, welcher einige Zellen enthält. Dieser hängt mit der Iris, durch ein lamelläres Gewebe zusammen. Ausser diesen vier typischen Repräsentanten der Fische konnte ich noch mehrere Arten untersuchen, welche alle nach dem einen oder anderen dieser Typen gebaut waren. Leider war mein Material nicht reichlich genug, um eine Gesammtübersicht über die Familien dieser Classe zu ermöglichen. Ich hoffe diese Lücke dureh spätere Untersuchung ausfüllen zu können. Die Membrana Descemetii nimmt bei sämmtlichen Fischen keinen Theil an der Bildung des Gewebes, welches die Iris mit der Hornhaut vereinigt. Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. 175 Schlemm’scher Canal. Beim Menschen scheint der Schlemm’sche Canal Fig. 31 es bei oberflächlicher Betrachtung das Lumen einer Rinne in dem Gewebe der Sklera zu sein, welches auf Meridional-Schnitten von einem oder zwei Balken durchzogen erscheint. Diese Rinne aber stellt nicht den Schlemm’schen Canal dar, sondern nur die Scheide, in welcher mehrere venöse Blutgefässe verlaufen; die Wandungen dieser Gefässe sind sehr zart, aber leicht durch chemische Reac- tionen nachweisbar. Sie verlaufen in aequatorialer Richtung und communieiren mit anderen, welche meistens in meridianer Richtung in die Sklera eintreten; diese Letzteren besitzen keine Klappen. Der Schlemm’sche Canal befindet sich bei Säugern mit den Ansätzen des Ciliar-Muskels in Berührung und ist nach aussen von der Sklera abgegränzt. Bei Pferden (Fig. 32 es), Hunden (Fig. 34 es) und niederen Säugern liegen die Gefässe des Schlemm’schen Canals an derselben Stelle, wie bei Menschen und Affen, aber mehr von einander ent- fernt, so, dass sie auf meridionalen Schnitten hier und da zerstreute rundliche Lücken darstellen, ohne dass die Sklera eine allen ge- meinsame Rinne zeigt. Bei Vögeln liegt der in Rede stehende Canal (Fig. 29 cs) in dem Gewebe, wo die Fasern des Ciliar-Muskels sich ansetzen. Weiter ist auf diesem Gebiete keine Abweichung von den berich- teten Thatsachen über den Schlemm’schen Canal der Säugethiere zu notiren. Bei den Schlangen (Fig. 35 c s) steht der Schlemm’sche Canal im Zusammenhange mit einem Blutgefässe, welches in den Rän- dern der Hornhaut in aequatorialer Richtung verläuft. Für die übrigen Reptilien (Fig. 37) und die Amphibien (Fig. 36), kann das über den Schlemm’schen Canal der Säugethiere und Vögel Ge- sagte gelten. Bei Fischen verlaufen einige Blutgefässe in dem Gewebe, welches den Balken des Fontana’schen Raumes der übrigen Wirbel- thiere entspricht. Diese Gefässe sind wahrscheinlich hier die Ver- treter des Schlemm’schen Canals. Injeetionen, sowohl durch die Arteria wie durch die Vena ophthalmica, füllen vollständig den Schlemm’schen Canal; keine Spur des injieirten Materials dringt in das Gewebe des Fontana’schen Raumes hinein. Berücksichtigt man diese Thatsache und die, dass der Schlemm’sche Canal aus Ge- 176 A. Angelucei: fässen besteht, welche eigene Wände besitzen, so ist die Füllung des Schlemm’schen Canals bei Injeetionen in die Vorderkammer, als ein Kunstproduet anzusehen. — Eine offene Bahn zwischen dem Schlemm’schen Canal und dem Fontana’schen Raume ist keines- falls vorhanden, und eine direete Communication der Vorder- kammer mit den vorderen Ciliar-Venen ist als ausgeschlossen zu betrachten. — Uebrigens geht aus der Entwicklung und Structur dieser Theile hervor, dass eine solehe Communication schon a priori undenkbar ist. — Der Schlemm’sche Canal und der Fontana’sche Raum sind zwei ganz verschiedene und von einander unabhängige Gebilde. — Der Schlemm’sche Canal einerseits entwickelt sich als eine Fortsetzung der Skleral-Gefässe. Der Fontana’sche Raum hat durchaus nicht die hohe physiologische Bedeutung eines Iympha- tischen Filtrations-Apparats, sondern ist nichts anderes, als der hinterste Theil der Vorderkammer, welcher von den Ansätzen der umgränzenden Theile durchzogen ist. (7) Literatur. (1) Arnold: Beiträge zur Eutwickelungsgeschichte des Auges. Heidel- berg 1880. (2) Ayres: Beiträge zur Entwickelung der Hornhaut und der vorderen Kammer. Archiv f. Augenheilkunde Band VIII, 1879. (3) Babuchin: Beiträge zur Entw. des Auges. Würzburger naturwissen- schaftliche Zeitschrift IV. Band. (4) Ciacecio: Sull’ origine e struttura dell’ umore vitreo. Rendiconto delle sessioni dell’ Accad. delle scienze di Bologna 1877—78. (5) Iwanoff: Ueber den Glaskörper. Striekers Handbuch und Graefe und Saemisch Handbuch der Augenheilkunde. (6) Heisrath: Ueber den Zusammenhang der vorderen Augenkammer mit den vorderen Ciliar-Venen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. XV. Band, 1878, (7) Kessler: Zur Entwikelung des Auges der Wirbelthiere. Leipzig 1877. (8) Kölliker: Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1879. (9) Kuhnt: Klinische Monatsblätter f. Augenheilkunde, 1879. (10) Lieberkühn: Ueber das Auge der Wirbelthierembryo, Cassel 1872. Beiträge zur Anatomie des embryonalen Auges. Archiv f. Anat. und Physiol., 1879. Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. . 177 (11) Merkel: Die Zonula ciliaris 1870, und Graefe und Saemisch: Hand- buch Band I. (12) Mihalkowiez: Ein Beitrag zur ersten Anlage der Augenlinse. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XI. (13) W. Müller: Ueber die Stammesentwickelung des Sehorgans der Wirbel- thiere. Leipzig 1875. (14) Remak: Untersuchungen. über die Entw. der Wirbelthiere Berlin 1854. (15) Sernoff: Zur Entwickelung des Auges. Centralblatt f. die med. Wissen- schaft. 1872 N. 13. (16) Schwalbe: Untersuchungen über die Lymphbahnen des Auges und ihre Begrenzungen. Archiv f. mikrosk. Anat. Band VI. (17) Virchow: Archiv für pathol. Anat. V, Band. (18) Waldeyer: Graefe und Saemisch: Handbuch Band I. Noten. Note 1. Remak (14), Kessler (7), Kölliker (8) behaupten, dass bei Hühner-Embryonen die vordere Wand der secundären Augenblase in unmittel- barer Berührung mit dem Hornblatt stehe. W. Müller (13), Ayres (2) Sernoff (15) sehen zwischen beiden eine Schichte vom mittleren Keimblatte. Für die Säuger äussert Kessler dieselbe Meinung, welche er für Hühner- Embryonen vertritt, während Mihalkowicez (12), Lieberkühn (10), Köl- liker, Ayres bei diesen Thieren beide durch eine Mesodermaschichte ge- trennt sein lassen. Die verschiedenen Meinungen, welche über dies Capitel geäussert wur- den, erklären sich daraus, dass die bisherigen Beobachtungen ihr Augenmerk weder auf das Verhalten der vorderen Gehirnblase, noch auf die beiden Sta- dien der primären Augenblase gelenkt haben. Note 2. Es ist bekannt, dass Virchow, Lieberkühn, Arnold, Mihalkowiez, Müller, Sernoff, Babuchin, Ayres annehmen, dass der Glaskörper aus einer Fortsetzung des mittleren Keimblattes entsteht. Kessler dagegen behauptet, dass er ein Transsudationsprodukt sei, welches dieselbe Natur wie die Körper-Lymphe besitze. Die Zellen, welche der Glas- körper enthält, sind farblose Blutkörperchen und Gefässsprossen. Ciaceio (4) schreibt: „Der Glaskörper ist kein Produkt der fixen Mesoderma-Zellen, wie Kölliker, Potechin und Andere behaupten, sondern ist ein Abkömmling der Wanderzellen, welche in den ersten Stadien der secundären Augenblase in einer Iymphähnlichen Flüssigkeit schwimmen.“ Die Meinung Kesslers muss ich bekämpfen, weil die erste Anlage des Glaskörpers aus einer Schichte des mittleren Keimblattes besteht und weil er ein anderes Aussehen wie die Körper-Lymphe zeigt. 178 A. Angeluceci: Note 3. Kölliker und Lieberkühn nehmen an, dass die Wand der secundären Augenblase zwei verschiedene Membranen eine Limitans primitiva retinae und eine Membrana hyaloidea besitze. Die erstere ist eine dünne Membran, welche die secundäre Augenblase umspannt und als Ausscheidungs- Produkt zu den Wandungen derselben gehört. Die zweite findet sich im Inneren der secundären Augenblase und ist als ein Abkömmling des Glas- körpers anzusehen. Kölliker glaubt, dass die Zonula-Fasern aus einer Differenzirung der Membrana hyaloidea und des vorderen Theiles des Glaskörpers entstehen. Lieberkühn sieht in der Zonula die Endigung der Membrana hyaloidea. Meine Beobachtungen gestatten mir nicht, mich der Meinung dieser beiden Forscher anzuschliessen. Note 4. Kessler beschreibt bei Hühner-Embryonen (4 Tage alt) eine homogene Lamelle, welche er Cornea propria nennt; dieselbe soll die erste Anlage der Hornhaut darstellen. Diese Cornea propria ist nach ihm ein Ausscheidungsprodukt des Hornblattes. Sie wächst von der Peripherie nach dem Centrum; am 5. Tage hat sie dies erreicht und trennt überall die vor- dere Fläche der Linse von dem Hornblatt ab. In dieser Zeit bekommt ihre Rückfläche eine Endothelial-Bekleidung. Nach dieser Periode, sagt er weiter, treten in diese homogene Lamelle die fixen Mesoderma-Zellen ein, breiten sich bis in ihre Mitte aus, lassen jedoch zwei Säume übrig, einen nach aussen in Berührung mit dem Epithel, einen nach innen in Berührung mit dem Endothel der Hornhaut. — Der erste wird zur Bowmann’schen Membran, der zweite zur Descemet’schen Haut. Lieberkühn (bei Hühner-Embryonen am 4. Tage) findet auf der vorderen Fläche der Linse eine Mesoderma-Schichte, welche einige Zellen enthält. Er bemerkt, dass wenn die Embryonen in Osmiumsäure gehärtet sind, diese Zellen sich zusammenziehen, ein Häufchen bilden und den Zusam- menhang mit der Schichte, in welcher sie enthalten waren, verlieren. Dies sind die Bilder, welche Kessler in seinen Figuren 8 und 9 gegeben hat; er deutet die in einen Haufen zusammengezogenen Zellen als Linsenstiel. Aus diesen Zellen, welche Kessler ohne spätere Bedeutung findet, lässt Lieberkühn sowohl das Endothel als die übrigen Mesoderma-Zellen der Hornhaut entstehen. Gegen die Einwanderung der fixen Mesoderma-Zellen in eine homogene Schichte spricht er sich entschieden aus. e Kessler findet in der Entwickelung der Hornhaut bei Säugern die- selben Vorgänge, welche er bei Vögeln angenommen hat. Die anderen Un- tersucher dagegen sind anderer Ansicht und zwar deshalb, weil sie die Ein- wanderung der fixen Mesoderma-Zellen in die Cornea propria nicht bestätigen können; alle aber nehmen die beiden structurlosen Membranen der Hornhaut als identisch an und leiten sie von der Zwischen-Substanz der Cornea ab. In einigen Präparaten verschiedener Hühner-Embryonen (3 oder 4 Tage alt), welche in Osmiumsäure gehärtet waren, habe ich auch dieselbe Anhäu- fung von Zellen, wie sie Lieberkühn beschreibt, vor der äusseren Linsen- Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertobraten. 179 fläche liegend gefunden. Diese Zellen gehören nicht zum Linsenstiel, Bei denselben Präparaten fiel auf, dass der Theil der ersten Hornhaut-Anlage, welcher in nächster Berührung mit dem Hornblatt war, sich dunkler gefärbt zeigte, als der Theil, welcher auf der vorderen Linsenfläche lag. Dies ist das Bild, welches Kessler in seiner Figur 8 wiedergegeben und so gedeutet hat, wie es hier- neben dargestellt ist, e Cornea pro- pria, VK Vorder- kammer. — Das Nichtvorhanden- sein der Vorder- kammer in dieser Fig. 8 Kessler, Periode und die eben mitgetheilte Beschreibung beweisen, dass die Schichte, welche Kessler Cornea propria genannt hat, ein Theil der Mesoderma-Schichte ist, welche die erste Anlage der Hornhaut darstellt. Sie sieht nur in ihren beiden Theilen verschieden aus, was auf die Einwirkung der Osmiumsäure zurück- zuführen ist. Die Zellen, welche in der ersten Anlage der Hornhaut bei Hühner- Embryonen enthalten sind, werden von Babuchin, Sernoff, Lieberkühn als die Erzeuger sämmtlicher Zellen der Hornhaut (ausser dem Epithel) gedeutet; dieselben sind jedoch Wanderzellen und können eine so hohe Be- deutung nicht haben. Die Lieberkühn’sche Fig 8, durch welche er darstellen will, dass die Zellen der Hornhaut aus dem Endothel entstehen, be- weist dies nicht. Meine Figu- l Fig. 8 Lieberkühn. Meinung des genannten For- ren’19 und 20 widerlegen diese schers. Zu den Präparaten, welche diesen Figuren zu Grunde liegen, möge folgende Erläuterung dienen. Die Hühner-Embryonen, welchen ich die beiden Präparate entnommen habe, wurden von mir in ein Gefäss mit Osmiumsäure-Lösung gelegt; der Lösung war jedoch so wenig, dass die Embryonen nur zur Hälfte mit Flüs- sigkeit bedeckt waren. Nachher legte ich beide in schwachen Alkohol. Bei dieser Behandlung wurde nun die eine Hälfte schwarz und hart, die andere dagegen blieb ziemlich weich und braun. — Zu der ersten gehört meine Figur 192, zur zweiten die Figuren 19 und 20. Wenn der Leser meine Figur 192 mit der hier wiedergegebenen Lie- berkühn’schen Abbildung vergleichen will, wird er vielleicht die Ueberzeu- gung bekommen, dass wenn Lieberkühn derselbe Zufall passirt wäre wie mir, er vielleicht zu einer ganz anderen Ansicht gelangt sein würde. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 13 180 A. Angelueei: Note 5. Ayres giebt an, dass die Vorderkammer bei Säugethieren in mehreren Löchern ihren Anfang nimmt, welche die Hornhaut von der Membran trennen; er meint, dass diese Löcher dem bekannten Process der Cysten-Bil- dungen ihre Entstehung verdanken. Note 6. Für die ältere Literatur über die Zonula ciliaris verweise ich auf die bekannten Arbeiten von Heiberg und Schwalbe und berücksichtige nur die Literatur der letzten Jahrzehnte. Schwalbe (15) glaubt mit Brücke und H. Müller, dass der Petiti- sche Canal zwischen der Zonula und der Membrana hyaloidea gelegen sei. Er behauptet hekanntlich, durch Injectionen von Berliner Blau in die Vorder- kammer den Petitischen Canal gefüllt zu haben. Merkel (11) leugnet die Existenz einer Membrana hyaloidea und findet keine Spalte in der Zonula, welche dem Petitischen Canal entsprechen könnte. Iwanoff (5) legt den Petitischen Canal zwischen die Zonula und den Glaskörper. Schwalbe lässt die Fasern der Zonula aus der Membrana hyaloidea, Merkel aus der Membrana limitans, Iwanoff aus dem vorderen Theile des Glaskörpers entstehen. Merkel und Iwanoff sind noch einmal auf diese Frage zurückge- kommen; der Erstere erklärt, dass, wenn eine Spalte zwischen Glaskörper und Zonula gefunden wird, diese nur als cadaveröse Erscheinung betrachtet werden kann. Iwanoff führt dagegen keine genügende Gründe an und stützt sich hauptsächlich auf die Resultate von Schwalbe. Kuhnt machte kürzlich eine Mittheilung, in welcher er eine neue Endothe- lialhaut beschreibt. Dieselbe soll auf der inneren Fläche der Iris und auf der vorderen Fläche der Zonula liegen. Ich habe die ebengenannten Theile versilbert aber keinen Endothelial-Belag dort gefunden. Die Versilberungs - Methode wurde, wie es scheint, von Kuhnt nicht angewandt. Note 7. Die alte Literatur, welche den Schlemm’schen und Fontana’- schen Raum betrifft, ist schon in verschiedenen anderen Abhandlungen gege- ben worden. Ich verweise hier auf die Arbeiten von Haase, Pelenchin, Iwanoff und Rollet. Schwalbe sagt in seiner Arbeit über die Lymph - Bahnen des Auges und ihre Begrenzung, dass das Ligamentum pectinatum und die äussersten Balken des Fontana’schen Raumes, welche in den Ciliar-Muskel hineinstrahlen, die peripherische Auflösung der Membrana Descemetii darstellen. Ausserdem glaubt er, dass der sogenannte Schlemm’sche Canal ein Lymphsinus sei, wel- cher einerseits in offener Communication mit dem Fontana’schen Raum, ande- rerseits mit einigen skleralen Blutgefässen, welche in ihn einmünden, in Ver- bindung steht. Lösungen von Berliner Blau in die Vorderkammer eingeführt, drangen nach ihm mit Leichtigkeit in die vorderen Ciliar-Venen, was ihn zu der ebengenannten Annahme brachte. Dr Ueber Entwickelung und Bau des vorderen Uvealtractus der Vertebraten. Waldeyer (17) und Heisrath (6) theilten die Meinung Schwalbe’s vollständig?). Erklärung der Tafeln VII, VIIL, IX. a vordere Wand der Augenblase Is Ligamentum suspensorium. (Retina). l Linse. ca _Vorderkammer. m Mesoderm. cam Campanula. mb Bowman’sche Membran. cm _Medullarrohr. me Ciliarmuskel. cp Cornea propria (Erste Anlage mei Sehne des Ciliarmuskels. der Hornhaut) md _Descemet'sche Membran. cf Fontana’scher Raum. mlr Membrana limitans retinae. efpi Erste Anlage des Fontana’schen md Pupillar Membran. Raumes. p Balken der Ciliarfortsätze. cs Schlemm’scher Canal. pe Ciliarfortsätze. cv Glaskörper. pf Processus faleiformis. e Endothel der Hornhaut. pi Augenblasenstiel. em _Wanderzellen. sc Sklera. ep Hintere Wand der Augenblase v Blutgefässe. (Epithel der Retina). vca Vordere Gehirnblase. fe Hornblatt. vem Mittlere Gehirnblase. fso Wand der G£&hirnblase. vcp Hintere Gehirnblase. i Iris. vop Primäre Augenblase. ip lrisfortsätze. vos Secundäre Augenblase. Im Lamina argentea. 2 Zonula ciliaris. Ime Ligamentum musculo-ciliare. Fig. 1. Gehirnblasen eines Hühnerembryo (vom 2. Tage). Fig. 2. Erste Anlage der primären Augenblase (Hühnerembryo vom 2. Taye). Fig. 3. ZweitesStadium der primären Augenblase (Hühnerembryo vom 3. Tage). Fig. 4. Bildung der secundären Augenblase (Hühnerembryo). Fig. 5. Gehirnblasen eines Kaninchenembryo (8 Tage alt). Fig. 6. Erste Anlage der primären Augenblase (Kaninchenembryo vom9. Tage). Fig. 7. Zweites Stadium derselben (vom 10. Tage). Fig. 8. Bildung der secundären Augenblase (Kaninchen vom 11. Tage). Von Fig. 1 bis Fig. 8 sind Frontalschnitte gezeichnet. Fig. 9. Horizontalschnitt der secundären Augenblase (Hundeembryo 7mmlang). 1) Da die vorliegende Arbeit bereits im März des Jahres abgeschlos- sen war, so konnten die später über die behandelten Dinge erschienenen Publicationen nicht mehr vom Verfasser berücksichtigt werden. 10. Dec. 1880. Fr. Merkel. 182 Fig. A. Angelucei: Ueb. Entw. u.Bau d. vorder. Uvealtractus d.Vertebraten. 10. Augenblasenstiel (Kaninchenembryo vom 12. Tage). Frontalschnitt. Der Raum, welcher zwischen dem Glaskörper und der vorderen Wand der secundären Augenblase sich befindet, ist als ein Kunstproduet zu betrachten. . 11. Erste Anlage der Hornhaut (Kaninchenembryo 13 Tage alt). 12. 13. Erstes Stadium der Hornhaut und der Membrana limitans reti- nae. (Hühnerembryo vom 4. Tage). . 14. Membrana reticularis (Schweinsembryo 20 mm lang). . 15. Erste Anlage der Pupillarmembran (Kaninchenembryo vom 15. Tage). ie. 16. Augenblasenstiel eines Schweinsembryo 18 mm lang. . 17. Erste Anlage des Endothels der Hornhaut (Hühnerembryo vom 6. Tage). . 18. Bildung der Hornhaut bei Säugethieren (Schweinsembryo 20mm lang). . 19. 192, 20. Bildung der Hornhaut bei Hühnerembryonen vom 8. und 9. Tage. . 21. Erste Anlage des Ciliarmuskels (Hühnerembryo 10 Tage alt). . 22. Bildung der vorderen Kammer bei Säugern. (Schweinsembryo 23 mm lang). . 228, Zonula. Erste Anlage des vorderen Uvealtractus bei Säugern. (Rinds- embryo 90 mm lang.) Fig. 23. Weitere Entwickelung desselben. Fig. 24. Menschl. Embryo im 4. Monate Entwickel. des vorderen Uvealtractus. Fig. 25. » > 6. D D > D 2 Fig. 26. » »..19! » » » » » Fig. 27. Hühner-Embryo am 13. Tage » » » » Fig. 28. » » 16. » » » » » Fig. 29. » » 19. » » » » » Fig. 30. Vollständige Entwickelung der Zonula ciliaris (Kalbsembryo 27 cm lang). Fig. 31. Vorderer Uvealtractus eines erwachsenen Menschen. Fig. 32. Vorderer Uvealtractus eines erwachsenen Pferdes. Fig. 32a, Iris-Anheftung beim Pferde. Fig. 33. Vorderer Uvealtractus des Affen (Cercopithecus inuus). Fig. 34. Vorderer Uvealtractus des Hundes. Fig. 34%, Iris-Anheftung desselben. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 35. Vorderer Uvealtractus bei Python bivettatus. 36. » » » KRana esculenta. 37. » » » Testudo. 38. » » » Petromyzon fluviatilis. 39. Vorderer Theil des Auges eines Knochenfisches (Esox lueius). 39%, Sagittalschnitt des vorderen Uvealtractus desselben. 40. » » » >» des Cyprinus erythrophthalmus. 41. » » » » des Gadus callarias. 42, >» » » » des Triton. 0. Pertik: Untersuchungen über Nervenfasern. 183 Untersuchungen über Nervenfasern. Von Dr. Otto Pertik, Assistenten am anatomischen Institute zu Strassburg. Hierzu Tafel X. I. Myelin und Nervenmark. Im Nachfolgenden sollen die Resultate der Studien über den Bau und die Eigenschaften der peripheren und centralen Nervenfasern mitgetheilt werden, welche ich im vergangenen Jahre im Institute des Herrn Professors Waldeyer angestellt habe. Bei dem Umfange, welchen die Darstellung, sollte sie alle schwe- benden Fragen berücksichtigen, gewinnen musste, scheint es zweck- mässig, namentlich mit Rücksicht auf die Publication in einer Zeit- schrift, das Manuseript in einzelnen Capiteln zu veröffentlichen. Es soll zuerst das Nervenmark und die Markscheide, dann der Axencylinder besprochen und daran ein Abschnitt über die Dege- nerationsvorgänge der letzteren angeschlossen werden. Bekanntlich muss das Nervenmark, trotz der regen Thätig- keit, welche. sich auf dem Gebiete der Histologie der markhaltigen Nervenfasern in letzter Zeit kund gibt, noch immer als ein schwer verständlicher Bestandtheil derselben bezeichnet werden. Die Ent- deekung Lanterman’s, welche zum Ausgangspunkte einer grösseren Zahl neuerer Untersuchungen diente, konnte nämlich als rein ana- tomische Thatsache zur Klärung der Meinungsverschiedenheiten kaum etwas beitragen, welche über die Eigenschaften und das verschiedene Verhalten des Nervenmarks seit Henle fortbestehen. Ein kurzes Resum& mag an die noch schwebenden Controvers- punkte erinnern. Nach der globulären Theorie, deren Anhänger auch Bichat gewesen, stellte, wie bekannt, Henle die Lehre der Markge- 184 0. Pertik: rinnung auf, welche er zuerst in seiner allgemeinen Anatomie (1841) und ausführlich in den Canstatt-Eisenmann’schen Be- richten (1844) zu begründen suchte und die ihren Hauptzügen nach übrigens schon bei Leeuwenhoek!) sich vorfindet. Die mark- haltige Nervenfaser ist nach Henle’s Lehre im lebenden Zustande ein ganz homogenes, glasstabartig durchsichtiges, einfach contou- rirtes Gebilde, dessen flüssiges Mark nach dem Tode oder nach Entfernung aus dem lebenden Organismus unmittelbar gerinnt. Die Gerinnung schreite von der Peripherie nach dem Centrum vor und soll unvollständig oder vollständig sein können. Im ersten Falle bewirke die geronnene peripherische Schicht den doppelten, dunkeln Contour; der minder lichtbrechende Centralstreifen ent- spreche hingegen dem noch nicht geronnenen Marke. Der Process, welcher desto schneller gegen die Axe vordringe, je kälter und an Albuminaten ärmer die Zusatzflüssigkeit ist, erstrecke sich end- lich auf die ganze Dicke der Faser (l. e. pg. 623). Des Vorzuges wegen, dass diese Lehre die postmortalen und durch Reagentien bewirkten, morphologischen Veränderungen des Nervenmarkes einheitlich erklärte, wurde sie, trotz mancher Be- denken, die gleich Anfangs von Hannover, Bidder, Mulder und Stilling?) erhoben wurden, später allgemein als richtig be- funden und in jedes Lehrbuch aufgenommen. So die letzten Aus- gaben Frey’s, Kölliker’s, Krause’s, auch Schwalbe’s Neuro- logie (1850 pag. 292). Von neueren Autoren ist es hauptsächlich Kuhnt?), welcher sie auf Grund eigener Untersuchungen vollkommen bestätigt. Auch Ravitz*) fand, dass die mit dem Holmgren’schen Apparate un- tersuchten Lungennerven des lebenden Frosches unter seinen Augen ihr glasstabartiges Aussehen verloren und die doppelten Contouren sich ausbildeten, sobald er das Thier tödtete. Ueber die Ursache dieser Erscheinung gibt er jedoch keine genaueren Aufschlüsse. 1) Anatomia seu etc. etc. ab Antonio Leeuwenhoek Lugduni Batav. 1687. 4. pe. 38, 39. 2) S. die betreffenden Citate bei Stilling: „Neue Untersuch. über den Bau des Rückenmarks“. Cassel 1859, pg- 751—754. 3) „Die peripherische markhaltige Nervenfaser“, Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIII, pg. 450. 4) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1879, pg. 60—61. Untersuchungen über Nervenfasern. 185 Ranvier!) hingegen sah die Froschlungennerven bei gleicher Untersuchungsmethode vom Anfange der Beobachtung an stets doppelt eontourirt und verwirft desshalb die Lehre der Markge- rinnung. Er gibt aber keine Erklärung der postmortalen und der durch Reagentien auftretenden Markveränderungen, welche doch die Gerinnungslehre bis heute rechtfertigten; daraus mag wohl erklärt werden, dass seine Einwendungen gegen dieselbe ziemlich unbe- rücksichtigt blieben (S. 1. ec. der Sch walbe’schen Neurologie ete.). An die Frage nach der Markgerinnung schliesst sich die- jenige des Markstromes an, welchen als specifische Wirkung des Wassers auf Nervenmark eingehender zuerst Boll?) und Ran- vier?) — ohne die eigentliche Ursache desselben anzugeben — beschrieben; dann Rumpf‘) denselben in 0,1 °/, Kalilauge, Essig- säure und Moleschott’scher Flüssigkeit noch intensiver werden sah, während Hesse?°) nachwies, dass ausser gewissen Wärmegraden und den Alkalien derselbe auch bei einer ganzen Reihe von Salzen und Säuren gewisser Concentration auftrete und gegen Rumpf betonte, dass die Erscheinung ausschliesslich aus dem Quellen des Axeneylinders unerklärlich und in das Mark selbst zu verlegen sei. Die feinere Struktur des Nervenmarkes betreffend, soweit sie mit diesem Abschnitte unserer Untersuchungen in Verbindung steht, sei hier nur an die Stilling’sche Lehre *) der Elementarröhrehen von Yısoo—Vso00“ Durchmesser erinnert, deren Caliber wie Inter- stitien mit einer Ölartigen Flüssigkeit (eigentliches Mark) gefüllt wären. Diese Lehre, später ziemlich vergessen, wurde in letzter Zeit bekanntlich durch die Untersuchungen von Ewald und Kühne?) zum Theil erneuert, welche die Balken ihrer Hornschei- den den Stilling’schen Elementarröhrchen annähernd gleichstellten, während Lanterman?°) auf Grund gelungener Osmiumbilder, Me. 1) „Legons sur Y’histologie du systö&me nerveux*. Tome I, pg. 98—101. 2) Archiv für Anatomie und Entwicklungsgesch. 1877, pg. 297. 3) 1. c. pg. 33—34. 4) „Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders“. Unters. des phys. Instituts der Universität Heidelberg. Bd. II, Heft 2, pg. 150—158. 5) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1879, pg. 341. 6) 1. c. pag. 736—751 und „Ueber d. Bau d. Nerv. prim. Faser u. d. Nerv.-Zellen. Frankfurt a. M. 1856, pg. 9. 7) „Ueber einen neuen Bestandtheil des Nervensystems“. Verhandlungen des naturhist.-mediein. Vereins zu Heidelberg. Neue Folge Bd. I, Heft 5. 8) Dieses Archiv Bd. XIH, pg. 1. 186 O0. Pertik: CGarthy!) nach Präparaten, welehe mit einfach chromsaurem Am- moniak behandelt waren, für eine stäbehenförmige, H. D. Schmidt?) für eine unter der Schwann’schen Scheide befindliche fibrilläre Markschicht sich entschieden. Eigenthümlicherweise hat das unzweifelhaft beste Reagens für markhaltige Nervenfasern, die Osmiumsäure, zur Klärung der Frage nichts beigetragen; vielmehr ist die Mannigfaltigkeit der mit diesem Reagens darstellbaren Bilder unerklärt geblieben und hat selbst in allerletzter Zeit zu manchen Irrthümern geführt (z.B. Golgi’s und Rezzonieco’s Arbeiten [1880] a. a. O.). Die Fragen, welche sich heute an das Nervenmark resp. die Markscheide bezüglich ihrer allgemeinen Eigenschaften und ihres Verhaltens gegen gewisse Reagentien knüpfen, möchten hauptsächlich folgende sein: In wie weit ist die Lehre von der Markgerinnung berechtigt? Was ist das Wesen der Zersetzungsbilder, Strömungserscheinungen und postmortalen Phänomene? Wie steht es mit der Erklärung der Osmiumbilder? Endlich, gibt es, und wenn ja, welchen Zu- sammenhang zwischen den besagten Erscheinungen? Sind schon diese Fragen bis jetzt nicht oder nur un- genügend beantwortet worden, so musste doch letzterer Punkt besonders berücksichtigt werden, da eben eine einheitliche Er- klärung der besagten Erscheinungen noch immer mangelt und wurde auch die Frage über einen etwaigen Zusammenhang schein- bar so heterogener Erscheinungen, wie sie die Osmiumbilder, Ge- rinnungsphänomene, Markstrom und Zersetzungsbilder darstellen, überhaupt nicht aufgeworfen. Im Laufe unserer Studien drängte sich nun die Ueberzeugung auf, dass die Untersuchung des Nervenmarkes an und für sich auf den richtigen Weg zu einer Erklärung dieser Dinge nicht führen könne, dass es vielmehr unentbehrlich sei, zunächst über die Frage ins Reine zu kommen, welche Erscheinungen das sogenannte Vir- chow’sche Myelin bei Behandlungen, wie wir sie für die Nerven- fasern anwenden, zeige und welche die Aehnlichkeiten bezw. Un- 1) „Some remarks on spinalganglia and nerve-fibres“. Quaterly Journal of mieroscopical science 1875, pg. 380. 2) „On the construction of the dark or doublebordered nerve fibre*. Monthly Microscopical Journal May 1874, pg. 200. Untersuchungen über Nervenfasern. 187 terschiede zwischen dem Virchow’schen Myelin und dem Nerven- marke seien. — Diese Fragen wurden in der Histologie, wo über Mark- oder Myelinscheide ohne Berücksichtigung jener Fortschritte discoutirt wurde, welche die Angelegenheit hauptsäch- lich auf chemisch -physikalischem Gebiete aufzuweisen hat, über- sehen. Es musste hiermit die sog. Myelinfrage im Allgemeinen in den Bereich unserer Studien gezogen werden. Bekanntlich fand Virchow!) im Jahre 1854 im abgeschabten Safte der Schnittflächen phthisischer Lungen und an andern Ob- jeeten einen durch charakteristische mikroskopische Formen aus- gezeichneten Körper, den er dann durch Alkoholextraetion auch aus der Milz, Schilddrüse, Eiter, Eidotter ete. darstellte und mit Meckel’s?) „Speckstoff“ und dem Nervenmarke gemeinschaftlich Myelin benannte. — Die neue Benennung wurde nach Virchow nothwendig, weil diese Substanz im Inneren der Gewebe auch frei vorkommt und weder mit der Cerebrinsäure oder Oleophosphor- säure Fremy’s noch mit dem Leeithin und Cerebrin Gobley’s und überhaupt mit dem phosphorhaltigen sog. ‚Gehirnfette zu identifieiren war. So wurde das Myelin als ein durch eigen- thümliche mikroskopische Formen ausgezeichneter chemischer Körper hingestellt, obschon Virchow betonte, dass es wahr- scheinlich ebensowenig ein einfacher Körper sei, wie etwa Fibrin oder Syntonin. Virehow’s Entdeckung regte nach zwei Richtungen hin zu neuen Untersuchungen an. Einmal vermehrten sich die Fundorte des Myelins und zweitens beschäftigte man sich auf chemischem Gebiete eingehend mit der Frage, in wie weit die chemische Indi- vidualität des Myelins berechtigt sei, oder, wenn es ein zusammen- gesetzter Körper wäre, was seine wesentlichen Substrate seien? Nach Mettenheimer?°), der es in Linsen normaler und kranker Augen fand, wies es Benecke‘) auch in Alkoholäther- extracten von Pflanzentheilen nach, und da er dabei das Choleste- rin nie vermisste, betrachtete er letzteres als das wesentliche Sub- strat des Myelins. 1) Sein Archiv Bd. VI. 2) Annalen der Charite, Bd. 4, pg. 269. 3) Correspondenzblatt des Vereins f. gemeinsch. Arb. Nr. 31, pg. 467. 4) „Studien über d. Vorkommen v. Gallenbestandtheilen“. Giessen 1862. 188 OÖ. Pertik: Benecke’s Satz: „Ohne Cholesterin kein Myelin“ wurde aber durch die Arbeiten Liebreich’s!) alsbald erschüttert, der nicht nur Cholesterin-, sondern auch phosphorfreie Myelinformen dar- stellte, aber zwischen diesen und seinem Protagon noch immer einen Zusammenhang vermuthete. Die neuesten Arbeiten Benecke’s?) und hauptsächlich Neu- bauer's°’) entschieden endgiltig die Frage. Ersterem gelang es aus Cholesterin und Seifenwasser, letzterem mittelst Ammoniak sowohl aus Oel- als Caprin- und Caprylsäure die für das Myelin charakteristischen, mikroskopischen Formen zu gewinnen. — Das Myelin wurde hiermit aus der Reihe der chemischen Körper ge- strichen und in die Klasse der physikalischen Erscheinungen ein- gereiht. ; Von diesen Gesichtspunkten aus wiederholten wir nun zuerst die Versuche Virchow’s und setzten sie dann sowohl am Nerven- marke als auch an Virchow’schen Extracten in systematischer Parallele weiter fort. Es werden also im Folgenden behandelt werden: A) Orientirungsversuche über das Virehow’sche Myelin. B) Parallelversuche über das Verhalten, | 1. Wasser, einerseits des Virchow’schen Mye- Bi Säuren, lins, andererseits des Nervenmarkes, | 3. Alkalien, zu: 4. Salzen. a) Charakter der Myelinformationen des Nervenmarkes, C) Einzel-Besprechungen [ b) Intensität der Entwickelung von und Schlussfolgerun- Myelinformationen (Zersetzungs- gen und zwar: bilder, Markstrom), c) Postmortale Veränderungen und Markgerinnung. Ferner aus noch zu erwähnenden Gründen als hierher gehörend: D) Die Osmiumbilder, und E) Das Horngerüst der Markscheide. 1) „Ueber chem. Beschaff. d. Gehirnsubstanz“. Annalen d. Chemie und Pharmacie Bd. 134, pg. 29, und „Ueber Entstehung der Myelinform“. Fre- senius Zeitschrift f. analyt. Chemie. Bd. 4, pg. 173. 2) Archiv des Vereins f. wissensch. Heilkunde von Vogel u. Benecke I. Bd. pg. 379. 3) Ueber d. Myelin. Zeitschr. f. anal. Chemie, Bd. 6, pg. 189. Untersuchungen über Nervenfasern. 189 A) Orientirungsversuche. Es dienten dazu die Virchow’schen Extraete (Virchow’s Myelin). Man stellt sie am einfachsten dar, indem man das von Bindegewebe befreite und fein zerkleinerte Parenchym eines Or- ganes mit Wasser gut zerreibt, darin 24—36 Stunden macerirt, dann filtrirt, den Rückstand mit Alkohol über dem Wasserbade auskocht, im heissen Zustande nochmals filtrirt und das Filtrat bis zur Syrupconsistenz eindickt!). Einfacher ist das Verfahren mit Eidotter; nach Zerreiben mit starkem Alkohol wird das goldgelbe Filtrat eingedickt. Man be- kommt dann eine gelbe, zähe Flüssigkeit, die sich am Gefässe als schmierige Masse in Ringen absetzt, an ihrer Oberfläche aber ein perlmutterglänzendes Häutehen abscheidet. — Am meisten muss zu unsern Versuchen eben das von Gewebsresten nicht verunrei- nigte Extract des Eidotters empfohlen werden. Das künstlich dargestellte Myelin wurde untersucht: 1) ohne Reagens, 2) durch direete Beobachtung der im Momente des Ein- wirkens verschiedener Reagentien am Rande einer kleinen Extraet- scheibe auftretenden Erscheinungen, 3) durch Beobachtung der dauernderen Einwirkung, wozu man das Deckgläschen an seinen Ecken mit Paraffin (besser Graveurlack) fixirt und daran behufs weiterer Orientirung mit Tintenpunkten die Peripherie der Scheibe bezeichnet und das Präparat dann in feuchter Kammer aufbewahrt, 4) Bei direetem Zusammenreiben des Untersuchungsmaterials mit den Reagentien, 5) bei Einwirkung anderer Reagentien auf die bereits mit Wasser (nach 2)) behandelte Extractscheibe. Es lässt sich nun an dem Virchow’schen Myelin Folgendes beobachten: 1. Der bei der Bereitung an der Abdampfungsschale sich absetzende, halb eingetrocknete Theil des Extractes besteht aus einer von Wellenlinien durchsetzten, gelben Grundsubstanz, in der sich feine Körnchen, auch homogene, mehr opake Körperchen vor- finden; er enthält aber keine charakteristischen Myelinformen. 2. Das perlmutterglänzende Häutchen besitzt schon solche, 1) Nebenbei sei es erwähnt, dass aus dem menschlichen Hoden und der Nebenniere, aus denen Virchow es nicht darstellte, gleichgutes Material ge- wonnen wurde, 190 0. Pertik: die aber die ungewöhnliche Grösse und Gedunsenheit der Formen des heiss untersuchten, noch zähen Extractes nicht erreichen. 3. Wird letzteres durch längeres Stehen an der Luft zu schmieriger, festweicher Consistenz eingetrocknet, so verschwinden daraus die Myelinformationen. 4. Zieht man ein aus dem festweichen Extraet ohne Reagens angefertigtes Präparat ein bis zweimal über eine kleine Aleohol- flamme vorsichtig hinweg, so quillt die Masse augenscheinlich. Es scheiden sich punkt- oder stecknadelkopfgrosse Bläschen aus, an deren Peripherie mehr parallele, in ihrer Ebene aber zu sehr mannigfachen Maschen angeordnete fadenförmige Myelinformationen sich vorfinden. 5. Behandelt man das von Myelinformen freie, halb einge- diekte Material (Eidotterextraet) — nach 2) — mit Wasser, so bilden sich im Momente der Berührung an der ganzen Peripherie der Extractscheibe kleine, gelbliche Beulen, die mit messbarer Geschwindigkeit und wurmartiger Bewegung zu homogenen oder mit einer different lichtbrechen- den Axe versehenen keulen- oder schlauchförmigen Gebilden heranwachsen. An ihrer Peripherie spalten sie sich alsbald in concentrische, mantelartig das Centrum umhüllende, lamellöse Schichten, die im optischen Längsschnitt das Bild feiner Fibrillen darstellen. Da an ihrer in der Extractscheibe wurzelnden Basis ein stetiges Nachwachsen statt hat, so häufen sich die nachrücken- den Partien am Ende der Keulen in der Weise an, dass am Ende der 2.—3. Stunde sich ganz regelmässig Formen vorfinden, welche an einem Stiel einen aus zusammengeschlungenen Schläuchen ge- bildeten Kolben tragen. — Der auf diese Weise sich an der ganzen Peripherie der Extraetscheibe entwickelnde Myelinkranz manifestirt sich schon dem blossen Auge durch seine radiale Strichelung und eigenthümliche Blässe. 6. Modifieirt man diesen Versuch derartig, dass man einen Tropfen des mit wenig Wasser zu kleisterartiger Consistenz zer- riebenen Extraetes unter dem Deckgläschen eintrocknet, so ent- stehen durch Wasserzusatz an der gesammten Peripherie abermals die beschriebenen Formationen. Aus diesen Beobachtungen ist es erklärlich, wesshalb Virchow in dem der weiteren Eindiekung unterworfenen, heissen Extracte die Myelinformen nie vermisste und in denselben eine wesentliche Untersuchugen über Nervenfasern. 191 Eigenschaft seines Myelins erblickte. Das Extract enthält sie eben in desto grösserer Zahl und Form, je feuchter und zugleich heisser es ist. , Die in Rede stehenden Extraete — das Virchow ’sche Myelin — sind hiemit solche Substanzen, welche die Fähigkeit besitzen auf gewisse Einwirkungen diese eigenthümlichen Formen anzunehmen. Es wäre räthlich diese Eigenschaft gewisser Körper als „myelinogene“ zu bezeichnen und für jene Formen den Namen „Myelin“ „Myelinformen“* oder „Myelinformationen“ bei- zubehalten. Morphologisch genommen ist der Uebergang myelino- sener Substanzen in Myelinformen durch ein ungleich- mässiges Quellen, welches die verschiedensten Formen bewirkt und mit einer gewissen Bewegung einhergeht, dann durch Licht- breehungsmodification und im weiteren Verlauf durch Aufspaltung in feine mehr oder weniger concentrische Schichten charakterisirt. Setzt man nun die myelinogenen Substanzen und das Nerven- mark gleichen Einwirkungen aus, so können die Veränderungen ersterer zur Beurtheilung der am letzteren auftretenden als Kri- terium benutzt werden: — denn wenn Rumpf (l. e.) von ge- ronnenen, erstarrten Markschollen, Ranvier von Fäden des Nervenmarkes spricht, deren Natur betreffend er auf weitere Unter- suchungen hinweist, Boll das Nervenmark protoplasmatischen Elementen annähernd gleichstellt u. s. w., so scheint der subjee- tive Standpunkt auch neuester Autoren und die Nothwendigkeit eines objectiven Kriteriums genügend erwiesen. Dieser Anforderung sollen nun entsprechen unsere B. Par allelversuche. 1. Wasserwirkung. Lässt man Wasser bei fixirtem Deekgläschen in der feuchten Kammer auf eine dünne Scheibe der myelinogenen Extracte längere Zeit einwirken, so nimmt zuerst der früher beschriebene periphere Myelinkranz an Breite zu, indem die einzelnen Formen zu langgestielten Kolben heranwachsen. Der Stiel der letzteren zeigt ziemlich dicht stehende, aus feinen Fäden gebildete Anschwellungen, 192 0. Pertik: die, wenn einzelne ihrer Fäden zerreissen, an aufgefaserte Spitzen der Lanterman’schen Glieder erinnern. — An den Kolben geht ein weiteres Schwellen mit Aufspaltung in concentrische Blätter an der Peripherie Hand in Hand, wobei die im optischen Längs- schnitt den letzteren entsprechenden feinen Fäden Anfangs den eigenthümlichen Myelinglanz besitzen und regelmässige, convexe Linien beschreiben. Nach 24 Stunden zeigt das Präparat schon makroskopisch drei Schichten. Die äussere bildet eine nur bei schiefer Beleuch- tung gut sichtbare verschwommene Wolke; die mittlere ist der radial gestreifte Myelinkranz; die innere der centrale Rest der Extractscheibe. Mikroskopisch enthält auch letztere stark gequollene, homo- gene Myelinformationen, welche gegen die Peripherie in schmälere bandartige Gebilde übergehen. — Der Myelinkranz zeigt aber ein Bild, wie es Fig. 1 wiedergibt. — An Stielen verschiedener Länge sitzen dicht aneinander gepresst länglich ovale Keulen, deren Pe- ripherie aus gröberen, ihr Körper aus zarten Fäden gebildet wird, welche sich von den frisch entstandenen durch ihren eigenthümlichen harten Glanz und wellenförmig gekräuselten Verlauf unterscheiden; — letzterer dadurch bedingt, dass die einzelnen Mantelschichten stellenweise unterbrochen — discontinuirlich — wurden und da- durch sich in Falten legten. Durch diese Continuitätsunterbrech- ungen ihrer Schichten werden endlich die Kolben (zunächst immer die an der Peripherie unmittelbar mit dem Wasser in Be- rührung stehenden) zu offenen becher- oder kelchförmigen Ge- bilden, die in ihrem Centrum theilweise schon aus ganz verflüssigter, zäher, hyaliner Masse zu bestehen scheinen. Die äussere, wolkenartige Schicht besteht gleichfalls aus ganz homogener, verflüssigter Masse — (entleerter Inhalt der becherar- tigen Gebilde) — welche dunkeleontourirte, hyaline Klumpen, spär- liche kleinere Körnchen und Gruppen krystallähnlicher Körper !) führt. 1) Es finden sich scheinbar dem regulären und rhombischen Systeme angehörig, dicht aneinander gereiht, die verschiedensten Formen, deren geringe Beständigkeit gegen ihre Krystallnatur spricht. Die Kanten runden sich nämlich sehr leicht ab und gehen sie dadurch in die erwähnten hyalinen Klumpen über. Untersuchungen über Nervenfasern. 193 Das Wasser überführt hiemit die myelinogenen Extracte ziem- lieh schnell in gleichmässig und bedeutend heranwachsende Mye- linformationen, die sich neben vermittelnder Schiehtenspaltung, wie es scheint, zuerst im Centrum verflüssigen. Die Myelinforma- tionen sind hier nur Gestalten, unter denen die Verflüs- sigung der myelinogenen Extracte sich vollzieht. (Färbe- mittel sollen über Einzelheiten des Vorganges noch weitere Auf- schlüsse geben.) Auch ist zu erwähnen, dass der besagte Glanz und der gekräuselte Verlauf für die im Zerfliessen begriffenen Fäden (resp. Mantelschichten) charakteristisch ist, — ein Verhält- niss, das sich am Nervenmark wiederholt und zu Missdeutungen Veranlassung gegeben hat. Was nun den Parallelversuch, die Einwirkung des Wassers auf das Nervenmark anlangt, so waren es in chronologischer Reihenfolge Boll, Ranvier, Rumpf, Ravitz und Hesse, die in ihren bereits eitirten Arbeiten dieselbe zum Gegenstande ge- nauerer Untersuchungen machten; doch wurde eine Erklärung der Erscheinungen nicht gegeben, auch einzelne Details von gewissem Interesse sind übersehen worden und sollen desshalb im Folgen- den hauptsächlich diese Punkte berücksichtigt werden. Untersuchungsobjeet war bei allen Parallelversuchen der frische Froschischiadieus. Da bekanntlich das ohne Eröffnung der Nervenscheide vorgenommene Zerzupfen die Elemente zu Grunde richtet, verfuhren wir in der Weise, dass der eine Ast des in der Kniekehle sich theilenden Ischiadieus daselbst durchgetrennt, mit feiner Pineette vom Hauptstamm abgehoben und so die Scheide in ihrer ganzen Länge gespalten ward. Die mit der Pincette er- fasste Hälfte wird nun auch oben durchgeschnitten, davon 4—10 mm lange Stücke mittelst scharfen Rasirmessers abgetragen, dann mit- telst Präparirnadeln auch der Rest der gespalteten Nervenscheide entfernt. Bei der weiteren Behandlung verfuhren wir wie mit den Extraec- ten, d.h. es wurden sowohl die im Momente der Wassereinwirkung auftretenden Erscheinungen, als auch die Resultate der dauernderen Einwirkung berücksichtigt. Das Verfahren, welches von demjenigen Hesse’s nur wenig abweicht, — (bereits vor dem Erscheinen seiner Arbeit festgestellt!) — war im ersteren Falle folgendes: Das mit scharfen Schnittenden versehene Nervenstück wurde in physiologi- 194 OÖ. Pertik: scher Kochsalzlösung zerzupft; das Deckgläschen an den vier Ecken fixirt; eine gut isolirte Faser eingestellt, dann mittelst Fliesspapier- streifen ein gelinder Wasserstrom unter dem Deckgläschen her- vorgerufen. Der Nerv wird so zuerst von einer diluirten Koch- salzlösung getroffen und gehen desshalb der heftigeren Wasser- wirkung mässigere Erscheinungen voran. Im Momente der Einwirkung des Wasserstroms, wie Hesse richtig bemerkt, reckt sich die Faser, d. h. sie nimmt gestreckte und gleichmässig geschwungene Contouren an. Im selben Augenblicke verändert sich am Schnittende vor allem das Mark des ersten Lanterman’schen Gliedes und sind die auftretenden Veränderungen denjenigen der mye- linogenen Substanzen beim Uebergange in Myelinfor- mationen durch Wassereinwirkung gleich. Auch be- schränkt sich im Momente seiner Entstehung der Markstrom auf das erste Lanterman’sche Glied und kann man bis zum 3.—4. Gliede genau verfolgen, dass das Strömen von dem Schnittende sich ebenso fortpflanzt, wie die Myelinformationen am Rande der Extractscheibe von der Peripherie zum Centrum hin sich ausbil- deten. Bezüglich des Weiteren verweisen wir auf Hesse’s eingehende Schilderung. Bemerkt soll noch werden, dass während der Be- wegung des Markmantels in einer mehr compacten Form gegen das Schnittende hin (— in den Anfangsstadien des Markstroms —) schon wahrgenommen werden kann, wie die unmittelbar unter der Schwann’schen Scheide liegende Schicht sich langsamer verschiebt als die inneren Partien; in Folge dessen die Lanterman’schen Einkerbungen eine immer mehr schiefe Richtung gegen den Axen- cylinder annehmen und bei der fortschreitenden Aufspaltung des Markes von den dabei auftretenden neuen Spalten nicht mehr zu unterscheiden sind. Nach theilweiser Entleerung des durchschnittenen Ranvier- schen Gliedes beginnt das Strömen durch den ersten Schnürring hindurch — (was Ranvier unerwähnt lässt, richtig zuerst Boll beschreibt, dann Rumpf und Hesse bestätigte). Die wichtigeren Erscheinungen sind hierbei folgende: l. Das Strömen beginnt ziemlich gleichmässig, verlangsamt sich nach einigen Seeunden gewöhnlich, oder es findet dann auch eine Anstauung statt; denn es tritt zunächst das den Schnürring Untersuchungen über Nervenfasern. 195 begrenzende Mark hindurch, welches bereits, unter Aufquellung und Modifieation der Lichtbrechung, vorher aufgespalten war. Ist dieses passirt, so kommt ein weniger vorbereitetes Mark an die Reihe, welches nicht so gleichmässig fliessen kann. 2. Das sich in mehr compacter Form gegen den Ring ver- schiebende Mark häuft sich in seiner Nähe an, buchtet da die Schwann’sche Scheide taschenförmig aus, tritt aber nur in faden- förmig dünner Bahn durch den Ring hindurch. 3. Die fadenförmige Bahn bleibt gleichmässig, so lange sie von genügend aufgespaltenem Marke gespeist wird. Der Strom wird aber auch durch grössere, compacte Massen nur vorüber- gehend unterbrochen, denn sie schieben sich etwa wie protoplas- matische zäh-weiche Körper durch die enge Bahn, gewöhnlich ohne dabei ihren Zusammenhang zu verlieren. 4. Der Ring erweitert sich selbst unter diesem bedeutenden Drucke nicht. 5. Das durch die Entleerung des Markes begünstigte Ein- dringen des Wassers am Schnürringe bewirkt nun ein vollständiges Aufspalten des zurückbleibenden Markes (resp. seiner Myelinfor- mationen), welches sich dann nicht mehr in Form parallel anein- ander gerichteter Fäden, sondern in Gestalt wellenförmig ver- bogener kurzer Bänder und offener, mit ihrer Convexität nach dem Schnürring gerichteter Schleifen weiterbewegt. Ihre an einzelnen Stellen eigenthümlich matte, an anderen noch mehr myeline Licht- brechung und verschiedene Anordnung verleitete Boll, die Forma- tionen dieses Stadiums als „eigenthümlich schaumig verflüssigte Masse“ zu bezeichnen — eine Benennung, mit welcher auch Hesse das Wesen der Wasserwirkung auf Nervenmark am treffendsten zu charakterisiren meint. 6. In diesem vorgerückteren Stadium entsteht vor dem Ringe oft eine wirbelnde Bewegung, d. i. die Fäden oder Schleifen der Myelinformationen treten in Spiraltouren durch den Ring hindurch und gelangen in den axialen Theil des durchschnittenen Gliedes, wo sie eine Differenzirung eines schnelleren axialen und lang- sameren Wandstromes bewirken —, eine Erscheinung, die man in noch späteren Stadien der Strömung auch an entfernteren Gliedern wahrnimmt. Man sieht entweder einen einzigen compacten Axenstrom oder zwischen Schwann’scher Scheide und Axencylinder jederseits einen Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 14 196 OÖ. Pertik: sehr dünnen schneller strömenden Striemen. Der Durchschnitt der schneller strömenden Bahn ist nämlich ein compaeter Cylinder oder ein Ring. Es hängt dies davon ab, ob der Axeneylinder an der betreffenden Stelle schon herausgeflossen ist, oder nicht. Ist er noch erhalten, so beobachtet man zwei langsamere Ströme und einen rascheren. Langsamer strömt das Mark (resp. seine Myelinformationen) — (es handelt sich also keinesfalls um zwei ruhende Schichten!) — unmittelbar unterhalb der Schwann’schen Scheide (subvaginaler Strom) und um den Axenceylinder herum (periaxaler Strom); rascher fliesst es zwischen den beiden lang- samen Strömen (centraler Strom). 7. Das Heraustreten des Axencylinders, welches wir bei An- wendung von 5°/ Natronlauge schon seit längerer Zeit kannten, wurde unbestimmt von Ranvier (l. c. tome I pag. 33) entschieden zuerst von Ravitz (l. ec. pag. 68—69) beschrieben, dann von Hesse constatirt. Letzterem können wir nicht ganz beistimmen, da der Axencylinder an längeren Nervenstücken nicht vollständig entleert wird. Im durchschnittenen und im 1.—2. unversehrten Gliede ist es allerdings der Fall; an längeren (1 etm) Stücken wird man ihn aber am 3. oder 4. Gliede selten vermissen; oder er wird aus entfernteren Gliedern mit dem Strome fortgerissen und ragt dann aus dem Schnittende in langer Strecke heraus |gewöhn- licher dann, wenn man diekere Bündel auf 12—24 Stunden in Wasser gelegt hat und das feinere Zupfen erst nachträglich vor- nimmt]. Dem entsprechend ist der compaete Axenstrom am durch- schnittenen Gliede im weiteren Verlaufe des Strömens die gewöhn- liche Erscheinung, der ringförmige aber an dem 3.—4. unversehr- ten Gliede — im allgemeinen also an längeren Nervenstücken — nachweisbar. 8. Das Resultat der Differenzirung des Markstromes ist, dass nach Verlauf desselben je eine dünne Markschicht an der Innenfläche der Sehwann’schen Scheide und — wo er noch vor- handen — um den Axeneylinder herum zurückbleibt. Auch im Raume, den der schnellere Markstrom einnimmt, bleibt Mark (resp. Myelinformationen desselben) zurück. Es verdeckt die genannten Schichten, von welchen die subvaginale nieht selten nur durch die grössere Breite und stärkeren Glanz der Schwann’schen Scheide erkenntlich ist, und unter stärkeren Vergrösserungen oft als von v. Untersuchungen über Nervenfasern. 197 dachziegelartig übereinander lagernden, plättchen- oder schüppehen- artigen Myelinformationen (— die Reste der aufgespaltenen Lan- terman’schen Glieder —) aufgebaut erscheint. Diese Erscheinungen stimmen übrigens mit physikalischen Gesetzen, nach welchen auch bei den Strömungserscheinungen in Capillarröhren — und als solche sind doch die hier in Betracht kommenden 0.008—0.014 mm breiten Nervenfasern anzusehen — der durch Wandreibung gesetzte Widerstand ebenso zur Gel- tung kommt, wie bei den Flüssigkeitsbewegungen in weiteren Röhren. Am besten wird man das Gesagte an 6—10 mm langen Ner- venstücken sehen, die 5—9 Ranvier’sche Glieder besitzen. An zu kurzen Objekten werden die Erscheinungen verwischt. Wahr- scheinlich sind sie desshalb auch Hesse entgangen, der berichtet (l. e. pag. 342) bei seinen Untersuchungen nur 1!/—2 mm lange Stücke verwendet zu haben, welche im besten Falle einen einzigen unversehrten und zwei durchschnittene Nervenstrecken besassen. Auch ist es begreiflich, dass an solchen Stücken der ganze Axen- eylinder herausgeschwemmt wurde. Die weiteren Veränderungen der ausgetretenen Mark- myelinformationen schreiten von der Peripherie nach dem Cen- trum fort in jener mit Verminderung der Lichtbrechung und weite- rer Aufspaltung einhergehenden Form, welche bei längerer Wasser- wirkung auch an den Myelinformationen der Extraetscheibe in Erscheinung trat. Schon nach einstündiger Einwirkung findet man einzelne kuglige Gebilde, mit einer von Myelinfäden gebildeten Randzone und mit homogener centraler Scheibe, welcher die cha- rakteristische Lichtbrechung sowohl des Markes als auch der Mye- linformationen mangelt, welche sich mit Carmin schwach färbt und — da Myelinformationen selbst sich nicht roth färben — verschie- den von letzteren sein muss. Es scheint deshalb die Annahme berechtigt, dass hier bereits vollständig verflüssigtes Mark vorliegt, welches das Stadium der Myelinformationen schon überschritten hat; — d. i. auch die durch Wasser bewirkten Myelinformationen des Nervenmarkes sind Formen der Verflüssigung desselben. Für die in Verflüssigung begriffenen Formen ist aber der unregelmässig verbogene Verlauf und eigenthümliche (harte) Glanz der im opti- schen Längsschnitt erscheinenden Fäden gleichfalls charakteristisch, wodurch in einzelnen Fällen ein mit myelinglänzenden Körnchen 198 OÖ. Pertik: dieht besätes, unregelmässiges Maschenwerk vorgetäuscht werden kann. (Fig. 2.) Genau gleich verhält es sich mit dem innerhalb der Schwann’- schen Seheide zurückbleibenden Nervenmarke, welches unmittelbar nach dem Stillstande des Markstromes kleine, sich gegenseitig ab- plattende, ringförmige Myelinformationen darstellt, durch besagte für zerfliessende Formen charakteristische Veränderungen am Ende der 20.—40. Stunde aber ein ungleichmässiges Maschenwerk vor- täuscht, dessen harten Glanz auch die periaxialen und wandstän- digen Reste der Myelinformationen annehmen. Die Kerne der Schwann’schen Scheide, welche, wie Hesse richtig bemerkt, während des Markstroms ihren Platz nicht ver- lassen, quellen durch dauernde Wasserwirkung bedeutend auf, wer- den dann von der Scheide abgelöst, deren Caliber sie fast voll- ständig ausfüllen. Dass die in Folge der Stromdiffereneirung zurückbleibende dünne subvaginale bezw. periaxiale Markschicht und das Wesen der wei- teren Veränderungen (der Charakter der zerfliessenden Myelinforma- tionen) unbekannt geblieben, hat zu dem Irrthum Rumpf’ Anlass gegeben, wonach die Kühne’schen Hornscheiden durch Wasser dar- stellbar wären. (8. a. a. O.) Auch liess sich Rumpf durch den schuppenartigen Bau der subvaginalen Markmyelinformationen zu der eigenthümlichen Annahme verleiten, dass die Einkerbungen der Markscheide im weiteren Verlauf des Markstromes wieder deutli- cher hervortreten (l. e. pg. 151). 2. Säurewirkung. a) Schwefelsäure (concentr.). Im Momente der Berührung dieses Reagens mit myelino- genen Extraeten scheint von der ganzen Peripherie ein intensiv gelber Ring sich abzuheben, der durch einen blassen Saum von der Extractscheibe getrennt ist. Concentrirte Schwefelsäure überführt nämlich ohne Entwiekelung isolirter Myelinformationen die Peri- pherie der myelinogenen Extraetseheibe momentan in einen homo- genen oder feingestreiften sehr blassen und gedunsenen Myelinring, an dessen äusserer Hälfte schon nach Sekunden die erste Spur der Zerstörung in Form einer intensiv gelben Färbung sich kund- gibt. Die gelbe Farbe geht alsbald in orangegelb, rosen- oder mahagoniroth, dann röthlieh-violett über und verbreitet sich auf Untersuchungen über Nervenfasern. 199 Kosten des inneren blassen Ringes allmählich. Während des Bestan- des des gelblich-röthlichen Farbentons ist der Ring auch homogen und strukturlos; in 1—2 Stunden wird er bläulichgrau, endlich ganz grau und erscheinen dann auch die Producte der chemischen Ein- wirkung in Form glänzend homogener, einfach eontourirter Tröpf- ehen. Setzt man zu den mittelst Wasser entwickelten Myelinforma- tionen concentrirte Schwefelsäure hinzu, so werden die — noch den leicht gelben Stich des Eidotterextractes zeigenden — Forma- tionen augenblicklich zu blassen, mächtig aufgedunsenen Kolben, verlieren die Myelinlichtbrechung und es tritt die die Schwefel- säurereaction einleitende intensiv gelbe Färbung auf. — Concen- trirte Schwefelsäure wirkt hiernach mit ungleich bedeutenderer Heftigkeit auf myelinogene Substanzen ein und führt sie in viel mehr gequollene Formen über als Wasser, zerstört sie aber auch fast momentan. Die Myelinform ist auch hier nur eine den che- mischen Process begleitende Erscheinung, deren kurze Dauer der Heftigkeit des ersteren entspricht. Lässt man eoncentrirte SO; auf Nervenmark einwirken, so zieht sich im Momente des Säurezutrittes die gestreckte isolirte Faser mit lebhafter Bewegung in schlangenartige Touren zusammen und scheint dabei auf Augenblicke zu schrumpfen. Das Mark ver- liert seinen Glanz, quillt neben Auftreten der Myelinlichtbrechung sehr bedeutend, nimmt stellenweise eine exquisit fibrilläre Be- schaffenheit an und es treten gleichzeitig heftige, nur Sekunden andauernde unregelmässige Strömungen auf. Ein Theil des so in Myelinformationon überführten Nervenmarkes schiesst am Schnittende der Faser in Form eines mehr compacten Cylinders hervor, der verschieden lange Stücke des Axencylinders mitführt. Ein an- derer kann sich an zerstörten Stellen der Schwann’schen Scheide in Form seitlicher Ströme obigen Charakters entleeren, — oder es wird das durch- schnittene Glied vom ersten Ringe abgelöst und der kurzdauernde Strom richtet sich nach den zwei Endpunkten des Theiles; — andere Male ent- stehen an mehrfach ampullenartig eingeschnürten Stücken Strömungen wech- selnder Richtung hauptsächlich, wenn die bisherige Ausflussstelle irgendwie verlegt ist. Auch wurden an längeren Nervenstücken, deren Endpunkte ab- geschnürt oder anderweitig verlegt waren, zwei gegeneinander gerichtete Ströme beobachtet, welche sich an derselben Rissstelle der Schwann’schen Scheide gemeinschaftlich entleerten. An einzelnen Abschnitten kann auch ein mehr gleichmässiger, nur wenig anhaltender Strom entstehen (wenn z. B. 200 O0. Pertik: die Faser in ihrem gestreckten Verlaufe mehr fixirt wurde) wobei dann die fibrillären Myelinformationen des Markes an einzelnen Stellen die Form von regelmässig schief gegen den Axencylinder geneigten Stäbchen annehmen können, welche nur wenige Minuten bestehen. Die entleerten Myelinformationen des Markes spalten sich noch einige Augenblieke weiter, fliessen dann zu homogenen Massen zusammen, welche sich nach einander gelb, orange, rosa ete. und schon nach !/s — 1 Stunde graulich färben, wobei die chemischen Produkte als körnige Massen oder Tröpfchen erscheinen. Vom Momente der Säurewirkung bis zum Auftritt der gelb- lichen Färbung nimmt der Process kaum mehr als 15—20 Sekun- den in Anspruch. Der Schwefelsäure ähnlich, nur etwas minder heftig wirkt rauchende und reine Salpetersäure. b) Chromsäure. Ihre eoncentrirteren Lösungen wirken auf myelinogene Extraete annähernd wie Schwefelsäure, nur erhärtet sie neben gelber oder gelblich brauner Färbung in hohem Grade die schrum- pfenden Reste der Formationen. Bei minder concentrirten Lösungen bilden sich isolirte Myelin- formationen desto vollkommener aus und bestehen desto länger, je mehr man in der Concentration herabsteigt; z. B. bewirkt eine Lösung von 3 °/, an der ganzen Peripherie regelmässige Formationen, welche aber nicht zu der bei Wasserzusatz beobachteten Grösse heranwachsen, indem sie neben vorhergehender Aufspaltung in Mantelsehichten schon früher geschrumpft und erhärtet werden. Unter 1 °/, steht die Myelinformen entwickelnde Eigenschaft der Lösung derjenigen des Wassers gleich, nur verflüssigen sich die myelinogenen Substanzen (resp. ihre Myelinformationen) nicht so vollkommen, da immer gelbgefärbte, theilweise geschrumpfte Massen zurückbleiben. Die mittelst Wasser aus sämmtlichen myelinogenen Extracten dargestellten Myelinformationen werden durch concentrirtere Chrom- säurelösungen momentan zu gelben, harten, körnigen Massen ver- wandelt, was bei schwächeren Lösungen von einer weiterschreiten- den Schichtenspaltung eingeleitet wird. Bei fast concentrirten Lösungen der Chromsäure (von Syrup- consistenz und bräunlicher Farbe) nimmt das Nervenmark zu- Untersuchungen über Nervenfasern. 201 nächst ein rauhes körniges Gefüge an und färbt sich gelb (wobei nicht zu vergessen, dass bei Zusatz unter dem Deckgläschen — S. Methode bei Wasserwirkung — anfangs nicht die volle Con- centration der Säure zur Wirkung kommt). Im Momente der vollen Einwirkung zieht sich die Faser mit trägerer Bewegung in Wellen- touren zusammen —, und ist auch die erst nach einer Weile be- sinnende, kurz dauernde Markströmung träger als bei Schwefel- säure. — Ist die Schwann’sche Scheide auf grössere Strecken zerstört worden, so entsteht kein eigentlicher Markstrom. Der Uebergang in Myelinformationen bewirkt dann zur Nervenfaser mehr weniger senkrechte, unregelmässige Stromfäden und bleibt der Axencylinder — welcher nur bei sehr dünnen Lösungen theil- weise mitgerissen wird — als gelbliches, verschmälertes und er- starrtes Stäbchen zurück. Bei geringeren Concentrationen (bis 2 9% — 2,9 0) tritt an Stelle des unregelmässigen Markstromes ein sogen. Zersetzungs- bild, d. h. das Nervenmark geht langsam und im geringeren Grade jene Veränderungen ein, die beim Uebergang der myelino- genen Substanzen in Myelinformationen auftreten. (8. 0.) Unter 2 % nehmen das Quellen und die am Schnittende auftretenden freien Myelinformationen des Markes um so mehr zu und tritt die Schrumpfung um so später auf, je mehr sich die Lösung dem Wasser nähert. So geht das am Schnittende ohne Strömung lang- sam herausquellende „modifieirte Nervenmark“ bei 0,6 % — 0,3 %/o in einen langsamen Strom über, der bei noch stärkeren Verdün- nungen etwas beschleunigt wird. Das herausgetretene Nervenmark („erstarrteSchollen“ Rumpf’s, „schaumig verflüssigte Masse* Boll’s, „modifieirtes Nervenmark* oder „Markfäden“ Ranvier’s) verhält sich zu stärkeren Chrom- säurelösungen (über 10 °/),) ganz ähnlich den Myelinformationen der Extraete. Wir brauchen kaum hinzuzufügen, dass es die Mye- linformationen des Nervenmarkes sind. c) Essigsäure. Myelinogene Extracte überführt die Essigsäure mit etwas grösserer Intensität in Myelinformationen als Wasser. — Die Formen wachsen schneller heran, wodurch am Rande gleich grosser Ex- traetscheiben in derselben Zeit ein etwas breiterer Myelinkranz entsteht als bei Wasser. — Auch beschleunigt sie das Heran- 202 O0. Pertik: wachsen der durch Wasser eben in Entwickelung begriffenen For- mationen. — Letztere dauern entsprechend dem gelinderen che- mischen Eingriffe bedeutend länger an als bei Mineralsäuren und etwas ktirzer als bei Wasser. Auch hier scheinen sie nur die Form der Verflüssigung resp. der Vereinigung der myelinogenen Extracte zu sein, denn an der Peripherie der Scheibe ist die er- wähnte wolkenartige Zone in 12—24 Stunden schon vorhanden. Essigsäure ist hiernach für Myelinentwickelung sehr günstig. Sie wirkt rasch und zerstört relativ langsam. Erstere Eigenschaft gibt ihr vor dem Wasser, letztere vor Mineralsäuren den Vorzug. Diesen Eigenschaften entsprechen die Erscheinungen, welche Essigsäure am Nervenmark hervorruft. Hier bewirkt sie näm- lich einen Markstrom, der im Gegensatz zu den kurz dauernden, wenig regelmässigen Strömen der Mineralsäuren gleichmässig und schneller ist als bei Wasser. — Auch wird der von letzterem her- vorgerufene Strom durch Essigsäure etwas beschleunigt. Eisessig wirkt auf myelinogene Extracte wie auf Nerven- mark mit einer den Mineralsäuren nahestehenden Heftigkeit. An ersteren bewirkt er keine isolirte Formen; der ganze Scheibenrand quillt gleichmässig, um schon nach Minuten feinkömig und ge- schrumpft zu werden. An letzterem entstehen, neben vorhergehen- dem, kurzem Schrumpfen unregelmässige, totale oder partielle Strömungen. d) Pikrinsäure färbt in allen Concentrationen die entwickelten Myelinformationen schnell pikringelb und liefert dadurch den definitiven Beweis, dass die, früher in feine Mantelschichten aufgespaltenen Myelinkeulen sich in ihrem Centrum verflüssigen. Denn 1) erscheint in den- selben eine homogene, gelbe Masse von nicht myeliner Licht- brechung, 2) kann man verfolgen, wie diese Formen platzen, ihren zähflüssigen, pikringelben Inhalt entleeren und Bechergestalt an- nehmen. — Bei der Wasser- (auch Essigsäure-) Wirkung auf Ex- tracte konnte das erste Erscheinen der verflüssigten Substanz wegen ihrer bedeutenden Blässe, geringen Quantität und vollkom- men homogener Beschaffenheit nicht erkannt werden. Nun berech- tigt uns die Becherform der ganz peripherischen Formationen der Extractscheiben auf stattgefundene Verflüssigung zu schliessen und kann so festgestellt werden, dass dieselbe bei Wasserwirkung schon am Ende der 1.—3. Stunde statt hat. Untersuchungen über Nervenfasern. 203 Selbst die eoncentrirte (1,29 %,) Säure ruft an myelinogenen Extraeten kleine, langsam weiterwachsende Myelinformationen her- vor. Die in gleicher Zeit sich ausbildenden peripherischen Mye- linkränze erscheinen aber um so breiter, d. h. die Formen ent- wickeln und, dem entsprechend, verflüssigen sich desto schneller, je bedeutender die Verdünnung war. Was die Nerven anbelangt, so untersuchte sie Boll in fast eoneentrirter (1 %) Pikrinsäure (l. ce. pag. 304), wobei er als iso- lirt stehende Thatsache fand, dass das Nervenmark neben gelber Färbung mehr minder granulirt erscheint; die länger dauernde Wirkung seiner Lösung und diejenige verschiedener Concentrations- grade blieb dabei unberücksichtigt. — Nun findet man bei con- eentrirter Lösung in den Lanterman’schen Gliedern schon nach 3/,—1 Stunde kurze feine Spalten, den inneren Rand der Mark- scheide wellenförmig verbogen oder an einzelnen Stellen ver- schwommen, wo dann im Nervenschlauche abgeschnürte, ringför- mige Gebilde, wahre Myelinformationen, erscheinen. Hand in Hand mit diesen Erscheinungen geht das unbemerkt langsame Hervor- quellen von Keulen-Schlingen u. s. w. aus dem freien Schnittende, ein Beweis dessen, dass das körnige Gefüge Boll’s nur die Ein- leitung war zur langsamen Entwickelung von Myelinformationen. Schon bei halb eoncentrirter Lösung (0,64 °/,) bleibt die gra- nulirte Beschaffenheit aus. Die Endpunkte der Lanterman’schen Glieder spalten sich in feine, gelbe, radiär-, manchmal mehr quer- verlaufende Fasern, welche sich bedeutend langsamer entwickeln und länger bestehen als bei Wasserwirkung (wo sie Ravitz fälsch- lich für Strichelungen (Faltenbildung?) der Schwann’schen Scheide hielt). Im späteren Verlauf ist auch, hauptsächlich in der Nähe der Schnürringe und der Schnittflächen, eine Verbreiterung der Faser zu constatiren, aus welcher den am Rande einer Extract- scheibe erscheinenden ähnliche Formen evident schneller und in grösserer Zahl hervortreten, als bei concentrirter Lösung. — Sie bilden den Uebergang zum Markstrom, der schon bei 0,32 °% in die Erscheinung tritt und bei noch stärkeren Verdünnungen an Intensität etwas zunimmt. Pikrinsäure entwickelt somit aus myelinogenen Extraeten desto besser die Myelinformationen, je verdünnter ihre Lösung ist, am Nervenmarke aber um so ausgesprochenere „Zersetzungsbilder“ oder Markströme. 204 0. Pertik: 3. Alkalienwirkung. Die Wirkung sämmtlicher Alkalien ist bei gleicher Concen- tration ziemlich dieselbe. Unsere Beschreibungen beziehen sich auf die Kalilauge, wovon als stärkste Lösung das „Kalium causti- eum“ (33 /0) der deutschen Pharmakopie in Anwendung kam, von der eine mathematische Reihe zweifach verdünnter Lösungen an- gefertigt (erste Dilution = 16,5 9%, zweite = 8,25 %% . . . neunte — (0,08 °/,) und damit das Resultat direeter wie anhaltenderer Einwirkung beobachtet wurde. Die direete Einwirkung der 33 %, Lösung auf myelinogene Fxtraete gleicht derjenigen der Mineralsäuren; sie führt dieselben in isolirte Myelinformationen nicht über (wobei die Lösung vor dem Gebrauche aufgeschüttelt werden muss); der Rand der Ex- tractscheibe quillt an der ganzen Peripherie zu homogenem Myelin, nimmt aber fast augenblicklich eine körnige Beschaffenheit an. Dadurch entsteht ein undurchsichtiger peripherischer Ring, der an Breite zunimmt ohne den Durchmesser der Scheibe zu vergrössern. Quellen und Schrumpfen geht eben Hand in Hand. Das Vordringen kurzer, isolirter Myelinkeulen vermisst man bei der ersten Dilution (16,5 %) nicht; doch zeigen sie, als erste Schrumpfungserscheinung, schon nach 10—15 Minuten eine ge- körnte Mantelschicht. Auch bei der zweiten und dritten Dilution entwickeln sich isolirte Formationen sehr rasch, schrumpfen aber binnen 2—4 Stun- den ein. Bei 2,6 % beginnt die gleichmässigere Wirkung; es ent- steht rasch ein echter Myelinkranz, welcher jedoch als Ganzes bedeutend schneller zu Grunde geht als bei Wasser. Verdünnun- gen unter 2,6 °, entwiekeln die Formen nicht nur rascher als das Wasser, sondern es besteht der Myelinkranz auch bis über die 50. Stunde hinaus. Die Myelinformationen weichen dabei in drei Punkten von denjenigen des Wassers ab: sie sind bedeutend blässer, mehr ge- quollen und besitzen eine sehr geringe Neigung zur Aufspaltung in eoncentrische Schiehten. (So vermisst man die echt „fibril- lären“ Formen bei der 6.—9. Dilution selbst nach 48stündiger Einwirkung.) Hiernach erreichen die Myelinformationen eine desto bedeu- tendere Grösse und bestehen um so länger, d. h. die myelinent- wickelnde Eigenschaft ist um so besser ausgeprägt, je geringer Pau a Untersuchungen über Nervenfasern. 205 die Coneentration der Alkalien ist. Will man aber die Wirkung (Breite der gleichzeitig entwiekelten, peripherischen Myelinkränze) nach Stunden mit derjenigen des Wassers vergleichen, so kann dies dem Gesagten zufolge nur von der 3. oder 4. Dilution an ge- schehen. Der Vergleich entscheidet zu Gunsten der diluirten Alkalien. Ein eigentliches Zerfliessen der Myelinformationen tritt nur bei den schwächsten Lösungen auf; bei stärkeren erscheinen die Produkte der chemischen Einwirkung in Form schwefel- oder ei- tronengelber, unregelmässiger Klumpen, oder hyaliner, zäher Tropfen. Behandelt man die Extraetscheibe mit Wasser und setzt alsbald etwas diluirtes Alkali dazu, so wird die Bewegung (Entwickelung) der eben heranwachsenden Formationen sichtlich beschleunigt. Was die Nerven anbetrifft, so ruft nach Rumpf 0,1 % Kalilauge, nach Hesse die verschiedensten Concentrationen aller Alkalien einen gleiehartigen Markstrom hervor. Dagegen fanden wir, dass der Charakter dieser Ströme gleich den Myelinformatio- nen der Extracte nach den Coneentrationsgraden der Lösungen in ziemlich breiter Grenze variirt. Die eoncentrirte Lösung und erste Dilution bewirken neben vorhergehender Schrumpfung und schlangenförmiger Zusammen- ziehung der Faser den Mineralsäuren ähnliche Ströme. — Bei der zweiten Dilution ist die Verkrümmung geringer und beginnt der etwas länger dauernde Strom nach !/s—1 Minute langer Einwir- kunt des Reagens. — Von der dritten abwärts zeigt sich keine vorhergehende Schrumpfung; der Strom entsteht im Momente der Einwirkung, ist gleichmässig und schneller als bei Wasser. Wie die Myelinformationen der Extraete eine sehr geringe Neigung zur fibrillären Aufspaltung manifestirten, so auch das Nervenmark. Es gleitet in compacter Form vorwärts, tritt sammt den Axencylindern in eylindrischer Gestalt heraus, an welcher man — wie esLavdowsky!) schon richtig bemerkte — oft noch einige Au- genbliecke die Lanterman’schen Einkerbungen zu erkennen vermag. Eine weitere Aufspaltung der Markmyelinformationen tritt innerhalb der Schwann’schen Scheide erst nach theilweiser Entleerung auf. Der durch Wasser erzeugte Markstrom wird durch diluirte Alkalien etwas beschleunigt. 1) „Zum Nachweis der Axenstrukturbestandtheile von markhaltigen Nervenfasern.“ Centralblatt 1879, Nr. 48 u. 49. 206 0. Pertik: 4. Salze. Berücksichtigung verdient das earmin- oder pikrocarmin- saure Natron, da es manche von den Autoren übersehene Er- scheinungen erklärt. Die gebräuchliche 1 °% Lösung führt die myelinogenen Extracte mit grosser Gleichmässigkeit in Myelinformationen über, deren Verflüssigung wegen der färbenden Kraft des Reagens gut zu verfolgen ist. Bei Pikrocarmin erscheint an der Spitze der in concentrische, feine Mantelschichten aufgespaltenen Formationen oft schon am Ende der ersten Stunde eine sichelförmige, gelbe, homogene, nicht myelinlichtbrechende Kappe, welche neben vorhergehender Ver- krümmung, eigenthümlich hartem Glanze und Continuitätsunter- brechungen der betreffenden Fäden (optischer Längsschnitt der feinen Mantelschichten) gegen die Basis der Form gleichmässig vorschreitet. An der Peripherie lösen sich indessen zähflüssige, gelbe Tropfen oder unregelmässige Massen ab (erstere sehr oft von myelinglänzenden Fäden umsäumt), welche im Laufe von 43—96 Stunden sich roth färben. Von markhaltigen Nerven, welche mit diesem Reagens Boll (l.e.) und Ranvier (l.e.) prüften, berichtet ersterer, dass bei unmittelbarer Einwirkung desselben das Mark neben gelber Färbung ein s. g. „Zersetzungsbild“ eingeht; Ranvier fügt hinzu, dass aus dem Schnittende binnen 24 Stunden zu langen Schläu- chen heranwachsendes „modifieirtes Myelin*“ heraustrete. Was er darunter versteht, erhellt daraus, dass diese Formen den schlauch- förmigen Myelinformationen der Extracte vollkommen entsprechen; bei ihrer langsamen Heranbildung kommt es jedoch zu keinem Markstrom. — An vielen Schnittenden erscheinen sehr bald eine grössere oder mehrere kleinere Kugeln mit myelinglänzender Rand- zone und homogener, gelber Centralscheibe, welche sich binnen zwei oder mehreren Tagen ebenso hellroth färbt, wie das übrige Nervenmark in der Sehwann’schen Scheide. — Diese kugligen Gebilde müssen an der Hand des Parallelversuchs für die ver- flüssigten Produkte der Myelinformationen des Nervenmarks erklärt werden, welche sich wie diejenigen der myelinogenen Extracte dureh Pikrocarmin anfangs gelb und erst später roth färben. — Dieselbe Erklärung findet die leichtrothe Färbung des gesammten . RR Untersuchungen über Nervenfasern. 207 Markes nach anhaltender Einwirkung des Reagens. Hier sind die noch nicht verflüssigten Reste der Myelinformationen (in Form ungefärbter gröberer Körnehen oder verbogener schuppenartiger Plättehen von der für Verflüssigung characteristischen harten Licht- brechung) — in die gefärbte, verflüssigte Grundsubstanz eingebettet. Als Repräsentanten anderer Salze sei noch des bei Nerven oft gebrauchten Kochsalzes gedacht, wovon 30, 12, 6, 3, 1,5, 0,75 und 0,37 °/, Lösungen angewendet wurden. Es ist zu bemerken, dass selbst die 30 °/, Lösung myelino- gene Extracte in Myelinformen überführt; diese aber in ihrem Wachsthume alsbald stillstehen, neben Annahme unregelmässiger Contouren sich theilweise in kleinere Partikelchen abschnüren oder statt weiterer Aufspaltung gleichmässig schrumpfen. So kommt es, dass bei stundenlanger Einwirkung die untersuchte Extraetscheibe trotz der noch theilweise bestehenden Myelinformationen insgesammt zusammenschrumpft (hauptsächlich bei unfixirtem Deckgläschen). Bei den übrigen Graden der Concentration steht die Breite des in gleicher Zeit entwickelten peripherischen Myelinringes zum Concentrationsgrade im umgekehrten Verhältniss, d. i. die myelin- entwickelnde Eigenschaft ist bei stärkeren Verdünnungen bedeu- tender. Auch tritt die Verflüssigung der Formationen um so später und unvollständiger auf, je bedeutender der Concentrationsgrad der Lösungen war. Nach Boll (Il. e.), der die markhaltigen Nerven in con- centrirter und 10 °/, NaCl-Lösung untersuchte, soll bei ersterer schneller, bei letzterer langsamer der ganze optische Längsschnitt der Faser von feinen, stark lichtbrechenden Körnchen eingenommen werden (was wir bestätigen können), „von denen es zu entscheiden unmöglich ist, ob sie im Innern des Axencylinders oder an seiner Oberfläche oder auch in der Markscheide ihren Sitz haben“. Nach unserem Parallelversuche, wo aus myelinogenen Extraeten selbst eine concentrirte Lösung (30 °/,) kleine, homogene Myelinformatio- nen entwickelte und diese alsbald schrumpfen machte, scheint es wahrscheinlich, dass hier eine analoge Veränderung des Nerven- markes vorliegt, — obschon eine energische Wasserentziehung und dadurch bedingte directe Schrumpfung als Ursache des feingekörn- ten Aussehens, welches jedenfalls in die Markscheide zu verlegen ist, nicht ausgeschlossen werden kann. Bei absteigender Concentration nimmt das mit Lichtbrechungs- 208 O. Pertik: modifieation und Aufspaltung einhergehende Quellen des Markes sowohl als auch die Grösse und Zahl der am Schnittende heraustre- tenden Formationen bedeutend zu und gibt damit den Uebergang zum Markstrom, welcher gut ausgesprochen bei 0,4 %/, in Erscheinung tritt. Dasselbe gilt im Allgemeinen auch von den übrigen Salzen, welche wir aufihre myelinentwickelnde Eigenschaft zu untersuchen Gelegenheit hatten. C. Einzelbesprechungen und Schlussfolgerungen. Aus den beschriebenen Versuchen ist ersichtlich, dass die an markhaltigen Nervenfasern zu beobachtenden Erscheinungen in allen wesentlichen Punkten mit jenen in Art, Grad und Dauer übereinstimmten, unter welchen die myelinogenen Extracte in Myelinformationen übergeführt wurden. Das Nervenmark ist demnach eine myelinogene Substanz und zwar, wie es die Untersuchung lebender Fasern zeigt (s. w.u.), die am meisten homogene. Es ist in hohem Grade fähig mit verschiedener Hef- tigkeit oder mit mehr gleichmässig heranwachsender Intensität in Myelinformationen (Myelin) überzugehen. Die allgemein angenommene Identität des Myelins mit dem Nervenmarke ist somit ebenso unberechtigt wie diejenige der myelinogenen Extracte mit dem Myelin. Myelinogene Extracte und Myelin, so wie Nervenmark und Myelin müssen in Zukunft streng auseinander gehalten werden. a) Charakter der Myelinformationen des Nervenmarkes. Am besten ist derselbe bei Application von weniger zerstö- renden oder eingreifenden Reagentien ersichtlich, d. h. solcher, welche keinen ausgesprochenen Markstrom oder körnig detritus- artigen Habitus des Markes erzeugen (Lymphe, Jodserum, Augen- kammerflüssigkeit, 0,75 NaCl und überhaupt nicht zu concentrirte Salzlösungen). Da jedoch das myelinogene Nervenmark in einem Schlauche einen durch triehterförmige Einschnitte in Segmente getheilten Hohleylinder bildet, so müssen die entsprechenden Myelinformationen durch diese morphologische Anordnung des Markes beeinflusst werden. Am frühesten erscheinen die Formationen auch hier an den directeren Berührungspunkten des Reagens und myelinogenen Ner- venmarks, also an der Schnittfläche, den Schnürringen und an den Lanterman’schen Unterbrechungen. Untersuchungen über Nervenfasern. 209 Es entsteht ein mit Lichtbrechungsmodification einhergehen- des Quellen und eine Aufspaltung, welche als verschiedenförmige Auffaserung der Endpunkte der Lanterman’schen Glieder beginnt, von hier aus weiterschreitend die letzteren ihrer ganzen Länge nach in wellenförmig geschwungene Bänder oder Fibrillen (opti- scher Längsschnitt von concentrischen Mantelschichten) theilt und neben gleichzeitiger theilweiser Abschnürung letzterer innerhalb der Schwann’schen Scheide, von langsamer Heranbildung freier Myelinformationen am Schnittende begleitet wird. Darin liegt das morphologisch wesentliche Moment der Boll’schen „Zersetzungsbilder“, welche derselbe für un- verständlich erklärte (l. e.). Sie haben ausser quantitativen Abstu- fungen für die einzeinen Reagentien nichts besonders charakteristi- sches. Somit ist der Standpunkt der Boll’schen Untersuchungen kaum haltbar, nach welchem Aufschluss über die Natur der Markscheide nur dadurch zu erwarten wäre, dass die durch ver- schiedenste Reagentien bewirkten Veränderungen, welche er für einzelne desselben als charakteristisch betrachtete, ebenso detaillirt studirt werden, wie dies z. B. für Blutkörperchen schon längst geschah. Das myelinogene Nervenmark ist vielmehr als ein Körper „sui generis“ zu betrachten und darf keinem protoplasmatischen Elemente des Organismus gleich gestellt werden. b) Intensität der Entwickelung von Markmyelinformationen. Einiger Massen in der Mitte standen diejenigen Myelinforma- tionen des Markes, welche keinen Markstrom bewirkten. Ihr beschriebener Charakter wurde mehr verschwommen durch zuneh- mende Concentration der Salzlösungen, wobei zuletzt ein körniges Gefüge auftritt — (Mangel der Myelinformationen oder direetes Schrumpfen des Nervenmarkes) — und mehr ausgeprägt durch Wasser, ihm nahestehende Salzlösungen und Säuren wie Alkalien gewisser Concentration. Von diesem Grade der Entwickelung von Myelinformationen des Nervenmarkes hängen nun die an ihm wahrzunehmenden Er- scheinungen ab. In allen Fällen, wo die Markmyelinformationen des beschrie- benen Charakters im Schlauche der Sehwann’schen Scheide genügenden Raum finden, entstehen die Zersetzungsbilder Boll’s. 210 O0. Pertik: Die freien Myelinformationen, welche dabei an der Schnittfläche langsam hervorquellen, ihre zunehmende Zahl und Grösse bei absteigender Verdünnung des Reagens (hauptsächlich Salzlösungen) bilden den Uebergang zu den Strömungserscheinungen. Der Markstrom erscheint folglich nur da, wo der Uebergang des gesammten Markes in Myelinformationen so schnell und intensiv vor sich geht, dass diese im Schwann’schen Schlauche durchaus nieht Platz finden, wozu die betreffenden Bedingungen in den Parallelversuchen schon angegeben wurden. So hat derselbe nichts Räthselhaftes und kann nicht mehr als isolirt dastehende (Boll, Ranvier) und einheitliche (Hesse) Erscheinung oder als partiales Phänomen der Gerinnung (Schwalbe l. e. pag. 292) betrachtet werden. Denn er ist nur eine weitere Entwickelungsstufe der Markmyelinformationen und ist sein Charakter sehr wechselnd. Zwei Hauptformen konnten unterschieden werden: diejenige von kurzer Dauer und unregelmässigem Verlaufe und die mehr anhal- tende, gleichmässigere Form. Erstere entspricht der heftigen und kurzdauernden Myelinentwicklung (Mineralsäuren, concentr. Alka- lien, Eisessig); letztere besitzt wieder bedeutende Abstufungen der Strömungsgeschwindigkeit, entsprechend der Thatsache, dass di- luirte Alkalien und Essigsäure bedeutendere myelinbildende Eigen- schaften besitzen als Wasser und dieses wieder mehr als diluirte Salzlösungen. Ausser den Parallelversuchen spricht für die Richtigkeit die- ser Erklärung 1. der von Hesse erwähnte, doch unerklärte Umstand, dass mässigere Wärme (40,5—60 ® C.) Markströme bewirkt. — Die Er- klärung dieser Thatsache geben unsere Orientirungsversuche, nach denen mässige Wärme die myelinogenen Extraete mit bedeutender Intensität in Myelin überführte; ferner der Umstand, dass die myelinentwickelnde Eigenschaft der Reagentien durch Erwärmen derselben bedeutend gesteigert werden kann (was wir zuerst bei Anwendung von Carbolsäurelösungen erfuhren); 2. folgender Versuch: Einen Frosch, den man durch Abtra- gung der Herzspitze verbluten liess, injieirt man möglichst voll- kommen mit einem frisch bereiteten, zähflüssigen Extraete (am besten des Eidotters). Durch Blosslegen der Eingeweide werden die feinen Mesenterialgefässe einige Stunden der Luft ausgesetzt, wodurch die Injeetionsmasse die früher erwähnte festweiche Con- Untersuchungen über Nervenfasern. 21l sistenz annimmt, die etwa noch vorhandenen Myelinformationen aber daraus vollständig schwinden. Bringt man nun ohne Reagens möglichst lange Stücke von feinen Gefässen unter das Deckgläs- chen, vor dessen Druck sie durch Papierstreifen geschützt werden und führt dann den myelinogenen Inhalt der Gefässschläuche mit- telst entsprechender Reagentien in verschieden hohem Grade in Myelinformationen über, so entstehen Strömungen, deren Geschwin- digkeit der myelinentwickelnden Eigenschaft der Zusatzfiüssigkeiten vollkommen entspricht. Die Einzelerscheinungen können dabei begreiflicherweise mit denjenigen des Markstromes nicht völlig übereinstimmen; denn die morphologische Anordnung der myelinogenen Substanzen ist in beiden Fällen sehr verschieden. Bei unserem Versuche bilden sie einen eompacten, im Nerven einen hohlen Cylinder, welcher den Axenfaden führt. Die eventuelle Quellung des letzteren wird zur Verengerung des Raumes der Nervenscheide beitragen, was die Erscheinungen steigern muss; dann ist die zur festweichen Con- sistenz eingetrocknete Injectionsmasse nicht rein und homogen, wie das Nervenmark, auch wird die zarte Schwann’sche Hülle von der relativ dieken und starren Gefässwand vertreten, welche - auch der Schnürringe entbehrt. — Demgemäss tritt bei diesen Experimenten die in Myelin überführte Substanz als mehr com- pacter Cylinder aus beiden Schnittflächen und nicht in Form jener band- oder fadenförmigen Formationen, welche durch die morpho- logische Anordnung des Nervenmarkes bedingt waren. Im we- sentlichen Punkte, den Abstufungen der Strömungsgeschwindigkeit, stimmen aber die Erscheinungen überein (der durch Essigsäure erzeugte künstliche Strom wird z. B. durch Schwefelsäure etwa 3—5 mal beschleunigt) und tritt auch hier nach theilweiser Ent- leerung die Differenzirung eines centralen und Wandstromes in die Erscheinung. Könnte man capillare Hohleylinder von zartesten Hüllen mit einem vollständig homogenen, myelinogenen Extracte injieiren und in dieser die Markunterbreehungen nachahmen, so könnten den- noch die Strömungserscheinungen nicht absolut identisch ausfallen. Der Grund liegt in der Verschiedenheit des Nervenmarkes von den myelinogenen Extraeten, worauf schon einige bei den Paral- lelversuchen gemachte Erfahrungen hinweisen. So führt eine und dieselbe Lösung Nervenmark und myelinogene Extracte nicht in Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 15 212 O. Pertik: gleich hohem Grade in Myelinformationen über. Bei letzteren ge- schieht dies im Allgemeinen leichter und bei derselben Öoncentra- tion in höherem Grade als bei ersterem. — Ferner spricht dafür das kurzdauernde Schrumpfen des Markes, welches bei Mineral- säuren und eoncentrirten Alkalien den Uebergang in Myelinforma- tionen einleitete (Hinweis auf die Gegenwart eiweissartiger Körper?); endlich die Lösungsverhältnisse.' Kalter Alkohol, Aether und Chloro- form lösen nämlich myelinogene Extracte vollkommen, das Nerven- mark aber nur theilweise und bewirken (ersterer hauptsächlich) eigenthümliche Ausscheidungen des myelinogenen Nervenmarkes — (Rumpf’s hornführende Scheiden, worauf wir später zurückkom- men). — Dass diese abweichenden Verhältnisse des Nervenmarkes und der myelinogenen Extracte auf eine Verschiedenheit der che- mischen Constitution hindeutet, braucht kaum erwähnt zu werden. c) Postmortale Veränderungen und Markgerinnung. Mit der Frage nach den postmortalen Veränderungen des Nervenmarkes, welche, wie sehon aus den Lehrbüchern ersichtlich (Rindfleisch’s pathologische Histologie pag. 11 Ranvier |. ce. Tome I. pag. 288) noch als ungelöst zu betrachten ist, beschäf- tigte sich neuerdings Ranvier. Wenn er dabei zu dem, seinen Hauptzügen nach schon von G. Walter (Virch. Arch. XX pag. 426) ausgesprochenen Resultate gelangt, dass die am 8.—12. Tage auf- tretende granuläre Beschaffenheit des Markes wahrscheinlich als chemische Ausscheidung von Fetttröpfehen zu betrachten sei, so wurden damit die zwischen Tod und körnigem Zerfall stattfinden- den morphologischen Veränderungen des Markes übergangen, deren Wesen eben wenig bekannt ist und mit der Frage nach der Mark- gerinnung zusammenfällt. Unsere Untersuchungen wurden bis zum 18. Tage nach er- folgtem Tode fortgeführt und zwar mit Augenkammerflüssigkeit, Carmin und Osmiumsäure, wobei ein schonendes Verfahren sehr zu empfehlen ist. Das Nervenmark erweist sich nämlich schon am 5.—6. Tage so brüchig, dass unzartes Behandeln die morpho- logische Anordnung zerstört und mit Detritusmassen gefüllte Schläuche erzeugt. In den ersten Tagen zeigt das Mark ein mit unvollständigen Spaltbildungen und — bei Untersuchung in Augenkammerflüssig- Untersuchungen über Nervenfasern. 213 keit — mit Liehtbrechungsmodification einhergehendes, ungleich- mässiges Quellen, wodurch die Lanterman’schen Glieder sich ver- längern und der innere Marksaum sich wellenförmig verkrümmt. Davon heben sich bandartige Schleifen von myeliner Lichtbrechung ab, welche neben Verschmälerung ihrer Basis und fast vollstän- digem Schwinden ihres Calibers gegen die Axe vorschreiten. Da- durch entstehen für dieses Stadium ziemlich charakteristische Bil- der. Es erscheinen nämlich am inneren Saume gestielte, pilzförmige Formationen, die durch Abschnürung als freie Körper in den axialen Theil der Faser treten und sich im weiteren Verlauf, gleich an- deren Myelinformationen, theilweise (d. i. in ihrem Centrum) ver- flüssigen. Darin, dass das Nervenmark nach dem Tode der Körper- Iymphe gegenüber sich wie eine myelinogene Substanz verhält, muss der erste Unterschied des todten vom lebenden Marke nor- maler Fasern erblickt werden, da letzteres durch Gewebssäfte be- kanntlich keinerlei Veränderungen erleidet. Als charakteristisch für die postmortalen Myelinformationen, wie sie an der Leiche „in situ“ der Nerven auftreten, können die ungewöhnlich lang- same Entwicklung und die grosse Unregelmässigkeit ihrer Formen betrachtet werden. Es bleibt nämlich die Markscheide bis zum Ende der 24. Stunde und darüber fast intact. Was ferner die Gestalt dieser postmortal auftre- tenden Myelinformationen betrifft, so findet man ausser den relativ constanten eben beschriebenen Initialveränderungen des inneren Saumes, alle Uebergänge von unregelmässigem, der Faser Ampullen- oder Rosenkranz-artige Formen verleihendem Quellen, schwer wahrzunehmender Auffaserung und unbestimmt bandartiger Aufspaltung bis zur Bildung zierlichst verschlungener Röhrchen (Fig. 3) und manchmal selbst regulär erscheinender Stäbchen. Beides, die langsame Bildung der Myelinformation, sowie reiche For- menwechsel sind wohl einfach dadurch bedingt, dass die Lymphe in der Leiche in relativ geringer Menge auf ganze Nervenstämme und nicht auf isolirte Fasern einwirkt. Mit der erwähnten theilweisen Verflüssigung der postmortalen Myelinformationen (8.—12. Tage) erscheint die bekannte, granulirte Struktur der Markscheide, von welcher es dahingestellt bleiben soll, ob dieselbe durch ausgeschiedene Fetttröpfehen oder durch noch ungelöste feinste Myelinpartikelehen bedingt ist. Für letztere Annahme scheint zu sprechen, dass Reagentien, welche Myelinfor- mationen in bedeutendem Grade heranbilden (hauptsächlich dünne Alkalien), in diesem Stadium oft noch Strömungserscheinungen be- 214 O0. Pertik: wirkten, ferner, dass die besagten Körnchen in fettlösenden Rea- gentien ungelöst blieben. Einige Schlussbemerkungen über die Frage nach der Mark- gerinnung scheinen insofern gerechtfertigt als sie mit derjenigen nach den postmortalen Veränderungen zusammenfällt und, wie be- merkt, auch in neuesten Handbüchern [Schwalbe’s eitirte Neurolo- gie (1880 pag. 292) — Hartmann’s Anatomie (Strassburg 1881) pag. LV — Rindfleisch’s path. Histolog. pag. 11] als eine fest- stehende Thatsache betrachtet wird. Wir müssen hier eine kurze Beschreibung der lebenden Nervenfaser einschalten: Unsere Untersuchungsobjekte waren die Schwimmhaut, die Zunge, das Mesenterium des Frosches, (Schuppentaschen der Fische und Niekhaut des Frosches erwiesen sich als ziemlich unbrauch- bar), von welehen eben letzteres das vortheilhafteste war. — Die Nerven des Froschmesenteriums bilden im Verlaufe der Gefässe dickere Stämmchen, die sich gegen den Darm in feinere Bündel und selbst in einzelne, isolirt verlaufende Fasern theilen, und hat sich so die Beobachtung möglichst auf die Nähe des Darmes und hier wieder auf diekere Fasern zu beschränken. — Unter Einhal- tung aller nöthigen Vorsichtsmassregeln konnten bei intact fortbe- 'stehendem Kreislauf an den lebenden Nervenfasern beiderseits doppelte parallel laufende Contouren constatirt werden, welche je einen lichtbrechenden, homogenen Streifen begrenzten. Nur bei günstiger Spannung und guter Beleuchtung vermag man in letzterem sehr feine, dunklere, zum Axencylinder schief ver- laufende Spalten — die Lanterman’schen Einkerbungen — zu er- kennen. Tödtet man das Thier während der Beobachtung, so bleiben die doppelten Contouren selbst stundenlang parallel, vor- ausgesetzt, dass man Insulten verschiedenster Art (Zerrung, Ein- trocknung) genügend vorbeugt. Sehr evident werden die Schnür- ringe mit ihren Details wahrgenommen. Jene „unsichere, schwer zu. beschreibende Längszeichnung“ des centralen Theiles der Faser, welcher Hans Schultze !) gedenkt, konnte in überzeugender Weise nicht gesehen werden. Hingegen wurden an den Schnürringen nicht selten sehr kurze, leicht wellenförmig verbogene Linien wahr- genommen, deren einzelne Bündelchen bei geringster Bewegung 1) „Axeneylinder und Ganglienzelle*. Arch. f. Anat. u. Entwicklungs- geschichte. 1878, pg. 259. Untersuchungen über Nervenfasern. 215 der Stellschraube verschwinden, während an ihrer Stelle andere auftauchen. Konnte so die Beobachtung Ranvier’s auch an lebenden Mesenterialnerven des Frosches constatirt werden, so folgt daraus, wie schon bemerkt, streng genommen nur, dass der doppelte Con- tour kein Resultat einer peripherischen unvollständigen Markge- rinnung ist. Was nun des Fortschreiten der sogenannten Gerinnung gegen die Axe betrifft, so soll Henle selbst angeführt werden. Er sagt (Allg. Anat. pag. 624): „Wenn sich in dem Marke der Ner- venröhren die beiden, den Rändern parallel laufenden Linien ge- bildet haben, so schreitet die Veränderung nach innen weiter fort. — Zuerst, wie man an stärkeren Röhren beobachten kann, bilden sich scharf und dunkel begrenzte, grössere und kleinere Kügelchen, frei oder durch einen Stiel in die Substanz übergehend, welche zwi- schen die parallelen Linien des Randes eingeschlossen ist; sie bil- den sich im ganzen Umfange der Nervenröhre, daher sie unter dem Mikroskop längs den Rändern oder auch mitten auf der Fläche derselben erscheinen. Die Kügelchen fliessen zu unregelmässigen Figuren zusammen; der dunkle Rand wird dadurch breiter, schreitet von allen Seiten gegen die Axe vor und füllt endlich die ganze Röhre aus.“ Diese Schilderung Henle’s stimmt mit der Beschreibung überein, die wir von den, am inneren Marksaume sich entwickeln- den Myelinformationen gegeben haben (S. oben die postmortalen Veränderungen), aus welcher es hervorgeht, dass hier keine Aus- scheidung freier Kügelehen, sondern eine Abschnürung einzelner Myelinformationen des Nervenmarkes vorliegt. Die Bilder, welche auf eine Markgerinnung zurückgeführt wurden, sind somit durch das Auftreten der langsam fortschreitenden, mit Abschnürungen einhergehenden postmortalen Myelinformationen vollkommen er- klärt, d. h. wie die Myelinformationen der myelinogenen Extracte in ihrem dargelegten Gesammtverlauf und in ihrer Bedeutung mit einer Gerinnung nichts gemein haben, ebensowenig haben es auch die sämmtlichen Erscheinungen und Bilder des myelinogenen Ner- venmarkes. Wenn also Rindfleisch (path. Histol. pag. 11) von den postmortalen Markerscheinungen sagt: „Die Gerinnung des Markes, dürfte ähnlich der Todtenstarre bei den Muskelfasern jeder weiteren Veränderung vorausgehen; in Folge davon tritt dann .... das Nervenmark .... zu grösseren und kleineren 216 OÖ. Pertik: Tropfen zusammen. ... Was dabei vorgeht, ob die Myelintropfen (Virchow) als eine Ausscheidung aus dem Nervenmarke oder nur als eine Umgruppirung anzusehen seien, wissen wir heute noch nicht, obwohl das Phänomen schon seit Leeuwenhock bekannt ist“ —, so scheinen wir auf Grund unserer vergleichenden Studien zur Behauptung berechtigt, dass die im Sinne Virchow’s von Rindfleisch eitirten Myelintropfen nicht etwa durch Gerinnung bewirkte chemische Ausscheidungen, sondern vielmehr abgeschnürte Myelinformationen des Markes, transitorische Formen der Ver- flüssigung d. h. wahre Umgruppirungen des Nervenmarkes sind. D. Osmiumbilder. Eine eingehendere Behandlung der so oft diseutirten Osmium- bilder ist dadurch gerechtfertigt, dass auf Grund derselben feinste Strukturverhältnisse des Markes (Lanterman) angenommen oder vereinzelte davon als normaler Bau der Markscheide hingestellt wurden (s. Golgi’s und Rezzonico’s Arbeiten w. u.) andererseits, dass sie bis jetzt an und für sich unerklärt sind und ihre richtige Deutung auch zukünftigen Verirrungen vorbeugen Könnte. Seit Lanterman beschäftigten sich damit Kuhnt ((. e. pg. 448) Ranvier (l. c. Tome I. pag. 71) Rumpf (l. c. pag. 159 — 162) theilweise Hesse (pag. 344) und obschon dabei vereinzelte Thatsachen richtig beobachtet wurden, auf die wir noch zurück- kommen werden, so wurde eine befriedigende Erklärung derselben doch nicht gefunden. Es gilt dies selbst von Boll (l. e. pg. 305) der allein die durch verschiedene Concentration und Wirkungsdauer der Säure gesetzten Veränderungen mehr systematisch verfolgte. Eine Interpretation der verschiedenen durch Osmium bewirk- ten Erscheinungen versuchten wir auf Grund des Parallelversuchs durch Studium der Osmiumwirkung auf myelinogene Extracte zu gewinnen. Den Beschreibungen soll auch hier das festweiche, von Myelinformationen freie Extract des Eidotters zu Grunde gelegt werden, dessen Untersuchung mit Lösungen von 2 %/,—0,006 °/, nach den besagten Methoden vorgenommen wurde. Zur Orientirung in den zahlreichen Bildern und Erscheinungen mögen folgende drei Versuche dienen: 1. Durch schonendes Zerreiben des Extractes mit der Säure- lösung (1°/,) quillt unter bräunlicher Farbe die Masse augenschein- Untersuchungen über Nervenfasern. 217 lich auf und wird in aufgespaltene oder homogene Myelinfor- mationen überführt. Unter den letzteren (noch besser bei der 2.—3. Zerreibung) finden sich scheinbar vollkommen fixirte d. h. durchgehend gelblichbraun oder bräunlich schwarz gefärbte vor, deren gleichmässiges Colorit bei starken Vergrösserungen als von feinen schon mit Osmium gefärbten Körnchen herrührend sich erweist, welche in noch ungefärbter Grundsubstanz dicht und gleichmässig vertheilt sind. — Bei weiter fortgesetztem Zerreiben mit dem Reagens erleiden die Formen eine weiterschreitende Schichtenspaltung, dann ein entsprechendes Einschrumpfen. Zu- letzt erhält man eine schwarze Substanz, welche aus schwarzen, geschrumpften Klumpen, Detritus oder an Kohlenfragmente er- innernden brüchigen Partikelchen besteht, aber keine Spur von Myelinformationen mehr aufweist. 2. Beim Zusatz der Säurelösung (1°) zum eingestellten Rande der Extractscheibe, wird dieser im Momente der Einwirkung nicht fixirt, wie man es der gerühmten Energie (Ranvier Lec. I 70) dieses Reagens entsprechend hoffen könnte, vielmehr entwickeln sich an der ganzen Peripherie isolirte Myelinformationen, welche den bekannten Verlauf nehmen. Anfangs homogen und ungefärbt spalten sie sich alsbald in Mantelschichten, welche selbst dunklere Farbentöne annehmen und ihre regulär convexen Linien gleich- zeitig in wellenförmige oder fein gekräuselte übergehen lassen. (Uebergangsstufen zur Schrumpfung). Am frühesten wird ihr freies, von der Lösung allerseits umspültes Ende ganz schwarz gefärbt, erhärtet und schrumpft ein. In diesem Stadium der Einwirkung treten aus einer homogenen scheinbar vollkommen fixirten Formation nach Zusatz gut myelin- entwickelnder Flüssigkeit (Essigsäure) in querer Richtung abermals blasse Myelinschlingen hervor, während die erhärtete, schwarze Spitze kaum quillt, und vom Convolut der neuen Myelinschlingen umwachsen wird. Nach 3—4stundenlanger Wirkung ist die Scheibenperipherie an einzelnen Strecken in eine schwarze, feinkörnige Randzone verändert, an welcher hie und da die geschrumpften Reste der früher aufgespaltenen Formen aufsitzen, an anderen aber dieselben noch weiter aufgespalten und dadurch vergrössert erscheinen (wohl die Folge der nunmehr geringeren Concentration der Flüssigkeit). Der Process beschränkt sich auf die Peripherie der Scheibe, 218 OÖ. Pertik: welche schliesslich als 1—2!/s mm breiter, schwarzer, erhärteter Saum erscheint. Das vollständige Eintrocknen solcher Präparate ist öfter mit abermaliger, sehr bedeutender Entwicklung von Myelinformationen verbunden. Der erhärtete schwarze Saum erscheint dann an einigen Punkten von letzteren durchbrochen, welche sich zu 0,5—2 etm langen und 0,25—-0,75 em breiten, blumenkohlartigen Gebilden ver- schlungen hatten. Der Zusammenhang dieser Erscheinung, welche übrigens auch bei concentrirten Alkalien unter ganz gleichen Um- ständen einigemal beobachtet wurde, mit den unerklärten Beobach- tungen Vierordt’s („Ueber künstliche Bewegungerscheinungen in der Nervenfaser.“ Arch. d. Heilkunde Bd. 18 S. 179. 1877), nach welchen Markströme auch an blosgelegten und langsam ein- trocknenden Nerven auftreten, ist ein unverkennbarer; denn ein an- nähernd gleichmässiger Druck ist in einem Falle durch die schrumpfende peripherische Zone der Scheiben, im anderen dureh die eintrocknende Schwann’sche Scheide gegeben. Es scheint hiemit, dass ausser gewissen Temperaturgraden auch mechanischer Druck unter gewissen Umständen die myelinogenen Substanzen in hohem Grade in Myelinformationen überzuführen vermag. 38. Bei Vergleichung der Wirkungen verschiedener Concentrationen der Säure kommt es darauf an, dass die Quan- tität des Materials, die Menge der Zusatzflüssigkeiten und die Be- obachtungsdauer ganz gleich seien. Es müssen darum unter gleichen Deckgläschen Scheiben gleicher Grösse und womöglich gleicher Dicke vorher dargestellt und die Lösungen erst zu der angefertig- ten Präparatenserie gegeben werden. Man findet dann, dass das myelinogene Extract um so vollkommener in Myelinformationen übergeführt wird, d. i. diese desto schneller heranwachsen, die Fär- bung und Schrumpfung aber um so später und unvollkommener eintritt, je geringer die Concentration ist. Bei stärkeren Verdünnungen, wo die absolute Quantität der Säure zur Zerstörung der Formationen ungenügend ist, manifestirt sich dieselbe gleichzeitig mit der Wasserwirkung. Die Säurewir- kung zeigt sich in der unvollständigen und ungleichmässigen Fixa- tion der Fibrillen (abgespaltenen Mantelschichten), diejenige des Wassers in der Verflüssigung der Myelinformationen, wobei die ver- flüssigten Massen sich in den Interstitien der Fibrillen ausscheiden, Verhältnisse wie sie bei schwachen Lösungen auch am Nerven- Untersuchungen über Nervenfaseru. 219 marke vorkommen und Bilder bewirken, die allerseits als unerklär- lieh angesprochen wurden (s. w. u.). Die wichtigsten Momente der Osmiumwirkung auf myelino- gene Fxtracte sind hiernach folgende: 1. Werden die myelinogenen Extracte ziemlich gleichmässig in Myelinformationen übergeführt ; die chemische Verbindung der Säure mit den myelinogenen Extraeten vollzieht sich unter Auftreten dieser Formationen, welche aber als transitorische Erscheinungen, dem Vorschreiten des che- mischen Processes entsprechend wieder schwinden. 2. Das che- mische Produkt (der Rest der zerstörten Myelinformationen) ist hier neben dem Erhärten durch eine schwarze Färbung charak- terisirt, wie bei Chromsäure durch eine gelbe, bei Schwefelsäure durch den beschriebenen Farbenwechsel. 3. Wenn die vorhandene Säuremenge zum vollständigen Binden des Materials ungenügend ist, so werden die Myelinformationen nicht durch Schrumpfung zer- stört, da sich dann die Wasserwirkung durch theilweise Verflüssi- gung derselben manifestiren kann. Neben der myelinogenen Natur des Nervenmarkes sind es diese Momente, auf welche die Erklärung der Osmiumbilder der Markscheide gegründet werden muss. Die verschiedenen Grade der Concentration, ihre Wirkungs- dauer, die Anwendungsweise und der Umstand, dass die vorhan- dene Säuremenge sich an den Fasern desselben Präparates nicht gleichmässig vertheilt, machen es illusorisch, specielle Vorschriften der einzelnen Bilder anzugeben. Zur Orientirung in den mannigfachen Erscheinungen wird die Schilderung der beiden Extreme und eines Mittelstadiums der Osmiumwirkung dienen können. a) Nach mehrtägiger Einwirkung einer grösseren Quantität von 2 °/, Lösung auf zerzupfte Nerven oder ganze Stämmchen er- scheint die Markscheide dunkel schwarz, hart, brüchig, bedeutend verschmälert, unregelmässig gerunzelt und sind die Einkerbungen geschwunden oder nur in kaum erkenntliehen Spuren vorhanden; wahrscheinlich, weil die Schrumpfung mit einem Strecken der einzelnen Glieder einhergeht. Das Bild entspricht den erhärteten, schwarzen Massen, welche von den myelinogenen Extracten nach vollständiger Zerstörung der Myelinformationen übrig blieben. Es ist dies die richtige „Fixation“, die vollständige chemische Ver- einigung der Säure mit dem Nervenmarke. Aus der Schnittfläche 220 OÖ. Pertik: solcher Nervenfäsern treten auch nach Anwendung sehr gut mye- linentwiekelnder Reagentien, z. B. der Essigsäure, ungefärbte Mye- linformationen nicht hervor; denn ungebundenes, noch myelinogenes Nervenmark ist in der Markscheide nicht mehr vorhanden. b) Beobachtet man (s. das Verfahren bei Wasserwirkung auf Nervenfasern) die unmittelbare Einwirkung von 0,75 %o—1 % Osmiumlösung auf einzelne vorher eingestellte Nervenfasern, so treten aus der Sehnittfläche mit langsamer Bewegung einige keulen- oder schleifenförmige, homogene Myelinformationen hervor. Ihre Zahl wie Entwiekelungsgeschwindigkeit nimmt bei steigender Ver- dünnung zu und geht bei 0,5 %, in einen trägen Markstrom über, dessen Charakter bei noch stärkerer Verdünnung sich demjenigen des Wassers immer mehr nähert. Wie die myelinogenen Extracte, so verbindet sich also auch das Nervenmark mit der Osmiumsäure (bei direeter Einwirkung auf isolirte Fasern!) unter Entwiekelung von Myelinformationen. Bei Anwendung von 0,75 %% — 1 %% Lösung beschränkt sich diese Entwickelung auf die ersten Augenblicke der Einwirkung und steht mit der auftretenden Färbung alsbald still. Dasselbe gilt für die, durch schwache Osmiumlösungen bewirkten Markströme, insofern die Myelinformationen, welche dieselben bewirken, der Menge der vorhandenen Säure entsprechend, sich mit letzterer verschieden schnell und intensiv verbinden, der Strom sich aber in demselben Verhältnisse verlangsamt resp. stehen bleibt. c) Zwischen diesen beiden Extremen gleichsam in der Mitte steht die Wirkungsweise, bei welcher die normale Struktur der Nervenfasern vollkommen erhalten bleibt. Dass es sich dabei um eine eigentliche „Fixation“, um vollständige chemische Verbindung nicht handeln kann, geht schon aus dem Gesagten hervor. Die Darstellung der Bilder, welche hier in Betracht kommen, ist dess- halb Sache der reinen Empirie. Sie gelingt fast nie bei direetem Zerzupfen in der Säure, auch bei Behandlung ganzer Nerven- stämmehen nicht an jeder Faser. Doch ist letztere am meisten zu empfehlen und zwar nach dem Verfahren Ranvier’s (in natürlich gestrecktem Zustande), der jedoch die zu beschreibenden Bilder selbst nicht hervorhob. Die folgenden Resultate wurden durch 6—8stündige Einwirkung von 5—8 cem einer 1 % Lösung auf 3—4 em lange Stücke der ischiadiei von Kaninchen mittlerer Grösse erzielt. Untersuchungen über Nervenfasern. 221 Die Nervenfasern sind etwas gequollen. Ihr Mark erscheint bei starken Vergrösserungen fein gekörnt (Fig. 4), bei Untersuchung in Wasser bläulich schwarz. Im optischen Längsschnitt präsentirt sich die Markscheide beiderseits als parallel doppelt contourirter dunkler Streifen, welcher durch schräg gestellte, lineare Spalten unterbrochen ist. Von den zwei fein zugespitzten Enden der benach- barten Marksegmente schmiegt sich das äussere an dieSchwann’- sche Scheide, das innere an den Axencylinder an, welcher bei starker Vergrösserung eine minimale Strecke entsprechend der Ein- kerbung unbedeckt erscheint, so dass die Unterbrechung also eine durchgehende ist. Die Osmiumwirkung entspricht hier jenen homogenen Myelin- formationen der Extracte, welche aus etwas gequollener myelino- gener Grundsubstanz und darin gleichmässig vertheilten, osmium- gefärbten Körnchen bestanden, wie es wohl daraus hervorgehen mag, dass aus der Schnittfläche solcher Fasern z. B. nach längerer Einwirkung von Glycerinwasser noch ungefärbte Myelinschlingen in grosser Zahl hervorquellen; eine Erfahrung, welche auch gegen jene Hypothese spricht, nach welcher die Osmiumtinction auf Fär- bung chemisch abgespaltener Fetttröpfehen (Kuhnt pag. 449) oder der durch Aether extrahirbaren Bestandtheile des Nervenmarkes (Rumpf pag. 159) beruhen sollte. Die decomponirte „nunmehr fettarme Eiweissmischung“ könnte in diesem Falle die myelino- genen Eigenschaften kaum in so vollkommenem Grade beibehalten. d) Dem geschilderten Mittelstadium der Osmiumwirkung am nächsten stehen jene Bilder, welehe durch direetes Zerzupfen der Fasern in 0,5 %%0—1 °/, Lösung gewonnen werden. Der Grad der Fixation ist in beiden Fällen so ziemlich gleich (Gegenwart von noch ungebundenem Nervenmarke); nur verkrümmen sich dabei die Lanterman’schen Glieder wellenförmig und werden ihre End- punkte in die Länge gezerrt; wohl dadurch bedingt, dass bei diesem Verfahren die Quellung und die damit verbundene mini- male Bewegung — Dislocation — der Segmente sich mehr gültig machen kann. Auf diese Weise entstehen statt der normalen, bis zum Axeneylinder reichenden Einkerbungen, die bei Lanterman (Fig. 2), bei Ranvier (Lee. I. Taf. I. Fig. 5 u. 6) und theilweise bei Kuhnt (Fig. 3, 4, 12) abgebildeten Formen, an welcher die zungenförmig ausgezogenen Endtheile der Segmente am Grunde der Einkerbungen sich an den Axencylinder dermassen anschmie- 999 0. Pertik: gen, „dass es unmöglich ist zu bestimmen, ob die Trennungslinie das ganze Mark betrifft, oder ob nicht doch eine dünne Schicht desselben auf dem Axencylinder auch an den Kerbstellen liegen bleibt.“ (Lanterman |. ce. pag. 3.) e) Die Gruppe der ausgeprägtesten Osmium-Markmyelinfor- mationen fällt zwischen das Mittelstadium und die Strömungser- scheinungen. Ihr Typus stimmt im Allgemeinen mit den band- artigen oder fibrillären Formen der Extracte, welche bei geringeren Concentrationen einerseits fixirt (ihre Mantelschichten sind schwach gefärbt) andererseits durch die Wasserwirkung theilweise ver- flüssigt wurden. Zu ihrer Darstellung eignen sich Lösungen von 1/—Nso %o, also Concentrationen, welche bei seitlichem Hinzufliessen im Mo- mente ihrer Einwirkung gleichmässige Markströme von kürzerer Dauer bewirkten. Die Isolation muss darum entweder direct im Reagens vorgenommen oder ganze Stämmcehen mit denselben be- handelt werden. Die gewöhnlicheren Bilder, deren Entstehung im Einzelfalle ebenso wenig erklärlich ist, wie diejenige der einzelnen Formen am Rande der Extractscheiben, sind dabei folgende: Der Körper der Hohleylinder, Marksegmente, ist gleichmässig fixirt; ihre Endtheile aber in feinste fibrilläre Formationen aufge- spalten, die gefärbt, nur den fixirten Zustand jenes fibrillären Kranzes darstellen, welcher als schwindendes Gebilde auch bei Salzlösungen und Pikrinsäure vorkam. — Die Richtung der Fi- brillen fällt entweder mehr mit der Axe der Fasern zusammen, bald sind sie nach aussen convex geschwungen und werden in der Tiefe immer mehr quer gestellt. — Das ist die Bedeutung und Entstehungsweise der Bilder, welche neuestens Golgi!) auf Grund von Osmiumwirkung als Ausdruck normaler Strukturverhältnisse hinstellte. Die fibrillären Myelinformationen beschränken sich nicht auf die Endpunkte der Marksegmente, sondern erstrecken sich auf die ganze Länge derselben. Sie sind dann bald zu convexen Linien verbogen und sitzen in Form ineinander gesteekter Blumenkronen an dem Axencylinder, die Einkerbungen aber werden zu verbrei- teten, von den Fibrillen überbrückten Spalten (Fig. 6), oder sie 1) Sulla struttura delle fibre nervose midollate etc. Torino 1880, Fig. 5. Untersuchungen über Nervenfasern. 223 ahmen die Form gerader Stäbchen nach, welche den Axencylinder in schräg-radialer Richtung umgeben und sind dann die Lanter- man’schen Spalten schmal, linear (Fig. 7). In Folge der sehr unvoll- ständigen Osmiumfixation sind derartige Präparate nicht dauerhaft. Beim Einschliessen in Glycerinwasser kann letzteres die Myelin- formationen noch verflüssigen, wobei in der Nähe des Kernes (s. Fig. 6), an den Kerbstellen oder überhaupt in den Interstitien der Fibrillen ganz homogene, verflüssigte Massen erscheinen, mit deren Zunahme die fibrillären Formationen entsprechend schwinden. Dem letzteren Bilde am nächsten stehen diejenigen, wo die fibril- lären Formationen sich sehr dicht gitterartig kreuzen. (Die entspre- chende Abbildung wird meiner zweiten Mittheilung beigefügt werden.) Im axialen Theil der Nervenfaser erscheinen sie als sehr feine, etwas verbogene, stellenweise mehr ausgeprägte Querlinien, wodurch sie demselben ein schuppiges Aussehen verleihen können. In Un- kenntniss der Osmium-Markmyelinformationen zeichnet Golgi (l. e. Fig. 6) ein solches Osmiumbild und deutet die besagten Querlinien als den, an einfachen Osmiumpräparaten wahrnehmbaren optischen Ausdruck jener Hornspiralfäden, welche sein Schüler Rezzonico!) nach combinirter Anwendung der Osmiumsäure mit Ammonium bichromieum und salpetersaurem Silber an der Markscheide von Rückenmarkfasern beschrieb. Die Mitteltheile der Marksegmente (Hohleylinder) sind in Myelinformationen von zierlichst verschlungener Röhrchenform, ihre Endpunkte aber in solche von der Gestalt feiner, leicht geschwun- gener Fasern übergeführt und unvollständig fixirt. Der axiale Theil zeigt dann eine netzförmige Zeichnung, die neben den scharfen Contouren der Formationen als ein verschlungenes Ma- schenwerk zu erkennen ist. Bei Aufbewahrung solcher Präparate in glycerinhaltigem Wasser schwindet, durch Ausscheidung von Massen der verflüssigten Formationen in die Maschenräume hinein, der netzartige Charakter immer mehr. Eine andere Form der netzartigen Zeichnung, wo die Fixa- tion mehr gleichmässig ist (d. h. welche nicht von einem Maschen- werke röhrenförmiger Myelinformationen dargestellt wird) beschrieb Lanterman. Zu ihrer Darstellung behandelte er ganze Nerven- 1) Sulla struttura delle fibre nervose del midollo spinale. Torino, V. Bona, 1880. 224 O. Pertik: stämmehen 12—24 Stunden lang mit sehr verdünnten (0,008 °/,) Lösungen, also solchen, wo die die Myelinformationen fixirende Wirkung der Säure und die verflüssigende des Wassers gleichzeitig zur Geltung kommt. Und darin liegt unserer Ansicht nach auch die wahrscheinlichste Erklärung dieser Bilder. Denn, wenn die Ausscheidung der verflüssigten Massen hauptsächlich an den Kerb- stellen statt hat, so zeigen sich nur Spuren der netzförmigen Zeich- nung (s. Fig. 8, a, b), welche um so ausgeprägter werden, je dif- fuser sich dieselbe in der Substanz der Lanterman’schen Glieder selbst vollzieht. So entstehen jene Bilder (s. Lanterman’s Fig. 2), wo die Interstitien der ausgeschiedenen Tröpfehen mit Osmium gefärbt sind und somit die fragliche Zeichnung bewirken. — Nur so wird jene Beobachtung erklärlich, dass an Nervenfasern, deren im Mittelstadium der Osmiumwirkung fixirte Markscheide keine Spur von netzförmiger Zeichnung bietet, diese bei Einschliessen des Präparates in Glycerinwasser sich oft noch allmählich aus- bildet. — Kuhnt’s Erklärung, wonach abgespaltene mit Osmium gefärbte Fetttröpfehen die fragliche Zeichnung bedingen, ist hiemit unbegründet; da einmal die Osmiumverbindung mit Abspaltung von Fettkügelehen nicht einhergeht und weil an diesen Bildern eben die ausgeschiedenen Tröpfchen selbst immer. ungefärbt er- scheinen. Da Golgi in dieser Frage Lanterman beistimmt („e di eui riesce impossibile il dire quale possa essere il significato“ l. e. pag. 16), bleibt nur die Vermuthung Rumpfs zu erwähnen, dass es sich hier um Zeichnungen handle, welche etwa von der äusseren Hornscheide Ewald’s und Kühne’s bedingt seien. Da, wie gleich gezeigt werden soll, diese Voraussetzung unbegründet ist, so fällt die letztere Vermuthung von selbst weg. Die stäbehenförmige Markstruktur Lanterman’s betreffend, welche er auf seine netzförmige Bilder gründete und welche Kuhnt wie Boll, allerdings ohne eine Erklärung zu geben, als Kunst- produkte ansprachen, so brauchen wir wohl nicht besonders her- vorzuheben, dass sie auf fixirten Markmyelinformationen beruht und dass die netzförmige Zeichnung als Querschnittsbild der Stäb- chen nicht gedeutet werden kann. Untersuchungen über Nervenfasern. 225 E. Das Horngerüst der markhaltigen Nervenfasern. An peripherischen wie centralen Fasern beschreiben Ewald und Kühne!) ein knorriges Gerüst, welches als Stütze für die weichere Markmasse dienen und ein Scheidensystem bilden soll. Letzteres würde aus zwei ineinander gesteckten Röhren bestehen, von welchen die äussere das Mark gegen die Schwann’sche Scheide abschliesst, die innere den Axencylinder umhüllt; beide würden durch verästelte Balken desselben Gerüstes verbunden. In Pepsin und Trypsin fanden sie diese Scheiden, gleich Horngebilden, gänz- lich unverdaulich und benannten dieselben darum „Hornscheiden“ und deren Substanz „Neurokeratin“. Auch scheinen Ewald und Kühne trotz der Vorsicht, mit welcher sie sich über ihr Verhält- niss zu den Stilling’schen Elementarröhrehen aussprechen, letztere mit den Balken ihres Horngerüstes gleichzustellen. Da Kühne in einer neueren mit J. Steiner gemeinsamen Arbeit?) die zarte Membran, welche er direct um den Axencylinder sah, mit der Axencylinderscheide der Autoren nicht identifieirt (es sei dies eine „neue“ Scheide, das Axolemm), so ist damit die früher nur vermuthungsweise ausgesprochene Identität der inneren Hornscheide mit der Axeneylinderscheide (Aut.) definitiv behauptet worden. Ueber die präformirte Existenz hornartiger Gerüste äusserten sich Tizzoni®?) und Rumpf). Doch konnte ersterer mittelst sie- dendem Chloroform nur ein diffuses Gerüst gewinnen, welches mit den Einkerbungen in keinerlei Beziehung stehend, die Schwann’- sche Scheide berührte, mit dem Axencylinder aber durch Bälkchen am innigsten verbunden sei. Rumpf machte dann darauf auf- merksam, dass die durch Alkohol-Aetherextraction darstellbaren Scheiden noch eine Menge verdaulicher Eiweisskörper enthielten 1) „Die Verdauung als histologische Methode“. „Ueber einen neuen Bestandtheil des Nervensystems“. Verhandlungen des naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg, vol. I, fasc. 5, 1876, pg. 457. 2) „Beobacht. üb. markhalt. Nervenfasern“. Unters. aus d. phys. Insti- tute d. Univers. Heidelberg. Bd. III, Heft 1/2 1879, pg. 149—171. 3) „Sulla patologia del tessuto nervoso“. Archivio per le Scienze me- diche vol. III, fasc. 10, 1878. 4) 1. c. pg. 143. 226 OÖ. Pertik: — „hornführende Scheiden“ — und nennt darum nur die Ver- dauungsprodukte eigentliche „Hornscheiden“. Gegen präformirte Horngerüste äusserte sich Gerlach!) und mit vieler Reserve Hesse?), während Fr. Schultze und Rumpf?) in einer gemeinsamen Arbeit ihre pathologischen Veränderungen, Unger‘) selbst ihre Entwickelung an embryonalen Centralfasern verfolgten. Die Frage nach der Existenz eines präformirten Horngerüstes und nach der Beschaffenheit desselben möge schon hier, in unserer ersten Mittheilung behandelt werden, weil der Verlauf unserer Studien ergeben hat, dass auch in dieser Angelegenheit mehrfache Beziehungen zu den myelinogenen Substanzen und den Myelin- formationen bestehen. Zunächst sollen die eigenen Untersuchungen beschrieben werden. Die eine Hälfte des gespaltenen Froschischiadieus wurde von den daran haftenden bindegewebigen Scheidenresten befreit, davon feine Bündelehen losgetrennt und in gestrecktem Zustande mit fein zerzupften Fasern gleichzeitig der Alkohol-Aetherextrac- tion unterworfen. (24stündiges Verweilen in kaltem Alkohol, 20—25 Minuten langes Erhalten in Siedetemperatur über dem Wasserbade, 24stündiges Liegen in kaltem Aether.) Die gewonnenen Bilder stimmen nicht zu den Beschreibungen Ewald’s und Rumpf's (s. Fig.9 u. 10). Innerhalb der Sch wann’- schen Scheide zeigt sich nämlich an Stelle der Markscheide ein einziger, aus stark lichtbrechendem, überall doppelt contourirtem Balkenwerk bestehender Hohleylinder und darin anstatt eines knorrigen Centralstranges der gleichmässig geschrumpfte, gestreckt verlaufende und vollkommen glatte Axencylinder; letzterer nur nach langer Einwirkung an Färbemitteln, da er sich nach soleher Behandlung nur äusserst schwer färbt (leichter mit Haematoxylin als mit Carmin). 1) „Zur Kenntniss der markhaltigen Nervenfaser“. Tageblatt der 51. Versamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Cassel. 1878, pg. 261. 2) 1. c. pe. 355. 3) „Zur Histologie der Degenerationsvorgänge im menschlichen Rücken- marke“. Centralbl. f. med. Wissenschaft. pg. 657. 4) „Unters. üb. d. Entw. der centr. Nervengewebe“. Sitzungsber. der Akad. d. Wissenschaft. LXXX. Bd. Wien 1879. Untersuchungen über Nervenfasern. 227 Durch Verdauung — wozu wir uns statt des unkäuflichen Trypsins eines nach Hoppe-Seyler’s Vorschrift immer frisch bereiteten Pankreas- und Magenschleimhautextractes bedienten, in welchem die Fasern bei Zimmertemperatur wenigstens 12 Stunden verweilten — wurde der materiell grössere Theil der einzelnen Balkenfasern gelöst, und erscheinen dieselben dann als einfach eontourirte, immer noch stark lichtbrechende Bälkchen, doch ist auch bei dem nun erleichterten Einblick in die Faserstruktur ein axialer Hornstrang nicht wahrzunehmen (Fig. 11). Nach tagelang fortgesetzter Verdauung erleiden an einzelnen Fasern die Bälkchen theilweise einen körnigen Zerfall und wird damit der netzförmige Charakter des Gerüstes mehr weniger verschwommen (Fig. 12). Noch besser sind diese Verhältnisse an Querschnitten extrahirter Fasern ersichtlich, welche an Stelle der Markscheide einen einzigen etwas eingeschrumpften, durchaus an knorrigem Gerüste gebildeten Ring zeigen, aus dem der Axencylinder herausgefallen ist oder an die Seite gedrängt erscheint, dabei nach längerer Carminwir- kung eine centrale rothe Scheibe und einen ungefärbten, schmalen, strukturlosen Saum (Axencylinderscheide der Autoren) zeigt. Schliesst man nach Rumpf’s Verfahren markhaltige Nerven- fasern in Chloroform ein, so zersetzt sich neben Entwicklung von Salzsäure und dadurch bedingter, bräunlicher Farbe, dieses Reagens sehr leicht. Wir verfuhren deshalb folgendermassen: zerzupfte Fasern, auch scheidenfreie, ausgespannte, feinste Bün- delehen wurden in Chloroform gelegt und dieses in den ersten zehn Stunden mehrmals erneuert. Das Flacon wurde dann mit Tischler- leim verklebt, nach dessen Eintrocknen mit Pergamentpapier ver- bunden und in einer mit starkem Alkohol gefüllten Schale über Wasserbad 10—20 Minuten in Siedetemperatur erhalten; dann Aus- waschen und Färbung. Nach gelungener Extraction ergaben dabei die feinsten gespannten Faserbündel die besten Bilder. Von einem diffusen Gerüstwerke, wie es Tizzoni abbildet, oder von zwei in einander gesteckten Röhren, wie solche nach Rumpf eben bei diesem Reagens am besten ersichtlich seien, ist nichts wahrzunehmen; vielmehr zeigen sich Bilder, wie sie Koch!) nach einer mit Silber combinirten Anwendungsweise des Chloro- 1) „Zur Kenntniss d. markhalt. Nervenfasern“. Tageblatt der 51. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte (1878), pg. 262. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 19, 16 228 Ö. Pertik: forms sah, die jedoch bisher noch nicht bestätigt wurden. — Zwi- schen Axeneylinder und Schwann’scher Scheide sind zierliche trichterartige Gebilde ausgespannt und ist der Nervenschlauch im übrigen leer oder von feinsten Körnchen gleichmässig erfüllt. Die Triehter färben sieh mit Carmin schwach rosaroth, bestehen aus einer äusserst zarten, sehr fein gekörnten Lamelle. Ihre breiteren, an vielen Stellen scheinbar zackigen Oeflnungen legen sich an die Sehwann’sche Scheide an, während die stumpfspitzigen Enden den Axeneylinder umfassen und entsprechen somit diese Trichter ihrer Lage und Anordnung nach vollkommen den Lanterman’schen Markunterbreehungen. Ihre Substanz und nähere Beschreibung betreffend wird auf den HI. Theil unserer Untersuchung verwiesen, wo auch die nöthigen Abbildungen beigefügt werden sollen. Nur bei schlecht gelungener Chloroformextraction (tagelanges Liegen im kalten Reagens, ungenügendes Kochen) bleiben schuppen- oder lamellenartige Reste des ungelösten Nervenmarkes zurück, können stellenweise auch eine netzförmige Zeichnung vortäuschen, welehe die Regelmässigkeit der Alkoholbilder nie erreicht. Zerzupft und untersucht man frische Nerven direet in Chloro- form, so erscheint die Markscheide in gelblich-grünlichem, der Axeneylinder und die Einkerbungen in röthlichem Farbenton. Die in dem kalten Reagens löslichen Theile des Markes erscheinen als slänzende Tröpfehen in demselben, welche zusammenfliessen und theilweise durch die Schwann sche Scheide hindurchsickern. Der nicht gelöste Theil bildet bei gleichzeitigem Verschwinden der Markunterbrechungen unregelmässige, Krümmliche Massen, oder bleibt an der Innenfläche der Schwann’schen Scheide als feine Schicht liegen, an welcher die Spindel- oder Schuppenform der Marksegmente noch erkannt werden kann. Bilder, wie sie die Al- kohol-Aetherextraction ergab, können auf diese Weise nicht ge- wonnen werden, vielmehr werden an einzelnen Stellen die er- wähnten Trichter in Form feiner Querlinien — wie sie Lanter- man nach Alkamin-Terpentinbehandlung als seinen Markunter- breehungen entsprechend schon abbildete (l. e. Fig. 3) — oder im optischen Längsschnitt als gegen den Axeneylinder eonvergirende Spalten sichtbar. Stellenweise können sie auch stereoskopisch er- kannt werden und sind jene selteneren Fälle lehrreich, wo an her- ausragenden Axeneylindern die zarten Lamellen freiliegender Trich- ter theilweise oder vollständig anhaften. Untersuchungen über Nervenfasern. 229 Bei unmittelbarer Untersuchung frisch zerzupfter Fasern in einer 4°/, Lösung des chemisch reinen glycocholsauren Natron’s, von welchem Ewald und Kühne behaupten, dass es das Mark entfernen und also ohne coagulirende Einwirkung das bekannte Alkoholbild darstellen soll, entsteht ein Boll’sches Zer- setzungsbild, d. h. das Mark wird langsam in Myelinformationen überführt, welche durch Verdauungsflüssigkeiten nur insofern ver- ändert werden, als letztere die fibrillären Formationen in abge- schnürte weiter überführen. — Bei fortgesetzter Maceration der Nervenfasern, wie solche nach Ewald’s Angaben in dieser Flüssig- keit bis zum 15. Tage verfolgt wurde, verflüssigen sich theilweise die Myelinformationen und erscheinen die ungelösten Massen als fein gekörnter Detritus. — Feine Bündel von Nervenfasern werden dabei immer weicher (zuletzt von gelatineartiger Consistenz), wäh- rend die Darstellung von „Hornscheiden“ mittelst Alkohol-Aether- extraction mit einer Erhärtung der Fasern einhergeht. Nie gelang es uns auch bei dieser Anwendungsweise ein Balkengerüst zu „isoliren“. Was die Angaben Rumpf’s betrifft, der für die präformirte Existenz der Hornscheiden einen gewichtigen Beweis darin erblickt, dass dieselben in viel regelmässigerer Zeichnung auch durch Wasser dargestellt werden könnten, so ist auf das schon bei der Wasserwirkung auf Nervenmark Gesagte zu verweisen. Was Rumpf hier für Hornscheiden erklärt, sind jene Markmyelinformationen, welche nach Beendigung des Markstromes in der Schwann’schen Scheide zurückbleiben. Dieselben für ein stützendes Gerüst des Markes zu erklären, wäre gleichbedeutend mit der Behauptung, dass die aus myelinogenen Extraeten entwickelten fein fibrillären Myelinformationen (s. Fig. I) eine präformirte Struktur der letz- teren seien. Es geht aus diesen Detailuntersuchungen hervor, dass die Alkohol-Aetherextractiondie einzige Methode ist, welche das regelmässige Bild des knorrigen, stark lichtbrechen- den Balkengerüstes darzustellen vermag. Gegen die praeformirte Existenz der Hornscheiden spre- chen dann a) die Bilder, welehe nach vollkommener Verdauung der Schwann’schen Scheide auftreten, zu welchem Zweck eine grössere Quantität unserer frisch bereiteten Verdauungsflüssigkeiten bei 230 OÖ. Pertik: Zimmertemperatur wenigstens 12—24 Stunden auf fein zerzupfte Fasern einwirken musste. Das Nervenmark wird in homogene, würstehenartig verschlungene Myelinformationen überführt, welche sich, entsprechend dem Glyceringehalte der Verdauungsflüssigkeiten langsam nach der Oberfläche der Fasern entwickeln, um dann als freie kuglige Körper sich abzuschnüren (Fig. 14) — ein Process, der bei Gegenwart einer äusseren Hornscheide diese Form nicht annehmen könnte. Die Angabe Ewald’s und Kühne’s, nach welcher die der Sehwann’schen Scheide beraubten Nervenfasern „die fliessenden Bestandtheile des Markes nicht überall seitlich austreten lassen“, vielmehr wegen der äusseren Hornscheide „auf längere Strecken heil und glatt bleiben“, bezieht sich eben auf Fasern, deren Schwann’- sche Scheide unvollständig gelöst war, wie dies bei dem Verfahren genannter Forscher (Verdauung unter dem Deckgläschen bei directer Beobachtung) allerdings der gewöhnliche Fall ist ). — Das Nervenmark scheint übrigens bei kürzerer Einwirkung von den Verdauungsflüssigkeiten chemisch nicht angegriffen zu werden, — (nur bei langer Einwirkung verflüssigen sich die be- schriebenen Myelinformationen) — denn es behält seine sämmt- lichen Reactionen, auch seine myelinogene Natur und schützt an vielen Punkten den Axencylinder gegen die verdauende Einwir- kung. Das für die präformirte Existenz der Hornscheiden von Ewald und Kühne angeführte Argument, dass dieselben auch unter umgekehrten Verhältnissen dargestellt werden könnten, in- dem man die Nerven erst verdaut und dann mit Aether-Alcohol behandelt, verliert dadurch seine Beweiskratft. b) Die fixirten, fibrillären Formen der Osmiumbilder (s. Fig. 6 1) Anknüpfend an diese Beobachtung möchten wir hier auf die irrige Ansicht betreffend die Consistenz des Nervenmarkes hinweisen, da es in den Handbüchern als ausgemacht betrachtet wird, dass dieselbe eine zäh- flüssige sei. So erklärt z. B. Ranvier (Lecons J, 151), dass seine Schnürringe unter anderem da wären, um das Herabfliessen und die Anhäufung des Markes an den tiefst gelegenen Punkten zu verhindern. Die Parallelversuche scheinen es nämlich zu beweisen, dass das Mark eine fest weiche Consistenz besitzt, etwa wie halb eingetrocknete, myelinogene Extracte, nur viel homo- gener und stärker lichtbrechend, und dass das scheinbare Fliessen desselben nur als jene Bewegung zu betrachten ist, welche das beim Uebergang in Myelinformationen auftretende Quellen unzertrennlich begleitet. Untersuchungen über Nervenfasern. 231 und Fig. 7), welche dadurch, dass sie gleiehsam die feinste ana- tomische Zergliederung der Markscheide bewirken, einen Einblick in die Markstruktur gewähren; sie lassen jedoch von dem Balken- gerüst keine Spur erkennen. — Ebenso fehlen dieselben an den erweiterten Lanterman’schen Einkerbungen, wo sie nach Rumpf vorhanden nur unsichtbar sein sollen und sucht er dies dadurch zu beweisen, dass die Alcohol-Aetherextraetion an solehen Fasen das Balkenwerk noch darstellt. Abgesehen davon, dass es wenig ver- ständlich ist, wesshalb das durch seine doppelten Conturen und seine starke Lichtbrechung so leicht erkenntliche Gerüst, wenn überhaupt normal vorhanden, an diesen Stellen unsichtbar sei, ist dagegen hervorzuheben, dass seine Darstellung nur nach sehr un- vollständiger Osmiumfixation des Nervenmarkes gelingt, in diesem Falle aber das Balkengerüst entsprechend der schwachen Osmium- tinetion des Nervenmarkes bräunlich gelb erscheint. c) Die Resultate der beschriebenen Parallelversuche. Wären präformirte Horngerüste im Nervenmark vorhanden, so hätten sie bei der Ueberführung des Markes in Myelinformationen, welche durch die gleichzeitige Aufspaltung des Markes gleichfalls einen Einblick in die Struktur der Markscheide gewährten, nicht unsicht- bar bleiben können. Durch die drei letzteren Beobachtungen muss der obige Satz dahin modifieirt werden, dass die Ewald-Kühne’schen „Horn- scheiden“ nur das specifische Resultat der Alkohol- ätherextraction darstellen. Direct spricht dafür der schon von L. Gerlach (l. e.) hervorgehobene Umstand, den wir bestä- tigen können, dass sich der Charakter des Netzes nach den ver- schiedenen Anwendungsweisen des Alcohols ändert. Viel enger und mehr gekörnt erscheint es bei schnellerer und kurzdauernder Applieation als bei andauernder Einwirkung derselben. Behandelt man die aus dem Nervenschlauche herausgetretenen Markmyelinformationen unter dem Deckgläschen direet mit Alcohol, wie dies schon Hesse that, so schrumpfen dieselben binnen weniger Sekunden zu dem bekannten aus anastomosirenden Bälkchen beste- henden, nur mit wenig Körnchen gemengten Maschenwerk zusammen. Das „Horngerüst“ kann hiemit auch ausserhalb der Schw ann’schen Scheide dargestellt werden. 252 0. Pertik: Da myelinogene Extracte (S. Parallelversuche) sich in kaltem Alkohol und Aether vollständig lösen, weist die speeifische Wir- kung dieser Reagentien auf Nervenmark, auf eine abweichende chemische Constitution des letzteren hin. Es hängt dieser Umstand mit derFrage über die chemische Natur des Kühne’schen Balkenwerkes zusammen. Für Hesse’s Annahme, dass durch Alkohol im Nervenmarke diffus vertheilte keratoide Substanzen (Neurokeratin) gefällt werden, fehlen einstweilen jegliche Anhaltspunkte und liegt es wohl am nächsten die Alkoholwirkung auf eiweissartige Bestandtheile des Markes zu beziehen. Für die hornartige Natur dieser Produete spricht ihre scheinbare Unverdaulichkeit. Doch scheinen dagegen, neben dem Mangel chemischer Untersuchungen des Nervenmarkes — wir wissen ja weder ob es Nuclein enthält, noch ob dasselbe durch ecombinirte Einwirkung der Hitze und des Alkoholaethers seine Löslichkeit in dünnen Alkalien verliert — folgende Bedenken nicht ungerechtfertigt: Da, wie schon Rumpf richtig bemerkte, durch Verdauung der grössere Theil der einzelnen Balkenfasern eingeschmolzen wird, müsste man annehmen, dass dieselben aus einer verdaulichen, ei- weissartigen Mantelschicht und keratoider Axe aufgebaut seien. Bei lange fortgesetzter Verdauung konnte aber an einer geringeren Zahl von Fasern der körnige Zerfall selbst dieser Bälkchen und damit ein mehr minder ausgesprochener Schwund des netzartigen Charakters festgestellt werden und zwar an um so zahlreicheren Fasern, je schwächer der Alkohol und von um so kürzerer Dauer seine Einwirkung gewesen war. — Auch Blutkörperchen konnten durch lange Alkoholbehandlung, darin vorgenommenes Auskochen, dann Aetherwirkung theilweise unverdaulich gemacht werden. — Gegen die keratoide Natur des Netzes spricht ferner, dass es sich mit Pikrinsäure oder Pikrocarmin nicht färbt und dass nach vorhergehender 48 stündiger Behandlung mit reiner oder auch ziem- lich diluirter (bis 2 %) Essigsäure die Alkohol-Aetherextraction das Balkengerüst nicht mehr darstellt; endlich die myelinogene Natur desselben. Die Eindiekung des zur Extraction gebrauch- ten Alkohols ergibt nämlich eine schmierige Masse, welche sehr leicht (schon durch Wasser, — Salzlösungen) in charakteristische Myelinformationen überführt wird; die Balken des Gerüstes werden aber nur durch concentrirte Schwefelsäure, — Alkalien Untersuchungen über Nervenfasern. 233 und hauptsächlich Salpetersäure (noch mehr bei höherer Tempe- ratur derselben) zur Quellung gebracht, wobei dieselben eine blasse, myelinartige Lichtbrechung annehmen. — Das homogene Nerven- mark wurde also durch Alkoholextraetion in zwei Theile geschie- den: in die extrahirte und in die, in netzförmiger Anordnung zu- rückbleibende Substanz, von welchen letztere minder ausgesprochene myelinogene Eigenschaften besitzt als erstere. Die Consequenz der specifischen Alkoholwirkung auf Nervenmark ist, dass die Anordnung des dargestellten Ge- rüstes jedesmal der Form entspricht, in welcher sich das Mark im Momente der Einwirkung befand. Ist es am Schnürringe zurückgedrängt worden, so erscheint das Gerüst: daselbst entsprechend unterbrochen (Tizzoni) und umgekehrt. Aber auch im letzteren Fall ist es nicht statthaft den Ring von zwei Scheiden passiren zu lassen, wie es Rumpf that, oder sie als parallel gestreift zu schildern, wie es Kühne und Steiner beschreiben. Das Bild des einzigen, aus besagten Bälkehen bestehenden Hohleylinders, wie nach Alkohol-Aetherextraction die Kühne’schen Hornscheiden uns immer erschienen, erleidet nur dort eine Modifi- cation, wo beim Zerzupfen die Markscheide in irgend welcher Weise verletzt worden war. Wurde z. B. das Mark theilweise ausgepresst und blieb eine Mantelschicht desselben auf dem Axen- cylinder haften, so kann das Balkengerüst nach Alkoholbehandlung an diesen Strecken auch um den Axencylinder herum erscheinen). Von demselben Gesichtspunkte aus ist auch der Befund Friedr. Schultze’s und Rumpf’s, die Veränderungen des Neurokeratins bei Degeneration von Rückenmarksfasern betreffend, zu beurtheilen. 1) Die Angabe Ranvier’s (l. c. T.I, 124), dass sich die Axencylinder der Nerven von Torpedo mit Osmium schwarz färben, beruht unserer Mei- nung nach auf demselben Vorgange. An Nerven des Menschen, verschiedener Säugethiere und des Frosches kann man sich nämlich überzeugen, dass bei streckenweiser Abstreifung des Markes eine den Axencylinder umgebende dünne, dunkel gefärbte Schicht nach Osmiumbehandlung am schwierigsten entfernt wird. Dem Grade des Abstreifens dieser Schicht entsprechend er- scheint dann der Axencylinder im optischen Längsschnitt entweder als durch- aus dunkler oder nur beiderseits von dunklen Randcontouren begrenzter heller Strang. 234 OÖ. Pertik: Wenn sie fanden, dass nur soviel Neurokeratin in den degenerir- ten Abschnitten des Rückenmarkes übrig blieb, als der restirenden, geringen Anzahl von Nervenfasern entspricht und daraus den Schluss ziehen, dass das Horngewebe durch den pathologischen Process (chronische Entzündung) völlig aufgelöst und zum Ver- schwinden gebracht wird: so besagt dies nichts anderes als dass ihr Verfahren — die Alkoholaetherextraetion — das Gerüst eben nur dort darstellt, wo noch Nervenmark vorhanden war. Aus der Angabe Ewald’s und Kühne’s, dass „sich dasselbe (das Horngerüst) vorfindet, wo das Mark nach der Durchschnei- dung am Lebenden zerfällt und zu schwinden beginnt“ ist es nicht ersichtlich, ob dabei ein direetes oder nur durch die Alkohol- Aetherextraction gesetztes Auftreten desselben verstanden werde. Entsprechende Untersuchungen ergaben uns, dass an peripherischen Theilen durchschnittener Fasern in den ersten zwei Wochen der Waller’schen Degeneration keine Spur eines solchen Netzes er- scheint; dasselbe durch Alcohol-Aetherbehandlung nur dort und in solcher Quantität darstellbar ist, wo und in welcher Menge Ner- venmark noch vorhanden war. — In späteren Stadien der Dege- neration (über den 15.—20. Tag hinaus, bei Säugethieren) zeigen sich sehr selten vereinzelte Nervenfaserstrecken, welche sich auf die Ewald-Kühne’sche Angabe beziehen lassen. An solchen Stellen, wo das Nervenmark bis auf vereinzelte krümlige Massen vollständig geschwunden und die Schwann’sche Scheide von, in diesem Stadium gewöhnlich parallel gestreiftem Protoplasma gleich- mässig erfüllt ist, — ist dann die parallele Streifung des letzteren durch ein enges, längliches Maschenwerk mehr minder verdrängt, dessen sehr zarte, einfach contourirte Bälkehen (8. Fig. 16) der starken Lichtbrechung des Alkohol-Aethergerüstes entbehren und in Verdauungsflüssigkeiten schnell und vollständig gelöst werden. (Auch direct unter dem Deckgläschen.) Diese Bälkchen sind hie- mit echt protoplasmatischer Natur und ist das Entstehen der Netze durch Locomotion der Wanderzellen resp. der vermehrten Zellen der Sehwann’schen Scheide in dem Protoplasma zu erklären. Es sei uns gestattet hieran einige Bemerkungen über die Stil- ling’schen Elementarröhrehen zu fügen, da wir Ewald und Kühne zur Stütze der praeformirten Existenz ihrer Hornscheiden sich auf Untersuchungen über Nervenfasern. 235 dieselben berufen sahen und weil ihre Bedeutung bis jetzt eigent- lieh unerklärt geblieben ist. Die herrschende Annahme, dass Stilling’s Angaben sich aus- schliesslich auf Chromsäurepräparate beziehen, entspricht kaum jener Umsicht, mit weleher er selbst die möglichen Zweifel und Einwendun- gen gegen seine Lehre kritisch beleuchtete. (S. Schlusswort p. 136— 1441. ec.) Inder That hat er seine Schlüsse nieht nur aus Präparaten gezogen, die in den verschiedensten Concentrationen der Chromsäure gehärtet wurden, sondern auch aus ganz frischen, mit verschiedensten einfachen Reagentien oder ohne Zusatzflüssigkeiten untersuchten Fa- sern. Unter diesen Bedingungen konnte er im Wesen einheitliche Bilder nachweisen, die ihn zur definitiven Begründung der damals ganz vergessenen Fontana’schen Lehre, wonach das Mark aus lauter gewundenen Röhrchen (eylindres tortueux) bestehe, wie er meinte, vollständig berechtigten. — Was er darunter verstand, ist nach unseren bisherigen Studien dureh Einblick in Stilling’s Ori- ginalwerk leicht ersichtlich. Aus der grossen Zahl der betreffenden Thatsachen soll z. B. folgende herausgegriffen werden. Bei der Diseussion der Henle’schen Markgerinnung sagt er von den „Gerin- nungskügelehen“ des inneren Saumes: „Was Henle hier als Kü- gelehen beschreibt und als solche zeichnet, sind helle Räume, die durch eine gewundene Strecke von Elementarröhrehen umgrenzt werden“ — weiter „Der Stiel der angeblichen Kügelchen ist gleich- falls nur eine kleine Strecke eines Elementarröhrehens“ u. s.w. (pg.31 Ueb. den Bau d. Nerv. prim. Faser Frankfurt 1856). — Es ist ein- leuchtend, dass hier jene schlingenförmigen Markmyelinformationen des inneren Saumes verstanden werden, deren langsames Heran- wachsen und endliche Absehnürung bei den postmortalen Erschei- nungen sohon beschrieben wurde. Die „eylindres tortueux“ Fon- tana’s und die damit von Stilling selbst indentifieirten Elemen- tarröhrehen sind sonach nichts weiter als Markmyelinformationen. Da, soweit wir die Frage studirten, ausser den unmittelbar schrum- pfenden Mitteln (Alkohol, eoncentrirte Salzlösungen) dann Chloro- form, Aether, Mittelstadium der Osmiumwirkung u. s. w. nur aus- nahmsweise sich solche Reagentien vorfinden, welche das Mark früher oder später in die so mannichfachen Myelinformationen nicht überführen, so ist es verständlich, dass Stilling unter verschieden- sten Einwirkungen ohne Zwang Beweise für seine Lehre beibringen konnte. 236 0. Pertik: Was nun die Chromsäurebilder betrifft, deren sich Stilling allerdings am meisten bediente, so gehören sie, einigermassen gleich den Osmiumbildern, zu den fixirten Markmyelinformationen. Diese Säure, sowie ihre Salze (auch Müller’sche Flüssigkeit) überführen nämlich, wie es die direete Beobachtung unter dem Mikroskope lehrt, das Mark in Myelinformationen, welche sie bei dauernderer Einwirkung neben gelber Färbung erhärten. Damit ist aber auch schon ihr wesentlicher Unterschied von den Alkohol- aetherbildern angedeutet; da Alkohol das Nervenmark in Myelin- formationen nicht überführt, dasselbe direet schrumpfen macht, theil- weise löst und den ungelösten Theil in einer allerdings ziemlich regelmässigen Form zurücklässt. Diese Wirkung der Chromsäure wie ihrer Salze manifestirt sich auch an „in toto“ erhärteten Rückenmarks- oder Gehirntheilen deren Mark sie nicht als solches sondern in Gestalt von Myelin- formationen erhärten. (Daher jene geringe Quellung und Erweich- ung, welche nervöse Theile anfangs in diesen Flüssigkeiten erlei- den.) Nur sind letztere von detritusartigen Klümpchen um so mehr verunreinigt, je concentrirter die gebrauchten Lösungen, ausserdem um so reiner und ausgeprägter, je direeter die Einwirkung auf die einzelnen Fasern war. — Darüber belehrt am einfachsten eine Vergleichung von Fasern der Spinalwurzeln eines, in besagten Reagentien erhärteten Rückenmarkes mit denjenigen des letztern selbst. Eine solche, in Müller’scher Flüssigkeit erhärtete Spinal- wurzelfaser zeigt uns Fig. 15, wo die fibrillären doppelt- (an der Zeichnung einfach-) contourirten Markmyelinformationen ganz körn- chenfrei sind, stellenweise (a, b, ce, d,) auch der Ausdruck der Lanterman’schen Gliederung und überhaupt die Verschiedenheit des Typus von demjenigen der Aetheralkoholbilder gut ersichtlich ist. Die theilweise Unverdaulichkeit dieser erhärteten Markmyelin- formationen ist der einzige Punkt, den sie mit den Aetheralkohol- bildern gemein haben und welcher nach schon angedeuteten Ge- sichtspunkten beurtheilt werden muss. — Wenn also Lanter- man!) von Stilling’s Elementarröhrehen sagt: „Jetzt weiss ich nach Einsicht des Stilling’schen Originalwerkes sehr wohl, dass seine Röhrchen, wie Me. Carthy richtig bemerkt, durchaus nichts mit der von mir und Me. Carthıy beschriebenen Stäbehenformation 1) lc. pg.3. Untersuchungen über Nervenfasern. 237 zu thun haben“, so haben uns unsere Studien eben zur entgegen- gesetzten Auffassung geführt. Beides sind fixirte Myelinformationen des Markes, obsehon diejenigen des Osmiums sauberer, minder erhärtet und mit Körnchen nicht so gemengt sind, wie diejenigen der Chromsäure. Auch die Angaben Manthner’s!), welcher als normale Struk- tur an mit Ammonium bichromieum behandelten Rückenmarksfasern eine, seither allgemein constatirte, mehr weniger vollkommen con- centrische Schichtung des Markes — und diejenigen Ranvier’s?), der nach Osmiumbehandlung dieselbe an peripherischen Fasern, als Querschnitte der Lanterman’schen Einkerbungen beschrieb, sind der Ausdruck von fixirten Markmyelinformationen, wobei sich von den morphologisch wesentlichen Momenten ihrer Erscheinung hauptsächlich die Schichtenspaltung manifestirte. Wären sie an Osmiumpräparaten der Ausdruck querdurchschnittener Einkerbun- gen, so müsste, was schon der Aufmerksamkeit Hesse’s nicht entging, im gleichen Niveau nur ein einziger heller Ring erschei- nen. — Nach besagten Gesichtspunkten müssen endlich auch die Un- tersuchungen Unger’s (l. e.) beurtheilt werden, der neben Annahme präformirter Hornscheiden an embryonalen Centralfasern auf Grund erhärteter Schnittpräparate nachzuweisen sucht, dass das Auf- treten des Horngerüstes vor demjenigen des Markes statt hat. Man darf eben nicht vergessen, dass nach Erhärtung mit Chromverbin- dungen nicht das Mark, sondern nur seine fixirten Myelinformen zu Gesicht kommen, deren Quantität, wie es degenerirte Fasern bewiesen, der vorhandenen Markmenge correspondirt. Die Abbil- dungen Unger’s (s. z. B. Fig. 6 Taf. IT) zeigen entsprechend dem geringen Markgehalte sich entwickelnder Fasern in der That nur ein spärliches, unvollständig geschlossenes Netz, aus dessen Unre- selmässigkeit auf Anwendung von Chromverbindungen geschlossen werden muss. — 1) Beiträge z. Kenntn. d. morph. Elemente d. Nervensyst. Sitzungsber. d. wiss. Akademie Wien. Bd. XXXIX. 2), L3e& Ba 929270, Tar TI, Fig. 7. Fig. Fig. Fig. Fig. IR LT. ig. IV. IV. ig. VI. ig. VI. VI. O0. Pertik: Erklärung der Tafel X. Ein Theil des am Rande einer myelinogenen (Eidotter) Extract- scheibe dargestellten Myelinkranzes nach 60stündiger Wasserwir- kung; im Zerfliessen begriffene Myelinformationen (Becherformen an der Peripherie) Hartn. Ocul. 3, Obj. 4. Aus derSchwann’schen Scheide herausgetretene Markmyelinforma- tionen nach 60stündiger Wasserwirkung. Die im Zerfliessen begrif- fenen Markmyelinfäden bilden ein aus verkrümmten Fäden bestehen- des, mit Körnchen sehr dicht durchsetztes Netz. Hartn. Ocul. 3, Obj. 7. Postmortale Nervenmark-Myelinformationen in Form verschlungener Röhrchen (Stilling’s Elementarröhrchen); aus dem Hundeischiadi- cus 14 Stunden nach dem Tode in 1 °/, Osmium erhärtet. Hartn. Ocul. 3, Obj. 8 (herausgez. Tubus). Mittelstadium der Osmiumwirkung; Markscheide in physiologischer Form fixirt; Einkerbungen linear und bis zum Axencylinder vor- dringend. (Kaninchenischiadiecus mit 1 .°/, Osmiumsäure in toto 8 Stunden lang behandelt.) Hartn. Ocul. 3, Obj. 8 (herausgezoge- ner Tubus). Zur Erklärung des Mittelstadiums der Osmiumwirkung; das unge- bundene, noch myelinogene Mark durch dauernde Glycerin -Wasser- einwirkung in fibrilläre Myelinformationen überführt, welche aus der Schnittfläche hervorquellen. Hartn. Ocul. 3, Obj. 7. Durch ÖOsmiumsäure bewirkte und theilweise fixirte Markmyelin- formationen; totale Aufspaltung der Lanterman’schen Glieder; Ausscheidung der verflüssigten Formationen in der Nähe des Kernes. (Directes Zerzupfen in '/, °/, Säurelösung, Pikrocarmin, Einschluss in Glycerin-Wasser, um die weitere Verflüssigung zu verfolgen.) Chevalier Ocul. 2, Obj. 7 (halbherausgezogener Tubus). Osmium - Mark - Myelinformationen in Stäbchenform, mit linearen Einkerbungen; aus einer amputirten unteren Extremität (Mensch). (Directes Zerzupfen in 0,25 °/, Osmiumsäure, Pikrocarmin, Glycerin- Wasser.) Hartn. Ocul. 3, Obj. 8. Verbreiterte Einkerbungen, an deren Grund die zungenförmig ver- längerten Endtheile der Lanterman’schen Glieder sich an den Axencylinder anschmiegen, daselbst unvollständige Ausscheidung der verflüssigten Theile und darum bei „a“ und „b“ nur Spuren der Lanterman’schen Netzzeichnung. (Kaninchenischiadieus in 0,5 °/, Osmiumsäure direct gezupft, Auswaschen, Carmin, Einschluss in Glycerinwasser.) Hartn. Ocul. 3, Obj. 8. Alcohol-Aetherextraction scheidenfreier feinster Stämmchen des Froschischiadicus im gestreckten Zustande; Pikrocarmin 6 Stunden, Fig. Fig. Fig. Fig. Untersuchungen über Nervenfasern. 239 Axencylinder ungefärbt. — Das richtige Bild des Ewald-Kühne’- schen Netzes (welches, da Tizzoni’s Abbildung wenig treu, Ewald, Kühne und andere aber keine Abbildungen geben, eigentlich richtig noch nicht abgebildet ist); Bälkchen doppelt contourirt. Die Faser ist von anhaftenden intrafascieulären Bindegewebsfibrillen umgeben; a, b, deren längliche Kerne; c geschrumpfter Kern der Schwann’- schen Scheide Hartn. Ocul. 3, Obj. 8. Dasselbe wie Fig. IX; der Axencylinder schwach gefärbt durch über 24stündiges Einwirken von Pikrocarmin. Mangel einer inneren Scheide resp. eines knorrigen Centralstranges. Dieselbe Vergrösse- rung wie Figur IX. XI u. XII. Mit Aether-Alcohol extrahirte Nervenfasern über 24 Stunden XIII. ig. XIV. ig. XV. XVI. lang mit Pepsin verdaut (Einwirken einer grossen Quantität der Verdauungsflüssigkeit bei Zimmertemperatur). Die Bälkchen ein- fach contourirt und bei XII :theilweise körnig zerfallen, wo dann auch der netzförmige Character verschwommen ist. Querschnitt mittelst Alcoholaether extrahirter Nervenfasern. — Das Netzwerk erscheint in Form eines Ringes. An Stelle einer inneren Scheide der röthlich tingirte Axencylinder, mit seiner ungefärbten (Mauthner’schen) Scheide. (Prolongirte Einwirkung von Pikro- carmin, Glycerin). Dieselbe Vergrösserung. Frische Nervenfaser aus dem Froschischiadicus nach vollkommen verdauter Schwann’scher Scheide. Nervenmark in würstchenförmig verschlungene homogene Myelinformationen überführt, welche sich ungestört nach der freien Oberfläche hin entwickeln; Mangel einer äusseren „Hornscheide*. Dieselbe Vergrösserung. Nervenfaser aus einer drei Monate mit Müller’scher Flüssigkeit behandelten Spinalwurzel eines Kalbes. Erhärtete Markmyelin- formationen, körnchenfrei, die Lanterman’sche Gliederung stellen- weise noch angedeutet (a,b, c,d). (Die doppelt contourirten, leicht gelb gefärbten Fibrillen sind in der Zeichnung einfach contourirt und uncolorirt.) (Stilling’s Elementarröhrchen.) Chevalier Ocul. 2, Obj. 7, herausgezogener Tubus. Faser aus dem peripherischen Theil eines durchgeschnittenen Ka- ninchenischiadicus am 14. Tage der Waller’schen Degeneration; das im übrigen fein gestreifte Protoplasma hier netzförmig angeordnet. a) = Reste des Nervenmarkes in Form von Myelinformationen; b) = Gruppe von vermehrten Kernen. 240 C. F.W. Roller: (Anatomisches Institut zu Strassburg i. E.) Die Schleife. Von © 7. W. Rolier. (Hierzu Tafel XI—XVl.) Geschiehtliche Uebersicht. Bei Willis finden sich Stellen, welche auf die Schleife be- zogen werden können. Er sagt '): isti processus medullares, versus cerebellum ascen- dentes, per processum alterum medullarem transversum inter se mutuo communicant“ und gibt in Fig. 3 und 7 die Abbildung einer „Commissura processuum medullarium, qui a testibus oblique in eerebellum ascendunt, ejusque meditullii utriusque partem consti- tuunt.“ Burdach glaubt ?), dass Willis darunter den innern Rand der Schleifen, welcher über der Klappe, bogenförmig herüberlaufe und die Bindearme verknüpfe, verstanden habe. Dass Willis den betreffenden Faserzug von den Bindearmen unterschieden hat, ist allerdings aus dem Zusatz, den er bei Beschreibung der Fig. 3 macht: „processuum istorum, per alium processum transver- sum, commissura“ ersichtlich; nur hat er darunter offenbar das velum medullare anterius verstanden, dies lehrt ein Blick auf die Figur, er hat wohl an eine Commissur der Bindearme gedacht, die er ihrerseits von diesen unterschied 3). 1) Cerebri anatome. Londini 1664. S. 18. 2) Vom Baue und Leben des Gehirns. Leipzig 1826. I. Band. S. 326. 3) Nach Burdachs Angabe (l.c.) nannte diesen „innern Rand der Schleifen“ Vieussens „tractus medullaris transversus“, Drelincourt „incre- menta fibrosa“; Haller vergleicht ihn ebenfalls mit einer Commissur. Mayer Die Schleife. 241 Mit Sicherheit hat die Schleife zuerst Reil beschrieben. Er hat sie benannt, und sie heisst ihm zu Ehren „Lemnisceus Reilii“; bei den Franzosen „Faisceau de Reil“ oder „Rubans de Reil“. Die genaueste Beschreibung gibt er im 9. Bande seines Archivs )). Reil verfolgte sie bis an den hintern Rand der Brücke, sah sie dort mit der Schicht der Pyramiden, die über die oberste Quer- schicht der Brücke hinläuft, und mit dem Bündel zusammenfliessen, das von der obersten Spitze der Olive durch die Haube vorwärts geht. Er liess sie vor der Stelle des Facialis- und Quintuseintritts sich theilen und „eine ihrer Produetionen in gerader Linie auf die Schenkel des grossen Gehirns und zwar unter der schwarzen Sub- stanz fortgehen“. Die andere drängt sich, nachdem sie unter den Wurzeln des 5. und 7. Nerven durchgegangen ist, aus der Tiefe aufwärts, bricht zwischen den vorderen und seitlichen Schenkeln des kleinen und den Schenkeln des grossen Gehirns nach oben durch, wirft sich in schräger Richtung über die vordern Schenkel des kleinen Gehirns weg und kreuzt sich mit ihnen, steigt an der äussern Seite des hinteren Hügelpaares heran, dringt unter die Seitenarme dieses Hügelpaares von aussen nach innen ein“. Hier theilt sie sich. Die eine Strahlung geht nach Reil unter dem cor- pus genieulatum bis in den Sehhügel und wahrscheinlich bis zum Stabkranz. Die andere bildet mit derjenigen der andern Seite unter den Kuppen der Vierhügel, besonders dem vordern Paar, das Dach der Wasserleitung und nach oben die hintere Commissur. Quer- fasern der Schleife verbinden sich mit dem frenulum, welches zum velum med. ant. geht. Rosenthal?) trennt die Schleife von der Pyramide. Er unter- scheidet ein mittleres kleineres Bündel, welches unter der vordern Extremität der Oliven hervorkommt, und dessen Fasern zum Theil hinter den Vierhügeln unter den grössern Faseikeln auswärts her- vortreten, wie ein schmales Band — Schleife — die vordern nennt ihn „einen quergelegenen markigen Streifen, stria transversalis, Quer- streifen, gefurchtes Bändchen“, Bock beschreibt ihn unter dem Namen: trabecula medullaris cerebelli als einen schmalen Markstreifen, der die untern Vierhügel begrenzt und an welchen die Klappe angeheftet ist. 1) Reil und Autenrieth, Archiv für die Physiologie. IX. 1809, S. 505 ff. 2) Ein Beitrag zur Encephalotomie. Weimar 1815. S. 45. 242 C. F.W. Koller: Schenkel des kleinen Gehirns umschlingen und dann in die Vier- hügel übergehen; nachdem sich die Fasern beider Seiten unter der Kappe dieser Körper in der Mitte verbunden haben, begibt sich noch eine Production nach aussen zum hintern Theil des Seh- hügels. Burdach, welcher äussere und innere Hülsenstränge der Olive unterscheidet, lässt!) den äussern Hülsenstrang?) zur Schleife werden. Auch er lässt die Schleifen beider Seiten commissuren- artig zusammenschmelzen und „die Decke der Wasserleitung bil- den, so dass also diese Fortsetzung des Rückenmarkcanals ihre hintere und obere Schliessung von den andern Marksträngen des Rückenmarks erhält. Die Schleife bildet nun mit ihrem Bogen, indem sie, besonders an ihrer hintern Fläche, mit einem Klumpen röthlich grauer Substanz überzogen wird, die Vierhügel“. Die Arme der untern Vierhügel hält Burdach nicht für unmittelbare Fortsetzungen der Schleife, vielmehr für Fasern, welche in der grauen Substanz der Vierhügel, namentlich an deren Oberfläche entspringen. Nach B. Stilling, welcher die Vierhügel nur noch theil- weise in seinem Werke über den Pons berücksichtigt und wohl darum auch die Schleife verhältnissmässig weniger ausführlich be- handelt, wird diese durch die vordere Abtheilung der Seitenstränge gebildet). Er schildert diese Abtheilung als in den untern Schich- ten des Pons ganz an dessen seitlicher Oberfläche gelegen, unter- mischt mit einer grossen Menge neu eingelagerter feinkörniger grauer Substanz. Diese durchziehen die Seitenstrangfasern, um zur Schleife zu werden. Stilling beschreibt die Lageveränderung dieser Fascikel beim Aufsteigen gegen die Vierhügel, wodurch in den höheren Schichten ihr längster Durchmesser der von hinten nach vorn gelegte wird, während in den tieferen es der von innen nach aussen gewesen. In den (hinteren) Vierhügeln lässt er sie dicht vor den Vierhügeln her verlaufen und ein wenig von der seitlichen Oberfläche nach innen treten. Die Fortsetzungen der Vorderstränge bringt Stilling nicht in Verbindung mit der Schleife. Da sie aber für uns, wie sich aus unserer Darstellung ergeben 1) 1. c. I. Band. 8. 101£. 2) Genauer dessen äusseres Blatt. l.c. S. 112. 3) Ueber den Bau des Hirnknotens. Jena 1846. 8.53. Die Schleife. 243 wird, in dieser Beziehung wichtig sind, so referiren wir kurz Stillings auf die Vorderstränge bezügliche Angaben. Uns imte- ressirt hier der von ihm als vordere Abtheilung der Vorderstränge unterschiedene Theil. Im Gebiet des Quintusaustritts constatirt Stilling eine Lageveränderung dieser Abtheilung, indem sie von vorne und innen nach aussen und hinten rückt. In den höheren Sehichten des Pons treten die äussersten Bündel bis an die äussere seitliche Oberfläche und liegen in dem Winkel, welchen die seit- lichen und hintern Fasern der Grosshirnschenkel bei ihrem Aus- tritt aus dem Pons mit der Schleife bilden. Deren Lauf ahmen sie weiterhin nach, indem sie sich gegen die Vierhügel wenden. Die der Raphe zunächst gelegenen Fascikel der vordern Abtheilung der Vorderstränge gehen in die Grosshirnschenkel über und liegen im Grunde der vordern Längsspalte an der innern Seite eines jeden Grosshirnschenkels ?). Arnold?) betrachtet die Schleife als Fortsetzung der Oliven- stränge. Diese überziehen die Olivenkerne an ihrer Oberfläche, ausgehend von den vorderen Bündeln des Rückenmarkes, ziehen hinter der tiefen Schichte von Querfasern durch die Brücke, trennen sich in die Schleife und in einen Strang, der sich in die Haube der Stiele des grossen Gehirns begibt. Die Schleife tritt in die Vierhügel ein. Gratiolet lässt?) durch die rubans de Reil die Vierhügel mit den mittleren Strängen des bulbus zusammenhängen. Er ver- folgt) einen Theil der Hinterstränge begleitet von einer Wurzel des Trigeminus und einer solchen des Acusticus und einen Theil der Bindearme bis in die Vierhügel, wo diese Theile mit den ent- sprechenden der andern Seite eine Wölbung bilden, die vom Aquä- duet durchbohrte graue Masse der Vierhügel. Die so gebildete Wölbung wird ihrerseits umfasst durch diejenige, welche die bei- den dreiseitigen Seitenstränge des Isthmus, die beiden Reil’schen Bündel durch ihre Vereinigung unterhalb der Vierhügel bilden. 1) ef. die Figuren : sämmtliche Querschnitte besonders Tafel VII ff.; von Sagittalschnitten die Figuren auf Taf. XII, namentlich Fig. 12 und Taf. XIV. 2) Handbuch der Anatomie des Menschen. 1851. II, 2. S. 704. 3) Leuret et Gratiolet, Anatomie comparee du syst&me nerveux Paris 1839— 1857. Il. S. 159. A) I. .erSslAsHE: Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 17 244 C. F.W. Roller: Schröder van der Kolk hat!) nur die Angabe, dass von der Spitze der Olive und von deren Seite viele Längsfasern zu entstehen scheinen, die als Funieuli olivares und als laqueus zum Hirnschenkel und zu den Vierhügeln verlaufen. Reichert bringt das solitäre Bündel Meynert (reetius Glosso- pharyngeuswurzel) mit der Schleife in Verbindung. Er nennt das Bündel „laterale Parthie der mittleren Mantelsubstanz“; es wird nach ihm zur lateralen Abtheilung der Schleife ?). In der Brücke befindet sich nach Reichert?) am Meisten nach vorne und un- mittelbar hinter der tiefen Querfaserschicht die zur Schleife ge- hörige Schicht %). Er lässt die Schleife?) in der hinteren Abtheilung der Brücke „zusammengesetzt sein aus: den Olivarsträngen, welche mit den Oliven in das Bereich der vorderen Parthie der seitlichen hier auch motorischen Stränge des Rückenmarks fallen, ferner aus der lateralen Parthie der mittleren Substanz des Mantels, die aus einer Mischung sensibler Fasern der hintern (runde Bündelforma- tion) und der seitlichen Stränge besteht; endlich aus einem kleinen nicht einmal ganz sicheren Theile der vordersten Parthie, der ur- sprünglichen vordern Stränge des Rückenmarks“. Weiterhin rückt die laterale Abtheilung der mittleren Mantelsubstanz nach Abgang der corpora restiformia an die laterale Seite der Olivenstränge heran, die mit ihr hauptsächlich die Schleifenschicht bilden“ ®). Deiters erwähnt der Schleife nur an einer Stelle °); sie führt nach ihm centripetale Fasern von dem Pons zu den unteren Vier- hügeln. Andere Ausführungen dieses Forschers, die sich auf unsern Gegenstand beziehen, werden wir unten zu besprechen haben. 1) Bau und Functionen der med. spin. und obl. u.s. w. Deutsch von Theile. Braunschweig 1859. S. 134. 2) Der Bau des menschlichen Gehirns. Leipzig 1861. II, S. 126. 3) 1. c. 8. 127. 4) Desshalb seither vielfach Schleifenschicht von Reichert genannt. 5) S. 191. 6) Auffallender Weise bezeichnet Reichert einmal (l. c. S. 130) als Schleife (a* in Fig. 21, Taf. III) dasjenige Feld, welches gewöhnlich formatio reticularis genannt und von ihm selbst als „Haubenschicht“ (a* Fig.20, Taf. III) bezeichnet wird. Man darf hier wohl einen Druckfehler vermuthen. 7) Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere. Herausg. von Max Schultze, 1865, S. 197. Die Schleife. 245 Was Luys betrifft, so scheint uns Forel’s Urtheil )), die Schleife sei aus seinen Arbeiten unentwirrbar, nicht gerechtfertigt. Die Darstellung der Schleife ist bei ihm freilich sehr ungenügend und theilweise irrig, wir glauben sie dennoch berücksichtigen zu sollen. Luys betrachtet ?) die laterale Schleife (faisceau de Reil) als das Homologon der Seitenstränge in der medulla oblongata. Er lässt sie sich unter den Vierhügeln kreuzen, nach der Kreuzung sich in der Form von weisslichen Strängen reconstituiren, die fälschlich als hintere Commissur beschrieben werden, sich aber vielmehr, indem sie sich mehr oder weniger nach hinten wenden, theils in den centre median des thalamus optieus, theils in die hinteren Centren des thal. opt. zerstreuen®). Luys betrachtet als wahrscheinlich die ursprünglichen Verbindungen der Fasern des Reil’schen Bündels mit denen des Trigeminus und Acustieus. Dies hatte er bezüglich des Acustieus früher *) näher ausgeführt. Meynert’s Anschauungen von der Schleife müssen wir in seinen verschiedenen Aufsätzen über Gehirnanatomie aufsuchen. In den „Studien über die Bestandtheile der Vierhügel, soweit sie in den nächst unterhalb gelegenen Querschnitten der Brücke gegeben sind“), betrachtet er die Schleife als Fortsetzung der Hinterstränge nach oben und polemisirt gegen Stilling, welcher sie „aus einem in die Seitenstränge bezogenen Felde“ hervorgehen lasse ©). Einen Zusammenhang des Vorderstranges mit der Schleife lehnt er aus- drücklich ab ”?). Meynert gelangt durch vergleichend anatomische Messungen zu den Sätzen, dass bei gleichem Extremitätenbau die Kleinheit des Thieres die Breite der Schleife begünstige®) und dass die Breite der Schleife in geradem Verhältniss zu der von der Körper- oberfläche erforderten Summe von Hautnerven stehe, sie demnach ein 1) Westphal, Archiv, VII, S. 430. 2) Text zu Iconographie photographique des centres nerveux. Paris 1873. 8.57 £. 3) cf. Fig. 47, wo die mediale, Fig. 22 (l. e.), wo die laterale Schleife im Ganzen richtig bezeichnet sind. 4) Recherches sur le syst&me nerveux cer&bro-spinal. Paris 1865. 8.79 f. 5) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Band XVII. 1867. 6) S. 660 f. 7) 8. 664. 8) S. 667. 946 C. F.W. Roller: sensorisches Gebilde sei!). In seiner Abhandlung ‚Vom Gehirne der Säugethiere‘“ lässt Meynert?) das „obere Blatt der Schleife“ als mittelbare Fortsetzung des oberen Vierhügelarmes auftreten. Das un- tere Blatt, der Haubenantheil des unteren Zweihügels, tritt in Bündeln nach vorne, an der Aussenfläche von einem sichelförmigen Antheil des oberen Lemniscus bedeckt“. Die beiden Blätter sind nach Meynert die gekreuzten Fortsetzungen der Vierhügelarme. Dass tiefer in der Brücke die Schleifenschicht sich bis zur Rhaphe erstreckt, wird von ihm in Uebereinstimmung mit Stilling?) einem Zuwachs von Seiten des Hirnschenkels zugeschrieben. Zum „tiefliegenden Schleifenblatt“ lässt er Bündel aus dem Kleinhirn durch Vermittelung des velum medullare anterius treten. Endlich bezeichnet er*) die untere Olive als in die mittlere Breite des Markes der Schleifenschicht eingebettet und lässt „Schleifenschicht und motorisches Feld in den Vorderseiten- strang des Rückenmarkes übergehen“. In einem weiteren Artikel 5) 1) Hiergegen führt er zwei Jahre später aus (Beiträge zur Kenntniss der centralen Projection der Sinnesoberflächen. Sitzungsber. der K. Akad. der Wissensch. Math.-naturwiss. Cl. LX. Band, 2. Heft. Wien 1869, S. 556 f.), dass die äussersten Bündel des pes pedunculi, welche in den Hinterhaupt- und Schläfelappen übergehen, sich durch die Brücke abwärts verfolgen lassen und in die Hinterstränge in den Parthien eintreten, wo sich in diesen die nuclei cuneati und graciles finden. Durch diese Bündel sind nach ihm die hinteren Rückenmarkswurzeln (und als eine ihnen zugehörige Sinnesoberfläche die Haut) in die das Mark des Hinterhaupt- und Schläfelappens bedeckende Grosshirnrinde projieirt. Die beiden sich entgegenstehenden Angaben, dass er die betreffende sensorische Bahn das eine Mal in der Schleife (also einem Gebilde der Haube), das andere Mal im Hirnschenkelfuss verlaufen lässt, vereinigt er nicht. Da nach ihm indessen der „Hinterseitenstrang“ auch aus der Pyramide stammt (Westphal, Archiv IV S. 408), so haben wir Meynert vielleicht so zu verstehen, dass er jene Bahn als in Fuss und Haube verlaufend annimmt. Auch noch später lässt er (Skizze u.s.w., Westphal, Archiv, IV, S. 410) die Nerven der Haut in der Schleife vertreten sein, hier aber in dem hintersten Seitenstrangbündel, dessen Ursprung aus dem Kleinhirn erfolge. 2) Stricker, Handb. d. Lehre v. d. Geweben. Leipzig 1870. 8.749. 3) Dessen aus der vorderen Abtheilung der Vorderstränge in den Hirn- schenkelfuss eintretendes Bündel (s. o.). Hierzu ist indessen zu bemerken, dass Stilling den Vorderstrang nicht in Beziehung zur Schleife bringt (s. o.). 4) 8. 763. 5) Westphal, Archiv IV: Skizze des menschlichen Grosshirnstammes nach seiner Aussenform und seinem inneren Bau. Die Schleife. 247 erwähnt er!) des Ueberganges von Fasern des pes peduneuli in die Schleifenschicht nieht, scheint ihn vielmehr auszuschliessen. Er sagt, die im Hirnschenkel aussen gelegene Schleife rücke im Verlaufe durch die Brücke medianwärts und reiche schon in der halben Höhe der Brücke bis zur Raphe. Die Bündel eines von ihm s. g. pedunculus substantiae nigrae, des vordersten Stratums der Haube, enden nach ihm wahrscheinlich „in den Zellenmassen, die innerhalb der oberen Brückenhälfte der Sehleifenschicht allerorts eingestreut sind“. Den schon in Striekers Handbuch erwähnten, aber für vielleicht nicht constant erklärten Zuzug zur Schleife aus dem velum medullare anterius bezeichnet er nun?) als ständigen Kleinhirnantheil der Schleife und hebt weiterhin 3) hervor, dass somit entgegen seiner früher *) ausgesprochenen Ansicht, dieser Theil der Schleife nicht, wie er dort angegeben, aus dem Vier- hügel sondern aus dem Kleinhirn stamme. Das „äusserste Schlei- fenbündel“ wird nun hinterstes und zugleich äusserstes Bündel des Seitenstranges (früher des Hinterstranges ’)). Die vordere Schleife (Schleifenschicht) „bildet die vordersten und äussersten Bündel des Vorder- und Seitenstranges in Brücke und Oblongata“. In den „Neuen Untersuchungen über Grosshirnganglien und Gehirn- stamm‘“ 6) statuirt Meynert den Uebergang von Bündeln des Hirn- schenkelfusses in die hintere Brückenabtheilung. Er unterscheidet zwischen Fuss und Haube ein stratum intermedium, welches er in die Vorderstrang-Pyramidenbahn des Rückenmarkes (die vordersten Antheile des Vorderstrangfeldes) verfolgt. Das stratum intermedium ist nach ihm im oberen Theile des Pons von der Schleifenschichte scharf geschieden, im unteren geben beide einen „confluenten Durchschnitt“. Den „Verlauf der Vierhügelschleife aus der Kreu- zung des oberen beziehungsweise auch unteren Zweihügelarmes“ hält er aufrecht. Nach Huguenin ist das „oberflächliche Schleifenblatt“ Fort- setzung des oberen Vierhügelarmes, das „tiefliegende“ Fortsetzung des 1) S. 390. 2) S. 397. 3) S. 410. 4) Zeitschr. für wissensch. Zool. 1867. 5) Ibid. 6) Anzeiger der K. Akademie der Wissensch. Math.-naturw. Cl. Nr. XVIH. Wien 1879 248 C. F. W. Roller: unteren !). Er bezeichnet beide als motorisch und nimmt eine Kreuzung in derselben Weise wie Meynert an. Dem oberflächlichen lässt Hu- suenin beim Uebergang des Vierhügels in die Brücke ein dünnes Fa- serbündel aus dem peduneulus cerebri sich zugesellen. Etwas unter- halb des Trigeminusaustritts soll das oberflächliche Schleifenblatt als distineter Querschnitt verschwinden, und zwar dadurch, dass es seine Bündel ordnungslos auflöst und dieselben „den Haubenbündeln des Thalamus“, dem s. g. motorischen Felde beimischt. Mit demselben gehen dann seine Fasern zum Vorderseitenstrang des Rückenmarks. Das tiefliegende Blatt zieht, dem Bindearm aussen aufliegend, nach abwärts. Seine Fasern mischen sich wie die des oberflächlichen den Haubenbündeln des Thalamus bei und ziehen mit denselben in den Vorderseitenstrang des Rückenmarks. Flechsig wird durch seine entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen zu der Ansicht geführt, dass die Längsfasermassen des „hinteren Längsbündels“ Meynert in ihrer Gesammtheit aus Elementen bestehen, welche man mit annähernder Sicherheit als Fortsetzungen beziehentlich Aequivalente von Fasern der Vorder- stranggrundbündel betrachten kann?) Er unterscheidet ausser- dem innnerhalb des Vorderstrangrestes Stilling einen „Vorder- strangtheil der formatio reticularis“ und eine „Olivenzwischen- schicht“, von welchen er nicht annimmt, dass sie Fortsetzungen des Vorderstranges vorstellen, höchstens hält er dies für einzelne Fasern des erstgenannten Theiles für nicht unwahrscheinlich. Nach oben setzen sich die den Pyramiden hinten anliegenden Fasern (der Olivenzwischenschicht) „in die Region der Vierhügelschleife des Pons fort.“ | W. Krause betrachtet die Schleifenfasern als Fortsetzungen des Seitenstranges der medulla oblongata ?) namentlich der Fasern 1) Allgemeine Pathologie der Krankheiten des Nervensystems. I. Theil. Anat. Einleit. Zürich 1873. S. 134. — Huguenin, welcher, wie eben bemerkt, beide Schleifenblätter für motorisch erklärt, weist (l. ec. S. 125) die sensibeln Bahnen dem äussersten Faserantheil des Pedunculus (und zwar des pes pe- dunculi, wie sich aus der Gegenüberstellung der Haube ergiebt), zu; er be- zieht sich dabei auf Meynert (und Gratiolet). Ueber Meynerts bezügliche Angaben s. o. S. 246. 2) Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen. Leipzig 1876. 8. 333. 3) Handbuch der menschlichen Anatomie. Erster Band: Allgem. und mikr. Anatomie. Hannover 1876. S. 450 f. Die Schleife. 249 desselben, welche „längs der unteren Oliven‘ verlaufen. Er be- schreibt ein oberflächliehes und ein tiefes Schleifenblatt, die nicht scharf getrennt sind. Das oberflächliche, die laterale Parthie der Schleifenschicht, liegt zwischen Pyramidenbündeln, tiefen Brücken- fasern resp. dem peduneulus cerebri einerseits, erus cerebelli ad eminentiam quadrigeminam, formatio reticularis resp. Haube ande- rerseits. Dieses Blatt scheint sich im vordern Vierhügel in die Fasern des brachium conjunetivum anterius der entgegengesetzten Körperhälfte fortzusetzen. Das tiefe Schleifenblatt deckt das cerus cerebelli ad eminentiam quadrigeminam von lateralwärts her. Seine Fasern kreuzen sich mit dem gleichnamigen Blatt der andern Körperhälfte oberhalb der grauen Substanz, welche den Aquäduet umgibt (Commissur der Schleifen) und scheinen in die Fasern des brachium conjunetivum posterius der entgegengesetzten Körper- hälfte überzugehen. Seine hintersten Fasern durchkreuzen sich mit denen der anderen Seite im velum medullare anterius. Henle!) verfolgt den Lemniscus von oben her nur bis in die Brücke, ohne über weiter hinabreichende Verbindungen Etwas zu sagen. Er bezeichnet ihn als”den unteren, die reticuläre Substanz von der Brücke scheidenden Saum. Die Lemnisci beider Seiten stellen nach ihm im Zusammenhang einen ähnlichen nur in allen Dimensionen beträchtlich feineren Ring um den vorderen Theil des tunnelförmigen Ventrikels dar, wie ihn die Brücke um den hinteren Theil desselben bildet. Die hintersten der Lemniscusfasern gehen in das vordere Marksegel über, in dessen Mitte sie den entsprechen- den Fasern der andern Körperseite begegnen; die vorderen strahlen in die Vierhügelplatte aus, breiten sich zwischen der eigenthüm- lichen Masse der Vierhügel-Wölbung und der mächtigen Schichte grauer Substanz, die den Aquäduct umgibt, aus, von beiden Seiten medianwärts aufsteigend und in der Mittellinie einander kreuzend?). 1) Nervenlehre. 2. Aufl. 1879. S. 271 ff. 2) Henle nennt die Commissur der Schleifen auch „Wernekinck’sche Commissur“, während W. Krause so die Commissur der Bindearme nennt und mit Recht darauf aufmerksam macht, dass die Wernekinck’sche Com- missur nicht mit der Commissur der Schleifen verwechselt werden darf. Nach Wilbrand, welcher (Anatomie und Physiologie der Centralgebilde des Ner- vensystems. Giessen 1840) die betreffende Kreuzung seinem Vorgänger, welcher sie entdeckte, zu Ehren die hufförmige Commissur Wernekincks nannte, wird dieselbe durch die „unteren Markstäbe* der crura cerebelli ad corp. 250 C. F.W. Roller: Forel!) zieht die eigentliche Oblongata nicht in den Kreis seiner Untersuchungen sondern steigt von den oberen Theilen der Brücke an aufwärts. Er findet ?), dass die medialsten Fasern der Sehleifenschicht dicht oberhalb des Pons in den Pes Peduneuli überzugehen scheinen, lässt aber unentschieden, ob diese Bündel zur Schleifenschieht gehören und ob sie möglicherweise mit dem pedunculus substantiae nigrae Meynert (s. 0.) identisch sind. Der Haupttheil (der mittlere) der Schleifenschicht ist bis zum unteren Ende des rothen Kernes von dem lateralen Theil, der oberen Schleife, in keiner Weise getrennt. Hier biegt der Haupttheil dorsal, auf- und etwas lateralwärts um, trennt sich von der oberen Schleife, zieht gegen das Pulvinar des Thalamus, durchflicht (bei Thieren) die Haubenfaseikeln und verliert sich völlig in der Haube. Ein Theil des Haupttheils der Schleifenschicht zieht zum corpus mam- millare (von Gudden) der laterale Theil der Schleifenschicht, die obere Schleife, trennt sich (beim Hund) in der Mitte des oberen Zweihügels vom Haupttheil der Schleifenschicht. In den Querebenen des Meynert’schen Bündels fängt sie an sich unter den übrigen feinsten Längsfasern zu verlieren und in der grauen Substanz zu verschwinden. Schwalbe gibt eine Darstellung wesentlich nach Forel und Meynert und verdeutlicht dieselbe durch eine schematische Ueber- sicht ?). Uebrigens meint er wie Huguenin, die „Schleifenschieht“ verliere sich nach abwärts unmerklich in dem Gewirr der übrigen Längsbündel der Formatio retieularis, löse sich gewissermassen darin auf. Eigene Untersuchungs-Ergebnisse. Die geschichtliche Uebersicht ergibt, dass in Bezug auf die Anatomie der Schleife manche Widersprüche existiren, dass viele quadrig. gebildet, während deren „obere Markstäbe an der Bildung der Haube theilnehmen“. Er nimmt somit eine „nur partielle Commissur* der Bindearme an. Wilbrand lässt an dieser Commissur auch aus den unteren Oliven stammende Bündel sich betheiligen. 1) Untersuchungen über die Haubenregion und ihre oberen Verknüpfun- gen im Gehirn des Menschen und einiger Säugethiere. Westphal, Archiv, VI. 2) l. c. S. 431. 3) Lehrbuch der Neurologie. 2. Lieferung. Erlangen 1880. S. 643 ff. Die Schleife. 251 Punete nicht festgestellt sind und dass eine präcise Darstellung überhaupt fehlt. Wir glauben im Folgenden eine solche geben zu können, zumal, da uns unsere Beobachtung zu bisher nicht bekannten oder unseres Erachtens nicht richtig gedeuteten anatomischen That- sachen geführt hat, welche uns die Klarlegung der hier in Frage ste- henden Verhältnisse in, wie wir glauben, weitem Umfange gestatten’ Methode. Unsere Methode wich im Wesentlichen nieht ab von der bei der Untersuchung des gehärteten Central-Organs durch Schnitte all- gemein üblichen. Indessen war von hoher Wichtigkeit und meinen Beobachtungen in sehr hohem Grade nützlich der Umstand, dass ich vorzugsweise die Gehirntheile von Kindern, meist im Alter von 3—8 Jahren untersuchte. Diesen Rath hat mir Herr Professor Dr. Waldeyer, in dessen Institut ich arbeite, gegeben, und es ist mir eine ange- nehme Pflicht ihm hiefür wie für die meinen Arbeiten in jeder Weise zugewandte Theilnahme und Förderung aufrichtigen Dank zu sagen. Denselben spreche ich auch Herrn Professor Dr. von Recklinghausen aus für die gütige Ueberlassung des Materiales. Die Faserzüge sind im kindlichen Marke einfacher als in dem des Erwachsenen, sie sind leichter zu überblicken, und es ist, wenn auch bei den von uns in Betracht gezogenen Altersstufen die Mark- bildung längst vollendet ist, doch graue Substanz noch in verhält- nissmässig stärkerer Entwickelung vorhanden als später. Die „trennende und zerklüftende graue Substanz“, weiche Forel!) als beim Hunde im Gegensatz zum Menschen vorhanden rühmt, ist auch beim menschlichen Kinde in reichem Maasse vorhanden, und wir hatten so den Vortheil das Central-Organ des Menschen zu untersuchen, aber unter verhältnissmässig einfacheren Beding- ungen, ohne die Störung, welche die später sich immer mehr aus- bildenden, durchflechtenden, auch die bekannten Varicositäten zei- senden Fasermassen mit sich bringen ?). 1).1.u8. 8.433. 2) Systematisch ist unseres Wissens das kindliche Mark noch nicht zu umfassenden Untersuchungen des Centralorgans verwendet worden, während wir wohl wissen, dass einzelne Autoren gelegentlich angeben, dass sie Dies und Jenes im Gehirn und Rückenmark von Kindern gesehen hätten. 252 C. F. W. Roller: Die Gehirntheile wurden völlig frisch in die erhärtende Flüssigkeit gehängt. Als solche diente Ammonium bichromieum zu 2 und Kali biehromieum zu 5°. Die Flüssigkeit wurde alle S Tage erneuert. Einen erheblichen Unterschied der Wirkung fanden wir nicht. Die gehärteten Stücke wurden mehrere Tage in fliessendem Wasser ausgewässert, dann in mittelstarken Alkohol und sodann in solchen von 95°/, übertragen. In Wachs und Oel ana eingebettet wurden sie in das Schiefferdecker’sche Mikrotom sebracht und unter Alkohol geschnitten. Die Schnitte kamen in Beale’sches Carmin, in welchem sie 24, 48 Stunden oder länger blieben, dann nachdem sie ausgewässert, in Alkohol, welcher min- destens 4mal erneuert wurde, dann in Nelkenöl, endlich Damarlack. Die von Gudden’sche, von Forel!) angegebene Methode der Härtung ohne Alkohol wurde von uns auch in Anwendung gezogen. Vereinzelt härteten wir in Alkohol allein, wo die Myelin- niederschläge freilich höchst störend sind, die Faserzüge aber den- noch auffallend deutlich hervortreten. Gleichfalls einzelne Versuche haben wir mit dem Czokor’- schen Carmin ?) und mit Xylol?) gemacht, die beide gut differen- ziren und sich für weitere Proben eignen. Häufig haben wir aus freier Hand geschnitten. Dies ist für die Eruirung mancher Verhältnisse unerlässlich. Man muss zu- weilen fortwährend makroskopisch feststellen können, wo man sich befindet und die Möglichkeit haben, die Schnittrichtung zu ändern. Vordersiranggrundbündel. Mediale Schleite. Schon unterhalb der Pyramidenkreuzung lässt der Querschnitt des Halsmarkes die Theilung des Vorderstranges in Pyramiden- bahn und Grundbündel (Flechsig) erkennen. Fig. 1. V. Pyr. und V. G. Das Vorderstranggrundbündel setzt sich, wie wir zeigen wer- den, nach oben in das hintere Längsbündel und in die Schleife 1) 1. c. 8.398 ff. 2) Wiener medicinische Wochenschrift. December 1879. 3) Merkel, eine neue Methode für Untersuchung des Centralnerven- systems. v. La Valette St. George und Waldeyer, Archiv f. mikrosko- pische Anatomie, XIV. 5.621 ff. Die Schleife. 253 und zwar denjenigen Theil derselben fort, welchen wir mediale Sehleife nennen, zum Unterschiede von der lateralen, welche erst im Pons zu unterscheiden ist und mit welcher sie alsdann einen einheitlichen Faserzug bildet. Die Vorderstrangpyramidenbahn bildet den inneren, der fissura anterior anliegenden, das Grundbündel den äusseren, an die graue Vordersäule stossenden Theil. Die Pyramidenbahn hat ein der entwiekelten Pyramide ähnliches Aussehen. Die Fasern stehen wie bei dieser gedrängt und sind reichlich von transversalen durch- zogen. Sie haben ein feineres Kaliber als die des Grundbündels. Dieses hat schon hier das lichte Aussehen, hervorgebracht durch verhältnissmässig grossen Markreiehthum der Fasern und durch deren minder dichte Aneinanderreihung, ein Aussehen, wodurch weiterhin die mediale Schleife, deren Stamm das Vorderstrang- srundbündel bildet, in auffallender Weise charakterisirt ist. Ueber- blicken wir in den angegebenen Ebenen den gesammten Quer- schnitt, so finden wir keine Parthie, welche einen völlig ent- sprechenden Anblick zeigt. Im Bereich des Grundbündels, medial!) von der Spitze des Vorderhornes findet sich eine Region, in welcher constant die Fasern dichter stehen und den auffallenden Markreichthum nicht zeigen; wir werden daher diese Parthie (Fig. 1. X) von der Schleife trennen müssen. Der dorsale Theil des Grundbündels wird von den Fasern der vorderen Commissur durchsetzt, welche in die centralaterale Pyramidenbahn ziehen, zum Theil aber allem Anschein nach sich im Grundbündel verlieren. Schon hier stellen wir fest, dass nach der gegebenen Dar- stellung das Verhältniss der im Vorderstrang des Rückenmarkes enthaltenen Theile nicht dasjenige ist, welches Meynert?) an- gibt. Nicht bildet derjenige Theil des Vorder(seiten)stranges, welcher den Sehhügelursprung des Rückenmarkes darstellt (die 1) Wir brauchen die Ausdrücke medial, lateral, dorsal, ventral in der von Henle und Forel angewandten Weise und behalten uns nur vor manchmal statt medial: innen und statt lateral: aussen zu sagen, wo wegen der Be- zeichnung: mediale und laterale Schleife die Häufung der betreffenden Aus- drücke eine zu starke sein würde. 2) Skizze des menschlichen Grosshirastammes, v. Westphal, Archiv IV, S. 408. 254 C. F.W. Roller: Kritik der Beziehung zum Sehhügel hier bei Seite gelassen) die unmittelbare innere Umgebung des Vorderhorns und die diese con- centrisch umgebende Schicht, die Fortsetzung des Vierhügels, die äusserste Zone, sondern die bis in die Vierhügel auch unserer Ueberzeugung nach zu verfolgenden Fasern !) liegen, wenigstens was den Vorderstrang betrifft, der Vordersäule unmittelbar an. In den Ebenen der Pyramidenkreuzung, in welchen das Quer- schnittbild ein rasch wechselndes gleichsam bewestes ist, bleibt das Grundbündel unberührt an seiner Stelle. An Umfang nimmt es etwas, aber unbedeutend zu, entsprechend dem Zurückweichen des Vorderhorns von der Peripherie, welches mit der Pyramidenbildung beginnt. Als Quelle des Zuwachses können wir hier wohl nur an diejenigen Fasern denken, welche auf dem Wege der vorderen Commissur aus der jenseitigen Vordersäule resp. substantia cen- tralis hereingelangen. Es ist wahrscheinlich, dass es sich weiter- hin um Fasern aus den Seitensträngen handelt; die Deeussations- bündel aus denselben verstärken zunächst die vordere Commissur und gelangen dann in die Pyramidenbahn und — in beträchtlich geringerem Maasse — wohl auch in das Grundbündel. Das gleich- seitige Grundbündel wird an seiner dorsalen Grenze von den De- eussationsbündeln in einzelnen Zügen durchsetzt, während ihre Haupt- masse an ihm vorüberzieht. Gegen den Seitenstrang ist das Grundbündel hier auf dem Querschnitt überall wohl abzugrenzen. Es erstreckt sich längs des medialen Randes der Vordersäule gegen die vordere Peripherie. Hier schliesst sich nach aussen das Gebiet an, durch welches die vorderen Wurzeln treten. Dies hat ein anderes Aussehen. Die Fasern stehen dichter, sind von feinerem Kaliber, das ganze Areal erscheint dadurch dunkler. Es existiren hier demnach durchaus geeignete anatomische Merkmale, um Vorderstrang und Seitenstrang zu trennen. Indem die Pyramide zu ihrer definitiven Entwickelung gelangt, legt sich das Grundbündel etwas um die Spitze des hier beträchtlich zurückgewichenen Vorderhornes und hier ist die Grenze gegen den Seitenstrang weniger scharf, doch heben sich die mark- ärmeren Seitenstrangfasern deutlich ab und weiter lateral nimmt im Seitenstrang die Neuroglia überhand und die Fasern werden spärlicher. 1) Freilich auch theilweise darüber hinaus (s. u.). en Die Schleife. 255 Beim Aufrücken im Marke entfernen sich die Vordersäulen mehr und mehr von der Peripherie, die Pyramiden entwickeln sich zu rundlichen Säulen, ihr Kreuzungsgebiet reicht in breitem Felde bis gegen den eanalis centralis, daneben erstreckt sich das Grund- bündel ebenfalls bis zur substantia centralis. Nun treten die Kranz- fasern auf, die bogenförmigen Züge, welche, grossentheils aus dem funieulus graeilis stammend, auf vielen Schnitten mit voller Deut- liehkeit in die contralaterale Pyramide zu verfolgen sind. Sie ziehen hierbei meist am dorsalen Ende des Grundbündels vorbei, durchziehen dasselbe aber auch zuweilen, und hier ist es möglich und wahrscheinlich, dass eine gewisse Anzahl ihrer Fasern sich in demselben verliert beziehungsweise mit ihm aufsteigt. Dass diese Fasern nicht zahlreich sein können, ergibt sich aus dem sehr be- achtenswerthen Umstande, dass auch in den höheren Ebenen der „sensibeln Pyramidenkreuzung“ der Umfang des Grundbündels nur unerheblich zunimmt. Dies geschieht erst im Zusammenhang mit anderen Bildungen. Indem Flechsig die Betheiligung von Hinter- strangfasern an der Pyramidenbildung leugnet !), hat Henle’s Ur- theil seine Gültigkeit ?). Der Verlauf von Hinterstrangfasern am Grundbündel vorüber in die Pyramide hinein, gehört zu den frap- pantesten mikroskopischen Bildern, die man sehen kann. Quer- und Längsschnitte lassen hier keinen Zweifel. Nachdem die Pyramidenbildung vollendet und an die Stelle 1) An vielen Stellen der „Leitungsbalinen“ u. s. w. z. B. S. 321 ff. und des Artikels „Ueber Systemerkrankungen im Rückenmark“, Archiv der Heilkunde XVII und XIX. — Flechsig hält an der Nichtbetheiligung der Hinterstränge an der Pyramidenbildung fest, obgleich er in einem Falle von nahezu voll- ständigem Mangel des Mittelhirns (Archiv der Heilkunde XVII, S. 472 ff. schon in den „Leitungsbahnen“ S. 120 ff. beschrieben), in welchem die Pyramiden- bahnen fehlten, auch die aus den Kernen der zarten Stränge nach vorn zur Kreuzung ziehenden Fasern verhältnissmässig spärlich, die Zellen in den be- sagten Kernen spärlich und atrophisch und die Goll’schen Stränge im oberen Halsmark um ca. 10 °/, reducirt fand. Er glaubt diesen Befund mit dem gleichfalls vorhandenen Faserdefect in der „Oliven-Zwischen-Schicht“ in Ver- bindung bringen zu dürfen. Darüber s. u. 2) Henle, Nervenlehre, 2. Aufl. 1879, S. 345: „Die Entschiedenheit, mit der Flechsig den Uebergang von Fasern der Hinterstränge in die Pyra- miden bestreitet, den doch die mikroskopischen Bilder so deutlich nachweisen, ist nur geeignet Zweifel an der Allgemeingültigkeit seiner Methode zu erwecken.“ 256 C. F. W. Roller: ihres Kreuzungsfeldes die Raphe getreten ist, steigt das Grund- biündel, begrenzt von den genannten Gebilden, dem Hypoglossus- kern und den Hypoglossuswurzeln empor (Fig. 2). Diese Umgrän- zung ist eine vollkommen deutliche. Unmittelbar medial und ventral von den Hypoglossuskernen sind die hinteren Längsbündel zu un- terscheiden durch ihr eompacteres, dunkleres Aussehen, das übrige Areal hat das der medialen Schleife eigenthümliche. Lateral reichen deren Querschnitte nur sehr unbedeutend über die Hypoglossus- wurzeln hinaus, ein wenig, aber auch nur eine kleine Strecke weiter, unmittelbar am dorsalen Ende der Olive. Zwischen Pyramidenkern und Olive reichen die Fasern der Schleife allerdings hinein. Der Querschnitt des Grundbündels ist allenthalben durchzogen von den fibrae areif., welche sich in der Rhaphe durehkreuzen. Diese bilden ein Netzwerk von Bälkchen, welches besonders zwischen Rhaphe und Pyramidenkern sehr dicht ist. Am Innigsten durchflechten sie sich zwischen Schleife und Pyramide. Hier erscheint an manchen Stellen in dem Fasergeflechte ein kleiner grauer Herd mit Zellen, “entsprechend denen der Oliven. Graue Substanz zieht sich zwischen den Hypoglossuswurzeln und medial derselben hin, theilweise mit dem Pyramidenkern zusammenhängend, theilweise nicht. In dem Theile der Schleife, welehe sich ventral des hinteren Längsbündels befindet, erscheint graue Substanz in etwas stärkeren Bälkcehen, Zellen enthaltend von der Grösse und Gestalt derjenigen der Oliven. Gegen die formatio reticularis ist die Grenze deutlich, wenn sie auch nicht scharf ist. Deren graue Masse mit ihren zahlreichen markarmen Fasern und das Areal der Schleife mit ihren hellen Querschnitten sind für den Anblick und sicher auch morphologisch auseinanderzuhalten. Wir können somit Flechsigs Angabe!), der nach Abzug der hinteren Längsbündel übrig bleibende Theil der inneren Felder sei weder entwickelungsgeschichtlich, noch auf Grund der Structurverhältnisse im ausgebildeten Zustand gegen die seit- lichen Felder scharf abgrenzbar, nur für irrthümlich erklären. Auch Flechsigs Scheidung unserer medialen Schleife in „Vorderstrang- theil der formatio retieularis“ und „Olivenzwischenschicht“ (s. 0.) missen wir für verfehlt halten. Der Vorderstrangtheil der form. ret. ist ein Theil des Grundbündels, welcher unzweifelhaft mit zur Sehleife gehört; wir werden die nähere Begründung beibringen. 1) Leitungsbahnen S$. 332. Die Schleife. 257 Das in seinem Areal vorhandene graue Netzwerk, welches von Fleehsig!) mit Beziehung auf Deiters erwähnt wird und dessen zum Theil grosse Zellen er mit der Vermehrung der Faserzahl nach oben in Verbindung bringt, ist von der form. ret. wohl zu unter- scheiden, eben durch die Anordnung in verhältnissmässig schmalen Bälkchen. Während Flechsig es für nicht unwahrscheinlich hält, dass einzelne Fasern des Vorderstrangtheiles der form. ret. Fortsetzungen solcher des Vorderstranges seien ?), leugnet er dies für seine Oliven- Zwischen-Schicht vollständig?). Er stellt*) die Hypothese eines Zusammenhanges mit den Kernen der Goll’schen Stränge und mit den Oliven auf. Flechsig sagt’), „es lasse sich (bei ca. 42 cm langen Föten) zur Evidenz erweisen, dass die den Hintersträngen entstammenden Kreuzungsbündel in der überwiegenden Mehrheit sich mit den marklosen Pyramidenfasern aus Vorder- und Seiten- strängen nicht vermischen. Jene streben meist, die markhaltigen Vorderstrangreste durchflechtend oder nach vorn umkreisend, der unteren Olivenspitze beziehentlich den inneren Neben-Oliven zu und biegen hier, wie es scheint, nach vorn um. Es liess sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob sie sich mit den erwähnten grauen Massen verbinden oder, wie dies für den umbiegenden Theil wahrscheinlich ist, sich den marklosen Pyramidenbündeln nach hinten anlegen. Im letzteren Falle würden sie sich den Längsfasern der vorderen Abtheilung des mittleren motorischen Feldes, beziehentlich der Schleifenschicht beigesellen.“ Darüber, wo das Vorderstranggrundbündel des Rückenmarkes bei seinem Verlaufe nach oben zum grösseren Theile bleibt, gibt Flechsig Nichts an. Er kann doch nicht wohl der Meinung sein, dass dasselbe seinem ganzen Umfange nach durch das hintere Längsbündel repräsentirt werde. Der ‚erste Blick auf dessen Masse (in der eigentlichen oblongata, höher oben, nimmt sie be- trächtlich zu) und die des Grundbündels unterhalb der Pyramiden- kreuzung zeigt, dass diese Auffassung unzulässig wäre. 1) Leitungsbahnen S. 335. 2) Ibid. 3). 1. e282336: 4) Ibid. 5) 1. & 8.9. 258 C. F. W. Roller: Flechsig meint!), die Idee, dass sich zwischen die eigent- lichen Fortsetzungen der Vorderstränge des Rückenmarkes und die Pyramiden Fasern aus den Hintersträngen einlagern, habe wahr- scheinlich schon Deiters vorgeschwebt, doch sei der betreffende Passus nicht völlig klar gefasst. Bei Deiters finden sich aber ausser der von Flechsig angeführten Stelle?) viele, in welchen er deutlich als seine Anschauung ausspricht, dass die aus den Hintersträngen stammenden eirculären Bahnen in die Bahn der Schleife eintreten), ja, er spricht‘) von einem Verschwinden der Hinterstränge und ihrem Erscheinen am oberen?) Umfang der Vorderstränge. Daneben aber ist es gerade Deiters, welcher auf das Entschiedenste die Betheiligung der Hinterstränge an der Pyramidenbildung ausspricht®). Wir haben oben schon ausgeführt, dass allerdings zahlreiche Bilder dafür sprechen, dass eine gewisse Anzahl der Kranzfasern in das Grundbündel eintrete. So bedeutend, wie Deiters und Flechsig sie annehmen, ist sie jedenfalls nicht. Dies galt für die Ebenen der „sensibeln Pyramidenkreuzung“. In denjenigen, mit welchen wir eben beschäftigt sind, der Parthie der oblongata bis etwa zum oberen Drittel der unteren Oliven ist ein allmäliger Zu- wachs der medialen Schleife zu constatiren und auch hier ist eine gewisse Betheiligung der Hinterstränge wahrscheinlich. Die fibrae arciformes mögen zum Theil im Grundbündel, welches sie durch- flechten, umbiegen und mit demselben nach oben verlaufen. Ein anderer Theil mag diesen Weg durch Vermittelung der Olive oder des Pyramidenkernes einschlagen. All dies ist sehr wahrscheinlich aber nicht direet zu sehen. Zu sehen aber ist ein Hereinbiegen von Seitenstrangfasern in das Areal des Grundbündels, und zwar in deren Schleifentheil (auf Frontalschnitten). Was sich über die Beziehung der Olive zur Schleife sagen lässt, werden wir unten im Zusammenhang darlegen. 1) Leitungsbahnen 8. 337. 2) Deiters, 1. c. S. 188. 8) z. B. 1. ec. S7214£ All... 8: 166: 5) Dies ist in Deiters’ allerdings nicht ganz constanter Ausdrucksweise gewöhnlich gleich „dorsal“. 6) An vielen Stellen, z. B. S. 248. S. 251 betont er die grössere Be- theiligung der Hinterstränge, als gewöhnlich angenommen werde. Die Schleife. 259 In der geschilderten Weise steigt das Grundbündel des Rückenmark -Vorderstranges auf, es lässt sich auf Frontalschnitten in seinem ganzen Verlaufe von unterhalb der Pyramidenkreuzung bis in den Pons überblicken (Fig. 15). Solche Präparate sind sprechende Kritiken der Darstellungen Huguenin’s undSchwalbe’s (s. 0.), welche die Schleife sich nach unten in den Vorderseitenstrang „auflösen“ lassen, sowie derjenigen Flechsigs (s. o.), welcher einen Zusammenhang zwischen Vorderstrang und Oliven-Zwischen-Schicht leugnet, übrigens, ähnlich wie jene Autoren, diese Schicht „in die Region der Vierhügelschleife“ übergehen sieht. In den bisher be- sprochenen Ebenen enthält das Grundbündel noch hinteres Längsbün- del und Schleife ungetrennt, wenn schon, wie wir ausführten, ein Unterschied der beiden Faserzüge schon in tiefen Ebenen deutlich erkennbar ist. Es ist daher nicht ganz richtig, wenn Meynert!) sagt: „fasst man den hinteren Theil der Vorderstränge, nachdem sie über der Pyramidenkreuzung ihre bis zum oberen Brückenende unveränderte Anordnung gewonnen haben, auf allen Schnittebenen bis zum Acustieusursprung ins Auge?), so ist von einer Consolidi- rung ihrer hintersten Abtheilung zu einem compacten Querschnitt keine Rede. Erst im Gebiete des Hörnerven entwickelt sich der Querschnitt dieses Bündels. Sein Auftreten kann entweder durch eine Verdichtung der Längsbündel oder dureh Einschiebung neuer zu Stande kommen“ u. s. w. Von der Constituirung des hinteren Längsbündels als solchen und von der Trennung desselben von der Schleife haben wir im Folgenden zu handeln. : Hinteres Längsbündel. Wir müssen wieder etwas tiefer gehen im Marke bis zum unteren Beginn der grossen Olive. Die Bildung dieser Olive ge- schieht nicht in der Weise, wie sie allgemein von den Anatomen dargestellt wird, dass an der Stelle, welche durch die sich zurück- 1) Studien über die Bestandtheile u. s. w. Zeitschr. f. wissensch. Zool. XVII, S. 674 £. ‚ 2) Meynert führt ]. c. die schon im Jahre zuvor (Ein Fall von Sprach- störung. Wiener medic. Jahrbücher XI) von ihm aufgestellte, später von ihm selbst als unrichtig erkannte (Vom Gehirn der Säugethiere. Strickers Handbuch) Auffassung des hinteren Längsbündels als „Acusticusstrang“ aus. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 19, 18 260 C. F.W. Roller: ziehende Vordersäule freigelassen ist, die Olive als neues Organ auftritt. Vielmehr entsteht an einer Stelle, an welcher das Vorder- horn als solehes noch existirt, wenn auch etwas zurückgewichen von der Peripherie, im medialen Theile seiner Spitze in unmittel- barer grauer Verbindung mit ihm ein Herd mittelgrosser mit denen der Olive durchaus übereinstimmender Zellen. Dieser Herd ist das Stammgebilde, an welches sich oben die übrigen Theile der Olive an- schliessen. Die Windungen der Olive bilden nicht, wie W. Krause!) sagt, auf Querschnitten am oberen und unteren Ende einen ge- schlossenen Ring. Querschnitte der oberen und unteren Spitze zei- gen nicht, wie Henle?) angibt, die Platte ringförmig geschlossen). Sie hat auch nieht die Gestalt einer an dem einen Rande durch einen Längsschnitt geöffneten Mandelschale. Sie reicht vielmehr vermittelst des von uns beschriebenen Herdes bis hinab in die Substanz der Vordersäule. Dieser Herd gehört dem Pyramiden- kern an. In etwas höheren Ebenen bildet sich lateral davon die eigentliche Olive und hier nun hängen diese und jener Herd un- mittelbar zusammen und mit ihnen der lateral von der Olive sich bildende Nucleus lateralis anterior Clarke). Sie bilden hier ein zusammenhängendes Ganze und treten erst höher oben auseinander. In noch höheren Ebenen hängt dann der Pyramidenkern mit der Olive wieder zusammen. Dieser bis in die Vordersäule reichende Fortsatz der Olive, beziehungsweise des Pyramidenkerns, ist für die Ausbildung des hinteren Längsbündels von wesentlicher Bedeutung. Wie ich in einem Vortrage?) bereits kurz angegeben habe, sieht man eine grosse Menge von Fasern diesen Fortsatz (Fig. 16 Ol.), sowie die daran stossende Parthie der Vordersäule (Fig. 16 V. S.) durchziehen und nach dem Boden des vierten Ventrikels verlaufen, um als hin- teres Längsbündel zu erscheinen. Es sind Fasern aus dem Seiten- 1) l.c. S. 409. 2) l.c. S. 226. 3) Seine Figur 134, auf welche er verweist, gibt nicht das Bild der Spitze der unteren Olive, sondern gehört einer beträchtlich höheren Ebene an. 4) Seitenstrangkern Deiters, Deiters’scher Kern M. Schultze. 5) Roller, über das hintere Längsbündel der Oblongata. Bericht über die 5. Wanderversammlung südwest-deutscher Neurologen und Irrenärzte zu Baden, Juni 1880. Westphal, Archiv XI, 1. Die Schleife. 261 strange, welche in die graue Substanz eintreten, um den angege- benen Weg einzuschlagen. Möglich ist es, dass Fasern an den angegebenen Stellen neu entstehen und sich jenen beigesellen, dafür sprechen manche Bilder; und sehr wahrscheinlich ist es, dass Hinterstrangfasern sich hinzugesellen, denn die aus den Hinter- strängen, besonders den funieuli graciles stammenden Kranzfasern sieht man vielfach in die genannten Herde eintreten, so dass es sehr nahe liegt zu denken, dass sie hier sich nach jener Richtung wenden. Das Vorderstrang-Grundbündel ist an der Bildung des hinteren Längsbündels nicht nur insofern betheiligt, als seine dorsalsten Fasern es sind, welche den Stamm desselben abgeben, sondern es wenden sich aus den ventralen Parthieen desselben jenem zahlreiche Fasern zu und gelangen in schrägem Verlaufe zu demselben. Indem die Fasern des Theiles des Grundbündels, welcher zur Schleife wird, sich durch Markreichthum vor denen auszeichnen, welche das hin- tere Längsbündel bilden, sehen wir hier Fasern im Verlaufe ihren Markgehalt ändern, während sie aus einem Faserzuge in einen anderen übergehen. Diese Verhältnisse sind zunächst auf Längsschnitten, beson- ders Sagittal- und Schrägschnitten, zu constatiren, lassen sich aber, wenn sie hier erkannt sind, auch auf Querschnitten verfolgen. Auf Sagittalschnitten gibt die Dorsalwendung der aus dem mehr- erwähnten Herde und der oberen Parthie der Vordersäule nach dem Boden des vierten Ventrikels sich wendenden Züge (Fig. 17, H.L.a. + 1.) ein sehr frappantes Bild, und es ist auffallend, dass dies, wie es scheint, noch nieht wahrgenommen wurde !). In der geschilderten Weise nimmt die Constitution des hin- teren Längsbündels eine ziemliche Ausdehnung im Marke in auf- steigender Richtung ein und findet statt, während der genannte Faserzug von der Schleife noch nicht getrennt ist, sondern gemein- schaftlich mit ihr das Vorderstrang- Grundbündel bildet. Die Trennung erfolgt erst, nachdem eine sehr interessante Organisation Platz gegriffen hat. 1) Arnold ist meines Wissens der Einzige, bei dem sich eine bezüg- liche Angabe findet. Er constatirte die Kreuzung zwischen Pyramiden und Vorderstranggrundbündeln (Olivarsträngen, wie er sagt), indem jene nach vorn oben, diese nach hinten oben verlaufen (l. c. S. 704). x 262 C. F.W. Roller: Nucleus centralis. Etwa in den Ebenen, in welchen das obere Drittel der unteren Olive beginnt, gewahren wir eine sehr zarte Ausstrahlung grauer Substanz, welche vom Hypoglossuskern, lateral der Hypoglossus- wurzeln, lateral auch der grauen Masse, welche, vom Hypoglossus- kern sich fortsetzend, die Wurzeln begleitet, ausgeht und ventral bis in die Nähe der Neben-Olive reicht. An dieser Stelle tritt wenig höher ein zunächst kleiner Zellenherd auf. In jener Strasse grauer Substanz sind gleichfalls Zellen enthalten. Die Ausstrahlung, welche in feinen Zügen den Herd, welchen wir sofort näher zu schildern haben werden, erreicht, ist nur bei grosser Aufmerksamkeit wahrzunehmen, am leichtesten fällt die Strasse von Zellen in die Augen, die sich in der Ausstrahlung findet, sowie auch die in der Länge derselben immer einigermassen zu beobachtende Unter- brechung der fibrae arciformes (Fig. 3 Ad n. e.). An der angegebenen Stelle, dorsal von der Neben-Olive, ent- steht und wächst rasch ein Herd von Ganglienzellen. In seinem Bereich gewinnt die formatio retieularis eine Veränderung, indem ihre graue Substanz gleichmässiger, das Aussehen ihrer Neuroglia zarter wird. Die Ausbreitung des Herdes erfolgt gegen die Olive, lateral bis in die Nähe des n. lateralis medius'), dorsal bis gegen den grauen Boden des Ventrikels, mit welchem er durch die er- wähnte Ausstrahlung zusammenhängt, medial bis zur Rhaphe. In dieser treten gleichzeitig mit seinem Erscheinen zahlreiche Zellen auf, es vermehren sich diejenigen des Netzwerkes im dorsalen Theile des Grundbündels. Es. entsteht so allmälig eine breite graue Masse, durch welche nun das hintere Längsbündel und die Schleife geschieden werden. Querschnitte sind zwar auch zwischen ihnen, namentlich an den Seiten der Rhaphe wahrzunehmen, aber nur sehr zerstreut und so, dass die Scheidung zwischen den ge- nannten Faserzügen evident ist. In den Ebenen der vollen Aus- 1) So nennen wir den Herd grosser polykloner Zellen im Seitenstrang- gebiet, welcher von Clarke (On the intimate structure of the brain. Philos. transact. 1868, z. B. Fig. 9) für den motorischen Trigominuskern gehalten wurde, von Duval (sur l’orig. reelle des nerfs cräniens. Robin et Pouchet, Journ. de l’anat. 1876, S. 514 ff.) neuerdings als accessorischer Hypoglossus- kern bezeichnet wird. Wir werden an anderem Orte diesen Herd näher besprechen. Die Schleife. 263 bildung des n. centralis schwinden die fibrae arecif. und selbst die breiten Züge zwischen corpus restif. und Olive verlieren sich, ob- gleich diese hier noch wohl entwickelt ist. Die Grenze gegen die formatio retieularis ist deutlich durch das schon oben angegebene Aussehen unseres Herdes und durch seine Zellen. Die formatio reticularis besitzt ausser den wohlumschriebenen Herden: n. late- ralis anterior, medius u. s. w. keine Zellen oder nur sehr wenige!). „Umherschwärmende“ sind nur in sehr geringer Zahl aufzufinden. Die Zellen unseres Herdes besitzen ausserdem einen sehr be- merkenswerthen Charakter. Wir rechnen sie zu derselben Gattung, zu welcher die s. g. blasigen gehören, die zuerst von Meynert?), dann von Merkel?) für die Vierhügelwurzel des Trigeminus, die s. g. trophische beschrieben wurden. Sie zeigen deren zartes Aus- sehen, sind im Ganzen blasser als andere (die polyklonen s. g, motorischen, die Zellen vom Typus des Vaguskernes, von demje- nigen der Oliven u. s. w.), charakteristisch für sie ist, dass bei Carminfärbung der Kern heller als das Protoplasma der Zelle ist (bei den polyklonen und den meisten anderen Zellenarten umge- kehrt). Die Form der Zellen in dem uns beschäftigenden Herde ist sehr verschieden, sie sind theils langgestreckt, schlank, rhom- boid, häufig fortsatzreich, theils rundlich, es kommen solche vor, die mit den blasigen völlig übereinstimmen. Die Grösse ist be- trächtlich, derjenigen der polyklonen s. g. motorischen gleichkom- mend und sie übertreffend. Sie haben vermöge der Constitution, auf welche wir hingewiesen, so viel Uebereinstimmendes, dass es keine Schwierigkeit macht, sie von anderen Formen zu unter- scheiden. Man braucht nur in Gegenden, wo der Herd stark ent- wickelt ist, da wo die untere Olive sich ihrem oberen Ende nähert, einen Blick auf jenen und auf den daneben befindlichen Faeialis- kern zu werfen, so springt der Unterschied gegen dessen polyklone Elemente in die Augen. Den geschilderten Herd nennen wir nucleus centralis*) (Fig. 4). 1) Die gegentheilige Angabe Deiters’ ist von Thieren übertragen. 2) Zeitschrift f. wissensch. Zool.,, XVII, 8. 677 £. 3) Untersuchungen aus dem anatomischen Institut zu Rostock, 1874. 4) Die Bezeichnung nucleus centralis med. obl. ist von Stieda (Stu- dien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. . Leipzig 1870, S. 117) 264 C. F. W. Roller: Dass wir ein Recht haben ihn von der formatio reticularis abzugrenzen, nicht als stärkere Entwickelung derselben sondern als eine eigene Bildung hinzustellen, ergibt sich aus unserer Dar- stellung. Wir dürfen ihn den Kernen um den Centraleanal und am Boden des 4. Ventrikels an die Seite stellen, dafür spricht auch die graue Verbindung mit dem Hypoglossuskern, welche wir be- schrieben haben (Fig. 3 und 4). Dass in seiner Masse eine ge- wisse Anzahl Faserquerschnitte zu constatiren sind, widerspricht dem Charakter als „Kern“ nicht, denn diese finden sich auch in einer Reihe unzweifelhafter Kerne z. B. in grosser Anzahl im Ab- ducenskern u. Ss. w. Seine stärkste Entwickelung besitzt der n. centralis zwischen dem oberen Ende der Hypoglossuswurzeln und demjenigen der unteren Olive, indem er die Grenzen behält, welche wir angegeben haben und mit der Rhaphe zusammengeflossen ist. Oberhalb der unteren Olive bleibt er eine Strecke weit erkennbar, nimmt aber mehr und mehr ab. Graue Masse mit kleinen Zellen erstreckt sich zu den Seiten der Rhaphe durch die ganze Länge des Pons aufwärts. Die Sehleife oberhalb des nueleus ceentralis. — Ventral- wendung des Vorder- und Seitenstranges. — Funiculus olivaris. Oberhalb des nucleus centralis ist die Scheidung des Grund- bündels in hinteres Längsbündel und Schleife vollzogen (Fig. 4, H. L. und M. S.). An der Deutlichkeit der Scheidung ändern die vereinzelten Fasern, die zu den Seiten der Rhaphe zwischen bei- den übrig bleiben, Nichts. Die Schleife erscheint nunmehr breiter und steigt zwischen den oberen Spitzen der Olive, den Pyramiden, der Rhaphe und der dorsal zwischen ihr und dem hinteren Längsbündel gelegenen grauen Masse empor. . für die graue Masse zur Seite des can. centr. und des sulcus centralis in ihrer ganzen Ausdehnung angewendet worden; deutsch nennt er sie „Central- gruppe“ (der Ganglienzellen der med. obl.). Da aber kein anderer Autor die Stieda’sche Nomenclatur (er nennt die Olive „Basalgruppe“ u. s. w.) adoptirt hat, es uns auch wenig passend erscheint, ihrer Bedeutung nach so sehr ver- schiedene Zellenherde in dieser Weise unter eine Benennung zu bringen, so erlauben wir uns die Bezeichnung für den von uns hier zuerst beschriebenen Herd zu gebrauchen. Die Schleife. 265 Hier ergeben Längsschnitte, besonders sagittale, ein interes- santes Verhältniss. Man sieht, während der centrale Theil des Vorderstranggrundbündels sich nach oben direet in die Schleife fortsetzt, denjenigen Theil, welcher unmittelbar dorsal von jenem gelegen war (Flechsig’s Vorderstrangtheil der formatio reticula- ris) sich dorsal wenden und in geschwungenem Verlaufe in die Schleife eintreten (Fig. 14, V. V.). Theilweise sind indessen diese Fasern nur bis in den nucleus centralis zu verfolgen, aus welchem man nach oben wieder andere hervorgehen sieht, die sich zur Schleife wenden. In derselben Weise sieht man, wenn man mit den sagittalen Schnitten weiter lateral rückt, Seitenstrangfasern verlaufen (Fig. 19 V. S.). Auch sie wenden sich im Bogen ven- tral und treten theils in den n. centralis, theils direct in die Schleife. Es scheint, dass ein Theil der Fasern, die aus dem n. centralis sich nach oben zur Schleife begeben, in dem Herde neu entstehen. Auch auf Querschnitten kann man in der formatio retieularis, im Seitenstrange beobachten, wie zahlreiche Querschnitte, welche unterhalb des n. centr. besonders lateral und ventral vom grauen Boden des Ventrikels zu beobachten gewesen, schwinden, offenbar, um ventral zur Schleife zu ziehen. Auf Frontalschnitten sieht man Seitenstrangfasern von lateralwärts her sich medial wenden und in den nucleus centralis und die Schleife eintreten. Dies sind die- jenigen Fasern, deren Durehschnitte wir im lateralen Theile des Seitenstranggebietes auf dem Querschnittbilde wahrnehmen. Höher oben treten vielfach wieder Querschnitte auf; wir werden über die Fasern der formatio retic. noch zu reden haben. Wir haben somit gefunden, dass eine Kreuzung der Vorder- strang- und Seitenstrangfasern in der Weise stattfindet, dass ein Theil derselben sich dorsal wendet, um zum hinteren Längsbündel zu werden, ein Theil ventral, um in der Bahn der Schleife zu ver- laufen. Neben den Fasern, welehe direct die bezeichneten Bahnen einschlagen, wird für eine gewisse Anzahl die Verlaufsänderung durch graue Substanz vermittelt, in welcher ein Theil der Fasern zu entstehen beziehungsweise zu enden scheint. Diese graue Sub- stanz ist für das hintere Längsbündel die untere Spitze der Olive und die obere der Vordersäule, für die Schleife der nucleus cen- tralis. Dessen Zellen senden, wie Längsschnitte, besonders sagit- tale, lehren, ihre Axencylinderfortsätze in grosser Zahl in der Rich- tung der Schleifenfasern, meist nach oben; zum kleineren Theile 266 C. F.W. Roller: sieht man sie nach abwärts in der Bahn der zum Rückenmark ziehenden medialen Schleife (des Vorderstranggrundbündels) ver- laufen. Für beide Faserzüge bilden also Theile der Vorderstränge den Stamm, zu ihnen gesellen sich Zuzüge aus den Seiten- und höchst wahrscheinlich auch aus den Hintersträngen. Dass ausser den schon angegebenen Weisen, wie aus den Hintersträngen Zuzüge zur Schleife stattfinden mögen, der n. centr. auch für diese vielleicht die Vermittelung bildet, dafür spricht der Umstand, dass, wie oben angegeben, die — aus den Hintersträngen stammenden — fibrae areiformes mit der vollen Ausbildung des n. centr. schwinden. Angedeutet ist die von uns geschilderte Ventralwendung wenigstens von Vorderstrangfasern auch auf Figuren Stillings!) wenn auch in weit schwächer markirter Weise, als wir sie consta- tirt haben. Freilich sagt er?): „Die vordersten Abtheilungen der Vorderstränge beugen sich, bei ihrem Uebergange aus der Medulla oblongata in den Pons nicht blos von innen nach aussen sondern auch zugleich bedeutend von vorn bogenförmig nach hinten.“ Der erste Blick auf einen Sagittalschnitt aus einer entsprechenden Ebene wird hier von der Richtigkeit unserer Darstellung über- zeugen 3). Wenig lateral der Rhaphe gelegte Sagittalschnitte geben ein sehr übersichtliches Bild. Unten ziehen die Decussationsbündel der Pyramiden in dorso-ventraler Richtung, nach oben steigen Pyramide, Schleife und hinteres Längsbündel auf. Gegen das obere Ende der Oblongata klafft immer mehr ein Spalt zwischen hinterem Längsbündel und Schleife, ausgefüllt durch graue Sub- stanz, diese je näher dem unteren Rande des Pons immer reich- 1) Ueber den Bau des Hirnknotens. Taf. XII, Fig. 3 und Taf. XIII. 2) Ueber den Bau des Hirnknotens, S. 83. 3) Manchmal trifft man allerdings in den unseren benachbarten Ebenen breite Faserzüge, welche von ventral unten nach dorsal oben verlaufen. Dies ist dann der Fall, wenn der Schnitt schräg genug geführt ist, dass die aus der Olive in das corpus restiforme ziehenden Bündel auf demselben erscheinen. Diese treten am Stärksten auf vom oberen Drittel der Olive aus. Am Deut- lichsten und Vollständigsten erhält man die Verbindungsbündel zwischen Olive und corpus restiforme auf Schrägschnitten, deren Richtung in der Figuren- Erklärung zu meinem Aufsatze: Eine aufsteigende Acusticuswurzel in v. la Valette’s und Waldeyer’s Archiv für mikr. Anat., XVII, beschrieben ist. Die Schleife. 267 licher die grossen Ganglienzellen des n. centralis zeigend. In den Herd treten in gesehwungenen Bahnen die sich ventral zur Schleife wendenden Fasern. Im Pons zieht diese in ihrem gebogenen Laufe nach oben, in diesen der Rhaphe nächsten Ebenen sich allerdings da und dort in graue Substanz und nach oben immer mehr ver- lierend (Fig. 14). In ihrem weiteren Verlaufe muss sie hier auf mehr lateralen Schnitten aufgesucht werden. Auf Sagittalschnitten lässt sich auch der Antheil constatiren, welchen die untere Olive an der Ausbildung der Schleife hat. In den sagittalen Ebenen, welche zwischen die Oliven fallen, sieht man in der Ausdehnung, welche der Olive entspricht, ein sehr reiches Flechtwerk von weissen Strängen, die sich nach allen Rich- tungen kreuzen und in einander übergehen (Fig. 14). Rückt man mit den Schnitten weiter lateral, so sieht man in die Maschen des Flechtwerkes in zierlicher Weise graue Substanz eingeflochten, welche ihrem ganzen Aussehen und dem Charakter ihrer Zellen nach der Olive angehört. Im weiteren Verfolgen der Schnitte eonstatirt man die Zugehörigkeit jener Substanz zur Olive. Diese ist demnach in das Maschenwerk eingebettet und hängt innig mit ihm zusammen. Aus diesem Maschenwerk sieht man nach oben Faserbündel in den Ponstheil der Schleife übergehen. Man sieht aber auch aus den zur Olive gehörigen grauen Herden selbst Faserbündel zur Schleife ziehen. Wo die Olive völlig ausgebildet ist, erscheint auf dem sagittalen Bilde ihre ganze Höhlung mit solchem Maschennetze ausgekleidet wie eben beschrieben, und man sieht nun aus diesem Netze heraus Faserbündel in gebogenem Ver- laufe das dorsale Ende der oberen Oliven-Windung umziehen und sich zur Schleife begeben (Fig. 18, 19). Ausläufer der Oliven- Zellen konnten wir mitunter eine Strecke weit in der angegebenen Richtung verfolgen. Ein wie grosser Theil der Schleifenfasern mit Zellen der Oliven zusammenhängt, wird rein anatomisch schwer zu ermitteln sein, das aber können wir auf Grund der mitgetheilten Beobachtungen mit Bestimmtheit sagen, dass Flechsig’s An- gabe!), nur ein verschwindender Theil der Schleifenfasern könne in direetem Verlaufe von oben her in die grossen Oliven eindringen, nicht zutrifft. Oft freilich ist es schwierig oder unmöglich die Fasern zu verfolgen, weil auf vielen Schnitten die Olive wie von 1) Leitungsbahnen etc. S. 339. 268 C. F. W. Roller: einer diehten Kapsel umschlossen erscheint, bis zu welcher hin man auf der einen Seite die aus dem Hilus tretenden, auf der an- deren die aus der Schleife gegen die Olive ziehenden Fasern ver- folgen kann. Die Prüfung der sagittalen Bilder ergibt, dass vor- zugsweise aus dem medialen Theile der Olive die Fasern zur Schleife zu verfolgen sind. Wir müssen in der Olive einen Anfangs- oder Endpunct (oder Beides) einer grossen Zahl von Schleifenfasern sehen, ein Ver- hältniss, welches bis jetzt noch nicht näher beschrieben oder abge- bildet wurde!). Die Beziehung der Olive zur Schleife würde es rechtfertigen, wenn man diese in ihrem Ponstheile funieulus olivaris nennen würde, nur dürfte dabei nicht vergessen werden, dass sie ihrem Stamme, ihrem „Grundbündel“ nach bis in den Vorderstrang des hückenmarkes reicht und ausser der Olive noch eine Reihe von Quellen des Zuwachses besitzt. Jedenfalls stellt die Schleife eine Verbindung der Olive mit den Vierhügeln und weiterhin mit dem Grosshirn dar. Von einer solchen Verbindung wird schon längst gesprochen, es ist aber nichts Bestimmtes darüber ausgesagt. In- dem es die Fortsetzung des Vorderstranges ist, in welche die Olivenfasern eintreten, ist es nicht gerechtfertigt „Olivenstrang“ und „Seitenstrang“ als Synonyme zu behandeln, wie Henle?) thut. Meynert drückt sich?) folgendermassen unbestimmt aus: „Die in die Olive eintretenden Bündel der Haubenbahn gehen mitten aus Arealen hervor, die als Schleifenschicht und motorisches Feld in den Vorderseitenstrang des Rückenmarkes übergehen“. Wie wenig zutreffend unseres Erachtens Meynert’s Anschauung über die Verhältnisse der Schleife in diesen Ebenen ist, geht u. A. aus der Bemerkung bei Strieker (S. 762) hervor, wo er von den in den Ursprungsebenen des n. facialis dem hinteren Längsbündel und der Schleifenschicht anliegenden Theilen der Vorderstränge spricht, die fortschreitend compacter werden sollen. Wo sind diese? 1) Es scheint, dass die Längsschnitte Clasons aus dem Affengehirn, welche Meynert (Stricker, $.763 f.) erwähnt, ähnliche Bilder zeigten. 2) 1. c. 8. 130. 3) Stricker, 8. 769. Die Schleife. 269 Seitenstrang. — Formatio reticularis Aus unserer Darstellung ergibt sich, in welchem Verhältnisse der Seitenstrang zur Schleife steht. Er leistet ihr einen Zuzug von Fasern, welehe durch den angegebenen Verlauf zu ihr gelangen. Es dürften die letzten nach oben sein, welehe noch dem Seiten- strange des Rückenmarkes angehören. Sie allerdings kann man auf Längsschnitten bis zu den Seiten- strang-Deecussationsbündeln und zwischen diese hinein verfolgen, so dass über ihr Hinabreichen in den Seitenstrang des Rückenmarkes kein Zweifel besteht. Dass aber nach oben vom nucleus centralis noch Fasern der erwähnten Herkunft vorhanden seien, glauben wir nicht. Wir sehen einen grossen Theil der Seitenstrangfasern je in die contralaterale Pyramide übergehen, verfolgen sie in das corpus restiforme (directe Kleinhirnseitenstrangbahn Foville und Flechsig), in das hintere Längsbündel, in die Schleife, einige wenige in die Wurzeln des n. accessorius Willisii I), in die aufsteigende Wurzel des Trigemi- nus?) — es ist schon numerisch unwahrscheinlich, dass noch an- dere Fasern übrig bleiben. Dieser Zweifel wird durch aufmerksames Studium des Seiten- stranggebietes bestätigt. Dieses sehen wir von der Formatio reti- eularis eingenommen, einem Maschenwerke grauer Substanz, welche die in sie eingebetteten weissen Fasern an Mächtigkeit beträcht- lich überwiegt. Die Zahl dieser Fasern wechselt auf dem Quer- schnittbilde sehr. Sie ist, namentlich in den höheren Ebenen der Oblongata und im Pons an manchen Stellen etwas bedeutender, an anderen, besonders unmittelbar oberhalb der Vollendung der Pyramidenkreuzung sehr gering — es sind sicher nur diejenigen, die zur Schleife ziehen, und auch hier schon eine gewisse Anzahl anderer, die nicht in’s Rückenmark reichen sondern Provincialfasern Stilling darstellen. Dies, so glauben wir, ist im Allgemeinen der Charakter der Fasern der Formatio reticularis: es sind Fasern kurzen Verlaufes. Dafür sprechen namentlich auch die Bilder auf Längsschnitten. Hier haben wir ein Netzwerk vor uns, in welchem die Fasern stets 1) Roller, Der centrale Verlauf des n. accessorius Willisii. Lähr, Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 1880. 2) Noch nicht veröffentlichte eigene Beobachtung. 370 C. F.W. Roller: nur auf kurze Strecken zu verfolgen sind, und — hierauf ist Ge- wicht zu legen — nicht in der Weise zu Bündeln oder Faserzügen zusammengeordnet, wie wir sie gewohnt sind in solchen Strängen anzutreffen, welche, soweit wir urtheilen können, Fasern enthalten, die entfernte Gebiete in Verbindung setzen. Es kommt hinzu, dass die Form. ret. Zellenherde enthält, die wohl als Stationen d. h. End- und Ausgangspunete ihrer Fasern angesehen werden können, so die nuclei laterales anterior, medius, posterior!), die Neben-Olive, im Pons den Facialiskern, die obere Olive, theilweise die grauen, zur Schleife und zum Bindearm gehörigen Massen; es scheint üb- rigens, dass die Fasern im Pons wieder auf etwas weitere Strecken verlaufen. Deiters war der Ansicht, dass keine einzige Bahn in unver- änderter Einfachheit das ganze verlängerte Mark bis zum grossen Gehirn durchwandere, sondern dass sie entweder mit andern Massen zu einem Ganzen verbunden werde oder selbst nach verschiedenen Richtungen hin zerfalle ?). B. Stilling’s Angabe), dass aus dem Rückenmark durch die medulla oblongata in den Pons übergehen: die sämmtlichen Fasern der weissen Vorder-, Seiten- und Hinterstränge können wir, was die Seitenstränge betrifft, nicht zustimmen und werden bezüg- lich der Vorder- und Hinterstränge unsere Beobachtungen unten 1) Noch nicht veröffentlichte eigene Beobachtung. 2) l.e. S. 180. Bei den Stationen, in welchen Faserzüge des Rücken- markes erste Endigungen erfahren, verweilt er an vielen Orten mit Vorliebe. Er sagt 1. c. auf der folgenden Seite: „Die Physiologie muss sich ausser der einfachen Leitung in den Centralorganen Einrichtungen denken, welche als die Centralherde einer Erregung dienen und welche mitgetheilte Erregungen zu unterhalten und zu verändern im Stande sind. Ich meine also Apparate, welche als Willensimpuls auf bewegende Körpertheile, als Perceptionsapparate bei sensibeln Erscheinungen wirken, welche also sensorische Functionen be- sitzen, und solche, die eine Erregung übertragen, verändern können, ohne dass sie als directe sensorische Centra dienen.“ — Iljaschenko spricht in freilich summarischer Weise und ohne nähere Begründung die Ansicht aus, dass schwerlich selbst nur wenige Fasern des Rückenmarkes unmittelbar das Cerebellum oder Theile des grossen Gehirns erreichen, sondern dass vielmehr die Rückenmarksfasern in den Zellen .... . des verlängerten Markes und der Brücke endigen (Kowalevsky, Sitzungsber. der zool. Abth. der III. Vers. russischer Naturforscher in Kiew. Ztschr, f. wissensch. Zool., XXI. Band, 3. Heft). 3) Pons, 8. 147. Die Schleife. 271 zusammenfassen, wir können die Bezeichnung „motorisches Feld“ wie Meynert unser Gebiet nennt, mit Forel!) nicht acceptiren und selbstverständlich auch Flechsig?), nicht Recht geben, wenn er die direete Fortsetzung von Thalamusfasern in die Seitenstrang- reste d. h. in’s Rückenmark wohl möglich findet °). Weiterer Verlauf der medialen Schleife. — Obere Olive. — Corpus trapezoides. Oberhalb der unteren Olive zieht die Schleife in beträchtlich vermehrtem Umfang weiter. Sie dreht sich im Aufsteigen durch den Pons in der Weise, dass ihr Längendurchmesser, welcher bis in den unteren Theil der Brücke sich in sagittaler Richtung er- streckt, in die frontale zu liegen kommt. B. Stilling hat für seine vordere Abtheilung der Vorder- stränge (unsere mediale Schleife) diese Lageveränderung *) be- schrieben, indem er sie von innen nach aussen rücken und sich endlich vor die Seitenstränge legen lässt. In den oberen zwei Dritttheilen des Pons bilde ihr grösster Horizontaldurchmesser einen fast rechten Winkel mit der Rhaphe, während er tiefer unten dieser parallel gewesen. Die späteren Autoren haben diese Verhältnisse nicht berück- sichtigt oder irrthümlich beschrieben. So gibt die Flechsig’sche Darstellung?) ein falsches Bild. Er sagt, die in der mittleren Brückenhöhe stark in die Breite ausgedehnte Schleifenschicht balle sich nach dem unteren Brückenrande zu einem auf dem Querschnitt mehr rundlich ovalen Bündel zusammen, welches in den oberen Oblongaten-Ebenen durch die rasch anwachsenden grossen Oliven seitlich comprimirt werde, so dass alsbald der sagittale Durch- messer den transversalen überwiege, gerade entgegengesetzt dem Verhalten im grössten Theile des Pons. 1) Untersuchungen u. s.w. Westphal, Archiv VII, S. 413. 2) Leitungsbahnen, S. 342 f. 3) Flechsig erkennt übrigens theilweise der formatio retieularis eine ähnliche Bedeutung zu wie wir. Vgl. Systemerkrankungen, Archiv der Heil- kunde XVII, S. 125. Leitungsbahnen S. 340 ff., Erkl. zu Taf. XX: „Reflex- felder“ der obl. 4) Pons, S. 147 £. 5) Leitungsbahnen, S. 339. 272 C. F.W. Roller: Indem wir die in Betracht kommenden Verhältnisse schildern, treten wir an ein schwieriges aber gewiss sehr wichtiges Gebiet in der Bahn der Schleife heran. Die Wendung der Schleife erfolgt allmälig, indem zuerst der ventrale Theil lateral und frontal rückt, während der dorsale noch eine Strecke weit parallel der Rhaphe verharrt (Fig. 5). Diese Aenderung fällt zusammen mit der vollen Entwickelung der oberen Olive und dem Hereinbrechen derjenigen Bündel des Brückenarmes in das Innere der Brücke, welche dem corpus trapezoides der Säugethiere entsprechen. Von diesen laufen beträchtliche Züge zur oberen Olive und an deren ventralem Rande zur medialen Schleife!) selbst (Fig.5 C. t.). Sie verlieren sich so evident in deren Quer- schnitt, dass hier an einem Uebergang dieser Kleinhirnstränge in den uns beschäftigenden Faserzug kein Zweifel möglich ist. Ebensowenig an der Beziehung der oberen Olive zur Schleife (Fig. 5). Auf Längsschnitten sehen wir Fasern aus der oberen Olive in die Schleife ziehen. Besonders Schrägschnitte und Frontalschnitte er- geben dies. Querschnitte zeigen demgemäss zahlreiche Faserdurch- schnitte innerhalb der oberen Olive. Auf Längsschnitten gewahrt man ferner medial von der oberen Olive ein Flechtwerk, welches sich nach oben in die Schleife fortsetzt, die Vergleichung der Bilder beider Schnittrichtungen ergibt, dass die in die Schleife eintretenden transversalen Bündel des corpus trapezoides zusammen mit den longitudinalen Schleifenbündeln ein solches Flechtwerk erzeugen müssen. Auf dem Querschnitt liegt an der medialen Seite der oberen Olive ein compacter Faserzug, welcher in schräger Richtung in die mediale Schleife übergeht (Fig.5 z; auf der Figur ist nur ein kleiner Theil dieser Fasern dargestellt). Es sind aber auch feine Züge wohl zu beachten, welche aus der oberen Olive selbst in transversaler Richtung zur Schleife sich begeben und sich in deren Querschnitt verlieren (Fig. 5). Die obere Olive bildet hier die laterale Begrenzung der Schleife, welche bis dahin reicht, gleichsam an ihr hängt. Wir machen hier noch auf einen kleinen mit Schleifenfasern zusammenhängenden Herd aufmerksam, an der ventralen Seite der oberen Olive, welcher sich lebhaft färbende etwas grössere Zellen als die obere Olive besitzt (Fig. 5 N. ce. t.). 1) „Schleifenschicht“, wie sie in ihrem Verlaufe durch den Pons seit Reichert vielfach genannt wird (s. gesch. Uebers.). Die Schleife. 273 Er ist nieht zu verwechseln mit der von manchen Forschern er- wähnten Neben-Olive der oberen Olive. Eine solche unterscheiden wir nicht, da die beiden Hälften der oberen Olive an Umfang und Gestalt ziemlich übereinkommen, während die Neben-Olive der unteren Olive von dieser in beiden Beziehungen wohl unter- schieden ist. Endlich sieht man feine Züge aus dem n. magnocellularis n. acustiei!) und aus dem Querschnitt der aufsteigenden Trigeminus- wurze]l sich ventral wenden und sich anscheinend den zur Schleife ziehenden Brückenarmbündeln beigesellen (Fig. 5). Ausser in der Riehtung der Brückenarmbündel sind Fasern durch die obere Olive hindurch in den Faeialiskern zu verfolgen, in welchem dieser Ver- bindung entsprechend die Faserquerschnitte im Aufsteigen schwin- den, und in den Querschnitt der aufsteigenden Trigeminuswurzel sowie in die convolutio quinti (s. u. S. 277 Anm.). Der Deutlichkeit wegen wiederholen wir, dass wir zuerst von Fasern sprachen, die in die Bahn der Brückenarmbündel treten, dann von solchen, die unabhängig von diesen verlaufen. Soweit lassen sich die besprochenen Fasern mit Sicherheit verfolgen. Ob es sich hier schon um solche handelt, welche einen Zusammenhang der medialen mit der lateralen Schleife vermitteln, können wir nicht sagen. Aui diesen Zusammenhang kommen wir zurück. Ein Theil der Brückenarmbündel zieht in diesen Ebenen ven- tral der Schleife vorüber und gibt sich mit demjenigen der andern Seite ein Stelldichein in der Rhaphe, ob zu Kreuzung oder Com- missur wollen wir nicht entscheiden (Fig. 5 B. P.). Durch diesen Zug ist hier die Schleife vom ventralen, den übrigen Brückenarm- bündeln und den Pyramidenbündeln angehörigen Ponstheil scharf abgegrenzt. Graue Substanz liegt reichlich diesseits und jenseits dieses Grenzbündels, auf der einen Seite die ventralen Fasermassen des Pons einbettend, auf der andern der Schleife anliegend und, besonders an der Rhaphe, in sie hineinwuchernd. Ueberblieken wir die complieirten Verhältnisse, die wir eben besprochen haben, nochmals auf dem Bilde, wie es Sagittal- und Schrägschnitte medial der oberen Olive geben. Wir sehen hier einen Knotenpunet vor uns und constatiren, wenn wir eine Reihe }) Roller, Eine aufsteigende Acustieuswurzel. 274 C. F.W. Roller: solcher Schnitte überblicken, folgendes. Die Fasern treten in der früher geschilderten Weise aus den Vorder- und Seitensträngen sowie aus dem n. centralis zusammen, um den Ponstheil der Schleife zu bilden, die grosse Zahl der aus den unteren Oliven stammen- den tritt hinzu, ferner die aus den oberen, vielleicht dem Faeialis- kern, die herzutretenden Bündel des corpus trapezoides erscheinen quer durchschnitten. Die Pyramide entfaltet sich hier in die ge- theilten Stränge, in welchen sie im Pons aufsteigt, die Abdu- censfasern treten aus. So entsteht ein Complex von Gebilden, welcher sich in der angegebenen Weise in seine Componenten aus- einanderlegt. Das Netzwerk, welches medial der oberen Olive auf dem sagittalen Bilde erscheint, hat eine überraschende Aehnlichkeit mit dem von uns geschilderten, in welches die untere Olive medial übergeht, nur dass es gröber ist. Man kann die beiden Netzwerk- Areale auf demselben Schnitte übereinander zu Gesicht bekommen, nur getrennt durch die graue Masse des n. centralis. Die Drehung der Schleife in den frontalen Durchmesser ist vollendet in den Ebenen der oberen Abducenswurzeln. Zugleich wird der Umfang der Schleife und der oberen Olive etwas redu- eirt. Uebrigens ist es nicht richtig, wenn Meynert diese „von den obersten Facialiswurzeln an bis zum unteren Rande der mensch- lichen Brücke reichen“ lässt). Sie lässt sich vielmehr bis in den unteren Vierhügel verfolgen, wenn sie auch in ihrer obersten Par- thie nur in Spuren zu erkennen ist. Statt der in sie eintretenden Brückenarmbündel wird die Schleife nun, da sie in die frontale Ebene getreten ist, von solchen durch- setzt bis zur Rhaphe, in die obere Olive aber sieht man auch in diesen Ebenen Brückenarmbündel in breiten Zügen eintreten. Die Lage der Schleife ist hier die, dass sie in der Mitte bis zur Rhaphe reicht, dorsalwärts die Fortsetzung des n. centr. nach oben hat, in welche graue Masse die Rhaphe an vielen Stellen verwaschen übergeht, mehr lateral die formatio reticularis, nach aussen reicht sie bis zur aufsteigenden Trigeminuswurzel und zur oberen Olive. Abzugrenzen ist sie überall leicht durch ihr auffallend lichtes Aussehen. Wenn gegen die formatio reticularis die Grenze nicht 1) Stricker, S$. 763. Die Schleife. 2375 scharf ist, so kann man doch in der Gegend des Ueberganges stets nur in einem sehr schmalen Rayon bezüglich der Zugehörig- keit der Fasern in Zweifel sein. Es hat sieh uns eine ausgiebige Verbindung der Schleife mit der oberen Olive und mit denjenigen Brückenarmbündeln heraus- gestellt, die wir als Homologa der Bündel des corpus trapezoides der Säugethiere auffassen. Dies wird beim Menschen jedenfalls noch durch weitere Brückenarmbündel im unteren Theile des Pons repräsentirt, darüber aber, dass ihm besonders die mit der oberen Olive in direetem Zusammenhang stehenden entsprechen, kann kein Zweifel sein, da bei den Säugethieren die obere Olive im oder un- mittelbar unter dem corpus trapezoides liegt. Wir haben hier demnach den Uebertritt einer beträchtlichen Anzahl von Schleifenfasern in’s Kleinhirn vor uns, welcher in der besprochenen Weise vermittelst der Brückenarmbündel erfolgt. Der Umstand, dass, wie wir bereits sagten, die Schleife oberhalb der dargestellten Ebenen beträchtlich redueirt erscheint, kann nicht anders erklärt werden. Diese Reduction ist nieht unbeträchtlich. Die Zahl der Schleifenfasern, welche in verticaler Richtung weiter ziehen, ist erheblich vermindert, während das ganze Areal der Schleife auf dem Querschnitt dadurch einen grösseren Raum ein- nimmt, weil es hier von zahlreichen Brückenarmbündeln bis zur Rhaphe durchsetzt ist. Ein Theil der Schleifenfasern wird durch Vermittelung der oberen Olive in’s Kleinhirn übergeführt. Dies gilt besonders auch für von oben herabkommende. Auf Frontal- schnitten sieht man Schleifenfasern von oben in die obere Olive eintreten, eben in der Gegend, in welcher die Trapezoidbündel ab- gehen, während nach unten sich keine Fortsetzungen .- in die obere Olive eingetretenen Fasern erkennen lassen. Beim Frosch ist die pars peduncularis Stieda, welche auch die Schleife enthält, die Fortsetzung der pars commissuralis nach oben }). Es ist möglich, dass in den geschilderten Verbindungen die Bahnen von Vorderstrangfasern in’s Kleinhirn gegeben sind, inso- fern, wie wir gezeigt haben, die Schleife eine Fortsetzung des Vor- derstranges ist (plus der verschiedenen angegebenen Zuzüge). 1) Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Leipzig 1870, S. 22. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 19, 19 276 C. F. W. Roller: Bevor wir die Schleife weiter verfolgen, glauben wir eine Bildung besprechen zu sollen, die sich bei dem Studium unseres Faserzuges auf Sagittalschnitten im Pons in auffälliger Weise ein- schiebt. Taenia pontis. Etwa in der Höhe der Pons, in welcher die Schleife von der Mittellinie wegrückt, sieht man sie von einem breiten Faserzuge gekreuzt, welcher in schräger Richtung von dorsal unten nach ven- tral oben läuft (Fig. 14 T. p. i.). Der Faserzug begibt sich nach dem Winkel, welchen die Wölbung des Pons mit dem aus ihm her- vortretenden Pes pedunculi bildet. Der Wulst, welcher in jenem Winkel entsteht, ist makroskopisch constatirt und von Henle?) Taenia pontis genannt worden. Der breite Strang lässt sich an- dererseits bis zum Boden des 4. Ventrikels verfolgen, zu einer Stelle, welche etwa dem motorischen Trigeminuskern entspricht, medial von diesem gelegen (Fig. 14). An dieser Stelle befindet sich ein Zellenherd. Ferner treten aus der formatio reticularis Fasern zu dem fraglichen Strang. Aus der Schleife treten Fasern in den- selben ein, sich in starkem Bogen ventral wendend. Dagegen haben wir aus dem hinteren Längsbündel keine Fasern in den Strang übergehen sehen. Dieses erfährt aber an der Stelle wo der Faser- zug vom Boden des Ventrikels ausgeht, eine beträchtliche Auflocke- rung und theilweise eine Biegung seiner Fasern. 2) 1. c. S.148. Henle lässt „den Saum, wo er am Vollständigsten entwickelt ist, neben dem Brückenschenkel aus dem Markkern des Kleinhirns hervortreten.“ Ausserdem beschreibt Henle (l.c. S. 276) Fasern aus dem Trochleariskern zur taenia; was aber in der beigegebenen Figur 186 als taenia (Tp’) bezeichnet wird, ist nichts Anderes als das hintere Längsbündel. Ein zu der taenia gehöriges Bündel sehe ich zuweilen aus dem Brücken- schenkel selbst sich erheben, ferner sehe ich an manchen Gehirnen ein starkes, selbst mehrfaches Bündel aus dem Bindearm auftauchen, quer über die Schleife wegziehen und sich zur taenia begeben. Endlich kommt ein Bündel vor, welches vom corpus genic. med. zur taenia zieht. Dies könnte wohl dem tractus peduncularis transversus von Gudden (Westphal, Archiv f. Psych. II, S. 364 ff.) zugehören. Henle fand die taenia pontis nicht constant, ich habe sie nie vermisst, auch Schwalbe nicht (l. c. S.458). Arnold hat diese Fa- sera auch gesehen (l. ce. S. 720 f.: filamenta lateralia); ferner Malacarne, welcher sie als Accessorii dei motori communi beschrieb (Schwalbe ibid.). Die Schleife. 977 Die Ausstrahlung in den genannten Winkel findet Statt un- mittelbar unter der Bindearmkreuzung, welche auf Sagittalschnitten als zierliches Netzwerk erscheint (Fig. 14, 23 B. A.). Ein direeter Uebergang in die Taenia ist hier nicht zu con- statiren, wohl aber der Verlauf vollständig in der Richtung nach der- selben. Auf Sagittalschnitten kann der Uebergang, welcher nicht zu bezweifeln ist, nicht constatirt werden, weil die Fasern, um zur taenia zu gelangen, sich etwas lateral wenden müssen. Dagegen ist hier zu beobachten ein Ausstrahlen in die Pons- wölbung selbst, in der Weise, dass die Fasern in die hier sehr reichliche graue Substanz gelangen und diese, die Faserstrahlung fortsetzend, sich baumartig verästelt, wobei die Verästelung, anfangs breit, fein und immer feiner wird. Wir haben somit ausser dem von Henle angegebenen Verlauf der taenia pontis für diese allem Anschein nach auch einen solchen zum Boden des vierten Ventrikels zu constatiren. Das fragliche Bündel würde demnach Fasern ausser vom Markkern des Klein- hirns (Henle), von einer Stelle am Boden des vierten Ventrikels an die äussere Oberfläche des Pons und in den Pes peduneuli führen; ein Theil aber strahlt in die grauen Massen des Pons aus, und es ist nur dieser, in welchen wir Schleifenfasern verfolgen konnten. Wir nennen den von uns hier zuerst beschriebenen Strang taenia pontis interna. Die laterale Schleife. Die mediale Schleife steigt, wie wir gesehen haben, nachdem sie vollständig in den frontalen Durchmesser des Markes getreten ist, in nicht unbedeutend reducirtem Umfange aufwärts. Die transversalen Fasern, von welchen sie durchsetzt ist, kann man zum Theil in die sehr umfangreiche graue Masse ver- folgen, welche zwischen Schleife und Pyramide liegt, zum Theil auch in diesen Ebenen in die obere Olive. Zu einem weiteren Theile umziehen sie deren ventrales Ende und begeben sich in die hier gelegene convolutio quinti!). Es ist möglich, dass auch in l) So nennen wir ein Gebiet, welches durch discerete Anhäufung von, der gelatinösen Substanz zugehörigen, Massen und ungleichmässige Verthei- 978 C. F.W. Roller: diesen Ebenen ein Fasertausch mit dem Kleinhirn stattfindet, es würde sich dann wohl grossentheils um Fasern aus der jenseitigen Kleinhirnhälfte handeln. Im Aufsteigen nimmt hier die Schleife an Umfang wieder zu, man sieht sehr schön auf Querschnitten aus der ventral von ihr gelegenen grauen Substanz, dem medialen Schleifenherd, n. Lemnisei medi- alis (Fig. 6 N. L. m.), der an mittelgrossen Zellen überaus reich ist, Fasern auftauchen und sich ihr zugesellen (Fig. 6 Ad L. m.). Wir stehen somit hier wiederum einer in die Organisation der Schleife neu eintretenden Bildung gegenüber. Sie erhält hier einen Zuwachs von im Pons entstehenden Fasern. In dieser Ebene schwin- den die die Schleife durchsetzenden Brückenarmbündel vollstän- dig, es bleiben nur innerhalb des Schleifenquerschnittes sehr feine transversale Fasern übrig, die einen durchaus anderen Charakter zeigen. In den Ebenen des Austrittes der grossen Trigeminuswurzel rückt die mediale Schleife etwas von der Rhaphe weg, und zu- gleich sieht man ihre lateralsten Bündel eine lateral gewendete Richtung einschlagen und diesen gesellen sich in breitem Zuge zahlreiche eben in der ventralen grauen Substanz neu entstandene Fasern hinzu (Fig. 6 M.L.S.); ja man kann hier bei genauer Prüfung erkennen, dass ein sehr grosser Theil der Schleifenfasern eine laterale leicht dorsale Richtung einschlägt, die je weiter seit- lich desto ausgesprochener wird (Fig. 6). An der Stelle, an welcher der aus dem ventralen Herde — dem medialen Schleifenherde — kommende Zuzug zur Schleife und mit ihm der laterale Theil dieser selbst sich dorsal wendet, » lung der Neuroglia ein an einigen Stellen helleres, an anderen dunkleres, im Ganzen ungleichmässiges, in manchen Parthieen gewundenes Aussehen zeigt, kleine Ganglienzellen sowie in verschiedenen Richtungen durchschnittene Fa- sern enthält, und in welchem sämmtliche Trigeminuswurzeln zusammentreffen. Für diese stellt die convol. quinti offenbar den Zusammenhang her. Sie hängt mit den verschiedenen Quintusherden, nach abwärts auch mit dem n. magno- cellularis n. acust., nach oben mit dem lateralen Schleifenherd (s. u.) zusam- men. Ihr Aussehen auf Längs- und Querschnitten kommt überein (Fig. 22). Im Wesentlichen entspricht die convol. quinti dem sensibeln Trigeminuskern der Autoren, wir glaubten sie aber, da sie ein so eigenartiges Gebilde dar- stellt, in der angerebenen Weise benennen zu sollen. Es gehen aus ihr auch Fasern in die motorische Trigeminuswurzel über. Die Schleife. 279 um sich zu der Stelle zu begeben, an welcher die laterale Schleife erscheint, bildet der genannte Theil der medialen Schleife eine Ausbuchtung, in der ein beträchtlicher Herd auftritt, welcher mit dem oberen Theile der convol. quinti unmittelbar zusammenhängend, ventral vom motorischen Trigeminuskern sich lateral ausbreitet. Er enthält zahlreiche mittelgrosse, meist rundliche Zellen, ähnlich denen der Olive. Die graue Substanz, in welcher dieser Herd liegt, erstreckt sich dorsal und medial in beträchtlichem Umfang, besonders in den nächst höheren Ebenen, in welchen der motori- sche Trigeminuskern geschwunden ist. In ihn ist der Bindearm, wenigstens an seiner ventralen und lateralen Grenze, sowie die laterale Schleife eingebettet. Wir nennen ihn lateralen Schlei- fenherd, n. Lemnisei lateralis Fig.7, N. L. l. Die Bündel der lateralen Schleife erscheinen bei ihrem Auf- treten als die lateralsten des Zuges der medialen Schleife, der sich nach dieser Riebtung gewandt hatte. Auf dem Querschnittbilde steht also die laterale Schleife sofort bei ihrem Auftreten mit der medialen in Zusammenhang (Fig. 7,8). Die laterale Schleife ist gleichzeitig an zwei Stellen wahrzunehmen, einmal in der ventralen Verlängerung des Bindearmes und hier ist die Nachbarschaft beider eine so nahe, dass es manchmal schwierig ist zu entscheiden, welche Querschnitte dem Bindearm und welche der Schleife angehören, — sodann als schräg durchschnittene Fasern, die lateral vom Binde- arm sich dorsal hinziehen (Fig.7, 8). Beide — und darauf legen wir Gewicht —- stehen sofort bei ihrem Auftreten in Verbindung mit der medialen Schleife. Auch die graue Substanz ventral der medialen Schleife — der mediale Schleifenherd — hängt mit dem lateralen unmittelbar zusammen. Wir haben also eine Schleife vor uns, und die laterale Schleife scheint nichts Anderes zu sein als der laterale Theil der einen Schleife, welche eine Anzahl ihrer Bündel dahin wendete. In der That ist es sehr wahrscheinlich, dass ausser der Verbindung, welche wir eben constatirten, noch weitere bestehen. Es ist wahrscheinlich, dass die Fasern aus der medialen Schleife nach dem n. magnoe. n. acust., nach dem Trigeminus, der convolutio quinti, von welchen wir oben!) sprachen, sich durch die genannten Gebilde hindurch in den lateralen Schleifenherd und zur lateralen Schleife begeben. 1) S. 273. 280 C. F.W. Roller: Auf Frontalschnitten erscheinen mediale und laterale Schleife in evidentester Weise als ein zusammengehöriger Faserzug (Fig. 15). Dennoch haben uns unsere Präparate eine gewisse Anzahl von unteren Verbindungen der lateralen Schleife kennen gelehrt, auf welche wir nun eingehen wollen. Wir schicken voraus, dass sie wenig zahlreich sind, es handelt sich nur um wenige Fasern, der grössere Theil der lateralen Schleife stammt aus der medialen und höchst wahrscheinlich auch aus dem lateralen Schleifenherd. In weleher Weise Meynert die unteren Verbindungen der lateralen Schleife darstellt, haben wir in der geschichtlichen Ueber- sicht kurz mitgetheilt. In seinem Aufsatze „Skizze“ u.s. w.!) lässt er unsere laterale Schleife das Hinterhorn des Rückenmarkes vorn umgeben, höher oben vor der aufsteigenden Trigeminuswurzel verlaufen. Nun macht Flechsig?) mit Recht darauf aufmerksam, dass man in der Regel auf Querschnitten schon im Rayon des obersten Drittels der grossen Oliven vergeblich an der betreffenden Stelle nach dem Querschnitt eines Bündels suche, welches der directen Kleinhirnseitenstrang- bahn hinsichtlich des Faserkalibers und des Umfanges auch nur an- nähernd entspräche®). In der That ist an der angegebenen Stelle ein in die Schleife übergehender Faserzug nicht zu finden, man sucht aber auch vergeblich bei Meynert nach dem näheren Nach- weis oder nach Darstellungen auf den nichtschematischen Figuren. In dem Aufsatze bei Stricker ist Fig. 254 die „hintere Schleife“ nicht dargestellt, obgleich bezüglich derselben in demselben Auf- satz*) auf eben diese Figur verwiesen wird. In der (schemati- schen) Figur 3 des Aufsatzes im vierten Bande von Westphals Archiv ist als „hintere Schleife“ (Lp) der laterale Theil der me- dialen Schleife bezeichnet in einer so tiefen Ebene, dass von einer Abgrenzung der lateralen Schleife keine Rede sein kann’). Und 1) Westphal, Archiv IV. 2) Leitungsbahnen, S. 326. 3) An der Stelle, an welcher nach Meynert die „hintere Schleife“ sich befindet, welche nach ihm durch das velum med. ant. in das Kleinhirn über- geht, liegt nach Flechsig die „directe Kleinhirnseitenstrangbahn“, welche in der Bahn des corpus restiforme nach dem Kleinhirn zieht. 4) Stricker, S. 762. 5) Skizze u.s. w. Westphal, Archiv IV, S. 388 wird gesagt, es sei die eitirte Fig. 3 zwischen Fig. 253 und 254 (auf welcher die Schleife nicht be- zeichnet ist) bei Stricker, einzuschalten. Die Schleife. 281 ein Verfolgen des äusseren Theiles der medialen Schleife nach ab- wärts an die ventrale Seite der aufsteigenden Trigeminuswurzel ist ganz sicher unthunlich. Auf dem von Meynert angegebenen Wege sind die etwaigen unteren Verbindungen der lateralen Schleife nicht aufzufinden. Es ist dies überhaupt eine schwierige Untersuchung. Man muss hier die verschiedensten Schnittrichtungen anwenden und darf auch das Schneiden aus freier Hand nicht unterlassen. Der directe Ver- lauf nach unten würde in den funieulus euneatus leiten, aber es schiebt sich allerlei dazwischen, namentlich das corpus restiforme in seinem Uebertritt ins Kleinhirn. Bis in die Faserdurchschnitte, welche dieser Stelle entsprechen, sind auf Längsschnitten die Fa- sern der lateralen Schleife herab zu verfolgen. Andererseits sieht man aufsteigende Fasern aus dem n. magnocell. n. acust. in den Schleifenherd eintreten, und Bilder, auf welchen in diesen Herd von unten die genannten Fasern, von oben die der lateralen Schleife sich begeben, erhält man leicht (Fig. 20), ja man sieht Fasern aus dem n. magnoe. n. acust. völlig die Richtung nach der lateralen Schleife einhalten, bis in ihre Nähe sind sie zu verfolgen. Ob ein directer Zusammenhang besteht, der recht gut eben durch die er- wähnten Querschnitte verdeckt sein könnte? Wahrscheinlich ist es so, wahrscheinlich sind die aufsteigenden Fasern durch die transversalen abgelenkt, nehmen einen etwas gebogenen Verlauf und können desshalb nie continuirlich auf einem Schnitte erscheinen. Indessen ergeben gewisse etwas schräg zur frontalen Ebene ge- legte Schnitte eine directe Faserverbindung zwischen n. magnoe. n. acust. und unterem Ende des Bindearms, da wo dieser aus dem Kleinhirn auftauchend erscheint. Hier kann man Fortsätze jener grossen Zellen ziemlich weit in der Richtung des aufsteigenden Faserzuges verfolgen, und hier könnte es sich wie um eine Ver- bindung mit dem Bindearm um eine solche mit derjenigen sich unmittelbar anschliessenden und allem Anschein nach ursprünglich mit dem Bindearm untrennbar verbundenen Parthie der lateralen Schleife handeln, die wir schon besprochen haben und auf welche wir weiter unten abermals zurückkommen werden (Fig. 21). Jeden- falls haben wir in dem Faserzuge, welcher den Zusammenhang zwischen Bindearm und n. magnoc. n. acust. herstellt, die radix descendens des Hörnerven vor uns. Die Angaben von Meynert (Stricker, S.785) und Mendel (Berl. klin. Wochenschr. 1878, S. 402) 282 C. F.W. Roller: bezüglich einer Verbindung des VIII mit dem Bindearme inner- halb des Kleinhirns haben wir hier nicht zu besprechen. Aus der convolutio quinti sieht man gleichfalls Fasern nach der lateralen Schleife hinaufziehen; deren Uebergang in dieselbe ist zu beobachten (Fig. 22). Ja, man sieht auf Frontalschnitten, welche die eben zum Austritt umbeugende rad. asc. quinti zeigen, von dieser ein Bündel sich abzweigen und nach aufwärts in die convol. quinti laufen, so dass auch hier das Aufsteigen nach dem uns beschäftigenden Faserzuge wahrscheinlich ist. Zwischen den wiederholt erwähnten Querschnitten finden sich stets longitudinale Fasern, die unzweifelhaft den aus Acusticus- und Trigeminusherden aufsteigenden Zügen angehören, vielleicht auch dem corpus restiforme (Fig. 20). Untersucht man nämlich die fraglichen Gegenden auf Querschnittserien, so findet man Faser- durchschnitte, welche auf eine tiefer hinab reichende Verbindung der lateralen Schleife bezogen werden können, entsprechend den Zügen, welche wir oben angegeben, namentlich aber an der medi- alen Grenze des corpus restiforme, so dass es möglich ist, dass hier Fasern liegen, die bis in’s Rückenmark — und ihrer Lage nach dann am Wahrscheinlichsten in den funieulus cuneatus — reichen würden. Es ist aber klar, dass es selbst anf lückenlosen Querschnitt- serien unsicher bleibt, ob man stets dieselben Fasern vor sich hat, ob es sich nicht doch um umbiegende (hier mit dem corpus restiforme in’s Kleinhirn) und neu auftretende handelt. Es gibt Fälle, in denen man die Umbiegung auf Querschnitten constatiren kann, es gibt aber auch solche, wo dies unthunlich ist. Zur Entscheidung müssen wir Längsschnitte vergleichen, die Ergebnisse unserer Untersuchung auf solchen haben wir angegeben. Mit grösster Wahrscheinlichkeit ergibt sich somit eine Faser- verbindung der lateralen Schleife mit der convolutio quinti und mit dem n. magnoe. n. acust., möglich ist eine solche mit corpus restif. resp. fun. cun. Was die Verbindung mit Trigeminus und Acusticus betrifft, stimmen wir demnach mit Luys!) überein, welcher durch an- dere Art der Untersuchung gleichfalls zu dieser Anschauung kam, die er freilich nicht näher ausführt. 1) S. o. gesch. Uebers. Die Schleife. 283 Die Schleife im weiteren Verlaufe. — Bündel vom Pes zur Haube. — Verbindung der Schleife mit dem Bindearm. Beim Aufsteigen zeigen sich die beiden Schleifen fortwährend als ein continuirlich zusammenhängender Faserzug, nur ist der Uebergang des von uns „mediale Schleife“ genannten Theiles in die laterale in den höheren Ebenen nicht ein so gleichmässig brei- ter, wie er auf B. Stillings Taf. VIII (Bau des Hirnknotens) und Henle’s Fig. 183 dargestellt ist. An der Stelle, an welcher die Biegung stattfindet, die mediale Schleife zur lateralen wird, drängt stets von beiden Seiten die graue Substanz heran, so dass hier die Faserschicht etwas verschmälert wird (Fig. 7, 8). Erst beträchtlich höher, wo das mediale Ende der Schleife an die late- rale Seite des runden Bindearmquerschnittes gerückt ist, findet der breite Zusammenhang Statt. Die graue Substanz, welche in tieferen Ebenen an der ven- tralen Grenze der medialen Schleife in sehr reichem Maasse vor- handen gewesen und welche wir medialen Schleifenherd nannten, wird hier mehr und mehr reducirt und bleibt nur seitlich ausgiebig vorhanden, während ventral der Schleife, dieser unmittelbar anlie- gend die transversalen Brückenfasern, allerdings stets etwas mit grauer Substanz untermischt vorüberziehen. Von dem nach oben sich erstreckenden Reste des n. centralis ist hier wenig mehr übrig. Die formatio retieularis reicht bis zur Rhaphe, da und dort etwas stärkere Ansammlung von Neuroglia zeigend, aber höchstens auf kleine Strecken unmittelbar neben der Rhaphe das gleichmässig zarte Aussehen, wie es dem n. centr. eigenthümlich ist. Wenig höher, als auf dem Querschnittbilde der Bindearm erschienen ist, sieht man dessen ventralste Bündel medial ziehen und allem Anschein nach sich in der formatio retieularis verlieren. Ihnen parallel erstrecken sich Züge aus dem lateralen Schleifen- herde in medialer Richtung, die gleichfalls zum Theil bis in die formatio reticularis, zum Theil in die Querschnitte der medialen Schleife zu verfolgen sind. Diese Züge liegen dorsal von den seither beschriebenen, weiche mediale und laterale Schleife in Ver- bindung setzen. Zum Theil repräsentiren sie jedenfalls Zuzüge aus der formatio retic. zur Schleife, die auch auf Längsschnitten zu constatiren sind. 234 C. F.W. Roller: Die mediale Schleife rückt weiter von der Mittellinie weg, dabei treten ventral die Querschnitte auf, welche dem in den pes pedune. übergebenden Bündel entsprechen. Gerade diese Quer- schnitte haben wir durchaus nicht diffus gefunden wie Forel'). Sie sind sogar compacter als die übrige mediale Schleife. Der Uebergang ist auf Sagittalschnitten direet zu sehen, und es ist ein ganz respeetabler Faserzug, der sich von der Schleife zum pes pedune. begibt (Fig. 23. P. t.). Bezüglich „des Bündels vom pes zur Haube“ wird also B. Stilling (s. gesch. Uebers.) Recht be- halten. Wir machen übrigens darauf aufmerksam dass schon Reil (gesch. Uebers.) einen solchen Uebergang statuirt hat. Oft sieht man im oberen Theile des Pons, da wo die mediale Schleife lateral rückt, einen starken Faserzug lateral des Bündels „vom Pes zur Haube“ sich ventral wenden. Dieser tritt in die zwischen den Pyramidenbündeln liegende graue Substanz, höher oben in die substantia nigra. Dies Bündel kommt ohne Zweifel mit dem pedunculus substantiae nigrae Meynert?) überein. Es lässt sich auf Sagittalschnitten eine weite Strecke nach abwärts verfolgen, und, es scheint nicht, wie Meynert selbst?) und Flechsig*) glauben, schon innerhalb des Pons in den Zellen- massen der Schleifenschicht zu endigen, sicher nicht im oberen Theile des Pons. Indem im Aufsteigen der laterale Theil der Schleife (die laterale Schleife) sich verbreitert, kann man fortwährend zwei Lagen ihrer Fasern unterscheiden, die wir gleich beim Beginn getrennt fanden (s. 0.), eine innere mehr rundliche, die direct aufsteigende Richtung einhaltende, und eine äussere, die einen schrä- sen im Ganzen transversalen Verlauf dorsalwärts und etwas nach oben einhält (Fig. 7, 8). Nur diese äussere Faserlage (Fig. 8, A. L.) kann zu den „Bogenfasern“>) gerechnet werden, im Uebrigen ist 1) 1. e. S. 431. Forel scheint nicht die Querschnitte, von denen wir hier sprechen, im Auge gehabt zu haben, wenn er sie „dorsal in die Längsfasern der formatio retic. übergehen“ lässt. Von der formatio retie. sind sie durch die hier ziemlich reichliche graue Substanz zwischen medialem Ende der Schleife und Rhaphe sehr wohl getrennt. 2) Westphal, Archiv IV, S. 390. 3) Ibid. 4) Leitungsbahnen, 8. 337. 5) Schwalbe, l. c. S. 638 f. Die Schleife. 285 die Richtung auch der lateralen Schleife eine entschieden longi- tudinale. In der Höhe, in welcher das vel. medull. ant. auftritt, rückt der Bindearm etwas von der Peripherie weg, welche er bis dahin dorsal von der lateralen Schleife eingenommen hatte, und man sieht einen Faserzug aus der Schleife in das velum laufen. Ob es sich dabei um eine Commissur oder Kreuzung der Schleifenfasern im velum handelt, kann ich nicht sagen, auch nicht, ob hier in der That ein Herübertreten von Fasern aus dem Kleinhirn statt- findet. Meynert betrachtet die hier vielleicht stattfindende Ver- bindung der Schleife mit dem Kleinhirn entschieden als zu be- trächtlich!). Dabei bleibt die laterale Schleife in ihren Herd eingebettet, der fortwährend eine mässig grosse Anzahl der schon charakteri- sirten Nervenzellen zeigt. Bedeckt wird die laterale Schleife von grauer Substanz, welche die Peripherie bildet. Höher oben tritt in dieser grauen Substanz eine Lage weisser feiner Fasern auf, doch so, dass die äusserste Schicht grau bleibt. Mit dieser äussern weissen Faserlage sieht man alsbald die von der medialen Schleife sich lateral erstreckenden Fasern in Verbindung treten, wo- bei nicht völlig zu eruiren war, ob sie als eine Ausstrahlung der medialen Schleife aufzufassen ist oder als eine in der grauen Decklage neu entstehende Schicht, mit welcher die mediale Schleife erst in Verbindung tritt. Beim Aufsteigen vereinigen sich die drei Faserlagen, die innere rundliche und äussere platte der late- ralen Schleife, sowie die eben erwähnte noch weiter nach aussen liegende weisse Schicht. Die innere rundliche Parthie bleibt indessen stets als compaeter Querschnitt einigermassen zu unterscheiden. Wir meinen diesen Theil des uns beschäftigenden Faserzuges, wenn wir weiterhin von der lateralen Schleife sprechen. Trotz des continuirlichen Zusammenhanges der medialen und lateralen Schleife ist ein Unterschied im Aussehen fortwährend zu constatiren, der sich erhält bis in die höchsten Ebenen, in welchen unser Faserzug überhaupt noch constatirt werden kann. Stets zeigt die mediale Schleife ihr durch den Markreichthum ihrer Fasern lichtes Aussehen, während die laterale markärmere besitzt und dadurch einen dunkleren Querschnitt zeigt. Indem die seit- 1) S. gesch. Uebers. 386 C. F.W. Roller: liche Parthie der medialen Schleife zur lateralen hinüberstrahlt, nehmen ihre Fasern unmerklich den markärmeren Charakter an. Auch zeigt sich die mediale Schleife fortwährend von Neuroglia- bälkchen in bald stärkerer, bald geringerer Entwickelung, bald mehr in ihrer dorsalen, bald ventralen Parthie durchzogen, die in der lateralen in weit geringerem Maasse vorhanden sind. Wo der Faserzug aus dem vel. med. ant. aufhört, in den Ebenen der Trochleariskreuzung, tritt am dorsalen Ende der lateralen Schleife ein Herd mit ziemlich vielen, grossen Ganglien- zellen auf. Hier am dorsalen Ende der lateralen Schleife breitet sich, indem der Bindearm medial zieht, graue Substanz aus und seht nach oben bald in das Ganglion des unteren Zweihügels über. Ehe wir hier weiter gehen, bleibt uns die Verbindung der Schleife mit dem Bindearm zu schildern. Vom medialen Ende der medialen Schleife reichen in voller Continuität Querschnitte in die Fasern der hier in Kreuzung be- sriftenen Bindearme hinein und aus den Bindearmen sieht man Fasern in die Schleife hineinlaufen (Fig.9). Man kann die Quer- schnitte der Schleife bis zwischen die Faserzüge des Bindearmes hinein verfolgen und kann sie zwischen denselben ziemlich weithin er- kennen. Wir wollen bei dieser Gelegenheit hervorheben, dass zwi- schen den transversalen Zügen des Bindearmes, die sich zur Kreuzung begeben, fortwährend zahlreiche Querschnitte erscheinen. Forels'). Bemerkung, es sei ihm nicht möglich zu entscheiden, inwiefern die Längsfasern der form. ret. vom Bindearm mehr nach allen Seiten verschoben oder mehr durchflochten werden, erledigt sich, wie uns scheint, für den grössten Theil derselben im Sinne der zweiten Hälfte der Alternative. Es handelt sich aber hier sicher auch um Fasern, welche von oben herab kommend dem Bindearm selbst angehören. Man bekommt auf manchen Schnitten den evidenten Eindruck, dass Bindearmzüge in die Querschnitte der Schleifenfasern übergehen. Auch sind es von Seiten der Schleife nieht nur Querschnitte, son- dern auch transversale Züge, in welche ihre Fasern übergehen und welche sich nach dem Bindearm hin erstrecken. Der Zusammenhang zwischen Bindearm und Schleife wird mit dem Weitergehen im Marke stets inniger. Wo die Bindearme 1) l.c. 8. 424. Die Schleife. 287 die Mittellinie passirt baben und je auf die andere Seite überge- gangen sind, selbst also wieder das Bild von Querschnitt-Arealen darbieten, sieht man eben diese Verbindung der zwei Faserzüge auf das Evidenteste. Deutlich sieht man ferner Fasern des Bindearms die Medianlinie überschreiten und in die eontralaterale Schleife übergehen. Danach würde sich freilich der Bindearm nieht in der Totalität kreuzen (oder es würde wenigstens ein Theil der von oben kommenden Kreu- zungsfasern nicht in den jenseitigen Bindearm sondern in die jen- seitige Schleife übergehen). Wir haben übrigens schon oben auf Fasern des Bindearmes hingewiesen, welche sich in der formatio retieularis zu verlieren scheinen. Und andere Befunde sprechen gleichfalls hierfür. In Ebenen, in welchen man die ventralen Bün- del bis zur Rhaphe verfolgen kann, sieht man noch weit von diesen dorsal gelegene gleichfalls medial ziehen, aber (wie die früher er- wähnten) sich in der formatio retieularis verlieren. Es handelt sich hier nicht um »die auf die Kreuzungsbündel dorsal unmittelbar folgenden sondern um solche, die von diesen durch einen nicht unbeträchtlichen Zwischenraum getrennt sind. Indem die mediale Schleife seitlich rückt, liegt an der Stelle, an welcher die Verbindung mit dem Bindearme stattfindet, ein Herd pigmentirter Zellen. Diese treten etwa gleichzeitig mit dem Erscheinen der substantia nigra auf, in welche die ventral der Schleife gelegene graue Substanz übergeht. Ausser in die Schleife treten aus dem jenseitigen Bindearm stammende Fasern in jenen Herd ein. Forel hat, wie es scheint, die den Bindearm und die Schleife verbindenden Fasern gleichfalls gesehen, wenn er sie auch nicht als solche aufgefasst hat. Wenigstens scheinen mir manche seiner „Bogenfasern der Haube“, besonders die am Schlusse des diese behandelnden Abschnittes!) erwähnten so zu verstehen. Sagittalschnitte zeigen ebenso die Verbindung zwischen Schleife und Bindearm. In der Ponshöhe, in welcher die mediale Schleife lateral rückt, sieht man aus ihr nach oben zum Querschnitt des Bindearmes ziehende Fasern; sie sind fein, und lassen sich schwie- rig verfolgen; namentlich aber kann man hier ein sich aus der medialen Schleife nach oben sammelndes Bündel am ventralen 1) 1.c. 8.445. 288 C. F.W. Roller: Rande des Bindearmes, und mit diesem durch ein Netzwerk von Fasern in Verbindung stehend, aufsteigen sehen; von dem in den pes pedune. übergehenden Schleifenbündel ist dasselbe durch graue Substanz getrennt (Fig. 23). Auf diesen Sagittalschnitten verliert sich der Querschnitt der Kreuzungsstelle des Bindearmes nach unten in ein Flechtwerk, welches der Gegend angehört, in welcher die mediale Schleife sich lateral wendet. Mit den angegebenen Thatsachen sind die Verbindungen zwi- schen Schleife und Bindearm noch nicht erschöpft. Haben wir oben schon gesehen, dass der innere Theil der lateralen Schleife bei seinem Auftreten in einer so innigen Verbindung mit der ven- tralen Spitze des Bindearmes sich befindet, dass eine Trennung kaum durchführbar ist (s. o. S.279), so können wir an sehr vielen Stellen beim Aufsteigen im Marke zwischen Bindearm und lateraler Schleife eine solche Ausbreitung von Faserdurchschnitten wahrnehmen, dass auch hier ein Zusammenhang wahrscheinlich wird. Immerhin führen hier Querschnitte zu keiner Entscheidung. Frontalschnitte aber zeigen wenig unterhalb des unteren Zweihügels, dass Fasern des Bindearmes der lateralen Schleife sich zugesellen. Die dargestellten Momente ergeben, dass der Bindearm einen Theil der Verbindungen der Schleife sowohl mit dem Grosshirn, als mit dem Kleinhirn herstellt. Ein Hervorgehen von Fasern der lateralen Schleife aus dem Kleinhirn da, wo diese zuerst in der seitlichen Verlängerung der medialen (und in der ventralen des Bindearmes) erscheint, wird auch durch Längsschnitte sehr wahr- scheinlich. Verlauf der Schleife innerhalb der Vierhügel. — Verbindung mit dem Optiecus. Beim Auftreten des Ganglion des unteren Zweihügels zer- klüftet sich die laterale Schleife etwas, indem die spärliche graue Substanz, die schon tiefer in ihrem Querschnitt zu erkennen war, sich um ein Weniges vermehrt. Sie breitet sich etwas medial aus und entsendet Fasern, die gegen die Mittellinie ziehen, andere late- ral, die in den Arm des unteren Zweihügels übergehen. Die nach der Mittellinie ziehenden haben wir so wenig wie Forel!) diese 1) l.c. 8. 452. Die Schleife 289 erreichen und zur Kreuzung oder Commissur gelangen sehen, in höheren Ebenen seheinen manchmal Fasern der hinteren Commissur bis zu den Querschnitten der lateralen Schleife zu reichen. Sowie sich das Ganglion des unteren Zweihügels ausbildet, umfassen Fasern der lateralen Schleife, medial und dorsal ziehend, dasselbe als partielle Kapsel. In diesen Ebenen ist ein Herd vieler sehr grosser, meist rundlicher Zellen zwischen Bindearm und lateraler Schleife zu constatiren. Mit der Entwickelung des Ganglions mindert sich der Um- fang der lateralen Schleife, ventral vom Ganglion wuchert graue Substanz zwischen ihre Querschnitte, die Verbindung mit der Kapsel und mit der medialen Schleife wird undeutlicher und beim Auf- steigen auf eine gewisse Strecke so diffus, dass hier die direete Continuität zwischen der medialen und lateralen Schleife nicht eonstatirt werden kann. Auf anderem Wege aber wird auch in diesen Ebenen die Continuität hergestellt. Das äussere Blatt der lateralen Schleife und die mit ihr verschmolzene weisse Faserlage (s. o. S. 285) eine Schicht bildend und mit der medialen Schleife unmittelbar zusammen- hängend, beginnt in den Arm des unteren Zweihügels überzugehen. In diesen aber treten auch Fasern aus dem medial gelegenen Theile der lateralen Schleife (Fig. 9 Ad b.e.) und aus dem Gan- glion ein. Auf Frontalschnitten lassen sich die Fasern der hinteren Commissur, indem sie lateral herabbiegen, in reichlicher Zahl bis zum Ganglion des unteren Zweihügels verfolgen und an dessen vorderem (hirnwärts gelegenen) Rande weiter bis in den Arm des unteren Zweihügels. Man sieht auf solchen Schnitten den grösse- ren Theil der Fasern theils in das Ganglion einstrahlen, theils sich schon medial von diesem in grauer Substanz verlieren, die dor- salsten aber nehmen ihren Weg in das Brachium. Wir haben im Bereiche etwa der Mitte des unteren Zweihügels auf dem Querschnitt folgendes Bild vor uns (wobei wir nur die auf den vorliegenden Gegenstand irgendwie bezüglichen Verhält- nisse berücksichtigen). Das Ganglion des unteren Zweihügels ist stark entwickelt und zeigt ein den „gelatinösen“ Parthien der grauen Substanz ähnliches Aussehen, enthaltend zahlreiche mittelgrosse und kleine, rundliche und sternförmige wohl ausgebildete Nervenzellen. Seine 390 C. F.W. Roller: ventrale Seite entlang zieht sich die mit der lateralen Schleife zusammenhängende Kapsel, wendet sich an seiner medialen Seite dorsal, kann aber nicht bis zur Mittellinie verfolgt werden. Die laterale Schleife besteht aus einem schon sehr redueirten Convolut von Querschnitten und steht lateral mit dem Brachium durch spär- liche Fasern in Verbindung, während aus dem Ganglion zahlreiche zu demselben treten. Am Rande erstreckt sich ein Faserkranz, weleher dorsal in das Brachium, ventral in die mediale Schleife übergeht. Deren inneres Ende ist von der Mittellinie ein ziem- liches Stück entfernt, mit dem Bindearm durch Querschnitte in direeter Continuität. Der Bindearm befindet sich in voller Kreuzung. Das ganze beträchtliche Areal dorsal der medialen Schleife ist im Uebrigen völlig von grauer Substanz eingenommen, in welcher Faserquerschnitte sehr spärlich zu entdecken sind. Was von aus- gesprochener format. retiec. vorhanden ist, befindet sich zwischen den Bindearmfasern und auf dem schmalen Raume zwischen Binde- arm, hinterem Längsbündel und corona quinti). Beim Aufsteigen rückt die laterale Schleife etwas seitlich und nimmt wieder etwas an Umfang zu, die mediale aber wendet sich in ihrem lateralen Theile in breiter werdendem Zuge mehr und mehr dorsal, wobei ihre Fasern im Allgemeinen die Richtung dorsal und etwas nach aussen annehmen. Noch im Bereiche des unteren Zweihügels findet aufs Neue eine und hier sehr ausgiebige Vereini- sung der beiden die Schleife hauptsächlich bildenden Theile Statt. Sie bietet von da an bezüglich des gegenseitigen Verhaltens ihrer Componenten einfache Verhältnisse, man würde hier nicht auf den Gedanken kommen, sie in Theile zu zerlegen, nur zeigen ihre dorsalsten Querschnitte, welche in tieferen Ebenen der lateralen Schleife entsprachen, stets ein compacteres, dunkleres Aussehen als die übrige Schleife. Der Einfachheit wegen wollen wir auch von hier an bei der Darstellung die Trennung in mediale und laterale beibehalten. Das Zweihügelganglion schwindet nun rasch, zuerst in seinem lateralen Theile. Von Anfang befand sich zwischen lateraler Schleife und brachium conjunetivum posterius graue Substanz, durch welche die 1) So nennen wir den Kranz, welchen die Querschnitte der absteigenden @Quintuswurzel bilden. Die Schleife. 391 Verbindungsfasern hindurchzogen (Fig. 9, Ad b. e.). Diese graue Substanz nimmt nun zu und trennt die laterale Schleife (d. h. das dieser entsprechende Faser-Convolut) vom Brachium, während der Zusammenhang mit der medialen Schleife in ausgiebiger Weise vorhanden ist. Hier, wo die mediale Schleife mehr von der Mittellinie weg- rückt, ist die Ausstrahlung von Bindearmfasern nach ihr sehr deutlich. Es scheint sich auch hier um Fasern von der andern Seite zu handeln, welche theils diesen Verlauf nehmen theils in den hier gelegenen Herd pigmentirter Zellen (s. o.) eintreten. Schon tiefer, besonders aber in den Ebenen, in welchen wir uns befinden, sieht man in den lateralen Theil der substantia nigra in tieferen Ebenen in die hier gelegene (nicht pigmentirte Zellen enthaltende) graue Substanz Querschnitte hineinwuchern, deren Zusammenhang mit der Schleife sehr wahrscheinlich ist. Dass es sich um Bündel handelt, die in den Hirnschenkel übergehen, ist gleichfalls sehr wahrscheinlich. Der Verlauf ist, wie die Quer- schnitte ergeben, jedenfalls ein sehr gebogener, so dass ein grös- serer Theil des Verlaufes auf Längsschnitten nur in besonders günstigen Fällen überblickt werden könnte. Diese Bündel finden sich lateral vom pedunculus substantiae nigrae Mey.nert. Genaue Prüfung ergibt, dass das brach. conj. post. seinem Haupttheile nach aus dem Ganglion des unteren Zweihügels und aus der medialen Schleife stammt. Der Zusammenhang mit der lateralen ist vollkommen deutlich, aber entschieden weniger aus- giebig. Es zeigt sich dies besonders in den Ebenen, wo das brach. conj. stark entwickelt, die laterale Schleife aber schon redueirt ist. Wo der untere in den oberen Zweihügel übergeht, rückt der innere Theil der medialen Schleife dorsal und schiebt sich den lateralen Rand des Bindearmes entlang. Dessen Kreuzung ist im Beginn des oberen Zweihügels in soweit vollendet, dass er als runder Querschnitt erscheint, Fasern aber, die zwischen beiden Bindearmen die Rhaphe nach allen Richtungen durehkreuzen, bleiben auch weiterhin vorhanden. Indem die mediale Schleife in ihrer ganzen inneren Parthie dorsal ausstrahlt, geschieht dies auch von Seiten der lateralen Fasern des Bindearmes derart, dass hier eine bestimmte Grenze zwischen Schleife und Bindearm nicht zu ziehen ist. Dabei sieht man von dem ventralen Theile des Bindearm- querschnittes starke Züge in die Schleife einstrahlen. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 19. 20 999 C. F. W. Roller: Die Schleife stellt im unteren Theile des vorderen Zwei- hügels eine Faserschieht dar, welche vom lateralen Rande des Bindearm-Quersehnittes sich lateral erstreckt bis in die Nähe der Peripherie, hier sich biegt und sich im Bogen dorsal wendet. Im Bereiche der Biegung und dorsal derselben gehen ihre Fasern fortwährend in das brach. conj. post. über (Fig. 10). In dem frontal gestellten Theile überwiegen die dorsal ziehenden Fasern, im sagittal gestellten die vertical durchschnittenen, am Ausge- sprochensten im dorsalsten Theile (der lateralen Schleife ent- sprechend). So präsentirt sich die Schleife als eine einheitliche gebogene Faserplatte, auch noch, wo sich im Querschnitt des Bindearmes der rothe Kern entwickelt. Die Trennung der medialen Schleife von der lateralen in dieser Ebene „am unteren Ende des rothen Kerns“ wie Forel!) angibt, können wir nicht bestätigen (Fig. 10). Die medialsten Fasern der Schleife halten hier wie schon in tieferen Ebenen grossentheils eine dorsale, zugleich etwas laterale Richtung ein, dazwischen aber finden sich zahlreiche vertical und schräg durchschnittene, und diese sind es, welche continuirlich in den lateralen Theil übergehen, ja, es gibt eine ganze Reihe solcher, die die transversale Richtung aus der medialen nach der lateralen Parthie einhalten. Die Schleife ist im Ganzen schon im Bereiche des unteren Zwei- hügels redueirt worden, und wird es in dem des oberen noch mehr. Ihre Fasern werden in diesen Ebenen beträchtlich feiner, rücken etwas weiter auseinander, es schiebt sich mehr graue Substanz dazwischen, die Continuität des Faserzuges aber bleibt erhalten, er zeigt als Ganzes fortwährend das Bild einer gebogenen Platte. An der Stelle, an welcher nach Forel die Trennung erfolgt, ist zwischen die Querschnitte der Schleife nicht mehr graue Substanz eingeschoben als an anderen. An Umfang abnehmend erreicht die Schleife die Ebenen, in welchen seitlich das dem oberen Zweihügel zugehörige Optieus- bündel hereintritt. Die Beziehung des Opticus zum oberen Zwei- hügel ist schon lange erkannt. Sie ist schon von Gall?) und 1) S. gesch. Uebers. 2) Gall et Spurzheim, Anatomie et physiol. du syst&me nerveux u. s. w. Paris 1810. S. 112. Die Schleife. 293 ausserdem, wie wir bei Longet!) lesen, von einer grossen Zahl von Anatomen jener und früherer Zeit wahrgenommen und von Longet bestätigt worden. Gratiolet?) erwähnt gleichfalls die Beziehung des Optiecus zum vorderen Zweihügel, ja er nennt diese Wurzel des Opticus ®) die hauptsächliche und constanteste desselben. v. Gudden sah nach Exstirpation des einen Bul- bus beim Kaninchen den jenseitigen vorderen Zweihügel redu- eirt‘). Forel wies gegen Meynert?) nach, dass ein besonderer Arm des oberen Zweihügels nicht existire, sondern dass dieser eben Optieuswurzel sei, und bezeichnete das oberflächliche Mark des oberen Zweihügels als Einstrahlung des Optieus®). Dies hatte Stieda?’) beim Kaninchen gleichfalls erkannt. Auch Huguenin nimmt die Verbindung des Optieus mit dem vorderen Zweihügel wahr und meint, wenn der vordere Vierhügelarm nur Optieusfasern führte, so wäre die Bezeichnung „direete Optieuswurzel zum Vier- hügel“ am Platze®). J. Stilling hat neuerdings gleichfalls diese Verbindung bestätigt?). Der dem Opticus zugehörige Faserstrang gelangt, das corpus geniculatum mediale umziehend, an dessen dorsaler Seite zum vordern Zweihügel, in welchen er ausstrahlt (Fig. 11, 12). Hier befinden sich seine Fasern (auf den genannten Figuren bei II) dorsal von dem Convolut von Faserquerschnitten, die wir als dor- salsten Theil der Schleife (ehemalige laterale Schleife ibidem) bis hierher verfolgt haben, von dem genannten Convolut durch eine reichliche Lage grauer Substanz getrennt (Fig. 11, 12). 1) Anatomie et physiologie du syst&me nerveux de l’homme et des animaux vertebres. Paris 1842. S. 50. 2)71..029..100. 3) l. ce. 8.159: la principale racine du nerf optique je veux dire la plus constante. 4) Experimentaluntersuchungen über das peripherische und centrale Nervensystem. Westphal, Archiv II. 5) Stricker, S. 744 ff. 6) Theils in „Beiträge zur Kenntniss des Thal. opt.“ u.s. w. Wiener Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wissensch. LXVI, 3. Abth. besonders Fig. 1, theils in den „Unters. über die Haubenregion“ u.s.w. Westphal, Archiv VI, S. 460. 7) Studien über d. centrale Nervensystem d. Wirbelthiere. 1870. 8.82. 8) Ueber einige Puncte der Hirnanatomie. Westphal, Archiv V. 9) Ueber die centralen Endigungen des N. opticus. Dieses Archiv XVII, S. 475 f£. 294 C. F.W. Roller: Soweit wir nun fernerhin noch im Stande sind die Quer- schnitte der Schleife zu erkennen, und es ist dies von der Opticus- einstrahlung an noch eine ganze Strecke weit, lässt sich eine direete Verbindung dieser Fasern mit der Schleife nicht eonsta- tiren, es bleibt immer eine beträchtliche Menge grauer Substanz dazwischen. Mit Forel können wir kein dem Ganglion des unteren Zweihügels entsprechendes im oberen unterscheiden. Man kann dies namentlich auf Frontalschnitten constatiren, welche die graue Masse des unteren und des oberen Zweihügels in zwei Etagen übereinanderliegend zeigen. Im unteren hebt sich deutlich das eircumsecripte zellenreiche, etwas gelatinös aussehende und dunkler als die übrige graue Substanz gefärbte Ganglion ab, durch die aus der Schleife stammende Kapsel theilweise abgegrenzt. Im oberen findet sich kein analoges Gebilde. Zellen kommen reich- lich vor, aber in zerstreuter Weise. Dagegen ist hier eine Verbindung zwischen Opticus und Schleife auf andere Weise zu constatiren. Aus dem das corp. gen. med. umziehenden dem Opticus ange- hörige Faserstrang sieht man Bündel abbiegen und das genannte Ganglion durchziehen (Fig. 11. f. opt.). Auf den nächstfolgenden Quer- schnitten treten weitere Bündel immer näher dem Zweihügel auf und endlich sieht man die Bündel sich mit den Querschnitten des lateralsten Theiles der Schleife in einer Weise mischen, dass nicht mehr angegeben werden kann, welchem von beiden Faserzügen die Fasern angehören, die bald mehr vertical, bald mehr schräg durch- schnitten erscheinen (Fig. 12). Die Faserzüge, um die es sich hier handelt, erscheinen allerdings nieht auf einem Schnitt in Zusam- menhang vom Opticus bis zur Schleife, über ihre Einheitlichkeit kann aber doch nicht wohl ein Zweifel sein. Sie haben so frap- pant stets dasselbe Aussehen, zeigen namentlich auf einer Reihe von Schnitten eine auffallende hellgrüne Färbung, haben also we- niger sich mit Carmin tingirt und sind dadurch leichter unter- scheidbar geblieben. Auch zeigen sie trotz grosser Feinheit der einzelnen Fasern ein relativ compactes Aussehen, und ziehen in kleine Bündel zusammengeordnet in das Querschnittfeld der Schleife, in welchem sie sich verlieren. Vom unteren Zweihügelarm sind sie leicht zu unterscheiden, sie liegen dorsal von diesem, und auf Querschnitten, die annähernd vollständig transversal gelegt sind, Die Schleife. 295 halten sie eine frontale oder etwas lateral dorsale Richtung ein, das Brachium eine lateral ventrale. Die Frage, ob durch das geschilderte Verhältniss eine in der Bahn der Schleife verlaufende Optieuswurzel gegeben sei, kann ich natürlich nieht mit absoluter Sicherheit beantworten. Wenn ich aber Bündel, die dem Optieus entstammen, in den Querschnitt der Schleife sich begeben und jenseits desselben nicht weiter zie- hen sehe (auch auf den nach oben und unten folgenden Schnitten nicht), dann ist jedenfalls die Wahrscheinlichkeit eine sehr grosse. Ueber die Beziebung des Optieus zum corp. gen. med. streiten die Autoren. Der Verlauf des Optiens nach demselben . ist leicht zu sehen, es handelt sich aber darum, ob das corp. gen. med. als ein Optieuskern zu betrachten sei oder nicht. Henle lässt!) den tr. opt. sich in zwei platte Stränge sondern, welche in die beiden eorpora geniculata eintreten. Nach Forel?) geht wohl die anschei- nend mächtige untere Optieuswurzel grossentheils dorsalwärts über das ec. gen. int. hinweg zum Wulst des Armes vom oberen Zwei- hügel. Meynert geht weiter. Nach ihm wird „eine untere Ver- bindung (des traetus opticus) mit dem Vierhügel durch den inneren Kniehöcker dadurch vermittelt, dass er in Continuität aus dem tract. opt. verfolgbare Bündel dem Arme des unteren Zweihügels und somit diesem Ganglion selbst zuführen lässt?),* Huguenin stimmt bei‘). Auch J. Stilling gibt?) eine entsprechende Dar- stellung. Forel°) bekämpft eine direete Beziehung des Optiecus zum eorp. gen. med. und zum unteren Zweihügel. Die Optieusbündel, welche ich zur Schleife gelangen sah, durchsetzen das corp. gen. med. nur, würden also den experimen- tellen Resultaten von Guddens’) nicht widersprechen, welcher nach Exstirpation des Bulbus das gegenüberliegende corp. gen. Ujalzie.. 32282: 2) Haubenregion. Westphal, Arch. VII, S. 261. 3) Stricker, 8. 742. 4) Beiträge zur Anatomie des Hirns.. Westphal, Archiv V, 8. 341 ff. In der „Anatom. Einl. zu seiner Allg. Pathol. der Krankh. d. Nervensyst.“ Zürich 1873, 5.136, hatte er sich gegen diese Ansicht noch skeptisch verhalten. 5) Dies Archiv XVII, S. 476. 6) Haubenregion, S. 454. 1). le 296 C. F.W. Roller: med. intact fand. Mit dem br. eonj. post. haben unsere Bündel nichts zu thun (vgl. die Darstellung und die Fig. 11 und 12). Eine Verbindung des Opticus beziehungsweise des Kernes desselben im oberen Zweihügel mit dem Rückenmark wird schon lange gesucht. Auf das Zusammentreffen des Opticus und der Schleife in den Vierhügeln macht Meynert an verschidenen Stellen aufmerk- sam, besonders in den „Studien über die Bedeutung des zwei- fachen Rückenmarksursprungs aus dem Grosshirn“ !). Hier sagt er, „es gehe ein wesentlicher Antheil des Vorder-Seitenstranges, der motorischen Rückenmarksbahnen, aus den Massen des Sehhügels und Vierhügels hervor. Aus denselben Massen entspringen aber zugleich Antheile einer centripetalen zu einer Sinnesoberfläche gelangenden Bahn, des traetus optiecus.“ Er fügt bei, „die Ur- sprungsstellen des tractus optieus im Vierhügel und Sehhügel seien keine gegen die Ursprungsstelle der Rückenmarkstränge abgeschlossene graue Substanz, sondern beide Ursprungsgebiete fliessen zusammen.“ Huguenin?) bemerkt gleichfalls, dass die Fasern des (von ihm als motorisch bezeichneten) „oberflächlichen Schleifenblattes“ aus einem Opticuscentrum kommen. W. Krause‘), weist darauf hin, dass die mediale Wurzel des Traetus optieus sich durch das corp. gen. med. resp. die corona radiata mit der Rinde des Hinterhauptlappens und ausserdem mit der grauen Substanz des Collieulus anterior der Eminentia quadri- gemina verbinde, und dass von der grauen Substanz des vorderen Zweihügels Bahnen (einerseits durch das br. conj. ant. in den Stabkranz) andererseits durch das oberflächliche Schleifenblatt zum Vorder-Seitenstrange des Rückenmarkes führen. Kussmaul‘) sagt: „Man kann nicht bezweifeln, dass die Kernmassen der Tractus optiei in den Vierhügeln und Sehhügeln weiterhin einerseits durch die Stabkranzfaserung mit der oceipi- talen Rinde, andererseits durch Haube und Schleife mit dem 1) Wiener Sitzungsberichte der K. Akad. der Wissensch. LX. Band, 3. Heft. 2) Anat. Einleit. S. 147. 3). 1. c. S. 455. 4) Störungen der Sprache, 1877, S. 101. Die Schleife. 297 Rückenmark zusammenhängen, doch sind die Bahnen im Einzel- nen nur wenig verfolgt.“ Was die Beziehung der Schleife zum Optieus betrifft, so ist denn doch darauf Gewicht zu legen, dass Meynert!) die Schleife des Maulwurfs weitaus am Schmalsten fand. Die Art der Verbindung, welche wir dargestellt haben, war bisher unbekannt. Sie würde eine direete sein. Jedenfalls wird es sich empfehlen in Fällen von Tabes und anderen spinalen und bulbären Degenerationen mit Sehstörungen die Schleife zu unter- suchen. J. Stilling hat durch Zerfaserung eine andere absteigende Optieuswurzel?) und neuerdings eine weitere 3) gefunden, welch’ letztere aus einer grossen Anzahl von Faserzügen bestehe, die sich an die Innenfläche des corpus geniculatum mediale schlagen, ohne jedoch in die graue Substanz dieses Ganglions einzutreten, unter das brach. conj. post. laufen und direet in die Schleife übergehen, zwischen deren Zügen Stilling die Sehnervenfasern bis zur un- teren Olive verfolgte. Die Schleife im weiteren Verlaufe. Beim Aufsteigen im Gebiete des oberen Zweihügels wird die Schleife, wie wir schon erwähnten, immer mehr redueirt, ihre Continuität aber bleibt erhalten, nur dass die Querschnitte durch die dazwischen geschobene graue Substanz im Allgemeinen mehr auseinander rücken. Der mediale Theil rückt immer weiter dorsal an der latera- len Grenze des rothen Kernes hin, abgesehen von dem ventralsten Theile, bezüglich dessen wir der Darstellung Forels*) (Verlauf zum corp. mamm. von Gudden) nichts hinzuzufügen haben. Die ganze Wanderung der Schleife vom Pons herauf, von der ventralen Seite des Bindearms bis gegen den dorsalen Rand des rothen Kernes ist auf Querschnitten makroskopisch sehr schön zu verfol- gen. Einen Uebergang der Schleife in den oberen Zweihügel 1) Studien u. s. w. Ztschr. f. wissensch. Zool. XVII. S. 668. 2) 1x: 3) Ueber einige neue Opticusverbindungen. Centralblatt für praktische Augenheilkunde. Von Hirschberg. December 1880. 4) Haubenregion, S. 432. 298 C. F,W. Roller: konnte Forel nicht constatiren; er erklärt „die Verhältnisse der Schleifensehieht zum oberen Zweihügel für unsicher und jedenfalls unbedeutend.“ Die Beziehung der Schleife zu dem genannten Gebilde festzustellen ist schon dadurch erschwert, weil in dem- selben nicht wie in dem unteren ein umschriebenes Ganglion exi- stirt und desshalb die Grenze gegen die Haube unbestimmt bleibt. Nach dem Schwinden des Ganglion des unteren ist die dorsalste Parthie der Schleife etwas ventral gerückt, indessen reicht sie in den unteren Schichten des oberen Zweihügels immerhin noch an das Gebiet heran, welches topographisch dem Ganglion des unte- ren entspricht, und man kann von dem deutlichen Convolut ihrer Querschnitte solche in mehr diffuser Weise sich weiter dorsal aus- breitend erkennen, so dass hier ein Uebergang in die graue Sub- stanz des oberen Zweihügels möglich ist. Nach oben allerdings rücken die Querschnitte, indem sie zugleich an Zahl abnehmen, mehr ventral. Ferner haben wir gesehen, dass der mediale Theil der Schleife im Ganzen mehr und mehr dorsal rückt, ein Theil der Fasern hält dabei eine ausgesprochen dorsale Richtung ein, und in den oberen Ebenen des oberen Zweihügels zweigen sich eine gewisse Zahl Fasern aus dem die Schleife bildenden Areal ab und ziehen gegen die dorsale graue Masse. Einen Eintritt in dieselbe, wenn er hierdurch auch wahrscheinlich wird, konnte ich nicht evident erkennen. Die Reduction der Schleife im Bereiche des oberen Zweihügels, obgleich erwähnenswerth, lässt sieh nicht mit Sicherheit verwerthen, weil auch die theils unzweifelhaften theils höchst wahrscheinlichen Faserverbindungen mit brachium ‚eonjunetivum, ÖOpticus und die gleich zu erwähnende mit dem Thalamus in Betracht kommen. Eine wesentliche Veränderung tritt ein mit dem Erscheinen des Bündels BATh Forel. Dieses ist etwa in der Gegend der vorderen Grenze des vorderen Zweihügels zu constatiren!). Der rothe Kern zieht sich hier besonders in seiner dorsalen Parthie etwas seitlich aus. Aus ihm treten Bündel und durchziehen die 1) Für Bestimmung der Höhenverhältnisse ist wichtig, in welcher Rich- tung die Querschnitte gelegt sind, ob senkrecht zur Rückenmarksaxe oder zur Axe der Hirnschenkel. Wir gehen von der erstgenannten bei der Dar- stellung aus. Für die Grenzbestimmungen aber ist eine Vergleichung mit der zweiten unerlässlich. Dass auch in verschiedenen Richtungen gelegte Längs- schnitte herangezogen werden müssen, versteht sich von selbst. Die Schleife. 299 anliegende Schleife in lateraler Richtung. Deren Fasern aber nehmen gleichfalls dieselbe Richtung, wenn auch einzelne quer durchsehnittene dazwischen erkennbar bleiben. Der dorsale Theil der Schleife (frühere laterale), welcher vom Bündel BA Th nicht durchzogen wird, schlägt schon früher eine sehr ausgesprochen laterale Richtung ein (Fig. 13). Dass es Schleifenfasern sind, welche mit dem Bündel BA Th seitlich ziehen, ergibt sich aus dem Umstande, dass die einzelnen Fa- serzüge sich durchaus nicht alle in den rothen Kern verfolgen lassen. Forel (vgl. gesch. Uebers. und 5.291) lässt einen Theil der Schleife an das Bündel BA Th angeschmiest, ihm ziemlich parallel verlaufen, sah aber keinen Uebergang in den Thalamus. Nachdem das genannte Bündel geschwunden, erscheint an der Stelle, an welcher die Schleife gelegen hatte ein Faserfeld, welches möglicher Weise der Schleife angehörige Fasern enthält. Es ist aber hier Geschmacksache, ob man dies annehmen will, da hier die Haube von so zahlreichen Faserzügen durchzogen ist, dass die Entscheidung, welchem von diesen die einzelnen Querschnitte oder Schrägsehnitte angehören, unthunlich erscheint. Die Fasern aus Thalamus, hinterer Commissur, Ganglion Habenulae bringen hier zu viele Complicationen. Uebrigens sieht man auch noch eine ziemliche Strecke nach vorne vom Bündel BATh aus dem er- wähnten Faserfeld, welches wir vielleicht „Schleifenfeld“ nennen können, Fasern lateral ziehen. Es bleibt das Wahrscheinlichste, dass nach vorne vom obe- ren Zweihügel ein kleiner Theil der Schleifenfasern in der Haube weiter verläuft, der grössere nach dem Thalamus zieht. Die Unter- suchung, nach welchem Theile desselben sie sich begeben, lag nieht im Kreise der Aufgabe, die ich mir für dies Mal gesetzt. Resume und Deutung. Den Stamm der Schleife bildet das Grundbündel des Vorder- stranges. Ein Blick auf ein Bild wie Fig. 15, welche die volle Continuität zeigt, lässt daran keinen Zweifel. Der Vorderstrang des Rückenmarkes entfaltet sich nach oben in die Pyramide, die Schleife und das hintere Längsbündel. Es tritt uns somit die bedeutsame Thatsache entgegen, dass die Stämme der drei Faserzüge, welche, so viele Verbindungen sie 500 C. F.W. Roller: unterwegs eingehen mögen, allein es sind, die vom Rückenmark bis in’s Grosshirn reichen, durch Bündel des Vorderstranges ge- bildet werden. Fügen wir gleich bei, dass der Seitenstrang Antheile leistet zu Pyramide, Schleife, hinterem Längsbündel und eorpus restiforme, dass aber im Uebrigen allem Anscheine nach das Gebiet des Seiten- stranges in Oblongata, Pons und Vierhügeln von Fasern kurzen Ver- laufes eingenommen wird '). Die Hinterstränge treten ein in die Pyramide, ohne Zweifel gleichfalls in die Schleife und in das hintere Längsbündel, als fihra areiformes in die Olive, und zwar, wie es scheint, die gleich- namige und die gegenüberliegende; als corpus restiforme in’s Kleinhirn 2). End- und Ausgangspuncte findet ein Theil der Fasern der Schleife im nucleus centralis. Dieser scheidet die Schleife vom 1) Weitere Verbindungen des Seitenstranges s. o. 8. 269. — Es ist für unsere Auffassung wichtig, dass bisher, mit einer gleich zu erwähnenden Ausnahme, keine fortschreitonden Degenerationen innerhalb der Formatio reticularis der Oblongata constatirt sind. Flechsig macht (Systemerkran- kungen ]. c. XVIII, S. 329 Anm.), wohl mit Recht, die Bemerkung, es sei, ob überhaupt in der Grosshirnschenkelhaube von den Hemisphären aus secun- däre Degeneration eintreten könne, mit den neueren verbesserten Methoden noch nicht hinreichend untersucht worden. Indessen ist zu betonen, dass Türck, dessen Untersuchungen ihre Bedeutung wohl stets behalten werden, allerdings innerhalb der Formatio reticularis fortschreitende Degeneration einer bestimmten Bahn gefunden hat. Er sah in einigen Fällen Theile der Seitenstränge aufwärts degeneriren und verfolgte die Degeneration bis in’s corpus restiforme, ja in einem Falle bis zu dessen Insertion in’s kleine Ge- hirn. (Ueber secundäre Erkrankung einzelner Rückenmarkstränge und ihrer Fortsetzungen zum Gehirne. Wiener Akad. Sitzungsber. Math. naturw. l. Bd. XI, 5.109 £.). Es handelt sich hier also ausschliesslich um die directe Kleinhirn-Seitenstrang-Babn (Foville, Flechsig). Es ist klar, dass dieser positive Befund Türck’s hinsichtlich dieser einen Bahn seinen negativen in Betreff der übrigen im Seitenstranggebiet erhöhte Bedeutung leiht. Seine bezüglichen negativen Befunde aber dienen zur wesentlichen Unterstützung der von uns vertretenen Anschauung. — Auch Forel erklärt es (Hauben- region. Westphal, Archiv VII, S. 416) für sehr wahrscheinlich, dass wenig- stens eine grosse Zahl der Längsfasern der Formatio reticularis in der Haube selbst endigt. 2) Auch hier sind weitere Verbindungen vorhanden (aufsteigende Trige- minus-, Acusticuswurze]). Die Schleife. 301 hinteren Längsbündel und in seinem Gebiete findet die Ventral- wendung eines Theiles der Vorderstrang- und Seitenstrangfasern, die Medialwendung anderer Seitenstrangfasern, um in die Bildung der Schleife einzugehen, statt. Ferner in der unteren und oberen Olive. Durch diese wird der Uebertritt von Schleifenfasern in das Kleinhirn in der Bahn der Trapezoidbündel vermittelt. Ein Theil der medialen Schleife entsteht neu aus der an ihrer ventralen Seite gelegenen grauen Masse im Pons, dem medialen Schleifenherd. Die laterale Schleife entsteht durch Lateralwendung von Fasern der medialen Schleife, ferner aus dem lateralen Schleifenherd, in welchen auch Fasern treten, die von Trigeminus- und Acusticus- Centren kommen; und höchst wahrscheinlich aus dem Kleinhirn, indem die ventralsten Fasern des eben aus demselben tretenden Bindearmes der Schleife angehören dürften. Mit dem Bindearm steht die Schleife weiterhin in inniger Faserverbindung, so dass der Bindearm einen Theil der Verbin- dungen der Schleife mit kleinem und grossem Gehirn vermittelt. Das brachium conjunetivum (der Beisatz posterius kann füg- lich fallen gelassen werden, da ein anterius als solches nicht exi- stirt, Forel) wird zum grösseren Theile von der medialen Schleife, zum kleineren von der lateralen gebildet, die Fasern stammen ausser- dem aus dem Ganglion des unteren Zweihügels. Eine Kreuzung der Schleifen im Vierhügel ist nicht sicher zu constatiren. Im Bereiche des unteren und oberen Zweihügels nimmt die Schleife an Zahl der Fasern erheblich ab, diese werden hier zu- gleich feiner. In den oberen Schickten des oberen Zweihügels findet allem Anscheine nach eine directe Verbindung der Schleife mit, das corp. gen. med. durchziehenden Bündeln aus dem Tractus opticus, statt. Oberhalb des oberen Zweihügels wendet sich die Schleife lateral, thalamuswärts. Es ist daher anzunehmen, dass sie einen Theil der vom Thalamus in’s Rückenmark ziehenden Fasern ent- hält. Ein anderer scheint in der Haube weiter zu verlaufen. Dass wir in der Schleife dem Optieus, dem Trigeminus und dem Acusticus angehörige Bahnen vor uns haben, unterliegt wohl keinem Zweifel. Sicher enthält sie noch weitere. Ob wir ihr ausgedehntere sensorische Functionen zuerkennen dürfen, damit zurückgreifend 302 C. F. W. Roller: auf Meynert’s schon früher !) ausgesprochene Anschauung, ob wir soweit gehen dürfen zu sagen, die Schleife sei die vorwiegend sensorische?), die Pyramide die vorwiegend dem Willen dienende) und das hintere Längsbündel die vorwiegend refleetorische Bahn zwischen grossem Gehirn, verlängertem Mark und Rückenmark, wobei — jedenfalls für Pyramide und Schleife — das Kleinhirn irgendwie als „Nebenschliessung“ fungiren würde, — das sind Erwägungen, die sich mir aufdrängen, für die manche Gründe sprechen, die sich aber noch nicht mit Bestimmtheit aufstellen lassen, zumal hier, wenigstens hinsichtlich der Schleife und des 1) Studien u. s. w. Ztschr. f. wissensch. Zool. XVII. 2) Dies näher zu begründen und auszuführen, sowie zu erwägen, in- wieweit möglicherweise auch andersartige Bahnen in ihr anzunehmen seien, würde eine ausgedehnte Erörterung erfordern, die ich mir für einen anderen Ort verspare. Ich will hier nur Folgendes berühren. Indem das Vorderstrang- grundbündel den Stamm der medialen Schleife bildet, scheint, indem wir in dieser vorwiegend centripetale Leitung vermuthen, der Umstand widerspre- chend, mindestens zu berücksichtigen, dass aufsteigende Degeneration inner- halh des Vorderstranges bisher nicht gefunden ist. Indessen ist, so hoch ich die bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete stelle, auf demselben noch viel zu thun, und es ist namentlich zu erwägen, dass, falls aus den Hintersträngen Fasern in das Vorderstranggrundbündel eintreten, sie graue Substanz passiren müssen. Durch solche hindurch aber ist fortschreitende Degeneration über- haupt noch nicht verfolgt worden. 3) Den Verlauf auch sensibler Bahnen in den Pyramiden halten wir dessenungeachtet für unzweifelhaft. Die Sensibilitätsstörungen bei Pedun- culusaffectionen (vgl. Nothnagel, Topische Diagnostik der Gehirnkrank- heiten, Berlin 1879, 8.200), sowie die pathologischen und experimentellen Erfahrungen (Türck, Charcot, Veyssiere) bezüglich der Hemianästhesie bei Läsionen der inneren Kapsel kommen hier in Betracht. Flechsig er- klärt (Systemerkrankungen, 1. c. XVII, S. 328), dass die Faserzüge der in- neren Kapsel, deren Unterbrechung secundäre Degeneration der Pyramiden- bahnen setzt, nicht nur nicht getrennt beziehungsweise entfernt von den sensibeln Leitungen liegen, sondern denselben in der Hauptsache unmittel- bar benachbart sind. Es ist wohl denkbar, dass in dem betreffenden Ab- schnitt der inneren Kapsel sich auch Schleifenfasern vorfinden (durch das brachium conjuncetivum oder die Haube resp. die regio subthalamica von Forel dahin gelangt?) und durch deren Läsionen betroffen werden. Bei Hemianästhesie ist übrigens auch Erkrankung des Thalamus nicht selten no- tirt, ja wird von manchen Autoren als das Wesentliche betrachtet (Todd, Carpenter u.s.w. vgl. dagegen Lafforgue), so dass auch die Beziehung der Schleife zu diesem in solchen Fällen in’s Gewicht fallen könnte. Die Schleife. 303 hinteren Längsbündels nur durchaus ungenügende physiologische und pathologische Data vorliegen. Es scheint mir aber Aufgabe der Anatomie auf Wege der Deutung hinzuweisen. Figuren-Erklärung der Tafeln XI—XVI. Uebereinstimmende Bezeichnungen: V.G. = Vorderstransegrundbündel. Ol. = Olive (untere). H. L. = Hinteres Längsbündel. B.A. = Bindearm. S. = Schleife. F.r. = Format. retic. M.S. = Mediale Schleife. R. = Rhaphe. L.S. — Laterale Schleife. Querschnitte, senkrecht zur Rückenmarksachse gelegt. Fig. 1. Querschnitt des Halsmarkes unterhalb der Pyramidenkreuzung zur Demonstration der gegenseitigen Lage der Pyramidenbahn und der Schleifenbahn des Rückenmark -Vorderstranges. V.G. (Vorderstrang- grundbündel) enthält die Stammbündel der medialen Schleife und des hinteren Längsbündels. V.Pyr. Vorderstrang-Pyramidenbahn. C.a. Fasern der vorderen Commissur. Re Fasern des Vorderstranggrundbündels von anderem Cha- rakter als die Schleifenfasern (s. Text). Fig. 2. Querschnitt der m. obl. etwa in der Mitte der Längsausdehnung der unteren Olive. Die Figur zeigt die Grenzen des Vorderstranggrund- bündels, welches mediale Schleife und hinteres Längsbündel enthält. Pyr. Pyramide. Pyr.K. Pyramidenkern. XII K. Hypoglossuskern. XII W. Hypoglossuswurzeln. XK. Vaguskern. IX W. aufsteigende Glossopharyngeuswurzel. r. a. V. aufsteigende Trigeminuswurzel. n.f.c. Nucleus funie. cun. n.c.r. Nucleus corpor. restif. Die Trennung dieser beiden Herde tritt auf der Zeichnung ungenügend hervor. N.1.m. Nucleus lateralis medius. Fig. 3. Querschnitt der m. obl. XI K. Hypoglossuskern. XIIW. Hypoglossuswurzeln. Adn.c. Ausstrahlung grauer Substanz vom Hypoglossuskern nach der Stelle, an welcher in den nächst höheren Ebenen der nucleus centralis auftritt. 304 Fig. 4 Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9% C. F. W. Roller: Querschnitt des oberen Theiles der m. obl. Der nucleus centralis ist stark entwickelt und durch ihn die Trennung der medialen Schleife vom hinteren Längsbündel vollzogen. N.c. Nucleus centralis. Adn.c. s. d. vor. Figur. VIIK. Facialiskern. Querschnitt des unteren Theiles der Brücke. Die mediale Schleife ist in der Drehung aus der sagittalen Ebene des Markes in die frontale begriffen. C.t. Dem corpus trapezoides entsprechende Brückenarmbündel. 0.01. Obere Olive. N.c.t. (Nucleus corp. trapezoid.) Ventral der oberen Olive lie- gender Herd grösserer Zellen. 2. Zarte Fasern von N. c. t. und der oberen Olive zur me- dialen Schleife. Zu beachten sind auch Fasern ohne Bezeichnung, die zum Theil sehr fein sind, aus den Trapezoidbündeln resp. der med. Schleife zum Trigeminus, zum n. magnoc. n. acust. N.L.m. Medialer Schleifenherd. N.m.VIII. Nucl. magnocell. n. acust. VIW. _Abducenswurzeln. VI. Facialiswurzel. V. Aufsteigende Trigeminuswurzel. B.P- Brückenarmbündel, die in der Rhaphe zusammentreffen. Theil eines Ponsquerschnittes aus einer etwas höheren Ebene, um die Entstehung von Fasern der medialen Schleife aus dem medialen Herde zu zeigen. Der laterale Theil der medialen Schleife zieht nach aussen, um sich zu, der Stelle zu begeben, an welcher die laterale auftritt. N.L.m. Medialer Schleifenherd. AdL.m. Aus dem medialen Schleifenherd neu entstehende Schlei- fenbündel. M.L.S. Zur lateralen Schleife sich wendende Fasern der medialen. Ponsquerschnitt: Auftreten der lateralen Schleife und Verbindung der medialen mit derselben. N.L.m. Medialer Schleifenherd. N.L.l. Lateraler Schleifenherd. Ein Theil der vorigen Figur vergrössert, um das Auftreten der late- ralen Schleife (abgesehen von ihren unteren Verbindungen) zu zeigen. A.L. Aeussere Faserlage der Schleife (Bogenfasern). Querschnitt des unteren Zweihügels: Verbindung der medialen Schleife mit dem Bindearm. Beginn des brachium conjunctivum (posterius). Zusammenhang desselben mit medialer und lateraler Schleife. Die Schleife. 305 b=e. Beginnendes brachium conjunctivum (posterius). Adb.c. Fasern von der lateralen Schleife (dem dorsalen Theile der Schleife) zum brachium conjunctivum. Fig. 10. Querschnitt des oberen Zweihügels. Das brachium conj. (post.) ist deutlich entwickelt. Verbindung der Schleife mit dem Bindearm. Die Schleife erscheint als gebogene Platte. 0.2. Oberer Zweihügel. R.K, Beginnender rother Kern. I: Optieusbündel. bie: brachium conjunctivum. III. K. Oculomotoriuskern. III. W. Oculomotoriuswurzeln. Fig. 11. Querschnitt durch das corpus geniculatum mediale und einen an- grenzenden Theil des oberen Zweihügels. Von der das corp. gen. med. umziehenden Opticuswurzel biegen Bündel ab und verlaufen durch den Kniehöcker. 0.2. Öberer Zweihügel. f. opt. Das c. gen. m. durchziehende Opticusbündel. bac: brachium conjunctivum (post.). e. gen.m. Corpus genic. med. Fig. 12. Die Ebene des Schnittes in nicht nennenswerther Entfernung von der des vorigen nach vorne. Dieselben Bezeichnungen. Verbindung des Optieus mit der Schleife. Fig. 13. Querschnitt durch die Haube nach vorne vom oberen Zweihügel. R.K. Rother Kern. BA.Th.+S. Bündel BA.Th. Forel (vom rothen Kern nach dem Thalamus) + Schleife. HC: Hintere Commissur. Z.H. Herd grosser Zellen von unbekannter Bedeutung. Längsschnitte. Fig. 14. Sagittalschnitt der Med. obl. und der Brücke. Pyr. Pyramide. V.V. Sich ventral zur Schleife wendende Fasern des Vorder- stranggrundbündels. N.c. Einzelne Zellen des n. centr. T.p.i. Taenia pontis interna. Fig. 15. Frontalschnitt (parallel zur Ebene des vierten Ventrikels). Die Schleife ist bis in den Vorderstrang des Rückenmarkes in ununter- brochener Continuität zu verfolgen. In ihrer Bahn liegt der nu- cleus centralis. Oberhalb desselben sieht man die Breite der me- dialen Schleife, erkennt die Verbindung derselben mit der lateralen und sieht diese als compacten Strang bis zum Vierhügel aufsteigen. Der Schnitt liegt etwas schräg, oben mehr dorsal. U.Z. Unterer Zweihügel. 306 C. F.W. Roller: 0.2. Oberer Zweihügel. N. c. N. centr. Pyr. Pyramidenkreuzung. S.S. Seitenstrangfasern sich zum Grundbündel wendend. XII. W. Hypoglossuswurzeln. VI.W. Abducenswurzeln. III. W. Oculomotoriuswurzeln. Fig. 16. Schrägschnitt durch den oberen Theil des Halsmarkes und den un- 18. 192 19. teren der Oblongata. Fasern des Vorder- und Seitenstranges durch- ziehen oberes Ende der Vordersäule und unteres der Olive, um sich‘ zum Vorderstranggrundbündel zu begeben. V.S. Oberes Ende der Vordersäule. ‚01. Unteres Ende der Olive (resp. des Pyramidenkerns). I. 2. Vorderstrang. R.1. Seitenstrang. . Theil eines Sagittalschnittes der Oblongata, um dieselben Verhält- nisse zu zeigen, hier in specie die Wendung der Vorder- und Seiten- strangfasern nach dem hinteren Längsbündel. Ve: Vordersäule. H.L.a.+1. Zum hinteren Längsbündel sich begebende Fasern des Vorder- und Seitenstranges, die auf einem Schnitt er- scheinen, weil derselbe etwas schief liegt (oben mehr medial), so dass die mit H.L.a.+l. bezeichneten Fasern, die unteren dem Seiten-, die oberen dem Vorderstrang angehören. Theil eines Sagittalschnittes vom oberen Ende der Oblongata und unteren des Pons: die Schleife oberhalb der unteren Olive und im Beginn ihres Verlaufes durch den Pons. Die aus der Olive zu ihr ziehenden Fasern. Etwas schräger Sagittalschnitt ibid., um den Hinzutritt von Seiten- strangfasern zur Schleife zu zeigen. VS, Sich ventral wendende und zur Schleife begebende Sei- tenstrangfasern. Theil eines Frontalschnittes, zur Demonstration der Verbindung zwi- schen n. magnoc. nervi acust. und lateralem Schleifenherd (rad. dese. n. acust.), sowie der aus dem corp. restif. in den lateralen Schleifenherd ziehenden Fasern. R.a.VIIl. Radix ascendens nervi acustici. N.m.VIII. N. magnoc. n. acust. r.d.VIII. Radix descendens n. acust. 1. e. Faserzug vom n. magnoc. n. acust. zum lat. Schleifenherd. N.L. Lateraler Schleifenherd. cr; corpus restiforme. Die Schleife. 307 Fig. 21. Frontalschnitt. Verbindung zwischen n. magnocell., n. acust. und Bindearm (vielleicht lat. Schl.). N.m.VIlI. N. magnoc. n. acust. R.d.VIlI. Rad. desc. n. acust. B. A. Bindearm vielleicht + lat. Schleife. Fig. 22. Frontalschnitt. Verbindung der convolutio quinti mit Bindearm und lateraler Schleife. CV Convolutio quinti, die hier von gleichmässigerem Aus- sehen erscheintZals meistens. Fig. 23. Sagittalschnitt, um die Verbindung der Schleife mit Hirnschenkel und Bindearm zu zeigen. P.t. Bündel vom Fuss zur Haube. S.B.A. Bündel von der Schleife zum Bindearm. Literatur. Willis, cerebri anatome. Londini 1664. Reil, Das verlängerte Rückenmark u. s. w. Reil und Autenrieth, Archiv für die Physiologie. IX. Halle 1809. Gall et Spurzheim, Anatomie et physiologie du systeme nerveux etc. Paris 1810. Rosenthal, Ein Beitrag zur Encephalotomie. Weimar 1815. Burdach, Vom Bau und Leben des Gehirns. Leipzig 1826. Wilbrand, Anatomie und Physiologie der Centralgebilde des Nervensystems. Giessen 1840, Longet, Anatomie et physiologie du syst&me nerveux de I’homme et des animaux vertebres. Paris 1842. B. Stilling, Ueber den Bau des Hirnknotens oder der Varoli’schen Brücke. Jena 1846. Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen. Freiburg 1845—1851. Leuret et Gratiolet, Anatomie compar&e du systöme nerveux. Paris 1839 —1857. Türck, Ueber secundäre Erkrankung einzelner Rückenmarkstränge und ihrer Fortsetzungen zum Gehirne. Wiener Akad. Sitzungsber. Math. naturw. Cl. XI, 2, 1853. 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Wien 1869. ‚ Studien über die Bedeutung des zweifachen Rückenmarksursprungs aus dem Grosshirn. Ibid. 3. Heft. —, Vom Gehirne der Säugethiere. Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig 1870. —, Skizze des menschl. Grosshirnstammes nach seiner Aussenform u. seinem innern Bau. Westphal, Archiv f. Psych. u. Nervenkr. IV, 1874. —, Neue Untersuchungen über Grosshirnganglien und Gehirnstamm. Wiener Akad. Anzeiger. XVIII. 1879. Huguenin, Allgemeine Pathologie der Krankheiten des Nervensystems. I. Theil. Anatom. Einleit. Zürich 1873. —, Ueber einige Puncte der Hirnanatomie. Westphal, Arch. V. 1875. —, Beiträge zur Anatomie des Hirns. Ibid. Stieda, Studien über die centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Leipz. 1870. von Gudden, Ueber einen bisher nicht beschriebenen Nervenfaserstrang im Gehirne der Säugethiere und des Menschen. Westphal, Archiv II, 1870. —, Experimentaluntersuchungen über das peripherische und centrale Ner- vensystem. Ibid. 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Krause: Ueber die Retinazapfen der nächtlichen Thiere. 309 Ueber die Retinazapfen der nächtlichen Thiere. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel XVII. Vor etwa fünfzehn Jahren war ich!) in eine Controverse mit Max Schultze?) verwickelt worden, die sich theilweise um die Behauptung des Letzteren drehte, dass den nächtlichen Thieren die Zapfen fehlten. Die Differenz entstand wie gewöhnlich in solchen Fällen aus der Verschiedenheit der Untersuchungsmethoden. Max Schultze hatte das Stäbchenmosaik der frischen Retina von der Chorioidealseite her betrachtet. Dies Verfahren genügte meiner Ansicht nach nicht, weil man die Zapfenquerschnitte in dem Falle nicht sicher zu erkennen vermag, wenn die Aussenglieder der Stäbchen relativ stark entwickelt resp. sehr lang sind und ich konnte nachweisen, dass dies gerade bei den nächtlichen Thieren der Fall ist, namentlich bei der Eule, Maus und dem Aal. Schon damals hatte ich Zapfen auch beim Iltis, Kaninchen, Igel, Hyäne, die allesammt als nächtliche Thiere anzusehen sind, demonstrirt und speciell für Aal, Maus, Kaninchen, Igel, bei denen Max Schultze die Existenz von Zapfen theils ganz bestritten, theils nur Spuren von solchen gefunden hatte, das regelrechte Vorhandensein derselben dargethan. Ausserdem war von mir hervorgehoben, dass wenigstens die Existenz von Zapfenfasern in der Retina jener Thiere auch dann leicht nachzuweisen sei, wenn man über die Zapfen selbst Zweifel erheben wolle. Diese Untersuchung basirte aber im Gegensatz zur Methode der Flächenansichten auf feinen senkrechten Durchschnitten der in Müller’scher Flüssigkeit genügend erhärteten, selbstver- ständlich möglichst frisch eingelegten Retina. Man kann auch 1) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868, S. 28. 2) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1866, Bd. II, S. 195 u. 256. — 1867, Bd. III, S. 381. 310 W. Krause: nachträglich gefrieren lassen oder absoluten Alkohol anwenden und mit Carmin oder Hämatoxylin tingieren u. s. w. Die Angelegenheit erschien damals von weitgreifenderem Inter- esse, weil die Hypothese !), dass von den Zapfen die Farbenempfin- dungen, von den Stäbehen nur Lichtempfindungen vermittelt würden, durch das Fehlen der Zapfen bei nächtlichen Thieren unterstützt werden sollte. Was von dieser Hypothese noch werden wird, nachdem Boll das Vorkommen von rothen und grünen Stäbchen beim Frosche und ich?) von violettrothen und blaugrünen Stäb- chen-Aussengliedern bei Falco buteo erwähnt haben, steht dahin. Merkwürdiger Weise hat die Controverse von jener früheren Zeit her fast vollständig geruht. Nur beim Aal ist das Vorhanden- sein von Zapfen neuerdings anerkannt’), während von anderer Seite‘) die Zapfen bei der Fledermaus, Maus und dem Meerschwein- chen noch bestritten werden. In Betreff der Fledermaus (Taf. XVII. Fig. 5) und des Aales genügt es wohl auf die Abbildungen zu ver- weisen; von denjenigen des Meerschweinchens resp. Kaninchens haben ich’) resp. Orth‘) schon bildliche Darstellungen gegeben. Was den Aal speciell betrifft, so hat Denissenko’?) eine Zapfen- und eine Stäbchenschicht in seiner Abbildung (2 s) ange- deutet. Dies sind freilich grösstentheils Zapfen- und Stäbehen- körner gewesen, wie sich sogleich zeigen wird. Auch ist im Text die Abbildung als vom jungen Karpfen herrührend bezeichnet worden, was jedoch schon auf dem Umschlag des betreffenden Journalheftes corrigirt werden konnte°). Man hätte hiernach anzunehmen, dass Retinalgefässe nur bei 1) Ueber das Historische vergl. meine Membrana fenestrata. 1868. S. 53. 3) Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. II. 1879. S. 363. 3) Kühne und Sewall, Untersuchungen aus dem physiologischen In- stitute zu Heidelberg. Bd. Ill. 1880. S. 253. 4) Frey, Histologie und Histochemie. 1876. S. 694. 5) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1876. Bd. XI. S. 752. Fig. C. 6) Cursus der normalen Histologie. 1881. S. 299. Fig. 103. 7) Schenk’s Untersuchungen aus dem embryologischen Institut in Wien. 1880. Bd. II. S. 61. — Archiv für mikroskopische Anatomie. 1880. Bd. XVIII Heft 4. S. 480. Taf. XXII A. — Das daselbst S. 481 mitgetheilte Citat ist trotz der Anführungshäkchen dem Sinne nach verändert, wobei an eine Rück- übersetzung etwa aus einem russischen oder französischen Referat wohl kaum zu denken ist. 8) Vergl. Denissenko, Medicinisches Centralblatt. 1880. S. 866. Ueber die Retinazapfen der nächtlichen Thiere. all jungen nicht bei alten Aalen vorkommen sollten. Indessen dürfte jener supponirte junge Karpfen wohl ein alter Aal gewesen sein, sowie andererseits bei vermeintlichen alten Aalen (die in Wahrheit junge Karpfen waren) die Blutgefässe selbstverständlich fehlen mussten. Hiervon abgesehen wird die obige Behauptung durch einen Blick auf Taf. XVII (Fig. 1) widerlegt, woselbst die Retina eines jedenfalls erwachsenen mehr als meterlangen Aales darge- stellt ist. Dieselben sind auch nicht etwa verkümmert oder theil- weise obliterirt; sie verhalten sich völlig ebenso wie bei ganz jun- gen Thieren. Hierbei bleibt noch die fernere Behauptung zu besprechen, dass die Blutgefässe der Aalretina auch in die Zapfen- und Stäb- chenkörnerschicht eindringen sollen. Diese Anschauung ist aus einem leichterklärlichen Versehen hervorgegangen, indem nämlich die äussere Hälfte der (inneren) Körnerschicht von Denissenko für die Zapfen- und Stäbehenkörnerschicht angesehen, die wirk- liche sog. äussere Körnerschicht aber ganz verkannt worden ist. Als vermeintliche Membrana retieularis s. limitans externa, welche sich in Denissenko’s Abbildung etwas zu undeutlich markitt, kann sehr leicht die Membrana fenestrata genommen werden. Letztere erscheint nämlich auf einem Querschnitt der Retina dicker, stärker lichtbrechend, überhaupt viel deutlicher (Taf. XVII Fig. 1 nf), als die Membrana reticularis s. limitans externa. Die letztgenannte tritt auch in weniger feinen Durchschnitten nur am inneren Ende der Zapfen-Innenglieder als etwas schärfere Contour auf; sie fehlt vollständig an den Stäbchen-Innengliedern. Dies hat wohl seinen Grund in der geringen Ausbildung der letzteren sowie der Stäb- chenkörner, für deren Nachweisung Ueberosmiumsäure und sehr starke Vergrösserungen (Taf. XVII Fig. 3) erforderlich werden. Da die Zapfen des Aales (Fig. 1 z) hinreichend bekannt !) sein dürften, so sind zunächst die Innenglieder der Stäbehen zu beschreiben. Das Stäbchen-Ellipsoid ist körnig, 0,003 lang, 0,002 mm dick, das übrige Innenglied fadenförmig, etwa 0,01 lang und 0,008 mm dick (Taf. XVII Fig. 2). — Das Photaesthesin der Aussen- glieder sieht violettröthlich aus (Sehpurpur) und letztere sind, wie ich?) früher gezeigt habe, unter diesen Umständen dichroitisch. 1) W. Krause, die Membrana fenestrata der Retina. 1868. Taf. II. Fig. 27. 2) Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. I. 1879, S, 363, 312 W. Krause: Was die Zapfen- und Stäbchenkörner anlangt, so liegen die Zapfenkörner (Taf. XVII Fig. 4) in einer einzigen Reihe (Kugelschale), sie erscheinen eiförmig, 0,006 lang, 0,005 mm dick und stehen mit ihrem Längsdurchmesser senkrecht auf der Ebene der Retina. Die Stäbchenkörner hat wie es scheint bereits Max Sehultze!) gesehen, sie sind viel schlanker, 0,006 lang und nur 0,0012 mm dick (Taf. XVII Fig. 3%). Aus diesem geringen Quer- durchmesser und ihrer mit den Zapfenkörnern alternirenden Anord- nung erklärt sich, dass sie zwischen den letzteren schwer zu sehen sind und wie gesagt secundär die Undeutlichkeit der Membrana reticularis s. limitans externa. Denn letztere ist eine von den Stäbehen- und Zapfenzellen gelieferte Cutieularbildung. — Aehn- liche Undeutlichkeit der Membrana retieularis findet sich zufolge einer Abbildung W. Müller’s?) bei Platydactylus Theonyx. Die Zapfenkörner enthalten ein glänzendes, 0,0005 mm dickes Kernkörperchen; sie sind durch eine niedrige Fussplatte (Zapfen- kegel — Taf. XVII Fig. 4 2%) fest an die Membrana fenestrata geheftet. Von den Stäbehenkörnern geht ein jedes Glaskörperwärts in eine kurze Stäbcehenfaser über, welche sich mit einem deutlichen dreieckigen Stäbchenkegel (Taf. XVII Fig. 1 stk) an die Mem- brana fenestrata heftet. Jene Körner färben sich kaum mit Hämatoxylin, die Zapfen- körner nur schwach, die Körner der äusseren Hälfte der (inneren) Körnerschicht (Taf. XVII Fig. 1%) dagegen intensiv blau. Sie sind kuglig, haben 0,0033 mm Durchmesser und lassen sich auch nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure durch Alauncarmin stärker tin- giren. Diese Körner würden nach W. Müller’s Bezeichnungsweise als bindegewebige Spongioblasten gedeutet werden müssen, insofern sie chromatophil sind. Die verschiedenen Untersuchungsmethoden zusammenge- nommen ergeben das Resultat, dass die Zapfenkörner sich wie Kerne verhalten. Durch Hämatoxylin oder Carmin werden sie tingirt, Müller’sche Flüssigkeit oder Ueberosmiumsäure zeigen, 1) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1867. Bd. III. Taf. XIII. Fig. 17a. 2) Beiträge zur Anatomie und Physiologie als Festgabe für C. Ludwig. 1875. Heft 2. Taf. XIV. Fig. 6. — Vergl. W. Krause, Archiv für mikrosko- pische Anatomie. 1876. Bd. XIL S. 770. Ueber die Retinazapfen der nächtlichen Thiere. 313 dass sie uninueleolär sind, während die Stäbehenkörner eine leichte Querstreifung erkennen lassen und auch durch Carmin gefärbt werden. Würde man sich auf eine einzige Methode beschränkt — oder eigentlich das mierochemische Verhalten vernachlässigt haben, — so wären Irrthümer fast unvermeidlich, die nach dem Gesagten leicht zu entschuldigen sind. Die ganze Dicke der Stäbchen- und Zapfenkörnerschicht be- trägt nur 0,009 mm, mithin weniger als die Länge eines rothen Blutkörperchens beim Aal. Dass in die Zapfen- und Stäbchen- körnerschicht keine Blutgefässe eintreten, welche vielmehr alle an der Membrana fenestrata umbiegen (Taf. XVII Fig. lc), versteht sich nach dem Mitgetheilten wohl von selbst. Besonderes Interesse lässt sich noch an die Retina des Aales knüpfen, insofern der epitheliale Charakter der Stäbchen- und Zapfenzellen, namentlich der letzteren in Folge der Undeutlichkeit der Membrana retieularis s. limitans externa sowie der Kürze ihrer Zapfenkegel kaum irgendwo so rein hervortritt, als bei diesem merkwürdigen Thier. Wegen der geringen Mächtigkeit der Stäb- chen- und Zapfenkörnerschicht ist die Abwesenheit von irgend welchem Bindegewebe in der letzteren ebenso leicht zu erweisen. Die (innere) Körnerschicht verdiente wohl eine genauere Unter- suchung. Erklärung der Tafel XVII. Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt aus dem Hintergrunde der Retina eines mehr als meterlangen Aales. Der überlebende Bulbus war längere Zeit inMüller’scher Flüssigkeit, dann in absolutem Alkohol gehärtet, Glycerin; Vergr. 600. P Pigmentschicht der Retina. st Aussenglieder der Stäbchen. 2 Aussenglieder der Zapfen. ti Innenglieder der Zapfen. mr Membrana reticularis s. limitans externa. zk Zapfenkörnerschicht. stk Stäbchenkegel. k Imnere Körnerschicht. cc Capillargefässe. gr Granulirte Schicht. 9 Ganglienzellenschicht. 314 Fig. 2. Fig. 3. Fig. 5. W. Krause: Ueber die Retinazapfen der nächtlichen Thiere. op Nervenfaserschicht des Opticus. ml Membrana limitans (interna). mf Membrana fenestrata. Stäbchen der Retina des Aales, isolirt, nach 24stündigem Einlegen des geöffneten überlebenden Bulbus in 0,5 ‚ige Ueberosmiumsäure und nachher in Wasser. Vergr. 1000. (Seibert Immersion VIII, peri- skopisches Ocular 1). a Aussenglied, abgebrochen. e _Stäbchen-Ellipsoid. i Innenglied. k Stäbchenkorn. mf Membrana fenestrata. Aus demselben Auge wie Fig. 2. Senkrechter Durchschnitt, zerzupft. Vergr. 1000. k Stäbchenkörner in ihrer Lage. mf Membrana fenestrata. r Radialfasern. Aus demselben Auge wie Fig. 1. Haematoxylin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Senkrechter Durchschnitt, zerzupft. Vergr. 1000. z Zwei Zapfen-Innenglieder, die nicht genau in derselben Fo- calebene liegen. zk Zapfenkegel. i Kern der äusseren (chorioidealen) Abtheilung der Körner- schicht (Fig. 1. k) stärker tingirt und daher dunkler als die beiden Zapfenkörner. r Radialfaser. mf Membrana fenestrata. re Membrana reticularis s. limitans externa. Stäbchen und Zapfen der Retina von Vespertilio murinus nach länge- rem Einlegen des überlebenden unverletzten Bulbus in Müller’sche Flüssigkeit. Senkrechter Durchschnitt, zerzupft, Vergr. 1000. Das Aussenglied des Zapfens ist sehr klein, das Innenglied stark entwickelt, die Stäbchen- und Zapfenkörner sind quergestreift. mr Membrana reticularis. L.v.Thanhoffer: Ein Irrigationsmesser z. Anfert. mikr. Schnittpräparate. 315 Ein Irrigationsmesser zur Anfertigung mikrosko- pischer Schnittpräparate. Von Prof. Dr. L. von Thanhoffer. (Budapest.) Hierzu ein Holzschnitt. Seit Einführung der Mikrotome in die mikroskopisch anato- mische Technik ist das Bedürfniss empfunden worden, eine Vor- richtung an denselben anzubringen, welche eine fortwährende Be- spülung des Messers und der Schnitte erlaubt. Es ist bekannt, dass bereits Weleker und Gudden derartige Vorrichtungen an ihren Mikrotomen angebracht und beim Schneiden benutzt haben. Welcker’s Mikrotom, welches die Schnitte unter Wasser anzufer- tigen gestattet, ist indessen zu klein, um für alle Fälle zu genügen; das Gudden’sche Instrument dürfte zu theuer und zu umfangreich sein, um, namentlich von den Studirenden in den Laboratorien allgemein benutzt werden zu können, wenn ich auch sonst seine grossen Vorzüge unumwunden anerkenne und mich von seiner grossen Brauchbarkeit dureh dreijährige Benutzung hinlänglich überzeugt habe. Betz bediente sich bekanntlich einer Spritzflasche, mit welcher er beim Schneiden unausgesetzt Wasser aufblies. Jedenfalls bleibt, wenn auch mit den angeführten Verfahrungs- weisen und Instrumenten anerkannt Vorzügliches geleistet worden ist, noch eine Vorrichtung zu wünschen übrig, welche bei geringem Preise eine bequeme Handhabung für das Schneiden und Befeuch- ten der Schnitte und eine ausgedehnte Verwendung für verschieden grosse Objecte gestattet. Ich habe nun versucht ein „Irrigations- messer“ herzustellen, welches zum Schneiden eingebetteter Präpa- rate aus freier Hand, oder auch zum Schneiden in Handmikrotomen verwendbar ist und die Anfertigung verschieden grosser Schnitte erlaubt. 316 L. von Thanhoffer: Die beigefügte Figur stellt es in der halben Grösse dar. Es besteht aus den folgenden Theilen: 1) Eine 11 etm lange und 2.5 etm breite Klinge; > 2) Ein 12.5 etm langer und 1.5 etm breiter gut fassbarer Griff; endlich 3) a—b ein Wasserleitungsrohr, welches an dem Theile, welcher sich auf der Klinge befindet, mit kleinen, nahe aneinander liegen- den Oeffnungen versehen ist. Die Klinge ent- spricht im Durchschnitte einem Keile. Am Rücken des Keiles ist das Wasserleitungsrohr (a) befestigt. Die Klinge geht vor dem Griffe, wie bei dem Luys’schen Messer, in ein, in schiefer Richtung nach aufwärts steigendes Mittelstück und dieses in den Griff über. Das Wasserleitungsrohr läuft durch den Griff, und, sich an das Mittelstück anschmie- gend, auf dem Rücken des Messers. Die oben erwähnten kleinen Oeffnungen des auf der Klinge befindlichen Theils des Wasserleitungsrohres sind so gebohrt, dass die Wasserstrahlen gleich zusammenfliessen, so dass das Messer in der ganzen Länge der Klinge stets mit einer ziem- lich dicken Wasserschichte versehen wird. An dem mit einem Hahne (b) versehenen Ende des Wasserleitungsrohres wird ein Kaut- schuk-Schlauch befestigt und dieser wieder mit einem, unten mit einem Halse versehenen und höher stehenden Glasgefässe, oder mit einem grösseren Irrigator, oder noch besser mit der Wasserleitung in Verbindung gebracht. Das erhärtete Objeet, eingebettet in die gewöhnliche Masse, wird ent- weder in der Hand oder in einem Handmikrotom gehalten, während- dem mit dem in der anderen Hand sich befindenden Messer ge- schnitten wird. Zum Schlusse möchte ich noch einiges zum Gebrauche des Instrumentes beifügen. Bei Oeffnung des Hahnes d kommt bei dem Rohre a durch die kleinen Oeffnungen das Wasser tropfenweise Ein Irrigationsmesser zur Anfertigung mikrosk. Schnittpräparate. 317 heraus, und, sogleich zusammenfliessend, bedeckt es die Klinge un- ausgesetzt mit einer Wasserschichte von gewisser Dicke, auch dann wenn wir die Klinge mit Oel leicht bestreichen, oder es von der Einbettungsmasse fett geworden ist. Es ist aber, um dies zu er- reichen nothwendig, dass die Klingenfläche in horizontaler Lage, noch besser in etwas schiefer Lage sich befinde. Unter die schneidenden Hände stellen wir eine Porzellan-, Glas- oder Zinktasse zum Auffangen des abfliessenden Wassers und der Schnitte auf, indem das auf dem Messer fliessende Wasser die Schnitte gleich herunterschwemmt, was begreiflicherweise ein we- sentlicher Vortheil des Instrumentes ist !). Um mit meinem Messer auch noch viel grössere Schnitte machen zu können, finde ich es für nothwendig, dass das an der Klinge liegende Rohr nicht un- mittelbar anliege, sondern sich einige Millimeter höher befinde, da- mit der Schnitt zwischen Rohr und Klinge durchsehwimmen könne. Herr Fischer arbeitet jetzt an der Ausführung dieser Modifi- cation. Ueber das E, Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. Von Walther Flemming in Kiel. Die betreffende Methode ist von Hermann 1875 auf der deutschen Naturforscherversammlung in Graz?) mitgetheilt wor- den; sie beruht auf dem Prineip, einer Ueberfärbung mit Anilin- farbstoffen oder Azofarbstoffen eine Ausziehung mit absolutem Alko- hol folgen zu lassen, bis die Farbe nur noch in den Zellkernen haftet, und das Objeet in diesem Zustand durch Nelkenöl- und Harzdurchtränkung zu fixiren. Der Kunstgriff überhaupt, eine Kern- tinetion durch vorgängiges Ueberfärben und nachfolgendes Wieder- l) Peter Fischer & Comp. (Budapest, Hatvanergasse) verkauft das Messer für 8 Gulden ö. W., den Irrigator sammt Kautschukrohr für 4 Gulden ö. W. 2) Tagblatt, p. 105. 318 Walther Flemming: entfärben zu erzielen, war bekanntlich schon früher geübt '), und Anilinfärbungen für histologische Zwecke früher gemacht worden; das Neue und Vortheilhafte an Hermann'’s Verfahren lag wesent- lich darin, dass es die schönsten und reinsten Kerntinetionen mit Anilinfarbstoffen auch unter Entwässerung mit Alkohol und Aufhellung, und zugleich mit unverwüstlicher Haltbarkeit in Harzeinschluss ermöglichte 2). Wenn ich mir hier einige Bemerkungen über eine Methode erlaube, die ein Anderer gefunden hat, so habe ich dazu mehr- fachen Anlass. Erstens brauche ich dieselbe in etwas anderer Form, als sie von Hermann a. a. O. mitgetheilt ward. Ferner habe ich mich in mehreren Publieationen®) einfach auf die „Hermann’sche Anilintinetion“ bezogen, ihr Bekanntsein voraus- setzend; aber manche Zuschriften und Erkundigungen mussten es mir wahrscheinlich machen, dass die Methode unverdienter- massen sehr wenig zur Verbreitung gelangt ist. In neueren tech- nischen Handbüchern und Schriften, so auch in den werthvollen und reichhaltigen Mittheilungen Paul Meyer’s über die in der zool. Station in Neapel gebrauchten histologischen Arbeitsweisen ®), wird sie nicht berücksichtigt, und am letzteren Orte die Anilin- l) Von Schweigger-Seidel wurde er wohl zuerst unter Färbung mit Carmin, Entfärbung mit Salzsäure oder Essigsäure benutzt. Die Färbung mit Rosanilin, und Rückentfärbung mit schwachen Säuren oder sehr verdünntem Alkohol, wurde schon 1867 von Friedländer angegeben (Studien über auto- matische Herzbewegung. Unters. a. d. phys. Institut z. Würzburg, 1. Theil), und ist seitdem, wie von mir, so gewiss von manchen Histologen zur raschen Demonstration in Cursen benutzt. Solche Präparate sind aber schlecht halt- bar, und die Färbungsgrade schwanken sehr. 2) Den Versuch, mit Anilin gefärbte Präparate durch Alkohol zu ent- wässern, haben gewiss Viele schon eher gemacht, haben sich aber — wie es wenigstens mir selbst ging — durch die rasche Lösung der Farbe abschrecken lassen und nicht beachtet, dass es einen Zeitpunet giebt, wo der Farbstoff grade an den Zellkernen noch gleichmässig haftet. — Sollten Anderen vor Hermann schon derartige Färbungen gelungen sein, so ist doch meines Wissens nichts darüber publicirt worden. — Seither ist die Technik der Anilinfärbungen bekanntlich von vielen Untersuchern weiter ausgebildet worden (s. die unten erwähnten Arbeiten); aber weniger nach der Richtung hin, die ich grade hier im Auge habe. 3) Dieses Archiv Bd. 13 p. 702, Bd. 16 p. 302 ff., Bd. 18 p. 151 ff. 4) Mittheil. d. zool. Stat. in Neapel, Bd. II Heft 1. Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. 319 tinetion überhaupt wenig günstig beurtheilt. Man trifft vielfach auf die Ansicht, dass die letztere neben den sonst gebräuchlichen Färbungsmethoden recht entbehrlich sei, obschon in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiten!) auf pathologischem wie normalem Ge- biet den Hinweis gaben, dass gerade von diesen Färbungen noch Viel für den Fortschritt der mikroskopischen Diagnostik zu er- warten ist. Endlich habe ich ein gewisses eigenes Interesse daran, Andere auf die Leistungsfähigkeit der Hermann'’schen Färbung aufmerk- sam zu machen. Die Darstellung des Kerntheilungsvorganges und die bezüglichen farbenscharfen Abbildungen, die ich in diesem Ar- chiv (a. a. ©.) gegeben habe, sind auf manchen Seiten einem Miss- trauen begegnet, welches erst schwand, nachdem ich Präparate gesandt hatte. Jene Darstellung stützt sich grossentheils auf Fr- zeugnisse des hier besprochenen Verfahrens; und ich begreife sehr wohl, dass Jemand, der noch kein gelungenes Chrom-Safraninprä- parat gesehen hat, zweifeln mag ob eine so distinete Färbung von Kerntheilungsfiguren wirklich möglich sei, wie sie die Figuren auf Taf. 17 und 18 Bd. XVI, Taf. 17—19 Bd. XVII dieses Archivs möglichst getreu nach den Objeeten wiederzugeben suchen. Ich glaube, dass ein erheblicher Theil der Differenzen, welche gegenüber der von mir gegebenen Darstellung des Zelltheilungs- vorganges von Seiten Strasburger’s und Anderer noch festgehal- ten werden, schwinden würde, wenn Dieselben Präparaten mit so scharfer Kernfärbung, wie sie vor Allen die Hermann’sche Methode liefert, genaueres Studium zuwenden wollten. Ich kann nach sehr ausgedehnter vergleichender Untersuchung behaupten, dass eine so detaillirte Feststellung der 'Kernfädenlage- rung, wie ich sie für Salamandra zu geben vermochte, aueh an so grosskernigen Objeeten nur erzielbar ist durch schärfste Tinetion der Fäden und ferner mit Hülfe des Beleuchtungsapparats, durch den man das Strueturbild zurück- und das Farbenbild möglichst hervortreten lässt. Viele der in Strasburger’s letztem Werk ?) 1) Es mag nur an die verschiedenen Arbeiten über Amyloidfärbung durch Methylviolett, an die Bakterinfärbungen (Koch, Weigert) und an die unten zu besprechenden Arbeiten von Ehrlich, Weigert, Westphal erinnert sein. 2) Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. 1880. 320 Walther Flemming: dargestellten Objeete, an deren Abbildungen dort die Kernfaden- figuren nur undeutlich und verschwommen zu sehen sind, würden nach meiner Ueberzeugung bei obengedachter Behandlung Bilder liefern, welche sich mit meiner Auffassung der Theilungsmechanik ungezwungen vereinigen liessen. Die näheren Belege hierfür ge- hören an einen anderen Ort. Die betreffenden Färbungen können nicht in Bausch und Bogen als Anilintinetionen bezeichnet werden, da die meisten, und gerade die besten der dafür zu brauchenden Farben keine Aniline im eigentlichen chemischen Wortsinne sind, sondern Azofarbstoffe. Bei dem ursprünglichen Verfahren von Hermann wurde die Färbung allerdings mit concentrirter alkoholischer Fuchsinlösung (dem als „Rubinroth“ im Handel gehenden Farbstoff) erzielt. Wei- ter hat Hermann auch andere Producte der Anilinfarbenfabrication, besonders Safranin und Rose de Naphthaline, herangezogen!), wel- che nach meinen Erfahrungen dem Fuchsin vorzuziehen sind. Ich habe die Methode seit 1875 in meinem Laboratorium stets in Gebrauch gehalten. Was sie mir für meine Zwecke besonders empfahl, war die von dem Erfinder schon erwähnte Möglichkeit, auch an Chromsäurepräparaten damit Erfolge zu finden, welche sonst, wie man weiss, der Kerntinetion schlecht zugänglich sind. Denn die vorherige Fixirung mit Chromsäure, oder Pikrinsäure, war für mich Vorbedingung zur guten Erhaltung der Kerntheilungs- figuren; absoluter Alkohol erhält dieselben zu schlecht oder doch zu unsicher, wenigstens an den meisten Thiergeweben. — Nach Hermann’s eigner Angabe „müssen die Präparate in Alkohol gehärtet sein; gut sei es, wenn sie vor der beginnenden Härtung einige Zeit in Chromsäure gelegen hätten.“ Ich fand sehr bald, dass die erstere Bedingung, die Nachhärtung in Alkohol, überflüs- sig ist, und zwar zum Vortheil für die Erhaltung der Kerne und Kernstrueturen; denn vielfach, aus unberechenbaren Gründen, er- leiden diese durch Alkoholnachbehandlung noch Schrumpfungen und Veränderungen. 1) Nach mündlicher Mittheilung meines verstorbenen Freundes E. Fischer, eines Schülers von Hermann, dem ich die Kenntniss der letz- teren Farbstoffe verdanke. Eine weitere Publication von Hermann selbst über sein Verfahren, ausser der bereits angeführten, ist mir nicht bekannt geworden. Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. 321 Nach vielfachem Probiren finde ich für reine Kerntinetion die folgende Anwendung des Verfahrens am Besten: Die Präparate werden in Chromsäure von 0,1 bis 0,5 p. c. fixirt!). Es ist für die nachherige Färbung gleichgültig ob sie in der Chromsäure kürzer oder länger verweilen (wenige Stunden bis Monate lang). Weichere Gewebe werden aber in Chromsäure oft nach einigen Wochen bis Monaten so brüchig, dass man sie nicht länger darin lassen sollte. Will man in Alkohol nachhärten, so müssen die Präparate vorher rein durch Auswaschen von Chrom- säure befreit sein; um Schrumpfung möglichst zu vermeiden habe ich schon lange die Praxis, zunächst in verdünnten, dann erst in starken Alkohol zu übertragen. Zum Färben sind nur Schnitte, oder dünne, platte, leicht trans- fundirbare Stückchen der eingelegten Präparate, nicht diese in toto zu verwenden. Die Schnitte oder Stückehen müssen in destillirtem Wasser rein ausgewaschen sein, wenn dies nicht schon vorher mit dem eingelegten Präparat in toto geschah. Sie kommen dann direct in eine beliebige Menge, am bequemsten nur etwa 1 cem, einer Lösung von Safranin (oder einer der andern unten erwähnten Farben) in absolutem Alkohol, etwa halb mit des- tillirtem Wasser verdünnt (wenn Dahlia angewandt wird, diese am besten in wässriger oder auch essigsaurer Lösung ohne Alko- hol) und bleiben darin 12 bis 24 Stunden?) in bedeektem Näpfchen. Die sehr dunkle Tinktur wird dann in ein flaches Schälchen ge- gossen, um die Objeete leicht zu finden (deshalb empfiehlt es sich, wenig Tinetur zu nehmen) und die letzteren in ein weisses Schäl- 1) Die Concentration muss sich, wie wohl bekannt, nach dem Gewebe richten, wenn man gute Erhaltung haben will. 2) Pfitzner (Die Epidermis der Amphibien. Morphol. Jahrb. Bd. VI, siehe p. 180) hat bei seinen hiesigen und weiteren Arbeiten viel verdünntere Lösungen und kürzere Einwirkungsdauern angewandt; dieselben können für sehr dünne Schnitte auch völlig genügen, bei denen die Ausziehung mit Alkohol nur kurz zu dauern braucht; im Allgemeinen finde ich aber bei viel- fach wiederholtem Probiren den Erfolg sicherer, die Färbungen stärker an den Kernen haftend und schöner, wenn lange und nur mit stärkerer Lö- sung gefärbt wird. Es muss also doch wohl bei letzterem Verfahren irgendwie eine innigere Art der Verbindung von Farbe und Chromatin des Kerns zu Stande kom- men, als es bei kürzerer Tinction oder in dünnen Lösungen geschieht. 322 Walther Flemming: chen mit Alkohol übertragen, in dieser durch kurzes Schütteln von der ärgsten Farbe befreit und in ein zweites weisses Schäl- chen mit Alkohol absolutus geworfen. In diesem bewegt man sie berum, eine halbe Minute bis länger — die Dauer richtet sich nach der Durchtränkbarkeit des Gewebes und Dicke des Objects — bis keine sichtlichen Farbwolken mehr abtreiben, und das Object ein in der gewählten Farbe durchscheinendes Ansehen bekommen hat. Dieser Entfärbungsgrad, bei welchem grade die Kerne noch scharf tingirt sind, wird natürlich rascher an Schnitten erreicht, wo der Alkohol von beiden Seiten eindringen kann, als an mit Epithel bedeckten Stücken, und rascher an dünnen als dickeren ÖObjeeten; daher sind bestimmte Zeitangaben unmöglich. In diesem Zustand kann man die Präparate nun entweder gleich aufhellen und dauernd in Lack einschliessen, oder auch behufs vorläufiger Durchmusterung in Aq. destillata übertragen, in welchem sich die Kernfärbung längere Zeit unverändert hält. Soll dauernd eingeschlossen werden, so wird das Object aus Alkohol absolutus auf Nelkenöl übertragen, und sobald ganz durch- tränkt, mit kalter Damarlösung!) oder verharztem Terpentin einge- deckt, — und zwar rasch, weil das Nelkenöl noch Farbe auszieht. Creosot thut dies in noch höherem Grade und empfiehlt sich hier deshalb nicht zum Aufhellen. Der Damarlack zieht nichts mehr aus. Präparate dieser Art hielten sich nach meinen bisherigen Erfahrungen drei Jahre lang völlig unverändert in der Farbe, wahr- scheinlich viel länger, und werden auch durch längeres Liegen am Lieht nieht geändert; während Chromsäure - Hämatoxylinobjecte, auch in Lackeinschluss, mir in der gleichen Zeit meistens erheblich abgeblasst sind. Für Präparate, die ohne vorherige Chrombehandlung nur in Alkohol gehärtet waren, kann das gleiche Färbungsverfahren gel- ten; es kommt hier aber in Betracht, dass bei längerem Verweilen in Alkohol die Disposition für die Färbung der Kerne mit den hier besprochenen Farbstoffen verloren geht, was schon Hermann be- kannt war und von Westphal (a. unten a. O.)‚näher ausgeführt ist. 1) Ich verwende stets Damar in Terpentin und Benzol, zu etwa gleichen Theilen, warm gelöst und zu Syrupconsistenz abgedunstet. Damit eingeschlossene Objecte haben sich jetzt seit 9 Jahren unverändert gehalten, ohne dass weitere Umziehung mit Lack nöthig gewesen wäre. Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. 323 Ausser dem Safranin habe ich bis jetzt für die gleiche Kern- tinetion noch folgende Farbstoffe versucht: Magdala-Roth oder Rose de Naphthaline; Dahlia (Monophenylrosanilin), von Zuppinger zuerst benutzt und besonders von Ehrlich (a. unten a. O.) verwerthet; Mauve oder Mauväin!); Rouge fluorescent’); Solidgrün?); Ponceau); Orange’); endlich Fucehsin, die von Hermann ursprünglich benutzte Farbe; Eosin und Bismarekbraun. Für’s Erste ergab sich dabei noch kein sicherer Anhalt, um aus der chemischen Constitution der Körper auf die Art ihrer Tinetionswirkung zu schliessen. Eosin und Ponceau sind für das hier in Rede stehende Verfahren nicht brauchbar, sie färben das Protoplasma und die Intercellularsubstanzen diffus mit, und werden durch Alkohol aus den Kernen ebenso rasch, wie aus je- nen wieder ausgezogen. Während man voraussetzen sollte, dass das Orange, in seinem chemischen Charakter dem Ponceau ähnlich, auch ähnlich wirken würde, ist dies nicht der Fall; es färbt nicht diffus, liefert vielmehr ähnliche Kernfärbungen wie “Safranin, aber viel schwächere, so dass es sich nicht empfiehlt. Mit den sämmtlichen übrigen Farbstoffen lassen sich, an Präpa- raten aus Chromsäure oder Chromsäure-Alkohol, in der angegebenen Weise gute Kernfärbungen erzielen. Mauv&äin und Rouge fluo- rescent geben jedoch leichter als die übrigen ungleiche Färbungen (in der Art, dass die einen Kerne im Objeet mehr Farbstoff zurück- halten als die anderen). Ich kann nicht sagen, ob dies vielleicht an 1) Salzsaures Salz einer der Safraninbase nahestehenden Base. 2) Ebenso. 3) Oxalsaures Salz einer Farbbase, welche erhalten wird durch Oxy- dation der E. Fischer’schen Leukobase: Tetramethyltriphenylmethan; dem Malachitgrün in Bezug auf chem. Constitution conform. 4) Natronsalz der sauren Verbindung Diazoxylolsulfosäure-Naphthol. 5) Natronsalz der sauren Verbindung Diazobenzolsulfosäure - Dipheny- lamin. Die Farbstoffe sind meist aus der chem. Fabrik der Herren Bind- schedler u. Busch in Basel bezogen, denen ich auch den Aufschluss über ihre chemische Stellung verdanke. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 19, 22 324 Walther Flemming: geringerer Reinheit der Farbstoffe liegen mag. Die Färbungen mit Solidgrün sind blasser als die mit Safranin und Magdala, wenn schon für das Studium der Kerntheilungsfiguren ziemlich ausrei- chend. Das Solidgrün hat eine Eigenschaft, die es vielleicht bei Specialstudien über die Kernsubstanzen noch nützlich machen wird; es wird bei der Ausziehung mit Alkohol rascher wie andere Farben aus der Zwischensubstanz des ruhenden Kernes völlig entfernt, haftet aber an den Gerüststrängen relativ stark und, wenn auch diese entfärbt sind, noch besonders lange und hartnäckig an den Nuc- leolen. Solche Präparate zeigen recht deutlich, was ich a. a. O. vielfach hervorgehoben habe: dass die Nucleolen stofflieh etwas Anderes sind, als die Kerngerüststränge und ihre Verdiekungen. Das Fuchsin giebt, bei gleicher Anwendung, schöne und reine, aber etwas blassere Tineturen als Magdala, Safranin, Dahlia und Mauväin. Es bleibt sich in dieser Beziehung gleich, ob man es in stärkster, oder in verdünnter Lösung verwendet. Die Weigert’sche Färbung!) mit Bismarckbraun hat mir an Alkoholpräparaten sowie an frischen (an letzteren in der Modi- fication von Mayzel, die Farbe in verdünnter essigsaurer Lösung angewandt) recht gute, wenn auch nicht ganz reine Kerntinetionen gegeben; auch nach Weigerts eigener Angabe werden Proto- plasmen und Bindegewebsmassen mehr oder weniger mitgefärbt. An Chromsäurepräparaten in der Hermann’schen Weise verwen- det, hat das Bismarckbraun mich dagegen sehr wenig befriedigt. Ich muss es aber dahinstehen lassen, ob daran vielleicht Unrein- heit des Farbstoffs, den ieh bezog, die Schuld trägt. Mit Safranin, Magdala und Dahlia bin ich durchweg am meisten zufrieden gewesen. Sie haften besonders gut und rein an den Kernen, werden an Intensität der Farbe keinem der anderen Mittel übertroffen, und geben keine unreine Tinctionen in der Art, wie es vom Mauv&äin und Rouge fluoreseent erwähnt wurde; auch werden sie langsamer als die übrigen durch den Alkohol aus den Kernen vollends ausgezogen, was die Montirung der Präparate be- quemer macht. — Dahlia wird wie schon erwähnt, bei der Tinction besser in alkoholfreier Lösung verwandt (einige Stunden genügen), nachher wie gewöhnlich mit Alkohol ausgezogen. Mit Rücksicht auf die Angaben Ehrlich’s (s. unten) vermuthete ich, dass saure 1) Dieses Archiv Bd. 15 p. 258. Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbunesverfahren. 325 o Dahlialösungen auch Chromsäurepräparate besser und constanter färben würden als neutrale, sah mich aber getäuscht: die neutralen leisten hier ganz das Gleiche. Die Angabe Hermann’s, dass die in Wasser löslichen Farbstoffe für seine Tinetion unbrauchbar seien, bestätigt sich nieht; sämmtliche oben angeführten Farben sind in destillirtem Wasser löslich, ausgenommen Magdalaroth, das diese Löslichkeit wenigstens nur in’ sehr geringem Grade besitzt). An Pikrinsäurepräparaten giebt Dahlia, in obiger Weise angewandt, zwar nur sehr schwache Kerntinetionen, aber äusserst scharfe Hervorhebung von Körnereinschlüssen in Leukocyten und in verästelten Zellen der Bindesubstanz. Ich habe mich viel, aber bisher vergeblich bemüht, für diese Kerntinetionen ein noch exacteres und bequemeres Verfahren zu finden. Beim Auswaschen in absolutem Alkohol wird dieser durch die aus dem Object kommende Farbe leicht tingirt; in solchen schwach gefärbten Lösungen können die Objecte, wenn sie den Punkt reiner scharfer Kerntinction erreicht haben, einige Zeit lang unverändert verweilen. Man sollte nun danach denken, sie würden vielleicht den gleichen Tinetionszustand erhalten, wenn man sie von vorn herein in solchen ganz schwachen Lösungen, statt in starken färbte. Dies ist aber nicht der Fall; in den schwachen Lösungen gerathen die Tinetionen bei weitem zu gering. — Ich bin bei allem Probiren stets wieder auf das zurückgekommen, was schon Hermann bekannt war und was seitdem auch Ehr- lich und Westphal gefunden haben: dass es am besten ist, mit wässrig verdünnten alkoholischen Lösungen zu tingiren. Meine Moditieation gegenüber Hermann’s Angaben besteht nur darin, dass ich auf lang dauernde Färbung mit starken Farblösungen besonderen Werth legen muss. Ehrlich?) und Westphal?) haben seit 1876 viele Anilin- 1) Dies kann ich allerdings nur für die Farbstoffe aussagen, die ich aus der angegebenen Quelle bezog, nicht für die Producte anderer Fabriken. 2) P. Ehrlich, Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen etc. Dies Archiv Bd. 13, p. 263. — Derselbe: Methodologische Beiträge zur Physio- logie und Pathologie der verschiedenen Formen der Leukocyten. Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. I. Heft 3. 3) E. Westphal, Ueber Mastzellen. Inaug.-Diss. Berlin, 31. Jan. 1880. 326 Walther Flemming: färbungen einer sehr ausgedehnten, methodischen Prüfung unter- zogen, deren Resultate ich freilich für meine Zwecke noch nicht nutzbar machen konnte. Denn ihre Arbeiten zielten nicht so sehr auf das, worauf es mir ankam, auf starke ausschliessliche Färbung der Kernsubstanzen, sondern vorwiegend auf Hervorhebung der Körnereinschlüsse in den Zellenformen, welche Ehrlich unter dem Namen Mastzellen bekannt gemacht hat, und in Leukocyten. Für diese Zwecke haben die Arbeiten beider Forscher zu einer sehr erwünschten Ausbildung und Sicherung der Methode geführt. Bei darauf gerichteten Versuchen fand ich jedoch, dass die von West- phal (a. a. O.p. 14 ff., p. 17) angegebenen Regeln zwar gültig sind für Alkoholpräparate!), für die sie auch nur aufgestellt wurden, aber nicht für Kernfärbungen an Chromsäurepräparaten?). Für solche finde ich, nach vielem und ermüdendem Probiren unter Berücksichtigung von Ehrlich’s und Westphal’s Angaben, keine bessere Methode als die, welche oben beschrieben ist, und welche mir vor der Hand genügte. Eine weitere methodische Durch- prüfung der Anilin- und Azofarbstoffe für die Histiologie dürfte für Unternehmer, die viel Zeit dafür aufwenden können, eine sehr dankbare Aufgabe sein. 1) Nur den Ausspruch Westphal’s (p. 15), dass concentrirte alko- holisehe Lösungen von Fuchsin und Dahlia nicht im Stande seien, irgend ein anatomisches Element zu tingiren, kann ich nicht zugeben. Ich finde vielmehr, dass solche Lösungen (ohne jeden Wasserzusatz, auf Präparate aus absolutem Alkohol ohne vorherige Chrombehandlung angewandt, Alkohol- härtung einige Monate) vielmehr alle Gewebstheile, Protoplasma, Kerne, Intercellularsubstanz, bei mehrstündiger Einwirkung intensiv tingiren; zieht man dann mit Alk. absol. längere Zeit aus, so erhält man nach Aufhellung mit Oel vorwiegende Kerntinction, aber immer noch unter starker Mitfär- bung der übrigen Elemente. Der dafür benutzte Dahliafarbstoff war aus Ehrlich’s Quelle (Herr Apotheker J. Frank in Freiburg) bezogen. — ‚Ein solches, stark und diffus gefärbtes Fuchsinpräparat braucht man dann nur auf kurze Zeit in Aq. destillata zu thun und wieder in absoluten Alkohol zu bringen, um alle Kerne und Zellenleiber zu entfärben und nur die Kör- nungen der Mastzellen tingirt zu behalten. 2) Ich erinnere z. B. daran, dass neutrale und saure Dahlialösungen sich Chromsäurepräparaten gegenüber ganz gleich verhalten (s. oben), während bei Alkoholpräparaten (Westphal, p. 16) ein wesentlicher Unterschied in ihrer Wirkung obwaltet. — Das Färben mit sauren Lösungen hat mir für gleich- mässige Kerntinctionen auch bei anderen Farbstoffen keinen Vortheil gewährt, Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. 327 Ich bin weit davon entfernt, das hier besprochene Verfahren zu überschätzen. Es findet in meiner Werkstätte nur beschränkte Anwendung neben den übrigen Färbemitteln: Carmintincturen, Pikrocarmin, Hämatoxylin, Methylviolett, welche es niemals wird entbehrlich machen können. Ja es hat ihnen gegenüber einige erhebliche Nachtheile. Der grösste ist, dass das Hermann’sche Verfahren sich nur für Objecte eignet, die beim Uebertragen in Alkohol sehr rasch von diesem durchdrungen werden können: also entweder Schnitte oder dünne Flächenpräparate. Bei allen dicke- ren, oder schwer diffundiblen Objecten wird bei der Alkoholaus- waschung der Farbstoff bereits aus den oberflächlichen Schichten entfernt, während er in der Tiefe noch diffus vertheilt ist; man erhält von solchen also niemals gleichmässig tingirte Präparate. Für das Durchfärben grösserer Stücke vor dem Schneiden ist also diese Tinetion durchaus unbrauchbar. — Ein anderer Uebel- stand ist, dass die Präparate in Glycerin und Kali aceticum nicht Farbe halten, so dass man für längere Aufbewahrung stets auf die starklichtbrechenden Harze angewiesen ist, in denen ja alle nichtgefärbte feinere Structur an Deutlichkeit sehr verliert. Wo es auf diese ankommt, muss man sie also vor dem dauernden Einschluss, in Wasser (s. oben) studiren. — Endlich muss man es hinnehmen, dass nicht alle Präparate in durchaus gleicher Färbungsintensität gerathen; denn schon ein geringer Unterschied in der Dauer der Alkoholauswaschung bewirkt darin Verschieden- heiten. Aber bei alledem ist die Methode für einen Zweck kaum übertrefflich; und deswegen habe ich sie hier in Erinnerung ge- bracht. Wo es darauf ankommt, an Chromsäurepräparaten reine Kerntinetionen zu machen, und zwar die schönsten, schärfsten, die sich bis jetzt überhaupt liefern lassen: da kommt ihr kein anderes Verfahren gleich. — Die lange vernachlässigte Chromsäure ist in neuerer Zeit wieder zu Ehren gekommen!); sie hat für die Kennt- niss der Zellstrueturen und Zelltheilungsvorgänge als Fixirungs- 1) Ich darf dafür auf Mayzel’s und meine Arbeiten verweisen. 8. dies Archiv Bd. 16, p. 328 und das dortige Lit.-Verzeichniss. Ich unterlasse nicht daran zu erinnern, dass hier nur von Chromsäure, nicht von den chrom- sauren Salzen die Rede ist, welche letzteren für intracellulare und nucleare Structur nur sehr unsichere Reagentien sind. 328 Walther Flemming: mittel viel genützt, und wird bei weiteren Studien darüber unter den Reagentien nicht fehlen dürfen; sie wird aber ihren vollen Nutzen stets erst in Verbindung mit Tinetion leisten können. Und Kerntinetionen reiner Art und von wirklicher Schärfe sind an Chromsäurepräparaten weder mit Carmin, noch Essigearmin, noch Alauncarmin oder Pierocarmin, noch endlich mit Anilinen bei an- derem Verfahren als dem Hermann’schen, zu gewinnen. Ich kenne nur ein Mittel und habe es auch viel benutzt (s.a.a. O.), das bei günstigster Wirkung gleich schöne Kernfärbung an Chromsäure- objecten geben kann, wie die Hermann’sche Tinetion, dies ist Hä- matoxylin. Aber es ist viel unsicherer. Während bekanntlich nichts leichter fällt, als mit irgendeiner der gebräuchlichen Hämatoxylin- tineturen an Alkohol- oder Chromkalipräparaten sehr reine und brillante Kernfärbungen zu machen, misslingt dies in den meisten Fällen an Chromsäurepräparaten. Man erhält hier mit stärkeren Hä- matoxylinlösungen stets Mitfärbung des Zellplasma und der Intercel- lularsubstanzen !), und sieht sich auf den Gebrauch von schwäche- ren, am besten ganz dünnen verwiesen. Da aber bekanntlich die Hämatoxylinlösungen äusserst veränderlich sind, je nach der Menge Hämatöin, das sie durch Ammoniakaufnahme aus der Luft bilden, und vielleicht noch aus anderen, nicht näher bekannten Ursachen; da ferner das Färbungsvermögen je nach der Dauer der Chrom- säurehärtung verschieden ist: so lassen sich für dies Tingiren gar keine sicheren Regeln geben, man bleibt immer auf ein zeitrau- bendes Herausprobiren „guter* Hämatoxylinlösungen und der ge- eignetsten Verdünnungsgrade angewiesen. Die besten Färbungen, die ich auf solehe Weise gewonnen habe, stehen allerdings meinen besten Anilinpräparaten sonst in nichts nach, — nur leider darin, dass sie nach längerer Zeit auch in Harzeinschluss abzublassen pflegen. — Bei dieser Sachlage wende ich das Hämatoxylin für Studium über Kernstrueturen meistens nur dort an, wo sich die Hermann’sche Färbung nicht brauchen lässt oder doch sehr un- sicher ist (Pikrinpräparate); oder dort, wo grade einige, Mitfärbung des Zellplasmus oder der achromatischen Kernfäden gewünscht wird. In Summa: Wo es sieh darum handelt, die natürliche Struetur inZellkernen und an Kerntheilungen so treu zu 1) Dasselbe gilt für Pikrinpräparate. Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. 329 eonserviren, wie dies besonders dureh Chromsäure ge- linst; und weiter, die so fixirten Kerne und Kernfiguren dureh starke Färbung und Aufhellung genau studirbar zu machen: da verdient das hier besprochene Verfahren den Vor- zug vor allen andern bis jetzt bekannten. — Wo man dagegen weiter nichts beabsichtigt, als Färbung sämmtlicher Kerne in toto ohne Rücksicht auf besonders naturgetreue Fixirung, sind andere der sonst bekannten Mittel viel bequemer, besonders Alkohol- Alauncarmin. Es soll hierbei noch erwähnt sein, dass die Chromsäure und ebenso die Pikrinsäure zwar für die meisten Gewebsformen der Wirbelthiere!) in Bezug auf Structurerhaltung das obige Lob ver- dient, dass es jedoch einige Zellenarten gibt an denen sie weni- ger darin leisten, als andere Reagentien. Die rothen Blutzellen der Amphibien sind dafür ein Beispiel. — Ferner ist stets fest- zuhalten, dass die Concentration der Chromsäurelösungen für das Gewebe, das man behandeln will, ausprobirt sein will; ohne dies würde man sich oft enttäuscht finden. Anhangsweis theile ich noch mit, dass ich auch an mit Osmium- säure fixirten Kerntheilungen verschiedene Färbungsversuche an- gestellt habe. Ohne Tinction sind die Theilungsfiguren an solchen Objecten sehr blass, nicht hinreichend erkennbar. Mit Safranin u.a. der obengenannten Farbstoffe, unter nachheriger Auswaschung mit Alkohol und Montirung in Nelkenöl-Lack, gelingen ihre Fär- bungen zwar stets nur in der Weise, dass das Protoplasma der Zellen leicht mitgefärbt wird, aber doch so, dass die Kernfiguren recht schön studirbar sind. Noch besser gelingt die Tinction an Objecten, die mit dem von Flesch angegebenen Osmium-Chrom- säuregemisch?) fixirt sind; und zwar an solchen besonders gut mit Hämatoxylin in stark verdünnter Lösung. — Wenn auch diese Präparate in Bezug auf die Klarheit und scharfe Färbung der Kernfiguren denen nachstehen, welche mit Chromsäure-Anilin oder Uhromsäure-Hämatoxylin gewonnen sind, so können sie doch dienen 1) Bei Wirbellosen habe ich bisher an Anthropoden und Mollusken ebenfalls sehr gute Fixirungen erhalten, über Andere noch kein endgültiges Urtheil. 2) Dieses Archiv Bd. 16. 330 W. Flemming: Ueber das E. Hermann’sche Kernfärbungsverfahren. um zu zeigen, dass die Kerntheilungsfiguren dureh Osmiumsäure in ganz denselben Phasenformen fixirt werden, wie durch die übrigen von mir gebrauchten Reagentien. Die Längsspaltung der Kernfäden in den Sternformen z. B. ist auch an den Osmiumprä- paraten aufs Klarste ausgesprochen; die achromatische Fadenfigur an ihnen sogar vielfach deutlicher, als nach Chrom- oder Pikrin- behandlung. Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. Von Dr. W. Wolff. Hierzu Tafel XVII. Ohne auf die Literatur einzugehen, da dieselbe bereits in vielen anderen Werken zusammengefasst ist, will ich mich nur darauf beschränken, die Ergebnisse meiner Untersuchungen mitzutheilen. Die Objecete wurden von Gliederthieren und von allen Classen der Wirbelthiere genommen, wurden im frischen lebenden Zustande, ferner mit Metallen, wie Gold, Silber, Ueberosmiumsäure behandelt untersucht, ferner mit organischen Säuren wie Essig-, Pikrin-, schwefliger-Säure; sie wurden in ihrem Zusammenhange und isolirt untersucht. Bei allen diesen verschiedenen Untersuchungsmethoden sowohl, als auch bei den sämmtlichen untersuchten Thieren wurde ein und dasselbe Prineip der Nervenendigungen gefunden. Ich muss demnach auf Grund meiner Untersuchungen einen wesent- lichen Unterschied der Nervenendigungen der verschiedenen Classen der Wirbelthiere vollständig bestreiten. Das Prineip ist folgendes: Die Endverzweigungen liegen ausserhalb des Sarkolemmaschlauchs, dieselben sind stets mark- haltig und besitzen die Schwann’sche Scheide; der Endigungs- punkt der einzelnen Ausläufer ist dadurch gegeben, dass die Schwann’sche Scheide (das Neurilemma) continuirlich in das Sarkolemma übergeht, der Nerveninhalt d. h. also der Axeneylinder mit seinem Markmantel an dieser Stelle die quergestreifte Sub- stanz berührt. An diesem Punkte hört der Nerv auf. Ob er hier nun continuirlich mit einer Fibrille zusammenhängt oder sich nur in inniger Contiguität befindet, kann nur die Entwieklungsge- schichte entscheiden; jedenfalls ist der Zusammenhang ein sehr inniger, worauf wir noch später zurückkommen werden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 23 332 W. Wolff: Kommen wir nun zu den verschiedenen Untersuchungsme- thoden und zu den Resultaten derselben. Will man die Nerven- endigungen im frischen lebenden Zustande untersuchen, so kann man dies sowohl an Isolationspräparaten, als auch, indem man die Muskeln in ihrem natürlichen Zusammenhange lässt. Ersteres hat den Nachtheil, dass die Präparate nicht ihre natürliche Form behalten; denn grade so wie beim mechanischen Zerzupfen das intermuskuläre Bindegewebe gezerrt wird und schliesslich zer- reissen soll, ebenso wird in noch viel höherem Grad der Nerv sezerrt, reisst hier und da ein und schliesslich ganz ab; die Nerven- ansatzstelle ist in einen Kegel oder Trichter ausgezogen, das Nervenmark, das an verschiedenen Stellen ausgetreten ist, giebt die sonderbarsten Bilder. Man muss also zu Isolationspräparaten solche Thiere benutzen, bei denen das intermuskuläre Bindegewebe nur sehr spärlich und zart vorhanden ist, ferner nicht gar zu fein isoliren, sondern die Stelle die man untersuchen will, stets noch im Zusammenhange mit der Umgebung lassen, so dass sie ja nicht gesperrt wird. Untersucht man nun auf diese Weise z. B. die Muskulatur vom Hydrophilus piceus, wo man gut thut, die helle Thoraxmuskulatur zu benutzen, so findet man vor allem den sog. Doye&re’schen Hügel an der Eintrittstelle des Nerven nicht, sondern, wie in Fig. 1 eine ganz unscheinbare Endigung. Der äusserste Nervenfaden, der sich bei diesem Thiere gewöhnlich nicht mehr theilt, also nur als ein einzelner feiner Schlauch das Muskelprimitivbündel erreicht, hört plötzlich auf; an dieser Stelle seht das Neurilemma eontinuirlich in das Sarkolemma über, Mark und Axeneylinder, die bis hier auf dem Sarkolemma gelegen haben, treten nun mit der Fibrillensubstanz in Contact und hören an dieser Stelle auf. In dieser Gegend häufig so, dass sie den Endigungs- punkt des Nerven verdecken, liegen einige Kerne auf dem Sar- kolemma, die bei nicht genauem Zusehen als eine granulirte Sohle imponiren. Die Anzahl derselben ist variabel, doch ist sie bei diesem Thiere, bei dem das intermuskuläre Bindegewebe sehr spärlich entwickelt ist, nie gross: eins bis drei. Was ist nun aus dem Doyere’schen Hügel geworden? Doyere!) selbst hat den- selben bei den Bärthierchen gefunden und seine Untersuchungen 1) M. Doy&re, Memoire sur les Tardigrades. Annales des sc. natur. 1840, Tom. XIV, 2 Serie. Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 335 sind in neuerer Zeit von Greeff!) bestätigt worden; ebenso be- schreibt unter anderen auch Wagener?) die Nervenendigungen bei den Muskeln der Corethra Plumicornis-Larve als trichterförmig. Doch wie man diese Befunde verallgemeinert hat und sie auch auf die Nervenendigungen der Wirbelthiere übertragen hat, ist entschieden unrichtig. Es ist ja im höchsten Grade wahrscheinlich, dass der Nerv stets beim Uebergang in die quergestreifte Muskel- faser die Form eines plattgedrückten Kegels annimmt. Denn denken wir uns z. B. einen contrahirten Muskel mit seinen an ihm endenden Nerven und nehmen an, dass der Nerv an dem Punkte Fig. 3a, an dem das Neurilemma desselben in das Sar- kolemma der Muskelfaser übergeht, seine runde Form und Dicke genau beibehielte, also als eine nicht erweiterte Röhre an die Muskelfaser heräanträte, so muss derselbe, sobald die Muskelfaser in den Ruhezustand zurückkehrt, an seinem Uebergang in die Muskelfaser die Form eines plattgedrückten Kegels annehmen, wie in Fig. 3b dargestellt ist. Denken wir uns den Nerv, nun als nicht erweiterte runde Röhre an die ruhende Muskelfaser treten, so muss bei der Contraetion derselben das Nervenende ebenfalls die Form eines plattgedrückten Kegels annehmen, der zu dem vorher gedachten in einem Winkel von 90° steht und an seiner Basis noch mehr zusammengedrückt ist. Es leuchtet hiernach ein, dass man sich eine Nervenendigung, wie sie in Fig. 3a gezeichnet ist, nur bei einem ganz bestimmten Contraetionszustand des Muskels vorstellen kann. Je dieker nun die Nervenröhre im Verhältniss zum Muskelschlauch ist und je grösser die Excursionen des Mus- kelfadens sind, um so grösser wird dieser kegelförmige Uebergang des Neurilemma in das Sarkolemma, doch ist schon bei den Ner- venendigungen des Hydrophilus z. B. der Nervenschlauch im Verhältnisse zur Muskelfaser so fein, dass diese trichterförmige Erweiterung bei ungezerrtem Präparate nieht mehr zu sehen ist, noch viel weniger ist eine solche bei den feinen Nervenausläufern an den Wirbelthiermuskeln zu demonstriren. Man muss sich, wenn man eine derartige triehterförmige Endigung sieht, stets verge- 1) Dr. R. Greeff, Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. Dieses Archiv Bd. 1. 2) Wagener, Ueber einige Erscheinungen von den Muskeln der Core- thra Plumicornis-Larven. Arch. f. mikrosk. Anatomie X. 334 W. Wolff: wissern, dass dieselbe kein Kunstproducet sei. Es liegt ja auf der Hand, dass eine Nervenendigung wie sie in Fig. 1 dargestellt ist, ebenfalls sobald sie vom Muskel abgezerrt wird, die Form eines Kegelmantels annehmen muss. Man kann sich diese Form unter dem Mikroskope willkürlich herstellen, wenn zufällig die Nerven- endigung mit einem längeren makroskopisch sichtbaren Nervenfaden zusammenhängt; zerrt man nämlich an diesem Faden mit der Präparirnadel ein wenig, so sieht man den Trichter entstehen und bei Unterbrechung des Zuges wiederum verschwinden. Dieser Trichter entsteht auch zufällig auf andere Weise. Die beschriebenen Gebilde sind so zart und weich, dass sie schon durch das vor- sichtigste Auflegen des Deckglases selbst bei untergelegtem Haare ihre Form verändern. Fig. 1 zeigt eine Nervenendigung bevor ein Deckglas aufgelegt ist, : Fig. 2 dieselbe nach Auflegen eines solchen. Dieses Bild ist noch dadurch besonders interessant, weil man an ihm bei noch lebendem Nerven den Axenceylinder zu Ge- sicht bekam, und sehen konnte, wie innig derselbe mit der fibril- lären Substanz des Muskels zusammenhing; man sieht, dass das Fibrillenbündel dem Zuge des Axencylinders gefolgt ist und einen kleinen Kegel, dessen Spitze in den Axencylinder ausläuft, bildet. Diese Figur liegt nun in dem grösseren Kegel, der durch den Zug des Neurilemma am Sarkolemma gebildet ist. An diesen Bildern suchte ich nun die Frage zu entscheiden ob der Axen- eylinder an die einfach oder an die doppelt brechende Substanz heranginge, jedoch war es nicht möglich einen Aufschluss hierüber zu erhalten. Die richtige Einstellung des Tubus bewegt sich bei der Dicke des Objects in einer gewissen Breite, und in diesem Spielraume geht der Axencylinder scheinbar hin und her und scheint bald in die doppelt brechende bald in die einfach brech- ende Substanz überzugehen. Wenn nun aber behauptet wird, dass man bei eben diesem Thiere im Doyere’schen Hügel den Axencylinder sich habe theilen, und diese Theilungen mit den Mittelscheiben der Muskelfaser in Verbindung treten sehen, so hat man abgesehen davon, dass man erst einen künstlichen Doyere- schen Hügel durch Zug oder Druck hervorgerufen, die Faltungen in demselben für Theilungen des Axencylinders angesehen und schliesslich das Unmögliche möglich gemacht, diese Falten mit den Mittelscheiben der Muskelfaser in Verbindung treten sehen. Dass übrigens der Doye&re’sche Hügel bei manchen Thieren kein Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 335 constantes (!!) Gebilde sei, beschreibt schon Arndt!), der denselben an ein und demselben Primitivbündel findet und auch vermisst, ja an einigen Präparaten durch Quellung herstellt und ihn dann noch als natürliches Gebilde auffasst. Will man die Muskeln in ihrem natürlichen Zusammenhange untersuchen, so kommt es vor allem darauf an einen dünnen platten Muskel zu erhalten, dieses leistet der Brusthautmuskel des Frosches. Man präparirt denselben schnell frei, spannt ihn auf einen Korkring, der an dem Objeetträger angekittet ist, auf und füllt den Hohlraum mit Y/spCt. Kochsalzlösung aus, dann kann man mit den stärksten Immersionssystemen die Nervenendigungen hinreiehend beleuchtet studiren. Natürlich muss man sich solche aussuchen, die ganz oberflächlich liegen. Man kann an diesen lebenden Präparaten alles sehen, was man nur am Nerven durch Reagentien leichter erkennbar machen kann. Der Nerv theilt sich auf der für seine Endigung bestimmten Muskelfaser gewöhn- lich in zwei etwas dünnere Fäden, die meist divergiren, sehr häufig im Winkel von 180 auf der Muskelfaser eine kurze Strecke verlaufen, an ihren respectiven Enden ihre Schwann’sche Scheide in das Sarkolemma übergehen lassen und markhaltig mit ihren äussersten Enden die Fibrillen berühren; sobald dies geschehen d. h. centripetal von diesem Berührungspunkte, ist nichts mehr von dem Nerven zu sehen, hier ist sein wirkliches Ende. Gewöhn- lich theilt er sich, wie gesagt, in zwei Terminalfäden, doch endigt er auch öfter ungetheilt wie in Fig. 10a und wiederum mit mehr Endfasern wie in Fig.5. An den Terminalfasern liegen Kerne, die häufig diese Fasern zum Theil verdecken, so dass sie plötzlich aufzuhören und hinter dem Kerne wieder zu beginnen scheinen. Die Kerne reflectiren nämlich das Licht so stark, dass man die darunter befindliche Nervenfaser nur schwer sieht. Scheinen diese Kerne | den Terminalfasern seitlich angelagert, so ist der Nerv d. h. ge- nauer der Markmantel an diesen Stellen um so viel dünner, als der halbe senkrecht auf den Verlauf der Nervenfaser stehende Durchmesser des Kernes beträgt Fig. 4a, auch um mehr wenn die Längsaxe des meist ovalen Kernes mehr nach innen von der Schwann’schen Scheide liegt. Dadurch erscheinen diese Fasern 1) Arndt, Untersuchungen über die Endigungen des Nerven in den quergestreiften Muskelfasern, Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. IX, 336 W. Wolff: manchmal viel dünner, als sie es in der That sind, (wenn man nämlich irrthümlich diese Kerne als nicht zum Nerven gehörig auffasst) ja als seien sie marklos; doch dem genauen Beobachter wird nicht entgehen, dass zwischen diesen Kernen der Nerven- inhalt wieder seine normale Dicke hat. Diese Kerne welche unter das Sarkolemma von vielen Autoren versetzt und als Besatzkör- perehen und dergleichen beschrieben werden, liegen auf dem Sarkolemma und sind die Kerne der Schwann’schen Scheide. Ausser diesen eben erwähnten Kernen liegen noch um die Endi- gungen herum meistens einige Kerne, die bei den Nervenendi- gungen der Amphibien selten in grosser Anzahl vorhanden sind, auch gänzlich fehlen können wie z. B. in Fig. 8. Diese Kerne gehören zu dem Bindegewebe das die Nerven und Gefässe be- gleitet, ferner sind es Kerne des Sarkolemma. | Um die Nerven in einem wie oben beschriebenen Präparate deutlicher hervortreten zu lassen, behandelt man dasselbe mit Ueberosmiumsäure. Ein sauber abpräparirter Brusthautmuskel des Frosches wird mit Igelstacheln auf einen Kork gespannt, (man thut gut den Kork vorher mit der Lymphe des Frosches zu be- feuchten um das Austrocknen durch denselben während des Auf- spannens zu verhindern) dann 24 Stunden der Einwirkung einer Lösung von Ueberosmiumsäure von 0,02 pCt. ungefähr ausgesetzt und in destillirtem Wasser untersucht. Um das Nachdunkeln zu verhindern, kann man das Präparat später einige Zeit in Beale’- sche Carminlösung legen. Die Muskeln haben nun eine gelblich- braune Färbung, während der Nerv die des Schiefers angenommen hat. Um die oben erwähnten Kerne deutlicher sichtbar zu machen, kann man ein solches Präparat mit ganz verdünnter Essigsäure behandeln. Bis auf die distinetere Färbung gleichen diese Prä- parate genau den oben erwähnten frischen Präparaten. Man könnte nun einwenden, die beschriebenen Nervenendi- gungen seien noch nicht die äussersten Ausläufer, sie sezten sich z. B. noch in marklose Fasern fort, die weder im frischen Zu- stande sichtbar, noch durch Ueberosmiumsäure gefärbt würden. Diese Befürchtungen hegte ich auch im Anfange meiner Unter- suchungen, und habe daher Controllversuche mit Gold- und Silber- färbung gemacht. Die Behandlung mit Silber hat den grossen Nachtheil, dass sie negative Bilder giebt, und falls man alles, was weiss geblieben, für nervös ansieht, zu den sonderbarsten Figuren Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 337 und Schlüssen verleitet. So ist es Gerlach!) ergangen, der sicherlich in seinen Bildern Taf. I Fig. 1—3 überhaupt gar keine Nervenendigungen vor sich gehabt, wie ihm schon Ewald nach- gewiesen hat. Dass man aber auch bessere Bilder erhalten kann, zeigt die Arbeit eben dieses Forschers, doch eignen sich zum Studium der Nervenendigungen die Goldpräparate besser. Ich bediente mich des Goldehloridkaliums von 0,03 pCt. Ein Brust- hautmuskel des Frosches wurde auf die oben angegebene Weise präparirt, 24 Stunden der Wirkung der Goldflüssigkeit ausgesetzt, dann kurze Zeit in mit Essigsäure angesäuertem Wasser abgewa- schen und in destillirtem Wasser untersucht. Um naturgetreue senaue Bilder zu erhalten, muss man vor allem darauf sehen den noch lebenden ungezerrten Muskel in das Reagens zu legen, an- dernfalls kann man allerdings alle nur denkbaren Bilder erhalten. Sind die Präparate gut gelungen, so haben die Nerven eine vio- lette Färbung angenommen, während die Muskeln goldgelb gefärbt sind. — Das Gold wird bekanntlich vom Axeneylinder mehr re- dueirt als vom Nervenmark, während bei der Ueberosmiumsäure das umgekehrte Verhältniss stattfindet; ganz allein nur in dieser Beziehung unterscheiden sich die ersteren von letzteren Präparaten Während der durch Ueberosmiumsäure gefärbte Nerv stets das Aussehen eines homogenen Bandes hat, sieht man bei recht ge- lungenen Goldpräparaten den Axeneylinder als dunkel violett gefärbten Faden in einer hellen gefärbten Masse, dem Nervenmark verlaufen, wie in Fig. 6 und Fig. 7b. Bei nicht so schön gelunge- nen Präparaten liegt das Mark in kleinen faltigen Klumpen inner- halb der Schwann’schen Scheide, während man den Axencylinder als dunklen Faden durch dasselbe hindurchziehen sieht oder das Mark ist gar nicht gefärbt, was häufig an den Nervenenden vor- kommt und man sieht den gefärbten Axencylinder in einer weiten Röhre der Schwann’schen Scheide an die fibrilläre Substanz herantreten wie in Fig. 7b, in dieser Röhre sieht man wiederum hie und da einen grossen blassen Kern. Derartige Bilder hat Ewald?) auch bei mit Gold und ähnliche bei mit Silber behan- delten Muskeln erhalten. Er beschreibt sie folgendermassen: „Bei 1) I. Gerlach, Ueber das Verhalten der Nerven zu den quergestreiften Muskeln, Sitzungsbericht der physik.-med. Societät in Erlangen 1873. 2) A. Ewald, Pflüger’s Archiv für Physiologie Bd. XII, 1876. 338 W. Wolff: Silberpräparaten sah ich innerhalb der breiten weissen Bänder einen feinen blassen etwa die halbe Breite einnehmenden Faden verlaufen, der an Dieke den durch Gold gefärbten Axencylindern gleichkommt, und ich glaube die Silberbilder richtig zu deuten, wenn ich annehme, dass die weissen Bänder von den letzten Theilungen der Axeneylinder nicht vollständig ausgefüllt werden, sondern mehr Kanäle in der quergestreiften Substanz darstellen, in welchen die Axeneylinder noch mit gewissem Spielraume ein- gebettet liegen. Wesentlich bestärkt wurde ich noch in dieser Ansicht durch das Bild einer vergoldeten Muskelfaser vom Frosch, welche bei zwar schwacher Färbung aufs deutlichste in einem scharf eontourirten am Ende abgerundet geschlossenen Kanale den varikös veränderten Axeneylinder zeigt, welcher zwar jeden- falls ursprünglich nicht so fein war im Verhältniss zum Kanale sondern, wie die vielfachen Auftreibungen zeigten, jedenfalls in Folge der Behandlung wesentlich verändert ist. Vor Verwechslung mit einem Capillargefässe war ich geschützt durch den klaren Zusammenhang mit den Nerven und dadurch, dass der Kanal nicht ausserhalb sondern innerhalb des Sarkolemma lag.“ Ich habe derartige Bilder, wie gesagt, häufig zu Gesicht bekommen, erkläre sie jedoch anders. Der Kanal ist die Schwann’sche Scheide, die nicht innerhalb sondern wie man an Nerven, die schräg auf den Muskelfaden zu verlaufen und an der Grenze des- selben endigen mit aller Genauigkeit sehen kann, ausserhalb des Sarkolemma liegt. In derselben verläuft der wenn auch nicht varikös veränderte Axeneylinder, so doch der variköse Nerv d. h. Axeneylinder mit Markscheide. Dass die Endigung markhaltig ist, folgt ja schon ohne weiteres aus der Vergleichung mit den durch Ueberosmiumbehandlung erhaltenen Bildern. Ewald wäre sicher- lich bei seinen richtigen Beobachtungen auf die richtige Deutung gekommen, wäre er nicht von der Vorstellung ausgegangen, dass die Endverzweigungen innerhalb des Sarkolemma lägen. Er sieht den Axeneylinder in eine Masse eingebettet, die bei der Behand- lung mit Argentum nitrieum weiss bleibt, bei der Goldbehandlung sich manchmal mehr, manchmal weniger färbt, jedenfalls eine geringere Reductionsfähigkeit gegen Gold besitzt als der Axen- eylinder; er kommt zu dem Schlusse, dass der Axencylinder mit einem gewissen Spielraume in einem Kanale eingebettet liege. Was sollte diesen Spielraum ausfüllen? Gewebsflüssigkeit? sie Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 339 würde sich den angegebenen Reagentien gegenüber anders ver- halten. Diese Einbettungsmasse entspricht aber grade in ihrem Verhalten zu den Reagentien allen Anforderungen, die wir an das Nervenmark stellen. Man erhält übrigens auch ebensolche Bilder bei Goldpräparaten von andern markhaltigen feinen Nerven, so z. B. sieht man häufig bei Goldpräparaten der Harnblase vom Frosch ebenfalls den Axencylinder m einem weiten Kanale verlaufen. Was sollte hier der Kanal anders sein, als die Sehwann’sche Scheide? Ein anderes Mal sieht man an dem Axeneylinder das Mark in faltigen Klumpen hängen und grosse blasse Zellen auf ihm liegen. — Die Auftreibungen Ewald’s. — Der Einzige, der einmal von markhaltigen Nervenendigungen spricht, scheint Carl Sachs!) zu sein, derselbe bemerkt beiläufig in seinen Untersuch- ungen über die sensiblen Fasern der quergestreiften Muskeln, dass bei der Fledermaus die motorischen Nervenendigungen markhaltig wären. Ich habe ferner Präparate nach der Methode dargestellt, die Carl Sachs zur Demonstration der sensitiven Nervenendigungen im Muskel angewandt hat. Die Muskeln wurden lebend in 1 pCt. Essigsäure gelegt, nach 24 Stunden abgewaschen und ebenso lange der Wirkung einer ganz verdünnten Pikrinsäure-Lösung ausgesetzt und dann in Glycerinwasser untersucht. Diese Präparate haben einen sehr hohen Grad von Durchsichtigkeit und man kann an denselben, auch wenn sie nicht sehr dünn sind, die Nervenendi- gungen genau studieren. Man erhält dadurch, dass bei dieser Methode die verschiedenen Kerne sehr in den Vordergrund treten den weiter unten zu beschreibenden Isolationspräparaten nach Kühne ähnliche Bilder; sie unterscheiden sich nur dadurch von jenen, dass die Schwann’sche Scheide deutlicher hervortritt, als bei den Kühne’schen Präparaten. Man kann sich auch bei dieser sehr empfehlenswerthen Methode an den so durchsichtigen Bildern mit aller Genauigkeit überzeugen, dass das Ende der Nerven an dem Punkte ist, wo er das Sarkolemma durchbohrt und markhaltig an die fibrilläre Substanz herantritt. Fig. 8a stellt eine auf diese Weise erhaltene Nervenendigung dar, bei der man ganz genau den Uebergang des Neurilemma in das Sarkolemma verfolgen kann. 1) Physiolog. und Anatom. Untersuchungen über die sensiblen Nerven der Muskeln Reichert u. du Bois Reymond Archiv 1874, 340 W.SWol£t: Ebenfalls kann man bei diesem Präparate das Herantreten des markhaltigen Nerven an die fibrilläre Substanz mit aller Genauig- keit sehen, da zufälliger Weise gar keine Kerne um die Endigung herumliegen, die das Bild unklarer machen könnten. Bis jetzt habe ich nichts von Endknospen und Besatzkörper- chen beschrieben; um diese zu sehen stellte ich Präparate genau nach der von Kühne angegebenen Isolationsmethode her. Lebende Muskeln vom Frosch wurden auf 24 Stunden in eine sehr ver- dünnte Lösung von schwefliger Säure gelegt, dann einige Stunden in destillirtem Wasser auf 40°C erwärmt und in Glycerin unter- sucht. Durch diese, wie durch die soeben beschriebene Methode, gestalten sich die Nervenendigungen auf den ersten Blick etwas anders. Dieselben Kerne, die bei den übrigen Präparationsmetho- den neben dem Nerven mehr in den Hintergrund treten, nehmen hier meist die Hauptrolle ein. Doch hat man sich einmal daran gewöhnt, sein Augenmerk mehr auf den unscheinbareren Nerven zu richten, so sieht man ebenfalls denselben sich markhaltig zwi- schen diesen Kernen hindurchwinden und schliesslich plötzlich aufhören, das Neurilemma, das man meist bei dieser Präparations- methode als zwei dünnere Striche an beiden Seiten des Nerven verlaufen sieht, hat an dieser Stelle ebenfalls sein Ende. Es kommt auch wohl einmal vor, dass eine Bindegewebsfibrille von der Schwann’schen Scheide bis zu einem der herumliegenden Kerne hinzieht, doch darf ein Mikroskopiker dies nicht für eine marklose Verzweigung des Nerven halten. Die Kerne, die an und auf den Nervenendverzweigungen liegen, sind keine Besatzkörper- chen oder Endknospen, sondern Kerne der Schwann’schen Scheide. Es scheint manchmal, als endige der Nerv in einen Kern, doch abgesehen davon, dass zufällig einmal ein Kern direct über der Endigungsstelle des Nerven liegt, sieht man oft bei grösserer Auf- merksamkeit den Nerven an dem Kerne vorbeiziehen und manch- mal erst ziemlich entfernt von dieser Stelle endigen. Es ist wie gesagt der Nerv bei dieser Präparationsmethode sehr blass und man verliert ihn daher leicht aus den Augen vergl. Fig. 9 Deut- licher tritt derselbe hervor wenn man ein derartiges Präparat mit Ueberosmiumsäure behandelt, vergl. Fig. 10. Was nun die Frage betrifft, ob die äussersten Nervenendi- gungen intra- oder extravaginal verlaufen, so werden wie be- Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel 341 kannt beide Ansichten vertreten!). Kühne behauptet, er habe in der dureh verdünnte Säure flüssig gemachten quergestreiften Sub- stanz den Nerven flottiren sehen. Dem entgegen behauptet Köl- liker?), er habe bei derselben Präparationsmethode die Nerven- endigung über dem Sarkolemma flottiren sehen. Wenn es schon schwer ist die Niveauverschiedenheit des Nerven gegenüber einer quergestreiften anderen Substanz zu bestimmen, so ist es gradezu unmöglich dieselbe festzustellen, wenn letztere in eine ungefärbte homogene Masse verwandelt ist. Ich möchte annehmen, dass in den Fällen, in denen die Autoren den Tubus bei Einstellung der Nervenendigung haben tiefer einstellen müssen als auf die Ober- fläche der Muskelfaser, dieselben entweder Nervenendigungen ge- sehen haben, die auf der ihnen abgewandten Seite der Muskelfaser endigten, oder bei nicht ganz isolirten Präparaten Endigungen, die an ein darunter liegendes Primitivbündel herangingen. Ich werde um so mehr zu dieser Annahme gedrängt, als beim Frosche wenig- stens die Endausläufer im Allgemeinen gar nicht so viel verzweigt sind, als die Autoren gewöhnlich zeichnen. Fig. 5 zeigt eine aus- nahmsweise vielverzweigte Nervenendigung im Froschmuskel. Es ist aber der Irrthum leicht zu begehen, dass wenn man mit der Mikrometerschraube einer Endigung folgt, man in eine andere darunter liegende hineinkommt und man diese nun für die Fort- setzung der ersteren hält. — Daher wohl auch der Zusatz mancher Autoren zu ihren Bildern: „dieselben sind bei verschiedenen Ein- stellungen des Focus entworfen“! — Wie sehr man sich aber in der Niveaubestimmung täuschen kann beweisen die Angaben von Arndt). Dieser Forscher sieht aus den unter dem Sarkolemma befindlichen Nervenendverzweigungen wiederum Nervenfasern sich abzweigen, das Sarkolemma durchbohren um dann an einer ande- ren Muskelfaser zu endigen. Etwas derartiges kommt nie vor, es wäre ja auch nach unserer Anschauung unmöglich, da der Nerv sobald sein Neurillemma mit dem Sarkolemma verschmolzen ist mit der fibrillären Substanz in Verbindung tritt und an diesem 1) Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. 2) Kölliker, Mikroskopische Anatomie Bd. II. 3) Arndt, Untersuchungen über die Endigungen der Nerven in den quergestreiften Muskelfasern. Archiv für mikrosk. Anatom. Bd. IX, 342 IV. NOTE: Punkte endigt; das sind Fasern, die sich eben noch vor der En- digung selbstverständlich ausserhalb des Sarkolemma abzweigen. Es wurden nun die Nervenendigungen der Muskeln der üb- rigen Wirbelthierelassen untersucht, doch konnte ich einen wesentli- chen Unterschied zwischen den Nervenendigungen der Amphibienmus- keln einerseits und denen der übrigen Wirbelthierelassen andrer- seits nicht finden. Auch bei diesen Thierclassen sind die letzten Nervenenden noch markhaltig und liegen auf dem Sarkolemma. Untergeordnete Unterschiede sind dadurch gegeben, dass die Mus- keln mehr oder weniger intermuskuläres Bindegewebe enthalten. In je grösserem Masse dasselbe nämlich vorhanden ist nimmt auch die Zahl der Kerne um die Endigung herum zu. Bei man- chen Präparaten sind deren so viele namentlich bei den Nerven- endigungen der Säugethiere, dass sie noch manchmal seitlich über das eine Muskelprimitivbündel hinüber reichen und auf dem neben- liegenden Muskelfaden liegen. Ferner unterscheiden sich die Nervenendigungen durch die Länge wie durch die Dicke der Endverzweigungen; endlich durch die durchschnittliche Anzahl oder das Fehlen derselben. Am ähnlichsten den Nervenendigungen der Amphibien sind die der Knochen-Fische, dieselben sind jedoch im Allgemeinen dünner und besitzen mehr Kerne in ihrer Umgebung, vergl. Fig. 11, ferner ist die Anzahl der En- digungen in einer Muskelfaser eine bedeutend grössere. Dann folgen die Nervenendigungen der Reptilienmuskel. Dieselben sind jedoch weder so oft verzweigt, noch haben die letzten Aus- läufer im Allgemeinen eine solche Länge als die vorher beschrie- benen. Ich werde auf die Beschreibung dieser Nervenendigungen etwas weitläufiger eingehen, da sie ja von allen Forschern als Paradigma der Nervenendigungen aller anderen Wirbelthierelassen denen der Amphibien gegenüber gestellt werden. Alle früher angegebenen Methoden wurden auch beim Studium der Nervenendigungen dieser Thierelasse in Anwendung gezogen und gaben dasselbe Resultat. Die Nervenendausläufer, gewöhnlich zwei an der Zahl sind meist sehr kurz, erscheinen daher verhält- nissmässig dick und verlaufen fast immer im spitzen Winkel wie in Fig. 12, 13, 14. Doch kommen bei der Eidechse auch mitunter längere Endverzweigungen vor und dagegen beim Frosche ganz kurze, wie eine solche in Fig. 8b gezeichnet ist, die genau mit den Nervenendigungen der Eidechse übereinstimmt, nur nicht so Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 343 viel Kerne in ihrer Umgebung besitzt, wie jene gewöhnlich haben. Dieser Kerneomplex hat die Autoren zur Annahme einer Endplatte verleitet, und zwar hat man die von Kernen freigebliebenen Stellen der Muskelfaser d. h. die Zwischenräume zwischen den einzelnen Kernen, die bei einigen Präparationsmethoden etwas heller erschei- nen als die stärker lichtbrechenden Kerne, als eine netzförmige Ausbreitung der nun marklos gewordenen Nerven aufgefasst und unter das Sarkolemma versetzt. Ein Theil der Kerne, die mehr granulirt sind und deren Begrenzung man nicht sah, hat man für granulirte Substanz sog. Sohle aufgefasst, einen anderen Theil als Besatzkörperchen beschrieben. Sehen wir uns nach den Methoden um, durch welche diese illusorische Endplatte demonstrirt wurde, so ist es namentlich die Behandlung mit Argentum nitrieum, auf Grund der die Autoren die Existenz einer Endplatte annehmen zu müssen glauben. Behandelt man nämlich eine Nervenendigung z. B. von der Eidechse mit Sibernitrat, Fig. 17, so erscheint der markhaltige Nerv weiss; nun kann man vom Ende des Nerven zwischen den etwas dunkleren Kernen ein Netzwerk von helleren Bändern verfolgen, die je nach dem Hervortreten der Kerne breiter oder schmäler sind, mehr oder weniger mit einander communieiren. Je mehr Kerne nämlich hervortreten um so weniger Substanz erscheint zwischen ihnen, um so schmäler erscheinen daher die zwischen ihnen hinziehenden Bänder und umgekehrt, je weniger Kerne hervortreten, um so breiter erscheint die Zwischensubstanz und um so breiter die helleren Bänder. Diese bei der Silberbe- handlung nun heller erscheinenden Bänder hat man für die End- ausbreitung der marklosen unter dem Sarkolemma verlaufenden Nerven aufgefasst. Dagegen möchte ich erstens anführen, dass der Axencylinder (und die marklosen Ausläufer des Nerven könnte man doch nur als Fortsetzungen des Axeneylinders betrachten) überall, wo er des Markmantels beraubt der Einwirkung des Ar- gentum nitrieum ausgesetzt ist, sich bräunt und zwar durch seine ganze Dieke hindurch, worauf erst neuerdings Engelmann!) auf- merksam gemacht, also müssten die marklosen Ausläufer anstatt weiss eher braun erscheinen; ferner finde ich bei den Autoren nirgends diese Kerne wie in Fig. 17, 16, 15, 12 gezeichnet, die unzweifelhaft vorhanden sind; es werden von den verschiedenen 1) Pflüger’s Archiv. Bd. 22. Bonn 1880, 344 W. Wolff: Autoren wohl einige Kerne gezeichnet, doch bei weitem nicht in der Menge, wie sie in der That vorhanden sind. Und bei der Masse und zusammengedrängten Lage dieser Kerne ist wiederum die Existenz dieser breiten Bänder, wie sie bisher angenommen wurden, unmöglich. Ein ganz ähnliches Verhältniss wie durch die Silberbehandlung hervorgerufen wird und ähnliche Bilder erhält man, wenn man die Nervenendigungen mit !/s Alkohol behandelt, vergl. Fig. 12, worauf Ranvier!) in neuester Zeit seine Ansicht stützt. Durch die Behandlung mit !/; Alkohol schrumpfen die Kerne ein wenig und treten stärker hervor, durch das Schrumpfen der Kerne erscheint die zwischen denselben liegende Substanz et- was breiter und fasst man nun die Contouren der Kerne, die nur zum Theil gesehen wurden, als die Begrenzung der von Kernen frei gebliebenen Substanz auf, so hat man sich namentlich bei etwas zu hoher Einstellung des Tubus ein Netzwerk von hellen Bändern construirt. Vergleicht man z. B. die beiden Bilder, die Ranvier auf Tafel VIII vor und nach der Behandlung mit !/s Alkohol von der Nervenendigung der Eidechse gegeben hat, so werden sie ganz genau mit meiner Auffassung dieses Irrthums übereinstimmen. Vor der Behandlung mit '/; Alkohol zeichnet Ranvier einige nicht genau contourirte, sich kaum in dem Licht- breechungsvermögen von der Umgebung unterscheidende schmale Bänder. Nach der Behandlung mit 1/; Alkohol, nachdem die Kerne etwas geschrumpft sind, dunkler erscheinen, die Contouren dersel- ben deutlicher geworden, zeichnet er genau contourirte bedeutend heller als die Umgebung erscheinende breitere Bänder. Schliess- lich möchte ich das Hauptgewicht des Gegenbeweises darauf legen, dass noch kein Forscher im Stande gewesen ist diese sogenannten marklosen Endausbreitungen zu färben; dieselben mussten sich bei der Behandlung mit Gold röthlich färben, doch habe ich bei den exactesten Goldfärbungen nie auch nur eine Andeutung dieser marklosen Fasern darstellen können, sondern der markhaltige Nerv hört wie in Fig. 15 und 16 beim Eintritt in den Kernhügel, wie man sich auch bei allen anderen Präparationsmethoden über- zeugen kann, auf ohne eine Fortsetzung in marklose Fasern; und an den von Kernen frei gebliebenen Stellen sieht man nichts weiter als die Muskelsubstanz. Was übrigens einen Theil der 1) Ranvier, Lecons sur l’histologie du systme nervaux. Paris 1878. Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 345 beschriebenen Kerne anbetrifft, so sind dieselben nieht nur in der Umgebung der Nervenendigung vorhanden, sondern man sieht sie allenthalben nur nicht in soleher Anhäufung der Muskelfaser auf- liegen, namentlich aber im Bindegewebe, das mit den Gefässen und Nerven einherzieht. Es bleibt mir noch die Besprechung der Nervenendigungen der Vögel und Säuger übrig. Bei beiden Thierelassen endet der Nerv gewöhnlich ungetheilt, wie in Fig. 18, 19. Das intermusku- läre Bindegewebe ist bei diesen Thierclassen gewöhnlich etwas stärker ausgebildet, daher der Kernhügel, unter dem der Nerv endet, noch etwas grösser als bei den Reptilienmuskeln und grade bei den Säugern kann man häufig die Beobachtung machen, dass einige Kerne dieses Hügels gar nicht mehr auf der Muskelfaser liegen, an die der Nerv herangeht, sondern über der nebenliegen- den Muskelfaser gelagert sind. Ich habe nicht ohne Grund den Ausdruck gebraucht, der Nerv tritt in einen Kernhügel ein; es entsteht in der That bei den Nervenendigungen der Reptilien, Vögel und Säuger durch die vielen Kerne die eng um die Endi- sung herum gelagert sind, auch auf einander zum Theil liegen, an dieser Stelle eine geringe Erhöhung der Muskelfaser wie man bei Profilbildern deutlich sehen kann, vergl. Fig. 16. Bei den Nervenendigungen der Fische, bei denen die Kerne in geringerer Zahl vorhanden und die Endausläufer länger, die Kerne also wei- ter auseinander gelagert sind, ist eine solche Erhöhung kaum zu bemerken, noch weniger bei den Nervenendigungen der Amphibien. Doch ist dieser Kernhügel kein Analogon des Doy&re’schen Hü- gels; letzterer ist eine trichterförmige Erweiterung des Neurilemma beim Uebergang in das Sarkolemma, während jener Hügel durch eine Anhäufung von Kernen, die dem Bindegewebe um die Endi- gungen herum angehören, gebildet wird. Seine Höhe wird übrigens durch die bei der respectiven Präparation hervorgerufene Quell- ung modifieirt; beim unveränderten Objeete ist dieselbe nur äusserst gering. Nicht mit dieser Erhöhung der Muskelfaser ist eine an- dere scheinbare Erhöhung derselben zu verwechseln. Es geben nämlich Präparate, bei denen die Färbung des Nerven der der Muskelfaser sehr ähnlich ist, wenn die Endigung am Rande der Muskelfaser liegt, und an diesem sich eine kurze Streeke hinzieht, das Bild, als gehe der Nerv in eine Erhöhung des Muskelprimitiv- bündels hinein. Diese Erhöhung hat auch keine ebene Contour, 346 W. Wolff: sondern verläuft, wie der Nerv im Muskel überhaupt, gewellt und ist in Wahrheit der Nerv, der sich am Rande der Muskelfaser eine kurze Strecke hinzieht, um dann wie beschrieben zu endigen. Ich habe häufig dergleichen scheinbare Nervenhügel bei nachgedun- kelten Ueberosmiumpräparaten gesehen, namentlich bei solchen von der Eidechse, nachdem ich, so lange die Präparate noch gut und hell gefärbt waren, den Hügel als den der Muskelfaser aufliegenden Nerv hatte erkennen können, vergl. Fig. 20 und 21. Fassen wir noch einmal in kurzen Worten die Resultate die- ser Untersuchungen zusammen, so haben wir gesehen, dass die Nerven aller Wirbelthiermuskeln bis zu? ihrem äussersten Ende markhaltig auf dem Sarkolemma liegen, am Endigungspunkte der- selben das Neurilemma continuirlich in das Sarkolemma übergeht, an diesem Punkte der Axeneylinder mit seinem Markmantel mit der fibrillären Substanz in Verbindung tritt, das Perineurium zu- sammen mit dem intermuskulärem Bindegewebe der Ursprung der um die Nervenendigungen herumliegenden Kerne ist; endlich, wie es von vornherein auch wohl am wahrscheinlichsten war, kein wesentlicher Unterschied in den Nervenendigungen der verschie- denen Wirbelthierclassen besteht. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIN. Fig. 1. Lebender Muskel vom Hydrophilus piceus XI. 1. Fig. o- D dasselbe Präparat nach aufgelegtem Deckglase, a Axencylinder b Fal- ten des Neurilemma. Fig. 3. aund b schematische Nervenendigung. Fig. 4. Lebender Froschmuskel in !/, procentiger Kochsalzlösung; a Kerne der Schwann’schen Scheide. XII. 4. Fig. 5. Froschmuskel mit Ueberosmiumsäure behandelt X. 1. Fig. 6. Froschmuskel mit Goldchloridkalium und Essigsäure behandelt; a Kerne der Schwann’schen Scheide, e Axencylinder, d Markscheide. XI. 3, Froschmuskel mit Goldchloridkalium behandelt; a Kerne des Neuri- bu | Fig. lemma, b Axencylinder, ce Neurilemma. XI. 1. Fig. 8. Froschmuskel mit Essig- und Pikrin-Säure behandelt; a Uebergang des Neurilemma in das Sarkolemma, b kurze Endverzweigung. Fig. 9. Froschmuskel nach Kühne isolirt. XI. 2. Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel. 347 Fig. 10. Froschmuskel nach Kühne isolirt, darnach mit Ueberosmiumsäure behandelt; a Einfache Endigung, b Schwann’sche Scheide. XI. 2. Fig. 11. Hechtmuskel mit Essig- und Pikrin-Säure behandelt. XII. 4. Fig. 12. Muskel von lacerta agilis, mit !/; Alkohol behandelt. XI. 2. Fig. 13. Muskel von lacerta agilis, mit Ueberosmiumsäure behandelt. X. 1. Fig. 14. Muskeln von lacerta viridis, mit Essig- und Pikrin-Säure behandelt. XII. 2. Fig. 15 und 16. Muskel von lacerta agilis, mit Goldchloridkalium und Essig- säure behandelt. XII. 3. Fig. 17. Muskel von lacerta agilis, mit Argen. nitric. behandelt. XI. 2. Fig. 18. Muskel vom Meerschweinchen mit Essig- und Pikrin-Säure behan- delt. XII. 3. Fig. 19. Muskel v. Kanarienvogel, mit Essig- u. Pikrin-Säure behandelt. XII. 2. Fig. 20. Muskel von lacerta viridis, mit Ueberosmiumsäure behandelt. XI. 3. Fig. 21. dasselbe Präparat nachgedunkelt. XI. 3. Die römischen Ziffern bedeuten die Nummer des Immersionssystems, die arabischen die des Oculars (Ben£&che), bei denen die Präparate gezeichnet wurden. Die Querstreifung der Muskelfaser ist aus dem Grunde bei den meisten Figuren nicht gezeichnet oder nur angedeutet, weil man bei Anwendung starker Systeme die oberflächlich liegende Nervenendigung nicht zugleich mit der Querstreifung der Muskelfaser sehen kann. (Anatomisches Institut zu Strassburg im Elsass.) Der centrale Verlauf des nervus glossopharyngeus. — Der nucleus lateralis medius, Von Dr. ©. F. W. Roller. Hierzu Tafel XIX u. XX. Geschichtliehe Uebersicht. B. Stilling war der erste, welcher die Wurzelfäden des 9. Paares der Hirnnerven zu grauen Massen am Boden des 4. Ven- trikels verfolgte. Nach ihm liegt der Glossopharyngeuskern nach aussen vom oberen Theile des Vaguskernes, breiter werdend, je mehr sich dieser verschmälert und nach oben bis zu den Querstreifen des Acusticus Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd. 19, 24 348 C. F. W. Roller: reichend.!) Der Glossophar.-Kern besteht aus Fasern und kleinen Spinalkörpern; seine Masse ist derber, dunkler als die des Vagus- kernes. Ausser den Wurzelfasern entsendet er Verbindungsfasern zum Hypoglossuskern und solche zur Raphe, die sich mit denen der anderen Seite kreuzen.?) „Das dicke Bündel weisser Längsfasern,?) welches sich zwi- schen die vordere Parthie des Vaguskernes und die äussere resp. vordere des Accessoriuskernes eindrängte, . .. . .. setzt sich auch in den Glossopharyngeuskern in dessen ganzer Länge So fort. Doch bleibt es nicht so compact und ungemischt wie längs seines Laufes durch den Vaguskern; vielmehr wird das- selbe von queren grauen Fasern des Glossopharyngeuskerns mehr oder weniger durchsetzt und in kleinere Fasceikel getrennt.“*) An anderer Stelled) sagt Stilling: „ob dem die beiden Zipfel des Vagus-Kernes trennenden, dicken Bündel weisser Längsfasern dabei eine Function der Sonderung zukommt, lasse ich dahin gestellt.“ v. Lenhossek rechnet den Glossoph. zu seinem „gemischten System.“ Bezüglich des Kernes schliessst er sich Stilling an.) Die centralen Nervenfaserzüge gehen nach ihm als breiter Stamm aus der Kante der gemischten Colonne hervor, „aber ausserdem gehen, wie bei dem Vagus, nach aussen und innen dieser aus der sensitiven und motorischen Colonne bis zum Septum hin vereinzelte Primitivfaserzüge hervor, die sich sehr bald dem Stamme anschliessen.“ Er beschreibt keine Beziehung des IX. und X. zu seiner „runden Bündelformation“. Sehröder van derKolk lässt aus dem Kerne des IX. Fasern nach der Rhaphe verlaufen, mehr oder weniger weit nach vorn dringen und auf der anderen Seite sich in den Längsfasern verlieren. Der Stamm des Nerven durchsetzt „nach mehreren Präparaten“ vom Menschen und einigen Thieren, die aufsteigende Trigeminuswurzel.”) 1) Untersuchungen über die Textur und Function der medulla oblon- gata. Erlangen 1843, S. 41. 2) 1. c. 8. 45. 3) Runde Bündelformation v. Lenhossek, slender column Clarke, soli- täres BündelM eynert, Respirationsbündel W. Krause, nervenähnlicher Strang Henle, aufsteigende Glossopharyngeuswurzel Obersteiner, Roller. 4) 1. c. S. 44. 5) l. c. S. 60. 6) Neue Untersuchungen über den feineren Bau des centralen Nerven- systems des Menschen. Wien 1858. S. 53 ff. 7) Bau und Functionen der medulla spinalis und oblongata u. s. w. Deutsch von Theile. Braunschweig 1859, S. 105. “2 Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 349 Nach Clarke wird das obere Ende des Vaguskernes zum Glossophar.-Kern.!) Er weist nach, dass der Stilling’sche Glos- soph.-Kern zum Acustieus gehöre.?) Einen Theil der Wurzelfasern des IX. bringt Clarke in Verbindung mit dem fascieulus teres (bezüglich dessen er eigenthümliche Anschauungen hat, auf die wir hier nicht eingehen können), ein Theil geht nach der Rhaphe, wobei nicht ganz sicher, aber nach dem Verhalten bei den Vögeln wahrscheinlich, Kreuzung stattfindet. Das caput cornu post. be- zeichnet er als Ursprungstätte von Fasern des vagus und des glos- sopharyngeus.?) Die aufsteigende Glossopharyngeuswurzel hat Clarke zuerst als solche erkannt, wenn er auch die Beziehungen des Bündels zu Vagus und Accessorius noch festhält. Schon in der Abhandlung von 1858%) beschreibt er eine Verflechtung der Wurzelfasern des IX. mit dem fraglichen Strange und 1868?) weist er diesem „eine directe und specielleVerbindung mit dem Glossopharyngeus“ zu (neben solcher mit X. und. XJ). Clarke lässt oberhalb der motorischen Pyramidenkreuzung, un- mittelbar ventral vom caput cornu p. gelegene Seitenstrangfasern einwärts und rückwärts ziehen, um seine slender column zu bilden. ®) Stieda beschreibt beim Hunde ähnlich wie Clarke (ohne sich hier auf diesen zu beziehen) Längsbündel, zu welchen sich „die vorderen Wurzeln der n! accessor. vag. und glossophar. sam- meln“ und besonders deutlich fand auch er dies Verhalten beim Glossopharyngeus. Die Bündel treten im vordersten Abschnitt der medulla oblongata als Wurzeln dieses Nerven aus.”) Beim Menschen scheint Stieda die specielle Beziehung des fraglichen Bündels zum IX. nicht constatirt zu haben, wenigstens behandelt er hier den Glossopharyngeus ganz übereinstimmend mit Acces- sorius und Vagus.°®) Die Kerne der drei Nerven führt er als „hintere 1) Researches on the intimate structure of the brain. Philosoph. trans- actions 1858 S. 250, 1868 an verschiedenen Stellen Ib. S. 267. 2) 1. c. 1868, S. 294. 3) l. c. 1868, S. 284. 4) S. 255. 5) S. 277, vergl. Fig. 30, Taf. X. 6) 1868, S. 274. 7) Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Leipzig 1870, S. 93. 8) Ueber den Ursprung der spinalärtigen Hirnnerven. 2. unveränd. Sep. Abdr. aus der Dorpater medic. Zeitschr. II. Band. Dorpat 1873 S. 7 ff. 350 C. F.W. Roller: Abtheilung des Centralkerns“ auf, konnte aber einen Ursprung der Wurzeln von der erwähnten grauen Masse nicht erkennen. Er führt dieoberenWurzeln des Accessorius, die meisten des Vago -Glossopharyngeus auf „ein oder mehrere Längsbün- del am lateralen Rande der centralen grauen Substanz“ zurück, welche nach Abgang der IX.-Wurzeln schwinden. Wenn er „glaubt zuerst auf die Ableitung der Wurzeln aus den Längsbündeln hin- gewiesen zu haben,“ so ist „einzelnen Forschern wie z. B. Clarke* denn doch nieht nur „die Anwesenheit der Längsbündel nicht ent- gangen“ (die Anwesenheit derselben ist auch von Stilling und Lenhoss&k constatirt). Clarke hat wie schon angegeben den Uebergang von Wurzelfasern eben des glossoph. in seine slender column schon 1858 und noch deutlicher 1868 ausgesprochen. Hier sagt er!): „Some of the roots of the nerve are distinetly seen to enter the slender column and run with it down the medulla.“ Bei Deiters finden wir bezüglich unseres Nerven keine An- gaben, als dass er wie v. Lenhossek ihn dem „gemischten“ (oder „mittleren, seitlichen“) „System“ zutheilte?). Kölliker findet, dass die Bedeutung des vielerwähnten Stran- ges noch gar nicht aufgeklärt sei.?) Ein gemischtes System scheint er nicht anzunehmen.) Meynert dagegen vertritt wiederum diese Auffassung. Die rad. asc. n. glossoph., von ihm „solitäres Bündel“ genannt, be- zeichnet er als „gemeinsame aufsteigende Wurzel der n! glossoph., vag. und access.“ Den Wurzelbündeln der beiden letztgenannten Nerven gesellt es sich nach ihm in sehr feinen, gewunden abtre- tenden Zügen zu und beugt mit einem noch ansehnlichen oberen Ende in den IX. um. Meynert nennt es dessen Hauptwurzel. Den IX-Kern sieht er an der ihm durch Clarke angewiesenen Stelle, weist unserem Nerven mit demselben Forscher Fasern „aus gelatinöser Substanz, innerhalb der aufsteigenden Quintuswurzeln“, 1) S. 277. Vgl. seine schon eit. Fig. 30, Taf. X, 1868. Auch von Va- gus und Aeecssor. gibt er übrigens an: „They are connected with it“ (Ibid.) 2) Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere. Herausg. von Max Schultze Braunschweig 1865, S. 155 f, S. 288. 3) Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 5. Aufl. Leipzig 1867, S. 290. 4) 1. c. 8. 292 £. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 351 zu sowie motorische Wurzeln aus der vorderen Ursprungsäule des seitlichen Systems, endlich Verbindungen mit dem Hirnschenkel durch fibrae reectae der Rhaphe. Fibrae arcuatae, die gleichfalls die gedachte Verbindung vermitteln sollen, lässt er aus der Rhaphe nur in den Vago— Accessor.-Kern eintreten.!) Huguenins Angaben?) stimmen in allem Wesentlichen mit denen von Clarke und Meynert überein. Das Gleiche gilt von der kurzen Darstellung bei W. Krause. Die aufsteigende Glossopharyngeuswurzel aber bezeichnet er als „Respirationsbündel“,?) welches absteigende Fasern aus Glossoph., Vag. und Accessor. aufnehme, von denen es zweifelhaft sei, ob sie schon alle mit den Ganglienzellen der betreffenden Kerne in Verbindung gewesen. Henle bezeichnet das fragliche Bündel als „nervenähnlichen Strang“ und registrirt mehrere der über dasselbe geäusserten An- sichten*). Den Glossoph.-Kern bildet er ventral vom Vaguskern ab). Duval unterscheidet‘) einen noyau sensitif (an der Stelle des Clarke’schen IX-Kernes), einen noyau moteur?) von welchem die Fasern gegen den Boden des 4. Ventrikels ziehen, diesen aber nicht erreichen sondern sich brüsk biegen und sich mit den aus dem sen- sitiven Kern stammenden vereinigen. Andere Wurzelfasern kommen aus der Rhaphe, und eine 4. Kategorie sind die in der aufstei- genden IX.-Wurzel (bandelette solitaire) enthaltenen. Duval scheint dem Bündel auch Beziehungen zum Vagus zuzuweisen, weil er erklärt, sich über seine unteren Verbindungen erst bei der Untersuchung dieses Nerven aussprechen zu können. In seinem 1) Vom Gehirne der Säugethiere. Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig 1870, S. 788 ff. 2) Allgemeine Pathologie der Krankheiten des Nervensystems. I. Ana- tom. Einleit. Zürich 1873, S. 788 ft. 3) Handbuch der menschlichen Anatomie. I. Allg. und mikrosk. Anat. Hannover 1876, S. 392 und 412. 4) Handbuch der Nervenlehre des Menschen. 2. Aufl. Braunschweig 1879, S. 220 und 222. 5) l. c. Fig. 139. 6) Recherches sur l’origine reelle des nerfs craniens Robin et Pou- chet, Journal de l’anatomie et de la physiologie. Paris Mai-Juin 1880. 7) Motorischer Trigeminuskern Clar ke, Nucleus ambiguus W. Krause, Laura, Nucleus lateralis medius Roller. 352 C. F.W. Roller: neuesten bezüglichen Artikel!) erklärt er den n. intermed. Wris- bergii für ein Bündel (un des filets) des IX. In den meisten Puncten mit Duval übereinstimmend nimmt Obersteiner folgende Arten von Ursprungsfasern des IX. an: aus dem sensibeln Kern, den er aus zwei Gruppen kleiner Zellen bestehen lässt, aus dem motorischen Kern in der formatio retieu- laris (n. lat. med.), aus der Rhaphe, die ihm zufolge wahrschein- lich aus dem contralateralen motorischen Kern stammen, aus dem solitären Bündel. Dieses bezeichnet er als „aufsteigende Glos- sopharyngeuswurzel,* welche an den Vagus weiter unten je- denfalls nur unbedeutenden Zufluss geliefert habe. ?) Laura fand?) beim Kalbe keine Beziehung des IX. zum „elassischen Kern“ (dem Clarke’schen) und keine zum s. g. mo- torischen; dagegen sah er die Fasern aus der aufsteigenden Wurzel in die austretende übergehen. In der Ebene des IX. und der folgenden Nerven (X. XI.) beschreibt er, übereinstimmend mit Stieda®), einen Kern der Rhaphe, zu welchem die Fasern des IX. nahe hinanreichen, ohne dass Laura über einen Zusammenhang etwas Bestimmtes aussagen kann. Schwalbe bezeichnet die rad. asc. als eine im Halsmark entstehende aufsteigende Wurzel der Vagusgruppe, welche, „am Kern dieser Gruppe angelangt, den drei constituirenden Nerven derselben, dem Accessorius Vagi, dem Vagus und Glossopharyngeus peripher Faserbündel abgibt, besonders aber an der Bildung der Wurzelbündel des Vagus sich betheiligen wird.“ Die letzten Fasern des faseieulus solitarius biegen peripher in den IX. um. Bezüg- lich des Kernes folgt auch er Clarke.) Eigene Untersuchungs-Ergebnisse. Unterer Beginn der aufsteigenden @lossopharyngeuswurzel. Eine Stelle ein wenig ventral von derjenigen, an welcher in den tieferen Ebenen des Rückenmarks sich die Clarke’sche Säule 1) 1. .c.,8S.)955 H, 2) Ueber einige neue Entdeckungen, den Ursprung der Hirnnerven betreffend. Allg. Wiener medic. Zeitung. Nr. 25, 1880. 3) Nuove Ricerche sull’ origine reale dei nervi cerebrali (IX, VIII, VII, VI, V.) Estr. dalle Memorie della Reale Accademia delle Sceienze di Torino. Serie I. Tom. XXXIH. Torino 1879. 4) Kern der Rhaphe. Wirbelthiere S. 117. 5) Lehrbuch der Neurologie. 2. Lieferung. Erlangen 1880, S. 663 f. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 353 findet, ist auch im oberen Halsmarke markirt, und wir dürfen sie, trotz grosser Verschiedenheit, wohl als deren Fortsetzung in diesem Gebiete betrachten. = Lateral und etwas dorsal vom Centralcanal ist die Neuroglia dunkler, es liegen hier Nerven-Zellen verschiedener Grösse, meist mittelgrosse und kleine aber auch solche von beträchtlichem Um- fang in einer Gruppe beisammen, und es sind dahin Fasern aus den hinteren Wurzeln zu verfolgen. Diese Fasern hören hier auf, und man hat desshalb auf dem Querschnitt an dieser Stelle in verschiedenen Richtungen durchschnittene Fasern vor sich, alle sehr fein, darunter eine gewisse Anzahl longitudinal verlaufender. Man kann nicht zweifeln, dass Fasern der hinteren Wurzeln hier nach verschiedenen Richtungen umbiegen, es gelingt auch zuweilen sie hier nach der Vordersäule oder der vorderen Commissur zu verfolgen. Der angegebene Charakter bleibt der Stelle beim Aufsteigen im oberen Halsmarke erhalten. Es sind bald mehr bald weniger Zellen, immer aber ist die dunklere Färbung und sind die Faser- durchsehnitte vorhanden. In den Ebenen der Pyramidenkreuzung ziehen die Decussa- tionsbündel über die Stelle weg, so dass sie durch dieselben auf manchen Schnitten verdeckt ist, sowie aber das Feld wieder frei wird, erscheint auch die Stelle wieder, und manchmal sieht man aus den Decussationsbündeln feine Fasern eben dahin ziehen. Die meisten aus dem funieulus gracilis theilweise auch cune- atus stammenden, zur jenseitigen Pyramide ziehenden Kranzfasern (Fig. 1 f. cor.) umkreisen den Herd, es scheint, dass sie einzelne Fasern an denselben abgeben. Eine Aenderung tritt ein, oberhalb der sensibeln Pyramiden- kreuzung, wo der Hypoglossuskern sich dadurch bildet, dass die Zellen des von der Peripherie zurückgewichenen Vorderhornes — zuerst in sehr kleiner Zahl, selbst vereinzelt — innerhalb der Kranzfasern, ventral und lateral vom Centralkanal erscheinen. Hier bildet sich auch dorsal von jenem der Vaguskern, indem die Zellen des seither besprochenen Herdes sich vermehren. Der Charakter der Zellen bleibt derselbe, wir haben ihn an ande- rer Stelle!) beschrieben. Die ‘dunklere Färbung der Neuroglia, 1) Roller, der centrale Verlauf des n. accessorius Willisi. Lähr, Allgem. Zeitschr. für Psychiatrie, 1880, S. 486. 354 C. F.W. Roller: wodurch der Vaguskern sich vom Hypoglossuskern unterscheidet, bleibt, allmälig aber schwinden im Herde die Faserdurchschnitte. Die innersten Kranzfasern sieht man hier den funiculus gra- eilis nicht mehr erreichen, sie enden wie abgeschnitten, und zwar wiederholt sich dies Verhalten auf einer grossen Anzahl von Schnitten nach aufwärts. An der Stelle, wo sie enden, treten die Querschnitte der beginnenden aufsteigenden Glossopharyn- gseuswurzel!) auf. Fig. 4. r. a. IX. Sie liegen lateral vom Vaguskern. Es fragt sich nun, ob wir in der Glossopharyngeuswurzel ebenso wie im Vaguskern eine Fortsetzung des erwähnten, im Halsmark der Clarke’schen Säule entsprechenden Herdes zu erblicken haben. Die directe Continu- ität desselben ist der Vaguskern, nach manchen Schnitten aber hat es den Anschein, als ob er sich zu beiden entfalte. Nerven- zellen ähnlichen Charakters wie die des Herdes liegen bei der Entstehung der aufsteigenden Wurzel zwischen ihren Fasern und in deren nächster Umgebung, und indem die Faserdurchschnitte im Vaguskern in denselben Ebenen schwinden, in welchem solche, unsern Strang constituirend, auftreten, ist die nächste Annahme, dass sie sich eben dahin wenden. Sie würden dann eine Quelle desselben darstellen. Eine andere leisten offenbar die aus der Rhaphe kommenden Kranzfasern, welche genau bis zu der Stelle des Auftretens unseres Stranges reichen. Auch Meynert?) lässt dessen Bündel aus der Rhaphe hervorgehen. Sie stammen nach ihm „wahrscheinlich aus der Pyramide, resp. dem Fusse des Hirnschenkels.* Dies ist möglich, indessen ist zu beachten, dass die Züge, welche, aus der Rhaphe stammend, die Glossoph.-Wurzel bilden, genau mit den Kranzfasern übereinstimmen, welche aus funic. grac. und zum kleineren Theile cuneat. zur Pyramide und weiter zur Rhaphe ziehen. Es ist uns daher wahrscheinlicher, dass wir hier Fasern aus dem funie. grac. vor uns haben, die die Rhaphe passiren, um in der rad. ase. des 9. Paares der anderen Seite aufzusteigen. Möglich, dass aus der formatio retieularis Fasern sich hinzu- gesellen. Mit dem Auftreten unseres Bündels nämlich erscheinen am Rande der centralen grauen Substanz, in welcher sich die Kerne 1) Die Synonyma s. o. 2) Stricker, S. 789. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 355 des Hypoglossus, Vagus und Glossoph. (den wir unten charakteri- siren werden) ausbilden, zahlreiche Querschnitte, die einen Kranz um die graue Masse darstellen. Sie hatten während einer grossen Strecke innerhalb der Pyramidenkreuzung und über derselben ge- fehlt. Die mehr ventral gelegenen dieser Querschnitte entsprechen Seitenstrangfasern, die sich zur Schleife begeben,!) die dorsalsten sind eben die uns beschäftigenden Bündel, die sich übrigens von jenen durch ihr compactes, dunkles, feinfaseriges Aussehen un- terscheiden. Eine andere für die Constitution unserer rad. asc. wichtige Bildung werden wir nachher zu besprechen und dabei möglicher- weise noch weiter in Betracht kommende Zuflüsse zu .erwähnen haben. Von den seither erörterten sind die aus der Rhaphe resp. höchst wahrscheinlich dem jenseitigen fun. grac. stammenden je- denfalls die beträchtlichsten. W. Krause identifieirt mit unserem Strange sein Respira- tionsbündel?), von welchem er sagt, „es bestehe aus stärkeren und feineren varicösen Nervenfasern.“ „Sein (oberer) Beginn fällt mit dem des Vaguskernes zusammen.“ .. ... „Es verläuft senkrecht nach unten, theilt sich im mittleren und unteren Theile der me- dulla oblongata in mehrere parallele Zweige und ist desshalb schwerer zu verfolgen, unverkennbar aber noch am Halstheil des Rückenmarks nachzuweisen und scheint auch mit dem N. phreni- eus in Beziehung zu stehen.?)“ An anderer Stelle*) weist er dem Strange „stärkste doppelt contourirte Nervenfasern mit dicken Axeneylindern und wenigen feinen Fasern* zu. Er liege im Cervi- calmark „im vorderen Ende der medialen Innenfläche der proces- sus reticulares>).* Hier sind zweierlei longitudinale Faserzüge vermengt, die auseinander gehalten werden müssen. Der uns beschäftigende Strang (die IX. Wurzel) nimmt an der bereits bezeichneten Ebene l) Roller, die Schleife, dieses Archiv XIX S. 265. 2) S. gesch. Uebers. 3) l. c. S. 412. 4) l. ce. S. 392. 5) Goll, welchen Henle ]l. ce. $S. 222 nennt, beschreibt die fraglichen Längsbündel nur im Halsmarke, verfolgte sie nicht bis in die Oblongata (Beitr. zur feiner. Anat. d. menschl. Rückenm. Denkschr. d. med.-chir. Ges. d. Cant. Zürich. Zür. 1860, S. 163). Auch bei seiner Beschreibung handelt es sich sicher wesentlich um Längsbündel des XI. 356 ©. F.W. Roller: seinen unteren Anfang und seine weiter nach abwärts reichenden Verbindungen sind nur auf den von uns geschilderten Wegen zu suchen. Die weiter abwärts im Üervicalmark an der von W. Krause angegebenen Stelle vorhandenen, allerdings auf's Schärfste hervortretenden, Querschnitte stärksten Kalibers gehören — jeden- falls grösstentheils — den longitudinalen Verlaufsstücken des Ac- cessorius zul). Dass diese Faserzüge und die rad. asc. n. glos- soph. (das solitäre Bündel der Autoren) nichts mit einander zu thun haben können, lehrt der erste Blick. Jene sind runde, helle, sich vom Gewebe s. z. s. brüsk abhebende Querschnitte, während unser Strang bei aller Compactheit mehr in die graue Substanz eingebettet ist, ein dunkleres Aussehen zeigt und stets von feinen weissen und grauen transversalen Fasern in welligen Zügen durch- setzt erscheint. Die Axeneylinder der dem Accessorius angehöri- sen Fasern betragen, wie wir an anderem Orte angegeben), min- destens 4 u, die unseres Stranges höchstens 2 u. Aber es bedürfte eigentlich der Maasse nicht, der Gesammtanblick beider Quer- schnitte lässt den Gedanken, dass sie einem Faserzuge angehören, nicht aufkommen. Ausser den Faserzügen des Accessorius trifft man an der Basis der Hintersäule und lateral davon unterhalh der Pyramidenkreuzung solche, welche sich zu Deeussationsbündeln zusammenordnen, die dann zur jenseitigen Pyramide ziehen, auch solche, die vielleicht aus dem fun. cun. in die graue Substanz hereingebogenen Fasern angehören, nirgends aber solche, die sich ceontinuirlich in’s tiefere Halsmark verfolgen lassen. Die longitudinalen Accessoriusbündel treten nur streckenweise auf. Dass auf dem von W. Krause angegebenen Wege weiter nach abwärts reichende Verbindungen unseres Stranges nicht exis- tiren, ist sicher. Eher wäre Clarke’s Ansicht, dass Fasern sich zu ihm begeben, welche an der ventralen Seite des cap. corn. post. aufsteigen ?), zu discutiren. Dies ist unseres Erachtens nicht zu 1) Roller, der centrale Verlauf des n. access. Will. Lähr, Allg. Zeitschr. für Psychiatrie 1880. (fr. Stieda, Studien über das centrale Ner- vensystem der Wirbelthiere. Leipzig 1870, S. 65 f. 2) l. e. Vgl. dort auch die Ausführung über die Umbiegung des XI. in longitudinale Verlaufstücke. 3) S. o. S. 349. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 357 erweisen, es spricht aber dafür, dass wenigstens eine Verbindung zwischen cap. corn. post. selbst und der IX. Wurzel wahrscheinlich ist. Manche Bilder lassen zarte Faserzüge zwischen beiden er- kennen, grossentheils aus marklosen Fasern bestehend, freilich so, dass die Continuität nicht zweifellos wird. Man bekommt immer nur einzelne Stücke zu sehen, Lücken bleiben stets. Gierke hat!) beim Kaninchen mittelst doppelseitiger Durch- schneidung des fraglichen Bündels die Athembewegungen dauernd beseitigt. Dies ist auffallend, Angesichts der Thatsache, dass das- selbe zum Vagus in zweifelhafter, jedenfalls unbedeutender Be- ziehung steht. Wir werden diese Anschauung, bezüglich welcher wir mit Obersteiner?) übereinstimmen, näher ausführen. Es wäre übrigens wohl denkbar, dass die vom Vagus hinableitenden Fasern beim Kaninchen zusammen mit denen des Glossopharyngeus in einem Strange liegen, während sie beim Menschen in getrennten Bahnen verlaufen. Ueberraschen muss die Angabe Gierke’s, dass Exstirpation der ala einerea beiderseits die Athmung nicht auf- gehoben habe. Die Verletzung der zum Kern ziehenden Vagus- wurzeln war jedenfalls bei der Operation nicht sicher auszu- schliessen. Unterer Beginn des Glossopharyngeusheerdes. — Epithelialfasern. Etwas tiefer als die Ebene, in welcher der IX. Strang er- scheint, treten im dorsalsten Theile der substantia centralis, bei- derseits ventral vom ventralen Ende der fiss. longit. post. zwei Heerde auf, welche ‚in ihrem Aussehen mit der gelatinösen Sub- stanz der Hintersäule und des cap. corn. post. übereinkommen. Sie enthalten kleine, meist längliche, spindelförmige Ganglienzellen. Diese gelatinösen Herde nehmen rasch etwas an Umfang zu. Fig.2,3n. X. Zu ihnen sieht man vom canalis centralis her Züge feiner Fasern sich begeben. Verfolgt man diese genauer, so gewahrt man, dass sie sich unmittelbar dorsal vom Canal kreuzen und nach dessen beiden Seiten weiterziehen. Hier treten sie in Verbindung 1) Die Theile der medulla oblongata, deren Verletzung die Athembe- wegungen hemmt, und das Athemcentrum. Pflügers Archiv für’ die ge- sammte Physiologie. Band VII. 2) S. o. 358 C. F.W. Roller: mit dessen Epithelien sowie namentlich mit Gebilden, welche in seiner nächsten Umgebung in das Gewebe eingebettet sind und die sich bei näherer Betrachtung als mit den Epithelien überein- stimmende Zellen ergeben. Diese sind sehr zahlreich und bilden in der nächsten Umgebung des c. e., namentlich aber auch dorsal desselben, einen beträchtlichen Herd }). Gehen wir nun wieder dorsal, so sehen wir die Faserzüge, welche hinter dem e. ce. sich kreuzen, parallel dorsal laufen und hier verschiedene Wege einschlagen: sich nochmals kreuzen, oder ohne Kreuzung weiter ziehen und sich theils zu den erwähnten gelatinösen Herden begeben, theils in die graue Substanz lateral und in der Richtung nach funic. grac. und cun. ausstrahlen. Fig. 3 gibt ein Bild des Verhaltens. Ausser den auf derselben dargestellten Fasern gibt es in dieser Gegend noch andere, die sich durch einander wirren, die wiedergegebenen aber zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie mit verhältnissmässiger Deutlich- keit hervortreten, und namentlich sind die zwei vom c. c. und seiner Umgebung dorsal verlaufenden Faserzüge sowie die zu den selatinösen (IX.) Zellenherden tretenden evident. Es ist schwer zu sagen, wie wir uns die vorliegende Bildung zu erklären haben. Von den Epithelien des c. ec. ausgehende Fasern sind schon lange beschrieben, wenn auch die von uns dargestellten compacten Faserzüge in ihrem eigenthümlichen Verlaufe nirgends erwähnt sind. B. Stilling lässt ?) das Mittelstück der Epithelien sich von 1/3090‘ Durchmesser bis Yıso0‘“ verschmälern und in dieser Breite in centrifugaler Richtung fortsetzen. Dies periphere Ende ist nach ihm von den Elementar-Röhrehen einer Primitiv-Nervenfaser nicht zu unterscheiden, auch dem feinsten Fortsatz einer Nervenzelle der subst. grisea oder gelatinosa ganz gleich. Stilling beschreibt Verbindungsfasern der Epithelien mit Nervenzellen, lässt die meisten 44 1) Alle diese Verhältnisse sind — dies möchten wir hervorheben — wenigstens mit der wünschenswerthen Deutlichkeit, zunächst nur auf sehr dünnen und sehr gut gefärbten Schnitten zu constatiren. Hat man sie auf solchen erkannt, dann findet man sie auch auf weniger gelungenen leicht wieder. 2) Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks. Cassel 1859, SıiH. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 359 Epithelialfasern durch die ganze Dieke der subst. centr. hindureh- strahlen und in die verschiedensten Theile des Rückenmarks sich fortsetzen, z. B. in und durch die comm. ant. und post. bis zum Grunde der fiss. ant. und post. '). Stilling findet die Nervenkörper der substantia gelatinosa centralis oft an anderen Stellen dieser Substanz auffallend dicht gelagert, in manchen Schichten vor oder hinter ihm?). Ueber das Vorkommen in der medulla oblongata spricht er sich nicht aus. Wir unsererseits haben in der Umgebung des ce. c. auch im Rücken- mark die Gebilde constatirt, welche wir oben als mit den Epithe- lien übereinstimmende Zellen bezeichneten. Möglich bleibt immer, dass wir hier Nervenzellen vor uns haben. Schon vorher hatte Clarke die Epithelien des e. ec. und ihre Fasern beschrieben ?), auch Kerne und kleine Zellen im Gewebe um den c. ec. Er rechnet alle diese Gebilde zum Bindegewebe. Auch von anderen Autoren sind die von den Epithelien aus- gehenden Fasern erwähnt, so von W. Krause, welcher sie?) in radiärer Richtung ziehen lässt und zum Theil an die äusseren Grenzen der subst. gelat. verfolgte, ferner von Henle°’). Auch Stieda®) sah „entsprechend dem suleus longitudinalis superior von der Pia bis zu den Epithelzellen Fäden oder Fasern ziehen, welche sich mitunter wie die langgestreckten Fortsätze der Epithelzellen ausnehmen‘. 1) S. bei Stilling 1. c. die frühere bezügliche Literatur. Zu bemerken ist, dass Bidder, wie dort angegeben, „im filum terminale des Rückenmarks der Säuger einen sehr beträchtlichen c. c. beschreibt, welcher an seiner innern Wandfläche von einer verhältnissmässig sehr dicken Schicht dichtgedrängter Nervenzellen bedeckt sei, zwischen welchen dünne Nervenfäsern in reichlicher Menge hindurchgehen.“* Stilling bemerkt dazu mit Recht, Bidder müsste consequenter Weise die sämmtlichen Zellen des Cylinder-Epitheliums um den c. c. herum als Nervenzellen betrachten. 2) l. c. S. 35. 3) Researches on the gray substance of the spinal chord; Philos. trans- act. 1859, S. 455ff. Er behauptet daselbst, die Auskleidung des c. c. mit Cylinder-Epithelium zuerst (Researches into the structure of the spinal. chord, l. c. 1851) beschrieben zu haben, Stilling weist jedoch nach (Rückenmark, 8. 19 f.), dass dies schon von Purkinje,Valentin und Hannover geschehen war. 4) 1. c. 8. 381. 5) l. c. 8. 48. 6) Wirbelthiere S. 48. 360 C. F.W. Roller: Die wichtigste Frage ist, ob die Faserzüge, welche wir oben beschrieben haben, und welche in Fig. 3 dargestellt sind, nervöser oder bindegewebiger Natur sind oder ob sie vielleicht zur Horn- spongiosa von A. Ewald und W. Kühne!) gehören. Für ihre nervöse Natur spricht zunächst ihr Aussehen. Sie unterscheiden sich auf dem Carminpräparate in Nichts von un- zweifelhaften Nervenfasern der grauen Substanz z. B. den in diese eingetretenen Fasern der hinteren Wurzeln. Sie sind lebhaft durch Carmin gefärbt und haben einen gestreckten Verlauf. Dabei sind sie zu den dargestellten compacten Bündeln zusammengeordnet. Der Unterschied von den aus dem Septum der hinteren Fissur ein- strahlenden .Bindegewebefasern, welche Henle?) abbildet, ist auf den ersten Blick einleuchtend. Würden sie sich nicht in die substantia gelatinosa centralis und zu den Epithelien des ec. ec. und den diesen benachbarten und homologen Gebilden begeben, so brauchten wir die Frage, ob wir Nervenfasern vor uns haben, gar nicht zu erörtern; es würde dann wohl kein sachkundiger Beschauer unserer Präparate daran zweifeln. Für ihre nervöse Natur spricht weiter, dass die Fasern sich zu den Zellen der gelatinösen Herde begeben, welche wir er- wähnten. Dass diese Zellen nervöser Natur seien, ist sicher, wir werden weiter über dieselben zu reden haben. Ich darf übrigens schon hier anführen, dass Professor Waldeyer, welchem die Prä- parate vorgelegen haben, die Bedeutung der fraglichen Elemente als Ganglienzellen für unzweifelhaft hält. Wenden wir uns nun zu den Epithelien des c. ec. und den homologen Gebilden in dessen Umgebung. Wir haben hier Stillings substantia gelatinosa centralis vor uns, die nächste Umgebung des c. c., müssen aber vorausschicken, dass, wie wir glauben, manche Autoren jene Bezeichnung zu weit ausdehnen, nicht wie Stilling selbst auf diese nächste Umgebung?) beschränken, ferner, dass wir überall nur den c. c. des Rücken- markes und dessen Umgebung besprochen, die etwaigen besonderen 1) Ueber einen neuen Bestandtheil des Nervensystems. Verhandl. des naturhist.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. F. I. Band, Heidelberg 1877. Mine» Fig; 9. 3) Vgl. auch Kölliker Il. c. Fig. 187, wo in mit Stilling übereinstim- mender Weise eben diese nächste Umgebung als „centraler Ependymfaden“ bezeichnet ist. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 361 Verhältnisse dieser Parthieen in der Oblongata nicht oder wenigstens nur sehr ungenügend berücksichtigt finden. Die substantia gelatinosa centralis wird vielfach für binde- gewebig erklärt. Kölliker rechnet sie!), welche er in Ueberein- stimmung mit Virehow „eentralen Ependymfaden“ nennt, zu einem Retieulum dieser Natur, bestehend aus sternförmigen Zellen, welche durch fadenförmige Ausläufer unter einander und mit den benach- barten Theilen des Reticulum sich verbinden. Wir möchten annehmen, dass Kölliker damit nicht sein letz- tes Wort in dieser Frage gesprochen habe. Deiters findet?), „dass bis in diese inneren Theile hinein nervöse Elemente reichen, und dass in ihnen kleinere Zellen die Oberhand haben, welche mehrfach mit bindegewebigen Theilen verwechselt worden sein mögen, bei denen aber abgesehen von ihrer Kleinheit, ein charakteristischer Unterschied von anderen Nervenzellen nicht aufzufinden gewesen ist.“ Deiters fährt fort: „Denkt man sich nun das Rückenmark in die Medulla oblongata übergehend, alle mehr peripherischen Theile mächtig entwickelt und zu grossen Balkengerüsten ausgedehnt, den Canal geöffnet, so muss sich die Masse der substantia gelatinosa centralis längs des Bodens des geöffneten Canals ausbreiten, welche wesentlich der Träger des Bindegewebes und Epithels ist, aber in die benach- barte Gangliensubstanz sich verliert“ °). Die Faserzüge, mit welchen wir uns hier beschäftigen, treten in Verbindung, wie einerseits mit jenen gelatinösen Herden so mit den Epithelien des e. ec. und den mehrerwähnten Gebilden in deren Umgebung. Man sieht die Fasern in jene und in diese direet übergehen. Die in das Gewebe unmittelbar um den c. c. einge- betteten Gebilde zeigen Gestalt und Grösse der Cylinderepithelien 1) l. ce. S. 268 fi. 2)1. e.8.’239. 3) Als Typus des Aussehens der subst. gelat. bezeichnet Deiters (l. c.) sogar den s. g. Vaguskern resp. Accessoriuskern uud wiederholt, dass dieser recht eigentlich inmitten dieser subst. gelat. gelegen sei. — Foville (Traite complet de l’anatomie, de la physiologie et de la pathologie du syst&me nerveux cerebro-spinal. Paris 1844 S. 503f.) betrachtet, worauf Clarke (Philos. transact. 1868, S. 289) aufmerksam macht, das Epithellager des 4. Ventrikels als mit dem Acusticus direct verbunden, speciell die striae als stärkere Ausbildungen desselben. 362 C. F.W. Roller: des e. ce. Sie färben sich wie jene überaus intensiv und auch ziem- lich gleichmässig mit Carmin, so dass es oft schwierig ist ihre Struetur näher zu erkennen. Bei einer grossen Anzahl derselben aber kann man einen oder mehrere Kerne und selbst Kernkörper- chen unterscheiden. Ihre Aehnlichkeit mit den Epithelien, ihre im Ganzen mehr eckige Gestalt, als wir sie bei den Nervenzellen wahrzunehmen pflegen, haben uns veranlasst sie in die Kategorie jener einzureihen, es ist aber klar, dass die Unterschiede nicht genügen, um sicher zu sagen, dass sie keine Ganglienzellen seien. Dass die Epithelien des Centralcanals selbst Nervenzellen seien, wird ziemlich allgemein verneint. Stilling ist unseres Wissens !) der Einzige, welcher die Möglichkeit zulässt. Ohne uns hierüber entschieden aussprechen zu wollen, glauben wir doch darauf hinweisen zu müssen, dass die Epithelien der ner- vösen Binnenräume und die nervösen Bestandtheile der Central- organe selbst, entwickelungsgeschichtlich gleichwerthig sind. Sie entwickeln sich aus dem Ektoderm, während das Bindegewebe aus einer ganz anderen Quelle hervorgeht ?). His hat diese Quelle als Parablast bezeichnet und meint, dass dieser im weissen Dotter liege. Diese Auffassung können wir in- dessen wohl als eine irrthümliche bezeichnen. Nach den Angaben von Waldeyer und Wilhelm Müller muss die Quelle des Binde- gewebes zugleich in der Anlage des Blutes gesucht werden. His hat insofern Recht, als er dieselbe scharf den übrigen Gewebszellen (Archiblast His) gegenüber stellt, irrt aber bezüglich ihrer Her- kunft aus dem weissen Dotter. Dem Bindegewebe also dürfen die Epithelien und somit auch ihre Ausläufer sicher nicht zugerechnet werden. Sind sie nicht nervös, so bleibt nichts übrig als sie für eine Bildung sui generis zu erklären und sie als „nervöse Deck- gebilde“* nebst der Hornspongiosa denjenigen Bildungen des Cen- tralnervensystems anzureihen, welche zwar den nervösen Gewebe- bestandtheilen genetisch gleich, funetionell aber von ihnen ver- schieden sind. Man könnte sie dann ein „Nervengewebe“ nennen, welches keine nervösen Funetionen ausübte. Wie dem sei, wir stehen vor der jedenfalls wichtigen That- 1) Auch nach dem Zeugniss von Henle, 1. c. S. 49. 2) Vgl. die neueren Arbeiten über Entwickelungsgeschichte. Kurze Zusammenstellung der hier in Betracht kommenden Momente s.b.W. Krause, l. e, 8. 282. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 363 sache, dass von Epithelien und diesen homologen Gebilden stammende Fasern in Herde von Nervenzellen eintreten, in Herde, welche, wie wir auszuführen haben werden, diejenigen des n. glosso- pharyngeus sind. Ausser den seither besprochenen epithelialen oder epithelioi- den Gebilden finden sich aber in nächster Umgebung des e. ce. in der eigentlichen substantia gelatinosa centralis gemischt mit jenen unzweifelhafte ächte Ganglienzellen. Bezüglich der Streitfrage, ob überhaupt die gelatinöse Sub- stanz als bindegewebig oder nervös zu bezeichnen sei, ist vielleicht hier der Ort darauf hinzuweisen, dass v. Gudden nach einer Mit- theilung von Mayser dieselbe für entschieden nervös hält). Glossopharyngeusherd und rad. asc. n, glossoph. beim Aufsteigen im Marke. Die gelatinösen Herde zu beiden Seiten des ventralen Endes der fiss. post. haben wir verlassen, nachdem sie sich eben gebildet hatten und nachdem die mehrbesprochenen Faserzüge sie erreicht hatten. Indem sie an Umfang gewinnen, nehmen sie eine ovale Gestalt an (Fig. 4 n. IX) und sind überaus zellenreich. Die Zellen gehören zu den kleinsten nervösen Elementen, die man im Central- organe findet, sind aber unzweifelhaft ächte Ganglienzellen. Sie sind theils rundlich, theils — überwiegend — länglich und be- sitzen eine wechselnde Zahl von Fortsätzen. Diesen Charakter be- halten sie bei, während sie als dem Glossopharyngeus zugehörige Zellensäule mit der rad. asc. im Marke aufsteigen. Aus den Zellenherden sieht man feine Fasern (Fig. 4 f. comm.) zu den Querschnitten der sich bildenden Glossoph.-Wurzel ziehen, die gleichfalls an Umfang gewinnt. Der Bündelquerschnitt und der Zellenherd nähern sich im Aufsteigen einander. Dabei erscheint der Herd zuweilen in zwei oder mehr kleinere auseinandertretend, und auch das Bündel ist hier noch in mehrere kleine Stränge getheilt. 1) Experimenteller Beitrag zur Kenntniss des Baues des Kaninchen- Rückenmarks. Westphal, Archiv für Psychiatrie. VII, S. 573. Es ist dort von der subst. gelat. Rol. die Rede. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 19, 25 364 C. E.W. Roller: Auf eine gewisse Strecke haben wir in der Umgebung des ce. e. den eben entstandenen Hypoglossuskern, den Vaguskern und den Glossopharyngeuskern neben einander Fig. 4. Wo dieser un- getheilt in seiner ovalen Gestalt erscheint, stellt er sich ebenso eircumseript und selbständig wie die beiden anderen dar. Aber auch, wo er getheilt erscheint, sind die Theile nicht minder wohlumgrenzt. Ebenso zeigen Sagittalschnitte die drei parallelen Säulen mit voller Deutlichkeit. Auf ihnen sieht man auch Fasern aus dem fun. grae. direct zum gelatinösen Herde ziehen, den wir als den Glossopharyngeuskern oder Herd zu betrachten haben. Auch auf Querschnitten kann man solche mitunter wahrnehmen, aber nur selten, weil sie einen schrägen Verlauf haben, und weil auf dem Querschnitte sich hinter dem Glossopharyngeuskern die aus dem fun. grac. hervortretenden Kranzfasern als breites Band herüber- legen und jene verdecken. Zur beginnenden IX.-Wurzel sieht man vom beginnenden Hy- poglossuskern einen sehr zarten Faserzug ziehen. Es handelt sich hier um, wenn auch sehr schmale, markhaltige Fasern. Auf man- chen Schnitten reichen sie bis zu den Querschnitten des aufsteigen- den Bündels; ob sie sich an dessen Bildung betheiligen, ob sie sich zu den Zellen des IX. Kernes begeben, wage ich nicht zu be- stimmen. Wir würden damit die directe Verbindung zwischen Zungenbewegungs- und Geschmacksnerv vor uns haben. Dieser Faserzug scheint auch noch andere Verbindungen zu vermitteln, denn auf manchen Schnitten sieht man ihn, nachdem er vom XH. Kern her dorsal und etwas lateral ziehend, an die laterale Seite des Vaguskernes gelangt ist, sich gabelförmig theilen, den einen Theil in der Riehtung des solitären Bündels weiterziehen, den anderen lateral, wohin? — Das weiss ich nicht zu sagen. — Zwischen den Querschnitten der IX.-Wurzel waren von ihrem Auftreten an spärliche kleine Zellen vorhanden. Im Aufsteigen treten nun der IX-Herd und das Bündel sich immer näher, indem jener ventral, dieser dorsal rückt und es findet eine völlige Ver- einigung Statt, in der Art, dass nun der Herd mit seinen zahl- reichen Zellen zwischen den Querschnitten der Wurzel und in seiner nächsten, namentlich dorsalen Umgebung erscheint. Anfangs bleibt dabei neben den die Fasern des Stranges umwuchernden Zellen noch eine davon getrennte Gruppe dorsal übrig, diese schwindet aber und wir haben von da an den Glossopharyngeuskern als Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 865 zellenreiche Umgebung der Fasern der rad. asc. des Geschmacks- nerven vor uns. Fig.5 r.a. IX. +n. IX. Kleine Zellen zwischen den Fasern des solitären Bündels der Autoren, werden von Clarke erwähnt: „This little column is at intervals interspersed with small nucleated cells“). Auch Mey- nert registrirt sie?) mit Beziehung auf Clarke. Es ist aber nicht erkannt worden, dass diese Zellen einer zusammenhängenden, das Bündel begleitenden und seine Fasern umwuchernden grauen Masse angehören, die eine völlig continuirliche Säule darstellt und nach unten in die von uns beschriebenen Herde übergeht. Einen an- deren Glossoph.-Kern können wir nicht finden, wir werden die Aufstellung eines solchen nach ihrem Werthe unten würdigen. Die IX.-Wurzel, nunmehr, wie wir constatirten, eingebettet in graue zellenreiche Masse, rückt .beim Aufsteigen im Marke etwas lateral, indem der Vaguskern an Ausdehnung zunimmt und sie an dessen laterale Seite zu liegen kommt. Mit der Oeffnung des Ven- trikels tritt das Bündel zugleich etwas ventral. Fig. 5 zeigt hier die Lage. Es nimmt im Aufsteigen successive an Umfang etwas zu, hat übrigens an der eben erwähnten Stelle einen Durchmesser erreicht, der zwar noch etwas aber nicht erheblich zunimmt. Eine Beziehung des Accessorius zu dem uns beschäftigenden Strange ist für uns ausgeschlossen, da wir jenen Nerven überhaupt mit einem Kerne in der Nachbarschaft des ce. c. nicht in Verbin- dung bringen 3). Die Beziehung des Vagus zu dem Bündel festzustellen ist eine schwierige Sache. Auf dem Querschnitt hat es in vielen Fällen den Anschein, als ob Fasern aus demselben sich der Vaguswurzel zugesellten. Man sieht namentlich in den tieferen Ebenen nicht selten compacte Bündel aus dem Strange, namentlich an dessen dor- saler oder lateraler Seite hervortreten und sich nun nach der Rich- tung wenden, in welcher die Vaguswurzel verläuft. Genaue Prüfung ergibt aber, dass man es hier, mindestens in den meisten Fällen mit Bündeln zu thun hat, die nur Anfangs jene Richtung ein- 1) 1. ec. 1868, S. 274. Cfr. seine Fig. 25, Taf. X ibid., wo einzelne Zellen im Gebiete des Bündels angedeutet sind und Fig. 42, Taf. XII ibid. 2) Stricker, S. 789. 3) Roller, der centrale Verlauf des n. accessorius Will. 366 C. F. W. Roller: schlagen, dann aber sich im Bogen medial wenden und zur Rhaphe ziehen. (Kranzfasern und höher oben fibrae areiformes !).) Es han- delt sich möglicher Weise um Fasern, die durch die Rhaphe zur jenseitigen Pyramide ziehen (Meynert). Das von uns angegebene Verhältniss lässt sich in der grossen Mehrzahl der Fälle evident erweisen. Man kann die Vaguswurzel auf einer ganzen Reihe von Schnitten in der deutlichsten Weise bis zu ihrem Kerne verfolgen (Fig. 5) und zwischen den Zellen desselben sich aus- breiten sehen. Bei diesen Bildern ist von einer Faserverbin- dung des X mit dem Strange keine Rede, er zieht unzweifel- haft an ihm vorbei. Es wird dadurch wahrscheinlich, dass man auf Schnitten wo Bündel der X.-Wurzel an jenen herantreten, eine etwas abweichende Richtung der Bündel, aber nur Stücke des Verlaufes vor sich habe, dass aber, wenn es möglich wäre auf solchen Schnitten den Gesammtverlauf zu überblieken, auch hier die Einmündung der X.-Wurzel in den Kern constatirt werden könnte. So lange wir die Frage nur auf Querschnitten studirten, schien uns ein Zusammenhang des X. mit der IX.-Wurzel wahr- scheinlich. Ganz anders nach der Prüfung zahlreicher Reihen von Längsschnitten in sehr verschiedenen Richtungen. Hier sieht man nirgends Vaguswurzeln aus dem Bündel hervorgehen, während man das Herausbiegen der in die Glossopharyngeuswurzeln über- gehenden Bündel im oberen Theile der med. obl. evident wahr- nimmt (Fig.7, 8r.1.IX). Auf Längsschnitten sieht man die X.-Wurzeln stets zur grauen Substanz ihres Kernes ziehen und sieht sie häufig in nahezu rechtem Winkel auf den aufsteigenden Strang stossen — nie einen Uebergang (Fig. 7,8 r. X.). Da manche Querschnittbilder übrigens, selbst wenn man mit der bei der Betrachtung der Längsschnitte gewonnenen Einsicht an sie herantritt, den Anschein eines solchen Ueberganges dennoch hervorrufen, so können wir ihn nicht apodictisch verneinen, wir müssen ihn aber für beim Menschen höchst unwahrscheinlich erklären. Das Bündel müsste doch auch, wenn zahlreiche Vaguswurzeln in 1) Wir unterscheiden als Kranzfasern die besonders aus dem fun. grac. stammenden die subst. centr. in relativ schmalem Bande umziehenden Fasern von den höher oben über die ganze formatio retieularis ausgebreiteten fibr. arcif. Vgl. Fig. 1a. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 367 dasselbe einträten oder von ihm abgegeben würden, in weit beträchtlicherer Weise seinen Umfang ändern. — Nach Oeffnung des Ventrikels haben wir nebeneinander Hypo- glossuskern, Vaguskern, Glossopharyngeuskern, diesen die Quer- schnitte der aufsteigenden Wurzel durchwachsend und namentlich an seiner dorsalen Seite etwas stärker entwickelt (Fig. 5). So bleibt das Verhältniss beim Aufsteigen im Marke bis zum Austritt der IX.- Wurzeln. Die am Boden des 4. Ventrikels ausgebreitete graue Sub- stanz erstreckt sich dorsal aller drei grauen Säulen und enthält ver- hältnissmässig wenigkleineGanglienzellen, dienirgends indereireum- seripten Weise zusammengeordnet sind wie in den genannten Kernen. Wo danndorsal vom Glossoph.-Kerne zahlreichere Zellen und darunter grössere auftreten, da gehören sie dem medialen Acustieuskern !) an. An der lateralen Seite der aufsteigenden IX.- Wurzel entwickeln sich, wie ich an anderem Orte nachgewiesen habe ?), schon verhältniss- mässig tief in der oblongata die Bündel der aufsteigenden Acustieus- wurzel (Fig. 6 r. a. VIII), eingebettet in graue, zellenhaltige Masse. Der Glossopharyngeuskern ist seither an verschiedenen Stellen gesucht worden. Stilling, Clarke, Henle sind über seine To- pographie nicht einig. Immer aber besteht bei diesen Autoren die Schwierigkeit, dass er nach ihren Angaben vom Vaguskern (theil- weise auch Acustieuskern) nicht deutlich abzugrenzen ist. Er ist dies aber in der That, wir haben eine wohlumschriebene Säule kleiner Zellen vor uns, hinabreichend bis in die Ebenen oberhalb der Pyramidenkreuzung, vielleicht in der oben angegebenen Weise noch tiefer, und die aufsteigende Wurzel ihres Nerven begleitend bis zu seinem Austritte. Für unsere Auffassung, dass der IX.-Kern nicht an den seither für ihn angegebenen Stellen zu finden sei, spricht auch das negative Resultat, zu welchem Laura gelangt Ist’ (8. 0.8: 382): Nucleus lateralis medius’°). Von den Autoren ist vielfach ein „motorischer Kern“ des Glossoph. beschrieben, welcher meistens zugleich dem Accessorius 1) Innerer Acusticuskern, Clarke, Meynert; medialer Kern der hin- teren Acusticuswurzel W. Krause, oberer Acusticuskern Henle. 2) Eine aufsteigende Acusticuswurzel. Dieses Archiv Bd. XVII. 3) Nucleus ambiguus W. Krause. Die übrigen Synonyma s. im Text. 368 C. F. W. Roller: und Vagus zugetheilt wird. Die Aufstellung eines „seitlichen ge- mischten Systems“ durch v. Lenhossek, die Annahme des- selben auch durch Deiters haben wir erwähnt ebenso die Be- schreibung einer „vorderen Ursprungsäule des seitlichen gemischten Systems“ durch Meynert!). Deiters scheint auch die hier in Frage kommende Zellen- gruppe wahrgenommen und ähnlich aufgefasst zu haben ?). Clarke hielt dieselbe für den Kern der motorischen Trigeminuswurzel?°). Stieda betrachtet sie beim Kaninchen und anderen Säugethieren als dem Facialiskern zugehörig‘). W. Krause bestreitet Meynerts Auffassung. Er nennt die fragliche Zellensäule nucleus ambiguus. Die aus ihm hervorgehenden Fasern biegen nach W. Krause nicht in die austretenden Wurzelbündel des Vagus und Glossopharyn- geus um, gehören vielmehr der formatio retieularis an>). Duvals Darstellung haben wir erwähnt®). Der motorische Glossoph.-Kern liegt ihm zufolge nach aussen und hinten von seinem noyau accessoire de l’hypoglosse ?), nach vorne und innen von der aufsteigenden Trigeminuswurzel. Laura brachte in einer früheren Abhandlung®) die erwähnte Zellengruppe, welche er im Anschluss an W. Krause nucleo am- biguo nennt?), in Beziehung zum Vagus und zum Hypoglossus. Schwalbe stellt eine Beziehung des besprochenen Kernes zum IX. in Abrede und spricht sich über die zu den anderen Ner- ven nicht bestimmt aus 1°). Die Zellensäule, um welche es sich handelt, mit dem Hypo- glossuskern die Fortsetzung der Vordersäule nach oben, erscheint 1) S. gesch. Uebers. 2) Vgl. 1. c. S. 204. 3) Vgl. z. B. die Fig. 9 und 10, Taf. VIII, 1. c. 1868. 4) Säugethiere S. 62. 72. 5) l. c. 8. 41lf. 6) S. gesch. Uebers. 7) Ueber diesen s. Recherches sur l’origine reelle des nerfs cräniens. Robin et Pouchet, Journal de l’anatomie et de la physiologie, 1876. 8) Sull’ origine reale dei nervi spinali e di qualche nervo cerebrale (XII, XI, X). Estr. dalle Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino. Serie II. Tom. XXXI. Torino 1878. 9). ce. S. 17. 10) 1. o..;S, 659. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 369 auf den Querschnitten an etwas verschiedenen Stellen, meistens etwa in der Mitte einer Linie, gezogen vom grauen Boden, an der Stelle, wo Hypoglossuskern und Vaguskern zusammenstossen, nach der Peripherie zwischen Olive und aufsteigender Trigeminuswurzel. Fig. 5. N.1.m. Sie besteht aus grossen polyklonen Zellen, welche mit denjenigen der Vordersäule und des Hypoglossuskernes über- einstimmen. Manchmal erscheint ausser dieser Gruppe noch eine zweite derselben Zellen mehr nach der Peripherie zu. Dies findet besonders in den oberen Parthieen der Oblongata Statt, in welchen allmälig nur noch an dieser mehr peripherischen Stelle der frag- liche Zellenherd erscheint und successive in den Facialiskern über- geht. Darin, dass die erwähnte Säule mit diesem continuirlich zu- sammenhänge, stimmen wir mit der eben angeführten Angabe Stieda’s überein. Obgleich nun diese Säule zuweilen in zwei Gruppen gespalten erscheint, möchten wir sie doch als einheitliche Bildung auffassen und sie um Nichts zu präjudieiren Nucleus lateralis medius nennen. Dieser Name empfiehlt sich, weil wir einen nucleus lateralis anterior schon haben und und weil wir auch einen nucleus lateralis posterior sehr wohl unterscheiden können. Fig.5 N. 1l.a., N. 1.m., N. 1.p. Auf den nucleus lateralis anterior scheint sich B. Stillings Angabe!) von einem im be- treffenden Abschnitt der Oblongata ausser dem Oliven-Neben-Kern befindlichen zweiten kleineren fast zirkelrunden Kern zwischen den Vagus-Wurzeln und den hinteren Windungen des grossen Oliven- kerns zu beziehen. Genauer beschrieben ist er von Clarke?) und im Anschluss hieran beschrieben und benannt von Dean?). Kölliker stellt ihn unter dem Namen „Kern der Seiten- stränge“ dar*), ebenso Deiters®) („grauer Kern der Seiten- 1) med. obl. S. 43. Vgl. ibid. Taf. 6. — Obgleich Stilling beifügt, die in ihm enthaltenen Spinalkörper schienen ihm oft grösser zu sein als die des Olivenkerns, ist doch wohl der n. lat. ant. und nicht med. gemeint. 2) 1. c. 1858, S. 246 £. 3) The form and structure of the gray substance of the medulla oblon- gata human and mammalian. Smithsonian contributions to knowledge. Washington 1870, S. 41f. Er nennt ihn antero — lateral nucleus, 4) l. c«. S. 292. Figg. 198, 199. 5) 1. c. S. 202, 229, 370 C. F.W. Roller: stränge*), daher Max Schultze vorschlug ihn „Deiters’scher Kern“ zu nennen!). Die Zellengruppe des n. lat. ant. entsteht in derselben Ebene oder wenig höher, in welcher sich in der grauen Substanz der Vordersäule der untere Beginn der Olive entwickelt?). Die Zellen stimmen mit denen der Olive überein, sind also beträchtlich kleiner als die sog. motorischen. Die Gruppe liegt nahe der Peri- pherie, dorsal von der Olive, lateral von der Neben-Olive (Fig. 5). Sie ist weniger eircumseript als diese beiden Massen. Der Nucleus lateralis posterior, dessen nähere Beschreibung wir uns für einen anderen Ort vorbehalten, befindet sich am ventralen Rande der auf- steigenden Trigeminuswurzel (Fig. 1b, Fig. 5 N. 1.p.). Seine Zellen kommen theils mit denen der Olive überein, theils sind sie kleiner. Es ist nöthig diese verschiedenen Säulen nach ihrer Lage und ihrem Zellencharacter zu unterscheiden. Indessen scheinen die Autoren, welche eine motorische Ursprungsäule des seitlichen ge- mischten Systems annehmen, übereinstimmend den n. lat. med. im Auge gehabt zu haben. Schwierig möchte es sein den Duval’schen noyau accessoire de I’'hypoglosse und seinen noyau moteur du glossopharyngien aus einander zu halten. Beide kommen ohne Zweifel mit dem n. lat. med. überein. Schwalbe macht?) darauf aufmerksam, dass Duval seinen accessorischen Hypoglossuskern fälschlich für den Kern der Seiten- stränge (n. lat. ant.) gehalten habe. Dies ist richtig, Duval wirft n. lat. ant. und med. zusammen. Wenn aber Schwalbe sagt, Duval habe unter seinem accessorischen Hypoglossuskern den Meynert’schen vorderen Kern des Hypoglossus verstanden, so muss dies näher präeisirt werden. Es ist hier noch eine 4. Zellengruppe zu unterscheiden. Meynert beschreibt allerdings) feine graue radiäre Nerven- bündel, welche nahe nach aussen von der XIl. Wurzel vom X. 1) Vorwort zu Deiters Unters., S. XI. 2) Roller, die Schleife. Dieses Archiv, XIX. S. 259 f. " 3) 1. c. S. 658. 4) Stricker, 8. 791. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 371 Kern ausgehen und zu grossen ihnen parallelen Zellen gelangen, die nach vorne vom XI. Kern liegen !), auf seiner Fig. 258 zwischen XI. und XIL, wie er angibt (ohne Bezeichnung). Diese Zellen können nur dem n. lat. med. angehören. Die kleine Nervenkörpergruppe des vorderen Hypoglossus- kernes dagegen steckt nach Meynert in den Wurzeln des XI12). Diese in den Wurzeln steckenden Zellen kommen ohne Zweifel überein mit den Zellen, welche in dieser Gegend Deiters°) und im Anschluss an ihn Flechsig*) erwähnt, sowie mit den „cellole disposte a nucleo sul decorso della radiee e all’ inanzi del nucleo dell’ ipoglosso“ von Laura?°). Duvals aceessorischer Hypoglossuskern aber entspricht seiner Beschreibung nach dem n. lat. med. (zusammengeworfen mit dem n. lat. ant.), während freilich seine Figur 2, Taf. XIII®) dafür spricht, dass er den n. lat. med. auch mit dem Meynert’schen vorderen Hypoglossuskern zusammengeworfen habe. Eine Verbindung des n. lat. med. mit dem grauen Boden durch Fasern ist nun allerdings vorhanden. Man sieht in den tieferen Ebenen der obl., wo eben n. lat. med. und Vaguskern sich entwickeln, auf manchen Schnitten einen sehr zarten Faserzug zwischen beiden, zum Theil aus grauen zum Theil aus markhal- tigen Fasern bestehend. Ob sich auch zur beginnenden IX- Wurzel von diesen Fasern welche direct gesellen, konnten wir nicht ermitteln. Auf gewissen Strecken sieht man keine Fasern vom n. lat. med. zum grauen Boden ziehen, dann aber treten wieder solche auf und zwar zunehmend, je höher wir in der oblongata rücken. Die Fasern sind immer fein und immer theils graue theils weisse. Meistens verlaufen sie vom n. lat. med. bis zu dem Winkel zwischen Hypoglossuskern und Vaguskern (Fig. 5 y) und verlieren 1) Die Angabe, die Entfernung betrage 25 mm! beruht jedenfalls auf einem Druckfehler. 2) Ibid. 3). 14:03 5..191, 228, 4) Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen. Leipzig 1876, S. 335. 5).17e.8. 37: "Vol. Rip%®o, Taf. Il (d.). 6. 372 C. F.W. Roller: sich daselbst in der grauen Substanz. Ausnahmsweise sieht man sie nach dem einen der beiden Kerne deutlich hinstrahlen. Wir stehen hier vor einer Bildung, deren Auffassung grosse Schwierigkeiten macht. Von einer Umbiegung in irgend welche Wurzelbündel, zumal des Vagus oder Glossopharyngeus, ist keine Rede. Wir stimmen der Kritik, welche W. Krause dieser Behauptung angedeihen lässt, völlig zu. Aber auch die Annahme, dass die Zellensäule motorischen Fasern der genannten Nerven den Ursprung gebe, welche vielleicht durch Vermittelung der grauen Substanz in jene Wurzeln über- gehen, ist wenig gestützt. Die Zellen freilich haben alle Charac- tere, die man übereinstimmend den s. g. motorischen zuweist, wobei indessen immer wieder, wie das Kölliker!) thut, daran erinnert werden muss, dass für diese Auffassung die nöthigen Beweise nicht beigebracht sind. Die Fasern aber sind von denen, welche man als motorische betrachtet, sehr verschieden. Nicht nur, dass sie wie schon erwähnt, fein und aus grauen und weissen gemischt sind, sondern sie haben einen eigenthümlichen, um mich so auszudrücken, gebrochenen Verlauf. Sie verlaufen grossentheils, wie wenn sie durch die fibrae arciformes immer wieder aufgehalten würden. So ist von dem ge- streckten, geradlinigen oder in gleichmässiger Krümmung erfolgen- den Verlaufe, wie ihn die Wurzelbündel der austretenden Nerven und zwar nicht nur der motorischen sondern auch der sensibeln zeigen, ein in die Augen springender Unterschied vorhanden. Würde man die Fasern für sich betrachtet haben, so wäre wohl Niemand auf den Gedanken gekommen motorische vor sich zu haben. Fügen wir bei, dass in der geschilderten Weise sich auch die Fasern verhalten, welche vom nucleus lateralis medius in den Ebenen, in welchen er Faeialiskern geworden ist, sich zum fasci- culus teres begeben. Es steht fest, dass die Beziehungen der Zellensäule zum Facialis und ohne Zweifel auch Abducens den- jenigen zu Hypoglossus, Vagus und wahrscheinlich Glossopharyn- geus analoge sind. An anderem Orte wird es meine Aufgabe sein die Fasern des facialis, nachdem sie sich vom faseiculus teres aus nach abwärts, lateral und ventral gebogen, zu verfolgen. 1) l.c. S. 259. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 373 Bezüglich der Fasern, welche vom grauen Boden aus, beson- ders vom Winkel zwischen Hypoglossus- und Vaguskern, durch das Mark verlaufen, sind noch manche Punkte aufzuklären. Man kann sie zuweilen zur Neben-Olive, zum nucleus lat. ant. verfolgen, zuweilen gegen die Peripherie zwischen n. lat. ant. und post., wo sie sich verlieren. Ein sehr merkwürdiger Befund kam mir vor. Der n. lat. post. schlug sich um die rad. asc. trig. lateral herum gegen das corpus restiforme, und aus diesem sah man in die Zellenmasse hinein Fasern ziehen und aus ihr heraus wieder gegen den grauen Boden, parallel mit dem auf dem Schnitte gleichfalls vorhandenen Faserzuge aus dem n. lat. med. Der Uebergang mancher aus dem n. lat. med. stammenden Fasern in fibr. areif. ist uns wahrscheinlich geworden. W. Krause hat!) Aehnliches beobachtet. Müssen wir die Annahme, dass wir in dem Faserzuge, der meistens bis zum n. lat. med. reicht, einen motorischen vor uns haben, für unwahrscheinlich halten, so wird seine Erklärung frei- lich sehr schwierig. Bezüglich unserer Zellensäule haben wir zunächst nur die W. Krause’sche Vermuthung vor uns, dass der „nucleus ambiguus“ die Ludwig-Owsjannikow’schen allgemeinen Reflexe vermittele. Dieser Vermuthung stellen wir die uns viel wahrscheinlichere entgegen, dass diese Function der Olive zukomme, uns hierin mit Clarke?) berührend. Die W. Krause’sche Ansicht beruht darauf, dass er den „nucleus ambiguus“ der formatio reticularis resp. den fibr. areif. ausschliesslich zuweist und, wie es scheint, den Faserzug nach dem grauen Boden vollständig leugne. Dieser Faserzug existirt aber, in der von uns geschilderten Weise. In der grossen Ausdehnung, welche der n. lat. med. einnimmt, von der Vordersäule des Rückenmarkes bis zum Facialiskern einschliess- lich — eine möglicherweise noch weiter nach oben reichende Fort- setzung werden wir an anderem Orte besprechen — findet eine Faserstrahlung nach dem grauen Boden Statt, auf gewisse Strecken unterbrochen, aber immer wieder auftretend. Die Fasern be- geben sich allem Anschein nach zu den Herden des Hypoglossus, DE 2) l. c. 1868, S. 312, 319, 374 C. F. W. Roller: des Vagus, vielleicht des Glossopharyngeus — dies könnte auf dem Wege von fibr. areif. geschehen, wir besitzen Bilder, welche hier- für sprechen —, des Facialis, ohne Zweifel des Abducens. Es han- delt sich demnach um ein Centrum, welches zu einer Reihe von Nerven und swar solchen verschiedener Funetion in Beziehung tritt. Wir können die Vermuthung (!) nicht. unterdrücken, dass die marklosen Fasern, welche, wie wir gesehen haben, in dem frag- lichen Faserzuge enthalten sind, vasomotorische seien, welche solchergestalt den austretenden Nerven zugeführt werden, vielleicht zum Theil trophische. Wir würden im n. lat. med. dann ein vaso- motorisches (sympathisches?), vielleicht auch trophisches Centrum besitzen. Dass die grossen s. g. motorischen Zellen zum Theile trophische seien, wird heute von Vielen angenommen und hat Vieles für sich. In der Fortsetzung des n. lat. med. nach unten liegt die ventrale laterale Gruppe der Vordersäulenzellen, der Herd des n. accessor. Willis. !), des Herznerven, im Seitenstrange des Rücken- markes verlaufen die vasomotorischen Fasern — diese Momente würden stimmen, lassen sich mindestens ungezwungen auf einan- der beziehen. Die physiologischen Untersuchungen über Gefäss- nervencentren in verlängertem Mark und Rückenmark (besonders Sehiff, Owsjannikow, Dittmar, Goltz, Lister, Schlesinger) widersprechen unserer (hypothetischen) Localisation nicht, weisen vielmehr zum Theil eben auf diese Stellen hin. Die Möglichkeit, dass der Glossopharyngeus motorische Fasern führe, wollen wir damit nicht in Abrede stellen. Seine Fasern aber gehören der weit überwiegenden Mehrzahl nach zu den feinen und feinsten, es kommen nur einzelne stärkere in ihm vor. Dafür, dass er Geschmacksnerv sei, sprechen neuerdings die Versuche von v. Vintschgau und Hönigschmied, welche bei Kaninchen nach Durehschneidung des IX. die Schmeckbecher in den papill. foliat. und circumvallat. schwinden sahen. Dass er auch sensible Fasern enthält, bewiesen Schmerzenszeichen, welche die Kaninchen bei Quetschung des Nerven gaben ?). 1) Roller, der centrale Verlauf des n. accessor. Will. 2) Pflügers Archiv, Band XXIII, Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 375 Der n. glossophar. in den oberen Parthieen der med. obl. Die Wurzelbündel des glossophar. treten bei ihrem Eintritte ins Mark zum Theil durch die rad. ase. trig. hindurch, um sich zu ihrer eigenen rad. ascendens und zu ihrem Herde zu begeben. Doch nimmt nur ein kleiner Theil jener Bündel diesen Verlauf. Eine Entstehung von Fasern des IX. in der V-Wurzel schien aller- dings stattzufinden, dafür sprachen namentlich Längsschnitte, auf welchen man in der Bahn des IX. eintretende Fasern in die auf- steigenden V-Bündel einbiegen sieht. Eine weitere Faserabgabe des IX. bei seinem Eintritte ge- schieht nach manchen Bildern an das corpus restif. Der IX. tritt genau an dessen ventralem Rande aus (Fig. 6), und es ist auffallend, wie viel umfangreicher das Wurzelbündel an der Aus- trittstelle ist als bei seinem weiteren Verlaufe nach innen im Marke. Man kann nun mit voller Evidenz constatiren, dass vom IX. un- mittelbar nach dem Eintritt in’s Mark, sich ein Faserband um den lateralen, äussersten Rand des corpus restif. herumschlägt und sich in diesem verliert. Ob noch mehr Fasern weiter innen vom IX. zum corp. restif. ziehen, ‘ist mir wahrscheinlich aber nicht sicher geworden. Indem wir uns den Ebenen nähern, in welchen der Austritt des Geschmacksnerven stattfindet, wird es, worauf wir oben schon hindeuteten, mitunter schwierig die Wurzelbündel des X. und des IX. im einzelnen Falle, wo sie Einem nur in Stücken ihres Ver- laufes entgegentreten, zu unterscheiden. Die unzweifelhaften Glos- soph.-Bündel halten eine viel directer sagittale Richtung ein als die des Vagus, dessen Verlauf sich mehr der frontalen nähert. Es existiren aber vielfach Uebergänge. Zweifelhaft kann man indessen nur in den Ebenen sein, in welchen noch nicht die Wurzelbündel aus dem Querschnitt der rad. asc. heraustreten, dies aber sind die weit überwiegenden des IX. In den tieferen Ebenen existirt indessen doch auch ein, so glauben wir, durchgreifendes Unterscheidungsmerkmal. Man sieht nämlich Wurzelbündel sich um den dorsalen und lateralen Rand des Stranges, sei es, dass sie aus diesem selbst oder dass sie aus dem Kern stammen, herumschlagen und sich nach aussen wenden. Der Leser erinnert sich, dass wir bezüglich solcher in tieferen Ebenen den Querschnitt unseres Bündels umziehender Faserzüge darauf 376 C. F.W. Roller: aufmerksam machten, dass es sich jedenfalls meistens um Kranz- fasern und in den höheren Ebenen um fibr. areif. handele. Eine Verwechselung ist hier aber leicht auszuschliessen, weil hier eben der Verlauf der fraglichen Bündel nach der Peripherie sicher zu constatiren ist. Von der rad. ase. zur Rhaphe ziehende Faserzüge (fibr. areif.) sind in allen Ebenen der Obl. zu constatiren, ob sie die von Meynert (s. 0.) angegebenen Verbindungen vermitteln, können wir nicht sagen. Wir glauben also, dass jene sich um die rad. ase. herum- schlagenden Bündel dem IX. angehören, während die an der ven- tralen Seite derselben verlaufenden Wurzelbündel, auch, wenn sie scheinbar mit der rad. ase. in Verbindung treten, dies nicht thun, sondern dem X. angehören und sich zu dessen Kern begeben. Wie dem sei, evidente Glossoph.-Wurzeln sind die aus dem Querschnitt der rad. ase. heraustretenden'). Diese erscheinen auf manchen Schnitten selbst in mehreren Zügen und bilden zusammen eine sehr beträchtliche Anzahl, die gewiss die überwiegende Masse des IX. ausmachen (Fig. 6 r. IX.). An der Stelle, welche die austretenden Bündel verlassen, tritt graue Substanz mit Zellen auf, die, nachdem die Wurzeln ausge- treten sind, mit der grauen Substanz der formatio retieularis zu- sammenfliesst. Dass die obersten Wurzelbündel des IX. den n. intermed. Wrisb. bilden sollen (Duval), müssen wir für irrthüm- lich halten. An die austretenden unzweifelhaften IX. - Bündel schliessen sich die austretenden unzweifelhaften VIII.-Bündel un- mittelbar an, so dass eine Unterscheidung, die indessen möglich ist, nur bei scharfer Aufmerksamkeit gelingt. Duvals Auffassung ist wohl dem Umstande zuzuschreiben, dass die austretenden VIIL- Bündel Anfangs verhältnissmässig schmale Züge bilden, die erst allmälig aber völlig eontinuirlich zu der mächtigen Acusticuswurzel werden. Der centrale Verlauf des n. intermed. Wrisb. ist jeden- falls durch Huguenin?) richtiger aufgefasst. Seine Darstellung stimmt zum makroskopischen Verhalten des Nerven, was die Du- val’sche nicht thut. 1) B. Stilling, med. obl. Taf. VII, Fig. 6, ist das Hervorgehen einer IX.-Wurzel aus der rad. asc. dargestellt, freilich ohne vom Verf. in dieser Weise aufgefasst zu werden. 2) 1. c. 8. 178£. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 377 Auf Querschnitten hat es nun allerdings den Anschein, als ob die rad. ase. völlig in die austretende Wurzel umbiege. Anders auf Längsschnitten. So deutlich man hier die aus- resp. eintreten- den und mit dem Strange in Verbindung tretenden IX.-Bündel vor sich hat (Fig. 7, Sr. i. IX.), so sieht man stets Fasern noch weiter nach oben ziehen. Diese sind auf Fig. 8 (r. d. IX) etwas zu stark dargestellt. Wenn man nun daraufhin die Querschnitte auf’s Neue prüft, so sieht man auch hier, dass die Faserdurchschnitte nicht völlig schwinden. Der gesammte Bündelquerschnitt ist, während die oberen IX.- Wurzeln austreten, etwas ventral und lateral gerückt, und in seinem Gebiete bleiben, nachdem jener Austritt stattgefunden, die Durch- schnitte einer kleinen Anzahl von Fasern übrig. Diese wenden sich allmälig mehr lateral und nähern sich der dorso-medialen Parthie der aufsteigenden Trigeminuswurzel. Sie scheinen sich weiterhin mit dieser zu vereinigen und in die convolutio quinti!) einzutreten. Ob sie sich dann zur lateralen Schleife begeben, konnten wir nicht verfolgen. In ihrem Weiterziehen nach dem Austritte der obersten Wurzelbündel des Glossopharyngeus bilden die erwähnten Fasern die radix descendens des Geschmacksnerven. Die oben eit. Autoren, welche überhaupt die Beziehung des „solitären Bündels* zum IX. erkannten, nehmen, wie wir dort an- gaben, die völlige Umbiegung desselben in die Wurzel an, mit Ausnahme von Clarke), der sich übrigens über den weiteren Ver- lauf des Bündels nicht ausspricht. Zusammenfassung. Das solitäre Bündel Meynert ist aufsteigende Glossopharyn- geuswurzel. Dieselbe lässt sich hinab verfolgen bis in die Ebenen der Oblongata, in welchen sich Hypoglossus- und Vaguskern aus- bilden. Weiter hinab in’s Halsmark, als „Respirationsbündel“ ist der Strang nicht zu verfolgen. 1) Vgl. Roller, die Schleife. Dieses Archiv XIX. 2) Vgl. dessen Fig. 30, Taf. X. 1. c. 1868; die nach oben weiterzie- hende Parthie ist zu umfangreich dargestellt. Dagegen ist auf der sonst guten Abbildung bei Laura (Nuove Ricerche, Taf. XI) die Fortsetzung nach oben irrthümlicher Weise nicht angegeben. 378 C. F.W.Roller: An der Entstehung der IX.-Wurzel sind hauptsächlich Kranz- fasern betheiligt, welche wahrscheinlich aus dem jenseitigen funi- culus graeilis stammen. Es ist wahrscheinlich, dass auch die Fort- setzung der Clarke’schen Säule im Halsmark an seiner Bildung Theil nimmt. Dasselbe gilt von einem zarten, vom eben entstehen- den Hypoglossuskern kommenden Faserzug. Möglich sind Faserzuzüge aus dem gleichseitigen funie. grae., vom eben entstehenden n. lat. med. und vom cap. corn. post. Die Zellensäule des Glossopharyngeusherdes tritt etwas tiefer im Marke auf als, die aufsteigende Wurzel, ventral beiderseits der fiss. longit. post. Die graue Masse mit sehr reichlichen kleinen Ganglienzellen vereinigt sich mit der Wurzel in der Weise, dass sie zwischen deren Bündeln und in ihrer nächsten, besonders dorsalen Umgebung aufsteigt. Einen Glossopharyngeuskern vermögen wir weder an der von Stilling noch an der von Clarke, welchem die meisten seitherigen Forscher gefolgt sind, angegebenen Stelle aufzufinden. Die Zellensäule begleitet die Wurzel bis zu deren Austritt. Zu dem unteren Theile des Glossopharyngeusherdes ziehen Fasern von den. Epithelien des Centralcanals sowie von, den Epi- thelien ähnlichen Gebilden und von Nervenzellen in nächster Um- gebung des Centralcanals. Der n. lateralis medius entsendet seine, zum Theil marklosen Fasern nach dem grauen Boden, die sich mit grösserer oder ge- ringerer Wahrscheinlichkeit zu den Kernen des Hypoglossus, Vagus, Glossopharyngeus, Facialis, Abducens wenden. Eine Umbiegung der Fasern in austretende Wurzelbündel findet nicht Statt. Die genannte Säule grosser polykloner Zellen setzt sich con- tinuirlich in den s.' g. Facialiskern fort. Eine Verbindung des Vagus mit der rad. asc. n! glossoph. ist sehr unwahrscheinlich aber nicht mit Sicherheit auszuschliessen. Die Unterscheidung der Wurzelbündel des Vagus und Glossopha- ryngeus ist — mindestens nahezu — vollständig durchführbar. Fasern aus den Wurzelbündeln des IX. treten wahrscheinlich in die rad. asc. n. trig., sicher in das corpus restiforme. Die rad. 'ase. n. glossoph. biegt zum weit überwiegenden Theile in die austretende Wurzel um, ein kleiner Theil der Fasern zieht weiter und scheint in die rad. asc. n. trig. und in die con- Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngeus. — Nucleus lateralis medius. 379 volutio quinti einzutreten, um sich vielleicht zur lateralen Schleife zu begeben. — Schliesslich möchten wir die auffallende Aehnlichkeit hervor- heben, welche die aufsteigende Glossopharyngeuswurzel mit der nach Balfour!) bei Selachiern während der Entwickelung der Hirn- Rückenmarks-Nerven auftretenden Längscommissur zwischen den Spinalnerven-, Vagus- und Glossopharyngeuswurzeln hat. Die auf- steigende Glossoph.-Wurzel könnte sehr wohl das Homologon dieser bei jenen niedernWirbelthieren viel weiter greifendenVerbindung dar- stellen. Auch muss in dieser Beziehung an die Clark e’schen Säulen und ihre Fortsetzung im Halsmark mit den in ihnen aufwärts- ziehenden Längsfasern gedacht werden (s. übrigens o. S.352ff.). Aus diesen Beziehungen würde nicht etwa folgen, dass auch bei den höheren Thieren der IX mit dem X in dem „solitären Bündel“ eine für beide Nerven gleich ausgiebige Quelle habe. Indem wir an die Selbständigkeit erinnern, welche der IX in der Vertebraten- Reihe bis zu den Selachiern abwärts besitzt, behalten wir uns vor auf die vergleichend-anatomischen Momente später zurückzukommen. Figuren-Erklärung auf Tafel XIX und XX. Uebereinstimmende Bezeichnungen. n. IX. Nucleus nervi glossopharyngei. r. a. IX. Radix ascendens nervi glossopharyngei. 2.eX, Nucleus nervi vagi. - n. XII. Nucleus nervi hypoglossi. Fig. la. Querschnitt in einer Ebene der sensibeln Pyramidenkreuzung. fe: fibrae coronariae, Kranzfasern. c. Cc. Centralkanal. XI. nervus accessorius Willisii. Fl. p. Fissura longitudinalis posterior. F. gr. Funiculus gracilis ?). Pre Funiculus cuneatus. Fig. 1b. Querschnitt ibid. Theil der vorigen Figur, vergrössert, zeigt den Nucl. lateralis posterior in deutlicher Entwickelung. N. 1. p. Nucleus lateralis posterior. 1) Development of Elasmobranch -Fishes. London and Cambridge 1878. 2) Auf Fig. la sind dieVerweisungslinien F.1.p. und F.gr. verwechselt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 26 380 c F. W. Roller: Die folgenden Figuren bis Fig. 7 excl. stellen Querschnitte aus einan- der nach aufwärts folgenden Ebenen der med. obl. dar. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Unterer Beginn des Glossopharyngeuskernes. CC. Centralcanal. f. ep. Epithelialfasern. n. IX. nucleus nervi glossopharyngei. n. X. nucleus nervi vagi. n. XU. Beginnender nucleus nervi hypoglossi. 01. Olive. N. 1. a. Nucleus lateralis anterior. | N. 1. m. Nucleus lateralis medius. Der Centralcanal mit seinen Epithelien, den umgebenden epithelio- iden Gebilden und den Epithelialfasern. Der Glossoph.-Kern. c. c. Canalis centralis. C. ep. Mit den Epithelien übereinstimmende (epithelioide) Zellen. f. ep. Epithelialfasern. Unterer Beginn der rad. asc. n. glossophar. und gegenseitige Lage der Kerne des XII, X und IX. f.comm. Verbindungsfasern zwischen Glossoph.-Kern und rad. asc. n. glossoph. Querschnitt kurz nach Eröffnung des 4. Ventrikels. 2. x Vaguswurzel. Radix ascend. n. Trigemini. Nucleus lateralis anterior. . Nucleus lateralis medius. ug» <= Nucleus lateralis posterior. Neben-Olive. Rhaphe. Fasern vom n. lat. med. zum Boden des 4. Ventrikels. KIZAZZZT u N.p. XII. Kleinzelliger Hypoglossusherd. Austritt einer Glossopharyngeuswurzel. r. IX. Austretende Glossoph.-Wurzel. BR: Austretende Vaguswurzel. r. a. V. Aufsteigende Trigeminuswurzel. r.a.Vlll. Aufsteigende Acusticuswurzel. Chr: corpus restiforme. N. l. m. Nucleus lateralis medius. R. Rhaphe. XU. K. Rest des Hypoglossuskernes. X. K! Rest des Vaguskernes. VIII. K. Beginnender medialer Acusticuskern. Fig.7 u. 8, schräge Längsschnitte der medulla oblongata. Centr. Verlauf d. nervus glossopharyngens. -- Nucleus lateralis medius. 381 Fig. 7. Die in die austretenden Wurzeln umbiegende rad. asc. n. glossoph. r. a. IX. rad. asc. n. gl. r. ec. IX. Austretende (resp. eintretende) Bündel des Glossophar. n. IX. dem Glossoph -Kern angehörige Zellen. TA Wurzelbündel des Vagus. Fig. 8 r. d. IX. Weiter nach oben verlaufende Fasern des n. glossoph. (rad. descend. n. glossoph.) r. c. IX. austretende (resp. eintretende) Glossoph.-Wurzel. r. a. IX. aufsteigende Glossoph.-Wurzel. BER Wurzelbündel des Vagus. Fig. 9. zeigt den Eintritt von Hypoglossuswurzeln in den ventral des gross- zelligen gelegenen kleinzelligen Hypoglossuskern, andrerseits den Eintritt von Rhaphefasern in den kleinzelligen Kern N.m.XII. Nucleus magnocellularis nervi hypoglossi. N. p. XI. Nucleus parvocellularis nervi hypoglossi. XI. W Hypoglossuswurzeln. R. Rhaphe. F. R. Rhaphefasern. Fig. 10. stellt die Entwickelung der Hypoglossuswurzeln aus einem Felde dar, welches grossentheils im Gebiete des kleinzelligen Herdes ver- laufende, in verschiedenen Richtungen durchschnittene Fasern zeigt. Diese gehören, auch die auf der Figur noch dargestellten, lateral gelegenen, ohne Zweifel dem hinteren Längsbündel an. Die Manch- faltigkeit der Richtungen, in welchen sie herzutreten, um schliess- lich gegen die Hypoglossuswurzeln zu convergiren, tritt in der Natur mehr hervor als auf der Zeichnung. N.m.XII. Grosszelliger Hypoglossuskern (reducirt). N.p. XI. Kleinzelliger Hypoglossuskern (gleichfalls reducirt). Die kleinen Zellen zum Theil zwischen den Faserquerschnitten zerstreut. H. L. Hinteres Längsbündel sammt den aus verschiedenen Richtungen zum Hypoglossus convergirenden Längsfasern. XII. W. Hypoglossuswurzeln. R. Rhaphe. Literatur, B. Stilling, Untersuchungen über die Textur und Function der medulla oblongata. Erlangen 1843. — Neue Untersuchungen über den Bau des kückenmarks. Cassel 1859. Foville, Trait& complet de l’anatomie, de la physiologie et de la pathologie du systeme nerveux cerebrospinal. Paris 1844. 382 C. F. W. Roller: J. L. Clarke, On the intimate structure of the brain. Philosophical trans- actions. London 1858, 1868. 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Hierzu Fig. 5, Tafel XIX; Fig. 9 und 10, Tafel XX'). Ventral vom Hypoglossuskern Stilling findet sich eine mit den Hypoglossuswurzeln in Verbindung stehende Zellensäule, auf welche ich die Aufmerksamkeit lenken möchte. Ausserdem liegen ventral vom Hypoglossuskern zerstreute Ganglienzellen verschiedener Anordnung, Gestalt und Grösse, auf welche ich unten kurz zurückkommen will. Die hier zu besprechende Zellensäule ist eine compacte und eireumscripte, so wohl abgegrenzt wie irgend ein als solcher unter- schiedener grauer „Kern“. Die übrigen Verhältnisse des centralen Verlaufes des Hypo- glossus, welehe in mehrfacher Beziehung der Modification und Ergänzung bedürfen, werde ieh nur, soweit es mir zur Deutlich- keit der Darstellung erforderlich scheint, heranziehen. Etwa in der Mitte der Längsausdehnung des Hypoglossuskernes beginnen in der grauen Masse, welche von jenem ausgehend die Hypoglossuswurzeln begleitet, kleine Zellen, welche hier in tieferen Ebenen vereinzelt beobachtet werden, sich zu einer etwas grösseren Masse zu sammeln. Diese Zellen sind erheblich kleiner als die grossen polyklonen s. g. motorischen der Vordersäule und des Stilling’schen Hypoglossuskernes, ihr grösster Durchmesser er- 1) Die Figuren -Erklärung s. S. 380 u. 381. 384 C. F. W. Roller: reicht höchstens 15 u, während derder s. g. motorischen 60 « und mehr beträgt. Die erwähnten Zellen sind ausserdem nicht schlank wie die „motorischen“ meistens, sondern überwiegend rundlich auch eckig, zeigen indessen verschiedene Formen. Wie die Zellen vom Typus des Vaguskernes und wie die „blasigen“ sind sie in das umgebende Gewebe dichter eingebettet, dasselbe hat sich von ihnen weniger zurückgezogen als von den grossen polyklonen, (auch den Olivenzellen), welche auf Schnitten von erhärteten Präpa- raten in Lücken des Gewebes liegen. Die kleinen Zellen färben sieh im Allgemeinen schwächer mit Carmin als die s. g. motorischen, theilweise bleibt ihr Kern hell wie der der blasigen, während die grossen Hypoglossuszellen meist dunkle Färbung des Kernes zeigen. Rasch entwickeln sich diese Zellen zu einer auf dem Quer- schnitt compacten Gruppe, auf dem — sagittalen und frontalen — Längsschnitt eontinuirlichen Säule, unmittelbar ventral vom gross- zelligen Kern und medial von den in diesen eintretenden Wurzel- bündeln des XII. Aus diesen begeben sich zunächst einzelne Fasern zu den kleinen Zellen, bald aber sind die Hypoglossus- wurzeln, welehe in den tieferen Ebenen, in welchen der klein- zellige Herd nicht entwickelt ist, den grosszelligen XII. Kern Stillings mit voller, von sämmtlichen Forschern seit dem Ent- decker wieder gefundener Evidenz erreichen und sich in ihm ver- breiten, theilweise nur bis zum kleinzelligen zu verfolgen. Oft sieht man nun das breit heranziehende Wurzelbündel bei der An- kunft am kleinzelligen Herde sich auffasern, und es bleibt schwer zu entscheiden, in welcher Zahl die Fasern sich in diesem verlieren, in welcher sie den grosszelligen erreichen. Beim Aufsteigen im Marke scheinen die Wurzeln selbst völlig in den kleinzelligen Herden zu endigen. Genaue Prüfung ergibt indessen, dass die Fasern stets in gewisser wenn auch zuweilen geringer Zahl in den grosszelligen Kern eintreten. Es ist aber keine Frage, und jedem sachverständigen Untersucher wird eine genaue Beobachtung ergeben, dass man nicht ohne Weiteres wie bisher sagen darf, dass die Hypoglossuswurzeln sämmtlich in den srosszelligen Kern treten, sondern dass für viele Fasern derselben der kleinzellige ventral von jenem gelegene das (vorläufige) cen- trale Ende bildet. Bald nach Entwiekelung des kleinzelligen Kernes sieht man diesen vom grosszelligen vollständig abgegrenzt durch Bündel, Ein kleinzelliger Hypoglossuskern. 385 welche aus der Rhaphe lateral ziehen, wobei einzelne der grossen polyklonen Zellen ventral jener Bündel im Bereiche des kleinzelli- gen Herdes liegen. In höheren Ebenen erscheint der kleinzellige Herd mitunter kreisrund und tritt auch dadurch deutlich hervor, dass seine Neuroglia sich mit Carmin lebhafter roth färbt als die des grosszelligen. Das Aussehen des grosszelligen Hypoglossuskernes selbst erfährt beim Aufsteigen im Marke erhebliche Veränderung. Wäh- rend in den tieferen Ebenen die XII-Fasern sich in demselben nach verschiedenen Richtungen vertheilen in einer Weise, dass die Darstellung Meynerts') und Huguenins?) von „Knäueln“, wel- che sie bildeten, nieht unberechtigt erscheint, schwindet in den höheren Parthien dieser Anschein, die starken Fasern innerhalb des Kernes werden beträchtlich redueirt, es erscheinen nur mehr feine und im Ganzen wird das Aussehen der Neuroglia ein gleich- mässigeres. Um so lebhafter wird das Fasergewirr im kleinzelligen Herde und es gelingt zuweilen die Fortsätze der Zellen desselben in der Richtung der Hypoglossus-Wurzelfasern zu verfolgen, vereinzelt dieselben direct in sie übergehen zu sehen. Am Frappantesten erscheint das Eintreten der Hypoglossus- wurzeln in die kleinzelligen Herde auf Schnitten aus den obersten Gegenden des centralen XII-Verlaufes. Hier wenden sich dessen Bündel als Ganzes leicht medial und treten in jene Herde ein, theilweise scheinen sie sich auch zur Rhaphe zu begeben. (Ueber dies Verhältniss werde ich sogleich weiter reden.) Hier entsteht der Anschein eines sich ventral der grosszelligen Hypoglossus- kerne schliessenden Bogens (Ansa hypoglossi). Es ist schwierig den Charakter der aus der Rhaphe seitlich transversal ziehenden Bündel festzustellen. Wie im ganzen Verlaufe der Rhaphe treten fibrae areiformes unmittelbar ventral vom XII- Kern aus ihr hervor. In ansehnlichen Bälkchen wenden sie sich hier nach dem grosszelligen Hypoglossuskern und lassen sich mit Deutlichkeit nur bis zu dessen grauer Substanz verfolgen. Die 1) Vom Gehirne der Säugethiere. Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig 1870, 8. 791. 2) Huguenin, Allgemeine Pathologie der Krankheiten des Nerven- systems. I. Theil. Anatomische Einleitung. Zürich 1873, S. 188, 386 C. F. W. Roller: dorsalsten dieser Bälkchen treten von der Rhaphe unter einem spitzen Winkel in dorso-lateraler Richtung ab, der Winkel, den die mehr ventral abtretenden mit der Rhaphe bilden, nähert sich immer mehr einem rechten, wird dann zu einem solchen, und die solcher- gestalt sich abzweigenden fibrae arciformes durchziehen in bekann- tem transversalem Verlaufe das Mark. Indessen sieht man selbst von den Bälkchen, welche in die graue Substanz des Hypoglossus- kernes einstrahlen, nur einen Theil sich in dieser verlieren, wäh- rend ein anderer gleichfalls lateral zieht und, so scheint es, in die Bahn der unmittelbar ventral vom grauen Boden des 4. Ventrikels verlaufenden (sich zu Vagus- und Glossopharyngeuskern begeben- den?) fibrae arciformes übergeht. Das weitere Schieksal der aus jenen Bälkchen in den Hypoglossuskern eintretenden Fasern ge- traue ich mir bis jetzt nicht festzustellen. Es sind sehr feine theils markhaltige theils marklose Fasern und die feinen Fasern sind innerhalb des XII- Kernes sehr zahlreich und verlaufen nach allen Richtungen. Schon da, wo die kleinzelligen Herde noch nicht compact entwickelt sind, kann man die besprochenen Bälk- chen vielfach eben bis in die graue Substanz ventral der gross- zelligen, in welcher sich jene wenig höher entwickeln, verfolgen und hier anscheinend endigen sehen. Ein anderes Verhalten der Bälkehen etablirt sich mit der vollen Entwickelung der kleinzelligen Herde. Wie schon erwähnt, ziehen sie nun in verhältnissmässig breitem Zuge statt nach dem grosszelligen Herde, transversal hinein zwischen diesen und den kleinzelligen, und hier schlagen die Fasern offenbar sehr verschie- dene Wege ein. Einer derselben — und dies ist der sicherste — ist der in die fibrae arciformes. Andere Theile wenden sich zu gross- und kleinzelligem Herde, aber hier eben ist ihre Verfolgung schwierig. Endlich aber scheinen auch einige Fasern direet in die Hypoglossuswurzeln überzugehen. Der Anschein eines solchen Ueberganges besteht oft, lässt sich aber bei genauer Prüfung und mit stärkerer Vergrösserung in den meisten Fällen auflösen. Es handelt sich meistens um Fasern, welche, aus der Rhaphe kommend, in die XII-Wurzeln überzugehen scheinen, in der That aber sich in fiprae arciformes fortsetzen. Vollkommen deutlich wird dies durch Vergleichung der sich in den höheren Ebenen ergebenden 3ilder mit denen aus tieferen. Schon da, wo sich eben der Hypo- glossuskern bildet, in Parthieen des Markes, in welchen man noch Ein kleinzelliger Hypoglossuskern. 387 zweifelhaft sein kann, ob man schon Wurzeln des XII oder noch solche des 1. Cerviealnerven vor sich habe, ziehen Anfangs die fibrae eoronariae und sich unmittelbar an sie anschliessend die fibrae arciformes !) aus der Rhaphe heraus in lateralem bogenförmigem Verlaufe durch das Mark. Schon hier durchsetzen sie zum Hypo- glossuskern gehörige graue Substanz. Der Anschein, als ob die XIH-Wurzeln in diese Bündel übergingen, entsteht hier gar nicht, weil die graue Substanz, bis zu welcher die Wurzeln allein direet verfolgt werden können, noch zu weit ventral reicht. In den nach oben folgenden sind es dieselben aus der Rhaphe tretenden Bälk- chen, mit welchen die XII-Wurzeln in Verbindung zu treten scheinen, für die Mehrzahl, wie angegeben, nur scheinbar. Ein Theil der XII-Fasern indessen lässt sich in der Bahn jener Bälkchen bis in die Rhaphe verfolgen. Dies gilt entschieden nur für Fasern, welche den obersten Hypoglossuswurzeln ange- hören, und feststellen lässt sich dieser Uebergang nur für wenige. Dagegen legt die Beobachtung des Eintrittes einerseits von XH-Fasern, andererseits von Rhaphebälkchen in die kleinzelligen Herde die Vermuthung nahe, dass hier die Vermittelung zwischen (aus höher gelegenen Oentren stammenden?) Fasern der einen Seite mit solchen der anderen stattfindet. Da die XII-Fasern und die Rhaphebälkchen sowohl in die gross- als in die kleinzelligen XII-Zellen eintreten, so würde in beiden eine solche Vermittelung stattfinden können. Ausser Zweifel gesetzt ist eine Verbindung der XII-Fasern mit longitudinalen aus höher gelegenen Theilen des Markes stam- menden Bündeln durch folgendes Verhalten. Innerhalb der klein- zelligen Herde und lateral derselben aber in unmittelbarer Nach- barschaft sind eine grosse Anzahl vertical und schräg durch- schnittener Fasern wahrzunehmen, und es ist auf vielen Schnitten eine Richtung dieser Fasern nach denen des XII. und vice versa frappant wahrzunehmen. Die heranziehenden XII-Wurzeln strahlen nicht selten pinselförmig aus in der Richtung nach Rhaphe, klein- zelligem Herd und den lateral gelegenen Querschnitten. Diese Fasern sind von den in der Formatio reticularis vorhandenen sehr wohl zu unterscheiden durch ihr weit compacteres Aussehen, 1) Ueber diese Unterscheidung s. o. S. 366 Anm. 388 C. F. W. Roller: ihr stärkeres Kaliber und durch ihre dichtere Zusammenordnung. Sie kommen durchaus mit denen des hinteren Längsbündels über- ein und sind diesem auch ohne Zweifel zuzurechnen. Dieses ge- winnt, wie sich besonders auf Längsschnitten nachweisen lässt, Fasern aus den kleinzelligen XII-Herden wie auch aus den gross- zelligen '). Einen directen Uebergang der Längsfasern in die aus- tretenden Hypoglossusfasern konnte ich auch auf Längsschnitten nicht constatiren, obgleich immerhin ein direetes Einstrahlen von XII-Fasern in den Querschnitt des hinteren Längsbündels beob- achtet werden kann und auch Sagittalschnitte Bilder zeigen, welche für einen direeten Uebergang sprechen. Vorwiegend scheint hier eine durch Zellen vermittelte Verbindung zu bestehen. Nach oben schwinden die kleinzelligen Herde als compacte Gruppen, während zerstreute Zellen verschiedener Grösse und Ge- stalt an der Stelle, wo sie sich befunden hatten, liegen bleiben. Die grosszelligen erhalten sich etwas länger. Diese rücken in re- dueirtem Umfang weiter lateral, während hier die XII-Bündel an ihrem ventralen Rande vorüber nach der Mittellinie ziehen, es ist schwer zu sagen, ob zur Bildung einer Ansa, zum Uebergang in das hintere Längsbündel oder um sich mit kleinen, medial der srosszelligen liegenden Zellen-Herde zu verbinden. Gruppen solcher kleinen Zellen, medial der Stilling’schen XII-Kerne finden sich mehrfach, es ist aber ein Eintritt von XII-Fasern in dieselben nicht nachzuweisen. Einzelne Fasern, sicher aber sehr wenige, treten auch hier in die grosszelligen Herde ein. Wo die grossen Zellen schwinden, treten sofort beträchtlich kleinere, vom Typus der Vaguszellen, an ihre Stelle, die XII- Wurzeln aber schwinden noch nicht, sie ziehen auch jetzt zu der Stelle, wo die Stilling’schen Kerne gelegen hatten, und hier sind an der Stelle, wo sie dorsal endigen, viele Faserquerschnitte in verschiedener Richtung vorhanden. Es ist evident, dass es sich hier um herabkommende Längsfasern — des hinteren Längs- bündels — handelt, einzelne Fasern aber sind wohl solche der XIl-Wurzeln, welche sich nach den grosszelligen Kernen hinab- biegen. 4 F S R R as ee EN 1) S. meinen Vortrag: „Ueber das hintere Längsbündel der Oblongata“. Bericht über die V. Wanderversammlung der südwestdeutschen Neurologen u.8s. w. Westphal, Archiv XI, 1. Ein kleinzelliger Hypoglossuskern. 389 Die kleinzelligen ventral der Stilling’schen gelegenen Hypo- glossuskerne und das Verhältniss der Wurzeln zu denselben sind auf Längsschnitten, besonders sagittalen, gleichfalls zu constatiren. Auf Sagittalschnitten verfolgt man die XII-Wurzeln bis zu den kleinzelligen Säulen und sieht sie hier auseinanderstrahlen, eine gewisse Anzahl der Fasern kann man stets durch die kleinzelligen Säulen hindurch in die grosszelligen verfolgen. Es scheint uns wichtig, dass solchergestalt der Zusammenhang eines unzweifelhaft motorischen Nerven mit kleinen Zellen consta- tirt ist. Die ausgiebige Verbindung mit den grossen polyklonen bleibt dabei bestehen. Solcher kleinen Zellen haben wir in den Kernen anderer Hirnnerven, in den Vordersäulen des Rückenmarkes gefunden und behalten uns vor, darauf zurückzukommen. Welche Bedeutung den grossen, welche den kleinen Zellen zukommt, müssen weitere Untersuchungen lehren. Selbstverständlich drängte sich uns hiebei der Gedanke an den bereits ziemlich allgemein an- erkannten Charakter der grossen als trophischer Centren auf. Sind die grossen Zellen zum Theil motorische zum Theil trophische? Sind sie durchweg Ernährungscentren für Nerven und Muskeln, wären dann die kleinen die funetionellen (motorischen)? Dies können wir nicht sagen. Ihrer Beantwortung würden diese Fragen näher geführt, wenn bei Vergleichung von Fällen von Atrophie ohne Lähmung und vice versa der Zustand der grossen und der kleinen Zellen geprüft würde. Vielleicht, dass Fälle von Dementia paralytica mit ataktischer Sprachstörung ohne Atrophie der Zunge zunächst geeignet wären an eine derartige Untersuchung heranzu- treten. Bisher sind die fraglichen kleinen Zellen unseres Wissens, wenigstens von pathologischer Seite, noch gar nicht beachtet worden. Ein weiteres interessantes Ergebniss war uns die durch die kleinzelligen wie grosszelligen XII-Kerne, wohl in ausgiebigerem Maasse durch die kleinzelligen, geleistete Vermittelung zwischen XII-Wurzeln und hinterem Längsbündel sowie zwischen XII- Wur- zeln und Rhaphe. In indireetem Zusammenhange mit der Frage nach der Be- deutung der kleinzelligen Herde steht ein Verhältniss, welches wir hier nieht erschöpfend behandeln können, auf welches wir aber hinweisen wollen. Es steht fest, dass nur ein Theil der grossen Zellen des 390 C. F. W. Roller: Stilling’schen Kernes mit den Fasern der Hypoglossuswurzeln in Verbindung steht, denn es sind weit mehr solcher Zellen als XII- Fasern vorhanden. Dies lehrt der Augenschein, besonders auch auf solchen Sagittalschnitten, welche einen grossen Theil des Stil- ling’schen XII-Kernes und der XIl-Wurzeln zeigen. Man kann sich aber durch Zählung auf Querschnitten, welche die volle Ent- wickelung sowohl der Kerne als der Wurzeln zeigen, direct über- zeugen. Hier fanden wir auf einer Seite etwa 40 Wurzelfasern auf etwa 100 grosse Zellen. Es geht daraus hervor, dass der Hypoglossuskern noch in anderen Beziehungen stehen muss als zu den Wurzeln des XII. Es wäre zunächst möglich, dass er als trophisches Centrum noch für andere Theile als die Zunge zu dienen hätte. Wir haben im Vorstehenden nur die Säule kleiner Zellen be- sprochen, mit welcher die XII-Wurzeln unzweifelhaft in Verbin- dung stehen. Auf die graue Masse, welche vom XII-Kern aus- gehend, sich längs der XII-Wurzeln erstreckt und zahlreiche mehr zerstreute Zelien verschiedener Gestalt und Grösse enthält, gehe ich hier nicht näher ein; es ist möglich, dass auch mit ihnen ein- zelne XII-Fasern in Verbindung treten. Die erwähnte graue Masse hängt an manchen Stellen, besonders in den tieferen Theilen der Längsausdehnung des XII-Kernes, mit dem Pyramidenkerne zu- sammen. Eine eompaete Säule, welche, wie erwähnt, auf dem Quer- schnitt nicht selten kreisrund erscheint. und einen Herd des Hypo- glossus, bildet (neben dem Stilling’schen Kerne) nur die von uns besprochene Ansammlung von Zellen. Accessorische Hypoglossuskerne sind als solche zuerst von Meynert beschrieben. Er erwähnt „die kleine Nervenkörper- sruppe des vordern in den Wurzeln steckenden Kernes“, von welcher der von ihm unterschiedene innere und äussere Hypo- slossuskern durch ihre aus der Rhaphe hervortretenden Verbin- dungen getrennt“ seien. Gleich darauf spricht er von „einer durch feine graue radiäre entschieden von den Ursprungsmassen des Hy- poglossus ausgehende Nervenbündel“ hergestellte Verbindung mit grossen, nach vorne vom XIl-Kerne gelegenen Zellen. Beide Kerne sind auf der beigegebenen Figur 258 nicht bezeichnet. Welche Lage und Beschaffenheit Meynert dem ersterwähnten zuweist, ist nicht Ein kleinzelliger Hypoglossuskern. 391 ersiehtlich, es dürfte sich zum Theil um die Zellen handeln, welche von Flechsig!) mit Beziehung auf Deiters, seinem „Vorder- strangtheil der Formatio retieularis“ zugewiesen werden, und um dieselben, welehe Laura?) aufführt: „angeordnet als Kern im Ver- lauf der XII-Wurzel und nach vorne vom XII-Kern“. Möglich ist es, dass Meynert dabei auch diejenige Zellengruppe im Auge hatte, welche ich im Vorstehenden besprochen habe. Es ist in- dessen anzunehmen, dass Meynert, da er Grössenunterschiede nicht erwähnt, nur die grossen polyklonen s. g. motorischen Zellen im Auge hatte, welche vereinzelt ventral vom Stilling’schen Kern vorkommen. Er nennt nur „die grossen Zellen der Hypoglossus- kerne“ und lässt diese „nach vorne noch weithin in der Rhaphe verstreut“ sein. Die zweite von Meynert genannte Gruppe kommt ohne Zweifel mit derjenigen überein, welche von Clarke als mo- torische Trigeminuswurzel°), von W. Krause‘) als nucleus am- biguus, von mir?) als nucleus lateralis medius bezeichnet worden ist. Freilich ist alsdann nicht einzusehen, wie Meynert eine Trennung dieses seines 2. accessorischen Hypoglossuskernes von der von ihm selbst‘) sogenannten vorderen Ursprungsäule des seit- lichen gemischten Systems“ durchführen will. Es ist sicher, dass diese Zellengruppen eine und dieselbe sind, Meynert erwähnt aber die Identität nicht, wenn er auch die Radiärbündel des Hypoglossus denen des „seitlichen gemischten Systems“ anreiht. Duval beschreibt) einen noyau antero-externe ou accessoire des Hypoglossus. Dieser accessorische Kern soll durch graue Sub- stanz zusammenhängen mit dem vorderen Winkel des Stilling’- 1) Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen. Leipzig 1876, S. 335. 2) Sull’ origine reale dei nervi spinali e di pualche nervo cerebrale (XH, XI, X). Torino 1878, S. 87. 3) Researches on the intimate structure of the fibrain. Philosophical transactions 1868, S. 283 f. 4) Handbuch der menschlichen Anatomie. I. Band. Allgemeine mi- kroskopische Anatomie. Hannover 1876, S. 411. 5). 82. 0..8950644% i DEE Brei 7) Recherches sur l’origine reelle des nerfs cräniens. Robin et Pou- chet, Journal de l’anatomie et de la physiologie. Paris 1876, S. 513 f. 392 C. F. W. Roller: schen „elassischen Hypoglossuskernes“. Er lässt die graue Masse, welche von diesem ausgeht, sich zu einer Zellengruppe erstrecken, welche unzweifelhaft dem nucleus lateralis medius entspricht. Diesen trennt Duval irrthümlicher Weise nicht vom nucleus late- ralis anterior (antero-lateral nucleus Clarke-Dean), ja er be- zeichnet die Zellen des noyau antero-lateral als grosse s. g. moto- rische und macht nicht die Unterscheidung, zu welcher jeder Blick auf die betreffenden Oblongaten-Parthieen nöthigt. Die Zellen des nucleus lateralis medius sind grosse, den motorischen der Vorder- säulen und des Stilling’schen Hypoglossuskernes völlig ent- sprechend, die des nucleus lateralis anterior aber sind erheblich kleiner, besitzen Grösse und Gestalt der Zellen der unteren Olive, auch der Neben-Olive, welche Duval selbst richtig charakterisirt. Inwieweit, wie Duval annimmt), graue Verbindung zwischen dem Stilling’schen Hypoglossuskern und dem nucleus lateralis medius festzustellen ist, haben wir an anderem Orte erörtert?). Sonderbarer Weise unterscheidet Duval einen accessorischen Vaguskern vom accessorischen Hypoglossuskern, es kann aber ihm so wenig wie Meynert gelingen diese beiden Kerne zu trennen, sie entsprechen beide dem n. lat. med. Man vergleiche Clarke, welcher zwar die eben genannte Säule fälschlich als motorischen Trigeminuskern auf- fasste, sie aber von seinem nucleus lateralis anterior klar schied und nur diese beiden Zellensäulen in der Formatio retieularis der Oblon- gata namhaft machte°). Wir haben diesen beiden einen nucleus lateralis posterior beizufügen *). Es hat nach Duvals Fig. 2, wo unter 9 der accessorische Vaguskern angeführt ist, den Anschein, als betrachte er unsern n. lat. post. als solchen. Im Texte freilich fehlen alle näheren Anhaltspuncte, er bezeichnet ihn einfach als äussersten Theil der substance grise antero-laterale, rechnet ihn also zum nucleus lateralis anterior. Unser nucleus lateralis posterior liegt wie der Duval’sche accessorische Vaguskern (vgl. die eitirte Figur), an der ventralen Seite der aufsteigenden Trigeminuswurzel, an einer Stelle, von welcher eine continuirliche ausgesprochene graue Verbindung mit dem Vaguskern sicher nicht existirt. 1) Vgl. 1. c. seine Fig. 2, Taf. XII. Z).8. 0.8. 07. 3) Vgl. z. B. 1. c. seine Fig. 10 Taf. VII. 4) s. o. 8. 369. Ein kleinzelliger Hypoglossuskern. 393 Laura, welcher das verlängerte Mark nur des Kalbes unter- suchte, macht präcisere Angaben !). Er unterscheidet die im Ver- lauf der Hypoglossuswurzel liegenden Zellen (vgl. 0.) und überein- stimmend mit W. Krause den nucleo ambiguo, welchem Laura Beziehungen zum XII-Kern und zum X-Kern zuschreibt, was mit unserer Auffassung zusammentrifft. Früher schon hatte Clarke Gruppen kleinerer Zellen in der Umgebung des Stilling’schen Hypoglossuskernes beschrieben. Er ist der einzige, welcher sie als Zellen von geringerem Umfang bezeichnet, während er andererseits die Verbindung von Fasern der Xil-Wurzeln mit denselben nicht beschreibt. Eine der Gruppen liegt nach Clarke ventral vom Stilling’schen Hypoglossuskern, von welcher mehrere breite Bänder von Commissurenfasern zur Rhaphe gehen, um sich mit denen der anderen Seite zu kreuzen, besonders in den höheren Ebenen des Hypglossuskernes ent- wiekelt?). Ausserdem schildert und zeichnet er eine Gruppe von Zellen medial vom Stilling’schen XII-Kern, welche er nach oben in den fasciceulus teres übergehen lässt’). Eine Kritik dieser letz- ten Angabe behalten wir uns für einen anderen Ort vor. Dean beschreibt *) eine Zellengruppe ventral vom XII-Kern, welche die Wurzeln des XII mit denen des X in innige Verbin- dung (into intimate relation) bringe. Er bezeichnet die Zellen aber als gross, multipolar. Ueber die Kreuzung der Hypoglossuswurzeln, welche wir ge- nöthigt waren, zu berühren, finden sich bei den Autoren folgende Angaben. ls, Kölliker spricht sich für unmittelbare Kreuzung der beider- seitigen Hypoglossuswurzeln aus’). von Lenhosse£k bestätigt ©) diese „ansa hypoglossi“. Deiters sagt in seiner Disposition ?): De-Ere 8337 HE 2) 1. c. 8.278, cfr. die Figuren 25 und 32. 3) 1. c. 8. 279. 4) The form and structure of the gray substance of the medulla ob- longata human and mammalian. Smithsonian contributions to knowledge. Washington 1870. S. 16 (cfr. Fig. 40 Taf. XI). 5) Gewebelehre, 5. Auflage 1867, Fig. 199. 6) Neue Untersuchungen über den feineren Bau des centralen Nerven- systems des Menschen. Wien 1858, S. 32. 7).S. VEIT. 394 C. F.W.Roller: „Kreuzung jedenfalls nicht vollständig, zum Theil nicht ganz unwahr- scheinlich“. Mit Recht fügt er bei: „Möglichkeit der Verwechse- lung mit den eirculären Fasern des Hypoglossuskernes“. Seine Figur 15 Tafel VI zeigt keine Kreuzung. Clarke sah !) einen Theil der Wurzelfasern sich kreuzen in jeder Richtung. Später?) beschreibt er Commissurenfasern, aus den Gruppen kleiner Zellen vor den XII-Kernen zur Rhaphe gehend, um sich mit denen der anderen Seite zu kreuzen. Ebendaselbst gibt er an, dass von den höheren Wurzeln sich einige wenige (a few) mit jenen Commissurenfasern verbinden und die Rhaphe kreuzen — Angaben, die wir, wie unsere Darstellung ergibt, be- stätigen können. Dean?) hält eine direete Kreuzung einiger Wurzelbündel in der Rhaphe für sicher. Gerlach*) beschreibt eine Commissur der Hypoglossuskerne und Fasern, welche aus dem Hypoglossuskern der einen Seite in die Wurzel der andern übergehen. Nach Duval?) gehen „zuführende Fasern“ aus Längsbündeln der einen Seite in die Kerne der andern über; die Wurzeln ent- springen aus den gleichseitigen Kernen. Laura lässt die Frage, ob Kreuzung vorhanden sei unent- schieden. Seiner Darstellung *) zufolge ziehen Fasern aus dem nucleo ambiguo zur Rhaphe, diejenigen, welche von der Rhaphe und von innen zur Wurzel zu kommen scheinen, stammen nach Laura in vielen Fällen von zwischen der Rhaphe und der Wurzel gelegenen Zellen. Schwalbe hält die Endigung eines Theiles der Fasern im Kerne der entgegengesetzten Seite unter Kreuzung in der Rhaphe für wahrscheinlich ?). Von den früheren Autoren ist Schröder van der Kolk der 1) Phil. transact. 1859, S. 253. 2) 1. c. 1868, S. 278. S)DENCHSID: 4) Ueber die Kreuzungsverhältnisse in dem centralen Verlaufe des Ner- vus hypoglossus. Henle und Pfeufer, Ztschr. f. rationelle Mediein. 1868. 5) l.c. 8.512. 6)alaze 132 377% 7) Lehrbuch der Neurologie. 2. Lieferung. Erlangen 1880, S. 658. Dennissenko: Bau d. äusser. Körnersch. d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 395 Einzige, welcher eine Kreuzung bestimmt leugnet!). Eine Com- missur der Kerne nimmt er an?). Ihm schliesst sich neuerdings W. Krause an. Auch dieser Forscher stellt die Kreuzung in Abrede; ob eine Commissur der Kerne existirt, lässt er unentschieden °). Ueber den Bau der äusseren Körnerschicht der Netzhaut bei den Wirbelthieren. Von Dr. Gabriel Dennissenko. Hierzu Tafel XXI. Die Grundlage zu der gegenwärtigen, ganz selbständigen Abhandlung wurde schon, als wir noch am Kaukasus weilten, gelegt, wo noch zwei andere Arbeiten über die moleculäre und über die innere Körnerschicht entstanden sind; aber ein drücken- der Mangel selbst an den nöthigsten Büchern zum Nachschlagen, ein Mangel, dem auch eine Reise nach dem Westen (Wien, Würz- burg, Heidelberg) nicht ganz abhelfen konnte, verzögerte die Voll- endung derselben ungemein. Aus Würzburg wurde über die gegenwärtige Abhandlung eine vorläufige Mittheilung veröffentlicht, aber, abgesehen von den vielen Irrthümern, die sich in diese Mittheilung eingeschlichen haben, ist dieselbe so kurz abgefasst, dass sie der jetzt selbst folgenden Abhandlung nicht einmal als Inhaltsverzeichniss dienen könnte. Ueber das angewandte Untersuchungsverfahren, sowie über die Art, wie wir die einzelnen Präparate herstellten, müssen wir 1) Bau und Functionen der medulla spinalis und oblongata. Deutsch von Theile. Braunschweig 1859, S. 97. 2y 12.029299. 3).L'e.'3.411: Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 19. 27 396 4. Dennissenko: auf den weiter folgenden Text verweisen, die allgemeine Behand- lungsweise war folgende: An einem möglichst irischen Auge wurde ein weiter Einsehnitt durch die Scelerotica, Choroidea und Retina gemacht und das Auge dann in eine grosse Menge Müllerscher Flüssigkeit gebracht. Nachdem es darin eine bis zwei Wochen und noch länger gelegen hatte, liessen wir es einen Tag lang in Wasser liegen, aus dem wir es anfangs in 60 pCt. Spiritus, dann in starken Alkohol brachten. Aus .der so behandelten Netzhaut schnitten wir kreisrunde Stückehen heraus, legten dieselben zwi- schen Leberstückehen oder Amyloidmilz ein und machten die Durchschnitte. Die Präparate erwiesen sich vortrefflich conser- virt, zeigten keine Spur von Quetschung; Stäbeben, Zapfen, Körner und Hohlräume blieben ganz unverändert. Als Färbungsmittel wendeten wir Hämatoxylin, dann Eosin an. Wir haben es wohl versucht, das Hämatoxylin durch Czokor sche Carminlösung zu ersetzen, aber die Farbstoffe wirkten bei dieser Combination zer- setzend auf einander ein und die Präparate entfärbten sich viel schneller. Uebrigens benutzten wir auch andere Färbungsmittel wie Pierocarmin, Rosanilin u. s. f., aber keiner dieser Farbstoffe hatte eine solche effeetvolle Wirkung wie das Hämatoxylin und Eosin. Zum Aufbewahren der Präparate brauchten wir gewöhn- lich das Glycerin. Zur Herstellung von Zupfpräparaten wendeten wir Ueberosmiumsäure in einer Concentration von 0,5 — 0,1 an, dann Drittelalkohol, schwache Chromsäurelösungen, sowie auch Müllersche Flüssigkeit. Die fein zerzupften Präparate wurden entweder sofort oder nach der Carminfärbung untersucht. Die äussere Körnerschicht wird nach aussen bekanntlich von der memb. limit. ext. begrenzt, nach innen legt sich ihr die Zwischenkörnerschicht an. Auf einem Querschnitte sieht man die Linien dieser Grenzschiehten nahezu parallel zu einander verlaufen. Derartige Verhältnisse treffen wir in der ganzen Ausdehnung der Netzhaut bei den meisten Thieren, mit Ausnahme vielleicht eini- ger Stellen, wo diese parallele Richtung abgeändert wird. Die Unterbrechung des Parallelismus tritt uns in zwei verschie- denen Formen entgegen. Die memb. limit. ext. erhebt sich näm- lich entweder etwas nach aussen, wodureh der Diekendurehmesser Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 397 der äusseren Körnerschicht vergrössert erscheint, oder sie nähert sich der Zwischenkörnerschicht und vermindert dadurch die Dicke der äusseren Körnerschicht. Abweichungen im ersteren Sinne fanden wir in der Netzhaut der Eulen, die Abweichungen waren jedoch unbedeutend (s. Fig. 6); dagegen waren diese Erscheinungen bei der Katze in bedeutendem Grade sichtbar. Hier traten uns nicht selten Falten von erheblicher Grösse entgegen, die uns im Querschnitte als birnförmige Wucherungen mit 2—4 Körnern als Inhalt erschienen. Diese Erscheinung können wir nicht durch Faltenbildung an der Netzhaut in der Weise erklären, wie es Kühne!) an den Netzhäuten von Thieren nachgewiesen hat, die sich längere Zeit in dunkeln Räumen aufhielten, denn an dieser Art von Faltenbildung betheiligen sich sämmtliche Schichten der Netzhaut, wovon man sich an der Netzhaut eines jeden Thieres, die nach der Methode von Kühne präparirt worden ist, leicht überzeugen kann, während bei der Katze die Abweichung von der parallelen Richtung nur in der memb. limit. ext. stattfand, die aus ihrem Niveau heraustritt und an diesen Stellen eine kleine Menge Körner barg. An einem mit Osmiumsäure behandelten Präparate eines Erhängten fanden wir kleine, bläschenförmige Hervorragungen dieser Membran. Eine zweite Erscheinung, die Herabsetzung des Diekendurchmessers der äusseren Körnerschicht, trifft man nicht selten in den Netzhäuten der Ziege, des Schwei- nes, des Pferdes u. s. f. Im Gegensatz zu dem vorher beschrie- benen finden wir hier die Menge der Bestandtheile der äusseren Körnerschicht bedeutend vermindert, in Folge dessen auch die membr. limit. ext. der Zwischenkörnerschicht näher rückt und an dieser Stelle der Netzhaut eine Vertiefung erscheint. Nicht selten kann man die beiden oben beschriebenen Variationen an einem und demselben Auge antreffen und es drängt sich hier die Frage auf, ob nicht etwa diesen Erscheinungen irgend welche patholo- gische Processe, die früher in der Netzhaut abgelaufen sind, zu Grunde liegen. Das Verhältniss der körnigen Formelemente selbst zu diesen Grenzschichten hat bei den verschiedenen Thieren seine besondern Eigenthümlichkeiten. So stellt beispielsweise die memb. limit. 1) Chemische Vorgänge in der Netzhaut. Handbuch der Physiologie von Hermann, III. Ba. 398 G. Dennissenko: ext. beim Menschen und den übrigen Sängethieren ein Plättchen dar, das sich an die Körner fest anschmiegt und letztere von aussen her so bedeckt, dass sie nur selten und auch dann nur sehr wenig über das Niveau hinausragen. L. Loewe!) war sogar sehr erstaunt, als er bei seinen Untersuchungen über die Netzhaut des Kaninehenembryos auf Erscheinungen ähnlicher Art stiess. Uebri- gens schn wir (Huhn, Taube) die Körner theilweise in die Sub- stanz der memb. limit. ext. hinüberragen. Sie erscheinen wie eingekeilt in der Wandung des erwähnten Plättehens und ragen zur Hälfte, ja sogar noch mehr nach aussen hervor. Dasselbe finden wir beim Frosch und bei manchen Säugethieren vor, bei denen diese Erscheinung normal und immer anzutreffen ist. In ähnlichen Fällen kann man sagen, der Dickendurehmesser dieser Schichten sei durch das Hineinragen ihrer Formelemente in das Gewebe der memb. limit. ext. verringert und zwar um soviel, als das Hinausragen dieser Elemente über die Grenze beträgt. Etwas andere Verhältnisse finden sich bei den Eulen (Strix flammea). Hier sehen wir die körnigen Bestandtheile der äusseren Körnerschicht die memb. limit. ext. nicht erreichen, sondern in einiger Entfernung von ihr plättehenartige Fortsätze aussenden, vermittelst deren sie sich mit der erwähnten Membran vereinigen. Auf diese Weise wird hier der Dickendurchmesser der äusseren Körnerschicht vergrössert und dieses geschieht auf Kosten eines körnerfreien Raumes, der zwischen dieser Schicht und der memb. limit. ext. entstan- den ist. Die der Zwischenkörnerschicht zugekehrte Seite bietet noch grössere Abweichungen dar. Die Formelemente der äusseren Körnerschicht liegen der Zwischenkörnerschicht un- mittelbar an (Eulen, Meerschweinchen, Axolotl), oder sie senden, ohne selbst bis zur Zwischenkörnerschicht zu gelangen, in einiger Entfernung von ihr Fortsätze zur Verbindung mit derselben ab. Diese Fortsätze nun gelangen entweder einzeln zur Zwischenkörner- schicht (salmo lavaretus, grüne Eidechse, Tropidonotus natrix) oder eine ganze Gruppe dieser Fortsätze bildet, indem einzelne dersel- ben sich sehr nahe aneinanderlegen, einen gemeinschaftlichen 1) L.Loewe, Die Histogenese der Retina nebst vergleichenden Bemer- kungen über d. Histogenese d. Central-Nervensystems. Arch. f. mikr. Anat. 1878. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 399 Strang und sie erreichen in dieser Weise die äussere Körnerschicht (Adler, Salmo lavaretus, Falken). Endlich sehen wir bei gewissen Thieren an bestimmten Stellen der Netzhaut (Mensch, Affe) auf der macula lutea, oder auf der ganzen Netzhaut (grüne Eidechse, Tropidonotus natrix) die centralen Fortsätze ein bedeutendes Aus- mass erreichen, während in anderen Netzhautstellen an einem und demselben Auge diese Fortsätze kaum sichtbar sind. Man ersieht aus diesen Ausführungen, dass ‘die Dieke der äusseren Körner- schicht, je nach der grösseren oder. geringeren Dieke der Central- fortsätze nicht selten um ein bedeutendes schwanken muss. Die Körner selbst besitzen in der äusseren Körnerschicht bei den verschiedenen Thieren ihre besonderen Eigenthümlichkeiten. So sehen wir beispielsweise bald Körner von ellipsoider Gestalt, bald treten sie uns als spindel- oder kegelförmige Gebilde ent- gegen, oder erscheinen als ganz runde Körper. Ebenso unterliegen sie auch in ihrer Grösse bedeutenden Schwankungen: Sie sind bald kleine Elemente von kaum 0,003 mm, bald erlangen sie ein Ausmass von 0,0l5mm. Was ihre Lagerung anbetrifft, so erscheinen sie bald wie eingekeilt in die memb. limit. ext., bald etwas von ihr entfernt, endlich können sie sich der Zwischenkörnerschicht anlegen, entweder sehr nahe derselben, oder etwas von ihr ent- fernt. Ausserdem zeigen die Körner bald eine Querstreifung in ihrer Mitte, bald erscheinen sie völlig ohne jegliche Spur einer solchen. Fügen wir noch hinzu, dass ein Theil der äusseren mit den Stäbchen, der andere Theil mit den Zapfen in Verbindung tritt (freie Körner, wie es Pouchet et Tourneux!) annahmen, gibt es da nicht), so entsteht die Frage, ob es irgend welche charakteristische Kennzeichen gibt, an denen man sofort Stäbchen- und Zapfenkörner unterscheiden könnte. Einige Forscher, unter andern auch H. Müller?) und Schwalbe?°), geben an, dass diese beiden Körnerarten bei vielen Thieren bedeutende Abweichungen von einander zeigen. 1) Pouchet et Tourneux, Pr£cis d’histologie humaine et d’histogenie. Paris 1878. 2) H. Müller’s gesammelte und hinterlassene Schriften zur Anatomie und Physiologie des Auges. 3) Schwalbe, Mikroskopische Anatomie des Sehnerven und der Netzhaut. Graefe u. Saemisch, Handbuch d. gesammten Augenheilkunde 1. Th. 1874. 400 G. Dennissenko: In der That stossen wir bei vielen Thieren auf gewisse Merkmale, die in kleinen Abweichungen in Form, Grösse und Gestalt der Körner bestehen; diese Unterschiede sind jedoch nur unbedeutend und geben nie solche auffallende Kriterien an die Hand, wie es W. Müller!) in seinen Abbildungen dargestellt hat. Die Zapfenkörner sind bei den meisten von mir untersuchten Fischen grösser und haben eine etwas länglichere Form als die Stäbehenkörner, wenn es auch Thiere dieser Klasse giebt, bei denen alle Körner von ziemlich gleicher Grösse und Gestalt sind (Neun- auge, Aal). Die meisten Vögel besitzen Körner von ellipsoider Gestalt mit leicht verjüngten Enden. Diese Form nun haben nicht selten beide Körnergattungen und cs ist dann unmöglich, Stäbehenkörner und Zapfenkörner auseinander zu halten; in ande- ren Fällen dagegen bieten sie bedeutende und scharfe Unterschiede dar. Während nämlich die Stäbehenkörner flach-kegelförmig sind, besitzen die Zapfenkörner eine stark gestreckt-spindelförmige Gestalt (Perlhubn). Bei Menschen und Säugethieren haben alle Körner, sowohl der Zapfen als auch der Stäbchen, eine ellipsoide Form und unterscheiden sich nur sehr wenig von einander. Auch der Frosch und Salamandra maculata bieten nur zu geringe Ab- weichungen in Grösse und Gestalt, um die Unterscheidung der Stäbchen- und Zapfenkörner überall durchführen zu können. Dar- aus ergiebt sich nun, dass nur bei einer kleinen Anzahl von Thie- ren sich bedeutende Unterschiede zwischen Stäbchen- und Zapfen- körnern vorfinden. W. Müller giebt in seiner Abhandlung Ab- bildungen der Netzhaut des Frosches und des Erdsalamanders, auf denen die Körner ganz bedeutende Formunterschiede sehen lassen; aus unsern eigenen Untersuchungen ergiebt sich jedoch, dass diese Differenzen nur sehr unbedeutend sind und die körnigen Elemente auch dieser Thiere durchweg eine ellipsoide Form haben, wie man es aus den beigefügten Abbildungen (10, 11, 12), sowie aus den schönen Abbildungen Hoffmanns?) leicht ersehen kann. An eben solchem Fehler leiden die von W. Müller gegebenen Ab- bildungen vom Neunauge. 1) W. Müller, Ueber die Stammesentwickelung des Sehorgans der Wirbelthiere als Beitrag zur Anatomie und Physiologie. Leipzig 1875. 2) Hoffmann, Ueber die Retina bei Amphibien. Bronn’s Klassen und Ordnungen Taf. 8, Abth. II. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 401 Die Grösse der Körner ist bei den verschiedenen Thieren bedeutender Sehwankung unterworfen; so erreichen die Körner von S. maeculata eine Länge von 0,013 mm—0,020 mm bei einer Breite von 0,012—0,018, während dieselben Körner beim Seehund und bei der Schleihe kaum 0,007 haben. Zwischen diesen Ex- tremen schwanken nun die Grössen der Körner aller übrigen von uns untersuchten Thieren; so beträgt beim Menschen der Längs- durehmesser der Körner 0,006—0,009 bei einem Querdurchmesser von 0,006, beim Frosch beträgt der Längsdurehmesser 0,012, der Querdurehmesser 0,009. Die Grösse des Thieres ist, beiläufig bemerkt, für die Dimensionen der äusseren Körmer durchaus nicht massgebend;; so besitzen das Rind, der Affe, das Meerschweinchen, der Adler und der Sperling ziemlich gleich grosse Körner, wäh- rend wir bei den Thieren aus der Klasse der Amphibien und Reptilien die grössten Körner vorfinden. Bei einigen Thieren stehen die Stäbchenkörner hinsichtlich ihrer Grösse den Zapfenkörnern bedeutend nach. Dieser Umstand veranlasste Schwalbe die alte Ansicht von H. Müller, nach welcher die Zapfenkörner stets grösser sein müssen als die Stäb- chenkörner, von neuem wieder aufzunehmen. W. Krause!) ver- tritt gleichfalls diese Ansicht und W. Müller hat zur Unterstütz- ung derselben den wirklichen Grössenverhältnissen keineswegs genau entsprechende Abbildungen von den Stäbchen und Zapfen- körnern in der Netzhaut von S. maculata, des Frosches und Neunauges u. s. f. gegeben. Wir finden zwar die Stäbehenkörner bei 5. maculata in der That etwas kleiner als die Zapfenkörner, die Differenzen sind aber unbedeutend und verstehe ich nach den von mir erhaltenen Präparaten nicht recht wie W. Müller dazu ge- kommen sein mag, zwei Arten von Körnern darzustellen, die solche grossen Unterschiede in Form und Grösse zeigen. Die Fische bieten in dieser Beziehung die grösste Mannigfaltigkeit dar. Unter 1) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. Leipzig 1868 u. Allgemeine und mikroskopische Anatomie 1876. 2) Max Schultze leugnete überhaupt die Existenz der Zapfen beim Aal; das ist aber ein Irrthum, da der Aal wirklich Zapfen besitzt, wie es schon Kühne richtig angegeben hat, wenn sie auch keine solche Grössen- differenzen zeigen, wie man sie bei anderen Thieren sicht. Die Länge des inneren Zapfentheiles beträgt 0,012, die Breite 0,009. 402 G. Dennissenko: diesen giebt es solche, bei denen es fast gar keinen Unterschied unter den beiden Körnerarten giebt, weder in der Form, noch in der Grösse. Als Repräsentanten dieser Gruppe nennen wir den Aal?) und das Neunauge; beim Kaulbarsch und Hecht übertreffen die Zapfenkörner die Stäbehenkörner nur wenig an Grösse und beim Barsch sind endlich die Zapfenkörner deutlich grösser als die Stäbchenkörner. Nebenbei dürfen wir es nicht unerwähnt lassen, dass die Grösse der Körner der Grösse der Zapfen nicht entsprechen muss; so sind die Zapfen bei der Forelle keineswegs kleiner als beim Barsche und dennoch übertreffen bei der Forelle die Zapfenkörner die Stäbchenkörner nur sehr wenig an Grösse. Beim Huhn konnten wir keine Grössendifferenz zwischen den bei- den Körnergattungen entdecken, während sie beim Perlhuhn stark auffällt. Die im Innern der äusseren Körnerschicht befindlichen Zapfenkörner haben ein stark gestreckt spindelförmiges Aussehen. Der Dickendurchmesser dieser Körner ist zwar für sich allein nur gering, wird aber durch die ziemlich dicke, die Körner frei umhüllende Membran um etwas vergrössert, die Stäbehenkörner dagegen sind bedeutend kürzer und da auch ihre Hülle etwas feiner ist, so erscheint auch ihr Diekendurchmesser etwas kleiner. Beim Menschen und einigen Säugethieren zeigen die Körner eine, wenn auch nicht bedeutende Grössendifferenz, die noch durch den Unterschied zwischen der dicken Hülle der Zapfenkörner und dem feinen und zarten Häutchen der Stäbchenkörner um einiges ver- mehrt wird. So gilt also die dureh einige Forscher bestä- tigte Ansicht von H. Müller und Schwalbe nicht allge- mein. Namentlich vermag ich die Abbildungen von W. Müller nicht als zutreffend anzuerkennen. Der von den Körnern eingenommene Platz giebt uns nicht selten Aufschluss darüber, ob sie einem Stäbehen oder einem Zapfen angehören. So sehen wir bei Thieren, bei denen die Form- elemente der äusseren Körnerschicht sich in zwei gesonderten Reihen lagern, die Zapfen sich gewöhnlich mit den Körnern der innern Reihe verbinden, während die äussere, der memb. limit. ext. zugewandte Reihe von Körnern eingenommen wird, die sieh mit den Stäbchen verbinden. Diese Anordnung ist aber auch nicht immer streng durchgeführt: Einmal besitzen beim Frosche und bei salamandra maculata die gleich grossen Netzhautstellen nicht über- Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 403 all auch eine gleich grosse Anzahl von Zapfen und je näher der Peripherie der Netzhaut, um so seltner kommen die Zapfen vor, während die Körner noch immer in zwei Reihen angeordnet liegen und hier trifft man nicht selten auf Zapfen, die sich mit Körnern aus der innern Reihe verbinden. Die sogenannten grünen Stäbchen von Schwalbe treten gleichfalls in die zweite Reihe ein. End- lieh ist beim Frosche die Zahl der Zapfen überhaupt geringer als die der Stäbchen, während die Menge der Körner in jeder der Reihen nahezu dieselbe ist und unter solehen Umständen werden die Körner der zweiten Reihe sich ebenfalls mit Stäbchen verbin- den müssen. Beim Neunauge sehen wir ausserdem sowohl die Stäbehenkörner als auch die Zapfenkörner sich an der memb. iimit. ext. plaeiren und zwar so, dass sie ihre Basis der Membran, ihre Spitze der Zwischenkörnerschicht zuwenden!). Bei den an- dern Fischen sieht man die Zapfenkörner sich in der Nähe der memb. limit. ext. gruppiren, während die Stäbehenkörner überall zerstreut liegen, oft aber treffen wir die Zapfenkörner im Innern ihrer Schichte an. Auch bei den Vögeln begegnen wir der glei- chen Regellosigkeit in der Anordnung der verschiedenen Körner. So lagern sich die Zapfenkörner beim Huhn und bei der Taube in die membr. limit. ext. selbst ein, indem sie zur Hälfte über ihre Grenzlinie hinaus nach aussen ragen, die Stäbchenkörner liegen da innerhalb ihrer Schichte; beim Perlhuhn liegen die Ver- hältnisse umgekehrt; da sehen wir die Stäbchenkörner in der memb. limit. ext. liegen, während die Zapfenkörner sich im Innern ihrer Schicht finden. Nicht selten sehen wir aber hier die Körner ihre Plätze austauschen und wir finden oft beim Huhn die Stäbehen- körner in der membr. limit. ext. liegen, beim Perlhuhn lagern sie sich ebenso oft innerhalb ihrer Schichte. Schwalbe meint, dass die Zapfenkörner beim Menschen, bei den Säugethieren und Fischen stets an der membr. limit. ext. liegen. Diese Regel aber leidet an zuviel Ausnahmen: so liegen die Zapfenkörner beim Menschen gar nicht selten tiefer innerhalb der Körnerschichte, bei manchen Fischen reichen diese Körner nicht bis an die memb. limit. ext. heran (Kaulbarsch). Die Stäbchen- 1) Uebrigens können sie bald mit dem einen, bald mit dem andern Ende unterhalb der Grenzlinie zu liegen kommen. 404 G. Dennissenko: körner aber liegen immer dieser Membran an. W. Müller!) be- müht sich ausserdem die Existenz bedeutender Unterschiede auch im innern Bau der Zapfenkörner nachzuweisen, die sie von den Stäbehenkörnern streng trennen sollen. So giebt dieser Forscher eine Abbildung von der Netzhaut des Erdsalamanders, auf der die Zapfenkörner schwach und gleichmässig mit Carmin gefärbt er- scheinen und aus feinkörnigem Protoplasma bestehen, während die Stäbehenkörner als Zellen dargestellt werden, die in ihrem Innern grosse, runde, körnerhaltige Kerne mit Kernkörperchen in der Mitte enthalten. Sie erscheinen auf dieser Abbildung mehr intensiv und ungleichmässig gefärbt. Eine etwas dunklere Stelle in der Mitte einer solchen Zelle stellt das zunächst um den Kern kreisfürmig angeordnete Protoplasma dar, die Peripherie der Zelle erscheint vom Carmin nur schwach gefärbt. Nach den Darstellungen von W. Müller besteht also der Unterschied der beiden Körnerarten bei S. maculata nicht allein darin, dass die Stäbchenkörner be- deutend kleiner sind als die Zapfenkörner, dass das Gewebe der erstern vom Carmin intensiver gefärbt wird und dass sie aus mehr grobkörnigem Protoplasma bestehen, sondern auch darin, dass die Stäbehenkörner grosse Kerne besitzen. Auf einer andern, die Netzhaut des Barsches darstellenden Abbildung zeichnet W. Müller diesmal in ein Zapfenkorn einen ziemlich runden Kern hinein, da aber beim Barsche dieses Korn selbst eine verhältnissmässig unbedeutende Ausdehnung besitzt, so konnte der Kern bei weitem nieht so deutlich dargestellt werden wie bei S. maeulata, aber doch noch deutlich genug, um die körnige Beschaffenheit desselben gut erkennen zu lassen, während das iln umschliessende Protoplasma aus homogener Substanz zu bestehen scheint. Ferner führt uns W. Müller eine Abbildung von Platydactylus und von Petromyzon marinus vor. Bei diesen Thieren besitzen schon die beiden Körnerarten Kerne in der Mitte. In ihrem inneren Bau zeigen die Körner von Petromyzon grosse Aelnlichkeit mit denen der Stäbehenkörner von S. maculata. Unsere eignen, wiederholt angestellten Untersuchungen, so- wohl an mit Drittel-Alkohol, Ueberosmiumsäure, oder Mülle rscher Flüssigkeit behandelten in Glycerin bereiteten und mit Carmin ge- Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 405 färbten Zupfpräparaten, als auch an in Müllerscher Flüssigkeit und dann in Alkohol gehärteten, gleichfalls mit Carmin, Pierocarmin, Eosin und Hämatoxylin gefärbten Messerpräparaten von der Netz- haut der oben erwähnten Thiere haben nichts ergeben, was mit W. Müller’s Abbildungen übereinkäme. Wir müssen im Gegen- theil constatiren, dass sowohl die Stäbchenkörner, als auch die Zapfenkörner in ihrem Innern keine Spur von einem Kerne zeigen. Sogar in der Netzhaut von Salamandra maculata, bei der W. Müller in der Mitte der Stäbehenkörner grosse, runde leicht körnige, von Carmin schwach gefärbte Kerne vorhanden sein lässt, konnten wir, trotz wiederholten Suchens auch keinen Schatten eines Kernes auffinden, weder in der Mitte der Stäbchenkörner, noch in der Mitte der Zapfenkörner; das Einzige, was wir da sehen konnten, war ein winziges, wie ein kleiner Fleck aussehendes Körnchen, das aber sowohl in den Stäbehenkörnern, als auch in den Zapfen- körnern anzutreffen war. Dasselbe müssen wir auch von den Zapfenkörnern des Barsches sagen, die nach den Darstellungen W. Müller’s ebenfalls kernhaltig sind. Was Petromyzon mari- nusund Platydactylus betrifft, so hatten wir leider keine Gelegen- heit, deren Netzhäute zu untersuchen. Uebrigens ist die Ansicht, für die W. Müller mit Wort und Bild in die Schranken getreten ist, nicht neu. Schon M. Schultze führte den Nachweis, dass die äusseren Kömer eigentlich Zellen seien, die aber nur eine sehr dünne Protoplasmaschicht haben. Der ganze Raum dieser protoplasmaarmen Zellen werde von dem Kern eingenommen, nur an den beiden Polarenden dieses Kerns lagere sich der Rest des Protoplasma in etwas mehr bemerkbarer Masse. Also schon M. Schultze wollte diese Körner als zu den Zellen, vielleicht zu den Ganglienzellen, gehörig betrachtet wissen. Alle unsere bisherigen Untersuchungen haben ein negatives Resultat ergeben. Keines von den oben beschriebenen Kennzeichen kann Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben und wir müssen darauf verzichten für jetzt ein Merkmal angeben zu wollen, nach dem man in gegebenem Falle entscheiden könnte, ob ein bestimmtes Korn sich mit einem Stäbehen oder mit einem Zapfen ver- bindet. Ein wichtiger Unterschied, der für die Körner dieser Schichte bei den Säugethieren charakteristisch ist, besteht in der Quer- streifung der Körner. Der erste, der diese queren Streifen 406 G. Dennissenko: beim Menschen beschrieben hat, war Henle!); die Untersuchungen dieses Forschers liessen es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob diese Querstreifung eine physiologische Erscheinung sei und man war geneigt, sie als Product der beginnenden Fäulniss zu betrachten. Ritter?) wies dann nach, dass diese Streifung beim Menschen erst binnen 12—17 Stunden nach dem Tode verschwindet und Henle?) fand, dass dieselbe beim Schafe noch lange Zeit nach dem Tode sichtbar bleibt, man konnte sie sogar nach dem Eintritt der Fäul- niss noch erkennen. G. Wagener) bemerkte, dass an frischen Präparaten diese Streifen bei schwacher Vergrösserung viel deut- licher zu sehen waren, als wenn er starke Vergrösserungen an- wendete. Endlich hat W. Krause?) nachgewiesen, dass diese Querstreifung nach der Anwendung einiger Reagentien entsteht und man sie auch bei solchen Thieren, deren frische Netzhaut sonst diese Streifung nicht zeigen, künstlich hervorrufen kann. Dieser Umstand berechtigte zu der Annahme, die Streifung sei durch die in den Körnern dieser Schicht eingetretenen Zersetzungs- prozesse entstanden. M. Schultze spricht sich ebenfalls für die Wahrschemlichkeit aus, dass die Querstreifung eine Leichener- scheinung sei. „Ebenso scheint“ , sagt er, „das von Henle be- schriebene Auftreten von Querstreifen oder Bändern in den Stäb- chenkörnern, welches beim Mensehen und Säugethieren früher oder später nach dem Tode bemerkt werden kann und durch verdünnte Säuren am deutlichsten hervorzurufen ist, eine Leichenerscheinung zu sein“. Merkel”) hat sich viel mit diesen Fragen beschäftigt 1) Henle, Ueber die äussere Körnerschicht der Retina. Göttingener Nachricht. 1863. 2) Ritter, Zur Histologie des Auges. Archiv für Ophthalmologie. Bd. XI, 1865. 3) Henle, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen. 1866. 4) G. Wagener, Ueber die Structur der Retina. Sitzungsberichte der Gesellschaft z. Beförderung d. gesammt. Naturwissenschaft zu Marburg. 1868. 5) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. Leipzig 1868. 6) M. Schultze, Die Retina. Handbuch der Lehre von den Geweben, von Stricker. Leipzig 1872. 7) Merkel, Ueber die Macula lutea des Menschen und die Ora ser- rata einiger Wirbelthiere, Leipzig 1870, und Zur Kenntniss der Stäbchenschicht der Retina. Archiv von Reichert und Du Bois-Reymond 1870. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 407 und fand die Querstreifung bei vielen Thieren als normale, gleich nach dem Tode sichtbare Erscheinung vor. M. Schultze fand Gelegenheit, eine frische Netzhaut eines Menschen gleich nach der Enucleation zu untersuchen, die Netzhaut zeigte allerdings auch da die quere Streifung; dieser eine Erfolg war aber noch nicht hinreichend, die eingebürgerte Ansicht zu verdrängen. Aechnliche Untersuchungen völlig frischer Netzhäute des Menschen wurden aber öfter wiederholt und die Untersuchungen ergaben immer das- selbe Resultat, d. h. die Körner zeigten immer die Querstreifung und so kam es, dass gegenwärtig Niemand mehr daran zweifelt, dass diese Streifung schon in der lebendigen Netzhaut präexistire. Die Querstreifung ist eben (wie Ritter schon vor längerer Zeit behauptet hat) eine normale, anatomische Erscheinung in der leben- den Netzhaut. Es ist ungemein schwierig sich über den Bau dieser Quer- leistehen eine klare Vorstellung zu machen; die Schwierigkeit liegt einmal in der Kleinheit dieses Gegenstandes. Schon die Körner an und für sich sind sehr klein und die an ihnen vorkom- menden Streifen müssen schon beinahe unmessbar klein sein, dann ist auch die Untersuchungsmethode für diese Formelemente (an Zupfpräparaten) sehr mangelhaft. W. Krause!) hat sieh in seinen Untersuchungen der Quer- leistehen auch mit der anatomischen Beschaffenheit derselben näher beschäftigt. Er stellte die Ansicht auf, dass das Gewebe der Leistehen aus einer dem Protoplasma sehr nahe verwandten Substanz bestehe, ferner, dass diese Substanz die Gestalt eines bieoncaven Plättchens habe, die beiden, durch dieses Leistehen ge- trennten Abtheilungen des Korns zwei biconvexe Körper darstellen. Ausserdem nimmt er an, dass das Gewebe der Leistehen stärker lichtbrechend sei als das Gewebe der Körner selbst. Diese An- sicht, die unleugbar viel wahres enthält, trägt doch im Ganzen den Charakter des theoretischen Raisonnements an sich, An den mit Müller’scher Flüssigkeit und dann mit Spiritus behandelten, mit Carmin oder Hämatoxylin, dem etwas Eosin zugesetzt wurde, gefärbten, feinen Messerpräparaten der menschlichen Netzhaut kann man sich leicht überzeugen, dass die Querstreifung nicht durch die ganze Dicke der Körner geht, wie es Schwalbe und Krause 1) W. Krause, Allgemeine und mikrosk. Anatomie. Hannover 1876. 408 G. Dennissenko: und Andere annahmen und wie man es auch nicht anders annehmen kann, wenn das Korn unter dem Mikroskop so zu liegen kommt, dass es sein Leistehen dem Auge des Beobachters zuwendet. Dieses letztere geschieht bei den Zupfpräparaten fast immer, d. h. das Korn liegt in der Flüssigkeit meist mit der Seite nach oben, wo die Streifung sieh befindet. Dieses lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass (wie es schon Krause annahm) die Dichtigkeit des Kornes an der Seite, wo sich die Streifung befindet, geringer ist als an irgend einer anderen Stelle, wo keine Streifung vorhanden ist. Bei den feinen Schnittpräparaten fällt dieser Umstand weg und so gelingt es häufig das Korn en profil zu sehen. Hier- bei gewahrt man, dass die Querstreifung nicht durch die ganze Dieke des Kornes geht. Die Lage derselben ist keineswegs be- stimmt, im Gegentheil kann sie sehr manmnigfaltig sein und an einem recht feinen Messerpräparat kann man die Querstreifung von verschiedenen Seiten her sehen. Man bemerkt hier die Quer- streifen weder immer die horizontale (wie es Schwalbe und Krause als Regel aufstellten) noch überhaupt irgend welche be- stimmte Lage einnehmen. Wir finden sie bald der Limitans voll- kommen parallel gelagert, bald neigten sich die Streifen nach der einen oder anderen Seite hin. Ausserdem konnte man bemerken, dass an einer Stelle das Korn ganz von der Streifung durchsehnitten und in zwei Theile zerlegt erschien, während an anderen Stellen die Trennung unvollständig war und ein Theil des Korns noch continuirlich in das andere überging. Endlich konnte man auf Körner stossen, welche an der, dem Auge zugekehrten Seite keine Spur von Streifung zeigten, aber eine kleine Bewegung der Mikro- meterschraube brachte dann die Streifung allmählig zum Vorschein. Bei allen diesen Untersuchungen arbeiteten wir natürlich mit be- deutender Vergrösserung und an sehr feinen Präparaten (Hart- nacksches Mikroskop N9 des einfachen und N10 des Immer- sionssystems). Aus diesem Umstande schliessen wir, dass die Streifung das Korn nieht in zwei gesonderte Theile trennt, son- dern nur tief in seine Substanz hineinschneidet. Der unmittel- bare Zusammenhang beider Theile des Korns wird nur für 2/3; —?/a seiner Dieke aufgehoben. Wir erklären uns diese Erscheinung durch die Annahme, dass die Körmer in einer bestimmten Periode ihres Daseins eine Knickung erleiden, wobei eine kleine Menge Protoplasma, vielleicht auch ein Theil der das Korn frei umhüllen- Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 409 den Membran in die Biegungsfalte hineingeräth; diese hineinge- rathene Substanz tritt nach aussen als Querleistehen hervor und bildet die Grenzlinie zwischen beiden Theilen des Kornes. Sei es aber auch wie es wolle, aus den obigen Beobachtungen geht unzweifelhaft hervor, dass die von W. Krause so präcis auf- gestellte Lehre über den Bau dieser Körner einer Korreetur bedarf. Ob die Behauptung richtig ist, dass die Querstreifen bicon- cave Plättchen sind, während ein jeder von denselben begreyzte Theil des Korns einen bieonvexen Körper darstellt, darüber wollen wir nicht entscheiden. Die Sache mag richtig sein, wir vermögen kein bestimmtes Urtheil darüber zu gewinnen, da das ganze Ding so winzig ist, dass es sich jeder ausschlaggebenden Untersuchung mit unsern jetzigen Hülfsmitteln entzieht. Nur eins steht fest, dass die Streifung nicht das Korn ganz durchsetzt. Bei näherer Betrachtung der Körner fällt es bald auf, dass an manchen derselben die Streifung klar hervortritt, während sie an andern kaum sichtbar, jaan manchen gar nicht mehr zu schen ist. Schwalbe sucht das auf folgende Weise zu erklären. „Nur den Stäbehenkörnern der Menschen und der Säugethiere*‘, meint er „kommt die Querstreifung zu; die der Amphibien, Reptilien und Vögel gleichen vollständig den Zapfenkörmern, die nie gestreift sind“. Trotz dieser bestimmten Erklärung können wir jedoch nieht umhin, zu behaupten, dass diese Regel nicht frei von Ausnahmen ist; man trifft nicht selten beim Menschen auch auf Zapfenkörner, die eine deutliche Streifung zeigen, wenn sie auch bei ihnen nicht so bestimmt ausgesprochen ist wie bei den Stäbehenkörnern; diese Erscheinung kann man in der macula lutea beobachten. Die Dicke der äusseren Körnerschicht ist bei den verschie- denen Thieren grossen Schwankungen unterworfen. In manchen Fällen erreicht diese Schichte einen Durchmesser von 0,075—0,090mm, in andern Fällen dagegen besitzt sie kaum eine Dicke von 0,015—0,018. Das Erste, wonach wir zur Erklärung soleher Unter- schiede greifen könnten, wäre die Menge der in dieser Schichte enthaltenen körnigen Bestandtheile; die Grösse des Quermessers dieser Schichte steht wirklich im geraden Verhältniss zu der grösseren oder geringeren Menge der in ihr enthaltenen Körner, wie man es beispielsweise beim Menschen sieht; wir müssen je- doch im Voraus bemerken, dass dies bei weitem nicht immer der Fall ist, da es noch viel andere Momente giebt, von denen eine 410 G. Dennissenko: grössere oder geringere Dicke der äusseren Körnerschichte bedingt wird. Schon beim Menschen sehen wir das Verhältniss zwischen der Menge der Körner und dem Quermesser ihrer Schichte schwanken je nach der Stelle, die man zur Untersuchung gewählt hat. Die Dicke der äusseren Körnerschicht an der Ora serrata, fovea centralis und am hintern Theil des Bulbus mit Ausnahme der Macula lutea ist bedeutenden Schwankungen unterworfen, eine gleiche Schwankung bietet auch die Netzhaut des Affen. Hier steht also die Dieke der Schichte theilweise wenigstens in Ver- bindung mit der Menge der körnigen Bestandtheile in derselben, aber beim Frosche und noch mehr beim Axolotl und bei Salamandra maeculata erreicht der Dieckenmesser der äusseren Körnerschicht ein bedeutendes Ausmass, obgleich die Körner in derselben nur zwei Reihen bilden. Bei diesen Thieren besitzen nämlich die körnigen Bestandtheile selbst eine erhebliche Grösse, so dass bei ihnen die Länge der Körner für sich allein nicht selten die Dicke der ganzen äusseren Körnerschichte bei anderen Thieren, wie beim Triton eristatus, bei einigen Vögeln und Fischen, übertrifft, obgleich letz- tere Thiere die Körner der äusseren Körnerschichte in mehreren Reihen haben. In der menschlichen Netzhaut kommt es oft vor, dass an einer gewissen Stelle die centralen Fortsätze der Stäb- chen und Zapfen bedeutend an Länge zunehmen, mit der Länge der Fortsätze nimmt auch die Dieke der äusseren Körnerschichte zu. Bei einigen Thieren wie beispielsweise bei der grünen Eidechse und beim Tropidonotus natrix sind die Körner der äusseren Schichte zwar in nur einer einzigen Reihe gelagert, dafür aber ist ihre so- genannte äussere Faserschicht so dick, dass die äussere Körner- schicht in Folge dessen bei der grünen Eidechse die innere an Dicke übertrifft, bei Tropidonotus natrix ihr wenigstens gleich kommt. Ausserdem übt die Lagerung der Körner gegen einander einen entschiedenen Einfluss auf die Mächtigkeit ihrer Schichte. Beim Huhn, bei der Taube, beim Adler und Hecht liegen die Formelemente der äusseren Körnerschicht sehr weit auseinander, ihre Sehiehbte ist auch bedeutend verdiekt, während sie bei der Schleihe, beim Aal, Barsch und Kaulbarsch dicht gedrängt liegen und diese Thiere besitzen auch dem zufolge eine verhältnissmässig dünne Sehichte, obgleich sie sehr reich an Körnern ist. Endlich ist die Dieke unserer Schichte abhängig von der Zahl und Weite der sich hier befindenden Hohlräume, aber davon später. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 411 Die Menge und die Anordnung der Körner ist bei den verschiedenen Thieren sehr mannigfaltig. Beim Flussneunauge liegen die Körner nur in einer einzigen Reihe zusammen, bei Tro- pidonotus und bei der grünen Eidechse ist schon die Anordnung unregelmässig und die Körner sind stellenweise bald in einer, bald in zwei Reihen gelagert, beim Frosche, Axolotl, Alligator, sowie bei der Schildkröte und Salamandra maeculata bilden die Körner 2 Reihen, während sie beim Perlhuhn schon wieder unregelmässig in zwei und in drei Reihen gelagert sind. Bei den meisten Vögeln sind sie in drei, bei einigen in vier Reihen angeordnet, bei den Fischen lagern sie sich in 4—5 oft sogar in 6 Reihen, bei den Säugethieren endlich variirt die Zahl der Reihen von 4—7 und mehr. Diese reihenweise Anordnung ist bei der letztgenannten Thierklasse sehr regelmässig, das eine Korn lagert sich ganz kunstgerecht genau unter das andere, so dass die ganze Körner- masse auf einem gut gemachten Querschnitte als aus aufeinander ge- lagerten Körnerreihen bestehenden Säulchen erscheinen. M. Schultze hat in der äusseren Körnerschichte des Störs !) nur 2 Reihen Körner gefunden. Er meinte desshalb „Die Schichte der äusseren Körner ist sehr dünn, besteht nur aus zwei Zellenlagen, gleicht dadurch der entsprechenden Schicht bei Amphibien, Reptilien und Vögeln, diese Ansicht hält er noch in seiner letzten Arbeit über die Netz- haut aufrecht. Im graden Gegensatz dazu sagt Schwalbe: „Am mächtigsten ist sie bei Säugethieren und Fischen, wo sie aus vielen über einander geschichteten Lagen von Körnern besteht und sogar die innere Körnerschicht an Dieke übertrifft. Beim Menschen fand W. Müller die Dicke der äusseren Körnerlage 50—60 u, beim Barsche 40—50 u. Dagegen zeigen Amphibien, Reptilien und Vögel eine dünne, gewöhnlich aus zwei, seltener aus drei oder vier Lagen von Körnern zusammengesetzte Granulosa externa“. Grade die Fische bieten die meisten Eigenthümlichkeiten im Bau der äusseren Körnerschichte und die grösste Mannigfaitigkeit, sowohl in der Menge, und Anordnung der Körner in derselben. Wir haben schon oben angegeben, dass das Flussneunauge nur eine einzige Körner- reihe besitzt, M. Schultze fand beim Stör 2 Reihen vor, beim Hecht und bei der Forelle fanden wir 3, beim Barsche 4—5 Reihen, 1) M. Schultze, Ueber die Netzhaut des Störs, Sitzungsbericht der niederrhein. Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde. 1871. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 19, 28 412 G. Dennissenko: Kühne und Sewall!) zählen beim Bleye 6 Reihen, auch wir finden bei der Schleihe und beim Kaulbarsch 6 Reihen. Aus den angeführten Thatsachen sehen wir, dass viele Fische viel mehr körnige Bestandtheile aufweisen können als manche Vögel. Die äussere Körnerschicht bei der Schleihe und beim Kaulbarsche wird beispielsweise viel mehr Formelemente besitzen und folglich auch viel mächtiger sein, als beim Huhn, Perlhuhn und Falken, im Gegensatz zu der Ansicht von M. Schultze der die äussere Körnerschicht der Vögel für viel mächtiger hält als die der Fische. Anderseits spricht auch die Anordnung der Körner in einer Reihe bei der grünen Eidechse und bei Tropidonotus natrix gleichfalls gegen die Ansicht desselben Autors, der bei den Reptilien 2 Körner- reihen annimmt. Wir dürfen überhaupt den Umstand nicht ausser Acht lassen, dass die Menge der körnigen Bestandtheile in dieser unserer Schicht ausserordentlich schwankend ist. Sogar ein und dieselbe Thier- klasse kann, wie wir es schon nachgewiesen haben, eine grosse Manmnigfaltigkeit in dieser Hinsicht aufweisen; von den Fischen haben wir schon angegeben, dass sie die ganze Stufenfolge, von der Anordnung dieser Körner in nur einer einzigen Reihe an bis oben hinauf in 5 sogar in 6 Reihen aufweisen, eine gleiche Schwankung in der Menge und Anordnung der Körner treffen wir auch in der Netzhaut der Vögel an. Dieselben Schwankungen, wenn auch nicht in so hohem Grade zeigen die Amphibien, und Reptilien. Beim Frosche, Axolotl, sowie bei Salamandra maculata liegen die Körner in 2 Reihen angeordnet, Triton ceristatus besitzt ihrer 3 oder noch mehr. Bei den Reptilien finden wir die Körner gewöhnlich in 2 Reihen liegen (Alligator lucius, Emys Europea) bei der grünen Eidechse und bei Tropidonotus natrix liegen sie jedoch unregelmässig und ziemlich in einer Reihe zusammen. Nur die Säugethiere besitzen eine grosse Menge Körner und die Zahl der Reihen fängt bei ihnen erst mit 4—5 an, aber auch hier kann man nicht dafür bürgen, dass sich nicht noch irgend ein Säugethier mit einer viel kleineren Anzahl von Körnern finden werde. Wir hatten schon Gelegenheit in einer anderen Abhandlung 1) Kühne und Sewall, Zur Physiologie des Sehepithels. Untersuch. aus dem physiol. Institut. Heidelberg. Bd. III, Heft 3, 4, 1880. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 413 über das gegenseitige Grösseverhältniss beider Körnerschichten ausführlich zu handeln; wir wollen hier unsere früheren Ausführungen in folgender Regel zusammenfassen: Je dieker die äussere Körner- schicht ist und je grösser die Zahl ihrer Formelemente, desto schmaler erscheint die innere Körnerschicht und desto geringer ist die Zahl ihrer Formelemente (Mensch, Affe, Katze, Schleihe), der- selbe Satz lässt sich auch umkehren, d. h. je geringer die Zahl der Körner in der äusseren Körnerschicht ist, desto höher steigt ihre Zahl (sowie ihre Grösse) in der inneren Schicht (Alligator, Frosch, Hecht u. A.). Untersuchen wir in dieser Hinsicht jede einzelne Thierklasse besonders, so finden wir bei den allermeisten Säugethieren die äussere Körnerschicht viel mächtiger als die innere, nur als Ausnahme stossen wir auf einige Thiere aus dieser Klasse, bei denen die Grösse der äusseren Körnerschicht hinter der der inneren zurückbleibt (Meerschweinchen, Schwein). Das Uebergewicht der äusseren Körnerschicht findet bei den Säuge- thieren nach beiden Richtungen hin statt, d. h. die äussere Kör- nerschicht besitzt sowohl eine grössere Mächtigkeit, als auch eine grössere Anzahl Körner als die innere Schicht. Bei den anderen Thierklassen dagegen ist die Stärke der äusseren Körnerschicht, wie gezeigt, ausserordentlich schwankend, somit wird auch das gegenseitige Verhältniss beider Schichten sehr verwickelt. Schwalbe undH. Müller stellten eine Regel auf, wonach die Dieke der inneren Körnerschicht bei den Fischen immer geringer sei als die der äusseren. Den Bau der inneren Körnerschicht der Fische wollen wir in einer besonderen Arbeit näher besprechen, müssen aber schon an dieser Stelle bemerken, dass diese Thier- klasse in dem Bau dieser Schichte eine viel grössere Mannigfaltig- keit aufweist, als wir es in unserer vorigen Abhandlung!) annehmen zu dürfen glaubten; in dieser Hinsicht wird sogar die äussere Körnerschicht von ihr übertroffen. Wir haben schon oben davon gesprochen, dass die Dicke der äusseren Körnerschicht der Menge der in ihr enthaltenen Körner nicht immer proportional ist; bei den Fischen tritt diese Abweichung von der allgemeinen Regel noch viel häufiger ein, als bei irgend einer anderen Thierklasse. 1) Untersuchungen über den Bau der innern Körnerschicht der Netz- haut. Medic. Obozrenie Moskau 1879 oder Schenk’s Mittheilungen II. Bd. 1. Hft. 1880. 414 G. Dennissenko: Infolge dessen ist bei den meisten von uns untersuchten Fischen die innere Körnerschieht im Allgemeinen dieker als die äussere, nur ausnahmsweise stiessen wir auf einige Thiere aus dieser Klasse, deren äussere Körnerschicht die innere übertroffen hat (Schleihe, Aal)!). Bei den Vögeln, bei welchen die äussere Körnerschicht dünn ist, tritt das Uebergewicht der inneren Körnerschicht über die äussere auffallend hervor. Hier ist das Uebergewicht ein absolutes, d. h. die Zahl der körnigen Bestandtheile der ersteren Sehichte übertrifft die Zahl derselben in der letzteren Schichte; ein ähnliches Verhältniss findet auch bei den Amphibien und Reptilien statt. Einige in der hierher gehörigen Tabelle vorkommende Reptilien scheinen dieser Angabe zu widersprechen, der Wider- spruch ist aber auch nur scheinbar. Bei der grünen Eidechse nämlich und bei Tropidonotus natrix ist die Dicke der äusseren Körnerschicht entweder gleich der Dicke der inneren oder sogar etwas grösser; dieses rührt jedoch hier von der Dicke der sehr stark entwickelten Fortsätze der Körner der ersteren Schichte her, was übrigens bei den Reptilien eine Ausnahme ist. Die Menge der körnigen Bestandtheile ist hier, gleichfalls als Ausnahme, sogar sehr gering und liegen dieselben gewöhnlich in einer einzigen Reihe, nur stellenweise in zwei Reihen zusammen (s. Abbild. Nr. 14). Die beigefügte Tabelle soll das eben Gesagte übersichtlicher darstellen. (Maasse in mm.) Körrschieiftene Körner Een. Körner der ui Namen der Thiere. | Körnerse icht: Körnerschicht: äussere innere es Breite Länge | Breite upe3 fi Menscher...r.nae: 0,076 0,024 0,006 0,009 | 0,009 0,009 0,012 0,009 Katze... ea 0,090 0,024 0,009 0,012 | 0,009 0,012 0,012 Rinde sen. 0,069 0,027 0,009 0,006 0,009 0,009 AO. leer 0,090 0,060 0,009 0,006 0,009 0,014 0,009 Beehund ?J 2... 2.2. 0,075 0,060 0,003 0,006 | 0,003 0,006 | 0,006 0,009 0,006 BHEIB u. Me eslertsanrete 0,048 0,021 0,004 0,004 0,006 0,006 Hasen ee er 0,048 0,021 0,006 0,009 | 0,006 0,009 0,009 1) Kühne und Sewall finden die innere Körnerschicht beim Bley sehr mächtig, dieses rührt jedoch nur daher, dass sie auch die Zwischen- körnerschicht, die sie blos für ein Theil der inneren Körnerschicht halten, zu derselben gezählt haben. Näheres darüber wollen wir in einer weiteren Ab- handlung mittheilen. 2) Dieses Präparat haben wir aus der Sammlung des Dr. Czokor in Wien erhalten. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht. d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 415 Die hier angegebenen Zahlen sind nicht etwa Durchschnitts- zahlen aus einer grossen Menge von Messungen, dieses würde für unseren Zweck keinen grossen Werth haben. Wir haben einfach einen einmal gefundenen Dieckenmesser angegeben, nachdem wir bezüglich desselben ein oder einige Vergleiche angestellt haben. Die Vergleiche wurden zwischen den verschiedenen Netzhäuten gleichnamiger Thiere angestellt, um zu sehen, ob die Dickenver- hältnisse zwischen den beiden Körnerschichten bei gleichnamigen Thieren nahezu einander gleich bleiben. Dazu genügten einige Messungen vollkommen, da uns nicht an der absoluten Dicke einer jeden Schichte gelegen war. Die an einer Stelle der Netzhaut Körnerschichten: Körner der aa Körner der imnern Namen der Thiere. Körnerschicht Körnerschicht: äussere | innere Länge | Breite Länge | Breite | Be... 0,059 | 0,018 0,004 0,006 a 0,006 10,006 0,009 | 0,006 Kaninchen......... 0,036 | 0,015 0,006 0,006 0,006 0,009 | 0,006 Meerschweinchen ... || 0,021 | 0,021 0,009 0,006 0,009 0,012 ! 0,009 BEhweindrn. ea. 0,051 | 0,054 0,006 0,006 0,006 0,007 | 0,006 Nachteule.......... 0,030 | 0,075 0,006 0,009 | 0,006 0,009 0,006 0,009 | 0,006 0,009 Mandelkrähe....... 0,027 | 0,069 0,006 0,006 0,006 0,006 Belinea. 82, 0,024 | 0,060 0,006 0,006 0,006 0,006 ERErER eaeaninelc.e 0,024 | 0,060 0,009 0,006 0,006 0,009 | 0,006 0,009 Nachtschwalbe...... 0,024 | 0,060 0,007 0,006 0,006 0,007 | 0,006 Perlhuhn........... 0,018 | 0,045 0,009 0,012 | 0,006 0,006 0,009 | 0,004 0,006 Ehe ans 0,018 | 0,045 0,006 0,009 | 0,006 0,006 0,006 Bachs a... 0,024 | 0,063 0,006 0,009 | 0,004 0,006 0,004 0,006 | 0,004 0,006 "mas Er RER 0,021 | 0,060 0,004 0,006 0,004 0,006 || 0,003 0,006 | 0,003 0,006 ee. 0,015 | 0,051 0,009 0,012 | 0,006 0,009 || 0,006 0,006 Behleihen.:...422.20:: 0,048 0,018 0,003 0,003 0,009 0,015 | 0,003 0,009 Se ER 0,036 | 0,027 0,004 0,004 0,004 0,006 | 0,004 0,006 ETRSe ken 0,042 | 0,048 0,009 0,012 | 0,006 0,009 | 0,006 0,009 | 0,006 Kaulbarsch......... 0,060 | 0,084 0,003 0,003 0,003 0,009 | 0,003 0,006 Berpfen.......:... 0,036 | 0,045 0,090 | 0,003 0,003 0,006 0,006 ER RR 0,036 | 0,054 0,004 0,004 0,006 0,012 | 0,006 I PN 0,036 | 0,054 0,009 0,006 0,006 0,006 Nemauge.......... 0,015 | 0,030 0,012 0,006 0,009 0,009 Salmo lavaretus.... | 0,030 | 0,090 0,006 0,004 0,006 0,006 Barelle 2... ....... 0,030 | 0,100 0,006 0,006 0,006 0,015 | 0,006 0,009 Bali. 0,030 | 0,048 0,012 0,018 | 0,012 0,015 10,012 0,021 | 0,012 0,018 Salamandra- macul. . || 0,030 | 0,060 0,018 0,021 0,012 0,018 0,015 0,024 | 0,015 0,021 ET 0,024 | 0,072 0,012 0,009 0,006 0,009 | 0,006 0,009 Triton cristatus..... | 0,015 | 0,045 0,006 0,009 | 0,006 0,003 0,006 | 0,004 Grüne Eidechse..... | 0,075 | 0,060 0,012 0,009 0,012 0,006 0,009 | 0,006 0,009 Tropidonotus natrix. | 0,060 | 0,075 '0,009 0,012 | 0,009 [0.006 0,009 | 0,006 0,009 Emys europaea..... 0,021 | 0,067 0,006 0,009 | 0,006 | 0,006 0,009 | 0,006 Alligator lucius..... | 0,021 [0,075 0,009 0,012 [9,009 0,006 0,009 , 0,006 0,009 416 G. Dennissenko: gefundene Zahl reichte schon hin, um das Grössenverhältniss bei- der Schichten für die ganze Ausdehnung derselben anzugeben, weil diese Verhältnisse überall dieselben sind, mit Ausnahme etwa der Eintrittsstelle des Optieus, der Macula lutea, der Ona serrata und noch einiger wenigen Stellen, wo dies Verhältniss wesentlich verändert ist; an diesen Stellen ist aber die ganze Netzhaut gleichfalls wesentlich mit verändert. Die Grösse der Körner haben wir daselbst gemessen, wo wir ihre Schichten gemessen haben. Bringt man ein Stückchen aus einer ganz frischen Netzhaut junger Hasen in eine !/„—!/ ‚procentige Osmiumsäurelösung, lässt es da 1—2 Tage liegen und zerzupft es dann in verdünntem Gly- cerin, so erhält man ein Zupfpräparat, an dem man die Regel- mässigkeit in der Anordnung der Körner vorzüglich gut sehen kann. Dieselben sind hübsch in 5—6 Reihen, das eine Korn genau unter dem andern gelagert. Durch die genaue Aufeinander- lagerung bilden die Körner kleine Säulchen und nicht selten vereinigen sich mehrere solcher Säulchen zu einer grossen Kolonne, die von beiden Seiten durch ein Plättchen Zwischen- substanz begrenzt wird. Dieses Plättchen, das auch sonst ziemlich mächtig ist, erreicht an der Zwischenkörnerschicht seine grösste Dicke und wird immer feiner, je mehr essich der Membr. limit. ext. nähert, so dass es in der Nähe derselben ganz verschwindet und an seiner Stelle finden sich kleine, ganz feine runde Reifen vor, die sich an dem Säulchen oder an der Kolonne befestigen, s. Fig. 13. Ebenso wie das Plättchen legen sich auch die Reifen zwischen die Körnergruppen und trennen sie dadurch von einander. Dass die Reifen wirkliche Reste des verschwundenen Plättchens sind, erhellt daraus, dass man an manchen Präparaten ein sich an der Peripherie der Reifen befestigendes, durchsichtig feines Häutchen trifft. Die äussere Körnerschicht besitzt also eine grössere oder geringere Menge Zwischensubstanz, welche sie in der Richtung ihres Radius als Plättehen oder Streifen durchzieht und sie in einzelne Körnerkolonnen eintheilt. Auf ihrem Verlaufe zwischen den Kör- nerkolonnen schickt die Zwischensubstanz mehr oder weniger dicke Plättehen aus, welche zwischen die Körner dringen, sie von ein- ander isoliren und in ihren Stellungen befestigen. Je näher der Membr. limit. ext., desto feiner wird der Hauptstamm, bis er sich endlich in einige feine Gewebsschlingen verwandelt, die unmit- telbar und innig mit dieser Membran verwachsen sind. Eine der- Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 417 artige Verwachsung der Zwischensubstanz mit der Membr. limit. ext. konnte leicht übersehen werden, und zwar um so eher, als bei einigen Thieren (Huhn) sich diese Verwachsungen sehr schwer sehen lassen; dieser Umstand macht es uns erklärlich, weshalb denn viele Beobachter, auch nachdem die Arbeiten von M. Schultze und Merkel publieirt worden sind, es noch zu beweisen suchen, dass die Zwischensubstanz die Membr. limit. ext. nicht erreicht. Die äussere Körnerschicht besteht also im ganzen: 1) Aus den Körnern mit ihren Fortsätzen. 2) Aus einer Zwischensub- stanz, die die Körner von einander trennt und sie in ihrer Lage befestigt. Von Carmin werden die Körner intensiv roth gefärbt, während die Zwischensubstanz entweder gar nicht gefärbt wird oder nur eine zartrosige Schattirung erhält. An feinen Zupfprä- paraten kann man diese beiden Gewebe isolirt erhalten, man sieht dann die Körner als runde oder ovale Gebilde, die nicht selten 2 Fortsätze sehen lassen, im Glycerin schwimmen, das Zwischenge- webe erscheint als ausserordentlich feine Schlingen, die sich an einem immer stärker werdenden Stamm befestigen; in der Nähe der Zwischenkörnerschicht erreicht dieser Stamm eine ziemliche Dicke und repräsentirt sich uns hier als die sogenannte äussere Faserschicht von Henle. Wird ein recht feines Messerpräparat mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, so färben sich die Körner violett, die Zwischensub- stanz bekommt eine schöne Rosafarbe; an einem solchen gut ge- färbten Präparate kann man die feinsten Verästelungen der Zwi- schensubstanz unterscheiden, die sich als feine rosige Streifen zwischen den violetten Körnern verbreiten. Pierocarmin ist gleich- falls ein gutes Färbungsmittel für ein solches Präparat, ebenso Carmin, und lassen diese Stoffe die Zwischensubstanz fast ganz ungefärbt, man sieht diese Substanz bei dieser Färbung als weisse Streifen zwischen den gefärbten Körnern ziehen. In der histologischen Literatur ist die Existenz dieser beiden Gewebsarten in der äusseren Körnerschicht schon längst bekannt. Schon H. Müller hat die Gegenwart einer Zwischensubstanz in der äusseren Körnerschicht der Netzhaut des Chamäleons nachge- wiesen, später fand M. Schultze dieses Gewebe weit verbreitet zwischen den Körnern unserer Schichte; W. Krause hat viele vor- treffliche Abbildungen veröffentlicht, die Erklärungen, die er den Abbildungen beigegeben hat, sind aber nicht richtig. Er nimmt 418 G. Dennissenko: an, dass die centralen Fortsätze der Stäbehen- und Zapfenkörner (als solche hält er nämlich die Plättchen der Zwischensubstanz mitsammt den in ihnen eingeschlossenen Centralfortsätzen) sich unmittelbar mit den Plättchen der flachen Zellen aus der Zwischen- körnerschichte verbinden. Darüber wollen wir ein andersmal Näheres mittheilen. Eine noch gelungenere Abbildung hat Merkel geliefert, ein derartiges Präparat erhält man, wenn man die Netzhaut der Säuger und anderer Thiere mit Ueberosmiumsäurelösung oder Chromsäurelösung behandelt und dann im Glycerin zerzupft. Wir haben schon früher davon gesprochen, dass an mit Eosin und Hämatoxylin gefärbten Messerpräparaten die Zwischensubstanz sich roth färbt und von den violett gefärbten Körnern scharf ab- sticht. Untersucht man sorgfältig ein so gefärbtes Präparat bei einer 3—400 fachen Vergrösserung, so sieht man ganz deutlich, dass die aus Zwischensubstanz bestehenden rosafarbigen Plättehen mehr oder weniger dicke Scheiden für jedes einzelne Korn bilden. Wir haben niemals zwei Körner in einer gemeinschaftlichen Kapsel zu sehen bekommen, vielmehr ist jedes einzelne Korn sorgfältig von seiner Nachbarschaft isolirt. Die Körner sind ziemlich gut auf ihrem Platze befestigt, so dass man nur an Zupfpräparaten auf aus ihrer Kapsel entfernte Körner trifft, an Schnittpräparaten sind diese Fälle sehr selten und hat es sich auch bei genauerem Zu- sehen immer herausgestellt, dass es kein ganzes Korn sondern nur ein Bruchtheil eines solehen war, der sich in der zerschnittenen Kapsel nicht mehr halten konnte. Die Kapsel schliesst ihr Korn von allen Seiten ab und lässt nur zwei enge Oeffnungen zum Aus- tritt für die beiden Fortsätze desselben. Die Lagerung der Körner in der äusseren Körnerschicht ist hiermit gleich der von uns be- schriebenen Lagerung derselben in der inneren Schicht. Betrachten wir die Zwischensubstanz an einem in der ange- gebenen Weise gefärbten Netzhautpräparat des Menschen, Affen u. 8. f. bei starker Vergrösserung (Nr. 12 des Immersionssystems) so können wir also sehen, dass jedes Korn über eine ihm allein gehörige Umhüllungsmembran von ausserordentlicher Zartheit ver- fügt (Siehe Abbildung Nr. 15). Dieses Häutehen verwächst stellen- weise mit dem Nachbarhäutchen, was besonders da vorkommt, wo die Körner dicht aneinander gedrängt sind, an Stellen aber, wo die Körner etwas von einander entfernt liegen, tritt uns jede Mem- bran deutlich isolirt entgegen. Die freien Räume zwischen den Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 419 feinen Häutehen werden von einer kleinen Menge körniger Substanz ausgefüllt; bei den Vögeln ist diese Umhüllungsmembran sehr fein und locker, die Körner liegen in ihrer Schichte ziemlich getrennt von einander und die dadurch entstandenen freien Räume werden auch hier von einer körnigen, lockeren Substanz ausgefüllt. Nach aussen befestigen sich diese Häutchen ebenso wie bei den Säuge- thieren an der Membr. limit. ext, nach innen laufen sie zur Zwischenkörnerschicht; auf dem Wege zu derselben vereinigen sich mehrere solcher Häutehen zu eiuem gemeinschaftlichen Stämmehen und erreichen die Zwischenkörnerschicht bedeutend stärker und dichter. Leere Häutchen, ohne die in ihnen enthaltenen Körner fanden wir an mit Ueberosmiumsäure behandelten Netzhautpräpa- raten des Huhns und der Taube. Diese Thiere eignen sich ganz besonders gut zu dieser Untersuchung, weil bei ihnen die Körner- hüllen an ihrer Verbindungsstelle mit der Membran ganz besonders fein sind, wodurch sie sehr leicht von derselben abreissen und ihre Körner verlieren. Die leeren Häutchen sehen einem Becher ähnlich und sitzen auf einem gemeinschaftlichen Stämmchen, der ihnen als Stütze dient. An einer mit einer 0,1 prozentigen Ueberosmiumsäurelösung behandelten Netzhaut von Salamandra maculata, welche wir ent- weder gleich in dieser Lösung oder nach einem Zusatze von ver- dünntem Glycerin zerzupft haben, fanden wir ebenfalls nicht selten becherförmige Gebilde als sehr feine Plättchen vor (Fig. 12). Mehrere solche Plättchen oder Häutchen vereinigten ihre Fortsätze oder Stiele zu einem gemeinschaftlichen Bündel, das in der Zwischen- substanz seinen Sitz hatte. Das Bündel dient als gemeinschaftlicher Befestigungspunkt sowohl dem Häutchen selbst als auch den in ihnen sitzenden Körnern. Die Membr. limit. ext. bestand aus der- selben Substanz, wie die Umhüllungshäutchen, nur erschien sie als ziemlich verdickter Saum, der diese becherförmigen Gebilde be- grenzt, dabei war sie stark lichtbrechend. An diesem verhältniss- mässig dicken Saum waren die Hüllen der benachbarten Körner befestigt, so diente hier die Membr. limit. ext. den schon einmal an der Zwischenkörnerschicht befestigten Körnern als zweiter Be- festigungspunkt, der ihnen nicht gestattet, nach aussen auseinander zu rücken. Die Umhüllungsmembranen der Körner sind entweder feine, durchsichtige, kaum bemerkbare Häutchen, oder sie bestehen aus 420 G. Dennissenko: dieckem, grobem, oft sehr wenig durchsichtigem Gewebe. Mem- branen von der ersten Art fanden wir an den Stäbchenkörnern beim Frosche, bei vielen Säugethieren und Vögeln; dieke Um- hüllungen besitzen die Zapfenkörner mit ihren centralen Fort- sätzen. Diese Häutchen waren nicht selten so wenig durchsich- tig, dass es uns schwer war, bei der eben angegebenen Unter- suchungsmethode,, die Körner mit ihren centralen Fortsätzen unter ihrer Hülle zu erkennen (Perlhuhn, Salmo lavaretus). Manchmal war es sogar absolut unmöglich, die Form der Körner durch die dicke Umhüllungsschichte hindurch zu erkennen. An einem Netzhautpräparat des Frosches, das wir einen Tag lang in einer 1/.—!/s prozentigen Ueberosmiumsäurelösung gehal- ten, dann in Glycerin zerzupft hatten, erschienen uns die Körner der zweiten Reihe (Zapfenkörner) als kugelförmige Gebilde mit der Spitze der Membr. limit. ext., mit der Basis der Zwischen- körnerschicht zugewendet. Auf einem Querschnitte erscheinen die Körner in ellipsoider Form, was manchmal auch an Zupf- präparaten vorkommt (Fig. 11). Beim Neunauge haben die Körner an Zupfpräparaten eine kugelförmige Gestalt, auf einem Quer- schnitte erscheinen sie, wenn sie etwas gefärbt sind, als eylin- drische Gebilde, die sich von der Membr. limit. ext. bis zur Zwi- schenkörnerschicht erstrecken; diese Form verdanken die Körner auch hier der sie frei umhüllenden Membran. Ueber das die Körner unserer Schichte umgebende Häutchen sind zwei verschiedene Ansichten aufgestellt worden. Schwalbe meint, dass nur die Zapfenkörner eine Umhüllung besitzen; das Gleiche hat schon Krause behauptet. Merkel bekennt sich im Text gleichfalls zu der Ansicht Schwalbe’s, während er in seinen schematischen Darstellungen sowohl’ die Zapfenkörner, als auch die Stäbehenkörner, von einem Häutchen umhüllt, darstellt. Dagegen sagt M. Schultze folgendes: „Wo, wie bei den Vögeln der Ueber- sang radialer Stützfasern aus der inneren in die äussere Körner- schicht leicht zu beobachten ist, verzweigen sich jene Fasern und bilden membranöse Kapseln um die äusseren Körner und ihre ner- vösen Fasern.“ So steht also M. Schultze mit seiner Ansicht vereinzelt da. Die meisten Histologen sprechen sich gegen jede Umhüllung der Stäbehenkörner aus, während M. Schultze den- selben eine Kapsel zuerkennt. Ein auf die oben angegebene Weise mit Ueberosmiumsäure Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 421 bereitetes Netzhautpräparat giebt uns nicht allein über Form und Dieke der Umhüllungsmembran Aufschluss, es zeigt uns auch ganz deutlich, dass diese Membran nicht ausschliesslich die Zapfenkörner umhüllt, auch die Stäbehenkörner können eine solche Hülle auf- weisen. Die Netzhaut von S. maculata und des Axolotl’s dient als besonderer Beleg dafür. Bei S. maculata namentlich correspondirt die äussere Körnerreihe vorzüglich, wenn auch nicht ausschliess- lich, mit den Stäbchen, die innere Reihe verbindet sich mit den Zapfen; wenn man nun diese Körner an einem Zupfpräparat unter- sucht, das mit einer Ueberosmiumsäurelösung von 0,1°/, behandelt wurde, so kann man leicht sogar isolirte becherförmige Umhüllungs- membranen der Körner aus der ersten Reihe erhalten (Fig. 12). Der- artige Präparate beseitigen jeden Zweifel über die Existenz von Umhüllungsmembranen auch für die Stäbehenkörner. Bei der grünen Eidechse besitzt jedes Korn seine eigene, ziemlich dicke Um- hüllungsmembran. Bei Salmo lavaretus sind die Zapfenkörner mitsammt ihren centralen Fortsätzen von einer sehr dicken Hülle umgeben, die sogar die Beobachtung der Erstern erschwert; die Stäbehenkörner mit ihren zarten Fortsätzen besitzen dagegen eine sehr zarte Hülle. Dieses sieht man besonders gut an mit Eosin und Hämatoxylin gefärbten Schnittpräparaten. Die centralen Fort- sätze können hier auf ihrer ganzen Länge verfolgt werden, von ihrer Ursprungstelle am Korn bis zu ihrem Ansatz an dem äusseren Plättehen der Zwischenkörnerschicht, wo sie mit einem etwas breitem Ansatzstück enden. Endlich wiederholen wir es noch ein- mal, dass es uns noch nicht gelungen ist, an irgend einem Präpa- rate zwei Körner in einer gemeinschaftlichen Scheide zu treffen; auch dieser Umstand spricht also für die Ansicht M. Schultze’s und gegen Schwalbe. Wenn es auch nicht immer gelingt, bei den Säugethieren und Fischen für jedes Korn eine besondere Kapsel nachzuweisen, so liegt das einmal in der zusammenge- drängten Lagerung der Körner bei diesen Thieren, infolge deren die einzelnen Kapseln benachbarter Körner verwachsen; dann wird aber auch der direkte Nachweis einer besonderen Hülle für jedes Korn durch die Kleinheit des Gegenstandes selbst bedeutend er- schwert. Dafür aber wissen wir, dass thatsächlich die Zwischen- substanz zwischen die einzelnen Körner dringt und sie isolirt, dass ferner thatsächlich es noch Niemandem gelungen ist zwei Körner in einer gemeinschaftlichen Scheide zu sehen und diese beiden 422 G. Dennissenko: Umstände berechtigen uns, einem jeden einzelnen Korn eine eigene besondere Hülle zuzusprechen. II. Bei einer näheren Beschäftigung mit der Netzhaut der Vögel waren uns schon seit langer Zeit grössere und kleinere Räume in deräusseren Körnerschicht aufgefallen, die keine nachweisbare Substanz, weder in fester noch in flüssiger Form enthielten. Diese Räume, welehe wir an der Netzhaut der Taube, des Huhnes und des Adlers zuerst entdeckt haben, fanden wir später bei vielen anderen Thieren vor, wenn wir Schnitte in gewisser Richtung machten. Die- ser Umstand überzeugte uns, dass wir es mit keinem Artefaet oder Fäulnissproduet zu thun hatten, abgesehen von den Vorsichtsmass- regeln, welche wir bei der Herstellung dieser Präparate ange- wendet haben. (Es wurden frische Netzhäute aus dem Auge eines, womöglich eben getödteten Thieres gebraucht. Wir machten einen grossen Einschnitt durch die Cornea und das corpus eiliare, be- handelten das Objeet zuerst mit Müller’scher Flüssigkeit, liessen es dann einen Tag lang in Wasser liegen und brachten es nachher in Spiritus.) Die Hohlräume haben immer eine regelmässige Form, waren aber bei jedem von uns untersuchten Thiere etwas anders gestaltet; ausserdem haben sie für jede bestimmte Thiergruppe charakteristische Eigenthümlichkeiten. Diese Eigenthümlichkeiten sind so scharf ausgeprägt, kehren bei dem betreffenden Thiere so häufig wieder, dass wir aus dem Bau der Hohlräume nicht selten auf ihren Besitzer schliessen konnten. Daraus schlossen wir nun weiter, dass diese Hohlräume nicht etwa zufällige oder pathologische Ausnahmen ‚sind, sondern stehende, normale Erschei- nungen. Nachdem wir die Hohlräume bei mehreren Thieren vorgefunden und die Ueberzeugung von ihrer Existenz in der lebenden Netzhaut gewonnen hatten, dehnten wir unsere Unter- suchungen auf eine sehr grosse Anzahl von Thieren aus, um in den Hohlräumen womöglich etwas charakteristisches für jede Klasse, vielleicht auch für jede Art zu finden. Das Resultat unse- rer Untersuchung war der Nachweis, dass die Hohlräume wirklich bei allen Thieren da sind, nur sind sie nicht überall leicht aufzufinden, da sie nicht bei allen Thieren dieselbe Grösse und Gestalt haben; man kann überhaupt sagen, die Hohlräume sind bei jedem einzelnen Thiere ebenso verschieden, wie die äussere Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 423 Körnerschicht selbst. Die Verschiedenheiten treten in dreifacher Beziehung hervor: 1. in der Grösse, 2. in der Form und 3. in der Lagerung. 1. Hinsichtlich ihrer Form weisen die Hohlräume die grösste Mannigfaltigkeit auf. Sie sind bald rund oder leicht oval (Hecht), bald haben sie eine ellipsoide Form, bald eine eckige, einem Viereck mit abgerundeten Winkeln ähnlich (Adler, Huhn, Taube, Bley, salmo lavaretus,) bald sehen sie unregelmässig eckig (Nachteule, Strix flammea), bald spaltförmig aus, endlich können sie einzelne, senkrecht auf die Memb. limit. ext. stehende Röhren darstellen, 2. Hinsichtlich ihrer Grösse zeigen die Hohlräume bei den verschiedenen Thieren gleichfalls grosse Verschiedenheit von ein- ander. So durchsetzen sie beim Huhn, beim Adler und beim Neunauge u. a. die ganze äussere Körnerschicht, während sie bei der Forelle, Bley sowie beim Hecht und salmo lavaretus nur wenig weit in die äussere Körnerschicht verlaufen. Hinsichtlich ihrer Breite stellen die Hohlräume nicht selten kaum 0,003 mm schmale Spalten dar (Neunauge), beim Menschen bilden sie schmale Röhren von 0,006 mm; dagegen erlangen sie beim Adler eine bedeutende Weite, sie erscheinen auf einem Querschnitte als grosse freie quadratförmige Räume von 0,015 (übrigens können die Hohl- räume bei einem und demselben Thiere an verschiedenen Stellen verschieden weit sein). 3. Hinsichtlich der Lagerung weisen die Hohlräume ebenfalls grosse Verschiedenheiten auf. Sie erstrecken sich quer durch die Schicht und werden nach aussen von der Zwischenkörnerschicht begrenzt (Affe, Adler, Huhn, Neunauge); die Hohlräume grenzen nach aussen unmittelbar an die Memb. limit. ext, nach innen werden sie von der Zwischenkörnerschicht durch die Körner getrennt (Neunauge) dieselben Körner können sich in 2 Reihen geordnet zwischen sie und die Memb. limit. legen (Forelle, salmo lavar.). Aus dieser kurzen allgemeinen Skizze sehen wir, wie ver- schieden der Bau der Hohlräume der verschiedenen Thieren ist; da derselbe offenbar von dem ganzen Bau der äusseren Körner- schicht beeinflusst werden muss, so wollen wir den Bau dieser Schichte bei den verschiedenen Wirbelthierklassen kurz rekapitu- liren und gleichzeitig die Eigenthümlichkeit im Bau der Hohlräume bei den verschiedenen Repräsentanten der betreffenden Klasse angeben. 424 G. Dennissenko: Die äussere Körnerschicht der Netzhaut hat bei den Säugethieren folgende charakteristische Merkmale, die sie von anderen Thierklassen genau unterscheidet. Die Körner sind von mässiger Grösse, häufig kleiner als die Körner der inneren Schichte. Dieselben haben eine ellipsoide, bei manchen Thieren auch eine ganz runde Form, bei den meisten Thieren aus dieser Klasse zeigt jedes Korn eine Querstreifung. Die Körner sind dicht neben und übereinander in 4—7 Reihen gelagert; die äussere Körner- schicht übertrifft in den meisten Fällen die innere an Grösse. Die Hohlräume haben bei dieser Thierklasse eine röhrenförmige Gestalt und verlaufen entweder in grader Richtung getrennt von einander oder stehen durch kurze Canälchen mit einander in Verbindung, endlich können sie in geschlängelter Richtung verlaufen. Der Bau der Hohlräume in der äusseren Körnerschicht beim Affen!) kann als typisch für die allermeisten Säugethiere gelten, die nur wenig wesentliche Abweichungen von der allgemeinen Norm aufweisen. Auf einem gut gelungenen Querschnitt sieht man die Körner dieser Schicht sich zu Säulchen vereinigen, die aus 4—6 übereinander gelagerten Reihen bestehen und 3—4 Kör- ner in der Dieke haben (Fig. 1). Sie beginnen unmittelbar an der Memb. limit. ext., zu deren Oberfläche sie senkrecht stehen. Nachdem diese Säulchen mehr oder weniger tief (je nach der von ihnen eingenommenen Stelle) in die Schichte eingedrungen sind, gehen sie in die sogenannten centralen Fortsätze der Stäbehen- und Zapfenkörner über (dieselben, welche von W. Krause „Stäb- chenkegel und Zapfenkegel“ von Henle äussere Faserschicht genannt werden). . An beide Seiten eines solchen Fortsatzes legt sich ein zartes Häutchen an, begleitet ihn bis zur äusseren Kör- nersehicht, wo es entweder unter kolbiger Erweiterung endigt oder sieh in die innere Körnerschieht?) fortsetzt; in beiden Fällen verschmelzen an dieser Stelle die Häutchen der benachbarten Fortsätze mit einander. Auf der beigelegten Abbildung Fig. 1 1) Wir fühlen uns gedrungen, Herrn Dr. Czokor, der uns ein halbes Auge eines Affen zur Verfügung gestellt hat, an dieser Stelle unsern Dank auszusprechen. 2) G. Dennissenko, Einige Bemerkungen über den Bau der Netzhaut. Centralblatt für die med. Wissenschaft Nr. 1. 1881. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 425 scheinen die centralen Fortsätze mehr von einander entfernt zu liegen, als die zu ihnen gehörigen Körnersäulchen, eine Erschei- nung, die man häufig, wenn auch nicht immer, sehen kann. Bei Verstellung der Mikrometerschraube erblicken wir den Boden der hellen Zwischenräume zwischen den Säulchen (a) von dicht anein- ander gelagerten Körnern gepflastert (h). Diese Körner sind hier ebenso angeordnet, besitzen eben solche Umhüllungsmembran, wie die Körner an den Säulchen selbst und dieser Umstand berechtigt zu der Annahme, dass jeder dieser Zwischenräume nur ein Theil eines, durch den Schnitt der Länge nach eröffneten Hohlraums zwischen den Körnern ist, der uns als helle Lichtung entgegen tritt. Wir können ferner aus dieser Abbildung ersehen, dass die Hohlräume zwischen den centralen Fortsätzen weiter sind als zwischen den Körnersäulchen. Unsere Hohlräume beginnen ge- wöhnlich dicht an der Memb. limit. und erstrecken sich bis zum äussersten Plättehen der Zwischenkörnerschicht; ihre Breite ist zwischen den Körnern 0,006—0,018 mm und mehr. Wir können nach dem Gesagten das Verhältniss der Körner zu den Hohlräumen so ausdrücken, dass wir sagen, die Körner füllen keineswegs die ganze äussere Körnerschicht aus, sondern sie, sammt ihren Häut- chen und Fortsätzen bilden die Wandungen von kleinen, körner- freien Zwischenräumen oder Hohlräumen. Untersuchen wir die Hohlräume an einem gut gelungenen Querschnitt der Netzhaut des Hasen, so finden wir sie auch hier nicht sehr weit von einander entfernt, auch hier werden sie ebenso wie beim Affen nur durch 1—3 Körner breite Säulchen getrennt, endlich kleidet die Hohlräume auch hier ein feines Häutchen aus, von dem nach allen Seiten Fortsätze ausgehen, um die einzelnen Körner von ihrer Nachbarschaft zu isoliren; nur durch ihre gerin- gere Weite (ungefähr 0,005‘) unterscheiden sich die Hohlräume beim Hasen von denen des Affen. Vergleichen wir unser Messer- präparat mit einem mit Ueberosmiumsäure behandelten Zupfprä- parate, so sehen wir, dass unser, die Innenwandung der Hohlräume auskleidendes Häutchen aus demselben Gewebe besteht, wie die von uns oben und in einer früheren Arbeit beschriebenen Plättchen, welche die Körnersäulchen umhüllen und zusammen- halten. Anderseits bewahrt uns ein Vergleich dieser beiden Prä- parate vor der irrthümlichen Annahme, das Gewebe in dem von den Körnern gebildete Zwischenraum sei ein solider Stamm, wie 426 G. Dennissenko: man es aus der Betrachtung eines Zupfpräparates für sich schliessen könnte; ein Schnittpräparat belehrt uns, dass dieses Gewebe einem von aussen in den Hohlraum eingestülpten Sacke gleicht, aus dem Gewebsstreifen nach allen Richtungen ausgehen, um die Körner zu umhüllen. Beim Schweine sind die centralen Fortsätze sehr schwach entwickelt, die Lagerung der Hohlräume ebenso wie beim Hasen und Affen, nur sind nicht alle Hohlräume (wie es beim Hasen und Affen der Fall ist) gleich gross, sondern sind bald schmale Spalten von 0,006 mnı, bald grosse ovale Hohlräume von 0,024 mm und mehr. Der Grösse der Hohlräume entspricht die Dieke ihrer Wandung vollkommen und ein spaltförmiger Hohlraum wird auch von ganz dünnen Wänden umgeben, ebenso besitzt ein grosser Hohlraum eine dieke Wandung (Fig. 2). Eine solche Ungleichheit lässt sich durch die Annahme, dass die weiteren Hohlräume sich auf Kosten der engeren entwickelt haben, ganz einfach erklären, und als Beweis dafür treffen wir in der dieken Wandung manches weiten Hohl- raums sehr schmale Spalten an; eben solche kleine, freie Räume finden wir zwischen den centralen Fortsätzen der dicken Wände; wahrscheinlich sind es noch nicht völlig ausgebildete kleine Hohl- räume. Die Hohlräume sind in der äusseren Körnerschicht des Schweines zahlreich vertreten, und die Schichte erscheint infolge dessen, wie von parallel zu einander verlaufenden Furchen zerwühlt. Die Untersuchung dieser Hohlräume beim Menschen ist unge- mein viel schwieriger als bei den oben erwähnten Thieren. Ab- gesehen davon, dass es überhaupt schwer ist ein ganz frisches Auge vom Menschen zu erlangen und an einem nicht mehr frischen Präparate die Untersuchung schwierig und das Resultat unsicher wird, macht es auch die geringe Weite der Hohlräume beim Menschen schwerer, sie an einem Schnittpräparate auf ihrer ganzen Länge zu verfolgen; gelingt es aber auch einmal einen recht guten Schnitt zu führen, so ist die Untersuchung auch dann noch, bei der Kleinheit der Lichtungen, (von 0,004—0,006 mm) ungemein mühsam. An einer frischen Netzhaut eines Guillotinirten!) die kurz nach dem Tode mit Iproe. Ueberosmiumsäure behandelt worden war, fanden wir die Hohlräume in den Hauptzügen denen beim 1) Diese Netzhaut hat uns Herr Prof. Waldeyer zugestellt, wofür wir ihm hiermit Dank sagen. - Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 427 Affen ähnlich, die Wandung der feinen röhrenförmigen Hohlräume war von einer einzigen Reihe Körner gebildet, die Höhlung selbst erstreckte sich durch die ganze Schicht von der Memb. limit. ext. bis zur Zwischenkörnerschicht ; sie ist überall gleichmässig weit, ein zartes Häutchen kleidet sie auf ihre ganze Ausdehnung aus; das Häutchen gleitet über die centralen Fortsätze (die nach dem Gesagten nur ein Korn dick sind) zur Faserschicht hin (Fig. 15). Diese Netzhaut war übrigens nicht ganz normal, zeigte vielmehr erheb- liche pathologische Veränderungen. Beim Pferd erreichen die Hohlräume in der Mitte der Retina, da wo die äussere Faserschicht stark entwickelt ist, eine Breite von 0,009—0,012 mm, an den übrigen Stellen dagegen sind sie bedeutend enger; die Richtung der Hohlräume ist nicht mehr so gleichmässig wie bei den andern Säugethieren. Dann stehen hier die Hohlräume in Verbindung mit einander. Die Netzhaut der Katze imponirt uns nicht selten mit Hohlräumen von 0,006 — 0,021 mm Länge, der Verlauf derselben ist ausseror- dentlich unregelmässig, und die Hohlräume zeigen die verschie- denartigsten Aus- und Einbiegungen. Die äussere Körnerschicht weist bei den Vögeln viele cha- rakteristische Merkmale auf. Die Körner haben hier eine läng- liche fast spindelförmige Gestalt, liegen ziemlich weit von einander entfernt und sind in 2—4 Reihen geordnet. Die äussere Körner- schicht ist kleiner als die innere, die Form ihrer Hohlräume ist ziemlich verschieden; dieselben haben bald die Form eines regel- rechten Vierecks mit abgerundeten Winkeln, bald sind sie oval, bald ganz unregelmässig eckig. Die Wandungen der Hohlräume sind auch hier theilweise von Körnern gebildet und von den sie umhüllenden Häutchen ausgekleidet, theilweise von den centralen Fortsätze dieser Körner. Die Netzhaut des Adlers liefert ein sehr gutes Object für die Beobachtung der äusseren Körnerschicht sammt ihren Hohl- räumen bei den Vögeln. Auf Fig. 3 sehen wir die leicht spindel- förmigen, in Reihen geordneten Körner an der äusseren Hälfte der Schichte liegen, die eine Spitze der Memb. limit., die andere mit dem centralen Fortsatz der Zwischenkörnerschicht zugewendet. Auf dem Wege zur letzteren Schicht legen sich die meisten centralen Fortsätze dicht aneinander und bilden eine starke Säule; mit dieser Säule verwachsen noch, vermittelst ihres Umhüllungshäut- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 29 428 G. Dennissenko: chens die centralen Fortsätze der vereinzelt liegenden Körner und diese zusammen helfen die Wandung der Hohlräume bilden. Die Umhüllungshäutehen der Säulen kleiden auf dem Wege zur Zwi- schenkörnerschicht die Hohlräume aus, an der Schichte selbst angekommen überziehen sie dieselbe von aussen und bilden das äussere Plättchen der Zwischenkörnerschicht. Die Hohlräume haben beim Adler eine Länge von 0,024 mm bei einer Breite von 0,018—0,021 mm, ihre Form ist demnach fast die eines Quadrats, nur sind die Winkel etwas abgerundet. Dieses Viereck wird nach aussen von der Memb. limit. ext. und von den ihr anliegenden Körnern, nach innen von der Zwischenkörnerschicht begrenzt, an beiden Seiten wird es von den Kolonnen und den sie umhüllenden Häutchen bekleidet. Unsere Abbildung stellt einen solchen Hohl- raum dar, bei der Schnittführung durch denselben wurde auch die seitliche Wandung des benachbarten Hohlraums mit getroffen, die Körner und die centralen Fortsätze sind daselbst der Länge nach durchschnitten und wir sehen deshalb auf der Abbildung die Körner mit ihren centralen Fortsätzen, zwischen denen sich kleine, spaltenförmige Räume finden. Die Hohlräume in der äusseren Körnerschicht bei der Taube haben einige Aehnlichkeit mit denjenigen beim Adler. Die Körner sind da im Allgemeinen in drei Reihen geordnet, manche Körner können jedoch zur Hälfte in die Membr. limit. hineinragen, manchmal überschreiten sie auch diese Grenze und liegen zur Hälfte in der Stäbehen- und Zapfenschicht, Fig. 4 u. 5, ihre Fortsätze sind ziemlich diek und verlaufen einzeln zur Zwi- schenkörnerschicht; die Membran, welche Körner und Fortsätze eng umhüllt, eıweitert sich in der Nähe der Zwischenkörnerschicht, verschmilzt hier mit den Häutchen der benachbarten Fortsätze und bildet das obere Plättehen dieser Schicht. Zwischen diesen Fortsätzen finden sich nun grosse, ovale Hohlräume von 0,021 bis 0,024 mm Länge und 0,006—0,021 Breite. Die eben geschilderten Hohlräume der Vögel sind nicht, wie beim Affen und denmeisten Säugethieren, völligabgeschlossene Räume, sondern communieiren durch enge Spalten mit einander; die bei- gefügte Abbildung (Fig. 5) soll dies Verhältniss anschaulich machen. Diese Abbildung stellt einen Aequatorialschnitt der Netzhaut der Taube dar, die Riehtung dieses Sehnitts ist also beinahe senkrecht zu der Richtung des in der Fig. 4 dargestellten. Die Hohlräume Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 429 sind da der Länge nach in zwei Hälften getheilt. Wir bemerken da faltenartige Erhabenheiten, bald an der Membr. limit. (das hier liegende Korn), bald an der Zwischenkörnerschicht (Endstück des Fortsatzes); beide faltenartige Erhabenheiten liegen scheinbar ge- trennt, bei Verstellung der Mikrometerschraube erscheint indessen eine Falte, die sie beide mit einander verbindet, ein Beweis, dass der Fortsatz eines jeden Korns nicht in einer Ebene verläuft, son- dern bogenförmig auf- und absteigt; da aber auch die andere Schnitthälfte und alle übrigen centralen Fortsätze dieselbe auf- und absteigende Linie zeigen, so entsteht ein System von Gängen, durch deren Vermittlung die Hohlräume mit einander communi- eiren. Die queren Hohlräume und die Längshohlräume sind jedoch nichts weiter, als die verschieden gerichteten Abtheilungen eines und desselben Hohlraumes; die erstern erscheinen uns beim Me- ridianschnitt, die letztern beim Aequatorialschnitt. Das Huhn besitzt Hohlräume von viereckiger Form mit abge- rundetenWinkeln, ihre Länge beträgt 0,018 mm, die Breite 0,009; die- selben sind also viel kleiner als beim Adler und bei der Taube, mit denen die Hohlräume sonst viel Aehnlichkeit haben. Die Körner sind hier übrigens in 2—3 Reihen angeordnet. Beim Perlhuhn nehmen die Hohlräume in ihrer Länge von 0,018 mm die ganze Dicke der äussern Körnerschicht ein, ihre Breite beträgt 0,009— 0,012 mm, infolge dessen die Hohlräume mehr länglich erscheinen. Die Nachteule (Strix flammea) zeigt in dem Bau der äussern Körnerschichte sowohl, als in dem Bau ihrer Hohlräume, bedeutende Abweichungen (Fig. 6). Die Körner sind hier rund oder leicht oval und in 3—4 Reihen geordnet; dieselben liegen von der Membr. limit. etwas entfernt, so dass zwischen ihr und den Körnern ein grosser freier Zwischenraum entsteht. Dadurch verändert sich auch etwas der Bau der Hohlräume; während näm- lich bei allen andern Thieren ihre Wandung an der Zwischen- körnerschicht keine Körner enthält, sie selbst an dieser Stelle etwas weiter sind als an der Membr. limit., ist bei der Nachteule umgekehrt die Wandung an der Membr. limit. körnerfrei und die Hohlräume an derselben etwas weiter, als an der Zwischenkörner- schicht. Die Umhüllungshäutehen der Körner entspringen an der Membr. limit. ext. und bilden eine Strecke weit ganz allein die Wandung der Hohlräume, später gesellen sich ihnen die, von ihnen nur lose umhüllten, Körner zu und tragen das Ihrige zur Bildung 430 G. Dennissenko: der Wandung bei; die Wandung ist bald dreieckig mit der Basis zur Membr. limit. gewendet, bald viereckig. Solche Verhältnisse treffen wir einzig bei Strix fammea. Die Körner sind beim Uhu rund, in vier Reihen geordnet und nehmen die ganze Dieke der Schiehte ein; die Hohlräume haben eine ellipsoide Form, be- sitzen eine Länge von 0,018 mm bei einer Breite von 0,009 mm. Die Fische zeigen in dem Bau der äusseren Körnerschicht ihrer Netzhaut die allergrösste Mannigfaltigkeit. Viele Thiere dieser Klasse haben in dem Bau der äusseren Körnerschicht Aehn- lichkeit mit den Vögeln, andere erinnern in dieser Hinsicht an die Säugethiere; alle Fische besitzen aber in dem Bau der äusseren Körnerschicht soviel Eigenthümliches und Charakteristisches, dass man aus demselben sofort einen Vertreter dieser Klasse erkennt. Die Dicke der äusseren Körnerschicht schwankt von 0,015—0,060 mm, ebenso zeigt die Anordnung der Körner in derselben alle Ueber- gangsstufen, von ihrer Lagerung in einer einzigen Reihe, bis zu sechs Reihen; ebenso verschieden ist die Grösse der Körner und man trifft bei manchen Repräsentanten dieser Klasse die allerkleinsten Körner, von kaum 0,003 mm und noch weniger (eine Kleinheit, die wir bei den übrigen Wirbelthieren nur als seltene Ausnahme kennen), während wir bei manchen andern Körner von 0,012 vorfinden. Im Allgemeinen sind jedoch die Zapfenkörner etwas grösser als die Stäbehenkörner, obgleich es auch in dieser Beziehung viele Aus- nahmefälle giebt, wo beide Körnerarten einander vollkommen gleich sind. Die Gestalt der Körner ist bald rund, bald oval, bald sogar spindelförmig; gewöhnlich liegen die Körner einander sehr nahe und füllen manchmal den ganzen Raum in der Schichte aus, dass für die Fortsätze, die in diesem Falle auch schwach entwickelt sind, wenig Platz übrig bleibt; dagegen nehmen die Körner in anderen Fällen nur einen Theil der Schichte für sich in Anspruch, wobei der übrige Theil von den hier stark entwickelten centralen Fortsätzen eingenommen wird. Die Hohlräume können spalten- förmig, abgerundet winklig, oval, auch kreisrund sein, endlich können sie eine ganz unregelmässige Form haben. Ebenso ver- schieden wie die Form ist auch die Grösse derselben, nur ihre Lagerung ist constant, und zwar liegen sie in einer Schichte, nur als seltene Ausnahme treffen wir sie in zwei Schichten (Hecht). Beim Neunauge liegen die Körner in einer einzigen Reihe, und zwar liegen beide Körnergattungen der Membr. limit. an. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 431 Uebrigens lässt sich in dieser Beziehung keine feste Regel auf- stellen, da bald hier, bald da ein Korn von der Membr. limit. etwas nach innen zurücktritt. Die Körner haben eine ellipsoide oder kegelföürmige Gestalt, ihre Umhüllungsmembran ist aber sehr diek und dadurch erscheinen sie auf dem Querschnitt eylinder- förmig (Fig. 7). Ferner sieht man auf einem Querschnitt die Körner gruppenweise zusammenliegen, von denen jede 2—5 dicht aneinander liegende Körner enthält; jede Körnergruppe wird von ihrer Nachbarschaft durch einen kleinen spaltenförmigen Hohlraum oder einen grossen Hohlraum getrennt. Die die Körner nur lose umhüllenden Häutchen verlaufen von der Membr. limit. bis zur Zwischenkörnerschicht, wo sie mit einander verwachsen und das obere Plättehen derselben bilden. Die Hohlräume sind bald Spalten von kaum 0,003 mm Breite, bald sind sie winklig, bald sogar vier- eckig mit einer Länge von 0,015 mm bei einer Breite von 0,012 mm. Eine genauere Beobachtung ergiebt noch, dass beim Neunauge die Hohlräume mit einander communieiren, wodurch ein ganzes System von Canälen in der äusseren Körnerschicht enisteht. Bei der Forelle sind die Körner oval, liegen nahe bei ein- ander in drei Reihen geordnet und besitzen ein sehr zartes Um- hüllungshäutehen; die Zapfenkörner sind etwas grösser als die Stäbehenkörner. Die Hohlräume besitzen eine Länge von 0,019 bis 0,024 mm bei einer Breite von 0,012 und mehr, ihre Form nähert sich einem Ellipsoid. Durch die Form der Hohlräume, sowie durch den ganzen Bau der Schichte erinnert die Forelle etwas an den Uhu. Die äussere Kömerschicht des Barsches zeigt eine frap- pante Aehnlichkeit mit derselben bei der Forelle; die Aehnlichkeit tritt uns sowohl in dem allgemeinen Bau der Schichten, als auch in den einzelnen Theilen derselben entgegen. Auch die übrigen Theile der Netzhaut sind bei den beiden Thieren einander sehr ähnlich, nur in der Form der Zapfen besitzen wir ein Unter- scheidungsmittel ; letztere sind nämlich beim Barsche eylindrisch, bei der Forelle dagegen kolbenförmig. Salmo lavaretus hat leicht ovale Körner von mässiger Grösse; dieselben liegen, von einer zarten Membran umgeben, dicht bei einander in drei Reihen geordnet. Die Zapfenkörner sind hier etwas grösser, besitzen starke, von einem dicken Häut- chen umgebene Fortsätze; die Stäbchenkörner dagegen sind kleiner 432 G. Dennissenko: und ihre sehr feinen Fortsätze werden von einer zarten Membran umgeben. Die Körner und ihre centralen Fortsätze gruppiren sich zu einer Kolonne, die Mitte der Kolonne nehmen die Zapfen- körner mit ihren centralen Fortsätzen ein, die äussere Fläche wird von den Stäbehenkörnern mit ihren centralen Fortsätzen gebildet (Fig. 8). Die Körner tragen nur zu ?/s der Schichte zur Herstel- lung der Kolonne bei; das innere Endstück derselben wird aus- schliesslich von den centralen Fortsätzen gebildet. Der Umfang der Kolonne ist in der Mitte viel geringer als an den beiden Polen und infolge dessen sind die Körner an der Membr. limit. bogen- förmig gelagert. Diese Kolonnen bilden die Wandungen von ziem- lich grossen abgerundeten Höhlen von 0,019—0,027 Länge und 0,019 Breite. Beim Hecht ist der Bau der äusseren Körnerschicht so eigenartig, wie wir es noch bei keinem der von uns untersuchten Thieren gefunden haben. Die äussere Körnerschicht besteht beim Hecht: 1. aus den Körnern mit ihren centralen Fortsätzen, 2. aus den Hohlräumen, die hier in zwei hinter einander gelegenen Schichten ‚geordnet sind, endlich 3. aus einer in der Mitte der Körnerschicht liegenden Faserschicht. Diese Faserschicht ist nicht zu verwechseln mit der vonHenle, M.Schultze und andern angegebenen Faser- schicht. Letztere, mit unseren centralen Fortsätzen identische Schicht existirt beim Hecht gleichfalls, hat aber mit unserer Faser- schieht nichts zu thun. Dieselbe theilt die äussere Körnerschicht in zwei ungleiche Theile, in einen grösseren äusseren, die Körner, ihre ecentralen Fortsätze, sowie die äusseren Hohlräume enthalten- den Theil, und in einen kleineren inneren, der die centralen Fort- sätze und die inneren Hohlräume enthält. Die Körner haben eine ellipsoide Form, liegen gewöhnlich an der Membr. limit., und zwar in drei Reihen geordnet. Dieselben sind ziemlich weit auseinan- der gelagert und werden durch eine lockere, körnige Substanz von einander getrennt. Die Zapfenkörner mit ihren centralen Fort- sätzen besitzen dieke, wenig durchsichtige Umhüllungsmembranen, die die Körner nur wenig durchschimmern lassen, die Stäbchen- körner, sowie ihre centralen Fortsätze sind von feinen, kaum erkennbaren Häutehen umhüllt; ausserdem sind die Zapfenkörner noch etwas grösser als die Stäbehenkörner. In der äusseren Hälfte unserer Schichte liegen, von den Körnern und ihren Fortsätzen seitlich begrenzt, eine grosse Menge Hohlräume; die Hohlräume Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 433 sind so zahlreich, dass das Präparat unter dem Mikroskop ein siebförmiges Ansehen hat. Auf der beigegebenen Abbildung (Fig. 9) tritt diese Erscheinung nicht sehr deutlich hervor, da die Körner in der Wandung der Hohlräume die Bildfläche verdunkeln. Die Grösse der Hohlräume ist sehr verschieden; so beginnen manche von ihnen mit dem einen Ende an der Membr. limit. ext. und dringen mit dem andern in die Faserschicht ein, an anderen Stellen genügt dieser Raum für zwei Hohlräume, die entweder mit ein- ander communieiren oder durch feine Scheidewände getrennt sind; ihre Form ist manchmal kreisrund, häufiger sind die Hohlräume oval und wenden ihr breites Ende der Faserschicht zu, ihre schma- lere Spitze dringt zwischen die Körner und ihre centralen Fort- sätze ein und drängt sie etwas auseinander (Fig. 9). Ihre Grösse beträgt 0,009 mm, die grössten Hohlräume erreichen dagegen ein Ausmass von 0,027 mm Länge und 0,021 mm Breite; zwischen diesen beiden Extremen finden sich zahlreiche Uebergangsstufen; ein feines homogenes Häutchen überzieht die Körner in den Hohl- räumen und kleidet die Wandung der letzteren aus. Die Grösse der Hohlräume in der andern, der Zwischenkörnerschicht anlie- genden Abtheilung der äusseren Körnerschicht ist gleichfalls sehr verschieden, ist aber im Allgemeinen etwas kleiner, als in der ersten Abtheilung; hier liegen die Hohlräume immer in zwei, manchmal in drei Reihen hintereinander, die aber meist durch feine Scheidewände von einander getrennt sind; die Zahl der Hohlräume ist dagegen hier noch grösser, als in der äusseren Hälfte und das netzartige oder siebartige Ansehen ist hier noch mehr ausgesprochen als dort. Nicht selten vereinigen sich zwei auf den entgegengesetzten Seiten der Faserschicht liegende Hohl- räume zu einem einzigen grossen Hohlraum, wodurch auch eine nicht unerhebliche Abnahme der Faserschicht zu Gunsten der Hohl- räume entsteht. Zwischen beiden Schichten von Hohlräumen lagert sich die Faserschieht; ihre Dicke lässt sich nicht bestimmen, da die Hohlräume von beiden Seiten in ihre Substanz dringen und sie mehr oder weniger tief aushöhlen. Was ihre Substanz betrifft, so haben wir diese bei der stärksten Vergrösserung untersucht, konnten aber nichts weiter sehen, als ein dichtes Filzwerk feinster Fäserchen, in dem hie und da eine kömige Substanz vorkommt, die aber auch möglicherweise quer durchschnittene Fäserchen dar- stellt. Die Fasersubstanz überzieht eine Strecke weit die durch- 434 G. Dennissenko: passirenden centralen Fortsätze der Körner, besonders der Zapfen- körner, und die gezackten Stellen auf unserer Abbildung (Fig. 9) zeigen die Durchgangsstellen der Fortsätze durch die Faserschicht. Schwalbe giebt in seinem Werke die Abbildung einer, die äussere Fläche der Granulosa ext. (so nennt Schwalbe die Zwi- schenkörnerschieht) einnehmenden Faserschieht. Diese Faserschicht ist, wie uns Text und Abbildung belehrt haben, keine andere, als die von uns beschriebene, innerhalb der äusseren Körnerschicht liegende Schichte, welche Schwalbe aber nach der Zwischen- körnerschicht versetzt hat, und zwar an die Stelle, welche wir unserseits für das von uns häufig in dieser Abhandlung erwähnte äussere Plättchen der Zwischenkörnerschicht in Anspruch nehmen müssen. Der topographische Irrthum kann nur durch die von Schwalbe angewendete Untersuchungsmethode erklärt werden. Schwalbe meint nämlich, dass man an Schnittpräparaten von der Faserschicht nur einen feinen Streifen sehen könne, der zwi- schen der Endigung unserer centralen Fortsätze der Körner und der Zwischenkörnerschicht verläuft. Viel besser, meint Schwalbe, könne man diese Schichte an Flächenschnitten nach der Angabe von W. Krause sehen. Nach unserer Meinung ist jedoch das Krause’sche Verfahren wenig geeignet, uns einen klaren Begriff von dem Bau der Netzhaut zu geben. Schwalbe hat seine Un- tersuchung an einem mit Chromsäure behandelten, in Glycerin bereiteten Zupfpräparat angestellt. Dieses kann uns die Verschie- bung der in Rede stehenden Faserschicht nach der Zwischenkörner- schicht hin erklären. Nach unserem Dafürhalten ist es nämlich eine missliche Sache, das Verhältniss eines bestimmten Theiles zu seiner Umgebung an Zupfpräparaten zu studiren ; allerdings ist ein Zupfpräparat manchmal zur Untersuchung geeignet, namentlich wenn es darauf ankommt Formelemente isolirt zu erhalten, zu topographischen Studien aber, besonders an der Netzhaut, eignetsich weder ein Flächen-, noch ein Schiefschnitt, noch ein Zupfpräparat, sondern ein grader senkrecht zur Oberfläche der Netzhaut geführter Schnitt. Um die Ansicht Schwalbe’s zu widerlegen, wollen wir daran erinnern, dass zwar alle Forscher darin übereinstimmen, dass die centralen Fortsätze der Körner die Zwischenkörnerschicht erreichen, Niemand aber hat je behauptet, dieselben gehen unter Beibehal- tung ihrer bisherigen Form in die andern Schichten über; dagegen Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 435 wollen viele Forscher, die diese Fortsätze in der äusseren Körner- schicht verfolgten, dieselben unter kolbenartiger Erweiterung an der Zwischenkörnerschicht enden gesehen haben. W. Krause ging sogar weiter und stellte die Behauptung auf, die ganze äussere Körnerschicht stehe ausser jeder Verbindung mit den übrigen Netz- hautschichten und liege der Zwischenkörnerschicht nur auf, etwa so, wie ein Epithelium seiner Basalmembran aufliegt. Er stellte also die äussere Körnerschicht als eine andere Modification des Epithelium der Retina, ihre Körner als Kerne der Epithelialzellen dar. Wir wollen die Verhältnisse der Fortsätze der Körner zu den übrigen Netzhautschichten in einer andern Abhandlung näher be- sprechen, hier wollen wir nur noch daran erinnern, dass die cen- tralen Fortsätze der Stäbchen und Zapfenkörner ihre Häutchen, welche sie auf ihrem Verlauf in der äusseren Körnerschicht beglei- ten, vollständig zur Bildung des obern Plättchens der Zwischen- körnerschicht abgeben. Dieselben können also nicht unter Beibe- haltung ihres bisherigen Baues, d. h. unter Beibehaltung ihrer bisherigen Dieke und ihrer Häutchen in die Zwischenkörnerschicht übergehen. In der letzten Zeit haben Merkel, dann Gunn den Verlauf der centralen Fortsätze in der Zwischenkörnerschicht be- schrieben; eine feine Fortsetzung derselben dringt auch in die innere Körnerschicht. Beim Hecht kann man den Verlauf der centralen Fortsätze der Zapfenkörner leicht bisan die Oberfläche der Zwischenkörnerschicht verfolgen. Man sieht sie durch die ganze Dicke der Faserschicht dringen (Fig. 9), ohne dass man an ihnen nach dem Durchgang durch diese Schichte, auch die leiseste Spur irgend welcher Veränderung der Form oder der Grösse wahrnehmen könnte. Im Gegentheil zeigen sie, nachdem sie schon diese Schichte längst passirt haben, die bekannte kolbenartige Erweiterung, ihre Umhüllungshäutchen verschmelzen erst jetzt zu einem Plättchen, ein Beweis, dass sie erst jetzt an der Zwischenkörnerschicht an- gekommen sind, und dass die Faserschicht ausserhalb der Zwischen- körnerschicht liegt. Dann sind die innere Fläche der Faserschicht und die äussere Fläche der Zwischenkörnerschicht von einander durch eine ganze Schicht dieht aneimander gedrängter, in zwei Reihen geordneter, ziemlich grosser Hohlräume getrennt. Die Faser- schicht kann also die Zwischenkörnerschicht auf der ganzen Aus- dehnung der Netzhaut nicht einmal berühren, geschweige denn ihre obere Fläche bilden. Sie liegt viel mehr innerhalb der äusse- 436 G. Dennissenko: ren Körnerschicht und bildet einen Bestandtheil derselben. Die- selbe Schicht, die Schwalbe beim Hecht vorfand, wurde von einigen Beobachtern auch bei anderen Thieren gesehen. So fan- den sie Golgi und Manfredi beim Pferd, Ewart bei der Katze, W. Krause beim Pferd und anderen Thieren. W. Krause und Schwalbe meinen nun, diese bei den übrigen Thieren vorgefun- denen Schichten seien identisch mit der von Schwalbe beim Hecht vorgefundenen Schichte. Dieses ist aber nach den obigen Ausfüh- rungen nicht richtig. Was da Faserschichte ist, legt sich nicht an die Zwischenkörnerschicht, sondern liegt innerhalb der äussern Körner- schicht, was aber wirklich an der Zwischenkörnerschicht liegt, das ist keine Faserschicht, sondern das von den centralen Fortsätzen und ihren Hüllen gebildete äussere Plättchen der Zwischenkörner- schicht. Bei der Schleihe, beim Aal, Bley, Kaulbarsch und bei den übrigen Fischarten, bei denen die äussere Körnerschicht dick ist, ihre körnigen Bestandtheile klein, zahlreich vertreten und dicht aneinander gelagert sind, finden wir sie auch in einer grossen Zahl von Reihen geordnet (von 5—6). Dieselben sind nicht selten etwas von der Membr. limit. entfernt. Die Zapfenkörner sind nicht immer grösser, als die Stäbchenkörner. Die Hohlräume beim Bley zeigen einige Aehnlichkeit mit denen bei Salmo lavaretus. Dieselben werden durch eine bis zwei Reihen bogenförmig an der Membr. limit. gelagerten Körner von der Letzteren getrennt. Die Wandungen der Hohlräume werden zum grössten Theil, bis auf eine Entfernung von 0,006 mm von der Zwi- schenkörnerschicht, von den Körnern gebildet. Sie sind viereckig mit abgerundeten Winkeln, ihre Länge beträgt ungefähr 0,024 mm, ihre Breite 0,018—0,024 mm. Die Schleihe besitzt unregelmässig weite, röhrenförmige Hohlräume; dieselben sind sehr schmal und erreichen mit 0,006 mm ihre höchste Breite, in ihrer Länge reichen sie nieht bis zur Membr. limit. heran; die Hohlräume sind da wegen ihrer Kleinheit schwer zu untersuchen. Beim Aal sind die Hohlräume noch weniger entwickelt als bei der Schleihe, dagegen haben wir in der äusseren Körnerschicht beim Aal eine grosse Anzahl Blutgefässe beobachtet; vielleicht werden dadurch die Hohl- räume entbehrlich. Bei den Amphibien liegen die Körner in zwei bis drei Reihen ge- lagert. Dieselben zeigen in der äusseren Körnerschicht ein Kern- U eber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 437 körperchen in ihrer Mitte. Beide Körnergattungen haben eine ovale Form, die Zapfenkörner besitzen gewöhnlich eine stärkere Um- hüllungsmembran, als die Stäbchenkörner. Der Diekendurchmesser der Schichte ist verschieden gross, die Grösse desselben wird aber hier nicht durch die Zahl der Körner, sondern durch deren Länge bedingt; dieselben erreichen bei manchen Thieren aus dieser Klasse ein solches Ausmass, dass die äussere Körner- schicht dieselbe Schieht bei manchen Säugethieren und Fischen an Dicke übertrifft. Im Allgemeinen bleibt jedoch die äussere Körner- schieht hinsichtlich der Grösse hinter der inneren Körnerschicht zurück. W. Müller stellt die Zapfenkörner beim Frosch als gestreckt-spindelförmige Formelemente dar, in der That aber zeigen beide Körnerarten in ihrer Form absolut keinen Unterschied - (wie man es an der Fig. 10 und 11 ebenso bei Hoffman sehen kann), dagegen sind sie durch ihre Umhüllungsmembran von einander zu unterscheiden; diese Häutchen, welche Stäbchen- und Zapfenkörner gleich lose umhüllen, sind an den Zapfenkörnern so dick, dass man das Korn nur schwer erkennen kann, während sie an den Stäbehenkörnern bis fast zur Unsichtbarkeit fein sind (Fig. 11). Die Hohlräume sind rund aber etwas winklig; sie nehmen gewöhn- lich den Raum zwischen der zweiten Körnerreihe und der Zwischen- körnerschicht ein, können jedoch nicht selten sich nach aussen bis zur ersten Reihe erstrecken (Fig. 10). Dasselbe Häutchen, das die Körner umhüllt, kleidet auch die Hohlräume aus; an der Zwischen- körnerschicht angekommen, vereinigen sich die Häutehen der ein- ander gegenüber liegenden Wände der Hohlräume zur Bildung der oberen Fläche dieser Schicht. Die Länge der Hohlräume be- trägt 0,012—0,015 mm, die Breite 0,009—0,012. Bei Salamandra maculata sind die Zapfenkörner ein wenig grösser als die Stäb- chenkörner, die Umhüllungshäute sind an beiden Körnergattungen gleich gut sichtbar (Fig. 12). Die Hohlräume sind ebenso gebaut, wie beim Frosch. Beim Triton eristatus sind die Körner klein und in drei bis vier Reihen geordnet, die Hohlräume sind viereckig, be- ginnen unmittelbar an der Membr. limit. und erstrecken sich bis zur Zwischenkörnerschicht. Ihre Länge beträgt 0,015 mm bei einer Breite von 0,006—0,009 mm. Bei den Reptilien haben wir die äussere Körnerschicht bei vier Repräsentanten untersucht. Soviel als man aus einer solchen Anzahl Untersuchungen schliessen darf, treten uns die äussere 438 G. Dennissenko: Körnerschicht, sowie die Hohlräume in derselben in zwei verschiedenen Formen entgegen. Die Körner haben eine ellipsoide Form, sind ziemlich gross. jedoch etwas kleiner, als bei manchem Amphibium (Salamandra maculata, Axolotl), dann liegen sie entweder in einer einzigen Reihe zusammen und man trifft nur stellenweise auf zwei übereinander gelagerte Körner, oder dieselben sind in zwei Reihen geordnet. Trotzdem nun die körnigen Elemente nur wenig zahl- reich vertreten sind, übertrifft hier doch manchmal die äussere Körnerschicht die innere an Dieke. Dieselbe beträgt bei manchen Reptilien nur 0,021 mm, bei anderen dagegen erreicht sie 0,060 — 0,074 mm. Die Dicke der äusseren Körnerschicht hängt hier von der Länge der centralen Fortsätze der Körner direkt ab. Diese Letz- teren können manchmal so wenig entwickelt sein, dass sie kaum zu erkennen sind, in anderen Fällen sind sie sehr stark entwickelt und erreichen eine Grösse von 0,063mm. Bei der grünen Eidechse und bei Tropidonotus natrix liegen die Körner entweder in einer Reihe oder unregelmässig in zwei Reihen. Die äussere Körnerschicht ist demnach sehr dick, da die centralen Fortsätze hier ungemein stark entwickelt sind. Aehnlich wie bei diesen beiden Reptilien ist (nach der Abbildung Nr. 3 von W. Müller) die äussere Körner- schicht beim Chamäleon gebaut; möglicher Weise besitzen alle Landreptilien denselben Bau dieser Schichte. Die ziemlich gut entwickelten Umhüllungshäutchen der Körner setzen sich auf die centralen Fortsätze fort. Sie schicken breite Streifen aus, um die benachbarten Fortsätze miteinander zu vereinigen; dadurch ent- stehen schmale und lange, röhrenförmige Hohlräume, die also nicht zwischen den Körnern, sondern zwischen ihren centralen Fortsätzen verlaufen. Die Länge dieser Hohlräume beträgt bei der grünen Eidechse 0,063 mm, die Breite 0,009—0,012, bei Tropidonotus natrix sind sie etwas kürzer. Ganz anders gestaltet sich dieser Theil der Netzhaut beim Alligator!) und der Schildkröte. Im Allgemeinen er- innert der Bau derselben bei diesen Thieren an den Bau des gleichen Theiles beim Frosche, nur sind hier die Körner bedeutend kleiner. Die Umhüllungsmembranen der Körner sind gut entwickelt, dagegen fehlen die centralen Fortsätze fast ganz. Die hier vor- kommenden Hohlräume sind rund und werden von der zweiten Körner- 1) Die Netzhaut dieses in vielen Beziehungen interessanten Thieres verdanken wir Herrn Prof. Waldeyer. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 439 reihe und den hier entstehenden Fortsätzen hergestellt. Ihre Länge beträgt beim Alligator 0,012—0,015 mm, die Breite 0,009—0,012. Soviel wir wissen, ist in der Literatur von der Existenz dieser Hohlräume bisher wenig bekannt geworden. So erzählt Hasse, dass er einmal aufeinem Querschnitt der Netzhaut des Schafes Hohlräume gesehen habe, da er sie aber auf einem zweiten Querschnitt nicht erhielt, so schrieb er die ganze Erscheinung der Einwirkung des angewandten Alkohol zu. Wir glauben den Grund, weshalb die Hohlräume nicht erscheinen, in der Behandlungsweise selbst suchen zu müssen. Um nämlich die Hohlräume auf einem Querschnitt der Netzhaut eines Säugethiers zu erhalten, muss derselbe genau senk- recht zur Oberfläche der Netzhaut geführt werden. Ist der Schnitt etwas schief ausgefallen, oder untersucht man an keinem sehr feinen Präparat, so sind die Hohlräume schwer zu sehen, bei den Vögeln kann man die Hohlräume, wenn man nur sonst ein dünnes Präparat vor sich hat, viel leichter sehen. Henle und Merkel haben Hohlräume in der Gegend der Ora serrata beim Menschen gefunden; beide haben dieselben für eine pathologische Erscheinung erklärt und sie hatten auch insofern Recht, als die kleinen Hohl- räume beim Menschen sich wirklich nur unter Einwirkung patho- logischer Processe zu solcher Grösse, wie sie auf den Abbildungen von Henle und Merkel erscheinen, entwickeln können. Eine un- gewöhnliche Vergrösserung der Hohlräume, ähnlich der von Henle und Merkel bei ältern menschlichen Individuen beschriebenen, fanden wir an der Ora serrata eines alten Hechts, Uhu u. a. vor. Diese Hohlräume haben bei ihrer allmählichen Entwickelung offen- bar die kleinen Nachbarräume consumirt. W. Müller zeichnet in der äusseren Körnerschicht des Frosches einige weisse Blutzellen, die zwischen den centralen Fort- sätzen liegen und diese etwas auseinander drängen. Hierzu wollen wir bemerken. dass 1. die Hohlräume beim Frosche weit genug sind, um die grösste Blutzelle zu beherbergen, ohne dass die Letztere es nöthig hätte, die Wandung der Erstern aus einander zu drängen; 2. die Wandung der Hohlräume gar nicht so nach- giebig ist, um sich von einer Blutzelle verdrängen zu lassen; 3. die Gegenwart weisser Blutkörperchen in einer Netzhaut, die im norma- len Zustande überhaupt keine Blutgefässe besitzt, eine solche seltene Erscheinung ist, dass es uns Niemand verargen wird, wenn wir an der Deutung der gesehenen Zellen als Leucocyten noch Zweifel hegen. 440 @G. Dennissenko: Entgegen der allgemein gültigen Annahme, dass die äussere Körnerschicht keine Blutgefässe führe, haben wir in dieser Schicht beim Aal zahlreiche Blutgefässe vorgefunden. Nachsehrift. Durch den Umstand dass wir, während unserer langjährigen Beschäftigung mit der vergleichenden Histologie der Retina, eine grosse Menge Augen auf unseren weiten Reisen mitzuführen ge- nöthigt waren, wurden mehrere Präparate mit einander verwechselt. So ist es gekommen, dass wir in unserer vorläufigen Mittheilung in dem „Medizinska Obosrenie“ (Maiheft 1830) überall den „Karpfen“ an die Stelle des „Aals“ gesetzt haben und ging dieser bedauerliche Fehler auch in die in diesem Archiv, Bd. 18 jüngst erschienene Mittheilung, die Gefässe der Netzhaut der Fische be- treffend, über. Als die eben erwähnte Arbeit sich schon in den Händen der Redaktion des Archivs für mikroskop. Anatomie befand, hatten wir eine Reise nach Heidelberg unternommen und versäumten dabei nicht die Gelegenheit uns Herrn Prof. Kühne vorzustellen. Der- selbe hatte die Güte uns ein Präparat aus der Netzhaut des Aals zu zeigen, in dem er gleichfalls die besprochenen Gefässe vorge- funden hatte). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX1. Fig. 1. Aeussere Körnerschicht der Netzhaut des Affen (Hartnack S. 7, Oe. 2, ausgezog. Tubus). Fig. 2. Aeussere Körnerschicht der Netzhaut des Schweines (H. S. 7, Oc. 3, ausgezog. Tubus). Fig. 3. Acussere Körnerschicht der Netzhaut des Adlers (H. 8.9, trock. Oc. 3, ausgezog. Tubus). 1) ef. W. Kühne und Sewall, Zur Physiologie des Sehepithels, aus „Untersuchungen aus dem physiologischen Institute der Universität Heidelberg“. Bd. III, Heft 3, 4. 1880. Ueber d. Bau d. äusseren Körnerschicht d. Netzhaut b. d. Wirbelthieren. 441 n. us) 4. 5 6. u8 8 9 o2 02 09 09 a m SEE Aeuss. Körnersch. d. Netzhaut d. Taube (H. S. 8, Oc.3, ausg. Tub.). ei 3 2 " A 2 (EE5:19,.0c. 3, ausge. Tub.): » = 5 5; „ Nachteule (H. 8.7, Oc. 3, ausg.T.). > 2 = 8 des Neunauges (H. S.9,trock.O.3, a.T.). m = >) an „ Salmo lavaretus (H. S. 7, Oc. 3). » n 5 5 „ Hechts (H. 8.7, Oc. 3, ausg. Tub.). n > > h „ Frosches (H. $8.8, Oc. 3). „ „ » » » s (H. S. 8, 0e. 3): Fig. 12. Häutchen, welches die Körner der äusseren Körnerschicht umgiebt, von Salamandra maculata (H. S. 9, trock. Oe. 3). Fig. 13. Ein Stamm der Zwischensubstanz in der äusseren und inneren Kör- nerschicht (H. S. 8, Oc. 3, ausgez. Tub.). Fig. 14. Aeussere Körnerschicht der grünen Eidechse (H. S. 8, Oc. 3). 5 a des Menschen in der Gegend der Macula lutea (Hartn. S. 12, Immersion u. Correction, Oc. 3, ausgez. Tub.). Die Präparate zu Fige. 11, 12,13 mit 0,5—0,1proc. Ueberosmiumsäure behan- delt, in verdünntem Glycerin zerzupft und mit Carmin gefärbt; alle anderen Prä- parate sind in Müller’scher Flüssigkeit und dann in Spiritus gehärtete, mit Eosin und Hämatoxylin gefärbte, in Glycerin eingeschlossene Messerpräparate. S.Z2. - ed = app» onrgruar Stäbchen- und Zapfenschicht. Aeussere Körnerschicht. Membrana limitans externa. Zwischenkörnerschicht. Innere Körnerschicht. Gewöhnliche Räume in der äusseren Körnerschicht. Vergrösserte Räume. Räume, die in 2 Reihen liegen. Grosse Körner am Boden der Räume. Einreihige Säulchen, die eine Wand des Raumes bilden. Säulchen aus mehreren Körnerreihen gebildet. Zentralfortsatz der Körner. Stelle wo das Häutchen vom Korn auf den Fortsatz übergeht. Centralfortsatz des Stäbchenkornes. Membran, welche die innere Fläche der Räume auskleidet. Feine Ringe von Bindesubstanz, die die Körner umgiebt. Häutchen der Körner der äusseren Körnerchicht. Kleiner Eingang in einen Raum. Spalte. Aeussere Faserschicht. Molecularschicht. Communication der Räume untereinander. Ein Gefäss in der Zwischenkörnerschicht. Spalten, durch welche die Räume in der äusseren Körnerschicht mit denen der inneren Körnerschicht communiziren. Räume in der inneren Körnerschicht. 449 K. Schulin: Zur Morphologie des Ovariums. Von Dr. Karl Schulin. Hierzu Tafel XXH, XXIII u. XXIV. 1% Die Entwicklung des Säugethiereies. Die Entwicklung der modernen Anschauungen über die Ent- stehung des Eies nahm ihren Ausgang von dem Werke Pflüger’s'), in welchem er zuerst den Unterschied zwischen dem das ovarium überziehenden Epithel und dem übrigen Peritonealepithel hervor- hob. Vor Pflüger liess man entsprechend der früher herrschenden Ansicht, dass bei der Entwicklung der Drüsen Endbläschen und Ausführungsgang sich separat entwickeln und erst secundär in Ver- bindung treten sollten, die Graaf’schen Follikel einfach aus rund- lichen Zellhaufen im stroma des Eierstockes entstehen. Nur in unwesentlichen Punkten gingen die Ansichten auseinander; so be- hauptete Valentin ?), gestützt auf ganz richtige Beobachtungen, die in ihrer Bedeutung erst viel später durch Pflüger erkannt wurden, dass man bei der Entwicklung der Graaf’schen Follikel zuerst Röhren finde, die von einem gemeinsamen Centralkörper aus entstünden, der sich indessen nicht, wie das im Hoden der Fall sei, mit dem Ausführungsgang in Verbindung setze. Er liess dann an einzelnen Stellen der Röhren die Follikel und in diesen die Eier entstehen. Je mehr die Follikel wüchsen, desto schwerer seien die Verbindungsstücke derselben nachzuweisen, doch gehe das beim neugeborenen Schafe, Rinde u. s. f. noch ganz gut. Von ganz andern Anschauungen ging Billroth aus, als er ganz nebenbei im Anschluss an Untersuchungen über die Entwick- 1) Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen. 1863. 2) Müller’s Archiv 1838, p. 526. Zur Morphologie des Ovariums. 443 lung der Schilddrüsenbläschen die Bemerkung machte, dass die Graaf’schen Follikel sich durch Abschnürung von langen eylin- drischen Schläuchen aus entwickeln. Eine andere Epoche begann erst, als Pflüger die Eigen- thümliehkeit des Ovarialepithels betonte, als er seine „Schläuche“ entdeckte und an einzelnen Stellen einen Zusammenhang von ihnen mit dem Ovarialepithel auffand. Er stellte sofort die Vermuthung auf, dass seine Schläuche sich nach dem Kölliker-Remak’schen Typus der Entwieklung der Drüsen und Haare aus dem Ovarial- epithel durch Fortsatzbildung in die Tiefe entwickeln möchten, er führte diese Idee aber nicht weiter aus, sondern liess Eier und Follikelepithel unmittelbar unter der Oberfläche des Eierstockes in blinden Enden seiner Schläuche, die er Keimfächer nannte, ent- stehen. Es sollen hier in einer feinkörnigen Masse feinste, bei den stärksten Vergrösserungen am Rande der Sichtbarkeit stehende Bläschen entstehen, die sich dann zu Keimbläschen weiterent- wickeln und mit Dotter umgeben. Diese „Ureier“, wie er sie nennt, sollen dann weiter sprossen und Eiketten liefern, die sich mit Granulosazellen umgeben und von denen sich dann die ein- zelnen Follikel abschnüren. Die Beobachtungen Pflüger’s, welche theilweise schon gleich - zeitig und kurz zuvor von Grohe und Schrön gemacht worden waren, wurden bald von einer grossen Anzahl von Autoren be- stätigt und besonders auf den Menschen ausgedehnt, über den Pflüger nur äusserst spärliche Beobachtungen zu Gebote standen; hier sah die Pflüger’schen Schläuche zuerst Borsenkow beim ljährigen Kinde, dann Spiegelberg beim 36wöchentlichen Foetus, dann Letzerich beim 10tägigen Kinde, dann Langhans beim _ einige Monate alten Kinde. Letzterer!) fand dicht unter der Ober- fläche des Eierstockes Netze von soliden Zellsträngen, welche einer- seits nach dem Peritoneum hin Fortsätze abgaben, welche dicht unter diesem endigten, andererseits auch solche nach der Tiefe des Eierstockes hin entsandten. Eizellen fand er in diesem Balken- netze nie, ebensowenig ein Lumen. In den tiefen Schichten des Eierstockes fand er fertige Follikel mit Eiern und einige in Ab- schnürung von jenen Zellsträngen befindliche Follikel. Besonders reichliche Beobachtungen enthält sodann die 5. 1) Virchow’s Archiv Bd. XXXVII, 1867, S. 543. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 19, 3C A444 K. Sehulin: Auflage der Gewebelehre Kölliker’s, welcher eine grosse Anzahl von Embryonen des Menschen und verschiedener Säugethiere untersuchte. Er fand bei 2Y/szölligen Kalbs- und 1zölligen Schweins- embryonen so zu sagen keine Marksubstanz, sondern das ganze Ovarium bestand aus einem zarten Bindegewebsstroma, in dessen Maschen zusammenhängende Nester und Stränge rundlicher Zellen sich fanden, von welchen keine mit Bestimmtheit als Eier ange- sprochen werden konnten. Bei einem 3monatlichen menschlichen Embryo fand Kölliker in der Mitte schon einen kleinen Kern von Hilusstroma, auch fanden sich hier schon, ausser in den ober- flächlichsten Theilen, Eier von 11—14u Grösse mit Keimbläschen von 9—11u und Keimflecken von 2u, umgeben von kleineren Zellen. Beim 5monatlichen Foetus fand Kölliker in der Tiefe des Eierstockes schon einige Eisäckchen abgeschnürt. Das Hilus- stroma war auch noch wenig entwickelt. Im 6. Monat war die Drüsenzone in 2 Schichten geschieden, von denen die innere ge- trennte und in Trennung begriffene Eisäckchen, die äussere Drüsen- stränge enthielt. Der Durchmesser der erstern betrug 19—30 u; die Grösse der in den Drüsenschläuchen enthaltenen Eier war 7—14 u. Im 7. Monate hatte sich die Eisäckchenzone sehr aus- gebreitet und war die Lage der Drüsenstränge nur schmal. Die in den Follikeln enthaltenen Eier messen 16—25 u. Ueber den Neugeborenen und das Kind im ersten Lebens- jahre bemerkt Kölliker, dass hier die Zone der Drüsenstränge bis auf einen kleinen Rest geschwunden sei und dass diese keine Eier mehr enthalten, sondern ganz und gar aus kleinen epithel- ähnlichen Zellen bestehen. Betreffs des genauern Verhaltens der- selben schliesst er sich an Langhans an. In der Tiefe solcher OÖvarien fand Kölliker schon völlig ausgebildete Follikel mit Hohlraum; die grössten derselben hatten einen Durchmesser von 1—1,1mm; das in ihnen enthaltene Ei war 0,3—0,32 (!) mm gross und besass eine 4 u dieke Zona. Einzelne mit blossem Auge sicht- bare Follikel fand Kölliker auch schon in den letzten Schwanger- schaftsmonaten. Alle diese Autoren beachteten indessen nicht den Zusammen- hang der Pflüger’schen Schläuche mit dem Oberflächenepithel, nur Borsenkow!) geht hierauf ein. Er führte die von Pflüger 1) Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift Bd. IV, 1863, S. 57. Zur Morphologie des Ovariums. 445 angedeutete Idee vom Hervorsprossen der Stränge aus dem Ober- flächenepithel weiter aus, hält es aber doch für wahrscheinlicher, dass sie dadurch entstehen, dass die Bildungszellen des embryo- nalen Ovariums sich differenziren, indem die den Gefässen un- mittelbar anliegenden die bindegewebigen Balken, die von diesen umschlossenen Zellen ‘die verzweigten und mit dem Oberflächen - epithel in Verbindung stehenden Stränge liefern. Das Oberflächen- epithel selbst entstehe in gleicher Weise aus den am meisten peripher gelegenen Zellen. Die Eier fasst er auf als weiter ent- wickelte Zellen jener Stränge. Bei Schweinsembryonen fand Borsenkow das Ovarium fast ganz aus solchen Zellsträngen bestehend. Bei 10 ctm langen Rinds- embryonen fand er noch keine Spur von Eiern, sondern nur sehr spärliche, hie und da in Verbindung mit den Gefässen stehende Bündel embryonalen Bindegewebes, welche die indifferent ge- bliebenen andern Zellen in Gruppen abtheilten. Bei etwas ältern Föten waren in einer gewissen Entfernung von der Oberfläche die Zellenstränge gut abgegrenzt und hie und da eingeschnürt. Un- mittelbar an der Oberfläche waren aber nur unregelmässige Zell- gruppen zu sehen, die mit dem Oberflächenepithel in Zusammen- hang standen. Der Erste, welcher den Kölliker-Remak’schen Typus der Entwicklung der Drüsen, Haare u. s. f. auch für das Ovarium mit Consequenz durchführte, ist Waldeyer!). Beim Huhn fand er Folgendes: Die Zellen des Ovarialepithels, für welches er den Namen Keimepithel einführte, stammen in letzter Instanz aus dem Axenstrange, also aus einer Gegend wo die Trennung in Keim- blätter nicht existirt, eine gewisse radiäre, von der Oberfläche aus- gehende, Wucherung lässt es indessen als möglich erscheinen, dass ihr Ursprung doch in allerletzter Instanz auf das obere Blatt zurückzuführen ist. Nachdem der Axenstrang sich in seine ver- schiedenen Theile, Urwirbelplatten, Chorda, Mittelplatten und Me- dullarplatten, differenzirt hat, findet man seitlich an ihm den Ur- nierengang und an dessen lateralem Umfang, ihn von der Peritoneal- 1) Eierstock und Ei. Leipzig 1870. Ungefähr gleichzeitig mit ihm legte auch Koster, Archives neerlandaises des sciences exactes et naturelles, T. IV, 1869, wieder mehr Gewicht auf die Verbindungsbrücken der Pflüger’- schen Schläuche mit dem Oberflächenepithel, die er auch bei erwachsenen Thieren und Menschen noch in grosser Verbreitung zu finden glaubte. 446 K. Schulin: höhle trennend, eine einfache eylindrische Zellenlage, das Keim- epithel. Dasselbe setzt sich seitlich noch auf die Mittelplatte und über diese hinaus noch eine Strecke weit auf die Haut- und die Darm- faserplatte fort. Aus dem Keimepithel entwickelt sich der Müller’- sche Gang und das Ovarialepithel, welche Waldeyer als etwas von dem Iymphatischen Peritonealendothel scharf zu trennendes ansieht. Aus dem Wolff’schen Gange entstehen durch seitliche Sprossenbildung die Wolff’schen Kanälchen, während die Glomeruli und der bindegewebige Theil des Wolff’schen Körpers sich von den Urwirbeln her entwickeln. Der Wolff’sche Gang liegt (später mit dem Müller’schen Gang und dem Ureter zusammen) in einer stark in die Peritonealhöhle vorspringenden Leiste. Nur auf dieser erhält sich das Keimepithel und auch auf der Höhe derselben schwindet es bald, wenn der Wolff’sche Körper sich entwickelt, und bleibt nur an den beiden Abhängen erhalten. Auf dem late- ralen Abhange entsteht dann der Müller’sche Gang, auf dem medialen die Geschlechtsdrüse. Ueber die erste Entwicklung des Hodens kam Waldeyer nicht vollkommen ins Klare; er neigt dazu, sie vom Wolff’sehen Körper abzuleiten. Er unterscheidet in diesem 2 Abtheilungen, eine laterale (Urnierentheil} und eine mediale (Sexualtheil); in letzterm sind die Kanälchen enger und aus ihnen sollen die Hoden- kanälchen hervorsprossen nach der Gegend hin, wo die mediale Abtheilung des Keimepithels sich erhalten hat. Dieses zeigt unter allen Umständen, mag Hode oder Eierstock entstehen, eine Ver- diekung und bald entwickeln sich einzelne der Zellen weiter zu Primordialeiern. Die letztern bilden sich, wenn ein Hode sich ent- wickelt, bald zurück und ist dann die Hodenanlage nur von ein- fachem Cylinderepithel überkleidet. Die Hodenkanälchen liegen in der Tiefe des Organes; aus dem Sexualtheil wird der Nebenhode, aus dem Urnierentheil das Giraldes’sche Organ. Wenn dagegen ein Eierstock sich entwickelt, geht die Wucherung des Keimepithels weiter und kommt es dann zu einem gegenseitigen Durchwachsungsprozesse desselben mit dem darunter gelegenen vaseularisirten Stroma, indem vom Epithel aus Fortsätze in die Tiefe und vom Stroma aus dazwischen Fortsätze in die Höhe wachsen. Von dem so entstandenen Balkenwerke aus bilden sich dann die einzelnen Follikel durch Abschnürung. Die Eier sind einzelne höher entwickelte Zellen dieser Fortsätze. Zur Morphologie des Ovariums. 447 Ueber die diessbezüglichen Vorgänge finden sich dann sehr werthvolle Detailangaben bei Waldeyer. Auf dem Durchschnitt durch das Ovarium eines 11—12wöchentlichen, 4etm langen, mensch- liehen Foetus ist zu unterscheiden: 1) Epithel, 2) Parenchymzone, 3) vaseuläres Stroma. Von Albuginea und von Follikelr ist noch keine Spur da. Die Grenze der Parenchymzone gegen das Epithel ist nicht scharf, weil sehr wenig Stroma vorhanden ist. Unter dem Epithel liegen rundliche, wenig scharf begrenzte Felder und Ab- theilungen, die fast nur aus Zellen bestehen, die in cavernös com- munieirenden Maschenräumen liegen. Stellenweise ragen dickere Bindegewebsbalken aus der Zona vasculosa heraus. Feinere Fort- sätze ragen dann in das Epithel hinein und zerlegen es in Ab- theilungen. Die Zellenmassen stehen flaschenförmig mit dem Keim- epithel in Verbindung. Die Zona vaseulosa ist sehr wenig ent- wickelt; es findet sich hier junge Bindesubstanz mit Blutgefässen und weiten Lücken, die Waldeyer mit His für Lymphlücken hält. Bei einem Foetus der 30. bis 32. Woche fand Waldeyer den Gegensatz zwischen der leicht grubigen epithelialen Oberfläche des Ovariums und dem Peritoneum sehr scharf. Auf dem Durch- schnitte ist zu unterscheiden: 1) Epithel, 2) Zone der Eifächer, 3) Primärfollikelzone, 4) Zona vascula. Abtheilung 2 und 3 bilden zusammen die Parenchymzone. Das Epithel und die Eibal- lenzone unterscheiden sich von den entsprechenden Bildungen beim ersten Embryo nur durch die stärkere Entwicklung des Stroma’s, wodurch der cavernöse Bau und das Ineinandergreifen von Epithel und Stroma deutlicher wird. Die obere Grenze des Stroma’s zeigt Zacken, welche in das Epithel selbst eindringen, wodurch Abtheilungen desselben zur Bildung der communieirenden Eiballen herangezogen werden. Lange Schläuche sind zu dieser Zeit noch nicht vorhanden, sondern nur rundliche Zellhaufen, die mit dem Keimepithel und unter sich zusammenhängen. Die Ei- ballen enthalten grosse Zellen, die aus den Epithelien hervorzu- sehen scheinen. Je mehr in der Tiefe, desto mehr Gegensätze treten zwischen den Zellen hervor: einzelne sind vergrösssert, andere kleiner, durch alle Uebergangsformen vermittelt. Unter den Ober- flächenepithelien finden sich ebenfalls einige vergrössert, offenbare Primordialeier. Die Zone der Primordialfollikel bildet den grössten Theil der Parenchymzone; ihr erstes Auftreten fällt wahrscheinlich in 448 K. Schulin: die 18. bis 20. Woche. Die Follikel liegen dieht beisammen: in spärlichem Stroma, hie und da gruppenweise. Sie enthalten meist eine Eizelle und stets einen einfachen Kranz von Epithelien, nie- mals — auch bei Säugethieren nicht — fand Waldeyer eine strueturlose Membran. Im Stroma fehlen niemals die His’schen Kornzellen, die er mit Klebs für Wanderzellen hält. Die Granulosazellen haften immer fester am Ei, als am Stroma. Sie sind stets kleiner als die Keimepithbelien, was Waldeyer da- durch erklärt, dass sie sich durch Theilung vermehren; dafür spricht auch die Häufigkeit der eingeschnürten und der doppelten Kerne. Später sind die Follikelepithelien wieder grösser. Beim Neugeborenen finden sich in der Eiballenzone statt des cavernösen Baues lange verzweigte, anastomosierende, schlauch- förmige Gebilde, die nach oben durch enge Mündungen mit dem Keimepithel in Verbindung stehen, nach unten in die Follikelzone übergehen. Das Keimepithel hat jetzt seine definitive Beschaffen- heit; es enthält viele Primordialeier. Von letzteren bezweifelt Waldeyer, dass sie sich zu reifen Eiern weiter entwickeln werden, da er doch nicht annehmen könne, dass sie in die Schläuche hineinwandern. Die Bildungsstätte der Eier liegt nach ihm nur indirekt im Keimepithel, insofern aus diesem die Epithelzapfen sich entwickeln, in welchen erst die Eier entstehen. Jede Zelle des Keimepithels und seiner Fortsätze kann sich zu einem Ei weiter entwickeln, aber nicht alle erreichen dieses Ziel; speciell die im Öberflächenepithel nachträglich sich entwickelnden gehen zu Grunde. In den Eischläuchen fand Waldeyer stets Eier und bestreitet er in Folge dessen die Richtigkeit der Kölliker’schen Angabe, dass dieselben beim Neugeborenen keine Eier mehr enthielten. Die Follikel entstehen aus den Schläuchen durch eine Bindegewebs- wucherung, welche in die epithelialen Massen hineinwächst und die einzelnen Eier mit einer Parthie Keimepithelzellen umgreift. Beim 21/,jährigen Kinde hat der Eierstock bereits die walzen- förmige Gestalt, wie beim Erwachsenen; seine Oberfläche ist glatt. Auf dem Durchschnitt erkennt man in der Zona parenchymatosa: 1) das Epithel, 2) eine bindegewebige, follikelfreie Zone (Albu- ginea), 3) die Follikelzone. In der Zona vasculosa: 1) das eigent- liche Hilusstroma, 2) die Zone der reichlichen Gefässverästelung an der Grenze des Parenchymlagers. Von Eischläuchen oder Epi- Zur Morphologie des Ovariums. 449 theleinsenkungen ist keine Spur mehr vorhanden: die Bildung neuer Eier hat um diese Zeit bereits aufgehört. Der Bau des Eierstockes ist im Allgemeinen bereits vollkommen so, wie beim Erwachsenen; nur in 2 Punkten besteht ein Unterschied. Einmal fehlt noch die Schichtung der Albuginea, welche einfach aus verfilzten Spindelzellen besteht. Dann liegen die kleinern Follikel noch in Gruppen beisammen. Schläuche finden sich nicht mehr, abgesehen von einigen ganz kurzen, 2—3 Eier enthaltenden, stark eingeschnürten Gebilden. In den tiefern Schichten des Eierstockes befinden sich schon I—1'/ mm grosse Follikel mit nahezu reifen Eiern. Von da an bis zur Pubertät behält das Ovarium die gleiche Form mit glatter Oberfläche. Die Reihenfolge der Lagen bleibt dieselbe, die Follikel treten aber mehr auseinander und die Albu- ginea bekommt ihre Sehichtung. Nach Cessation der Menses verkleinert sich der Eierstock erheblich. Die Zona parenchymatosa tritt, obwohl sie keine Follikel mehr enthält, noch deutlich als heilere, weissgelbliche Schicht gegen die grauröthliche Zona vaseulosa hervor. Das Keimepithel fand Waldeyer noch bei einer 75jährigen Frau; hier fand er auch einmal eine schlauchförmige Einsenkung, aber ohne Ei. Solche Einsenkungen sind nicht mit den von Epithel ausgeklei- deten Buchten zu verwechseln, welche durch die narbige Ein- ziehung der Oberfläche entstehen. Eine Grenze zwischen Albuginea und Zona parenchymatosa ist nicht mehr zu erkennen. Beim Hunde fand Waldeyer die Verhältnisse ebenso, wie beim Menschen, nur kommen hier noch beim erwachsenen Thiere zahlreiche schlauchförmige Epitheleinsenkungen vor, zum Theil mit Eiern. Ihre Entstehung datirt wohl aus einer früheren Zeit und bleiben sie nur länger, als das beim Menschen der Fall ist, mit dem Keimepithel in Verbindung. Je älter die Thiere sind, desto geringer ist ihre Zahl; bei ältern Thieren findet man nie- mals Eier inihnen. Bei erwachsenen jüngern Katzen fand Waldeyer nur selten, bei ältern niemals Eischläuche. In den kleinern Follikeln der Katze fand Waldeyer die ein- zelnen Epithelien nicht getrennt, sondern sie bilden hier eine con- tinuirliche Masse, in der die Kerne schwer zu erkennen sind und die er den Giannuzzi’schen Halbmonden in den Speicheldrüsen vergleicht. Nach innen vom Epithel liegt eine feinkörnige Masse, 450 K. Schulin: welehe vom Protoplasma der Epithelien optisch nicht zu trennen ist und welche auf Waldeyer den Eindruck machte, als ob sie durch einfache Umwandlung von diesen abstammte, die sich dann wieder von ihrer Kernzone aus regenerirten. Das Protoplasma der Eizelle ist dann wieder von dieser körnigen Masse nicht deut- lich zu trennen und schien es, als ob dieses durch Apposition Seitens des Follikelepithels wüchse. Kern und Kernkörperchen waren im Ei sehr deutlich. In grössern Follikeln sind die, nun- mehr eylindrischen, Epithelien von einander und vom Ei scharf getrennt; an letzterm zeigen sich die ersten Spuren der Zona. Beim erwachsenen Kaninchen fand Waldeyer ebenso häufig, wie beim Hunde, Eischläuche, zum Theil mit Eiern. Grössere Follikel setzten sich bisweilen in einen langen Hals fort der bis nahe zum Keimepithel reichte. Bei Schwein und Rind fand er im erwachsenen Zustande keine Eischläuche mehr. In Beziehung auf die Frage, ob das Säugethierei eine ein- fache Zelle oder eine complieirtere Bildung sei, sprichtsich Waldeyer (S. 47) dahin aus, dass das Primordialei eine Zelle im strengsten Sinne sei, dass aber das reife Ei dadurch, dass es Bestandtheile vom Follikelepithel, wohl durch einfache Apposition aufgenommen habe, als eine complieirtere Bildung anzusehen sei. Die Waldeyer’sche Darstellung erfuhr allgemeinen Wider- spruch nur durch Kapff!). Derselbe bestritt zunächst den Gegen- satz zwischen dem Ovarialepithel und dem Peritonealendothel. Er lässt das Peritoneum mit allen seinen Bestandtheilen über das Ovarium hinwegziehen; nur haben die Epithelien desselben hier eine andere Form und ist der bindegewebige Theil fester mit der Unterlage verwachsen. Der ganzen Lehre von der Beziehung des Keimepithels zur Eientwieklung spricht Kapff die Berechtigung ab. Er sah nie Primordialeier im Keimepithel; die von Waldeyer geschilderte Fortsatzbildung erklärt er für Täuschung, hervorge- rufen durch Querschnitte der Furehen, obwohl dieser sich gegen eine solche Verwechselung ausdrücklich verwahrt hatte. Nie sah K. einen Zusammenhang des die Furchen auskleidenden Epi- thels mit den Pflüger’sechen Schläuchen. Die Eier lässt er in diesen ganz unabhängig vom Oberflächenepithel entstehen. Bei sehr jungen Säugethierembryonen fand Kapff die ganze 1) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1872, S. 513, Zur Morphologie des Ovariums. 451 Bauchhöhle mit Cylinderepithel ausgekleidet, aus welchem er in Uebereinstimmung mit Schenk das Peritonealendothel entstehen lässt. Am Keimepithel fand er nie einen Geschlechtsunterschied in Beziehung auf die Dieke; ebensowenig jemals Primordialeier in denselben. Für die früheste Zeit des embryonalen Lebens nimmt er nicht einen hermaphroditischen Zustand an, wie Waldeyer, sondern einen Indifferenzzustand, aus welchem sich entweder das eine oder das andere Geschlecht entwickelt. Die andern Autoren, welche sich bis jetzt über die Waldeyer'- sche Lehre geäussert haben, stimmten ihm alle in der Hauptsache bei und widersprachen nur in einzelnen Punkten. Die Lehre von der genetischen Verschiedenheit des Keimepithels und des Bauchfell- endothels fand Freunde in Leopold!) und Egli?), sonst allge- meinen Widerspruch, besonders durch Hubert Ludwig?) und Kölliker*). Letztere Autoren fanden immer einen allmählichen Uebergang des Keimepithels in das Peritonealendothel. Das Vorkommen von Primordialeiern im Keimepithel wurde von einer grösseren Anzahl Autoren, zuerst von Leopold, be- stätigt. Die Waldeyer’sche Lehre, dass die Eier umgewandelte Zellen des die Oberfläche des Ovariums überziehenden Epithels seien, wurde, ausser von Kapff, bis jetzt von allen Autoren an- senommen, welche sich hierüber geäussert haben; insbesondere Ludwig stützte sie durch ausgedehnte vergleichend-anatomische Beobachtungen. - Nicht so einig sind die Autoren über die Entwicklung der Granulosazellen. Während allerdings die Meisten diese mit Waldeyer ebenfalls vom Keimepithel ableiten, behauptet Foulis?), dass sie aus dem Stroma des Ovariums entstünden. Derselbe lässt nur die Eier im Keimepithel entstehen und dann sollen vom Stroma aus Fortsätze in dieses hineinwachsen, welche zuerst ganze Gruppen von Eizellen davon ablösen, die sie dann weiterhin in einzelne 1) Untersuchungen über das Epithel des Ovariums und dessen Bezie- hungen zum Ovulum. Diss. Leipz. 1870. 2) Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Geschlechts- organe. Diss. Basel 1876. 3) Ueber die Eibildung im Thierreiche. Preisschrift. Würzburg 1874. 4) Entwicklungsgeschichte. 2. Aufl. 5) Transactions of the Royal Society of Edinburgh. vol. XXVII, 1876, p- 345. Plates XXVII—XXXI 452 K. Scehulin: Primordialfollikel zerlegen. Die Eier sollen Anfangs nackt sein und sich erst später durch eine Umbildung der nächstanliegenden Stromazellen mit einer Granulosa umgeben. Eine andere Ableitung der Granulosazellen giebt Kölliker!). Derselbe fand im Ovarium von 1—2 Tage alten Hündinnen rings- um dichte grosse Haufen von Ureiern, ohne Granulosazellen, direkt vom Stroma ovarii umhüllt. Im Innern des Eierstockes fand er viele seschlängelte solide Stränge, die aus rundlichen Zellen bestanden und vom Mesoarium gegen die Rinde verliefen (Markstränge). Ausser- dem fand er in der Mitte des Eierstockes, aber dem Mesoarium näher, als der Oberfläche, einen Haufen wirklicher, mit einem Lumen versehener, Kanäle mit mehr eylindrischem Epithel, welche mit jenen Marksträngen zusammenhingen, so dass sie wie Sprossen von ihnen erschienen. Andererseits sah er die Markstränge nach der Peripherie hin mit den Ureiernestern zusammenhängen. Sie bildeten von der Tiefe aus eine Umhüllung derselben, welche bei den tiefsten Eiern am stärksten ausgebildet war, nach der Peri- pherie hin dagegen immer mehr abnahm, und endlich ganz auf- hörte. Kölliker meint in Folge dessen, die Granulosa entwickle sich von der Tiefe her von den Marksträngen aus, indem von diesen aus Zellen um die vorher nackten Eier herumwüchsen. Was nun die Herkunft der Zellstränge und der in der Tiefe liegenden Kanäle betrifft, so vermuthet Kölliker, dass sie von dem von Waldeyer als Sexualtheil bezeichneten Theile des Wolff’schen Körpers abstammen. Er verfolgte sie mit Sicherheit bis an den Wolff’schen Körper und in einem Falle glaubte er auch eine Verbindung eines Zellenstranges mit einem Wolff’- schen Kanälchen zu sehen. Leicht dagegen könne man im Eier- stocke älterer Embryonen und junger Geschöpfe jene Schläuche und zum Theil auch ihre Verbindung mit Zellsträngen sehen und lest Kölliker deshalb hierauf Gewicht, weil hier eine andere Ableitung jener Schläuche, als von der Urniere, nicht möglich sei. In neuester Zeit leitet Balfour?) wieder beim Kaninchen Ei und Follikelepithel vom Keimepithel ab. Beim 1Stägigen Kanin- chenembryo fand er das Ovarium aus dem Keimepithel und einer innern Masse bestehend. Das Keimepithel enthält sehr selten Pri- 1) Würzb. Verh. 1874 und Entwicklungsgesch. 2, Aufl. 1879, S. 970. 2) Quarterly Journal of Microscopical Science. Vol. XVIIL. 1878, S. 418. Zur Morphologie des Ovariums. 453 mordialeier, die innere Masse besteht aus einem epithelähnlichen Gewebe und gefässhaltigem Stroma. Ersteres bildet ein Balken- werk von den Keimepithelien ähnlichen Zellen und steht an vielen Stellen mit dem Keimepithel in Contact. In früheren Stadien könnte man meinen, es stamme vom Keimepithel und habe mit der Entwicklung der Eier zu thun, das ist aber nicht der Fall. Später ist es durch eine Stromaschicht vom Keimepithel getrennt, an den Seiten steht es aber damit noch in Contact. Dieses Gewebe steht am vordern Ende des Eierstockes mit der Wand der Malpighi’- schen Körperchen der Urniere in Verbindung und glaubt Balfour, dass es von hier aus in das Ovarium hineinwachse. Beim Manne dürfte es zusammen mit vom Keimepithel stammenden Zellen die Samenkanälchen liefern. Balfour hält es für identisch mit den von Braun (Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Würzburg, Band IV) entdeckten Segmentalsträngen. Beim 22tägigen Kaninchenembryo ist das Keimepithel 3mal dicker, seine untere Grenze gelappt. Die äusserste Zellenlage ist eylindrisch, die andere rundlich; einzelne Primordialeier sind vor- handen. Die von den Malpighi’schen Körperchen stammenden Zell- balken sind vom Keimepithel durch eine Schicht Stroma getrennt. Beim 2Stägigen Kaninchenembryo ist das Stroma in das Keim- epithel hineingewachsen. Balfour nimmt nicht mit Waldeyer einen gegenseitigen Durchwachsungsprocess von Stroma und Keim- epithel an, sondern lässt nur das erstere in das letztere Fortsätze treiben, welche der Richtung von vorher sichtbaren Linien folgen. Dadurch werden Gruppen von Keimepithelzellen abgetrennt, welche die Einester bilden. Durch diesen Vorgang wird das Keimepithel in zwei Schichten zerlegt: die äussere besteht aus einer einfachen Lage von Cylinderzellen und darunter mehreren Lagen von Rund- zellen; die innere besteht aus grössern Haufen von Rundzellen. In der äussern Schicht finden sich viele, in der innern nur sehr wenige oder gar keine Primordialeier. 5 Tage nach der Geburt zeigt das Keimepithel beim Kanin- chen 3 Schichten: 1) eine äussere Epithelschicht, 2) eine mittlere Lage von kleinen Nestern, 3) eine innere Lage von grössern Nestern. Das ganze stellt ein Epithelwachsthum dar, welches von Stroma durchsetzt wird. Im Keimepithel zeigen viele Kerne eine Modifikation. Der grösste Theil ihres Inhaltes ist klar, der Rest sammelt sich als 454 K. Schulin: dunkle granulirte Masse an der einen Seite der Kernmembran und wird später sternförmig (granulirte und sternförmige Modification des Kernes). Später findet sich im Kerne ein schönes Netzwerk. In den tiefern Lagen der 1. Schicht finden sich Primordialeier mit granulirten Kernen. Das Epithel ist von der mittleren Schieht durch eine von vielen Brücken durchsetzte Bindegewebsschicht ge- trennt; die innere und die mittlere Schicht sind nicht scharf ge- trennt. In der innern Schicht haben die meisten Zellen modifieirte Kerne; in einigen sind die Kerne noch primitiv und aus diesen entstehen die Granulosazellen; sie beginnen in den tiefern Schichten sich um die Eier zu legen. Die Zellen mit modifieirten Kernen haben eine dunkle Linie um sich (Beginn der Zona?). Einige von ihnen sind mit einander verschmolzen. Das von den Malpighi’schen Körperchen stammende Gewebe ist redueirt, seine Zellen sind noch so, wie sie waren. 7 Tage nach der Geburt findet man dasselbe. In einigen Nestern hängt das Protoplasma der sich entwickelnden Eier zu- sammen. Follikelepithel und Eier sind scharf unterschieden. In den Einestern findet man 1) permanente Eier, einge- schlossen in einen Follikel, 2) kleinere freie Eier, 3) kleinere Zellen mit modifieirten Kernen, von zweifelhafter Bestimmung, 4) kleine Zellen, die sich offenbar zu Follikelepithelien entwickeln. Balfour schliesst hieraus gegen Foulis, dass das Follikelepithel sich nicht aus dem Stroma, sondern vom Keimepithel her, entwickle. Die Eier haben einen körnigen Zellleib und eine zarte Mem- bran; Kern gross, hell, retieulirt. Sie umgeben sich noch inner- halb der Nester mit Follikelepithel und werden dann durch vom innern Rande des Keimepithels einwachsende Bindegewebs-septa abgetrennt und isolirt. Beim 4wöchentlichen Kaninchen besteht das äussere Epithel aus einer einfachen Lage von Cylinderepithel; es enthält viele Primordialeier. Darunter liegt eine Schicht Bindegewebe (Tunica albuginea). Das Lager von mittelgrossen Nestern zeigt Eier mit schönen retieulirten Kernen, die in der Regel einen nucleolus und mehrere kleine granulirte Körperehen enthalten. Die meisten Eier haben keine Follikelepithelien, aber viele schmale Zellen um sich, die offenbar vom Keimepithel abstammen und bestimmt sind, die Follikel zu bilden. Einige Follikel sind fertig. Meist sind alle Eier deutlich entwickelt und mit einer zarten Zur Morphologie des Ovariums. 455 Dotterhaut versehen; bisweilen ist das Protoplasma von mehrern verschmolzen. Die Kerne sind alsdann entweder gleich gross und scharf — in welchem Falle das Protoplasma sich wahrscheinlich in so viele Eier trennt, als Kerne vorhanden sind — oder 1—2 Kerne überwiegen über die andern, welche verwaschen und un- deutlich begrenzt sind. Diese atrophiren und 1 Ei entwickelt sich aus der vielkernigen Masse, es hat aber doch die Bedeutung einer einzigen Zelle. An der innersten Grenze des Keimepithels sind die Grenzen der ursprünglichen grossen Nester noch erkennbar, aber viele Follikel sind abgelöst. In den noch intaeten Nestern kann man die Entwicklung der Follikel sehen. Das von den Malpighi’schen Körperchen stammende Gewebe hat eher zu, als abgenommen. Es besteht aus soliden Balken oder eiförmigen Nestern, die durch Bindegewebe getrennt sind. Beim Hund, der Katze und dem Schaf fand Balfour nahe und in der Anhaftungsstelle des Ovariums eine Anzahl Kanäle; beim Hundeembryo solide Balken, später Kanäle. Bei sehr jungen Katzen- embryonen sind die Balken schmal, viel verästelt; später oft in die Länge gezogen, gewunden, wie die embryonalen Samenkanälchen. Verschiedene Thiere differiren in Bez. auf die Ausbildung des Ovariums.. Das neugeborene Lamm ist so weit, wie das 6wöchentliche Kaninchen. Bei letzterem sah Balfour Follikel, die in Theilung zu sein schienen. Möglicherweise lag hier ursprüng- lich eine Protoplasmamasse mit 2 Kernen vor, doch könnten auch 2 Follikel durch Stroma getrennt werden. Die Entwicklung der Dotterelemente beginnt nach Balfour an der Peripherie des Dotters. Ueber die Beziehung der Zona radiata zur primitiven Dotter- membran kam Balfour nicht ins Klare. Nach aussen von der Zona liegt eine körnige Masse, an welche die Follikelepithelien anstossen. Er stimmt nicht mit Waldeyer (S. 40) überein, dass diese Masse mit den Discuszellen oder der Zona in Zusammenhang stehe. Ob sie der Rest der primitiven Dotterhaut ist, das wagt Balfour nicht zu entscheiden; die Zona wäre alsdann eine sekundäre Bildung. In der allerneuesten Zeit endlich ist eine Arbeit von E. van Beneden!) erschienen, welcher verschiedene Arten von Fleder- mäusen untersucht hat. Bei erwachsenen Exemplaren von Vesper- 1) Archives de Biologie I, 1880, S. 475. 456 K. Schulin: tilio murinus fand er es oft sehr schwierig, die Grenze zwischen dem Keimepithel und dem darunter liegenden Gewebe zu ziehen; die Dicke des erstern wechselte zwischen 2 und 4 Zellenlagen. Es fanden sich darin: 1) runde, scharfbegrenzte Zellen mit klarem Inhalt und rundem Kern; 2) ihnen anliegend kleinere, verschieden gestaltete, dunklere Zellen, die sich intensiver mit Carmin färbten; 3) am meisten an der Oberfläche kubische oder prismatische, stellenweise ziemlich regelmässig pallisadenartig nebeneinander stehende Zellen; 4) rundliche Zellen mit mehrern Kernen. Diese waren beträchtlich grösser, als die andern und bewirkten dadurch bald einen Vorsprung über die Oberfläche des Keimepithels, bald einen Eindruck in das darunter liegende Gewebe. Er fand eben- solche auch in der Tiefe im Ovarialstroma, besonders in der Zona der Primordialfollikel. Ueber ihre Bedeutung konnte van Beneden nichts Sicheres ermitteln. 5) Primordialeier, bisweilen genau vom Ansehen der in den Primordialfollikeln vorkommenden, bisweilen grösser oder kleiner. Die benachbarten Zellen umschlossen sie bisweilen granulosaartig; manche ragten nackt über die Ober- fiäche des Keimepithels hervor, andere sprangen in das Stroma vor, umgeben von platten Zellen. Ebensolche fand man in jeder Tiefe, unter dem Epithel und in der Schicht der Primordialfollikel. Van Beneden schliesst daraus, dass sich bei der erwachsenen V. muri-_ nus noch Follikel nach dem embryonalen Typus neubilden. In manchen Fällen fand van Beneden das Ovarium stellen- weise von einfachem Cylinder- oder Plattenepithel überzogen, so dass epitheliale Inseln zwischen Endothel vorzukommen scheinen. Die Dicke des Epithels nahm am Rande der Inseln ab und fand hier ein allmählicher Uebergang in das Plattenepithel statt. Van Beneden findet den hier geschilderten Modus der Follikelbildung in Uebereinstimmung mit der Anschauung, die Waldeyer von diesem Vorgang hat: er leitet Eier und Granulosa vom Keimepithel ab. Bei Fledermäusefötus hat er die Eibildung nicht untersucht, bezweifelt aber nicht, dass sie hier ebenso vor sich gehe. Von einer Beziehung der Granulosa zu den Mark- strängen, die bei V. murinus während des ganzen Lebens und bis dieht unter die Oberfläche des Eierstockes hin persistiren, fand van Beneden nichts. Betreffs der Granulosa fand van Beneden keine Beziehung zwischen der Dieke dieser Membran und der Entwicklung des Eies. Zur Morphologie des Ovariums. 457 Sie wächst im Allgemeinen langsam, so dass oft, nachdem das Ei bereits von seiner Zona umgeben ist, die Granulosa noch ein- schiehtig ist. Bei V. murinus fand van Beneden oft flaschen- förmige Follikel, dann zwei- und mehrkammerige, die in jeder Kammer ein Ei enthielten; die epitheliale Scheidewand ging - oft durch den ganzen Follikel hindurch. In Beziehung auf die Frage nach dem Verhältniss des Keim- epithels zum Peritonealendothel muss ich mich entschieden gegen Waldeyer für die von Hubert Ludwig, Kölliker u. s. f. ver- tretene Ansicht erklären, dass beide gemeinsamen Ursprung haben, von der Cylinderepithellage, die bei etwa 10 mm grossen Embry- onen grösserer Säugethiere die ganze Bauchhöhle auskleidet. Dieses Epithel ist nur bei grössern Embryonen an seiner untern Seite so scharf abgesetzt, wie z. B. das Cylinderepithel des Darmes gegenüber der Schleimhaut. Beim 1 em langen Schafembryo dagegen imponirt es als eigene Epithellage nur durch die Form und Stellung der Kerne. Dieselben sind in dieser Cylinderepithel- lage länglich und stehen dicht neben einander alle mit ihrer Längsaxe senkrecht auf der Unterlage, während die Kerne des darunter liegenden Gewebes weniger in die Länge gezogen sind und nach den verschiedensten Richtungen durcheinander liegen. Das Protoplasma der einzelnen Zellen ist aber weder zwischen den Epithelien noch zwischen diesen und dem darunter liegenden Gewebe abzugrenzen. Das Epithel ist eben nicht genetisch von dem darunter liegenden Gewebe verschieden, sondern beide bilden ursprünglich eins und das Epithel differenzirt sich davon ab, indem zuerstdie Kerne eine charakteristische Form und Stellung annehmen und dann auch das Protoplasma sich trennt. Bei embryonalen Geweben ist, wohl in Folge des Umstandes, dass das Protoplosma der Zellen noch durchaus gleichartig ist und noch keine Membran besitzt, die Abgrenzung der einzelnen Zellen nicht ausgebildet. So sah Lieberkühn bei der frischen Untersuchung embryonaler Spongillen die einzelnen Zellen sich ganz willkürlich bald trennen, bald wieder zu grösseren vielkernigen Massen verschmelzen. Zu- sammenhängende Protoplasmamassen mit vielen Kernen sind ja seit dem berühmten Aufsatze von Max Schultze: „Ueber Muskel- körperchen und das was man eine Zelle zu nennen habe,“ Arch. f. Anat. 1861, als Ausgangspunkt für Gewebe der Bindesubstanzen von vielen Autoren erkannt worden, so besonders in neuester 458 K. Schulin: Zeit für das Knorpelgewebe von Strasser in einer sehr sorgfältig gearbeiteten Untersuchung. Die Abtrennung in einzelne Zellen ist erst eine sekundäre Erscheinung, die überdiess noch in viel höherem Grade unvollständig zu bleiben scheint, als man für ge- wöhnlich anzunehmen geneigt ist; bei ihrem Zustandekommen spielt die Entwicklung der Intercellularsubstanz jedenfalls eine srosse Rolle, mag dieselbe durch Abscheidung oder durch direkte Umwandlung des Protoplasmas (Max Schultze, Boll, Waldeyer, Strasser u. 8. f.) zu Stande kommen. Um die oberflächlichste Kernlage bildet sich so das Cylinder- epithel der embryonalen Peritonealhöhle, während aus dem die tiefer gelegenen Kerne umgebenden Protoplasma sich die Binde- sewebsschicht des Peritoneums und an der innern Seite des Wolff'- schen Körpers das spätere Stroma des Eierstockes entwickelt. Den ganz gleichen Process der Differenzierung der obersten Lage einer vorher ganz gleichartigen kernhaltigen Protoplasma- masse zu einer dann selbständigen Epithellage kann man besonders schön sehen bei der Entwickelung des Epithels im Centralkanal des Rückenmarkes. Auch die Trennung der Keimblätter beruht ja in letzter Instanz auf dem gleichen Vorgange: immer separirt sich die oberste Lage, sie gewinnt Selbständigkeit und eigene formbildende Kraft gegenüber den tiefern Lagen. Die nächste Frage, welche uns jetzt entgegen tritt, ist die, ob die weitere Entwicklung des Eierstockes nach dem Kölliker- Remak’schen Typus der Entwicklung der Drüsen und Haare vor sich geht oder nicht, eine Frage, welcher die Autoren sehr ver- schieden gegenüberstehen. Bei Entwicklungsprocessen, die nach diesem Typus ablaufen, sieht man immer primär eine scharfe Trennung zwischen den epithelialen und den bindegewebigen Theilen, dann beginnt der Durchwachsungsprocess. In Beziehung auf die Form scheint die bindegewebige Seite ganz passiv zu sein, die Epithelzapfen wachsen eben nach allen Richtungen in sie hinein und dehnen das anfänglich an Masse so reichliche embryonale Bindegewebe zu dem spärlichen interstitiellen Gewebe des reifen Organes aus. Immerhin ist es freilich möglich, dass, wie Boll in seinem „Prineipe des Wachsthums“ will, auch etwas Activität im Formgeben auf Seite des Bindegewebes ist, so dass das Ganze einen „Grenzkrieg“ darstellte. Das Wesentliche ist, dass von vorn- ' herein beide Seiten scharf getrennt sind und bleiben. Zweierlei Zur Morphologie des Ovarıums. 459 ist die Folge dieser Durchwachsung: 1. die Zweige verbinden sich niemals, sondern bleiben ebenso, wie die Zweige eines Baumes, immer getrennt. Die einzigen Drüsen, in denen Anastomosen des secer- nirenden Gewebes vorkommen, sind der Hode und die Leber, welche sich bekanntlich so ausserordentlich früh entwickelt und eine ganz eigene Stellung einnimmt. Und 2. die jüngsten Stadien liegen immer am weitesten von der Oberfläche entfernt, von welcher das Wachsthum seinen Ausgang genommen hat. Nebenbei ist auch zu beachten, dass in solchen Fällen, wo das Epithel geschichtet ist, die tiefste Zellenlage, von der das Wachsthum sowohl für die oberflächlichen Lagen, als auch besonders für die Epithelzapfen ausgeht, immer eylindrisch ist, mögen die anderen Lagen aus Cylinder- oder aus Plattenepithelien bestehen. Alles das trifft nun für das ovarium des Säugethieres nicht zu. Zunächst findet man, wenn man Querschnitte durch die Anlage der Geschlechtsdrüse beim 25 mm langen Rindsembryo oder 20mm langen Kaninchenembryo oder 7 mm langen Mäuse- embryo untersucht, nirgends eine scharfe Grenze zwischen Keim- epithel und Stroma. Die ganze Geschlechtsdrüse bildet eine ge- meinsame, ausserordentlich kernreiche Masse. Zellgrenzen sind nicht zu finden. Zu äusserst zieht über die Geschlechtsdrüsenanlage in der Fortsetzung des Peritonealepithels eine einfache Lage läng- licher, . senkrecht stehender Kerne, die sich auch durch stärkere Färbung markiren; darunter folgen rundliche Kerne. Mehr nach der Tiefe zu macht sich eine Differenzierung bemerkbar, indem die Kerne gruppenweise liegen. Nach unten setzt sich diese kern- reiche Masse ziemlich scharf gegen das viel kernarmere interstitielle Gewebe des Wolff’schen Körpers ab. In Fig. 8 habe ich diese Anlage der Geschlechtsdrüse von einem 7 mm langen Mäuseembryo abgebildet; es springt hier der Unterschied zwischen dem Aus- sehen der Geschlechtsdrüse und des — bei der Maus sehr wenig entwickelten — Wolff’schen Körpers in die Augen. Wenn der Eierstoek sich in klassischer Weise nach dem Kölliker -Re- mak’schen Typus entwickelte, so müsste er in diesem Stadium etwa so ein Bild geben, wie hier der Wolff’sche Körper aussieht. Lunge, Niere, Speicheldrüsen u. s. f. sehen wenigstens auf gleicher Stufe so aus. | In der Geschlechtsdrüsenanlage von ganz wenig ältern Säuge- thierembryonen, Kaninchen 25, Rind 30, Maus 1lOmm sieht man Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 3l 460 K. Scehulin: dann den in der Tiefe beginnenden Differenzierungsprocess immer deutlicher werden. Von den Seiten her lässt sich die Grenze zwischen Epithel und Bindegewebsschicht des Peritoneums als zarte Linie in die Geschlechtsdrüsenanlage hinein verfolgen. An der Grenze wird die Epithellage alsbald dicker und besteht aus mehrfachen Zelllagen, oder vielmehr einer zusammenhängenden Protoplasmamasse mit mehrfachen Kernlagen, von denen die äusserste durch ihre Anordnung und Form als Cylinderepithel imponirt. Auch hierin besteht ein Unterschied zwischen dem sich ent- wickelnden Ovarium und einer Drüse, die sich vom Boden eines geschichteten Epithels aus entwickelt, dass die Cylinderepithellage zu oberst, nicht zu unterst liegt. Wenn, was doch sehr wahr- scheinlich ist, diese Cylinderepithellage auch hier eine Bedeutung für das Wachsthum hat, so wäre der Wachsthumsprocess hier von dem der Epidermis also dadurch unterschieden, dass bei letzterer von der Tiefe her Nachschub geliefert wird, während am Ovarium peripherisch apponirt würde. Die feine Linie, welche man vom Peritoneum her in die Geschlechtsdrüsenanlage hinein verfolgen kann, verliert sich in einiger Entfernung vom Rande nach der Tiefe hin. Man sieht dann zu äusserst jene kernreiche Protoplasmamasse und nach innen davon eine Art Abtheilung durch ähnliche feine Linien,. welche von der Tiefe her in die Protoplasmamasse eindringen und sie in einzelne Stücke zu zerlegen streben. Dadurch grenzt sich zunächst unten die kernreichere Protoplasmamasse, welche man jetzt als ge- wuchertes Keimepithel bezeichnen würde, von dem kernarmeren Stroma ab. In dieser Weise, vollkommen übereinstimmend, fand ich die Verhältnisse bei 3 Rinds-, 5 Kaninchen- und 5 Mäuseembryonen von der oben angegebenen Grösse. Dass es nun doch höchst un- wahrscheinlich ist, dass hier lauter zukünftige Weibchen vorlagen, neige ich der von Bornhanpt und Egli vertretenen Ansicht zu, dass beide Geschlechtsdrüsen sich aus einem gemeinsamen In- differenzstadium entwickeln. Bei einem 30 mm langen Schafembryo waren schon deutlich Hoden entwickelt. Die Geschlechtsdrüse war nach aussen durch eine deutlich erkennbare Albuginea abgegrenzt und bestand aus zahlreichen, verzweigten, soliden Zellbalken, die durch aus Spindel- Zur Morphologie des Ovariums. 461 zellen bestehendes Stroma von einander getrennt waren. Einen Zu- sammenhang der Balken mit Kanälchen des Wolff’schen Körpers konnte ich nicht auffinden und erhielt ich den Eindruck, dass die Zellbalken nicht vom Wolff’schen Körper aus hereingewuchert, sondern in loco durch eine Weiterentwicklung der in den oben erwähnten feinen Linien angelegten Differenzirung entstanden sein möchten. Nach einem Zusammenhang der Protoplasmamasse, aus wel- cher ohne Zweifel die Epithelien der spätern Geschlechtsdrüsen sieh entwickeln, mit Wolff’schen Kanälehen habe ich vergebens gesucht. Keine Thatsache kam mir zur Beobachtung, welche auf ein von hier aus geschehendes Einwachsen hindeutete. Die Ab- bildung, welche Balfour vom 18tägigen Kaninchenembryo liefert, zeigt das, was er für eine von den Malpighi’schen Körperchen ausgehende Wucherung hält, so wenig scharf gegen die Umgebung abgesetzt, dass ich mich seiner Deutung dieser Beobachtung nicht anschliessen kann. Ein von einem Wolff’schen Kanälchen aus in das Ovarium hineinwuchernder Epithelzapfen müsste gegen seine Umgebung ebenso scharf abgesetzt sein, wie etwa eine in die Tiefe der cutis hineinwachsende Schweissdrüsenanlage. Balfour hat die feinen Linien, welche von der Tiefe her in das verdickte Keimepithel eindringen, auch gesehen. Er lässt ihnen folgend die Einwucherung der Bindegewebssepta geschehen, durch welche die Zellhaufen vom Keimepithel abgespalten wer- den. Ich stimme dem vollkommen bei, die Linien scheinen mir die erste Andeutung der in den Stromabalken befindlichen Inter- cellularsubstanz zu sein. In diesem Stadium beginnt jetzt auch das vom Kölliker- Remak’schen Typus abweichende Verhalten der Entwicklung des Eierstockes in Beziehung auf die beiden andern oben aufgestellten Punkte hervorzutreten. Einmal findet sich schon jetzt ein ausser- ordentlich verbreiteter Zusammenhang der Zellhaufen, welche durch die Bindegewebssepta von der gemeinsamen Masse abge- spalten werden, und dann tritt schon jetzt die später bekanntlich so ganz ausgesprochene Neigung hervor, dass immer die ältesten Stadien am meisten entfernt von der Oberfläche liegen, die den Ausgangspunkt der Wucherung darstellt. His und Kölliker verglichen bereits das Wachsthum des Eierstockes mit dem des Knorpels und dieser Vergleich ist der 462 K. Schulin: richtige; in beiden Fällen hat man excentrisch, theils appositionell, theils interstitiell, wachsende Organe, deren älteste Stellen in der Mitte liegen; nur wächst der Eierstock nicht nach allen Seiten hin, sondern nur kreissectorähnlich von seinem Hilus aus nach einem beschränkten Theile der Peripherie. Die ersten Zellhaufen oder Zellbalken, welche durch den Differenzirungsprozess entstehen, den ich ganz in Uebereinstimmung mit Borsenkow annehme, liegen ganz dicht am Wolff’schen Körper. Später entfernt sich das Ovarium von diesem und zieht sich seine Verbindung mit ihm zu einer dünnen Platte aus. Als- dann liegen die tiefsten Zellhaufen am Hilus ovarii. Ich sehe keinen Grund ein, warum die von Balfour hier geschilderten Zellbalken, welche er von den Malpighi’schen Körperchen der Urniere ableitet, nicht an Ort und Stelle durch einen Differen- zirungsprocess entstanden sein sollten. Im Ovariıum eines 40 cm langen Kalbsfötus finde ich nahe am Hilus reichliche verzweigte, mit Cylinderepithel ausgekleidete, Kanäle, welche einen rundlichen Complex bilden; die Kanäle sind durch Züge von Spindelzellen getrennt, welche vollkommen den Spindelzellen des übrigen Ovariums gleichen. Beim 12 und 16cm langen Kalbsfötus konnte ich nichts dem Analoges finden. Bei einem l4tägigen Kalbe dagegen sehe ich an der entsprechenden Stelle das Gleiche, nur ist der Complex noch schärfer nach aussen abgesetzt und die Spindelzüge, welche die mit Cylinderepithel ausgekleideten Kanäle umgeben, haben andere Kerne, als das übrige Ovarialstroma, indem sie schmäler, stäbchenförmig und schärfer markirt sind und viel dichter liegen; zwischen ihnen liegen einige den übrigen Stromakernen gleichende, so dass ganz deut- lich das Bild von Muskelbündeln vorliegt. Bei einem 12wöchent- lichen Kalbe endlich finde ich an der nämlichen Stelle genau das- selbe, nur ist das Epithel etwas niedriger, mehr kubisch, und der Unterschied zwischen dem hier befindlichen und dem umgebenden Stroma des Eierstockes ist noch grösser, indem an ersterer Stelle der Kernreichthum viel grösser ist und ganz deutliche Züge von Muskulatur vorhanden sind. In dem Lumen der Kanälchen findet sich stellenweise ein faseriges Gerinnsel und einige abgestossene Epithelien. Das Ganze hat entschiedene Aehnlichkeit mit dem Corpus Highmosi und stellt vielleicht die diesem analoge Bildung dar, wie das ja auch Balbiani bereits vermuthet hat. Mit den Zur Morphologie des Ovariums. 463 Wolff’schen Kanälchen kann ich es desshalb nicht in Zusammen- hang bringen, weil niemals eine Continuität nachzuweisen ist. Auch bei der erwachsenen Kuh fand sich dieses Gebilde. In Beziehung auf die weitere Entwicklung des Eierstockes stimmen meine Beobachtungen vollkommen mit dem überein, was Balfour und, für die spätern Stadien, Waldeyer aussagen. Das Keimepithel, in welchem allmählich an manchen Stellen Zell- grenzen deutlich zu werden beginnen, ist noch bei l2cm langen Kuh- und Schweinsembryonen mehrschichtig. Die oberste Lage imponirt durch die längliche Form, die dichtere Anhäufung und die stärkere Imbibitionsfähigkeit der Kerne für Farbstoffe als Cy- linderepithelschicht; sie ist nach aussen durch eine scharfe, doppelt- contourirte Linie abgegrenzt, die sich mit Haematoxylin sehr stark färbt. Die tiefer liegenden Kerne sind rund, so dass hier das An- sehen eines Rundzellengewebes entsteht. Die untere Grenze des Keimepithels ist sehr unregelmässig und ragt mit buchtiger Grenze und vielen kolbenförmigen Vorsprüngen in das tiefer liegende Parenchym hinein; sie wird gebildet durch eine zarte, aber nicht tiberall deutliche Linie. Fortsetzungen dieser Linie ragen an vielen Stellen in das Keimepithel hinein und begrenzen rundliche, noch in ihm gelegene, Zellhaufen, als Vorandeutung der bald er- folgenden Abschnürung. Weiter nach der Tiefe zu liegen in der Fortsetzung der zarten Linien dann geschwungene Bündel von Spindelzellengewebe, welche allmählich an Stärke gewinnen und rundliche, vielfach nach allen Richtungen hin zusammenhängende, Zellhaufen vom Charakter der Keimepithelien, doch theilweise schon weiter metamorphosirt, umgrenzen. Ich kann es ebensowohl begreifen, dass Waldeyer dieses Bild so auffasste, als wüchsen von dem Öberflächenepithel Fortsätze in die Tiefe, wie, dass Bal- four sagt, es wüchsen vom Stroma aus Fortsätze in das viel- schichtige Epithel hinein; gegen beide Auffassungen spricht aber der Umstand, dass aussen, da wo die feinen Linien zuerst auf- treten, die Grenze zwischen der das Keimepithel bildenden viel- kernigen Protoplasmamasse und dem Stroma nicht scharf ist. Die Linien und die feinen Stromabalken erscheinen als eine un- deutlich abgegrenzte Differenzirung innerhalb jener Protoplasma- masse, nicht als etwas genetisch von ihr Verschiedenes; erst mehr nach der Tiefe hin, wenn die Gegensätze mehr ausgebildet sind, wird die Abgrenzung eine scharfe. Dann entsteht zunächst eine 464 K. Schulin: Drüsensubstanz, welche aus zusammenhängenden epithelialen Balken und einem bindegewebigen Stroma besteht und hierin existirt eine Uebereinstimmung mit dem Hoden. Ein Unterschied zwischen Hoden und Eierstock liegt darin, dass bei ersterm diese Differen- zirung rasch durch die ganze Dicke des Organes bis zur Ober- fläche fortschreitet, so dass alsbald auch statt des Keimepithels eine einfache, durch eine Stromaschicht von den tiefer liegenden Zellbalken getrennte Epithelschicht vorliegt, die sich dann zum Endothel der Tuniea vaginalis propria entwickelt. Beim Eierstock dagegen schreitet der Differenzirungsprocess nur ganz allmählich nach der Peripherie hin weiter, so dass zu einer Zeit, wo die zu- erst gebildeten Zellbalken bereits sekundäre Metamorphosen ein- gegangen haben, an der Oberfläche noch eine Blastemschicht und zwischen dieser und jenen Zellbalken alle Uebergangsstufen vor- handen sind. Besonders charakteristisch und auch als etwas vom Entwicklungsgang der nach dem Kölliker-Remak’schen Typus entstehenden Drüsen Verschiedenes von Interesse ist der Umstand, dass auch das Stroma sich ebenso, wie die epithelialen Theile von der Tiefe her nach der Peripherie fortschreitend entwickelt (His). Während die Lunge, je jünger sie ist, desto reichlicheres intersti- tielles Gewebe besitzt, ist dieses beim Ovarium gerade umgekehrt. Aus den Zellensträngen entstehen, wie meine Beobachtungen in Uebereinstimmung mit Borsenkow, Waldeyer, Balfour und vielen Anderen, ergaben, Follikelepithelien und Eier, indem das vorher zusammenhängende Protoplasma sich zuerst in einzelne Zellen sondert und diese dann einen verschiedenen Entwicklungs- gang einschlagen. Doch geschieht das nicht überall. Einmal bleiben die am meisten in der Tiefe gelegenen Zellenstränge ohne Eier; hieraus erkläre ich mir solche Bilder, wie sie z. B. Kölli- ker in der zweiten Auflage seiner Entwicklungsgeschichte S. 971, Fig. 590 abbildet. Derselbe Autor bildet in der fünften Auflage seiner Gewebelehre einen jungen Graaf’schen Follikel mit einem soliden Fortsatze ab, der aus einfachen Granulosazellen besteht. Dasselbe sah ich auch beim einjährigen Kinde mehrmals. In meiner Fig. 10 habe ich von der 3wöchentlichen Katze dasselbe ab- gebildet. Als solche Zellbalken, in denen es nicht zur Entwick- lung von Eiern kommt, deren Zellen aber eine reichliche Menge von Fett in sich abgesondert haben, fasse ich auch die von His sogenannten „Kornzellen“ auf. Wenn man das Ovarium eines jungen Zur Morphologie des Ovariums. 465 Thieres mit Osmiumsäure (1°/, 24 Stunden lang) behandelt, findet man auf Durchschnitten überall zwischen den jungen Follikeln verästelte Balken von Zellen, welche eine reichliche Menge , von Fetttröpfehen enthalten, welche schwarz gefärbt sind. Pflüger macht schon auf den Reichthum an Fett aufmerksam, welehen unter gewissen Umständen das Stroma des Eierstockes zeigte. His war aber der Erste, welcher diese Balken von fett- haltigen Zellen gesehen hat; er fasst sie auf als ausgewanderte weisse Blutkörperchen und bringt sie mit der Bildung der Mem- brana follieuli interna in Zusammenhang!). Meiner Ansicht nach sind es epitheliale Zellbalken, oder, wenn man lieber will, Züge von Plasmazellen, die vollkommen analog sind den Eiketten, nur dass eben keine Eier darin entstan- den sind, sondern durch einen (degenerativen?) Process Fett sich darin entwickelt hat. In Fig. 10 habe ich von der 3wöchentlichen Katze einige solche His’sche Kornzellenbalken abgebildet. Bei der erwachsenen Katze sah ich sie bis dieht an den Hilus des Eier- stockes hinreichen und hier auch andere solide Zellbalken ohne Fett liegen. Eine andere Gegend, wo die Zellbalken keine Eier in sich produeiren, ist die obere Verbindung der Pflüger’schen Schläuche mit dem Oberflächenepithel. Besonders bei Kindern im ersten und in der ersten Hälfte des 2. Lebensjahres ist das sehr gut zu sehen. Hierher gehört die oben erwähnte Beobachtung von Langhans, der beim Ysjährigen Kinde solide anastomosirende Zellbalken ohne Eier sah. Langhans übersah nur die Verbindung mit dem Ober- flächenepithel, von der ich mich bei Kindern vom 3. bis 18. Monat in vielen Fällen überzeugte. Es giebt hier eine ganz breite Zone, die nur von solchen Zellbalken eingenommen ist, die keine Eier ent- halten und nach oben mit dem Keimepithel, nach unten mit Pflüger’- schen Schläuchen in Verbindung stehen. Beim 2jährigen Kinde fand ich von ihnen nichts mehr, sondern hier war das Oberflächen- epithel vollkommen von den Eifollikeln getrennt. Die entsprechende Gegend habe ich in Fig. 10 von der 3wöchentlichen Katze abge- bildet. Bei einer 6 wöchentlichen Katze fand ich den Zusammen- hang gelöst. Diese Lösung geschieht ohne Zweifel durch einen Degenerationsprocess der hier befindlichen Epithelien. Stadien, 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. I, S. 164. 466 K. Schulin: wo dieser Process eben im Gang war, waren es offenbar, die Pflüger als seine Keimfächer beschrieb und die feinen, an der . Grenze der Siehtbarkeit schwebenden Körnchen, welche er als sich entwickelnde Keimbläschen auffasste, werden wohl nichts, als De- tritus, gewesen Sein. Was nun die Gegenden betrifft, wo sich Eier entwickeln, so scheint zunächst zwischen den Säugethieren und andern Wirbel- thieren, bes. den Vögeln, darin ein Unterschied zu bestehen, dass bei jenen in frühen Stadien das Keimepithel wenig Eier in sich produeirt. Kapff fand das Keimepithel kleiner Säugethierembryonen ohne Primordialeier, ich fand dasselbe. Balfour sah „selten“ Eier im Keimepithel kleiner Kaninchenembryonen. Nachdem dann einige eierlose Zellbalken gebildet sind, beginnt der Process der Um- wandlung eines Theiles der Epithelien zu Eiern und schreitet dann bis zur Peripherie des Eierstockes fort, so dass jetzt sogar im Keimepithel reichliche Eier sich finden. Beim 5monatlichen menschlichen Fötus fand ich eine breite Zone, welche etwa in der Mitte zwischen Hilus und Eierstockoberfläche begann und nahe dem Keimepithel, das keine Primordialeier enthielt, endigte. Die- selbe bestand aus vielfach gewundenen und eommunieirenden Zell- balken, welche durch zarte Züge von Spindelzellen getrennt waren. Nach dem Auspinseln blieb ein Netzwerk zurück, welches an vielen Stellen nur aus homogenen feinen Fasern bestand; an andern Stellen lagen Kerne in den Bälkehen. Die Zellbalken, welche an vielen Stellen gegen das Stroma nicht scharf abgegrenzt er- scheinen, bestanden aus, ebenfalls vielfach zusammenhängenden, Zellen, die einander im Wesentlichen glichen, nur dass die Grösse eine sehr verschiedene war, zwischen 6 und 12 u. Die Kerne waren immer fast ebenso gross, wie die Zellen selbst und erschien das Protoplasma, wo es deutlich abgegrenzt war, als ein glasheller Hof. Die grössern Zellen dürften wohl — Kölliker fasst; das auch so auf — die zukünftigen Eier, die kleinern die zukünftigen Granulosazellen sein. Beim Smonatlichen Foetus war die Eibildung vollkommen in Gang und waren schon eine bedeutende Anzahl Follikel abge- schnürt; das Keimepithel enthielt reichliche Primordialeier. Wal- deyer meint die im Keimepithel enthaltenen Eier müssten zu Grunde gehen, weil sie nicht in die Eischläuche hineingelangen könnten. Ich glaube, dass sie dadurch in die Tiefe gelangen, Zur Morphologie des Ovariums. 467 dass die stets an ihrer äussern Seite befindliche einfache Lage von Keimepithelzellen weiterwuchert und neites Eierstocksparen- chym aussen apponirt. Beim neugeborenen Kinde fand ich die nämlichen Verhältnisse, nur waren die vorher vorhandenen runden Eiballen, wie das schon Waldeyer hervorhob und worauf ich noch näher eingehen werde, in schlauchförmige Gebilde umge- wandelt. Das Keimepithel enthielt reichlich Primordialeier. Beim 3monatlichen Kinde enthielt das Keimepithel keine Eier mehr, es war von der Eizone durch eine embryonale Bindegewebs- schicht getrennt, welche von den erwähnten, von Langhans zuerst gesehenen Zellsträngen durchsetzt war. Das blieb so bis zum 18. Monat. Beim 2jährigen Kinde war der Zusammenhang zwischen der eiführenden Zone und dem Keimepithel aufgehoben. Das Keim- epithel scheint beim Menschen .dann zeitlebens so zu bleiben, wie es beim 2jährigen Kinde aussieht; bei einer 57jährigen Frau fand ich es noch ebenso. Wagener vermisste das Keimepithel bei alten Frauen, Waldeyer fand es noch bei einer 70jährigen Frau. Bei einem Kuhfötus von 12cm fand ich die nämlichen Ver- hältnisse, wie beim 5monatlichen menschlichen Fötus. Das Bild würde dem einer tubulösen Drüse bereits ausserordentlich gleichen, wenn nur der Gegensatz zwischen Epithel und Stroma schärfer markirt wäre. An Schnittpräparaten, die mit Haematoxylin ge- färbt und in Kanadabalsam eingeschlossen sind, erscheint die Ab- grenzung an viel mehr Stellen deutlich, als wenn man Durch- schnitte durch das gefrorene frische Organ in 3/, 0/o Kochsalzlösung oder in Jodserum untersucht. In diesen Medien erscheint die zwischen den Kernen befindliche Substanz durchsetzt von zahllosen feinen Tröpfehen, die ich aber deshalb nicht für Fett halte, weil sie sich mit Osmium nicht schwarz färben. An der Peripherie dieses Ovariums lag ein an vielen Stellen mehrschichtiges Keim- epithel, gegen welches die in Differenzirung begriffene tiefer ge- legene Masse an vielen Stellen gar nicht scharf abzugrenzen war. Die Aehnlichkeit eines solehen Ovariums mit manchen weichen Careinomen ist ausserordentlich gross und ist es für die Lehre von der Entstehung solcher Krebse, bei denen ein Zusammenhang mit epithelialen Theilen nicht nachweisbar ist, gewiss von Interesse, dass im Ovarium und im Hode physiologische Paradigmen von mit Epithel ausgekleideten Drüsen vorliegen, welehe nicht durch die Vereinigung des obern oder untern Keimblattes mit dem mitt- 468 K. Schulin: leren, sondern allein aus dem letztern durch örtliche Differenzirung hervorgegangen sind. Wenn auch die meisten Krebse sicher epi- thelialen Ursprunges sind, warum sollte nicht auch das Andere vor- kommen ? Die Entwicklung der Eier in den Zellbalken beginnt, wie Balfour ganz mit Recht angiebt, damit, dass in einem Theile der Zellen die Kerne eine andere Beschaffenheit annehmen. Man kann das besonders gut an mit Haematoxylin gefärbten Präparaten sehen und habe ich in Fig. 11 diese Verhältnisse von einem Smonatlichen menschlichen Fötus abgebildet. Schon im Keimepithel sieht man zweierlei Kerne, kleinere dunklere, längliche und grössere, hellere, runde. Letztere haben auch da, wo das Protoplasma schon ab- gegrenzt ist, einen grösseren Zellleib um sich. In den grössern Kernen tritt dann bald die netzförmige Struktur auf, die hier Bal- four zuerst beschrieben hat und mit deren weiterer Verbreitung sich ja bekanntlich in neuester Zeit Flemming so eingehend befasst hat. In den zunächst unter dem Keimepithel gelegenen rundlichen Zellhaufen, welche noch nicht scharf gegen das Stroma des Ovariums abgegrenzt sind, findet man dreierlei Kerne, einmal die beiden im Keimepithel gesehenen und dann noch ganz kleine, kreisrunde, scharf markirte und sehr intensiv gefärbte. Letztere sind gewöhnlich von einem wasserhellen Zellleib umgeben; ich halte sie für kernhaltige embryonale Blutkörperchen. Je grösser die Kerne sind, desto deutlicher ist die retieulirte Struktur in ihnen zu sehen. Bald nimmt dann auch der Zellleib an Masse zu; Verschmelzungen des Leibes mehrerer Eizellen, wie Balfour sie schildert, habe ich auch gesehen. Nach abwärts von diesen Zellhaufen liegen dann, nicht scharf abgegrenzt, Gruppen von Primordialfollikeln. Wenn man solche Bilder sieht, wie das hier abgebildete, begreift man, wie Foulis zu der Ansicht kommen konnte, die Granulosazellen entständen aus dem Stroma des Eierstockes. Es entsteht eben Alles aus derselben Quelle, und einmal bildet sich zuerst die Differenzirung zwischen Eiern und Granulosazellen, ein andermal zuerst die zwischen Granulosa und Stroma aus. Letzteres scheint bei der Kuh die Regel zu sein. In einer Hinsicht muss ich sowohl Kölliker, als Foulis widersprechen, nämlich darin, dass diese beiden Autoren annehmen, die Eiballen seien, ehe sie von Granulosa umkleidet und durch- Zur Morphologie des Ovariums. 469 wachsen würden, nackt. Niemals sah ich dieses, wenngleich ich zugeben muss, dass die Granulosazellen bisweilen sehr spärlich und abgeplattet sind. Am meisten entsteht der Anschein von nackten Eizellen, wenn man Schnitte durch den Eierstock von mehrwöchent- lichen Katzen untersucht (Vgl. Fig. 10). Doch auch hier findet man bei genauerem Zusehen endothelartig abgeplattete Granulosa- zellen, welche erst weiter nach abwärts durch grössere Exemplare ersetzt werden. Die Uebereinstimmung meiner Abbildung 10 mit der Pflüger’schen Fig. 1 u. 2 Taf. IV springt wohl ohne Weiteres in die Augen, nur konnte aber Pflüger mit seiner noch unver- vollkommneten Technik nicht Alles sehen, was man jetzt an in Osmium erhärteten Organen auf feinen Durchschnitten sehen kann. Aber selbst wenn es Stellen geben sollte, wo die Eier nackt sind, würde das doch nicht beweisen, dass sie nicht aus Zellen entstan- den sind, welche den Keimepithelien, wie den Granulosazellen gleichwerthig sind, wie ein Blick auf Fig. 9 lehrt, welche die der Fig. 10 entsprechende Gegend von der neugeborenen Katze zeigt. Hier hat man einfache epitheliale Balken, in welchen an manchen Stellen die Umwandlung in Eier eben beginnt. Eigenthümlich an diesem ebenfalls mit Osmium 1°, 24 Stunden lang behandelten Präparate ist, dass fast sämmtliche Zellen der Epithelbalken durch zarte Fäden untereinander verbunden sind. Interessant ist bei der weitern Entwicklung das Verhältniss der Eizellen zu den Granulosazellen in Beziehung auf Ernährung und Wachsthum. Zuerst also liegen ganz gleichwerthige, indifferente Zellen vor, die man, wenn man will, als Keimepithelien bezeichnen kann. Dann setzt der grösste Theil von ihnen an, sich zu Eiern weiter zu entwickeln, stellenweise mögen das sogar alle thun. Aber nicht Alle erreichen dass Ziel, sondern schon jetzt beginnt ein Kampf um’s Dasein, der sich in der Anwesenheit der vielen Uebergangsformen auf verschiedensten Stufen documentirt. Es handelt sich darum: wer wird Ei und wer nur Granulosazelle. Wenn der Kampf entschieden ist, hat man dann die jungen Primordialfollikel vor sich. In diesen ist die Eizelle bekanntlich von ganz überwiegender Grösse, die Granulosazellen dagegen sind anfangs sehr klein, kleiner als die Keimepithelien zu sein pflegen. Waldeyer, dem dieser Umstand bereits aufgefallen ist, erklärt ihn durch die Annahme, sie seien in reger Theilung begriffen. Möglich ist auch, dass die Kleinheit daher rührt, dass die Eizelle, 470 K. Schulin: welche in starkem Wachsthum begriffen ist, die Ursache dieser Atrophie ist. Sie bezieht ihr Ernährungsmaterial, da sie allseitig von Granulosazellen umgeben ist, zunächst von diesen, die ihre Einbusse dann wieder anderweitig ersetzen müssen; wenn die Eizelle viel braucht, werden die Granulosazellen stark in Anspruch ge- nommen und magern ab. Man erhält diesen Eindruck entschieden, wenn man in Fig. 9, 10 u. 11 die Ei- und Granulosazellen von oben nach unten verfolgt. Von dem Punkte ab, wo die Eier eine gewisse Grösse erreicht haben und nunmehr mit dem Wachsen für einige Zeit einhalten, gewinnen die Granulosazellen wieder ihre gewöhnliche Grösse. In dem Zustande des Primordialfollikels können Ei und Gra- nulosa äusserst lange verweilen. Bei der 35 jähr. Frau findet man noch reichliche Exemplare, die ebenso aussehen, wie beim Neu- geborenen. Da man sie beim Neugeborenen oder einige Monate nach der Geburt am reichlichsten und von da ab in immer mehr abnehmender Zahl findet, und da für den Menschen gar keine Thatsache vorliegt, welche dafür spräche, dass in der späteren Zeit noch neue Primordialfollikel entstünden, bleibt nichts übrig, als anzunehmen, dass sie einfach, ohne sich weiter zu verändern, erhalten bleiben. Bei manchen Thieren, bes. schön beim Hunde, finden sich allerdings auch im erwachsenen Zustande Erscheinungen, die man auf eine jetzt noch andauernde Entwicklung von Eiern beziehen könnte und in der That vielfach bezogen hat. Man sieht nämlich vom Keimepithel aus zahllose Fortsätze in die Tiefe sich erstrecken, so dicht, dass stellenweise ein papilläres Aussehen entsteht. Ab und zu findet sich darin und in dem Oberflächenepithel (Wagener) auch ein Primordialei. Nach der Tiefe zu findet man unmittelbar unter den untern Enden der Epithelzapfen die jüngsten Formen von Primordialfollikeln, dann ältere Follikel.e. Aus zwei Gründen neige ich dazu, dieses Bild mit Waldeyer als ein Stehenbleiben auf embryonaler Stufe aufzufassen, nicht als einen von neuem in Gang gekommenen Process. Einmal hat beim Hunde bis jetzt noch niemand ein Zwischenstadium gesehen, in welchem der Pro- cess sistirt, das Keimepithel vollkommen von der eiführenden Zone getrennt und das Verhalten der Eierstocksoberfläche überhaupt ein solches gewesen wäre wie z. B. beim Menschen. Dann hat noch Niemand bei nicht mehr ganz jungen Hunden die allerersten Zur Morphologie des Ovariums. 471 Stadien der Eientwicklung gesehen, die indifferente Protoplasma- lage, wie man sie bei Fötus findet. Man findet immer nur Bilder, welche in der scharfen Trennung zwischen Epithel und Stroma, in der Weiterentwieklung einzelner Zellen zu Eiern u. s. f. den Charakter eines etwas weiter vorgeschrittenen Processes an sich tragen und, wenn man bedenkt, dass beim Menschen Primordial- follikel sich Jahrzehnte lang unverändert erhalten können, dann erscheint es doch sicher wahrscheinlicher, dass auch hier ein stehengebliebener, nicht ein von neuem in Gang gekommener Process vorliegt. Bei der Katze bleibt die Abschnürung der einzelnen Follikel von den Pflüger’schen Schläuchen auch noch lange Zeit unvoll- ständig; bei der erwachsenen Katze fand ich vielfach noch lange Eiketten, mit vielen Eiern. Pflüger vermuthete, dass bei den Katzen eine periodische Neubildung von Eiern stattfinde, welche er mit dem in der Pflanzenwelt stattfindenden periodischen Wachs- thum vergleicht. Ich untersuchte in allen Monaten des Jahres Eierstöcke von Katzen, fand aber in Beziehung auf die Entwick- lung der Eier stets die gleichen Verhältnisse, so dass mir nichts für diese Vermuthung zu sprechen scheint. Beim Menschen fand ich die Verhältnisse so, wie Waldeyer sie schildert. Beim 3 jährigen Kinde fand ich häufig Primordial- follikel mit bis zu 8 Eiern, welche in dem länglichen Follikel meist dicht gedrängt und gegen einander abgeplattet, selten theil- weise durch Granulosazellen getrennt lagen. Um die Eihaufen herum zog stets ein einfacher Kranz von Granulosazellen. Stellen- weise erschien das Protoplasma der einzelnen Eier nicht scharf getrennt. Ob hier nur Theilungsstadien oder vielleicht auch, wie Götte das für die Unke will, Vereinigungsbilder vorliegen, wage ich nicht zu entscheiden. Grössere Eier mit mehreren Kernen von verschiedener Grösse, wie Balfour das beschreibt, sah ich auch. Von den vereinzelten Beobachtungen über das Vorkommen von Epithel- zapfen mit Eiern bei erwachsenen Weibern (Koster)!) gilt dasselbe, wie vom Hunde; es handelt sich hier jedenfalls um ein seltenes Vorkommniss, denn bei 4 Wöchnerinnen, welche ich hierauf unter- suchte, konnte ich nicht einen Epithelzapfen finden. Wenn man einen Durchschnitt durch das Ovarium eines 1) Archiv. neerland. des sciences exactes et naturelles. IV. 1869. S. 363. 472 K. Scehulin: kleinen Kindes macht, findet man zwischen den gewöhnlichen Pri- mordialfollikeln immer einzelne, welche sich neben ihrer etwas ver- mehrten Grösse besonders durch die intensivere Färbung ihrer Granulosa mit Karmin oder Haematoxylin auszeichnen; ebensolche findet man auch im Ovarium erwachsener Personen und liegt hier offenbar der Beginn der Weiterentwicklung vor, welcher von der enormen Zahl der Primordialfollikel, die beliebige Zeit in ihrem Zustande verharren können, nur bei ganz vereinzelten eintritt. Ueber den Grund dieser Bevorzugung von einigen Wenigen gegenüber der grossen Menge weiss man nichts, Thatsache ist nur, dass sehr frühe sich in unmittelbarer Umgebung der wachsenden Follikel feine Gefässschlingen zeigen, während grössere Bezirke mit vielen unveränderten Primordialfollikeln gefässlos zu sein pflegen. Ob dieses Gefässwachsthum Ursache oder Folge des Follikelwachsthums ist, ist sehr schwer zu entscheiden, Thatsache ist nur, dass ebenso, wie bei den Geweben der Bindesubstanz, im Knochengewebe, im Fettgewebe u. s. f., so auch hier die Verän- derungen der Zellen mit solchen der Gefässe sich decken. Dann wachsen eine Zeit lang Granulosa und Ei gemeinschaft- lich, doch sehr bald gewinnt das Wachsthum der Granulosa, die sich zu schichten beginnt, bedeutend das Uebergewicht, wie man am besten aus nachfolgender Tabelle erkennen wird. Maasse von 34 Eifollikeln eines 3jährigen Kindes, entnommen von in Glycerin eingelegten Durchschnitten durch das in doppelt- chromsaurem Kali und Alkohol erhärtete Organ, so dass sie also nur relativen Werth besitzen. Follikel.e. Ei. Zona. Keimbläschen. 1) 54u 30 u 0 12 u 2) 60 42 0 18 syn ma 36 0 18 Ay 12 42 3u 21 5) ai: 60 6 18 6) 84 66 3 24 7) 102 60 3 21 8) 108 60 3 21 9) 138 60 6 18 10) 150 90 8 24 11) 156 90 6 27 12) 162 72 6 24 13) 168 84 6 24 Zur Morphologie des Ovariums. 473 Follikel.e. Ei. Zone. Keimbläschen. 14) 168 u 66 u 6 u 24 u 15) 180 96 9 24 16) 180 108 6 27 17) 186 78 12 unsichtbar 1874,80 Re 9 21 19) 270 90 9 30 20) 390 96 12 30 21) !) 420 102 9 24 22) 480 90 9 24 23) 540 90 9 30 24) 600 84 12 24 25) 720 90 9 24 26) 900 90. 9 unsichtbar 27) 900 96 9 30 28) 900 120 9 27 29) 900 90 12 24 30) 1080 120 12 30 31) 1200 96 9 24 32) 1200 84 12 unsichtbar 33) 1200 96 12 24 34) 1500 102 12 24 Das wichtigste Resultat, welches aus dieser Tabelle hervor- geht, ist die Thatsache, dass das Ei seine definitive Grösse erlangt, bevor der liquor follieuli zur Entwicklung gelangt, zu einer Zeit, wo der Follikel sich noch in einem Zustande befindet, wie der grösste Follikel in Fig. 14. Zur Ergänzung zunächst noch folgende Tabellen: Maasse von 6 Eifollikeln eines 7jährigen Kindes, ebenso be- handelt, wie die obigen: Follikel. Ei. Zona. Keimbläschen. 1), 0132 u 66 u 6u 24 u 2) 300 96 6 30 3) 800 114 6 30 4) 900 90 g 30 5) 1200 108 6 24 6) 1500 114 6 unsichtbar 1) Beginn der Entwicklung des Liquor follieuli. 474 K. Schulin: Maasse von 3 Eifollikeln eines 30jähr. Mädchens, ebenso be- handelt: Follikel. Ei. Zona. Keimbläschen. 1) 2 400.1. 10a 24 2) 1500 4 12 30 3):u0.2800,. 0.8 „12 24 Ueber die Kennzeichen der Reife des Eies und den Zeitpunkt, wann dieselbe eintritt, finden sich nur sehr wenige Mittheilungen in der Literatur. Bischoff!) sagt hierüber: Die reifsten Eier sind immer die grössten. Der Dotter ist beim reifsten Ei am vollsten und dichtesten und enthält die meisten Dotterelemente; die Zahl der grössern Dotterbläschen scheint ab-, die der kleinern scheint zuzunehmen. Das Keimbläschen, welches sich beim unreifen Ei mehr im Centrum befindet, liegt beim reifen Ei peripher und er- scheint bisweilen in einem Ausschnitte des Dotters (Hund). Im ganz reifen Ei kann es fehlen. Möglicherweise bezeichnet das Schwinden des Keimfleckes, dem des Keimbläschens vorausgehend, die volle Reife. Die auffallendste Veränderung und ein sicheres Zeichen der Reife ist nach Bischoff das Ausziehen der Zellen des Discus in Fasern, wodurch das Ei ein strahliges Aussehen er- hält (Hund, Kaninchen). Thomson erwähnt ebenfalls, dass das Keimbläschen im reifen Ei an die Oberfläche rücke und vor der Ausstossung des Eies verschwinde. Reichert?) bestreitet die Richtigkeit der von Bischoff über das Ausziehen der Zellen des Discus zu Fasern gemachten Angaben. Hensen?) tritt dagegen wieder Bischoff bei. Er giebt als Zeichen der Reife des Follikels an, dass derselbe auf Druck mit einer Nadel leicht platze. Meiner Ansicht nach ist ein Ei dann als reif zu bezeichnen, wenn alle seine Bestandtheile eine mittlere Grösse, die für das einzelne Thier nur durch besondere Messungen zu constatiren ist, erlangt haben, und wenn besonders der Dotter gut entwickelt und 1) Beweis der von der Begattung unabhängigen Reifung der Eier 1844, S. 6. 2) Die Entwicklung des Meerschweinchens, Berliner Abhandlungen, 1861, (K) S. 105. 3) Zeitschrift für Anatomie, I, 219. Zur Morphologie des Ovariums. 475 mit Dotterkörnern erfüllt ist. Wohl zu unterscheiden ist aber zwischen Reife des Eies und Reife des Follikels. Die erstere scheint ausserordentlich früh einzutreten, so dass sie ungefähr zu der Zeit vollendet ist, wo die Entwicklung des Liquor follieuli ihren Anfang nimmt. Man findet reife Eier auch schon in ausserordentlich frühen Zeiten des Lebens. Vollkommen ausgebildete Follikel mit Flüssig- keit und Eiern sah nach Thomson!) zuerst Vallisnieri?) schon beim Neugeborenen. Dann machten die gleiche Beobachtung Carus’), Thomson und Leuekart*). Nach dem letztern Autor entwickeln sich die Follikel zuerst zur Zeit der Geburt, beim Rind und Schwein schon früher. Eine Reihe anderer Forscher, die dasselbe sahen, nennt Sindty°), welcher ebenso, wie Slaviansky®), bestätigende Beobachtungen hierüber mächte. Kölliker”) fand vollkommen entwickelte Follikel hie und da schon in den letzten Monaten des Fötallebens und fand in den I—1,1mm grossen Follikeln des Kindes in den ersten Lebensmonaten vollkommen reife Eier. Ich fand in Follikeln beim neugeborenen Kinde ebenfalls Eier, welche vollkommen die nämliche Grösse und Beschaffenheit hatten, wie die den grössten Follikeln bei erwachsenen Frauen entnom- menen. Bei solchen Thieren, welche sehr reichliche Dotterelemente besitzen, wie die Katze, die Kuh u. s. f. kann man sich überzeugen, wie früh diese auftreten. Die besten Methoden sind frische Unter- suchung in Jodserum oder Färbung mit Osmium 1°/, 24 Stun- den lang. In den oben in Abschnürung begriffenen Follikeln in den tiefern Theilen der Fig. 10 u. 11 zeigen die Eier bereits reich- liche Dotterelemente. Bei der frischen Untersuchung von Zupf- A 2] 2) Sin&ty citirt dessen Arbeit: Opere fisico-mediche, stampate e ma- noscritte, del cavalier Antonio Valisneri, raccolte da Antonio suo figliuolo. Venezia 1733, t. 1I, p. 165, obs. 22. 3) Müller’s Archiv 1832, S. 379. 4) Artikel Zeugung in Rudolf Wagner’s Handbuch der Physiologie, Bd. IV, 1853, S. 787. 5) Archives de Physiologie, 1875, S. 502. 6) ebenda 1874. 7) Gewebelehre, 1867, S. 555. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 32 476 K. Sehulin: präparaten erhielt ich aus den Eierstöcken von jungen Katzen und Kälbern Eier von genau derselben Beschaffenheit, insbesondere derselben Ausbildung des Dotters und derselben Grösse, wie ich sie in den grössten Follikeln der erwachsenen Thiere fand. Durch die Thatsache, dass die Dotterelemente sich in so früher Zeit entwickeln, wird der Ansicht Lindgren’s, dass die Dotterelemente der Säugethiere sich in der von His für die Eier der Fische und Vögel vermutheten Weise durch einwandernde Granulosazellen entwickeln, insofern der thatsächliche Boden ent- zogen, als, wenn die Dotterelemente auf diese Weise entstehen, das keinenfalls in den grossen Follikeln beobachtet werden kann, welchen Lindgren seine Eier entnahm. Hätte derselbe auch kleine Follikel in den Bereich seiner Untersuchung gezogen, so würde er vor seinem Irrthume wohl bewahrt geblieben sein. Um darüber in’s Klare zu kommen, ob bei der Entwicklung der Dotterelemente eine Einwanderung von Granulosazellen eine Rolle spielt, untersuchte ich zahlreiche Follikel von der entsprechen- den Grösse. Besonders leicht kann man viele derselben beim Hunde zu Gesicht bekommen, ebenso bei der Katze, während sie beim Kinde ausserordentlich viel spärlicher sind. An unzweifel- haft gesunden Follikeln fand ich niemals etwas, was in dem Sinne der His’schen Lehre hätte gedeutet werden können. Dagegen kamen mir an in Glycerin eingelegten Schnitten einige wenige Male zweifelhafte Fälle zur Beobachtung, von denen ich einen in Fig. 15 abgebildet habe. Der Dotter füllt hier die Zona nicht voll- kommen aus und scheinen einige mit verzweigten Ausläufern ver- sehene Zellen zwischen beiden zu liegen; einige Fortsätze scheinen die Zona zu durchsetzen. Mit Rücksicht darauf, dass ich eine sehr grosse Anzahl von Follikeln dieser Grösse, — beim Hunde mehrere Hundert — gesehen habe, in welchen der Dotter die Zona voll- kommen ausfüllte und keine Spur einer Einwanderung von Granu- losazellen zu bemerken war, sowie ferner mit Rücksicht auf das später über die in anderen Fällen stattfindende Einwanderung von Granulosazellen zu bemerkende, wage ich nicht, in solchen ein- zelnen Beobachtungen eine Stütze für die His-Lindgren’sche Anschauung zu finden, sondern halte ich an der alten Ansicht fest, dass die Dotterelemente sich durch eine Ausscheidung innerhalb des Protoplasma’s bilden, für welche das Material durch Endos- mose von aussen her geliefert wird. Zur Morphologie des Ovariums. 477 Gegen die Annahme einer Betheiligung von Diffusionsvor- gängen bei der Entwicklung der Dotterelemente führt Lindgren eine Erörterung von His in’s Feld. Derselbe sagt, das reife Hühnerei enthalte über 50 pCt. feste Bestandtheile, unter letztern etwas über 16 pCt. Eiweiss und Salze, der Rest bilde Leeithin, Nuklein, Cholesterin und Fette, also nicht diffusionsfähige Stoffe. Wenn diese nieht in Substanz in das Ei gelangt seien, müssten sie sich in ihm aus den löslichen Stoffen des Plasmas gebildet haben. Das Blutplasma enthalte über 90 pCt. Wasser, der reife Eidotter kaum 50 pCt. Dieses Verhältniss sei von vorn herein sehr ungünstig für einen durch Diffusion bedingten Eintritt fester Stoffe in das Ei. Ueber den Druck im Innern fehlen bis jetzt direckte Messungen; ein hoher Druck könnte allerdings einen Wasseraustritt erklären, allein damit falle wieder die Kraft dahin, welche Stoffe in das Ei hineintreibe. Endlich solle man bedenken, dass die ”—8grm fester Dotter- substanz mit Ausnahme eines verschwindend kleinen Anwurfes sich im Laufe von 6—8 Tagen angesammelt haben, dass die zur Aufnahme dienende Oberfläche klein sei und aller der Einrichtungen entbehre, die man an absorbirenden Flächen zu finden gewohnt sei. Die Annahme von Zelleneinwanderung löse alle diese Schwie- rigkeiten, sie sei freilich noch nicht thatsächlich beobachtet. Ich glaube nicht, dass nach dem was die neuern Unter- suchungen, besonders die von Pfeffer, über die an der Oberfläche des Protoplasmas stattfindenden Diffusionsvorgänge ergeben haben, ein Hinderniss für die Annahme bilden, dass die kolossale Stoff- anhäufung im Ei durch Diffusion entstanden se. Man kann zweierlei als gesichert betrachten: einmal, dass die Oberfläche des Protoplasmas auch wenn sie keine optisch sichtbare Membran besitzt, sich dennoch so verhält, als ob sie von einer Membran überkleidet wäre, welche die Eigenthümlichkeit besitzt, gewisse Stoffe hindurchzulassen und andern den Durchtritt zu verweigern, und zweitens, dass das Protoplasma die Fähigkeit besitzt, gewisse Stoffe in andere umzuwandeln. Wenn so z. B. eine Zelle, deren Oberfläche die Fähigkeit besitzt, Traubenzucker durchzulassen, für Rohrzucker aber undurchgängig ist, und deren Protoplasma die Fähigkeit besitzt, Traubenzucker in Rohrzucker umzuwandeln, von einer noch so verdünnten Traubenzuckerlösung umspielt ist, wird 478 K. Schulin: dieselbe sich allmählich mit Rohrzucker anfüllen. Sie zieht aus ihrer Umgebung immer etwas Traubenzucker an, weil sie in Folge des Umstandes, dass ihr Protoplasma den eben aufgenommenen Trau- benzucker alsbald in Rohrzucker umwandelt, stets noch weniger enthält, als diese und der neugebildete Rohrzucker muss sich anhäufen, weil er nicht heraus kann; die einzige Folge dieser Anhäufung wird eine kolossale Drucksteigerung sein, indem der Rohrzucker Wasser an sich zu ziehen strebt. Auch diese Folge wird ausbleiben, wenn statt des Rohrzuckers aus dem Trauben- zucker eine in Wasser unlösliche Substanz gebildet wird. Ich weiss allerdings in keiner Weise, welche Stoffe in das Ei hinein diffundiren und auf welche Weise dieselben dann umge- wandelt werden, es kommt mir nur darauf an, hervorzuheben, dass _prineipiell einer Erklärung der Thatsachen, welche man am Ei beobachtet, durch Diffusionsvorgänge nichts im Wege steht. Der geringere Wassergehalt des Eidotters gegenüber dem Blutplasma ist kein Hinderniss für einen Eintritt von Stoffen in das Ei, so lange die Stoffe im Ei andere sind, als ausserhalb. Ferner kann der hohe Druck im Innern einen Wasseraustritt niemals erklären, da er ja grade durch Neigung zum Wassereintritt entsteht. Aber eben deshalb, weil die meisten Stoffe im Ei unlöslicher Natur sind, braucht kein hoher Druck im Innern desselben zu existiren. Die Möglichkeit eines Eintrittes von festen Stoffen in das Ei auf einem andern Wege, als durch Diffusion, liegt allerdings darin vor, dass, wie schon mehrere Autoren, z. B. Pflüger, Wal- deyer und Wagener, beobachtet haben, noch in vorgerückten Stadien ein direkter Zusammenhang des Protoplasmas der Eizelle entweder mit andern Eizellen oder Granulosazellen stattfindet, so dass also die Möglichkeit einer Anhäuiung von Stoffen durch Protoplasmaströmungen nicht ausgeschlossen ist. Diese würden natürlich erst recht nicht unter hohem Drucke vor sich gehen. Pflüger!) fand bei sehr jungen, noch keinem Follikel an- gehörenden Katzeneiern einen Gegensatz im Verhalten der peri- pheren und der centralen Dotterschichten. Ein blasser, ringför- miger, scharf umgrenzter, Hof umgibt das Keimbläschen. Später wird der innere Hof feinkörnig und verliert die scharfe Begrenzung, 1). 0.8478. Zur Morphologie des Ovariums. 479 während die äussere Abtheilung hyalin und klar erscheint, bei Untersuchung in humor aqueus. Dann hellt sich der innere Hof wieder auf und scheint bei den grössten noch durchsichtigen Eiern keine Körnehen mehr zu enthalten. Besonders auffällig fand Pflüger die Schärfe der Grenze des innern Hofes; die Grenze war strahlig und einige der Fortsätze gingen bis zur Zona. Später wird dann durch die Entwicklung der Dotterelemente der Einblik in das Innere gestört. Pflüger denkt an die Möglichkeit, dass nach der Befruchtung der äussere Dotter gelöst würde und die flüssige Masse bilde, welche den retrahirten Dotter umgiebt. Man könnte ihn als Nah- rungsdotter bezeichnen. Der andere, der Bildungsdotter, müsste alsdann aber auch wieder Körnchen produeiren. Balbiani (Frey, Histologie, übersetzt von Ranvier, Paris 1871 S. 103. Fig. e) fand nach Kölliker!), dass der von Ba- trachiern bekannte Dotterkern auch im Ei der Säugethiere und des Menschen vorkomme. Ich vermuthe, dass das, was Pflüger gesehen hat, auch solehe Dotterkerne gewesen sind. In den meisten Fällen fand ich bei jungen Eiern, welche ich hierauf untersuchte, keine Spur von dem, was Pflüger schildert. Den Beginn des Auftretens der Dotterkörner fand ich in regellosester Weise an den verschiedensten Stellen des sonst ganz gleichartig feinkörnigen Dotters. In einigen Fällen dagegen fand ich zwischen der Zona und dem Keimbläschen noch einen zarten, aber scharfen, kreisförmigen Contour, den ich in Fig. 13b von einem Fledermäuseei abgebildet habe. Beim menschlichen Ei fand ich in einigen wenigen Fällen auch Andeu- tungen davon; so ist in Fig. 14a in dem grössten Follikel das Keimbläschen von einer nach aussen scharf abgesetzten wasser- klaren Zone umgeben. Die Abbildung ist allerdings einem erhär- teten, in Glycerin liegenden Präparate entnommen, doch muss an diesem Eie auch in frischem Zustande etwas besonderes gewesen sein, denn an andern gleich grossen Eiern aus demselben Oyarium fand ich nichts derartiges. Endlich sah ich den Contour, aber niemals gezackt, wie in den von Pflüger beobachteten Fällen, sondern stets kreisrund, so wie man ihn am Froschei sieht, in einzelnen Eiern des Hundes und der Katze. 1) Entwicklungsgeschichte, 2. Aufl., 8. 51. 480 K. Schulin: Ueber die von Pflüger geschilderten Contractionserschei- nungen an jungen Eiern habe ich keine Erfahrungen; meine nach dieser Richtung angestellten Bemühungen ergaben stets ein nega- tives Resultat. Wenn an den Primordialfollikeln die Granulosa eine stärkere Entwicklung erlangt hat, so dass sie aus mehreren Zellenlagen besteht, dann zeichnet sich sehr bald die äusserste Zellenlage und die das Ei zunächst umgebende durch intensivere Tinctionsfähigkeit und mehr eylindrische Form aus. Die von Bischoff als charak- teristisch für die Reife des Eies erklärte strahlenförmige Anordnung und Verlängerung der Zellen des Discus findet sich beim Hunde schon ausserordentlich früh, entschieden ehe die Eier ihre definitive Grösse erreicht haben. In andern Fällen, z. B. beim Schaf, der Kuh und dem Menschen kommt sie niemals zur Entwicklung. Beim Hunde und besonders schön beim Schwein werden nach und nach alle Zellen der Granulosa cylindrisch und zeigen die besonders eingehend von Wagener geschilderte stäbehenförmige Anordnung des Zellinhaltes. Beim Menschen fand ich hiervon nie etwas, sondern besteht die ganze Granulosa aus Rundzellen. Die Abscheidung des Liquor follieuli beginnt fast immer gleichzeitig, oder wenigstens nach und nach, an mehreren, oft an sehr vielen Stellen in Form von anfangs rundlichen, dann durch Zusammenfliessen vielbuchtigen Hohlräume. Bei denjenigen Thieren, bei welchen es zur Entwicklung grosser Graaf’scher Bläschen kommt, fliessen die Hohlräume nach und nach zusammen und wird das Ei an eine Stelle der Wand gedrängt. Der Sitz dieser Stelle wird insofern sehr verschieden angegeben, als die Einen ihn immer möglichst nahe an der Oberfläche des Eierstockes, die Andern im Gegentheil möglichst entfernt von dieser fanden. Ich fand ihn ebenso wie Waldeyer, bald hie, bald da. Vom Schaf besitze ich ein Präparat, in welchem man in einem etwa 3 mm grossen Follikel zwei Eier sieht, das eine an der oberflächlichsten, das andere dem grade gegenüber an der tiefsten Stelle des Follikels. Eine Folge der gleichzeitigen Entwicklung des Liquor folli- euli von mehreren Stellen aus ist es, dass man in kleinern Folli- keln, besonders schön beim Kaninchen, andeutungsweise auch bei andern Thieren und beim Menschen, den das Ei umgebenden Theil der Granulosa mit dem die Wand überziehenden oft durch Zur Morphologie des Ovariums. 481 mehrere Brücken verbunden sieht, in der Art, wie ich das in Fig. 16 vom Kaninchen abgebildet habe. Barry!) hat diese Brücken zuerst gesehen und als Retinacula bezeichnet. Bischoff?) hat sehr mit Unrecht ihre Existenz in Abrede gestellt. Hensen?) hat sie in neuester Zeit wieder gesehen. Auf die gleiche Weise erkläre ich mir das Zustandekommen der in Fig. 16 in dem die Wand überziehenden Theile der Gra- nulosa abgebildeten runden Lücken. Dieselben wurden nach Bi- sehoff (Kaninchenei) zuerst gesehen von Bernhardt), welcher sie für Fettbläschen hielt; dasselbe urtheilte Rudolf Wagner’) darüber. Bischoff, der sie beim Kaninchen und einmal beim 25 jährigen Mädchen sah, glaubte eine Zellmembran und einen Kern daran zu unterscheiden und hielt dafür, dass sie zur Bildung neuer Eier und Follikel bestimmt seien. Dieselbe Ansicht stellten ver- muthungsweise in neuerer Zeit Call und Exner‘) auf, obwohl sie nicht, wie Bischoff, Zellmembranen und Kerne zu sehen glaubten. Auch ich sah von letzteren Gebilden niemals eine Andeutung und gebe ihnen deshalb die oben erwähnte Deutung. Ueber die Art und Weise der Entwicklung des Liquor folli- euli stellte Waldeyer die Vermuthung auf, dass dieselbe direkt durch eine Umwandlung des Protoplasma’s der Granulosazellen geschehe; man findet im liquor allerdings öfters freie Kerne und zwar neben solchen von der gewöhnlichen Grösse auch andere, die doppelt und mehr als doppelt so gross sind. Diese letztern zeigen besonders schön die netzförmige Struktur. Der Umstand, dass die Entwicklung des liquor gerade in dem Zeitpunkte be- ginnt, wo das Ei die Höhe seiner Entwicklung erreicht hat, erregt den Anschein, als ob von dem Momente ab, wo es keine weitern Ansprüche macht, ein Ueberschuss von Ernährungsmaterial sich in der Granulosa ansammle, der, soweit er nicht bei der Vermehrung der Granulosazellen selbst verbraucht wird, als Flüssigkeit abge- schieden wird. 1) Philos. Transactions, 1838, II, p. 324. 2) Kaninchenei, 8. 3. sy1..€ 4) Symbolae ad ovi mammalium historiam ante praegnationem pag. 11 u. 16, Fig. XVI. 5) Abh. der math.-physik. Klasse der Baier. Akad., 1857, I, Fig. Ice. 6) Wiener Sitzungsber. 1875. 482 K. Schulin: I. Das reife Säugethierei. Nachdem wir nunmehr die Entwicklung des Eies und seines Follikels verfolgt haben, möchte ich kurz auf einige den Bau des fertigen Eies betreffende Fragen eingehen. Eine sehr wich- tige Frage ist zunächst die, ob das Säugethierei ebenso, wie das Fischei eine Mikropyle besitzt. Von positiven Beobachtungen liegt hierüber nicht viel vor. Zunächst die bekannten, überall eitirten Beobachtungen Barry!) von Derselbe sah mehrfach Oeffnungen in der Zona von Kanincheneiern, die nach den Abbildungen eine bedeutende Grösse besassen. Er sah sie am befruchteten und unbefruchteten Ei. Nicht als Bestä- tigung für diese Fälle, die er für künstliche Risse hält, sondern als eine Beobachtung ganz eigener Art, beschrieb dann Meissner?) eine Oeffnung in der Zona eines in der Furchung begriffenen Ka- nincheneies. Dieselbe hatte den kolossalen Durchmesser von !/yo P. L. (=56 ), während z. B. die Mikropyle des Lachseies nach His?) nur einen Durchmesser von 4 u besitzt. Der Dotter war unverletzt und wölbte sich zu der Oeffnung uhrglasförmig heraus. Die Untersuchung einer grossen Anzahl von Eierstockseiern ver- schiedener Säugethiere auf eine ähnliche Oeffnung ergab ein nega- tives Resultat und enthielt Meissner sich in Folge dessen der Entscheidung darüber, ob diese Oeffnung als normal anzusehen sei oder nicht. Sehr entschieden trat Pflüger für die Existenz einer Mikro- pyle in die Schranken. Er sah‘) bisweilen bei Katzen die Zona von einem runden Kanal durchsetzt und zuweilen in diesem einen Zeilenfortsatz, welcher nach innen und aussen mit einer ent- schiedenen Zelle in Zusammenhang war (Taf. V. Fig. 5). Seine 1) Philos. Transactions, 1840, S. 533, Tfl. XXII u. XXIII Fig. 165, 167, 168 u. 169. 2) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. VI, 1855, S. 248, Tfl. VII, Fig. 11. 3) Untersuchungen über das Ei und die Eientwicklung bei Knochen- fischen. 1873, 8. 3. 4) Ueber die Eierstöcke der Säugethiere u. des Menschen. 1863, 8.82. Zur Morphologie des Ovariums. 483 Untersuchungsmethode war die Zerzupfung feiner Lamellen des frischen Eierstockes junger Katzen. Nur wenige Seiten vorher (S. 76) schildert Pflüger denselben Vorgang des Eindringens von Granulosazellen durch die Zona hindurch als eine Degenerations- erscheinung und ist kein Grund einzusehen, warum er nicht auch solche, wie die S. 32 gemeinten, Eier als regressive Stadien auf- fasst. Doch werde ich hierauf noch ausführlich zurückzukommen haben. Die Anwesenheit einer Mikropyle erschliesst Pflüger ausserdem noch aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen (S. 82). Endlich liegen noch 2 positive Beobachtungen vor, welche für die Annahme einer Mikropyle verwandt wurden. Van Bene- den!) sah einmal an einem Kuhei einen feinen, trichterförmig die Zona durchsetzenden, Kanal, aus welchem bei Anwendung eines leichten Druckes die Dotterkörner eines hinter dem andern aus- traten. Leider sagt er nicht, wo die Oeffnung sass, ob, was das Wahrscheinlichste ist, an der Peripherie des optischen Querschnittes des Eies, oder sonst wo. Sodann hatte das Ei, als van Beneden die Oeffnung sah, doch wohl schon einen Druck erfahren; denn er weist die Annahme, dass dieser Kanal durch Druck entstanden sei, nur deshalb zurück weil derselbe so fein sei. Wenn man einen zu starken Druck anwende, entstehe plötzlich eine breite Spalte. Van Beneden überzeugte sich denn auch später davon, dass dieser Kanal ein Kunstprodukt gewesen sei, er erfuhr aber hierin Widerspruch durch Lindgren), welcher, ebenfalls einmal, bei einem Kaninchenei, eine mit der van Beneden’schen vollkommen übereinstimmende Beobachtung machte. Er hatte als er den Kanal sah, ein Deckglas bereits aufgelegt, hält ihn aber doch nicht für ein Kunstprodukt, weil ein Sprung anders aussehe und weil er eine andere Möglichkeit der Erklärung seiner Entwicklung gefun- den zu haben meinte, worüber später. Trotzdem ist dieser Kanal ein Kunstprodukt, wie man sich an jedem Ei auf folgende Weise überzeugen kann. Das feinste Compressorium ist die von Auerbach?) angegebene Methode der Compression durch Capillar-Adhäsion. Man setzt dem von seinem 1) Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. M&moires de l’Acad&mie royale de Belgiques. Tome XXXIV, 1868, p. 147. 2) Archiv für Anatomie u. Entwicklungsgeschichte. Jahrg. 1877, S. 357. 3) Organologische Studien. Heft II, S. 181. 484 K. Schulin: Discus befreiten Ei einen grossen Tropfen Liquor follieuli oder sonst einer indifferenten Flüssigkeit zu und legt ein möglichst kleines Deckglas auf. Das Ei erleidet hierdurch keinen Druck, wie daraus hervorgeht, dass sein Querdurchmesser nicht vergrössert ist. Nachdem man jetzt unter dem Mikroskope eingestellt hat, bringt man einen schmalen Streifen Filtrirpapier so an, dass der- selbe allmählich die Zusatzflüssigkeit aufsaugt. Man sieht alsdann den Querdurchmesser des Eies allmählich zunehmen. Nachdem diese Zunahme einen bedeutenden Grad, bisweilen über 50 %, er- reicht hat, entsteht plötzlich ruckweise an einer, vorher durch nichts ausgezeichneten, Stelle der Peripherie eine ganz feine Oeff- nung, aus der die Dotterkugeln mit mässiger Geschwindigkeit, eine hinter der andern, austreten. Die Oeffnung imponirt Anfangs als ein 2—3 u weiter Trichter und gestaltet sich erst nach einiger Zeit, wie das schon Bischoff abgebildet hat, zu einem einspringen- den Winkel. Nie trat die Oeffnung an einer andern Stelle auf, als an der Peripherie, stets entstand sie plötzlich; deshalb und, weil ich vorher niemals eine Andeutung von ihr erkennen konnte, halte ich sie für artificiell. In vollkommen übereinstimmender Weise fand ich dieses an über 40 Eiern verschiedener Säugethiere und des Menschen. Wenn eine präformirte Oeffnung vorhanden wäre, hätte bei der bedeuten- den Dehnung, welche die Zona erfährt, ehe sie platzt, doch irgend wo einmal vorher Austritt von Dotter stattfinden müssen. Dass die Oeffnung Anfangs so fein ist, erkläre ich mir so. Erstens dürfte es sich mehr um ein Zerbrechen durch Knickung handeln, als ein Zerreissen durch Dehnung, da ja der Sprung ge- rade an der Umbiegungsstelle auftritt. Sodann wird durch die An- wesenheit der Flüssigkeitsschicht die Ausdehnung des Risses inner- halb der engsten Grenzen gehalten. Wenn man einen elastischen Körper mit der Hand zerdrückt, fährt man, wenn er platzt, in Folge der plötzlichen Aufhebung des Widerstandes noch einen Moment mit voller Kraft fort, zu comprimiren und quetscht den Körper platt. Die Compression durch Capillaradhäsion schiesst aber nicht in dieser Weise über das Ziel hinaus, sondern lässt nach dem Platzen der Zona sofort nach. In einigen Fällen kam es vor, dass die erst entstandene Oeff- nung sich wieder schloss und nach einiger Zeit an einer andern Stelle, ebenfalls ruckweise, eine andere entstand. Nach einiger Zur Morphologie des Ovariums. 485 Zeit trat in der Regel auch das Keimbläschen durch die Rissstelle hindurch, indem es sich verschmälerte, was es oft auch schon that, indem es zu der Oeffnung hinfloss.. Das Bild, welches das aus- tretende Keimbläschen gewährte, sah oft genau so aus, wie Pflügers Abbildung Tab. V Fig. 8. Er dachte selbst an diese Möglichkeit (S. 82), glaubte sie aber zurückweisen zu müssen. Hensen!) konnte ebenfalls niemals eine Mikropyle am Säuge- thierei finden. Gegen die Anwesenheit einer solchen spricht nach ihm auch die Thatsache, dass man die Spermatozoen von allen Seiten in die Zona eindringen und sich darin mit Leichtigkeit be- wegen sieht. Einmal sah Hensen einen zapfenförmigen Fortsatz des Dotters sich in die Zona hinein erstrecken. Er hält es für mög- lich, dass diese durch mechanische Einwirkung erzeugt worden sei. Ich glaube das nicht, denn ich sah bei menschlichen Eiern 2mal Fortsätze des Dotters sich in die Zona hinein erstrecken und hier verzweigen. Die Zweige liefen stellenweise der Oberfläche des Eies parallel. Ihre Zahl war gering, 3—4; eines der Reiser trat durch die ganze Zona hindurch und hing mit einer Granu- losazelle zusammen. Die Dicke dieses Reiserchens war unter 14. Mit einer Mikropyle hat das keinesfalls etwas zu schaffen. Die durch den Verlauf des Reiserchens nach dem Dotter hin vorge- zeichnete Bahn war ja viel zu fein, als dass ein Spermatozoon ihr hätte folgen können und verlief Ziekzack, in einer bedeutenden Länge (über 10°) der Peripherie des Eies parallel. Ein anderes Strukturelement, welches in der Zona beschrieben wird, ist die Radiärstreifung. Als Entdecker derselben gilt gewöhnlich Remak. Doch protestirt schon Bischoff in seiner Abhandlung über das Kanin- chenei (S. 5) dagegen, dass einige Autoren die Zona radiär ge- streift zeichnen. Remak?) giebt an, dass man an dem vom Discus befreiten Kaninchenei bei 250facher Vergrösserung in der Zona feine radiäre Streifen bemerke, von denen sich nicht bestimmen lasse, ob sie durch Kanäle oder Stäbe entständen. 1) Zeitschrift für Anatomie ete. 1876, S. 234. 2) Archiv für Anatomie u. s. f. 1854, S. 252. 486 K. Schulin: Leydig!) bestätigte diese Angaben für den Maulwurf. Er sagt, die Linien seien allerdings so fein, dass sie aufgesucht sein wollen; man sehe sie am besten an Eiern, welche, aus dem Fol- likel herausgefallen, eine durch Wasserzusatz aufgequollene Zona haben. Die Streifen stehen alsdann mehr auseinander und vollführen, wenn der Dotter zum Theil ausgeflossen, einige Schlängelungen. Reichert?) konnte beim Meerschweinchen die Radiärstreifung der Zona, die „bei den Eichen anderer Thiere vorkomme und von feinen Röhrchen herrühre“*, nicht finden. Pflüger?) erklärt die radiäre Streifung der Zona des Katzen- eies für eine constante Erscheinung. Ausserdem fand er bei dem- selben Thiere bisweilen, nach Behandlung mit Eisenchlorid und etwas Chlorwasserstoffsäure eine concentrische Schichtung der Zona. Die Radiärstreifen setzen sich nach ihm, wenigstens zu einer ge- wissen Zeit, in die radiär sich stellenden gestreckten Zellen der Membrana granulosa fort und vermuthet er, dass wenigstens ein- zelne Theile der Zona von der Granulosa abstammen. Die Zona bestünde darnach aus dichtgedrängten Stäbchen, die als abge- schnürte Enden cylindrischer Fortsätze von Granulosazellen aufzu- fassen wären. Quincke*) beobachtete am Kuhei und einmal andeutungs- weise an einem menschlichen Ei eine feine Radiärstreifung der Zona. Die Streifen erschienen bei starker Vergrösserung gerad- linig und leicht geschlängelt, zuweilen in der Mitte mit einer punkt- förmigen Anschwellung. Waldeyer?°) fand die Zona des reifen Eies stets fein radiär gestreift. Andere Autoren äusserten sich in entgegengesetztem Sinne. So ausser Bischoff noch Thomson®), welcher gegenüber Remak bemerkt, er habe auch eine Andeutung von Radiärstreifung ge- sehen, halte das aber nicht für ein Strukturelement der Zona, son- 1) Lehrbuch der Histologie. 1857, S. 511. 2) Abhandl. d. Berliner Akademie. 1862, S. 109. 3) l. c. S. 80 u. 81. 4) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XII, S. 485. 5) Eierstock und Ei. 1870, S. 41. 6) Todd’s Cyclopaedia of Anatomy and Physiology, vol. V, 1859, p. [83]. Zur Morphologie des Ovariums. 487 dern für den Ausdruck von der Zona adhärirenden Fortsätzen der Granulosazellen wodurch bei Anwendung von Druck eine Ra- diärzeichnung entstehe, wie das Bischoff auch mehrfach abge- bildet hat. Andere Autoren nehmen eine vermittelnde Stellung ein. So sagt Kölliker, nachdem er sich in der 5. Auflage seiner Gewebe- lehre für die Existenz der Radiärstreifung ausgesprochen hatte, in der 2. Auflage seiner Entwicklungsgeschichte (8. 43), die Zona sei „in gewissen Fällen wie von Porenkanälchen fein streifig“. Lindgren!) fand die Zona in reifen Eiern nicht selten voll- kommen homogen. In andern Fällen fand er eine Radiärstreifung, welche aber nicht in Form von einfachen feinen Linien, sondern von Kanälehen mit doppelt contourirtem Lumen erschien. Ob die- selben eine regelmässige Anordnung besitzen, wie man das von Fisch- oder Insekteneiern kennt, konnte Lindgren nicht unter- suchen, weil das einzige evidente Präparat, welches er hiervon besass, zu frühe zu Grunde ging. Er schreibt diesen Kanälchen eine Bedeutung für die Ernährung des Eies zu, auf welche ich noch ausführlich zurückkommen werde. Wagener?), der übrigens solche Bilder, wie Lindgren, auch gesehen hat, worüber später, fand Radiärstreifung an jungen Eiern des Maulwurfs. Er sah hier zahlreiche feine Fortsätze des Dotters durch die Zona hindurch zu den Granulosazellen ziehen. An der Reife nahen Eiern fand er statt dessen bisweilen sehr kleine radiär gestellte Vakuolenreihen in der Zona und an im Ei- leiter gefundenen Eiern eine eoncentrische Schichtung, welche er sich durch Abplattung der Vakuolen entstanden denkt. Van Beneden’°) fand neuerdings bei Fledermäusen in einigen Fällen eine Radiärstreifung, welche indessen auf die innere Hälfte beschränkt war, die äussere erschien körnig. An solehen Eiern, welche ich aus den oben angegebenen Gründen für reif und gesund hielt, fand ich bis jetzt niemals Ra- diärstreifung. Wenn man die Zellen des Discus nicht ganz ent- fernt hat, kann eine Täuschung in der von Thomson angegebenen Weise leicht stattfinden. Wenn man nicht genau auf die Mitte 1) 1. c. S. 354. 2) Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Jahrgang 1879. 3) Arch. de Biologie. T.I, 1880, S. 513. 488 K. Schulin: des Eies einstellt, glaubt man oft die Zona radiär gestreift zu sehen und erscheinen die Streifen in der That oft geschlängelt, beim Drehen der Mikrometerschraube gleichsam flammend. Sobald man aber die richtige Einstellungsebene erreicht hat, verschwindet die Streifung. In 2 Fällen von in Glycerin aufbewahrten erhärteten Eiern des Menschen und des Schweines, welche indessen Degenerations- erscheinungen zeigten, sehe ich bei schwächerer Vergrösserung Radiärstreifung. Die Streifung ist indessen schattenhaft ver- schwommen und bei Anwendung von starker Vergrösserung nicht zu sehen. Vermuthlich handelt es sich hier um feine Fältelungen. Endlich sah ich eine Andeutung von Radiärstreifung in einigen Fällen in jungen Maulwurfs- und Fledermäuseeiern (Rhinolophus hippocrepis), doch nur ganz vereinzelt. Die Substanz der Zona erschien bei frischer Untersuchung in Jodserum oder ?/4%o Kochsalzlösung stets fein staubförmig ge- trübt; öfters fanden sich grössere Körnchen (Fett?) darin. In ein- zelnen Fällen sah ich eine oder mehr spindelförmige Lücken in der Zona, wie ich eine in Fig. 15 abgebildet habe. Das Keimbläschen wird allgemein als vollkommen wasserklar geschildert; nur Wal- deyer beschreibt es als von feinkörniger Beschaffenheit. Bei Untersuchung in ®/4 %/o Kochsalzlösung fand ich es in vielen Fällen äusserst fein granulirt, während es in Jodserum stets wasser- klar erschien. Vermuthlich ist in letzterer Zusatzflüssigkeit die Granulirung in Folge von innerer Quellung (Auerbach) unsicht- bar. Eine netzförmige Struktur fand ich im Keimbläschen des reifen Eies niemals, dagegen sehr schön in dem des primordialen Eies, wie oben erwähnt. Betreffs der Zahl der in einem Ei vorkommenden Keimbläs- chen machten die meisten Beobachter die Angabe, dass es stets einfach sei. Pflüger hält das Vorkommen von mehreren Keim- bläschen in einem mit einer Zona versehenen Eie sogar für eine Unmöglichkeit, aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen ?). Da- gegen sah Thomson?) einmal beim Hunde ein Ei mit 2 Keim- 1) Eierstock und Ei. S.41 (Tfl. II, Fig. 19). 2) Die Eierstöcke etc. 8. 78. 3) Todd’s Cyclopaedia V, S. 88. Zur Morphologie des Ovariums. 489 bläschen. Ferner bildet Köllicker!) ein vollkommen ausgebil- detes Ei von einem 7monatlichen Kinde ab, welches 2 Keimbläs- chen enthält. Ich selbst fand beim 4jährigen Kinde mehrfach Eier mit 2 Keimbläschen und einmal beim 3jährigen Kinde ein solches mit 3 Keimbläschen (Fig. 6). Es ist immerhin an die Möglichkeit zu denken, dass die Düplieität des Keimbläschens Veranlassung zu Missbildungen geben kann. Der Keimfleck wurde schon von Wagner und Valentin als bisweilen granulirt geschildert und ersterer sah auch oft mehrere Keimflecke in einem Keimbläschen. Bischoff fand ihn immer, Leuckart nur fast immer einfach; letzterer fand ihn immer fein granulirt und beob- achtete auch bisweilen ein feines Körnehen in seinem Innern ?). Thomson?) fand bisweilen einige feine Körnchen im Keimbläschen neben dem Keimfleck. Waldeyer*) machte die letztere Beobach- tung ebenfalls; den Keimfleck schildert er als mattglänzend oder feinkörnig. Das von Leuckart im Keimfleck gesehene Korn wurde auch von Schrön beobachtet. Ueber den Dotter sind die Angaben der Autoren recht spärlic. Leuckart sagt, seine Masse sei bei verschiedenen Thieren und in verschiedenen Altersstufen desselben Thieres verschieden. Die Zahl der Fett- tröpfehen sei grösser bei ältern Eiern, am grössten bei Fleisch- fressern. Das Schwein und das Reh haben grosse neben kleinen, der Mensch und andere Thiere haben wenige und kleine Dotter- körner. Im Innern der grössern Dotterkörner finden sich nicht selten kleine Fettkügelchen. Leuckart sagt, die grössern derartigen Gebilde habe man nicht selten als Zellen gedeutet. Hiergegen spreche aber das Fehlen einer Membran und der Umstand, dass diese Gebilde sich nicht nach dem Zellentypus entwickeln. Sie 1) Gewebelehre, 5. Auflage, S. 559, Fig. 400 D. 2) Artikel Zeugung in R. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Band IV, 1853, S. 784. 3) Todd’s Cyclopaedia V, S. [87]. . 4) Strieker’s Handbuch I, 556. 490 K. Schulin: entstehen vielmehr durch Metamorphose der Dotterkörner und zwar spät. Selbst im fertigen Ei finde man noch Uebergangs- formen. In den Eierstockseiern der Vögel und der beschuppten Amphibien dagegen finden sich, wie schon Schwann!) sah, in frühern Stadien gekernte Zellen, die sich später mit Fetttröpfehen füllen, den Kern verlieren und zu Dotterelementen werden. Thomson sagt, die Dotterkörner seien am reichlichsten bei den Carnivoren, man könne sie bei der Katze und dem Hund am besten sehen. Kölliker?) drückt sich vorsichtiger aus, er sagt nur, bei manchen Gattungen, z. B. Kuh und Katze, seien die Dotterkörner zahlreicher, bei andern, wie beim Menschen, sei der Dotter heller. Mehr als das kann ich auch nicht sagen, da mir eben fast ausschliesslich nur die Eier unserer Hausthiere zu Gebote standen und eine systematische Untersuchung der verschiedenen Säugethier- eier bis jetzt von Niemanden vorgenommen worden ist. Die Unter- schiede zwischen den Eiern des Menschen und der wenigen bis jetzt von mir untersuchten Säugethiere sind immerhin so gross, dass man wohl die Hoffnung aussprechen darf, dass, wenn Jemand sich zum systematischen Kenner der verschiedenen Säugethiereier heranbilden würde, derselbe die’ Eier jeder Species würde unter- scheiden können. Die Grösse des Eies gab der Entdecker des Säugethiereies, v. Bär?), für den Hund auf 1/30 —Y/so Pariser Linie an. Seitdem sind zahlreiche Angaben er- schienen, besonders von Bischoff in dessen embryologischen Mo- nographien und in seinem Beweis der von der Begattung unab- hängigen Reifung und Loslösung der Eier u. s. f., ferner von Wharton Jones, Henle, Thomson, Kölliker und vielen Andern. Diese Angaben zusammenzustellen, würde wenig Nutzen haben; da sie sowohl untereinander, als auch von den Resultaten meiner Messungen in mancher Hinsicht abweichen, erlaube ich mir, einfach die letztern hier wiederzugeben: 1) Ueber die Uebereinstimmung etc. S. 57. 2) Entwicklungsgeschichte, 2. Aufl. 3. 44. 3) De ovi mammalium et hominis genesi. Lipsiae 1827, 8.13. 5, Zur Morphologie des Ovariums. 491 Dotter. Zona. Keimbläschen. Keimfleck. Mensch: 105—130 u 18—20 u 25—35 u 6—12 u Kuh: 100—150 7—8 30—35 6—10 Schaf: 125—135 10-12 35 —40 8— 10 Ziege: 140 — 166 12 35 ? Schwein: 105—149° 7—9 25—35 9—11 Katze: 120— 150 8s—12 30—85 ? Maus: 72—100 4—6 20—32 3—10 Maulwurf: 90—108 10—12 20 ? II. Atresie des Follikels. Den normalen Abschluss der Entwicklung, wie er in der Ovu- lation gegeben ist, erreicht nur ein sehr kleiner Theil der Graaf'- schen Follikel; die weitaus grösste Mehrzahl geht, wie das schon den ältesten Beobachtern aufgefallen ist, auf den verschiedensten Stufen ihrer Entwicklung zu Grunde. Das Absterben beginnt schon im Stadium des Primordialfollikels. In Fig. 11c habe ich zwei solche Exemplare ausgebildet; sie entbehren der Granulosa und besitzen ein Keimbläschen, welches viel kleiner, als das der gesunden Eier, dunkler und nicht retieulirt ist. In bereits vollkommen entwickelten und mit Liquor ver- sehenen Follikeln, welche abortiv zu Grunde gehen, beginnt nach den übereinstimmenden Angaben Aller, die sich mit dieser Frage ein- gehender befasst haben, Slaviansky, Wagener, Beulin, Van Beneden u. s. f. dieser Process damit, dass die Membrana granu- losa schwindet. An vielen Stellen der Wand scheint dieser Schwund ohne Nachtheil eintreten zu können; wenigstens findet man oft grosse Strecken der Wand entblösst, ohne dass am Ei und seiner nächsten Umgebung eine Veränderung zu bemerken wäre. Deletär scheint die Atrophie erst zu werden, wenn sie den Discus proli- gerus ergreift und das Ei blosslegt. Während Fig. 17 einen normalen Discus aus einem Follikel einer 28jährigen Frau zeigt, an welchem die Granulosazellen in einer scharf markirten, auch durch etwas intensivere Färbung aus- gezeichneten Linie gegen den Liquor abgesetzt sind, sieht man in Fig. 18 diese Grenze verwaschen; der innere Rand der Granulosa Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 33 492 K. Schulin: erscheint wie aufgelöst. Es ist, als ob die Granulosazellen sich von einander trennen und nach verschiedenen Richtungen hin zerstreuen wollten. In Fig. 19 habe ich einen Fall von auf den Diseus beschränkter Atrophie abgebildet. Ueber das Wesen dieses Processes wissen die Autoren wenig anzugeben; sie neigen alle mehr oder weniger der Ansicht zu, dass es sich um eine fettige Degeneration handle. Von einer solchen ist aber nichts zu finden, die Beobachtung lehrt, dass die Granu- losazellen sich fortbewegen, man findet viele im Liquor follieuli zerstreut, wo sie noch nach der Erhärtung in doppeltehromsaurem Kali, welches den liquor zu einer sehr gut schneidbaren Masse coagulirt, in den Schnitten mit ausgestreckten Pseudopodien zu sehen sind. Wenn man bedenkt, dass nach der oben gegebenen entwicklungsgeschichtlichen Darstellung die Granulosazellen keine ächten Epithelien, sondern Abkömmlinge des mittleren Keimblattes sind, so springt sofort die Analogie dieses Schwundes der Granu- losa mit dem Schwinden der Osteoblasten, die doch auch eine vollkommen epithelähnliche Schicht bilden, beim Aufhören der Knochenapposition in die Augen. Mir erscheint es als das Wahr- scheinlichste, dass der grösste Theil der Granulosazellen sich in Wanderzellen umwandle. Gleichzeitig mit der Atrophie des Discus macht sich hier in sehr vielen Fällen noch eine Erscheinung bemerkbar, welche bei srössern Säugern bis jetzt noch Niemand, bei der Fledermaus da- gegen in neuester Zeit van Beneden!) in ausgedehnterem Maasse beobachtet hat. Es wachsen nämlich Gefässschlingen in den Dis- cus hinein (Fig. 18 und 19); dieselben erscheinen stets von einem schmalen hyalinen Saume umgeben. Diese Gefässwucherung er- reicht hier keine grössere Ausdehnung, sie ist aber deshalb von Interesse, weil, wie ich weiter unten auseinandersetzen werde, in ihr die Uebergangsbrücke zwischen Atresie und Corpus luteum an- gedeutet ist. Während des Schwundes der Granulosa macht sich dann bald, wie das schon von vielen Autoren geschildert worden ist, eine narbige Schrumpfung des Follikels bemerkbar (Fig. 20). Dieselbe beginnt in manchen Fällen sehr frühe, in andern erst spät. Bis- weilen bleibt sie, wie es scheint, ganz aus; wenigstens findet man 1) Archives de Biologie I, 527. Zur Morphologie des Ovarıums. 493 nicht selten kugelrunde Follikel ohne Spur von Granulosa. Die kugelrunde Gestalt deutet auf eine starke Höhe des Druckes im Liquor und dürfte darin ein prädisponirendes Moment zu eystoider Entartung liegen. In vielen Fällen wird die Höhle des Follikels dann noch durch Druck Seitens benachbarter Follikel vermindert. Neben üppig ent- wickelten Follikeln findet man ganz gewöhnlich plattgedrückte, mondsichelförmige. Oft findet man auch an der Stelle, wo mehrere Follikel zusammenstossen, comprimirte Follikel der verschiedensten Gestalt. Ganz gesunde, runde Follikel zeigen oft schon einen Unterschied in der Spannung ihres Liquor dadurch an, dass im einen Falle die Granulosa platt der Wand anliegt, während sie in andern Fällen geschlängelt verläuft und sich mit vielfachen Win- dungen von der Wand entfernt. In die so entstehenden Zöttchen dringen oft von unten her papilläre Fortsätze der bindegewebigen Haut des Follikels und bereitet das einen Beginn die Entwicklung des Corpus luteum vor, worüber später. Die beste Methode, die Granulosa in ihrer natürlichen Lager- ung zu studieren, ist die, dass man die Eierstöcke möglichst frisch in eine concentrirte Lösung von doppeltehromsaurem Kali einlegt, 14 Tage lang darin lässt und dann nach mehrtägigem Auswaschen in fliessendem Wasser in starken Alkohol bringt. Die durch die beiden erwähnten Verhältnisse eingeleitete Ob- literation des Follikels wird dann vollendet durch eine von der Innenfläche ausgehende Wucherung eines Gewebes sternförmiger Zellen, welches von vielem Autoren, Slaviansky u. s. f. genau geschildert worden ist. Beulin will dieselbe von den Endothelien ableiten, welche Slaviansky unter der Granulosa aufgefunden hat. Ich sehe gar keinen Grund ein, warum nicht auch Granu- losazellen sich bei ihrer Entwicklung betheiligen sollten, doch ist es schwer, über solche Fragen etwas Positives auszusagen. Die Basalmembran des Follikels, welche im normalen Zustande oft kaum angedeutet ist, erscheint jetzt oft sehr verdickt, fehlt aber auch stellenweise. Die Wucherung des sternförmigen Gewebes be- wirktallmählich eine vollkommene Ausfüllung des Follikels (Fig. 21) mit einer gefässlosen Masse, welche an tingirten Präparaten zwar auch ziemlich kernreich, aber doch lange nicht so kernreich er- scheint, wie das umliegende Gewebe, daher sie schon für das blosse Auge in Schnitten als heller Fleck erscheint. 494 K. Scehulin: Das Ei zeigt während der Obliteration des Follikels bisweilen schon sehr frühe Veränderungen, bisweilen erst sehr spät. Zuerst wird es, wie erwähnt, nackt, indem sein Disecus schwindet. Wenn man bei dem Zerzupfen von Ovarien Eier erhält, denen nur sehr wenige oder gar keine Granulosazellen anhaften, so sind dieselben schon in Bezug auf ihren Gesundheitszustand verdächtig. Dann bildet sich gewöhnlich zwischen Zona und Dotter ein Zwischen- raum aus, welcher eine sehr bedeutende Ausdehnung erlangen kann und bisweilen von feinen Fäden durchsetzt ist. Eier mit solchen Zwischenräumen findet man öfters auch in Follikeln, deren Granulosa noch keine nachweisbaren Veränderungen zeigt. Mit Rücksicht darauf aber, dass man in der ganz überwiegenden Mehr- zahl der Fälle in üppigen Follikeln auch prall ihre Zona ausfüllende Eier findet, erscheinen mir doch auch solche Formen verdächtig. Bischoff!) giebt an, dass beim Menschen und einigen Säugern der Dotter normaler Weise die Zona nicht ausfülle. Für den Men- schen ist das sicher nicht richtig; trotzdem erhielt ich einmal aus dem Ovarium einer an Puerperalfieber verstorbenen Frau, welches bereits ziemlich stark in Verwesung übergegangen war, nur Eier, deren Zona vom Dotter nicht ausgefüllt war. Der innere Durch- messer der Zona war vergrössert, der Dotter war kleiner, als nor- mal, zwischen beiden befand sich ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum. In allen Fällen lag neben dem Ei, welches sein Keim- bläschen noch enthielt, ein kugeliges Gebilde, ganz vom Aussehen des bekannten Richtungskörperchens. Ich bezweifle nicht im min- desten, dass diese Veränderungen, von denen ich sonst nie etwas fand, ihren Grund in der ungemein rasch eingetretenen Fäulniss hatten Eine andere Erscheinung, welche bei der Atresie des Folli- kels meist sehr frühe am Ei auftritt, ist der Schwund des Keim- bläschens. Wagener fand dasselbe constant geschwunden, ich fand indessen doch auch einige Male in deutlich geschrumpften Follikeln Eier mit Keimbläschen. Die Eier, welche, aus ihrem natürlichen Zusammenhange ge- löst, im Liquor follieuli schwimmen, befinden sich bis zu einem gewissen Grade unter ähnlichen Verhältnissen, wie entleerte Eier, welche nicht befruchtet werden. Ueber das Schieksal dieser ist, 1) Kaninchenei. Zur Morphologie des Ovariums. 495 mit Ausnahme der ersten Veränderungen, nicht viel bekannt. Es bildet sich da bekanntlich auch ein Zwischenraum zwischen Zona und Dotter aus. Der Grund dieser Erscheinung dürfte wohl in beiden Fällen darin zu suchen sein, dass die umgebende Flüssig- keit eine veränderte ist und hierdurch Diffusionserscheinungen an- geregt werden, ebenso, wie sie an inWasser entleerten Fischeiern vor- kommen. In Fig.5 habe ich ein Ei aus dem Eileiter des Schweines abgebildet, welches nach der vollkommenen Abwesenheit von Sper- matozoen zu schliessen, nicht befruchtet war; die Untersuchung ge- schah 1 Stunde nach dem Tode, in Tubenschleim. Hensen !) machte Beobachtungen über die Veränderungen der Eizellen nach längerem Aufenthalte im Uterus. Er fand bei einem Kaninchen das eine Uterushorn abgetrennt und mit an 100 Eiern von der verschiedensten Grösse erfüllt. Ihr Protoplasma war bisweilen in 2—8 Abtheilungen getrennt, so dass das Bild von Knorpelmutterzellen entstand. An einigen Eiern fanden sich kol- benförmige, baumförmig verzweigte Aeste, überzogen von Fort- sätzen der Zona und erfüllt mit Protoplasmaabtheilungen. Die ganze Masse war so gross, dass entschieden ausser Wasser noch andere Stoffe aufgenommen sein müssen. Eine vollständige Theilung des Protoplasma’s findet nicht immer, vielleicht gar nicht, statt, sondern es handelt sich um Einschnürungen durch die gequollene Zona und in Folge dessen wurstförmige Krümmungen und mehr oder weniger vollständige Abschnürungen des Protoplasma’s. Eier mit getheiltem Protoplasma fand ich mehrere Male in vernarbenden Follikeln beim Schwein; in diesen Fällen war das Keimbläschen stets geschwunden und der Dotter mit grossen Fett- tropfen erfüllt. Im Ovarium einer halbwüchsigen weissen Ratte fand ich durch Zerzupfen zwei Eier mit mehrfach getheiltem Dotter und noch erhaltenem und getheiltem Keimbläschen, welche ich in Fig. 7 abgebildet habe. Die Eier befanden sich offenbar in in- äqualer Furchung, in dem einen fanden sich zwei, in dem andern drei grössere Furchungskugeln neben mehreren kleinern; unter den letztern zeichneten sich einige durch Anfüllung mit vielen stark lichtbrechenden Körnern aus. In den grössern Furchungskugeln fanden sich fast stets mehrere Keimbläschen von sehr verschiedener 1) Centralblatt 1869, S. 403. 496 K. Sehulin: Grösse. Kernvermehrung als Beginn von Degeneration ist schon bei mehreren Veranlassungen, z. B. beim Epithelwachsthum, an farblosen Blutkörperchen u. s. f. beobachtet worden. Die Grösse des Innenraumes der Zona war in beiden Fällen 90 «u, die Dicke der Zona 7 u. Im weitern Verlaufe treten dann an den Eiern sehr merk- würdige Vorgänge ein, indem ein Theil der Granulosazellen durch die Zona hindurch in das Innere eindringt. Pflüger, der dieses zuerst beobachtete, vergleicht die eindringenden Zellen mit einge- schlagenen Nägeln, weil man oft einen abgeplatteten Theil des Zellleibes ausser der Zona aufliegen und einen geraden Fortsatz durch dieselbe hindurch treten sieht. Andere Zellen sah er halb aussen, halb innen liegen und beide Hälften durch eine schmale Brücke verbunden; viele Zellen endlich fand er im Innern der Zona angehäuft. Lindgren sah ebenfalls solche Bilder, gab ihnen aber eine ganz andere Deutung. Er meint, Pflüger hätte durch das blühende Wohlbefinden seiner Katzen vor dem Irrthum bewahrt werden sollen, diese Eier für degenerirende zu halten, während es doch eine allbekannte Thatsache ist, dass man gerade bei recht gesun- den, jungen Thieren, bei denen sich viele Follikel entwickeln, eben in Folge davon auch viele degenerirende findet. Lindgren konnte ferner mit der allein von ihm angewandten Methode der Eröffnung von Follikeln und Untersuchung des frischen Eies unmöglich ent- scheiden, ob das Ei in progressiver oder regressiver Entwicklung sei, weil eben die Hauptkriterien dafür in der Form und der sonstigen Beschaffenheit des Follikels liegen; ferner trägt der Um- stand, dass er sich auf diese Methode beschränkte, die Schuld da- von, dass er so äusserst selten nur Eier mit Nagelzellen erhielt; dieselben sitzen eben fast stets nur in schon stärker geschrumpften Follikeln und sind hier auch meist noch durch die von der Innen- fläche des Follikels ausgehenden Wucherung etwas fixirt. An Schnittpräparaten erhält man dagegen mit Leichtigkeit beliebig viele solehe Eier — nach meinen Erfahrungen beim Menschen un- gefähr eins auf je 30—50 Schnitte — Fig. 23, man findet sie aber stets nur in Follikeln, welche auch aus andern Gründen für dege- nerirende gehalten werden müssen. Rechnet man dazu noch die Umstände, 1. dass, wie oben aus- einandergesetzt der Process der Einwanderung von Granulosazellen Zur Morphologie des Ovariums. 497 viel früher geschehen müsste, wenn er eine Bedeutung für die Ent- wicklung des Dotters haben sollte und 2. dass die von Lindgren selbst abgebildeten Eier deutliche Zeichen von Degeneration an sich tragen, so wird man es wohl für begründet halten, wenn ich mich gegen Lindgren mit Wagener der Ansicht Pflüger’s zu- neige, dass es sich hier um regressive Formen handle. Auch v. Brunn), welcher hierüber gelegentlich eine Beobachtung am Hundeeierstock machte, ist dieser Ansicht. In Fig. 22 und 23 habe ich zwei Eier mit Nagelzellen aus atresirenden Follikeln abgebildet. In Fig. 22 ist von dem Keim- bläschen noch ein Ueberrest in Form einer homogenen elliptischen Scholle übrig, der Dotter ist viel grobkörniger, als normal; über ihn hin zieht eine leichte Furche, als ob ein Ansatz zur Theilung gemacht worden sei. Die Zona ist dicker, als normal, ihre Dicke ist an verschiedenen Stellen sehr ungleich, ihr äusserer Contour sehr unregelmässig. Die Form des ganzen Eies ist verändert, in- dem es etwas in die Länge gezogen erscheint. Zwischen Zona und Dotter findet sich eine Zellschicht, welche an einer Stelle durch einen feinen Fortsatz mit einer aussen der Zona anliegenden Granu- losazelle verbunden ist. Eine ebensolche der Innenfläche der Zona anliegende, offenbar von eingewanderten Granulosazellen her- rührende Schicht findet sich auch in dem in Fig. 18 abgebildeten Ei (Hämatoxylin — Kanadabalsam). Ich glaube desshalb, dass Eier, wie das in Fig. 22 abgebil- dete, von Interesse sind, weil es mir scheint, dass das hier vor- liegende Bild von vielen Autoren gesehen, aber sehr verschieden gedeutet worden ist. Schon die auffallenden und bei der hohen Beobachtungsgabe dieses Autors doch sehr beachtenswerthen An- gaben von Barry über Zellschichten, die sich ausser dem Dotter apponiren und dann mit ihm verschmelzen sollen, dürften hierher gehören, ebenso wie aus neuester Zeit besonders die Angaben von van Beneden über die Dotterhaut und andere mehr. In Fig. 23 habe ich ein degenerirtes Ei abgebildet, welches gar keinen Dotter mehr besitzt. Die Zona ist, abgesehen von einer leichten Abplattung, wohl erhalten, sie ist von zahlreichen Nagel- zellen durchbohrt und enthält in ihrem Innern eine reichliche Menge von Granulosazellen, ebensolche liegen in grosser Anzahl um das Ei herum. 2 1) Göttinger Nachrichten, 1880, S. 155. 498 K. Schulin: Was den Weg betrifft, auf welchem die Granulosazellen in das Innere des Eies hineingelangen, so kommen hier wohl vor Allem die oben erwähnten feinen Kanälchen in Betracht, durch welche der Dotter mit Granulosazellen in Verbindung zu stehen pflegt. Doch ist es ja auch sehr wohl möglich, dass die Granu- losazellen sich eigene Wege bohren. Nachdem aller Dotter verschwunden ist, kann sich die Zona noch sehr lange erhalten. Schon Waldeyer macht darauf auf- merksam, wie oft man gefaltete Zonae im Ovarium eingewachsen findet. Dieselben liegen in dem zugewachsenen Follikel Anfangs, wie das Beulin ganz richtig angiebt, in einer scharf umschriebenen Lücke des neugebildeten gefässlosen Gewebes (Fig. 21). Es ist nicht unmöglich, dass diese Zonae während des Lebens prall mit Flüssigkeit gefüllte Blasen sind, welche den Hohlraum ganz aus- füllen; einige Male fand ich die Zonae noch in diesem Zustande. Im Ovarium des Kaninchens fand ich öfters ganze Ballen von Zonae (Fig. 24), welche geradezu im Eierstocksparenchym einge- schlossen lagen. Auch in Fig. 14b habe ich eine solche einge- wachsene Zona vom 3jährigen Kinde abgebildet. Doch kommt es durchaus nicht in allen Fällen zu einer voll- ständigen Entleerung der Zona. Mehr oder weniger grosse Reste des Dotters findet man ganz gewöhnlich auch in eingewachsenen Zonae noch vor und in einzelnen Fällen fand ich dieselben beim Schwein sogar noch prall erfüllt mit Dottersubstanz. Einige Male fand ich beim Schafe im Stroma des Ovariums verkalkte Kugeln mit drüsiger Oberfläche, ähnlich den Concerementen der Zirbel- drüse, die möglicher Weise auch von Eiern abstammten. Im Laufe der Zeit scheint doch allmählich jede Spur von den Eiern zu verschwinden, im Stroma des Eierstockes von ältern Frauen fand ich wenigstens nie eine Spur davon. In Follikeln mit mehreren Eiern findet man bisweilen dege- nerirte neben gut entwickelten Eiern. Vgl. Fig. Ile. Möglicher- weise entwickeln sich aus den degenerirten Biern corpora amy- lacea; Carter!) beobachtete solche im Ovarium, leider war mir seine Arbeit nicht zugänglich, so dass ich sie nur aus Canstetts Jahresbericht kenne. 1) On the extensive diffusion and frequency of starch corpuscules ete. Edinb. med. Journal. Aug. 1855. Canstetts Jahresber. 1855, II, 40. Zur Morphologie des Ovariums. 499 IV. Corpus luteum. In der Entwieklung der corpora lutea findet sich bei ver- schiedenen Thieren insofern ein Unterschied, als bei den einen die Graaf’schen Follikel, ehe sie platzen, eine solche Grösse erlangen, dass sie ebenso gross oder noch grösser sind, als die corpora lutea zur Zeit ihrer höchsten Entwicklung, während bei den andern die Follikel immer viel kleiner bleiben, als die corpora lutea. Die Folge davon ist, dass die Substanz des corpus luteum im erstern Falle einfach als Ausfüllungsmasse des Follikels erscheint, während im letztern Falle die angrenzenden Theile des Eierstocks- parenchyms an ihrer Ausbildung partieipiren. Zu der erstern Abtheilung gehören der Mensch, die Kuh, das Schaf und das Schwein — lauter grössere Thiere, — zu der andern Abtheilung das Kaninchen, die Maus, die Ratte, das Meerschweinchen, der Maulwurf, die Katze, der Hund — lauter kleinere Thiere. Besonders gross werden die Follikel beim Schwein; man findet sie hier öfters mit fast %/, ihrer Circumferenz über die Oberfläche des Eierstockes als durchscheinende Blasen vorragen, an jedem Eierstock sechs bis acht Stück, mit einem Durchmesser von an 2,5 cm. Bei einem während der Menstruation geschlachteten Schwein betrug der Durchmesser der mit noch ziemlich frischem Blute gefüllten Follikel nur etwa ?/; dieser Grösse und die grössten eorpora lutea, welehe ich beim Schweine fand, waren noch kleiner. Bei der Kuh fand ich öfters in einem Eierstocke einen Follikel durch ganz überwiegende Grösse vor den übrigen ausgezeichnet, bis drei em gross, was der Grösse des corpus luteum entspricht. Beim Schafe fand ich dasselbe und ebenso in zweiFällen bei an akuten Krank- heiten verstorbenen Jungfrauen je einen Follikel von 1,5 cm. In allen diesen Fällen gelang mir der Nachweis von gesunden Eiern in den Follikeln; beim Schwein und der Kuh fand ich bisweilen sogar mehrere Eier in einem solchen Follikel. Von zwei frischgeplatzten Follikeln menstruirender Jungfrauen, welche ich durch die Freundlichkeit der Herrn Proff. Langhans und Roth zur Untersuchung erhielt, hatte der eine einen Durch- messer von 2, der andere von 2,3 cm, was der Grösse der corpora lutia in der ersten Hälfte der Schwangerschaft entspricht. 500 K. Schulin: Bei einer Kuh fand ich allerdings auch einmal einen nicht ganz °/ı em grossen, frisch geplatzten und mit einem noch ziem- lich frischen Blutgerinnsel erfüllten Follikel, während ich bei trächtigen Kühen niemals ein so kleines corpus luteum gese- hen habe. An den grossen Follikeln des Schweines und der Kuh fand ich stets eine kleine, scharf umschriebene Stelle der Wand durch besondere Dünnheit ausgezeichnet. Hier geschieht jedenfalls beim Platzen die Ruptur und bleibt, wenn auch nicht ganz auf diese Stelle, so doch jedenfalls auf einen sehr kleinen Raum beschränkt. Bei dem eben erwähnten menstruirenden Schwein war an allen geplatzten Follikeln die Oeffnung so klein, dass, wohl in Folge einer Verlegung durch Granulosafetzen, gar kein Blut ausgelaufen war. Die Follikel hingen wie rothe Beeren an dem Eierstocke. Dass die Rissöffnungen sehr klein bleiben, kann man besonders gut an den corpora lutea der Kuh und des Schafes sehen. Die Luteinzellenmasse drängt sich hier oft zu der Rissstelle hervor und erscheint als eine rundliche, in der Mitte vertiefte Vorwölbung, von der aus nach zwei oder drei Seiten sich die Rissstelle eine kleine Strecke weit in Form von rauhen, spitz endigenden Ver- tiefungen verfolgen lassen. Die Gegend, wo die Ruptur stattfindet, ist, wie schon mehrere Autoren hervorgehoben haben, sicher gefässlos; von hier aus kann eine Blutung in den Follikel also kaum geschehen. Trotzdem bezweifle ich für den Menschen und das Schwein deshalb nieht, dass wirklich intra vitam bei der Menstruation eine Blutung in den Föllikel hinein stattfindet, weil ich in dem mir von Herrn Roth überlassenen Ovarium einer men- struirenden dreissigjährigen Jungfrau und bei dem schon mehrfach erwähnten menstruirenden Schwein das Blutcoagulum bereits ver- ändert fand. Es war geschichtet und stellenweise verfärbt; ausser- dem war die Wand und die nächste Umgebung des Follikels mit Blutfarbstoff durchdrängt. Pflüger!) beobachtete, dass bei Kaninchen, Hunden und Katzen nach dem Austritte des Eies die Blutung in dem Follikel fehlte, wenn er dem lebenden Thiere die Eierstöcke entnahm, dass sie dagegen stets vorhanden war, wenn er das Thier durch einen Schlag auf den Kopf oder Durehschneiden des Halses getödtet 1) Die Eierstöcke ete. 8. 41. Zur Morphologie des Ovariums. 501 hatte; er glaubt desshalb, die Blutung entstehe erst während des Sterbens. Ich besitze hierüber keine Erfahrungen. Blutungen in ungeplatzte Follikel beobachtete ich ebenfalls öfters, besonders häufig, ebenso wie Pflüger, bei jungen Kälbern, hier aber ganz gewöhnlich schon so verändert, dass gar kein Gedanke daran ist, dass dieselben erst während des Sterbens entstünden. Die Entwieklung der Substanz des corpus luteum beginnt, wie das schon v. Bär angab!) und dann auch Bischoff?) beim Hunde gesehen hat, bisweilen schon ehe der Follikel geplatzt ist. In den frisch geplatzten Follikeln des Menschen und des Schweines, welche ich untersuchte, war dieselbe ebenfalls schon in Gang. Sie beginnt damit, dass massenhaft feine Blutgefässschlingen in die Granulosa hineinwachsen; diese legt sich dabei gewöhnlich in Falten, welche auf dem Durchsehnitte das Bild von Zotten geben; in andern Fällen bleibt sie ungefaltet. Während dieses Hinein- wachsens von Blutgefässen in die Granulosa wandeln sich die Zellen derselben allmählich in Luteinzellen um, indem besonders der Zellleib wächst und allmählich das Lutein in sich absondert. Gleichzeitig mit dieser Umwandlung der Granulosa, die vorher ein gefässloses epithelähnliches Gebilde war, in eine gefässhaltige Schieht tritt dann eine Veränderung an der bindegewebigen Um- hüllung des Graaf’schen Follikels ein, die ebenfalls oft in sehr verschiedenem Grade bereits vorgebildet ist. Die Veränderung besteht darin, dass die Zellen der Membrana folliculi interna, welche bekanntlich immer einen mehr embryonalen Charakter haben, wachsen und ebenfalls vollkommen den Charakter von Luteinzellen annehmen. Es wird dadurch die Grenze zwischen Granulosa und Membr. foll. int. verwischt und eine gemeinsame Corpus luteum-Masse gebildet. Hieraus erklärt sich die auf ganz richtiger Beobachtung fussende Angabe von Bärs?), welcher das corpus luteum des Hundes deshalb von dem stratum internum thecae follieuli (der Membrana follieuli interna, nicht der Granulosa) ableitet, weil man nach aussen davon nur eine dem stratum externum entsprechende Hülle finde. 1) De ovi mammalium ete. S. 21. 2) Beweis u. =. f. S. 6. 3) L.2e28.20. 502 K. Schulin: Bei manchen Thieren geht die Entwicklung von Luteinzellen dann noch weiter; die Zellen des Ovarialstromas wandeln sich in solehe um. Beim Maulwurf wird so allmählich der halbe Eier- stock in Luteingewebe umgewandelt!), beim Kaninchen fand ich in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft sogar den ganzen Bierstock mit Ausnahme einer ganz schmalen Rindenschicht so metamorpbosirt. Die von den Follikeln abstammenden Theile dieser gemeinsamen Luteingewebsmasse zeichnen sich sowohl für das blosse Auge, als auch unter dem Mikroskope scharf ab, zunächst durch die Anordnung der Zellen, welche ja vom Verlaufe der Blutgefässe abhängt, die im eigentlichen corpus luteum ein radi- äres System um die Vena centralis bilden, und dann auch durch einen grösseren Kernreichthum im corpus luteum. Die Kerne der Capillaren färben sich mit Hämatoxylin und Carmin viel intensiver, als die der Luteinzellen. Erstere Kerne liegen nun in den corpora iutea viel dichter, als in dem in Luteingewebe umgewandelten Stroma, was schon darin seinen Grund hat, dass der Process hier älter ist und die Luteinzellen schon an Grösse abgenommen haben. Es hat das die Wirkung, dass die corpora lutea sich als intensiver gefärbtere Stellen auszeichnen. Die Art und Weise, wie sieh die verschiedenen Theile des Follikels und des Ovarialstromas an der Ausbildung des corpus luteum betheiligen, ist eine bei verschiedenen Thieren sehr ver- schiedene; es finden sich zwischen den verschiedenen Modificationen Uebergangsformen und es kommen auch Bilder vor, welche einen Uebergang zwischen corpus luteum und Atresie des Follikels anbahnen. Bei einem vierzehntägigen Kalbe fand ich zahlreiche rund- liche Knoten in den peripherischen Theilen des Eierstockes. Dieselben bestanden in der Mitte aus einem Primordialfollikel mit vielfach geschichteter Granulosa ohne Liquor, in der Mitte ein wohlerhaltenes Ei. Um die Granulosa herum fand sich eine Membrana follieuli interna, etwa von der doppelten Dicke, wie der Durch- messer der ganzen Granulosa mit Ei; dann folgte eine ganz 1) Wagener, ].c. S. 194. MacLeod (Arch. de Biologie I, 1880, S. 248) sagt, die mikroskopische Untersuchung zeige, dass hier kein Luteingewebe vorliege, man sucht aber vergebens in seiner Arbeit nach einer Begründung dieser Aussage, welcher ich entschieden widersprechen muss. Zur Morphologie des Ovarıums. 503 gewöhnliche Membrana foll. ext. Die M. foll. int. bestand aus embryonalem Gewebe, Rundzellen und stellenweise Andeutungen von Spindelzellenzügen. In andern Knoten fehlte die Granulosa und umgab die noch mehr gewucherte Membrana foll. int. unmittelbar das Ei, welches jetzt Degenerationserscheinungen mancherlei Art zeigte. Die M. foll. int. bestand jetzt aber nicht mehr aus einfachem embryonalem Bindegewebe, sondern zeigte deutlich Luteingewebsstructur, grosse epitheliale Zellen von Capillarmaschen umgeben. Es liegt hier also eine Uebergangsform zwischen corpus luteum und Atresie vor; die Mitte degenerirt, die Peripherie wuchert; das Resultat ist ein kleines corpus luteun beim Kalbe. In einigen Knoten mit degenerirten Eiern schien es mir; als ob die M. foll. int., während sie sich an einer Seite zu Lutein- gewebe entwickelte, auf der andern Seite Primordialfollikel mit Eiern in sich erzeuge. Man sah deutlich grosse Zellen mit über- wiegend grossem Kern, umgeben von kleinern sich aus der ge- meinsamen Masse herausheben. Die Luteinzellen und die Eier sind entschieden nahe Verwandte und von dem Standpunkte aus, welchen ich in der oben gegebenen Darstellung der Eientwicklung einnahm, hätte dieser Process, welcher übrigens nach der Bestätigung bedarf, nichts Wunderbares. Wagener (l.c.S. 189) hat auch aus dem corpus luteum eines trächtigen Hundes Zellenreihen vom Aussehen der Fig. 3 Tfl. IV des Pflüger’schen Werkes, also unzweifelhafte Eiketten erhalten. Bei dem obigen Kalbe fanden sich auch einige corpora rubra. Im Eierstocke von kleinen Nagern, der Maus und der Wasser- ratte, fand ich Follikel mit gut erhaltenem Ei und Granulosa und einem kleinen Liquor haltigen Hohlraume, deren M. foll. int. sehr stark gewuchert war, so dass in dieser Hinsicht schon lange vor dem Platzen des Follikels die Entwicklung des corpus luteum eingeleitet war. Mac Leod!) hat ähnliche Bilder, wie ich sie oben vom Kalbe schilderte, beim Hermelin gefunden. Er fasst die Wucherung der M. foll. int. als ein normales Entwicklungsstadium auf; erst durch die Ausdehnung des Follikels bei der Entwicklung des Liquor soll dieselbe wieder dünner werden. Es ist möglich, dass diese 1) Archives de Biologie, I, 1880, S. 263, Tfl. IX, Fig. 20—22. 504 K. Schulin: Vorgänge beim Hermelin anders sind, als beim Kalb, der Ratte, Maus und, wie ich dieser Tage fand, auch bei Rhinolophus hippoerepis. Bei diesen Thieren findet man nämlich neben solchen Knoten mit gewucherter M. foll. int. in reichlicher Menge alle Entwirkungsstadien von Follikeln, um eine Serie von vollkommen der gleichen Art zu construiren, wie ich sie oben geschildert habe. Die Theca follieuli differenzirt sich bei diesen Thieren offenbar in ganz gleicher Weise von dem umgebenden Ovarialstroma, wie sich der Haarbalg vom Bindegewebe der cutis differenzirt, und imponiren hier solche zellenreiche Wucherungen als etwas die normale Entwicklung unterbrechendes, die regressive Metamorphose des Follikels — mit oder ohne Entleerung des Eies — einleitendes. Beim Menschen habe ich eine selbstständige, zur Entwicklung von Luteingewebe führende Wucherung der M. foll. int. bis jetzt nicht beobachtet, ebensowenig eine Umwandlung von Stromazellen in Luteinzellen. Das corpus luteum scheint hier ausschliesslich dadurch zu Stande zu kommen dass die Granulosa von Blutgefässen durchwachsen wird. Die äussere Grenze des corpus luteum ist in Folge dessen immer eine vollkommen scharfe; es liegen hier die gröbern Blut- und Lymphgefässe und lockeres Bindegewebe, welches sich zu der Masse des Luteingewebes verhält, wie eine Submucosa zur Mucosa. Indem die Granulosa von den Capillaren durchwachsen wird, legt sie sich meist noch mehr, als sie das etwa schon vorher gethan hat, in Falten oft der compliecirtesten Art. Die Höhle des Follikels wird nach dem Platzen einmal in Folge des Aufhörens des innern Druckes verkleinert, sei es durch einfache Wirkung der Elastieität, sei es durch eine weitere Beeinflussung Seitens der Umgebung. Die noch restirende Lich- tung wird dann hauptsächlich dadurch ausgefüllt, dass die Granulosa bei ihrer Umwandluug in Luteingewebe eine sehr bedeutende Diekenzunahme erfährt. Doch auch das genügt noch nicht zur vollständigen Ausfüllung, sondern — wenn nicht überhaupt ein Lumen bestehen bleibt, es entwickelt sich dann noch ein Gewebe sternförmiger Zellen, ganz so, wie man es im Innern von oblite- rirenden Follikeln findet. Eine Ableitung dieses sternförmigen Gewebes von einer den Follikel auskleidenden Endothelschicht dürfte deshalb einige Schwierigkeiten haben, weil das Endothel doch nach aussen von der Granulosa, dieses Gewebe aber nach innen von ihr liegt. Zur Morphologie des Ovariums. 505 Die Blutgefässe, welche die Granulosa durchwachsen, sind immer von etwas Bindegewebe begleitet — sie berühren ja auch niemals direkt die Granulosazellen, sondern sind immer mindestens durch eine homogene Schicht amorpher Bindesubstanz, die vielleicht einen His’schen perivasculären Lymphraum einschliesst, davon getrennt. Dieses Bindegewebe häuft sich besonders stark an der innern Seite der Granulosa an, wo sich bekanntlich bald auch grössere Blutgefässe (bei kleinen Thieren eine Vena centralis) entwickeln. Von ihm ist jedenfalls der centrale schleimgewebige Kern des corpus luteum abzuleiten. Das menstruale Bluteoagulum, welches sich also beim Menschen und beim Schwein zweifelsohne — wohl eher durch Diapedesis, als durch Gefässruptur — entwickelt, ist um diese Zeit vollkommen geschwunden; ohne irgend eine Spur zu hinterlassen. Insbesondere Hämatoidinkrystalle findet man in diesem Stadium niemals, auch keine andern Blutresiduen. Der Farbstoff des corpus luteum sitzt in den Luteinzellen ; er ist nicht krystallinisch, sondern erscheint unter dem Mikroskop in Form von feinsten runden Körnchen. Die Farbe der corpora lutea ist bei verschiedenen Thieren sehr verschieden. Beim Schwein einfach fleischfarben (Beulin), beim Menschen schwach gelblich, beim Schaf blass braun, bei der Kuh dunkel orangegelb, beim Kaninchen wieder fleischfarben, bei der Maus ziegelroth u. s. f. Ein morphologischer Grund für diese Farbendifferenz ist nicht aufzufinden. Man neigt jetzt, wie es scheint, allgemein dazu, nach dem Vorgange Virchows!) die normal und pathologisch im Körper auftretenden Pigmente von Blutfarbstoff abzuleiten und für diese Entstehung des Luteins spricht noch speciell die chemische Ueber- einstimmung desselben mit dem Hämatoidin. Man denkt sich den Vorgang so, dass der Blutfarbstoff aus dem bei der Ruptur des Follikels gebildeten Coagulum in die Nachbarschaft diffundire und hier dann als Lutein zurückgehalten werde. So gewichtige Gründe der Wahrscheinlichkeit auch für diese Ansicht sprechen, so scheint mir dieselbe doch nicht hinlänglich bewiesen. Vor Allem hat noch Niemand die Verschiedenheit der Färbung des corpus luteum bei verschiedenen Thieren erklärt; dann ist ja überhaupt die 1) Die pathologischen Pigmente, Archiv I. 506 K. Schulin: Existenz des Bluteoagulums noch nicht für alle Thiere nachgewiesen. Ja, es liegen noch keine chemischen Untersuchungen darüber vor, ob in dem corpus luteum des Schweines wirklich Lutein enthalten ist. Endlich ist noch keineswegs die Möglichkeit ausgeschlossen. dass doch auch die Luteinzellen Lutein in sich erzeugen könnten!), Ueber die Zeit, binnen welcher das corpus luteum zur Entwicklung gelangt, liegen keine Angaben vor und haben auch meine Beobachtungen keinen Aufschluss gegeben. Bei einer träch- tigen Katze am zwölften Tage post coitum war die Höhle des Follikels noch °/; Hanfkorn gross. Bei einem Schafe, dessen Embryo zwölf em lang war, war das corpus luteum vollkommen entwickelt, die Höhlung fehlte gänzlich, bei einem andern in der Mitte der Schwangerschaft stehenden Schafe fand sich noch eine bedeutende Höhle. Das jüngste corpus luteum verum vom Menschen, welches mir zu Gebote stand, stammt aus der zwanzigsten Woche; es enthielt im Innern einen etwa !/; des Gesammtdurchmessers betragenden schleimgewebigen Kern. Die Rückbildung der eorpora lutea beginnt im Centrum derselben, indem zuerst der schleimgewebige Kern sich in Binde- gewebe umwandelt und dann von da aus eine Sklerosirung des Luteingewebes um sich greift. Ueber die Art und Weise, wie die Luteinzellen verschwinden, liegen keine Beobachtungen vor und kam auch ich nicht vollständig ins Klare; das Wahrscheinlichste ist nur, dass sie sich in Bindegewebe umwandeln; in ältern corpora lutea findet man statt der grossen epithelähnlichen Zellen kleinere vom Ansehen gewöhnlicher embryonaler Rundzellen. Das End- resultat ist ein gegen seine Umgebung scharf abgesetzter rundlicher, von ganz wenigen Blntgefässen durchsetzter bindegewebiger Knoten, das sogenannte corpus albicans. Bei der Kuh fand ich corpora albicantia, welche fast nur aus leicht injieirbaren Gefässen bestanden ; das lumen derselben war capillar, die Wand dagegen von beträchtlicher Dicke. Zum Studium der Gefässobliteration ist, wie überhaupt das ganze Ovarium (His), so insbesondere das corpus luteum ein geeignetes Objekt. Im 1) Die neuern Autoren über Pigmentirung pathologischer Tumoren neigen der Ansicht Virchow’s zu, haben indessen, wie mir scheint, einen strikten Beweis noch nicht erbracht. Gussenbauer, Virch. Arch. 63. Ko- laczek, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 1879, XI. Zur Morphologie des Ovarıums. 507 Ovarium älterer Personen findet man oft grosse Strecken, welche nur aus durch einander geschlungenen, mehr oder weniger obli- terirten Blutgefässen kleineren Kalibers bestehen. Bei den kleinen Nagethieren scheinen eigentliche corpora albieantia sich gar nieht zu entwickeln, so dass gar keine Spur von den corpora lutea übrig bleibt, indem, wie es scheint, das Luteingewebe sich in Eierstocksstroma umwandelt. Bei den srossen Thieren und dem Menschen, wo die corpora albicantia sich entwiekeln, bleiben dieselben dann Zeitlebens bestehen; sie sind ja ein Endstadium der Vernarbung, welches aus sich heraus keiner weitern Entwicklung mehr fähig ist. In den Eierstöcken alter Frauen findet man in Folge dessen massenhafte corpora albieantia; in Fig. 26 habe ich eines von einer zweiundneunzig- jährigen Frau abgebildet. Auch bei einer steinalten Katze, von der ich wusste, dass sie seit mehreren Jahren keine Jungen mehr geworfen hatte, fand ich reichliche eorpora albicantia. Während der Rückbildung der corpora lutea werden massen- haft Blutgefässbezirke aus der Cirkulation ausgeschaltet und ge- schieht es hierbei oft, dass auch Blut zurückbehalten wird. Dieses Blut und nicht der primär erfolgte Bluterguss, ist, wie Wagener treffend bemerkte, die Ursache der so häufigen Pigmentirung der ceorpora albicantia, welche zu einer eigenen Bezeichnung dieser als corpora rubra oder nigra geführt hat. Die Ausbreitung der Pigmentirung ist eine sehr verschiedene, bisweilen sind nur einzelne Punkte, in andern Fällen grössere Theile, sehr selten das ganze corpus albicans gefärbt; sehr oft sitzt die Färbung in der Mitte. Vgl. hierüber Fig. 25, in welcher man noch die Form des früheren Luteingewebes, wie sie aus der Granulosa hervorging ünd auch noch die Stelle erkennen kann, wo die Höhle des Follikels war. In der von dem schleimgewebigen Kerne des corpus luteum abstammenden centralen Bindegewebs- masse liegt auch einiges Pigment. Dieses stammt vielleicht von dem primären Bluteoagulum ab. Doch entwickeln sich auch in diese Mitte hinein einzelne Blutgefässe, die hier obliterieren können. Die Hauptmasse des Pigmentes sitzt aber nach aussen vom Kern des corpus albicans in der vom Luteingewebe abstammenden fibrösen Zona und zeigt hier unter dem Mikroskope das in Fig. 27 abge- bildete Verhalten: gewundene, sternförmige, grosse Körper, die sich oft in feine Fäden fortsetzen, welche sie mit den Nachbarn Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 19, 34 508 K. Sehulin: verbinden. Im Innern findet man krümelige Massen von gelb- licher Färbung und dann die bekannten Hämatoidinkrystalle. Es ist nicht der mindeste Zweifel, dass hier obliterirte Blutgefässe vorliegen, in deren Innerm sich das von der Cireulation abge- sperrte Blut in Hämatoidin umgewandelt hat. Ueber das etwaige Verhalten der weissen Blutkörperchen bei diesem Processe habe ich noch keine Untersuchungen angestellt. Wenn somit auch nieht im Mindesten zu bezweifeln ist, dass das Hämatoidin der corpora rubra von Blutfarbstoff abstammt, so hat es darum doch weder etwas mit dem Lutein, noch mit dem primären Bluteoagulum zu thun. Bewiesen ist überhaupt nicht, dass das letztere zu Pigmentirung Veranlassung giebt; möglicher Weise stammt das Lutein von ihm ab. Dieses geht aber sicher bei der Umbildung des Luteingewebes in die fibröse Masse des corpus albicans zu Grunde und das, ja ganz inconstante, Pigment des corpus rubrum stammt vom Farbstoffe des bei der Obliteration der Blutgefässe des corpus luteum etwa abgesperrten Blutes. Das Hämatoidin scheint mit der Zeit resorbirt zu werden; bei alten Leuten fand ich bis jetzt nur corpora albicantia, nie rubra. Auch die Farbe der corpora rubra ist bei verschiedenen Thieren verschieden, doch kommen auch beim Menschen allein verschiedene, rothe und schwarze, Farbstoffe vor. Die corpora rubra des Schafes sind ähnlich braun, wie dessen corpora lutea. Bei einem l4tägigen Kalbe fand ich bereits corpora rubra. Die Unterscheidung von corpus luteum verum und spurium scheint für die Thiere nicht mehr zu halten zu sein. Bei- der Kuh, dem Schaf, der Katze und dem Hunde fand ich in nicht trächtigem Zustande genau ebensolche corpora lutea, wie bei träch- tigen Thieren. Ganz unzweekmässig ist trotzdem der Vorschlag von Beigel, die Bezeichnung corpus luteum spurium auf den ob- literirten Follikel zu übertragen. Es muss ja nothwendig zu Ver- wechselungen führen, wenn ein Name, mit welchem Jedermann einen bestimmten Begriff verbindet, auf ein anderes, ebenfalls all- gemein bekanntes, Objekt übertragen wird. Wenn man überhaupt eine Aenderung der Nomenclatur vornehmen wollte, brauchte man ja nur das zweite Adjektiv fortzulassen und einfach das corpus luteum der Atresie des Follikels gegenüberzustellen. Beim Menschen kommen ebenfalls im nicht schwangern Zu- stande corpora lutea vor, welche vollkommen die Grösse und Aus- Zur Morphologie des Ovariums. 509 bildung haben, wie bei Schwangern. Im Allgemeinen aber findet man nicht genügende eorpora lutea, um annehmen zu können, dass bei jeder Menstruation eines entstünde, welches genau den gleichen Verlauf nähme, wie das e. l. verum. Bei einer 32jähr. Jungfrau z. B., welehe drei Wochen nach der Menstruation starb und immer regelmässig menstruirt- hatte, fand ich nur 5 e. lutea, welche alle viel kleiner waren, als man sie bei Wöchnerinnen- findet. Das frischeste habe ich in Fig. 25 abgebildet. Dieses Missverhältniss könnte in zweierlei seinen Grund haben. Einmal könnte es sein, dass nicht bei jeder Menstruation Ovulation stattfände; dem scheint in der That so zu sein. Dass die Men- struation nicht die Folge der Ovulation ist, geht wohl zur Genüge aus dem hervor, was oben über die von der Pubertät ganz unab- hängige Reifung der Eier und Follikel gesagt ist. Ferner liegen mehrfache Sektionsberichte vor von kurz nach der Menstruation verstorbenen Jungfrauen, bei welchen man keine frischen corpora lutea fand. Auch ich machte eine solche Beobachtung. Ich seeirte ferner einen weiblichen Hühnerhund, welcher ec. vier Wochen vorher läufig gewesen und belegt worden war, fand aber weder Embryonen, noch corp. lutea. Das Wahrscheinlichste dürfte sein!), dass die Menstruation die Ursache der Ovulation ist, indem sie, als ein nervöser Vorgang, durch Transsudation in die Follikel diese zum Schwellen und Platzen bringt. Ist gerade kein Follikel genügend vorbereitet, so bleibt eben die Ovulation aus. Diese eine Annahme genügt aber immer noch nicht; wenn nur- bei je der sechsten Menstruation Ovulation stattfände, müsste der Sektionsbefund immer noch ein ganz anderer sein. Es drängt sich deshalb noch die andere Annahme auf, dass das e. 1]. spurium rascher ablaufen möchte, als das verum. Bei den gewöhnlich un- tersuchten Thieren bleiben, wie es scheint, die Verhältnisse im ovarium wesentlich die gleichen, ob Befruchtung eintritt oder nicht; höchstens tritt im Verneinungsfall die nächste Periode etwas früher ein. Es liegt deshalb auch kein Grund vor, dass der Ver- lauf des corpus luteum in beiden Fällen ein verschiedener sei. 1) Literatur bis 1875 bei Mayerhofer, Wiener med. Wochenschrift 1875. Vgl. ferner die gynäkologischen Handbücher, besonders die 6. Auflage von Schröder’s Lehrbuch, 1880, S. 22. Ferner Sinety, Arch. de Physiolo- gie, 1875. 510 K. Schulin: Beim Menschen dagegen macht die Befruchtung eine grosse Ver- änderung im ovarium, indem sie den Zwischenraum zwischen zwei Perioden mehr als verzehnfacht. Man nimmt für gewöhnlich an, dass während der Schwanger- schaft in Folge des allgemein gesteigerten Säftezuflusses zu den Genitalien auch die Ovarien sich im Zustande der Congestion befänden und dass in Folge dessen die corpora lutea üppig wüchsen. Die Richtigkeit dieser Annahme muss ich entschieden in Abrede stellen. Im Gegentheil, der Säftezufluss scheint mir. eher vermindert zu sein. Unter letzterer Annahme erklärt sich der langsame Verlauf des c. l. verum viel besser. Die Pathologie lehrt, dass nicht bei lebenskräftigen Individuen solche weiche Granulationsmassen lange persistiren, sondern bei schwachen, kränklichen Menschen. Caro luxurians ist kein Zeichen der Gesundheit der Wunde, sondern rasche Vernarbung ist ein solches. Die schwammigen Granulationen in den Gelenken finden sich vorwiegend bei schwächlichen Men- schen und es gilt vielmehr als ein Zeichen von Lebenskraft, wenn das Gelenk rasch verheilt, wenn die Granulationen sich rasch in Bindegewebe umwandeln. So scheint mir auch die lange Persi- stenz des ce. l. verum in dem schwammigen Zustande kein Zeichen von Congestion, sondern von Torpidität zu sein, indem gleichsam alle Lebenskraft im uterus consumirt und das ovarium zeitweise vernachlässigt wird. Im nicht schwangeren Zustande dagegen, wo Schlag auf Schlag die Menstruationen folgen, wo die Natur sich be- müht, dem ovarium ein Ei abzuringen, da ist Congestion und Lebens- kraft vorhanden und deshalb machen die hier gebildeten Luteinzellen so rasch ihren normalen Entwicklungsgang zu Bindegewebe durch. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIL, XXIII, XXTIV. Fig. 1. Reifes Eierstocksei eines 20jähr. Mädchens, untersucht in Kochsalz- lösung °; %o- Durchmesser des Eies ohne Zona 105 u. Dicke der Zona 20 u. Keimbläschen 30:25 u. Der grosse Keimtleck 6 u, die übrigen 1—2 u. Fig. 2. Reifes Eierstocksei einer brünstigen Katze, Mitte Januar. Durchmesser des Eies ohne Zona 132 u. Zona 11 u. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. 11. Zur Morphologie des Ovariums. 51l Keimbläschen 36 u. Dotterplättchen bis 7 u. Reifes Eierstocksei des Schweines. Durchmesser des Eies ohne Zona 110 u. Zona 9 u. Keimbläschen 30 u. Keimfleck 11 u. Dotterplättchen bis 9 u. Reife Eierstockseier der Maus. abc Durchmesser des Eies ohne Zona frrA=80u,B= %u FON, ein, Kae Be — 4 u Keimbläschn „,A=23u,B= 2u Keimflecke . „ A,—=bis4u, B=1-6 u. Die Durchmesser der granulirten Zone um das Keimbläschen in B betragen 48 u. 66 u. Ein unbefruchtetes Ei aus dem Eileiter des Schweines; 1 Stunde nach dem Tode untersucht in 3/, °/,iger Kochsalzlösung. Gesammtdurchmesser des Eies ohne Zona 140 u. Zona 9 u. Durchmesser der Dotterkugel 120:132 u. Länge der Vorragung (des Keimbläschens ?) 48 u. Grösste Breite derselben 15 u. Dotterplättchen bis 4 u. Ei mit 3 Keimflecken aus dem Eierstocke eines 3jährigen Kindes. a Kernähnliches Gebilde in der Zona. a u. bin inäqualer Furchung begriffene unbefruchtete Eier aus dem Eierstocke einer halbwüchsigen Ratte. !/, Stunde nach dem Tode untersucht in ®/, iger Kochsalzlösung. Die grössern Furchungs- kugeln enthalten fast alle mehrere runde Gebilde, welche dem Keim- bläschen gleichen. , Durchmesser des Innenraumes der Zona = W u. Dicke der Zona = 17 u. Urniere und Anlage der Geschlechtsdrüse eines 7 mm langen Mäuse- embryos. G Geschlechtsdrüse. K _ Keimepithel. U Urnierenkanäle. W Wolff’scher Gang. M Anlage des Müller’schen Ganges. C Vena cardinalis. Eientwicklung von der neugebornen Katze. Eientwicklung der wöchentlichen Katze. Eientwicklung bei einem Ende des 8, Monates stehenden mensch- lichen Foetus. cr - Il 2 Fig. Fig. Fig. Fig. K. Schulin: Zur Morphologie des Ovariums. a Keimepithel. b Zellenhaufen mit beginnender Differenzirung. ce Regressive Metamorphose junger Eier. 12. Ovarium des Neugeborenen. Hartnak VII. 13. 14. 15. 16. 17. 18. tO 8. Entwicklung der Primordialfollikel. Zusammenhang mit dem Keimepithel. Aus dem Ovarium von Rhinolophus hippocrepis. a Kleiner Follikel mit 3 Eiern, wovon eines körnig getrübt und ohne Kern. b Ein Eischlauch mit beginnender Entwicklung der Scheide- wände — Hereinwachsen der Follikelzellen. c Desgleichen die Trennung eines Follikels durch Follikelepithel. d Knospe eines Eischlauches mit Inhalt. Aus dem Ovarium eines 3jährigen Kindes. aaa Eier in verschiedenen progressiven Entwicklungsstadien. b Follikel, eine gefaltete Eihaut im Innern. Das Follikelepithel bis auf eine geringe Spur verschwunden. Granulosazellen innerhalb der Zona in einem jungen Follikel vom 3jährigen Kind. Gesundheitszustand des Eies fraglich wegen der . Schrumpfung des Dotters. Follikel eines trächtigen Kaninchens, die Barry’schen Retinacula. In der Membrana granulosa die von Call und Exner für junge Eier gehaltenen Lücken. Normaler Discus proligerus einer 28jährigen Frau. Beginn der Atrophie des Discus. Hineinwachsen von Blutgefässen in denselben. Aus dem Ovarium eines 3jährigen Kindes. Hineinwachsen von Blutgefässen in den Discus. Aus dem Ovarium einer 32jährigen Jungfrau. Obliterirender Graaf’scher Follikel aus dem Ovarium eines 4jähri- sen Kindes. Obliterirter Follikel mit Eirest. Aus dem Ovarium einer 32jährigen Jungfrau. Degenerirtes Ei mit eingedrungenen und einer eben eindringenden Granulosazelle vom 3jährigen Kinde. Abgestorbenes Ei mit Nagelzellen, ohne Dotter, Granulosazellen in seinem Innern enthaltend. Aus einem geschrumpften Follikel einer 32jährigen Jungfrau. a und b Eireste (gefaltete Zona pellucida) aus dem Ovarium des Kaninchens. Corpus rubrum aus dem Eierstock einer 32jährigen Jungfrau. 25/1. Corpus albicans aus dem Ovarium einer 92jährigen Frau. Öbliterirte Capillaren mit Hämatoidinkrystallen. Aus einem Corpus rubrum einer 32jährigen Jungfrau. Hartnack VIlj3. Ziemlich frisches corpus luteum spurium, 32jJährige Jungfrau. 20/1. Bew _ W. Flemming: Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. 513 Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. Nach Arbeiten Ernst Fischer’s mitgetheilt von Walther Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XXV. T Dieses Archiv enthält in Bd. XIX, 8.53 eine Abhandlung von W. Krause: „Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperehen“*. Ohne dem übrigen Inhalt der Arbeit näher zu treten, und ohne die grossen Verdienste anzutasten, welche der Verfasser sich um die Kenntniss der verschiedenen Formen von Tastkörpern erworben hat, muss ich ihm zunächst in einem Punkt entgegentreten. Derselbe betrifft die Art, in welcher W. Krause!) über die Anwendung der Goldmethode auf die Meissner’schen Tastkörper und die sensiblen Nervenenden über- haupt, und über die bezügliche Arbeit von Ernst Fischer abge- urtheilt hat ?). Die Goldpräparate Fischer’s von menschlichen Tastkörpern sind in Bezug auf vollständige und schöne Darstellung der Nerven die besten Präparate, welche bis jetzt abge- bildet und beschrieben sind, und, wie ich danach behaupten 1) a. a. O. p. 108, 109. 2) Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. Dieses Archiv B. 12, 364. Diese Arbeit ist in meinem Laboratorium in Prag entstanden und, auf Fischers eignen Wunsch, unter fortwährender Controle meiner- seits ausgeführt worden. Ich kann für den materiellen Inhalt seiner Darstellung völlig einstehen, und bedaure nur, dass seine Abbildungen das, was er be- schreibt, noch lange nicht so schön und ausreichend zeigen wie seine Präparate. Nachdem seine Ergebnisse angezweifelt worden sind, habe ich die Verpflichtung sie zu vertheidigen, da Fischer selbst dies nicht mehr thun kann. Er starb in München 1878. 514 W. Flemming: kann, die besten, welche existiren. Denn hätte irgend Einer der übrigen Untersucher nur annähernd eben so gute gehabt, so würde er sie wohl jedenfalls auch gezeichnet und beschrieben, und seine Darstellung danach eingerichtet haben !). Ich gehe etwas näher auf den Gegenstand ein, und bilde einige Präparate Fischer’s ab, um dadurch möglichst verhüten zu helfen, dass etwa Jemand auf Krause’s Autorität hin glauben wollte, die Goldmethode sei wirklich unbrauchbar für die Bear- beitung dieser Frage. Die wesentlichen Resultate und Verdienste der Arbeit Fischer’s sind kurz diese: dass er durch geschiekte Anwendung des Gold- und Osmium- verfahrens die Nervenvertheilung in den Meissner’schen Tast- körperchen viel vollständiger darstellte, als irgend ein anderer Untersucher, und damit eine ungeahnte Reichlichkeit dieser Ner- venvertheilung aufdeckte?); und zwar dies, nachdem sein Vorgänger in der Anwendung des Goldehlorids, Thin, damit ganz ungenügende Ergebnisse gehabt hatte; ferner, dass Fischer dabei das Vorkommen von Theilungen der Nervenfasern, und markhaltiger Strecken ?) in ihrem Verlauf im Körperchen (Langerhans) bestätigen, und freieEndigungen der Nerven im Tastkörper (entsprechend Krause’s früherer An- 1) Die betreffenden Präparate, nebst vielen andern gleich schönen Ver- goldungen Fischer’s (Haarnerven, Epithelnerven, motorische Endigung), sind grösstentheils im Besitz der hiesigen zoologischen Sammlung; eine kleine Auswahl, als Geschenk des Verstorbenen, in dem meinigen. Belegstücke können auf Wunsch zur Einsicht versandt werden. Was Bonnet (Morph. Jahrb. 1878) über die Nervenendigung am Säugethierhaar festgestellt hat, hatte Fischer fast zwei Jahre früher gefunden, und die Terminalscheiben in den Tastkolben der Schwimmvögel ein Jahr vor Ranvier (Comptes rendus 1877) durch Gold dargestellt; Beides habe ich nach seinen Objecten schon 1876 meinen Zuhörern demonstrirt. Fischer war nicht dazu zu bringen, seine Resultate alsbald zu publiciren. 2) Man möge dafür nur seine Abbildungen Taf. 17, 13, 12 und Fig. 3 und 4 hier mit den Figuren von Langerhans, Thin u. A. vergleichen. 3) Dass solche markhaltige Schaltstrecken existiren, ist an guten Ösmiumpräparaten beim Vergleich mit Goldpräparaten leicht erweisbar. Vergl. die Abbildungen Fig. 5,6 mit Fig. 3, in welcher letztern auch die marklosen Strecken gefärbt sind. Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. 515 nahme) wenigstens wahrscheinlicher machen konnte, als dies Krause selbst und Andere, mit viel weniger maassgebenden Untersuehungsmethoden, vermocht hatten. Fischer konnte damit auch feststellen, dass ein Theil — allerdings nur ein geringer Theil — der „Querstreifen“ des Körperchens durch quere Verlaufs- streeken der Nerven bedingt ist, nämlich die vom Mark bedeckten Strecken; endlich, dass es Fischer zugleich gelang, an seinen Gold- präparaten, also noch ausser den kenntlich dargestellten Nerven, durch Tinetion die Kerne der daneben im Körperchen vorhan- denen Zellen zu zeigen (s. Fischer’s Fig. 12 u. a.) und damit die Annahme einer bloss körnigen Grundmasse des Körperchens (Krause, Allg. Anatomie p. 511)!) zu widerlegen, so weit dies nicht schon durch die Arbeiten von Langerhans und Thin ge- schehen war. Jetzt hat sich freilich auch Krause von der Existenz dieser Zellen überzeugt, und zwar in. der Art, dass er nunmehr die ge- sammte Substanz der Innenkolben, ausser den Nervenfasern, als aus ihnen (Kolbenzellen Kr.) zusammengesetzt auffasst. Letzteres hatte Fischer nicht festgestellt, nahm vielmehr an, dass ausser den Zellen noch eine feinfaserige Intercellularmasse vorhanden sei. Dagegen kam Fischer darin zu derselben Auffassung, welche jetzt Krause vertritt, dass er die Zellen der Bindesubstanz zu- rechnete (p. 356 u. a. a.0.). Er hat dies freilich mit Vorsicht aus- gesprochen und?) die Möglichkeit zugelassen, dass sie doch mit den Nervenfasern einen Zusammenhang haben könnten; welches letztere dann fast gleichzeitig von Merkel vertreten wurde. Ohne mich letzterer Meinung anzuschliessen, muss ich doch Fischer’s Vorsicht in diesem Fall ganz gerechtfertigt nennen; man hatte da- mals noch nicht die Analogie der Vogeltastkörperchen mit ihren intercellulären Terminalplatten, und Niemand konnte sagen, ob er die ‚Nerven in dem menschlichen Tastkörperchen -bis zu ihren wirklichen letzten Enden verfolgt habe. 1) Noch an dieser Stelle (1876, gleichzeitig mit Fischer’s Arbeit) erkannte Krause keine zelligen Elemente im Innenkolben der Tastkörper an, und wollte die von Langerhans demonstrirten Kerne als solche deuten, die nicht im Innern, sondern zwischen den Abtheilungen von Zwillingstast- körperchen lägen. 2) Schlussbemerkung seiner Arbeit. 516 W. Flemming: Wohl aber ist Fischer derjenige gewesen, der in dieser Ver- folgung mit Hülfe seiner Goldpräparate von Allen am weitesten kam. Die Schlüsse über die Form der Nervenendigung, zu denen er dabei gelangte !), sind der Hauptsache nach sehr nahe in Ueber- einstimmung mit denen, welche Krause gleichzeitig in seiner allg. Anatomie zog?), und theilweise auch noch mit denen, welche Letz- terer jetzt zieht?). Hiernach wäre von seiner Seite eine nähere Berücksichtigung Fischer’s sehr wohl am Orte gewesen; am wenigsten aber be- stand ein Grund zu dem absprechenden Urtheil, das Krause über dessen Arbeiten äussert. Dieses Urtheil findet sich auf Krause’s Seite 108 und 109 in den beiden summarischen Sätzen: 1) Fischer, p. 375: „So ergibt sich, dass die Nervenfasern ...... als Terminalfasern in die Substanz des Körperchens eintreten und hier in verschiedenartigen, häufig aber dicht gelagerten Windungen verlaufen, wobei sie nur stellenweise mit Mark bekleidet sind. Während ihrer Aufwindung theilen sie sich noch und enden zuletzt, wie auch ihre Aeste, wahrscheinlich angeschwollen an verschiedenen Stellen innerhalb der Tastkörper.“ 2) Krause, a. a. O. p. 5ll „Häufig winden sich die Fasern spiralig;“ p-. 512: „Zuweilen theilt sich die eintretende Faser in zwei oder drei noch doppeltcontourirte Aeste; in manchen Fällen hingegen gehen aus einer solchen Stelle drei bis sechs hand- oder büschelförmig ausstrahlende Aeste hervor, die einfach contourirte mattglänzende Terminalfasern darstellen. Diese sind es, die das eigenthümlich charakteristische Ansehen der Tastkörperchen bedingen... ... Sie sind, nicht streng genommen, Querstreifen, indem sie nicht parallel in der ganzen Ausdehnung des Körperchens von einer Seite zur andern verlaufen; oft kreuzen sie sich unregelmässig, und im oberen und unteren Theile namentlich laufen sie schräg und gebogen. Niemals gehen sie über den Contour des Tastkörperchens hinaus und verbinden sich weder mit dieser Hülle, noch überhaupt mit dem Gewebe der Papille, sondern endigen theils scheinbar in eine Spitze auslaufend, theils mit verdickten und kolbigen Endknöpfchen“* 3) Allerdings nur theilweise, insofern Krause jetzt querverlaufenden Ner- venfasern keinen Antheil mehr an den „Querstreifen“ der Tastkörper zugesteht (p. 107—108), und, so viel ich wenigstens seiner Darstellung entnehmen kann, einen viel geringeren Reichthum an Nerven in Körperchen annimmt, als er es früher that. — Sein Resultat über die Nervenendigung lautet (p. 53): „Zwischen jenen Kolbenzellen endigen die einfach sensiblen Nervenfasern mit Terminalfasern, die in birnförmigen oder abgeplatteten Endknöpfchen aus- laufen.“ Vergl. dafür auch p. 109—112, Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. 517 „Diese Ansicht!) ist später in etwas veränderter Form von Oehl, Rouget und neuerdings auf Grund der Goldmethode von Fischer vertreten worden. Letzterer erklärt die Spiraltouren der Nerven- fasern, welche das Körperchen durchziehen sollen, für theilweise markhaltig, theilweise marklos und zwar soll dieselbe Faser successive sich verdünnen und dann wieder anschwellen. Dass hierbei Kunstproducte zu Grunde lagen, geht schon aus den vorsichtigen Bemerkungen von Kraus?), der ebenfalls Gold- chlorid anwandte, hervor;“ und ferner: „Mit Ueberosmiumsäure und Goldehlorid ist hierbei (bei der Ermittelung der Nervenendigungsart in den Tastkörpern) nichts anzufangen. Speciell die Vergoldung hat in den Händen von Fischer und Kraus bei den Tastkörperchen sehr differente Resultate ergeben. Jedoch muss dabei bemerkt werden, dass die Hautschnitte, welche mir am frischesten nach dem Tode zu Ge- bote standen, bereits drei Stunden alt waren. Aus den Befun- den wagte ich keine bestimmten Schlüsse zu entnehmen.“ Hierzu bemerke ich: Die Vergoldungen von Kraus sind, nach den Abbildungen Fig. 2, 3, 4 und dem im Text Gesagten, sehr unvollkommen gewesen und können (ebenso wie die von Thin) mit denen Fischer’s nicht im Entferntesten coneurriren. — W. Krause selbst scheint, nach dem Wortlaut seiner letzterwähn- ten Stelle und nach dem gänzlichen Fehlen von Vergoldungsbildern auf seinen Tafeln, mit diesem Verfahren an den Tastkörpern gar keinen nennenswerthen Erfolg gehabt zu haben. Wenn mit einer und derselben Methode der Eine gute, der Andere schlechte Präparate bekommt, so hat der Letztere darum kein Recht zu schliessen, dass die Methode für den Gegenstand nicht zu brauchen sei. Das ersteitirte Urtheil Krause’s „dass hierbei Kunstproducte zu Grunde lagen“, fordert noch einige Worte zur Aufklärung, da 1) Dass die Tastkörperchen als Nervenknäuel zu betrachten seien (Gerlach). 2) Wien. Sitzungsberichte 1878, Bd. 78. Kraus äussert hier übrigens nur, dass er Fischer’s Ergebnisse nicht zu bestätigen vermocht hätte; und es geht nirgends aus seiner Darstellung hervor, dass Fischer’s Präparate „Kunstproducte“* seien, sondern nur, dass Kraus mit dem Goldchlorid kein Glück gehabt haben muss, 518 W. Flemming: es dem Wortlaute nach in zwei Richtungen verstanden werden könnte; entweder nämlich: l) dahin, dass Krause die Spiraltouren der Nervenfasern im Körperchen, und überhaupt den grossen Nervenreich- thum, den Fischer gegenüber allen Anderen in den Tastkörpern gefunden hat, für ein Kunstproduet hält, also annimmt, dass hier Dinge durch Gold geschwärzt seien, welche keine Nervenfasern sind; oder, 2) dass sich der Ausdruck „Kunstproducte“* nur auf die An- gabe Fischer’s beziehen soll, wonach die Nervenfasern im Körperchen streckenweise verdünnt und wieder ange- schwollen, sowie streckenweise markbedeckt und wieder marklos sind. Ich kann das unter 2) Gesagte aber nicht annehmen, denn unter dieser Voraussetzung — unter dem Zugeständniss also, dass die Fischer’sche Beschreibung des Nervenverlaufs im Ganzen richtig, nur die Nervenfasern an seinen Objeeten etwas verunstaltet seien !) — hätte Krause unmöglich von einer Unbrauchbarkeit der Goldmethode für dies Objeet reden können. Ferner spricht auch der ganze Zusammenhang der eitirten Stelle für die obige Annahme 1): denn Krause tritt dort in den Sätzen vorher (p. 107— 108) ausdrücklich von Meissner’s und seiner eigenen früheren Ansicht zurück, nach welcher die Querstreifen der Tastkörper auf querlaufende Nervenfasern zurückzuführen wären 2), er wirft Fischer’s Anschauungen mit der älteren Auffassung der Tast- 1) Obwohl ich dies nicht annehmen möchte, so bleibt es allerdings möglich, dass die streckenweisen, unregelmässigen Verdickungen und Ver- dünnungen der intracorpusculären Nervenfasern (Fig. 3, 4) durch das Absterben oder die Reagentien entstanden sein könnten, in ähnlicher Weise, wie anderweitig an Nervenfasern regelmässigere Varicositäten entstehen. Es wäre dies einstweilen weder zu beweisen noch zu widerlegen; jedenfalls wird es aber nicht bewiesen durch irgend etwas in den Befunden von Kraus, oder von W. Krause selbst. 2) Ich erwähne ausdrücklich nochmals, dass dies nach Fischers Prä- paraten und nach seinem eigenen Ausspruch nur für einen Theil der Querstreifen gilt, welche durch die myelinbedeckten Strecken der Nervenfasern optisch bedingt werden; für den grösseren Theil will ich der jetzt von Krause gegebenen Erklärung — Kantenansichten der Zellenkörper — hiermit nicht entgegentreten, Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. 519 körper als „Nervenknäuel“ zusammen, spricht von „Spiraltouren, die das Körperehen durchziehen sollen“; und es ist in seiner eigenen jetzigen Darstellung und in denen Anderer, die er gut heisst, durchweg eine viel geringere Menge Nerven im Tastkör- perehen geschildert, als es der Wirklichkeit entspricht (vergl. z. B. Fig. 3, 4) und dureh Fischer’s Präparate demonstrirt wird. Wenn Krause diesen Nervenreichthum und die von Fischer dargestellte Verlaufsweise dieser Nerven für ein Kunstproduet hält, also glaubt, dass hier etwa andere Dinge als Nervenfasern durch Gold mitgefärbt sein könnten, so ist dies vollständig unrichtig und würde nur beweisen, dass Krause noch kein gutes Goldpräparat eines Meissner’schen Körperchens vor Augen gehabt hat. Es sind allerdings, bei Anwendung der Löwit’schen Methode wie anderer, genug Stellen zu finden wo die Vergoldung diffus ge- rathen ist, und wo wohl selbst die ganzen Tastkörper als tief- dunkle Klumpen erscheinen; Fischer’s Darstellung aber bezieht sich nur auf tadelfrei vergoldete Partien, wo die Nerven tief dunkel sind, alles Andere aber gar nicht oder nur in ganz geringem Grade gefärbt. Jeder, der nur einigermaassen über Goldimprägnationen zu urtheilen versteht, wird beim ersten An- blick eines solehen Objects überzeugt sein, dass es sich hier um Nervenfasern handelt. Ich wiederhole: Die bisher vollständigste Darstellung der Nervenmenge und -Vertheilung in den Meissner’schen Tastkörpern ist auf Seiten Fischer’s. Er hat nicht verdient, dass dieselbe jetzt ohne jede sachliche Motivirung und ohne genauere Nach- untersuchung in Zweifel gestellt wurde. Denn um mit der Gold- behandlung an diesem Object solche Erfolge zu haben, wie er sie erzielte, muss man allerdings auch mit Löwit’s Methode lange, mühsam, unter vielen Enttäuschungen und mit solcher Ausdauer arbeiten, wie ich sie während Fischer’s Untersuchung zu bewun- dern gehabt habe. II. Die Vertheilungen blasser Terminalfasern in ge- schichteten Epithelien — ausgenommen das der Hormhaut — werden von W. Krause, wie in seinem Handbuch der allg. Ana- tomie (1876), so auch in der hier besprochenen Arbeit ange- zweifelt. Krause hat sogar am ersteren Orte (p. 541) versucht, 520 W. Flemming: die bekannten Eimer’schen Endorgane an der Maulwurfsschnauze als unvollständig entwickelte Schweissdrüsen zu deuten; ein Be- weis dafür, dass er geurtheilt hat, ohne brauchbare Goldpräparate von den betreffenden Organen gesehen zu haben. Dasselbe muss wohl gelten für die anderweitige intraepitheliale Nervenendigung, wie sie an vielen Orten!) bereits dargestellt ist. Krause ver- hielt sich in seinem Handbuch allen diesen Angaben gegenüber zweifelnd, und beurtheilte sie mit den Worten (p. 541 a. a. O.): „Obige Nervenfibrillen im Epithel sind vielleicht (mit Fett gefüllte, vergl. p. 531 a. a. O.) Lymphwege.“ Heute hat er sogar das „vielleicht“ fortgelassen ?). Da solche Aussprüche von Seiten eines vielerfahrenen Histo- logen heute noch möglich sind, finde ich es nützlich, in Fig. 1 und 2 hier noch ein Präparat von den Epithelnerven des Schweins- rüssels abzubilden, obgleich dies schon dreimal (v. Mojsisovies, Merkel, Ranvier) geschehen ist; und um so mehr, weil nach letzteren Abbildungen zu urtheilen, das hier gezeichnete Fischer'- sche Präparat?) eine weit schönere und vollkommenere Nerven- vergoldung darstellt, als sie von den Genannten erzielt wurde. Es wird hier aus der Form des Verlaufs im Epithel jedem Sachkun- digen sofort klar sein, dass es sich um Nervenfasern, und nicht etwa, wie Krause vermuthete, um „fettgefüllte Lymphbahnen“ handelt. Lymphbahnen soleher Form kommen in geschichteten Epithelien überhaupt nicht vor. Ich könnte aus Fischer's Vergoldungen noch sehr viele ähn- 1) Ich führe nur einige Beispiele an: Neben den Tastkegeln in der Maulwurfsschnauze (Eimer, dieses Archiv B. 7 p. 181, 1871; v. Mojsisovies, Wien. Sitzungsb. B. 73, 1876; Ranvier, Quart. journ. mier. science October 1880, p. 456). In der menschlichen Epidermis (Langerhans, Virchow’s Archiv 1868; Ranvier a. a. O.). Am Rüssel des Schweins (v. Mojsisovics, Wien. Sitzungsb. B. 71, 1875, Ranvier a. a. O.), Merkel in seinem neuen Werk. Im Mundepithel (Eberth, Paladino, Sertoli u. A.). 2) Krause, in der Eingangs eit. Arbeit p. 127, Anm.: „Die blassen Nervenfasern z. B. von Ranvier (l. c. Taf. 36) im Rete mucosum der Epi- dermis sind Lymphbahnen.“ 3) Seit 3 Jahren in meinem Besitz. Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. 521 liche Stellen abbilden. Es sei noch bemerkt, dass in den Figuren 1, 2 noch lange nicht alle Nerven, die man in loco bei ver- schiedener Einstellung sieht, mit aufgenommen sind, da das Bild dadurch zu complieirt geworden wäre. Uebrigens verweise ich auf die Erklärung. Die Langerhans’schen Nerven!) im Malpighi’schen Lager der menschlichen Haut habe ich öfter an eigenen Goldpräparaten (Henoeque’sche und Löwit’sche Methode) gesehen, allerdings nur bruchstückweise und nicht in solcher Ausdehnung, wie sie Ranvier’s Fig. 3 a. a. O. zeigt. Ich verstehe nicht, wie man sich gegen diese Nerven noch zweifelnd verhalten mag, wenn man einmal die ganz ähnlichen, nur viel reichlicheren im Epithel des Schweinsrüssels und der Cornea zugiebt und zugeben muss. Wenn die Darstellung dieser Endfasern im Epithel der menschlichen Fingerhaut auch schwieriger ist als anderswo, so spricht doch für ihr Vorhandensein auch dort, wo die Vergoldung im Bindegewebe aber nicht im Epithel gelungen ist, schon die grosse Menge der feinen, marklosen Fasern, die man in der Cutis und den Pupillen vielerorten die Grenze von Bindegewebe und Epithel erreichen sieht. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV. Alle Figuren nach Präparaten von Ernst Fischer gezeichnet. Fig. 1. Querschnitt durch die Haut des Schweinsrüssels, Goldbehand- lung nach Löwit. Nervenvertheilung im Epithel. p- Papillen, angedeutet. g. Goldniederschläge auf der Oberfläche des Epithels, angedeutet. Ausserdem sind nur Nervenfasern und zwei verästelte Zellen im Epithel gezeichnet. Die Goldnuance des Epithels ist hellgelblich- roth, die der Nerven tintenscehwarz. Der Schnitt ist ziemlich dick, mit Nelkenöl-Damar aufgehellt. Man sieht im Bereiche der gezeichneten Stelle bei verschiedener Einstellung im Epithel noch etwa die zwiefache Menge der Nerven, welche die Figur darstellt. l) Ich verstehe hier darunter diejenigen feinen Nervenfasern, welche Jetzt Ranvier (a.a.O. Fig. 3) gezeichnet hat, ohne dabei die Frage zu erörtern, ob oder inwieweit die „Langerhans’schen verästelten Körper“ als integrirende Bestandtheile zu dieser Nervenausbreitung gehören, oder im Epithel kriechende Zellen sind. In den Präparaten der Fig. 1,2 finden sich im Epithel zahlreiche verästelte Zellen (2 davon gezeichnet), Zusammenhänge derselben mit den viel schärfer gefärbten Nerven liegen aber nicht in der Art vor, dass sich eine Zugehörigkeit dieser Zellen zu den Nerven danach behaupten liesse. 522 W. Flemming: Zur Kenntniss der sensiblen Nervenendigung. Fig. 4. Fig. 5 u. erstere wurden nicht mit gezeichnet, um das Bild nicht zu unklar zu machen. Die Nervenfasern dringen, wie man sieht, bis sehr nahe an die Oberfläche. Die meisten sind fein, ziehen der Hauptrichtung nach geradlinig aufwärts, nur mit zahlreichen wellenförmigen oder Ziekzack- Biegungen; doch auch an solchen finden sich Theilungen. Einige treten aber auch noch als etwas dickere Stämmchen (bei *) ins Epithel ein und verästeln sich in ihm, dicho- und trichotomisch, weiter. Der Stamm bei * kommt nicht aus der Papillenspitze, son- dern neben ihr aus einem Thal. Andere Nervenfasern treten auch aus den Spitzen von Papillen hervor. Mit dem Prisma aufgenommen. Hartnack 7. (Auf der Tafel versehentlich auch als Fig. 3 bezeichnet.) Nerven- busch im Epithel, ebendaher, Erkl. vgl. Fig. 1. Meissner’sches Tastkörperchen, menschliche Fingerhaut, Vergoldung nach Löwit, Nachbehandlung mit Cyankali. Die Goldnuance des Epithels (nur angedeutet) ist hellrosa, die des Bindegewebes ganz blass graugelb, die der Nerven tin- tenschwarz. Dies gilt für alle Nervenfasern im Körperchen, zur Verdeutlichung der Zeichnung sind jedoch die bei tieferer Ein- stellung erscheinenden im Ganzen heller dargestellt. Um die Nervenfasern im Körperchen möglichst genau einzeln zu verfolgen, sind sie mit Seibert’s Oelimmersion "/is, mit Beleuch- tungslinse unter dem Objectglas, aufgenommen. Trotzdem ist eine Feststellung aller ihrer Theilungen und freien Enden an diesem Exemplar unmöglich, da die Windungen sich vielfach decken und in optischen Schnitten erscheinen. Auch hier sind noch nicht alle Faserstrecken im Körperchen goldgefärbt, daher einzelne Abschnitte isolirt erscheinen (z. B. an der Spitze). Nervenapparat eines kleineren Tastkörperchens, ebendaher, gleiche Behandlung, Hartn. 9 a imm. Alles wie in Fig. 3. — Die zwei zu- tretenden Nervenfasern winden sich an der Eintrittsstelle zum Theil in der Art, dass ihr Zusammenhang mit den intracorpusculären Windungen nur theilweise erkennbar ist. 6. Tastkörperchen ebendaher, Osmiumsäure, aufgehellt. Mit Seibert’s Oelimmersion '/;, (wie Fig. 3) aufgenommen. Myelinhaltige Strecken der intracorpusculären Nervenfasern dunkel gebräunt (hier schwarz dargestellt), grössern Theils in optischen Quer- und Schrägschnitten gesehen. — Zeigt, dass in der That ein beträchtlicher Theil der „Querstreifung“ der Tastkörper, wie sie ohne Osmiumbehandlung erscheint, durch die myelinhaltigen Strecken der im Körperchen verlaufenden Nervenfasern bedingt wird. Zu Herrn Krause’s Aufsatz über die Nervenendigungen etc. 523 Bemerkungen zu Herrn Krause’s Aufsatz über „die Nervenendigungen innerhalb der terminalen Körperchen”. Von Fr. Merkel. Im ersten Heft dieses Bandes p. 53—136 veröffentlichte W. Krause eine Arbeit über die Nervenendigungen innerhalb der terminalen Körperchen der sensiblen Nerven. Es ist dies ein Thema, welches ich kurz vorher in meinem Buch!) neben den anderen Nervenendigungen in der Haut der Wirbelthiere behan- delt habe. Selbstverständlich war es also, dass sich ein grosser Theil der Auseinandersetzungen Krause’s mit meinen Beobachtungen beschäftigen musste. Ich kann wohl sagen, dass ich den Aufsatz dieses Autors mit einer gewissen Spannung zur Hand nahm, da es mir nicht unbekannt ist, dass sich Krause im Ganzen für Berich- tigungen seiner Arbeiten sehr wenig zugänglich zeigt, eine Eigen- schaft, welche man ja dem gekränkten Autorenstolz bis zu einem gewissen Grade verzeihen mag. Ich vermuthete daher eine schroffe Abweisung aller meiner Darstellungen zu finden. Um so erfreuter war ich, als ich nach Beendigung der Lec- türe sah, dass Krause in vielen Punkten meine Ausführungen für richtig erkannte und danach seine Ansichten, wie er sie zuletzt noch in seinem Handbuch vorgetragen hatte, modifieirte. Ein Leser, welcher nur Krause’s Abhandlung, aber nicht mein Buch gelesen, wird über eine solche Meinung von mir gewiss auf das Aeusserste erstaunt sein, denn jener Autor lässt an mir „kein gutes Haar“ und behandelt mich zuweilen in einer Art, welche die Linie des parlamentarisch Zulässigen überschreitet. Ich sagte deshalb auch oben mit gutem Vorbedacht, Krause habe die Richtigkeit meiner Angaben erkannt, nicht anerkannt. 1) Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbel- thiere. Rostock 1880. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 19, 35 524 Fr. Merkel: Dieser Schein des Unrechtes aber ist es gerade, der mich zwingt auch der Sache ferner Stehenden mit wenigen Worten die vorhandenen Uebereinstimmungen und die Differenzpunkte in ihren Hauptzügen klar zu legen. Dass ich mich hierbei nicht der Kampfart Krause’s bediene, versteht sich von selbst, ebenso wie ich auch in eine ausgedehntere Polemik über Dinge, welche nicht in das Bereich des durchaus Thatsächlichen gehören, in keiner Weise eintreten werde. Es sei mir gestattet, zur Charakterisirung von W. Krause’s Darstellung ein einziges Beispiel auszuwählen, und dem Leser vor- zutragen. — Ich sage in meinem Buche p. 146: „Der auch von Krause beschriebene Innenkolben, welcher seit Meissner fast von allen Autoren mit verschiedener Deutung erwähnt wird, existirt über- haupt nicht. Für die Genitalkörperchen wurde er durch Key und Retzius, für die Tastkörperchen der Finger durch Langerhans und Thin beseitigt“. — — „Auch in seinem Handbuch hielt Krause den Innenkolben noch aufrecht“. — Worauf der Beweis dafür erbracht wird, dass die Querstreifung der Tastkörperchen nicht blos einer Oberflächenzeichnung zugeschrieben werden kann, sondern der Ausdruck einer durchgehenden Schichtung ist. Krause antwortet l.c. p. 100: „Innenkolben hatte ich in den Tastkörperchen jene festweiche, zähe, blasse, undurchsichtige, die Form des ganzen Körperchens wiederholende Masse genannt, welche aus sehr kleinen, regelmässig runden, matt glänzenden Körnchen besteht. — — Während alle übrigen Autoren diese fein- körnige, festweiche Masse in frischem Zustand kennen, scheint Merkel der Einzige zu sein, der diesen Innenkolben nicht hat finden können. Man sieht letzteren ohne weiteres an feinen Durch- schnitten ganz frischer Haut, die jenem Untersucher vermuthlich nicht besonders gelungen sein werden, mit den besten Immersions- systemen als feinkörnige Masse, sowohl auf dem Längs- als auf dem Querschnitte.“ Damit bin ich nun scheinbar auf’s Haupt geschlagen. Durch- aus unbefangen fährt Krause p. 101 fort: „Es fragt sich nun, ob mit besseren Hülfsmitteln die scheinbar feinkörnige Substanz der Tastkörperchen-Innenkolben nicht eine feinere Zusammensetzung erkennen lässt. In der That besteht sie aus Kolbenzellen.“ Auf S. 103 heisst es dann: „In Wahrheit bilden die Kolbenzellen Zu Herrn Krause’s Aufsatz über die Nervenendigungen etc. 925 etwas unregelmässig geschichtete Zellensäulen* — so wären wir denn nun einig geworden! Ich bringe es wirklich nicht fertig über eine so durchaus originelle Art der Zustimmung böse zu werden und der Leser wird mir gewiss dankbar sein, dass ich ihn auf Krause’s Darstellung aufmerksam mache. Doch lassen wir diese Dinge bei Seite und wenden uns zum Wesentlichen. Krause legt noch immer einen hervorragenden Werth auf die aceidentellen Gebilde der Endkörperchen und unterscheidet darnach nicht weniger als 13 verschiedene Endigungsarten. Ich wiederhole dem gegenüber das in meinem Buch Ausgesprochene, dass es in erster Linie nur darauf ankommen kann, mit welchem Gebilde die Axencylinder aufhören, nicht darauf wovon sich dieses Ende umhüllt zeigt. Diese letzten Endigungen sind nun nach Krause’s Ansicht allenthalben dieselben, nämlich Endknöpfchen. Endständige Zellen, wie ich sie frei und in Körperchen vereinigt beschreibe, kennt er nicht. Er erklärt die Zellen in den letzteren vielmehr für Theile der Umhüllung. Diese Ansicht ist nicht neu und wurde von mir bereits in meinem Buche so ausführlich wider- legt, dass ich fürchten müsste den Leser zu ermüden, wollte ich die dort vorgebrachten Argumente hier wiederholen. Auch ver- sucht Krause nicht zu erklären, wodurch mir der behauptete und abgebildete Zusammenhang zwischen Nerv und Endzelle vorge- täuscht sei. Eine Erklärung gibt Krause nur bezüglich der iso- lirt stehenden Tastzellen, von denen er annimmt, sie seien nichts anderes, als in Theilung begriffene, gewöhnliche Epithelzellen. Ich kenne ja selbstverständlich die jüngst entdeckten Theilungsstadien der Kerne und Zellen, welche jeden Anatomen auf das Höchste interessiren müssen, sehr genau aus vielfacher Anschauung und wusste, dass keine solchen in den Tastzellen vorlagen. Um aber jeden denkbaren Zweifel auszuschliessen, glaubte ich mein eigenes Urtheil noch dadurch unterstützen zu sollen, dass ich Herrn Collegen Flemming, der augenblicklich wohl die grösste Erfahrung in Sachen der Kerntheilung besitzt, Präparate (Schweins- rüssel) zur Beurtheilung vorlegte. Er schreibt mir: „Beim ersten Blick auf die Präparate kann meiner Ansicht nach schon kein Zweifel sein, dass es sich hier nicht um Zelltheilungen handeln kann. Man sieht ja die Kerne in den betr. Zellen vollkommen klar in ihrer Ruheform.* Dies mit dem meinigen übereinstimmende Urtheil wird genügen, um den Krause’schen Einwand zu beseitigen. 526 Fr. Merkel: Was die nervöse Natur dieser Zellen anlangt, so verweise ich ausser auf meine eigenen Angaben, welche leicht jeden Augenblick bestätigt werden können, auf Bonnet’s Arbeit!), der den Zusam- menhang meiner Tastzellen mit Nerven deutlich genug abbildet. Dieser letztere Forscher sah allerdings die Kerne in den Tastzellen nicht, doch beweist dies noch nichts gegen ihre Existenz, auch Dietl hat sie in seinen so verdienstvollen Arbeiten über die Ner- venendigungen der Haare?) in den Tastzellen der Haarbälge nicht gefunden. Es geht daraus nur hervor, dass diese nervösen Endor- gane schwer zu conserviren sind, eine Thatsache, welche auch ich oft genug zu beobachten Gelegenheit hatte. Ein zweiter Punkt, welcher noch einer Aufklärung bedarf, ist die so ausserordentlich positiv auftretende Angabe Krause’s von der nervösen Natur der Zellen in den Papillen der Daumenwarze des Froschmännchens. Dass diese Papillen Nerven erhalten, dar- über soll nach Krause (p. 115) kein Zweifel bestehen. Dagegen möchte ich bemerken, dass ausser mir noch Eberth an der ner- vösen Natur dieser Gebilde zweifelt. Krause glaubt meine nega- tiven Befunde auf Ungeschicklichkeit in Anwendung der 3 %/igen Essigsäure zurückführen zu können. Ich muss dies um so leb- hafter bedauern, als ich den Vorzug habe, in die Geheimnisse dieser Methode von Krause selbst eingeweiht worden zu sein). Damals handhabte ich sie zu vollkommener Zufriedenheit des Lehrers, ieh mag ja aber seitdem Manches verlernt haben, obgleich ich die vortreffliche Methode, der ich bei meinen Untersuchungen viele Erfolge verdanke (z. B. Tastflecke, Genitalkörperchen) immer für eine der einfachsten des histologischen Apparates gehalten habe. Erneute Beobachtungen konnten mich leider der Krause’schen 1) Morphol. Jahrb. Bd. IV, 1878. Auch Ranvier gegenüber, welcher mir den Rath ertheilt (Compt. rend. T. 91 p. 1089), die Tastzellen noch ein- mal mit seinen Goldmethoden nachzuprüfen, möchte ich auf Bonnet’s Un- tersuchungen verweisen. Jedoch werde ich selbstverständlich, sobald es meine Zeit irgend erlaubt, auch noch selbst Präparate genau nach Ranvier’s Vor- schrift anfertigen. 2) Wiener Sitzungsber. Bd. 64, 66, 67. 3) Es war dies während meiner Studienzeit in Göttingen, wo mich Herr Krause während der beschäftigungslosen Zeit bei einem pathologisch- histologischen Kurs mit Untersuchung der Submaxillardrüse des Kaninchens auf event. Nervenendigungen betraute. Zu Herrn Krause’s Aufsatz über die Nervenendigungen etc. 527 Ansicht nieht günstiger stimmen, und so muss dieser Streitpunkt also einstweilen unerledigt bleiben. Nun noch einige Worte über diejenigen Punkte, bezüglich welcher nunmehr Uebereinstimmung besteht. Die Kolbenkörperchen, wie ich sie bei Reptilien beschreibe, erkennt Krause einschliesslich des von mir eingeführten Namens an. Die Structur des Innenkolbens der Paeinischen Körperchen und zugehörigen Gebilde aus platten, gebogenen Flügelzellen wird anerkannt. Ebenso wird die „Raphe“ derselben bestätigt und der Name adoptirt. Auch in der Beschreibung der Tastzellen und Körperchen des Schnabels der Lamellirostres existirt eine nahezu vollständige Uebereinstimmung, wenn man von dem Zusammenhang der Nerven- faser mit den Zellen absieht, der. von mir beschrieben, von Krause im Anschluss an eine Anzahl anderer Forscher abgeleugnet wird. Der Aufbau der Körperchen in der Zunge der Singvögel aus Zellsäulen, wie ich ihn beschrieb, wird von Krause anerkannt und die von ihm mit Ihlder- gelieferte Darstellung verlassen. Ueber die Modifieirung der Ansichten Krause’s bezüglich der menschlichen Tastkörperchen wurde oben gesprochen. Nachdem so über eine Anzahl wesentlicher Fragen eine Einigung erzielt ist, wird man es nicht zu kühn finden, wenn ich der Hoffnung Raum gebe, dass auch die noch bestehenden Streitfragen in nicht allzuferner Zeit eine befriedigende Lösung finden werden. Zum Schluss drücke ich noch wiederholt mein Bedauern darüber aus, dass es Krause nicht möglich erschien, seine Mit- theilungen in etwas mehr akademischer Weise vorzutragen und erkläre die Discussion mit dem genannten Forscher meinerseits hiermit für beendet. Nachtrag zur Mittheilung über das Schnellgefrier- mikrotom., Von Dr. Roy. Die Uebersechrift: „Ein neues Schnellgefriermikrotom“, welche ich meiner Mittheilung gegeben hatte, könnte, worauf Prof. v. Reeklinghausen mich aufmerksam macht, leicht so gedeutet werden, als beanspruche ich für mein Mikrotom eine grössere Originalität, als demselben in der That zukommt. Um einer solchen 523 Roy: Nachtrag zur Mittheilung über das Schnellgefriermikrotom. Auffassung zu begegnen erkläre ich, wie auch wohl allgemein bekannt sein dürfte, dass die Anwendung des Aether-Spray nicht neu ist. Ich brauche hier in der Geschichte der Mikrotome nicht weiter, als bis zu dem Lewes’schen Instrument zurückzugreifen, welches auf der Badener Naturforscherversammlung 1879 demon- strirt worden ist. Der einzige Punkt, worin ich dem Lewes’schen Instrument gefolgt bin, war die Anwendung des Aether-Sprays unter der Platte, auf welcher sich das zu schneidende Präparat befindet, anstatt ihn direct auf das Gewebe selbst fallen zu lassen, wie es von einigen Forschern, u. a. von mir selbst, vor dem Er- scheinen der Beschreibung von Lewes’ Mikrotom, empfohlen worden war. Die Wichtigkeit der durch Lewes in die Art und Weise der Spray-Anwendung eingeführten Veränderung ist sehr gross, und, hätte ich nicht geglaubt, dass zur Zeit, als ich mein Instrument beschrieb, das betreffende Mikrotom sowohl deutschen als englischen Histologen hinlänglich bekannt gewesen wäre, SO würde ich es in der That für nothwendig gehalten haben, darauf hinzuweisen, obgleich ich absichtlich vermeiden wolite, mich auf die einigermassen uninteressante Frage der Geschichte der Mikrotome, der Gefrierung und Nichtgefrierung einzulassen. Ich muss hin- zufügen, dass dagegen sowohl die Construction der Platte, auf welche das zu schneidende Gewebe gebracht wird, als auch die Vergrösserung ihrer untern Oberfläche, um ein grösseres Verdun- stungsfeld zu erhalten, und von mir und von Herrn Majer her- stammt, dem Mechaniker, welcher es für mich ausführte. Die von mir verwendete Mechanik der Messerführung, ist, wenn auch im Prineipe nicht neu, doch in der bei meinem Mi- krotome gegebenen Anordnung eine, wie ich glaube, nicht unwesent- liche Modification anderer bereits im Gebrauche befindlicher Con- structionen. In einer Notiz zur ersten Seite meiner Veröffentlichung that ich vielleicht dem Instrument, das Herr Majer zuerst für mich construirt hatte, unrecht, indem ich constatirte, dass ich persönlich das von dem Leipziger Mechaniker angefertigte Mikrotom vorzöge. Es ist nur gerecht, wenn ich hinzufüge, dass eine so grosse Autorität wie Prof. vv. Recklinghausen, welcher sich seit fast zwei Jahren des von Herrn Majer, Strassburg Krämergasse, gelieferten Mikrotoms beständig bedient, mir mittheilt, dass er alle Ursache hat, mit der Construction und der Gebrauchsart des- selben zufrieden zu sein. C. Kerbert: Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 529 Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. von Dr. ©. Kerbert, Assistent am Zoologischen Institut in Amsterdam. Hierzu Tafel XXVI und XXVI. Vor einiger Zeit veröffentlichte ich in einer vorläufigen Mit- theilung !) die Resultate meiner Untersuchungen über ein in den Lungen eines Königstigers gefundenes Distomum (Distomum Wester- mani nov. spec.). Ich erlaube mir jetzt auf diese Untersuchungen ausführlicher zurückzukommen, um so mehr als das Untersuchungs- material sich seit der Zeit so reichlich vermehrte, dass ich im Stande war auch den feineren anatomischen Bau unseres Thieres näher zu berücksichtigen. Ausser den Exemplaren, mir bereitwilligst von Herrn Dr. G. F. Westerman, Director der Königl. Zool. Gesellschaft „Natura Artis Magistra“ in Amsterdam zur Untersuchung überlassen — war Herr Dr. H. Bolau, Director des Zoologischen Gartens in Ham- burg, so freundlich mir später die Lungen eines zweiten Königs- tigers zu schicken, — aus der ich noch einige schöne Exemplare des betreffenden Wurmes herauspräparirte. Für diese mir erwie- sene Bereitwilligkeit statte ich beiden Herrn öffentlich meinen besten Dank ab. Das Distomum Westermani fand sich — immer zu zwei Exem- plaren — im Innern ziemlich dicker, hornartiger Kapseln, die an der Aussenfläche der Lungen durch ihre etwas blaue Farbe sofort auffielen. Im Allgemeinen ist der Körper des Thieres dick, oft sehr geschwollen, von einer eiförmigen Gestalt und von einer mehr oder weniger grauen Farbe. Die Rückenseite ist stark gewölbt 1) Kerbert, Zur Kenntniss der Trematoden. Zool. Anz. I. Jahrg. 1878. N0”12 p. 271. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 19, 36 530 0. Kerbert: und zeigt wegen der an dieser Fläche stärker entwickelten Dotter- stöcke eine dunklere Farbe als die abgeflachte oder auch concave Bauchseite. Wie aber aus den Verhältnissen der Muskulatur bei den Trematoden hervorgeht, so sind bei unserem Thiere die Durch- messer nach den drei Dimensionen des Raumes bedeutenden Schwan- kungen unterworfen. Je nachdem dieses oder jenes System des stark entwickelten Muskelapparates thätig ist, wird sich auch die Gestalt des Körpers demgemäss ändern. So beobachtete ich Thiere, die entweder eine vollständig eylindrische Gestalt darboten, — oder auch die Kugelform zeigten. Abgesehen von diesen Abwei- chungen, dureh Muskelkontraktion bedingt, war die Gestalt des Wurmes in den meisten Fällen doch eine eiförmige, mit einem Längendurehmesser von 7—9 mm, einem Breitendurchmesser von 4—6 mm, und einem Diekendurchmesser von 2—3 mm. Die beiden Saugnäpfe, je nach der Kontraktion des Haut- muskelschlauches 2—4 mm von einander entfernt, sind beinahe gleich gross — mit einem Durchmesser von 0,78mm — und ge- hören der ventralen Fläche des Körpers an. Auch bei Distomum Westermani lassen sich, sowohl an der ventralen als an der dorsalen Seite die sogenannten „Seitenränder* (Leuekart) oder „Seitenfelder“ vom „Mittelfelde“ (Leuckart) unterseheiden. Die Seitenfelder, welche der Zone der stark ent- wiekelten Dotterstöcke entsprechen, sind an der dorsalen Seite stärker in die Breite ausgedehnt, als an der ventralen Seite des Körpers, was zur Folge hat, dass das „Mittelfeld“ auf der Bauch- seite des Thieres einen grösseren Raum einnimmt als auf der Rückenseite. Wie bei Distomum hepaticum nennen wir den hinteren Theil des Mittelfeldes, wo sich die männlichen Geschleehtsorgane befinden, das „Hodenfeld“ (Leuekart) — im Gegensatz zu dem vorderen Theile, zwischen dem Bauchsaugnapfe und den beiden transversalen Dotterkanälen, wo die weiblichen Fortpflanzungs- organe eingelagert sind. Weil in diesem vorderen Theile bei dem geschlechtsreifen Thiere auch die Windungen des Eierganges an- gehäuft sind — so schlage ich vor diesen Theil des Mittelfeldes, als „Eifeld“ zu bezeichnen. Wenn ich jetzt dazu übergehe den feineren Bau der verschie- denen Organe zu beschreiben, so muss ich im Voraus bemerken, dass sämmtliche von mir untersuchte Thiere in absolutem Alkohol oder in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet und nachher entweder Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 531 in toto oder auf Schnitten untersucht wurden. Vortreffliche Resul- tate lieferten mir die in absolutem Alkohol gehärteten Exemplare, sowohl in Betreff des feineren histiologischen Baues, als mit Hin- sicht auf die Untersuchung ganzer Thiere. Zum letzteren Zwecke wurden die ganzen, gut gehärteten Thiere in saurer Karminlösung gefärbt, nachher in Nelkenöl aufgehellt und schliesslich in Damar- harz oder in Kanadabalsam aufbewahrt. Diese Methode verschaffte mir ganz vorzügliche, vollständig durchsichtige Präparate, an denen die gegenseitige Lage der verschiedenen Organe sofort studirt wer- den konnte. I. Die Rindenschicht. An der Rindenschicht unseres Wurmes unterscheiden wir die folgenden Lagen: a) die Cutieula (strieto sensu), b) die Epidermis, c) die Basalmembran (,„Cutieula“ auect.), d) die Hautmuskellage, e) die Hautdrüsenlage. Die Cuticula str. s. (Taf. XXVI Fig. 3, 4, 5 c) bildet die äusserste Bedeckung des Körpers und stellt ein sehr dünnes, wenig festes, pellueides Häutchen, ohne Struktur, dar. Die Dieke dieser Membran beträgt 0,0005—0,0009 mm. Offenbar ist diese Cutieula ein Abscheidungsprodukt der unter ihr liegenden Zellenlage oder der Epidermis (Taf. XXVI Fig. 3, 4, 5. E). Die Epidermis ist ungefähr 0,02 mm diek und besteht zu oberst, nach der Cutieula hin, aus runden, mehr oder weniger ovalen Zellen (0,0075—0,01 mm), — zu unterst aus Cylinderzellen mit einem Längendurchmesser von 0,012—0,014mm. Die Kerne beider Zellenarten hatten einen Durchmesser von 0,006 mm. Die Zellsubstanz ist sehr körnchenreich, — die Kerne sind fein granu- lirt, in einigen Zellen aber nicht mehr deutlich wahrnehmbar. Die Cutieula und deren Matrix, die Epidermis, waren aber merk- würdiger Weise nicht bei allen Thieren vorhanden. Bei dem Thiere z. B. von dem ich eine Abbildung in etwa zehnfacher Vergrösse- rung gegeben (Taf. XXVI Fig. 2), — und bei den meisten übrigen Exemplaren — fehlte die Epidermis vollständig. An deren Stelle sieht man bei diesen Thieren als äussere Bedeckung des Leibes 532 C. Kerbert: eine dünne, mit feinen Stacheln bedeckte Membran, welche die Hautmuskellage nach aussen umgiebt (Fig. 2). Diese Struetur- verschiedenheit der Haut unseres Thieres wurde aber bei einer genauen Untersuchung verschiedener Quer- und Längsschnitte voll- ständig aufgeklärt. Als Zwischenstadium beobachtete ich an vie- len solehen Schnitten bei einigen Exemplaren, die Epidermis noch vollständig anwesend, aber zwischen den Epidermiszellen die Chitinstacbeln sehr deutlich entwickelt (Taf. XXVI Fig. 4). Manch- mal aber war die Epidermis über den grössten Theil der Körper- oberfläche vollständig verloren gegangen, und nur an einigen weni- sen Stellen noch vorhanden (Fig. 5). Im letzteren Falle war die Epidermis von einer feinkörnigen Beschaffenheit mit beinahe un- kenntlich gewordenen Kernen. Zwischen dieser körnigen Substanz waren die Stacheln (Fig. 5 s) deutlich wahrnehmbar. Die soliden Stacheln stehen in dichten Querreihen, in Gruppen von 2—7 auf der Basalmembran („Cutieula“ auet.) (Fig. 2, 3, 4, 5 bm) und haben eine lanzettförmige Gestalt mit nach dem hin- teren Körperpole geneigten Spitzen. Die Grösse der Stacheln varirt, und zwar besitzen die am vorderen Körperende gelegenen Stacheln den weithin grössten Längendurchmesser (0,018 mm) mit einer grössten Breite an der Basis (0,002 mm). Die übrigen Stacheln besitzen eine Länge von 0,01 mm. Als Resultat der Untersuchung stellt sich also heraus, dass eine wahre Epidermis mit einer dünnen Cuticula bei unserem Thiere deutlich entwickelt ist, dass aber bei einigen Exemplaren diese Hautschicht vollständig verloren gegangen, und dass in die- sem Falle als äusserste Substanzlage des Leibes nur die mit zahl- reichen Chitinstacheln bedeekte Basilarmembran („Cutieula* auct.) aufzufinden war. Die Basilarmembran zeigt von der Oberfläche gesehen eine streifige Struktur; ihre Dieke beträgt 0,002mm. Dieses Resultat steht aber nieht in Einklang mit den Ergebnissen der- jenigen Autoren, die den Bau der äusseren Haut bei den Trema- toden — und überhaupt bei den Platyhelminthen — näher berück- sichtigt haben. Leuckart!) theilt uns in seinem bekannten Parasitenwerke a 1) Leuckart, Die menschlichen Parasiten, und die von ihnen her- rührenden Krankheiten. I. Bd. p. 455. Leipzig und Heidelberg, C. F. Winter’- sche Verlagshandlung. 1863. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 533 in Betreff der äusseren Haut bei den Trematoden mit, dass „die äussere Körperoberfläche der Saugwürmer, wie die der Bandwür- mer, mit einer „Cuticula“ bedeckt sei, die sich durch Mund- und Geschlechtsöffnung nach Innen einschlägt und die anliegenden Or- gane eine Strecke weit auskleidet. „Wie bei den letzteren (Band- würmern) sieht man unter ihr gewöhnlich eine schwache und un- deutlich begrenzte Körnerschicht hinziehen. Ich sage gewöhnlich, denn in einzelnen Fällen hat diese Subeutieularschicht eine ent- schieden zellige Beschaffenheit.“ Auf dieser „Cuticula“ (Leuckart) befinden sich bei einigen Trematoden-Arten „warzenförmige Er- hebungen*, bei anderen Arten „kleine Spitzchen“ oder Stacheln. Wenn man weiter berücksichtigt, dass Leuckart direkt unter den äusseren Körperdecken — „Cutieula“ und „Subeutieula* — den aus drei auf einander folgenden Lagen bestehenden Haut- muskelapparat beobachtet hat, — so wird man sofort einsehen, dass die äusseren Körperdecken — wie Leuckart dieselben für die Trematoden angiebt — sich mit den äussersten Hautschichten — also mit der Epidermis und der Cuticula unseres Wurmes nicht homologisiren lassen (Fig. 3,4,5 E). Die „Cutieula* (Leuckart) ist offenbar der „Basalmembran“* (Fig. 2, 3, 4, 5 bm), und die „Subeutieula“ (Leuckart) den später zu besprechenden Körper- parenchymzellen bei Distomum Westermani vergleichbar. Die übrigen Autoren schliessen sich in dieser Hinsicht mehr oder weniger der Auffassung Leuckart’s an. Taschenberg!) bestätigt in gewissem Sinne die Beobach- tungen Leuckart’s für Tristomum coccineum Cuv., Tr. papillosum Dies., Onchocotyle appendiculata Kuhn und Pseudocotyle squatinae Hess. et Bened., und beschreibt bei diesen Thieren als äussere Körperdecke eine ziemlich dicke (0,003 mm) durchaus homogene „Cutieula“, in welcher es ihm nie gelungen ist Porenkanäle nach- zuweisen, und unter dieser Cuticula eine „Subeutieularschicht“ aus einer feinkörnigen, protoplasmatischen Substanz bestehend, die keine regelmässigen Zellenabgrenzungen erkennen lässt.“ 1) Taschenberg, Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer Trema- toden. Abhdl. d. Naturf. Gesellsch. in Halle. Bd. XIV. 3. 1879. Abdruck P.’7.f. Derselbe, Weitere Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer Trema- toden. Festschrift d. Naturf. Ges. in Halle 1879. p. 5 ff. 534 C. Kerbert: Sommer und Landois!) sprechen sich bei der Beschrei- bung des Baues der äussersten Hautlage der Cestoden, für Bothrio- cephalus latus in ganz ähnlichem Sinne aus. Die Gewebslage, welche sich der „durchsichtigen und faserigen Cutieula* anschliesst, — Leuekart’s körnchenreiche Parenehymschicht — „gewährt das Bild einer weichen, dunkelkörnigen Substanzlage, einer Moleeular- oder Punktmasse, mit zarter, radiärer Streifung und zahlreichen feinpunktirten Kernen“. Die ursprünglichen Zellengrenzen dieser Substanzlage sollen aber sehr leicht verschwimmen. Unmittelbar unter der „Cutieula“, oberhalb der körnchenreichen Gewebslage verlaufen nach Sommer und Landois wie nach Stieda?), „homo- gene, spindelförmige in der Längsrichtung der Proglottiden ver- laufende Muskelzellen“. Auch Taschenberg?) beschreibt „feine, oft pinselartig ausstrahlende Fasern der dorsoventralen Muskelzüge“ innerhalb der „Subeutieularschicht“. Wäre nun wirklich diese „körnchenreiche Substanzlage“ (Sommer und Landois, Stieda) oder die „Subeutieularschicht“ (Tascehenberg) bei den Cestoden und Trematoden der wahren Epidermis anderer Thiere homolog, — wie Taschenberg wenigstens behauptet — so hätten wir die merkwürdige Thatsache vor uns, dass sich in der Epidermis eine ziemlich stark entwickelte Muskulatur vorfände! Nach Schiefferdeeker*) und Steudener?) besteht die äussere Bedeekung des Cestodenleibes aus einer, aus vier (Schieffer- decker) oder aus zwei Schichten bestehenden „Cutieula“ und aus „pallisadenartig neben einander stehenden spindelförmigen Zellen“, welche die ‚„Subeutieularschicht“ bilden. Unterhalb der Cutieula verläuft nach Steudener ein System von Längsmus- keln. Trotz dieses Muskelsystems oberhalb der pallisadenartig 1) Sommer und Landois, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. I. Heft. — Ueber den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus Bremser. Leipzig, W. Engelmann. 1872. p. 5. 2) Stieda, Ein Beitrag zur Anatomie des Bothriocephalus latus. Archiv f. Anat. u. Phys., herausgegeben v. Reichert und Du Bois-Reymond. 1864. p. 179. 3) Taschenberg, l. c. p. If. 4) Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntniss des feineren Baues der Taenien. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. VIII. 1874. p. 461. 5) Steudener, Unters. über den feineren Bau der Cestoden. Abhdl. d. Naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIII. 1877. p. 6. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 535 stehenden Zellen“ fasst auch Steudener die „Subeutieularschicht“ als ein „Cylinderepithel“ auf. Rindfleisch!) aber, der zuerst diese „pallisadenartig stehenden, spindelförmigen Zellen“ bei Taenia solium beobachtet hat, behauptet, dass die Hauptmasse der Sub- eutieularsehieht „bindegewebiger, nicht epithelialer Natur“ sei, — eine Ansicht, welche dem Sachverhalte wohl besser entspricht. Beachtenswerth ist aber die Thatsache, dass Stieda?) bei der Untersuchung von Polystomum integerrimum die Oberfläche des Körpers — „abweichend von anderen Saugwürmern‘ — mit einer „einfachen Schicht kleiner rundlicher Zellen, welche deutliche Kerne besitzen“, bedeckt gefunden hat. Nach der Abbildung zu urtheilen, liegt diese „Zellenschicht“ oberhalb der Hautmuskellage und stellt also, wie von Stieda ausdrücklich hervorgehoben wird, ein wirkliches „Epithel“ dar. Schneider?) hat zwar bei seinen Untersuchungen über Plat- helminthen niemals bei den Cestoden und Trematoden ein äusseres Epithel oder eine Epidermis beobachtet — doch kann er nicht zu- geben, dass die sogenannte „Cuticula“ von einem darunter lie- genden Epithel abgesondert sei. Weil die Muskeln dieser Cuticula überall fest anliegen, vergleicht er die Cutieula mit der „Basement- membran, welche bei den Epithel tragenden Plathelminthen zwi- schen der Muscularis und der Epithelschicht liegt“. Er meint weiter, dass dieses Epithel bei den Cestoden und Trematoden wäh- rend des Larvenlebens verloren gegangen sei. Minot‘) aber hat an Taenia, Bothriocephalus und Caryophyl- laeus, eine Schicht ausserhalb der sogenannten Cuticula entdeckt, in welcher er einige Male „deutliche Cylinderzellen“ gefunden hat. 1) Rindfleisch, Zur Histologie der Cestoden. Archiv f. mikr. Anat. Bd. I. 1865. p. 140. 2) Stieda, Ueber den Bau des Polystomum integerrimum. Arch. f. Anat. u. Phys. von Reichert und Du Bois-Reymond. 1870. p. 662. 3) Schneider, Untersuchungen über Plathelminthen. XIV. Bericht d. Oberhessischen Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde. Giessen 1873 p. 69. 4) Minot, Studien an Turbellarien. Beitrag zur Kenntniss der Plathel- minthen. . Arbeiten aus dem Zoolog.-Zootom. Institut in Würzburg. Bd. III. 1876—1877. p. 456. Derselbe, On Distomum crassicolle, with brief notes on Huxley’s pro- posed Classification of Worms. Memoirs of the Boston Society of Nat. Hist. ‘Vol. 111.:1879. 536 C. Kerbert: ° „Die Zellenschicht ist die wahre Epidermis, auf ihr liegt eine äus- serst dünne Cutieula und die angebliche, faserige Cutieula auct. ist die Basilarmembran‘“. Auch für Distomum cerassicolle Rud. be- trachtet Minot die äussere, sogenannte Cutieula als die Basalmem- bran eines „verloren gegangenen Epithels“. In seiner „Anatomie des Leberegels“ hat Sommer!) den Bau der Rindenschicht einer eingehenden Untersuchung unterwor- fen und kommt zu Resultaten, die in vieler Hinsicht mit denen Minot’s in Einklang gebracht werden können. Oberhalb des Haut- muskelschlauches findet Sommer beim Leberegel eine „äussere Zellenlage‘“ mit „runden oder rundlich-polygonalen Formelementen“ von einer Grösse von 0,009 mm, mit mehr oder weniger deutlichen Kernen. Sie ist die Matrix der äussersten Hülle des Thierleibes, der Cutieula, einer strukturlosen, pellueiden Membran mit einer Dicke von 0,0018—0,008 mm. Obwohl nun Sommer einer Basilar- membran zwischen seiner „äusseren Zellenlage“ und der Hautmuskel- lage noch erwähnt, noch in seinen Abbildungen angiebt, — so stimmt doch diese „äussere Zellenlage“ so sehr mit dem betreffenden Sachverhalte überein, wie ihn Minot bei den Cestoden geschildert hat, und wie ich ihn jetzt bei Distomum Westermami angetroffen habe, — dass es meiner Meinung nach nicht zweifelhaft sein kann, dass die Cutieula (Sommer) bei Distomum hepaticum, der Cuti- cula bei dem von mir untersuchten Distomum zu vergleichen, und folgerichtig die „äussere Zellenlage“ (Sommer) der wahren Epi- dermis (Fig. 3, 4, 5 E) unseres Thieres homolog ist. Auch ich betrachte die „Uutieula“ auct. der Gestoden und Trematoden — als der Basilarmembran zwischen Epidermis und Hautmuskellage gleich- werthig, und schliesse mich also auf Grund der bei Distomum Westermani erhaltenen Resultate vollständig der Auffassung Sehnei- der’s und Minot's an, ohne damit die zu allgemein gestellte Be- hauptung Schneider's theilen zu können, nach der „das Larven- epithel der Cestoden und Trematoden beim ausgebildeten Thiere verloren gegangen sein sollte“. Die Untersuchungen Minot's bei Taenia, Bothriocephalus und Caryophyllaeus, die von Sommer vor- sefundenen Verhältnisse bei Distomum hepaticum und die von mir angeführten Resultate bei Distomum Westermani — beweisen zur 1) Sommer, Die Anatomie des Leberegels, Distomum hepaticum L. Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. Ill. Heft. 1880. p. 18. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 537 Genüge, dass auch bei erwachsenen, geschlechtsreifen Cesto- den und Trematoden die „äussere Zellenlage“ oder Epidermis entwickelt sein kann. Unmittelbar unter der Basalmembran befindet sich die an ge- wissen Körperstellen ziemlich stark entwickelte Hautmuskellage, und zwar unterscheiden wir, wie bei den übrigen Trematoden, an dieser Lage drei auf einander folgende Muskelschichten. Die äus- serste Schieht ist die Ringfaserschieht (Fig. 3 m!), deren Fa- sern eireular verlaufen und eine den Körper umhüllende, dünne (0,002 mm) Muskelhaut bilden. Die zweite nächstfolgende Schicht, aus kräftig entwickelten Längsfasern (Fig. 3 m?) bestehend, bildet keine continuirliche Muskelhaut wie die peripherisch’verlaufende Ringmuskelschicht — sondern stellt ein System von ‚kleineren oder grösseren Bündeln dar, die vereinzelt unter verschiedenem Abstand, der Längsaxe des Thierkörpers parallel verlaufen. Die Breite dieser Längsmus- kelstränge beträgt ungefähr 0,015 mm, deren Dicke ungefähr 0,009mm. Die innerste Muskelschicht besteht ebenfalls aus zerstreut stehenden, aber in diagonaler Richtung sich durchkreuzenden Fa- sern, und wurde daher von Leuckart!) als Diagonalfaser- schicht bezeichnet (Fig. 3 m?). Die einzelnen Diagonalfasern stimmen im Breiten- und Diekendurchmesser mit dem der Längs- muskelfasern ziemlich überein. Die verschiedenen Muskelschichten zeigen aber nicht an allen Hautstellen des Thierleibes die gleiche Mächtigkeit in der Entwickelung. Die Ringfaserschicht ist, obwohl sie über den grössten Theil des Körpers eine sehr dünne Muskel- haut bildet, am Vorderkörper stärker entwickelt als am hinteren Körperende. — Ihre Dieke steigt am vorderen Theile der Bauch- fläche, zwischen Mund- und Bauchsaugnapf, sogar bis auf 0,015 mm. Hier sind die verschiedenen Fasern nicht mehr neben einander, sondern auch über einander gelagert. Umgekehrt aber sind die Längsfasern am hinteren Körperende in grösserer Anzahl vorhan- den als am Vorderkörper, und überhaupt an der ventralen Körper- fläche stärker entwickelt als an der dorsalen Seite. Die Diagonal- muskelfasern indessen, obgleich auch am Hinterkörper anwesend, nehmen nach dem hinteren Körperende zu allmählig an Mächtig- keit ab, und verschmelzen mehr und mehr mit den Längsfasern, 1) Leuckart I. c. p. 459. 538 C. Kerbert: Unmittelbar unter dem Hautmuskelschlauche findet sich die innerste Lage der Rindenschicht: die Hautdrüsenlage (Fig. 3, 4 HD). An der ventralen Seite des Körpers sind diese mehr- zelligen Hautdrüsen am mächtigsten entwickelt, und bilden hier, wo die einzelnen Drüsen dicht an und nebeneinander liegen, manch- mal eine Schicht von 0,15 mm Dicke. Die Gestalt der einzelnen Drüsen ist flaschen- oder retortenförmig; nicht selten zeigen die- selben eine Kugelgestalt oder wegen der dicht anliegenden Paren- chymmuskeln, eine mehr unregelmässige Form. Die Länge jeder Drüse varlirt von 0,09—0,15 mm. Die Ausführungsgänge (Fig.6 g), an dünnen Schnitten deutlich wahrnehmbar, besitzen eine Länge von ungefähr 0,03 mm und eine Breite von 0,01 mm. Die verschie- denen Zellen, welche je eine Drüse zusammensetzen, haben eine unregelmässige, fast polygonale Gestalt, und zeigen einen feinkör- nigen sich in Karminlösung intensiv färbenden Inhalt, mit deut- lichem Kern (0,005—0,006 mm) und Kernkörperehen (0,002 mm) (Fig. 6). Die Grösse jeder Drüsenzelle ist ungefähr 0,01 mm. Die Ausführungsgänge dieser Hautdrüsen habe ich an Quer- und Längs- schnitten bei starker Vergrösserung (Zeiss Oe. 3 Obj. F.) an den- jenigen Stellen, wo keine zu mächtige Anhäufung dieser Drüsen vorlag, deutlich bis zur Basalmembran verfolgen können. An ganz dünnen Hautpartieen meine ich bei Oberflächenansicht auch die Oeffnungen der Ausführungsgänge in der Basalmembran, in Form sehr feiner Schlitze gesehen zu haben. Die Ausführungsgänge bestehen aus einer dünnen strukturlosen Membran — die Fort- setzung einer Tunica propria, welche jede einzelne Hautdrüse um- hüllt. Die Hautdrüsen sind übrigens allenthalben von den Elemen- ten des Grundgewebes und von den Parenchymmuskeln einge- schlossen. Unter den Distomeen scheint das Vorkommen von Hautdrüsen nur bei Distomum hepaticum mit vollkommener Sicherheit nachge- wiesen zu sein. Walter!) hat dieselben beim Leberegel deutlich gesehen „als verschieden grosse kuglige Schläuche mit structur- losen Wandungen und einem theils glashellen, theils körnigen, flüs- sigen Inhalt, in welehem mehr oder weniger grosse Zellen mit deutlichem Kerne eingebettet liegen“. Nach seiner Abbildung (Taf. 1) Walter, Beiträge zur Anatomie einzelner Trematoden. Archiv für Naturgesch. XXIV. Jahrg. 1858. p. 270. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 539 XI Fig. 1 a) zu urtheilen, sind diese Hautdrüsen bei Distomum hepaticum wie bei unserem Thiere ohne Frage mehrzellige Drüsen mit deutlichem Ausführungsgang. Auch Leuckart!) er- wähnt diese Hautdrüsen beim Leberegel. Sommer?) beschreibt als innerste und letzte Gewebslage der Rindenschicht die soge- nannte „innere Zellenlage‘“ — welche wohl den von Walter be- schriebenen und abgebildeten Hautdrüsen gleichwerthig zur Seite zu stellen sind, obwohl Sommer sich nieht mit Bestimmtheit für die Drüsennatur dieser ‚inneren Zellenlage“ ausspricht, und seine Beschreibung und Abbildung auch wesentlich von denen Walter's abweichen. Bevor ich zur Besprechung der Mittelschicht unseres Thieres übergehe, mag es hier wohl am Platze sein, den Bau der beiden Saugnäpfe einer näheren Betrachtung zu unterwerfen. Wie schon Leuckart?) nachgewiesen hat, sind die Muskelfasern in den Saug- näpfen der Trematoden — wie im Körper der Thiere — nach den drei Dimensionen des Raumes geordnet. Die Radiärfaserschicht, von dem idealen Mittelpunkte der Saugnäpfe nach der Peripherie verlaufend, und den dorsoventralen Parenchymmuskeln vergleich- bar, — diese Schicht ist auch in den Saugnäpfen am stärksten entwickelt. Die Aequatorialfaserschicht verläuft in der Peripherie der Saugnäpfe und bildet eine sehr dünne Lage mit einer Dicke von 0,0015 mm. Sie bildet die äusserste Grenze der Saugnäpfe gegen das Grundgewebe des Körpers und ist der Ringfaserschicht des Hautmuskelschlauches vergleichbar. Die Meridionalfaserschicht, welche sich den Aequatorialfasern anschliesst, besteht, wie die Längsfaserschicht der Hautmuskellage, aus zerstreut stehenden Muskelbündeln, — nur sind diese Muskelbündel hier etwas dünner als in der Längsfaserschicht. Ausser diesen eigenen Muskelsträngen finden sich am Bauch- saugnapfe noch andere besondere Muskeln vor, die zu den Paren- chymmuskeln gehören. Es verlaufen nämlich starke dorso-ventrale Muskelstränge von der Rindenschicht der dorsalen Körperfläche in schiefer nach vorn und nach hinten:geneigter Richtung, nach der ventralen Fläche des Bauchsaugnapfes und heften sieh am Rande des Saugnapfes, wie die übrigen dorso-ventralen Muskeln im Kör- 1) Leuckart l. ce. p. 541. 2) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 24. 3) Leuckart Il. c. p. 462. 540 C. Kerbert: per, pinselartig an. Leuekart'), der die Muskulatur der Saug- näpfe bei den Trematoden einer eingehenden Untersuchung unter- worfen hat, bemerkt, dass diese besonderen Muskeln eine Verände- rung der Stellung der Saugnäpfe im Ganzen bewirken, während die eigenen Saugnapfmuskeln zur Verengerung resp. Erweiterung beitragen. Zwischen den verschiedenen Muskelschichten der Saugnäpfe treffen wir endlich noch eine sehr zellenreiche Bindesubstanz an, welche sehr grosse Aehnlichkeit mit der Bindesubstanz des Körper- parenchyms darbietet. Die Grösse dieser unregelmässig gestalteten feinkörnigen Bindegewebszellen variirt von 0,01—0,015 mm, deren Kerne messen 0,0055 mm. Erwähnen muss ich noch, dass die beiden Saugnäpfe allent- halben von der Basalmembran („Cutieula“ auet.) umhüllt sind. Die Dieke der Basalmembran beträgt an der Aussenseite der Saug- näpfe ungefähr 0,002 mm. II. Die Mittelschicht. Die Mittelschicht unseres Thieres ist, wie bei den übrigen Trematoden aus dem sogenannten Körperparenehym oder dem Grundgewebe und den in diesem Gewebe eingelagerten verschie- denen Organen zusammengesetzt. Fangen wir mit der Betrachtung des bindegewebigen Körper- parenchyms an, so bemerken wir in erster Linie, dass unter den verschiedenen Forschern in Betreff der richtigen Deutung dieser Substanz bei den Platyhelminthen, noch eine grosse Meinungsver- schiedenheit herrscht. Leuckart?) nimmt zwei Hauptmodificationen dieses Grund- gewebes an, die eine „erscheint als eine homogene, höchstens fein- körnige helle Substanz mit zahlreich eingesprengten Kernen“, — die andere „zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Zellen- gewebe des Pflanzenkörpers“ und wurde hauptsächlich von diesem Forscher bei Distomum hepaticum beobachtet und näher studirt. Auch Sommer?) hat beim Leberegel die zuerst von Leuckart 1) Leuckart Il. c. p. 462. 2) Leuckart |. c. p. 457, 536. 3) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 15. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 541 genau beschriebenen pflanzenähnlichen grossblasigen Zellen, gesehen und abgebildet, erwähnt aber ausserdem noch das Vorkommen polyedrisch abgeplatteter oder spindelförmig verlängerter Zellen in der Umgebung der Schalendrüse, des Cirrusbeutels und der Uterus- schlingen. Die verschiedenen Zellen sind unter sich durch Inter- eellularmasse getrennt oder durch eine Kittmasse „in ihrer Lage fixirt“. Bei Bothriocephalus latus schildern Sommer und Lan- dois!) uns eine ähnliche Beschaffenheit der bindegewebigen Grund- substanz. Auch hier ist die Rede von einer Intercellularsubstanz — von einem Abscheidungsprodukt der grossen rundlichen oder ovalen Bindegewebszellen. Schiefferdecker?) findet bei Taenia solium ein Netzwerk, aus feinen, bald mehr platten, bald mehr run- den Bälkchen gebildet. In den Maschen dieses Netzes liegen die Bindegewebszellen, welche die Bälkchen abscheiden. Graff3) hält bei Rhabdocoelen Turbellarien das den Raum zwischen Darm und Integument einnehmende Maschenwerk von hyalinen Fasern für Bindegewebe. ‚In der That wird man kaum ein instructiveres Beispiel von reticulärem Bindegewebe finden können“. Nach Salensky *) zertheilen sich die Zellen im Körper- parenechym in Ausläufer, in Folge dessen ein „System von Zwi- schenräumen entsteht, welches dem Gewebe einen durchlöcherten, spongiösen Charakter giebt“. Schneider?) behauptet, dass die verschiedenen Organe bei den Cestoden „in einem Protoplasma“ eingebettet sind. Auch einige Trematoden sollen nach diesem Forscher auf dieser niede- ren Stufe stehen. Bei Distomum veliporum findet er das Proto- plasma „von einem ausserordentlich feinen Netz von Fasern und Membranen durchzogen, welches viele runde Kerne enthält“ — doch erscheinen ihm diese Kerne ‚nicht zahlreich genug, als dass man auf jede Masche des Netzes einen Kern rechnen könnte“. 1) Sommer und Landois, Ueber den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus Bremser. 1. c. p. 7. 2) Schiefferdecker |. c. p.:468. 3) Graff, Zur Kenntniss der Turbellarien. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV. 1874. p. 132. 4) Salensky, Ueber den Bau und die Entwickelungsgeschichte der Amphilina. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV. 1874. p. 308. 5) Schneider |. c. p. 76. 543 ©. Kerbert: Minot'!) hat im Parenchymgewebe „zahllose kleine Lücken“ beobachtet, „die mit einander communieiren“. Dem entsprechend ist das Parenchym „aus einem Balkennetz und ovalen Zellen zu- sammengesetzt“. Taschenberg?) betrachtet das Parenchym als „ein Binde- gewebe, welches zu einem Maschenwerke entwiekelt ist, in wel- chem die ursprünglichen Bildungszellen theils noch vorhanden sind, theils aber nur an dem Protoplasma mit darin eingelagerten Ker- nen sich erkennen lassen“. Hallez?) nennt in seiner schönen Arbeit über die Turbel- larien das Parenchymgewebe „un reticulum conjonetif“. Nach Villot*) besteht das Parenchym aus grossen und schönen „cel- lules embryonnaires, qui conservent pendant toute la vie de l’ani- mal leur earacere primordial“. Er beschreibt das Vorkommen eines wirklichen Netzwerkes, was nach diesem Forscher „une for- mation artificielle‘ sein soll. Bei dem von mir untersuchten Distomum Westermani sind im Körperparenchym zweierlei Arten von Zellen zu unter- scheiden. Es finden sieh in erster Linie membranlose Zellen vor von einer runden, in den meisten Fällen aber sehr unregel- mässigen Gestalt, mit einem feinkörnigen Inhalte und einem deutlichen, exceentrisch gelegenen Kerne (Fig. 8 a). Die Grösse dieser Zellen wechselt von 0,016—0,05 mm. Andere Zellen indessen zeigen deutliche Ausläufer, welche sich mit denen anderer Zellen vereinigen (Fig. 8 ec), und auf diese Weise ein Netzwerk bilden, welches an einigen Stellen eine grosse Feinheit mit kleineren Maschen zeigt, an anderen Stellen eine balkenartige Entwickelung mit weit grösseren Maschen erreicht. Es entsteht auf diese Weise ein spongiöses Gewebe, am besten mit dem hornartigen Gerüste eines Badeschwammes zu vergleichen — in dessen kleineren und grösseren Lücken die in erster Linie vorgeführten runden oder un- 1) Minot, Studien an Turbellarien. 1. c. p. 418. 2) Taschenberg, Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer Trema- toden. 1. c. p. 13. 3) Hallez, Contributions ä ’histoire naturelle des Turbellaries. Travaux de l’Institut zoologique de Lille et de la station maritime de Wimereux. Fase. II. 1879. p. 11. 4) Villot, Organisation et developpement de quelques especes de Tr&matodes endoparasites marins. Ann. d. se. nat. VI. Serie Zoologie P. VII. 1879. p. 6. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 543 regelmässig gestalteten Zellen noch ganz oder theilweise zu beob- achten sind. Ich sage theilweise, denn in einigen grösseren Lücken ist der grösste Theil des Zelleninhaltes verloren gegangen und zu einem protoplasmatischen Reste mit eingelagertem Kerne einge- schränkt (Fig. S d). In den meisten Fällen aber findet sich in einer Lücke nur eine membranlose Zelle, — ausnahmsweise aber auch zwei solcher Zellen. Die verschiedenen Lücken stehen mit einander in unmittelbarem Zusammenhang, erreichen manchmal einen Längsdurchmesser vön 0,15 mm, und sind in der Mitte des Thierleibes am stärksten entwickelt. In der Umgebung der im Körperparenchym eingelagerten Organe, — der beiden Darm- schenkel z. B. — treten die oben geschilderten Texturverhältnisse des Grundgewebes am schärfsten und deutlichsten hervor (Fig. 8). Unmittelbar der Wand des Verdauungsapparates anliegend, sind die membranlosen Zellen (0,016 — 0,02 mm), mit ihren Kernen (0,006 mm) — die letzteren oft zu zweien in einer Zelle — deut- lich zu beobachten (Fig. S a). Auch die Lücken in denen die Zellen eingelagert waren, sind hier nicht zu verkennen (Fig. 8 b). Weiter von der Wand des Darmkanales entfernt treten die mit Ausläufern versehenen Zellen auf (Fig. 3 c) und werden die einzelnen Lücken allmählig grösser. Diese Ausläufer der Binde- gewebszellen bilden sich nach und nach zu den grossen und brei- ten Bindegewebsbalken und Platten des Netzwerkes aus, und zei- gen in unmittelbarer Nähe der mit ihnen zusammenhängenden Zellen eine grobkörnige Beschaffenheit, oder eine faserige Struktur wo dieselben sich von den betreffenden Zellen mehr entfernen. An einigen Stellen bestehen die verschiedenen Balken und Platten sogar aus einem sehr entwickelten fibrillären Bindegewebe mit deutlichen spindelförmigen Kernen zwischen den einzelnen Fibrillen. Diese Kerne messen der Länge nach 0,01 mm, der Breite nach 0,003 mm. Unmittelbar unter dem Hautmuskelschlauche ist das Proto- plasma der verschiedenen Bindegewebszellen zusammengeflossen, wodurch eine körnige protoplasmatische Substanz mit eingespreng- ten Kernen entsteht. Diese „Körnerschiecht mit eingeschlossenen Kernen“ mag wohl vielen Autoren Veranlassung gegeben haben, dieselbe als „Subeutieularschicht* der Epidermis anderer Thiere gleichzusetzen. Es stellt sich also heraus, dass wir es bei Disto- mum Westermani im Körperparenehym mit einem retikulären 544 C. Kerbert: Bindegewebe zu thun haben, in dessen Lücken und Maschen die ursprünglichen Bindegewebszellen erhalten sind. Im Allgemei- nen stimmt dieses Resultat also überein mit den Ansichten von Graff und Minot für das Körperparenchym der Turbellarien, von Salensky für Amphilina und von Taschenberg für Tri- stomum, Onchocotyle und Pseudocotyle. Die Resultate Sommer’s sind insofern abweichende Ergebnisse, als dieser For- scher die „Bälkchen“ des Körperparenchyms in der Reihe der In- tercellularsubstanzen unterbringt. In Betreff der Parenchymmuskeln oder der Dorsoven- tralmuskeln (Leuckart) möge Folgendes erwähnt sein. Diese Muskeln bestehen aus dünnen, langgestreckten, kontraktilen Faser- zellen, die sich in den meisten Fällen zu starken Bündeln vereini- gen und mit seltenen Ausnahmen von der Rückenseite nach der Bauchseite des Thierkörpers verlaufen. Sie heften sich mit feinen, pinselförmig ausstrahlenden Fibrillen an die Basalmembran an. Die Ansicht, dass die kontraktilen Faserzellen bei den Trematoden kernlos sein sollten, wie von Schwalbe!) behauptet worden ist, kann ich wenigstens für Distomum Westermani nicht bestätigen. Die ovalen Kerne der Spindelzellen sind hier deutlich zu beobach- ten, und messen der Länge nach 0,002 mm, der Breite nach 0,005 mm. a. Das Nervensystem. Die Untersuchung des Nervensystems bietet auch hier, wie bei den sämmtlichen Platyhelminthen grosse Schwierigkeiten dar. Die sonst so ergebnissreiche Untersuchung in Alkohol gehärteter und nachher in Nelkenöl aufgehellter ganzer Thiere, giebt bei Untersuchung des Nervensystems ungenügende Resultate, sodass man wenigstens für die Bestimmung des Verlaufes der Nerven- stämme, nur auf die Schnittmethode angewiesen ist. Wie schon Leuckart?) für die Trematoden im Allgemeinen bemerkt, besteht das sogenannte centrale Nervensystem oder das Gehirn auch bei unserem Thiere aus zwei Anschwellungen, „die zu den Seiten der Pharyngealöffnung gelegen sind“ und auf der 1) Schwalbe, Ueber den feineren Bau der Muskelfaser wirbelloser Thiere. Arch. f. mikr. Anat. V. 1869. p. 216. 2) Leuckart l. c. p. 463. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 545 Rückenseite durch eine Quercommissur zusammenhängen. Diese seitlichen Anschwellungen bestehen bei näherer Untersuchung aus ziemlich grossen (0,02 mm) multipolaren Ganglienzellen. Der Zellen- inhalt ist sehr körnehenreich und umschliesst einen 0,008—0,01 mm grossen Kern mit deutlichem Kernkörperchen. Eine dritte An- schwellung — ein sogenanntes unteres Schlundganglion — am hin- teren Ende des Pharynx, wie es von Sommer!) bei dem Leber- egel beobachtet wurde — habe ich bei Distomum Westermani nicht nachweisen können. Allerdings wird die Beobachtung eines dritten Ganglion — wenn ein solches wirklich da sein sollte — wegen der grossen Anhäufung von Speicheldrüsen an dieser Stelle, sehr erschwert. Die Quercommissur wird von den Fortsätzen der Ganglien- zellen gebildet, und zeigt einen überwiegend faserigen Bau. Von den seitlichen Anschwellungen, vom Gehirne also, gehen nun die peripherischen Nervenstämme aus. Jederseits verläuft ein dünner Nervenstamm nach vorn zu dem Mundsaugnapfe und ein zweiter beträchtlich dickerer Nervenstamm nach hinten. Diese nach hinten verlaufenden Nervenstämme krümmen sich beim Verlassen des Gehirnes nach der ventralen Seite des Thierleibes und ziehen unterhalb der beiden Darmschenkel, sich stets mehr verdünnend, nach dem hinteren Körperende hin. Auf Querschnitten machen diese an der ventralen Seite verlaufenden Seitennerven sofort den Eindruck derjenigen Gebilde, mit denen Sommer und Landois?) uns zuerst bei Dothriocephalus latus bekannt gemacht haben, und welche von diesen Forschern als die durchschnittenen „Seitenge- fässe“ gedeutet wurden. Wie diese „Seitengefässe“ zeigen auch die querdurchschnittenen Nervenstämme eine mehr oder weniger ovale Gestalt, mit einem Längendurchmesser von 0,13 mm und einem Breitendurchmesser von 0,06 mm. Diese Gebilde sind keinen- falls durch eine scharfe Grenze von dem Parenchymgewebe abge- setzt und zeigen wie dieses Parenchymgewebe einen spongiösen Bau, indem sehr feine Bälkchen, die mit dem Körperparenchym in unmittelbarer Verbindung stehen, ein äusserst feines Netzwerk bilden. In den Lücken dieses Netzwerkes beobachtet man eine 1) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 96. 2) Sommer und Landois, Ueber den Bau der geschlechtsreifen Glie- der von Bothriocephalus latus Bremser. |. c. p. 12. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 37 546 C. Kerbert: fein granulirte Substanz und dann und wann eine deutliche Zelle !). Ausser Sommer und Landois hat auch Nitsche?) diese sogenannten „Seitengefässe“ bei Taenien gesehen, ohne über deren Bedeutung ins Klare gekommen zu sein. Mit Recht hebt Nitsche aber hervor, dass diese Gebilde nicht mit den ebenfalls bei den von ihm untersuchten Taenien vorhandenen Wassergefässen zu verwechseln sind und bezeichnet diese Organe von spongiösem Bau daher wohl richtiger als „spongiöse Stränge“. Schneider?) ist durch die Aehnlichkeit, welche diese „spon- giösen Stränge“ durch ihre Lage und ihr ganzes Aussehen mit dem Nervensystem der Nemertinen haben, zu der Ueberzeugung gekommen, dass sie die Nerven der Cestoden darstellen. Salensky *) betrachtet diese „spongiösen Stränge“ bei Am- philina als „Repräsentanten der Seitengefässe‘“. Nach Schiefferdecker?) ist die Hypothese: „diese Säulen von spongiöser Substanz bilden das ventrale Nervensystem der Cestoden“, — eine durchaus berechtigte. Die ganze Frage sieht aber nach ihm noch einer definitiven Entscheidung entgegen. Steudener®) fand bei Taenia, Bothriocephalus, Triaeno- phorus und Ligula die „spongiösen Stränge“ zurück, beobachtete an diesen Strängen am vorderen Körperende kernhaltige Anschwel- lungen und hält es also „im hohen Grade für wahrscheinlich, dass wir es hier mit dem Nervensystem der Cestoden zu thun haben“. Moseley?) und Minot®°) haben die „spongiösen Stränge“ ebenfalls bei verschiedenen Planarien gefunden. Obwohl Moseley vom Gehirne aus Fasern in diese Stränge übergehen sah, bleibt 1) Ich verweise auf die Abbildungen von Sommer und Landois (l. «. Taf. IV Fig. 1 K) von Taschenberg (Beiträge zur Kenntniss ectoparasiti- scher mariner Trematoden, Taf. II Fig. 5) u. s. w. 2) Nitsche, Untersuchungen über den Bau der Taenien. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXIII. 1873. p. 181. 3) Schneider |. c. p. 97. 4) Salensky |. c. p. 309. 5) Schiefferdecker |. c. p. ‚475. 6) Steudener |. c. p. 16. 7) Moseley, On the Anatomy and Histology of the Landplanarians of Ceylon. Phil. Trans. 1874. p. 132. 8) Minot, Studien an Turbellarien. 1. c. p. 447. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 547 die Bedeutung dieser „Balkenstränge“ Minot doch noch vollkom- men „räthselhaft“. Tascehenberg!) gebührt das Verdienst, wenigstens für die von ihm untersuchten Trematoden, die Identität der „spongiösen Stränge“ mit den Nervensträngen vollständig sicher gestellt zu haben. Mit absoluter Bestimmtheit hat er sich bei Tristomum, Pseudoecotyle und Onchoecotyle überzeugt, dass die sogenannten „spongiösen Stränge“ weiter nichts sind „als die vom Gehirne ausstrahlenden durchschnittenen Nervenstränge“. Lang?) spricht sich in seiner schönen Arbeit über das Ner- vensystem der Plathelminthen ganz entschieden für die nervöse Natur der „spongiösen Stränge“ aus. Von den Distomiden hat Lang Distomum nigroflavum Rud. und Distomum hepaticum unter- sucht und wenigstens bei dem erstgenannten Thiere beobachtet, dass „die Nerven auf Querschnitten als spongiöse Stränge er- scheinen“. Auch ich habe mich nun nach Untersuchung verschiedener Querschnitte — mit voller Bestimmtheit davon überzeugt, dass auch bei Distomum Westermani eine unmittelbare Verbindung zwischen den „spongiösen Strängen“ und den beiden Ganglien zu den Sei- ten der Pharyngealöffnung besteht, dass diese Stränge somit wei- ter nichts: sind als die vom Gehirn nach dem hinteren Körperende ausgehenden Nervenstämme. Die feinen Bälkchen und Plättchen des spongiösen Gebildes sind bindegewebiger Natur, — wie das ganze Körperparenchym — und dienen als Stützsubstanz für die in den Lücken des Netzwerkes eingelagerten Ganglienzellen und Nervenfasern. Schliesslich muss ich noch die grossen Zellen erwähnen, die sich zwischen den Muskeln des Pharynx (Fig. 7 g) und der bei- den Saugnäpfe befinden. Diese Zellen haben entweder eine runde, oder ovale, manchmal aber eine sehr unregelmässige Gestalt, zei- gen einen grobkörnigen Inhalt und messen ungefähr 0,05 —0,06 mm. 1) Taschenberg, Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trematoden. 1. ce. p. 16. 2) Lang, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie und Histo- logie des Nervensystems der Plathelminthen. Mitth. aus d. Zool. Station zu Neapel. I. Bd. 4. Heft. 1879. p. 459—488. II. Bd. 1880. 1. Heft. p. 28—52. II. Bd. 1881. 3. Heft. p. 372—399. 548 C. Kerbert: Der bläschenförmige scharf eontourirte Kern misst 0,01—0,02 mm und umschliesst ein deutliches Kernkörperchen (0,004 mm). Diese Zellen zeigen deutliche Fortsätze, die in den meisten Fällen von der Höhlung des Pharynx resp. der Saugnäpfe abgekehrt sind. Wegen der grossen Aehnlichkeit mit Ganglienzellen also, meine ich diese Zellen als solche auffassen zu müssen. Leuckart!) hat diese grossen Zellen in der Muskelwand des Mundsaugnapfes und Pharynx ebenfalls gesehen, vermuthet aber dass dieselben Drüsen seien. Stieda?), sich stützend auf das Aussehen der Zel- len, erklärt sich für die Ansicht, diese Zellen für Nervenzellen zu halten. Blumberg?) spricht bei Amphistoma conicum eben- falls von Ganglienzellen in der Wand des Pharynx. Villot®) leugnet das Vorhandensein solcher grosser Zellen in den Saug- näpfen und im Pharynx der Trematoden, und betrachtet diese quasi-Zellen als querdurchschnittene „dilatations vasculaires“. Sommer?) aber zweifelt nicht, dass die betreffenden Zellen, wie Stieda behauptet, Ganglienzellen sind. Auch Taschenberg‘®) ist dieser Ansicht. Lang’) bekämpft mit vollem Rechte die eigen- thümliche Ansicht Villot’s, und erklärt sich auf Grund eingehen- der Untersuchungen ebenfalls für die Stieda’sche Auffassung. b. Der Verdauungsapparat. Der Anfang des Darmapparates befindet sich in der Tiefe des Mundsaugnapfes — also am vorderen Körperpole des Thieres (Fig. 2 und Fig. 7 Ms). Die Mundöffnung führt in einen kurzen Oeso- phagus, dessen Anfangstheil den ovalen, manchmal auch kugeligen Pharynx oder Schlundkopf bildet (Fig. 2 ph. Fig. 7 Ph). Der Oesophagus spaltet sich in die beiden, rechts und links liegenden, unverzweigten Darmschenkel, welche den ganzen Körper bis zum 1) Leuckart |. c. p. 470. 2) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. Archiv f. Anat. u. Phys. von Reichert und Du Bois-Reymond. 1867. p. 54. 3) Blumberg, Ueber den Bau des Amphistoma conicum. Inaug.-Diss. Dorpat 1871. p. 22. 4) Villot;l..e.,p..14. 5) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 26. 6) Taschenberg, Beiträge u. s. w. l. c. p. 23. 7) Lang l. c. I. Bd. I. Heft. p. 42. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 549 hinteren Pole durchsetzen (Fig. 2, Fig. 7 D). Der vordere Theil des ovalen, fast kugeligen Schlundkopfes bildet, — wie schon von Leuckart!) bemerkt worden ist — eine Art Vorhof, der zapfen- artig in den Innenraum des Mundsaugnapfes hineinragt, und bei der Nahrungsaufnahme insofern eine Rolle spielt, als derselbe die Nahrung in die Pharyngealhöhle übermittelt, und mit dem Schlunde als Saug- und Schluckapparat wirken kann. Durch die Kontrak- tion eines Muskelsackes, der den ganzen Pharynx mit dem Vor- hofe umhüllt, — des sogenannten Protractor pharyngis (Leuckart) (Fig. 7 P. ph) — kann der Schlund in den Mundsaugnapf hervor- gestossen werden, was für die Aufnahme der Nahrung von Wich- tigkeit ist. Der Protractor pharyngis ist bei unserem Thiere un- gefähr 0,01 mm dick. Der Schlund wird aus dem Mundsaugnapfe zurückgezogen durch die Wirkung der Retractores pharyngis (Leuckart) — zwei Muskeln, die von der dorsalen Fläche des Thieres schräg nach vorn verlaufen und sich am oberen und hinteren Theile des Schlund- kopfes inseriren. Obwohl die Durchmesser in Folge der Muskelkontraktion selbstverständlich variiren können, ist der muskulöse Pharynx durehschnittlich 0,5 mm lang und ungefähr 0,3mm breit. Der Schlundkopf weicht übrigens in seinem anatomischen Bau nicht von dem der übrigen Trematodenarten ab, und stellt einen kräftig entwickelten Hohlmuskel dar, dessen Innenraum nach vorn mit dem Vorhofe, nach hinten mit dem engen Theile des Oesophagus in Verbindung steht. Von Innen nach Aussen besteht die Wand der Pharyngealhöble zuerst aus der streifigen Basalmembran („Cuti- eula“ auct.), welche sich von der Körperoberfläche aus, nach innen in den Mundsaugnapf, in den Vorhof, in die Pharyngealhöhle, in den Oesophagus und in die beiden Darmschenkel eingestülpt hat, und, also als eine Membrana propria dieser Organe, eine Dicke von 0,002 mm nicht überschreitet. An diese eigene Membran schliesst sich eine Ringfaserschicht (Fig. 7 m!) — die innere Aequatorialfaserschicht (0,01 mm dick) — an, und weiter an diese Ringmuskeln, die Radiärfaserschicht (Fig. 7 m?) — auch bier im Schlunde, wie in den Saugnäpfen am mächtigsten ent- wickelt. Schliesslich folgt eine zweite Ringfaserschicht (Fig. 7 m?) 1) Leuckart 1. c. p. 467. 550 C. Kerbert: — die äussere Aequatorialfaserschicht (0,01 mm dick) — und als äusserste Hülle, dem Protractor Pharyngis anliegend, eine dünne Meridionalfaserschicht (Fig. 7 m!), welche von dem vorderen Ende des Pharynx bis zum hinteren Ende verläuft. ' Der engere Theil des Oesophagus (Fig. 2, Fig. 7 oe) stellt eine nur 0,14 mm lange und 0,007 mm breite Röhre dar, deren In- nenwand, wie bereits hervorgehoben wurde, von der Basalmembran ausgekleidet ist. Auf dieser Basalmembran befindet sich aber, als innerste Begrenzung der Pharyngealhöhle, eine Cylinderepithel- schicht, aus 0,014mm langen und 0,01—0,012 mm breiten Zellen bestehend. Die Kerne dieser Zellen messen 0,006 mm. Wie aus den Messungen hervorgeht, besteht bei diesen Zellen keine grosse Differenz zwischen dem Längen- und dem Breitendurchmesser. Im Anfang der Oesophagealhöhle sind diese Zellen noch mehr oder weniger von gleicher Länge und Breite, — je mehr dieselben sich aber dem Ende des Oesophagus nähern, desto deutlicher tritt die eylinderförmige Gestalt dieser Zellen hervor. Sie gehen allmählig in die langen Cylinderzellen der beiden Darmschenkel über. Der Basalmembran des Oesophagus folgt nach Aussen eine Ring- oder Aequatorialfaserschicht (0,01 mm), und schliesslich als äusserste Hülle eine 0,008 mm dicke Längsfaserschicht, die Fort- setzung der Meridionalfaserschicht des Pharynx. Die beiden, vom Ende des Oesophagus aus divergirenden, der Oberfiäche des Thier- leibes parallel verlaufenden und blind endigenden Darmschenkel (Fig. 2, D) sind je ungefähr S mm lang und durchschnittlich 0,165 mm breit. An einigen Stellen kommen aber Erweiterungen vor, mit einem Breitendurchmesser von 0,46—0,78 mm. Schon Leuckart!) hat diese Erweiterungen resp. Aussackungen der Darmschenkel bei den Trematoden beobachtet, und mit Recht dar- auf aufmerksam gemacht, dass durch diese Aussackungen die Capaecität des Darmkanales wachsen muss ?). In Betreff des histio- logischen Baues der beiden Darmschenkel, ist schon oben ange- führt, dass die Basalmembran sich am Mundsaugnapfe in den Pha- rynx, in den Oesophagus und in den Darmkanal einstülpt (Fig. 8 bm). Die Basalmembran wird also in den inneren Organen des 1) Leuckart I. c. p. 469. 2) Bergmann und Leuckart, Anatomisch-physiologische Uebersicht des Thierreichs. Stuttgart 1852. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 551 Thieres zu einer wahren, Gestalt gebenden Membran — zu einer Tunica propria, auf welche, wie im Oesophagus und in den beiden Darwmschenkeln, die Epithelzellen aufsitzen. Auch hier ist diese Tunica propria ungefähr 0,002 mm dick. Auswärts von der Tunica propria finden wir, unmittelbar auf dieser Membran aufliegend, eine dünne Ringfaserschicht (0,0018 mm) und auf dieser, als äusserste Hülle des Darmtractus, eine Längsfaserschicht (0,001 mm). Die Ring- und Längsfaserschicht des Oesophagus setzten sich unmittel- bar in die Ring- und Längsfaserschicht der beiden Darmschenkel fort. Leuckart!) glaubt auf der Tuniea propria bei den grösse- ren Distomeen (auch schon bei Dist. lanceolatum) „deutliche, neben einander hinlaufende blasse Längs- und Ringfasern erkannt zu haben“. Stieda?°), Zeller?) und Taschenberg*) sprechen bei den von ihnen untersuchten Arten den Verdauungsorganen beson- dere Wände vollständig ab. Blumberg°) aber hat bei Amphi- stoma conicum an der Wand des Darmrohres ‚zwei Muskelschich- ten“ unterschieden. Auch Villot‘) erwähnt bei Distomum insigne an der Darmwand „une couche externe de fibres musculaires, for- mee de fibres longitudinales et de fibres transversales; elle est en eontinuite directe avec celle qui entoure la ventouse buccale et le bulbe oesophagien“. Sommer’) hat indessen die von Leuckart erwähnten deutlichen, in Abständen neben einander verlaufenden, blassen Längs- und Ringfasern“ in der Aussenlage des Magendarms bei Distomum hepaticum nicht konstatiren können. Das Darm- epithel besteht aus einer einfachen Zellenlage. Die einzelnen Cylinderzellen sind ungefähr 0,07—0,09 mm lang, mit einer Breite an der Basis von 0,006—0,007 mm, haben einen sehr feinkörnigen Inhalt und laufen am freien Ende entweder stumpf oder auch spitz 1) Leuckart |. c. p. 468 und p. 544. 2) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. 1. c. p. 55 und: Ueber den Bau des Polystomum integerrimum. 1. c. p. 664. 3) Zeller, Untersuchungen über die Entwickelung und den Bau des Polystomum integerrimum Rud. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXU. 1872. p. 18. Derselbe, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Polystomen. Z. f. w. Z. XXVI. 1876. p. 241. 4) Taschenberg, Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trematoden. 1. c. p. 24. 5) Blumberg |. c. p. 24. 6) Villot 1. ce. p. 10. 7) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 39. 552 C. Kerbert: zu (Fig. 8). Der kugelförmige, körnchenreiche Kern liegt in den meisten Fällen in der Basis der Zellen, misst ungefähr 0,006 mm und umschliesst ein deutliches Kernkörperchen. Obwohl nun die stark verlängerten Cylinderzellen am häufigsten anzutreffen sind, waren auch einige Male Cylinderzellen von einem kleineren Längs- und einem grösseren Breitendurchmesser zu beobachten. Ausserdem fand ich zwischen diesen Cylinderepithelzellen auch Gebilde vor (Fig. 8 kb), in Form eines kleineren oder grös- seren Kolbens, welche mittelst eines dünnen Stieles auf der Mem- brana propria aufsassen. Die Länge dieser kolbenförmigen Gebilde war ungefähr 0,09—0,1 mm, mit einer grössten Breite von 0,01— 0,1 mm. Sofort fiel mir die Aehnlichkeit auf zwischen diesen Ge- bilden und den von anderen Forschern in der Darmwand einiger Turbellarien vorgefundenen sogenannten „Körnerkolben* (Minot). Wahrscheinlich hat schon Graff!) diese Gebilde bei Vortex lemani gesehen, obwohl er dieselben als „Becherzellen“ aufgefasst hat. Moseley?) fand in der Magenwand einiger Planarien „roun- ded bodies arranged irregularly in rows at right angles to the sur- face and gathered into elongated groups so as to have a certain resemblance to the gastrie glands of Vertebrates“. Minot?°) hat Aehnliches bei Mesostomum, Planaria, Dendro- coelum, Opisthoporus und Mesodiseus beobachtet. Diese „Körner- kolben“ bestehen aus Körpern, welche „rundlicher Gestalt, ziem- lich gleicher Grösse und vom Carmin dunkel gefärbt sind“. Minot nun vermuthet, dass wir es in diesen „Körnerkolben“ nicht mit Drüsen, sondern mit umgeformten Cylinderzellen“ zu thun haben, — eine Vermuthung, an die ich mich auch für die „Körnerkolben“ bei Distomum Westermani vollständig anschliesse. An verschiede- nen Präparaten kann man nämlich, von den stark entwickelten Kolben ausgehend, alle mögliche Zwischenstadien bis zu den ge- wöhnlichen Cylinderzellen nachweisen. Dass jeder Kolben wirk- lich einer einzigen Zelle entspricht, leite ich aus dem Umstande ab, dass man in jedem dieser Gebilde immer nur einen Kern — und zwar in der kolbenförmigen Anschwellung — zu beobachten 1) Graff, Ueber die systematische Stellung des Vortex lemani, du Plessis. Ztschr. f. w. Zool. XXV. Suppl. p. 377. 2) Moseley |. c. p. 132. 3) Minot, Studien an Turbellarien. 1. c. p. 422. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 553 in der Lage ist. Um so mehr schliesse ich mich der Minot’schen Auffassung an, als Sommer!) am Darmepithel des Leberegels, bei dem mit Nahrung gefüllten Darmkanale, „zahllose und äusserst feine Protoplasmafäden“ aus den Darmzellen hervortreten sah, oder beobachtete, dass in den Darmstücken, deren Inhalt Blutkörperchen mit Sicherheit nieht mehr erkennen lässt, ein anderes Bild sich darbot, und zwar ein solches, wo das „Protoplasma der Zellen ge- wöhnlich in unregelmässig begrenzten, häufig auch gestielten, stets mit längeren oder kürzeren Spitzen besetzten Läppchen‘ hervorragt. Durch die von Sommer beobachteten und genau beschriebe- nen Verhältnisse, wird der Ausdruck eines Gegensatzes von Ruhe und Leistung der Zelle veranschaulicht, weleher mit Recht an die Natur der Rhizopodensarkode erinnert. Wahrscheinlich nun besitzen die Cylinderzellen im Darme des Distomum. Westermani ebenfalls die Fähigkeit bei der Nahrungsaufnahme Protoplasmafortsätze und Protoplasma-Ausladungen hervortreten zu lassen, welche in Folge einer plötzlich eingetretenen Kontraktion (beim Absterben z. B.) die eigenthümliche Kugel- oder Kolbenform angenommen haben. Dass diese Zellen aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich die Fähigkeit besitzen die Nahrungsstoffe aufzunehmen, zeigten mir viele Präpa- rate. Während in dem Falle wo die Darmschenkel ohne Nahrungs- stoffe waren, — auch die kolbenartigen Anschwellungen der Cylin- derzellen vermisst wurden — so waren bei den mit Tigerblut ge- füllten Abschnitten des Darmschenkels auch die „Körnerkolben“ zu beobachten, und ebenfalls mit dem gleichen körnigen, braun- gelben Inhalt gefüllt (Fig. 8 kb'), wie es im Lumen des Darmes vorgefunden wurde. Vielleicht besitzen also die Epithelzellen des Darmes — wie auch Sommer?) vermuthet —, nicht nur das Ver- mögen die aufgenommene Nahrung zu zersetzen, sondern auch die Fähigkeit, die Nahrungsstoffe als solehe direkt in sich aufzu- nehmen. Wir hätten also hier bei den Trematoden mit einem Verdau- ungsprocesse zu thun, mit dem uns Metschnikoff) bei Mesostomum Ehrenbergii, Planaria lactea und Plamaria polychroa bekannt ge- macht hat. Auch bei diesen Thieren waren die Darmzellen, nach 1) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. e. 40 ff. 2) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. p. 43. 3) Metschnikoff, Ueber die Verdauungsorgane einiger Süsswasser- turbellarien. Zool. Anz. I, 1878. p. 387—390. 554 C. Kerbert: Metschnikoff, sehr vergrössert und enthielten — nachdem die Thiere vorher mit einigen Tropfen Blut und etwas Karmin oder Indigokörnchen gefüttert waren, — „in ihrem Innern eine colossale Menge Blutkörperchen resp. Farbstoffkörnchen“, Auch Hallez!) behauptet für Mesostomum Ehrenbergü, dass die Darmzellen „se gonflent considerablement, jusqu’a atteindre une dizaine de fois leur volume primitif; leur contenu devient plus transparent, et parfois, dans leur interieur se remarquent des gout- telettes graisseuses, en m&me temps le noyau disparait apres avoir pres une forme retieulde“. Diese Zellen sollen sich aber, nach Hallez, endlich von der Darmwand ablösen, in die Höhle des Darmes fallen, „et constituer un veritable deliquium‘“. Schliess- lich scheint es mir, dass diese sogenannten „Körnerkolben‘“, in mehr oder weniger entwickeltem Zustande, auch bei anderen Tre- matoden nicht fehlen. Tascehenberg?) wenigstens theilt uns mit, dass bei Tristomum und Onchocotyle die Grösse der Darmzellen erstens eine verschiedene ist, und zweitens, dass das obere Ende der grösseren Zellen „keulenförmig verdickt ist“. Sogar findet er bei Onchocotyle?), dass der „keulenförmig verdiekte obere Theil“ dieser Zellen „meist grünlich oder bräunlich gefärbte Körnehen“ enthält, die genau denen innerhalb des Darmtractus gleichen. Diese Beobachtung Taschenberg’s stimmt vollkommen mit den von mir gesehenen Thatsachen bei Distomum Westermani überein. Auch Zeller*) hat bei Polystomum integerrimum Rud. ähnliche Beob- achtungen wie Taschenberg bei Onchocotyle und— ich bei Disto- mum Westermani gemacht, — nur behauptet Zeller, „dass diese Zellen sich mit der Zeit ablösen und zerfallen“, wie das auch Hallez für die Darmzellen einiger Turbellarien annimmt. Die hin- fälligen Zellen sollen durch junge ersetzt werden, „welche zwischen 1) Hallez, Contributions & P’histoire naturelle des Turbellaries. 4..Note. Bulletin scientifique du Döpartement du Nord. 2. Ser. 1. Anne. 1878. p. 254. Derselbe, 1. c. p. 18. 2) Taschenberg, Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer, mariner Trematoden. 1. c. p. 25. 3) Taschenberg, Weitere Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trematoden. 1. c. p. 10. 4) Zeller, Untersuchungen über die Entw. u. den Bau des Polystomum integerrimum Rud. 1. ec. p. 19 und: Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Poly- stomen. ]. c. p. 241. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 555 jenen sieh bilden“ (Zeller), während Hallez diese ablösenden Zellen ersetzen lässt „de cellules tr&s petites, en forme de demi- lunes“, welehe sich ausserhalb des Darmwandes befinden sollen. Ohne nun diese Beobachtungen von Zeller oder von Hallez direkt bestreiten zu wollen, muss ich doch bemerken, dass auch ich die muthmasslichen „halbmondförmigen Zellen“ bei Distomum Westermani beobachtet habe (Fig. 8 e), dass mir aber diese Ge- bilde durchaus nicht den Eindruck von wirklichen „Zellen“ ge- macht haben, sondern bei dem von mir untersuchten Thiere weiter nichts vorstellen, als runde Lücken im bindegewebigen Parenchym, mit einer noch theilweise siehtbaren, auf Schnitten „halbmond- förmig“ erscheinenden Wandung. In Betreff der Anhänge des Digestionsapparates ist noch schliesslich zu erwähnen, dass sich rings um den Oesophagus, im Körperparenchym eingelagert, eine srosse Menge Drüsen befinden (Fig. 7 sp). Diese Drüsen bilden hier eine 0,4—0,5 mm dicke Schicht. Jede einzelne Drüse hat eine flaschen- oder kolbenförmige Gestalt, und besteht aus einer grossen Anzahl dicht nebeneinander stehender polygonaler Zellen, eine jede mit einem deutlichen Kern (0,006 mm). Wie bei den Hautdrüsen wird auch hier der gegen die Oesophagealhöhle gerichtete Ausführungsgang von einer die ganze Drüse umhüllenden Membran gebildet. Aller Wahrschein- lichkeit nach sind diese Drüsen als eine Art Speicheldrüsen zu betrachten. c. Der Exkretionsapparat. Am Exkretionsapparate unterscheidet man bei unserem Thiere erstens einen blasig angeschwollenen Centraltheil, und zweitens die von diesem Reservoir ausgehenden grösseren Gefässe mit deren feineren, vielfach anastomosirenden, Verästelungen. Der Central- theil liegt bei Distomum Westermani in der Medianlinie, am hin- teren Körperende und mündet mit einer kreisrunden Oeffnung (0,02 mm im Durchmesser) an diesem Pole nach Aussen. Diese Ausführungsöffnung ist von einer dünnen Ringmuskelschicht um- geben. Die Gestalt des Centraltheiles ist in den meisten Fällen, die eines langgestreckten oder birnförmigen Schlauches, kann aber wie ich bei einem noch ganz frischen Exemplare deutlich gesehen habe, auch die einer kugelförmigen Blase sein. Die Wand dieses Schlauches oder dieser Endblase ist aus einer Ringmuskelschicht 556 C. Kerbert: zusammengesetzt. Der Inhalt besteht aus einer grobkörnigen Masse, in der kleinere oder grössere, runde, fettartige Körperchen (0,008— 0,016 mm) eingebettet sind. Die Wand der von der Endblase ausgehenden grösseren Ge- fässe, und die der feineren Verästelungen wird von einer sehr feinen, strukturlosen Membran gebildet, — während sämmtliche kleinere und grössere Gefässe mit einer hellglänzenden, körnigen Masse gefüllt sind. Ob nun bei unserem Thiere die feineren Ver- ästelungen der Exkretionsgefässe blind oder mit Flimmertrichtern endigen, — das ist eine Frage, welche ich an den von mir unter- suchten Individuen nicht mit voller Bestimmtheit habe entscheiden können. Thiry!) hat solche Flimmertrichter bei den Grossammen und Ammen der Cercaria macrocerca Fil. beobachtet, — und aller Wahrscheinlichkeit nach hat schon Walter?) diese Gebilde bei Distomum lanceolatum gesehen, ohne dieselben als solche gedeutet zu haben. Leuckart?) hat die Flimmertrichter schon bei Embry- onen des Leberegels beobachtet. Auch Bütschli?) behauptet die „trichterförmigen Erweite- rungen“ an den letzten freien Ausläufern des Exkretionsapparates bei Cercaria armata (?) wahrgenommen zu haben. Fraipont‘*) hat aber diese „entonnoirs eilies“ bei Distoma squamata Zeller aus der Haut von Rana temporaria, und bei drei Geschlechtern eetoparasitischer Trematoden, namentlich bei Poly- stomum integerrimum, Octobothrium lanceolatum und bei Diplozoon paradoxum, deutlich gesehen. Taschenberg, Sommer und die übrigen Autoren, erwähnen in ihren Arbeiten diese Flimmertrichter nicht. Jedenfalls wäre es sehr wünschenswerth diese Frage bei den verschiedenen Trema- 1) Thiry, Beiträge zur Kenntniss der Cercaria macrocerca Fil. Ztschr. f. wiss. Zool. X. 1859. p. 271. 2) Walter, Beiträge zur Anatomie einzelner Trematoden. 1. c. p. 286. 3) Leuckart 1. ce. p. 600. 4) Bütschli, Bemerkungen über den excretorischen Gefässapparat der Trematoden. Zool. Anz. 1879. No. 12. p. 588. 5) Fraipont, Recherches sur l’appareil exereteur des Tr&ematodes et des Cestoides. Note preliminaire. Bull. de l’Ac. roy. de Belgique. 2. Ser. T. XLIX. No. 5. 1880. Derselbe, Recherches sur l’appareil exereteur des Trömatodes et des Cestoides. Archives de Biologie. publ. p. E. v. Beneden et Ch. v. Bambeke. Tome I. Fasc. III. 1880. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 557 toden-Arten einer erneuerten Untersuchung an ganz frischen Thie- ren zu unterwerfen. d. Die Fortpflanzungsorgane. In Betreff der Fortpflanzungsorgane habe ich schon im An- fang dieser Arbeit angegeben, dass die Dotterstöcke weithin den . grössten Raum im Körper unseres Thieres einnehmen. Die soge- nannten „Seitenfelder“ sind, — obwohl an der dorsalen Seite mäch- tiger entwickelt als an der ventralen Fläche, — beinahe ganz von den kleinen Blindsäcken der Dotterstöcke ausgefüllt. Im „Mittel- felde“ indessen finden wir in der vorderen Körperhälfte, zwischen dem Bauchsaugnapfe und den beiden transversalen Dotterkanälen („Eifeld‘‘) — die übrigen weiblichen Geschlechtsorgane, den Keim- stock (Fig. 2 ov), die Schalendrüse (Fig. 2 sch), den grössten Theil des weiblichen Leitungsapparates (Fig. 2 u), die Dotterblase (Fig. 2 db), den Laurer’schen Kanal mit dessen Anhang: dem Receptaculum seminis (in der Abbildung Fig. 2 von dem Ende des Uterus überdeckt) und schliesslich die Geschlechtskloake oder den Sinus genitalis. Inder hinteren Körperhälfte, hinter dem transversalen Dotterkanale, sind nur die beiden Hoden (Fig. 2 t) mit deren Aus- führungsgängen (Fig. 2vd) zu beobachten („Hodenfeld“ Leuckart). In meiner vorläufigen Mittheilung!) über den Bau des Disto- mum Westermani habe ich der Anwesenheit einer Geschlechts- kloake bei unserem Thiere schon Erwähnung gethan. Villot?) hat später ebenfalls eine Geschlechtskloake bei Distomum insigne Dies. beobachtet. Er sagt: „L’orifice g@nital est commun aux deux sortes d’organes et presente une structure tout ä& fait analogue & celle d’une ventouse“. In seiner jüngsten Arbeit hat nun auch Sommer?) einen Sinus genitalis beim Leberegel beschrieben, und diesem Gebilde einen besonderen, näher zu besprechenden Antheil bei der Befruchtung beigelegt. Bei Distomum Westermani nun stellt der Sinus genitalis einen in der Medianlinie des Thieres gelagerten kegelförmigen Raum dar, dessen Spitze nach hinten und etwas nach oben, dessen Basis aber nach vorn und unten gerichtet ist. Die Spitze des Kegels ist offen, steht mit dem weiblichen Leitungsapparate (Fig. 9 u) in unmittel- 1) Kerbert, Zur Kenntniss der Trematoden. 1. c. p. 273. 2) Villot l. c. p. 13. 3) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. ec. p. 9 und p. 53. 558 C. Kerbert: barem Zusammenhang und stellt also die weibliche Geschlechts- öffnung dar (Fig. 9 o. f). Das andere Ende der Geschlechtskloake mündet mit einer kreisrunden oder querovalen, wulstartig umkreis- ten Oeffnung in der Medianlinie des Körpers auf der Bauchfläche, hinter dem Bauchsaugnapfe. Diese Oeffnung erweist sich als der Porus genitalis (Fig. 2 und Fig. 9 P G.). Dieser Genitalporus ist ungefähr 0,25 mm von dem hinteren | Rande des Bauchsaugnapfes entfernt. Durch die Wirkung der Hautmuskeln kann sich aber dieser Abstand wesentlich verringern. Von einem Kreismuskel umgeben ist die Grösse der Oeffnung auch eine verschiedene und variirt von 0,06—0,08mm. Im vorderen und oberen Abschnitte des Geschlechtssinus befindet sich an der linken Seite noch eine zweite Oeffnung (Fig. 9 o.m), welche mit dem männlichen Leitungsapparate in unmittelbarer Verbin- dung steht und daher als männliche Geschlechtsöffnung (Fig. 9 om.) aufzufassen ist. Die Wand des Geschlechtssinus besteht aus den gleichen Gewebsschichten, welche wir schon bei Betrachtung der Rinden- schicht, als Bestandtheile des Hautmuskelschlauches kennen gelernt haben. Offenbar hat sich bei der Bildung der Geschlechtskloake die Rindenschicht mit Ausnahme der Epidermis, nach Innen zu eingestülpt. Als innerste Schicht finden wir die Fortsetzung der Basalmembran, welche also hier als eine Membrana propria die Wand der Geschlechtskloake bildet. Dieser Membran folgt nach Aussen eine Ringfaserschicht, und schliesslich eine dünne Längs- faserlage. Als äusserste Schicht treffen wir die Fortsetzung der Hautdrüsenlage an. 1) Die männlichen Geschlechtsorgane. Bei der Betrachtung der männlichen Geschlechtsorgane unter- scheiden wir in erster Linie die samenbereitenden Organe oder Hoden, und zweitens deren Ausführungsgänge. Die beiden Hoden unseres Thieres (Fig. 2t) liegen an der dorsalen Seite des hinteren Körpertheiles hinter den beiden trans- versalen Dotterkanälen und stellen fünf- oder sechslappige Drüsen dar. Der rechte Hoden befindet sich unmittelbar hinter dem trans- versalen Dotterkanale, der linke Hoden indessen ist dem hinteren Körperpole näher gerückt. In Folge dessen unterscheiden wir einen vorderen, rechten und einen hinteren, linken Hoden. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 559 Die einzelnen Hodenlappen besitzen einen Längendurchmesser von 0,65—0,75 mm und einen Breitendurchmesser von 0,15—0,25 mm. Die Hoden sind in Hohlräumen des Körperparenchyms eingelagert, doch grenzen sie sich durch eine homogene, und strukturlose, eigene Membran von dem Grundgewebe ab. Die Membrana propria setzt sich in die Wand der beiden Samenleiter unmittelbar fort. An der ‚Aussenseite dieser Membrana propria liegt eine schwach entwickelte Faserschicht, deren Fasern in longitudinaler Richtung verlaufen. Der Inhalt der Hoden ist aus verschiedenen Zellgebilden zu- sammengesetzt. Der Innenseite der Membrana propria aufsitzend, befindet sich eine sehr fein granulirte Protoplasmamasse, in wel- cher zahlreiche Kerne (0,004—0,006 mm), ein jeder mit glänzendem Kernkörperchen, epithelartig eingebettet sind (Fig. 11 a). Diese wenig differenzirte Zellenlage können wir mit v. la Valette St. George!) als „Keimlager‘‘ bezeichnen. Zwischen diesen Kernen nämlich finden sich deutlich differenzirte Zellen von einer runden, manchmal unregelmässigen Gestalt (0,10—0,20 mm), mit einem deutlichen Kern (0,006mm) versehen (Fig. 11 b). Diese letztge- nannten, fein granulirten Zellen zeigen im Allgemeinen eine grosse Aehnlichkeit mit den Keimzellen der weiblichen Geschlechtsdrüse (Fig. 16 c). In einigen dieser Zellen habe ich zwei, in anderen drei und mehr Kerne angetroffen (Fig. 11 e. d.e). Mehr nach der Mitte des Hodens zu waren Zellgebilde von grösseren Dimensionen 0,03—0,04 mm) je mit drei, vier oder sogar mit sechs Kernen anzutreffen (Fig. 11 f). Offenbar sind diese vielkernigen Gebilde aus den zuerst genannten Zellen (Fig. 11) hervorgegangen und zeigen viele Aehnlichkeit mit den von v. la Valette St. George als „Spermatogemmen“ bezeichneten Zellenhaufen. In diesem Falle wären die einzelnen Zellen (Fig. 11) als „Ursamenzellen“ oder „Spermatogonien“ aufzufassen. Bemerken will ich ausserdem, dass ich an einigen Stellen diese Ursamenzellen von benachbarten Zellen des Keimlagers um- hüllt fand. Diese die Ursamenzellen umhüllenden Zellen sind von unregelmässiger Gestalt und besitzen einen Kern, der in der Grösse vollständig mit den übrigen Kernen im Keimlager übereinstimmt. 1) v. la Valette St. George, Die Spermatogenese bei den Säuge- thieren und dem Menschen“. Bonn 1878. (Separat-Abdruck aus dem Archiv f. mikr. Anat.) p. 27. 560 C. Kerbert: Es mögen diese Zellen also als „Follikelzellen“ gedeutet werden. Ausser diesen verschiedenen Zellen und Zellenhaufen habe ich noch andere Gebilde beobachtet (Fig. 11 g.h. i.k), deren Beziehung zu einander ich nieht mit vollständiger Sicherheit festzustellen in der Lage war. Die betreffenden Gebilde hatten entweder eine mehr oder weniger halbmondförmige Gestalt (Fig. 11h. i. k), und waren aus einer grobkörnigen Protoplasmamasse zusammengesetzt, in der zuweilen ein deutlicher Kern anzutreffen war, — oder zeigten eine unregelmässige Form, waren fein granulirt und mit vielen Kernen versehen (Fig. 11 g). Weil ich die ausgebildeten Samenfäden immer in der Nähe dieser beiden letztgenannten Gebilde vorfand — so sind dieselben, aller Wahrscheinlichkeit nach, als Spermatogem- men im letzten Entwickelungsstadium aufzufassen. Mangel an ganz frischem Material ist die Ursache, dass ich hier in Betreff der Samenentwickelung nur Bruchstücke gebe. Ich habe nur mittheilen können was ich an Alkoholpräparaten, nach Unter- suchung verschiedener Thiere, beobachtet habe, und bedaure dies um so mehr, als meiner Meinung nach die Wahrscheimlichkeit sehr nahe liegt, dass das von v. la Valette St. George aufgestellte „Gesetz der Spermatogenese“ sich auch für die Trematoden als zutreffend erweisen wird. Die ausgebildeten Samenfäden messen der Länge nach 0,06 mm. Die Köpfchen haben eine ovale, fast birnförmige Gestalt, sind stark lichtbreehend und messen der Länge nach 0,003 mm, der Breite nach 0,0009—0,001 mm. Die von den Hoden ausgehenden Samenleiter (Fig. 2 v. d) stellen dünne, langgestreckte Gänge dar, die auf dem Wege zur Samenblase einen geschlängelten Verlauf zeigen. Der rechte Samen- leiter verläuft an der dorsalen Seite nach links, über die Dotter- blase hinweg, biegt sich an der linken Seite dieser Blase wieder nach rechts um und mündet schliesslich an der ventralen Seite des Körpers in die Samenblase ein. Der linke Samenleiter ist be- deutend länger, verläuft beim Verlassen des Hodens erst nach vorn oberhalb des transversalen Dotterkanales bis zum vorderen Rande der Schalendrüse, biegt sich hier nach rechts und ventralwärts um in der Richtung des hinteren Körperendes, macht auf der Höhe des Dotterganges wieder eine Biegung nach der rechten Körper- fläche und vereinigt sich mit dem rechten Samenleiter zum spindel- förmigen Raume, den wir als Samenblase bezeichnet haben. Die Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 561 Samenleiter grenzen sich durch eine zarte, strukturlose, eigene Membran, die Fortsetzung der Tunica propria des Hodens vom bindegewebigen Körperparenchym ab, und messen der Quere nach 0,01—0,016 mm. An der Stelle, wo sich die beiden Samenleiter zur Samenblase vereinigen, habe ich ausserhalb dieser zarten Mem- bran eine Ringmuskelschicht beobachtet. Die Samenblase (Fig. 2, Fig. 9, Fig. 10 de!): die Vereinigung der beiden Samenleiter ist eigentlich der erweiterte Anfang des Ductus ejaculatorius (Fig. 9, Fig. 10 de), und liegt in der linken Körperhälfte an der Bauch- seite des Thieres, neben dem Geschlechtssinus. Die ganze Samen- blase misst der Länge nach 0,23 mm, der Quere nach 0,167 mm. Der eigentliche Hohlraum dieser Blase, die Fortsetzung der beiden Samenleiter hat nur einen Breitendurchmesser von 0,04—0,05 mm. Die Basalmembran der Haut, die sich durch den Porus geni- talis in die Geschlechtskloake fortsetzt, bildet als Membrana pro- pria die innere Wand der Samenblase und des Ductus ejaculatorius. Abgesehen von dieser dünnen Membran ist die Wand der Samen- blase aber weit complieirter als die der Samenleiter oder des Duc- tus ejaculatorius. Der Membrana propria aufsitzend findet man als innerste Lage der Samenblasenwand eine Epithelschicht zusammen- gesetzt aus 0,01 mm grossen, unregelmässig gestalteten fast poly- gonalen mit deutlichem Kerne (0,006 mm) versehenen Zellen. Nach Aussen wird die Membran von einer Muskellage, einer inneren Ringfaser- und einer äusseren Längsfaserschicht bedeckt. Ausser- halb dieser Längsfaserschicht findet sich ein engmaschiges retiku- läres Bindegewebe (Fig. 9 und 10 b), welches der ganzen Samen- blase die ihr eigenthümliche ovale Gestalt verleiht, und ohne scharfe Grenze in das spongiöse Bindegewebe des Körperparen- chyms übergeht. Die Struktur dieses Bindegewebes ist der des Körperparenchyms vollständig gleichwerthig, nur zeigen die Ma- schen und Lücken und die in diesen Lücken eingelagerten Binde- gewebszellen in der Umgebung der Samenblase kleinere Dimen- sionen als im Körperparenchym. Die einzelnen fein granulirten Bindegewebszellen messen hier 0,01—0,012 mm, — deren Kerne 0,005 mm. Der eigentliche Ductus ejaculatorius (Fig. 9 de, Fig. 10 de), der aus dem vorderen und unteren Ende der Samenblase seinen Ursprung nimmt und mit einer S-förmigen Schlinge in die Ge- schlechtskloake einmündet, zeigt einen Querdurchmesser von 0,03 mm. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 38 562 C. Kerbert: An der Einmündungsstelle in die Geschlechtskloake ist der Ductus ejaculatorius triehterförmig erweitert und misst hier der Quere nach 0,lmm. Wie die Samenblase besitzt auch der Duetus ejaeulatorius eine muskulöse Wand, — eine innere Ringfaser- und eine äussere sehr dünne Längsfaserschicht. Auch hier liegt als innerste Lage der Wand der Membrana propria eine sehr dünne Epithelschicht auf. Deutliche Zellencontouren habe ich an dieser Epithelschicht nicht mit Sicherheit nachweisen können. Die Kerne messen 0,005 mm. Von einem Cirrusbeutel oder einem hervorgestülpten Penis habe ich an sämmtlichen von mir untersuchten Thieren keine Spur beobachtet. 2) Die weiblichen Geschlechtsorgane. Mit Ausnahme der beiden Dotterstöcke sind die weiblichen Geschlechtsorgane auf dem Theile des Mittelfeldes beschränkt, der sich zwischen dem Bauchsaugnapfe und den beiden transversalen Dotterkanälen befindet, und den wir im Gegensatz zu dem von Leuckart als „Hodenfeld“ bezeichneten hinteren Körperabschnitte, als „Eifeld“ betrachten können. Die weiblichen Geschlechtsapparate unseres Wurmes bestehen aus einem unpaaren Keimstock (Fig. 2 und Fig. 12 ov), mit sei- nem Ausführungskanale, dem Keimgang (Fig. 12 ovd) — aus einem paarigen Dotterstocke (Fig. 2 dd) mit den longitudinalen und transversalen Ausführungsgängen (Fig. 12 q, dk), der Dotter- blase (Fig. 2 und Fig. 12 db) und dem Dottergange (Fig. 12 dg) — und schliesslich aus dem Leitungsapparate oder Uterus (Fig. 2 u), der nach mehrfachen Windungen in die Geschlechtskloake ein- mündet (Fig. 2 und Fig. 9 u). An der Stelle, an welcher sich der Keimgang mit dem Dotter- gang zum Leitungsapparate vereinigt, befindet sich die Einmündung des Laurer’schen Kanales (Fig. 12 LK) mit dessen Anhang, dem Receptaculum seminis (Fig. 12 rs). Fangen wir mit der Betrachtung des Keimstockes an, so sehen wir, dass auch dieses Organ wie jeder der beiden Hoden eine lappige, sehr unregelmässig gestaltete Drüse darstellt. Der Keimstock befindet sieh in der rechten Körperhälfte zwischen dem Bauchsaugnapfe und dem rechten queren Dotterkanale (Fig. 2 ov und Fig. 12 ov) und liegt mehr oder weniger an der dorsalen Körperfläche. Jeder Lappen misst der Länge nach 0,612—0,82 mm, Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 563 — der Breite nach 0.326—0,4 mm, — zeigt aber an einigen Stellen kleinere Läppehen. Der Ausführungs- oder,Keimgang (Fig. 12 ova) hat eine kegelförmige Gestalt mit der Spitze gegen die Schalen- drüse (Fig. 12 sch) gerichtet, und zeigt einen Querdurchmesser an der Basis von 0,25 mm mit einer Länge der Axe von 0,53 mm. Die Wand des Keimstockes besteht aus einer dünnen, struk- turlosen Membrana propria, und einer 0,006 mm dieken, bindege- webigen Umhüllungshaut (Fig. 16 h). Der Innenseite der dünnen Membran unmittelbar anliegend das „Keimlager‘“ — eine fein gra- nulirte Protoplasmamasse, in der zahlreiche Kerne (0,005 mm) mit deutlichen Kernkörperchen epithelartig eingebettet sind (Fig. 15 und Fig. 16a). Zellgrenzen zwischen den einzelnen Kernen sind nirgends deutlich sichtbar. Nur in der darauf folgenden Zellen- schicht treten die Zellgrenzen evident hervor (Fig. 15 und Fig. 16b). Nicht alle Zellen des Keimlagers bilden sich aber zu Eizellen aus, sondern einige derselben platten sich ab, erscheinen also im opti- schen Querschnitt spindelförmig (Fig. 16 a!) und umhillen als Follikelzellen zu dreien oder mehreren je eine Eizelle (Fig. 16 b!). Auf Querschnitten beobachtet man an der Wand des Keimstockes viele von diesen durch die letztgenannten Zellen begrenzten Räume, aus welchen die Eizellen ausgefallen sind (Fig. 16 b?). Die Eizellen messen hier ungefähr 0,01 mm, deren Keimbläschen 0,008 mm (Fig. 16c). Mehr in der Mitte des Keimstockes treffen wir bedeutend grössere (0,02 mm) und mehr abgerundete Eizellen an (Fig. 15 ce. d) Der Inhalt ist fein granulirt, das Keimbläschen misst 0,01 mm, der Keimfleck 0,002 mm. Es sind diese Zellen, die reifen Eier- stockseier, wie wir dieselben auch im Anfang des weiblichen Lei- tungsapparates antreffen werden. Bemerken will ich noch, dass ich zwischen diesen abgerundeten membranlosen Eizellen auch solche mit deutlichen Ausläufern (Fig. 15 e) angetroffen habe, eine Erscheinung, die auf eine an den Eiern anderer Thiere beobachtete, amöboide Bewegung hinweisen mag. Auch der Keimgang ist von einer dünnen, eigenen Mem- bran und einer bindegewebigen Hülle eingeschlossen. Dessen Hohl- raum ist mit 0,02 mm grossen Eizellen gefüllt. Die Dotterstöcke unseres Thieres sind paarige traubenförmige Drüsen, welche sich unterhalb des Hautmuskelschlauches, über die ganze Länge des Thierleibes ausdehnen (Fig.2dd). Wieschonerwähnt, 564 Ö. Kerbert: haben dieselben sich an der dorsalen Seite mächtiger entwickelt alsan der ventralen Körperfläche. Sie bestehen aus kleinen, runden oder ovalen Drüsenbläschen, welche in grosser Anzahl mittelst dünner Ausführungsgänge, gemeinschaftlichen grösseren Kanälen aufsitzen. Die Drüsenbläschen messen der Länge nach ungefähr 0,1 mm, der Quere nach 0,064mm — während deren Ausführungsgänge der Breite nach 0,04 — 0,05 mm messen. Die übrigen, manchmal 0,lmm breiten Sammelkanäle verlaufen von dem vorderen und hinteren Körperende ungefähr nach der Mitte des Thierleibes und führen hier die Produkte der Drüsenbläschen in die beiden an der dorsalen Körperfläche verlaufenden, transversalen Dotterkanäle über. Diese transversalen Dotterkanäle messen der Quere nach 0,2 mm und ergiessen ihren Inhalt schliesslich in ein birnförmiges, 0,25 mm breites und 0,4 mm langes Reservoir, — in die sogenannte Dotterblase (Fig. 2 und Fig. 12 db). Aus dieser Dotterblase bringt ein allmählig gegen die Schalendrüse spitz verlaufender Ausführungsgang — der Dottergang (Fig. 12 dg) — die Dotter- zellen, mit dem Inhalte des gleichfalls in die Schalendrüse ein- tretenden Keimganges in unmittelbare Berührung. Dieser Dotter- gang zeigt einen Längendurchmesser von 0,2 mm. Sowohl die Wand der Dotterbläschen, als die der verschie- denen kleineren und grösseren Ausführungskanäle, der Dotterblase und des Dotterganges wird nur von einer dünnen, strukturlosen Membran, ohne aufliegende kontraktile Fasern gebildet. Unterwerfen wir den Inhalt der verschiedenen Abschnitte des Dotterstockes einer näheren Untersuchung, und fangen wir zu die- sem Zwecke mit den zahlreichen Drüsenbläschen an, so beobach- ten wir, der Membrana propria wieder unmittelbar anliegend, eine deutlich entwickelte Epithelschicht. Schon Walter !) erwähnt „ein zartes Epithel“, welches die „strukturlose, durchsichtige Membran‘ nach Innen auskleidet. Auch v. Beneden ?) beschreibt bei den Dotterstöcken „une membrane sans structure, a double contour, tapissde A sa face interne par une couche de cellules Epitheliales“, — und nimmt das Vorhandensein dieses Epithels für sämmtliche Trematoden an. 1) Walter l. c. p. 293. 2) Ed. v. Beneden, Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. M&m. cour. et M&m. des savants &trangers publ. par l’Acad. royale de Belgique. Tom. XXXIV. 1870. p. 22. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 565 Taschenberg') kann die Angabe v. Beneden’s keinenfalls bestätigen und spricht den von ihm untersuchten Arten ein Dotter- stocksepithel ganz ab. Sommer?) findet in den Drüsenbläschen beim Leberegel „kugel- oder eiförmige Zellen“ — oder „wenn dicht zusammenge- drängt“ auch „hier rundlich polygonale, dort eckig gestaltete Zel- len“. Unter diesen Zellen finden sich ziemlich zahlreich „kleine, hüllenlose Zellen, welche einen Durchmesser von 0,01llmm, ein spärliches, feinpunktirtes Protoplasma und einen runden, bläschen- förmigen Kern von 0,007—0,009 mm besitzen; ihre Lage in den Zellenhaufen ist vorwiegend eine peripherische‘“. Offenbar stellen diese letztgenannten, kleinen, peripherisch gelagerten Zellen wohl die wahren Dotterstocksepithelzellen dar. Dieselben stimmen wenigstens in vieler Hinsicht mit den Epithelzellen der Drüsen- bläschen bei Distomum Westermani überein. In Fig. 13 habe ich diese Epithelzellen abgebildet. Diese polygonalen Zellen messen 0,01 mm und besitzen einen feingranulirten Inhalt mit deutlichem runden Kern (0,007 mm) und Kernkörperchen. Zwischen diesen Epithelzellen befinden sich bereits grössere (0,02 —0,026 mm) runde Zellen, in deren Inhalt kleine, stark glänzende Dotterkörnchen angetroffen werden. Auch bei diesen Zellen ist der Kern — nach Karmintinktion — immer noch deutlich zu beobachten. Es sind nun die mit kleineren und grösseren Dotterkörnchen gefüllten Zellen, überall im Inhalte der Drüsenbläschen, in den verschiedenen Ausführungskanälen, und in der Dotterblase anzu- treffen. Während aber die an der Wand der Drüsenbläschen ge- lagerten Epithelzellen und die mit kleineren Dotterkörnchen ver- sehenen Dotterzellen noch vollständig membranlose Zellen darstellen, sind die mit grösseren Dotterkörnchen versehenen Zellen, mit einer deutlichen, doppelt contourirten Membran ausgestattet (Fig. 14). Die Dotterkörnchen, von sehr unregelmässiger, manchmal aber kugelför- miger Gestalt, messen 0,002—0,005 mm und füllen mit dem immer vorhandenen Kern den Inhalt einer Dotterzelle vollständig aus. Sommer?) fand bei Distomum hepaticum in den hohlen Stie- 1) Taschenberg, Beitr. z. Kenntniss ectoparasitischer mariner Tre- matoden. ]. c. p. 40. 2) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. l. c. p. 69. 3) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1, c. p. 70. 566 C. Kerbert: len der Drüsenbläschen und Drüsenläppchen, diese mit Dotterkörn- chen gefüllten Zellen nieht mehr vor — sondern nur einen „grösse- ren oder geringeren Vorrath von grossen, scharf umgrenzten, homo- genen Dotterkörnern, welche hier zerstreut stehen, dort aber in Gruppen dicht zusammengerückt sind“ (Dotterballen). In dieser Hinsicht schliesst sich Distomum hepaticum also dem Distomum cygnoides an, bei welchem Thiere, nach v. Beneden!) „cette des- organisation des cellules se fait & l’interieur m&me des glandes oü elles ont pris naissance, et les produits seeretes a linterieur de ces cellules deviennent libres avant d’etre exertes. On ne trouve alors, dans le vitelloducte, que des granules vitellins et de petites gouttelettes graisseuses en suspension dans un liquide albuminoide“. Bei Distomum Westermani aber sind die longitudinalen und transversalen Dotterkanäle, die Dotterblase und der Dottergang allenthalben mit den oben erwähnten grösseren Dotterzellen strotzend gefüllt. Erst im Anfang des weiblichen Leitungsappa- rates lösen sich diese Dotterzellen auf und vereinigen sich die verschiedenen, frei gewordenen Dotterkörner zu den sogenannten „Dotterballen“. Diese Dotterballen messen der Länge nach 0,02—0,025 mm. Unterhalb der Dotterblase vereinigt sich der Keimgang mit dem Dottergange zu dem weiblichen Leitungsapparate oder dem sogenannten Uterus. An der Vereinigungsstelle dieser beiden Gänge ist bei unserem T'hiere aber noch die Einmündung eines dritten Ganges zu beobachten. In Fig. 12 sind diese Verhältnisse abgebildet. Der Vereinigungspunkt dieser drei Gänge ist aber in dieser Figur nicht angegeben, weil derselbe sich im Innern der Schalendrüse (sch) befindet. Dieser dritte Gang ist der Laurer'- sche Kanal oder die Stieda’sche Scheide (Fig. 12 LK). Der- selbe fängt (Fig. 18) an der Rückenseite des Thieres, ungefähr in der Medianlinie des Körpers, vor dem queren Dotterkanale und 0,25 mm von diesem entfernt, mit einer kreisrunden, 0,03 mm gros- sen Oeffnung an (Fig. 18 0.vag). Diese Oeffnung ist von einer 0,025 mm dieken Ringmuskel- schieht umgeben. Der eigentliche Kanal, an der dorsalen Oeffnung trichterförmig, verläuft mit zwei oder drei Windungen, zwischen 1) Ed. v. Beneden, Recherches sur la composition et la signification de V’oeuf. 1. c. p. 30. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 567 Dotterblase und Keimstock zu der Schalendrüse und mündet hier in dem Anfangstheile des weiblichen Leitungsapparates ein. Ober- halb dieser Einmündungsstelle zeigt dieser Kanal aber einen kuge- ligen oder birnförmigen Anhang, mit Samenfäden strotzend ge- füllt — also ein Receptaculum seminis (Fig. 12 und Fig. 17 r.s). Der ganze Laurer’'sche Kanal misst der Quere nach unge- fähr 0,016 mm. Die Wand des Kanales besteht, von Innen nach Aussen, zuerst aus der Fortsetzung der Basalmembran, die sich an der dorsalen Oeffnung nach Innen eingestülpt hat — also aus einer Membrana propria — und schliesslich aus einer Muskellage, einer Ring- und Längsfaserschicht. Das Receptaculum seminis ist 0,25 mm lang und 0,23 mm breit, dessen Ausführungsgang in den Uterus zeigt eine Länge von 0,165 mm und eine Breite von 0,015 mm. Die 0,015 mm dicke Wand des Receptaculum besteht aus kontraktilen Fasern, welche hauptsächlich in meridionaler Rich- tung verlaufen, und allmählich in die Längsfaserschicht des Aus- führungsganges, des unteren Abschnittes des Laurer’schen Kanales, übergehen. Ob nun dieser Laurer’sche Kanal wirklich eine Scheide repräsentirt, zur Uebertragung der Samenfäden des einen Indivi- duum zu den Eizellen des anderen Individuum — wie von den meisten Forschern angenommen wird — oder ob derselbe als Ab- leitungskanal der übermässig abgesetzten Dottermenge fungire — wie kürzlich wieder von Sommer!) bei Distomum hepaticum behauptet worden ist — das ist eine Frage, auf die ich gleich unten näher zurückzukommen beabsichtige. So viel ist jedenfalls bei Distomum Westermani mit Sicher- heit festzustellen, dass das Receptaculum seminis durch den un- teren Abschnitt des Laurer’schen Kanales nur mit dem Anfangs- theile des Uterus in Verbindung steht, und nicht mit dem Dotter- gange, wie Stieda?) und später Sommer dies bei Distomum hepaticum gesehen haben wollen. Unterwerfen wir jetzt den weiblichen Leitungsapparat einer näheren Betrachtung, der in mehrfachen Windungen den Raum zwischen dem linken Darmschenkel und der Medianlinie des Kör- 1) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 79. 2) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. 1. c. p. 59. 568 C. Kerbert: pers unterhalb des transversalen Dotterkanales, vollständig ein- nimmt. An einigen Stellen ragen die grossen Schlingen des Uterus bis in das „Hodenfeld* (Leuckart) hervor (Fig. 2 u). Derjenige Abschnitt des Uterus, der unmittelbar aus der Vereinigung des Keimganges mit dem Dottergange entsteht, — oder, riehtiger gesagt, die Fortsetzung des Keimganges darstellt — können wir mit v. Linstow !) als „Eibildungsraum“ oder mit P. J. v. Beneden?) als „Ootyp“ bezeichnen. Dieser Anfangs- theil des Eierganges kennzeichnet sich namentlich dadurch, dass er von der Schalendrüse (Fig. 12 und Fig. 17 sch) vollständig umhüllt wird. Die Wand dieses Abschnittes ist von Innen nach Aussen aus einer glashellen strukturlosen Membran, aus einer 0,013 mm dieken Ringmuskel- und einer 0,0046 mm dicken Längsfaserschicht zusam- mengesetzt. Die Schalendrüse (Fig. 12 und Fig. 17 sch) hat eine un- regelmässige Gestalt und besteht (Fig. 17) aus einer bindegewebi- gen Grundmasse — dem Körperparenchym äusserst ähnlieh — in deren zahlreichen Lücken eine grosse Menge einzelliger Drüsen eingelagert sind. Der Querschnitt in Fig. 17 abgebildet zeigt ausser einem Theile der Schalendrüse weiter noch das Recepta- culum seminis mit dessen Ausführungsgang und dem aus der Schalendrüse austretenden Uterus. Aus einigen Lücken des Bin- degewebes sind die einzelligen Schalendrüschen ausgefallen. Die einzelligen Drüschen haben eine mehr oder weniger ovale Ge- stalt und messen der Länge nach 0,02—0,03 mm, der Breite nach 0,012—0,014 mm. Sie besitzen einen sehr körnchenreichen Inhalt mit deutlichem Kerne (0,008 mm) und Kernkörperchen und sind von einer höchst feinen Membran umhüllt, die sich in die Wand der langen und dünnen Ausführungsgänge fortsetzt. Das Sekret der Schalendrüse findet man in Form kleinerer und grösserer stark lichtbrechender Tröpfehen von gelber Farbe in grosser Menge im Anfangstheile des Eierganges angehäuft. Die kleineren Tröpf- chen vereinigen sich allmählich zu grösseren, welche in einigen Fällen einen Durchmesser von 0,012 mm erreichen. 1) v. Linstow, Einige neue Distomen und Bemerkungen über die weib- lichen Sexualorgane der Trematoden. Arch. f. Naturgesch. XXXIX. 1873. p. 102. 1) P. J. v. Beneden, Me&moire sur les vers intestinaux. Supplement aux Comptes rendus. T. II. 1861. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 569 Die Frage ist jetzt zu stellen, welche Processe bei der Bil- dung der Uteruseier in diesem Anfangstheile des Leitungsappara- tes eigentlich stattfinden. Die Thatsache, dass in diesem Anfangstheile des Uterus der Laurer’sche Kanal mit dem Receptaculum seminis einmündet, be- weist zur Genüge, dass-in diesem Abschnitte in erster Linie die Befruchtung der aus dem Keimgange heraustretenden Eizellen vor sich geht. Bei allen von mir untersuchten Thieren war doch der Laurer’sche Kanal‘und dessen Anhang, das Receptaculum semi- nis, stets mit Samenfäden strotzend gefüllt. Auch in dem betref- fenden Abschnitte des Eierganges selbst habe ich dann und wann, zwischen den Eizellen, einzelne Spermatozoen angetroffen. Eine andere Frage ist aber, ob diese im Laurer’schen Ka- nale und im Receptaculum seminis sich befindenden Samenfäden durch einen Selbstbefruchtungsakt, oder ob dieselben mittels eines Paarungsprozesses in das Receptaculum gebracht worden sind. Von einer direkten Verbindung zwischen den Hoden und dem Laurer’schen Kanale resp. mit dem Receptaculum seminis — also von einem sogenannten „dritten vas deferens* (Siebold!) — ist aber bei unserem Thiere durchaus nicht die Rede. Diese Thatsache ist somit der Beantwortung dieser Frage im erstge- nannten Sinne äusserst ungünstig. Nun aber ist Sommer ’?) in seiner schon mehrfach erwähnten Arbeit über den Leberegel, zu dem Resultate gekommen, dass bei diesem Thiere wirklich eine Selbstbefruchtung stattfindet, und zwar eingeleitet durch die Kontraktion der Diagonalmuskel des Hautmuskelschlauches. Bei Distomum hepaticum fällt, nach Sommer, der Genitalporus in eine der „rautenförmigen Lücken des Gitterwerkes“, zu wel- chem diese Diagonalmuskeln sich im Hautmuskelschlauche des Thieres vereinigen. Diese Muskeln nun sollen als „kontraktile Klemme oder Zwinge“ auf den Genitalsinus einzuwirken im Stande sein, und also einen Verschluss des Genitalporus bewirken, wo- durch eine „kontinuirliche Leitung von den virilen zu den weib- lichen Keimorganen“ ermöglicht und gesichert sein soll. Sommer 1) Siebold, Helminthologische Beiträge. Dritter Beitrag. Berichtigung der von Burmeister gegebenen Beschreibung des Distomum globiporum. Archiv f. Naturgesch. II. 1836. p. 219. 2) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 31. 570 C. Kerbert: hat solche Leberegel mit nach Aussen geschlossenem Geschlechts- porus gesehen und weiterhin die Beobachtung gemacht, dass bei solchen Individuen der Uterus sich von beschalten Eier fast leer erwies, in seinem Innern indessen mit Hodensekret gefüllt war. Auch Leuckart !) hat schon früher bei Distomum heputicum eine ähnliche Beobachtung gemacht, obwohl dieser Forscher „die mas- senhafte Ansammlung von Samenfäden“ im Uterus nur in Folge der inzwischen stattgefundenen „Begattung“ erklärt. Sommer aber zieht aus dem Vorkommen von Samenfäden im Uterus den Schluss, dass beim Leberegel wirklich eine Selbst- befruchtung stattgefunden haben muss, „für deren Zustandekom- men einmal der Connex zwischen den männlichen und den weib- lichen Leitungsorganen, und ferner die Mitwirkung von Haut-, Parenehym- und Cirrusbeutelmuskulatur ins Gewicht falle.“ Ich muss nun offen gestehen, dass mir diese Anschauung Sommer’s auch für das von mir untersuchte Distomum zwar im Anfang annehmlich vorkam — doch dass in letzter Instanz die bei Distomum Westermani vorliegenden Verhältnisse nicht günstig für die Sommer’sche Ansicht waren. Erstens kann ich der Wirkung der Diagonalmuskeln in der unmittelbaren Umgebung des Genitalsinus, bei dem von mir un- tersuchten Thiere, nicht ein so grosses Gewicht beilegen, als ihr von Sommer bei Distomum hepaticum zugesprochen wird. Die Diagonalmuskeln bei Distomum Westermani nämlich sind in der Nähe des Genitalsinus sehr schwach entwickelt. Damit will ich aber die Möglichkeit eines vollständigen Verschlusses des Genitalporus nach Aussen durchaus nicht in Abrede stellen; denn bei Distomum Westermani könnte der von mir erwähnte Kreismuskel des Geni- talporus wirklich einen solchen Verschluss zu Stande bringen. In Betreff des mit Hodensekret gefüllten Uterus muss ich in zweiter Linie bemerken, dass ich bei Distomum Westermani — auch nicht bei solehen Individuen, bei denen der Uterus von beschalten Eiern fast leer erschien — niemals Samenfäden, weder in den Schlingen des Uterus, noch im Geschlechtssinus, beobach- tet habe. Auch hat Sommer für Distomum hepaticum nicht mit voll- kommener Sicherheit nachgewiesen, dass die von ihm im Uterus- 1) Leuckart ]. c. p. 484. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 571 schlauche beobachteten Samenfäden wirklich in den Uterus ein- tretenden Samenfäden seien und nicht solche, welche auf dem Wege nach Aussen, als überflüssige Samenfäden, aufzufassen wären, was bei dem Mangel eines Receptaculum seminis immer möglich sein konnte. Schliesslich ist nicht gut zu verstehen, wie die Samenfäden bei der grossen Länge und den zahlreichen Windungen des Ute- rus in den Anfangstheil dieses Organes fortbewegt werden. Hier- auf hat auch Leu ckart schon aufmerksam gemacht. Ich kann also die Sommer’sche Ansicht in Betreff der Be- fruchtung, nieht unterschreiben, und betrachte die Möglichkeit einer Selbstbefruchtung überhaupt, wenigstens bei Distomum We- stermani, als höchst unwahrscheinlich. Ist nun die Selbstbefruch- tung und auch eine Selbstbegattung — denn der Penis fehlt bei unserem Thiere — nicht anzunehmen, so bleibt uns nur die Annahme einer gegenseitigen Befruchtung übrig. Somit nehme ich die von Sommer bestrittene Ansicht Stieda’s!) wieder auf, der ebenfalls eine Selbstbefruchtung für die Trematoden bezweifelt, und betrachte den Laurer’schen Kanal als die Scheide, mittelst welcher bei gegenseitiger Befruchtung die Samenfäden des einen Individuum mit den Eizellen des an- deren Individuum in unmittelbare Berührung kommen. Von der von Stieda ?) ursprünglich gegebenen und neulich von Sommer) wieder acceptirten Interpretation, nach welcher dem Laurer’schen Kanal die Bedeutung einer Ableitungsröhre der übermässig abgesetzten Dottermenge beigelegt wird, von einer solehen Interpretation kann bei Distomum Westermani überhaupt nicht die Rede sein. Der Laurer’sche Kanal steht hier mit dem Dottergange gar nicht in Verbindung, wie das beim Leberegel der Fall ist, sondern nur mit dem Anfangstheile des Eierganges. Be- trachten wir schliesslich die Lagerungsverhältnisse des Keim- ganges, des Dotterganges und des Laurer’schen Kanales, wie dieselben in Fig. 12 abgebildet sind, und denken wir uns den l) Stieda, Ueber den angeblichen inneren Zusammenhang der männ- lichen und weiblichen Organen bei den Trematoden. Arch. f. Anat. u. Phys. 1871. p. 31. 2) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. 1. c. p. 59. 3) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. e. p. 79. 572 C. Kerbert: Eiergang in der Schalendrüse von rechts nach links verlaufend, also in der durch die Pfeile angegebenen Richtung, so ist nicht gut abzusehen, wie die aus dem Dottergange entleerte Dottermenge in den Laurer’schen Kanal gelangen soll, während doch die Kon- traktion der Uteruswand den Inhalt des Eierganges in die entge- gengesetzte Richtung forttreibt. Wenn ich also dem Laurer’schen Kanale die Bedeutung einer „Scheide“ beilege, so geschieht dies, erstens, weil ich diesen Ka- nal und dessen Anhang, das Receptaculum seminis stets mit Sa- menfäden reichlich überfüllt vorfand, und zweitens weil derselbe gerade an derjenigen Stelle einmündet, an welcher die zu befruch- tenden Eizellen aus dem Keimgange hervortreten. Ausser Stieda !) erklärt auch Blumberg) den Laurer’- schen Kanal als eine „Scheide.“ Bütschli°) findet bei Distomum endolobum Duj. ebenfalls einen Laurer’schen Kanal und spricht sich für die Stieda’sche Deutung desselben als „Scheide“ aus. Zeller) hat bei Polystomum integerrimum sogar zwei Lau- rer’sche Kanäle oder Scheiden beobachtet. Tasehenberg>) stellt das Vorhandensein eines Laurer'- schen Kanales oder einer „Scheide“ bei Tristomum, Onchoeotyle, Pseudocotyle und Callicotyle ausser Zweifel. Carl Vogt‘) findet bei Diplectanum aequans Dies. einen „Begattungsgang*“ mit einer „Begattungskeule.“ Aller Wahrschein- 1) Stieda, Ueber den angeblichen inneren Zusammenhang der männ- lichen und weiblichen Organe bei den 'Trematoden. 1. c. p. 31. 2) Blumberg, Ueber den Bau des Amphistoma conicum. 1. c. p. 33. 3) Bütschli, Beobachtungen über mehrere Parasiten. Arch. f. Natur- gesch. XXXVIII. 1872. p. 234. 4) Zeller, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Polystomen. Z. f. wiss. Zool. XXVII. 1876. p. 238. 5) Taschenberg, Ueber die Geschlechtsorgane ectoparasitischer ma- riner Trematoden. Zool. Anz. I. p. 176. Derselbe, Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trema- toden. 1. c. p. 42. Derselbe, Weitere Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trematoden. 1. c. p. 22 u. 28. 6) C. Vogt, Ueber die Fortpflanzungsorgane einiger ectoparasitischer mariner Trematoden. Z. f. wiss. Zool. XXX. Suppl. 1878. p. 318. ee Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 573 lichkeit nach hat Vogt mit diesem „Begattungsgange“ den Lau- rer’schen Kanal andeuten wollen. Lorenz!) hat bei Axine und Microcotyle eine „Scheide“ nach- gewiesen. Minot?) findet einen Laurer’'schen Kanal als „Scheide“ bei Distomum erassicolle. Wenn also nach den meisten Forschern dem Laurer’schen Kanale die Bedeutung einer „Scheide* beigelegt werden muss, so ist die Frage zu beantworten, wie der Begattungsakt eigentlich vor sich gehe. Obwohl einige Forscher behauptet haben dann und wann „ein Pärchen in Copula“ ertappt zu haben, — so hat doch eigentlich keiner mit vollkommener Sicherheit eine Copula- tion zweier Individuen bei den Trematoden nachgewiesen. Das Vorkommen einiger Trematoden stets zuzweien ineiner Cyste, wie dies von verschiedenen Forschern mit Bestimmtheit beobachtet worden ist, und wie auch ich das für Distomum Wester- mani mitgetheilt habe, — diese Thatsache spricht zwar entschie- den für die hohe Wahrscheinlichkeit einer gegenseitigen Befruch- tung — giebtaber durchaus keinen Aufschluss über die Frage, wie diese gegenseitige Befruchtung wohl stattfindet. Ob nun der bei einigen Trematoden vorkommende Penis oder Cirrus bei der Begattung in den Laurer’schen Kanal eingeführt wird, — diese Frage muss aller Wahrscheinlichkeit nach ver- neinend beantwortet werden, seitdem Sommer?) uns mitgetheilt hat, dass es ihm beim Leberegel, „bei frischen, noch lebenswarmen Individuen“ niemals gelungen ist „des Cirrus ansichtig zu werden‘. Nur bei Induviduen, „welche anscheinend im Absterben begriffen oder bereits todt waren, und immer „erst in Folge äusserer Ein- wirkungen“ sah Sommer den Cirrus aus dem Genitalporus her- vortreten. Weil nun bei Distomum Westermani der Cirrus und der Cirrus- beutel vollständig fehlen, so kommt hier diese Frage überhaupt nicht in Betracht. Sehr beachtenswerth ist aber bei Distomum Westermani und bei anderen Distomeen die Thatsache, dass der Abstand zwischen 1) Lorenz, Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Micro- cotyle. Arbeiten des Zool. Inst. zu Wien 1878. Heft 3. 2) Minot, On Distomum crassicolle u, s. w. l. ce. p. 11. 3) Sommer, Die Anatomie des Leberegels. 1. c. p. 89. 574 ©. Kerbert: dem Mundsaugnapfe und dem Porus genitalis an der Bauch- seite, vollkommen dem Abstande zwischen dem Mundsaugna- pfe und der äusseren Oeffnung des Laurer’schen Kanales an der dorsalen Seite gleich ist. Es leuchtet nun sofort ein, dass, wenn ein Individuum mit der eoncaven Bauchseite der convexen Rückenseite eines anderen Individuum aufliegt — wie das von einigen Forschern bei anderen Trematoden beobachtet worden ist, dass in diesem Falle also die beiden Oeffnungen in gegenseitige und unmittelbare Berührung kommen, und die Möglichkeit einer Uebertragung des Hodense- krets des einen Individuum in den Laurer’schen Kanal des zu unterst liegenden Individuum vor der Hand liegt, um so mehr als der grössere Genitalporus mit seinem Ringmuskel die kleine, wulstartig sich erhebende Oeffnung der Laurer’schen Scheide in sich aufzunehmen und zu umfassen im Stande ist. Auch Villot!) hat bei Distomum insigne Dies., bei dem ebenfalls der Penis fehlen soll, schon darauf aufmerksam gemacht, dass der Genitalporus „presente une structure tout & fait analogue & celle d’une ven- touse. L’accouplement doit avoir lieu iei, comme chez les oiseaux par simple juxtaposition et non par intromission.“ Diese Ansicht entspricht vollkommen den betreffenden Ver- hältnissen bei Distomum Westermant. Wie es auch sein mag, soviel ist jedenfalls mit voller Be- stimmtheit anzunehmen, dass die Befruchtung der Eizellen im Anfangstheile oder im oberen Abschnitte des Uterus stattfindet. Ausserdem werden die Eizellen in diesem Raume mit den Dotterelementen und dem Schalendrüsensekret umhüllt. Wie schon gelegentlich hervorgehoben, zerfallen die grossen Dotterzellen erst beim Verlassen des Dotterganges in die Dotterkörnchen, welche sich nun allmählich zu den „Dotterballen* vereinigen. Die Ei- zellen sind nun in dem von der Schalendrüse umgebenen Abschnitte des Uterus theilweise von Dottersubstanz und allenthalben vom Schalendrüsensekret umgeben. Aber auch in dem Abschnitte des weiblichen Leitungsapparates, der sich schon ausserhalb der Schalen- drüse befindet (Fig. 17 u), sind dieselben Gebilde zu beobachten, so dass ich die Bezeichnung „Ootyp“ nicht nur dem von der Schalen- 1) Villot, Organisation et developpement de quelques esp&ces de Tre- matodes endoparasites marins. 1. ec. p. 13. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 575 drüse umhüllten Abschnitte, sondern auch dem darauffolgenden Abschnitte beilegen muss. Die Wand dieses „Ootyp“ besteht von Innen nach Aussen erstens aus einer glashellen strukturlosen dünnen Membran und zweitens aus einer Muskellage, einer 0,015 mm dieken Ringmuskel- (Fig. 17m’) und einer 0,004 mm messen- den Längsmuskelschicht. Die Wand der übrigen Abschnitte des Leitungsrohres hat zwar dieselben Schichten aufzuweisen wie die Wand des „Ootyp“, doch sind diese Schichten hier im Allgemeinen weit dünner. Im eigentlichen „Ootyp“ ist nun eine grosse Menge von Gebilden anzutreffen, wie aus Fig. 19 zu ersehen ist. Die Eizellen sind von den Dotterelementen nur theilweise und von Schalen- drüsensekret vollständig umhüllt. Auch hat es mir den Eindruck gemacht, als ob die Eizellen allmählich die Dotterelemente in das Protoplasma aufgenommen hätten. Schliesslich ist deutlich zu sehen, dass die Dotterelementenichtvon allen Seiten die Ei- zelle umhüllen, sondern sich nur an einem der Pole angehäuft haben. v. Beneden!) hat ähnliche Beobachtungen bei Distomum cygnoides gemacht, und nennt es sehr merkwürdig und „extr&me- ment avantageux pour l’&tude du developpement, que la matiere vitelline n’entoure pas de tous eötes la cellule germinative; elle est accumulde & l’un des pöles de l’oeuf tandis que le pöle oppo- se est oceupe par la cellule germinative, qui, de cette maniere, se trouve immediatement sous la coque“. Bei Prostomum caledonicum hat v. Beneden?) eine Eizelle gefunden, „dont le protoplasma s’etait charge d’el&ments refringents fournis par le vitellogene“, — eine Erscheinung die auch ich — wie erwähnt — an einigen Eizellen bei Distomum Westermani beob- achtet habe. Ludwig?) welcher der „Deutoplasmatheorie“ von v. Beneden nicht beistimmen kann, weil die physiologische und morphologische Gleichwerthigkeit von diesem Forscher völlig durch- einander geworfen wird‘ — zieht die betreffende Beobachtung bei 1) v. Beneden, Recherches sur la composition et la signification de P’oeuf. 1. c. p. 30. 2) v. Beneden, Recherches sur la composition et la signification de P’oeuf. 1. c. p. 64. 3) Ludwig, Ueber die Eibildung im Thierreich. Eine von der Philo- sophischen Fakultät der Universität Würzburg gekrönte Preisschrift. Würz- burg 1874. p. 31. 576 C. Kerbert: Prostomum caledonicum in Zweifel und fasst die Dotterstöcke nur als „Hülldrüsen“ auf. Nach den schönen Untersuchungen von Hallez!) der mit Gegenbaur und Anderen der Meinung zuge- than ist „que le vitellogene n’est autre chose qu’une partie diffe- rencidce de l’ovaire‘‘ — werden auch bei Macrostomum hystrix die „Dotterkörnehen“ von den Eizellen aufgenommen. Die Dotter- stöcke der Platyhelminthen sind daher im Allgemeinen wohl besser als Gebilde aufzufassen, deren Produkte entweder zur Ernährung der Eizelle oder zur Ernährung des Embryo dienen. Nachdem im „Ootyp“ auch die Schale gebildet ist, fängt auch in den unteren Abschnitten des Leitungsapparates der Furchungsprocess an. In diesen unteren Schlingen habe ich näm- lich verschiedene Uteruseier beobachtet, welche schon das Moru- lastadium erreicht hatten (Fig. 20). Die Furchungszellen hatten eine Grösse von 0,012 mm, und zeigten eine mehr oder weniger polygonale Gestalt. Die Kerne messen 0,006 mm. Die ganze Morula misst der Länge nach 0,07 mm, der Breite nach 0,04 mm. Zwischen diesen Eiern waren auch andere beschalte Uterus- eier anzutreffen, bei denen die Entwickelung schon weiter fortge- schritten war. Dieselben sind ovale, an den beiden Polen abge- flachte Gebilde, mit einem Längendurchmesser von 0,08 mm und einem Breitendurchmesser von 0,45 mm. Die gelbe Schale misst der Dieke nach 0,002 mm. Der am vorderen Pole gelegene Deckel ist 0,003 mm hoch, und an der Basis 0,023mm breit. Ein Gastrulastadium habe ich an diesen Eiern nicht mit voller Bestimmtheit nachweisen können, Die 0,02 mm grossen, körnigen polygonalen Zellen (Fig. 21), unter- halb der Schale, deuten aber schon auf die Entwickelung eines Epiblast hin. 1) Hallez, Contributions A l’histoire naturelle des Turbellaries. l.c. p.63. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. 577 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI und XXVI. Distomum Westermani, nov. spec. mihi. Natürliche Grösse (von der Bauchseite gesehen). Distomum Westermani. Von der Bauchseite gesehen. Vergr. 10. MS. Mundsaugnapf. vd. Vas deferens. BS. Bauchsaugnapf. de!. Samenblase. bm. Basalmembran mit Chitin- PG. Porus genitalis. stacheln. ov. Eierstock oder Keimstock. o. Mundöffnung. dd. Dotterstöcke. ph. Pharynx. q.d.k. Transversaler Dotterkanal. oe. Oesophagus. db. Dotterblase. D. Darmschenkel. sch. Schalendrüse. t. Hoden. u. Uterus. Querschnitt durch den Hautmuskelschlauch. Vergr. 380. E. Epidermis. m?. Längsfaserschicht. e. Cuticula. m?. Diagonalmuskeln. bm. Basalmembran. HD. Hautdrüsen. m!, Ringfaserschicht. Querschnitt durch den Hautmuskelschlauch. Vergr. 720. E. Epidermis. pm. Parenchym- oder Dorso- e. Cuticula. ventralmuskeln. s. Chitinstacheln. m!, Ringfaserschicht. bm. Basalmembran. m?. Längsfaserschicht. HD. Hautdrüsen. Querschnitt durch die Epidermis. Vergr. 720. e. Cuticula. s. Chitinstacheln. E. Epidermis. bm. Basalmembran. Hautdrüse. Vergr. 720. bm. Basalmembran. g. Ausführungsgang. Schnitt durch den Mundsaugnapf und den Anfang des Verdauungs- kanales. Vergr. 75. MS. Mundsaugnapf. m?. Aeussere Aequatorialfaser- o. Mundöffnung. schicht. Ph. Pharynx. m?. Radiärfaserschicht. P. ph. Protractor pharyngis. m*. Innere Aequatorialfaserschicht. bm. Basalmembran. oe. Oesophagus. m!, Meridionalfaserschicht. Sp. Speicheldrüsen. D. Darmschenkel. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 39 Fig. | Fie. Fig. Fig. Fig. oO Fig. Fig. Fig. Fig. Fie. Fie. Fig. Fig. 10. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 20. 21. C. Kerbert: Beitrag zur Kenntniss der Trematoden. Querschnitt durch den Darmkanal. Vergr. 720. cz. Cylinderepithelzellen. b. Lücken im Bindegewebe. kb. und kb!. Körnerkolben. c. Verästelte Bindegewebszellen. hm. Basalmembran (Tunica pro- d. Reste der Bindegewebszellen in pria). den Lücken. a. Bindegewebszellen. Geschlechtskloake. Vergr. 180. PG. Porus genitalis. u. Uterus. GS. Geschlechtskloake. de. Ductus ejaculatorius. om. Männliche Geschlechtsöffnung. de!. Samenblase. of. Weibliche Geschlechtsöffnung. Schnitt durch die Geschlechtskloake. Vergr. 380. GS. Geschlechtskloake. de!. Samenblase. de. Ductus ejaculatorius. 1. Inhalt der Hoden. Vergr. 380. (Erklärung der Buchstaben im Text.) 2. Der Zusammenhang der Drüsen des weiblichen Geschlechtsapparates mit der Schalendrüse. Vergr. 75. ov. Eierstock oder Keimstock. IK. Laurer’scher Kanal oder ovd. Keimgang. Scheide. q. dk. Transversaler Dotterkanal. rs. Receptaculum seminis. db. Dotterblase. sch. Schalendrüse. dg. Dottergang. Epithel der Dotterbläschen. Vergr. 720. Dotterzellen, mit kleineren und grösseren Dotterkörnern. Vergr. 720. Inhalt des Keimstockes. Vergr. 380. (Erklärung der Buchstaben im Texte.) (Querschnitt durch einen Theil des Keimstockes. Vergr. 380. (Er- klärung der Buchstaben im Texte.) (Querschnitt durch die Schalendrüse und das Receptaculum seminis. Vergr. 300. | sch. Schalendrüse. m!. Ringfaserschicht. rs. Receptaculum seminis. m?. Längsfaserschicht. u. Uterus. Schnitt durch den Laurer’schen Kanal mit seiner Oeffnung an der Rückenseite. Vergr. 380. bm. Basalmembran. o.vag. Aeussere Oeffnung des Laurer’schen Kanales. LK. Laurer’sche Kanal. . Ein Uterusei im Anfange seiner Entwickelung. Vergr. 300. d. Die Anlage des Deckels. de. Dotterballen. s. Schale. k. Eizelle mit deren Keimbläschen. Uterusei im Morulastadium. Vergr. 380. Uterusei aus dem unteren Abschnitte des weiblichen Leitungsappa- rates. Vergr. 380. Max Weber: Anatomisches über Trichonisciden. 579 Anatomisches über Trichonisciden. Zugleich ein Beitrag zur Frage nach der Bedeutung der Chromatophoren, Pigmente und verzweigten Zellen der Hautdecke. Von Dr. Max Weber, Lecetor der Anatomie in Utrecht. Hierzu Tafel XXVIlI u. XXIX. Die Triehoniseiden bilden eine deutlich umgrenzte Gruppe der Oniseinen, in welche man die Genera: Trichoniscus Brandt und Haplophthalmus Schöbl. zusammenfassen kann. Beiden ge- meinsam ist die drei- bis viergliederige Geissel der äusseren An- tennen, deren Endglied durch ein Büschel von Haaren in auffallen- der Weise ausgezeichnet ist. Auch im Uebrigen bietet der zarte Körper beider Genera trotz der Abweichungen im Einzelnen, manches Uebereinstimmende, namentlich auch im feineren Baue. Nur über Haplophthalmus sind kurze anatomische Notizen von Schöbl in der Literatur niedergelegt, während unsere Kenntniss über Trichoniscus ihr Ende erreicht mit den Angaben, die, vom systematischen Gesichtspunkte aus geleitet, nur die äussere Form der Theile in’s Auge fassen. Aus dem Streben nach dieser Riehtung hin unsere Kenntniss etwas auszubreiten, gingen diese Zeilen hervor, die zugleich eine Ergänzung bilden mögen zu den systematischen und biologischen Bemerkungen, die ich kürzlich auch über diese Thiergruppe be- kannt machen konnte. Wenn nun auch die Resultate, die ich hier mittheile, nur „Bruchstücke zu einer Anatomie der Trichoniseiden“ sind, so glaube ich dieselben doch vorlegen zu müssen, weil zur Ausbreitung unserer geringen Kenntniss über diese Gruppe auch Unvollstän- diges nieht ganz überflüssig erscheinen dürfte. — Für längere Zeit aber ausser Stande an dem weitern Ausbau des Begonnenen thätig sein zu können: trado quae potui. 580 Max Weber: Allgemeine Körperform. Die Angaben, die in den nachstehenden Zeilen mitgetheilt werden sollen, beziehen sich auf folgende Arten, die ich vor kurzem als neue Mitglieder der niederländischen Fauna bekannt machen konnte). 1) Triehoniseus roseus Koch. 2) Triehonisceus pusillus Brandt, und zwar in einer Form, die nicht unerheblich von echten Exemplaren des Triehoniseus pusillus, die mir aus Dänemark vorlagen, abweicht. Aus Gründen, die ich in genannter Abhandlung entwickelt habe, ist dieselbe jedoch nur als Varietät von mir aufgefasst und als var. batavus bezeichnet worden. Der Kürze halber sei es trotzdem gestattet weiterhin von Trich. batavus zu sprechen. 3) Triehoniseus LeydigiiM. Weber, eine neue Art vom Strande der Zuider-See, ein echtes Mitglied der Fauna subterranea. 4) Haplophthalmus Mengii Zaddach. Diese vier Arten dürften in genügender Weise die kleine Familie der Trichoniseiden repräsentiren und zu einer anatomi- schen Studie wohl geeignet sein, da sie mancherlei Verschieden- heiten nicht nur im Baue sondern auch von einem allgemeineren biologischen Gesichtspunkte aus aufweisen. — Die Trichoniseiden gehören zu den kleinsten Land-Isopoden. Die Grösse der von mir untersuchten Arten schwankt zwischen 2,5—9,2mm. Die Form des Körpers ist im Allgemeinen oval, lang gestreckt; derselbe nähert sich in seiner Tracht mehr den Ge- schlechtern Ligia und Ligidium, als den übrigen Oniseinen; obwohl auch in derselben Gattung, sowohl hierin als auch in der Wölbung des Körpers Verschiedenheiten vorkommen; so ist Trich. roseus breit und platt, Trich. batavus und Leydigii schmal und gewölbt. — Der Körper zerlegt sich in die drei, den Hedriophthalmata eigenthümlichen Hauptabschnitte: Kopf (Cephalon), Thorax (Pereion) und Abdomen (Pleon). Ersterer ist nahezu viereckig mit hinteren abgerundeten und vorderen ausgebogenen Ecken und ist in der Mitte bald langaus- gezogen (Frontalfortsatz) bald wenig prominent und grade abge- schnitten; jederseits lässt er einen mächtigen, in wenig abgerun- 1) Max Weber, Ueber einige neue Isopod. d. niederl. Fauna. Tydschr. d. nederlandsche Dierk. Vereenigg. 1881. Anatomisches über Trichonisciden. 581 deter Ecke nach aussen vorgezogenen Lateralfortsatz von dreiecki- ger Gestalt erkennen. Unter letzterem treten die äusseren An- tennen hervor, die inneren dagegen am Rande des Frontal- fortsatzes. Das Cephalon setzt sich aus einer Anzahl von Segmenten zusammen, als deren Anhänge die Kauwerkzeuge erscheinen. Ausserdem trägt es die Pforte des Darmkanales und zwei Paar Antennen. Die sieben Segmente des Pereion sind sowohl unter einander als auch bei Trichoniscus und Haplophtbalmus nicht gleichmässig gestaltet. — Da diesen Unterschieden der Werth von Gattungs- merkmalen zukommt, habe ich sie in der oben angeführten syste- matischen Beschreibung näher auseinandergesetzt, worauf hier hingewiesen sein möge. Das Pleon, als Ganzes betrachtet, ist bei Triehoniscus um vieles schmaler als das Pereion, wodurch der Körper des Thieres nach hinten plötzlich verschmälert ist. Bei Haplophthalmus hin- gegen ist der Unterschied im Breitendurchmesser der Segmente des Pereion und Pleon weniger erheblich; in Folge dessen ver- laufen die beiden Seitenränder des Körpers nahezu parallel zu einander. Die sechs Segmente des Pleon tragen verschiedene An- hänge: Aequvialente für die Beine der Segmente des Pereion. Den beiden ersten, die nur wenig entwickelt sind, hängen beim Männchen die verschiedenen Theile des verwickelt eingerichteten Copulationsapparates an; beim Weibchen, dessen bedeutungslose Homologa. Weiter nach hinten, sind dem dritten, vierten und fünften Segmente die Kiemenblätter mit ihren zugehörigen Deckeln angeheftet, während das sechste Segment mit den sog. Schwanz- griffeln ausgerüstet ist. An der dorsalen Platte dieses Segment- ringes sprechen sich Artunterschiede aus. Ein Telson existirt nicht, wie v. Ebner!) dies für Helleria annimmt. Selbst die Begründer dieses Namens Sp. Bate und Westwood sagen von dem Telson ganz allgemein: „In the Isopoda, except in the genera Apseudes and Anthura, it is always fused with the preceding tegment.“ Während die Mundtheile beim Darmkanale besprochen wer- den sollen, sei bezüglich der Beine, die sämmtlich „Gangbeine“ sind, angemerkt, dass dieselben nach Form, Bewaffnung mit Haaren 1) v. Ebner, Helleria etc. Zoolog.-Botan. Gesellsch. Wien 1868, 582 Max Weber: und Dornen nach der Art mannigfach wechseln. Nicht unerheblich ist der Unterschied in der Grösse der Beine bei Triehoniseus und Haplophthalmus zu Ungunsten jdes letzteren. Die langsame Bewegung desselben mag wohl in Verband stehen mit der ausser- ordentlichen Kleinheit und dem im Ganzen hakenförmigen Wesen der Beine. Jedes derselben endet — wie überhaupt bei den Isopoden — mit einer kräftigen Kralle (Dactylus), welcher bei den Tricho- niseiden ein auf einem langen Stiele sitzender, gelappter zarter Anhang angefügt ist. Derselbe kommt übrigens auch anderen Oniseiden zu. So finde ich ihn bei Schiödte!) von Tithanetes albus in ganz gleicher Weise abgebildet. Der Gedanke liegt nahe, dass er irgend ein Tastorgan vorstelle; einen irgendwie stringen- ten Beweis kann ich jedoch hierfür nicht beibringen. Bemerkenswerthe Unterschiede an den Beinen des Männchen und Weibehen sind mir nur bei Trichoniscus roseus aufgefallen ; hier aber sind solche derart entwickelt, dass man — namentlich auch im Hinblick auf die Bedeutung der Umformung — von sekundären Geschlechtscharacteren sprechen darf. Dieser Erscheinung seien später einige Zeilen gewidmet. Die kegelförmigen Schwanzgriffel, die jederseits nach Art einer Gabel einem Basalstück aufsitzen, sind an ihrem Ende nit einem Büschel auseinander fahrender Haare geziert, eine Eigenthüm- lichkeit der Familie der Trichonisciden. Der äussere Grilfel übertrifft stets den inneren an Länge, gleicht demselben aber übri- gens auch in der Bekleidung mit feinen Schüppehen und Haaren. Wegen der allgemeinen Verhältnisse dieser Theile vergleiche man Fig. 13 Taf. XXVIH. Bezüglich der Antennen sei noch angemerkt, dass das grössere Paar mehr auswärts sitzt und aus acht oder neun Gliedern zusammengesetzt ist, von welchen die fünf unteren die kräftigsten sind und je nach der Art auf mannigfach wech- selnde Weise mehr oder weniger stark behaart oder mit Dornen versehen sind. Die drei resp. vier obersten Glieder sind ausser- ordentlich zart und unterscheiden sich so wenig im Caliber, dass sie eine Geissel: „flagellum“ bilden, die früher für eingliederig gehalten wurde. Auch deren Endglied ist ebenso wie die Schwanz- griffel mit einem Bündel zarter Haare ausgerüstet, das gleichfalls für Trichoniseus und Haplophthalmus charakteristisch ist. 1) Schiödte, Specimen faunae subterraneae. 1851. Anatomisches über Trichonisciden. 583 Gegenüber diesem äusseren Artennenpaar ist das innere verschwindend klein. Dasselbe besteht, wie wohl durchweg bei den Landasseln im engeren Sinne, aus je drei dünnhäutigen Glie- dern, deren letztes abgestumpft oder schräg abgeschnitten endigt und mit blassen, für die Trichoniseiden characteristischen Griffeln ausgerüstet ist. Nach Zahl, Grösse und Art der Einpflanzung variiren dieselben, was ich als Art-Merkmale früher verwandt habe. Ueber die Hautdecke. Das chitinöse Integument enthält reichliche Kalksalze ein- gelagert, wie solches auch für andere Landasseln längst von Leydig angezeigt wurde. — Die Cuticula entbehrt einer Eigen- farbe; nur dort, wo dieselbe, um die functionell benöthigte Härte zu erlangen, in dickerer Lage auftritt, wie an den Kauzähnen der Mandibeln und des ersten Paares der Maxillen hat sie eine hornbraune Färbung: die Eigenfarbe des Chitins in dickerer Lage. Alle andere Farben liegen mithin subeuticular, es müssen daher die Thiere, bei denen hier keine Farbstoffe abgelagert sind, weiss erscheinen, in der für unterirdisch lebende Thiere characte- ristischen Färbung. In solchem Falle scheinen durch die Körper- decke die pigmentirten Schläuche des Hepatopancreas und nament- lich der Darm durch, wenn er gefüllt ist. Nur im letztern Falle kann er einen dunklen Rückenstreifen hervorrufen, der in älteren systematischen Angaben eine Rolle spielt, deren Werth nach dem Gesagten leicht zu bemessen ist. — Die Hautdecke ist ausgezeichnet durch haarartige Auswüchse in Form von Borsten und verschieden geformten Haaren von verschiedener Grösse, sowie durch mannigfaltige Seulpturen, ähn- lich wie sie Leydig!) von anderen Onisciden ausführlich be- schrieben hat. Letztere treten bald in Gestalt einer feinen Täfe- lung und Felderung auf, wie dies in Fig. XXVILU Taf. I von Trich. Leydigii darstellt; bald, wie namentlich an den Theilen, die bei der Copula eine Rolle spielen, in Form von vorstehenden Leisten und Schuppen?). So findet sich eine solche Schuppen- bildung an den rudimentären Epimerenplatten des ersten und zweiten Segmentes des Pleon beim Männchen und Weibchen und 1) Leydig, Ueb. Amphipod. u. Isopod. Z. f. w. Z. Suppl. Bd. XXX. 2) Man vergl. hierzu Taf. XXIX Fig. 2, 4, 10. 584 Max Weber: bei letzterem die gleiche Hautseulptur an einer Lamelle in der Umgebung der Geschlechtsöffnung. Zweifelsohne dienen diese dreieckigen, relativ starken Schuppen dazu, während der Copula sich aneinander zu häkeln und die beiden Geschlechter inniger vereinigt zu halten. Der Schuppenbildung in der Umgebung der weiblichen Geschlechtsöffnung fällt vorzugsweise die Aufgabe zu das Ende des Penis, der gleichfalls mit solchen Seulpturen versehen sein kann, an der genannten Oeffnung festzuhalten, wie dies später dargelegt werden soll. An den Antennen gehen die schuppigen Seulpturen über in schuppenartige Borsten. Auch die Theile der Haut, die für das Auge glatt, selbst spiegelnd erscheinen, zeigen unter dem Mikroskope oftmals eine zierliche Seulptur. In dieser Hinsicht sei nur Trieh. Leydigii näher ins Auge gefasst, während für Ausführlicheres auf Leydig’s oben eitirte erschöpfende Behandlung dieses Gegenstandes verwie- sen sei; da ganz ähnliche Verhältnisse wie bei den von Leydig untersuchten Onisciden auch bei unseren vorliegen. Ein Stück der Hautdecke von Trich. Leydigii habe ich inFig 1 Taf. NXVIII dar- gestellt. Man sieht dieselbe von zahlreichen Porenkanälen durch- bohrt, die nur an einzelnen Stellen, die, von ovaler Form, ein ganz glattes Wesen haben, fehlen. An eben diesen Stellen nimmt man auch nichts von den zarten Linien wahr, durch welche die ganze Cuticula wie getäfelt erscheint. An dem Schneidepunkt mehrerer solcher Linien sitzen äusserst kleine Erhabenheiten, die mit einem Büschel divergirender Haare geziert sind. Von den grösseren Höckern, die dieser Species ebenso wie Trich. roseus eigen sind, soll später gehandelt werden. Anlangend die Matrix der Cuticula, so setzt sich dieselbe aus Kernen zusammen, die einer moleculären Masse eingelagert sind. An einzelnen Stellen hat dieselbe ein epithelartiges Vorkom- men; so zeigt sie dort, wo zwei Segmente aneinander stossen und gelenkig verbunden sind, unter der hier faltbaren und dehnbaren Cutieula eine deutliche Zellenabgrenzung. Erwähnung verdient, dass bei Trich. batavus auch an anderen Stellen eine solche Ab- grenzung dadurch zu Stande kommt, dass in der Matrix gelegene Chromatophoren zahlreiche Ausläufer, die sich mit denen anderer Chromatophoren verketten, derart aussenden, dass je ein einzel- ner Kern mit einer zugehörigen Protoplasmamasse von benach- Anatomisches über Trichonisciden. 585 barten abgegrenzt wird. Da man dies Verhalten nur hier und da zu Gesicht bekommt, so möchte ieh glauben, dass eine zellige Ab- srenzung nicht vorgebildet ist. Die Ausläufer der Chromatophoren bahnen sich vielmehr einen Weg durch die zusammenhängende Molecular-Masse in der Richtung des geringsten Widerstandes im Hinbliek auf die Kerne und zerlegen hierbei die Matrix in poly- gonale, epithelartige Stücke. Derartige Verhältnisse liegen nun bei Trich. roseus und Ley- digii nicht vor. Letzterer ist als echtes Höhlenthier durchaus farb- los und entbehrt mithin gefärbter Chromatophoren. Das Beiwort gefärbt setze ich hier mit Vorbedacht bei; da, wie weiter unten ausgeführt werden soll, auch diesem Thiere Chromatophoren, aber ohne eingelagertes Pigment zukommen. Bei Trich. roseus, der durch eine schöne carminrothe Färbung ausgezeichnet ist, finde ich wieder andere Verhältnisse; indem es mir hier nicht gelang Chro- matophoren nachzuweisen. Das Thier verdankt auffallender Weise seine Färbung einem diffusen rothen Farbstoff, der staubartig in der Matrix liegt und grösseren oder kleineren Fetttröpfehen, die in verhältnissmässig grossen runden Zellen der Matrix eingebet- tet sind. Bekannt ist es, dass weit verbreitet bei den Crustaceen mannigfaltig geformte Pigmentzellen vorkommen, dass daneben aber bei anderen die Hautdecke einer diffusen Pigmentablagerung ihre Farbe verdankt. Es scheint mir aber, dass man sich sowohl über den Sitz der letzgenannten Ablagerung keine genaue Re- chenschaft gegeben hatte, als auch über die Lage der Chro- matophoren nicht zu einer allgemein gültigen Ansicht gekom- men ist. Zunächst möchte ich mich dahin aussprechen, dass, wenn man von Pigmentirung der Matrixzellen; spricht, sich dies für viele Fälle vielleicht dahin berichtigen lässt, dass es der Matrix einge- lagerte Pigmentzellen sind. Ein Beispiel/möge dies illustriren. Gamroth !) gab an, dass bei Caprella eine Pigment-Ablagerung in den Zellen der Matrix geschehe. Hoek 2), der hierauf näher eingeht, constatirt nun, dass das eigentliche Pigment nicht in der Matrix abgelagert ist, sondern in „verzweigten Bindegewebs-Pigment- 1) Gamroth, Z. f. w.Z. Bd. XXXI. 1873. p. 102. 2) Hoek, Tydschr. d. Nederlandsche Dierk.-Vereen. Deel IV. p. 99. 586 Max Weber: zellen.“ Es liegen nun auch Fälle vor, wo in der That die Zellen der Matrix Farbstoffe enthalten, z. B. wahrscheinlich bei Astacus. Von den rothen, blauen und goldglänzenden Pigmentirungen des- selben sagt Leydig'!), dass sie „meist in verzweigten Massen auf- treten“. Hieraus geht hervor, dass jedenfalls ein Theil der Pig- mente in verzweigten Chromatophoren abgesetzt ist. Sicherer lie- gen die Verhältnisse bei Trich. roseus. Hier stelle ich mir den bereits oben erwähnten Sachverhalt so vor. Die Ablagerung eines ölartigen, rothen Stoffes geschieht zunächst ganz diffus durch das Matricalgewebe hin. Einzelne Zellen bemächtigen sich desselben und enthalten dem zu Folge anfänglich eine moleculäre Einlage- rung dieser fettartigen Substanz. Bei weiterer Anhäufung sammelt sich dieselbe zu kleinen rothgefärbten Fetttröpfehen in den be- wussten Zellen. Man vergleiche hierzu Taf. XXVILH Fig. 21, wo zwei Phasen solcher Zellen dargestellt sind. Besteht demnach eine solche Farbstoffablagerung in Zellen, die nach ihrem Aeusseren zu urtheilen, dem Fettkörper angehören, so müssen dieselben scharf geschieden werden von den eigentlichen Chromatophoren, die eben Pigmentzellen sui generis sind. Bei den OÖnisceiden ist denn auch ihr Pigment kein fettiges; auf Zusatz von Kalilauge verschwindet es unter Verfärbung; während das rothe Pigment in den Rundzellen des Trich. roseus durch Kalilauge nicht angegriffen wird und auf Osmiumsäurezusatz sich schwärzt, auch durch Aether sofort ausgezogen wird. Wenn die oben befürwortete Trennung der Ablagerung von Pigmenten in der Matrix von den eigentlichen Pigmentzellen, nicht immer streng genug durchgeführt worden ist, so mag hierzu wohl die Auffassung Veranlassung gegeben haben, dass die letzteren unter der Matrix gelegen seien. Zur Beurtheilung dieser Auffassung sei Trich. batavus näher ins Auge gefasst. Man braucht sich hier nicht lange mit dem Gegenstande zu beschäftigen, um zu gewahren, dass ein Theil der Ausläufer der Chromatophoren nach oben emporragt zwischen die Zellen der Matrix. Es dürfte dies um so mehr zu betonen sein, als man durchgehends in den Schriften über Crustaceen der An- gabe begegnet, dass die Pigmentzellen unter der Matrix liegen. Dies soll nun durchaus nicht beanstandet werden; auch ich finde l) Leydig, Lehrb. d. Histologie. pag. 114. Anatomisches über Trichonisciden. 587 an dieser Stelle solche Zellen liegen, doch mit dem Unterschiede, dass ich einen Theil ihrer Ausläufer, ja selbst hier und da einzelne Zellenleiber, zwischen den Kernen der Matrix in deren Molecularmasse gelegen antreffe. Es scheint, dass man diesen Punkt noch nicht näher ins Auge gefasst hat; nur bei Leydig!) finde ich für Piseicola verzweigte Pigmentzellen in der Oberhaut angegeben. Auch führt er an, dass bei Astacus?) „das Bild einer zelligen Zusammensetzung (der Matrix) dadurch angeähnlicht wird, dass die Pigmentkörner sich um die Kerne gruppirend, zellige Bezirke abmarken“. Ich möchte noch einen Schritt weiter thun und diese Pigmentkörner als zarten Ausläufern einer Chromato- phore angehörig ansehen; es lägen dann die gleichen Verhältnisse vor, wie ich sie oben für die Matrix des Trich. batavus anzeigte. Gleiche Verhältnisse traf ich auch bei Philöseia an (Taf. XXVIH Fig. 4, 11, 12). Zusammenfassend sei demgemäss hervorgehoben, dass verzweigte Pigmentzellen sich finden, deren Zellenleib zum Theil unter, zum Theil zwischen den Kernen der Matrix gelegen ist, und dass die mit Körnchen gefüllten Ausläufer derselben sich bis zur Cuticula ausstrecken und zum Theil zusammenhängend ein Netz formen können, das eine zellige Abgrenzung der Molecular- masse vortäuschen kann. Gerade durch die Verschiedenartigkeit der Lage der Pigmentzellen bald unter, bald in der Matrix wird es fraglich, ob ein Unterschied besteht, zwischen diesen und den tiefer in der Körperhöhle gelegenen Pigmentzellen, die dem Binde- gewebe angehören. An und für sich schon, mehr noch zur Beantwortung von Fragen, die ich später aufwerfen will, schien es belangreich nach- zuforschen, wie sich die Pigmentzellen bei farblosen Höhlenthieren verhalten, und ob sie hier überhaupt vorhanden sind. An den mir vorliegenden Thieren war die Gelegenheit günstig, nach einer Be- antwortung dieser Frage zu streben. Wie ich bei der von anderen Gesichtspunkten aus geleiteten Besprechung derselben bereits an- zeigte°), findet man neben dem dunklen braun-violetten Trich. ba- tavus, Exemplare von weit hellerer Färbung, in allen Abstufungen 1) Leydig, Lehrb. d. Histologie. pag. 120. 2) Ebendas. p. 113. i 3) Max Weber, Ueb. einige neue Isopod. d. niederl. Fauna. Tydschr. d. Nederlandsche Dierk. Vereenigg. 688 Max Weber: bis zu einer nahezu pigmentlosen Erscheinung; endlich vereinzelt auch solche, die ganz weiss sind und wo nur noch am Auge ein zartes, röthliches Pigment abgelagert ist. Von diesem Gesichts- punkte aus liegt somit eine Reihe von Uebergängen vom Trich. batavus zum Trich. Leydigii vor, welch letzterer ein ächtes Höhlen- thier ist, mit gänzlich geschwundenem Gesichtsorgan und ohne jede Pigmentablagerung. Zur Beantwortung der mir vorliegenden Frage gehen wir von einem gut pigmentirten Exemplar von Trich. batavus aus. Wie bereits mitgetheilt, nehmen wir an einem solchen verzweigte, mehr oder weniger gedrängt liegende Pigmentfiguren wahr, denen der Körper seine bräunlich-rothe Färbung verdankt. Ihre Ausläufer treffen sich zum Theil und bringen auf diese Weise ein dunkleres Netz auf hellerem Grunde zu Wege. Bei einem Exemplar, dessen Hautdecke weniger pigmentirt ist, finden wir auch hier die pigmenthaltigen Zellen in gleicher Weise angeordnet. Kreisförmige Figuren darstellend, verbinden sie sich zum Theil unter einander, doch haben sie das Besondere, dass nur in einem Theil ihres Protoplasmas Pigment abgelagert ist, in anderen nur spärlich, doch immerhin genügend, um uns die Form der Zellen anzudeuten. Taf. XXVIl Fig. 8 stellt dergleichen Pigmentzellen vor und führt vor Augen, wie mit dem Spärlicher- werden der Pigmentablagerung das Fortbestehen der Zellen selbst, in denen diese statt hat, nicht alterirt wird. Exemplare, in denen die Pigmentzellen in dem eben geschilderten Zustande angetroffen werden, sehen hell-orange-roth aus und unterscheiden sich von noch blasser gefärbten Individuen eben nur durch die Menge des in den verzweigten Zellen abgelagerten Pigmentes. Hiernach dürfte es nicht Wunder nehmen, dass bei der absolut pigmentlosen, augen- losen Form, die als echtes Dunkelthier von mir unter dem Namen Trich. Leydigii beschrieben wurde, ganz pigmentfreie Zellen ge- funden werden, die aber im Uebrigen nach Lage und Form sich als die gleichen verzweigten Zellen ausweisen '). Wir stehen mit- hin hier der Thatsache gegenüber, dass verzweigte Zellen, die in charakteristischer Beziehung zur Hautdecke stehen, je nach den Verhältnissen mit Pigmentkörnern ganz oder theilweise angefüllt oder endlich vollständig hiervon frei sein können. 1) Die Figg. 5 und 11 auf Taf. XXVIII stellen solche Zellen, der Ma- trix eingebettet, von Trich. Leydigii vor. Anatomisches über Trichonisciden. 589 Es lag nahe für dieses Verhalten nach einer Parallele zu suchen. Diese bot sich mir in Exemplaren von Philoscia, die eben dem Marsupium entschlüpft waren, in der ausgezeichnetsten Weise. Es begann hier die Ablagerung des Pigmentes, was Ursache war, dass die rein weisse Farbe, welche die dem Ei entschlüpften Em- bryonen auszeichnet, bereits etwas getrübt war. Hier gewahrt man nun, dass mit den Ausläufern typischer, bereits mit Pigment erfüllter Zellen andere zur Bildung von Netzen zusammentreten, bei denen dies nicht oder nur erst theilweise der Fall ist. Taf. XXVII Fig. 7 führt eine Gruppe solcher Zellen vor Augen, die mit ihren Ausläufern bald unter, bald zwischen oder über dem Matriealgewebe gelegen, schwer in körperlicher Lage, in verschiedenen Ebenen sich abstreckend, abzubilden waren. Ich glaube es hiernach wahrscheinlich gemacht zu haben, dass 1. die Pigmentzellen in der Matrix und im eigentlichen Binde- gewebe der Körperhöhle identisch sind, und dass 2. die Pigment- zellen pigmenthaltig oder pigmentfrei sein können, ohne dass hier- durch ihr Wesen verändert erscheint. Auf Grundlage hiervon sei es mir gestattet, einige Ansichten über Chromatophoren, contractile Zellen und über die Be- deutung der Hautpigmente zu entwickeln. So zahlreich auch die Untersuchungen sind, die während der letzten Jahre über die vermuthliche Endigung der Nerven in der Hautdecke gepflogen wurden, so sind diejenigen, welche hierbei die wirbellosen Thiere zum Gegenstande der Betrachtung hatten, nur spärlich vertreten. Hält man im Auge, dass bei diesen, die in vielen Punkten einfachen Verhältnisse im Aufbau des Körpers dar- bieten, vielleicht eher eine Einsicht zu erhalten wäre, so hätte diese, verglichen mit den Befunden bei Wirbelthieren, vielleicht leichter zu einer Erkenntniss geführt. Diesen vorgestellten Weg hat Leydig nun in der That genommen. Gelegentlich verschie- dener Untersuchungen über die Haut der wirbellosen und der Wir- belthiere hat er!) darauf hingewiesen, dass die verästigten, pig- mentfreien Zellen des Epithels und der Lederhaut (subepitheliales Zellennetz) und die verzweigten Pigmentzellen an den gleichen Orten als „durchaus zusammengehörig“ zu betrachten seien. Da letztere con- 1) Am ausführlichsten bei Anlass seiner Untersuchung über die Haut- decke der Gastropoden. Arch. f. Naturgesch. XXXXH. 1876. Sep.-Abz. p. 35ff, 590 Max Webet: tractil sind, so schliesst er, dass erstere es auch seien, wofür die gleiche Lage und Form spricht. Für die Chromatophoren ist eine Verbindung mit Nerven nachgewiesen worden; Leydig vermuthet (a. a. O.) daher eine solche auch für die contractilen, pigment- freien Zellen. Im Anschluss an diese Beobachtungen gelangte Ribbert'!) bei Untersuchung der Säugethierhaut zu Resultaten, die eine wesent- liche Unterstützung der Leydig’schen Auffassung darbieten und vom Autor folgendermaassen zusammengefasst werden: 1) Alle in die Epidermis eintretende Nerven endigen in Lan- gerhans’schen Zellen. 2) Die Langerhans’schen Körperchen finden sich bald mit, bald ohne Pigment. Nach Ribbert besteht mithin kein anderer Unterschied zwi- schen den pigmentlosen und den pigmentirten Zellen der Oberhaut, als eben das Fehlen oder Vorhandensein von Pigment. Diese Zel- len stellen ferner die Endigung der Nerven in der Epidermis vor. Es kann nun meine Absicht nicht sein, weiter einzugehen auf die reiche Litteratur über Nervenendigungen und auf den Widerspruch in den Auffassungen der verschiedenen Autoren, der gegenüber den oben entwickelten Ansichten wohl am deutlichsten aus folgendem Citate aus Merkel’s?) neuestem Werke erhellt: „Was die Langerhans’schen Zellen anlangt, so ist es unnöthig ihre nicht nervöse Natur noch einmal zu betonen. Ein Blick auf die Literaturübersicht ergiebt die Sicherheit, dass sie unpigmentirte Pigmentzellen, zum Theil Wanderzellen sind“. Auch die Angaben über Nervenendigung in eigenthümlichen Zellen bei Wirbellosen, wie solche, ausser den zahlreichen Mittheilungen über Endigung in einem terminalen Ganglion, an Tasthaaren, neben anderen von Eimer für Beroe, von Edinger für Pterotrachea gemacht sind, können uns hier nicht weiter interessiren. Sie behandeln sämmt- lich diese Frage nicht von dem Gesichtspunkte aus, den Leydig eingenommen hat und der auch für unseren vorliegenden Fall be- langreich ist. Wir sahen ja, um dies abermals hervorzuheben, dass auch 1) Ribbert, Beiträge z. Anat. d. Hautdecke b. Säugeth. Archiv für Naturgesch. 1878. Sep.-Abz. pag. 29. 2) Merkel: Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere, pag. 165. Anatomisches über Trichonisciden. 591 bei den Isopoden die verzweigten Zellen sowohl pigmenthaltig als auch pigmentfrei sein können; ja dass bei der Entwickelung des Individuums ganz allmählich das Pigment in den verzweigten Zel- len sieh entwickelt. Wir können also auch hier, ebenso wie Rib- bert für die verzweigten Zellen in der Epidermis der Säugethiere, als einzigen Unterschied dieser nach Form und Lage gleichen Zellen nur das Vorhandensein oder Fehlen von Pigment angeben, ein Unterschied der noch dazu in unserem Falle durch gradweise Uebergänge von dem einen Zustande zum andern vermittelt ist. Nun tritt aber eine andere Frage an uns heran: Stehen die verästigten Zellen mit Nerven in Verbindung und sind es contrac- tile Zellen, mithin echte Chromatophoren; oder ist es eine ganz andere Art von Zellen? Da das Bestehen von Contraetilität natür- lich nur an lebenden Thieren ausgemacht werden kann, gilt es mithin die Frage zu beantworten: Gibt es bei Crustaceen Farben- wechsel ? So allseitig von verzweigten Pigmentzellen bei Crustaceen gesprochen wird, so sind mir doch über beobachtete Farbenwechsel nur vereinzelte Angaben aufgestossen. Dies dürfte einestheils darin zu suchen sein, dass nur wenige Crustaceen im Stande sind, Ge- stalt und Lage ihrer Pigmentzellen zu verändern, anderentheils aber, und wohl in erster Linie darin, dass solche Veränderungen nur dem Beobachter auffallen konnten, der gerade hierauf sein Augenmerk richtete. Denn soleh plötzliches und von derartig auf- fallender Farbenveränderung begleitetes Chromatophorenspiel, dass es seinerseits die Aufmerksamkeit des Beobachters erregte, gehört jedenfalls zu den Ausnahmen. Meist kann es sich nur um eine feine Abstufung eines Farbentones handeln. In der Literatur fand ich folgende Angaben über Farben- wechsel bei den Crustaceen; wobei aber bemerkt sei, dass auf Vollständigkeit bei dieser Durchsicht durchaus kein Anspruch er- hoben wird. In Darwin’s „Abstammung des Menschen, Bd. II“ findet sich eine Mittheilung von Fritz Müller, wonach bei den Männchen einer brasilianischen Gelasimus-Art ein Farbenwechsel sich „leicht im Verlauf nur weniger Minuten‘ vollzieht. Eine ausführlichere Mittheilung verdanken wir G. O. Sars!) 1) G.O.Sars, Hist. nat. d. Crust. d’eau douce de Norvege. 1867. p. 23. F 592 Max Weber: hinsichtlich eines unter dem Mikroskop beobachteten Farbenwech- sels. -Es war genanntem Forscher bereits aufgefallen, dass bei Mysis flexuosa an längere Zeit gefangen gehaltenen Exemplaren die Ramifieationen der Pigmentflecke sich einziehen und verschwinden, wodurch diese Exemplare besonders transparent werden. Bei Be- obachtung eines solchen Exemplares unter dem Mikroskope schreibt er: „sous mes yeux, ressortaient en rayonnant des simples noyaux pigmentaires arrondis, les ramifications arborescentes primitives et cela avec une rapidite relativement grande. Au bout d’un quart d’heure ces ramifications s’ctaient tellement repandues que l’animal avait repris la eouleur brunätre qu’il avait lors de son internation.... Il semble done veritablement que ces taches pigmentaires soient, de facon ou d’autre, soumises A l’empire de la volonte.“ Am eingehendsten haben dann Pouchet!) und 8. Jour- dain?) über Farbenwechsel auf Grundlage von Experimenten an Palaemon serratus und Nika edulis berichtet und an diesen die Fähigkeit wahrgenommen, bei Veränderung der Umgebung die Farbe zu ändern. Im Anschluss hieran berichtet P. Mayer), dass verschiedenen Arten von Idothea die gleiche Fähigkeit der chro- matischen Anpassung zukomme. Auf die Angabe Pouchet’s, dass nach Zerstörung der Augen die Chromatophoren die Fähig- keit der Contraction verlieren und der Farbenwechsel somit sein Ende erreicht, Experimente, die in gleichem Sinne und mit glei- chem Erfolge von P. Mayer ausgeführt wurden, ist hier nieht der Ort näher einzugehen; doch dürfte wohl folgendes angemerkt wer- den. Zweifelsohne sehen die drei Experimentatoren in der Intact- heit der Augen das primum movens einer cehromatischen Anpas- sung an die wechselnde Umgebung. So schreibt P. Mayer: „Ich selbst habe gleichfalls die direete Abhängigkeit des Vermögens, die Farbe zu wechseln, von dem Zustande der Sehorgane consta- tiren können“. Hierbei ist aber im Auge zu behalten, dass, „da die Entfernung der Augen eine radikale sein muss, wenn man zu- verlässige Resultate haben will“, es sich hierbei wohl schwer ent- scheiden lässt, ob die Ausserthätigkeitsetzung des Opticus, oder aber, bei der kurzen Entfernung des Sehganglions von der Hirn- 1) G. Pouchet, Journ. d. l’Anat. et Physiol. Bd. VIII. 1872. 2) S. Jourdain, Comptes rend. 1878. p. 302. 3) P. Mayer, Mitth. a. d. Zoolog. Station zu Neapel 1879. p. 521. Anatomisches über Trichonisciden. 598 masse, der starke Eingriff in das Nervensystem es ist, der solches verursacht. So führt denn P. Mayer selbst auch an: „Bei einem Exemplar habe ich auch nach Durchschneidung des Bauchstranges in der Höhe des fünften Brustfusspaares chromatische Unempfind- lichkeit gegen den Wechsel der Umgebung wahrgenommen, glaube aber, dass die so bedeutende Verletzung, welche nach wenigen Stunden den Tod zur Folge hatte, diese Apathie genügend erklärt“. Dürfte dies aber nicht auch für eine radikale Verletzung der Augen gelten? Vor allem wenn man bedenkt, dass P. Mayer selbst von dem Objecte des Experimentes sagt: „Leider widerstehen die Thiere dem Eingriffe nur kurze Zeit“. Haller!) schreibt: „Bei Protella phasma ziehen sich ganz entschieden die Farbenzellen der Haut zusammen, sobald man die Thiere an einen dunklen Ort bringt. Stellt man den Pokal, wel- cher dieselben enthält, hierauf wieder an einen helleren Ort, so dehnen sich diese Sternzellen wieder aus. Im erstern Falle wird eine dunklere Färbung erzielt wie im letzteren; was damit bezweckt wird, braucht keiner weiteren Erläuterung. Der Nutzen dieser ausserordentlich zahlreich vorhandenen Pigmentzellen ergiebt sich mithin von selbst.“ Endlich ist mir noch folgendes Beispiel von Farbenwechsel aufgestossen. BeiSchmidtlein?) finden wir in einer Anmerkung, dass Dr. Eisig bei einer Squilla mantis, auf welche ein junger Octopode losschoss, ein plötzliches und lebhaftes Erröthen über den ganzen Körper bemerkt habe. Aus diesen sparsamen Mittheilungen geht wohl zur Genüge hervor, dass thatsächlich bei den Crustaceen Farbenspiel beobachtet wird, dass mithin echte contractile Chromatophoren vorhanden sind. Dass dieselben gleichfalls unter nervösem Einfluss stehen, ist ferner eine Thatsache, die auf experimentellem Wege zu be- weisen, die genannten Autoren sich besonders haben angelegen sein lassen. Ich möchte hiefür auch einen anatomischen Beweis bei- bringen. In Taf. XXVIIL, Fig. 4 ist ein Stück der Hautdecke von einer jungen Philoscia nach Behandlung mit Goldchlorid vorgestellt; deutlich sieht man hier Nerven zu den Borsten ziehen, die sich 1) Haller: Ztschr. f. w. Zoologie Bd. XXXII 1879 pag. 391. 2) Schmidtlein: Mitth. aus d. Zoolog. Station zu Neapel I. 1879. pag. 513. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 40 594 Max Weber: aus verzweigten, durch redueirtes Gold schwarz gefärbten Zellen entwickeln. Diese Zellen stehen mit ihren verzweigten Ausläufern deutlich unter einander und mit einer Chromatophore in Verbindung, in welcher erst wenig Pigment abgelagert ist. Aus der geringen Zahl der oben angeführten Beobachtungen gegenüber den so zahlreichen Untersuchungen über Crustaceen er- hellt aber, dass die Fähigkeit der Form- und Lageveränderung nicht eine allen Chromatophoren zukommende ist. Soll damit nun gleichzeitig behauptet sein, dass bei all den Crustaceen, wo die anatomische Gleichheit der Pigmentzellen aber kein Farbenwechsel beobachtet wird, diese Pigmentzellen etwas ganz anderes sind, als diejenigen, deren Eigenschaft sich zu contrahiren wir bereits ken- nen? Ich glaube nicht; wohl aber, dass den morphologisch gleich- werthigen Chromatophoren — seien sie nun pigmentirt oder nicht — eine verschiedene Function zukomme. Dies führt uns dazu, specieller nach der Bedeutung der Chro- matophoren und der Hautpigmente zu forschen. Die ihnen allgemein zuerkannte Bedeutung ist die, dass sie den Farbenwechsel möglich machen sollen und dass ihnen damit die Bedeutung einer Schutzvorrichtung zukommt. So zweifellos dies nun auch für viele Fälle gilt, so ist es ge- wiss nicht für alle gültig. Es sei gestattet, dies an einigen concreten Beispielen darzu- legen und zwar an den Amphibien, von denen ja schon seit langem der Farbenwechsel bekannt ist. Vorallem gilt dies vom Laubfrosch, von dem hinwiederum ein Jeder weiss, dass er in Gefangenschaft vielfach, namentlich aber bei trübem Wetter, sein schönes grünes Kleid mit einem schmutzig-grauen verwechselt, mithin seine dunklen Chromatophoren expandirt; dies hat auch im Freien statt, wie aus den schönen Beobachtungen Leydig’s!) über den Farbenwechsel unserer einheimischen Amphibien hervorgeht, obwohl Hyla doch im Grünen sitzen bleibt, dem ihre grüne Farbe so gut angepasst ist. Gewiss wird Niemand in dieser Farbenveränderung eine Anpassung irgend welcher Art erblicken wollen, da ja nichts in der Umgebung des Thieres verändert ist, als nur die Aussentemperatur. Leydig schreibt: „Gerade junge Laubfrösche zeigen sich gegen Witterungs- 1) Leydig: Ueber d. allg. Bedeckungen der Amphib. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII. 1876. Hier sind die zahlreichen Beobachtungen zusammen- gestellt, die genannter Forscher über diesen Gegenstand gemacht hat. Anatomisches über Triehoniseiden. 595 veränderungen sehr empfindlich, in noch höherem als die er- wachsenen.“ Und was für Hyla gilt, kann auch von unseren übrigen Am- phibien gesagt werden, nur verlangt hier die weniger auffallende Erscheinung eine genauere Beobachtung. Unterzieht man sich der Mühe, diese Thiere, namentlich an kalten, regnerischen Frühjahrstagen im Freien zu beobachten, so kommt man zunächst zu der Einsicht, dass die Temperatur der Luft und deren Feuchtigkeitsgehalt in auffallender Weise das Farbenkleid unserer Thiere beeinflusst. Ich meine diesen Einfluss im Allgemeinen dahin normiren zu können, dass bei niedriger Temperatur und schwacher Belichtung eines trüben Himmels, die Haut dunkel wird durch Expansion der schwarzes Pigment füh- renden Chromatophoren. Ferner glaube ich aus der interessanten Reihe von diesbezüglichen Wahrnehmungen Leydig’s ein gleich- lautendes Resume ziehen zu dürfen. Dieselben dürften einen um so höheren Werth beanspruchen, als sie zum grossen Theil mit ganzer Hingabe im Freien angestellt sind und ich der Meinung bin, dass solchen eine um vieles grössere Tragweite zukommt, als experimentell an gefangenen Thieren gewonnene Resultate. Jeder doch, der sich schon allein mit Rana eingehender beschäftigt hat, kennt den Einfluss der Gefangenschaft und der ungewohnten Be- dingungen in deren Gefolge, gerade auf die Färbung. Wie will man beim Experimentiren die Fehlerquelle dieses allgemeinen Nerveneinflusses auf die Chromatophoren eliminiren ? Im Hinblick auf den oben betonten Einfluss der Temperatur auf das Chromatophorenspiel sei es gestattet, den Gedanken zu äussern, ob eben dieses Spiel nicht etwa im Verband stehe mit dem Wärmebedürfniss des Thieres, indem es die Theile, die durch ihr eingelagertes schwarzes Pigment besonders befähigt sind, Wärmestrahlen zu absorbiren, nach Möglichkeit in die Gelegenheit bringt, diese Thätigkeit zu besorgen, die sich eben äussert in der Ausdehnung der schwarzen Pigmentzellen, die alsdann das ganze Thier dunkler erscheinen lässt. Unter den Wirbelthieren finden wir denn auch die Chroma- tophoren vornehmlich bei den poikilothermen Thieren entwickelt, und Farbenwechsel ist vornehmlich wieder von denen unter ihnen bekannt, die am meisten einer schnellen Aenderung der Tempe- ratur des umgebenden Mediums ausgesetzt sind: Amphibien und 596 Max Weber: Reptilien; viel weniger bei Fischen. Sollte es nun seine Richtig- keit haben, dass die verzweigten Zellen der Epidermis, die wir als Terminalzellen von Hautnerven bei den Säugethieren kennen lernten, den Chromatophoren homolog sind, so liesse sich vielleicht Folgen- des denken. Die homoiöthermen Thiere, über die Aussentempe- ratur unterrichtet, eompensiren deren Einwirkung durch in ihnen selbst gelegene Wärmeregulirung. So konnten aus Wärme absor- birenden Chromatophoren Nervenendzellen werden, die vielleicht mit der Temperaturwahrnehmung betraut sind. Wenn diesem Gedankengang zur Zeit auch nahezu jede Stütze fehlt, so sollte er doch mitgetheilt werden, um abermals die Auf- merksamkeit auf die Erscheinung der Farbenveränderung zu lenken und um namentlich der Ansicht entgegen zu treten, die in der- selben nur eine durch chromatische Anpassung an die Umgebung erreichte Schutzvorrichtung erblickt. Dass sölche Anpassung zu erzielen in der That in vielen Fällen die Aufgabe der Pigmentzellen ist, soll gewiss nicht ange- fochten werden; nur soll man hierin nicht die einzige Bedeutung derselben suchen. Ganz im Allgemeinen lässt sich wohl bis zu einem gewissen Grade sagen, dass die Entwickelung der Pigmente Hand in Hand geht mit der Intensität der Belichtung. Man denke nur daran, dass die untere Fläche und die vom Mantel bedeckten Theile der Schale der Mollusken blass, ungefärbt bleiben. Ferner an die unterirdisch lebenden pigmentlosen Schnecken wie Achatina acicula, Zospeum, Hydrobia und die zahlreichen Höhlenthiere. In dieser Hinsicht konnte ich ja oben an Trich. Ley- digii darlegen, dass die Pigmente durch eine selbstständige Thätig- keit gewisser Zellen unter dem Einflusse der Belichtung gebildet werden müssen; da wir hier und ebenso bei jungen Thieren anderer Onisciden dieselben Zellen pigmentlos fanden, die bei im Lichte lebenden Asseln Pigment-Ablagerungen enthalten. Hält man diesen bedingenden Einfluss des Lichtes auf die Bildung von Pigmenten in der Hautdecke!) im Auge, so lässt sich 1) Pigmente in dem Hepatopancreas werden z. B. bei Isopoden, die in beständiger Dunkelheit leben, vor wie nach producirt, eine Thatsache, auf die ich früher bei zwei Höhlenthieren: Asellus cavaticus und Platyarthrus Hoffmannseggii aufmerksam machen konnte. (Arch. f. miskroskop. Anat. 3d. XVII.) Anatomisches über Trichonisciden. 597 die Bedeutung solcher Pigmentzellen, die weder als Schmuck- noch als Schutzfarben gegen Feinde angesehen werden können, viel- leicht auf anderem Wege suchen. Bevor wir diesen betreten, sei noch vorausgeschickt, dass wir die Ablagerung von Pigmenten, z. B. bei unseren Trichoniseiden, doch wohl nicht als eine Art Aus- scheidungsproduct beträchten dürfen, das in Zellen abgelagert wird, ähnlich etwa wie harnsaure Salze in die Fettkörperzellen und das auf diese Weise ausser Cireulation gebracht wird. Wäre dem so, dann wäre es in hohem Grade unbegreiflich, wie bei Individuen der gleichen Art unter gewissen Einflüssen der Umgebung die Pigmentablagerung sistiren kann ohne Beeinträchtigung des Thieres; um gar nicht zu reden von Trich. Leydigii, der absolut pigment- los ist. Diese weitere Bedeutung der Pigmentzellen möchte ich darin sehen, dass sie die Diaphanität des Körpers herabsetzen. Dass eine solche auch bei dichter Pigmentablagerung, wenigstens bei kleinen Thieren nicht aufgehoben sein wird, erhellt wohl aus den von Pflüger!) eitirten Versuchen von Dessaignes; jedenfalls aber dürfte dieselbe vermindert sein. Und dass dies nicht belang- los sein wird für den Thierkörper, geht wohl aus den zahlreichen Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf den Stoffwechsel hervor. Von diesen seien nur die Mittheilungen von v. Platen?) und Moleschott und Fubini?) genannt, die zu den Resultaten kommen, dass ein Theil der Lichtwirkung, wodurch der Stoff- wechsel der Thiere eine erhebliche Steigerung erfährt, unabhängig von den Augen zu Stande kommt und etwa durch die Haut ver- mittelt wird. Erblicken wir demgemäss in der Ablagerung von dunklem Pigment eine Schutzvorrichtung gegen die Diaphanität des Körpers, so dürfte sich dadurch auch erklären lassen, dass die Höhlenthiere dieser Ablagerung entbehren können, obwohl die eine Bedingung, damit diese geschehen könne: die verzweigten Zellen der Hautdecke nämlich, wenigstens bei Trich. Leydigii, anwesend sind. Nur fehlt die andere Bedingung: die Wirkung des Lichtes. 1) Pflüger: Ueb. d. Einfluss des Auges auf den Stoffwechsel. -Pflüger's Arch. XI. 1875 pag. 268. 2) v. Platen: Ueb. d. Einfluss d. Auges auf d. thier. Stoffwechsel. Pflüger’s Arch. XI. 1875. pag. 289. 3) Moleschott und S. Fubini; Untersuchung z, Naturlehre etc, Bd. XII. 1880. 598 Max Weber: Und wenn diese hierbei in der That ein wichtiges Agens ist, so hat die Natur sich selbst ein Mittel in die Hand gegeben, um den Einfluss der Belichtung, sobald er schädlich auf den Thier- körper einwirken könnte, dureh eben diese Belichtung wieder zu mässigen und sich selbst zu reguliren. Bemerkungen zur Häutung. Der Vorgang der Häutung verdient schon allein aus dem Grunde eine besondere Beachtung, weil die eigenthümlichen matri- calen Bildungen, die mit der Häutung in Verband stehen und be- reits lange, bevor diese vor sich geht, sich entwickeln, leicht An- lass zu Verwechslungen geben können. Namentlich können sie leicht nervöse und muskulöse Gebilde vortäuschen. Fine wichtige Rolle bei der Häutung spielen zweifelsohne die langen Haare und Borsten, die wir namentlich an den Antennen und Beinen entwickelt finden, und die ebensowenig Tastorgane sind, als Geschlechtscharaktere, da sie beiden Geschlechtern gleich- mässig zukommen. Ihre Bedeutung liegt vielmehr darin, dass sie die Häutung wesentlich unterstützen. Den Vorgang selbst zu be- obachten, gelang mir bisher noch nicht, er scheint auch nur selten und in grossen Zwischenräumen vor sich zu gehen; wohl aber kamen mir einige Exemplare zu Gesicht, die der Häutung nahe Erscheinungen darboten, übereinstimmend mit denen, die Braun!) und Spangenberg?) an anderen Crustaceen wahrnahmen. Was zunächst die Bildung der Haare angeht, so verhält sich Triehoniseus nicht abweichend von den auf diesen Punet unter- suchten Phyllopoden und dem Astacus fluviatilis. Auch hier ragt aus dem Boden einer taschenartigen Einstülpung der Matrix eine pfriemenförmige Papille hervor, deren bald äusserst schlanke und zarte, bald niedrigere und kräftigere Natur abhängig ist von dem Modell des nachzuahmenden Haares, welches ergänzt werden soll. Auch hier ragt die Spitze des neuen Haares durch den Haarcanal der Haut in das Lumen des demnächst abzuwerfenden Haares. Diese Spitze ist wohl stets ein wenig gebogen, wodurch sie sich bei der Häutung an die Wurzel des alten Haares anhäkelt und auf diese Weise das Haar heranziehen hilft. Nur in einem Punkte 1) Braun: Arbeit. aus d. zoolog. Institut Würzburg. 2) Spangenberg: Ztschr. f. wiss. Zoologie XXV Suppl. Anatomisches über Trichonisciden. 599 weiche ich mit Spangenberg von Braun ab, darin nämlich, dass ich, ebensowenig wie Spangenberg bei Daphniden, bei Triehoniseus Haare ansichtig wurde, deren Lumen gegen den Haut- canal hin abgeschlossen war. Recht auffallend ist es, dass auch die Neubildung des Samen- leiters ganz nach Art eines Haares vor sich geht. Ich nahm dies bei Trich. Leydigii wahr, doch wird es wohl ebenso für die übrigen gelten. Das Verhalten ist folgendes: Der zukünftige Samenleiter ist taschenartig in die Matrix der neuzubildenden Grundplatte eingestülpt, genau so wie ein grosses Haar. Seine Spitze ragt, wie ein solches es in den Haarcanal thut, in das Lumen des demnächst abzuwerfenden dünnen Fort- satzes des Samenleiters und ist gleichfalls ein wenig umgebogen. (Vergl. Figur 16 Taf. XXIX.) | Morphologisch ist mithin dies Gebilde von diesem Gesichts- punkte aus einer riesigen Borste gleichwerthig. Wesentlich von der Bildung der Haare verschieden ist die Neubildung der Zähne der Mandibeln und Maxillen, sowie der mannigfaltigen, mikroskopisch feinen artieularen Leisten und Er- habenheiten auf der Haut. Während letztere in genauem Abdruck auf der neuen Hautdecke zum Vorschein kommen, wohl nur als Produkt der Thätigkeit einer oder weniger Zellen, kommt die Neu- bildung der Zähne durch Chitinisirung einfacher matricaler Zapfen, die in das Lumen der alten Zähne hineinragen, zu Stande. Es ist mithin eine Art der Entstehung, die sich in Nichts von der Neubildung der übrigen Körperhaut unterscheidet. Gerade von diesem Gesichtspunkte aus wird aber die Neubildung des Samen- leiters um so auffallender in seiner Uebereinstimmung mit der Haarbildung. Bemerkungen über Sinnesorgane. 1. Riechkolben am Endglied der inneren Antennen. Es wurde bereits oben von den inneren Antennen angemerkt, dass sie bei den Trichoniseiden aus drei dünnhäutigen Gliedern be- stehen und dass dem Endglied in verschiedener Zahl und Anord- nung hyaline Cylinder aufsitzen, die sich als Unterscheidungs- Merkmale verwerthen lassen!). Im Bau gleichen sie den bekann- 1) Wie ich dies früher versucht habe: Tydschr. d. Nederlandsche Dierk, Vereenig. 1881. 600 Max Weber: ten Riechkolben der Gammariden und des Asellus, bei denen diese Organe gleichfalls den inneren Antennen aufsitzen, so dass dem- gemäss auch der Ort des Vorkommens der gleiche ist. Cylinder von, wie es scheint, gleicher Beschaffenheit, meist drei bis vier an Zahl, treffe ich auch an den grossen Antennen an, Das characteristische Bündel langer zarter Haare, die für die Trichoniseiden maassgebende „seta“, an dem Endglied der äusse- ren Antennen, wird wohl den Tastsinn vermitteln und damit dem niedrigen Büschel von Härchen entsprechen, wie er von Leydig!) von Porcellio und Oniscus beschrieben worden ist. 2. Tasthaare und Tastkegel. Während letztere eine Eigenthünlichkeit von Trieh. roseus und Leydigii sind, gehören die Tasthaare zu einer Rubrik von eutieularen Anhängen, die man wohl allerwärts bei den Crustaceen antrifft. Man trifft sie bei Trich. batavus, der für das blosse Auge spiegelglatt erscheint, namentlich am Rande der Epimerenplatten an, in Gestalt niedriger steifer Borsten. Dass ich dieselben als Tastborsten anspreche, geschieht auf Grundlage von mit Goldehlorid behandelten Präpa- raten. An solchen sehe ich in eine einzelne Borste einen zarten Nervenfaden eintreten, der sich mit anderen seinesgleichen aus einer verzweigten Zelle entwickelt. (Vergl. Fig. 2 Taf. XXVII.) Aehnliche Verhältnisse treffe ich bei Trich. Leydigii an. Während hier über den ganzen Körper eigenthümliche cutieulare Kegel, aus deren Mitte eine einzelne hyaline Borste herausragt, verbreitet sind, ist der Seitenrand der Segmente mit einem Besatze zarter, längerer Haare geziert, von denen sich einzelne kegelför- mig zusammen neigen, während andere, durch Länge und Stärke ausgezeichnet, sich aus den übrigen herausheben. In beide, sowohl in die Kegel, wie in die langen, borstenartigen Haare, treten Ner- ven ein, die an mit Gold gefärbten Präparaten aus einem Nerven- netz sich entwickeln, dessen Fäden hier und dort spindelförmige Zellen eingebettet sind. Letztere entsprechen zweifelsohne den verzweigten Zellen, wie ich sie oben von Trich. batavus anzeigte, wobei ihre Ausläufer das Nervennetz formen. Die Zusammen- setzung der Kegel, die über die Haut verbreitet sind, erkennt man aus Taf. XXVIIL, Fig. 1. Die aufbauenden Theile sind zarte euticulare 1) Leydig: Arch. f. Anat. u. Phys. 1860. Ztschr. f. wissenschaftliche Zoologie Suppl. XXX. pag. 255. Anatomisches über Trichonisciden. 601 Leistchen, z. Th. gleichsam verbreiterte niedrige, dieke Borsten, am oberen Rande ein wenig umgebogen. Von diesen ist eine zarte, mit einem Endknöpfcehen versehene Borste umstellt, die in Mitten derselben emporragt. Aehnlich ist der Bau dieser Theile, nur ist hier der eigent- liche Kegel noch solider und nierenförmig. Deutlich salı ich an diese Kegel Nerven herantreten. Eine Verbindung dieser so eben mehrfach genannten ver- zweigten Zellen, deren Ausläufer in die Tasthaare und Kegel enden, mit Nervenfasern des Bauchmarkes war nicht nachzuweisen. Die Art der Darstellung der Präparate machte dies schon an und für sich unmöglich. Damit die Goldehloridlösung einwirken könne, mussten die Thiere zerzupft in das Reagens gebracht werden, wenn man einen Erfolg, der dann auch noch vielfach ausblieb, erzielen wollte. Von der Verbindung solcher Zellen mit Chromatophoren war bereits oben die Rede. 3. Gesichtsorgane: Unter den Sinnesorganen mussten die Augen, namentlich auch mit Rücksicht auf den augenlosen unter- irdisch lebenden Trich. Leydigii, unsere Aufmerksamkeit besonders fesseln, da sie es sind, an denen in erster Linie der Einfluss des Lebens in beständigem Dunkel sich bemerkbar macht. Vergleicht man nun im Hinblick hierauf, wie ieh dies früher schon gethan, den Trich. Leydigii mit Trich. batavus und fasst man hierbei namentlich auch die Exemplare des letztern ins Auge, die Uebergangs-Formen von Trich. batavus zu Leydigii, so erhält man eine geschlossene Kette von einzelnen Abstufungen des Sehorganes von seinem vollkommenen Zustande bis dahin, wo selbst die bezügliche Stelle der Haut des Kopfes nicht einmal die leiseste Andeutung des ehemaligen Bestehens dieses Organes erken- nen lässt. Ueber die Umänderungen, die hierbeilin den nervösen Theilen Platz greifen, habe ich mich noch nicht genügend unterrichten können, doch meine ich einen schliesslichen Schwund des Seh- ganglions annehmen zu müssen. Anlangend das Pigment, das um die brechenden Medien gelagert ist, habe ich mich aber überzeugen können, dass dasselbe stufenweise schwindet, jedoch — wie eine Reihe von pigmentarmen bis pigmentlosen Exemplaren” darthut — zuletzt von allen Pig- menten des Körpers. So findet man Exemplare, die bereits absolut 602 Max Weber: pigmentfrei sind, wo die Cornea-artigen Erhebungen geschwunden sind und wo doch noch ein duftiger Pigmentfleck die Stelle des ehemaligen Gesichtsorganes andeutet. Endlich schwindet auch dieser, wie bei Trich. Leydigii. Erwähnung verdient, dass dieser Pigmentfleck nicht etwa vereinzelten Pigmentzellen, sondern einer zarten Ablagerung diffusen Pigmentes sein Dasein ver- dankt. Wir sehen hieraus, dass das Gesichtsorgan Stück für Stück in umgekehrter Reihenfolge zurückgebildet wird, wie es entstanden ist, indem sein Pigment zuletzt verschwindet: das Pigment, das phylogenetisch das älteste ist — man denke an die sog. Augen- punkte der Infusorien — und das gleichzeitig an eben diesen Augen- punkten die erste Anlage zur Entwickelung eines Gesichtsorganes vorstellt. Hautdrüsen. Unter diesem Namen will ich Drüsen von den Trichoniseiden beschreiben, die, so weit meine Erfahrungen bis jetzt reichen, auch bei den übrigen Onisciden in gleicher Weise gefunden werden. Ich untersuchte von letzteren daraufhin Ligia und nebenbei noch Philoseia und Porcellio. Alles was über hierhin gehörige Drüsen von unserer Thier- gruppe bislang bekannt war, beruht auf einer Angabe Lereboul- lets, die, wie es scheint, nicht weiter geprüft und auch mir erst spät bekannt geworden ist. Wie Jedem alsbald auffallen wird, der sich etwas eingehender mit lebenden Land-Asseln unserer Fauna beschäftigt, sind diese Thiere im Stande z. B. beim Anfassen derselben, ein fadenziehendes Seeret aus den Schwanzgriffeln und den Epimerenplatten des Pleon und der letztern Segmente des Pereion fahren zu lassen. Diese Thatsache war auch Lereboullet, wenigstens für die Schwanz- griffel, bekannt und gab ihm Veranlassung, nach dem Sitze dieser Erscheinung zu forschen. Er fand denselben in Drüsen, die er folgendermassen beschreibt: „Ce sont de petites glandes com- posees, situdces A l’origine du premier article des appendices cau- daux, dans la partie la plus reculee de la cavit@ abdominale sur les cötes du reetum“t). Er fand diese Drüsen bei Oniseus, Por- cellio und Armadillo und giebt eine kenntliche Abbildung der- 1) Lereboullet Möm. d. 1. soeiet& d’hist. nat. d. Strassbourg T. IV. Anatomisches über Trichonisciden. 603 selben, obwohl ihm der Verlauf und die Art der Ausmündung des Ausführungsganges, sowie der Bau der Drüse selbst nicht klar geworden ist. Auch den Verbreitungsbezirk der Drüsen hat er nicht erkannt, da derselbe weit grösser ist als er angibt und damit erst einen Hinweis giebt auf die Function der Drüsenmasse. Die Lage der- selben sei daher zunächst besprochen. — In Frage stehende einzellige Drüsen finden sich, in mehr oder weniger dichten Haufen angeordnet, zunächst in beiden „Schwanzgriffeln“ und in dem Basalstück derselben, ferner in sämmtlichen Segmenten des Pleon und im siebenten, sechsten und wie es scheint, auch constant im fünften des Pereion. Die Drüsenhaufen bleiben in den Segmenten auf deren Seiten- theile beschränkt!) und zwar finden die im Pleon gelegenen ihre mediane Begrenzung durch die Muskeln, die zu den Kiemendeckeln sich begeben; die im Pereion gelegenen durch die Muskulatur, die von jedem Segmente zu dem Beine geht. Die den Schwanz- griffeln und deren Basalstück eingelagerten endlich füllen den Innenraum dieser Organe ganz aus, in soweit auch hier nicht der Raum durch die Muskelbündel der Schwanzgriffel selbst, die deren Basalstück durchziehen, eingenommen wird. Durch eben diese Muskelbündel wird die Drüsenmasse in zwei ungleiche Haufen zerlegt. Studiert man nun diese Drüsenhaufen an Zerzupfungspräpa- raten, sowie an aufgehellten Thieren in situ, so gewahrt man zu- nächst, dass von diesen dichtgelagerten Drüsenhaufen lange Aus- führungsgänge zum Seitenrand und Unterrand der Epimerenplatte der genannten Segmente des Pereion und Pleon laufen, hier die Chitindecke in Gestalt eines feinen Kanales durchbohren und auf diesem Wege nach Aussen münden. An manchen Orten gehen verschiedene Ausführungsgänge zu einem Porus in der Hautdecke, der damit die allen gemeinsame Ausmündungsstelle darstellt, ein Verhalten, das man namentlich an den Schwanzgriffeln findet. Nahe ihrem Ende sind dieselben mit einer Spalte versehen, durch welche die Ausführungsgänge ihr Secret nach aussen befördern. Bei den verschiedensten Arten der 1) AnFig. 13 auf Tafel XXVIII habe ich eine schematische Abbildung über die Lage der Drüsen bei Trich. roseus gegeben. 604 Max Weber: Behandlung und Aufbewahrung des Präparates findet man an dieser Stelle ein kugeliges Tröpfehen des zähen Secretes, das mit feinem Stiele aus der Spalte hervorragt, und da letztere schwer zu beob- achten ist, den Ort der Ausmündung dieser, in dem Schwanzgriffel gelegenen Drüsen verräth (vergl. auf Taf. XXVIH Fig. 10 b). Fasst man eine solche Drüse') näher ins Auge, so sieht man zunächst ein in seinen allgemeinen Umrissen nahezu kugeliges Gebilde vor sich, das wie eine Beere auf dem Stiele, dem langen cylinderischen Ausführungsgange aufsitzt und namentlich an den Drüsen, die den Seitentheilen der Segmente des Pereion und den ersten des Pleon entnommen sind, dorsoventral plattgedrückt sind. Hierbei sieht die dem Ausführungsgange zunächst gelegene Fläche nach unten, während die entgegengesetzte der Rückenfläche der Segmente angelagert ist. Natürlich muss an diesen Drüsen der Ausführungsgang eine Biegung machen, um den Ort seiner Be- stimmung zu erreichen. Andere Drüsen hinwiederum, vorzüglich die der Schwanz- griffel, sind dagegen kugelrund. Dass übrigens hierdurch keine Unterschiede irgend welcher Art statuirt sind, braucht nicht her- vorgehoben zu werden. Das Bedingende der Förmverschiedenheit ist der jeweilig zur Verfügung stehende Raum, und kann nament- lich der gegenseitige Druck der Drüsen untereinander, dieselben in die verschiedensten Formen giessen. Welches der Contour der Drüse auch sein möge, niemals ist ihre Oberfläche glatt. Im Gegentheil, durch Einschneidungen ist zunächst die ganze Drüse in drei bis vier Hauptlappen zerlegt. Doch gehen — und ich möchte hierauf die Aufmerksamkeit be- sonders lenken — diese Einschneidungen niemals tief; erreichen in keinem Falle auch nur die fernere Umgebung des Anfanges des Ausführungsganges. Ein jeder dieser Lappen ist seinerseits wieder an seiner Oberfläche in die verschiedensten kugeligen und lappigen Formen zerklüftet, wodurch die Drüse auf den ersten Blick eine traubig- gelappte Drüse vortäuscht. Alsbald überzeugt man sich aber, dass eine echte einzellige Drüse vorliegt, die sich nur im Besitze eines Kernes befindet. Derselbe liegt stets dicht am Ausführungsgange, wo derselbe in der Drüse wurzelt, ist namentlich bei Porcellio 1) Fig. 6, 9, 10a auf Tafel XXVIN. Anatomisches über Trichonisciden. 605 grobgekörnt und mit einem oder zwei scharf umrandeten Kern- körperchen versehen. Bei der Besichtigung soleher Drüsen, trifft man hier und da eine solche, weleher scheinbar zwei Kerne eingelagert sind; es ist jedoeh eine Täuschung, die in dem einen Falle darauf zuzückzu- führen ist, dass zwei Drüsen der Art dieht neben einander liegen, dass erst durch Auffinden zweier Ausführungsgänge das Bild, das zur irrigen Annahme verleitete, aufgeklärt wird. In einem ande- ren Falle kann der Kern, der stets dem Ausführungsgange nahe der Drüse angelagert ist, den Irrthum hervorrufen. Es liegt mithin eine riesige einzellige Drüse vor, die allerdings nicht die enorme Grösse mancher derartiger Drüsen der Insecten erreicht, sich aber von diesen sowie von allen hierher gehörigen Drüsen — soweit mir bekannt — unterscheidet durch die primäre und secundäre Vertheilung in Läppchen. Was den Ausführungsgang angeht, so ist dessen Verhalten folgendes: Im Plasma der Zelle finden sich, je nach der Dimen- sion der Läppchen, engere oder weitere Spalten der feinsten Art, z. Th. baumförmig verzweigt — immer wieder entsprechend der Oberflächen - Zerklüftung der Drüse. Diese Spalten vereinigen sich insgesammt zum Ausführungsgange, wie die Wurzeln eines Baumes zum Stamme. Einen gleichen baumförmig verzweigten Anfang des Ausfüh- rungsganges hat auch Claus!) und P. Mayer?) von eigenthüm- lichen aus vier Zellen bestehenden Drüsen, die in den Beinen der Phronimiden gelegen sind, angegeben. Während aber P. Mayer die Sammelröhren als „Aushöhlungen des Plasmas“ beschreibt, „da sie eigener Wandungen entbehren und bei Zusatz von Kalilauge verschwinden“, tritt Claus dieser Ansicht entgegen und schreibt den fein verästelten Sammelröhrehen der Drüsenzellen einen be- sonders zarten Cuticularsaum zu. Ich möchte mich für unseren Fall dahin aussprechen, dass die Anfänge der Sammelröhrchen eben nur Spalten im Plasma sind, an welchen ich mir die proto- plasmatische Wand erhärtet vorstelle. Nach dem Ausführungs- gange zu erreicht diese Erhärtung einen stärkeren Grad der Aus- bildung bis zur schliesslichen Bildung einer Cuticula: dem Anfang des eutieularen Ausführungsganges. 1) Claus: Arbeiten aus dem Zoolog. Institut. II. 1879. 2) P. Mayer: Mitth. a. d. Zoolog. Station zu Neapel. Bd. I pag. 40, 606 Max Weber: Dass demselben constant ein Kern anliege, wurde bereits gemeldet. Die Frage nach der Bedeutung dieses Kernes könnte wohl dahin beantwortet werden, dass derselbe einer Art Adventitia des Cutieularröhrchens angehöre, die sich von einem Ueberzug des Fettkörpers herleitet. Doch meine ich einzelne Drüsen gesehen zu haben, wo dieser Kern einer protoplasmatischen Lage eingebettet war, die wie die Fortsetzung der Drüsensubstanz längs dem Aus- führungsgange erschien. Auch gelang es mir nicht, an der Drüse selbst einen bindegewebigen Ueberzug nachzuweisen. Dass ein solcher jedoch, wenn auch von höchster Feinheit, bestehn muss, wird ersichtlich aus Kernen, die der Oberfläche der Drüsenläppchen anliegen und sich namentlich zwischen dieselben begeben. An Präparaten, die mit Alkohol behandelt und später gefärbt sind überzeugt man sich leicht von diesen Kernen, die dem Fettkörper angehören. Derselbe umscheidet mithin jede Drüse und schickt kern- haltige Fortsätze zwischen die Drüsenläppchen, auch wird derselbe wohl schliesslich einen Ueberzug an den Ausführungsgang abgeben. Anlangend die Function dieser einzelligen Drüsen, wurde bereits hervorgehoben, dass dieselben ein fadenziehendes Secret abscheiden, das von colloider Natur zu sein scheint. Dasselbe besteht aus einer homogenen, farblosen Masse, die auf Zusatz von Alkohol erstarrt, von Essigsäure nicht gelöst aber auch nicht gefällt wird; in Wasser ist dieselbe unlöslich und Osmiumsäure verändert sie nicht. In concentrirter Lösung von essigsaurem Kali gerinnt dieselbe zu einer milchig-weissen Masse. Sie unterscheidet sich mithin wesentlich von Mucin und dürfte wohl unter die Colloidmaterien gehören. In Uebereinstimmung hiermit dürfte die Function, die ich diesem Secret zuschreiben möchte, sich befinden. Vor Auseinandersetzung dieses Punktes sei es gestattet kurz das mitzutheilen, was die letzten Jahre über ähnlich gelegene Hautdrüsen der Crustaceen zu Tage gefördert haben. — Durch Claus!) und P. Mayer?) sind derartige Drüsen, die sich aus einem Complexe von vier oder fünf Zellen zusammen- setzen, in den Beinen der Phronimiden gefunden worden und Nebeski®) hat vor kurzem einzellige Drüsen, deren eine Art in 1) Claus: Arbeiten aus d. Zoolog. Institut Bd. II. 1879. 2) P. Meyer: Mitth. a. d. Zoolog. Station zu Neapel. Bd. I pag. 40. 3) Nebeski: Arbeit. a. d. Zoolog. Institute Wien. T. III. Heft 2. 1880. Anat omisches über Trichonisciden. 607 den Beinen der Corophiiden, deren andere in den verschiedensten Körpertheilen der Gattung Orchestia gelegen ist, bekannt gemacht. Offenbar muss diesen verschiedenen Drüsen eine recht ver- schiedene Bedeutung zugeschrieben werden. Denn während für die Beindrüsen die beiden Ansichten am nächsten liegen, wonach denselben die Aufgabe zufällt bei der Aushöhlung der Pyrosomen- Tönnchen eine Rolle zu spielen (P. Mayer) und gleichzeitig bei der Nahrungsaufnahme als enzymatische Drüse thätig zu sein (Claus), zwei Ansichten, die sich namentlich im Hinblick auf die auszufressenden Pyrosomen, nicht gegenüber stehen, muss die Bedeutung der Drüsen bei den Corophiiden und bei Orchestia nach einer ganz anderen Seite liegen. Für erstere, die im dritten und vierten Beinpaar gelegen sind, hat Nebeski es klar gelegt, dass sie es sind, die das ver- kittende Secret liefern für die Röhren und Gänge, die diese Thiere bauen. Bezüglich der Hautdrüsen der Orchestia dagegen schreibt der genannte Forscher „Vielleicht dient das Secret, das wahrscheinlich colloider Natur ist, dazu, allzu rasche Verdunstung hintanzuhalten und besonders die Kiemen vor Austrocknung zu bewahren, indem es dieselben als schützende Schiehte überzieht.“ Auch für unsere Drüsen möchte ich diese Aufgabe geltend machen. Eine andere Function, etwa die eines nierenartigen Or- gans, ein Gesichtspunkt, den P. Mayer für die Beindrüsen der Phronimiden bespricht, kann wohl kaum in Frage kommen. An und für sich spricht daher die Natur des Secretes hiergegen, dann auch die Thatsache, dass neben diesen Drüsen an einem anderen Orte harnsaure Salze gebildet und abgelagert werden. Ich möchte nun glauben, dass wir es hier mit Drüsen zu thun haben, die gerade für die Land-Isopoden von Bedeutung sind, da diese der ihnen innewohnenden terripetalen Tendenz folgend, das Leben im Wasser mit dem Landleben vertauschten und nun durch dünnhäutige, zarte Kiemen in der Luft athmen müssen. Die Bedeutung des Secretes sehe ich darin, dass dasselbe eine zähe, im Wasser unlösliche Schicht namentlich um das dünnhäutige Pleon und dessen Anhänge, unter denen an erster Stelle die Kie- men zu nennen sind, bildet, welche die Hautdecke vor Verdun- stung beschützt, ohne deren Beweglichkeit zu beinträchtigen. Zu Gunsten dieser Ansicht dürfte sprechen, dass die Drüsen vorall am kiementragenden Theil des Körpers entwickelt sind und hier 608 Max Weber: zum Theil ihr Seeret an die Unterseite des Körpers ergiessen. Be- sonders in die Augen springend ist die Bedeutung der Drüsen, die dem Leitungsorgane der männlichen Begattungswerkzeuge ein- gelagert. Ihr Secret wird diese und die benachbarten zarten An- hänge mit einer schützenden Lage vor dem Eintrocknen bewahren. In der vorgetragenen Ansicht wurde ich auch bestärkt durch die Thatsache, dass dem im Wasser lebenden Asellus aquaticus und cavaticus diese Drüsen abgehen, während Ligia oceanica sich der- selben bereits erfreut. Blicken wir uns nach analogen Verhält- nissen um, so scheint den Untersuchungen Nebeski’s!) zu Folge ein solches vorzuliegen bei der terrestren Orchestia gegenüber der nahe verwandten, an das Leben im Wasser gebundenen Gattung Nicea, von denen erstere, wie wir gesehen haben, mit Hautdrüsen reichlich ausgestattet ist, während sie der letzteren fehlen. Es ist gewiss bemerkenswerth, wie gleichartig sich der Einfluss des Land- lebens auf den Körper solcher verschiedener Organismen wie Iso- poden und die genannten Amphipoden äussert; eine solche Gleich- artigkeit der Reaction des Körpers auf gleichartige Einflüsse der Aussenwelt spricht wohl deutlich für eine tiefer gelegene Ueber- einstimmung in der Constitution. Exceretionsorgane. Während lange Zeit hindurch bezüglich der Exeretionsorgane der Crustaceen die Meinungen hin und her schwankten und ver- schiedene Ansichten sich scharf gegenüber standen, darf man jetzt wohl mit einigem Rechte den Sitz solcher Organe in den Antennen- und Schalendrüsen suchen?); obwohl die diesbezüglichen Unter- suchungen gewiss noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden können. Neigt man sich dieser Ansicht zu, so ist neben Anderem, namentlich auch an folgende Punkte zu erinnern, zur Illustration dessen, dass hier noch zahlreiche Fragen der Antwort harren. Einmal an die Reetaldrüse der Gammariden, die noch kürzlich von den Crevettinen ausdrücklich als Harndrüse beschrieben wurde°). An zweiter Stelle dürfte es dann am Platze sein, der Angabe 1) Nebeski: 1. c. pag. 11. 2) Man vergleiche daraufhin namentlich die Erörterungen Grobbens: Arbeit. aus d. Zoolog. Institute Wien 1879. (Die Antennendrüse der Crustaceen.) 3) Nebeski: Arbeit. aus d. Zoolog. Institute Wien 1880. Bd. II Heft 2. Anatomisches über Trichonisciden. 609 Leydig's!) zu gedenken, welcher zu Folge bei erwachsenen Cy- elopsine eastor die Mehrzahl der Zellen, die im zweiten Drittel des Magens gelegen sind, mit gelblich gefärbten Fettkügelchen gefüllt sind; „allein bei vielen Thieren ist ein Theil der Zellen anstatt mit Fetttröpfehen mit etwas ganz anderem angefüllt, mit kleinen Coneretionen nämlich, die bei auffallendem Lichte schmutzig-gelb und schwärzlich bei durchfallendem sind. Theilweise erscheinen sie zu grösseren Klümpchen zusammengebaeken. In coneentrirter Essigsäure vergingen sie nach einigen Minuten.“ Aus dem Zusam- menhang geht hervor, dass der Verfasser hier offenbar an eine Art Harnabscheidung denkt, indem die geschilderten Coneremente in den Darm entleert und in den Excrementen wieder gefunden werden. Während nun genannter Forscher keine weiteren mikro- chemischen Angaben macht, sagt Claus?) von diesen Concrementen, dass dieselben „wahrscheinlich nach ihrem Aussehen und ihrer Resistenzkraft in Säuren und Alkalien zu schliessen, Harnabschei- dungen sind.“ — Wie wünschenswerth endlich etwas genauere mi- krochemische Angaben sind bezüglich der Secrete von Drüsen, will man über beständiges Muthmassen hinsichtlich deren Funetion hinauskommen, erhellt wieder aus der belangreichen Untersuchung Nebeski’s®). Von den geschichteten Conerementen, die genannter Autor aus der allgemein als Harndrüse aufgefassten, auch von ihm so genannten Drüse am Enddarm der Crevettinen beschreibt, führt er nur an: „Die Hauptmasse des Depot besteht aus kohlensaurem Kalk; Essigsäure ruft eine lebhafte Gasentwickelung hervor.“ Bei dem Mangel eines jeden Nachweises von harnsauren Salzen können wir uns mithin über die Function der Drüse nur in Muthmassungen ergehen. Wie dem nun auch sein möge: sei es, dass die Antennen- und Schalendrüse als Niere funetionire, sei es, dass allein oder da- neben, wie bei Gammariden, die Rectaldrüse, bei Copepoden das Zellenstratum des Chylusdarmes diese Rolle übernelime, stets gilt es doch noch die Frage zu beantworten: wie verhalten sich die Crustaceen in dieser Hinsicht, die weder Antennendrüse oder Schalendrüse, noch Darmdrüsen oder Darmzellen, die als nieren- 1) Leydig: Naturgesch. d. Daphniden 1860 pag. 27. 2) Claus: Die freilebend. Copepod. ete. 1863 pag. 57. 3) Nebeski: Arbeit aus dem Zoolog. Institute Wien Ba, III. Heft 2. 1880. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 19, 41 610 Max Weber: artiges Organ wirken könnten, besitzen? Suchen wir diese Frage für die uns hier interessirenden Isopoden zu beantworten. Wie bekannt, hat vor einer Reihe von Jahren Zenker!) wohl zuerst von einem „nierenähnlichen Organ“ bei Asellus aqua- ticus gesprochen. Er meinte hierunter die Ablagerung anorgani- scher Substanz zu beiden Seiten des Darmes. Zenker?) selbst berichtet nun auf Grundlage seiner mikro- chemischen Untersuchungen: „Mögen spätere Untersuchungen über die eigentliche Natur dieser Absonderung Aufschluss geben, jeden- falls ist es eine einstweilen isolirt dastehende. Denn Niere ist doch ein Organ nicht zu nennen, das weder Harnstoff noch Harnsäure absondert .. .“ Die Angabe, gepaart mit der ungenügenden Art der mikros- kopischen Beobachtung damaliger Zeit hätte zur Vorsicht mahnen sollen. Dennoch haben die Angaben Zenkers Eingang gefunden. Demgegenüber muss bemerkt werden, dass Leydig?) bereits im Jahre 1860 „dem von Zenker zuerst erwähnten nierenartigen Ab- sonderungsorgane die wichtige Stellung gab, indem gezeigt wurde, dass es sich um Absetzung anorganischer Stoffe in die Substanz des Fettkörpers handle“, wie genannter Forscher selbst noch jüngst anführte®). Ueber die Natur dieser anorganischen Stoffe lässt sich Ley- dig nieht ferner aus. Ich) hatte nun Gelegenheit, den Asellus aquatieus und cavaticus auf diesen Punkt hin zu untersuchen und konnte die Leydig’sche Auffassung bezüglich des Ortes der Ab- lagerung bestätigen und gleichzeitig dahin erweitern, dass die anorganischen Stoffe harnsaure Salze sind. Der Fettkörper ist mithin im Stande, als nierenartiges Organ zu functioniren, indem er dem kreisenden Blute diese deletären Salze entnimmt und in seinem Gewebe aufspeichert. Diese Eigenschaft des Fettkörpers wird um so weniger in Verwunderung setzen, wenn man sich der eigenthümlichen Substanzen erinnert, von deren Vorkommen im 1) Zenker: Archiv für Naturg. 1854. 2) Zenker: Archiv für Naturg. 1854 pag. 107. 3) Leydig: Naturgesch. d. Daphniden 1860. pag. 27. 4) Leydig: Ueb. Amphipod. u. Isopod. Z. f. w. Z. Suppl. 1878 p. 266. 5) Max Weber: Ueb. Asellus cavaticus Schiödte. Zoolog. Anz. 1879 No. 27. Anatomisches über Trichonisciden. 611 Fettkörper Leydig!) Meldung macht, und auf die auch ich die Aufmerksamkeit lenke?). Die gleichen Ablagerungen finde ich nun auch bei Tricho- niseus, sowie bei anderen Oniseiden wieder. Der Ort, wo dieselben geschehen, ist derselbe, wie bei Asellus und auf Fig. I Taf. XXIX von Trieh. roseus angedeutet. Zunächst liegt jederseits des Darm- kanales und zwar dorsalwärts, mithin neben dem Herzen, eine wurstförmige Ablagerung, die sich meist vom vierten Segmente des Pereion bis zum dritten resp. vierten Segmente des Pleon er- streekt. Hierzu kommen noch mehr oder weniger unterbrochene Ablagerungen, lateralwärts von den eben beschriebenen, in den drei ersten Segmenten des Pleon. Im Hinblick auf diese gewöhnliche Art der Ablagerung dachte ich anfänglich an einen Zusammenhang mit dem Blutstrom, der ja gerade in dieser Region: dem Verbreitungsbezirk des Her- zens und der Kiemengefässe, eine bedeutende Rolle spielt. Be- trachtet man aber die Verhältnisse genauer, so kommt man zu der Ueberzeugung, dass die Ablagerung im Fettkörper da geschieht, wo sie anderen Organen am wenigsten hinderlich ist. Eine Ab- lagerung im Pereion in der Art, wie sie im Pleon seitwärts in dessen Segmenten geschieht, ist eben unmöglich wegen der Lage- rung der Schläuche des Hepatopancreas. In den Segmenten des Pleon endlich sind die Deposita von harnsauren Salzen in kleine Inseln vertheilt durch die Kiemenmuskulatur u. s. w. Die Ab- lagerung geschieht mithin im Fettkörper, dort wo der meiste Raum ist; langsam schreitet sie längs des Darmes nach oben zu weiter. Sie liegt hier jederseits dem Dorsalgefäss so dicht an, dass sie dessen systolische und diastolische Bewegungen mitmacht. Eine Entfernung dieser deletären Stoffe aus dem Körper ge- schieht demnach nicht, sie werden nur ausser Circulation gesetzt. Ihre Ablagerung wird einigermaassen Schritt halten mit dem Lebens- alter des Thieres. Bei grossen, somit im Allgemeinen bei älteren Thieren findet man die Ablagerung erheblicher. Merkwürdig ist es nun, dass dieselbe bei verschiedenen Arten eine recht verschie- dene ist. Während sie bei Trich. roseus so ausgebreitet ist, dass 1) Leydig: Lehrbuch d. Histologie d. Mensch. u. d. Th. p. 342. 2) Max Weber: Ueb. d. Bau u. d. Thätigk. d. sog. Leber d. Crust. Arch. f. miskrosk. Anatomie Bd. XVII. p. 425 u. 452 Anm. 612 Max Weber: das Pleon, ebenso wie zwei Streifen längs des Darmes kreideweiss erscheinen, ist sie bei Trich. batavus, Leydigii und Haplophthalmus oft kaum bemerklich. Bei anderen Onisciden, deren Hautdecke einigermaassen durchscheinend ist, präsentirt sie sich in Gestalt gelblicher Flecken auf der dorsalen Seite der hintersten Segmente des Pereion. Es scheinen demnach hier wesentliche Unterschiede im Stoffwechsel vorzuliegen, die sich nicht auf die Nahrung zurück- führen lassen, da dieselbe bei allen aus vermodernden Pflanzen- theilen und seltener auch aus grünem Futter besteht. Die abgelagerte Masse ist bei durchfallendem Lichte schwarz, fettartig glänzend, bei auffallendem kreideweiss und besteht aus staub- förmigen Pünktchen, länglichen Körperchen ungefähr nach Art eines Wetzsteines an beiden Enden spitz auslaufend und runden Kügelchen, welche sämmtlich das Licht stark brechen, durch Wasser, Alkohol, schwache Essigsäure nicht angegriffen, durch kohlensaures Lithion in concentrirter Lösung aber spurlos aufgelöst werden. Dasselbe gilt für den Zusatz von Kalilauge; während essigsaures Kali in concen- trirter Lösung dieselben unverändert lässt. Auch Salzsäure löst dieselben nicht auf; die bekannte Reaction mit Salpetersäure liess sich bei der spärlichen Menge der zur Verfügung stehenden Con- eremente nicht anwenden. Verdauungssystem. In diesem mit einem physiologischen Namen überschriebenen Abschnitte will ich der Uebersichtlichkeit halber die Mundtheile und den Darmkanal mit seinen Anhängen beschreiben, obwohl erstere — vom morphologischen Gesichtspunkte aus — richtiger unter „Gliedmassen“ zu behandeln wären. 1) Mundtheile!). Dieselben bestehen aus einem Paar Mandibeln, zwei Paaren Maxillen und einem Paar Maxillarfüssen, die sämmtlich als umge- wandelte, der Aufgabe des Ergreifens, Zerkleinerns und Fest- haltens der Nahrung angepasste Gliedmaassen aufgefasst werden 1) Man vergleiche bezüglich derselben die Arbeiten Schöbl’s über diesen Gegenstand, die zuerst Licht über denselben verbreitet haben. Ztschr. f. w. Zoologie 1860. — K. Akad. d. Wissenschaft. Wien 1860. Anatomisches über Trichonisciden. 613 können. Sie unterscheiden sich hierdurch von der Ober- und Unterlippe, die funetionell gleichfalls den Mundtheilen zuzuzählen sind, sich jedoch nicht auf Gliedmaassen zurückführen lassen. Beide bilden vielmehr den Anfang des Darmrohres, mit welchem sie unzertrennlich vereinigt sind; sie sollen daher bei Besprechung dieses näher in’s Auge gefasst werden. Mandibulae: (Fig. 20, Taf. XXVIIL) In dem Bau dieses ersten Kieferpaares, dessen Kauflächen sich zwischen Ober- und Unterlippe bewegen, spricht sich bereits ein den Trichoniseiden eigenthümlicher Charakter aus, insofern diesem Kieferpaare bei den Trichoniseiden sowie bei Ligia und Ligidium gegenüber den übrigen Oniseinen ein besonders gestalteter Kaufortsatz: Processus molaris zukommt. (Figur 20a, Taf. XXVII.) Jede Mandibel besteht aus einem kräftigen, verkalkten Chi- tingebilde, an welchem man einen ausgehöhlten, nahezu viereckigen Körper und zwei von demselben auslaufende Fortsätze unterscheiden kann. In den hohlen Körper dringt der Kaumuskel ein. Seine Fasern, von einer, beiden Kaumuskeln gemeinschaftlichen, median gelegenen chitinisirten Sehne entspringend, weichen fächerförmig auseinander und heften sich an der lateralen und ventralen Wand ‘des Hohlkörpers fest. Anlangend die beiden Fortsätze, so ist der innere, der Pro- cessus molaris, (Apophyse triturante Lereboullet) von eylindrischer Gestalt und trägt an seinem Ende eine geriefte Kaufläche, die sich rechts und links verschieden verhält, indem sie rechterseits gewölbt, linkerseits ausgehöhlt ist. (Figur 20a, Taf. XXVIIL) Der äussere Fortsatz, Processus incisivus, der die directe Fortsetzung des Körpers des Kieferstückes vorstellt, ist auf der rechten Seite mit zwei bis drei, auf der linken mit vier bis fünf hornbraunen Zähnen ausgestattet, die von Aussen nach Innen an Grösse abnehmen. (Fig. 20b, Taf. XXVIlI.) Ausserdem trägt der Zwischenraum zwischen den Kauzähnen und den Mahlflächen einen eigenthümlichen chitinösen Anhang und mehrere tasterartige Gebilde, deren feineres Verhalten folgendes ist: Der eigenthümliche Anhang, ein löffelförmiges, gestieltes, zartes Blättchen aus Chitin bestehend und von weisser Farbe, kommt nur der rechten Mandibel zu und steht gleich unter den Zähnen. Dasselbe ist an seinem schaufelförmigen Ende im Halb- kreis abgerundet und mit zarten Zähnen versehen. Ein gleiches 614 Max Weber: Gebilde kommt gleichfalls Haplophthalmus und zufolge Schiödte’s!) Mittheilung auch Tithanetes zu. Bezüglich der tasterartigen Gebilde besteht ein Unterschied zwischen Haplophthalmus und Trichoniscus, dann aber auch zwi- schen den Arten des Genus Trichoniscus selbst. Bei Triehoniseus batavus, pusillus und roseus findet sich an der rechten Mandibel ein behaarter Anhang, an der linken deren zwei. Trich. Leydigii da- gegen hat rechts zwei, links drei solcher Anhänge, die auf Figur 20, Taf. XXVIII dargestellt sind. Hervorzuheben ist mithin die Vermehrung der tactilen Elemente bei dem blinden Tr. Leydigii. Wenn daher Schöbl?) als Merkmal der Gattung Trichoniseus angibt, dass rechts zwei und links drei tasterartige Gebilde sich befinden, so gilt dies gewiss nicht in dieser Allgemeinheit. Haplophthalmus verhält sich in diesem Punkte, wie die Mehr- zahl der Arten von Trichoniseus. — Was den Bau der Taster an- geht, so sind dieselben blass und halbkreisförmig gebogen und nach dem Processus molaris geneigt; vornehmlich ihre obere oder convexe Seite ist mit zarten Haaren besetzt. Anlangend die Function des ersten Kieferpaares, so geht schon aus dessen Lage zwischen Ober- und Unterlippe hervor, dass dem- selben ganz vorwiegend gegenüber den übrigen Mundwerkzeugen die Zerkleinerung der ergriffenen Nahrung zufällt. Dem entsprechend ist denn auch der Kaumuskel, der die Zähne der Proc. ineisivi und die nach Art von Mahlsteinen in einander eingreifenden Reibe- flächen der Proc. molares horizontal innerhalb der Pforte des Munddarmes gegen einander wirken lässt, kräftig entwickelt. Maxillae priores: (Zweites Kieferpaar Schöbl. Premiere paire de mächoires Lereboullet.) Das zweite Kieferpaar (Tafel XXVIII Fig. 17) besteht aus einer äusseren stärkeren und einer inneren schwächeren Lade, welche durch eine beiden gemeinschaftliche chitinöse Grundplatte (Cardo Schöbl) beweglich mit einander verbunden sind. Die äussere Lade ist ein langes, viereckiges, ausgehöhltes Gebilde, in dessen Hohlraum ein Muskel eindringt. An seinem Ende trägt dasselbe bei Trich. pusillus und batavus zehn, bei Trich. Leydigii neun und bei Haplophthalmus acht Zähne, die in zwei 1) Schiödte: Specim. Fanunae subterraneae 1851. 2) Schöbl: Z. f. w. Zoologie 1860. Anatomisches über Trichonisciden. 615 Reihen angeordnet sind. Die obere Reihe wird durch vier stär- kere Zähne gebildet, die entsprechend der diekeren Chitinlage, woraus sie bestehen, eine braune Farbe haben. Die Zähne der unteren Reihe stehen weniger geordnet nebeneinander und sind schwächer, weiss. Ausserdem ragen zwischen den Zähnen zwei bis drei blasse Borsten hervor, die in den meisten Fällen zwei- zeilig behaart sind; doch können die Haare auch abgeschlissen sein. Der äussere Rand dieser Lade ist nach oben zu mit büschel- weise angeordneten Haaren versehen. — Die schmale innere Lade entwickelt sich aus dem Grundstück mit einem schmalen elastischen Stiele, der sich nach oben zu ver- breitert und an seinem schrägen Ende drei bewegliche Fieder- borsten von blassem Wesen trägt; diese sind bei Haplophthalmus alle drei von ungleicher Länge, während bei Trichoniscus die zwei oberen gleichlangen kürzer sind als die untere. Die innere Lade muss als ein Tastorgan angesehen werden, während die äussere sich durch ihre Bewaffnung mit Zähnen als ein Kauorgan verräth, jedoch von weit geringerer Bedeutung als die Mandibeln, wofür auch die weniger kräftige Entwickelung der Muskulatur spricht. Maxillae posteriores: (Drittes Kieferpaar Schöbl. Deuxi- &me paire de mächoires Lereboullet.) (Taf. XXVIII Fig. 16.) Das dritte Maxillen-Paar, ein blattförmiges zartes Organ, ist das am schwächsten entwickelte Gebilde des Kieferapparates. Es besteht jederseits aus einer einfachen, nach oben verbreiterten und halbkreisförmig abgerundeten Lade. Ungefähr von ähnlicher Ge- stalt auch bei den übrigen Oniscinen, unterscheidet sich dieser Kiefertheil wesentlich von der Ausbildung, die derselbe bei Asellus hat. Hier nämlich ist esein starkes Chitingebilde, das einen gegen die Mittellinie verlängerten Fortsatz trägt, der mit zahlreichen gefiederten Borsten ausgerüstet ist. Ausserdem sind dem eigent- lichen Körper dieses Kiefers zwei ovale, gegen die Mittellinie be- wegliche Fortsätze eingelenkt, die an ihrem oberen abgeplatteten Rande eine Reihe von feinen, gerieften Anhängen tragen. Von alledem ist trotz der grossen Uebereinstimmung in den übrigen Mundtheilen des Asellus und der Trichoniseiden, bei diesen letzteren nichts zu sehen. Als einziger Ueberrest, der an eine einstmalige Zusammensetzung aus mehreren Stücken erinnert, könnte gedeutet werden, dass der obere Rand der Lade nach 616 Max Weber: Aussen hin ziemlich tief eingeschnitten ist. Der einwärts von diesem Einschnitt gelegene obere Rand ist mit einer Anzahl hechel- förmiger Zähne versehen, während das auswärts gelegene Stück des oberen Randes bei Trichoniseus spitz zuläuft und mit einem Zapfen endigt. Der Aussenrand trägt büschelförmig angeordnete Haare, während der Innenrand eine verdickte Chitinleiste aufweist, die dem ganzen, zarten Organe Festigkeit verleiht. — Das Fuss- stück ist hakenförmig ausgezogen und ist einer Chitinspange, die dem Kieferzungengerüste!) angehört, eingelenkt. Oberhalb dieses Hakens findet sich der ovale Eingang in das gleichfalls hohle Innere der Lade, durch den ein Muskel in dieses Kieferstück sich begibt. Auf die feineren Unterschiede, die sich auch an diesem Mund- theil bei den verschiedenen Arten erkennen lassen, näher einzu- gehen, liegt wohl ausserhalb des Kreises dieser Mittheilung. An- langend den Bau dieses Organes bei Haplophthalmus vergleiche man die Abbildung, die Schöbl?) gegeben hat. Pedes maxillares: (Viertes Kieferpaar: Schöbl; Pieds- mächoires externes Lereboullet.) (Fig. 18, Taf. XXVII.) Das Kieferfusspaar bedeckt alle übrigen Mundtheile von unten her und hat eine grosse seitliche Beweglichkeit. Dasselbe besteht zunächst aus einer kleinen Basalplatte (Fig. 18a), welcher die übri- gen Theile eingelenkt sind, und zwar an erster Stelle das Haupt- stück des ganzen Organes: der Körper desselben (b), der auswärts halbkreisförmig ausgebogen ist und sich nach Innen und Oben in einen Fortsatz (e) verlängert, der an seinem Ende ein kleines ge- fiedertes tasterartiges Gebilde trägt. Mit dem Körper beweglich verbunden ist ein anderer Fortsatz (d), der aus breitem Grunde kegelförmig ausläuft, mit Haaren reichlich besetzt und mit Muskeln ausgerüstet ist, die durch den Körper des Kieferfusses laufen. Ich möchte diesen beweglichen Anhang als rudimentäres Homologon des fünfgliedrigen Tasters, wie er bei Asellus gefunden wird, auf- fassen. Anlangend den inneren Fortsatz (ce), möchte ich gegenüber Schöbl hervorheben, dass derselbe nicht beweglich mit dem Körper verbunden ist, sondern dessen eigentliche Fortsetzung bildet, ähn- lich wie wir dies, nur alles stärker entwickelt, auch bei Asellus finden. 1) Schöbl: Ztschr. f. w. Zoologie Bd. 10, 1860. Taf. XXXVI Fig. 6. 2) Schöbl: Akad. d. Wissenschaft. Wien Bd. 40. 1860. Anatomisches über Trichoniseiden. 617 Der Basalplatte ist endlich seitwärts die Lateralplatte (e) eingelenkt, ein zungenförmiges, unterwärts verbreitertes Gebilde. Auch dessen Seitenstück finden wir bei Asellus wieder, nur ist es hier stärker entwickelt in Form einer dreieckigen, auswärts abge- rundeten Platte. Wir begegnen somit bei den Trichoniseiden den- selben Theilen, die auch von Asellus, namentlich dureh die Unter- suchungen von Sars!), bekannt sind. Dies gibt mir Veranlassung über die morphologische Deutung dieses complieirten Kieferpaares Folgendes beizubringen. Wie bekannt, erfreut sich der meisten Zustimmung die An- sicht, dass der als Kopf sich abhebende Körpertheil der Isopo- poden, den Sp. Bate, um einer Identifieirung derselben mit dem Kopfe der Hexapoden vorzubeugen, „Cephalon“ nennt, aus zwei unter sich verschiedenen Theilen zusammengesetzt sei, nämlich dem eigentlichen Kopf (ursprünglich auch aus einer Anzahl von Segmenten zusammengesehmolzen) und einem ersten Thoracalseg- ment, welches in das Cephalon untrennbar eingegangen ist. Diesem ersten Brustring gehört nun als gegliederter Segmentanhang das Kieferfusspaar an. Schöbl hat auf gute Gründe gestützt, die dasselbe zusammen- setzenden Theile auf die Glieder eines Beinpaares zurückgeführt und damit der Ansicht über das Cephalon des Isopodenkörpers neue Stütze gegeben. Zu Gunsten dieser Ansicht möchte ich folgendes von Asellus aquaticus und cavaticus hergenommene Beweismaterial zutragen, dass durch die oben angedeutete Uebereinstimmung in Frage stehenden Mundtheiles bei den Asellidae und Trichoniscidae ge- stützt wird. Bekanntlich entwickelt sich bei den Weibchen des Asellus die Lamelle, welche das Marsupium bilden von der sog. Coxa, dem Grundglied der Beine. Will man nun überhaupt den Kiefer- fuss mit einem Beine vergleichen, so muss der Coxa die Basal- platte (Prosternalplatte Schöbl) entsprechen. Ich finde nun, dass beim Weibehen an der Bildung des Marsupium jederseits eine Lamelle Theil nimmt, die sich von der Basalplatte aus entwickelt, mit Borsten versehen ist und nach hinten vorragt. Dieser Fortsatz ist mithin einer Marsupiallamelle vergleichbar, was für die 1) Sars: Crustaces d’eau douce de Norvege. Christiania 1867. 618 Max Weber: Richtigkeit der Auffassung der Basalplatte als Coxa sprechen dürfte. Was die Bedeutung der Lateralplatte angeht, so hat dieselbe während der Embryonalzeit — wie dies auch Dohrn!) hervor- hebt — das Eigenthümliche, dass sie als Kieme funetionirt. Auch beim erwachsenen Asellus sehen wir, dass sie den Bau einer Kieme in den wesentlichen Zügen beibehalten hat; so sind noch die Stütz- lamellen zwischen den beiden Wänden der Platte übrig geblieben, obwohl nur mehr wenig Blut durch diese Bahnen kreist. Bei Trichoniseus ist das ganze Organ noch mehr redueirt und scheint einen bedeutungslosen Anhang zu bilden. Das ganze Gebilde könnte vielleicht dem kiemenartigen Or- gane verglichen werden, das dem ersten Beinpaar bei Mysis an- hängt, und somit gleichfalls der ursprünglichen Natur des Kiefer- fusses, als eines abgeänderten Beines, das Wort reden. Interessant im Hinblick auf obschwebende Frage ist eine Missbildung, die Schöbl?) bei Typhloniseus fand, „wo nämlich auf der nur in der unteren Hälfte entwickelten Grundplatte des vierten Kieferpaares“ (unser Kieferfusspaar) „noch vier, ganz nor- male, unveränderte Fussglieder sassen.“ Vergleicht man im Allgemeinen die Mundtheile des Asellus mit denen der Trichoniseiden, wie wir es für einzelne Theile ge- than haben, so findet man beide nach den gleichen Grundzügen gebildet, jedoch die des Asellus verwickelter eingerichtet und mit viel zahlreicheren Anhängen, Zähnen und Borsten versehen. Muss man nun zweiffellos die Stammform unserer Land-Isopoden in einem wasserbewohnenden Isopoden suchen, so lässt sich denken, dass ein Theil dieser zarten Anhänge, die im Wasser flottirend, sich hier gut erhalten konnten, bei der Anpassung an das Land- leben rückgebildet und vereinfacht werden. 2. Darmkanal. Den Darmkanal, der als ein. gerade verlaufendes Rohr mit ziemlich gleichbleibendem Kaliber, den ganzen Körper vom Cepha- 1) Dohrn: „Die äussere Lade der Beikiefer gleicht einer ausser Function gesetzten embryonalen Kieme.“ Entwickelg. d. Asellus aquat. Z. f. w. 2. Bd. 17. 2) Schöbl: Akad. d. Wissensch. Wien Bd. 40. 1860 pag. 296. Anatomisches über Trichonisciden. 619 lon bis zum letzten Segmente des Pleon durchzieht, theilen wir ein in den Vorder-, Mittel- und Enddarm. Die Grenze zwischen den beiden ersteren wird durch die Einmündungsstelle des Hepatopancreas, die kurz hinter dem Magen statt hat, abgesteckt; die zwischen Mittel- und Enddarm durch einen plötzlichen Unterschied in der Weite, die gepaart geht mit einem Zusammenrücken der Muskulatur, der eirculären sowohl als der longitudinalen im Bereiche des Enddarmes. Vorderdarm. Die Eingangspforte des Darmrohres, der eigentliche Mund, wird dargestellt durch zwei horizontal gestellte, ehitinöse Gebilde, die Ober- und Unterlippe, zwischen denen sich die Mahlflächen und die zähnetragenden Endstücke der Man- dibeln treffen. Von den Autoren bisher stets zu den Mundtheilen gestellt, möchte ich sie hiervon abzweigen und mit ihnen die Be- schreibung des Vorderdarmes einleiten; denn nicht nur bilden sie, ohne Grenze in diesen übergehend, den thatsächlichen Anfang des- selben, sondern auch organologisch sind sie grundverschieden von den eigentlichen Mundtheilen, insofern man ani hnen niemals modifieirte Segmentanhänge erblicken kann, in der Art, wie man dies doch mit vollem Rechte für die eigentlichen Mundtheile zu thun gewohnt ist. Oberlippe: Dieses halbkugelförmige Gebilde (Fig. 15 Taf. XXVII) ist zum Theil chitinöser, zum Theil mehr häutiger Natur. Ersteres insofern sich dasselbe aus dem starren Skelete des Kopfes entwickelt und zwar mit scharfem Absatze dort, wo letzterem die inneren und äusseren Antennen eingelenkt sind. Halbkreisförmig vorspringend, biegt sich die Oberlippe in sanfter Rundung zur Unterseite des Kopfes in das Darmrohr um und ist eben hier von häutiger Beschaffenheit. Nach dem Munddarme zu wird dieser häutige Theil abgegrenzt und in seiner Form festgehalten dureh eine lippenförmig geschweifte Chitinspange. Ausserdem geht von dieser unteren Grenzspange jederseits ein chitinöser Stab nach vorn; in diesem Bogensystem ist der häutige Theil der Oberlippe wie in einem Rahmen ausgespannt und es wird dieselbe in Gestalt einer schalenförmigen Höhlung erhalten, die mit der Kopfhöhle in direeter Verbindung steht. An ihrer Unterseite, die den Mundtheilen zugekehrt ist, und zwar in das Darmrohr vorspringend, besitzt die Oberlippe einen dicken häutigen Zapfen, der die Chitinspange überdeckt und über 620 Max Weber: dieselbe nach hinten hinausragt. Ferner ist der grösste Theil der Unterseite behaart und zwar derart, dass die Haare mit ihrem freien Ende gegen die Mundöffnung gerichtet sind. Die Anordnung derselben ist folgende: die Haarbekleidung beginnt, in halbkreis- förmigen Linien eingepflanzt, am vorderen Rande des Örganes und läuft nach der Mundöffnung allmählig spitz zu, indem die halb- kreisförmigen Linien stufenweise kürzer werden. Auch der oben- genannte Zapfen ist seitlich mit zarten Haaren besetzt. Die ganze Anordnung der Haare spricht dafür, dass denselben vornehmlich wohl die mechanische Aufgabe zufällt, das Zurtick- treten der zerkleinerten Nahrung zu verhindern; möglich ist es, dass daneben die zarten, dem Zapfen seitlich aufsitzenden Haare als Tastorgane dienen. Wenn wir somit der Oberlippe eine doppelte Function zu- schreiben, so wird doch die mechanische bei der Nahrungs-Auf- nahme die vornehmlichste sein; in Uebereinstimmung hiermit ist denn auch der Bau des Organs. Wie bereits gemeldet, ist dasselbe hohl und eommunieirt mit der Höhlung des Kopfes, eine Einrich- tung, wodurch die ganze Oberlippe stets ganz und gar mit Blut erfüllt ist; es scheint nun, dass je bei reichlicherer oder geringerer Füllung der häutige Theil der Oberlippe, insbesondere der in die Mundhöhle vorragende Zapfen mehr oder weniger anzuschwellen vermag. Dieses mithin auf den Endeffeet schwellbar zu nennende Organ ist demgemäss im Stande, sich den Mandibeln (nach Art eines elastischen Kissens) anzuschmiegen und ganz besonders durch seinen Zapfen sich in den jeweilig beim Kauen entstehenden Zwischenraum zwischen den Mandibeln einzufügen. Auf diese Weise wird die zu zermahlende Nahrung stets zwischen die Kau- flächen der Mandibeln gedrückt. Diese bedeutungsvolle Einrichtung der Oberlippe steht übrigens nicht einzig da. Nahezu das Gleiche finde ich bei Asellus aquatieus und cavatieus, doch sind es hier mehr kugelige Säcke, die jederseits an der Unterseite der Ober- lippe neben Chitinspangen bei Füllung mit Blut hervortreten; auch hat bereits Leydig!) ein ähnliches Organ bei Lynceus lamellatus abgebildet. Auch in anderen Stücken scheint die Oberlippe dieser weit entfernt stehenden Crustaceen derjenigen der Trichoniseiden zu gleichen; so hebt der genannte Forscher hervor und zeichnet 1) Leydig: Naturgesch. d. Daphniden 1860 pag. 214 Taf. VII Fig. 54. Anatomisches über Trichonisciden. 621 es bei verschiedenen Arten der Daphniden, dass die dem Schlunde zugekehrte Oberfläche der Oberlippe dicht behaart sei, selbst in den Fällen, wo die übrige Lippenoberfläche glatt ist. Noch grösser ist die Uebereinstimmung mit den Asellidae, wo das Organ gleich- falls mit einem behaarten, in den Schlund vorragenden Zapfen ausgestattet ist. Unterlippe. Dieses von den meisten Autoren „Zunge“ ge- nannte Organ bildet das Gegenstück zur Oberlippe und steht im gleichen Verhältniss zum Oesophagus wie diese, indem auch sie, innig mit dem Schlunde zusammenhängend, ventralwärts den Ein- gang in denselben darstellt. Während aber die Oberlippe gleich- zeitig der Hautdecke des Kopfes angehört, die schliesslich in den Munddarm sich einstülpt, überdeckt die Unterlippe von oben her die Mundtheile, mit Ausnahme der Mandibeln, die sich ja zwischen ihr und der Oberlippe bewegen. Die Unterlippe (Taf. XXVII Fig. 14) besteht aus zwei ungefähr halbmondförmigen Stücken, die je einer Chitinspange aufsitzen, der Art, dass dieselben gegeneinander bewegbar sind. Die Chitin- spangen ihrerseits sind einem unpaaren Chitinstabe angefügt, der sich längs der Unterseite des Kopfes hinzieht, den Muskeln der beiden Maxillen als Ursprung dient und der Unterseite des Schlundes eine Stütze gibt. Derselbe entwickelt sich aus einem Chitinring, der gewissermaassen dem in das Cephalon eingegangenen ursprüng- lichen ersten Thoracalsegment, von dem oben bei der Besprechung der Kaufüsse Meldung gemacht wurde, entspricht und der vornehm- lichste Träger der Maxillen und des Kaufusspaares ist. Jeder Lappen der Unterlippe ist reichlich mit Borsten ausgerüstet, über deren Anordnung Taf. XXVIIL Fig. 14 Auskunft gibt, wo dieses Organ von der Unterseite in Verbindung mit der Oberlippe dargestellt ist. Das Verhältniss beider Organe zu einander ist hieraus ersicht- lich; der zwischen beiden gelegene Spaltraum, in welchem sich die Mandibeln gegen einander bewegen, stellt den Eingang in den Schlund vor. Das Verhältniss der Schlundwand zur Unterlippe wird deutlich, wenn man sich vorstellt, dass die der Oberlippe zugekehrte Innenfläche der Unterlippe auf Fig. 14 Taf. XXVIL sich in die Schlundwand fortsetzt, welcher von Aussen das Spangen- system angelagert ist. Anlangend die Funetion der Unterlippe, so bildet dieselbe gleichsam eine Schutzplatte, die verhindert, dass die Speisen, die 622 Max Weber: zwischen den Mandibeln zerrieben werden sollen, aus dem Munde herunter fallen, während doch die seitliche Beweglichkeit es mög- lieh macht, dass die Mundspalte sich nach unten öffnen kann und auf diese Weise gleichzeitig mit den übrigen Kauwerkzeugen in Verbindung bleibt. Der Vorderdarm erreicht sein Ende mit dem Magen, der nur um einiges weiter ist als der Munddarm. Was seinen Bau angeht, der deutlich als Triturationsorgan angelegt ist, wie das ihm eigen- thiimliche Gerüste von Chitinspangen und zarten Reibeflächen dar- thut, so will ich auf Lereboullet’s!) und Sehöbl’s?) Mitthei- lungen und Abbildungen verweisen, da ich namentlich denen des Letzteren niehts Wesentliches beizufügen weiss. Der Mitteldarm beginnt im ersten Segmente des Pereion und ist durch eine Einschnürung vom Magen geschieden. An dieser Stelle liegt die Einmündung der vier Blindschläuche des Hepatopan- creas und zwar jederseits zwei, die mit gemeinschaftlichem Gange in den Darm sich öffnen. Ueber den Bau des Hepatopancreas weiss ich meinen früheren Auseinandersetzungen®) nichts Neues beizufügen. Ich finde hier gleichfalls dieZellen, die ich seinerzeit als „Leber“- und „Ferment- zellen“ bekannt machte. In der äusseren Form gleichen die vier Blindschläuche denen, die ich von Platyarthrus Hoffmannseggii Kr. (Typhloniseus Steinii Schöbl) an genanntem Orte näher beschrieb. Von der Einschnürungsstelle ab erweitert sich der Darm ein wenig birnförmig, um, sich verengend, in den Enddarm überzugehen. An letzterem liegt die Muskulatur weit enger als am Mitteldarm. Ausserdem besteht ein selbstständiger Sphineter am Ende des Darmes kurz vor der Analöffnung in Gestalt von Muskelfasern, die, zwischen den chitinösen Theilen des letzten Segmentes des Pleon ausgespannt, den Darm zwischen sich fassen. Anlangend den feineren Aufbau desDarmes sei auf Lereboullets*) Beschreibung 1) Lereboullet: Mem. d. 1. soc. d’hist. nat. d. Strassbourg. IV. 1852. pag. 85. 2) Schöbl: Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 40; 1860 u. Ztschr. f. w. Zoologie. Bd. 10. 1860. 3) Max Weber: Ueb. den Bau und die Thätigkeit d. sog. Leber d. Crustaceen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XVII. 1879. 4) Lereboullet: Möm. d. 1. soc. d’hist. nat. d. Strassbourg. T. IV. Anatomisches über Trichonisciden. 623 desselben von anderen Geschlechtern und auf eine Notiz von Ley- dig!) hingewiesen. Weibliche Geschlechtsorgane. Ueber diese Organe liegen mehrere werthvolle Mittheilungen vor; namentlich ist das Ovarium Gegenstand eingehender Unter- suchungen gewesen, unter denen die von Leuckart?) und van Beneden?) zu nennen sind. Allerdings beschäftigten diese sich mit anderen Genera (Armadillo, Porcellio, Oniseus), doch scheinen bei Triehoniseus — insoweit ich diesem Gegenstande meine Aufmerksamkeit zu- wenden konnte — die gleichen Verhältnisse maassgebend zu sein. Einer erneuerten Untersuchung scheint mir aber das Herkommen der gekernten Protoplasmaschicht, aus welcher sich an der äusseren Seite des Ovarium die Eier entwickeln, zu bedürfen. Es gilt noch zu entscheiden, ob diese sich nicht von dem Epithelbelag des Jungen Ovarium herleitet. Dies scheint mir nicht unwahrscheinlich zu sein, was namentlich im Hinblick auf die Auffassung von v. la Valette St. George‘), wonach das Ei der Gammariden als eine umgewandelte Epithelzelle des Ovarium zu betrachten sei, belang- reich wäre. Das Ovarium mündet durch einen kurzen ausgeweiteten Ovi- duct an der ventralen Seite des fünften Segmentes des Pereion aus, und zwar mit einer feinen, spaltförmigen Oeffnung, von der Form eines Bisquits mit verdickten Rändern. Dasselbe ist ebensowenig, wie das Oviduet mit einer Chitinhaut versehen, wie dies Schöb]?) von Porcellio scaber behauptet, indem er beide Organe als Chitin- schläuche bezeichnet. Ausser der Tunica propria nehme ich nur eine vom Fettkörper sich herleitende Tunica adventitia wahr, und dass der Epithelbelag beider Organe Chitin abscheide, wird ge- wiss Niemand behaupten wollen. Mich für oder gegen die Be- hauptung des genannten Forschers, wonach „die Genitalöffnungen 1) Leydig: Lehrb. d. Histologie. 1857. pag. 352. 2) Leuckart: Artikel Zeugung. pag. 807. 3) E. v. Beneden: Rech. s. l. composition et 1. signification de l’oeuf. pag. 128 ft. 4) v. la Valette St. George: Studium üb. d. Entwickelg. d. Am- phipod. u. Isopod. 1860. pag. 9. 5) Schöbl: Arch. f. mikr. Anat. Bd. XV. p. 125 ff. 624 Max Weber: sammt den receptaculis seminis nur zu gewissen Zeiten des Jahres vorhanden sind, während sie anderen Jahreszeiten völlig mangeln“, auszusprechen, gestatten meine diesbezüglichen Untersuchungen nicht, um so weniger, als dieselben schon jetzt Manches zu Tage gefördert haben, was mit dieser Behauptung nicht in Einklang zu bringen ist. Wohl aber muss ich zugeben, dass ein Receptaculum seminis besteht, wenn auch vielleicht nur ein Abschnitt des Oviductes dies darstellt. Männliche Geschlechtsorgane. Während über das Ovarium und dessen Ausführungswege bei den Oniseiden, wie wir oben gesehen haben, genaue Angaben vor- liegen, und namentlich auch bei Untersuchung des ersteren zur Erlangung einer Einsicht in die Oogenese das Mikroskop heran- gezogen wurde, hat der männliche Geschlechtsapparat eine gleich genaue Bearbeitung bisher noch nicht erfahren. Allerdings liegen ältere Arbeiten, namentlich von Lereboullet, vor, die auch den mikroskopischen Bau des Hodens ins Auge fassen, doch sind die Resultate nach heutiger Auffassung als fehlerhaft zu bezeichnen und blieb namentlich die Unkenntniss über die Spermatogenese, sowie darüber, in welehem Theile des Hodens dieselbe sich abspielt, eine bedeutende Lücke. Selbst der grob-anatomische Bau der Copulationsorgane blieb den Monographen unserer Thiergruppe, Brandt und Lere- boullet, verschlossen, auch wurde deren Bedeutung und die Art, wie deren Theile wirksam sind, von ihnen verkannt. Hierin hat erst Sehöbl eine Aenderung gebracht durch Klarlegung der Theile bei Platyarthrus Hoffmannseggii und Haplophthalmus elegans; doch sind seine Untersuchungen über letztgenannte Assel weniger ein- gehend. Lag somit hier noch ein weites Arbeitsfeld offen, so war es doch vornehmlich der Bau der männlichen Keimdrüse und die Spermatogenese, die einer Bearbeitung bedurften, und die um so wünschenswerther war, als bei der genauen Kenntniss der Oogenese alsdann leicht eine genaue Prüfung der Angaben Nussbaum’s'!) 1) Nussbaum: Zur Differenzirung d. Geschlechts im Thierreich. Arch. f. mikrosk. Anat. XVINH. Anatomisches über Triechonisciden. 625 ins Werk gestellt werden konnte. Genannter Forscher vergleicht in seiner Untersuchung über die Differenzirung des Geschlechtes die Keimstoffe beider Geschlechter und parallelisirt diese und die Hüllen derselben, die, vom Ei als Follikelepithel längst bekannt, auch für die Samenzellen mancher Thiere als Follikelhaut durch v. la Valette St. George!) nachgewiesen worden sind. Aus der grossen und so verschiedenartige Thiere umfassenden Familie der Crustaceen lagen nun Nussbaum nur einzelne Beispiele (Astacus fluviat., Daphniden und Copepoden) vor, bei denen gleicherweise Oogenese und Spermatogenese bekannt war. Die Möglichkeit einer weiteren Vergleichung musste aber um so wünschenswerther sein, als bisher unter den Crustaceen nur bei Astacus fluv. eine Um- hüllungshaut um die Spermatocyten durch Nussbaum angezeigt wurde. Ich konnte nun eine solche auch für die Isopoden nach- weisen und damit eine Vergleichung der männlichen und weiblichen Keimstoffe ins Werk stellen, die ganz im Sinne Nussbaum’s ausfiel und das Gesetz von v. la Valette St. George?) über die Sper- matogenese auch für unsere Thiergruppe bestätigte. Die oben genannte Vergleichung wurde noch leichter dadurch, dass in der Samenblase des männlichen Hodens eigenthümliche Verhältnisse vorliegen, die ich dahin deuten muss, dass im Hoden abortive Eier erzeugt werden; abortiv insofern, als sie nicht nach Aussen befördert werden. Bei der Beschreibung der in Frage stehenden Organe werde ich zunächst die äusseren, alsdann die inneren Geschlechtsorgane abhandeln. l. Copulationsorgane. Dass in dem Bau der Copulationsorgane des Männchen we- sentliche Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Species von Trichoniscus liegen, habe ich bereits früher bei Beschreibung der mir bekannten Arten dieses Genus aus Holland angedeutet. Bei mangelnder Abbildung bin ich dort?) nicht näher darauf einge- sangen; auch habe ich diese Merkmale diagnostisch nicht verwerthet, 1) v. la Valette St. George: Man vergleiche namentlich: Arch. f. mikr. Anat. Bd. X, XI, XV. 2) v. la Valette St. George: Arch. f. mikr. Anat. Bd. XV. 3) Max Weber: Ueber einige neue Isopoden der niederländ. Fauna. Tydschrift der Nederlandsch. Dierkundige Vereenigg. 1881. Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd, 19. 49 626 Max Weber: da das Verhalten dieser Theile bei Arten, die mir nicht zur Hand waren, unbekannt ist. Jetzt nun seien diese Organe von den ver- schiedenen Species von Trichoniseus näher besprochen; zugleich eine Ergänzung meiner früheren Mittheilung. Es ist das Verdienst Schöbl’s, den complieirten männlichen Copulationsapparat von Platyarthrus und Hoplophthalmus ans Licht gesetzt und dessen functionelle Bedeutung gegenüber den Angaben früherer Forscher erkannt zu haben. Vergleiche ich seine Angaben mit dem, was ich bei Trichoniscus finde, so dürfte sich bei den Oniseinen im Allgemeinen der männliche Begattungsapparat aus folgenden Theilen aufbauen: 1. Ein unpaares, schlauchförmiges Gebilde, das am ersten Segment des Pleon gelegen, durch die Vereinigung der beiden Vasa deferentia testis entsteht. Schöbl!) beschreibt dieses Gebilde von Typhloniscus und nennt dasselbe „Samenbläschen : Vesicula semi- nalis“. Bei den von mir untersuchten Trichonisei ist es jedoch durchaus nicht mehr ein Samenbehälter, als auch die Vasa defe- rentia. Im Gegentheil, man kann die letzteren voll Spermatozoen finden, ohne dass in dem schlauchförmigen Anhangsgebilde etwas von Spermatozoen zu sehen ist. Es ist die einfache, über die ventrale Fläche des Thieres hinausragende Fortsetzung der Vasa deferentia, durch welche, bei Contraction der eirculären Muskulatur der Vasa deferentia, die Spermatozoen nach Aussen befördert wer- den. Es wird daher nur während des Begattungsaktes Samenfäden enthalten. Die echte Samenblase dagegen werden wir später, als den inneren Geschlechtstheilen angehörig, kennen lernen. 2. Der durch diese schlauchförmige Fortsetzung der Vasa deferentia nach aussen beförderte Samen wird von einem eigen- thümlichen Apparate aufgenommen, der jederseits durch einen langen, schmalen rinnenförmig ausgehöhlten Anhang des ersten Segmentes des Pleon dargestellt wird. Derselbe ist bei einzelnen Arten mehrgliederig und unterscheidet sich bei Trichonisceus in wesentlichen Stücken von dem, von Schöbl zuerst beschriebenen Anhang. Bezüglich desselben, der von den früheren Autoren bei anderen ÖOniseinen als Penis beschrieben wurde, hat Schöbl darauf hingewiesen, dass er nicht in die weibliche Geschlechts- öffnung eingeführt werden kann. Hierzu wird ein drittes Gebilde verwandt, welches wir alsbald werden kennen lernen. Obwohl 1) Schöbl: Akad. d. Wissensch. Wien 1860. Bd. 40. Anatomisches über Trichonisciden. 627 nun Schöbl mit Recht von diesen Anhängen aussagt, dass sie „nur die Samenmasse von den Samenbläschen aufnehmen und zu den Ruthen fortleiten,‘“ so nennt er sie doch „organa ejaculatoria“, indem dieselben im Stande sein sollen, durch Muskelwirkung ihr Lumen zu verengern und auf diese Weise die Samenmasse, die in ihnen enthalten ist, auszutreiben. Mag diese Funetion auch vielleieht den Anhängen von Platyarthrus zukommen, bei Tricho- niscus ist dies sicherlich nicht der Fall. Hier sind es in der That Apparate, die den Samen von der Mündung der vasa defe- rentia passiv zu den Penes fortleiten. Zu diesem Zwecke sind sie derart mit Muskeln ausgerüstet, dass sie bei der unpaaren Mündung der beiden Vasa deferentia sich anlegen können und mit einer Hohlkehle versehen, um den aufgenommenen Samen zu den Penes fortleiten zu können. 3. Diese letzteren, die am zweiten Segmente des Pleon an- gebracht sind, verdienen in der That insofern den Namen Penes, als sie in die weibliche Geschlechtsöffnung eingeführt oder der- selben dicht angelagert werden können, um den Samen, der ihnen von den eben genannten Leitungsorganen zugeführt wird, in die- selbe zu ergiessen. Dementsprechend besitzen sie eine Muskulatur, die im Stande ist, die beiden Penes auseinander zu spreizen und deren Endglied derartig zu richten, dass dasselbe die weibliche Geschlechtsöffnung erreichen kann. Entsprechend der ausserordentlichen Feinheit der letzteren sind die Penes bei den Arten, wo sie in die Oeffnung gebracht werden müssen, in äusserst feine Spitzen ausgezogen; wogegen sie da, wo sie nur in innigen Contact mit dieser Oeffnung kommen, einigermaassen löffelförmig und mit einem dichten Haar- besatz versehen sind. In eine solche feine Spitze oder in die löffelförmige Verbreiterung läuft eine Hohlkehle aus, die mit weiter Austiefung beginnt, und in welche sich bei dem Begattungsaete das unterste Ende des Samenleiters hineinlegt. Zur innigeren Verbin- dung dieser beiden ist das untere Ende des letzteren mit eireulär verlaufenden Erhöhungen, bei anderen mit kleinen Widerhäkchen versehen. Auf der anderen Seite ist ferner bei einzelnen Arten die genannte Austiefung, mit welcher die Rinne des Penis beginnt, gleichfalls mit nach unten gerichteten starren Borsten ausgerüstet, die sich an die Bewaffnung des Samenleiters anhäkelnd ein inniges Aneinanderhalten beider zu Wege bringen. 628 Max Weber: Gehen wir nun zur Beschreibung dieser Theile bei den ver- schiedenen Arten über, wobei auf die Figg. 19 Taf. XXVIIL; 3, 4, 5, 6, 9, 10, 14, 15, 16 auf Taf. XXIX verwiesen wird. Der unpaare Ausmündungskegel der beiden vasa deferentia ist ein schlauchförmiger Anhang der ventralen Fläche des ersten Segmentes des Pleon. In der Medianlinie desselben gelegen, be- steht er aus einer dünnhäutigen Cuticula mit der zugehörigen Matrix. Er wird von den vasa deferentia durchzogen, die sich an seiner Wurzel zu einem unpaaren Canal vereinigen und sobald dies geschehen ist, das ihnen eigenthümliche Epithel verlieren und nun einen Canal vorstellen, dessen Wand durch Matricalgewebe gebildet wird, das mit platten, reihenweise geordneten Kernen derselben anliegt. Nach Innen zu wird das Lumen des Kanals durch eine zarte Cuticula abgegrenzt. Dasselbe mündet nach Aussen durch eine weite Oeffnung, die an dem schräg abgeschnit- tenen Ende des schlauchförmigen Anhanges gelegen ist, nach unten sieht und nahezu ringsum von zarten Haaren dicht umstanden ist. Ueber die Verschiedenartigkeit dieses Gebildes bei verschie- denen Species werden die Figg. 3, 6, 9, 14, 15 auf Taf. XXIX die beste Vorstellung geben. Von Lereboullet!) wird dieser kurze, schlauchförmige An- hang als „verge‘ bezeichnet, während er den nachfolgend zu be- schreibenden paarigen Copulationsorganen die Funktion zuschreibt, die Beine des Weibchens auseinanderzuhalten. Ganz abgesehen da- von, dass diese Anhänge unmöglich im Stande sind, das fünfte Beinpaar des Weibchens — von dem allein hier die Rede sein kann — zu erreichen, während sie selbst am ersten und zweiten Segmente des Pleon angeheftet sind, kann diese Auffassung schon deshalb nicht richtig sein, weil das, was Lereboullet „verge“ nennt, ein kurzer, unbeweglicher chitinöser Schlauch ist, der, in der Medianlinie gelegen, von der paarigen, weiblichen Genitalöffnung weit entfernt ist. — Was die Mittheilungen P. Mayer’s?) angeht, in seinen schönen Untersuchungen über den Hermaphroditismus bei parasi- tischen Isopoden, so scheint hier entschieden ein Irrthum vorzu- 1) Lereboullet: Mem. s. 1. Crust. d. l. famille des Cloportides. p. 112. 2) P. Mayer: Mittheil. aus d. Zoolog. Station zu Neapel. Bd. I. Heft 2. pag. 167 ff. Anatomisches über Trichonisciden. 629 liegen. Ganz allgemein sagt er von den Hoden der freilebenden Isopoden aus, dass dieselben „durch ein gemeinsames vas deferens am siebenten Brustsegmente nach Aussen münden. Ferner sind entweder zwei dicht nebeneinander nahe der Mittellinie des Bauches entspringende Penes vorhanden oder es findet sich (bei Oniseiden) ein unpaarer Penis vor.“ Demgegenüber muss ich bemerken, dass bei Oniseiden die unpaare Ausmündung der beiden vasa deferentia — wie wir eben gesehen haben — am ersten Segmente des Pleon geschieht. Offenbar meint nun P. Mayer, dass diese schlauch- förmige Ausmündungsstelle bei den Onisciden der Penis sei, in welcher Beziehung auf die oben vorgebrachten Gegengründe ver- wiesen sei. — Ist diese Auffassung von Mayer’s Meinung die richtige, so bleibt es unklar, wie er bei anderen Isopoden von zwei Penes sprechen kann, da er die symmetrischen Anhänge der beiden ersten Segmente des Pleon kennt und in ihnen Hülfsvor- richtungen sieht. Was die paarigen Copulationsorgane angeht, so ist das erste Paar derselben, die Organa ejaculatoria seminis von Schöbl, dem ersten Segment des Pleon angeheftet, und fasst dasselbe den Ausführungsgang der vereinigten vasa deferentia zwischen sich. Ich will dieses Organ, entsprechend seiner Function: passiv den Samen zu dem Penis zu leiten, Samenleiter nennen. Jeder Samen- leiter wird überdeckt von einer mehr oder weniger dreieckigen oder halbrunden Decklamelle, analog den Decklamellen der Kiemen- blätter. In seinem Bau ist derselbe bei den verschiedenen Species recht verschieden. Am einfachsten liegen die Verhältnisse bei Triehoniseus roseus. Hier besteht er aus einem länglichen, dorso- ventral zusammengedrückten Gebilde, das ungegliedert übergeht in einen schmalen Fortsatz, der mit halbmondförmig verbreiterter Platte endigt (vergl. Fig. 4 Taf. XXIX). Der schmälere Theil ist mit einer Rinne versehen, die in die Austiefung der Endplatte über- geht. Letztere ist mitHaaren und kurzen gebogenen Borsten aus- gerüstet. Ein jeder Samenleiter kann, an der ventralen Fläche stets überdeckt von der dreieckigen Decklamelle, durch Muskeln seitlich bewegt werden. Dass von einer Fähigkeit, den durch das vas deferens zuge- leiteten Samen activ auszuspritzen, bei diesem Organ nicht die Rede sein kann, liegt wohl nach der Beschreibung auf der Hand. Der Samenleiter des Trichoniseus Leydigii ist hiervon 630 Max Weber: nur in der Form verschieden. Er stellt hier ein plattenartiges Gebilde vor, welchem gleichfalls ein mit einer Rinne versehener schmaler Fortsatz aufsitzt, der aber nicht mehr verbreitert, son- dern konisch endigt und an seinem untern Drittel Riefen auf- weist, die sich an den Anfangstheil der Hohlkehle des Penis festhäkeln. Auch die Form der Deeklamellen ist eine andere, als bei Triehoniseus roseus. Es sind dies sehr grosse halbmondförmige Platten, die nach unten zu zwei eigenartige, gekniete Anhänge tragen, die an ihrem Ende in einen Pinsel zarter Haare auslaufen. Bezüglich des topographischen Verhaltens der Theile unter einander vergleiche man Fig.6 auf Taf. XXIX, wo das erste Segment des Pleon mit den anhängenden Samenleitern und dem Ausführungskegel des vas deferens dargestellt ist. Wesentlich andere Verhältnisse treffen wir bei Trichoniseus batavus. Der Samenleiter zeichnet sich hier vor den beiden so- eben beschriebenen Typen dadurch aus, dass er aus zwei gelenkig verbundenen Stücken besteht: einem einigermaassen cylindrischen Basalstück, das an der Aussenseite, nahe seiner Verbindung mit dem Segment einen Höcker trägtund einem etwa flaschenförmigen Endstück, nahezu von gleicher Länge wie das Grundstück, aber von einer tiefen Rinne durchzogen. Diese tiefe Rinne nimmt an ihrem Anfang die ganze Breite der Unterfläche des Endstückes ein, läuft dann, sich verschmälernd, nach der Innenseite und endigt mit feinem Schlitze, indem die Seitenränder einander entgegen gebogen sind. Die letzteren sind an dem Anfang der Rinne mit feinen Haaren reich- lich besetzt; auch das Ende des ganzen Gebildes trägt solche in Form eines Büschels und ist gleichfalls wie bei Trichoniseus Leydigii mit kreisförmig verlaufenden Riefen versehen, die auch hier wieder sich festhaken an starre Borsten der Hohlkehle des Penis. Die Decklamelle gleicht in ihrer Gestalt der des Triech. roseus. Ueber die Lagerung des Samenleiters zum Penis und zur Ausmün- dung des vas deferens gibt Fig. 9 Taf. XXIX Aufschluss. Der Samen- leiter kann auch hier wieder durch seitliche Verschiebung der ge- nannten Ausmündung angelagert werden, wobei der beiderseitige Haarbesatz die Ueberleitung der Samenmasse wesentlich erleichtern und sichern wird. Auch bei Trich. batavus kann diesem Organ die Fähigkeit: activ die Samenmasse auszuspritzen, nicht zugeschrieben werden. Anatomisches über Trichonisciden. 631 Penis. In dem zweiten Paar der symmetrischen Anhänge sprechen sich nicht minder deutliche Artunterschiede aus, als in dem Samenleiter. Dasselbe soll darum gleichfalls von sämmtlichen, mir vorliegenden Arten beschrieben werden. Während die älteren Autoren: Treviranus und Brandt dieses Paar von Anhängen in verschiedener Weise als Leiter der Ruthe, Nebenruthe, Lereboullet gar als Apparat zum Auseinander- halten der Beine des Weibchens deuteten, wies Schöbl!) zuerst nach, dass dasselbe bei den von ihm untersuchten Arten: Platy- arthrus und Haplophthalmus als der eigentliche Penis aufgefasst werden müsse. Bei den Arten, die mir vorlagen, ist dieses Paar von Anhängen nun zwar nicht immer der Art geformt, dass es in die weibliche Geschlechtsöffnung eingeführt werden kann, doch aber in einem solchen Falle so eingerichtet, dass es der spalt- förmigen Oeffnung innig angelagert, durch schuppenförmige Haken und Borsten in dieser Lage festgehalten wird. Auch in einem derartigen Falle kommt mithin dem Apparate die Function zu, die in den Samenleiter ergossene Samenmasse in die weibliche Genital- öffnung zu bringen. Functionell liegen hier mithin dieselben Ver- hältnisse vor, wie sie Schöbl am genauesten für Platyarthrus beschreibt. Am ähnlichsten dem Penis, wie er bei genannter Assel ge- funden wird, ist dieses Gebilde bei Trich. batavus. Derselbe besteht aus einem kurzen eylindrischen Basalstück, das dem zweiten Segmente des Pleon aufsitzt und aus einem, ge- lenkig mit ersterem verbundenen, langen, pfriemenförmigen End- sttick, das in eine feine, schräg abgeschnittene Spitze ausläuft und von einer tiefen Rinne durchzogen wird (vergl. Fig. 10 Taf. XXIX). Im Anfangstheil derselben finden sich kurze, steife Borsten, die nach abwärts gerichtet sind. Der Samenleiter wird nun mit seinem gerieften Ende in den Anfang dieser Rinne gelegt, die Borsten der letzteren häkeln sich fest an die Riefen und es wird auf diese Weise eine innige und feste Verbindung beider Theile erzielt und damit ein durchlaufender Canal gebildet von der Mündung der vasa deferentia bis zur weiblichen Geschlechtsöffnung, der, obwohl verschiedentlich winkelig gebogen, dem Lauf der Spermatozoen einen festen Weg vorschreibt. 1) Schöbl: Z. £. w. Z. 1860 u. Akad. d. Wissensch. Wien 1860. Bd. 40. 632 Max Weber: Neben jedem Penis hängt an der lateralen Seite eine halb- mondförmig gebogene Deckplatte, homolog den Decklamellen der Kiemenblätter, die verschiedentlich mit Haaren besetzt ist. Bei Trichoniscus roseus finden wir einen wesentlich anderen Penis. Derselbe besteht (efr. Fig. 5 Taf. XXIX) aus drei nahezu sleichlangen Stücken, von welchen die beiden ersten gleichwerthig sind dem Grundstück des Penis bei Trich. batavus, während das Endstück, mit einer tiefen Rinne versehen, dem Endstück des Penis dieser Assel entspricht. In der Form unterscheidet er sich aber von diesem dadurch, dass er dicker endigt. Aus diesem Grunde möchte ich glauben, dass es nicht in die Genitalöffnung des Weibehens eindringen kann, sondern vielmehr derselben nur innig angelagert und in dieser Lage festgehalten wird durch drei- eekige, nach oben gerichtete Zäckcehen, die reihenweise dem End- stück aufsitzen, während ähnliche Zäckchen in der Umgebung der weiblichen Geschlechtsöffnung gefunden werden. Vergleicht man das Endstück des Penis bei Trich. roseus und batavus, so fällt die Kürze desselben bei ersterem auf. Dasselbe muss in Uebereinstimmung hiermit weiter von der Ausmündung der vasa deferentia entfernt sein, als dies bei Trich. batavus der Fall ist. So erklärt sich die grössere Länge des Samenleiters, zugleich dürfte dessen abweichender Bau in Verband stehen mit der Bildung des Endstückes des Penis bei Trich. roseus. Ein Blick auf Fig. 4 und 5 Taf. XXIX wird es deutlich machen, wie geeignet das verbreiterte Ende des Samenleiters ist, um sich in die Rinne des Penis zu legen. Der Penis des Trich. Leydigii nimmt eine Mittelstellung ein zwischen den beiden soeben beschriebenen Typen. Demjenigen des Trich. batavus gleicht er darin, dass er zweigliederig ist, wäh- rend sein verbreitertes Endstück ebensowenig wie bei Trich. roseus in die weibliche Geschlechtsöffnung gebracht werden kann. Das- selbe ist im Uebrigen mit dem eylindrischen Grundstück gelenkig verbunden und von einer Rinne durchzogen. Auf der convexen Seite laufen Leisten nach abwärts, die nahe dem Ende gesägt sind. Das Ende selbst ist halbmondförmig ausgeschnitten (vergl. Fig. 19 Taf. XXVIII). Die Deeklamelle ist weit grösser als beiden anderen Arten; am medialen Rande gerade verlaufend, am lateralen ausge- schweift und unterwärts mit einem Dorn bewaffnet. Ueber das Verhalten der geschilderten Organe bei dem echten Anatomisches über Trichonisciden. 633 Trieh. pusillus Br. kann ich nichts berichten. Mir lagen nur weibliche Exemplare aus Dänemark vor, die ich der Güte des Herrn Dr. Budde-Lund verdanke. Die Kenntniss derselben wäre namentlich auch im Hinblick auf die Frage wünschenswerth, ob Tr. batavus nur eine Varietät des Tr. pusillus ist, als welche ich ihn vorläufig aufgefasst habe, oder aber eine gute Art: eine Frage, die vielleicht durch die männlichen Copulationsorgane zu entschei- den wäre; da ja, wie wir gesehen haben, die Unterschiede an diesen Organen gute Art-Merkmale an die Hand geben. Vergleicht man den Bau der Copulationsorgane der vorge- führten Arten mit den diesbezüglichen Beschreibungen, die über andere Genera der Land-Isopoden in der Literatur niedergelegt sind, so erhält man folgende Stufenleiter nach dem Grade der Ausbildung. Soweit bis jetzt bekannt, erfreuen sich die männlichen Geni- talien der Tylinen!) der geringsten Differentiation, indem die vasa deferentia innerhalb der von einem Canal durchzogenen Ruthen getrennt einmünden. Diese Ruthen sind an das zweite Segment des Pleon angeheftet. Eine höhere Ausbildung weisen alsdann Ligia und Ligidium auf, indem hier beide vasa deferentia, ein jedes für sich getrennt, als röhrenförmige Verlängerung des Integumentes über die Unterfläche des ersten Postabdominalseg- mentes hinausragt und mit seinem Ende die entsprechende Ruthe erreicht. Dieser wird somit von Aussen die ergossene Sperma- masse zugeführt, ohne dass die Ruthe durchbohrt, sondern nur rinnenartig ausgehöhlt ist. Bei den übrigen Oniseiden (Oniseinen s. str.) wird dieser Apparat nur dadurch complieirter, dass die Uebertragung des Sperma seitens des vas deferens auf die Ruthe nicht direct ge- schieht, sondern durch Vermittelung eines Hülfsorganes, das, vom ersten Postabdominalsegmente entspringend, oben als Samenleiter von mir beschrieben wurde. In Verband hiermit mag es stehen, dass die vasa deferentia nicht mehr getrennt, sondern vereinigt ausmünden in Gestalt eines weiten Schlauches, der zwischen den Ueberleitungs-Organen gelegen ist. 1) Man vergleiche hierzu v. Ebner: Helleria, eine neue Gattung der Isopoden. Zoolog.-Botan.-Verein. Wien 1868. pag. 108. 634 Max Weber: Il. Innere Geschlechtsorgane. 1. Bau der Hodenschläuche. Spermatogenese. Der Hoden des Genus Trichoniscus besteht aus drei spindel- förmigen Schläuchen, die getrennt in einen geräumigeren Abschnitt: die Samenblase, einmünden. (Man vergl. hierzu Fig. 3 Taf. XXIX.) Von eylindrischer Gestalt geht diese plötzlich, ungefähr in der Höhe des sechsten Segmentes des Pereion in einen engen Ausführungs- gang (vas deferens) über, der gemeinschaftlich mit dem der an- deren Seite durch den unpaaren, in der Medianlinie des Körpers gelegenen chitinösen Schlauch, von dem bereits oben ausführlich die Rede war, nach Aussen mündet. Da beide Hoden dorsal liegen zur Seite des Darmrohres, so muss jedes vas deferens im Bereiche des siebenten Segmentes des Pereion sich um den Darm herum nach unten umbiegen, um seine Ausmündungsstelle zu erreichen. Nachdem dies zur allgemeinen Orientirung vorausgeschickt ist, will ich zu dem ferneren Aufbau dieser Organe übergehen. Da für die hierzu nöthige Untersuchung das Material an lebenden Triehoniseiden natürlich nicht ausreichend war, habe ich, nament- lich bezüglich der Spermatogenese meine Untersuchungen auch auf Porcellio ausgedehnt und nebenbei auch Ligia und Philoseia dar- aufhin verglichen. Gewiss kann dies nur von Vortheil sein für die nachfolgenden Notizen, um so mehr als über die mikrosko- pischen Verhältnisse der männlichen Geschlechtsorgane der Oni- seiden nur die Angaben Lereboullets aus dem Jahre 1852 vor- liegen, der den Bau derselben gänzlich verkannt hat. Auch mir sind noch manche Punkte dunkel geblieben, da meine Untersuchungen nur über einen kleinen Theil des Jahres sich ausdehnen konnten. Doch glaube ich, dass in diesem Capitel auch unvollständige Untersuchungen nicht ganz überflüssig sind, da denselben gerade bei den Onisciden noch besondere Schwierig- keiten dadurch eigen sind, dass die Bildung von Spermatozoen fast das ganze Jahr hindurch vor sich geht. Die drei Hodenschläuche entwickeln sich mit dünnem Kaliber aus der Samenblase, schwellen dann bauchig an, um ausserordent- lich fein, für das blosse Auge nicht wahrnehmbar, kuppelförmig zu enden. Scheinbar aber zieht sich jeder Schlauch in einen feinen Anatomisches über Trichonisciden. 635 Faden aus, der hier und dort dicker nach dem Kopfe zu verläuft, um schliesslich fein zu endigen. Diese fadenförmige, feine Fort- setzung gehört nun nicht mehr zum Hoden als solehem, sondern ist vielmehr die Fortsetzung der Tunica adventitia desselben, die sich vom Fettkörper herleitet und die Hodenschläuche, nebst Samen- blase und vas deferens von einer zarten, mit Kernen versehenen Membran umkleidet. Am blinden Ende des Hodens setzt sie sich in Gestalt eines zarten, glashellen Röhrehens fort, das an manchen Stellen durch zahlreiche, eingelagerte runde Kerne des Fettkörpers ausgeweitet ist, um schliesslich als äusserst feiner Strang im Fett- körpergewebe, das den Darm umhüllt, zu endigen und beim Heraus- präpariren der Hodenschläuche hier durchgerissen wird. Auf dieses Verhalten, das in seiner Bedeutung leicht zu er- kennen ist, möchte ich um so mehr aufmerksam machen, als Lereboullet!) von diesen unschuldigen Fettkörperzellen, die dem beschriebenen fadenförmigen Peritonealstrang eingelagert sind, wo er nichts mehr vom Hoden umscheidet, schreibt: „Je suis dispos& ä& les regarder comme de cellules spermatiques; cependant quoique jaie examine des testicules au printemps et en automne, je n’ai pas vu de difference dans la forme des cellules qui y sont eontenues.“ In Uebereinstimmung damit nennt er diese Peritoneal- fäden: „Utrieules seereteurs,* während er die eigentlichen Hoden- schläuche mit dem Namen „Utrieules fusiformes“ oder „Testieules accessoires“ belegt. Dass diese aber die einzigen Theile des Hodens sind, in denen Samenfäden bereitet werden, soll jetzt dargelegt werden. Wie bereits gemeldet, haben dieselben zumeist nach Aussen eine glashelle tunica adventitia, welcher hier und da platte Kerne eingelagert sind. Einzelne solcher Kerne, nebst einem zugehörigen Stück der abgerissenen Adventitia habe ich auf Fig. 25 Taf. XXVIII abgebildet, da solche Präparate, so lange man der Sache noch fremder gegen- übersteht, die Täuschung hervorrufen können, dass man es mit Entwickelungszuständen von Spermatozoen zu thun habe. Alsdann folgt eine dünne Tunica propria, als Ausschei- dungsprodukt der Hodenzellen selbst; denn selbstständige Zellen, 1) Lereboullet: Mem. s. 1. Crust. d. 1, famille des Cloportides. p. 108. 636 Max Weber: die dieser deutlich am blinden Ende des Hodens wahrnehmbaren Haut angehören möchten, konnte ich nieht nachweisen. Die zellige Bekleidung der Blindschläuche endlich tritt unter recht verschiedener Gestalt in die Erscheinung. Zerzupft man im ersten Frühjahr einen derartigen Schlauch in einer mög- lichst indifferenten Flüssigkeit, so erblickt man runde Zellen, deren grosser Kern nahezu die ganze, aus äusserst hellem Protoplasma bestehende Zelle einnimmt. Er selbst ist gleichfalls hell und höch- stens nur fein gekörnt und enthält ein kleines stark lichtbrechendes Körperchen. Daneben gewahrt man, anscheinend wirr dazwischen liegend, grosse gekörnte Kerne, die bald stabförmig, bald spindelförmig, oder an einem Ende ausgezogen und zuweilen nach einer Fläche hin gebogen sind. Da man bei Betrachtung eines Hodenschlauches in toto die letztgenannten Kerne namentlich in der unteren Hälfte desselben regellos neben einander liegend findet, während näher dem blinden Ende zu einzig die grosskernigen Zellen liegen und man auf diese Weise zu keiner Einsicht über die Bedeutung dieser Theile kommt, so empfiehlt es sich, die Untersuchung ganz junger Thiere vorzu- nehmen, die sich zum ersten Male anschieken, Spermatozoen zu bilden. Auch ältere Thiere, die man in den ersten Tagen des Frühjahrs untersucht, sind brauchbar, doch hängt man hierbei noch mehr vom Zufall ab. Besonders störend ist es hierbei, dass nahezu das ganze Jahr hindurch die Production von Spermatozoen vor sich geht. An solehen Präparaten nimmt man wahr, dass in der Nähe des blinden Endes des Schlauches aus der gleichartigen Lage von Zellen einzelne sich durch Grösse besonders herausheben. Weiter nach abwärts findet man solche Zellen umstanden von einzelnen Zellen, deren Grenzen verwischt sind, deren Kern jedoch nicht mehr rund, sondern etwas in die Länge gezogen und deutlich ge- körnt ist. (Fig. 7 Taf. XXIX.) In dem flaschenförmig ausgebauchten Theile des Schlauches wird dieses Verhalten noch prägnanter, indem hier langgezogene körnige Kerne nach Art einer Hülle eine solehe grosskernige Zelle umlagern (Fig. 17, Taf. XXIX, 22a und b., 24 Taf. XXVII). Endlich gelang es mir auch kugelige Kapseln (23. Taf. XXVII; Fig. 11, Taf. XXIX) vereinzelt wahrzunehmen, die zahlreiche kleine, Anatomisches über Triehonisciden. 637 an besonders frischen Präparaten polygonale Zellen mit grossem Kern enthalten, die von Aussen umlagert sind wieder von den grobkörnigen Kernen, die sich nun als die Kerne ausweisen, von denen Eingangs gesprochen wurde. Ihr zugehöriger Zellleib ist nur ganz vereinzelt in undeutlichen Ueberresten noch nachzu- weisen; er scheint in die Kapselwand eingegangen zu sein. Wenn mir nun auch keine Reihe von Beobachtungen, die sich über ein ganzes Jahr erstrecken, zu Gebote steht, so habe ich doch soviel wahrgenommen, dass die Bildung der Spermato- zoen in diesen Kapseln vor sich geht, ein Punkt, auf den ich gleich zurückkommen werde. Die geschilderten Phasen der Hodenzellen zusammenfassend, möchte ich mich dahin äussern, dass hier die Art der Spermato- senese vorliegt, die von la Valette St. George zuerst bekannt gemacht hat. Am blinden Ende des Schlauches liegt eine gleichartige Masse von Rundzellen, die sich epithelartig anordnen. Nach der Ausmündung des Schlauches zu treten zwischen diesen granulirte Kerne auf, die sich hier und da regelmässig um eine grössere Zelle der obigen Lage anordnen. Wir haben damit eine „Sper- matogonie“ umgeben von den Kernen der „Follikelzellen“. Durch Theilung entsteht aus der Spermatogonie ein Haufen von Zellen, der seinerseits wiederum von den genannten Kernen umlagert ist, die nun weiter auseinander liegen, aber einer Membran einge- bettet sind, die den Zellhaufen nach Art einer Kapsel umschliesst. Es liegt somit ein Hodenfollikel vor, bestehend aus den Theilpro- dueten der Spermatogonie: die „Spermatocyten‘“, deren Gesammt- heit die „Spermatogemme“ im Sinne von von la Valette St. George!) darstellt. Diese ist umgeben von einer zarten Mem- bran der „Follikelhaut“, welcher die mehrgenannten Kerne ange- hören. Als Theilung der Spermatogonie fasse ich die eigenthümlichen Formen der Kerne auf, die wohl mit der maulbeerförmigen Kern- theilung, wie sie durch von la Vatette St. George bekannt gemacht ist, übereinstimmen dürfte. An diese Kerntkeilung wird sich eine Zerlegung der Zellsubstanz anschliessen und daraus die Bildung der Spermatocyten resultiren. 1) v. la Valette St. George: Die Spermatogenese b. d. Säugeth. u. d. Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XV. 638 Max Weber: Meine Untersuchungen stimmen demgemäss mit denen über- ein, die Nussbaum!) an Astacus fluviatilis gewonnen hat. Ebenso wie ihm, ist auch mir die Herkunft der Follikelzel- len nicht deutlich geworden. An der Follikelhaut ist deren Grenze nicht anzudeuten, sie scheinen sich ganz und gar in dieselbe um- gewandelt zu haben, während die Kerne sich stets deutlich prä- sentiren. Näher nach dem blinden Ende des Schlauches zu meine ich diese letzteren sparsamem Protoplasma eingebettet gefunden zu haben, das zwischen den grosskernigen Ursamenzellen lag. Ich war nicht in der Lage, diese Untersuchung zu Ende zu führen, doch möchte ich mich der Ansicht zuneigen, dass sie aus Epithel- zellen entstehen, in der Weise, dass einzelne derselben sich ver- grössern zu echten Spermatogonien, während benachbarte, da- zwischen gelagerte sich zu Follikelzellen umwandeln. Ueber das Feinere der Entwickelung der Spermatozoen selbst habe ich keine genauere Nachforschung gehalten. In diesem oder jenem Follikel fand ich aber unentwickelte Spermatozoen, sodass dieselben sich mithin aus den Spermatoeyten entwickeln. Ihre Gestalt ist die bekannte der Spermatozoen der Onisciden über- haupt: lang, fadenförmig, mit etwas verbreitertem Kopfende, dem bei Triehoniseus feine Häkchen seitlich ansitzen, während bei anderen dasselbe einfach gestreift erscheint. In den verschiedenen Stadien der Entwickelung der Spermatozoen nimmt man die von andern Thieren bekannten Erscheinungen wahr. Der Kern zieht sich an einem Ende aus, geht endlich in den langen Faden über und ist hierbei manchmal hirtenstabförmig gebogen. Häufig ge- wahrt man noch einen Protoplasmarest, der dem Kerne anliegt und zuweilen noch das Kopfende mehrerer neben einander liegen- der Spermatozoen gemeinschaftlich einhüllt. Meist findet man in den Hodenschläuchen zu einem, oft zu mehreren Biüscheln angeordnete Spermatozoen, die, gerade ausge- streckt, den grössten Theil des Lumen des Schlauches einnehmen. 2. Bau der Samenblase und von der Erzeugung von Eiern in derselben. Die Samenblase wurde bereits als ein schlauchförmiges Gebilde angezeigt, in welches die drei Hodenschläuche einmünden. 1) Nussbaum: Zur Differenzirung des Geschlechts. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd XVIII. Sep.-Abdrk. p. 53. Anatomisches über Trichonisciden. 639 Es wurde dort auch gemeldet, dass sie sich plötzlich verengert, um auf diese Weise in das vas deferens überzugehen. Ueber den Bau dieses Organes, das von Brandt ausdrücklich als Hoden bezeichnet wird, liegen ausführlichere Angaben nur von Lereboullet!) vor. Er schreibt, dass in denselben grosse Zellen gelegen sind, die einen grossen Kern nebst Körnchen und sehr kleinen Bläschen enthalten. Er fährt dann fort: „Des cor- puseules irreguliers, de forme variable et qui paraisseut &tre des noyaux, se voient entre les grandes cellules.“ Einen derartigen Inhalt, natürlich ausser Spermatozoen, die das ganze Jahr in der Samenblase enthalten zu sein scheinen, findet man nun in der That meistens, jedoch nicht immer. Die „grossen Zellen“ bekleiden nämlich nicht zu allen Jahreszeiten das ganze Lumen der Samenblase. An Exemplaren von Trich. roseus nahm ich Ende März wahr, dass aus dem gleichmässigen Zellenbelag der Samenblase sich eine Reihe von Zellen durch Grösse heraushob, die längs der medialen Wand der Blase nach abwärts zog, an der Einmündungsstelle des innersten, obersten Hodenschlauches ihren Anfang nahm und sich bis zum Ende der Samenblase, wo diese in das vas deferens übergeht, sich erstreckte. (Fig. 3a, Taf. XXIX). Diese grossen Zellen, die durchgehend zu zweien angeordnet waren, wurden umlagert von den Epithelzellen der Samenblase. Es war deutlich zu erkennen, dass sie anders nichts waren als besonders vergrösserte derartige Epithelzellen (Fig. 12, Taf. XXIX), Zu anderen Jahreszeiten dagegen sieht man die ganze Wand der Samenblase ringsum mit solchen grossen Zellen belegt, die ganz das Aussehen von Eiern haben. Der grosse Kern, der die Hälfte der Zelle einnimmt, ist Anfangs hell, und nur vereinzelte lichtbrechende Körnchen liegen in demselben; später ist er dicht mit solchen angefüllt. Das Plasma ist gleichfalls gekörnt und enthält bei recht grossen Zellen kleine Plättehen und Tröpfchen, die sich in Osmiumsäure bräunen und kleinen Dotterplättehen vergleichen lassen. Ist die Samenblase in diesem Zustande, so liegen die einzelnen grossen Zellen nicht mehr dicht nebenein- ander, wie es bei der oben beschriebenen reihenweise Nebenein- ander-Lagerung derselben der Fall war, zwischen ihm lagern 1) Lereboullet: Mem. s. 1. Crust.d. 1. famille des Cloportides. p. 110, 640 Max Weber: vielmehr Kerne, die einem körnigen Protoplasma eingelagert sind, das aber in manchen Fällen runde Tröpfehen enthält (Fig. 13, Taf. XXIX). Man gewinnt hierdurch den Eindruck, als habe man es mit Eiern zu thun, die von einem Follikelepithel umstellt sind. Der Gang der Entwiekelung scheint der zu sein, dass einzelne Zellen sieb besonders stark entwickeln und nun von benachbarten, klein gebliebenen Zellen nach Art einer Granulosa umgeben werden. Haben die grössten Zellen ihr grösstes Ausmaass erreicht, so bleibt für die ovalen Kerne nur mehr wenig Platz übrig, innig liegen dieselben alsdann den grossen Zellen an. Es soll nicht mit Stillschweigen übergangen werden, dass auch den früheren Autoren diese Zellen aufgefallen sind. In welcher Weise Lereboullet sich über dieselben äussert, wurde bereits mitgetheilt. Bemerkenswerther ist, wie dieselben von v. Siebold und Stein erwähnt werden. Ersterer!) sagt von ihnen, dass ihm zwischen den Sperma- tozoenbündeln eigenthümliche Körper aufstiessen, die fast wie Ei- keime aussahen; was er aus denselben machen soll, weiss er nicht zu sagen. Diese Ei-Aehnlichkeit betont Stein?) noch schärfer mit den Worten: „Diese Zellen des Hodens sind von den Eiern der weiblichen Isopoden fast gar nicht zu unterscheiden... .“. Da er richtig erkannt hat, dass aus denselben keine Samenfäden ent- stehen, benutzt er dieselben zu seiner damaligen Hypothese, wo- nach die Spermatozoen nicht als das befruchtende Prineip gedeutet werden dürfen; in den fraglichen Zellen erblickt er nun das be- fruchtende Product des Hodens und nennt sie demgemäss „Samen- körper“. Lereboullet tritt nun mit Recht gegen diese Auffassung auf, erbliekt aber seinerseits in ihnen das Substrat für die Bil- dung der Spermatozoen, während ihm die Hodenschläuche — wie wir oben sahen — nur Nebenhoden sind. Ueber die Bedeutung dieser Zellen für den Thierkörper weiss ich nichts auszusagen. Nach aussen werden sie nicht be- 1) v. Siebold: Ueb. d. Spermatozoen d. Crustac. ete. Müllers Archiv 1839 p. 28. 2) Stein: Ueb. d. Geschlechtsverhältnisse d. Myriapoden ete. Müllers Arch. 1842. p. 272. Anatomisches über Trichonisciden. 641 fördert. Auch spricht alles dagegen, dass ihnen eine seeretorische Funetion zukomme. Anfangs war ich geneigt ihnen eine solche zuzuschreiben. Bemerkenswerth ist es nämlich, dass die Bündel von Samenfäden, die in der Samenblase enthalten sind, fest an- einander kleben; als ich jedoch wahrnahm, dass das gleiche auch für die Samenfädenbündel gilt, die noch in den Hodenschläuchen liegen, habe ich den Gedanken fahren lassen, dass dies einem Secrete der grossen Zellen zu danken sei. Es ist dies eine Eigen- schaft, welche die Samenfäden schon aus den Hodenschläuchen mitbringen. Zu einer ganz anderen Einsicht dürften wir aber gelangen, wenn wir die beschriebenen grossen Zellen in der 'That als eine Art von Eier auffassen — die jedoch niemals nach Aussen ge- langen — und somit der Samenblase neben ihrer funetionellen Bedeutung eines Reservoirs zum Aufbewahren des Samens, die morphologische eines rudimentären Ovariums zukäme Es wäre dies namentlich mit Rücksicht auf den echten Hermaphro- ditismus, wie er bei den parasitischen Isopoden aus der Gruppe der Oymothoidae vorkommt, von einigem Interesse. Nachdem vielfach über diese Entdeckung Bullar's!) gestritten worden ist, hat P. Mayer?) dieselbe wohl durch seine Untersuchungen sicher gestellt. Zur Erklärung des Entstehens dieser Erscheinung glauben nun beide Autoren annehmen zu müssen, dass alle Isopoden von zweigeschlechtlichen Vorfahren abstammen. P. Mayer ist ferner der Meinung, dass man auch bei den übrigen Isopoden noch Ru- dimente der hermaphroditischen Anlage zu finden erwarten könne. Diesbezüglich sagt er: „Daraufhin habe ich denn auch sowohl die nächsten Verwandten der in Rede stehenden Parasiten, nämlich die Gattung Criolana und Conilera, als auch Idothea und Oniseus auf diesen Punkt geprüft und bei den ersten beiden die deutlich- sten Anzeichen der gesuchten Verhältnisse gesehen, während aller- dings die beiden letzten mir den gewünschten Aufschluss noch nicht gegeben haben...‘ Ich glaube nun, dass in der Samen- blase ein solches Rudiment der hermaphroditischen Anlage erkannt werden kann. In der Form hat dieselbe gewiss viel von einem Ovarium. Ein solches Rudiment scheint beim Männchen bisher 1) Bullar: Journ. of Anat. a. Phys. XI. 1876. 2) P. Mayer: Mitth. a. d. Zoolog. Inst. zu Neapel Bd. I. Heft 2. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 43 642 Max Weber: um so mehr einzig dazustehen, als P. Mayer bei der oben ge- nannten Cirolana und Conilera an den Genitalien der Männchen „durchaus nichts Weibliches“ finden kann, „dafür aber setzen sich beim Weibehen die Ovarien nach hinten in einen Faden fort, welcher wie ein vas deferens zum siebenten Segmente hinzugehen scheint.“ Vergleicht man die hermaphroditische Geschlechtsdrüse, wie sie P. Mayer von Anilocra mediterranea abgebildet hat, mit dem Hoden der Oniseinen und parallelisirt man hierbei die Samenblase dem Ovarium der Aniloera — wobei natürlich der Oviduet abzu- rechnen ist — so lässt sich die Gleichheit nicht verkennen. Uebrigens steht die Erscheinung der Bildung von Eiern im Hoden, die als rudimentäre bezeichnet werden müssen, da sie nie- mals befruchtet werden und auch niemals nach Aussen gelangen, nicht einzig da. Bereits vor Jahren ist dieselbe von Trevira- nus!) für die Phalangiden und noch jüngst von Nebeski?) für Crevettinen angezeigt worden. Doch liegen im letzteren Falle die Verhältnisse wesentlich anders, indem hier die Eier im vordersten Ende des Hodens liegen und mit dem männlichen Geschlechtspro- duete niemals in Berührung kommen. Neben dem geschilderten Zellenbelag wird die Wand der Samenblase aus einer Tunica propria, welcher spärliche eireuläre Muskeln aufliegen und nach auswärts von einer Tunica adventi- tia aufgebaut. Letztere führt in bekannter Weise platte Kerne (Fig. 13, Taf. XXIX). Die gleichen Theile setzen auch das vas deferens zusammen, dessen Lumen weit enger ist als das der Samenblase, nur sind hier die eireulären Muskeln reichlicher vertreten und ist der Epi- thelbelag ein anderer. Es sind kubische Zellen, die im unteren Theile des vas deferens eine chitinöse Intima entwickeln. Gleich- falls ist der vom Fettkörper sich herleitende Ueberzug: Tunica adventitia, reichlicher mit Kernen versehen. Pigmentzellen, wie sie so zahlreich am vas deferens bei Porcellio entwickelt sind, dass dasselbe sich durch seine schwarze Farbe abhebt, fehlen den Triehoniseiden. Desgleichen auch die ampullenförmige Auswei- 1) Vermischte Schriften Bd. I. Diese Beobachtung ist weiterhin durch Krohn: Arch. f. Naturg. 1865; de Graaf: Zoolog. Anzeiger Nr. 47 1850 und Loman ebendort Nr. 49 bestätigt worden. 2) Nebeski: Arb. a. d. Zoolog. Institut Wien 1880. p. 24. Anatomisches über Trichonisciden. 643 tung, die ich bei Porcellio am unteren Ende des vas deferens wahr- nahm. — Ueber die Art der Ausmündung, die für beide vasa de- ferentia gemeinschaftlich ist, wurde bereits oben gehandelt. (Fig. 3, 14, Taf. XXIX.) Ueber Geschlechtscharaetere. Inı Anschluss an obige Mittheilungen über die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sei hier noch der Umformung des siebenten Beinpaares beim Männchen von Trich. roseus Er- wähnung gethan. Auf diesen secundären Geschlechtscha- racter, auf welchen ich bereits in der mehrfach eitirten Beschrei- bung der niederländischen Triehoniseiden aufmerksam gemacht habe, muss so mehr hingewiesen werden, als die Ausbildung sol- cher Charactere bei unseren einheimischen Land- und Süsswasser- Isopoden eine untergeordnete Rolle spielt. Zur Bestätigung dessen sei es gestattet, das mitzutheilen, was mir diesbezüglich bekannt wurde. Zunächst ist bei Asellus aquaticus auffallend, um wie vieles grösser das Männchen als das Weibehen ist. Macht man aber Bekanntschaft mit dem Copulationsaete dieser Thiere, so findet man diesen sexuellen Unterschied begründet in der Art, wie dieser Act vor sich geht. Während derselbe sich nämlich über eine Reihe von Tagen erstreckt, fällt dem Männchen die Aufgabe zu das Weibchen von dem Rücken her mit dem fünften Beinpaar zu umklammern und mit dieser Bürde belastet der Nahrung nachzu- gehen. Bei unseren Land-Asseln macht sich ein solcher Grössen- Unterschied weit weniger, z. Th. gar nicht bemerkbar. Bei Tri- choniseus und Haplophthalmus ist mir etwas derartiges nicht auf- gefallen. Bei Porcellio jedoch führt Lereboullet den mehr ver- längerten Körper als für das Männchen characteristisch an, doch muss, seiner eigenen Aussage nach zu schliessen, dieser Unter- schied wenig in die Augen springend sein. Dieses von Asellus aquaticus abweichende Verhalten kann uns nun nicht Wunder nehmen, wenn wir uns der gänzlich ab- weichenden, von Schöbl!) zuerst beobachteten Art der Copula erinnern. Sie vollzieht sich nach ihm in der Weise, dass das Männchen mit dem auf dem Rücken liegenden Weibehen sich für 1) Schöbl: Arch. f. mikr. Anat. Bd. XVII. 644 Max Weber: kurze Zeit vereinigt. Eine überwiegende Stärke des ersteren wird somit nicht erfordert, auch besteht kein Kampf unter männlichen Rivalen um den Besitz der Weibchen. Als weitere seeundäre Geschlechtscharactere sind von Asellus aquaticus und cavaticus anzuführen, dass beim Männchen die Zahl der Antennenglieder eine reichere ist. Auf die bedeutsame Vermehrung der Riechzapfen beim Männchen von Asellus cavaticus — die gleichzeitige Ver- srösserung dieser Elemente bei beiden Geschlechtern erklärt. sich einfach als Compensation für die fehlenden Augen — konnte ich !) schon früher hinweisen. Die bessere Ausrüstung des Männchens mit solehen Sinnesorganen, die das Auffinden des Weibehens er- leichtern, musste bedeutungsvoller sein für den im Dunkeln leben- den augenlosen Asellus cavaticus, als für den im Tageslicht sich aufhaltenden, mit Augen versehenen Asellus aquaticus. Bei Aseilus aquat. liegt ferner ein männlicher Character in der grösseren Länge der Caudalanhänge. Ueber diesen Geschlechts- Unterschied kann ich von Asellus cavaticus nichts beibringen, doch findet sich derselbe auch bei verschiedenen Arten von Por- cellio, worauf bereits Lereboullet aufmerksam gemacht hat. Der- selbe erstreckt sich nicht nur auf die bei Männchen prävalirende Länge der Schwanzgriffel, sondern auch auf deren Form. Ausser diesem unbedeutenden accessorischen Geschlechtscharaecter ist mir diesbezüglich nur Spärliches von unseren Land-Isopoden bekannt geworden. So glaubt Leydig?) „wahrzunehmen“, z. B. an Porcellio armadilloides, „dass beim Weibchen die Elemente der Haarbürste (an den Beinen befindliche Borsten) „geringer entwickelt und weniger zahlreich sind als beim Männchen. Darnach darf man die Vermuthung hegen, dass ihre Entwickelung an dieser Stelle eine Beziehung zum Geschlechtsleben hat“. Hierzu sei bemerkt, dass Lereboullet?) das gleiche Verhalten ebenfalls von Porcellio armadilloides, doch auch von einigen anderen Asseln anführt. Seinen Angaben zufolge scheinen auch die Männchen ein- zelner Arten sich kräftigerer Beine zu erfreuen als die Weibchen, doch fehlen genauere Angaben und bei den untersuchten Tricho- nisciden ist mir hiervon nichts bemerkbar geworden. Sollte diese 1) Max Weber: Zoolog. Anzeiger II. 1879. p. 233. 2) F. Leydig: Ueb. Amphipod. u. Isop. Z. f. w. Z. XXX. Suppl. p. 259. 3) Lereboullet: Möm. d. 1. soc. d’hist. nat. de Strassbourg. Bd. IV. Anatomisches über Trichonisciden. 645 stärkere Entwickelung mit dem Geschlechtsleben in Verband ste- hen, und dem Männchen während der Copula einige Vortheile gewähren, so wäre dies eine Ueberleitung zu unserem Falle von der zangenartigen Natur des siebenten Beinpaares des männlichen Trich. roseus. Die Umformung desselben habe ich in Fig. 8, Taf. XXIX abgebildet; sie besteht darin, dass die Innenseite des Meros (Tibia) nach unten in einen breiten Fortsatz ausgezogen ist, wodurch das ganze Glied einigermassen dreieckig wird mit der Basis nach unten. Diese ist neben dem Fortsatz ausgerandet und mit einer diekeren Chitinleiste versehen. Entsprechend der letzteren, besitzt auch der Carpus eine Leiste, wodurch ein zangen- artiges Organ gebildet wird. Dem Gebrauche eines solchen Halte- Apparates, der wohl geeignet ist etwa ein Bein des Weibchens festzuklemmen, steht die supponirte Rückenlage des Weibchens während der Copula durchaus nicht im Wege. Das nimmt aber nicht weg, dass ihr plötzliches Auftreten, während bei den Gat- tungsgenossen nichts derartiges wahrgenommen wird, befremdend ist. Allerdings ist die Form des Penis bei Trich. roseus eine andere als bei Trich. batavus und der Art, dass derselbe der weiblichen Geschlechtsöffnung nicht eingeführt werden kann, was bei Trich. batavus wohl der Fall ist; es dürfte unter solehen Um- ständen ein Organ zum Festhalten des Weibehens wohl werthvoll sein, um den Penis der Oeffnung innig angelagert zu erhalten. Doch bleibt es dann immerhin auffallend, dass bei Trich. Leydigii, wo das Gleiche vom Penis gilt, nicht ebenfalls ein solcher Appa- rat zur Entwickelung gekommen ist. Der Annahme, dass diese Zange dazu dienen möge, ein Bein des Weibchens festzuklemmen, ist gewiss folgendes Verhalten des siebenten Beinpaares beim Weibehen günstig. Während sämmt- liche Beine bei beiden Geschlechtern mit vereinzelt stehenden langen Dornen ausgerüstet sind und die Hautdecke eine dachzie- gelförmig angeordnete Schuppenbildung aufweist, bemerkt man am zweiten Gliede des siebenten Beinpaares des Weibehens und zwar an dessen nach vorne schauender Fläche drei bis vier nie- drige dicht nebeneinander liegende Leisten, die in der ganzen Länge des Gliedes nach abwärts ziehen und mit starren kurzen Borsten besetzt sind. Bringt man diese dichte dornige Bewaff- nung, die auf Fig. 2, Taf. XXIX abgebildet ist, in Zusammenhang mit der Zange des Männchens, so wird man wohl nicht irren in 646 Max Weber: der Annahme, dass während der Copula das Männchen mit seiner Zange dieses Bein-Glied des Weibchens erfasst, um letzteres fest- zuhalten und dass hierbei dieser Dornen-Besatz die Zange wesent- lich unterstützen wird. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVIII und XXIX. a jo 2) Tafel XXVII. . Stück der Hautdecke von Trichoniscus Leydigii. . Optischer Durchschnitt eines Stückes der Epimerenplatte von Trich. batavus, mit Goldehlorid behandelt. Geschwärzte verzweigte Zellen mit Ausläufern zu den Haaren, eingebettet in die Matrix, deren Kerne dargestellt sind (Zeiss F. 2). . Dasselbe von Trich. Leydigii mit stark entwickeltem Nervennetz und den geschwärzten Nerven eingelagerten spindelförmigen Zellen, die wohl den verzweigten Zellen entsprechen (Zeiss. F. 2). . Ein mit Goldchlorid behandeltes Hautstück von Philoscia muscorum juv. Bei a eine Chromatophore, deren Ausläufer zum Theil die Matrix zellig abgrenzen, und die noch rechts oben mit einer ver- zweigten geschwärzten Zelle in Verbindung steht. Die Ausläufer solcher Zellen enden zum Theil in Haaren z. Th. in der Matrix (Zeiss F. 21/,). a Verzweigte pigmentlose Zelle von Trich. Leydigii. b Kerne der Matrix. Hautdrüse von Trich. Leydigii. . Chromatophoren von Philoscia muscorum juv., die erst theilweise Pigment enthalten und unter einander durch Ausläufer verbunden sind. Chromatophoren von einem pigmentarmen Trich. batavus mit be- ginnendem Pigmentschwunde. . Hautdrüse von Trich. roseus. a der dem Ausführungsgang angelagerte Kern. . a Eine solche Drüse nach Behandlung mit Essigsäure. .b Ende des äusseren Schwanzgriffels von Haplophthalmus Mengii Zadd. zur Demonstration der Ausmündung von Hautdrüsen, aus welcher eine wolkige Secretmasse heraustritt. . Pigmentlose verzweigte Zellen in der Matrix von Trich. Leydigii. . Den Kernen der Matrix zwischengelagerte Chromatophoren von Trich. batavus. . Hintertheil des Körpers von Trich. roseus zur Andeutung der Lage der Hautdrüsen. Fig Fie. o Fig. ee ES) = Anatomisches über Triehonisciden. 647 Unterlippe von Trich. Leydigii, von der Unterseite gesehen, überdeckt von der Oberlippe. . Oberlippe von Trich. Leydigii. . Maxilla posterior von Trichoniscus batavus. . Maxillae priores von Trichoniseus Leydigii. Pes maxillaris der linken Seite von Trichoniseus Leydigii. a Basalplatte. b Körper, c Kaufortsatz, d Tasterfortsatz, e. Lateralplatte. . Penis von Trichoniscus Leydigii. . Rechte Mandibel von Trichonisceus Leydigii. . Zwei Zellen aus der Haut von Trich. roseus, welchen roth gefärbte Fettkügelchen und -Tröpfchen eingelagert sind. . Spermatogonien mit einem oder mehreren Kernen und angelagerten Kernen der Follikelzellen von Porcellio. . Spermatocyste von Trichonisceus roseus. a Kerne der Follikelzellen, die einer Follikelhaut eingebettet sind und die Spermatocyten umschliessen. Spermatogonien mit vereinzelten Follikelkernen. . Stücke der Tunica adventitia der Hodenschläuche mit eingelagerten Kernen . Aus dem Hoden von Trichoniscus roseus. a Spermatogonie mit viertheiligem Kern. b Kerntheilung inner- halb einer Spermatogonie. c Kette von Kernen aus einer Spermatogonie. Tafel XXIX. Umrisszeichnung von Trichoniscus, in welcher die Ablagerung der harnsauren Salze längs des Darmes und im Pleon eingezeichnet ist. Zweites und Theil des dritten Gliedes vom siebenten Beinpaar des Weibchens von Trich. roseus. Innere 4" Geschlechtsorganenebst deren Ausmündung von Trich. roseus. a Samenblase, an der Innenseite die Reihe grosser Zellen. b die drei Hodenschläuche. e vas deferens, dessen weiterer Ver- laufvon „d“ ab stärker vergrössert dargestellt ist. e Schlauch- förmige Ausmündung der beiden vereinigten vasa deferentia. . Samenleiter von Trich. roseus. . Penis von Trich. roseus. . Aeussere männliche Geschlechtsorgane von Trich. Leydigii: a Decklamelle. b Samenleiter. e Ausmündungsschlauch der beiden vasa deferentia. . Spermatogonien mit zwischengelagerten Kernen der Follikelzellen, aus dem oberen Ende eines Hodenschlauches von Porcellio. ig. 10. Fig. 11. Fig. Fig. 12. 13. nA ln. 16. IK. Max Weber: Anatomisches über Trichoniseciden. . Siebentes Beinpaar von Trich. roseus 5‘, zu einem zangenartigen Organ umgewandelt. . Erstes Segment des Pleon von Trich. batavus, welchem in der Medianlinie der unpaare Ausmündungsschlauch (a) der vasa deferentia anhängt. bb Samenleiter. ce Penis in Umrissen in seiner Lage angedeutet gegenüber dem Samenleiter, bei Abduction dieser Theile. Penis von Trich. batavus, mit der Decklamelle a. Spermatocyste von Trich. roseus. aa Kerne der Follikelzellen, die eine Follikelhaut bilden. Diese umschliesst die Spermatocyten, die sich epithelartig gegen- einander abgrenzen. | Stück der Samenblase von Trich. roseus, in welcher die Entwickelung der grossen Zellen an der medialen Seite beginnt (efr. Fig. 3). Ein Theil der Samenblase von Porcellio. a Kerne der Tunica adventitia. b circuläre Muskeln. ce grosse Zellen (rudimentäre Eizellen). d Kerne des Follikelepithels (Granulosa). Ausmündungsschlauch der vasa deferentia vv! von Trich. batavus, von der Rückseite. Unteres Ende dieses Schlauches, von der ventralen Fläche gesehen, von Trich. batavus. Unteres Ende des Samenleiters von Trich. Leydigii. Zur Demon- stration, dass dessen unterer Fortsatz nach Art eines Haares in einer Matricaltasche sich entwickelt, unten hakenförmig umgebogen ist und bei der Häutung, in welchem Zustande dieses Präparat gezeichnet wurde, herausgezogen wird. a neugebildeter Fortsatz, zum Theil noch in der Tasche sitzend. Spermatogonien umgeben von den dicht gelagerten Kernen der Follikelzellen aus dem Hoden von Porcellio. Dieses Stadium schliesst sich an Fig. 7 an. Fr. Merkel: Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 649 Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. Von Fr. Merkel. Hierzu Tafel XXX. l. Der ruhende Muskel. Ueberblickt man die ziemlich lange Reihe der Arbeiten, welche in dem letzten Decennium über die Structur des querge- streiften Muskels veröffentlicht worden sind, dann begegnet man am Eingang derselben ganz regelmässig der Klage über die grossen Schwierigkeiten, welche das untersuchte Gewebe einer genauen Durchforschung entgegen setzt. Diese Schwierigkeiten müssen wirklich aussergewöhnliche sein. Es geht dies aus der Thatsache hervor, dass fast jeder Untersucher eine eigene, mehr oder weniger von der der übrigen abweichende Ansicht über die so wichtigen und interessanten Vorgänge aufstellt, welche sich bei der Con- traction abspielen. Selbst über die ruhende Faser, welche doch, wie bekannt, weit leichter zu untersuchen ist, als die in Thätig- keit befindliche, sind die Akten noch nicht völlig geschlossen. Doch scheint mir allerdings nach meinen erneuten Beobachtungen über diesen Gegenstand eine von der Majorität der Angaben ab- weichende Meinung nur in wenigen Punkten Aussicht auf Bestand zu haben und ich begnüge mich daher, bezüglich des Ruhestadiums dasjenige noch einmal in Kürze zu constatiren, was entweder schon zum Gemeingut der Wissenschaft geworden ist, oder doch Aussicht hat, bald allgemein anerkannt zu werden. Die Muskelfibrille ist als der letzte in der Längsrichtung abspaltbare Theil des Sarcolemmainhaltes anzusehen. Sie baut sich aus einzelnen der Länge nach aneinander gefügten Segmen- ten auf, welche unter sich in ihrem Baue übereinstimmen. Die- selben werden von mir „Muskelelemente“ genannt. Sie stellen kurze Cylinderabschnitte dar. 650 Fr. Merkel: Von einander getrennt sind sie durch die „Endscheiben“!), welche optisch alseinfache, zwei Muskelsegmenten gemeinsame Linien erscheinen. In Wirklichkeit hatman aber die beiden dureh Kittsubstanz mit einander verbundenen Schlussplatten der Muskelelemente vor sich (Fig. 6a E). Sie zeigen sich in polarisirtem Lichte anisotrop. Auf sie folgt dann zu beiden Seiten eine Schichte in gewöhn- lichem Lichte wasserheller, in polarisirtem isotroper Substanz, welche einen entweder völlig oder doch nahezu flüssigen Aggre- gatzustand besitzt (Fig. 6 a J). Inmitten dieser Schichte kann sich an gedehnten Muskeln ein Streifen dunklerer Substanz von sehr wechselnder Breite befin- den, die „Nebenscheibe.“?) Dieselbe wurde in den bisherigen Publicationen entweder in engen Zusammenhang mit der End- scheibe gebracht, oder als ganz selbstständiges Gebilde betrachtet. Beides ist unrichtig, wie weiter unten gezeigt werden wird. Sie ist vielmehr als eine von dem dunklen Querband abgespaltene Scheibe zu betrachten. Die Mitte des Elementes nimmt das „dunkle Querband“ ein. Es ist breit und anisotrop (Fig. 6 a ©). Dasselbe wird durch eine Linie halbirt, welche den Namen „Mittelscheibe“®) führt. Sie ist schmal, meist dunkel und einfachbrechend (Fig. 6 a M). Ihre Untersuchung ist desshalb sehr erschwert weil sie an unversehrten, ruhenden Muskeln nur ausnahmsweise sichtbar, gewöhnlich erst mit Hilfe von Reagentien nachgewiesen werden muss. Diese Mittelscheibe bildet gewisser- massen eine Medianebene, zu deren beiden Seiten sich die Con- stituentien des Muskelelementes symmetrisch wiederholen. Seitlich ist das Element von der „Seitenmembran“ umhüllt, welehe in Verbindung mit den beiden Schlussplatten der End- scheiben einen oben und unten geschlossenen Hohleylinder bildet, in dem die übrigen beschriebenen Dinge befindlich sind. Wenn diese Seitenmembran auch schwierig nachzuweisen ist, so sieht man an ruhenden Fibrillen, welche man in Essigsäure hat quellen lassen, doch stets einen deutlichen, scharf gezeichneten, linearen 1) „Zwischenscheibe“ Engelmann; „Querwand‘“ Flögel; „Disque inter- mediaire“ Fredericq; „Disque mince‘“ Ranvier. 2) „Körnerschichte“ Flögel; „Nebenscheibe“ Engelmann; „Disque s&econ- daire oder accessoire* Frederieg; ‚„‚Disque accessoire“ Ranvier. 3) „Disque median‘“ Frederieq ; „Strie intermediaire“ Ranvier. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 651 Grenzeontur, welcher nieht wohl anders, wie als membranöse Begrenzung gedeutet werden kann. Bringe ich schliesslich noch die einzelnen Theile des ruhen- den Muskelelementes in Correlation mit den Dingen, welche man an der unversehrten Muskelfaser sieht, dann entspricht die End- scheibe der feinen, sogenannten „Krause’schen Linie“ in dem hellen, isotropen Querband, während die Mittelscheibe die Linie darstellt, welche man als „Hensen’sche Linie“ inmitten des dunk- len, anisotropen Querbandes beschreibt. Die Nebenscheiben flan- kiren, wenn sie vorhanden sind, natürlich die Krause’sche Linie zu beiden Seiten. [Das Vorhandensein von Fibrillen im lebenden Organismus wird noch immer von Zeit zu Zeit wieder geleugnet. Ohne mich hier mit einem nochmaligen Beweis ihrer Präexistenz aufzuhalten, verweise ich auf die Arbeiten von Sachs (11) und besonders von G. R. Wagener (15, 20, 31), welch letzterer Forscher den Nach- weis führte, dass dieselben nicht nur bei Arthropoden, sondern auch bei Wirbelthieren in vollkommen lebenskräftigen und sich durchaus normal zusammenziehenden Muskeln vorhanden sind. — Die Endscheiben werden nunmehr allgemein als Scheide- wände zwischen den einzelnen Fibrillenabtheilungen angesehen, nur G.R. Wagener erklärt sich wiederholt gegen diese Auffassung, hält ihre Substanz vielmehr für identisch mit derjenigen des brei- ten, dunklen und anisotropen Querbandes. Ich kann dieser An- schauung desshalb nicht beistimmen, weil ich schon früher (3) durch Anwendung verdünnten Alkohols die Endscheibe zu zerlegen, ihre Kittsubstanz zu lösen vermochte. Dieses Reagens lässt aber das breite Querband nicht allein unversehrt, sondern bewirkt sogar ein sehr deutliches Hervorteten desselben. Wie Ranvier später darlegte, kommt dem verdünnten Al- kohol im Allgemeinen die Eigenschaft zu, Kittsubstanzen zu lockern und zu lösen. Ich glaube daher berechtigt zu sein, meine Deutung der Hauptmasse der Endscheibe als Kittsubstanz auch Nasse (27) gegenüber festzuhalten, wenn er sagt: „die Zwischenscheibe, eine schmale, anisotrope Schicht, von Merkel ohne hinreichende Beweisführung als Kittsubstanz bezeichnet.“ In dieser Bemerkung Nasse’s liegt, wie ich beiläufig bemerken will, in soferne ein Missverständniss, als ich nicht die ganze Endscheibe für Kittsub- 652 Fr. Merkel: stanz erkläre, sondern sie aus zwei Scheiben, den Schlussplatten des Elementes und einer zwischen diesen liegenden Kittsubstanz bestehen lasse. — In Bezug auf meine Auffassung der isötropen Substanz als ganz oder doch nahezu flüssig, verweise ich auf meine früheren Arbeiten (3, 10), sowie auf die Versuche von Frederieq (23), welcher nachwies, dass dieselbe beim Troeknen der Muskeln ver- schwindet. Wenn Engelmann die Schichte aus „sehr weichen, aufgequollenen Theilchen“ bestehen lässt (Pflügers Arch. VII p. 55) und (p. 69) sagt, dass die Theilchen der isotropen Schichten „äusseren Kräften nicht viel mehr Widerstand entgegenzusetzen scheinen, als die meisten wässerigen Flüssigkeiten,“ so steht er wohl auf dem gleichen Standpunkt, wie Frederieq und ich selbst. — Die Nebenscheibe wurde von mir in meinen früheren Publieationen wenig berücksichtigt. Die von mir benutzten Ob- jeete waren für ihre Beobachtung nicht günstig. Ich glaubte in ihnen die durch Dehnung der Faser auseinandergerückten Schluss- platten und das zwischen ihnen liegende Gebilde als die Kitt- substanz derselben ansehen zu sollen. Aus dieser Ansicht erklärt sich vielleicht auch das oben erwähnte Missverständniss Nasse’s bezüglich der Endscheibe. Von meiner Erklärung der in Rede stehenden Gebilde bin ich sehr bald abgekommen, nachdem ich zahlreiche für den Nach- weis der Nebenscheibe von den verschiedenen Forschern empfoh- lene Objeete durchmustert hatte. Wie oben erwähnt, betrachte ich sie nun als zum dunklen Querband gehörig, wofür der Nachweis unten noch zu führen sein wird. — Die Mittelscheibe ist ein Gebilde, welches vielfach ver- kannt worden ist und ich muss glauben, dass besonders Engel- mann’s Darstellung (9) wenig dazu beigetragen hat, die Frage einer Lösung entgegen zu führen. Dieser Forscher wirft unter dem Namen Mittelscheibe zwei Dinge zusammen, welche gar nicht zusammen gehören, nämlich den hellen Mittel-Theil des isotropen Querbandes, der allerdings bis jetzt noch nicht in seiner Bedeu- tung erkannt ist und der unten noch ausführlich behandelt werden soll, und die wirkliche Mittelscheibe, welch letztere nur unter der Form einer dunklen Linie auftritt, die etwa die Breite der End- scheibe erreicht. Richtiger wird sie von Nassein seinem Schema (27) abgebildet. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 655 Wenn Krause die Mittelscheibe nur als den dunkleren Mitteltheil des anisotropen Querbandes ansieht, so steht dem die Thatsache entgegen, dass die wirkliche Mittelscheibe sich isotrop zeigt. Wenn anderseits Ranvier, welcher den breiten hellen Streifen des Querbandes mit Engelmann fälschlich für die Mittelscheibe erklärt, diesen für ein Gebilde hält (30; p. 100) analog dem isotropen Band, in welchem die Endscheibe liegt, so hat er ebenfalls Unrecht. Denn diese falsche Mittelscheibe ist eben ein Theil des Querbandes und als solcher anisotrop, wie dies auch Engelmann richtig angiebt. — Eine Seitenmembran glaubt Engelmann (9) verwerfen zu sollen. Er sagt: „die absolute optische Homogenität der Muskelscheiben im normalen Zustand, die Art und Weise dann, in welcher jene Membranen: bei Essigsäureeinwirkung in den hellen Zwischenräumen sich bilden, welche beim Absterben der quergestreiften Substanz, infolge seitlicher Schrumpfung der Fi- brillen entstehen, dürfen vielmehr als gute Gründe gegen ihre Präexistenz angeführt werden.“ Dass Dinge homogen aussehen können, ohne es in Wirklichkeit zu sein, beweisen einfach die Gesetze der Lichtbrechung und es pflegt diese Thatsache den Schülern gleich bei Beginn ihrer mikroskopischen Studien ein- geschärft zu werden. Die „absolute, optische Homogenität‘“ be- weist also gar nichts, weder für noch wider. — Dass ferner die Essigsäure die Fähigkeit habe, in den flüssigen und festen Thei- len des frischen Muskels, sowie in Präparaten aus Alkohol dünne gleichmässige Membranen zu bilden, ist eine allen mikrochemi- schen Erfahrungen so sehr widersprechende Ansicht, dass E. wohl mit ihr allein bleiben wird. Auch wenn die Seitenmembran gar nicht wirklich nachzu- weisen wäre, was Ja zum Glück der Fall ist, würde man ver- sucht sein, eine solche dennoch anzunehmen, da auch Fibrillen, welche im lebenden Muskel isolirt beobachtet werden können, sowie solche, welche man von lebenden Muskeln abspaltet, keines- wegs in ihre Atome zerfallen. Es würden von solchen beim Fehlen einer Umhüllung nur die festen Theile übrig bleiben, während die isotrope Substanz mehr oder weniger rasch fortfliessen müsste. Diese letztere leistet jaa nach Engelmanns eigenen Worten „äusseren Kräften nicht viel mehr Widerstand, als die meisten wässerigen Flüssigkeiten“. —] 654 Fr. Merkel: Il. Der eontrahirte Muskel. Wie oben bemerkt, ist über die Veränderungen, welche das Muskelelement bei der Zusammenziehung erleidet, weit weniger Einigkeit erzielt, als über das Aussehen derselben in der Ruhe. Manche Forscher haben ganz singuläre Ansichten ausgesprochen, andere stimmen in ihren Angaben mehr oder weniger überein. Wenn ich nur diejenigen Forscher berücksichtige, welche eine gerundete Theorie über die Muskelcontraction aufgestellt haben, so stehen Schäfer (12), Newman (29), Ranvier (21, 24, 30) sowie Krause (14 und sein Handbuch) mit seinem Schüler Kauf- mann (22) jeder für sich ganz isolirt. Uebereinstimmende oder doch nur in untergeordneten Dingen von einander abweichende Angaben machen einerseits Flögel (2), Engelmann (4, 5, 9, 28), Frederieq in seiner zweiten Arbeit (25) und Nasse (27)'), anderseits ich selbst (1, 3, 10), sowie Sachs (11), Toldt (Handbuch) und Fredericq (23) in seiner ersten Arbeit. Referire ich zuerst kurz über die einsam gebliebenen Theo- rien, so hat Schäfer (12) ganz mit den geläufigen Anschauungen über den Bau der Muskelfaser gebrochen. Er lässt den Sarko- lemmajnhalt aus einer doppeltbrechenden, contractilen Grundsub- stanz bestehen, in welche regelmässig angeordnete, stäbchenförmige Gebilde von einfacher Liehtbreechung eingebettet sind (Fig 1 a). Dieselben sind an beiden Enden kugelig verdickt. Contrahirt sich nun die Faser, dann werden diese Stäbchen, welche nach- giebig sind, passiv verkleinert und zwar so, dass sich die beiden Endknöpfehen verdieken, während sich das eigentliche Stäbehen verkürzt. Kehrt die Faser zur Ruhe zurück, dann verlängern sich die Stäbehen wieder auf Kosten der Endanschwellungen, welche nun kleiner werden. Endscheibe und Mittelscheibe, sowie das helle Aussehen der isotropen Bänder werden sämmtlich für rein optische Effecte erklärt. Allein diese letzteren Behauptungen würden genügen, Schä- fers Anschauungen vom Bau des Muskels als unrichtig zu er- weisen. Denn wie bei allen anderen Thieren so kann man be- kanntlich auch bei Dytiseus, woran des Autors Untersuchungen 1) Vielleicht gehört hierher auch die mir nicht zugängliche Arbeit von Dwight (19). Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 655 gemacht sind, durch Färbung und andere mikrochemische Reacti- onen leicht nachweisen, dass man in diesen Dingen reale Exi- stenzen und keine optische Trugbilder vor sich hat. Ein Versuch aber eine Contraetionstheorie aufzustellen, welche von unrichtigen Prämissen ausgeht, ist von vornherein als misslungen anzusehen. Ich kann diesen Autor desshalb wohl verlassen und mich zu Newman’s (29) Darstellung wenden. Dieser Forscher glaubt aus seinen Beobachtungen, welche sich auf den Froschmuskel beziehen, erschliessen zu können, dass der Inhalt der Muskelele- mente, welche er mit den neueren Untersuchern an der End- scheibe beginnen resp. endigen lässt, in vollkommener Ruhe aus einer Lösung von gebundenem Fett (combined fat) in Muskel- plasma besteht. Es fehlt in diesem Stadium (Fig. 2, I) jede Querstreifung und der ganze Inhalt des Muskelelementes ist doppeltbrechend. Bei einer Aenderung in dem Zustand des Plas- mas, sei es eleetrischer, sei es chemischer Natur, schlägt sich erst an den beiden Seiten der Endscheibe und dann allmählich immer mehr nach dem Centrum zu das Fett aus dem Plasma nieder und sammelt sich endlich als flache Scheibe im Centrum des Elementes. Das zurückbleibende Plasma ist nun einfach brechend. Zugleich werden die Elemente kürzer und bauchig, so dass sie sich gegenseitig nur noch mit den hervorgewölbten Mittelscheiben berühren, woher es kommt, dass man bei der contrahirten Faser die Längsstreifung weit deutlicher sieht, als beim ruhenden Muskel. Die Details der Contractionstheorie Newmans, welche in vieler Hinsicht an die noch zu nennenden Arbeiten Krauses und Ranviers erinnern, kann ich übergehen, da auch bei ihm schon die Voraussetzungen falsche sind. Denn dass die Quer- streifen nicht aus Fett, sondern einer anderen Substanz bestehen, lehrt die Behandlung mit Osmiumsäure, einem Reagens, welches alles Fett, ob gebunden, gelöst oder frei, tief schwarz färbt. Beim Muskel wird man stets nur die bekannte braune Färbung des Protoplasmas erzielen. Auch die Annahme, dass der Muskel in voller Ruhe keine Streifung zeigt, ist unrichtig. Ein solches Stadium kommt erst zwischen Ruhe und Contraction vor. End- lich werden auch die Elemente bei der Contraetion niemals bau- chig, sondern verkürzen sich, wie die directe Beobachtung z. B. der Thoraxfibrillen von Insecten lehrt, gleichmässig, so dass also 656 Fr. Merkel: aus einem längeren und schlanken ein kürzerer und dicker Cy- linder wird. Krause’s Darstellung (Handbuch der allgem. und mikr. Ana- tomie 1876) ist eine Modification seiner schon früher (1868) auf- gestellten Theorie. Sie geht von der Annahme von „Muskelkäst- chen“ aus. Diese sind weit umfangreicher, als die Fibrillen, welche als Kunstproducte gedeutet werden. Die Kästehen grenzen sich auf dem Querschnitt der Muskelfaser als die von Kölliker beschriebenen Felder!) gegeneinander ab. Jedes Muskelkästchen enthält ein „Muskelprisma,“ aus der anisotropen Substanz beste- hend. Dasselbe ist nicht homogen, sondern muss als ein Bündel sehr feiner Stäbehen — „Muskelstäbchen‘“ — betrachtet werden. Diese Stäbehen sind den Fibrillenabschnitten der anderen Autoren gleich zu achten. Das Prisma ist an seinen beiden Grund- flächen von Flüssigkeit bespült, — der isotropen Substanz. Bei der Contraction dringt nun diese Flüssigkeit zwischen die Muskel- stäbehen ein und drängt sie auseinander. „Letztere sind starre, in ihrer Form unter physiologischen Umständen unveränderliche Körper, und zu Scheiben mit eleetromotorisch wirksamen End- flächen angeordnet, welche Scheiben sich desshalb bei der Contraction gegenseitig anzuziehen vermögen; die Muskelprismen sind Bündeln zeitweilig magnetischer Eisenstäbe vergleichbar“ (Fig. 3). Krause erklärt mit seiner Theorie nicht, wie auch an frischen Fasern die Abspaltung von Fibrillen möglich ist. Wenn seine Anschauung richtig wäre, dann müsste ja eine Muskelkästchenreihe nicht noch weiter zerfallen können, eine Thatsache, welche doch von G. Wage- ner über jeden Zweifel erhoben worden ist. Sie müsste viel- mehr bei weiterer Spaltung die Muskelprismen ausfallen lassen und man müsste dann den einzeln umherschwimmenden „Muskel- stäbehen“ begegnen. Dass alles dies nicht der Fall ist, weiss jeder, der einmal frische Muskeln zerfasert hat. Mit dem sehr leicht zu führenden Nachweis aber, dass Krause’sangeblich unveränderliche Muskelstäb- chen, d. h. die anisotropen Querbänder bei der Contraetion kürzer werden, fällt ohne Weiteres seine Theorie über den Haufen. Die letzte einzeln dastehende Theorie ist die von Ranvier. Sie wurde schon früher aufgestellt (24), aber erst vor Kurzem wieder von Neuem mitgetheilt und in einem starken Bande aus- 1) K rause unterscheidet dieselhen streng von den von Cohnheim be- schriebenen. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 657 führlieh erörtert (33). Der Autor nimmt an, dass die elementaren Fibrillen aus dicken contraetilen Bändern (den anisotropen Quer- bändern), und hellen elastischen isotropen Bändern zwischen ihnen, welehe jene verbinden, gebildet sind (Nr. 30, p. 181). Diese elastische Substanz strebt beständig mit einer gewissen Kraft, die anisotropen Querbänder den Endscheiben anzunähern gleichgültig, ob sich der Muskel in Ruhe oder im Contractionszu- stande befindet. Die Endscheiven sind weniger elastisch, als die hellen Zwischenräume, doch wird ihre Elastieität dadurch bewie- sen, dass sie sich in einem eontrahirten und angespannten Mus- kel verbreitern (Nr. 24, p. 493). Ihre eigentliche Funetion ist die von Spreizen, welche in die Fibrillen eingefügt sind. Um die contractile Substanz leichter beweglich zu machen, ist dieselbe oft in kleinere Abtheilungen getheilt, die dann ihrerseits wieder dureh isotrope, helle elastische Bänder in Verbindung gesetzt wer- den. Die Mittelscheibe wird hiernach als ein Streifen dieser elas- tischen Substanz erklärt; die Nebenscheibe ist ein kleiner abge- spalteter Theil der contractilen anisotropen Substanz. Tritt nun die Contraction ein, dann verändern die Elemente des anisotropen Querbandes ihre Form und ihr Volumen, ganz in derselben Weise, wie Lymphzellen und überhaupt sämmtliche con- tractilen Gebilde des Organismus. Die doppeltbrechenden Schei- benelemente, welche in der Ruhe die Form von Stäbchen besitzen, deren Längsrichtung im Verlauf des Bündels liegt, streben dahin, eine sphärische Form zu gewinnen. Zugleich verlieren sie im Augenblick der Contraction an Masse, indem sie einen Theil des Plasma, welches sie imbibirt haben, verlieren. Dieses Plasma wird an die Umgebung abgegeben, verbreitet sich namentlich zwi- schen den Fibrillen und gibt so Anlass zur Erweiterung der Inter- fibrillarräume und einem Deutlicherwerden der Längsstreifung (Fig. 4). Das von mir zuerst erkannte und genauer beschriebene Zwi- schenstadium, welches der Querstreifung gänzlich entbehrt, wird vollständig geleugnet, ebenso die Umkehrung im contrahirten Muskel. Es wird vielmehr häufig betont, dass die Veränderung bei der Zusammenziehung nur in einem Kleinerwerden der dunk- len Querbänder beruhe. Seine Untersuchungen macht Ranvier an Wirbelthier-Mus- keln, welehe für eine Untersuchung des Contractionsvorgangs ihrer sehr engen und feinen Querstreifung wegen zur Zeit noch völlig Archiv f. mikrosk. Anatomie, Ed. 19, 44 658 Fr. Merkel: ungeeignet sind. Die Unzulänglichkeit der mikroskopischen Beob- achtung ist wohl auch der Grund, wesshalb dieser Autor zum grossen Theil mit Hilfe der physiologischen Methode arbeitet. Curventafeln wie Abbildungen physiologischer Apparate spielen eine grosse Rolle. So erklärt es sich leicht, dass derselbe bei der Aufstellung seiner Theorie schlimmere Fehler machte, ais je ein Untersucher vor ihm. Dass man Fortschritte in der Erkenntniss der feinsten Structurverhältnisse des Muskels nicht von Versuchen mit dem Myographion erwarten kann, ist so selbstverständlich, dass es keiner weiteren Auseinandersetzung bedarf. Es fiel auch Physiologen, wie Engelmann und Nasse, welche den Gegen- stand bearbeiteten, niemals ein, mit einem anderen Instrument zum Ziele kommen zu wollen, als mit dem Mikroskop. Hätte auch Ranvier die gleiche Ueberzeugung gehabt, dann hätte ihm ein Blick in das letztere genügt, um die Existenz des bekämpften homogenen Zwischenstadiums über jeden Zweife! zu erheben und es hätte nicht des sehr unglücklichen Versuches bedurft (21), mittelst des Gitterspectrums grösserer Muskelparthieen die Realität desselben anzugreifen. Schon Engelmann (28) sagt: „bei der Versuchseinrichtung, welche Ranvier's Apparat mit sich bringt, ist nicht entfernt daran zu denken, dass alle oder auch nur ein grosser Theil der den Spalt verdeckenden Faserabsehnitte sich gleichzeitig im näm- lichen Stadium der Verkürzung, also beispielsweise im Ueber- gangsstadium sollten befunden haben“. Ich kann mich dem nur anschliessen und meine Verwunderung darüber aussprechen, dass Ranvier überhaupt von einem so dilettantischen Versuch irgend welchen Erfolg erwarten konnte. Wenn möglich, so gelang diesem Autor seine Polemik gegen die Umkehrung des Muskelbildes im Contraetionszustand noch weniger. Ueber die Existenz desselben kann ja nach den Unter- suchungen von Flögel, Engelmann, Nasse, und nach den mei- nigen ein Zweifel gar nieht mehr bestehen, mag man dasselbe auch deuten, wie man will. Wie es kommt, dass Ranvier trotz- dem die Thatsache der Umkehrung nicht fand, erklärt sich aus folgenden Worten (Nr. 30 p. 176): „Au lieu d’affeeter la forme de bätonnets ou de prismes allonges longitudinalement et A faces lat@rales rectilignes, les disques epais sont devenus convexes en leur milieu. La fibrille musculaire rev@t, en vertu de cette modi- Ueber die Contraetion der gestreiften Muskelfaser. 659 fieation, un aspeet moniliforme.“ Er hat ganz Recht mit der Be- schreibung von stäbehenförmigen dunklen Abschnitten in der ru- henden, mit kugelförmigen dunklen Gebilden in der eontrahirten Fibrille. Leider sind diese Dinge nur nicht identisch, sondern es sind die Kugeln des Rosenkranzes nichts anderes, als die Con- traetionsstreifen an der Endscheibe. Es ist Ranvier also der verhängnissvolle Irrthum passirt, dass er die Endpunkte des contrahirten Elementes mit seiner Mitte verwechselte. Damit ist seine Theorie ohne Weiteres ad absurdum geführt I). — Damit ist die Zahl der einzeln auftretenden Theorien über die Muskeleontraetion erschöpft. Es kann wohl kaum einem Zwei- fel unterliegen, dass sie sämmtlich nieht stiehhaltig sind. Ich wende mich nunmehr zu den beiden letzten Anschau- ungen, welche mehrere Vertreter gefunden haben, zu denjenigen Engelmann’s und meinen eigenen. Dieselben kommen in ein- zelnen, wichtigen Punkten zu diametral verschiedenen Annahmen; freilich fehlen anderseits auch solehe Thatsachen nicht, bezüglich welcher eine völlige Uebereinstimmung erzielt worden ist. Engelmann (28) sagt: „Während der Contraction der quer- gestreiften Muskelfaser finden parallel den Formveränderungen der Muskelelemente Aenderungen der optischen Eigenschaften und des Volums der isotropen und anisotropen Schicht statt. Diese Aen- derungen sind für beide Schichten von entgegengesetzter Art. Die isotrope Sehicht wird im Ganzen stärker, die anisotrope schwächer lichtbrechend. Infolge hiervon kann die Faser bei einem gewissen 1) Ich zögerte lange, ehe ich die Ueberzeugung von diesem fatalen Fehler Ranvier’s gewann und prüfte die bezüglichen Capitel seines Buches wiederholt daraufhin. Doch gelingt es mir nicht, seine Ausführungen in anderer Weise aufzufassen. Auch die Bemerkungen über den Muskel in polarisirtem Licht, in welchem er sich mit Engelmann einverstanden erklärt, können daran nichts ändern. Der Verfasser hat eben dunkel in ruhendem und dunkel im contrahirten Muskel und ebenso hell und hell in beiden Zu- ständen für identisch gehalten, ohne das Bild in gewöhnlichem Licht und das in polarisirtem mit der nöthigen Aufmerksamkeit zu vergleichen. — Sollte ich trotz der grössten Sorgfalt bei der Lectüre Ranvier’s doch viel- leicht einen aufklärenden Passus übersehen haben, dann würde es mich freuen, einer Correctur seitens des sonst so verdienten Forschers zu begegnen. Mit seiner Theorie freilich wäre es bei Anerkennung der Umkehrung im contra- hirten Muskel womöglich noch weniger gut bestellt, als jetzt. 660 Fr. Merkel: Grade der Verkürzung bei Betrachtung in gewöhnliehem Lichte homogen, nicht merklich quergestreift erscheinen: homogenes oder Uebergangsstadium. Bei noch weiter gehender Verkürzung treten wieder dunkle Querstreifen auf, welche den isotropen Scheiben entsprechen. Auf jeder Stufe der Verkürzung, also auch im Uebergangs- stadium, sind die isotropen und anisotropen Schichten mittelst des Polarisationsapparates als scharf begrenzte, regelmässig alter- nirende Lagen nachweisbar. Dieselben vertauschen bei der Con- traction ihren Platz im Muskelfache nicht, [wie ich behauptete; s. unten]. Die Höhe beider Schichten nimmt während der Zusammen- ziehung ab, und zwar die der isotropen sehr viel schneller, als die der anisotropen. Das Gesammtvolum eines jeden Faches ändert sich während der Contraction nicht nachweisbar. Es nehmen also die aniso- tropen Schichten auf Kosten der isotropen an Volumen za.“ (Fig. 5.) Indem ich mir vorbehalte, die in untergeordneten Dingen zuweilen abweichenden Ansichten der Anhänger Engelmann’s gelegentlich einzuflechten, reprodueire ich nur noch meine eigene Darstellung. Nachdem gesagt ist, dass jedes Element aus zwei dureh die Mittelscheibe von einander getrennten Fächern besteht, fahre ich fort: „Jedes dieser Fächer enthält feste, contraetile Sub- stanz und Flüssigkeit. In ruhendem, wie in contrahirtem Zustand liegt immer die contractile Substanz eines Faches der contraetilen Substanz eines anderen Faches an. In der Ruhe berühren sich die beiden contractilen Hälften eines und desselben Muskelele- mentes, nur durch die Mittelscheibe getrennt, während im thätigen Muskel die eontraetile Substanz an beide Endscheiben rückt und dadurch in Contact mit der contractilen Substanz des nächstoberen und nächstunteren Elementes tritt. Dieser Platzwechsel geschieht dureh Vermittelung eines Zwischenstadiums, in welchem die sonst so scharfe Trennung von flüssigem und festem Inhalt aufgehoben ist, und eine innige Mengung der beiden Substanzen stattfindet.“ (Fig. 6.) Eine Vergleiechung der gegnerischen Ansichten im Zusammen- halt mit den Angaben fast aller Forscher, welche sich in neuerer Zeit über den Contraetionsvorgang im quergestreiften Muskel ver- Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 661 nehmen liessen, zeigt, dass über das Bild des Contractionsvor- ganges selbst, wie es sich bei gewöhnlicher, mikroskopischer Be- trachtung darstellt, eine Meinungsverschiedenheit eigentlich nicht besteht. Die im ruhenden Muskel so scharf von einander geschie- denen dunkelen und hellen Querbänder gleichen zuerst die Licht- brechungsunterschiede aus (Zwischenstadium, Uebergangsstadium), so dass die Faser resp. Fibrille ein ganz homogenes Aussehen be- kommt, in der Art, dass die Querstreifung überhaupt verschwindet. Dann erscheint unter fortdauernder Abnahme der Höhe des Mus- kelelementes und unter Zunahme seiner Breite, an Stelle des früher hellen Querbandes ein dunkles und an Stelle des dunklen ein helles, so dass also ein Bild entsteht, welches man die Umkehrung von dem des ruhenden Muskels nennen muss. Die Divergenz der Anschauungen tritt erst zu Tage bei Anwendung des polarisirten Liehtes,. Während Engelmann mit seinen Anhängern sagt, dass die Polarisationserscheinungen die alten bleiben, behauptete ich mit den meinigen, dass sie sich ebenso umkehren, wie die An- sicht des Muskels unter gewöhnlichem Licht; eine Beobachtung, welche ich auch nach wiederholter Untersuchung (10) nur soweit zu modifieiren vermochte, dass ich sagte: „Es leuchten im contra- hirten Muskel alle Theile auf, jedoch in verschiedener Intensität; es sind die mittleren Theile des Elementes schwach, die End- scheiben sehr stark doppelt brechend.“ Am Gesammtresultat än- dert diese Modification gar nichts; es blieb somit der Gegensatz bestehen. Ich kann sagen, dass mir derselbe stets unbegreiflich war, dass ich nicht verstehen konnte, wie es zwei Parteien nicht gelingen wollte, ein Räthselzu ergründen, dessen Lösung doch nicht allzuschwer erscheint. Sobald ich also die nöthige Musse fand, bestrebte ich mich, durch das Studium der von Engelmann benutzten Objecte, den Grund der Differenzen aufzudecken, da ich im Lauf der Jahre trotz vielfacher Besichtigung meiner alten Präparate nicht zu der Ueberzeugung kommen konnte, dass ich mich getäuscht hätte. — Ehe ich die Schilderung meiner eigenen von neuem wieder- holten Untersuchungen über den Contractionsvorgang beginne, sei noch bemerkt, dass ich fast ausschliesslich an Muskeln beobachtet habe, welche in Alkohol verschiedener Concentration gehärtet waren. Dieses Conservirungsmittel wurde zuerst von mir als be- sonders brauchbar empfohlen und es wurde seine Zuverlässigkeit 662 Fr. Merkel: auch von vielen anderen Untersuchern bestätigt. Zur Färbung benutzte ich meist das von Cook (Journ. of. anat. and phys. XIV.) empfohlene Kupfer-Hämatoxylin. Darin gefärbte Muskeln müssen einige Stunden in destillirtem Wasser liegen, ehe sich der anfäng- lich vorhandene rothbraune Farbenton in den bekannten violetten umgewandelt hat. Zur Essigsäure- und Kalireaction verwandte ich nur solehe Muskeln , welche zwischen zwei und höchstens zwanzig Tagen in Alkohol gelegen hatten. Bei längerem Verwei- len in demselben werden sie gegen diese Reagentien mehr oder weniger unempfindlich. Will man die Essigsäurereaction an ganz frischen Muskeln vornehmen, dann muss man die Concentration ausserordentlich gering nehmen (etwa 1%), da stärkere Säure sogleich eine Zerstörung der Muskelfasern herbeiführt. Da ich meine Studien im Herbst wieder aufnahm, konnte ich Engelmann’s Versuchsthier par excellence, — Telephorus mela- nurus — nicht mehr beschaffen. Ich wandte mich desshalb an Dytiscus marginalis, ein Thier, welches mir in genügender Menge von Exemplaren zu Gebote stand. Schon aus Frederieq’s Angaben (25), welcher den nahe verwandten Hydrophilus untersucht hatte, durfte ich schliessen, dass zwischen den Muskeln dieser Schwimm- käfer und denen des Telephorus ein wesentlicher Unterschied nicht bestehe, eine Vermuthung, welche sich durch die Betrach- tung einiger Präparate von Muskeln dieses letzteren Käfers zur (Gewissheit steigerte !). Sehr schnell konnte ich an diesen Muskeln nun erkennen, dass Engelmann mit einem grossen Theil seiner Behauptungen völlig im Recht ist. Neue Präparate, welche ich ferner von mei- nen früheren Hauptversuchsthieren, Musca und Astacus anfertigte, zeigten mir ebenso klar, dass auch ich durehaus richtig beobach- tet hatte. Es war also sofort erwiesen, dass weitgehende Un- terschiede in dem Contractionsvorgang der gestreiften Muskeln vorhanden sind. Eine erneute eingehende Untersuchung zeigte mir dann, dass die dunklen Querbänder des ruhenden Muskels aus zwei verschiedenen Substanzen bestehen, welche sich bei der Contraetion unabhängig voneinander verhalten können. Von diesen Substanzen ist die eine in gewöhnlichem Licht dun- l) Ich verdanke dieselben der Güte Professor Engelmann’s. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 665 kel, in polasirtem einfach brechend. Sie färbt sich in Hämatoxy- lin und wechselt im Verlauf der Zusammenziehung in allen Mus- keln ausnahmslos den Platz, woher es kommt, dass alle stärker eontrahirten Muskeln in gewöhnlichem Licht das gleiche Aussehen (Umkehrung) zeigen. Die andere dagegen ist hell durchscheinend und doppeltbrechend. Sie ist es, welehe die erwähnten Unter- schiede im Aussehen der sich zusammenziehenden Muskeln unter dem Polarisationsmikroskop bedingt; entweder folgt sie nämlich der Bewegung der dunklen Substanz vollkommen oder sie strebt weniger energisch der Endscheibe zu, oder endlich, sie führt nur eine sehr geringe Ortsbewegung aus, bleibt in der Mitte des Ele- mentes und lässt die dunkle Substanz allein ihren Weg nach der Endscheibe gehen. Die helle Substanz des isotropen Querbandes, welche oben als vollkommen oder doch fast vollkommen flüssig characterisirt wurde, spielt augenscheinlich eine mehr passive Rolle und wird bei der Zusammenziehung von der doppeltbrechenden Substanz resorbirt. Wenn man bis jetzt die hervorstechendste Verschiedenheit der im Muskel vorkommenden Substanzen, das Verhalten unter dem Polarisationsmikroskop, als ausschlaggebend für die Benen- nung angesehen hat, so war man desshalb vollkommen im Rechte, weil man nur zwei solche kannte. Nunmehr kann man nur noch die doppeltbrechende Substanz bei ihrem Namen belassen, und ich werde sie denn auch in Folgendem mit der Bezeichnung „dis- diaklastischeSubstanz“ belegen. Der einfachbreehende Theil des Element-Inhaltes aber, der aus zwei unter sich völlig differen- ten Substanzen besteht, kann nicht mehr nach dieser Eigenschaft benannt werden. Es sind vielmehr für dieselben verschiedene Be- zeichnungen nothwendig. Ich werde daher die bekannte, mehr oder weniger flüssige Substanz des beim ruhenden Muskel hellen Querbandes als „plasmatische Substanz“ bezeichnen, da sie jedenfalls sehr viel Muskelplasma enthält, vielleicht mit demselben sogar völlig identisch ist. Die neu zu beschreibende dunkle, feste und einfachbrechende Substanz aber nenne ich ihrer Beweglichkeit und Veränderlichkeit wegen „kinetische Substanz“). Die Beobachtung von der Verschiedenheit des Contractions- vorganges regt eine Fülle von Fragen an, welche zum Studium eines grossen Materiales auffordern. Leider muss ich selbst der 1) kıveiv, bewegen, verändern. 664 Fr. Merkel: Ungunst der winterlichen Jahreszeit wegen mich auf die drei oben genannten Thiere, Dytiscus, Musca und Astacus beschränken, mit welchen ich nur wenige andere Species in vereinzelten Exemplaren vergleichen konnte. Bei Dytiscus zwar finde ich bis jetzt nur eine Art der Oontraction. Bei Musca aber und noch mehr bei Astacus sind die Verschiedenheiten so, dass man eine förmliche Scala von den Bewegungen der disdiaklastischen Substanz auf- stellen kann, welche kaum noch einer morphologischen Ergänzung bedürfen wird. Wohl Niemand hat bis jetzt daran gedacht, dass eine Beobachtung an der einen Muskelfaser nicht ohne weiteres auf jede andere übertragen werden darf. Wäre noch die Species als Verschiedenheitsgrund aufzustellen gewesen, so würde man dies mit so vielem anderen Unerklärten ruhig hinnehmen können; so aber können in einem und demselben Thier Muskeln verschiedenen Verhaltens buchstäblich nebeneinander liegen, wie aus der Be- schreibung der beobachteten Thatsachen, in welche ich nun ein- treten will, hervorgehen wird. Es ist interessant, durch die Litteratur zu verfolgen, wie die verschiedenen Beobachter die oit ganz richtig beobachteten That- sachen nicht zu deuten wussten und wie dadurch die vielen un- richtigen Theorien entstauden. Die nun folgenden Ausführungen werden lehren, dass alles thatsächliche Material bereits in den Arbeiten von Engelmann und mir selbst vorliegt. Der erstere konnte sich nieht von der fast zum Dogma gewordenen Annahme losreissen, dass nur zwei Substanzen im Muskelelement vorhanden seien, was ihn hinderte, die Wanderung der kinetischen Substanz Sehritt für Sehritt zu verfolgen. Ich selbst habe dies gethan, doch hatte ich zufälligerweise gerade solche Muskeln zur Untersuchung gewählt, in welchen diese und die disdiaklastische Substanz innig verbunden sind, und gemeinsam den Platzwechsel ausführen. So kam ich zur Annahme der Färbbarkeit der disdiaklastischen Sub- stanz in Hämatoxylin, während diese Eigenschaft doch nur der mit ihr gemengten kinetischen Substanz zukommt. Würde Engelmann, der ja erst vor Kurzem wieder den Gegenstand einer neuen Untersuchung unterzog (28), eine genaue Prüfung der Objeete vorgenommen haben, an welehen ieh meine früheren Studien machte, dann würde er vielleicht das Räthsel gelöst haben, wie es mir nunmehr bei einer genauen Kritik seiner Beobachtungen gelungen ist. Ich kann diesem Forscher Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 665 den Vorwurf nicht ersparen, dass er allzu sicher auf seine eigenen Resultate bauend, die er mit Emphase ‚zu den unerschütterlich- sten Thatsachen der Histiologie“ rechnet, allzu leicht an dem vor- übergegangen ist, was andere gesehen haben. Am nächsten war Frederieq (25) daran, den wirklichen Sachverhalt aufzudecken. Es genügen diesem Forscher die bis- herigen Anschauungen über die Zusammensetzung der contractilen Substanz nicht, um alle Beobachtungen, welche man am thätigen Muskel machen kann, zu begreifen. Doch forscht er nicht weiter nach, sondern begnügt sich, zwei Hypothesen aufzustellen, von welchen er es unentschieden lässt, welche von beiden der Wahr- heit am nächsten kommt. ,„l) ou bien les phenomenes de pola- risation n’ont iei aucune importance et ne doivent pas £tre pris en eonsideration (Ranvier); 2) ou bien la structure de la fibre stride serait encore plus compliquee qu’on ne l’admettait jusqu’ici. Les disques obseurs anisotropes contiendraient au moins deux substan- ces, l’une obscure, se colorant par l’'hematoxyline et changeant de place pendant la contraetion, l’autre agissant sur la lumiere a la facon d’un cristal birefringeant et occupant toujours le milieu du segment museulaire“. Die „kinetische Substanz“ hat dieser Autor, wie man sieht, schon ganz richtig erkannt und es ist schade, dass er es bei der blosen Hypothese gelassen hat, ohne dieselbe durch die unschwer beizubringenden Thatsachen zur Wahrheit zu erheben. A. Dytiscus. Ich beginne die Schilderung der Contractionsvorgänge am besten mit Dytiscus, da dessen Muskeln einmal die grösste Ueber- einstimmung unter sich und dann die grösste Emaneipation der disdiaklastischen Substanz von der kinetischen erkennen lassen. Die Muskelelemente dieses Thieres sind, wie die aller Arthropo- den, welehe ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, ausserordentlich verschieden hoch. Den breitesten Streifen begegnet man überall stets an den Muskeln des Abdomen (vergl. Engelmann |. ce.) und auch hier bei Dytiscus wählt man am vortheilhaftesten die Mus- keln, welche sich an den Chitinplatten des Genitalapparates befinden. Die im Thorax liegenden Muskeln haben bei engerer Querstrei- fung den grossen Vorzug, dass sie sich leicht in die feinsten Bün- del spalten lassen. — 666 Fr. Merkel: Die meisten neueren Autoren nehmen als den Ausgangspunkt des Contraetionsvorganges, mit anderen Worten als das Ruhesta- dium des Arthropodenmuskels dasjenige an, in welchem man die Elemente mit Nebenscheiben ausgestattet sieht. Dies ist jedoch unriehtig, indem die Nebenscheibe überhaupt nicht als nothwen- diges Attribut eines ganz bestimmten Stadiums, sondern vielmehr als das Product einer Dehnung der Faser zu betrachten ist. Sie ist der abgetrennte Randtheil des dunklen Querbandes, wie dies mit Sicherheit nachgewiesen werden kann. Im Prineip würden solche Nebenscheiben in jedem beliebigen Zustand des Muskelelementes gedacht werden können. Factisch aber kommen sie nur in der ruhenden Faser und in den ersten Stadien der Thätigkeit zur Beobachtung, was zur Vermuthung berechtigt, dass bei weiter vorgeschrittener Zusammen- ziehung die Cohäsion zwischen den Moleeülen der contractilen Theile eine so innige geworden ist, dass es bei eingetretener Deh- nung zur Entstehung von Nebenscheiben nicht mehr kommt. Trotz- dem, dass schon Engelmann bemerkt hat, dass die Nebenschei- ben im Aussehen, in der Breite, im Liehtbrechungsvermögen sehr verschieden sind, ja dass sie sich sogar bei ein und derselben Speeies verschieden verhalten können, wusste doch bis jetzt eigent- lich kein Beobachter so recht etwas mit ihnen anzufangen; was um so unbequemer war, als man sie unzweifelhaft auch an dem lebenden Muskel nachzuweisen im Stande ist. Mit dem sonst beliebten Hilfsmittel der postmortalen Erscheinungen konnte daher hier nicht operirt werden. Auch meine frühere Ansicht, dass die- selben einer Dehnung der Endscheiben ihr Dasein verdanken, ist nicht haltbar. Woher es nun kommt, dass die Nebenscheibe, bald hell, bald dunkel, bald breit, bald schmal, bald deutlich doppelt- brechend, bald fast ganz isotrop ist, wird in den folgenden Zeilen ausgeführt werden. Für den Augenblick genügt es, zu constatiren, dass das Bild ohne Nebenscheibe als dasjenige anzusehen ist, welches das typische Ruhestadium darstellt. An einer solchen Faser nun sieht man nichts weiter, als die breiten, doppeltbreehenden, gleichmässig matt grau erscheinenden Bänder, getrennt durch die schmaleren, isotropen hellen Zwischen- räume, in welch’ letzteren sich scharfe, dunkle Linien, die End- scheiben befinden (Fig. 7aI). Färbt man ein solches Präparat mit Blauholz, dann erscheint das dunkle breite Querband ganz * Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 667 gleiehmässig blau tingirt, ebenso die Endscheibe. Die plasma- tische Substanz des einfach brechenden Bandes dagegen bleibt völlig ungefärbt. Wendet man die verdünnte Essigsäure als Re- agens an, dann wird die ganze Faser durchsichtig und quillt in bekannter Weise auf. Die Endscheiben aber leisten der Quellung einigen Widerstand und erscheinen noch immer als dunkle, wenn auch weniger scharf begrenzte Linien. Hat man einen kleinen Bruchtheil einer Faser oder gar isolirte Fibrillen mit der Säure behandelt, dann zeigen diese in Folge der Widerstandskraft der Endscheiben ein varicöses Bild, welches einigermassen an das- jenige feiner Nervenfasern, z. B. aus der Choroidea, erinnert. Zu beiden Seiten der Endscheiben bleiben ferner noch wenig deut- liche körnchenartig erscheinende Gebilde übrig, welche sich mehr oder weniger regelmässig zerstreut in der Nähe der Endscheibe befinden. An dünnen, abgespaltenen Faserstücken sieht man, dass dieselben im Innern der Fibrillen liegen, und etwas dunklere Par- thieen sind, welche nach der Mitte des Elementes hin vordringen, um endlich verwaschen aufzuhören (Fig. 8. b). Bei genauer Unter- suchung, besonders wenn man das Reagens während der Beobach- tung einwirken lässt, kann man unschwer constatiren, dass diese widerstandskräftigeren Theile dem dunklen Querband angehören und dass die am deutlichsten hervortretende Stelle der Rand des- selben ist. Es ist diese Essigsäurereaction sehr wichtig, denn man kann aus ihr erschliessen, dass die ganz homogen aussehende Substanz des dunklen Querbandes trotzdem keine gleichmässige ist, sondern dass sie entweder nach dem Rande zu eine etwas andere Beschaffenheit annimmt, oder dass das Band zwei Substan- zen enthält, von welchen die eine in Essigsäure erheblich weniger quellbar ist, als die andere. Jene müsste dann am Rande in etwas grösserer Menge vorhanden sein, als in der Mitte. Die Folge wird zeigen, dass letztere Vermuthung die zutreffende ist. Treten in dem Ruhestadium Nebenscheiben auf, dann ist das dunkle Querband weit schmaler, als bei Elementen ohne dieselben. Es liegen mir aus einem und demselben Muskel Fasern vor, welche Nebenscheiben besitzen und andere, welche derselben ent- behren. Bei beiden Arten ist die Höhe des ganzen Elementes 0,0154 mm. Bei den Elementen ohne Nebenscheiben beträgt die Breite des dunklen Bandes 0,008 mm, bei denjenigen mit denselben 0,004 mm, also gerade die Hälfte. In Hämatoxylin färben sich 668 Fr. Merkel: die Nebenscheiben ebenso wie die Querbänder. An den sehr breit gestreiften Fasern der Chitinplatten des Geschlechtsapparates fällt es auf, dass sie in dünnen, abgespaltenen Theilen zwar eben- falls die plasmatische Substanz ganz ungefärbt erscheinen lassen, dass jedoch die letztere an dickeren Stücken oder ganzen Fasern häufig einen entschieden blauen Ton zeigt, woraus hervorgeht, dass eine kleine Menge der tingirbaren Substanz nunmehr auch in dieser sonst ganz farblosen Masse enthalten sein muss. In polarisirtem Lichte leuchten die Querbänder ohne Nebenscheiben im Ganzen auf, sind Nebenscheiben vorhanden, dann leuchten diese ebenfalls sehr deutlich, jedoch immer etwas schwächer als die Substanz des Querbandes. Lässt man Essigsäure auf die Präparate einwirken, dann ist das Bild der mit Nebenscheiben versehenen Fasern von demjeni- gen nicht zu unterscheiden, welches oben von den Fasern ohne dieselben geschildert wurde. Die einander zugekehrten Begrenzungslinien der Querbänder und Nebenscheiben können ganz scharf und gerade sein (Fig. 8a, Fig. 11). Doch begegnet man auch häufig Fasern, bei welchen die Querbänder wie ausgezackt erscheinen; an solchen Präparaten ist auch der dem Querband zugekehrte Rand der Nebenscheibe ein unregelmässiger und das ganze Bild weicht in nichts von dem ab, welches man auch bei anderen Gegenständen findet, welche bei der Continuitätstrennung eine unregelmässige Bruch- oder Riss- fläche erhalten haben. Ich will auf diese Thatsache jedoch kein Gewicht legen, da man sie auch als eine Verschiebung der Fi- brillen im Innern der Faser deuten könnte. Wichtiger ist es, dass die Nebenscheiben, auch bei Muskeln, welehe sich durch ihre gleichmässige Färbung als rubende documentiren, selbst in unmittelbar aufeinander folgenden Elementen, eine ganz ver- schiedene relative Breite zeigen können; das Querband steht zu ihnen bezüglich seiner Breite stets in umgekehrtem Verhältniss. Ferner begegnet man oft genug Uebergangsbildern, in welchen sich die Nebenscheiben eben vom Querband getrennt haben oder trennen wollen, wie dies auch schon Engelmann (9) beschrieben und abgebildet hat. (Fig. 10.) Eine wie grosse Unregelmäs- sigkeit bei der Entstehung der Nebenscheiben obwalten kann, be- weisen Fasern, an denen die einzelnen Fibrillen von einander unabhängig ihre Nebenscheiben formirt haben. Die eine ist grös- Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 669 ser, die andere kleiner, die eine näher dem Querband, die andere näher der Endscheibe. Es entsteht dann das bekannte Bild, in welchem die Nebenscheibe aus einer mehrfachen Reihe unregel- mässiger Körnchen zusammengesetzt zu sein scheint. Dass diese Ansicht, welche mit der anderer Forscher über- einstimmt, richtig ist, beweisen neben Zerfaserungspräparaten auch Beobachtungen an der lebenden Faser, an welcher man die kör- nigen Massen beim Eintritt des Zwischenstadiums verschwinden und auch in der contrahirten Faser nicht wieder auftreten sieht. Doch darf man nicht übersehen, dass in der Umgebung der End- scheibe auch oft Krümeln liegen, welche zwischen den Fibrillen befindlich sind. Schon in meiner früheren Arbeit habe ich auf die- selben aufmerksam gemacht (Nr. 3, Fig. 11), und konnte auch nun wieder in zahlreicher Menge solche Fasern finden, bei deren Zerspaltung sich solche Krümeln äusserlich an den abgelösten Fibrillen angeklebt fanden. Vergleicht man alle über die Nebenscheibe nun mitgetheilten Beobachtungen, dann sieht man, dass dieselbe ein Gebilde ist, welches keine selbstständige Bedeutung besitzt. Sie müsste im letzteren Falle nothwendig ebenso constante Formen und eine ebenso constante Lage zeigen, wie etwa die Endscheibe. Alles lässt vielmehr erkennen, dass man es mit einem grösseren oder kleineren abgerissenen Stück des dunklen Querbandes zu thun hat. Dass dieses Zerreissen des letzteren auch unter normalen Umständen im Leben vor sich gehen kann, wurde bereits erwähnt und es scheint sicher zu sein, dass die Querbänder ihre Conti- nuität nur bis zu einem ganz bestimmten Dehnungsgrade der Faser bewahren. Ist derselbe überschritten, dann reissen die bei- den Ränder ab. Diese Thatsache ist auch insofern noch von Inte- resse, als man a priori hätte erwarten sollen, dass bei einer Deh- nung der Faser die beiden Hälften des doppeltbrechenden Bandes von der Mittelscheibe losgerissen worden wären; denn hier fehlt ja doch schon von Anfang an eine Continuität, was man besonders gut an Thoraxfibrillen nachzuweisen im Stande ist, welche man postmortal gedehnt hat (vergl. Nr. 3, Fig. 4 u.5). Man wird durch diesen festen Zusammenhang der Theile in der Mitte des ruhenden Muskelelementes zur Annahme geführt, dass daselbst irgend eine Kraft thätig ist, welche die beiden Hälften des dunk- len Querbandes in fester gegenseitiger Attraction erhält. 670 Fr. Merkel: Beginnt nun die Zusammenziehung des Muskels, dann findet man, dass die einzelnen Fasern ein verschiedenes Aussehen zeigen können. Entweder schliesst sich an das Ruhestadium sogleich das homogene Zwischenstadium an, oder die Querstreifung bleibt noch erhalten, das Zwischenstadium tritt dann entweder erst etwas später auf oder kommt auch gar nicht zu Stande. Der erstere Fall ist häufiger an den Muskeln des Thoraxraumes, der letztere öfter an denjenigen des Abdomen zu beobachten. Betrachte ich zuerst eine Faser, welche sogleich in das Zwischenstadium eintritt, dann ist vor allem zu erwähnen, dass das Verhalten vollkommen identisch ist, mögen Nebenscheiben vorhanden sein oder nicht. In beiden Fällen sieht man die blau tingirbare Substanz, entweder des ungetheilten Querbandes oder des Querbandes und der Nebenscheibe ganz unvermittelt sich durch das ganze Element verbreiten, so dass dann die ganze Faser das bekannte homogene Aussehen zeigt. Oft ist bei geeig- neter Spiegelstellung auch an solchen Fasern die Endscheibe noch als schwach hervortretende Linie zu sehen, ebenso häufig ist aber auch gar nichts von ihr wahrzunehmen. Die Blauholzfärbung, welche wie gesagt, ein ganz homogenes Bild giebt, ist im Ganzen weniger intensiv, als es die des ruhenden Querbandes war!). In Essigsäure lässt sich ein erheblicher Unterschied gegen das Bild, wie es der ruhende Muskel gegeben, nicht erkennen. Was das Aussehen des Muskels in polarisirtem Lichte betrifft, so schliesse ich mich Engelmann und Frederieq in soferne voll- ständig an, als ich die leuchtenden Querbänder nach wie vor von einander getrennt finde. Sie erscheinen, ähnlich wie im ruhenden Muskel durchaus homogen und gleichmässig hell, nur sind sie schmaler geworden. Wenn aber Engelmann (28) sagt: „Auf jeder Stufe der Verkürzung, also auch im Uebergangsstadium, sind die isotropen Schiehten und anisotropen mittelst des Polarisations- 1) Es ist nicht unwichtig, zu bemerken, dass die Hämatoxylinfärbung nur wenig in die Tiefe dringt, dass also Fasern aus der Mitte eines dickeren Bündels weniger gefärbt erscheinen, als solche, die an der Oberfläche lagen. Man thut desshalb gut, Vergleichungen der Färbungsintensität nicht an ver- schiedenen Fasern anzastellen, sondern die Theile einer und derselben zu wählen. Um ganz sicher zu gehen, wird man am besten nur die allerober- flächlichst gelegenen Fasern eines gefärbten Bündelchens zur Anfertigung eines Präparates benutzen. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 671 apparates als scharf begränzte, regelmässig alternirende Lagen nachweisbar“, so hat er mit den beiden gesperrt gedruckten Wor- ten nur für einen Theil der im Zwischenstadium befindlichen Fasern recht, ein Theil aber zeigt nichts weniger als scharf be- grenzte Streifen. Dieselben sehen vielmehr etwa so aus, als hätte man eine etwas zu hohe Einstellung benutzt, so dass die leuch- tenden Streifen zwar noch zu sehen sind, jedoch mit undeutlichen, verwaschenen Rändern. Man ist sehr geneigt, solche Fasern als schlecht orientirt, oder als zu dick oder aus irgend einem andern Grund von der Beobachtung auszuschliessen; ist man aber erst einmal auf sie aufmerksam geworden, dann kann man keinen Augenblick an ihrer Bedeutung zweifeln. Besonders beweisend ist eine nie versagende Gegenprobe. Ich lege bei gekreuzten Nicols ein Präparat unter das Mikroskop und suche es nach einer solehen Stelle mit unklar begrenzten Querbändern durch. Hatte ich eine solche gefunden und nun die Stelle in gewöhnlichem Lichte betrachtet, so zeigten dieselben niemals ein anderes Stadium als ein völlig homogenes Zwischenstadium, in welchen man selbst nach den Endscheiben vergeblich sucht. Ein vollkommen homo- genes, in polarisirtem Lichte gleichmässig leuchtendes Aussehen der Faser, wie ich es für andere Objeete beschrieb, ist mir bei Dytiseus ebensowenig zu Gesicht gekommen, wie allen übrigen Beobachtern, eine Thatsache, welche jedoch meine alten Angaben, deren Richtigkeit ich auch jetzt noch aufrecht erhalte, gar nicht berührt. Wenn das Zwischenstadium in den wieder quergestreiften Contraetionszustand übergeht, dann treten sogleich die Streifen an der Endscheibe auf, die Zusammenziehung ist somit schon ziemlich weit vorgeschritten. Die eben geschilderten Vorgänge würden es noch nicht er- lauben, einen Schluss auf das Vorhandensein einer dritten Substanz neben der disdiaklastischen und plasmatischen zu machen und würde noch keinen Gegenbeweis gegen Engelmanns Auffassung beibringen, wenn er glaubt dass die isotrope Schichte im Ganzen stärker, die anisotrope schwächer lichtbreehend wird. Es bedarf hierzu noch anderer Beweise und diese werden geliefert von der zweiten Contractionsart des Dytiscus-Muskels. Bei ihr kann die Veränderung bequem successive verfolgt werden. Die Action beginnt hier sogleich ohne Weiteres mit dem 672 Fr. Merkel: Niedererwerden der Elemente. Der Raum, welchen das helle, isotrope Querband einnimmt, verschmälert sich, die Endscheibe, inmitten derselben ist aber noch deutlich als dunkle Linie zu erkennen. Zugleich erleiden die breiten, dunklen Querbänder eine bemerkenswerthe Aenderung. Sie schliessen sich auf beiden Seiten gegen das helle Querband durch eine schmale, aber kräftige, dunkle Linie ab!), welche jedoch bei näherer Betrachtung nur gegen die isotrope Substanz scharf begränzt ist, in das dunkle Querband dagegen verwaschen übergeht (Schema Fig. 19 Abth. 2, 3. Fig 7a U, Fig. 9a). Die Färbung mit Blauholz gibt ein gleiches, nur schärfer ausgeprägtes Bild; während das helle Quer- band völlig ungefärbt ist, zeigt sich die Begrenzungslinie blau und es erstreckt sich diese Farbe auch noch über das ganze dunkle Querband, jedoch wird sie nach der Mitte desselben immer liehter. Diese lichte Stelle wird nun bei fortschreitender Zu- sammenziehung immer deutlicher, die tingirbare Substanz zieht sich immer mehr nach den Rändern zurück und die dunkle Linie, der „Randsaum“, wie ich ihn nennen will, wird immer breiter (Schema Fig. 19). Die erwähnte, helle, mit Hämatoxylin nicht färbbare Substanz inmitten des Elementes ist oft verhältnissmässig gut begrenzt. Sie ist es, welche von Engelmann und Nasse als Mittelscheibe beschrieben wird. Ich kann hiermit nicht über- einstimmen, da die wirkliche Mittelscheibe, wie oben erwähnt, ein ganz schmales, linienartiges Gebilde ist. Macht man die Essigsäurereaction, dann erkennt man, wie nun die Substanz des beschriebenen Randsaumes einen ganz er- heblichen Widerstand leistet, weit beträchtlicher, als dies in der Ruhe der Fall war, wo ja, wie bemerkt, ebenfalls eine etwas dunklere Stelle sichtbar blieb. Der Saum bleibt glänzend und erscheint fast gar nicht gequollen, was auch daraus hervor- geht, dass die ballonartige Vorbauchung der Fibrillenabtheilungen gewöhnlich erst scharf, abgesetzt an der von der Endscheibe ab- gewandten Seite des Randsaumes beginnt (Fig. 9b). Auch verdünnter Kalilösung widersteht der Saum um so länger, je weiter die Contraction vorgeschritten ist. jetrachtet man in polarisirtem Licht, dann sieht man, dass die Doppelbrechung sieh vollkommen gleichmässig über die heller l) Sie wird auch von Ranvier (30) p. 116 erwähnt. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 673 und dunkler gefärbten Theile des Querbandes erstreckt, ohne dass ein Unterschied in der Intensität des Leuchtens nachzuweisen wäre, doch reicht die doppeltbrechende Substanz, wenn die Con- traetion erst etwas weiter fortgeschritten ist, nur noch bis zum Rand des dunklen Begrenzungssaumes, der letztere ist vollkommen isotrop (Fig 7a, b). Es ist nach Vorstehendem klar, dass sich an beiden Ober- flächen des dunklen Querbandes eine Substanz ausgeschieden hat, welche bei der ruhenden Faser in diesem selbst enthalten war, und es ist ganz unmöglich, die beschriebenen Vorgänge mit Engel- mann in der Art zu deuten, dass man unter Annahme von nur zwei Substanzen, die eine derselben Flüssigkeit abgeben, die andere aufnehmen lässt. Es müsste sich in diesem Fall ein ganz allmähliches Dunklerwerden der isotropen Substanz (meiner plas- matischen) nachweisen lassen. Dies ist jedoch nicht der Fall, sondern es bleibt dieselbe, so lange sie überhaupt sichtbar ist, auch gleichmässig hell und für Hämatoxylin ebenso unempfindlich, wie im Anfang. Sie wird vielmehr durch den mit Blauholz tin- girbaren Theil des Querbandes verdrängt und ersetzt. Das oben erwähnte Verhalten des Randsaumes der „kineti- schen“ Substanz, wie ich diese nun nennen will — gegen Essig- säure bedarf noch einer Betrachtung. Der Randsaum zeigt sich beim Fortschreiten der Üontraction immer weniger quellbar, immer resistenter gegen das Reagens. Man wird sich nun fragen, ob man es hier mit einer chemischen Umwandlung oder einer blossen Verdichtung der kinetischen Substanz zu thun hat. Ich möchte mich lieber für letztere Annahme entscheiden. Denn schon im ruhenden Muskel ist ja die kinetische Substanz weniger quellbar, als die disdiaklastische und schon die Erwägung, dass nun diese erstere ganz rein und unvermischt vorkommt, erklärt ihr Dunklerwerden. Die Färbung in Hämatoxylin — auch in Osmium, wie ich hinzusetzen kann, — ist ebenfalls unverändert, nur intensiver geworden. Endlich mag noch erwähnt sein, dass die Essigsäure, wenn sie auf lebende Muskelfasern einwirkt, auch in den contrahirten Theilen nach einiger Zeit die kinetische Substanz löst. Im ersten Anfang der Contraction können, wie gesagt, eben- falls noch Nebenscheiben zn Stande kommen. Der Leser würde sich dieselben nach dem Gesagten wohl ohne Weiteres selbst Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19, 45 . 674 Fr. Merkel: construiren können. Während sie beim ruhenden Muskel genau den Querbändern glichen, sind sie hier dunkler, als diese, da sie nun eine grössere Menge kinetischer Substanz enthalten, als in der Ruhe; sie färben sich in Blauholz intensiver und leisten der Essigsäure etwas grösseren Widerstand. Während die Neben- scheiben des ruhenden Muskels fast ebenso stark leuchteten, wie die Querbänder, treten sie jetzt, von der grösseren Menge kine- tischer Substanz überdeckt, viel weniger hervor, sei es dass die doppelt brechende Substanz activ zurückgewichen, sei es dass sie passiv von der kinetischen zurückgedrängt wurde. Endlich sind die Nebenscheiben, wenn sie nur noch aus kinetischer Substanz bestehen, ganz einfach brechend. Dieser letztere Fall scheint jedoch selten zu sein, weil es bei Fasern, welche so weit in der Contraction vorgeschritten sind, zur Bildung von Nebenscheiben gewöhnlich nicht mehr kommt. [Vergleicht man mit der bisherigen Beschreibung die Dar- stellungen und Abbildungen von Engelmann, welcher haupt- sächlich der Nebenscheibe seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, so wird man sehen, dass er von dem eigentlichen Ruhestadium gar nicht ausgegangen ist. Sein Ruhestadium ist, besonders in seiner letzten Arbeit, dasjenige, in welchem die kinetische Sub- stanz bereits begonnen hat nach der Endscheibe hinzurücken. Es ist allerdings wahr, dass man manches Bündel vergeblich nach ganz homogenen Querbändern durchsuchen kann, indem die Fasern sehr leicht in dem besprochenen ersten Erregungsstadium absterben. Doch ist mir die Angabe Engelmanns desshalb um so auffälli- ger, als die Präparate, welche ich von ihm zum Geschenk erhalten habe (Telephorus, Procrustes) sämmtlich das von mir beschriebene Ruhestadium mit homogenem Querband in grosser Ausdehnung zeigen. Man hat sogar Mühe, Stellen zu finden, in welchen die Wanderung der kinetischen Substanz schon begonnen hat. Die von diesem Forscher ohne Erklärung gelassene Thatsache, dass die Nebenscheibe unter Umständen dunkler ist, als das Querband, ist aus dem oben Gesagten ohne Weiteres zu verstehen. Ein helleres Aussehen der Nebenscheibe als dasjenige des Quer- bandes kommt bei ungefärbten oder sehr schwach mit Hämato- xylin tingirten Muskeln manchmal ebenfalls vor. Es ist diese Erscheinung wohl auf eine Art von Contrastwirkung zurückzu- führen, indem das breite Querband durch seine grössere Masse Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 675 dunkler erscheint, als die schmale Nebenscheibe. Ist die Neben- scheibe breiter, dann tritt diese Erscheinung nicht ein. Auch an Prä- paraten aus Osmium, welches Reagens die kinetische Substanz lebhaft braun färbt, sowie an solchen, welche intensiver mit Hämatoxylin gefärbt sind, ist mir ein solches Hellsein der Neben- scheibe bisher nie zu Gesicht gekommen. — Das verschiedene Verhalten der Nebenscheibe unter dem Polarisationsmikroskop, wie es geschildert wurde, ist bisher noch nicht erkannt. Die meisten Forscher fanden entweder gar keine oder doch nur geringe Spuren von Doppelbrechungen derselben. Um sich von den Nüancen in der Lichtbreehung dieses Theiles des Muskelelementes, sowie von denjenigen, welche unten noch zu erwähnen sind, gut überzeugen zu können, ist es nöthig, einen sehr vollkommenen Polarisationsapparat zu verwenden. Ich be- nutze einen solchen von Zeiss. In seiner vorletzten Publication (28) hebt Engelmann rühmend hervor, dass auch er einen solchen benutzt habe. Es hat mich desshalb um so mehr verwundert, dass er an den Nebenscheiben seiner Abbildungen zu derselben Arbeit nirgends etwas von Doppelbrechung zeichnet. Ich sehe alles, was ich beschrieben, schon mit dem System F, weit schär- fer und klarer freilich mit dem System für homogene Immersion (Yı2). Als Lichtquelle benutze ich jedoch nicht eine gewöhnliche Gaslampe, sondern die Lampe von Warmbrunn, Quilitz & Co. (Catalog von 1878, Beleuchtungslampe Nr. 936; p. 76), bei wel- cher das Licht von einem glühenden Kalkeylinder geliefert wird. Ich kann diese Lampe als ebenso einfach, wie praktisch empfehlen und bemerke nur noch, dass ich für Zuführung der nöthigen athmosphärischen Luft durch ein Wassergebläse sorge. | Bei dem Fortschreiten der Contraction kann sich nun der kinetische Randsauın plötzlich lösen, den Raum bis zur Endseheibe hin ausfüllen und dadurch noch nachträglich das Zustandekommen des Zwischenstadiums veranlassen, welches sich dann in Nichts von dem oben schon geschilderten unterscheidet. Tritt ein solches Stadium nicht auf, dann bleiben die Erscheinungen im Wesentli- chen unverändert. Die doppeltbrechende Substanz in der Mitte des Elementes wird immer durchsichtiger, sie nimmt beim Färben immer weniger Farbstoff auf, bis sie endlich ganz hell bleibt. Die beiden Randsäume kinetischer Substanz werden immer brei- ter und nähern sich der Endscheibe unter Verdrängung der plas- 676 Fr. Merkel: matischen Substanz mehr und mehr (Vergl. Schema Fig. 19). Schon ziemlich bald ist der Raum des hellen Querbandes so schmal seworden, dass man der stark glänzenden kinetischen Streifen wegen nichts mehr von der Endscheibe erkennt. Endlich sind dieselben einander so nahe gerückt, dass man zwischen ihnen nur noch einen linearen Raum erkennt, zuletzt scheinen sie in ein Band zusammengeflossen zu sein. — Es tritt diese scheinbar voll- ständige Vereinigung bei den schmalgestreiften Muskeln früher ein, als bei den breitgestreiften. Während so die Endscheibe zwischen den breiten, klineti- schen Streifen ganz verschwindet, tritt die vorher unsichtbare Mittelscheibe als eine sehr wenig auffallende, schattenähnliche Linie inmitten der doppeltbrechenden Substanz auf. Im polari- sirten Licht erscheint sie völlig isotrop und zeigt sich somit deutlicher, als in gewöhnlichem Licht. Sie färbt sich in Blauholz sehr wenig, in Essigsäure verschwindet sie sofort. Besonders die erstere Thatsache, in Zusammenhalt mit Engelmann’s (9) Reactionen liefert den Beweis, dass man es mit einem selbst- ständigen Gebilde zu thun hat und nicht etwa mit einem kleinen, in der Mitte des Elementes zurückgebliebenen Rest kinetischer Substanz, welcher eine Mittelscheibe vortäuscht. Durch das Erscheinen der Mittelscheibe wird bewiesen, dass auch die doppeltbrechende Substanz eine wenn auch geringe as Ortsbewegung vorgenommen hat. Sie ist von der Mitte des o Oo Oo Elementes losgerissen und um weniges ] { eripher gerückt. |Diese Beschreibung bestätigt die Abbildungen von Engel- mann und Fredericg jede zur Hälfte Fredericq zeichnet in seinem Schema (25) im contrahirten Muskel von Hydrophilus ebenfalls eine dunkle Linie in der Mitte der doppeltbrechenden Substanz. Dass dieser Forscher auch im polarisirten Querband des ruhenden Muskels eine etwas dunklere Stelle zeichnet, halte ich nicht für richtig. Ich habe ebensowenig, wie Engelmann, hier einen solchen Schatten bemerken können. Engelmann findet dagegen (283) in polarisirtem Licht auch am contra- hirten Querband eine solche dunkle Linie nicht. In Pflügers Arch. Bd. VII Tfl. III Fig. 1, zeichnet er dieselbe nur an der in gewöhnlicher Beleuchtung dargestellten Faser. Dass sie in polarisirtem Licht ebenfalls zu sehen ist, beweisen mir die Prä- Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 677 parate von Telephorusmuskeln, welche ich seiner Güte verdanke, unwiderleglich. ] Die kinetischen Streifen, welche anfänglich immer breiter geworden waren, nehmen bei fortschreitender Contraction an Dieke wieder ab, woraus hervorgeht, dass die ganze disponible kinetische Substanz des Elementes nach Bildung des Contractions- streifens an der Endscheibe angehäuft ist. Es ist nichts mehr davon im Elemente vertheilt, um dasjenige an Höhe wieder zu ersetzen, was dem Contractionsstreifen durch seine Ausdehnung in die Breite verloren geht. Der gesammte Binnenraum des Muskelelementes zeigt sich nun — wenn man von der dünnen Mittelscheibe absieht — von doppeltbrechender Substanz ausgefüllt. Die plasmatische Substanz ist vollständig verschwunden. Bei der völligen Uebereinstimmung der Forscher aber über die Thatsache, dass das Volumen des Elementes im contrahirten Muskel das gleiche bleibt, wie im ruhenden, kann man sich nun nicht etwa mit der Annahme helfen, dass das Plasma in die Räume zwischen die Fibrillen träte und es bleibt keine andere Annahme als die, dass sich die Flüssigkeit einer der beiden festen Substanzen, oder beiden zugemischt habe. An die kinetische Substanz ist jedoch von vorneherein nicht zu denken; dieselbe hat sich ja sogar, wie aus der bisherigen Darstellung ersichtlich ist, verdichtet. Die disdiaklastische Substanz dagegen hat im Verhältniss zu wenig an Höhe abgenommen. Aus Engelmanns Messungen (32) geht sogar mit Sicherheit hervor, dass sie an Volumen zugenommen hat. Man wird also nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass sie es ist, welche die plasmatische Substanz aufgenommen hat. [Ranvier (30), welcher für seine Theorie ein Austreten des Plasmas zwischen die Fibrillen annehmen muss, macht die An- gabe, dass dieses Austreten dadurch erwiesen würde, dass beim gedehnten, tetanisirten Frosch-Muskel die Längsstreifung deutlicher würde. Solche Experimente . sind freilich an den Muskeln des Wasserkäfers nieht zu machen, jedoch kann ich die Versicherung geben, dass die bei ruhendem Muskel ausserordentlich deutliche Längsstreifung, im eontrahirten Zustand einem geradezu glasigen Ansehen Platz macht. Auch an lebenden Muskeln ist in der Zusammenziehung durchaus keine deutlichere Längsstreifung, son- 678 Fr. Merkel: dern im Gegentheil ein auffallend gleichmässiges Aussehen zu bemerken. Vergl. p. 695 Anmerk.] Die Thatsache, dass die Rückkehr von der ÜContraction zur Ruhe ganz dieselben Bilder gibt, wie umgekehrt, ist zu bekannt, um hier noch ausführlich erörtert zu werden. B. Musea. Der Contractionsvorgang an den Muskeln der Fliege bildete viel seltener den Gegenstand einer Untersuchung, als der an Käfer- muskeln, und ich kann sagen, dass ein genaueres Studium, wenn ich von den Thhoraxfibrillen absehe, nur von mir selbst vorgenom- men wurde (3, 10). Zur Untersuchung diente mir damals ganz besonders das Muskelbündel des Thoraxraumes, welches zwischen den eigentlichen Thoraxfibrillen versteckt, zum zweiten Beinpaar herabkommt. Da ich bei der Wiederaufnahme meiner Studien bemerkte, dass es wichtig ist, Muskeln von verschiedenen Körper- theilen zu untersuchen, so zog ich nun auch diejenigen heran, welche durch Zerzupfen aus dem Kopfe der Fliege, sowie die, welche ebenso von der Aftergegend derselben und aus den Beinen gewonnen werden können. In allen Fällen ist das Bild der ruhenden Faser so, wie es schon in meinen früheren Arbeiten (l. e.) von der Fliege und so- eben von Dytiscus geschildert wurde. Nebenscheiben kamen mir nur selten und dann an den Muskeln des Kopfes zu Gesicht. Sie erschienen entweder granulirt, wie sie schon Engelmann (No. 9 Taf. II Fig. 7) zeichnet, oder auch als einfache Linie. Ihre Be- deutung ist offenbar die gleiche, wie bei Dytiseus. Eine andere Art von Dehnungserscheinung konnte ich an denselben Muskeln ganz regelmässig beobachten. Es waren hier die Endscheiben sehr breit geworden, ohne sich jedoch in verschiedene Linien zu spalten. Die Faserparthien, an welchen diese Erscheinung zu Tage trat, hatten zwar häufig ein wenig vertrauenerweckendes Ansehen, in- dem sie durch starken Glanz, Unregelmässigkeit in der Lage der (Juerstreifung und geringe Imbibitionsfähigkeit anzudeuten schienen, dass sie erst nach dem Absterben durch angrenzende noch lebende Theile bei deren Contraction gezerrt wurden, doch fehlten auch solche Stellen keineswegs, welche einen tadellosen Erhaltungszu- stand zeigten. Bei der Betrachtung der Contractionserscheinungen kann ich Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 679 bezüglich der Muskeln von der Aftergegend besonders kurz sein. Sie unterscheiden sich in nichts von den Dytiscusmuskeln, wie sie soeben beschrieben wurden. Die Querstreifung ist ziemlich eng, sie sind in Folge dessen schwieriger zu untersuchen. Dennoch aber lässt sich unzweifelhaft nachweisen, dass in polarisirtem Licht die dunklen, an Stelle der Endscheiben befindlichen Streifen des eontrahirten Muskels einfach breehend geblieben sind, während die hellen, dazwischen liegenden Bänder Doppelbrechung zeigen. Ein isotroper, der Mittelscheibe entsprechender Streifen (s. oben) kam nicht klar zur Beobachtung. Die Muskeln des Kopfes zeichnen sich durch ihre deutliche und breitere Querstreifung vortheilbaft aus. Auch begegnet man nur selten einer Faser, welche nicht alle Stadien von der Ruhe bis zur vollendeten Contraction nacheinander zeigt. Sie können desshalb als ein bequemes und nur selten versagendes Demon- strationsobjeet empfohlen werden. Sie gleichen sehr den von Engel- mann besonders empfohlenen Fasern von Telephorus, doch sind sie dieker. Gewöhnlich beginnt bei ihnen die Action damit, dass die dunklen Querstreifen schmaler werden und näher zusammen- rücken, ohne dass man eine besondere, selbstständige Bewegung . der kinetischen Substanz wahrnehmen könnte. Dann lösen sich die Streifen rasch auf und es füllt sich das ganze Element mit gleichmässiger Masse. Ein ganz homogenes Zwischenstadium be- schränkt sich gewöhnlich auf wenige Querabtheilungen. Manchmal sind auch hier die Endscheiben nur verwischt und nicht vollkom- men verschwunden (Fig. 13a). Dann treten diese wieder deutlich hervor, verdieken sich und werden dunkel, wie dies ja überall bei fortschreitender Contraction der Fall ist. Der Inhalt des Elementes sieht homogen aus und ist nun heller geworden. Der dunklere, schlecht begränzte Streifen der Mittelscheibe tritt nunmehr auf; er ist fast immer nachzuweisen. Die Färbung im Hämatoxilin ist eine gleichmässige, nur die Contractionsstreifen an den Endscheiben treten kräftig hervor. Es liegt darin eine bemerkenswerthe Verschiedenheit von den Muskeln des Dytiseus, indem bei diesen die Mitte des Elementes sehr rasch hell wird. Man sieht also, dass die kinetische Substanz in den Kopfmuskeln der Fliege weniger eilig der Endscheibe zustrebt. Die Betrachtung unter dem Polarisationsmikroskop lässt erkennen, dass nun meist die ganze Faser leuchtet. Ich bemerke aus- 680 Fr. Merkel: drücklich, dass dann auch die eben aufgetauchten Contractions- streifen an den Endscheiben hell sind; sie unterscheiden sich gegen die anliegenden Theile nur dadurch, dass sie auf der beleuchteten Seite einen glänzenden Reflex, auf der anderen einen Schlagschatten zeigen. Keine Einstellung ist selbst bei diekeren Fasern aufzu- finden, bei welcher ein isotroper Streifen zur Geltung käme. In anderen Fällen ist der Contraetionsstreifen zwar dunkler zu sehen, als die übrigen Theile der Faser, doch ist er noch weit davon entfernt, ganz isotrop zu sein. Die betreffenden Querabtheilungen umfassen, wie gesagt, gewöhnlich nur eine kurze Strecke, so dass man sie leicht übersehen kann. Oft sind sie nur 3—5 an Zahl und es zeigt die Faser dann sofort das Bild einer weiter ausge- bildeten Contraction. Bei dieser rücken die Contractionsstreifen immer näher zusammen und werden Anfangs breiter, um sich erst in den späteren Stadien wieder etwas zu verschmälern. In Häma- toxylin bleibt das Element bis zuletzt stets im Ganzen gefärbt, — alles Dinge, welche darauf hindeuten, dass die kinetische Substanz auch jetzt noch weniger energisch ihren Platzwechsel ausführt, als es bei Dytiseus der Fall ist. Wenn sich nun auch das Bild des stärker contrahirten und im Hämatoxylin gefärbten Muskels in gewöhnlicher Beleuchtung nur durch die Enge der Querstreifung von demjenigen unterscheidet, welches die allerersten Contractionsstadien zeigt, so lässt doch das polarisirte Lieht eine Erscheinung erkennen, welche auf den ersten Bliek sehr frappiren könnte. Die Contractionsstreifen sind nämlich nun in dünnen Faserfragmenten wieder vollkommen dunkel und isotrop (Fig. 13 b). Bei näherer Betrachtung er- klärt sich aber die ganze Folge der Bilder von der Ruhe bis zur vollen Contraetion sehr leicht. — Das Zwischenstadium und die ersten Momente der Contraetion ergeben bei Berücksichtigung der mit Hämotoxylin behandelten, sowie der im polarisirten Licht be- trachteten Präparate, dass hier die kinetische und die disdiaklas- tische Substanz in ihren Bewegungen einander weit mehr genähert sind, als dies bei Dytiseus der Fall war. Die erstere agirt träger, die letztere lebhafter, wie dort; so kommt es, dass beide vereint durch das Element sich verbreiten und dasselbe also ganz glänzend erscheinen lassen. Wird die Contraction stärker, dann tritt der Grundeharakter beider Substanzen wieder mehr zu Tage; die ki- netische Substanz dringt stärker gegen die Endscheibe an, die Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 681 Kraft der disdiaklastischen erlahmt, und sie wird durch erstere wieder aus dem Contractionsstreifen vertrieben, um sich nunmehr bloss bis zu dessen innerer Gränze zu erstrecken. Ob aber diese Veränderung eine totale ist, wurde mir immer wieder zweifelhaft. An feinen, abgespaltenen Stücken sieht man ja, wie gesagt, bei starker Contraction den Streifen an der Endscheide isotrop. Hat man aber dickere Fasertheile vor sich, dann kann man auch an sehr genau orientirten Fasern durch die Bewegung der Stellschraube diesen Streifen abwechselnd leuchtend und dunkel erscheinen lassen. Ein solches Experiment gelingt bei Fasern, welche sich noch vor dem Zwischenstadium befinden, niemals; bei diesen bleibt das isotrope Band, wenn es auch noch so schmal geworden ist, doch stets und bei jeder Einstellung dunkel. Ich lasse es dahingestellt, ob das erstere Phänomen auf einen geringeren Gehalt von disdia- klastischer Substanz in dem Contractionsstreifen an der Endscheibe oder nur auf eine Spiegelung seitens der doppeltbrechenden Sub- stanz, welche sich an der Grenze des genannten Streifens beson- ders stark anhäuft, zurückzuführen ist. Die Mittelscheibe ist bei stärkerer Contraction gewöhnlich als ein dunkler, in der Mitte des Elementes befindlicher Schatten nach- zuweisen (Fig. 13). Ueber die Essigsäurereaction wurde in Vorstehendem dess- halb völlig geschwiegen, weil sie keine von Dytiscus abweichende Eigenthümlichkeiten darbietet. Das von mir schon früher genau untersuchte Muskelbündel im Thoraxraum kann seiner schönen und genügend breiten Quer- streifung wegen, sowie wegen der Sicherheit, den verschiedenen Stadien immer zu begegnen und endlich wegen der grossen Leich- tigkeit der Zerfaserung nicht genug gerühmt werden. Dass trotz meiner Empfehlung doch bis jetzt Niemand dasselbe zur Nach- untersuchung benutzt hat, liegt vielleicht an seiner verborgenen Lage. Ich setze desshalb in Fig. 12 den Längsschnitt durch einen Fliegenkörper bei, an welchem das Bündel, mit * bezeichnet, zu sehen ist. Es liegt versteckt zwischen zwei breiten Bündeln von Thoraxfibrillen und zeiebnet sich an frischen Präparaten durch sein wasserklares, durchsichtiges Ansehen gegen die braune und undurehsichtige Masse der letzteren aus; an Alkoholpräpara- ten unterscheidet es sich von diesen durch seine schneeweisse Farbe. Ich will noch ausdrücklich bemerken, dass es nicht etwa 682 Fr. Merkel: allein steht, sondern dass sich im Thoraxraum noch eine ganze Anzahl anderer Muskeln findet, welche ganz die gleichen Eigen- schaften auch bezüglich des Ablaufs ihrer Zusammenziehung haben. Das beschriebene Bündel ist unter diesen nur das grösste und am leichtesten zu behandelnde. Im Gegensatz zu dem wenig ausgebildeten Zwischenstadium der Kopfmuskeln findet man an diesem Thoraxbündel meist ein solches, welches sich über eine grössere Strecke der Muskeln ver- breitet. Auch mit den besten Systemen ist dann an den Fibrillen keine Spur irgend einer Structur wahrzunehmen (Fig. 14a, I, II). Sie färben sich in Hämatoxylin ganz gleichmässig, zeigen aber in Essigsäure, wie ich dies früher (3) ausführte, ganz die gleichen Einziehungen an Stelle der Endscheiben und Variecositäten in den übrigen Theilen wie der ruhenden Muskel. Betrachtet man die Präparate unter dem Polarisationsmikroskop, dann findet man, dass sich die völlig homogenen Stellen verschieden verhalten können. In dem einen Falle sieht man ebenso, wie bei Dytiscus, die hellen und dunklen Streifen des ruhenden Muskels wieder erschei- nen (Fig. 14 b, I). Im anderen Falle bleiben dagegen die Fibrillen auch unter gekreuzten Nicol’s ebenso homogen, wie sie in gewöhnlichem Licht waren und zwar zeigen sie sich in allen Theilen ohne Unterschied leuchtend (Fig. 14 b, II). Das erstere Bild ist als der Anfang des Zwischenstadiums anzu- sehen, in welchem sich wohl die flinke, kinetische Substanz gleich- mässig durch die Elemente vertheilt hat, wo aber die schwer bewegliche disdiaklastische Masse noch nicht völlig gefolgt ist. Das zweite Bild ist dasjenige, welches der eigentlichen Contrac- tion unmittelbar vorhergeht, in welchem die kinetische Substanz von der doppeltbrechenden in ihrer Bewegung eingeholt worden ist. Nun beginnt die Ansicht des contrahirten Muskels zu er- scheinen. An Stelle der Endscheiben treten wie überall die dunk- len Contraetionsstreifen auf (Fig. 14a, II). Ebensowenig wie bei den Kopfmuskeln kann man hier am Thoraxbündel jemals die Endscheibe in ihrer Mitte erkennen, wie es bei Dytiscus der Fall war; die kinetische Substanz hat sich gleich von Anfang an von beiden Seiten her so eng an dieselbe angeschlossen, dass sie vollkommen verdeckt wird. Wie bei den Kopfmuskeln folgt auch hier die disdiaklastische Substanz durchaus der Bewegung der kinetischen und hilft also Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 683 den Contractionsstreifen mit bilden. Derselbe zeigt unter dem Po- larisationsmikroskop einen immer stärker werdenden Glanz und sieht nun wie ein auf die leuchtende Faser gelegter grünlich schimmernder Glasstab aus. Wie bei diesem sieht man hier am Contractionsstreifen einen schmalen Schlagschatten, welcher je nach der Spiegelstellung auf der einen oder anderen Seite befind- lich ist. An sehr dünnen Muskelplatten ist derselbe jedoch nie- mals im Stande die Täuschung hervorzurufen, als wäre er kein Schatten, sondern der vom Dytiseus her bekannte Streifen rein kinetischer Substanz zwischen den breiten doppeltbrechenden Querbändern. (Vergl. Fig. 14b, IH und Schultze’s Archiv Bd. IX, Taf. XV, Fig. 8.) Der erwähnte grünliche Schimmer zeigt, dass der Streifen etwas weniger doppeltbrechend ist, als die übrige Faser, was sich aus dem Uebergewicht der kinetischen Substanz an dieser Stelle leicht erklärt. Ein solches Aufleuchten des an der Endscheibe befindlichen Contractionsstreifens finde ich nun auch an stärker contrahirten Fasertheilen. Es bleibt also im Gegensatz zu den Muskeln des Kopfes die disdiaklastische Substanz hier dauernd mit der kine- tischen verbunden, ihre Mischung scheint niemals aufgehoben zu werden. Inmitten des Elementes taucht am contrahirten Thoraxbündel, wie bei Dytiscus und an den Kopfmuskeln der Fliege ein dunkler, einfachbrechender Streifen auf, die Mittelscheibe. Sie ist hier sehr deutlich und wird nur selten vermisst. Häufig begegnet man auch Fasern, in welchen der Reizzu- stand so beginnt, wie es schon von Dytiscus beschrieben wurde; wo das gleichmässig gefärbte, dunkle Querband des ruhenden Muskels zu beiden Seiten einen dunkleren Randsaum, in der Mitte eine hellere Stelle bekommt. Derartige Fasertheile gehen dann häufig mit Ueberspringen des Zwischenstadiums wie bei Dytiscus in den Contractionszustand über, indem die Randsäume zweier Bänder näher und näher zusammenrücken und endlich verschmelzen. In polarisirtem Licht unterscheiden sich die auf solche Art con- trahirten Muskeln natürlich gar nicht von den vorhin beschriebenen. Ueber die Behandlung des besprochenen Thoraxbündels mit Essigsäure und Hämatoxylin schweige ich, da diese Reagentien ganz ebenso wirken, wie bei den Kopfmuskeln. Vergleicht man nun nochmals die Ergebnisse der Untersu- 684 Fr. Merkel: chung von Dytiscus und der Fliege im Ganzen, so sieht man, dass bei jenem Thier eine viel grössere Gleichmässigkeit herrscht, als bei diesem. Die disdiaklastische Substanz ist in jedem Falle schwer beweglich, so dass die verschiedenen Muskeln alle so ziemlich das gleiche Ansehen in einfachem, das gleiche in pola- risirtem Licht bieten. Bei der Fliege aber ist diese Einförmigkeit nur für gewöhnliches Lieht geltend. Die disdiaklastische Substanz zeigt sich hier modulationsfähiger, sie ist in den meisten Fällen leichter beweglich und begleitet die kinetische Substanz weiter als dies bei Dytiscus der Fall war. Die in den Beinen der Fliege befindlichen Muskeln schliessen sich in Aussehen und Verhalten zum Theil denen des Kopfes, zum Theil dem Thoraxbündel an. |Da, wie schon erwähnt, kein Untersucher die Fliege als Beob- achtungsobjeet bevorzugt hat, so bleibe ich mit meinen Angaben so ziemlich auf mich selbst angewiesen. Ein Vergleich mit meinen früheren Arbeiten wird beweisen, dass ich nicht nöthig hatte, die dort gemachten Angaben zu verbessern. Nur ist die Deutung in Folge der Erweiterung des Gesichtskreises eine etwas andere ge- worden. Was die Angaben anderer Forscher anlangt, so beziehen sich Frederieq’s (23) Abbildungen, so weit sie hierher gehören, auf den rubenden Muskel, ebenso diejenigen Engelmann’s (9). In seiner zweiten Mittheilung sagt dieser letztere noch speeciell (p. 168), dass die Fliegenmuskeln „für Untersuchung im polarisirten Licht wenig taugten“, macht aber trotzdem (p. 172) die Angabe, dass er an diesem Material zu Ergebnissen gekommen sei, welche mit denen Flögels übereinstimmen. Wenn ich nun etwa auf Grund der ersten Bemerkung annehmen wollte, dass Engelmann rich- tige Beobachtungen nur nicht zu deuten und zu benützen wusste, so kann ich dies der zweiten, sehr unzweideutigen Bemerkung wegen nicht. Da nun aber dieser Forscher zu wiederholten Malen (9,28) sieh auf den Fliegendarm, als ein besonders geeignetes Objeet für Constatirung seiner Angaben beruft, so glaube ich, dass er genauere Studien wohl nur an Eingeweidemuskeln der Fliege gemacht hat, welche ja gerade am meisten den Muskeln von Dy- tiscus (und Telephorus) gleichen, und dass er seine dort erlangten Resultate dann generalisirt hat, andere Muskeln nur vorübergehend berücksichtigend. Das Ergebniss der vorliegenden Untersuchung, dass die Contractionsbilder der gestreiften Muskeln Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 685 verschieden sein können, ist freilich ein völlig unerwartetes und bis jetzt kaum für möglich gehaltenes.| Ein Zwischenstadium, welches auch in polarisirtem Lichte homogen bleibt, wird von Engelmann und seinen Anhängern immer wieder geleugnet. Jeder, der ein paar Präparate von dem so bequemen Thoraxbündel gemacht hat, wird sich davon auf das Bestimmteste überzeugen können. GC. Astaeus. Beim Flusskrebs zeigen die Muskeln unter sich die grössten Verschiedenheiten, sowohl was die Breite ihrer Querstreifung, als was das Verhalten ihrer disdiaklastischen Substanz betrifft. Stelle ich die von mir untersuchten Localitäten zusammen, dann findet man die breitesten Streifen an den Muskeln der weichen Membra- nen, welehe die Körpersegmente mit einander verbinden, an den gewöhnlichen Beinpaaren und an den hinteren Gliedern der die Scheeren tragenden Beine. Enger sind sie an den eigentlichen Scheerenmuskeln. Dann folgen die Kiemen, die Schwanzmusku- latur; und endlich kommen gewisse an den Augen befindliche Muskeln, welehe eine Querstreifung zeigen, die an Feinheit fast die der Wirbelthiere erreicht. Auch bei anderen Arthropoden scheinen mir, wie ich beiläufig bemerken will, die Muskeln der Augengegend, wenn solche vorhanden sind, sehr eng gestreift zu sein. — Meine Darstellung hat sich zuerst mit den Muskeln der kleinen Beine und denen der Scheere zu beschäftigen, welche in ihrem Verhalten gewissermassen die Extreme darstellen. Wie oben schon erwähnt, hat man diese beiden Muskelarten in der eigentlichen Scheere und den proximal von ihr folgenden Beingliedern dicht beisammen. Was zuerst die breitgestreiften Muskeln betrifft, so schliessen sie sich vollkommen an Dytiseus an und zwar findet man neben solchen Fasern, welche ein deutliches Zwischenstadium zeigen, oft auch solche, welchen dasselbe gänzlich fehlt. Die homogenen, dunklen Querbänder des ruhenden Muskels werden in letzterem Fall in der Mitte heller, es entwickelt sich ein immer stärkerer Randsaum, welcher nun die Eigenschaft der Doppeltbrechung ver- liert und endlich dieht an die Endscheibe heranrückt. Nun ist der Contraetionsstreifen fertig. Doch kommt es sehr häufig nieht bis zu einer vollständigen, optischen Vereinigung der Streifen zu 686 Fr. Merkel: beiden Seiten der Endscheibe, sondern es bleibt in der Mitte eine hellere Linie bestehen, welche der Endscheibe entspricht. In po- larisirtem Licht sieht man die disdiaklastische Substanz des con- trahirten Muskels durch die dunkle Mittelscheibe in zwei Theile getheilt. Wenn die Endscheibe zwischen den beiden kinetischen Streifen noeh sichtbar ist, dann leuchtet auch sie meist noch ganz deutlich. Die übrigen Reactionen sind denen der bisher beschrie- benen Muskeln so vollkommen ähnlich, dass ich über sie mit Still- schweigen hinweggehen kann. Nebenscheiben werden an den beschriebenen Beinmuskeln sehr häufig beobachtet. Sie stellen entweder sehr feine oft an der Grenze des Erkennbaren stehende Linien dar (Fig. 15), oder sind so gestaltet, wie sie von Dytiscus geschildert wurden, oder endlich es sieht ein Querstreifen aus, als bestünde er nur aus Mittelscheibe und den beiden Randsäumen (Fig. 16). In polari- sirtem Licht leuchtet jedoch das Querband im Ganzen, nur sind die Randsäume, sowie die scheinbare Mittelscheibe am hellsten. Eine interessante Thatsache fällt gerade bei diesen Muskeln am meisten auf, obgleich man ihr auch anderwärts begegnet, nämlich die, dass Querabtheilungen von genau der gleichen Höhe ein ganz verschiedenes Aussehen haben können. So liegt mir ein Präparat vor, in welchem Abtheilungen von 0,0043 mm Höhe bald die Quer- streifen noch mit einem breiten Randsaum versehen zeigen und eine wenn auch schmale, doch ganz deutliche Schicht plasmatischer Substanz erkennen lassen, etwa wie Fig. 19, Abtheil. No. 7; bald aber das Bild der vollendeten Contraetion, d. h. die Contraetions- streifen an der Endscheibe zeigen, Fig. 19, Abtheil. No. 10. Unter den in der Scheere befindlichen Muskeln dienten mir hauptsächlich diejenigen zur Untersuchung, welche die Branchen schliessen. Ihre Querstreifung ist verschieden breit; man thut sut die am breitesten gestreiften Bündel zur Untersuchung zu wählen. Einem Ruhestadium mit homogenem Querband begegnet man bei ihnen nicht allzu häufig, meist ist schon von Anfang an ein Randsaum nachzuweisen. Auf dieses Stadium folgt das von mir schon früher ausführlich beschriebene Zwischenstadium, wel- ches in gewöhnlichem Lieht völlig homogen erscheint. In polari- sirtem Licht finde ich, wie bei dem Thoraxbündel der Fliege zwei Möglichkeiten: entweder sind die doppeltbrechenden Quer- bänder des ruhenden Muskels noch erkennbar, oder es ist, wie Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 687 dort, ein völlig homogenes in allen Theilen leuchtendes Aussehen der Faser zu constatiren. Dass dieses nicht etwa durch eine Verschiebung der Fibrillen gegen einander vorgetäuscht wird, kann man an keinem Objecte deutlicher sehen, als an der Muskulatur der Krebsscheere, indem hier an etwas dickeren Bündeln Verschiebungen in ausgedehnterem Maasse vorkommen, als an anderen Objeeten. Ist eine solche vorhanden, dann sieht man unter dem Polarisationsmikroskop häufig ein Gewirr von hellen und dunklen Linien, welches in seinen Einzelheiten unverständlich bleibt, jedoch niemals ein klares, ho- mogenes Bild, wie es das Zwischenstadium darbietet. Das interessanteste Bild unter allen bisher besprochenen Ob- jeeten bietet aber der contrahirte Scheerenmuskel. Sein Aussehen in gewöhnlichem Licht weicht natürlich gar nicht von dem der oben geschilderten Muskeln ab und wurde von mir ebenfalls in meiner früheren Publication eingehend beschrieben. Es mag nur nochmals hervorgehoben werden, dass in den geringeren Graden der Zusammenziehung die dunkle Mitte des Elementes nicht als schmaler Strich, sondern als etwas breitere, verwaschene Stelle erscheint. (Dieses Archiv Bd. IX, Taf. XV, Fig. 2.) Benützt man nun das Polarisationsmikroskop, dann kann man in jeder Scheere Uebergänge im Verhalten der disdiaklasti- schen Substanz sehen, welche eine Reihe bilden lassen, die mit dem Aussehen der Fasern von Dytiscus beginnt und über dasjenige des Thoraxbündels der Fliege noch hin- ausgeht. In einem und demselben Muskel ist also die doppelt- brechende Substanz im Stande, ihre Bewegungen in der verschie- densten Weise auszuführen. Ich finde Muskelparthieen, an welchen der Contractionsstrei- fen an der Endscheibe unter dem Polarisationsmikroskop fast ganz dunkel bleibt. Ein leichter Schimmer mag vorhanden sein, doch ist er so zart, dass man über seine Existenz wohl zweifelhaft bleiben kann. Die disdiaklastische Substanz ist in geschlossener Phalanx etwas von der Mittelscheibe abgerückt, dieselbe als iso- trope Linie erscheinen lassend. Eine zweite Reihe von Präparaten zeigt die Faser im Ganzen leuchtend. Zwischen dem Licht des Contractionsstreifens und dem der übrigen Fibrillentheile ist kaum ein Unterschied und man hat in einzelnen Fällen Mühe ein Object, welches in gewöhn- 685 Fr. Merkel: liehem Licht das bekannte Bild des contrahirten Muskels zeigt, in polarisirtem von dem homogenen Zwischenstadium zu unter- scheiden. Freilich sind bei genauerer Betrachtung die Grenzen des Contractionsstreifens immer zu sehen. In einer dritten Serie aber ist das Bild des contrahirten Mus- kels so, wie ich es in Schultze’s Archiv Bd. IX, Taf. XV, Fig. 6 und in Fig. 18 der vorliegenden Abhandlung wiedergebe. Es sind dann die Contraetionsstreifen deutlich glänzend und zwar die hellsten Stellen der Fibrille. In der Mitte des Elementes ist eben- falls eine etwas heller erscheinende Stelle zu sehen und der übrige Theil desselben zeigt einen grauen Schimmer, kein Theil ist voll- kommen dunkel. Erst wenn die Contraction stärker wird, schwin- det die an der Mittelscheibe gelegene Masse mehr und mehr, zeigt der Contractionsstreifen an der Endscheibe einen immer helleren Glanz und wird der übrige Theil des Elementes immer dunkler, ohne dass es aber jemals zu einer vollkommen isotropen Stelle in der Mitte des Elementes käme. Betrachtet man die contrahirten Fibrillen der Krebsscheere in Hämatoxylinfärbung, dann sehen sie sämmtlich ganz gleich aus, sie mögen in polarisirtem Lichte erscheinen, wie sie wollen, und zwar findet man den Contractionsstreifen an der Endscheibe stark gefärbt, auch die verwaschene Stelle an der Mittelscheibe ist violett und die ganze Fibrille zeigt einen violetten Schimmer. Daraus geht mit womöglich noch grösserer Sicherheit als aus den bisherigen Ausführungen hervor, dass die doppeltbrechende Substanz mit der Hämatoxylinfärbung gar nichts zu thun hat, dass diese vielmehr an einer anderen Substanz haftet, welche über- all ganz das gleiche Verhalten zeigt, während die disdiaklastische, je nach Bedürfniss — man ist fast versucht zu sagen, „je nach Laune“ — bald hier, bald dort Stellung nimmt. ’ Oo Meine Bemühungen, irgend eine Regelmässigkeit in dem Vorkommen der verschiedenen Bilder zu entdecken, waren bis jetzt nieht mit Erfolg gekrönt. Besonders gelang es nicht, die- selben an bestimmte Localitäten gebunden zu finden; man muss vielmehr glauben, dass jede Fibrille im Stande ist, bald dieses, bald jenes Aussehen zu zeigen. Volle Sieherheit wird man frei- lich erst dann erlangen, wenn man an einer und derselben Fibrille mehrere Möglichkeiten realisirt findet. Die Muskeln des Schwanzes und der Kiemen zeigen weniger Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 689 extreme Bilder, als die Scheerenmuskulatur. Bei ersteren findet man häufig Parthieen, welche in polarisirtem Licht nur wenig Unterschied in der Helligkeit des mittleren Theiles der Elemente und des Contractionsstreifens an der Endscheibe zeigen. Stellen, an welchen die Endscheibe heller ist, als die Mitteltheile, sind mir bis jetzt noch nicht vorgekommen. Ansichten dagegen, in welchen der Uontractionsstreifen an der Endscheibe nur einen schwachen Schimmer von Doppelbrechung zeigt, begegnet man häufiger. Die Muskeln der Kiemengegend schliessen sich in Aussehen, Querstreifung und Ablauf der Contraetion sehr genau an diejenigen des Thoraxbündels der Fliege an. Der einzige Unterschied be- steht darin, dass der Contractionsstreifen noch weniger glänzend ist, als dort, ja dass er sogar nicht selten ganz isotrop erscheint. Ich will damit die Darstellung der Dinge, wie man sie beim Flusskrebs findet, beschliessen. Der Leser wird die UVeberzeugung gewonnen haben, dass ausnehmend grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Muskelgruppen bestehen und ich kann wohl sagen, dass sie sich bei der Betrachtung weit grösser und schärfer aus- geprägt zeigen, als. dies aus einer kurzen Beschreibung hervor- gehen kann. [Wenn Engelmann (No. 9, p. 10) sagt, dass die Muskeln des Flusskrebses nicht den höchsten Anforderungen entsprechen, weil die künstliche Spaltung in Fibrillenbündel nicht immer in erwünschter Weise gelänge, so möchte ich fast glauben, dass er die Scheerenmuskeln dieses Thieres gar nieht zur Untersuchung herangezogen hat. Es ist mir ausser dem oben gerühmten Thorax- bündel der Fliege wenigstens kein Muskel bekannt geworden, von dem sich so ausnehmend leicht feinste, zur Untersuchung in po- larisirtem Lichte vorzüglich geeignete Theile abspalten lassen, als gerade der Schliessmuskel der Krebsscheere. Zu allem Ueber- fluss will ich aber doch nicht versäumen, meine Präparationsweise hinzuzufügen. Ich lege ein kleines Bündel des Scheerenmuskels in absoluten Alkohol und zerfasere es darin so viel wie möglich. Alle Bruchstücke werden nun auf eine Nadel genommen und auf den Objectträger gebracht, auf welchem sich ein Tropfen einer Lösung von Damaraharz in Xylol — ein Harz-Einschlussmittel, welches ich schon seit längerer Zeit ausschliesslich benutze — befindet. Ehe die Fäserchen ganz durchsichtig geworden sind, hat man noch genügend Zeit, sie auseinanderzulegen, auszubreiten, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 19, 46 690 Fr. Merkel: ja selbst die Zerfaserung noch fortzusetzen. Man erhält dann, wie erwähnt, feinste und sehr günstig gelagerte Fasertheile in Menge. Ich benutze die Gelegenheit, um nochmals nachdrücklichst darauf hinzuweisen, dass Polarisationsresultate nur dann Werth haben, wenn sie an Objeeten gewonnen sind, welche so dünn sind, dass nur eine einzige Einstellung ein wirklich scharfes Bild giebt. Alle diekeren Stücke können unter Umständen durch schiefe Lagerung oder Verschiebungen der Fibrillen zu Täuschun- gen Veranlassung geben. Es mögen nochmals diejenigen Muskeln genannt sein, welche sichere Garantie dafür bieten, dass man sie in dünnste Theile spalten kann: im Thoraxraum befindliche Beinmuskeln von Dytiseus, Thoraxbündel der Fliege, Scheeren- und Schwanzmuskeln vom Krebs; auch die an den Kiemen befind- lichen Muskeln dieses Thieres sind ziemlich gut spaltbar. Am wenigsten geeignet finde ich überall die in den Beinen befind- lichen Muskeln. Die Existenz eines Zwischenstadiums, welches auch in po- larisirtem Licht homogen bleibt, bestreitet Engelmann (23), wie schon oben bemerkt, noch immer. Er betont, „dass alle seine Präparate mit dieser Behauptung in Streit sind.“ „Man übersehe doch — so fährt er fort — die Bedeutung des Umstandes nicht, dass jene Vorstellung absolut unfähig ist die von mir erhaltenen Bilder zu erklären, während bei der meinigen eine Erklärung der gegnerischen Angaben sehr leicht ist!“ Es ist dies eine ebenso eigenartige, wie bequeme Argumentation, eine von anderer Seite beobachtete Thatsache desshalb nicht anzuerkennen, weil sie nicht zur Theorie, die man sich zurechtgelegt, passt. Ich selbst kann für meine eigene Deutung der Dinge keinen Gebrauch davon machen, sondern zog es vor, die gegnerischen Angaben sorgfältig auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Als diese letztere constatirt war, mussten nicht sie, sondern meine bisherige theoretische Anschauung den Platz räumen. Engelmann glaubt den „Irrthum“ dadurch erklären zu können, dass er erstens annimmt, meine Präparate hätten mich „wegen zu grosser Dieke bei nicht genau vertikaler Lagerung der Fächer, zum Theil auch wohl wegen zu enger Querstreifung ge- täuscht). „Zweitens hat man sich sicherlich durch das Aussehen 1) Die direete Kenntnissnahme von meinen Präparaten, auf welche sich Engelmann beruft, bestand darin, dass derselbe in einem durch Tageslicht Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. I6l der Fasern in gewöhnliehem Lichte verleiten lassen.“ Wenn diese Sätze irgend einen realen Grund in meinen Arbeiten hätten, dann wäre es schlimm um dieselben bestellt; der erstere ist aber ab- solut aus der Luft gegriffen, wie ein Vergleich mit meiner Aus- einandersetzung auf p. 300 des neunten Bandes dieses Archives zeigt; der letztere ist so banal, dass Niemand auch nur ein Wort der Entgegnung erwarten wird. Wenn also Engelmann eine Erklärung der gegnerischen Angaben sehr leicht ersehien, so ist sie ihm doch nicht gelungen. Er wird vielmehr die Angaben, welche ich für meine früheren Ob- jeete heute noch in ihrer ganzen Ausdehnung ebenso festhalte, wie damals, als sie gemacht wurden, bei sorgfältiger Untersuchung der betreffenden Muskeln ebenfalls als thatsächlich anerkennen, und wird dann ebenso, wie ich es gethan, als ich auch seine Angaben für richtig erkannt hatte, seine theoretische Deutung ändern müssen. "Ich höre noch nicht auf zu hoffen, dass seine Ansichten sich den meinigen mehr und mehr nähern werden. Nasse’s (27) Untersuchungen, welche sich hauptsächlich auf die Muskeln der Krebsscheere beziehen, führen ihn zu Resultaten, welche für die Betrachtung in gewöhnlichem Licht mit dem Be- kannten übereinstimmen: Ruhe, Zwischenstadium, Umkehrung in der Contraction. Während er sich über die Polarisationsverhält- nisse des Zwischenstadiums nicht weiter ausspricht, schliesst er sich für die Contraction an die Darstellung Engelmann’s an; er lässt also den Contractionsstreifen an der Endscheibe isotrop sein. Präparate, welche ich diesem Forscher demonstriren konnte, überzeugten ihn, dass neben dem von ihm geschilderten Verhalten der Scheerenmuskeln des Krebses auch das von mir früher allein beleuchteten Zimmer im Lichte einer Studirlampe ein paar Präparate (so- weit ich mich erinnere, lagen dieselben in Glycerin und waren mit Blauholz gefärbt) unter einem Polarisationsmikroskop von mittlerer Güte besah. Die Demonstration wurde aus verschiedenen Gründen von mir weit rascher, als ich ursprünglich vorhatte, beendigt; eine grössere Anzahl von Präparaten wurde überhaupt nicht vorgezeigt. Ich muss daher bestreiten, dass E. damals — es war auf der Leipziger Naturforscherversammlung — einen genaueren Einblick in meine Präparate erlangen konnte. Hätte damals eine ungestörte beiderseitige Demonstration mit genügenden optischen Hülfsmitteln stattfinden können, dann würden wir zweifellos gemeinsam die Richtigkeit der ver- schiedenen Angaben festgestellt haben. 692 Fr. Merkel: beschriebene mit leuchtenden Contractionsstreifen vorhanden ist!). Dass mir die von diesem Forscher beschriebenen sehr breiten Nebenscheiben an der Scheere niemals begegnet sind, hat seinen Grund offenbar darin, dass ich es vermieden habe, an künstlich gedehnten Muskeln zu arbeiten. Ich glaubte stets die Resultate, welche man an solchen Objecten erhält, die bei der Erhärtung sich selbst überlassen waren, für sicherer halten zu dürfen. In letzter Stunde behandelte ich noch eine Krebsscheere in der von Nasse angegebenen Weise, um zu sehen, ob auch in der Dehnung beide Ansichten des contrahirten Muskels unter dem Polarisationsmikroskop nachweisbar seien. Es ist dies der Fall.] Nachdem in Vorstehendem die Resultate meiner Beobachtungen im Einzelnen mitgetheilt sind, erübrigt es noch, dieselben im Ganzen zu betrachten. Als das wesentlichste allgemeine Resultat ist der Nachweis der Thatsache anzusehen, dass das doppeltbre- chende Querband des ruhenden Muskels allenthalben aus zwei Substanzen besteht, welche sich in inniger Mischung mit einander befinden. Dass wirklich eine einfache Mischung und keine Ver- bindung, welche etwa den Charakter einer chemischen an sich trägt, vorhanden ist, erhellt aus den obigen Ausführungen von selbst. Denn es war nach den Resultaten der Behandlung mit Essigsäure, Hämatoxylin, und der Betrachtung unter polarisirtem Licht, sowie durch einen Vergleich des activen Muskels in allen Stadien klar, dass zwei Substanzen vorhanden sind, welche sich immer in unveränderter Weise von einander unterscheiden lassen. Wäre im ruhenden Muskel eine Verbindung der beiden fraglichen Substanzen nach Art einer chemischen vorhanden, dann würde 1) Als mein verehrter College Nasse im Herbst 1880 hierher über- siedelte, stellte sich bei unserer ersten Begegnung (in den letzten Tagen des October) heraus, dass wir beide seit einiger Zeit über den Muskel arbeiteten, doch kreuzten sich unsere Untersuchungen in sofern weniger, als wir von verschiedenen Seiten her den ebenso interessanten, wie vielseitigen Gegenstand in Angriff genommen hatten. Da ich meine Arbeit früher abschliessen konnte, als mein verehrter College, so vermied ich es, mich genauer über seine Be- obachtungen unterrichten zu lassen, und kann nur wünschen, dass nicht doch unwissentlich von meiner Seite ein Uebergreifen auf sein Untersuchungsgebiet stattgefunden hat. Für die Erlaubniss, meinem geehrten Collegen eine An- zahl Präparate demonstriren zu dürfen, bin ich demselben zu grossem Dank verpflichtet. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 693 ja auch ein eigenartiges Verhalten dieses neuen Körpers, den Reagentien gegenüber, constatirter sein müssen. Besonders liesse sich das oben bei Dytiscus beschriebene Verhalten des dunklen Querbandes gegen Essigsäure nicht erklären. Ich nehme also eine Mischung der beiden Substanzen an, etwa so wie man fein pulverisirtes Salz und eben solehen Pfeffer durch Schütteln zu einem gleichmässig grauen Pulver umwandeln kann, welches aber die Eigenschaften beider Ingredienzien unverändert neben einander behält. Der Vergleich hinkt allerdings in soferne als im Rande des ruhenden Querbandes wohl stets ein kleiner Ueber- schuss von kinetischer Substanz vorhanden ist, weleher entweder bei der Betrachtung des unversehrten Präparates ganz unsichtbar bleibt und erst durch Essigsäureeinwirkung deutlich gemacht werden muss, oder welcher schon am unversehrten Präparate ohne Behandlung, deutlicher noch nach Hämatoxylinfärbung sicht- bar ist. Tritt nun das Zwischenstadium ein, dann wird vor allen Dingen dieser Randsaum verbraucht, und der Raum, welcher bis dahin allein die plasmatische Substanz enthielt, ebenfalls mit kine- tischer Substanz angefüllt. Das Hinströmen dieser letzteren nach der Endscheibe geht nun weiter und weiter, ihre dunklen Moleküle verlassen mehr und mehr den übrigen Raum des Elementes. Diese Attraction nach der Endscheibe hin lässt sich nun so erklären, dass man annimmt, die kinetische Substanz verhielte sich etwa so, wie Anker und Stäbe eines Inductionsapparates. In der Ruhe nicht magnetisch, liegt sie in der Nähe der Mittelscheibe. Durch den Nerveneinfluss magnetisch gemacht, ziehen sich die beiden Ab- theilungen kinetischer Substanz, welche in den benachbarten Räumen zweier Elemente liegen, gegenseitig an und drängen sich an die zwischen ihnen liegende Endscheibe heran. Ich denke bei einer solehen Erklärung natürlich nicht daran, ohne Weiteres die gleiche physikalische Kraft in Anspruch nehmen zu wollen, wie sie im Inductionsapparat wirkt, sondern benutze das Wort „magnetisch“ nur, weil ich kein zutreffenderes kenne, ohne damit über die in der kinetischen Substanz wirksame Kraft etwas prä- judieiren zu wollen. Es ist dies nicht die einzige Möglichkeit, um sich die Be- wegung der kinetischen Substanz zu erklären. Wenn es auch 694 Fr. Merkel: unwahrscheinlicher ist, so ist es doch denkbar, dass nicht die kinetische Substanz bei der Contraction „magnetisch* gemacht wird, sondern die Endscheibe, welche dann ihrerseits auf die kine- tische Substanz einen ähnlichen Einfluss ausüben würde, wie etwa ein Magnet auf Eisenfeilspäne. Wäre dies der Fall, dann müsste man freilich die Endscheibe als eine der allerwichtigsten Stellen der Fibrille ansehen und müsste ihr eine Bedeutung zuschreiben, die man heute noch gar nicht ahnt. Denn in den bisherigen Untersuchungen deutet keine Beobachtung darauf hin, dass an dieser Stelle bedeutsame Veränderungen vor sich gehen, sie wird vielmehr von allen Seiten für den stabilsten Theil der Constituen- tien der Fibrillen gehalten. Doch liegt immerhin keine Thatsache vor, welche die eben angenommene Bedeutung als unmöglich darstellt. Was nun die doppeltbrechende Substanz anlangt, so erwirbt diese, wie aus den obenstehenden Ausführungen wohl mit Sicher- heit hervorgeht, bei der Zusammenziehung wenn überhaupt, nur in sehr unbedeutendem Maasse „magnetische“ Eigenschaften. Sie rückt ja in vielen Fällen nur sehr wenig von der Mittelscheibe ab, in einzelnen verlässt sie diese Scheibe vielleicht gar nicht (Fliegendarm). Wenn sie in anderen Fällen sich durch das ganze Element verbreitet, (homogenes Zwischenstadium in polarisirtem Licht) so kann man auch dies nieht ohne weiteres als das Resul- tat einer „magnetischen“ Anziehung ansehen, denn man müsste dann erwarten, dass die Mischung der kinetischen und der dis- diaklastischen Substanz auch im stärker eontrahirten Muskel ganz die gleiche bliebe, wie im ruhenden. Dies ist jedoch in vollem Maasse nur in den Präparaten der Fall, von welchen ein Paradig- ma in Fig. 13 abgebildet ist. Wie es oben geschildert wurde, kann sogar in anderen Fällen die Doppelbreehung des Contrac- tionsstreifens an der Endscheibe nach Vollendung des Zwischen- stadiums wieder geringer werden, woraus hervorgeht, dass die kinetische Substanz kräftiger nach der Endscheibe zustrebt, also erheblich activer ist. Kehre ich, um dies klar zu machen, noch einmal zu dem oben gebrauchten Bild der Mischung von Pfeffer- und Salzpulver zurück, und nehme ich an, der Pfeffer entspräche der kinetischen, das Salz der disdiaklastischen Substanz, so würde der Pfeffer zu beiden Seiten nach der Endscheibe hingezogen und risse nun in Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 695 gewissen Fällen das Salz passiv mit; es würde die Masse nun in einem bestimmten Moment den ganzen vorhandenen Hohlraum mit gleichmässig grauem Pulver erfüllen. (In polarisirtem Licht ho- mogenes Zwischenstadium.) Die Attraction an die Endscheibe geht dann weiter, es sammelt sich immer mehr Pfeffer daselbst. Nun wird es darauf ankommen, wie weit diese Ansammlung geht. Erfolgt rasch ein Stillstand, dann werden noch immer genug Salz- körnehen unmittelbar an der Endscheibe liegen, um die Schiehte hell erglänzen zu lassen (Thoraxbündel der Fliege, Objecte aus den Scheerenmuskeln des Krebses), zieht sich dagegen das schwarze Pulver immer stärker an den Endscheiben zusammen, dann wird das weisse mehr und mehr aus seiner dortigen Lage gedrängt, der Streifen wird immer dunkler grau (in polarisirtem Licht we- niger leuchtend: Kiemenmuskel des Krebses) schliesslich wird er ganz schwarz (Kopfmuskel der Fliege). Wenn nun aber die doppeltbrechende Substanz bei der „magnetischen* Anziehung des Inhaltes zweier aneinandergren- zender Elemente einer Fibrille keine ausschlaggebende Rolle spielt, worin liegt dann ihre Bedeutung? Zweifellos in der Vermischung mit der plasmatischen Substanz. Engelmann hat schon in seinen früheren Arbeiten wiederholt darauf hingewiesen, dass sich das Volumen der disdiaklastischen Substanz vergrössert, und hat in diesen Tagen erst diese That- sache auch durch directe Messungen bestätigt. Selbst ohne dass man diese letzteren wiederholt, wird man schon durch den blossen Augenschein belehrt, dass dieser Forscher im Rechte ist. Meine obenstehenden Ausführungen haben ferner den Beweis geführt, . dass die plasmatische Substanz im contrahirten Muskel als solche gar nicht mehr nachzuweisen ist. Die etwa mögliche Annahme, dass sie das Element ganz verlassen hätte, wie es Ranvier will, ist aus verschiedenen Gründen unmöglich. Vor allem nimmt das Volumen des contrahirten Elementes nicht ab, es muss also im contrahirten Zustand ebensoviel Substanz enthalten, wie im ruhen- den. Dann ist durch Nasse der leicht zu bestätigende Nachweis geführt, dass im contrahirten Muskel die Fibrillen fester zusammen- halten, als im ruhenden, dass also Ranvier’s Angabe, von dem Deutlicherwerden der fibrillären Struetur völlig wunrichtig sind!) 1) Dieses Urtheil bezieht sich auch auf die Wirbelthiermuskel. Das Deutlichwerden der fibrillären Structur ist nur ein scheinbares, bei genauer 696 Fr. Merkel: Auch daraus erhellt, dass durchaus nicht mehr Flüssigkeit in die Zwischenräume der Fibrillen eingedrungen sein kann, als in der Ruhe in denselben war. Der letzte und Hauptgrund aber ist eben die unbestreitbare Thatsache, dass bei gleichbleibendem Volumen dies Elements eine Vergrösserung des Volumens der doppeltbrechen- den Substanz erfolgt. Diese Vergrösserung beginnt in dem Augen- blick, in welchem die Action überhaupt ihren Anfang nimmt. (Vergl. Engelmann 32.) Es ist also klar, dass sofort der durch die Bewegung der kinetischen Substanz freiwerdende Raum durch die nach dem Oentrum des Elementes -hinfluthende plasmatische Substanz eingenommen wird. Man hat nun nach dem Gesagten noch nicht nöthig, bei dem erfolgten Platzwechsel der kinetischen und plasmatischen Substanz an eine Quellung zu denken, von welcher Engelmann spricht, man könnte ebenso gut an eine Aufschwemmung fester und unlöslicher Theilchen in der vorhan- denen Flüssigkeit denken. Allein dem steht vor allem das nach wie vor helle, man könnte sagen glasige Aussehen der disdiaklas- tischen Substanz entgegen. Wäre nur eine Mischung vorhanden, etwa nach Art einer Emulsion, dann würde man jedenfalls die disdiaklastische Substanz um so mehr getrübt und grau finden, je stärker die Contraetion vorwärts geht. Es ist aber grade das Umgekehrte der Fall. Je stärker die Contraction, je freier von kinetischer Substanz, um so heller und durchsichtiger ist die dia- klastische Masse. Dass dieselbe mit der Fähigkeit aufzuquellen in hohem Grade ausgestattet ist, beweist ausserdem auch schon ihr Verhalten gegen verdünnte Essigsäure. Ich entscheide mich desshalb, wie Engelmann, für eine Quellung der disdiaklastischen Substanz in der plasmatischen !). Betrachtung ist sie ebenso deutlich im ruhenden Muskel; hier ist sie nur durch die stark hervortretende Querstreifung auf den ersten Blick verdeckt, während die zarte und enge Querstreifung des contrahirten Muskels den Blick mehr auf die Längszerklüftung lenkt. Wird Ranvier erst das homogene Zwischenstadium gefunden haben, dann wird er seben, dass in diesem die fibrilläre Struktur am allerdeutlichsten ist. 1) H. Quincke (Pflügers Arch. II. 1870) führte den Nachweis, dass bei der Quellung eine Verdichtung in der Art stattfindet, dass das Volumen des gequollenen Körpers etwas kleiner ist, als das des ursprünglichen plus der aufzunehmenden Flüssigkeit. Schon Engelmann verwerthet diese That- sache zur Erklärung der bekannten geringen Volumensabnahme des Gesammt- Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 697 Ob ausser dieser Quellung, welche eine reine passive Er- scheinung ist, noch ein actives Breiterwerden der disdiaklastischen Substanz vorhanden ist, kann man wohl kaum entscheiden. Für das Verständniss der Contraetion, soweit überhaupt an ein solches gedacht werden kann, genügt die Quellung an sich. Dieselbe braucht ja nicht nach allen Richtungen gleichmässig zu erfolgen. Macht man das einfache Experiment, einen kleinen Leimeylinder in Wasser aufquellen zu lassen, dann sieht man, dass er sich in der Dieke mehr als doppelt soviel ausdehnt, wie in der Länge. Hierzu kommt noch, dass durch das Verhalten der kinetischen Substanz der Ausdehnung bei der Quellung der disdiaklastischen schon an sich ein bestimmter Weg gewiesen ist. Die Moleküle der ersteren, welche in der Ruhe mehr oder weniger übereinander in der ganzen Höhe des dunklen Querbandes aufgeschichtet lagen, haben dureh die beim Contractionsvorgang stattfindende Attraction an die Endscheibe das Bestreben, dieser letzteren sämmtlich so nahe wie möglich zu kommen. Sie werden also suchen sich nebeneinander an derselben zu lagern. Dadurch werden sie eine grössere Fläche bedecken, als vordem. Da nun, wie gesagt, das Volumen des ganzen Elementes stets unverändert bleibt, so wird es die Vergrösserung der Grundflächen durch Geringerwerden der Höhe ausgleichen müssen. Die Action dieser kinetischen Substanz würde also im Prin- zip schon allein für sich genügen, die Contraction auszuführen. Dass sie zum Zustandekommen der Zusammenziehung ferner absolut nothwendig ist, beweist die so grosse Beständigkeit in dem Ab- lauf dieser Action. Das Verhalten der gequollenen doppelt bre- chenden Substanz wird aber gegebenen Falles eine äusserst wirk- same Unterstützung der kinetischen bedingen, weiss ja doch Jeder- mann, welche Kraft gequollene Substanzen überhaupt entwickeln können. Diese Unterstützung kann aber je nach den Umständen, muskels bei der Contraetion. Es müsste nach meiner Erklärung der Dinge, bei der Quellung also eine Verkleinerung des Volumens des ganzen Muskel- elementes vorhanden sein. Wenn ich trotzdem von einem gleichbleibenden Volumen des Elementes m Ruhe und Contraction spreche, so weiss ich sehr wohl, dass darin eine gewisse Inconsequenz liegt. Ich vernachlässige aber trotzdem diese theoretische Volumenverkleinerung, da sie jedenfalls für das einzelne Element so unendlich gering ist, dass an die Möglichkeit eines Nach- weises derselben niemals gedacht werden kann. 698 Fr. Merkel: nach der Art der Zusammenziehung augenscheinlich in verschie- dener Weise geleistet werden, wie die obenstehenden Beobach- tungen lehren, und es wird eine sehr interessante Aufgabe für weitere Untersuchungen sein, zu eruiren, welchen Zuständen des contrahirten Muskels die verschiedenen geschilderten Bilder ent- sprechen, ob sie sich vielleicht durch die Kraft, die Schnelligkeit oder die Ausdauer der Contraetion erklären lassen. [Durch die Lectüre des Vorstehenden wird der Leser die Ueberzeugung gewonnen haben, dass nunmehr die alten Streit- punkte wohl gänzlich beglichen sind. Denn auch Engelman'n mit seinen Anhängern wird sich, dies bin ich fest überzeugt, der Richtigkeit meiner früheren und jetzigen Darstellung nicht mehr verschliessen können. Die Engelmann’sche Angabe freilich: „Bei der Contraetion tritt Flüssigkeit aus der isotropen in die anisotrope Schicht über; erstere schrumpft, letztere quillt“ ist nur zum Theil haltbar. Dieser Autor wurde dadurch irregeführt,..dass er nicht erkannte, wie die isotrope Schichte des contrahirten Mus- kels seiner Präparate gar nicht mehr dieselbe ist, welche im ru- henden Muskel diese Stelle einnimmt. Wie ausführlich erörtert, verschwindet die in dem isotropen Theil des ruhenden Elementes für die optische Wahrnehmung gänzlich, und lässt ihre Existenz nnr noch durch das Aufquellen der disdiaklastischen Masse erken- nen. Man kann daher auch nicht von einem Schrumpfen der iso- tropen Schichte reden. Es sind deswegen auch die Zahlen, welche dieser Forscher soeben in einer dankenswerthen Arbeit für das Abnehmen der isotropen Substanz berechnete (32), wohl nicht ohne weiteres brauchbar, da sie sich auf zwei verschiedene Dinge beziehen, nämlich in den Anfangsstadien auf die plasmatische, in den fortgeschrittneren auf die kinetische Substanz. Erst mit der Erkenntniss dieser letzteren, welche, wie erwähnt, schon Frederieq vermuthete, sind die älteren Angaben sämmtlich zu erklären, und sind die oft schwierigen Bilder zu verstehen.] Zum Schluss noch die Recapitulation der hauptsächlichsten Resultate: Der Inhalt des Muskelelementes besteht aus drei Substanzen: der disdiaklastischen, der kinetischen und der plasma- tischen. In der Ruhe sind dieselben so gelagert, dass die disdiaklastische und kinetische Substanz in inniger Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 699 Mischung das dunkle Querband bilden, während die plasmatische das dazwischen liegende helle Band aus- macht. In der Contraetion tritt die kinetische Substanz an die Endscheibe, die plasmatische aber wird von der dis- diaklastischen Substanz aufgenommen und bringt diese zur Quellung. Während der Platzwechsel der kinetischen Substanz in allen Muskeln unveränderlich der gleiche ist, verhält sich die gequollene disdiaklastische verschieden. Sie bleibtentweder um die Mittelscheibe angehäuft, oder sie begleitet die kinetische Substanz mehr oder weniger auf ihrem Weg nach der Endscheibe. Es können also die von einem Muskel gewonnenen Contractionsbilder nicht ohne weiteres generalisirend aufdie bei anderen Muskel- fasern auftretenden Erscheinungen ausgedehnt werden. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXX. Sämmtliche nach der Natur gezeichneten mikroskopischen Abbildungen sind in einer Vergrösserung von 521 dargestellt. Ihre Conturen wurden mittelst des Zeichenprisma’s entworfen. Fig. 1—6. Dieschematischen Darstellungen der Contractionstheorien des letzten Decenniums. ‚Alle Figuren sind nach den Originalabbildungen der betreffenden Autoren entworfen, nur Fig. 1 musste neu con- struirt werden, da Schäfer seiner Arbeit kein Schema seiner Theorie beifügte. Fig. 1. Schema nach Schäfer. a Ruhe, b Contraction. Fig. 2. Contractionsschema von Newman. I Ruhe, V vollendete Contraction. Fig. 3. = „ Krause. a Ruhe, b Contraction. Fig. 4. = „enlanyier.kar yo „ Fig. 5. „ „ Engelmann. a Ruhe, b Zwischenstadium, ce Contraetion. Fig. 6. ;s „ Merkel. a Ruhe, b Contraction. M Mittelscheibe, E Endscheibe, JJ helles isotropes Querband, Q dunkles, anisotropes Querband. Fig. 7. Dytiscusmuskel aus dem Thoraxraum, a in gewöhnlichem Licht, b unter dem Polarisationsapparat. I Ruhe, II beginnende und stärkere Contraction. Die Querstreifung der beginnenden Contraction 700 Fig. Fig. Fig. Bar 13. 14. 15. 2.16. Be be 18. 19. Fr. Merkel: ist in gewöhnlichem Licht sehr zart. Es ist dies auf den Einschluss des ungefärbten Präparates in Damaraharz zurückzuführen. Muskelfragment von den Chitinplatten des Geschlechtsapparates von Dytiscus mit Nebenscheiben in Ruhe. b dasselbe Präparat mit Essigsäure behandelt. . Muskelfragment ebendaher. b dasselbe ebenso behandelt. . Muskelfragment ebendaher, Ruhe. Die dunklen Querscheiben stehen an der Grenze der Nebenscheibenbildung. . Muskelfragment ebendaher, Ruhestadium mit Nebenscheiben, Ueber- gang zum Zwischenstadium. (Durch Versehen des Lithographen ist der Grenzcontur der Faser unten auf der einen Seite fortgelassen.) . Medianschnitt durch den Körper einer Fliege. Die sagittal ver- laufenden Bündel der Thoraxfibrillen entfernt. Das zum zweiten Beinpaar herabziehende Muskelbündel ist zwischen zwei Bündeln von verticalen Thoraxfibrillen sichtbar. Muskelfaser aus dem Kopfe einer Fliege. a in gewöhnlichem, b in polarisirtem Licht. I Ruhe, II Zwischenstadium, III Contraction. Das Zwischenstadium ist in polarisirtem Lichte etwas tiefer unten, als im gewöhnlichen. Muskelfragment aus dem in Fig. 12 bei * dargestellten Bündel. a gewöhnliches, b polarisirtes Licht. Man erkennt eine Contractions- welle, deren Gipfel in II liegt; auf beiden Seiten reiht sich an die contrahirte Stelle homogenes Zwischenstadium an. In gewöhnlichem Licht ist weder bei I noch bei III ausser der Längsstreifung irgend welche Structur zu erkennen. In polarisirtem Licht aber erscheinen bei I die Streifen des ruhenden Muskels wieder, bei III ist aber auch hier ein völlig homogenes Aussehen zu constatiren. Krebs, Muskel aus einem der hinter der Scheere gelegenen Beine. Querbänder mit Randsaum und äusserst feinen Nebenscheiben. Ebendaher. Anfang der Nebenscheibenbildung. Der Randsaum ist von dem Mitteltheil des dunklen Querbandes durch eine sehr hell erscheinende Substanz getrennt. Krebs-Scheerenmuskel, contrahirt, Hämatoxylin. Ebendaher. In polarisirtem Licht. Schema der Muskelcontraction ohne Zwischenstadium, um die Be- wegung der kinetischen Substanz zu zeigen. In gewöhnlichem Licht. Die plasmatische Substanz bleibt hell bis unmittelbar vor das Er- scheinen des Contractionsstreifens. Literaturübersicht. l. Fr. Merkel. Vorläufige Mittheilung über das quergestreifte Muskelge- webe. Göttinger Nachr. 1871 No. 21. 20. 21. Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. 701 Flögel. Ueber die quergestreiften Muskeln der Milben. Arch. für mikrosk. Anat. Bd. VIII p. 69. Taf. III. Fr. Merkel. Der quergestreifte Muskel. Arch. für mikrosk. Anat. Bd. VII p. 244. Taf. XII. Engelmann. Over den bouw der dwarsgestreepte spiervezelen. Proces- verbaal. koninkl. akad. v. wetensch. te Amsterdam. 1871—72. No. 6. Derselbe. Over de struktuurverandering der dwarsgestreepte spier- vezels by contractie. Ebenda No. 7. Wagener. Marburger Sitzungsber. No. 2, No. 8, No. 10. 1872. Dönitz. Beiträge zur Kenntniss der quergestreiften Muskelfasern. Arch. für Anat. u. Phys. 1871 p. 434 mit einer Taf. Grunmach. Ueber die Structur der quergestreiften Muskelfaser bei den Insecten. Dissert. Berlin 1872. Engelmann. Mikroskopische Untersuchungen über die quergestreifte Muskelsubstanz. Pflüger’s Archiv für Physiologie Bd. VII p. 33 und pag. 155. Mit 2 Tafeln. Dasselbe in: Onderzoekingen phys. lab. Ut- recht. I. 2. Fr. Merkel. Der quergestreifte Muskel II der Contractionsvorgang im polarisirten Licht. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. IX. p. 293. Taf. XV C. Sachs. Die quergestreifte Muskelfaser. Reichert’s Arch. f. Anat. und Phys. 1872. p. 607. Mit 2 Taf. A. Schäfer. On the structure of striped muscular fibre. Proceedings of the royal society. Vol. XXI N. 143. British medic. journ. April. Derselbe. On the minute structure of the legmuscles of the water- beetle. Philos. transact. 1872. p. 429 m. 1 Taf. W. Krause. Die Contraction der Muskelfaser. Pflüger’s Archiv für Physiol. VII. p. 508. G. Wagener. Ueber die quergestreifte Muskelfibrille. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. IX. p. 712 mit 1 Taf. L. Ranvier. Proprietes et structures differentes des muscles rouges et des muscles blans, chez les lapins et chez les raies. Compt. rend. No, 18. p. 1030: Ranvier. De quelques faits relatifs & l’histologie et & la physiologie des muscles stries. Archives de physiol. p. 1. Mit 1 Taf. Derselbe. Note sur les muscles de la nageoire dorsale de l’hippo- campe. Ebenda p. 16. Dwight. Structure and action of striated muscular fibre. Proceed. of the Boston society of nat. hist. Vol. XVI p. I. p. 119. Mit 1 Taf. und Month. mier. journ. XII p. 29. Wagener. Ueber einige Erscheinungen an den Muskeln lebendiger Corethra plumicornis-Larven. Arch. f. mikrosk. Anat. X p. 293 mit 2 Tafeln. Ranvier L. Du spectre musculaire Comptes rendus T. 78 No. 22 u, Archiv. de physiol. p. 774. 29. 80. 31. 32. Fr. Merkel: Ueber die Contraction der gestreiften Muskelfaser. Kaufmann. Ueber die Contraction der Muskelfaser. Reichert’s Archiv 1874 p. 273. Frederieq. Generation et structure du tissu musculaire. Me&em. cou- ronne. Bruxelles 1875. 6 Taf. Ranvier. Trait& technique d’histologie. p. 462. Frederieq. Note sur la contraction des muscles stries de ’hydrophile. Bulletins de l’acad. royale de Belgique mars 1876. 2 Taf. Renaut. Note sur les disques accessoires des disques minces dans les muscles stries. Comp. rend. T. 85. p. 964. O0. Nasse. Zur mikroskopischen Untersuchung des quergestreiften Muskels. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. XVII p. 282. Engelmann. Neue Untersuchungen über die mikroskopischen Vor- gänge bei der Muskelcontraction. Arch. f. Physiol. Bd. XVII p. 1. Mit 1 Taf. Newman. New theory of contraction of striated muscle, and demon- stration of the composition of the broad dark bands. Journ. of Anat and physiol. Vol. XIII. p. 549. 2 Taf. Ranvier. Lecons d’anatomie generale sur le syst&me musculaire recueillies par Renaut. Paris 1880. G. R. Wagener. Ueber die Entstehung der Querstreifen auf den Mus- keln und den davon abhängigen Erscheinungen. Arch. für Anat. und Physiol. 1880. Anat. Abth. p. 254. Th. W. Engelmann. Mikrometrische Untersuchungen an contrahirten Muskelfasern. Pflüger’s Archiv für die ges. Physiol. 23. Bd. p. 571. Beiträge zur Kenntniss des Zahnes und seiner Befestigungsweise im Kiefer. 703 Beiträge zur Kenntniss des Zahnes und seiner Befestigungsweise im Kiefer. Von Dr. Ludwig Löwe in Berlin. Hierzu Tafel XXXI. Nachstehende Notizen sind dazu bestimmt, ein paar kleine Beiträge zur Entscheidung einiger, noch strittiger Punkte des Zahnbaues und der Zahnentwickelung zu liefern. Zugleich sollen dieselben dazu dienen, den bis jetzt meines Wissens noch nirgends im Detail abgebildeten Befestigungsmodus des Zahnes in seiner Alveole zu demonstriren. Ich beginne mit der Besprechung der Frage: I. „Wie verhalten sich die Odontoblasten zum Dentin“? Ueber diesen Punkt existiren bis jetzt folgende Meinungen: H. Hertz (Virchow’s Arch., Bd. XXXVI, S. 272), Lent (Zeit- schr. f. wiss. Zoologie, Bd. VI, Heft 1) und Kölliker (Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. XII, S. 455, sowie Gewebelehre, V. Aufl., Leipzig 1867, pag. 357) betrachten das Dentin als eine durch alle Elfenbeinzellen gemeinsam gebildete Ausscheidung, die in keine besondere histologische Beziehung zu den einzelnen Zellen und Zahnkanälchen tritt. Die Zahnscheiden (Neumann, Zur Kennt- niss d. Zahn- und Knochengewebes, Leipzig 1863) betrachtet Köl- liker als secundäre Erhärtungen der die Zahnfasern zunächst umgebenden Grundsubstanz, und vergleicht sie mit den Knochen- kapseln und den die Haversi’schen Canäle begrenzenden Scheiden. Huxley (Quart. journ. of mier. seience IH. p. 149, X. p. 127, und XIX, 1857) lässt das Elfenbein ohne Betheiligung histologi- scher Elemente in der Pulpa abgesetzt werden. Waldeyer (De dentium evolutione Wratisl. 1864; Unters. über die erste Entw. der Zähne. 1. Abth., Danzig 1864; ders. Arbeit 2. Abth. in Zeitschr. f. rat. Med., Bd. 24, S. 169). Boll, 704 Ludwig Löwe: (Unters. über die Zahnpulpa. Arch. f. mikr. Anat. IV, 1868). Lionel Beale und Tomes (Die Anat. der Zähne, deutsch von Holländer, Berlin 1877) lassen das Dentin sich direet durch Um- wandlung der Odontoblasten bilden, gerade so, wie sich der Schmelz aus den Schmelzzellen entwickelt. Frey (Lehrbuch, V. Aufl., 1876, pag. 285) und Toldt (Gewebelehre 1877) erwäh- nen die Standpunkte von Waldeyer und von Kölliker, ohne eine Entscheidung zwischen beiden zu treffen. Eigene Untersuchungen über die in Rede stehende Frage haben Folgendes ergeben: Macht man einen Querschnitt durch den Schneidezahn und die dazu gehörige Alveole eines halbwüchsigen, ca. 2 Monate alten Kaninchens, Fig. 1, so sieht man den Zahn rings herum von einer überall gleich dieken Lage Dentins umgeben. Dieselbe zer- fällt in 3 Schichten, Fig. 2. Zu allerinnerst dicht an der Odonto- blastenlage befindet sich eine aus kleinen Prismen zusammenge- setzte Abtheilung, die offenbar die jüngst gebildete Dentinschicht repräsentirt, Fig. 2, jb. Nach aussen davon liegt ein Stratum, das vollständig die Structur des fertigen Dentins hat. Fig. 2 d. Zu alleräusserst befindet sich eine Schicht ganz compacten Zahn- beines, dem alle Canälchen abgehen Fig. 2 cz. Die jüngste Den- tinlage Fig. 2 jb ist durch einen deutlichen, aus einer äusseren hellen und einer inneren gekörnelten Linie bestehenden Rand r vom fertigen Dentin Fig. 2d abgesetzt. DieserRand wandelt sich später in eine Schreger’sche Linie um. Die Zwischenräume zwischen den kleinen Prismen der Schicht jb entsprechen im Allgemeinen den Fortsetzungen der Zahnbeinkanälchen zk. Die durchsichtige strue- turlose Lage ez Fig. 2 ist nicht Schmelz, sondern gehört noch zum Dentin. Bekanntlich findet sich eine solehe äussere, struk- turlose Grenzschieht des Elfenbeins bei vielen Wirbelthierzähnen. Verfolgt man die Schieht-jb an dem ganzen Querschnitt Fig. 1, so findet man dieselbe in verschiedenen Abtheilungen des- Querschnittes sehr verschieden diek. Sie ist am vordern, gegen die Lippe zugewandten Rand des Zahnes vjb bedeutend dicker als am hintern gegen die Mundhöhle schauenden hjb. Ausserdem färbt sie sich um so intensiver mit Carmin, je dieker sie ist, so dass die Schicht vjb weit dunkler ist, als die Schieht hjb. Zwi- schen der dieken und dunklen Schicht vjb und der hellen und dünnen Schicht hjb findet ein allmähliger Uebergang statt. Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 705 Das bereits fertige Dentin verhält sich am ganzen Querschnitt Fig. 1 gerade umgekehrt wie das eben in Bildung begriffene. Es ist am Vorderrande vd dünner und heller, als am Hinterrande hd. Auch der Aussenrand des Elfenbeins ad ist etwas schmäler als der Innenrand id. Die helle structurlose Dentingrenzlage endlich ist am Hinterrande hez und am Innenrande iez am stärksten ausge- bildet. Die Odontoblasten od zeigten keine besonderen Unterschiede. Sie sind überall fast gleich dick. Vergrössert man sich den Vorderrand der Fig. 1, so ergiebt sich bei Immersion Folgendes: Fig. 3. Die Odontoblasten od stossen nicht ganz direct an die jüngst abgelagerte Zahnbeinschicht vjb; sondern sind von letzterer noch durch eine schmale Zone sz ge- schieden. Diese besteht aus zweierlei Substanzen, 1) aus einer lichten Is, 2) aus einer dunklen Masse ds. Die lichte und die dunkle Substanz wechseln mit einander ab und es lässt sich nach- weisen, dass die dunkle Substanz regelmässig dem Ende je eines Odontoblasten entspricht. Letzteres ist bekanntlich, wie zu- erst Waldeyer |. ce. richtig bemerkt hat, ähnlich dem Endstück einer Trompete gestaltet. Es macht an Carminpräparaten ganz den Eindruck, als wenn aus der Mitte dieses Endstückes ein rother Substanztropfen Fig. 3 ds hervorquelle. Die zwischen je zwei Tropfen gelegene lichte Masse Is ist die Fortsetzung der Grundsubstanz der Pulpa gs. Die Odontoblasten od Fig. 3 stossen nämlich, wie sehr feine Schnitte zeigen, nicht unmittelbar aneinander; zwischen je zwei bleibt vielmehr ein wenn auch sehr kleiner Zwi- schenraum, der von Grundsubstanz erfüllt wird. Einen etwas anderen Eindruck machen die in Bildung be- griffenen Dentinmassen vom Hinterrande des Zahnes Fig. 4. Hier geht offenbar die Ausscheidung der jüngsten Dentinlage hjb lang- samer vor sich. In Folge dessen sind die einzelnen Prismen, aus denen sich die Lage hjb zusammengesetzt, kleiner und schwächer gefärbt. Auch stossen hier die Odontoblasten od Fig. 4 direct und ohne Dazwischenkunft einer Zwischenschicht an die jüngste Dentinlage hjb. Dies sind die Thatsachen, die sich über die Ausscheidung des Dentins beobachten lassen. Wie lassen sich dieselben deuten? Ist es möglich, sie im Sinne der Ausscheidungs- oder der Umwandlungs-Theorie zu verwerthen? Zuvörderst möchte Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 19, 47 706 Ludwig Löwe: ich meinen persönlichen Standpunkt in dieser Grundfrage der Histologie andeuten. Ich habe mich mit Sicherheit davon über- zeugt, dass unter gewissen Umständen Grundsubstanz direet aus Umwandlung kernhaltiger Zellen hervorgehen kann. So hat sich bei Untersuchung der Entwicklung der Retina (Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XV. pag. 606 bis 608) auf das Evidenteste herausge- stellt, dass die graue Moleeularlage der Netzhaut ursprünglich zellig angelegt ist. Dasselbe ist bei der äusseruHälfte der grauen moleeularen Decke des Cerebellum, bei den sogenannten Glomerulis der Riechkolben und bei der Substantia gelatinosa Rolandi des Central- nervensystem, soweit letztere nicht zellig ist, der Fall. Es darf aber aus diesen Beispielen keineswegs der Schluss gezogen werden, dass überall kernhaltige Zellen sich direct in die graue moleculare Substanz des Gehirns umwandeln. Im Gegentheile: in allen anderen, bis jetzt von mir untersuchten Fällen war die graue moleculare Masse des Ge- hirns mit Sicherheit kein Umwandlungs-, sondern ein Ausscheidungs- produkt der eetodermalen Uranlagezellen des Centralnervensystems. Die Art und Weise, in der Grundsubstanz aus dem Mesoderm entsteht, ist nun gewiss nicht weniger complieirt. Ebenso wie beim Gehirn wird es auch für die Bindesubstanzgruppe am ge- rathensten sein, nicht die ganze Frage auf einmal summarisch er- ledigen zu wollen, sondern jeden einzelnen Fall im Detail zu er- forschen. Für das Zahnbein scheinen die soeben beigebrachten Daten hierzu nicht ungeeignet zu sein. Offenbar sind die dunklen Massen ds Fig. 3 nicht aus einer Umwandlung, sondern aus einer Abscheidung des Zellprotoplasmas hervorgegangen und die zwischen ihnen befindliche lichte Substanz Is ist identisch mit der Grund- substanz der Pulpa, oder was dasselbe sagen will, mit der Grund- substanz des Schleimgewebes überhaupt. Von letzterer wissen wir nun — Kollmann (Arch. f. mikrosk. Anat. XIII) und ich (Zeit- schrift von His und Braune 1877, 1878, 1879) — dass sie nicht aus einer Metamorphose der Inoblasten hervorgeht. Folglich kann die Schicht sz Fig. 3, die doch offenbar eine Vorstufe der jüngsten Dentinlage vjb Fig. 3 repräsentirt, mit Sicherheit als nicht aus einer direeten Metamorphose der Odontoblasten hervorgegangen bezeichnet werden. Später scheint sich der aus dem Seeret der Odontoblasten stammende dunkle Theil ds der Schicht sz Fig. 3 immer mehr und mehr zu verstärken. Dadurch wird die Grund- substanz, die ursprünglich zwischen den einzelnen Secretstropfen Beiträge zur Kenntniss des Zähnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 707 gelegen war, verdrängt, so dass schliesslich (Fig.3 vjb) nichts mehr von ihr vorhanden ist. Das Dentin entsteht also nicht durch Umwandlung von Odontoblasten, sondern ist ein Ausscheidungsprodukt derselben. Ich halte es nicht für angezeigt, an diese eine Beobachtung nun noch Hypothesen über die Art und Weise anknüpfen zu wollen, wie etwa die Zahnscheiden aus der Zahngrundsubstanz entstehen. Auch hierüber können meines Erachtens nach nur exacte Beobach- tungen, nicht aber logische Speculationen von Nutzen sein. Da- gegen sei es gestattet, noch auf folgenden Umstand aufmerksam zu machen. Die Schicht d Fig. 4 setzt sich in einer geraden Linie gr gegen die Schicht ez ab. Da nun offenbar die Schicht d Fig. 4 auf dieselbe Weise sich gebildet hat, wie die noch im Werden begriffene Schicht hjb, so ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Linie gr früher auch einmal so beschaffen gewesen, wie es jetzt noch die Linie r ist. Die Dentinlage d zwischen den Linien gr und r Fig. 4 entspricht also einer einmaligen continuir- lichen Ablagerung. Nachdem diese Ablagerung vollendet war, hat die Odontoblastenschicht in ihrer formativen Thätigkeit ein wenig pausirt. Während dieser Pause ist die Schrager’sche Contourlinie r der Fig. 4 entstanden. Nun ist die Odonto- blastenlage von Neuem in Thätigkeit getreten und ist jetzt bei Abscheidung der Schicht hjb begriffen. Jedenfalls haben sich dabei die Odontoblasten im Wesentlichen nicht vermindert. Dieselben zelligen Elemente od, die in Fig. 4 die Schicht hjb absetzen, haben früher auch die Schicht d gebildet. Die Zahnkanälchen zk Fig. 4 fallen durch ihr gekörntes Aus- sehen auf. Im Allgemeinen entsprechen sie den Zwischenräumen zwischen je 2 Odontoblasten (Robin und Magitot). Damit stimmen auch sehr gut diejenigen Figuren, die man von isölirten Odontoblasten erhält. An diesen gehen nämlich in sehr vielen Fällen die in die Zahnkanälchen sich einsenkenden Ausläufer nicht von der Mitte des oberen Randes, sondern von der oberen Ecke der länglich viereckig gestalteten Zelle ab. Schon Waldeyer (Strickers Hand- buch pag. 348) hat dieses Verhältniss sehr richtig abgebildet. Auch hat dieser Forscher (ibidem pag. 347) einen Längs- schnitt vom Milchzahne eines Schaaffötus veröffentlicht, an dem die in meiner Figur 3 abgebildete gemischte Zone sz und ihre Zu- sammensetzung aus einer dunkelen und einer hellen (mit der Grund- substanz der Zahnpulpa identischen) Masse deutlich zu erkennen 708 Ludwig Löwe: ist. Nur zeichnet Waldeyer die dunkle Masse ds Fig. 3 direet als oberen Abschnitt des Leibes der Odontoblasten. Dass dies aber nicht richtig ist, geht schon aus dem Umstande hervor, dass in Fig. 3 die trompetenförmig verbreiterten äusseren Enden der Odontoblasten eine eontinuirliche und scharf gezeichnete Linie t Fig. 3 formiren. Folglich kann die Masse ds gar nicht mehr ein Theil des Zellleibes sein. Dem eben erwähnten, um die Zahnentwicklung hochverdienten Forscher verdankt man auch die ersten Kenntnisse einer ganz jungen, eben in Bildung begriffenen Dentinschicht und bildet Wald- eyer schon ein Präparat ab, das ungefähr meiner Fig. 4 entspricht. Waldeyer deutet das dahin, dass das Dentin sich mit allen seinen Bestandtheilen nur aus den chemisch und formell umgewandelten Odontoblasten eonstituiren soll. Aber dies geschieht nicht direct durch Umwandlung der Zellen in Grundsubstanz, wie Waldeyer will, sondern vielmehr dadurch, dass die äusseren Zellenenden ein Secret absondern und dieses Secret zu Dentin verhärtet. Die Abscheidung des Elfenbeins erfolgt mithin auf dieselbe Weise, wie die Bildung des Chitins bei den Anneliden. Es lässt sich bei Spirorbis eine die Kiemen überziehende chitinogene Zellen- lage nachweisen. Aus dem trichterförmig erweiterten oberen Ende der Zellen wird ein zuerst halbflüssiges Secret ergossen, welches in Seewasser zu Chitin erstarrt (siehe meinen kleinen Aufsatz „Zur Kenntniss der Serpulakiemen“, Ztschr. f. wissensch. Zool. 1878). II. Existirt eine Membrana praeformativa oder nicht? Bekanntlich war früher vielfach die Meinung verbreitet, dass an sehr vielen Körperstellen das Bindegewebe sich durch eine homogene Grenzschicht, eine sogenannte Basement-Membrane, gegen das Epithel hin absetze. Die genaueren Untersuchungen der neueren Zeit haben nun zwar die Existenz einer besonderen Membran nicht bestätigt, wohl aber das Vorkommen gewisser homogener, manch- mal allerdings sehr dünner Grenzlagen fast überall sicher gestellt. Letztere sind offenbar der Grund für die ältere Lehre von dem allgemeinen Vorkommen der „Basement-Membranes“ gewesen. Zu der Zeit, als man sich den Zahnkeim noch als eine frei- liegende unbedeckte Papille der Zahnschleimhaut vorstellte, liess man auch eine solehe Basement-Membrane zwischem dem Dentin und dem Schmelzorgan liegen. Dieser Anschauung trat meines Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 709 Wissens zuerstHenle (Allgemeine Anatomie 1841) entgegen. Zwar liess dieser Forscher die Membrana praeformativa auch anfänglich vorhanden sein, aber er betonte, dass sie jedenfalls sehr bald ver- schwinden müsse, denn später sei von ihr Nichts mehr wahrzu- nehmen. Huxley fand nun im Gegensatz hierzu, dass man auch noch in späteren Zeiten ein Häutehen an der Oberfläche des sich bil- denden Schmelzes abziehen könnte. Er schloss daraus, dass dieses Häutehen mit der Membrana praeformativa identisch sei, sowie dass es später zu der bekannten Nasm yth’schen Membran an der Oberfläche des Schmelzes werde. Consequenter Weise betrachtet Huxley den Schmelz als ein bindegewebiges, nicht aber als ein epitheliales Product. Kölliker sprach sieh früher ebenfalls für die Identität der Membrana praeformativa mit der Nasmyth’'schen Membran aus. Auch neuerdings hält Kölliker (Entwicklungs- gesch. I]. Aufl. pag. 325) die Existenz der Membrana praeforma- tiva aufrecht. Fast sämmtliche andere Autoren: Mareusen (Ueb. d. Entwick- lung der Zähne der Säugethiere. Bullet del acl. phys. math. del’Acad. imper. de St. Petersbourg 1849), Beale, Hertz (l. e.), Wenzel (Unters. über das Schmelzorgan u. d. Schmelz ete. Arch. f. Heil- kunde 1868 pag. 97), Waldeyer (l. e.), Tomes (l. e.), Robin und Magitot (Journ. de la physiol. Paris 1860. T. III u. IV. 1861) verneinen die Existenz der Membran. Auch ich muss mich dieser letzteren Anschauung, wenigstens soweit das Kaninchen in Betracht kommt, anschliessen. Ich kann mir nur denken, dass die Lehre von der Existenz der Membrana praeformativa auf folgendem Umstande beruhe. Die erste Dentin- lage Fig. 2 bis 4 cz erscheint in Form einer structurlosen homo- genen Absonderung der Zahnpulpa und der eben gebildeten Odon- toblasten. In dieser Form muss sie entschieden den Eindruck einer Membrana praeformativa machen, sobald man den wahren Sach- verhalt nicht auch noch durch Untersuehung späterer Stadien sicherstellt. An letztern kann aber selbst auf den feinsten Schnit- ten nie eine Spur einer Membrana praeformativa nachgewiesen werden. Dagegen findet sich an der Grenze des Zahnes gegen das Zahnfleisch hin überall eine verdichtete Grenzlage, Fig. 1 mp, die offenbar mit der Membrana praeformativa identisch ist und auf 710 Ludwig Löwe: deren Schilderung weiter unten bei Besprechung der Fixation des Zahnes in seiner Alveole noch zurückzukommen sein wird. III. Bemerkungen über das Verhalten des nicht zur Schmelzbildung verwandten Restes des Schmelzorganes. Das Verhalten des Schmelzes zum Dentin ist bekanntlich in den einzelnen Wirbelthierklassen und Ordnungen ein sehr ver- schiedenes. Beim Menschen und bei vielen Säugethieren bedeckt der Schmelz nur die Krone des Zahnes bis zum Zahnfleisch. So- weit der Zahn in letzterem steckt, stösst das Elfenbein direct an die Membrana praeformativa, mit der die Alveole gegen den Zahn hin abschliesst. In dieser Weise verhält sich die Sache wahrschein- lich bei allen denjenigen Zähnen, die nach dem Durehbruch nicht mehr wachsen. BeiZähnen hingegen, die in fortwährendem Wachs- thum begriffen sind, erstreckt sich der Schmelz in die Alveole hinein bis zur Basis des Zahnes, und hier kommt es vor, dass entweder der Schmelz, wie bei den Molarzähnen mancher Rodentien das ganze Dentin überzieht, oder dass er nur, wie an den Nage- zähnen, auf einer Seite sich findet, siehe Fig. 1, wodurch bei der fortwährenden Abnutzung des Zahnes stets ein scharfer Rand entsteht. Es ist nun meines Wissens auch noch nirgends beschrieben, aus welchen Lagen der Schmelz sowohl als der die Membrana praeformativa der Alveole bedeckende Epithelzellenüberzug bei der letzterwähnten Anordnung besteht. Es möge deshalb hier eine Schilderung diesbezüglicher Präparate folgen. Zuvörderst einige Bemerkungen über das Verhalten des Schmelzes. Es ist nicht ganz correct, wenn man, wie dies ge- wöhnlich geschieht, behauptet, dass der Schmelz bei den Nage- zähnen auf einer Seite sich bis tief in die Alveole herab erstrecke. Wie Fig. 5 zeigt, hört der eigentliche Schmelz s vielmehr schon oberhalb der Mitte der Alveole auf, indem er ziemlich plötzlich am Punete x in eine eigenthümlich beschaffene Epithelzellenschicht e übergeht. Der tangentiale Längsschnitt Fig. 5 zeigt ferner, dass dieser Uebergang an dem medialen, der Zunge z zugewandten Rande des Zahnes, etwas tiefer als an der lateralen, dem Muse. buceinator zuschauenden Seite erfolgt. Von dem eigenthümlich beschaffenen Epithel e, in das der Schmelz s am Punkte x übergeht, giebt Fig. 1 e ein bei Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 711 schwacher Vergrösserung und Fig. 3e ein bei Immersion entwor- fenes Abbild. Danach bilden die Zellen dieses Epithels eine regel- mässige Cylinderlage, dessen innere zwei Drittel von durchaus gleichförmiger Beschaffenheit sind und sich stark in Carmin färben, während das äussere Drittel von dem hellen längsovalen Kern ein- genommen wird. Somit haben diese Zellen Fig. 1 e und Fig. 3 e die grösste Aehnlichkeit mit den bekannten Bildungszellen des Schmelzes, welche überall da, wo letzterer am Sängethierzahn vor- handen ist, der Bildung desselben vorangehen. Die Lage e Fig. 1 und Fig. 3 wird von einer eigenthümlichen gerinnselartigen Masse sp bedeckt. Diese ist identisch mit der so- genannten Schmelzpulpe und mit dem Stratum intermedium des Schmelzorgans. Sie hat sich früher bis an die Grenzlage g des Alveolarepithels Fig. 1 erstreckt, so dass damals der Intraalveolar- Raum iar Fig. 1 noch nicht existirte. Vielmehr bildete die Schicht e in Gemeinschaft mit der Schicht sp und dem ganzen Alveolarepithel eine einzige continuirliche Masse, nämlich das embryonale Schmelz- organ. Mit dem Wachsthum des Zahnes trennte sich dann die Schmelzpulpe sp Fig. 1 von der Lage g und sö entstand der In- traalveolar-Raum iar. Welche Bedeutung hat nun der auf den Schmelzbildungszellen e Fig. 1 und 3 zurückgebliebene Rest der Schmelzpulpe und des Stratum intermedium? Offenbar dient derselbe dazu, die sogenannte Nasmyth’sche Membran zu formiren. Ueber die Genesis dieser Membran sind die Ansichten bis auf den heutigen Tag noch sehr getheil. Waldeyer l. c. und Hertz l. e. lassen das äussere Epithel des Schmelzorgans zur Cuticula dentis werden. Nach ersterem Forscher soll die Schmelzpulpa (Strickers Lehrbuch pag. 347) nur eine transitorische, mechanische Bedeutung haben, indem sie gewissermassen den Platz für den wachsenden Zahn offen hält. „Noch ehe die Schmelzbildung voll- endet ist, atrophirt — nach Waldeyer |]. c. — das epitheliale Gallertgewebe vollkommen, ebenso wie das Stratum intermedium. Aeusseres und inneres Epithel des Schmelzorgans liegen nun wieder dicht aneinander; letzteres wird bei der Schmelzbildung ganz auf- gebraucht, und man kann bei Zähnen, die eben im Durchbruch begriffen sind, nur eine bald mehr-, bald einschichtige Lage ganz abgeplatteter Epithelzellen, die offenbar das äussere Epithel mit einem grösseren oder geringeren Rest des Stratum intermedium 712 Ludwig Löwe: darstellen, vom Schmelz abziehen. Sowie der Zahn durchbricht, verhörnen diese Zellen und bilden die Cutieula dentis.“ Nach Tomes |. e. ist die Nasmyth’sche Membran eine Ab- sonderung des Cements, mithin eine bindegewebige Bildung. Tomes stützt diese Ansicht auf gewisse histologische, den Knochenlakunen nieht unähnliche Bilder, die das isolirte Schmelzoberhäutehen bei verschiedenen Thieren liefert. Aber dieser, auf äussere Aehnlich- keiten gestützte Beweis von Tomes scheint mir gar nicht stringent zu sein. Hat nicht auch die Schmelzpulpa, die doch unbezweifelt epithelialer Herkunft ist, genau dasselbe Ansehen wie das exquisit mesodermale Schleimgewebe ? Kölliker (Gewebelehre 5. Auflage, pag. 389) nimmt an, dass nach beendeter Schmelzbildung die Schmelzzellen noch eine zusammenhängende Schicht als Bekleidung des Ganzen liefern, ein Vorgang, für den unter den Cutieularbildungen niederer Thiere zahlreiche Analogieen sich finden. Für die An- nahme einer Bildung dieses Häutchens aus den vereinigten und verkalkenden zwei Epitheliallagen des Schmelzorgans, die Wal- deyer aufstellt, spräche nach Kölliker keine einzige Thatsache, und habe wohl W. übersehen, dass das Schmelzoberhäutehen beim Menschen nur 0,9—1,3 misst. Auch K ollman.n (Ueber das Schmelz- oberhäutechen und die Membrana praeformativa. Sitzungsber. d. Münchener Acad. Math.-phys. Cl. 1, 2 1869. 6. Februar) spricht sich gegen Waldeyer aus. Kollmann gibt auch den freien Enden der Schmelzzellen eine Membran — den sogenannten „Deckel“. — Die zusammenhängenden Deckel bilden die Membrana praeformativa und nachdem sie später verkalkt sind, die Cutieula dentis. Was meine Untersuchungen anbetrifft, so kann die Schicht sp Fig. 1 und Fig. 3, wenn sie überhaupt noch eine Zukunft hat, offenbar zu nichts Anderem als zu der Cutieula dentis werden. Für die in Rede stehende Localität des Kaninchenzahnes liesse sich also wohl die Ansicht motiviren, dass die Nasmyth’sche Membran aus der veränderten Schmelzpulpa hervorgeht. Damit ist natürlich noch nicht gesagt, dass der gleiche Bildungsmodus auch für die übrigen Loecalitäten, in welchen sich eine Nasmyth’sche Mem- bran vorfindet, zutreffe. Immerhin ist aber im höchsten Grade wahr- scheinlich, dass dies in der That so ist. Was den genaueren Vor- sang der Umwandlung der Schmelzpulpa in die Nasmyth’sche Membran anbetrifft, so zeigt Fig. 3, dass die Schicht, die unmittelbar Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 713 am Rande der Schmelzbildungszellen e liegt, aus einer Vacuolen- Zone v zusammengesetzt ist. Jede Vaeuole entspricht so ziemlich dem Zwischenraum zwischen je zwei Schmelzbildungszellen; doch kommen auch Vaeuolen vor, die genau der Mitte einer Schmelz- bildungszelle entsprechen. Alle Vacuolen zusammengenommen bilden die innere Hälfte einer dunklen Zone dz. Die äussere Hälfte dieser Zone ist homogen, sie sendet lange gerade ver- laufende stiftförmige Fortsätze stf in die eigentliche lichte Schmelz- pulpa sp hinein. Letztere zeigt keine Kerne mehr. Auch ist ihr ursprüngliches netzförmiges Gefüge nur noch in ganz schwachen Umrissen zu erkennen. Ich bin nun der Meinung, dass die eigent- liche Nasmyth’sche Membran nur aus der dunklen Zone dz her- vorgeht und dass diese dunkle Zone das umgeformte Stratum intermedium repräsentirt. Es wäre also wohl am correetesten das Stratum intermedium ganz von der Schmelzpulpa zu trennen und es als alleinige Generatrix der Nasmyth’schen Membran aufzufassen. Die Schmelzpulpa wird dann wohl als derjenige Theil des Schmelzorganes aufzufassen sein, der dazu bestimmt ist, die Tren- nung zwischen dem auf dem Zahn bleibenden Theile des Schmelz- organes und dem auf der Alveole restirenden in sich zu vollziehen. Deshalb ist auch die Schmelzpulpa so überaus locker gewebt. Die Trennung der Schmelzpulpa vom äussern Schmelzepithel & Fig. 1 erfolgt immer in der Art, dass Nichts von der Schmelz- pulpa auf diesem äusseren Epithel zurückbleibt, sondern die ganze Schmelzpulpa an den Zahn tritt. Der Intraalveolar-Raum iar Fig. 1 ist ungefähr gestaltet wie eine Spindel, deren beide Enden nach hinten umgebogen sind. An diesen beiden Endspitzen werden die Schmelzbildungszellen e Fig. 1 ganz niedrig, nachdem schon kurz vorher der Pulparest sp Fig. 1, — ebenfalls zu einer dünnen Spitze ausgezogen — aufgehört hat. In conformer Weise beginnt an diesen Endspitzen des Raumes iar das äussere Epithel mit ganz niedrigen Zellen, die erst allmählich grösser werden und in der Mitte der Vorderseite des Zahnes — da wo der spindelförmige Raum iar am grössten ist — ebenfalls am besten entwickelt sind. Das äussere Epithel besteht überall aus drei Zellenlagen, die Fig. 1 bei schwacher, Fig. 6 bei starker Vergrösserung zeigt. Die äusserste Grenzlage g ist aus kleinen, quadratischen, sich in Car- min stark färbenden Elementen zusammengesetzt. Jedes Element 714 Ludwig Löwe: lässt eine dunkler gefärbte, punktförmige Masse in seinem Innern erkennen. An diese Grenzschicht g stösst eine Mittelzone aus langen ceylindrischen Elementen mtz Figur 1 und Figur 6. Jede Zelle der Mittelzone besteht aus zwei gleich grossen Hälften, einer inneren dunkelen homogenen und einer äusseren, von dem länglich ovalen, hellen Kern erfüllten. Ausserdem kommen noch sporadisch in der inneren dunkelen Hälfte dicht an der kleinzelligen Grenz- lage g einzelne verstreute, kleine, helle Kerne (vk Fig. 1 und Fig. 6) vor. Letztere sind sehr verschieden lang von !/; bis zu !/, der ganzen Zellhöhe mtz. Niemals füllen sie die ganze Länge der dun- keln Hälfte der Zelllage mtz aus, es bleibt vielmehr immer noch ein dunkeler, homogener Raum übrig. Wenn die sporadischen Kerne vorhanden sind, so sind nichts desto weniger doch auch immer die äusseren Kerne ebenfalls gut entwickelt. So kommt es, dass in diesem Fall einzelne Zellen der Schicht. mtz zwei Kerne und zwar je einen in den beiden entgegengesetzten Zell- enden führen. Auf die Schicht mtz Figur 1 und Figur 6 folgt nach Aussen eine Lage kleiner dunkler Elemente äg Fig. 1 und Fig. 6. Letztere sind ungefähr ebenso beschaffen wie die Elemente des inneren Grenzrandes g Fig. 1 und Fig. 6, nur sind sie etwas höher. An die Schicht äg stossen die bindegewebigen, ziemlich stark dunkeln und dicht aneinander gefügten zelligen Elemente der Membrana praeformativa mp Fig. 1 und Fig. 6 nicht ganz direct an. Zwischen beiden verbleibt vielmehr noch ein ganz schmaler homogener Grenzsaum bm, der die äusserste, etwas verdichtete und zellenlose Lage der bindegewebigen Grundsubstanz darstellt. Das äussere Epithel des Schmelzorgans ist bekanntlich zuerst vonMarcusen entdeckt und später von Nasmyth (Med. chirurg. Transact. vol. 22. 1839), Huxley l.e. Natalis Guillot(Ann. des se. nat. (Zool.), IV. Serie 1858. T. IX), Todd-Bowman (Physio- logieal anatomy vol. IL), Robin und Magitot 1. ec. beschrieben worden. Beim Menschen lassen diejenigen Autoren, die die Cu- tieula dentis aus anderen Elementen als aus dem äusseren Epithel ableiten, letzteres aus einer einfachen Cylinderzellenlage bestehn (Tomes-Holländer). Beim Kaninchen verhält sich die Sache sicher anders. Wie denn überhaupt kein einziger der eitirten Au- toren eine Schilderung des äusseren Epithels bringt, die mit meinen Präparaten übereinstimmt. Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 715 Die soeben geschilderten Schichten des Schmelzorganes ent- sprechen auch in ihren Umwandlungen noch immer dem allgemei- nen Typus der Epidermis. Bekanntlich besteht letztere überall aus 5 Lagen, die in folgender Ordnung von aussen nach innen folgen: 1) dem Stratum corneum, 2) dem Stratum lueidum, 3) der Langerhans’schen Schicht, 4) der Riff- une Stachelschicht, 5) der Cylinderlage. Hornschicht und Stratum lucidum werden zusammen senommen als äussere Abtheilung des Oberhautepithels bezeichnet, während die 3 übrigen Lagen in Gemeinsamkeit das sogenannte Rete Malpighi formiren. Es ist nun eine allen vom Eetoderm ausgehenden Bildungen gemeinsame Eigenthümlichkeit, dass sie sich nach diesen letzt erwähnten 2 Abtheilungen sondern. So lässt sich am Centralnervensystem ein sogenanntes inneres und ein sogenanntes äusseres Stratum. nachweisen. Ersteres umfasst das Ependym und die Rolando’sche Substanz und entspricht entwick- lungsgeschichtlich der äussern Abtheilung der Epidermis, letztere umfasst die übrigen Hirnschichten und entspricht dem Rete Mal- pighi. Am Zahne und an dem zugehörigen Alveolepithel tritt offenbar dieselbe Sonderung ein. Letzteres correspondirt mit seinen 3 Schichten dem Rete, der Schmelz selbst entspricht dem Stratum corneum und das Schmelzoberhäutehen mit dem ihm anhängenden Rost der Schmelzpulpa dem Stratum lucidum. IV. Ueber den Befestigungsmodus des Zahnes in seiner Alveole. Ueber den Befestigungsmodus des Zahnes in seiner Alveole existiren nur sehr wenig Angaben in der Litteratur. Lieberkühn (Ueber Wachsthum und Resorption des Knochens. Marburger Uni- versitäts-Programm 1867) hat nachgewiesen, dass das von den alten Anatomen in dieser Beziehung für hochwichtig gehaltene Gubernaculum der Ersatzzähne nur ein Bindegewebsstrang sei, der die Alveole durchsetzt, um dem Zahnsäckchen Gefässe und Nerven zuzuführen. Nach Waldeyer |. c. zeichnet sich das Al- veolarperiost, welches gleichzeitig als Periost der innern Alveolar- fläche und des Cements (Periodontieum) fungirt, durch seine weiche Beschaffenheit aus; elastische Fasern sind darin nur sehr wenig entwickelt, auch fällt, wie Waldeyer mit Kölliker findet, der Nervenreichthum desselben auf. Nach Charles S. Tomes |. e. besteht die Alveolar-dental-Membrane oder das Wurzelperiost aus 716 Ludwig Löwe: einem mässig dieken Bindegewebe. Dieses besitzt keine elastischen Fasern und ist reichlich mit Nerven und Blutgefässen versorgt. Es ist am Zahnhalse am dieksten, wo es allmählich ins Zahnfleisch und in das Periost des Proc. alveolar. übergeht, und ebenso an : der Wurzelspitze. Der allgemeine Verlauf der Fasern ist ein querer, d. h. sie verlaufen von der Alveole zum Cement ohne Unterbrechung quer kinüber, gerade so wie viele Capillargefässe. „Macht man einen Querschnitt durch einen, noch in der Alveole befindlichen, entkalkten Zahn, so wird eine blosse Besichtigung des Bindegewebes zum Beweise genügen, dass hier nur eine ein- zige Membran vorhanden ist, und dass man durchaus nicht ein besonderes Periost der Wurzel und ein anderes an der Alveole unterscheiden kann. Ebenso beweist auch das Studium seiner Entwicklung, dass das weiche Gewebe, welches die Wurzel um- giebt und jenes, welches die Alveole auskleidet, vollständig eins sei, und dass es daher nur ein Periost gebe: das Alveolar-Dental- Periost. In der Nähe des Knochens sind die Fasern in deutlichen Bündeln gruppirt, so dass das Periost hier wie eine fibröse Mem- bran aussieht. Mehr nach innen an der Grenze des Cements, be- steht sie aus einem feinen Netzwerk verschlungener Bänder, von denen sich viele an ‘der Oberfläche des Cements verlieren. Ob- gleich aber ein scharfer Unterschied zwischen den histologischen Cha- racteren des an die Alveole und des an das Cement grenzenden Theiles vorhanden ist, so verlaufen doch feine fibröse Elemente des äusseren Theils unmerklich in die Bänder des feinen Netz- werks des innern und die Continuität ist nirgends unterbrochen.“ Weder im Längs- noch im Querschnitt sah Tomes jemals die Fasern in der kürzesten Richtung vom Knochen zum Cement hin verlaufen, sondern stets in schräger Linie, was wahrscheinlich eine leichte Beweglichkeit des Zahnes gestattet, ohne dass die Fasern gezerrt oder zerrissen werden. Mit den 3 genannten Autoren stimmen alle anderen darin überein, dass nur eine Haut zwischen dem Kieferknochen und dem Zahncement liegt, die beiden zum Periost dient. An den in Fig. 1 und 6 abgebildeten Schnitten verhält sich nun die Sache total anders. Dies beruht wahrscheinlich darauf, dass ja hier das Cement fehlt. Betrachten wir zuerst das Ver- hältniss des Zahnes zu seiner Alveole an dem Querschnitt Fig. 1. Es wurde schon erwähnt, dass der Zahn überall von einer dichten Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 717 Bindegewebsschicht, die man wohl als Membrana praeformativa betrachten kann, umhüllt wird. Diese Membran mp Fig. 1 stösst aber nirgends direet an den Knochen, sondern ist vielmehr von letzterem überall noch durch eine deutlich ausgedrückte Schleim- gewebslage schl getrennt. Es wäre daher ganz falsch, bei dem in Rede stehenden Kaninchenzahn behaupten zu wollen, dass die Dental-Membran immer als Alveolarperiost diene. Man muss viel- mehr sagen, dass ein solches gar nicht vorhanden sei, sondern dass hier der Knochen durch eine innere Schleimgewebslage schl abgeschlossen werde. Die Grenze zwischen dieser Schleimgewebs- lage und der Membrana praeformativa mp wird durch einen Ge- fässkranz gk bezeichnet, der den Zahn rings umschliesst. Wenn man den Verlauf dieses Gefässkranzes in Fig. 1 ver- folgt, so wird man finden, dass derselbehinten ganz dicht an dem Zahn anliegt, weil hier die Membrana praeformativa sehr dünn ist, dass er dagegen vorne sehr weit vom Zahnrand absteht, offenbar weil hier die Membrana praeformativa sich in mehrere Lagen ge- spaltet hat und in Folge dessen sehr dick ist. Fig. 6 zeigt diese Lagen bei starker Vergrösserung. gk in dieser Figur ist wieder der Gefässkranz. Alles was zwischen den 3 Gefässen gk Fig. 6 und der äusseren Grenzlage äg des Schmelzorgans Fig. 6 liegt, ist also Membrana praeformativa. Fig. 6 zeigt nun, dass diese hier aus folgenden Lagen besteht: 1) aus der inneren homogenen Grundsubstanzlage bm, 2) aus der dicht gehäuften Rundzellen- schicht mp. Auf diese folgt 3) eine accessorische Gefässlage ag. Daran schliesst sich 4) eine Lage von Spindelzellen spd, deren Ausläufer eoncentrisch der Oberfläche des Schmelzorgans gestellt sind. Den Beschluss machen endlich 5) weiter von einander liegende, mit starken Mengen von heller, homogener Grundsubstanz gemischte, ebenfalls spindelförmige Uebergangselemente üg; diese nehmen allmählich mit ihren Ausläufern die wagerechte Richtung an, wodurch dann endlich die für den ganzen Zahnrand typische Schleimgewebeschieht schl nach aussen von dem Gefässkranz gk- zu Stande kommt. Wie Fig. 6 zeigt, wird die Schleimgewebeschicht schl gegen den Knochen kn zwar nicht durch ein eigentliches Periost abge- grenzt, wohl aber nehmen die Zellen am Knochenrande eine ganz andere Beschaffenheit an, wie in den übrigen Lagen der Schicht schl Fig. 6. Sie verlieren nämlich die Spindelform und werden 718 Ludwig Löwe: zu einer stellenweise diehtgedrängten Lage der Ausläufer ent- behrender Rundzellen rm. Die Schieht mp Fig. 6 springt nicht selten mit gegen den Knochen gerichteten kurzen Seitenfortsätzen vor. Dadurch ent- steht dann jenes schon oft beschriebene papilläre Aussehen des äusseren Begrenzungsrandes des Schmelzorganes. Es handelt sich dabei gar nieht um Papillen, denn das äussere Epithel des Schmelz- organs und die Schicht bm bleiben immer glattlinig und das scheinbar papilläre Aussehen entsteht nur auf die soeben beschrie- bene Weise durch nach aussen gerichtete Quer-Fortsätze der Rund- zellenschieht mp Fig. 6. Fig. 4 zeigt endlich die Beschaffenheit der Membrana prae- formativa mp am Hinterrande des Zahnes, da wo die structurlose Dentinschicht ez direet an das Zahnfleisch stösst. Hier besteht die Membrana praeformativa mp aus dicht gedrängten Spindelzellen mit kurzen horizontalen Ausläufern. Darauf kommt eine Lage von Zellen lz, deren Ausläufer von vorn nach hinten gerichtet sind. Den Beschluss macht eine Zellgrenze hz, die durch Einlagerung von Grundsubstanz schon etwas lichter erscheint und deren Aus- läufer horizontal von rechts nach links gerichtet sind. An den Seitenrändern des Zahnquerschnittes Fig. 1 gehen die Spindelzellen der Membrana praeformativa im Allgemeinen von vorn nach hinten. Nur am Innenrande des Zahnes befindet sich dieht nach aussen von der strukturlosen Dentinschicht iez noch eine Zelllage mit von rechts nach links gerichteten Ausläufern. Auf diese folgt dann wiederum ebenso wie am Aussenrande die Schicht der Spindelzellen mit von vorn nach hinten gerichteten Ausläufern. Ueberblieckt man die Fig. 1, so sieht man, dass die Alveolar-Mem- bran am Vorderrand des Zahnes am dieksten ist, da hier der Ge- füsskranz gk am weitesten vom äusseren Epithel des Schmelz- organs absteht. Dagegen ist hier die Alveolarmembran sehr locker gewebt, am Innenrande des Zahnes ist sie zwar dünner, aber weit straffer. Etwas andere Verhältnisse bietet der tangentiale Frontal- schnitt Fig. 5. Hier findet sich ein deutliches Alveolarbinnen- periost p namentlich am Aussenrande des Zahnes. Am Innenrande ist dasselbe nur im oberen Abschnitt des Zahnfaches (Fig. 5 i) entwickelt. Doch lassen sich Spuren desselben auch an allen an- deren Stellen der inneren Knochenoberfläche nachweisen. Dieselben Beiträge zur Kenntniss des Zahnes u. seiner Befestigungsweise im Kiefer. 719 entsprechen offenbar der Rundzellenlage rn Fig. 6. Von einer Mem- brana praeformativa unter dem Alveolarepithel äg liess sich nirgends etwas nachweisen. Der Raum zwischen dem Alveolarepithel äg und dem Binnenperiost p wird vielmehr überall nur durch lockeres Schleimgewebe sch ausgefüllt. Was die Richtung der Knochenbälkchen des Zahnfaches an- betrifft, so zeigt Fig. 5, dass die Spongiosabälkehen im Allge- meinen radiär auf einem zu ihnen gehörigen Abschnitt der Umran- dung des Zahnfaches stehen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. Fig. 1. Querschnitt durch den rechten unteren Schneidezahn eines 2 Monate alten Kaninchens. Schieck ee it mp Membrana praeformativa.. hez hinterer Rand der homogenen Dentinlage. icz innerer Rand der homogenen Dentinlage. id Den- tin am Innenrande des Zahnes. gk Gefässkranz zwischen Membrana praeformativa und dem Schleimgewebslager, das die Spongiosabälk- chen nach innen begrenzt. sp Rest der Schmelzpulpa. äg äusserste Epithelschicht des Schmelzorgans. iar Intra Alveolarraum. vk vor- dere Kerne der mittleren Epithelzone in der äusseren Hälfte des Schmelzes. ag Gefässschicht unter der innern, sprossentreibenden Rundzellenlage der Membrana praeformativa. mtz mittlere Cylin- derzellenzone der äusseren Hälfte des Schmelzorganes. g innere Grenzlage der äusseren Hälfte des Schmelzorganes. e Schmelzbil- dungszellen. vd Vorderrand des Dentins. vjb jüngste Dentinbil- dung am Vorderrand des Zahnes. od ÖOdontoblasten. ad Dentin am Aussenrand des Zahnes. hjb jüngste Dentinlage am Hinterrand des Zahnes. hd Dentinlage am Hinterrand des Zahnes. schl Schleim- gewebslage am Aussenrande des Gefässkranzes, zwischen diesem und den Spongiosabälkchen des Unterkiefers. Fig. 2. Die drei Schichten des Zahnbeins der Fig. 1 bei stärkerer Vergrös- serung.,‚Schieck oje — ; T. cz homogene Dentin-Aussenschicht. zk Zahnkanälchen. r Schre- ger’sche Contourlinie. jb jüngste Schicht des Dentins. d fertiges Dentin. Fig. 3. Ein Stückchen der vorderen Zahncontour der Fig. 1 bei stärkerer c9 . : 0 Vergrösserung. Schieck ET es 720 Beiträge zur Kenntniss des Zahnes und seiner Befestigungsweise im Kiefer Fig. 4. Fie. ls liehte Substanz N ds dunkle Substanz j vjb jüngste Dentinlage am Vorderrand des Zahnes. d Dentin. od Odontoblasten. der Zwischenschicht oz. e Schmelzbildungszellen. v Vacuolen im metamorphosirten Stratum intermedium dz. dz Stratum intermedium. stf stiftfaserartige Fort- sätze des Stratum intermedium in die metamorphosirte Schmelz- pulpa sp hinein. sp metamorphosirte Schmelzpulpa. cz homogene Dentinaussenlage. r Schreger’sche Contourlinie. sz Zwischenschicht. t Grenzlinie der Odontoblasten gegen die Zwischenschicht. gs Grund- substanz zwischen den Odontoblasten. Ein Stückchen der hinteren Zahncontour der Fig. 1 bei stärkerer Vergrösserung, Schieck a, ne TA lz Spindelzellen mit von aussen nach innen gerichteten Ausläufern. mp Spindelzellen mit von rechts nach links gerichteten Ausläufern, d fertiges Dentin. hjb jüngste Dentinlage. od Odontoblasten. r Schre- ger’sche Contourlinie. zk Zahnkanälchen. gr. Grenze des Dentin d gegen die homogene Elfenbeinlage ez. ez homogene Elfenbein-Aus- senlage. hz Spindelzellen mit horizontalen Ausläufern und Grund- substanz. Tangentialer Frontalschnitt durch den untern rechten Schneide- oe 0 obj 3 z Zunge. s Schmelz. i inneres Periost. x Uebergangsstelle des er zahn eines Kaninchens von 2 Monaten. Schieck Schmelzes in das Schmelzbildungsepithel. e Schmelzbildungsepithel. äg Alveolar-Epithel. sch Schleimgewebslage zwischen Alveolarepi- thel und den Spongiosabälkchen des Unterkiefers. p Periost am Innenrand der knöchernen Alveole b M. buceinator. Ein Stück des vorderen Alveolarrandes der Figur 1 bei starker oc 0 bj9äi bm homogene Grenzlage gegen das Alveolarepithel, üg sogenannte Vergrösserung. Schieck — 0 Uebergangszellen. gk Gefässkranz. rn dichte Rundzellenlage am Knochen kn. kn Spongiosabälkchen. schl Schleimgewebsschicht zwischen Gefässkranz und Knochen. spd Spindelzellenlage. ag Ge- fässschicht unter der Zellenlage mp. mp Rundzellenlage der Mem- brana praeformativa. äg äussere Grenzlage des äusseren Schmelz- epithels. mtz Mittelzone des äusseren Schmelzepithels. g innere Grenzlage des äusseren Schmelzepithels. vk Vorderkerne des äus- seren Schmelzepithels. C. Roux: Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 721 (Aus dem anatomischen Institut des Prof. Dr. Aeby in Bern.) Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. Von Dr. €. Boux aus St. Croix (Waadt). Hierzu Tafel XXXII u. XXXIl. Die überraschenden Ergebnisse, welche die Untersuchungen des Herrn Prof. Aeby über die Muskulatur der Mundspalte!) zu Tage gefördert, zeigen wohl zur Genüge, was die mikroskopische Durchforschung methodisch angelegter Schnittserien für das bessere Verständniss verwickelter Muskelanordnungen zu leisten vermag. Gerne folgte ich daher der Aufforderung meines verehrten Lehrers, die Aftergegend in ähnlicher Weise zu bearbeiten. Der Lücken und theilweise auch der Widersprüche in den bis jetzt vorliegenden An- gaben sind so viele, dass an einem lohnenden Erfolg des Unterneh- mens nicht zu zweifeln war, hätte derselbe schliesslich auch nur darin bestanden, die vorliegenden Angaben nach ihrer Richtigkeit sichten und all’ die vereinzelten Beobachtungen, vielleicht unter Einfügung bisher noch fehlender Bindeglieder, zu einem Gesammt- bilde zusammen fassen zu können. Es sei mir gleich hier gestattet, Hrn. Prof. Aeby für das freundliche Interesse, womit er mir zur Seite gestanden, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Die Methode der Untersuchung ist zu bekannt, als dass ich mich bei deren Beschreibung aufhalten sollte. Ich bemerke daher nur, dass aus technischen Gründen blos Kinderleichen verwendet und die Schnittserien in den drei Hauptrichtungen der frontalen, sagittalen und horizontalen Ebene angelegt wurden. Soweit thun- lich, wurden die gewonnenen Resultate durch gewöhnliche Präpa- ration an Erwachsenen auf ihre Richtigkeit geprüft. 1) Die Muskulatur der menschlichen Mundspalte. Dieses Arch. Bd. 16. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 19. 48 722 C. Rouxs: Die Zeichnungen sind das Werk meines Bruders Felix in Lausanne. Sie wurden nach der Natur vermittelst des Scioptikons in den allgemeinen Umrissen entworfen und dann mit Hilfe des Mikroskopes bei stärkerer Vergrösserung in’s Einzelne ausgearbeitet. Der gewählte Maassstab ist natürlich zu klein, um die Wiedergabe des histologischen Charakters zu ermöglichen. Es konnten daher die Gewebe nur in conventioneller Weise unterschieden werden. Das glatte Muskelgewebe ist auch in der Zeichnung glatt, das gestreifte in schematischer Querstreifung gehalten. Bei der ausser- ordentlichen Sorgfalt, die gerade diesem Theile meiner Arbeit ge- widmet wurde, glaube ich für möglichste Naturtreue der gelieferten Bilder bürgen zu können. Die Muskulatur der Aftergegend zerfällt in eine haupt- und nebensächliche. Zu der ersteren rechne ich ausser der Längsfaser- schicht des Mastdarmes die beiden Schnürer und den Heber, zu der letzteren andere Faserzüge, welche von den benachbarten Or- ganen (Steissbein und Harnröhre) an den Mastdarm herantreten. Wir betrachten zunächst die Hauptmuskeln. 1. Hauptmuskulatur der Afterspalte. Die Hauptmuskeln des Afters sind theils glatt, theils quer- gestreift. Gewöhnlich werden sie auch nach diesen ihren histo- logischen Merkmalen gruppirt. Um einen möglichst raschen und klaren Einblick in die bestehenden Verhältnisse zu gewinnen, em- pfiehlt es sich indessen, hiervon Umgang und vor allem die beiden Schnürer, dann das Längsfasersystem der Darmwand und erst zuletzt den Heber in Angriff zu nehmen. a. Innerer Aftersehnürer (Sphincter ani internus). Den bekannten Schilderungen des inneren Afterschnürers habe ich, soweit es seine eigentliche Grundlage anbetrifft, kaum etwas beizufügen. Er gehört zur Ringfaserschicht des Mastdarmes und ist nicht allein als erheblich verstärkter, sondern auch als ampullen- förmig erweiterter Abschnitt (Fig. 1—4) derselben anzusehen. Seine Fasern ordnen sich zu getrennten Bündeln, zwischen denen, wie später gezeigt werden soll, Längsmuskeln hindurchtreten. Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 723 b. Aeusserer Aftersehnürer (Sph. ani ext.). Der äussere Afterschnürer besteht aus 19—12 concentrischen Bündeln, die im Ruhezustande einen zu sagittaler Spalte ausge- zogenen und den Darm umspannenden Ring erstellen. Seine un- tersten Bündel rücken von beiden Seiten her so weit gegen die Mittellinie vor, dass sie in die unmittelbare Verlängerung des Sphineter int. zu liegen kommen (Fig. 1), während sie in der Mit- tellinie nach aussen davon Stellung nehmen (Fig. 2—4). Die ganze Faserlage liesse sich somit am besten mit einem an beiden Enden aufgebogenen Kahne vergleichen, über dessen durchbrochenem Grunde der nur seitlich von ihm getragene Mastdarm senkrecht auf- steigt. Die Enden des Kahnes schliessen ziemlich dicht an die Darmwand an (Fig. 2—4). Seine Seitenränder entfernen sich da- von und erzeugen dadurch mit ihr eine breitere Spalte (Fig. 1), in welche sich von oben her das glatte Längsfasersystem und ein Theil des Afterhebers so hineinsenkt, dass sie davon gänzlich ausgefüllt wird. Rüdinger!) und zumal Robin und Cadiat?) haben bereits auf sie hingewiesen. Der Spineter ext. ist in seinen seitlichen Abschnitten weniger compact als in seinen mittleren, wo wenigstens eine theilweise Durchflechtung seiner rechts- und linksseitigen Faserzüge stattfindet. Seine äussersten und zugleich auch obersten Randbündel sind die kräftigsten. Wir haben von einer eoncentrischen Anordnung der Muskel- bündel gesprochen. Es muss indessen gleich bemerkt werden, dass sich diese nicht einfach schaalenförmig umschliessen, sondern dass sie sich durch zahlreiche Anastomosen zu einem groben Netzwerke verflechten, dessen spindelförmige Maschen ebensoviele Durchgangs- pforten für das longitudinale Fasersystem der Darmwand abgeben. (Fig. 5.) Die seitlichen Parthieen des Muskels treten in keinerlei nähere 1) Rüdinger: Beiträge zur Morphologie des Gaumensegels und des Verdauungsapparates. Stuttgart, 1879. 2) Robin et Cadiat: Sur la structure et les rapports des teguments au niveau de leur jonction dans les r&gions anales, vulvaires et du col uterin. Journal de l’anatomie et de la physiologie 1874. 724 C. Roux: Beziehung zu den Nachbarorganen. Solches ist seinem vordern und hintern Abschnitte vorbehalten. Mit Rücksicht auf die Art und Weise, wie es geschieht, lassen sich drei verschiedene Fasergruppen unterscheiden. Für eine jede von ihnen ist, einzelne durch locale Verhältnisse bedingte Unterschiede abgerechnet, die vordere und hintere Endigungsweise dieselbe. Die oberflächlichsten Fasern gehen, wie entschieden auch Robin und Cadiat!) das Gegentheil behaupten, zur Haut, die meisten erst, nachdem sie sich in der Mittellinie von beiden Seiten her gekreuzt haben. Sie entsprechen dem „Hautmuskel“ von Luschka°) und dem „Sphineter superficiel* von Cruveilhier?). Sie sind hinter dem After reichlicher vorhanden, als vor demselben. An letzterer Stelle lassen sie sich beim Manne ziemlich weit ent- lang der Raphe ano-serotalis verfolgen, während sie beim Weibe naturgemäss frühzeitig ihr Ende finden. Weitaus zahlreicher sind die Bestandtheile der zweiten Gruppe (sphineter profond, Cruveilhier). Sie heften sich nach vorheriger Kreuzung in der Medianebene an die Rückfläche und Spitze des Steissbeines (lig. s. muse. ano-coccygeus, Kohlrausch ®). In der Kreuzungslinie erscheinen sie so hell und klar, dass man sich ver- sucht fühlt, sie dort enden und eine wirkliche Raphe bilden zu lassen. Die genauere Prüfung belehrt indessen eines bessern. — Vor dem After enden von den Faserzügen dieser Abtheilung die einen auf der eigenen Seite an der fibrösen Medianlamelle des Dammes nach hinten von dem Muse. bulbo-eavernosus. Die andern überschreiten die Mittellinie und lassen sich, entgegen der Behauptung von Sappey°), jenseits derselben in den Bulbo-cavernosus, ja selbst inden Transversus perinei superfie. verfolgen. Fasern, welche sich, wie Henle‘) angiebt, mit den genannten Muskeln der gleichen Seite verbunden hätten, sind mir nie vorgekommen. 1) a, a. O0. S. 599, 601—603. 2) Luschka: Anatomie des menschlichen Beckens. Tübingen 1864. 3) Cruveilhier: Trait& d’anatomie descriptive. 5. Edition. p. 446. 4) Kohlrausch: Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. 5) Sappey: Traite d’anatomie descriptive. Paris 1876. T. II. p. 272 et 284. 6) Henle: Handbuch der sytematischen Anatomie des Menschen. Braunschweig, 1872. S. 515 u. 537. 1 DD a Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. Die letzte und tiefste Abtheilung des Sphincter ext. ist da- durch ausgezeichnet, dass ihre Angehörigen allem Anscheine nach den Mastdarm in geschlossenen Ringen umkreisen und somit weder nach vorn, noch nach hinten besondere Ansatzstellen erkennen lassen. c. Längsfaserschicht des Mastdarmes. Die glatten Längsfasern des Mastdarmes bieten oberhalb der beiden Afterschnürer nichts Bemerkenswerthes. Ihr Verhalten wird jedoch ein sehr eigenthümliches, sobald sie in deren Bereich ge- langt sind. Sie zerfahren, indem sie in die Lücke zwischen Sphinct. ext. und int. vordringen, pinselförmig und durchsetzen beide mit zahlreichen Bündeln, um theils auf deren Gebiet, theils jenseits desselben auf dem Boden der äussern Haut ihr Ende zu finden (Fig. 1—4). Der genauere Sachverhalt ist folgender. Die tiefsten Schichten des Längsfasersystems gelangen zwi- schen den obern Bündeln des inneren Afterschnürers zur Schleimhaut und vereinigen sich hier zu einer ziemlich starken Lage, welche bis zur Muscularis mucosae vordringt und mit derselben verschmilzt. Einige der Fasern mögen wohl in deren Besitz verbleiben, die meisten von ihnen biegen jedoch, von neuem in Gruppen ge- sondert, zwischen den untern Bündeln des Ringmuskels wieder nach aussen. Sie umfassen dabei ein jedes derselben von unten her mit nach oben eoncaven Schlingen und verlieren sich gegen die Längs- faserschicht hin ohne bestimmte Grenze. In der letzten Schlinge ruht das unterste Randbündel des Sphincter internus. Die Mus- cularis mucosae hat an ihnen keinen Theil. Ihre Fasern strahlen vielmehr geradlinig neben dem Afterrande in die Haut aus. Die geschilderte Faserschicht liegt also im Innern der von den Ringmuskeln gebildeten Ampulle und verflacht in hohem Grade deren eoncave Wandfläche. Sie entspricht dem Dilatator internus von Rüdinger (a. a. o.), doch ist diesem Forscher, da seine Schnitte nicht weit genug nach oben reichten, ihre Herkunft unbekannt geblieben. Er bezieht sie auf eine einfache Verdiekung der Muscularis mucosae !) und lässt sie somit nur in einer Richtung mit den Ringfasern zusammentreffen. In Wirklichkeit entspricht aber die ganze Faserlage einem besondern, von der Museularis 1) Sustentator tunicae mucosae (Kohlrausch). 726 C. Rouxs: mucosae unabhängigen concentrischen Lamellensystem, dessen äusserste Glieder in kurzem Bogen die mittleren Bündel des Sphineter int. umgreifen, dessen mittlere und innere sich mehr und mehr in die Länge strecken, um die weiter auseinanderliegenden Faser- gruppen der obern und untern Muskelhälfte unter einander zu verket- ten. In longitudinalen Diekendurchschnitten der Darmwand nehmen sie sich wie Bogen-Sehnen aus, welche die concaven Seiten der vom Sphineter int. gebildeten Bogenlinien überbrücken. Es bedarf wohl kaum des Hinweises darauf, dass diese Verhältnisse nicht an allen Durehschnitten mit gleicher Deutlichkeit zu Tage treten. An andern hinwiederum sind sie aber so klar ausgeprägt, dass jeglicher Zweifel über die Bedeutung des Gesehenen verschwinden muss. Ungleich grösser ist derjenige Bruchtheil des Längsfasersystems, welcher sich dem Sphineter externus zuwendet. Er ist bestimmt, bis zur Haut vorzudringen, und theilt sich zu diesem Behufe in eine Anzahl von eoncentrischen Schichten, deren innerste zwischen den beiden Sphineteren hindurch geht, während die nachfolgenden den Körper des Sphincter ext. durchbohren. Jene allein ist con- tinuirlich. Diese dagegen zerfallen in zahlreiche Streifen, welche sich durch die Maschen des von dem Sphincter ext. gebildeten Netzwerkes hindurchschieben. Es kann somit nur insofern von einer concentrischen Schichtung gesprochen werden, als sich je- weilen eine gewisse Anzahl von ihnen auf ein und dieselbe Kreis- ebene beziehen lässt. Sie enden in den tiefsten Schichten der Lederhaut, in welche sie entweder direct oder nach vorgängiger spitzwinkliger, stellenweise auch schlingenförmiger Vereinigung mit den Nachbarbündeln auslaufen. Es sind dies übrigens Dinge, die bereits von anderer Seite vollkommen naturgetreu sind geschildert worden !). Die Behauptung von Robin und Cadiat (a. a. 0. S. 601), dass die Längsfasern nur zwischen die untersten peripheri- schen Bündel des Sphineter ext. vordringen, sowie diejenige von Henle (a. a. O. S. 197), dass sie bereits oberhalb des Sph. ext. ihr Ende finden, ist, wie mich der Befund an über hundert Schnitten ohne Ausnahme gelehrt hat, entschieden unrichtig. Wir werden später darauf zurückkommen, wie sie in ihren Endausstrahlungen von quergestreiften, dem Levator ani entstammenden Faserbündeln begleitet werden. 1) Rüdinger, a. a. 0. Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 727 Das geschilderte Verhältniss zwischen Längsfasersystem des Mastdarms und Aftersehnürer gilt für den grössten Theil des Af- terumfanges. Es erleidet jedoch eine nicht unwesentliche Modifi- cation in der vorderen Mittellinie. Hier theilen sich die Längs- fasern in ihrer Hauptmasse einfach in zwei Bündel, welche diver- sirend die Bestandtheile des Sphincter ext., sowie auch einige ihnen beigemischte Elemente des Afterhebers umfassen und unterhalb derselben in die Haut eintreten. Nur wenige schwächliche Bün- del bahnen sich den Weg durch sie hindurch. d. Afterheber (Levator ani). Der Afterheber ist nicht der einheitliche Muskel, als welcher er in der Regel dargestellt wird. Man braucht nicht eben viele Frontal- und Horizontaldurehschnitte der Aftergegend sich anzusehen, um sotort zu erkennen, dass er aus zwei durch Richtung und An- satz wesentlich verschiedenen Faserlagen besteht. Beide sind auch dureh die gewöhnliche Präparationsweise, namentlich in mit Carbolwasser injieirten Leichen, unschwer zu trennen, und mehr als einmal gelang es mir, sie vermittelst des blossen Fingers oder mit Hülfe des stumpfen Scalpellheftes von einander abzulösen. Sie liegen übereinander und können daher als oberflächliche und tiefe Schicht oder ihrer nach innen absteigenden Richtung wegen auch als äussere und innere Schicht unterschieden werden. Richtiger wäre es allerdings, nur die letztere als Afterheber zu bezeichnen und die erstere anderswie zu benennen. Ich ziehe es indessen aus praktischen Gründen vor, die herkömmliche Bezeichnung bei- zubehalten. Schliesslich kommt ja, zumal in einer Wissenschaft, deren Nomencelatur auf alles andere eher als auf das Epitheton „rationell“ Anspruch zu machen berechtigt ist, weniger auf den Namen als auf die Sache an. «@) Oberflächliche oder äussere Schicht. Die Linie, welche gemeiniglich für den Ursprung des After- hebers im gewöhnlichen Sinn des Wortes angenoınmen wird, näm- lich die Streeke zwischen dem Sitzbeinstachel und dem Seitenrand des Schoossgelenkes, scheint nur in ihrer vorderen Hälfte oder in ihrem vorderen Drittel zu der oberflächlichen Faserschicht in Be- ziehung zu treten. Deren Angehörige verlaufen beinahe parallel 728 C. Roux: mit der Medianebene zu beiden Seiten des Urogenitalrohres zum vorderen seitlichen Umfange des Spincter ext. und zwar so, dass die untersten der Mittellinie zunächst zu liegen kommen. Sie gsränzen dabei unmittelbar an das oberste Randbündel des Sphineter ext. an und werden nur durch eine dünne, von spärlichen glatten Längsmuskelfasern durchsetzte Bindegewebsschicht davon geschie- den. Sie umfassen gleich ihnen den Mastdarm und fliessen hinter ihm bis zum Steissbein in der Mittellinie in einheitlicher Schicht zusammen. Dieselbe liegt höher als die entsprechende Faserlage des Sphincter ext. (Fig. 1 u. 2). In ihr kreuzen sich die beidseitigen Faserzüge, wenigstens zum Theil, und zwar um so spitzwinkliger, je näher sie der Spitze des Steissbeins zu liegen kommen. In der unmittelbaren Nähe des Afters wird der Kreu- zungswinkel so stumpf, dass es vielfach den Anschein gewinnt, als gingen die beidseitigen Fasern ohne Unterbrechung in einander über. Es ist indessen gerade an dieser Stelle beinahe unmöglich, die Grenze zwischen dem Levator und Sphincter ext. festzuhalten. Der Gedanke liegt daher nahe, dass alle derartigen Fasern dem letzteren angehören. P) Tiefe oder innere Faserschicht. Die tiefe Faserschieht!) übertrifft die oberflächliche an Flä- chenausdehnung; sie überragt sie ebensowohl nach vorn, wie nach hinten zu und nimmt somit die ganzen Randabschnitte des Leva- ‘tor ani im herkömmlichen Sinn des Wortes für sich in Anspruch. Ihre Fasern convergiren von beiden Seiten her gegen die After- spalte und dringen zwischen den Sphineter int. und ext. ein, um sich grossentheils dem glatten Längsfasersystem der Mastdarmwand anzuschliessen und mit ihm durch den Sphineter ext. hindurch zur Haut zu gelangen (Fig. 1). Die quergestreiften Elemente ver- schwinden dabei so ganz allmählich, dass von einer bestimmten 1) Sie entspricht zum Theil dem levator ani proprius von Lesshaft. Ihr voller Umfang musste diesem Forscher, da er ohne Mikroskop arbeitete, verborgen bleiben. Ich verdanke die Uebersetzung der russisch geschriebenen Dissertation (Petersburg, 1865) der Freundlichkeit von Fräul. stud. med. Begun in Bern. Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 129 Endigung derselben nicht gesprochen werden kann. Sie gehen einfach in den Zügen glatter Längsfasern auf'). Anders verhalten sich die vordersten und hintersten Rand- bündel unsres Muskels. Jene überschreiten, dieht über dem Sphine- ter ext. und mit ihm zu einheitlicher Masse verschmolzen (Fig. 3 und 4), die Mittellinie, um sich an die Längsfasern der gegen- überliegenden Seite anzuschliessen ?). Diese verflechten sieh über den Fasern der äussern Schicht des Afterhebers zu einem unregel- mässigen Netzwerke, das an der Vorderfläche der Steissbeinwirbel sein Ende findet (Fig. 2). Es ist unmöglich, die einzelnen Fasern in ihrem ganzen Verlaufe zu verfolgen. Ihre Zartheit und der hohe Grad ihrer Verfilzung bereiten unübersteigliche Hindernisse. Zwischen After und Steissbein folgen sich somit die Faser- züge der Aftermuskulatur in dreifacher Schicht. Am oberflächlich- sten liegen die Angehörigen des Sphineter ext., dann kommen die Ausstrahlungen der oberflächlichen oder äussern Schicht des Afterhebers. Den Beschluss bildet dessen tiefe oder innere Schicht (Fig. 2). 2. Nebenmuskulatur der Afterspalte, Entfernt man die hinter dem After gelegenen und soeben in ihrer Reihenfolge aufgezählten Muskelschichten, so trifft man (Fig. 2) aufeine weitere, aus glatten und quergestreiften Elementen gemischte Faserlage®). Es ist dies der M. recto-coceygeus oder retraetor reetivon Treitz *) und der Teensor fasciae latae von Kohl- rausch°). Beraud®) macht daraus einen suspenseur du rectum, Le ss- 1) Sie sind in den Abbildungen der Deutlichkeit zu Liebe schärfer dargestellt, als solches in Wirklichkeit der Fall ist. 2) In einem einzigen Falle glaubte ich auch Anschlüsse einzelner Fasern an den Bulbo-cavernosus erkennen zu können. 3) Der Behauptung von Kohlrausch (a. a. O.), dass sie bloss letz- tere enthalte, kann ich ebensowenig beistimmen, als derjenigen von Luschka (Anatomie Bd. 2. Abth. 2. S. 209) und Henle (Anatomie, 1. Aufl. Bd. 2. S. 185), dass sie deren gänzlich entbehre. 4) Vierteljahrschrift für praktische Heilkunde. Prag 1863. Bd. 1, Seite 124. 5) Kohlrausch a. a. 0. 6) citirt bei Lesshaft. 730 C. Roux: haft') ein Faseiculum sacro-coceygeum s. adjutorium internum. Der Recto- coceygeus entspringt an der Vorderfläche des Steiss- beines mit zwei seitlich von der Medianebene gelegenen schma- len Streifen, welche kaum die Breite des genannten Knochens überragen, und schliesst sich im weiteren Verlaufe den glatten Längsfaserzügen an. Einige der Fasern, besonders eine gewisse Anzahl von quergestreiften, durchsetzt, statt die Längsfasern zur Haut zu begleiten, deren Schicht und endet zwischen den Bündeln des Sphineter internus, wie dies bereits Krause?) beob- achtet hat, nur dass er sie fälschlich ausschliesslich aus glatten Fasern bestehen lässt. Die Steissbeinfasern kehren in beiden Geschlechtern in glei- cher Weise wieder. Dagegen finden wir, dass von vorn her die Mastdarmmuskulatur nur beim männlichen Individuum (Fig. 4) Zu- züge aus der Nachbarschaft erhält, während beim weiblichen (Fig. 3) solche völlig zu fehlen scheinen. Sie zweigen theils in auf-, theils in absteigender Richtung von der Längsfaserschicht der Harnröhre ab, verflechten sich in unregelmässiger Weise gegen- seitig und mit den Längsfasern des Mastdarmes, an welche sie einige magere Bündel abtreten, und enden grösstentheils zwischen den Bündeln des Spineter int. Sie erinnern somit an den Reecto- coeeygeus und werden daher passend zur Grundlage eines M. recto- urethralis gemacht. Wir können das Ergebniss unserer Untersuchungen in wenig Worten zusammenfassen. Die Aftermuskulatur enthält zwei typi- sche Fasersysteme, ein longitudinales, der Achse des Darmkanales gleich gerichtetes, und ein transversales, sie mehr oder weniger rechtwinklig überkreuzendes. Beide erscheinen als ein Gemisch von glatten und quergestreiften Elementen, immerhin in der Weise, dass jene im ersten, diese im zweiten System die Oberhand gewinnen. Beide durchflechten sich, bevor sie durch Anschluss an die äussere Haut oder an tiefer gelegene Organe ihr Ende finden. 1) Lesshaft: Ueber einige die Urethra umgebende Muskeln u. Fascien. Arch. f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1873. 2) Krause: Handbuch der menschlichen Anatomie. 2. Aufl. Bd. 1.5. 219. Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 731 Das Längsfasersystem entstammt in seinen glatten Bestand- theilen der Wand des Mastdarms selbst. Die quergestreiften ge- hören in das Gebiet der innern oder tiefen Schicht des Afterhebers. Es strahlt zum grössten Theil in die Haut aus. Das Querfasersystem ist etwas verwickelter. Ein Theil von ihm umzieht den After mit geschlossenen Ringen, welche die Mit- tellinie des Körpers ohne Unterbrechung überschreiten, ein anderer zerfällt in symmetrische Seitenhälften, deren Fasern mit oder ohne beidseitige Kreuzung nahe der Mittellinie enden. Dem ersteren gehört der ganze Sphincter internus und ein kleiner Bruchtheil des Sphineter externus an, für den letzteren liefert der Sphincter ext. das Haupteontingent. Es wird unerheblich verstärkt durch Bündel der innern Schicht des Afterhebers. Dessen äussere Schicht bleibt dem After überhaupt fern und tritt in keine nähere Bezieh- ung zu ihm. Seine Seitenhälften schliessen in der Mittellinie und hinten zusammen; vorn bleiben sie getrennt. Die Beziehungen der verschiedenen Faserbündel lassen sich der Hauptsache nach folgendermaassen übersichtlich zusammen- stellen: l. Längsfasersystem: Längsfaserschicht des Mastdarms. 2. Querfasersystem: Sphineter ext. und Innenschicht internus. Aussen- ( des levator ani. schicht des leva- tor ani. Alles Weitere ergiebt sich aus dem nachfolgenden Schema. Von allem Nebensächlichen ist in demselben selbstverständlich Umgang genommen. 732 6. Roux: Schematische Darstellung d. Faserverlaufs d. Aftermuskulatur. MM Medianebene. .— Ü, Steissbein. — 1, Längsfaserschicht des Mast- darmes in ihren unteren Ausstrahlungen; Il‘, Bündel, welche den Sphincter int., I“, Bündel, welche den Sphincter ext. durchsetzen u. dessen Fasergruppen von unten her umgreifen. — Sph. i., Spincter internus. — Sph. e., Sphincter externus, «, geschlossene Ringschicht, £, Hautschicht, y, Steissbeinschicht mit theilweiser Ausstrahlung in den Muse. bulbo-cavernosus (b.c.) u. transversus perinei superf. (t.p.) — L.i., Innere, L.e., äussere Schicht des Afterhebers. — Die oberfläch- lichen Ansätze an der Haut sind durch Punkte, die tiefen an der Raphe der Mittellinie durch Kreuze hervorgehoben. Le Beiträge zur Kenntniss der Aftermuskulatur des Menschen. 733 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII und XXXIL. Herstellung vermittelst Scioptikon u. Miskroskop. — Kinder. — Folgende Bezeichnungen kehren in den Figuren in gleicher Weise wieder: R, Schleimhaut des Rectum. — Sph. i., Sphincter int. — Sph. e., Sphincter ext.; Sph. e.‘, Hautschicht desselben — L.i., Innere, L.e., äussere Schicht des Levator ani. — 1, Längsfaserschicht des Mastdarmes mit den Sphincter int. (l‘) und den Sphineter ext. (l“) durchsetzender Abtheilung. — c, Ringsfaserseicht. Fig. 1. Frontalschnitt des Mastdarms. Fig. 2. Hinterer Sagittalschnitt des Mastdarms. O.c., Steissbein. — r.c., Mus- culus recto-coceygeus. Fig. 5. Vorderer Sagittalschnitt des Mastdarmes (Mädchen). — V, Scheide. Fig. 4 Vorderer Sagittalschnitt des Mastdarmes (Knabe). — U, Harnröhre mit der Längsmuskelschicht. — (.c., Corpus cavernosum (bulbus) urethrae. — b.c., Musc. bulbo-cavernosus. — r.u., Musc. recto- urethralis. Fig. 5. Horizontalschnitt des Sphincter ext. Ueber den Bau und die Function des Kammes (Pecten) im Auge der Vögel. Von Dr. Gabriel Denissenko (St. Petersburg). Hierzu Tafel XXXIV. Der Bau des Kammes ist noch immer nicht genau bekannt; nur so viel kann als sicher gestellt gelten, dass dieses Organ sehr gefässreich ist und dass die Gefässe ein engmaschiges Capillarneiz bilden. Die wenigen Forscher, die sich überhaupt mit dieser Frage beschäftigt haben, begnügten sich entweder nur mit einer kurzen 734 Gabriel Denissenko: Erwähnung des Kammes, (wie Huschke!), Barkow?), Wagner?), H. Müller*!), Leydig?), Gegenbaur‘), Owen’?), oder sie behan- delten nur die embryologischen Verhältnisse unseres Organs genau, sein anatomischer Bau wurde nur so nebenbei besprochen, (Lieber- kühn®), Mihalkoviecs’), Kessler'"). Ueber seine physiologische Bedeutung ist die Ansicht von Mihalkovics bekannt geworden, nach welcher der Kamm zur Ernährung der Glaskörper da wäre; diese Ansicht kann nur den Werth einer theoretischen Erwägung beanspruchen, da für sie ausser der nahen Nachbarschaft der beiden Organe keine weitere anatomische Thatsache spricht. Leuekart !!) hat eine kurze aber genaue Beschreibung des Kammes gegeben, wobei er dieses Organ für ein „Anhangsorgan der Chorioidea“ er- klärt. Obgleich auch Gegenbaur (l. ce.) eine ähnliche Ansicht ausgesprochen hat, so können wir dennoch dieselbe aus vielfachen Gründen nicht theilen und zwar 1) schon deshalb nicht, weil der Kamm durch die Retina ganz von der Chorioidea getrennt ist; 2) weil die Gefässe beider Organe in gar keinem Zusammenhange mit einander stehen (Barkow und Mihalkovies); 3) werden wir weiter unten nachweisen, dass dem Kamm eine ganz andere physio- logische Function zukommt, als der Chorioidea. 1) Huschke: Commentatio de pectinis in Oculi avium potestate. Jena 1827. 2) Barkow: Anatomisch-physiologische Untersuchungen, vorzüglich über das Schlagader-System der Vögel. Merkel’s Archiv 1829. 3) Wagner R.: Beiträge zur Anatomie der Vögel. Abhandlung der mathematisch-physiologischen Klasse der bayer. Akademie. München 1832. 4) Müller H.: Anatomisch- physiologische Untersuchungen über die Retina des Menschen und der Wirbelthiere. Gesammelte und hinterlassene Schriften zur Anatomie und Physiologie des Auges. 1. Bd. Leipzig 1872. 5) Leydig: Lehrbuch der Histologie d. Menschen u. d. Thiere. 1857. 6) Gegenbaur: Grundzüge der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1873. 7) Owen: Comparative Anatomy and Physiologie of vertrebrales. Vol. II. London 1866. 8) Lieberkühn: Ueber das Auge des Wirbelthierembryo. Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Mar- burg. Cassel 1872. 9) Mihalkovies: Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. IX. 1873. 10) Kessler: Zur Entwicklung d. Auges d. Wirbelthiere. Leipz. 1877. 11) Leuckart. Organologie des Auges. Handbuch der gesammten Augenheilkunde von Graefe und Saemisch. Leipzig 1876. Ueber den Bau u. die Function des Kammes (Pecten) im Auge der Vögel. 735 Leydig meint „Jene eigenthümlichen Fortsätze, welche die Choroiden bei den Vögeln ins Innere des Glaskörpers schickt und unter dem Namen Pecteen bekannt sind, haben den Bau der Processus eiliaris“. Dieser Vergleich beruht höchstens auf einer rein äusserlichen Aehnlichkeit und hat weder eine ana- tomische noch eine physiologische Berechtigung. Der Kamm hat einen blätterigen Bau und besteht aus vielen ungleich grossen Plättchen, die unter einem spitzen Winkel zusam- menstossen; die kleineren Plättchen befinden sich an den beiden Enden der Papilla nervi optici (die bei den Vögeln eine ovale Form hat), während die grösseren sich in der Mitte derselben befinden. Die Plättehen haben eine dreieckige Gestalt, ihre Basis ist an der Papilla befestigt, ihre freien Spitzen werden durch eine feste Binde- masse zusammengehalten. Der ganze Kamm, sowie jedes seiner Plättchen werden von einer feinen, homogenen, durchsichtigen Haut umhüllt, die hie und da Pigmentkörner enthält. Trennt man den Kamm an seiner Wurzel von der Papilla opt. und schneidet von seiner Spitze einen schmalen Streifen ab, so lässt sich das ganze Organ auseinander blättern und man kann dann aus mehreren feinen Plättchen ein ansehnliches Präparat herstellen. Breitet man ein solches, mit Berlinerblau gut injieirtes, mit Carminammoniak gefärbtes Präparat auf einer Glasplatte aus, so kann man an ihm sehr gut die Gefässe, ihre Adventitialhüllen, sowie die glashelle Umhüllungshaut studiren. Wir sehen da an jeder Stelle, wo zwei Plättehen zusammen- stossen, ein Hauptstämmchen von der Basis zur Spitze des Kammes verlaufen. Auf dem Wege dahin giebt das Stämmchen rechts und links Aestchen ab, die sich ihrerseits wiederum vielfach verzweigen und schliesslich in ein dichtes Capillarnetz auflösen Fig. 1; diese Capillaren (die übrigens ziemlich stark sind) vereinigen sich wieder zu grösseren Venenästchen und fliessen zuletzt zu einem gemein- samen Stämmchen zusammen, das gleichfalls auf der Kante zweier Plättchen verläuft. Diese Anordnung der Gefässe in dem Kamme erinnert lebhaft an die Anordnung derselben in der Choriocapil- laris, nur haben die Gefässe in der Letzteren keine Adventitial- haut. Einige Thiere lassen bei starker Vergrösserung stellenweise eine doppelte Gefässreihe sehen. Zwischen beiden Reihen verläuft ein grösseres Gefässzweiglein und trennt sie von einander 736 Gabriel Dentissenko: Sattler'), während im Kamme jedes Zweiglein seine eigene Ad- ventitia besitzt. Schon bei schwacher Vergrösserung kann man um die Ge- fässe eine feine, rothe Einfassung sehen, die von schwarzen Pig- mentkörnern begrenzt ist. Führt man die Injection unter starkem Drucke aus, so zerreissen stellenweise die Gefässwände und die Injeetionsmasse tritt aus den Gefässen in ihre Umgebung aus; die- selbe erscheint als ein dicker unregelmässiger Fleck, der das Ge- fäss eine Strecke weit umgiebt und manchmal auch in die Um- gebung anderer Gefässe eindringt; da, wo der Fleck aufhört, kommt das Gefäss als feiner Faden wieder zum Vorschein. Eine starke Vergrösserung zeigt uns direct, dass die bei schwacher Ver- grösserung sichtbare Einfassung der Gefässe wirklich ein feines Häutchen ist, das aus eng aneinander liegenden polygonalen Zellen besteht und das Gefäss ziemlich frei umhüllt (Fig. 2). Die Letz- teren verlaufen innnerhalb ihrer Hüllen als feine Faden, die bald dicker bald dünner werden. Mihalkovies und Eberth!!) halten diese unsere Adventitialhaut für die Gefässhaut selbst, aber man braucht sich nur einmal ein derartiges gut injieirtes, mit Carmin- ammoniak gefärbtes Präparat anzusehen, um sich von der Richtig- keit unserer Behauptung zu überzeugen. Ist der Druck bei der Injeetion nicht zu stark gewesen, so kann doch etwas von der flüssigen Injectionsmasse aus den Ge- fässen in den Raum zwischen der Gefässwand und Adventitialhaut austreten, die gefärbte Masse vertheilt sich aber in diesem Raum dann ungleichmässig, wodurch die äussere Schattirung der Ad- ventitia unregelmässig, wie gezackt erscheint, ein Beweis, dass sie nicht eine feine Röhre bildet, in der das Gefässzweiglein ganz frei liegt und sie an keiner Stelle berührt, sondern dass es zwischen der äusseren Seite der Gefässwand und der inneren Seite der Ad- ventitia gewisse Hindernisse gibt; die Injectionsmasse kann diese Stellen nicht passiren, wenn der Injectionsdruck nicht stark genug war, diese Hindernisse zu überwinden, wodurch eben diese un- 1) Sattler H.: Ueber den feineren Bau der Chorioidea des Menschen nebst Beiträgen zur patholopischen und vergleichenden Anatomie der Ader- haut. Arch. f. Ophthalmologie von Gräfe. Bd. 22. 1872. 2) Eberth, €. J. Von den Blutgefässen. Handbuch der Lehre von den Geweben von Stricker. Leipzig 1872. Ueb. den Bau u. die Function des Kammes (Pecten) im Auge der Vögel. 737 gleiche Vertheilung der Injeetionsmasse erklärt werden kann. Diese Deduction wird durch eine Untersuchung bei starker Vergrösserung bestätigt. Auf einem Querschnitt kann man mehr oder weniger feine Fäden von der Gefässwand zur Adventitialhaut verlaufen sehen, die zur Befestigung der Gefässe dienen. Die Wegsamkeit des Canals in der Adventitia wird jedoch durch diese Fortsätze aus der Gefässwand niemals ganz unterbrochen, sondern die Theile oberhalb und unterhalb der Fortsätze bleiben durch ovale oder runde Oeffnungen zwischen denselben stets mit einander in offener Communication (Fig. 3). Die Häutehen umhüllen alle Gefässe des Kammes, die Capil- laren sowohl, als auch die grösseren Stämmchen; sie beginnen an der Spitze des Kammes und begleiten die Gefässe bis zu dessen Basis ; die Häutchen werden auf ihrem Verlauf zur Basis des Kammes immer weiter, ein Umstand, der ihr Auffinden erleichtert. Ueberhaupt ist diese Stelle am besten geeignet die Verhältnisse der Adventitialhaut zu studiren. Abgesehen von den Adventitialhäutehen um die Gefässe, wird unser ganzes Organ von einer homogenen, pigmenthaltigen Haut umgeben. Kessler und Mihalkovics halten diese Haut für eine Gefässkapsel oder Adventitia, die jedes einzelne Gefäss umhüllt. Wir können nicht entscheiden, ob diese Ansicht richtig ist; dieses Häutchen ist durchsichtig, lässt sich nicht gut färben und eine ge- naue Untersuchung seines Verhaltens zu den Gefässen wird dadurch sehr schwierig. Fig. 2e. Der Umstand aber, dass diese Haut in der Nähe der von uns eben beschriebenen Adventitialhaut liegt, spricht dafür, dass sie eine zweite, wenn auch nicht vollkommene Hülle der Gefässe ist, bestimmt, dieselben zusammen zu halten. Die innere Seite der homogenen Haut ist pigmenthaltig, das Pigment begrenzt von beiden Seiten unsere Adventitialhaut; bei der Durch- musterung unserer diesbezüglichen Präparate fanden wir nun die homogenen Häutchen, welche die einzelnen Plättehen umhüllen, an den Berührungsstellen, da wo das Pigment am zahlreichsten ist, mit einander verwachsen. Fig Id. An diesen Stellen bildet die homo- gene Haut für die Gefässe wirklich eine zweite Hülle. Es wäre interessant zu erfahren, ob die homogene Haut die Gefässe da, wo sie übereinanderlaufen und zwei Gefässreihen bilden, von einander trennt. Dieses müsste dieFrage entscheiden, ob diese Haut eine wirkliche zweite Gefässhülle ist, oder auch zur Befestigung der Gefässe in Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 19. 49 738 Gabriel Denissenko: ihrer Lage dient. Wenn diese Ansicht von Mihalkovies richtig ist, so würden die Gefässe des Kammes nicht eine, sondern zwei Häutehen besitzen, dadurch würde aber die andere obenerwähnte Annahme von Mihalkoviez, wonach der Kamm da sei, um den Glaskörper zu ernähren, hinfällig. Die Nährstoffe müssten ja dann erst zwei Häutchen passiren, ehe sie an den Glaskörper heraus- kommen. Was nun das Pigment in diesen Häutchen betrifft, so findet sich das meiste davon an der Basis und an der Spitze des Kammes, in der Mitte ist es weniger zahlreich. An dieser Stelle gelang es mir, wenn auch mit vieler Mühe, auf sehr feinen Präpa- raten wiederholt Kerne zu sehen. (Kessler.) Dieses Häutchen muss also aus Zellen bestehen, obgleich es ganz homogen erscheint. Wir sehen also, dass die homogene Hülle um den Kamm sich von der Spitze bis zur Basis erstreckt, von wo sie in die Membrana limitans übergeht. Die stärkeren Gefässe des Kammes laufen an der Kante zweier Plättchen gleichfalls von der Spitze zur Basis, dabei immer stärker werdend, ebenso wird das Lumen der Ad- ventitialhülle um die Gefässe immer weiter, je näher der Basis des Kammes, wo es nicht selten in den Raum übergeht, der die Adventitialhülle um den Hauptstamm unseres Organs bildet. Auf einem Querschnitte der Netzhaut und des Kammes, (gleich- viel, ob der Schnitt durch die Länge oder durch die Breite des Letzteren gegangen ist) sehen wir die Nervenfaserschicht von vie- len feinen Fäden durchbohrt, die Mihalkovics und Kessler für. Bindegewebsfasern halten. Diese Fäden beschränken sich nicht auf diese einzige Schicht, sie dringen auch in die Substanz des Optieus, gehen seitwärts von diesem nach der Netzhaut und drin- gen in derselben bis zur Ganglienzellenschicht und bis zu den Körnerschichten vor. Bei der Untersuchung an sehr feinen Schnitt- präparaten und bei starker Vergrösserung findet man, dass die sogenannten Bindegewebsfasern keine solide Fäden oder Stränge, sondern feine, hohle Röhrchen sind, welche die Ganglienzellen- schicht, sowie die Körnerschichten entweder mit dem Hauptlymph- raume des Kammes vereinigen (dieser umgiebt den Hauptblutstamm, befindet sich also an der Basis des Kammes), oder sie verbinden diese Schichten mit der Basis des Plättchens, da wo sie der Nervenfaserschicht anliegen und wo sich mehrere grössere Lymph- räume bilden Fig. 4k,k‘. Wir vermutheten nun, dass diese Röhren die Lymphgefässe der Netzhaut seien, welehe die in dem Kamme, Ueb. den Bau u. die Function des Kammes (Pecten) im Auge der Vögel. 739 infolge des da herrschenden grossen Blutdrucks, secernirte Lymphe durch die ganze Netzhaut führen. Um uns von der Wahrhei unserer Vermuthung zu überzeugen, machten wir eine gewaltsame Injection in der Erwartung, die injieirte Masse werde die Wan- dung der Blutgefässe theilweise zerreissen und in das Lumen der Lymphräume eindringen, von wo aus, wenn unsere Vermuthung richtig ist, sie in die Ganglienzellenschicht und in die Körner- schichten gelangen muss. Unsere Erwartung wurde vollauf be- stätigt. Wir fanden an diesen Präparaten die Injectionsmasse nicht allein in den Röhren, sondern auch in den erwähnten Schichten (Fig. 4). Die Weite dieser Lymphröhren ist sogar bei einem und dem- selben Thiere sehr verschieden. So sind sie beim Huhn bald enge Spalten von 0,001‘, so dass man sie nur mit Mühe inner- halb der Nervenfaserschicht erkennen kann, bald konnten sie eine ansehnliche Weite, ausnahmsweise sogar eine Weite von 0,02‘ erreichen. Bei der unmittelbaren Nachbarschaft der Netzhaut und der Chorioidea könnte man vermuthen, dass die Blutgefässe oder doch die Lymphgefässe beider Häute mit einander in Verbindung stän- den. Dieses ist aber durchaus nicht der Fall; im Gegentheil haben alle unsere diesbezügliche Untersuchungen ergeben, dass zwischen der Retina und der Chorioidea keine Verbindung weder von Blut- noch von Lymphgefässen existirt. Die Gefässe der Chorioidea geben sogar dem Opticus nichts von ihrem Blute ab, vielmehr wird derselbe von der Chorioidea nicht selten durch einen grossen Lymphraum getrennt (Schwalbe!)) und zwischen diesem Lymph- raume und der Chorioidea befindet sich noch eine sehr feste fibröse Scheidewand, so dass nicht einmal die benachbarten Lymphräume mit einander communieiren können. Dieser Umstand spricht gegen Leuckart, der den Kamm als Anhang der Chorioidea be- trachtet; ebenso wenig richtig ist es, den Kamm einfach als Theil der Chorioidea zu betrachten (Gegenbaur); vielmehr müssen wir annehmen, dass die Gefässe des Kammes bei den Vögeln völlig identisch sind mit den Gefässen der Netzhaut bei den Säu- gethieren. Die Körnerschichten sind an der Eintrittstelle des Op- 1) Schwalbe: Ueber Lymphbahnen der Netzhaut und des Glaskörpers. Bericht der königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften 1872. 740 Gabriel Denissenko: ticus bedeutend verändert. Ihre Hohlräume sind da entweder an und für sich gross und verlaufen in horizontaler Richtung oder zwei kleine Räume vereinigen sich zu einem einzigen grossen Raume (Fig. 5 q). In einiger Entfernung vom Optieus haben die Räume ihre gewöhnliche Grösse wieder und der ganze Bau der Schichten wird wieder normal. Aus den angeführten Thatsachen drängt sich uns die. Ueber- zeugung auf, dass der Kamm bei den Vögeln zur Ernährung der Netzhaut da ist. Die Blutgefässe, welche bei den Säugethieren auf der ganzen Netzhaut vertheilt sind, treten bei den Vögeln eben als ein besonderes Organ, als „Kamm“ auf. In diesem Or- gan wird eine farblose Flüssigkeit (L,ymphe) bereitet, die von da aus durch die ganze Netzhaut verbreitet wird. Die Erschei- nung, dass die Nährflüssigkeit eines Organs nicht in ihm selbst, sondern anderswo bereitet und dann erst diesem zugeführt wird, ist nicht so ganz selten. Speziell von der Netzhaut möchten wir behaupten, dass sie nicht direkt von den Blutgefässen, sondern von der in diesen Gefässen bereiteten Lymphe ernährt wird, gleichviel, ob diese Gefässe in der Netzhaut selbst (Säugethiere) oder in der Membrana hyaloidea verlaufen (Amphibien, Reptilien, Fische) oder endlich ein besonderes Organ bilden wie bei den Vögeln. Nur dadurch kann man die Menge der Hohlräume in der Netzhaut, die Communication zwischen den Hohlräumen in den beiden Körnerschichten !), sowie ihre Communication in derselben Schicht unter einander?) erklären. Die Communication zwischen den Hohlräumen in den beiden Körnerschichten ist auch für die Thiere unentbehrlich, deren Blutgefässe in der Netzhaut selbst verlaufen, weil diese Gefässe unter dem äusseren Plättehen der Zwischenkörnerschicht liegen und da ist die Communication der Lymphräume nöthig, um die in den Blutgefässen verarbeiteten Nährstoffe auch nach den entfernt liegenden Räumen zu befördern. Eben desshalb eommunieiren auch die Hohlräume in einer und derselben Schicht miteinander, eine Erscheinung, die wir besonders bei den Vögeln beobachten. 1) Denissenko: Einige Bemerkungen über den Bau der Netzhaut. Centralblatt- für die med. Wissensch. 1880. Nr. 52. 2) Denissenko: Zur Lehre über den Bau der äusseren Körnerschicht bei verschiedenen Wirbelthieren. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 19. Ueb. den Bau u. die Function des Kammes (Pecten) im Auge der Vögel. 741 Die Kraft, welche die Lymphe fortbewegt, ist, nach unserer Meinung, in der Pulsation der Gefässe und in dem capillären Bau der Lymphröhren selbst, welche die gebildete Lymphe aufsaugen und sie weiter befördern, zu suchen. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXXIV. Ein ausgebreitetes Plättchen des Kammes von dem Huhn, injieirt und mit Ammoniakcarmin gefärbt. Ein kleines Gefäss, das in zwei Capillaren zerfällt. Querschnitt des Kammes an seiner Basis. Durchschnitt durch die Retina und den Opticus. Der Kamm ist der Länge nach durchschnitten. Derselbe Schnitt, der Kamm ist aber der Quere nach durchschnitten. sz Zapfen- und Stäbchenschicht. ak Aeussere Körnerschicht. ik Innere Körnerschicht. m Moleculärschicht. g Ganglienzellenschicht. nf Nervenfaserschicht. k Die Lymphröhren in der Nervenfaser- schicht. Etwas von der Injectionsflüssigkeit ist bis hier gelangt. k‘ Dieselben Röhren in der Mitte des Opticus. k“ Einmündung dieser Röhren in die Lymphräume der Netzhaut. q Grosse mit einander communicirende Räume in den beiden Körnerschichten. q‘ Räume in der Ganglienzellenschicht. p Pigmentirtes Epithelium. o Die Stille an der Basis des Kammes für den Hauptlymphraum. h Ein Längsschnitt durch ein Plättchen des Kammes. a Gefäss- stämmchen an dem Rand eines Plättchens verlaufend. b Adven- titialhaut um ein Gefäss. c Gefässe. d Pigment als grosse runde kugelförmige Körper in der homogenen Haut. e Ein Theil von dieser Haut selbst. f Oeffnungen zur Communication der Räume um die Gefässe untereinander. g Fortsätze aus der Gefässwand zur Verbindung mit der Adventitialhaut. s Sclera. 742 W. Flemming: Notiz zur Geschichte der Anilinfärbungen, Von Ww. Flemming. Im 2. Heft dieses Archivs 1881, p. 317, habe ich die Anilin- färbung an Chromsäure-Alkoholpräparaten, mit Entwässerung und Aufhellung, nach bestem Wissen als „Hermann’sche“ bezeichnet. Seitdem verdanke ich Herrn Prof. Böttcher in Dorpat die Mit- theilung, dass derselbe ein sehr ähnliches Verfahren, wie es das Hermann’s ist, schon lange vor der Mittheilung des Letzteren!) in Gebrauch gehabt, und darüber schon im Jahre 1869 Angaben gemacht hat?). Da die letzteren in Aufsätzen standen, deren Titel nicht zum Suchen nach technischen Mittheilungen veranlasste, da sie weder Hermann zur Zeit seiner Mittheilung bekannt waren, noch, soviel ich finde, seither in Handbüchern, Berichten oder sonstiger Literatur erwähnt worden sind, so kann es wohl ent- schuldigt werden, dass sie auch mir bisher unbekannt geblieben sind. Die Böttcher’sche Methode, so wie sie an den eitirten Orten mitgetheilt wurde, ist nun zwar nicht identisch mit der Hermann’- schen. Sie besteht in Vorbehandlung des Präparats mit Müller’- scher Flüssigkeit und Alkohol, Färbung der Schnitte mit salpeter- saurem Rosanilin in wässrig-glyceriniger Lösung, Ausziehung mit Alkohol, Aufhellung mit Creosot und Einschliessung in Damarlack oder Canadabalsam. In dieser Form würde das Verfahren gerade dem Zweck nicht entsprechen, um dessentwillen ich das Her- mann’sche so besonders eultivirt und empfohlen habe: Schärfste Kerntinetion an (mit Chromsäure) möglichst treu conservirten Kernen. Denn Müller’sche Lösung conservirt Kerne nicht getreu, 1) Tagblatt der Grazer Naturforscherversammlung p. 105. 2) A. Böttcher: Ueber den Aquaeductus vestibuli. Reichert u. Du Bois- Reymond’s Arch. 1869, p. 373, und: Ueber die multiloculären Eierstocksge- schwülste, Virchow’s Arch. Bd. 49 p. 302, Notiz zur Geschichte der Anilinfärbungen. 743 und die Aufhellung mit Creosot ist (wie ich schon a. a. O. angab) im Interesse der scharfen Färbung gerade zu vermeiden!). Doch theilt mir Herr Professor Böttcher mit, dass er die Anwendbar- keit der betreffenden Methode auch an Chromsäurepräparaten wohl gekannt und benutzt hat, wenn sie auch an den eitirten Orten un- erwähnt blieb; und ebenso, dass die damit gefertigten Präparate sich seit 11 Jahren in der Färbung vortrefflich gehalten haben. Es gebührt Bötteher also jedenfalls vor Hermann eine lange Priorität darin, Anilin-Kernfärbungen durch Ausziehung mit Alkohol und mit dauerndem Einschluss dargestellt zu haben. 1) Es ist Böttcher selbst nicht entgangen, dass die Schnitte in Creeosot „gewöhnlich noch etwas Farbstoff fahren lassen.“ A.a. O.p. 374. RL 7 EN B% DE ie o - Nas BR ma müet 1 A u) tion ann Rn \ ANTSE VER 2 ut ade TLIEITI DEE of 3 Tea latthlt a i TDım m Fix [I IH . ins . P I Ic u Kult Hl anthnie oft 5 AERBta 08 DIRT: ot? 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